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Positivität, Normativität und Institutionalität des Rechts Festschrift für Werner Krawietz zum 80. Geburtstag
Herausgegeben von Aulis Aarnio, Thomas Hoeren, Stanley L. Paulson, Martin Schulte und Dieter Wyduckel
Duncker & Humblot · Berlin
Festschrift für Werner Krawietz zum 80. Geburtstag
Positivität, Normativität und Institutionalität des Rechts Festschrift für Werner Krawietz zum 80. Geburtstag
Herausgegeben von Aulis Aarnio, Thomas Hoeren, Stanley L. Paulson, Martin Schulte und Dieter Wyduckel
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort Nur ganz wenigen Wissenschaftlern werden das Glück und die Ehre zuteil, mit gleich drei Festschriften aus Anlass runder Geburtstage ausgezeichnet zu werden. Werner Krawietz zählt zu ihnen. Schon zu seinem 60. Geburtstag fanden sich zahlreiche, ihm in vielfältiger Weise verbundene Kolleginnen und Kollegen, langjährige Weggenossen, Schüler und Freunde aus aller Welt zusammen, um jeweils aus ihrer Sicht einen Beitrag zum Thema „Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit“ zu leisten (Aarnio/Paulson/Weinberger/von Wright/Wyduckel [Hrsg.], Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit. Festschrift für Werner Krawietz zum 60. Geburtstag, Duncker & Humblot, Berlin 1993, XIII u. 834 S.). Zehn Jahre später stand thematisch die „Theorie des Rechts und der Gesellschaft“ im Mittelpunkt einer Festschrift aus Anlass seines 70. Geburtstages (Atienza/Pattaro/Schulte/Topornin/Wyduckel [Hrsg.], Theorie des Rechts und der Gesellschaft. Festschrift für Werner Krawietz zum 70. Geburtstag, Duncker & Humblot, Berlin 2003, XI u. 844 S.). Nach einer weiteren Dekade intensiven und vielfältigen Schaffens unseres Jubilars greift die vorliegende Festschrift aus Anlass seines 80. Geburtstages mit dem Thema „Positivität, Normativität und Institutionalität des Rechts“ zentrale Fragestellungen auf, die Werner Krawietz in seinem wissenschaftlichen Wirken seit langen Jahren bewegen. Mit der Positivität des Rechts setzen wir thematisch am Ausgangspunkt der Forschungen des Jubilars an, stand doch seine rechtswissenschaftliche Promotion im Jahre 1965 unter dem Thema „Das positive Recht und seine Funktion. Kategoriale und methodologische Überlegungen zu einer funktionalen Rechtstheorie“. Darin machte er es sich zur Aufgabe, „aus dem Gesichtswinkel der Rechtstheorie die Frage nach der sozialen Funktion des positiven Rechts in der Gegenwart aufzunehmen und damit einen – wenn auch bescheidenen – rechtstheoretischen Beitrag zu leisten“ (Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion, Berlin 1967, S. 8). Von Anfang an aber war Werner Krawietz bewusst, dass eine Engführung der rechtswissenschaftlichen Forschung auf das positive Recht mittel- und langfristig zu kurz greifen müsste. Deshalb hat er sich in seinem weiteren wissenschaftlichen Wirken schon frühzeitig dem komplexen Verhältnis von Normativität, Positivität und Faktizität des Rechts gewidmet. Recht wird von ihm als universales Phänomen der Gesellschaft begriffen, das in seiner Normativität, aber gerade auch in seiner Wirklichkeitsbezogenheit zu erfassen ist. Damit erlangen für ihn die im Recht zum Ausdruck kommenden Interessen und ihre Bewertung zentrale Bedeutung, was sich ganz besonders in seinen intensiven und instruktiven Forschungen zur Interessenund Wertungsjurisprudenz sowie zu den realistischen Theorien des Rechts niedergeschlagen hat. Das wissenschaftliche Œeuvre des Jubilars wäre aber kaum zutref-
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Vorwort
fend ohne das institutionelle Rechtsdenken umschrieben, das für Werner Krawietz als Amtsnachfolger von Helmut Schelsky auf dem Lehrstuhl für Rechtssoziologie, Rechts- und Sozialphilosophie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster höchst folgenreich geworden ist. Wie kaum ein anderer hat er sich mit dem institutionellen Rechtsdenken Helmut Schelskys auseinandergesetzt und dessen Konzeption von Recht und Gesellschaft in einer institutionentheoretisch gesättigten Theorie und Soziologie des Rechts fruchtbar gemacht. Diese zentralen Forschungsfelder der Positivität, Normativität und Institutionalität des Rechts aufgreifend, hoffen die Herausgeber und die Autoren dieser Festschrift auf eine freundliche und interessierte Aufnahme ihrer Forschungsbemühungen durch den Jubilar. Die Vita unseres Jubilars hat im Vorwort der ihm zum 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift ausführliche Würdigung erfahren, so dass auch an dieser Stelle darauf Bezug genommen werden kann (Aarnio/Paulson/Weinberger/von Wright/ Wyduckel [Hrsg.]), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Duncker & Humblot, Berlin 1993, S. V–IX). In den letzten beiden Jahrzehnten, das bleibt hier nachzutragen, hat der Jubilar – einmal abgesehen von seinen Forschungen im Bereich der westlichen Theorie von Recht, Staat und Gesellschaft – sich vor allem mit der nichtwestlichen und osteuropäischen Theorieentwicklung mit Russland als Schwerpunkt befasst. Dabei ging es zum einen um die von Werner Krawietz mit großem persönlichen Engagement verfolgte Mitarbeit und Tätigkeit als deutscher Koordinator beim Aufbau und Ausbau des Deutsch-Russischen Universitätszentrums für Rechtsstudien Moskau, das vom Institut für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften und der 1993 gegründeten Akademischen Rechtsuniversität Moskau (Institut) betrieben wird. Zum anderen wirkte er als Wissenschaftlicher Hochschullehrer und Studienleiter eines neuen Integrierten Deutsch-Russischen Studienprogramms für russische Studierende in Moskau, das unter der wissenschaftlichen Verantwortung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster und einer Reihe ihrer Hochschullehrer durchgeführt wurde. Um der tiefgreifenden Umstrukturierung des gesamten Erziehungs-, Bildungs- und Wissenschaftssystems in der modernen Gesellschaft Rechnung zu tragen, ist es dem Jubilar gerade in der letzten Dekade seines wissenschaftlichen Wirkens erfreulicherweise gelungen, diese Aktivitäten noch maßgeblich zu intensivieren. Mit ganzer Kraft und großem Erfolg hat Werner Krawietz im Benehmen mit dem Petersburger Dialog und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) die wissenschaftliche Ausbildung russischer Studierender im deutschen und europäischen Recht, aber auch die Fortbildung hochqualifizierter Juristen sowie die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte nachhaltig vertieft (siehe dazu nur Bergmann/Krawietz [Hrsg.], Gorbatschow-Sonderheft. Nach 20 Jahren Perestroika – Wege zu einer Neuen Weltordnung, Rechtstheorie 40 [2009], S. 149 – 252). Davon zeugen sicher nicht zuletzt mehrere zu Ehren unseres Jubilars in dieser Festschrift versammelte Beiträge russischer Wissenschaftler(innen) aus Moskau und St. Petersburg.
Vorwort
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Dieser Band hätte nicht fertiggestellt werden können, ohne die tatkräftige Mithilfe einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. An dieser Stelle ist vor allem Frau Katrin Börner von der Juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden zu nennen. In ihren Händen lag nicht nur die Vorbereitung und Abwicklung der umfangreichen Korrespondenz, vielmehr hat sie auch den redaktionellen Entstehungsprozess dieser Festschrift mit großer Umsicht und beeindruckender Sorgfalt begleitet. Dafür danken wir ihr sehr herzlich. Gleiches gilt für Frau Dipl.-Jur., Dipl.-Phil. Elena Kantypenko, M.A., vorübergehend Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Slavisch-Baltischen Seminar und am Internationalen Zentrum für Deutsch-Russische Rechtsstudien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, sowie Herrn Rechtsanwalt Andreas Schemann, Redakteur der Zeitschrift Rechtstheorie, Münster, die sich in ihrer nie nachlassenden Mitarbeit um die redaktionelle Bearbeitung der zahlreichen fremdsprachigen Beiträge verdient gemacht haben. Besonderer Dank gilt schließlich dem Verlag Duncker & Humblot sowie seinem Geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Florian R. Simon (LL.M.), dessen großzügige Förderung und Unterstützung die Publikation auch dieser Festgabe ermöglicht hat. Im Advent 2013
Die Herausgeber
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I. Globaler Modernismus versus Rechtspluralismus im Recht der Moderne By Mikhail Antonov, Sankt Petersburg In the Quest of Global Legal Pluralism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Von Thomas Lundmark, Münster Die Auswirkungen der Sprache auf die Vorhersehbarkeit des Rechts . . . . . . . . .
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By Eligio Resta, Rome Can we do what we can do? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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By Tercio Sampaio Ferraz jun., São Paulo Time and Legal Time in Times of Positive Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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By Volker H. Schmidt, Singapore Global Modernity, World Society and Global Justice: Preliminary Thoughts . . .
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Von Klaus Veddeler, Kassel Die sozial-kulturelle Wirklichkeit des Rechts in der Theorie des sozialen Wandels nach René König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Normative Strukturelle Kopplungen in Politik, Recht und Wirtschaft By Aulis Aarnio, Helsinki Law, Democracy and Constitutional State . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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By Joaquín García-Huidobro, Santiago de Chile Natural Justice is Subject to Change. Problems Arising from Aristotle’s Nicomachean Ethics V.7, 1134b18 – 1135a5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Von Athanasios Gromitsaris, Jena/Dresden Recht, Staat und Geld. Überlegungen zur multiplen Modernität der Rechtssysteme im Eurowährungsgebiet im Anschluss an Max Weber . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Von Sergej Korolev, Moskau Geld und Recht als Kommunikationsmedien in normen- und systemtheoretischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
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By Julia Laffranque, Strasbourg/Tartu Should Poverty, Democratic Deficit and a Lack of Judicial Protection be Challenged and if so how? A Look at the Rule of Law through the Eyes of the European Court of Human Rights . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Von Gianfranco Longo, Bari Ein jah|kou für den Staat, k|cor der Demokratie. Der Begriff der Verfassung zwischen der Positivität des Rechts und seiner Funktion im Regelsystem der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Von Elena A. Lukasheva, Moskau Konflikt der Kulturen: Universelle Standards der Menschenrechte und traditionelle Normen der Zivilisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Von Andrés Ollero, Madrid Den Rechtsstaat zur Vernunft bringen. Papst Benedikt XVI. über die Grundlagen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Religiöse Weltsicherheit, Sozietale Ausdifferenzierung des Religions- und Rechtssystems und Normative (Re-)Integration Von Francesco Belvisi, Modena Die Institutionentheorie und die Frage der sozialen Integration. Die Beiträge von Rudolf Smend und Niklas Luhmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Von Henry Kerger, Dresden Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Von Stephan Kirste, Salzburg Abstraktion als Bedingung der Freiheit des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 By Aurelio de Prada, Madrid Confucianism and Democracy. Dogs, Princes, Individuals . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Von Martin Schulte, Dresden Zur Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht. Prolegomena am Beispiel des Kirchenaustritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Von Michael Welker, Heidelberg Juristische und theologische Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
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IV. Emanzipation des Rechtsdenkens und neoanalytische Rhetorik By João Maurício Adeodato, Pernambuco Analytical Rhetoric as Philosophy of Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 By Jan M. Broekman, Carlisle (USA) The Emancipation of Meaning. Sign, Meaning, Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Von Jean-François Kervegan, Paris Das ,Paradox Kelsens‘ Eine Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Von Andrey G. Lisitsyn-Svetlanov, Moskau Die Rolle des Internationalen Privatrechts im Prozess des Zusammenwirkens nationaler Rechtssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Von Raul Narits und Kalle Merusk, Tartu Über das funktionale Wesen der Rechtsprinzipien und über ihre Anwendung in der estnischen Rechtsordnung beim Finden einer dem Recht entsprechenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Von Jan Schapp, Gießen Der Fall – Geschichte und Erzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
V. Allgemeine Theorie und Soziologie des Rechtssystems Von Eugenio Bulygin, Buenos Aires Die Beziehungen zwischen Logik und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Von Raffaele De Giorgi, Salento Die soziologische Forschung des Rechts in der Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . 457 Von Thomas Gutmann, Münster Zur Institutionalisierung der Normativen Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 By Andrey Polyakov, Saint Petersburg On the Concept of Legal Communication . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Von Gerhard Preyer, Frankfurt am Main Transformation in der modernen Theorie und Soziologie des Rechts . . . . . . . . . 507 Von Klaus F. Röhl, Bochum Die Rechtstheorie ist schlecht vernetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Von Rainer Schröder, Dresden/Siegen Normenlogik und Rechtssoziologie. Zur Kritik eines normativistischen Systembegriffs im rechtstheoretischen Kernwerk Ota Weinbergers (1919 – 2009) . . 567
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VI. Information, Datenverkehr und Rechtskommunikation ˇ yras und Friedrich Lachmayer, Vilnius/Vienna By Vytautas C Legal Norms and Legal Institutions as a Challenge for Legal Informatics . . . . . 581 Von Vladimir Grafsky, Moskau Gerechtigkeit im intrarechtlichen sozialen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Von Thomas Hoeren und Jonas Völkel, Münster Daten als Gegenstand des Rechts – Fragmente zu einer Struktur des Datenverkehrsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 By Jasminka Hasanbegovic´, Belgrade Are There Legal Norms? Four Existences of Legal Norms . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Von Leonid Mamut, Moskau Anfänge des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 By Massimo La Torre, Catanzaro Natural Law, Legal Positivism, and the Place of Law as Institution . . . . . . . . . . 645
VII. Juridische Argumentation, rechtliche Konflikte und interessengerechte Streitbeilegung Von Antonis Chanos, Athen Wandel von Rechtsnormen und richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . 665 Von Juan Antonio García Amado, León Konstitutionalismus und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 Von Natalia J. Khamaneva, Moskau Administrativ-rechtliche Streitigkeiten als eine der Arten des juridischen Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689 Von María José García Salgado, Oviedo Totalitäre Versionen der Interessenjurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703 Von Heinrich Weber-Grellet, Münster Elemente einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie . . . . . . . . . . . 715 Von Andreas Schemann, Münster, Petra Werner, Münster, und Dieter Wyduckel, Dresden Bibliographie Werner Krawietz (Stand: 15. Oktober 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Verzeichnis der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 771
I. Globaler Modernismus versus Rechtspluralismus im Recht der Moderne
In the Quest of Global Legal Pluralism By Mikhail Antonov, Sankt Petersburg The notion of globalization is relatively imprecise, and can be used loosely to embrace a large variety of different modern phenomena. Theorists abuse the G-words (a term of William Twining1) to demonstrate radical changes, or at least the changes which seem to be radical to some philosophers. Generalized references to new (quasi-)realities allow theorists to escape a long and laborious examination and comparison of legal phenomena in the past and in the present. This new kind of reductionism does not seek to describe complex systems through one or several prevailing elements as the classical scientific paradigm does. On the contrary, it is claimed that the growing complexity of the world requires a multidimensional approach which tries to embrace every aspect of reality.2 The need for a plausible explanation of such multidimensional reality leads to a strange amalgamation of terminology inherited from the classical scientific tradition, and of methodology inspired by post-classical philosophies. Even in this latter part, the classical paradigm of scientific knowledge leaves no alternative to the “subjectobject” dichotomy, and a renewed vision of the world remains captive to the scientific language of modernity.3 This amalgamation leads to the increase of kitschy conceptions which pretend to say new things in the legal sciences only by adding new terms charged with innumerable connotations. The meaningless character of these reformulated generalizations can be seen in much of the loose talk about “global legal pluralism” which has recently become one of the labels to generalize certain trends in contemporary civilization. “Globalization”, “pluralism”, “sustainability” and other words are mixed together here to describe the new realities of the changing world from a totally new perspective. Jurisprudence always displays extreme vigilance toward the ideas capable of distorting the language in which lawyers draft the laws for the laymen and discuss application of these laws between themselves. The schemes of description of the law as if it were only the law of the national states became evidently obsolete in our days,4 and the realities referred to as ‘global’ ones 1
Cf. W. Twining, Globalization and legal education, Nijmegen 2011. In what concerns the application of the theory of systems to the problem of globalization see C. Gopinath, Globalization: A Multidimensional System, New York 2008. 3 About the problems of describing legal phenomena through fundamentalist schemes and categories see B. Melkevik, La philosophie du droit dans le tourbillon de la modernité (in Russian), in: Russian Yearbook of Legal Theory 2009, No. 2, pp. 527 – 545. 4 See the masterly indictment against the traditional legal parlance P. Schlag, Formalism and Realism in Ruins (Mapping the Logics of Collapse), in: Iowa Law Review 2010, No 95. 2
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necessitate reconstructing the traditional vocabulary of legal science.5 Here lays the truth of the pluralist/globalist approach to law, but some important caveats must be made when following this approach. We will try to expose these caveats below. These G-words became a Klondike for smart fundraisers in various disciplines, but to what extent are the realities in question cardinally new, in that they cannot be described by the notions and the explanations worked out previously in the legal sciences? In other words, are these new concepts (in our case, “globalization” and “pluralism”6) analytically necessary for the description of the law in modern (or, as some would say, “postmodern”) societies? These concepts can be helpful in description of the controversial tendencies in the contemporary world; moreover, our hypothesis is that they reflect new models of legal thinking and thereby gain the ability to serve as regulatory concepts. One of their functions is to facilitate the description of new types of social control. At the same time, there seem to be no reasons to support the claims of those theoreticians who claim to discover some new realities and who describe these realities with reference to G-words. In fact, when describing the law as it exists in modern societies, one encounters a difficulty even at the level of the attribution of terms and notions to the constellations of facts which do not have any satisfactory explication in the state-centered doctrine of law. These are not unique: lex mercatoria and similar non-state legal orders have been known for a long time. Neither a uniform contractual law nor the attempts of trading companies to create a transnational network of legal institutions are new – one can mention Hansa or the Roman lawyers who created comparable projects in the legal field exploiting new tools to shape a world in which they could flourish according to the rules they set.7 As a consequence, the new facts referred to as ‘legal pluralism’ or ‘globalization’, do not contain anything extraordinary or unheard of. From this perspective, the very fact of a “changing world” does not authorize the researchers to abandon the old notions and explicative schemes and recklessly introduce the new ones. 5 W. Krawietz, Weltrechtssystem oder Globalisierung des Rechts? Konstruktion und Rekonstruktion der modernen Welt des Rechts in kommunikations- und systemtheoretischer Perspektive, in: Rechtstheorie 39 (2008), S. 419 – 451; M. Schulte, Weltrecht in der Weltgesellschaft. Prolegomena zu einer Selbstbeschreibung und Fremdbeschreibung des Rechtssystems als Weltrechtssystem, ibid., S. 143 – 164; M. Meckel, Kulturelle Konfrontation oder kommunikative Konvergenz in der Weltgesellschaft? Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung, in: Rechtstheorie 29 (1998), S. 425 – 440; J. A. Treviño, The Sociology of Law in Global Perspective, in: American Sociologist 32 (2001), pp. 5 – 9. 6 These two aspects are successfully integrated in one term of ‘Glokalisierung’ proposed by R. Robertson, Glokalisierung: Homogenität im Raum und Zeit, in: U. Beck (ed.), Perspektiven der Weltgesellschaft, Frankfurt a. M. 1998. S. 192 – 220, and developed in the philosophy of law by W. Krawietz, Glokalisierung der Rechtskommunikation? Zum Globalisierungsdiskurs in der modernen Rechts- und Gesellschaftstheorie, in: Rechtstheorie 35 (2004). 7 Cf. G. Modelski/T. Devezas/W. R. Thompson (eds.), Globalization as Evolutionary Process: Modeling Global Change, London 2008.
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In this sense the assumption about the ’’end of history’’, which implies that modern, global capitalism within a liberal democratic political framework represents the last word of socio-economic evolution8 can appear as a mere hyperbole devoid of any explicatory potential. From such a perspective one is tempted to say “nil sub sole novum”, objecting to those who declare to have discovered new realities in contemporary law and who wish to attach new labels to these realities. However such a negation would constitute the opposite conceptual extremity. A skeptic would say that our changing world is reproducing old patterns rather than creating any substantially new phenomena, so that the contemporary processes of globalization are just versions of age-old capitalism.9 To such an extent, this skepticism is not constructive; as such, new notions and terms do not endanger legal science provided they are used correctly and in an appropriate context without undue discrimination against the old ones. In our opinion, it is the definition of such a context that is one of the main obstacles for exploring changes in law through the lens of the philosophy of global law. The intensity of social change in our time is impressive, and fundamental shifts in the legal field are evident.10 Acknowledging that the law is becoming quite (although not completely) different compared to the law which existed in the Western legal tradition until the mid-20th century, one can legitimately ask for a new term which describes this new legal reality. This relatively new reality can be called “globalized” or by any other “G-word”, no serious dispute can arise about the words which people attribute to things; simply because there are no objective criteria for the veracity of these terms. One can adhere to the classical definition of Giddens who saw globalization as the intensification of worldwide relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring at great distances;11 or to the definition of globalization which represents, according to Wallerstein, an uncertain process of transition of the world into an unknown socio-economic alternative; or one can choose another definition which will be equally plausible. However if the discussion is to be continued not only in the “nominalist” but also in the “realist” dimension (the analogy with the medieval controversy about real entities behind words seems to be suggestive here), one needs to decide on the logical necessity of the links established between the newly introduced terms and the phenomena referred to by the older terms. From this point of view, the resolution of any intractable scientific problems would be better carried out not through the creation of a new language (Novdroit,
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F. Fukuyama, The End of History and the Last Man, New York 1992. I. Wallerstein, Globalization or the Age of Transition? (A Long Term View of the Trajectory of the World System). http://fbc.binghamton.edu/iwtrajws.htm. 10 D. Held/A. McGrew, Global Transformations, Cambridge 1999. 11 A. Giddens, The Consequences of Modernity, Cambridge 1990, p. 64. 9
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if we use the term introduced by Professor Melkevik12) but through a critique of the attempts to create such a new language (a critique understood from a constructive, Kantian perspective). The main point of this critique is to differentiate between the objective language of law and the meta-language which is used to describe it. The new narrative about law in the globalized world does not describe the language used by lawyers, lawmakers, judges; it rather shapes a new world-outlook where the law acquires new specific qualities it has not possessed before.13 Utilizing such an objective language does not provide the concept of globalization with any explanatory power, so the “globalization vocabulary” in the sphere of law (here we refrain from any conclusions about economics, politics, and other social spheres) do not provide the conceptual tools for description. Analyzing this vocabulary, one can say that the main feature of legal globalization is a trend toward privatization of what is public in law.14 It is maintained by many authors that the centre of gravity has passed from the law as a product of the state will, to contracts between individuals (even if those “individuals” are the big multinational companies); therefore there are serious challenges to the perceived monopoly of the state in making and administering law. This goes hand in hand with a growing loss of state sovereignty as a consequence of the advance of both supranational and transnational law. It is argued that the traditional type of sovereignty, i. e. the exclusive jurisdiction sovereignty, no longer exists in the modern era of globalized legal systems. Instead, participation in plural or composite structures (sometimes called “plurilateral”15) is the prevalent form of sovereignty in the era of the global economy.16 Consequently, there is an increase in the power of non-state actors which create new sources of law.17 In these discussions the term ‘globalization’ amounts only to an assertion of the tendency towards a growing interconnection and interdependence between all coun-
12 B. Melkevik, Parlez “Novdroit!” Ou comment le politiquement correct se legitime “juridiquement” (in Russian), in: Pravovedenie 2012, No. 1, pp. 37 – 56. See also B. Melkevik, Philosophie du Droit, Quebec 2012. 13 W. Krawietz, Narrative Jurisprudenz oder Theorie der Rechtskommunikation? Überlegungen zu einer Geschichtenphänomenologie der Recht, in: Festschrift für Jan Schapp zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2010, S. 311 – 328. 14 R. Michaels/N. Jansen, Private Law beyond the State? Europeanization, Globalization, Privatization, in: American Journal of Comparative Law 54 (2006). 15 P. Cerny, Globalization and the Changing Logic of Collective Action, in: International Organization 49 (1995), p. 446. 16 Cf. J. Jackson, Sovereignty: A New Approach to an Outdated Concept, in: American Journal of International Law 97 (2003), No 4. About the theoretical implementations for Russia cf. M. Antonov, Theoretical Issues of Sovereignty in Russia and Russian Law, in: Review of Central and East European Law 2012, No. 1, pp. 95 – 113. 17 K. Jayasuriya, The Rule of Law in the Era of Globalization: Globalization, Law and the Transformation of Sovereignty: The Emergence of Global Regulatory Governance, in: Indiana Journal of Global Legal Studies 1999, No. 6.
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tries and societies in the world.18 It is a process whose engine is international trade and capital flows, and the law can be seen here as a recipient of those changes. A typical example is already cited “lex mercatoria” which regulates international trade and which is not made either by national states or by public institutions of an international nature, but instead by the major private legal actors.19 There emerges a new type of soft law in which resorting to coercion is less important than in state law, because this law functions as a means of the structural linking of social processes.20 As examples of this soft law can be cited such private legal orders as ICANN, UDRP, the norms produced by the WTO appellate body, procedural rules of international arbitration, standards of EDI/EDIFACT, and so on. These examples affirm that the economical transformations (referred to as ‘globalization’) have indeed a significant effect on the law; the changes necessitated in the law by the economical shifts of the modernity help transforming many of legal institutions, giving rise to new forms of adjudication, modifying the classic functions of law, and producing other important changes in the legal domain (both at the national and the international levels). In this approach, introduction of the “globalization vocabulary” is nothing more than reaffirming the old and banal truth about the interconnection between law and economy21: given that economical structures are subject to “globalization” changes, one can reasonably expect that the law would be subject to similar changes. A major part of the “Law and Globalization” discussions leads to advocating the necessary changes in law which should be produced due to appropriate economical transformations in the global markets, thus updating the law to fit the new globalized economic reality. From this perspective one can view “Law and Globalization” as a mere section of the “Law and Economics”, and especially in this perspective the predictions of partisans of the globalist/pluralist rhetoric bring to mind the prophecies of Karl Marx – in both cases prognosis of “withering away” of the law (at least, the law such as it was perceived in the Western legal tradition) are based on certain generalized economical tendencies. So far so good: this connection between the law and the economy is important for the majority of legal thinkers. Nevertheless, an awareness of the is/ought problem and remembering the blade of Hume’s Guillotine (One cannot derive an ”Ought” from an 18 It is symptomatic that the World Bank defined the globalization as, “the growing integration of economies and societies around the world” (The World Bank Group. Globalization. http://www1.worldbank.org/economicpolicy/globalization/ March 22, 2008). 19 C. Cutler, Private Power and Public Authority: Transnational Merchant Law in the Global Political Economy, Cambridge 2003. 20 Cf. W. Krawietz, Ausdifferenzierung des modernen Rechtssystems und normative strukturelle Kopplung – sozietal oder sozial?, in: G. Peter/R.-M. Krauße (eds.), Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen, Berlin 2012, pp. 73 – 101. 21 The classical example of such understanding is the concept of the Soviet legal scholar Evgeny Pashukanis who described the law as a paraphrase of economical exchange: E. Pashukanis, The General Theory of Law and Marxism, in: id., Selected Writings on Marxism and Law, ed. by P. Beirne and R. Sharlet, London/New York 1980, pp. 32 – 131.
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”Is”) which prevents a careful researcher from uncritically extrapolating the results obtained from an observation of the contemporary economical realities to the field of law. In economics these observations are mainly descriptive in character; brought into the field of law, they acquire prescriptive connotation: “from the fact of emerging global markets, and the given interconnection between law and economy, we can expect that law too should …”, and so drawing implications for the development either of domestic legal systems or of international law.22 This prescriptive connotation is even better expressed in the joint use of the term “globalization” together with another fashionable label, “sustainability”,23 which prescribes “that we acknowledge the primitive origins of human ecological dysfunction and seize conscious control of our collective destiny”.24 Reflecting on the origins of prescriptive modality which characterize the conclusions drawn from the “globalization vocabulary”, it is very important not to lose sight of the fact that the law has not only suffered the effects of globalization but has also played a causal role in the process, and these effects would be impossible if the necessary legal instruments had not been already present (explicitly or implicitly) in the law. We can speak of changes and transformations in the law only insofar as it remains the law and does not become anything else, a conglomerate of undifferentiated social regulators like taboos, superstitions and tradition which are typical for primitive societies.25 It is still the law which authoritatively governs human behavior through imperative prescriptions backed by socially organized sanctions.26 It remains the object language of normative regulation. If one concedes that nothing changes this nature of the law in modern societies even in the context of globalization proc22
A typical example of this “imperceptible change”, so regretted by David Hume, can be found in the work of David Gerber where the author concludes his reflections through listing imperatives to be followed by governments in the era of globalization (D. Gerber, Global Competition: Law, Markets, and Globalization, Oxford 2010). 23 N. A. Ashford/R. P. Hall, Technology, Globalization, and Sustainable Development: Transforming the Industrial State, Yale 2011. In this book the authors require integrating economics, industrial development, national and international law to sustain the challenges of globalization. Much of the literature on law-globalization-sustainability is overcharged with similar deontological demands. 24 W. E. Rees, Globalization and Sustainability: Conflict or Convergence?, in: Bulletin of Science, Technology and Society, August 2002 No. 22, p. 249. 25 The label of “law” can also be attributed these regulators for the sake of simplification of certain research models, as it was done, e. g., by Bronislaw Malinowski. But generalization of these models into universal explanatory tools is highly questionable, as nothing necessitates from a researcher to use the same vocabulary for anthropological studies of the primitive tribes and for examination of legal development in so called “civilized nations” (this expression is still widely used in international law). These fields can naturally be represented as intersecting (and not exclusionary of each other), but even then the difference in legal regulation in these fields remains apparent and thus requiring a critical discrimination between the terms respectively applied to their examination. 26 This understanding of law can be found in, e. g.: N. S. Timasheff, An Introduction to the Sociology of Law, Transaction Publishers 1939.
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esses, then using the “globalization vocabulary” can be portrayed just as a kind of politics, as a deliberation process where society and individuals express their opinions about compromises between state law and free (social, economical) law.27 From this point of view, the “globalization vocabulary” can serve today as a substitute to the old (and probably, outdated) idea of natural law. Lyotard remarked that “modernity, in whatever age it appears, cannot exist without a shattering of belief and without the discovery of the ‘lack of reality’ of reality, together with the invention of other realities”.28 But the issue is whether there is any “real” reality and whether there is a unique modernity or multiple modernities.29 In the last case, no performative contradiction arises from a bit of sound constructivism in explaining the evolution of scientific knowledge. It is useful to draw a parallel with the ideas of natural law which emerged each time societies had to deal with the problems irresolvable through the present instruments of legal regulation. The natural law problem focuses first of all on the issue of the axiomatic foundations of law. There is a lot of versions of ius naturale which differently describe (or rather prescribe) these foundations. For example the position of Dworkin who has significantly enriched the ius-naturalist manner of thinking i. e. through reflections about the integrity of law. For him, the integrity of the law is a regulatory idea which grants us the possibility to study it as an independent object: “Law as integrity asks judges to assume, so far as this is possible, that the law is structured by a coherent set of principles about justice and fairness and procedural due process, and it asks them to enforce these in the fresh cases that come before them, so that each person’s situation is fair and just according to the same standards”.30 It follows from here that the integrity of the law is a result of our coherent reasoning about law. This coherence, again, can be guaranteed by the consistent use of terms and notions which constitute this reasoning. Therefore, in talking about transformations in the law one should pay attention not to any external (to human cognition) factors, but rather to the internal “logic” of the law, its argumentative continuity, the sources of its persuasive force.31 As such, forms of law can drastically change over the time; they cannot provide a secure guideline in 27 “To what extent the logic of the market system should be turned loose, where and in what framework the market should ‘rule’; are ultimately questions, which, in a modern society, should be left to deliberative politics to decide.” (J. Habermas, Crossing globalization’s valley of tears, in: New Perspectives Quarterly 17 (2000), p. 55). 28 J. F. Lyotard, The Postmodern Condition: A Report on Knowledge, Minneapolis 1984, p. 77. 29 S. E. Eisenstadt, Multiple Modernities – A Paradigma of Cultural and Social Evolution, in: ProtoSociology 24 (2007). 30 R. Dworkin, Law’s Empire, Cambridge 1986, p. 243. 31 About the contemporary implications of argumentation in law cf. B. Frydmann, Le sens des lois. Histoire de l’interprétation et de la raison juridique, Bruylant 2005; W. Krawietz, Zum Paradigmenwechsel im Juristischen Methodenstreit, in : Rechtstheorie 10 (1979), S. 113 – 152; id., Juristische Argumentation und Argumentationstheorien auf dem Prüfstand, in : id./ Robert Alexy (eds.), Metatheorie juristischer Argumentation, Berlin 1983, S. 3 – 84.
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reflections about changes in nature of legal regulation.32 Günther wisely suggests that the very use of the word “law” by various groups enables a universal code of legality that in turn defines the very object of intercommunity debate.33 This debate gains much more impact than before because of new mass media, the Internet, and other means of communication; the proliferation of such communication in “intercommunity debates” about law can explain the new legal forms which emerge nowadays (or at least, new manners of legal reasoning), and even can give rise to the new communication theory of law.34 If one refers to the suggestive image proposed by Belley, pluralism and globalization are just alternative mental constructions to represent the surrounding world, and as such these concepts do not reflect this world but rather serve as explanatory models.35 Or they are alternative aesthetics, to use the artistic vocabulary of Pierre Schlag.36 The question about transformations in the law then turns into a question about new types of legal reasoning or legal discourse, if we follow the terminology of Goodrich: “Legal discourse is simply one of many competing normative disciplinary discourses, discourses of morality, religion, and social custom, to which it is closely related and from which it draws many, if not all of its justificatory arguments. It is a discourse which should ideally be read in terms of control —of dominance and subordination — and of social power-relations portrayed and addressed to a far more general audience than that of law-breakers and wrong-doers alone.”37 From this perspective, the law is a system of usage that stands outside of and tries to control “the conflicting usages and differently oriented accents of social dialogue”,38 even if we are suspicious of the attempts to reduce social control to relations of dominance and subordination. Developing this line of thinking, one can easily come to understand globalization as a paradigm shift from groups to discourses, from unitary states to a Global Bukowina – the idea introduced and defended by G. Teubner.39 32 J. Dalberg-Larsen, The Unity of Law: An Illusion? On Legal Pluralism in Theory and Practice, Berlin 2000. 33 K. Günther, Legal pluralism or uniform concept of law? Globalization as a problem of legal theory, 2008, http://www.helsinki.fi/nofo/NoFo5Gunther.pdf. 34 See W. Krawietz, Legal Communication in Modern Law and Legal Systems. A MultiLevel Approach to the Theory and Philosophy of Law, in: Luc J. Wintgens (ed.), My Philosophy of Law. The Law in Philosophical Perspectives, Dordrecht/Boston 1999, pp. 69 – 120. 35 J. G. Belley, Le droit comme terra incognita: conquérir et construire le pluralisme juridique, Canadian Journal of Law Society 12 (1997), pp. 1 – 15. 36 P. Schlag, The Aesthetics of American Law, in: Harvard Law Review 115 (2002). 37 P. Goodrich, Legal Discourse: Studies in Linguistics, Rhetoric, and Legal Analysis, New York 1987, p. 20. 38 Ibid., p. 188. 39 G. Teubner, Global Bukowina: Legal Pluralism in the World Society, in: id. (ed.), Global Law Without a State, Dartmouth 1997, pp. 3 – 28. This approach is based on Teubner’s system theory which considers the law as not generated by the state but instead as self-creating. In this theory Teubner claims that the center of lawmaking is to be sought not in state but in the periphery of non-state actors.
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If the law functions translating social reality into its own terms in order to control it, then globalization, pluralism, sustainability, and other words can be perceived merely just as signs which indicate the new modalities of social control where traditional actors (states, corporations, etc.) are replaced by others, where traditional sources of law give way to others. As a result, it is not the law (as a special kind of social discourse) which changes; changes can be discovered at the level of the general culture of thinking where new terms to display the eternal problem of coordinating the social and the individual are introduced.40 This problem (totality vs. personality; sociability vs. individuality, Gesellschaft vs. Gemeinschaft41) preoccupies not only contemporary legal philosophers. This paradigm can be described in the terms of social meanings and expectations applicable to every society, and not only to the modernity of the Western civilization.42 In some other terms but essentially in the same direction debates about these bivalent principles led the previous generations of legal theoreticians to questions about plurality in law, about supranational lawmaking actors – the issues nowadays discussed in the terms of globalization. Attempts to resolve these issues in legal science through a non-classical scientific paradigm can be dated as early as the beginning of the 20th century.43 Here it is important to be distant from understanding of ‘globalization’ as an objective force dominating the social reality (as if it were something like “production forces” in the Marxist social philosophy), as a unilateral factor determining the lawmaking and law-enforcement processes. Rather the above described globalization effects can be seen as a result of the interplay between different institutes, structures 40
Cf. G. Gurvitch, L’idée du droit social, Paris 1932. About possible applications to the contemporary problems of law of Gurvitch’s legal sociology cf. G. Riechers, Die Normen- und Sozialtheorie des Rechts bei und nach Georges Gurvitch, Berlin 2003. This feature of globalization has recently been once again justly marked by Koskenniemi (M. Koskenniemi, Global legal pluralism: multiple regimes and multiple modes of thought, 2005, http://www. helsinki.fi/eci/Publications/MKPluralism-Harvard-05d%5B1 %5D.pdf). 41 See on this latter aspect W. Krawietz, Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Tönnies’sche Handlungs- und Forschungsparadigma in neueren Rechtstheorien, in: Rechtstheorie 35 (2004), S. 579 – 652. 42 A. Gromitsaris, Symbolische und soziale Generalisierung von Erwartungen als Strukturelemente gesellschaftlichen Sinns, in: Werner Krawietz/Michael Welker (eds.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a. M. 1992, S. 133 – 146; M. van Hoecke, Western and Non-Western Legal Cultures, in: Rechtstheorie 33 (2002), S. 197 – 217. 43 Cf. A. Polyakov/M. Antonov, Leon Petrazycki’s Legal Theory and Contemporary Problems of Law, in: B. Melkevik (ed.), Standing tall: Hommages á Chaba Varga, Budapest 2012, pp. 371 – 81. Though there are attempts to find “true” legal pluralism only in the contemporary globalization conceptions, thus excluding Gurvitch and other “classics” from the list of pluralists (e. g. M. Corsale, Legal pluralism and the corporatist model in the welfare state, in: Ratio Juris 7 (1994), pp. 95 – 103). On the contrary, if one reads from Santos that legal pluralism is “a psychological state of the individual subject to more than one set of norms or as a description of a dynamic state of affairs” (B. Santos, Toward a New Legal Common Sense: Law, Globalization and Emancipation, 2nd ed., Cambridge 2002), one can feel a striking similitude with the ideas Petrazycki had been arguing a century before.
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and levels of law. An examination of the impact that the constantly renewed legal doctrine exercises on changing legal institutions and of impact of the political and philosophical globalization discussions on changes in legal doctrine becomes a fertile ground for the reassessment of the ongoing processes of transformations in law (which do not necessarily witness about any transformations of law). From this vantage point, discussing globalization is not a goal per se, but to some extent a pathway to reaffirming, reshaping old legal concepts in respect to the new social and cultural realities. The problem of globalization is thus equated to use of the term of “globalization” in legal discourse. Proponents of critical legal studies and of the postmodern philosophy of law, who require from us “incredulity toward meta-narratives”44 can object that it does not matter which words are used to disguise the factual power of governors. However, as has been noticed before, there is no logical necessity to link social control with relations of subordination and dominance, and to equate social control to law. If one steps onto the insecure terrain of deconstructing the tools of cultural domination,45 language inclusive, one risks losing the very object of knowledge – law.46 As Gunther Teubner and Peter Korth stress, if everything becomes law, law loses its analytical (and also its normative) force.47 One can hardly hope to find a new scientific conception of law claiming to merge legal discourse with other types of discourses in society, and thereby to arrive at a meta-philosophical inference about the interconnection of everything in this world. At the first glance, it seems that discussing globalization in law in terms of legal culture offers several advantages. First of all, “legal culture” as a basic philosophical category could serve as a base for an axiomatic analysis of law. Following Roger Cotterrell, we can define legal culture as something which “controls the pace of production of demands brought before the legal system for specifically legal solutions to problems or protection of interests. And, by more obscure and complex means, legal culture seems also to determine the legal systems’ responses, partly through the operation of internal legal culture shaping legal structures and partly through ‘external’ pressures, reflecting social distributions of power and influence, which equally affect the system’s responses”.48 From this standpoint, the problems examined with reference to G-words, seem in the first place to be connected with shifts in legal cul44 J. F. Lyotard, The Postmodern Condition: A Report on Knowledge, Minneapolis 1984, p. XXIV. 45 P. Bourdieu, Pascalian Meditations, Stanford 2000. 46 The dangers connected with analyzing law through the lenses of cultural approach, and the limits of this approach have been often discussed. Cf. W. Krawietz/G. Riechers/K.Veddeler (eds.), Konvergenz oder Konfrontation? Transformation kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Berlin 1999. 47 G. Teubner/P. Korth, Two kinds of legal pluralism: collision of transnational regimes in the double fragmentation of world society, 2009, http://ssrn.com/abstract=1416041. 48 R. Cotterrell, The Concept of Legal Culture, in: D. Nelken (ed.), Comparing Legal Cultures, Dartmouth 1997, p. 19.
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ture and, probably, with some serious transformations in this culture. But as such, these shifts do not affect the nature and the main modalities of normative regulation in society. Saying that culture determines changes in law (or in society, or in anything else in human world) would be a truism without any explanatory force. Therefore, a more detailed analysis needs to be focused on some particular (chosen at discretion of the researcher) elements of legal culture, even if such elements would be extremely large (as legal thinking or legal argumentation). A particular element of legal culture is the way the positive law is integrated into social reality – the problem discussed under the heading of legal pluralism. If one turns attention to legal pluralism, this eternal complement of “law and globalization”, one can easily see continuity of the pluralist problem in law since Aristotle and Grotius. Nowadays, the growth of non-state law, adjudication outside official courts, corporate codes and rules, and the like are usually discussed under the title of legal pluralism. Unlike the term globalization, that of legal pluralism does not make any claims to originality and to exclusivity for contemporary societies.49 On the other hand, “globalization” is a purely descriptive term, it is relatively new (even if one can trace this term back to Stoics and their idea of cosmopolite state). The term “legal pluralism” has a long history and a deeply elaborated doctrine behind it. It is constructive in the sense that this term implies not only description of a set of disparate phenomena but also setting up a methodology of scientific research, a particular philosophical understanding of law, its nature and its evolution; a methodology which allows the construction of a coherent body of hypotheses and conceptions. Once the interchangeability of the terms “legal pluralism” and “the globalization of law” (and of the phenomena supposed to be behind these terms) is accepted, one can start a new substantial discussion about the new legal realities.50 Although, as Ralf Michaels justly points out, in the contemporary literature on “legal pluralism plus globalization” (or “global legal pluralism”) neither political pluralism nor general normative pluralism, by contrast, are discussed as such.51 The term “legal pluralism” is usually associated with the idea that the state has no monopoly on lawmaking and that along with state law there are many alternative sources of law in society.52 In the
49 It is possible to distinguish two or even more conceptions of legal pluralism, e. g. classical and new (S. Merry, Legal pluralism, in: Law and Society Review 22 (1988), pp. 869 – 896), sometimes a third perspective of legal pluralism is added – that which is connected with the problems of globalization (M. Hertogh, What is non-state law? Mapping the other hemisphere of the legal World, in: J. van Schooten/J. Verschuuren (eds.), International Governance and Law: State Regulation and Non-State Law, Cheltenham 2008). 50 Cf. an excellent overview of these discussions: R. Michaels, Global Legal Pluralism, in: Annual Review of Law and Social Science 5 (2009). 51 Ibid., p. 243. 52 J. Griffiths, What is Legal Pluralism?, in: Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law, 24 (1986). Another approach was to postulate new legal realities which can be characterized by their porosity or interlegality meaning the inseparable unity of legal orders (B. S. Santos, Towards a New Common Sense: Law, Science and Politics in the Paradigmatic Transition,
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words of Franz Benda-Beckmann legal pluralism means “the theoretical possibility of more than one legal order within one social-political space, based on different sources of ultimate validity and maintained by forms of organization other than the state”.53 As has been shown before, non-state law is not a particular characteristic only of the modern law, it was known in Medieval Europe, in other parts of the world in different époques.54 So, distinguishing features of legal pluralism will be sought in other places. Many challenges to law which are associated with globalization resemble the particularities of non-state legal orders studied by legal pluralists.55 Among these challenges are the coexistence of state law and social law (in the terms of Georges Gurvitch56), the absence of a unique hierarchy of laws which could help decide on the superiority of competing legal orders. These and other topics of legal pluralism nowadays emerge also on the global level, and are reiterated in the discussions about globalization in the law. The core question for this newly emerging concept of global legal pluralism becomes whether it constitutes a mere continuation of traditional legal pluralism, known from the times immemorial, of the well-known discussion about primary and secondary sources of law,57 or are the contemporary debates capable of yielding new methods to explain the nature and reality of law differently. Pluralism is inherent in the social reality of law, and that is why legal pluralism seems to be beyond doubt for many researchers. The law can be understood as an instrument of social coercion, its function being to induce people to accomplish certain acts.58 Here under the syncretic label of “law” can be classed different normative mechanisms, and the very attempt to differentiate them could be suspected of subjectivism. This conclusion made by John Griffiths is obvious from the given perspective. If one follows Bronislaw Malinowski and accepts the basic tenet of legal pluralLondon 1995, pp. 117 ff). From this perspective, a true legal pluralism only appears as the key concept in a postmodern view of the law characterized by interlegality. 53 Benda-Beckman F., von. Who’s Afraid of Legal Pluralism? // Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law. 2002. No 47. p. 275. Cf. a successful criticism of state-centered conceptions of legal pluralism: I. Shahar, State, Society and the Relation between Them: Implication for the Study of Legal Pluralism, p. 436. 54 D. Goldman, Globalization and the Western Legal Tradition: Recurring Patterns of Law and Authority, Cambridge/New York 2007. Cf. also B. Tamanaha, Understanding legal pluralism: past to present, local to global, in: Sydney Law Review 30 (2008), pp. 375 ff. 55 About limits of the pluralist approach in examination of non-state law cf.: R. Michaels, The re-State-ment of non-state law: the state, choice of law, and the challenge from global legal pluralism, in: Wayne Law Review 51 (2005). 56 G. Gurvitch, Sociology of Law, New York 1942. 57 W. Krawietz, Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme, in: Gerhard Preyer (ed.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft, Wiesbaden 2009, S. 249 – 271. 58 See critical remarks: W. Krawietz, Sind Zwang und Anerkennung Strukturelemente der Rechtsnorm?, in: Ota Weinberger/Werner Krawietz (eds.), Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, Wien/New York 1988, S. 315 – 369.
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ism – law includes all mechanisms of social control – then law is everywhere one meets social coercion. This proposition inevitably leads to the negation of the thesis that state law is the only law.59 On the other hand, given that the mechanisms of social control are intermingled and form semi-autonomous fields of social interaction,60 the specificity of law cannot be sustained any longer. Therefore, following Griffiths, it is necessary to abandon the very idea of separating law from morals, as true legal pluralism cannot tolerate one single normative system of regulation in society.61 There must be several competing orders normatively inducing people to comply with rules set out by these orders, so that legal pluralism is another name for intrinsic normative pluralism in society.62 And there can be no clear diving line between normative orders. Numerous objections have been raised against this simplified description of legal reality which implies reduction of official law to state law. This description considers state law as something necessarily coherent and integrated, though it is not always the case. Even state law can be perceived in the terms of policentricity,63 let alone the enormous field of the “official law” which often incorporates legal orders of transnational companies, law firms, clubs, churches, and political parties.64 A persuasive example here can be drawn from Soviet history where the state and the ruling Communist Party were formally separated, so that the “legal” prescriptions of the Communist Party of the Soviet Union (whose real compulsive effect overruled the normative force of acts issued by the official government of the USSR) were not included in the state legal order and stood apart in the hierarchy of “other normative acts with obligatory force” (as well the acts of Soviet trade unions, of All-Union Leninist Young Communist League (Komsomol) and analogous institutions of the Soviet system). As has been noted many times in the pluralist literature, the borderline between the state, the official and other legal orders is rather vague and does not always allow clear distinction.65 Until now, we have followed a general line of argumentation of legal pluralism even if it turned out to be utterly problematic to specify what genuinely “social”, purely “unofficial” law is, and how to contrast it with state law. If state law also 59
J. Griffiths, What is Legal Pluralism?, p. 5. S. F. Moore, Law and Social Change: The Semi-Autonomous Field as an Appropriate Subject of Study, in: Law and Society Review 7 (1973), pp. 719 – 746. 61 Cf. A.Griffiths, Legal Pluralism, in: R. Banakar/M. Travers (eds.), An Introduction to Law and Social Theory, Oxford 2002, pp. 289 – 310; id., The idea of sociology of law and its relation to law and to sociology, in: Current Legal Issues 8 (2005), No. 8. 62 W. Twining, Globalization and Legal Theory 2000. 63 H. Petersen/H. Zahle (eds.), Legal Policentricity: Consequence of Pluralism in Law, Aldershot 1995. 64 P. Berman, Global legal pluralism, in: Southern California Law Review 80 (2007) pp. 1155 – 1237. 65 I. Shahar, State, Society and the Relation Between Them: Implication for the Study of Legal Pluralism, in: Theoretical Inquiries in Law 2 (2008), pp. 417 – 441, esp. pp. 428 – 430. 60
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can be described in terms of a pluralist approach, it rather brings water to the mill of legal pluralism. Nevertheless, establishing that the law goes beyond the will of the state and the forms chosen to fix this will in legal propositions, does not prove anything about the ontological opposition of social and official law. In other words, if we agree that the norms created (and also recognized, incorporated, deferred, delegated66) by the state do not exhaust the whole body of law, will we then necessarily join the thesis about plurality of law? There are no persuasive arguments to give a positive reply to this question. Especially dubious are affirmations that conflicts between state law and non-state (transnational, ethnic, religious laws, human rights) law should be resolved by mixing elements from both legal orders to come up with an intermediate law.67 From this perspective one must be vigilant about keeping some distance between the terminological and the ontological aspects of the problem.68 It is possible to use the term “law” for labeling different mechanisms of social control, for grouping such realities which were sometimes described in the terms of “thieves’ law”, “children’s law” under this heading.69 Such uses of this term do not prove any factual similarity between the functions exercised by official (state) and unofficial (non-state) normative systems (to use “normative system” in the sense of the conception of Carlos Alchourron and Eugenio Bulygin70). Nor has it proved the normative equivalence of these systems.71 Undoubtedly, one can accept that the law does not exist in a “pure” state form, that lawmaking and law enforcement are supported by various social processes where the state can play a minor role, or not play any role whatsoever. At the same time one can keep intact the analytical distinction between law and other social regulators, use another explicative scheme implying neither the hierarchical structure of the global legal order, nor a multiplicity of
66 To refer to the phenomena covered by the “weak version” of legal pluralism criticized by J. Griffiths. 67 G. Teubner/P. Korth, Two kinds of legal pluralism: collision of transnational regimes in the double fragmentation of world society, 2009, http://ssrn.com/abstract=1416041. 68 See B. Tamanaha, The Folly of the ‘Social Scientific’ Concept of Legal Pluralism, in: Journal of Law and Society 20 (1993), pp. 192 – 217; id. A Non-Essentialist Version of Legal Pluralism, in: Journal of Law and Society 27 (2000) pp. 296 – 321. Teubner draws similar arguments to object the naïve realism of legal pluralism (G. Teubner, Two Faces of Janus: Rethinking Legal Pluralism, in: Cardozo Law Review 13 (1992), pp. 1443 – 1462). See also M. Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft ¢ rechtsrealistisch betrachtet, in: A. Aarnio et al. (eds.), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Berlin 1993, pp. 317 – 332. 69 L. Petraz˙ycki, Law and Morality, New Brunswick (NJ) 2011. 70 C. E. Alchourron/E. Bulygin, Normative Systems, New York 1971. 71 Cf. B. Tamanaha, The Folly of the ‘Social Scientific’ Concept of Legal Pluralism, p. 192. Additionally, it can be pointed out that state law can refrain from the monopolization of the legal sphere, but it nevertheless can exercise an important function in the integration of this sphere into one more or less coherent whole (S. Roberts, Against Legal Pluralism, in: Journal of Legal Pluralism 42 (1998), pp. 95 ff.).
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self-regulating legal orders, but rather a structural coupling of mutually interrelated legal orders.72 Summing up the key propositions from the discussions about globalization, legal pluralism and the contemporary realities of law, several common trends can be stated. Globalization is not a descriptive term to depict the contemporary realities of law; it works mainly as a regulatory conception to affirm certain regularities of social evolution to be respected by scholars, lawyers, and politicians. The conclusions about the concrete imperatives the positive law is to comply with, vary in a degree similar to that of the discussions about natural law in the 17 – 18th centuries. However the ideological connotation of these imperatives is easily observable in the persistent trends to connect globalization with certain processes in society (particularly, with the economical ones) which are seen as socially desirable. In this aspect, the discussions about globalization somewhat remind us of the search for social ideals in the Russian legal philosophy at the turn of 19 – 20th centuries (toute proportion gardée!) when so much ink was spilt to describe the social reality “objectively”, and from this “objective” description to conclude in favor of a certain ideals of further development of civilization. This “objectification” of the explanatory models through linking them with the laws and regularities allegedly found in social evolution, helped Marxists, anarchists, liberals, and other representatives of social sciences to substantiate their ideological schemes at the end of the 19th century. The incertitude of those past days are reminiscent of the global anxiety when the world, after the fall of bipolar system, went looking for new balances. The reflections about law in the era of globalization which were characterized above generally do not represent law as it is, but rather prescribe which law is needed for mankind to meet the perils of our changing times. These reflections go back to the main ideological problem (according to Mannheim73) of the correlation between individuality and social totality, which was so patent in the works of Marx, Durkheim, Weber, Tarde and which is still patent in the numerous writings on legal pluralism. Unanimously rejecting the Hobbesian model, the pluralists depict human societies as self-organizing entities capable of producing their own autonomous regulation, independent of the will and discretion of particular individuals.74 Naturally, the ques72 W. Krawietz, Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme, in: Gerhard Preyer (ed.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft, Wiesbaden 2009, pp. 249 – 271. 73 Ideology here is to be understood in the terms of social philosophy of Mannheim as an “outlook inevitably associated with a given historical and social situation” which stems from the hermeneutic problem of the relationship between the whole and the parts (K. Mannheim, Ideology and Utopia. An Introduction to the Sociology of Knowledge, London 1960, p. 111). 74 Naturally, the dual understanding of societal reality as implying independent existence of both collective and individual actors is possible also outside of the philosophy of legal pluralism. See W. Krawietz, Beyond Methodological and Theoretical Individualism ¢ Are There Collective Actors or Collective Subjects in Modern Legal Systems?, in: Ewa CzerwinskaSchupp (ed.), Values and Norms in the Age of Globalization, Frankfurt a. M. 2007, pp. 385 –
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tion about the role of libre arbitre of individuals in social development becomes one of the central philosophical issues.75 The range of possible solutions is very broad, from social anarchism of Friedrich Hayek to the universal harmony of social systems in the writings of Niklas Luhmann.76 Regardless, finding an answer to this issue requires vast philosophical efforts. The phenomena summed under the title of legal pluralism have neither historical nor social originality as such. Legal pluralism does not reveal new social laws or regularities, it does not provide new explicative schema (rather it merely changes the words in the older schema), and the challenges of globalization are only relatively new. Rather the reality referred to through these terms outlines a renewed intellectual climate which offers new axes for discourses. From this point of view, the problem of legal pluralism, and the issue of globalization are not devoid of scientific interest, and discussions on this matter can effectively contribute to the progress of social knowledge. But, in all probability, one cannot reasonably expect that from replacing terms and factual data one can gain innovative knowledge about the interrelation of law and society. A more fertile ground to cultivate this knowledge is that of reflections on the fundamental issues of social philosophy and sociological jurisprudence.77
396. Symptomatically, Krawietz arrives at the similar results as the pluralists in describing the social reality of law. 75 The debate between Habermas and Rawls can be cited here as one of the best examples (cf. B. Melkevik, Rawls ou Habermas. Une question de philosophie du droit, Quebec 2002). 76 N. Luhmann, Interesse und Interessenjurisprudenz im Spannungsfeld von Gesetzgebung und Rechtsprechung, in: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 12 (1990), pp. 1 – 13; id., Ausdifferenzierung des Rechts. Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Frankfurt a. M. 1980; id., Die soziologische Beobachtung des Rechts, Frankfurt a. M., 1986; id., Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1993. See also critical remarks: W. Krawietz, Neue Sequenzierung der Theoriebildung und Kritik der allgemeinen Theorie sozialer Systeme, in: W. Krawietz/M. Welker (eds.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a. M. 1992, pp. 14 – 42. 77 See W. Krawietz, The Contemporary Law and the System of Law in the Perspective of the Communicative Theory, in: Russian Yearbook of Legal Theory 2011, N. 4, pp. 168 – 179 (in Russian).
Die Auswirkungen der Sprache auf die Vorhersehbarkeit des Rechts Von Thomas Lundmark, Münster Im folgenden Beitrag1 werden zwei hypothetische Rechtssysteme miteinander verglichen, um die Vorhersehbarkeit der jeweils angewendeten rechtlichen Regeln in den beiden Systemen zu bestimmen. Auf diese Weise soll die Rolle der Sprache zumindest für den Aspekt der juristischen Vorhersehbarkeit beleuchtet werden. Darüber hinaus soll dieser Beitrag auch die Aufklärung weiterer Aspekte der Rolle der Sprache im Recht fördern. Der Begriff vorhersehbar ist im Rahmen dieser Ausarbeitung im Sinne von bestimmbar und sicher zu verstehen. Der Begriff der rechtlichen Regel bezeichnet in diesem Kontext nur solche Regeln, die ein bestimmtes menschliches Verhalten verbieten oder genehmigen. Die Vorhersehbarkeit des Rechts wird, vor allem in Deutschland, als eine der wertvollsten Funktionen des Rechts angesehen. Vorhersehbarkeit erlaubt es Individuen ihr Leben und ihre sonstigen Verhältnisse, insbesondere ihre Rechtsverhältnisse, in bestimmter Weise zu gestalten. Die rechtliche Vorhersehbarkeit fordert die Freiheit, da sie die Bürger über die jeweiligen Grenzen ihrer Freiheit informiert und auf diese Weise verhindert, dass sie einer mehrdeutigen Rechtslage ausgesetzt werden. Rechtliche Vorhersehbarkeit impliziert das Nichtvorhandensein von Willkür und stärkt folglich das Vertrauen in den Rechtsstaat, einschließlich dessen Gesetzgebung. Daher kann die rechtliche Vorhersehbarkeit als im Begriff der Gerechtigkeit enthalten angesehen werden. Die Vorhersehbarkeit des Rechts ist jedoch auch mit „Kosten“ verbunden. Rechtliche Vorhersehbarkeit hält Bürger davon ab, die Grenzen des Rechts in Frage zu stellen und sie auszutesten. Sie kann zu mangelndem Interesse und sogar Resignation führen. Rechtliche Vorhersehbarkeit bedeutet auch ein Mangel an Flexibilität: An einem bestimmten Punkt angekommen erlaubt sie keine Ausnahmen mehr. Rechtliche Vorsehbarkeit hat auch zur Folge, dass bestimmte Faktoren, die für das Individuum von persönlicher Bedeutung sind, ignoriert werden müssen. Die Einzelfallgerechtigkeit muss teilweise zum Schutze der Rechtssicherheit geopfert werden. Grundsätzlich variieren die allgemeinen Vorstellungen über das Recht in Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Person. Jedoch tendieren Juristen in verschiede1 Die Inhalte dieses Beitrags sind an die aktuelle Publikation von Thomas Lundmark, Charting the Divide between Common Law and Civil Law, Oxford 2012, angelehnt. Der Autor möchte sich bei Herrn Felix Kroschke für seine Übersetzung bedanken.
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nen Rechtssystemen dazu, allgemeine Vorstellungen über das Recht zu teilen. Beispielsweise würden Juristen in einem jeden Rechtssystem hinsichtlich der Autonomie des Rechts und der jeweiligen Rechtsquellen tendenziell übereinstimmen. Im Kontext dieser Ausarbeitung ist es ohne Belang, welche Vorstellung des Rechts im Vergleich zweier hypothetischer Rechtssysteme dominant ist. Es ist gleichgültig, ob die Juristen ihr Recht als autonom oder nicht ansehen. Es ist gleichgültig, ob sie die Vorstellung ablehnen oder unterstützen, dass unmoralisches Recht kein wirkliches Recht ist. Außerdem ist es gleichgültig, welche Rechtsquellen im jeweiligen hypothetischen Rechtssystem anerkannt werden. Eines der beiden hypothetischen Rechtssysteme mag beispielsweise das Richterrecht als primäre Rechtsquelle ansehen, während im anderen lediglich legislative Gesetze als legitim angesehen werden. Jedoch muss eine primäre – und recht „gekünstelte“ – Annahme getroffen werden: Die „Breite“ des Rechts muss in beiden Rechtssystemen gleich sein. Mit „Breite“ ist gemeint, wie viele gesellschaftliche Bereiche der rechtlichen Regulierung unterliegen. Die Annahme ist dahingehend „gekünstelt“, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass zwei bestimmte Rechtssysteme exakt die gleichen gesellschaftlichen Bereiche regulieren. Selbst die vergleichsweise ähnlichen amerikanischen Bundesstaaten, South und North Dakota, mögen beispielsweise darin voneinander abweichen, ob sie den Kauf von Ackerland regulieren. Unterschiede in der Breite bzw. Reichweite des Rechts sind in den verschiedenen europäischen Rechtssystemen sogar noch markanter als zwischen amerikanischen Bundesstaaten. Manche europäischen Rechtssysteme regeln die Namensgebung von Kindern, haben aber keinen gesetzlichen Mindestlohn. In anderen Rechtssystemen ist es genau umgekehrt. Manche europäische Staaten regeln, wer sich als Psychiater bezeichnen darf. In wiederum anderen, wie beispielsweise der Schweiz, wird dies nicht geregelt. Ein europäisches Land mag auch im Gegensatz zu einem anderen bestimmen, was unter einer Religion oder einer Kirche zu verstehen ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unterschiedliche Aspekte des Lebens in einzelnen Rechtssystemen verschiedenen geregelt sind. Die „Breite“ der rechtlichen Regulierung ist folglich nicht einheitlich, weshalb eine derartige Annahme getroffen werden muss, um das noch zu beschreibende Gedankenexperiment durchführen zu können. Zum Zwecke dieses Vergleichs ist es ebenfalls erforderlich, dass das Konzept eines Rechtssystems zu einer engen Definition verdichtet wird. Dementsprechend wird im Sinne dieser Ausarbeitung der Begriff des Rechtssystems in zwei verschiedene Begriffe geteilt. Der erste Begriff, der vorliegend als ein System von Regeln bezeichnet wird, beschreibt alle rechtlichen Regeln, die das Verhalten in einem Rechtssystem regeln (diese Betrachtungsweise des Rechts wird häufig dem Rechtspositivismus zugeordnet).2
2 Zufällig entspricht dieser Ansatz auch dem deutschen Wort „Rechtssystem“, das regelmäßig in diesem Sinne verwendet wird, obgleich es mitunter zu Abweichungen zwischen verschiedenen Autoren kommen kann.
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Diese enge Definition eines Systems von Regeln überschneidet sich in einem gewissen Maße mit der weiten Definition des Rechtssystems. Beispielsweise haben die Methodik und Rechtsprechung Einfluss darauf, wie die Regeln in einem System von Regeln ausgewählt und angewendet werden. Sofern diese Einflüsse ebenfalls als rechtliche Regeln ausgedrückt werden können, sollten sie zum Zwecke dieses hypothetischen Vergleichs ebenfalls als Bestandteil dieses Systems von Regeln betrachtet werden. Sollten diese Einflüsse sich nicht zu Regeln verdichten lassen, werden sie nicht in dieses hypothetische System von Regeln einbezogen. Der Verfasser versucht, durch die Definition eines hypothetischen Systems von Regeln eine Vorstellung vom Recht zu generieren, die getrennt und abgegrenzt vom Menschen ist. Die Problemstellung geht selbstverständlich davon aus, dass Regeln das Verhalten derjenigen Personen, die sie anwenden, beeinflussen können. Diese Annahme liegt der gesamten Diskussion bezüglich der Auswahl der anwendbaren Regel und ihrer richtigen Anwendung zugrunde. Dennoch handelt es sich hierbei um mehr als eine reine Annahme. Kann man ernsthaft davon ausgehen, dass Regeln keinerlei Einfluss auf das Verhalten derjenigen Personen haben, die sie anwenden? H.L.A. Hart hat hierzu zutreffend angemerkt, dass selbst sog. Regel-Skeptiker nicht so weit gehen, da auch sie die Regeln hinsichtlich der Bestellung von Richtern respektieren.3 Die Frage ist daher nicht ob, sondern vielmehr wie sehr Regeln menschliches Verhalten beeinflussen. Da nunmehr zum Zwecke dieses Vergleichs eine hypothetische Reduktion „des Rechts“ auf „ein System von Regeln, die menschliches Verhalten bestimmen“, erfolgt ist, soll sich der Leser nunmehr vorstellen, dass dieses System von Regeln in Form von einseitig geöffneten Boxen als Zeilen und Spalten an einer Wand in einem viereckigen Raum aufeinandergestapelt ist. Diese Boxen, die vom Boden bis zur Decke und von Wand zu Wand aufeinander gestapelt sind, stellen die Regeln des hypothetischen Rechtssystems A dar. Stellen Sie sich nunmehr vor, dass die gegenüberliegende Seite auf die gleiche Weise nur mit zehnmal mehr Boxen gestaltet ist. Diese Seite stellt das hypothetische Rechtssystem B dar. Im Anschluss stellen Sie sich zwei Richter vor; der eine ist in dem Recht des Rechtssystems A und der andere in dem Recht des Rechtssystems B geschult. Abgesehen von dieser Differenzierung sind die beiden Richter in jeglicher Hinsicht identisch, einschließlich ihrer Ausbildung, ihrer Erfahrung, ihrem Intellekt, ihren Werten und ihrem Charakter. Stellen Sie sich vor, dass ein Bote den Raum betritt und dem Richter A und dem Richter B identische Akten übergibt, die alle vorstellbaren Information zu einem Streitfall enthalten. Die Aufgabe des Richters ist es nun, die Akte in diejenige Box zu legen, die die richtige rechtliche Regel enthält, um den Streitfall in diesem Rechtssystem zu entscheiden. Wenn es nötig sein sollte, können die Richter auch Kopien der Akte erstellen und diese in mehr als eine Box legen. Dieser Vorgang wird wiederholt. Die Tatsachenlage mag manchmal wesentliche Unterschiede und 3
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manchmal nur kleine Unterschiede aufweisen; mitunter ist die Tatsachenlage mit Ausnahme der Namen der Parteien auch genau identisch. Es wäre zu erwarten, dass die Richter mit besonders ähnlichen Fällen die meisten Probleme haben. Sollte die Akte in Box 998 oder eher in Box 999, deren Regel sehr ähnlich ist, gelegt werden? Wenn es sich um besonders ähnliche Fälle handelt, wäre es dann nicht auch zu erwarten, dass Richter B zehnmal mehr als Richter A mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert ist? Angenommen alle anderen Umstände sind unverändert: Würde dies bedeuten, dass das Recht von Rechtssystem A vorhersehbarer ist, als das Recht von Rechtssystem B? Wenn dies der Fall wäre, dann hätte das Vorhandensein von großen Boxen, also weniger Regeln, eine erhöhte Vorhersehbarkeit zur Folge. Diese Methode zur Sicherung der rechtlichen Vorhersehbarkeit hat jedoch weitreichende Folgen. Das Recht in Rechtssystem A macht deutlich weniger Unterscheidungen zwischen einzelnen Fällen als das Recht in Rechtssystem B. Folglich wird es Rechtssystem A schwerer fallen, in einzelnen Fällen Gerechtigkeit zu schaffen. Jedoch kann man weiterhin feststellen, dass in einem System mit weniger Regeln, das keine feinen Unterschiede zwischen im Wesentlichen gleichen Fällen macht, mehr Wert auf Gleichstellung gelegt wird, als in einem System mit stark individualisierten Regeln. Den Studenten des Autors missfällt die Schlussfolgerung dieses gedanklichen Experiments, dass das deutsche Recht individuelle Gerechtigkeit dadurch opfert, dass es viel Wert auf Vorhersehbarkeit legt. Jedoch muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein: Es gibt noch eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Vorhersehbarkeit, die im Folgenden als der „deutsche Weg“ bezeichnet wird. Wie bereits festgestellt, wirkt die Definition des Rechtssystems als ein System von Regeln gekünstelt, weil sie das Recht aus den Leuten „herausnimmt“. Das gedankliche Experiment nimmt folglich an, dass die Richter in den beiden Rechtssystemen in jeglicher Hinsicht vergleichbar sind. Auch diese gekünstelte Annahme ist notwendig, damit im Rahmen dieser Ausarbeitung Aussagen zu rechtlichen Regeln getroffen werden können. Jedoch erfolgt im Kontext dieser Ausarbeitung keine Interpretation dieser rechtlichen Regeln. Sie werden lediglich von richtigen Personen, die hier als Richter bezeichnet werden, bestimmt und auf richtige, und nicht nur hypothetische, Personen angewendet. Was würde geschehen, wenn Richter B in dem eben geschilderten Experiment mehr Schulung erfahren hätte als Richter A? Welches Ergebnis würde bestehen, wenn Richter B lediglich für einige Boxen zuständig wäre, da die Wand in jeweils abgegrenzte Sektionen für spezialisierte Richter unterteilt ist? Was wäre, wenn Richter B zehnmal mehr Fälle entscheidet als Richter A und daher mehr Arbeitserfahrung hat? Was wäre, wenn Richter B in einer ausgeprägten Bürokratie arbeitet, die über ein großes bürokratisches Gedächtnis verfügt, das zurate gezogen werden kann? Was wäre, wenn Richter B ohne weiteres auf alle Entscheidungen in Rechtssystem B in vergleichbaren Fällen zugreifen kann? Was wäre, wenn sich Richter B auf die Unterstützung von Akademikern und praktizierenden Juristen,
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die seine Entscheidungen einer Überprüfung unterziehen, verlassen kann? Was wäre, wenn das Prozessrecht in B ausreichende Vorkehrungen für ein Berufungsverfahren vorsieht, das die Fehler von Richter B bereinigen kann? Was wäre, wenn Richter B die Werte einer Rechtskultur teilt, die die Vorhersehbarkeit besonders wertschätzt? Alle diese Einflussfaktoren, und vermutlich viele weitere wie kulturelle Homogenität, spielen eine Rolle in der Vorhersehbarkeit des deutschen Rechts. Mit anderen Worten: Die Reduktion des Rechtssystems auf seine Regeln beschreibt lediglich einen Bruchteil; und zwar, was das Recht ist und wie ein Rechtssystem funktioniert. Aus diesem Grund bevorzugt der Verfasser auch die von Lewis Kornhauser verwendete Definition des Rechtssystems, die aus einer Rechtsordnung („legal order“), die Kornhauser als ein System von Regeln bezeichnet, und einem Rechtsregime („legal regime“), das Kornhauser als die Institutionen und die Individuen in diesen Institutionen beschreibt, die die Rechtsordnung schaffen und zur Ausführung bringen, besteht.4 Nachdem das Gedankenexperiment nun vollzogen wurde, kann sich auf die Rolle des Rechts im Zusammenhang mit der Steigerung der Vorhersehbarkeit des Rechts, falls ein solcher überhaupt besteht, konzentriert werden. Auf Grundlage der obigen Ausführungen müssen sich diejenigen Personen, die eine Steigerung der Vorhersehbarkeit des Rechts anstreben, im Wesentlichen auf zwei Bereiche fokussieren: (1) die Regeln als solche und (2) die Personen, die in die Bestimmung und Anwendung dieser Regeln involviert sind. Aus Gründen der Einfachheit wird die Bestimmung und Anwendung des Rechts im Folgenden als die Interpretation des Rechts bezeichnet. Das Gedankenexperiment hat sich lediglich auf hypothetische Richter bezogen, obgleich diese lediglich eine kleine Gruppe derjenigen Personen darstellt, die das Recht interpretieren. Beamte sind in viel größerer Zahl anzutreffen als Richter und vermutlich auch häufiger mit der Interpretation des Rechts konfrontiert. In der Tat kann beinahe jedes erwachsene Mitglied der Gesellschaft zeitweise als Interpret des Rechts bezeichnet werden. Da sich der Gesetzgeber dessen bewusst ist, gibt es mitunter Bestrebungen, das Recht verständlicher zu gestalten. Dies wird auch durch die Bewegung zur verständlicheren Formulierung innerhalb der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts deutlich. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat seit 1966 Gesetzesentwürfe im Hinblick auf eine bessere Verständlichkeit der Vorschriften bewertet und bearbeitet. Leider verfügt deren Büro jedoch nur über einen Vollzeitangestellten.5 In den 1930er Jahren gab es überdies Bemühungen ein Volksgesetzbuch zu entwerfen, auch um die Sprache zu vereinfachen, die aber nie zum Tragen gekommen sind.6 4 Lewis Kornhauser, A World Apart? An Essay in the Autonomy of the Law, in: B.U.L. Rev. 78 (1998), S. 747, 749. 5 Barbara Wieners-Horst, Germany: Editing in the German Parliament (translated and adapted by Emma Wagner), in: Clarity 47 (May 2002), S. 12. 6 Vgl. Michael Stolleis, Volksgesetzbuch, in: Erler/Kaufmann (Hrsg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Berlin 1998, Rn. 990 – 992.
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Die Bewegung zur verständlicheren Formulierung kann in Schweden bis in das Jahr 1976 zurück datiert werden, als die schwedische Regierung einen Linguisten in das Kabinett berief und ihm die Aufgabe der Modernisierung der Sprache von Gesetzen und Verordnungen erteilte. Im Jahr 1993 hat die Regierung ein entsprechendes Komitee („Plain Swedish Group“) ins Leben gerufen, das aus drei Richtern, zwei Linguisten, zwei Informationsmanagern und zwei Politikwissenschaftlern besteht. Es wird vermutet, dass mehr als die Hälfte aller Behörden in Projekte zur Steigerung der Verständlichkeit involviert sind.7 In Großbritannien wurde 1975 der Renton-Bericht veröffentlicht, der komplizierte Formulierungen in britischen Gesetzen kritisierte und eine Verbesserung der gesetzesbegründenden Materialien empfahl.8 Eine Politik zur Steigerung der Verständlichkeit von Regierungsformularen wurde 1982 eingeführt, die in der Verbesserung von tausenden Formularen resultierte. Die Neufassung der Steuergesetze in Großbritannien ist ein ehrgeiziges und andauerndes Projekt mit dem Ziel, diese Gesetze verständlicher und leichter anwendbar zu gestalten, ohne das Recht als solches ändern zu müssen.9 Des Weiteren sind alle englischen Juristen mit den Bemühungen von Lord Wolff, der ehemalige Lordoberrichter („Lord Chief Justice“), die Verwendung von lateinischen Begriffen zu vermeiden, vertraut. Dieser hat auch die Regeln der „Senior Courts of England and Wales“ in verständlicherer Sprache verfasst.10 Großbritannien, Deutschland und Schweden haben die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen des Europarates in nationales Recht umgesetzt. Die Richtlinie bestimmt, dass Klauseln stets klar und verständlich zu formulieren sind. In den Vereinigten Staaten hat die First National City Bank (heutzutage Citibank genannt) 1975 ein kurzes und bündiges Formular zu einer Schuldverschreibung für einen Konsumentenkredit verfasst.11 Im selben Jahr wurde ein Bundesgesetz verabschiedet, das für Gewährleistungen die Verfassung in einfacher und verständlicher Sprache verlangt.12 Ein Gesetz, das seit 1978 im Bundesstaat New York in Kraft ist, verlangt, dass sämtliche Mietverträge und Konsumentenverträge in einer klaren und einheitlichen Weise, einschließlich der Verwendung allgemeingebräuchlicher Ausdrücke, zu verfassen sind.13 Heutzutage haben etwa 35 der 50 amerikanischen Bundesstaaten Gesetze und Verordnungen, die leicht verständliche Bedingungen
7 Barbro Ehrenberg-Sundin, The Swedish Government Promotes Clear Drafting, in: Clarity 47 (May 2002), S. 3. 8 Michèle M. Asprey, Plain Language for Lawyers, 3. Aufl., Leichhardt 2003, S. 14. 9 Ebd., S. 16. 10 Siehe dazu allgemein John Gray, Lawyer‘s Latin: A Vade-Mecum, London 2002, S. 14 – 19. 11 Asprey (FN 8), S 1. 12 Magnuson-Moss Consumer Product Warranty Act, 15 U.S.C. § 2301 (1975). 13 N.Y.G.O.B. Law § 5 – 702 (1977).
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für Lebensversicherungen verlangen.14 Des Weiteren gibt es auch in den Vereinigten Staaten gesetzgeberische Beispiele für die Förderung verständlicherer Formulierungen, bspw. die kürzlich vorgenommene Überarbeitung der Zivilprozessordnung („Federal Rules of Civil Procedure“) und von Artikel 9 des Handelsgesetzbuches („Uniform Commercial Code“).15 Abgesehen von den Gesetzen zur Regulierung von Konsumentenverträgen, dient der Großteil dieser Bemühungen dazu, das Recht für diejenigen Personen zugänglicher zu gestalten, die sich mit der Interpretation des Rechts befassen. Dazu gehören neben Buchhaltern, Steuerberatern, Richtern, Anwälten, Beamten und der Polizei auch weitere Vollstreckungsbehörden, wie der Tier- und Kinderschutz. Im Rahmen dieser Ausarbeitung werden diese als Amtspersonen bezeichnet, obgleich viele von ihnen nicht in einem staatlichen Anstellungsverhältnis stehen. Bevor sich auf Möglichkeiten zur Steigerung einer voraussehbareren Interpretation des Rechts durch Amtspersonen konzentriert wird, ist sich noch einmal dem System von Regeln zuzuwenden: Welche Möglichkeiten bestehen, neben der Reduktion der Anzahl der Regeln, damit das System von Regeln voraussehbarere Ergebnisse liefert? Wie wäre eine Systematisierung des Rechts zu beurteilen? Jede der vier untersuchten Rechtssysteme systematisiert die Regeln innerhalb ihrer Gesetzbücher und stattet sie mit ausführlichen Verzeichnissen aus. Im Hinblick auf die Behandlung des Richterrechts ist festzustellen, dass Amtspersonen in Deutschland, und in einem etwas geringeren Ausmaß auch Amtspersonen in Schweden, ihre Rechtsfeststellungen fast immer an Gesetzesrecht festmachen. In Deutschland sind derartige Referenzen mitunter derart konstruiert, dass die Amtsperson, zumeist ein Richter, offen eingesteht, dass der Gesetzestext analog auf eine Situation angewendet wird, die dieser ursprünglich nicht erfassen sollte. Diese Richter praktizieren eine Form von Rechtsfiktion. In den Vereinigten Staaten handelt es sich bei Bundesrecht entweder um Verfassungsrecht oder Gesetzesrecht. Sobald Richter einer Gesetzeslücke begegnen, ziehen sie sich nicht auf die Rechtsfiktion der Analogie zurück, sondern bezeichnen ihre Urteilsverkündung vielmehr als „common law“. Letztlich führt dies zum selben Ergebnis: Die richterliche Rechtsetzung außerhalb von Gesetzesrecht. Das Gesetzesrecht in einigen amerikanischen Bundesstaaten, wie bspw. Louisiana oder Kalifornien, ist so weitreichend, dass sich grds. alle Gerichtsentscheidungen auf einen Gesetzestext berufen können. Nichtsdestotrotz verweisen kalifornische Gerichte nicht in jeder Entscheidung auf das einschlägige Gesetz, so dass der falsche Eindruck erweckt wird, dass es zu dem gegebenen Sachverhalt kein Gesetzesrecht gäbe. In England und in den meisten amerikanischen Bundesstaaten ist das Vertragsrecht zumeist nicht kodifiziert. Arbeitsstreitigkeiten sind in England, den Vereinigten Staaten und Schweden in Gesetzen geregelt, wohingegen das deutsche Arbeitskampfrecht ausschließlich auf Richterrecht beruht. Delikts14
Asprey (FN 8), S. 2 f. O. Steven, Plain English Comes to the Uniform Commercial Code, in: Clarity 42 (September 1998), S. 20. 15
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recht ist in den vier Rechtssystemen im Wesentlichen Richterrecht, da die wenigen existenten Regelungen zumeist nur vage sind. Was wäre, wenn man die Gesetzesbücher in einem System anordnen würde? Eine solche Anordnung ist für die meisten Amtspersonen wohl überflüssig, da sie bereits wissen, welche Gesetzestexte sie zurate ziehen müssen. Trotzdem werden in Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Deutschland und Schweden die Gesetzestexte in die Kategorien Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht, das sich aus Verfassungs- und Verwaltungsrecht zusammensetzt, unterteilt. Wie gehen englische und amerikanische Anwälte im Hinblick auf eine mögliche Systematisierung mit ihrem Richterrecht um? Sie systematisieren es, anders als in Deutschland mit Blick auf das Arbeitskampfrecht, gemeinsam mit ihrem Gesetzesrecht. Als typisch für das „common-law“-Rechtssystem sind die „Halsbury’s Laws of England“ zu betrachten, die das Richterrecht nach Themen systematisieren. Diese Enzyklopädie umfasst 56 Bände und wird auch im Internet publiziert. Die „Halsbury’s Statutes“ erfüllen dieselbe Funktion für das Gesetzesrecht. Amtspersonen in Kalifornien verwenden regelmäßig das 66-bändige „Witkin Summary of California Law“, wobei sich auch die Rechtsenzyklopädie „California Jurisprudence“ großer Beliebtheit erfreut. Beide sind auch über das Internet verfügbar. Des Weiteren beziehen sich kalifornische Amtsträger mit dem Ziel der Rechtsfindung häufig direkt auf eines der 29 Gesetzesbücher. Deren Inhalt ist systematisch aufgebaut und sie verfügen über ein detailliertes Stichwortverzeichnis. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Einbeziehung von Richterrecht nicht zwingend – und im Fall von Kalifornien und England tatsächlich nicht – zu einer geringeren Vorhersehbarkeit des Systems von Regeln führt. Fraglich ist nun, wie sich die Vorhersehbarkeit der Regeln als solches verbessern lässt? Wäre die Abfassung der Regeln in einer anderen Sprache für die Vorhersehbarkeit des Rechts förderlich? Welche Folgen hätte es beispielsweise, wenn die Sprache des internationalen Rechts Latein anstelle von Englisch wäre? Ist Latein rechtlich vorhersehbarer als Englisch? Im Hinblick auf einen Versuch, gerade diese Frage zu beantworten, sollte man sich vergegenwärtigen, dass sich auf die Regeln als solches und nicht die Amtspersonen, die sie bekräftigen und anwenden, bezogen wird. Vielmehr stellt sich nun die Frage, ob der lateinischen Sprache beispielsweise eine stärkere Logik innewohnt, die zu vorhersehbareren Ergebnissen führt, wenn sie als universelle Rechtssprache angewendet wird? Der weit verbreitete Mythos, dass Latein eine logische Sprache wäre, wurde von Linguisten zwar lange Zeit abgelehnt, wird aber in einigen Kreisen noch vertreten.16 Anstelle von Latein könnte man auch Deutsch als die Sprache der
16 David Crystal, The Cambridge Encyclopedia of Language, 2. Aufl., Cambridge 1997, S. 6: „A belief that some languages are intrinsically superior to others is widespread, but it has no basis in linguistic fact.“ Vgl. Anthony Lodge, French is a Logical Language, in: Bauer/ Trudgill (Hrsg.), Language Myths, 1998, S. 33.
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Philosophie und des Rechts festlegen. Martin Heidegger hat diesbezüglich einmal festgestellt: „Wenn sie [die Franzosen] zu denken anfangen, sprechen sie deutsch.“17 Ist es jedoch logisch, dass die deutsche Sprache unbeweglichen Gegenständen die verschiedenen Geschlechter (männlich, weiblich und neutral) mehr oder wenig beliebig zuordnet? Ist es logisch, dass Verben häufig an das Ende eines Satzes gesetzt werden, anstatt direkt neben das Subjekt des Satzes? Einige Sprachen, die jedoch lediglich eine Minderheit darstellen, verfügen über eine derartige Syntax. Die Logik als solche kann keine Antwort zu diesen Fragen liefern. Aber selbst wenn Deutsch in irgendeiner Hinsicht logischer sein soll als Englisch, ist dennoch fraglich, warum die Abfassung des Rechts in einer bestimmten Sprache die Rechtsanwendung vorhersehbarer macht. Möglicherweise ist der einzige Aspekt, warum die deutsche Sprache – oder in diesem Kontext auch die lateinische Sprache – einen Einfluss auf die Vorhersehbarkeit des Systems von Regeln hat, die relative Knappheit von Wörtern im Vergleich zur englischen Sprache. Das „Shorter Oxford Dictionary“ (3. Auflage) umfasst 80.000 Wörter; das „Oxford English Dictionary“ (2. Auflage) umfasst 250.000 Wörter; und Webster’s „Third New International Dictionary“ umfasst 450.000 Wörter. Auf der Internetseite des „Oxford English Dictionary“ wird darauf hingewiesen, dass die englische Sprache vermutlich über mehr Wörter verfügt, als vergleichbare Weltsprachen.18 Mit Blick auf das oben durchgeführte Gedankenexperiment ist daher zu fragen, ob die Tatsache, dass Deutsch über weniger Worte als Englisch verfügt, dazu führt, dass das deutsche Rechtssystem über weniger Boxen verfügt als das englischsprachige Rechtssystem, was wiederum zu einer höheren Vorhersehbarkeit des deutschen Rechts führt? Ein bekannter deutscher Autor und Professor der Rechtswissenschaften hat den Verfasser einmal gefragt, warum Leute die ganzen Wörter, über die die englische Sprache angeblich verfügt, nicht anwenden? Diesbezüglich haben Linguisten festgestellt, dass gut ausgebildete Muttersprachler von Weltsprachen unabhängig von ihrer jeweiligen Muttersprache ungefähr dieselben Kommunikationsfähigkeiten aufweisen.19 Während ein englischer Autor eher ein archaisches oder selten genutztes englisches Wort verwenden würde, würde der deutsche Autor in diesem Fall ein Fremdwort verwenden. Der englische Autor wird für sein derart großes Vokabular bewundert; der deutsche Autor wird für seine Kenntnis von Fremdwörtern bewundert. Das Phänomen ist zwar dasselbe, dennoch wird im Falle des deutschen Autoren, das Fremdwort nicht der deutschen Sprache zugeschrieben.20 17 Martin Heidegger, Nur noch ein Gott kann uns retten, in: Der Spiegel (31. Mai 1976), S. 193 – 219. 18 Selbstverständlich hängt diese Schlussfolgerung wesentlich von der Definition des Begriffes „Wort“ ab. Siehe Crystal (FN 16), S. 82. 19 Ebd., S. 82 ff. 20 Sollte ein Linguist den Verfasser an dieser Stelle kritisieren, ist anzumerken, dass die gesamte geschriebene Sprache ausschließlich aus Wörtern und Regeln besteht, denen beide
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Zusammenfassend lassen sich bereits drei Strategien zur Steigerung der Vorhersehbarkeit des Systems von Regeln feststellen: (1) Eine Reduktion in der Anzahl der Regeln, (2) die Systematisierung der Regeln, und (3) die Bereitstellung eines Verzeichnisses. Folglich kann man sich nun der zweiten Komponente des Rechtssystems zuwenden: Den Menschen. Der Fokus liegt hierbei auf den Personen, die das Recht bestätigen und anwenden, den sog. Amtspersonen. Anstatt sich auf die Vielzahl von Möglichkeiten zur Steigerung der Fähigkeiten der vorhersehbareren Interpretation des Rechts zu beziehen, wird die Ausarbeitung ausschließlich den potentiellen Einfluss der von ihnen gesprochenen Sprache untersuchen. Obgleich der Fokus der bisherigen Ausarbeitung auf der Vorhersehbarkeit des Rechts lag, finden die genannten Argumente auch auf eine Vielzahl von weiteren Charakteristika des Rechts Anwendung; einschließlich der Vorstellungen zu Gerechtigkeit, Qualität, Menschlichkeit, etc. Um jedoch dem Thema der Sprache gerecht zu werden, beziehen sich die weiteren Ausführungen ausschließlich auf die Sprache, die zugegebenermaßen lediglich einen Ausschnitt einer jeden Rechtskultur darstellt. Die zentrale Frage ist: Hat die Tatsache, dass Amtspersonen deutsch, schwedisch oder englisch sprechen, einen Einfluss darauf, wie sie das Recht interpretieren?21 Die These, dass die Sprache einen Einfluss auf die Sicht- und Denkweise der Menschen hat, wird regelmäßig als Prinzip der sprachlichen Relativität oder Sapir-Whorf-Hypothese bezeichnet. Jedoch handelt es sich hierbei keineswegs um eine neue Idee. Die Vorstellung, dass die Sprache zu einem gewissen Grad die Denkweise determiniert, wurde bereits während des 18. und 19. Jahrhunderts begründet. Ludwig Wittgenstein hat diesbezüglich festgestellt: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“22 George Fletcher, ein scharfer Beobachter der Beziehung zwischen Recht und Sprache, hat festgestellt, dass sowohl die deutsche als auch die französische Sprache über kein einzelnes Wort verfügen, das dem englischen Wort law entspricht. Stattdessen verwendet die deutsche Sprache zwei Wörter: Gesetz und Recht. Nach Fletchers Feststellungen bezeichnet der Begriff Gesetz diejenigen Gesetze, die von einem legislativen Organ erlassen wurden, wohingegen der Begriff Recht auf eine höherrangige Vorstellung verweist.23
eine Bedeutung zukommt. Folglich mag eine Sprache wie die deutsche Sprache mehr Regeln und weniger Wörter als die englische Sprache verwenden, um die gleiche Bedeutung zum Ausdruck zu bringen. Siehe allgemein Steven Pinker, Words and Rules: The Ingredients of Language, 2000. In diesem Fall muss das Vokabular einer deutschsprachigen Person derart um Komponenten ergänzt werden, die die Information ausschließlich über Regeln kommunizieren. 21 Aus Gründen der Einfachheit bezeichnet „Interpretation“ wiederum die Bestimmung und Anwendung des Rechts. 22 Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus: Logisch-Philosophische Abhandlung, London 1922, § 5.6. 23 George P. Fletcher, Basic Concepts of Legal Thought, 3. Aufl., 1996, S. 12.
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Im Schwedischen hingegen gibt es ebenfalls ein einziges Wort: lag. Sowohl das englische als auch das schwedische Wort finden ihren Ursprung in dem altnordischen Wort lag, das als eines der wenigen skandinavischen Wörter Einzug in die englische Rechtssprache gefunden hat.24 Hat dies zur Folge, dass diejenigen, die schwedisch oder englisch sprechen, eine ähnliche Vorstellung von Gesetz und Recht haben, die sich von der Vorstellung derjenigen unterscheidet, die deutsch oder französisch sprechen? Vielleicht ändern sich auch die Tatsachen in Abhängigkeit der Sprache, in der sie beschrieben werden?25 Eine aktuelle Studie belegt, dass Nomen und Verben in unterschiedlichen Teilen des Gehirns verschlüsselt werden.26 Wenn ein englischsprachiger Text vom Englischen ins Deutsche übersetzt wird, verliert der Text üblicherweise Verben und gewinnt an Nomen. Welchen Einfluss dieser Effekt auf die Denkweise derjenigen hat, die deutsch oder englisch sprechen, oder ob dieser Effekt überhaupt einen Einfluss hat, ist bislang unbekannt. Wenn man nun annimmt, dass ein, obgleich sehr geringer Effekt besteht, ist fraglich, ob die Übersetzung von Gesetz und Recht vom Englischen ins Deutsche ein anderes Verständnis und eine andere Anwendung von Gesetz und Recht zur Folge hat, weil die Übersetzung über mehr Nomen als das Original verfügt? Fällt englischsprachigen Personen die Anwendung von juristischen Nomen schwerer als deutschsprachigen Personen, weil ihre Gehirne mit der Syntaxanalyse von Nomen weniger vertraut sind. Fletcher hat überdies festgestellt, dass unabhängig davon wo das „common law“ angewendet wird, sei es in Kanada, Indien oder Hong Kong, die englische Sprache Anwendung findet. Provokativ stellt er heraus, dass bislang keine anglophone Kultur erfolgreich ein anderes Rechtssystem adaptiert und gepflegt hat.27 Ist eine Gesellschaft, die englisch spricht, dazu prädestiniert (– oder sogar dazu verdammt –), das englische „common law“ zu akzeptieren? Sollte dies der Fall sein, ist fraglich, ob Deutschland und Frankreich früher oder später das „common law“ akzeptieren müssen, wenn sie den Prozess der Europäisierung weiterverfolgen? Oder ist es vielmehr so, dass es Deutschen und Franzosen sprachlich unmöglich ist, ihre bisherige Rechtstradition zu verlassen? Die Beobachtung Fletchers, dass sich das System des „common law“ praktisch wie ein Anhängsel (oder vielleicht ein Parasit) mit der englischen Sprache verbreitet 24
David Melinkoff, The Language of the Law, 1963, S. 122. Der Plural des Wortes lag war nach Melinkoff vermutlich lagu. 25 Jürgen Habermas behauptet, dass nur dasjenige als Tatsache angesehen wird, was auf einem Konsens beruht, und dass dieser Prozess der Tatsachenfindung von der Sprache abhängt. Siehe Jürgen Habermas, The Theory of Communicative Action, Volume 1: Reason and the Rationalization of Society, 1985, S. 1. 26 Anna Mestres-Missé et al., Neural Differences in the Mapping of Verb and Noun Concepts onto Novel Words, in: Neuroimage 40 (2010), S. 2826 – 2835. 27 George P. Fletcher, Comparative Law as a Subversive Discipline, in: American Journal of Comparative Law 46 (1998), S. 698; id., Basic Concepts of Legal Thought, 3. Aufl., 1996, S. 5.
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hat und dabei die Fähigkeit bewies, beinahe jedes andere Rechtssystem zu adaptieren, lässt einen Ursachen-und-Wirkungs-Zusammenhang vermuten. Oder ist es gerade anders herum: Vielleicht beinhaltet das sich teilweise verbreitende „common law“ die englische Sprache? Im Hinblick auf die lediglich geringen verlässlichen Informationen zu der Arbeitsweise des „common law“ in einigen der wenigen dominanten Weltsprachen erscheint dieser Zusammenhang wenig wahrscheinlich. Der berühmte Linguist Nicholas Ostler hat, nachdem er fünf Jahrtausende der Verbreitung von Weltsprachen rückblickend betrachtet hat, zwei Eigenschaften erkannt, die für die Verbreitung von Sprachen von zentraler Bedeutung sind: Ansehen und Erlernbarkeit. Im Zusammenhang mit Sprachen wird Ansehen mit Reichtum, funktionaler Weisheit, Unterhaltung und spiritueller Erleuchtung assoziiert. Die moderne englische Sprache hat eine derartige weltweite Bedeutung erlangt, weil sie, zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten, alle diese Aspekte charakterisiert hat. Länder wie Indien oder einige afrikanische Staaten, die Englisch als eine offizielle oder de facto offizielle Amtssprache anwenden, haben das englische Rechtssystem vermutlich auch deshalb adaptiert, weil es mit Reichtum (im Sinne von Geschäftsopportunitäten) und funktionaler Weisheit assoziiert wird. Bedeutender ist jedoch Ostlers Feststellung, dass auch die Erlernbarkeit eine Rolle in der Verbreitung von Sprachen spielt. Das Kriterium der Erlernbarkeit ist für Muttersprachler von geringerer Bedeutung als für solche, die eine Sprache bewusst studieren und erlernen, entweder durch die tägliche Auseinandersetzung oder durch formellen Unterricht. Wenn sich eine Sprache auf ein neues Gebiet ausbreitet, wird sie für die dort Ansässigen leichter zu erlernen sein, wenn sie mit der vorher in dieser Region gesprochenen Sprache strukturell vergleichbar ist.28 Vielleicht ist das „common law“-System ebenfalls vergleichsweise leicht zu erlernen? Möglicherweise wird das „common law“-System beispielsweise vielmehr als eine Methode als ein Wissenskörper verstanden. Möglicherweise ist es einfacher eine Methode zur Bestimmung und Anwendung des Rechts zu erlernen, als umfassende Kenntnis von einer großen Gruppe von rechtlichen Regeln zu gewinnen. Obgleich dem Verfasser dieses Beitrags bereits mehrmals gegenüber geäußert wurde, dass das englische oder amerikanische Recht viel leichter als das deutsche Recht zu erlernen sei, konnte er bislang weder bestimmen, was genau damit zum Ausdruck gebracht wird, noch konnten ihm die Vertreter dieser Ansicht zufriedenstellend mitteilen, was sie damit meinen. Einer der Professoren des Verfassers, Stefan Riesenfeld, hat Rechtswissenschaften in Deutschland, Italien und Kalifornien studiert. Gerne erzählte er den Studenten in diesem Zusammenhang, dass „der letzte Teil der einfachste war.“ Vielleicht entspricht dies dem Sinn der eben genannten Aussage – und zwar, dass es einfacher ist, das Recht eines zweiten Landes zu lernen, als das zeitlich vorgelagerte Lernen des Rechts des ersten?
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556.
Nicholas Ostler, Empires of the Word: A Language History of the World, 2005, S. 552 –
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Selbst wenn angenommen wird, dass die Methode des „common law“, die zum Zwecke dieser Annahme ohne das damit verbundene materielle und prozessuale Recht unterrichtet wird, zehnmal leichter zu erlernen sei als das deutsche Recht und dessen Methode, ist es dennoch unwahrscheinlich, dass ein Land allein aufgrund dieser Tatsache dieses Recht einem anderem Recht gegenüber vorziehen würde. Mit Blick auf die Rezeption des römischen Rechts: Wurde jemals vertreten, dass ein Grund für die Rezeption des römischen Rechts die Leichtigkeit war, mit der das römische Recht erlernt werden konnte? Gleichermaßen ist auch die Leichtigkeit oder Schwierigkeit, mit der das Recht eines anderen Rechtssystems erlernt werden kann, kein substantieller Faktor für die Bestimmung des Rechts eines bestimmten Landes. Dennoch verbleibt ein Rechtsgebiet, in dem das „common law“ als eine Art „Standardrecht“ oder „Kompromissrecht“ zwischen Unternehmen und Juristen aus einer Vielzahl verschiedener Rechtssysteme agiert: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Ein offensichtlicher Grund für diese Tatsache ist die zentrale Rolle, die die englische Sprache und englischsprachige Unternehmen auf einer globalen Ebene spielen. In weiten Teilen der Welt ist Englisch die Sprache des internationalen Handels, die in Streitfällen folglich auch für die Schiedsgerichtsbarkeit maßgeblich ist. Ein weiterer zentraler Grund ist die Vielzahl von Juristen, die eine gewisse Kenntnis vom „common law“ haben, weil sie entweder bereits in ihrem Land in das „common law“ eingeführt wurden, oder weil sie in einem Land des „common law“ studiert haben, was wiederum aufgrund ihrer Kenntnis der englischen Sprache ermöglicht wurde. Dennoch scheint es zu stimmen, dass die tatsächliche oder wahrgenommene Leichtigkeit, mit der man sich die Methode des „common law“ erschließen kann, eine Rolle in der Verbreitung des englischen „common law“, zumindest im Bereich des internationalen Vertragsrechts und der Streitbeilegung, spielt. Der Linguist Roman Jakobson hatte die faszinierende Erkenntnis, dass Sprachen sich dahingehend unterscheiden, welche Inhalte der jeweilige Sprecher zwingendermaßen offenbaren muss. Diesbezüglich hat auch ein anderer Linguist, Guy Deutscher, festgestellt, dass es im Deutschen praktisch unmöglich ist, einem Gesprächspartner zu erzählen, mit wem man zu Abend gegessen hat, ohne das Geschlecht dieser Person zu offenbaren.29 Englische Muttersprachler, wie der Verfasser des Beitrags, haben mitunter Probleme mit der deutschen Unterscheidung zwischen dem familiären „Du“ und dem formellen „Sie“. Obgleich junge deutsche Muttersprachler einen anderen informellen Umgang pflegen, ist die „Du“-Form im geschäftlichen und öffentlichen Leben Familienmitglieder und engen Freunden vorbehalten, wohingegen alle anderen in der höflichen „Sie“-Form adressiert werden. Daher ist man, falls einem die Vermeidung der Unterscheidung zwischen „Du“ und „Sie“ nicht außergewöhnlich leicht fällt, gezwungen, den Konversationspartner auf einer gewissen formellen Distanz zu halten (außer man geht davon aus, dass sich die Gesprächspart29 Guy Deutscher, Through the Language Glass: Why the World looks different in other Languages, New York 2010, S. 151. Roman Jakobson verneint ausdrücklich den Einfluss der Sprache auf rein kognitive Tätigkeiten. Ebd, S. 269. Steven Pinker behauptet, dass die Psychologie englischer und deutscher Muttersprachler dieselbe sei; Pinker (FN 20), S. 255.
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ner mit dem familiären „Du“ adressieren). Ob man diese Unterscheidung als voroder nachteilig empfindet, ist hierbei bedeutungslos. Vielmehr stellt sich die Frage, ob diese zwingende Unterscheidung und damit höfliche sprachliche Distanzierung von anderen Personen zur Folge hat, dass deutsche Amtspersonen diejenigen Personen, auf die das Recht anwendbar ist, weniger menschlich behandeln, weil diese Personen nicht zum Familien- und Freundeskreis der Amtspersonen gehören? Oder tritt vielmehr der gegenteilige Effekt ein, dass die Amtspersonen diese Personen höflicher und daher menschlicher behandeln? Oder ist vielleicht gar kein Effekt ersichtlich?30 Bei der bereits dargestellten Beobachtung Fletchers zur Verwendung der Begriffe Gesetz und Recht in der deutschen Sprache, um dem englischen Begriff law gerecht zu werden, handelt es sich wohl um ein noch naheliegenderes Beispiel. Die deutsche Sprache zwingt den jeweiligen Sprecher, sich dieser Unterscheidung bewusst zu werden. Hat dies zur Folge, dass man auch „anders denkt“, sobald man deutsch spricht? Die Tatsache beklagend, dass englische Studenten der Rechtswissenschaften nicht mehr die französische Rechtssprache („Law French“) lernen, schrieb der englische Barrister Roger North KC 1824: „[T]he Law is scarce expressible properly in English.“31 Hat sich die Denkweise englischer Juristen dadurch geändert, dass sie das englische Recht nicht mehr in der französischen Rechtssprache zum Ausdruck bringen? Derartige Fragen bedürfen zukünftig einer verstärkten empirischen Untersuchung. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass lediglich die Wahl der Sprache noch keinen Einfluss auf die Vorhersehbarkeit des Rechts hat. Vielmehr kann die rechtliche Vorhersehbarkeit nur gesteigert werden, indem die Dichte rechtlicher Regeln verringert wird, oder indem diejenigen Personen, die das Recht verfassen, interpretieren und anwenden, zur einer abgestimmten Tätigkeit hingeführt werden.
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Bevor es zur allgemeinen Anwendbarkeit der Bezeichnung „you“ gekommen ist, haben englische Muttersprachler ebenfalls eine Unterscheidung zwischen dem familiären „thou“ und dem höflichen „ye“ gemacht. Während der Jugendzeit des Verfassers wurde Gott im Vaterunser ebenfalls mit dem familiären „thou“ adressiert. Ohne blasphemisch klingen zu wollen, stellt sich die Frage, ob der Zwang Gott auf einer höflichen linguistischen Distanz halten zu müssen, zu einer geringeren Vertrautheit mit Gott führt? In Schweden ist die Anwendung der höflichen „ni“-Form im Laufe des Lebens des Verfassers dramatisch zurückgegangen. 31 Roger North, A Discourse on the Study of the Law, London 1824, S. 13. Frei übersetzt: Das Recht lässt sich in der englischen Sprache nur selten richtig ausdrücken.
Can we do what we can do? By Eligio Resta, Rome Every public discourse shows two quite different dimensions: what we are saying and what we are talking about. Sometimes the hidden questions of the discourse happen to be more complicated but more relevant. The public discourse about life dominion says (when it says) something, but it always depends on the linguistic competence of the speakers. Who can speak about the life dominion, on powers and limits? To whom may it concern the “last word”, to judges, lawyers, philosophers, scientists, or anthropologists? These notes focus on the paradoxical attitude used by scientific local codes while observing the ecological field of life. This concerns the layer of communication and deals with the proper linguistic codes of the systems, their changing boundaries, their mobile identity, their differentiations (inside, and about, the social system).1 Werner Krawietz highlighted this issue in a recent and very interesting essay ¢ Ausdifferenzierung des modernen Rechtssystems2 ¢, where identities and differences of the systems have been observed through their communicative practices. So, meanwhile technology suggests that we can do all we can do, ethics and law question whether we really can do what we can do: a “descriptive proposition” turns into a problematic one. The language is a knotty semantic field of the systems’ identity. The communication about the linguistic competence on life dominion does inform about the self- observation of the systems, their extension and boundaries, their inside and outside; this recalls the Greek category of katechon.3 We may give many examples of this trace. The following pages begin from the “nominalistic” case of genetic information, the problem of the archive and its translation (Verkörperung) into the legal discourse: Do we own our bodies? What kind of good is a genetic sequence, what are the boundaries of the body? And so on: problems ¢ as we can see ¢ of communication within social systems.
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Luhmann (1986). Krawietz (2012), p. 73. 3 Resta, Eligio (2008), p. 37. 2
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I. Katechon The semantic layers “limits of law” might lead us through the complicated paths of the bio-law’s contemporary dimensions.4 This expression synthetically refers to the “rules” of the different fields connected to “life”. After all, considering this discourse as intrinsically connected with diverse dimensions of the bios in the public sphere (bioethics, biotechnologies, bio-banks, in a word all “bio-things”), law, as well, can not be excluded from it. As a matter of fact, the radical questions about the links between technology and bios shift from ethics to law: the problem is to define the “borders” that other systems could not legitimately set. The relationships between law and biotechnology can be discussed in several ways: from the perspective of public policies to that one of politics of law, in particular when discussing genetics. More than a matter of law and economics, this topic concerns the field of politics of law and the traditional understanding of genetic information in terms of “public good” (or, better, common good). Only regardless this framework can we grasp the different forms of allocation.5 However, beyond the possible codes (economics, politics, technologies, science, religion), the problem of genetic research ends up to become a permanent différend (according to J. F. Lyotard) between some well known categories in the Western tradition: polis ¢ rules, decisions, shortage, market, and what we could refer to as ananke (necessity); and oikos ¢ which is the law of the bios (life, affection) external to the language of the “city”.6 Bio-politics and bio-law have always been placed on the lines of intersections among different systems, therefore they have not been influenced by the rules of their differentiation.7 That is why my first remark concerns the language of the debate: it should be the language of the communicative processes, while involving ecological communication and, consequently, the ethics of communication. This means that the communication takes place within the communicative spaces of the systems of action (technology, science, economics, politics, religion, morals, law, etc.) and it is precisely in the intersection between the different fields that we can locate all the problems and paradoxes. Among the conflicts, one of the most evident is the communicative one between law and genetics, whereas the law is called to answer the question ‘which limits should genetics face?’.8 The conflict concerns, first of all, the use of codes: the lin4
Resta, Eligio (2011), pp. 3 – 6. Rodotà (1995), pp. 207, 222. 6 I analyzed the strong persistency of these two categories in my previous writings on the “fraternal law”, which is par excellence a paradigm of bio-politics; see Resta, Eligio (2005). 7 Esposito (2004). 8 With the term ‘genetics’ we conventionally refer to the technologies that allow using genetic data. 5
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guistic code of technology entails doing everything that we can do, while the law is concerned with the limits of action (before individual and social powers). This means that we can not really do everything, which in reality we could do. Every hermeneutic adjustment will involve this double code, both for thinking and expressing the chances. Therefore, in the semantic field of law some things are allowed and others are forbidden, viz. the power of disposition is allowed, but it has to be free; selling is forbidden, but the compensation is admitted; reproductive cloning is forbidden, while cloning for scientific purposes is generally not. Well-known cases, such as Greenberg v. Miami Hospital (2003),9 just confirm this theory; the power of disposition is forbidden, as well as in the Moore case.10 But in the Greenberg case the court held that individuals do not own their tissue samples if researchers take them for testing; still, the court upheld the plaintiffs’ claim of unjust enrichment at the expense of the donors of tissue. Consequently the hospital was charged for compensation because of unjust enrichment.11 These cases show how legal limits stand on a flexible boundary, which crosses paradoxical contents. The various connections between law and technologies prove that we can not actually do what we would potentially be able to do: this originates a “double bind”, which is shown, for instance, by the ban of commodification, on one side, and on the possibility of patenting, on the other.12 The challenge shown by genetics in the public discourse is definitely harder than a mere evaluation on hermeneutic compatibility; it involves, in fact, the world of possibilities and their limits. To this extent, the topic of the limits prescribed by law is related to the “tragedy” of modernity; this tragic attitude has gone nowadays beyond the Greek conflict between life and techné. Moreover, in between the law, its limits and the exceeding technique (Greek technè) lies a shared space based on the ambivalence of communication (and on the communication of ambivalence).
II. What we can do The problem of legal boundaries is deeply connected to the question whether or not an alternative way to the infinite power of technology, namely a “counterpower”, is conceivable. Can this alternative be law or ethics, since they both prescribe that we can not do what we can actually do? If the technological code speaks in terms of “we can do what we can do”, with an interesting tautology, then we should expect from other codes (like law or ethics) that they would regulate or control this mechanism. Economics might regulate some aspects, ethics and law some others. In the perspec9
Greenberg v. Miami Children’s Hospital Research Institute, Inc. 264 F. Supp. 2d 1064 (S. D. Fla. 2003), 47, 108. 10 Moore v. Regents of University of California, 793 P. 2d 479 (Cal. 1990), 56, 108. 11 Resta, Giorgio (2006), p. 17. 12 See the Convention on Human Rights and Biomedicine, in particular §§ 5 – 9 on the informed consent and § 25 on the “sanction” of solidarity.
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tive of antagonism, law and ethics would be represented as two symmetrically opposed discourses, both requiring stronger powers as compared with technology. Somehow, they would be more powerful, just because they could put limits to it. The legal discourse would entail forbidding, preventing, monitoring, judging, punishing, besides prescribing the validity of its interdictions and provisions.13 Law is not, in fact, a kind of ethical universalism, which “fights” against everything, which is to be regulated. The same applies to ethics: both spheres had to become compatible with moral pluralism and at the same time had to avoid the risk of becoming opposed systems. This means, first of all, giving up creating a one-dimension ethical discourse, since universalism can often split up opposite positions, while differences make a contact between them. Law has often solved the problem of universalism with a tendency towards “procedures” (Verfahren) ¢ which is the sign of a typically reflexive structure.14 The cognitive opening to possibilities, to subjects, values, and contents, has always been compensated with the reflexive proceduralization.15 For instance, the legal practices involving the fairness of bio-technological methods (“what we can do”) can better regulate them, rather than as limits to technology,16 by finding general provisions and by addressing principles. So far, laws and supranational directives have chosen to allow, or a contrario to forbid, everything which fosters or, at least, does not violate the dignity of the human being. Dignity in a reflexive way shifts the problem becoming a matter on which the judge does have to interpret. This belongs to the field of competence of the judge himself, of the ethic committee, of the diverse local justices, of the capital, of the scientists, of the communities of those who do not belong to the community, and so on.17 Dignity is the reflexive value, which saves all the possibilities and defers the problem of contingency toward a more “ecological” level of the debate. Inevitably, the judge will have the competence of the decision, in particular in those systems whereas deciding is crucial. A judge, for instance, might have the “last word” on the ethic conflict. When ruling by judge is not enough, the alternative could be a more pluralistic decision made by ethic committees. Nevertheless, the paradox would be met again once the members of the ethic committees must to be selected. The proceduralization of the competence makes the outcome of the conflict depend on the responsibility of the single representatives according to ethics, social sciences, “technical” knowledge. It’s not understandable, though, why that philosopher and not the other one, why that precise anthropologist and not another could be eligible members of the committee. Many of these problems have different solutions. The “ethnomethodology” can explain the reality better than a clear and strong theory of society. The problem implies, indeed, much more than 13
Hyde (1997), p. 155. Damasˇka (2003), pp. 31, 186. 15 Taruffo (2002). 16 Rodotà (2006), pp. 29, 41, 67. 17 Jasanoff (2001), p. 125. 14
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questions of “linguistic competence”: who decides and on which questions. The real conflict focusing, as a matter of fact, on the possibilities offered by technology and on their compatibility with the “reflexive” values described by the law. What is dignity? Does dying without suffering or surviving thanks to extraordinary lifesaving measures mean to maintain an impossible Hoffnungsprinzip? Eventually, how much hope do we have, and which is the right timing for this “negative passion”? Dignity, as principle, leaves some possibilities open. However, it makes the decision much more tragic and solitary. This is particularly true for the case of genetic information. Once again the question appears tragic: is it more appropriate to forbid cloning, which might save lives, or allowing it by violating the dignity of the cloned human being? Is testing on animals acceptable for human beings? Will law be able to save its local values when its appropriate reflexive principles can move the paradox on a higher level? A classical example is the abortion, which stands in between the individual right of the woman and the one of the fetus, between self-determination and criticism. The “prudential” attitude of law consists in avoiding the sanction, but in nothing more than it: the individual freedom is restricted by general limits, in the name of reflexivity. A “mild” law is nothing more than a translation of this attitude. When the choices become tragic, not even an exemption of the functional systems involved can be enough; they do what they “can do”, each one according to its rules and codes, but nothing more than that. What ties law and technè is not the logic of “power”, but the ambivalent mechanism of complicity between opposite pools. Law and technology, as well as the gift, share the attributes of the Plato’s pharmakon, as to mean that they are at the same time poison and antidote, illness and therapy, pain and remedy.18 The two poles of the swing refer one to each other, simultaneously, by playing on the double “codes” rivalry/complicity, good/bad, just/unjust, allowed/forbidden, licit/illicit, prohibited/prescribed, free/restricted, and all these ambivalences are both limits and resources. Technology, and law as well, open new possibilities while and because it is “ruled” by another system, as in Foucault’s perspective. For instance, technology increases power, and doing so solidarity and responsibility too, in particular when it makes possible the donation of organs, or the disposition of genetic data.19 We do not escape the swing poles by choosing a “third” value (otherwise the condition would not be tragic because we would have a choice), nor by choosing a “third” in the decision-making process; on the contrary, we can solve the problem of the oscillation between two poles by elaborating an “ecological” dimension of the decision. Technique, as well as law, lives inside society: it works on a hermeneutic level by opening all the possibilities that derive from the compatibility of general values. 18 19
Resta, Eligio (1996), (last ed. 2012). Rodotà (2004), pp. 189,199.
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III. More Informed, more Uncertain Baudrillard has well observed that a new state of anxiety in the social body emerges from questions on justice.20 The raising judicial solutions concerning the status of life (birth, death, ways of survival, as the cases Pretty21 and Perruche22 confirm) are just a symptom of concern. Every decision generates a new debate, and it increases its complexity, in particular because the judge has to decide on matters of public morals. Judging in every time and on every problem recalls what O. Marquand defined as “tribunalization of history”. Thus we should face this problem within an open debate because the questions and the dilemmas presented by the technique rise together. Technique is incomparably faster than ethics and law in reflexing and fixing the normative frames of the matter. This is why definitions become, in this semantic field, necessary and relevant. For example, the definition of “genetic information”: what is it? How should it be used? Who does the information belong to and how should it circulate? Is anybody the owner of the information? Can anyone sell the information? These questions concern both science and the theoretical debate, and never the one independently from the other. Researchers have defined genetics as a scientific system, which dips its roots in the research field, not in therapy, and therefore assumes information as its main code. Moreover, genetics is deeply bound to the biologic diversity and the evolutionary questions. Genetics is in fact able to modify some of the core issues of public policies, and, even more relevant, to produce anthropological changes in private lives. Being aware of “pieces of information” that register the past and the future can alter identities and raise questions on freedom and responsibility. Genetics creates a society made by individuals, who are, at the same time, more aware (since they have more information), but not necessarily freer in their choices. Individuals get awareness, but they become more uncertain, more doubtful, more bound to other individuals, and at the same time more alone with their tragic choices. Principles, such as the dignity of the person, which are expressed in codes and constitutions, in Charters of human rights, are still not sufficient in order to decide whether it is better to put limits or to allow a practice in biotechnology. Does cloning go against human dignity? Does not cloning, even when useful in order to save other living beings’ life, oppose human dignity? This often happens. Let us think, for example, to genetic tests on animals: information is then used to advantage human beings. Animals are, though, living beings and can not easily be excluded from the semantic field of “dignity”. Singer’s proposal, which became in Spain the project for a Charter for the Rights of Anthropoids, is based on the existence of a DNA sequencing, reproducing almost 20
See Heller (1990), pp. 14, 22. Pretty D. v. Director of Public Prosecution (2001), Admin. 788 (18 October 2001), 35, 40, 79, 151. 22 Affaire Perruche, Cour de Cassation, Assemble plénière, 17 – 11 – 2000, in: Gazette du Palais, p. 37. 21
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totally the sequencing of humans. Still, whereas dignity is recognized as a normative criterion for every human being, on the grounds of the DNA sequencing, is it appropriate to exclude from the requirement of dignity all those living beings that do not fall in the category? What does include and what does exclude? This is a very deep and interesting point of disagreement in hermeneutics. Owning genetic information might mean to single out causes and effects of a precise biological state, but this does not necessarily makes decisions easier. It becomes even more complicated, in fact, when the choice on genetic information becomes hard, as in the case of a genetic disease, which can not be interrupted with a therapy: anxiety increases. Law is precisely located along the border of these contrasts. Predictability does not reduce the number of possible cases, as for biographies or biology: this is true for every technique, including the human clonation. Nevertheless, all these forms of technique do not share the same fortune. Neither ethics, nor law can counterbalance this complexity; both the right to be, or not, informed should be protected, as a “congruent generalization” based on general principles of self-determination. The judge will take on the risk of the decision, which is based on the interpretation of general clauses (such as “dignity”, or “the best interest of the child”). According to the definition which genetics provides of itself, it seeks to find a story, which can describe an identity. As every other identity, also genetic identity develops over time and not homogeneously. It builds up a bridge between different spaces and times. A complete (or almost complete) knowledge of the data, of DNA sequencing, is the result of information on the genetic “history”, which draws possible destinies. Behind predictability, indeed, history always shows up; from history one can get, causally or statistically, a destiny. In fact, we can talk about “predestination” when referring to biological evolutions, or some diseases and states of wellness. This would therefore imply that more use of information would affect the decision-making; nonetheless, the “demons of life” start to operate through a re-introduction of uncertainty in this process.23 Furthermore, religious ethics does suggest that predestination might also lead to “de-responsibilization”. Given the “ecologic” character of the problem, we could expect that information would get more and more transparent: who decides can follow general techniques of reasoning and arguing. In one word, if the risk will be shared according to the definition of “good” as “common”, a minimum of deliberative process is perhaps conceivable. This would open the field of a linguistic competence of law and politics, which might involve regulating by control, not only forbidding. IV. En Archè Law can effectively set the regulation of genetic information, which is often collected, used, wasted in the name of different purposes. Banks for genetic information can question the dogmatic certainty of lawyers, since they modify the relationship 23
See Burton (1658), (1988).
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between things and nature. They share the intrinsic complexity of the archive, which lays in the name itself. The archive represents the metaphor of knowledge in the contemporary times, which is moving on even more semantic layers. Archives can contain information on lawsuits, and safeguard reserved information and documents, or folders: this recalls the metonymy, the rhetoric figure where the container and the contents get in contact. Through an archive we can create or re-create an order, since it has a precise location, it is organized according to specific rules, it includes some gaps and empty spaces, but they all belong to the same “order”. We can open or close (and re-open and re-close) an archive; it can guard and hide, prove and testify (thus carrying the intrinsic ambivalence of testifying). It creates an unforeseen Aristotelian connection between space and time, since it keeps the memory of a given time in a given space. Information lie in the archive, and the archive tells about their existence, without necessarily showing their origin. The archive stands between memory and forgetfulness; as a collective mind, it shows the ambiguity of every technique: it promises emancipation, forgetting its costs24. The relationship between law and information involves all these aspects, in particular the coexistence of different languages and anthropologies, which are not homogeneous, but not necessarily incompatible. Language itself can cheat or betray its origins, by disclosing and revealing (re-veiling) stories. Language reveals something when it removes an old veil and puts a new one; it communicates through the selection of its fields of competence. Apparently faraway from the “real things”, language at the same time celebrates and deceives its “constructivism” (typisch aufbauend, as Wittgenstein had it). The language lives in the logic combinations, but even in the data collected between logic interactions. The double dimension of logic and information converges toward the pattern of the “archive”, where both the activity and the result of archiving overlap. The word itself, the archive, realizes the betrayal, whereas the ambivalence lives.25 The same applies to the mal d’archive described by J. Derrida, who refers to Freud’s psychoanalysis. The archive, as well as the concept of archè, refers to the origin, to the beginning, to the legitimating power, but also to the order, imposition, authority: the archè, which founds and preserves the law, is end and mean all the while. The archive is the original space (principle) and the ruling on the information as well. In the archive, pathology and normativity coexist. Reality makes the order of the archive legitimate: the more it is legitimate, the more it describes the universe of information. The tautology of reality makes it legitimate and at the same time useless. It is coherent when it works on replication; it is arbitrary, if it selects partial universes: the idea of a neutral and useless archive is a challenge to the impossibility of every heterotopia. Every archive reproduces the illusion of the kyklo paidìa, which includes everything, itself as well, in an infinite taxonomy. Let us think to the ironic archive’s list of all the animal species narrated by Borges: those that belong to the emperor, the embalmed 24 25
Derrida (1996). Resta, Eligio (2008), p. 94.
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ones, those that are trained, suckling pigs, mermaids, fabulous ones, stray dogs; those that are included in this classification; those that tremble as if they were mad, innumerable ones; those drawn with a very fine camel hair brush, et cetera; those that have just broken the flower vase; those that, at a given distance, look like flies. The utility of the archive consists in the absence of impartiality in the selection; its paradox consists in breaking up identity, till the subject gets decomposed. The problem of identity’s expropriation of the subject is mainly related to the circulation of the data. Arbitrary memory is not involuntary, just like in human mind, but it lives in the intrinsic reasons of the archive. The archive is therefore an orderly space, but it is not all the time freely accessible; sometimes it is accessible on the basis of entitlements, more often it is accessible because of provisions. Anyway, it is universally accessible thanks to required selections. All last remarks show how the archive sways from a metaphoric to a metonymic pole. Sometimes it is presented as exploitable information held in a given space, with a surplus of the container on its contents; other times the archive is described as the transposition of the object in its container. In the former case, it is handled as a set of information; in the latter, as single information. Lawyers deal with the possible meanings of “information”, when they have to elaborate the dogmatic dimension of the legal concept of “information” or the legal form of the “right to information”. Various and diverse qualifications of “good” and “right” will compose the aphasic semantics of information. Good might shift between common, public and private. It will be negotiable, material or immaterial, personal or not; it will entail the qualification of the right, that could be personal, public, private, fundamental, etc. Who owns information? Who has access to the archive? What should we do with archives and information? There is a recent, disquieting, example of the relationship between the archive and the biotechnology of life, which is the case of genetic information. As a matter of fact, it promises hopes and concerns the identity of subject, but, at the same time, it threatens identity. Who should use information, the subject, the researcher, the therapist, and the pharmaceutical industry? Who will be, in other words, the guardian of the archives? Does the predictability of information make everything easier? The first remarks on these questions would suggest that individuals are more informed, but also more uncertain (typical consequence of the modern, “tragic” condition): the individual knows more, he is even aware that things could be different, but he can not do anything. Eventually, the predictability of information is not strong enough to erase the Hoffnugsprinzip. The power of the archive recalls the story of religious ethics during the Reform: because of “predestination” individuals stop investing in the concrete actions of the present world; at the same time, the power of “grace” is rediscovered, and it reintroduces uncertainty and responsibility. What this shows is a sort of theology of the archive, which includes the power of the person who decides, the legitimacy of his selection, the legitimacy of the procedures of selection and access, the
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archived contents and forms. The core questions posed by technology to law and ethics are hidden in the logic of the archive. V. Reflexivity In conclusion we can consider that the rapid progress of genetic technologies, by having such a strong influence of the bios, traces the space of the ecologic communication and enhances the paradox of the “rules of life”. As it happens for other systems, the local values of the law are stuck in a standstill. Therefore, law will have to find a way of distribution of goods regardless of market’s rules; will have to give up to define identity and property through the “limits” of the human body;26 will have to find elsewhere common dimensions (and not “public” dimensions), that concern immaterial goods. It will also have to give up the “jealousy” of the small domestic homelands, by reconsidering an even more global dimension. After all, the Greek oikos can not be reduced to an artificial limit, nor to a boundary. At the same time, in order to frame a proper limit, law will have to move on higher levels of reflexivity will avoid the normative delusion. Moreover, it will have to avoid the danger of an internal implosion. This might happen if a high degree of reflexivity replaces the empty proceduralization once forever, by avoiding the equivalence of all values (market, solidarity, mandate to the scientific community, social control, etc.). The reflexivity can be realized only if law becomes able to think itself into a mechanism, which saves the chances (the prescription for the law is “to save the chances”). Therefore, it should not exclude any possibility, but give back thorny debates to the public discourse, in particular about the “inclusive goods”. Rights are inclusive if individuals can enjoy them meanwhile all the other individuals are able to enjoy them (here and in any other part of the under moon space, as in Aristotle). This logic applies not only to the rights’ abuse perpetrated by pharmaceutical industries, but also in many other cases. These processes will be neither quick nor easy, but it is necessary to handle them. The first possibility might be to think to the topic in terms of fundamental goods, by subtracting the evaluation of dignity to the abstract moral criteria, instead of describing it as a private competence. Therefore it would be necessary to support the use of “social” profits without delegating the possible virtuous effects of “ta pharmaka” to an unconvincing generosity. If in law this attitude is missing, the only thing in the law is that in law there is nothing at all.
26 Guido Calabresi wonders whether or not we are the owners of our body; on this see Calabresi (1991), p. 5; Zatti (2011), p. 120.
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Time and Legal Time in Times of Positive Law By Tercio Sampaio Ferraz jun., São Paulo I. The Positivation Phenomenon An important datum from the legal experience between the 16th and 18th centuries is the fact that law became more and more written law, whether due to the rapid increase of the amount of norms coming from constituted power, whether due to the official composition and decree of most part of standard rules. Besides, the phenomenon of the reception of Roman law provided the appearance of the hierarchy of sources theme (Roman sources, royal ordinances, customs, Canon Law). As for written law, also called common law, or common written law, albeit without a precise concept, it seems to be what was considered jus commune, common law to every city and village, as opposed to jus proprium, particular to each of those cities and villages, a difference that was already common in Italy starting from the 12th century.1 The fact that law became written law contributed to significant transformations in the conception and knowledge of the law. The establishing of law in the written form increases security and precision of its understanding while at the same time it also sharpens the awareness of its boundaries. The possibility of confronting the several regulation sets of norms grows and, with it, there is an increase in the availability of sources, in which lies the essence of the appearance of hierarchies. These, at first, still assert the relevance of custom, of unwritten law over written law. Little by little, though, the situation is reverted. For that, the contribution of the emerging of the absolutist state and the progressive development of the concentration of law-making power. During this period, there is a growth in the perception of the necessity for interpreting rules, observed by the manifold in organization and articulation of the several existing sources. These transformations would accomplish two new conditions, one of political nature, and the other, technical-legal. In the first one, there is the distinguished notion of national sovereignty and the principle of separation of powers; in the second, the privileged character that the legal norms adopt as source of the law and the concept of law as a system of posited rules. The Declaration of The Rights of Man and of The Citizen, from 1789, article 3 reads: “The principle of all sovereignty resides essentially in the nation.” The sov1 Cf. John Gilissen, Les problèmes des lacunes du droit dans l’évolution du droit medieval et moderne, in: Perelman, Le problème des lacunes en droit, Brusselles 1968, p. 225. Cf. W. Krawietz, Gesetz (Nomos, Lex), in: J. Ritter (Hrsg), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel/Stuttgart 1973, Bd. 3.
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ereignty ¢ the effectiveness of the force by which the authority determination is effectively observed and also made of an unavoidable observation even through compulsion, not being subject to determinations of other normative centers2 ¢ used to reside, in previous centuries, in the landlord or the king. This very concrete and personal way of symbolizing the single center of normativity, pointed to a much-limited operation in the organization of the political power. Indeed, through the substitution of the king by the nation ¢ a more abstract concept and, thus, more malleable ¢ was allowed the maintenance of the single, indivisible, inalienable and perpetual character of sovereignty (French Constitution of 1791). In perfect accordance with the principle of division of power, has been possible to generate, in turn, a new conception of legal power. On one side, with its own and autonomous characters (“The judicial power cannot, in any case, be exercised by the legislative power, nor by the king” ¢ art. 1, chapter V) and, on the other, with limited acting possibilities (“The courts cannot interfere with the exercise of the legislative power, nor suspend the execution of laws” – art. 3, chapter V). The classic theory of power division, built with a clear anti-hierarchy bias when compared to the previous personalized conception, would assure, in a way, a progressive separation between politics and law. Regulating the legitimacy of the influence of politics on the administration, it becomes completely acceptable in the Legislative Power, partially, in the Executive Power, strongly neutralized in the Judicial Power, all inside the ideological frameworks of the rule of law.3 This political neutralization of the Judiciary4 was one of the main parts in the appearance of a new form of legal knowledge: the Science of ¢ positive ¢ Law in the 19th century. In fact, the political neutralization of the Judiciary would mean the channeling of law production to the legislative address, where issued norms occupy a privileged place as source of the law. The conception of laws as a main source of the law would draw the attention to the possibility of it changing whenever the positive legislation changed also. Clearly, in comparison with the past, legal studies would cease to be a point of view for the rejection of changes and transformations of law itself. Law gets its own time. Legal norms were always been perceived as something stable whenever the world went through changes, as if the basis of this stability were tradition, as it was for the Romans, the divine revelation, in the Middle Ages, or reason, in the Modern Age. For the social conscience of the 19th century, the mutability of the law becomes the usual perception: the idea that, in principle, every right change through changing legal norms becomes the rule, and the idea that some rights do
2
Cf. M. S. Giannini, Diritto Aministrativo, Milano 1970, vol. 1, p. 95; H. L. A. Hart, The Concept of Law, 1961; B. de Jouvenel, De la souveraineté, 1955; G. Jellinek, Teoria General del Estado, Barcelona 1970, p. 327. 3 Cf. C. Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, Berlin 1953, p. 208. 4 Cf. N. Luhmann, Rechtssoziologie, Opladen 1983, p. 242.
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not change becomes the exception. This true cultural institutionalization of mutability5 of the law will correspond to the positivity of law phenomenon. There is a philosophical and a sociological meaning in positivity. The philosophical positivity means the act of making law positive, that is, to establish it as condition for validity by force of an act of will. According to it, every right is the fruit of acts of such nature. That is, the law is a set of rules that are in force because are issued by the constituted authority (or by the authorized private will) and only through another posited norm can they be revoked (law revokes law, mutual contractual consent can revoke the contract). Well, when such acts of will are decisive acts, positivity becomes a related term for decision-making. In consequence, implicating every decision in the existence of decisive motives, positivity becomes a phenomenon in which every behavior expectation, rule and valuation in the society has to be in force through decision processes before having legal validity. In other words, positive law is not only law established by decision, but also the premises of established decision are established by decision. The thesis that there is only one law, the positive, in the presented terms, is the foundation of the so-called legal positivism, the dominating school of thought, in several hues, in the 19th century and, in the form of analytical philosophy, in the 20th century. In this philosophical point of view, rights are reduced to goods and legal studies to the positive norm, that is, jus as equal to lex, will be taken as a command, as an imposing relation of a will over another will, a means to reach certain ends: peace, security, welfare, etc. In this scenario, the legitimacy of the law-command starts depending on the ends it serves. The produced object (right as an object of use)6 in a way degrades the legal world, because it transforms the meaning of everything in a means/end relationship, therefore, a pragmatic relation. With that, it becomes impossible to discover that things can be valuable for themselves and not only as instruments, as means. In the sociological sense, positivity is, therefore, a phenomenon that, in the 19th century, can be apprehended by the growing importance of laws voted by parliaments as the source of the Law, to the detriment of custom, of customary norm. That is, while the ancien régime was characterized by the weakening of Justice (judiciary), whose political dependency projected in the will of decisions, the criticism elaborated by the illuminist thinkers and the need for the bourgeois society security, began demanding the valuation of legal provisions in the judging of facts. From that arose an almost mythical respect for the positive law, then a base for the development of the powerful École de l’ Exegése, of great influence in the countries where the Napoleonic spirit was dominant. The reduction of the juridical to the legal grew during the 19th century and culminated in the called legalism. It was not only a political demand, but 5
Cf. W. Krawietz, Recht als Regelsystem, Wiesbaden 1984, p. 34. Cf. Tercio Sampaio Ferraz, Das Recht als Konsumgut, in: ARSP, Steiner Verlag, Wiesbaden, 1993. 6
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also an economic one. After all, with the Industrial Revolution, the speed of technological transformations had increased, asking for more prompt responses from the law, prompter than the customary law could provide. In this sense, law reduced to legal positivity made the temporal availability grow over factual time. Law validity is now something adaptable and, in the end, manipulated, technically limited and controlled in its own time. That means, adapted to probable future needs of revision, is thus something that allows, to a high degree, a detailing of behaviors as prone to legalization, not depending on the temporal character of conducts, of something that always is because has always been (as it happened with the predominance of ancient common law). That is why this demanded the construction of a time conceptualized by law itself. Law is no more in time but is time. We can understand why the law, with the French Revolution, became an abovo creation. With it, it became instrumental, marking the passage of a practical prudence (immemorial experiences, wisdom) to a poietic technique (technique as experimenting: mastering the future through manipulation of the experience as an available datum). That is, to use an Aristotelian distinction,7 Law starts to be conceived as poiesis, an activity that is exteriorized in things external to the agent (for example, build a table using wood) and that requires “technique” to have a new meaning, that is, as knowhow, knowing how to do it, so that a result is obtained. The legal knowledge is no longer conceived, as it had been since ancient times, as a praxis, an activity that did not have exterior compliance to itself and the agent and that did not aim to doing good (ethical) to the agent itself, its eupraxia. It is now a technique capable of “inventing” space and time to control the “byproduct”, the Law as law making: “production of norms”. Here there is the core of the positivity phenomenon of Law as time positivity. From there, a new meaning for the legal time as technologically manipulated time. II. Time: A Theme of Technique Experience of Positive Law The positivity of law sharpens, in the area of technological knowledge (legal science as dogmatic knowledge), the theme of time. The availability over the law (objective norm system or subjective legal rights) whether through the legislative way, whether through the judicial way, whether through the administrative way, whether through the private executive way, makes time a high contingency factor, that needs to be controlled as a legal matter in itself. Assuming that the legal science (legal dogmatics), in the positive legal context, is a set of doctrines, whose subject is the creation of conditions to the normative decision making for conflicts, then time shall be assumed as a phenomenal datum (physical time, psychological time, social time, etc.). Time interferes in the legal decisions 7
Éthique à Nicomaque, trad. Tricot, Paris 1959, 1094 to 21.
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and reversely must be under legal control of decisions as legal decisions. On one hand, the control of time through positivity is, therefore, a condition of decision making itself. On the other hand, the mastering of temporality becomes an inherent theme to law itself. That means: the perception that law, the positive law, begins and ends, starts penetrating the same experience of what is legal and what is the law: jus ac tempus convertuntur. It is actually the perception that law is not in time, but is temporal by force of its positive constitution, what begets a series of problems that start cascading down to distress legal thinking. As change of the law by means of positive acts becomes something widely acceptable to the perception of common sense, dealing with chronological time as a positivity Cronos that devours facts, consumes subjective rights, swallows laws becomes a demand and an obsession. Time, in this sense, makes an imperious part of the experience of positive law. For example, instead of customary law, recognized, accepted, applied “since immemorial times”, the positive law (established through decision) is a phenomenon that begins, has a duration, remains or ends. Jurists in their technical-dogmatic work know the theme. Let us look at some examples. Time is a factor that affects the legal meaning of rules. Valid rules are legal norms in time being. The time validity of a norm is its in force being. It is the time of its enforcement. Some norms, starting at some point in time, are indefinitely in force. Others have an expiration date. So we use to talk about norms that have permanent and limited or temporary validity. If the lawmaker that establishes the norm does not attribute a validity term to it, at first its validity is permanent. Permanence is in respect to the time of ceasing of the in force being, not to the time of its beginning. That is, a norm is permanent even if the initial period is postponed to a time after its promulgation. This period between the beginning of its in force being and the promulgation and publication receives a technical name of vacatio legis: there is already a valid norm, but its legal term of in force being has not yet begun. There are norms, although, for which a ceasing time is previously established. For example, the norm that, in case of rent, prevents the execution of eviction for a period of one year from its publishing act. This is a limited temporariness. This distinction refers, as known, to relevant practical problems. For exemple: given a temporary validity norm, if its legality ceases, how do the acts practiced during that period remain? Do they disappear with the ceasing? Does another norm also of a temporary legality and that is promulgated afterwards change the statute, that is, the legal meaning of the previous acts? The matter has to do with another distinction that uses time as a criterion: norms that are non-retroactive and retroactive. In principle, norms are (admitted as) non-retroactive. The principle is ideological and is part, as a significant theme, of the legal doctrine and, in some cases, as in the Brazilian law, a constitutional norm. However, there are exceptions. Thus, a norm that, at first, is only valid for future conducts, after the initial period of its validity, can also act retroactively. Although its validity is prospective (from an initial period – prom-
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ulgation/publication – onwards), it can also produce backwards effects: it has retroactive efficiency. The doctrine elaborates and accepts this possibility, when the retroactivity benefits the agent whose act is punishable according to the old norm. It is the retroactivity known as in bonam partem, usually accepted in criminal law. However, there are limits. The constitutions themselves often guarantee the perfect legal act, the res judicata and the acquired right. These are situations that oppose retroactivity, even when the norm is, even partially – in bonam partem –, susceptible to retroactivity. Criminal norms are, at first, non retroactive (excluding the aforementioned exception). And so are those that institute taxes. However, the norms that are in interpretation laws might be admitted, at first, as retroactive, since they would fixate, since the present time, the meaning of norms decreed in the past and since the past, obviously respecting the perfect legal act, the res judicata, and the acquired right. For example the Brazilian National Tax Code (CódigoTributárioNacional), a Brazilian Law from 1966, determines in article 106 that “The law is applied to act or past fact: I – in any case, when it is expressly interpretative, excluding application of penalty to the infraction of the interpreted devices.” Furthermore, the matter of time reveals another doctrinal distinction: norms of immediate incidence and of indirect incidence. The distinction is temporal. This classification is related to the beginning of legality and with the vacatio legis. So, for example, it is usually said that norms of the law of procedure have immediate incidence: when promulgated and published, they start immediately ruling every procedural act, judicial or administrative, still under way. For example, the same aforementioned code (CTN, article 106 – II) states that it applies to a new law or past fact when, in cases where the code itself determines, there is an act pending final judgment. Other norms, however, have immediate incidence, requiring, for example, the fulfilling of certain requirements. As a hypothesis, take the following wording for a constitutional norm: “it is guaranteed the review of welfare benefits to permanently ensure that they have real value, according to criteria set forth by law”. So the time factor is at stake: the real value of the benefits, which can be altered by inflationary factor, should be, according to the constitutional norm, permanently guaranteed. But since when? Since that constitutional norm was promulgated and published? Or does that depend on posterior legal rules that will define the criteria for monetary update? One can understand that jurists work on the theme, elaborating a conceptual technology of time: time of its validity (its in force being) is immediate: the (constitutional) norm is in force as of its promulgation: it is valid ex tunc. But not its effective imposingness: its efficacy would be suspended in time until the advent by the constitution norm referred law. But which time does that concern? For example, promulgation is a legal action, which occurs in a time that is not mistaken necessarily with empirical time: the moment in which the authority figure, in his/her office, issues a document with his/her signature.
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III. Dealing Legally with Time: The Example of So-called res Judicata The theme of res judicata is interesting to show the technological elaboration of science of the statutory positive law. Let us begin with the following considerations. The legal doctrine acknowledges that time affects the whole legal system (legal framework as a set of issued rules) as a competent production of rules. That is because the competent power to produce rules does not extinguish in one production, but keeps on producing. And since it continues producing, rules change. Hence the problem of the res judicata, which lies in bestowing the power to change a limit: impossibility of a second verdict on the same object of a previous verdict, even if based by new law, product of the competent (permanent) power of (continuously) producing new general or special rules. The problems do not lie on the time of legally in force being of the rules (temporal validity), but in the temporariness of power (permanent and continuous competency) of changing (issuing) rules. And because it has to do with this power that the res judicata involves, in terms of temporal changeability, a kind of security: how to deal with the temporal contingency by force of which what is significant once might not be in the future. Actually, the conception of the framework as a dynamic system demands the special consideration of problems generated by time in the succession or in the familiarity of rules and situations ruled upon (diachrony and synchrony). The establishment of a rule and the advent of a ruled-upon situation is a fact: a fact that occurs in a moment and, in the following moment, it becomes a past fact. As a (legal) fact, it disappears in the following moment. It is the chronological time, characterized by the irreversibility of an undefined moment in the past that projects for an indefinite moment in the future and that has an entropic quality: everything dies (as it is seen on the second law of thermodynamics).8 In theory, in the frameworks of positive law, if everything dies, nothing would be valid. Human existence thus becomes a confrontation of the chronological time. In this inescapable fate of physical time, we introduce culture (ethics, religion) and this realm, the positive law as a capacity to a contemplative resuming of the past and a contemplative anticipation of the future. We speak of the existential time, that law, through normative positivity, manipulates and controls in terms of a technological capacity to reinterpret the past (without voiding or erasing it) ¢ for example, through a normative liability for what happened ¢ and reorient the future (without preventing it from happening) ¢ for example, using it as a regulatory purpose of the action: normative planning. Between the past and the future, this existential time that appears as a duration, that is, whose experience happens in the present, that the human being lives continually, has to be conceptually (legally) mastered. Because the duration challenges the chronological time, which corrodes all: it treats the past (that which is no more) like something interesting and treats the future (that which has 8 Cf. François Ost, Le temps, quatrième dimension des droits de l’homme, in: Journal des Tribunaux 99 – 2.
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not happened yet) like a credit, the basis of the promise. In consequence, the promise, for these effects, becomes a juridical theme. The manipulation of the existential time through positive law has a special feature. There lies also the reason why here security comes in as a fundamental right. Security is a way to deal with consistency of duration, that is, with avoiding that a past event (the establishment of a rule and the advent of a ruled-upon situation) suddenly becomes something insignificant, and the future, something uncertain, which would make the time of the law a mere chronological time, a collection of destabilizing surprises of life. After all, if the meaning of a past event or the meaning of a planned event could be altered at will from a present act, the validity of the human acts would be subject to insecurity and uncertainty that would be unbearable. Human life itself would lose any meaning. In this picture, the past preserves, to the human being, a meaning, granting to memory the necessary security to the conforming of the psychosocial integrity of the individual. Hence, since the first French Constitution, safety was recognized as a fundamental right. That is, a right, product of human reason (technological culture), against the inexorability of death of all things in nature (chronological time) and put in a constitutional norm (positivity) as a timeless time. Forced, thus, by the positivity of the right, the juridical knowledge invents its own instrumentality: legal principles as an immutability mechanism to deal with mutability. In the case of changing laws in the face of preceding facts, there are two legal principles that usually show up in relation to this problem: the already mentioned non-retroactivity of laws and the anteriority. About the non-retroactivity of legal norms, we spoke already. It has to do with respecting the past in the face of legal changes, being cautious not to make the legitimate expectations retrospectively illusory (good faith, promises, agreements, decisions) in the past event, by force of the revoking power. The non-retroactivity principle rescues and sustains a past in face of the future, assuring this legitimate expectation before the new law. Thus, the meaning of a past event acquires an outline of its own, according to the legislation in force then, making itself immune to the meaning that shall be attributed to it by posterior law. The non-retroactivity principle guarantees the right to security. In this scenario, res judicata is understood as a positive legal device to deal with time. Res judicata has to do, thereby, with the incidence (enforcement) of the positive norm, understood as a current configuration of subjective and objective situations through the application of effective law (effectiveness as a possibility of incidence). Since a new law can be effective, both for the future and for the past (that is, since the present, it can alter the effects occurred through the incidence of rules, in the past), the res judicata grants to the dynamic nature of the positive system an important instrument to deal with contradictions. Contradictions that might arise between the past and future incidences. If chronological time corrodes all, the institution of res judicata is an instrument capable of rescuing the past in the name of an uncertain and
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changing future, through the prevalence of a jurisdictional incidence occurred on the effectiveness of a new incidence on the same object.9 Because of the time factor, the res judicata is one of the institutions that, by guaranteeing security against the temporal entropy, is inserted in the list of the fundamental rights of the Brazilian Constitution. Now, the principle of non-retroactivity refers to duration. No one shall be punished by an act committed before the beginning of the effect of the law that punishes it. The safeguard against the surprise demands frequency (rate of occurrence), what grants the events a minimum duration. That is why, in every culture, time is divided and counted. Despite the inexorability of chronological time, it has to do with granting consistency to present time, making it an extensive and compact whole, between a beginning and an end, inside which the events are mutual. Without this division and counting, humankind would not be able to plan its actions. In positive law the nonretroactivity principle divides time in legal periods, and gives it a sense of unity, protecting the events that, inside it, happen against legal changes that might occur in that period. It is not about preventing legal reviews, but ensuring that the changes they bring about are (legally) protected against disturbances and surprises. Without this assurance, the events would not last (lose the meaning of duration) and become insignificant (lose their legitimacy). The legal establishment of periods (a day, a month, a year), inside which the new law does not produce effects, is, therefore, vital for the implementation of legal security. IV. Positive Normative Time and Time of Real Occurrences As a typically legal institution, res judicata shows an interesting relation between the legal time and the time in which the facts occurred in everyday life. In the world that is common to us all there is always the comeback of the same: things that always occur again, phenomena that always become real again. Among these phenomena are human actions and interactions. However, though things that exist point to a certain temporal stability – the same table where I set my papers was here the day before –, the actions – for example, going for a walk – have a peculiarity, because they “elapse” temporally, and are, so to speak, “fluid”, as is the case of a pronounced sentence. Still, nothing prevents us from repeating the same actions: to make go for the “same” walk, to pronounce the “same” sentence. Our actions (from the Latin actus) are, in general, “current” variations of some form of permanence. That is, every walk or every sentence is a unique occurrence impossible of being repeated. Furthermore, as Ortega y Gasset say, “I am myself and my circumstance”, we are, in every moment, one only and unrepeatable happening. The same is said for our actions and the reasons for our actions. A pianist that plays a musical piece is capable, in every execution, of perceiving the uniqueness and the unrepeatability of the exe9 Cf. Tercio Sampaio Ferraz Jr., Introducción al estudio del Derecho, Madrid/Barcelona/ Buenos Aires 2009, § 434.
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cution. So how can we talk about repetition and the new occurrence of the same execution? Through a long learning process, we acquire the habits of acting, which we start mastering, become capable of, and this we repeat or update in several combinations and variations. The difference we should make here is between the current action (I play the musical piece) and the potential action, that is, on one hand, the act, and on the other, the (potential) schemes of action that constitute an activity. Schemes of action are understood not as common graphics or drawings, but as regular or regulated habits (one activity) that, every time we act, we update. For example, to go for the same walk we take the same steps (schemes of the action of going for a walk) on the same place. Or to pronounce the same sentence, we use the same linguistic signs. Steps and signs are potential schemes of action (walk, speak). That is, repeating an action means to repeat their schemes. Such schemes constitute structured systems (activity) which we update every time we act.10 What is said for the action also goes for the agent and its reasons. Therefore, if we are never the same in our actions, we must distinguish here between the agent, concrete physical person, and the social roles they assume when acting. No one acts in the integrity of the possible social roles. We act as parents, siblings, taxpayers, defendants, etc. What we call personality is the identification of several possible roles in a single acting center. Therefore, when we say that someone hit someone else repeatedly, we are saying that the father hit the son or the attacker hit the victim repeatedly. The identity of the subject is not a physical identity, but one of the role taken when acting. The role functions here also as a potentiality of an update. Lastly, the reasons also are framed under a similar distinction. Although the circumstances that form the action in the empirical time are fluid (it was raining during the first walk and the agent had an umbrella to protect him/her, during the second walk, it was sunny and he/she had a hat for protection), it should be said that there are circumstances as circumstantial customariness that repeat in every action that occurs. That is, repeating the same actions, reasons, ends or basing on the same foundations means to update these habitual foundations that make up, in every action, potential circumstances that we learn and acquire during the course of a social life, a kind of potential repertoire of foundations that we set in motion every time we base our positions when interacting, going into conflict, etc. In the three cases mentioned above, we still need to distinguish between the action, the agent, their circumstances and the result of the action, which is its embodiment. So, to make an agreement between two dealers having as goal the acquisition of a good is a situation that belongs to the action world in general. But the resulting written instrument is not fluid as the action is. The instrument is something whose temporal stability is different from the not repetitious nature of the action. So is, for example, the writing in relation to the speaking, the written document in relation to the 10
Cf. Wilhelm Kamlah/Paul Lorenzen, Logische Propaedeutik, Mannheim 1967, pp. 53 ff.
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action that produced it, the musical score in relation to the act of composing. They are all temporal phenomena, they all occur diversely in time. What time? By what means can we say that the chronological time be mastered in a way that we do the same thing that actually we cannot do? V. The Normative Time and the Subject of Imputation Time, in law, in the example of res judicata, brings about curious questionings. If someone is considered not-guilty and, under certain conditions, cannot be subject, by the same object (same action), to a new trial, it is as if for that trial, time were left in the past as it was and in the present as being in the way that it was, for all the future. After all, what is prevented is a new trial, in the future of trials to come. But if time runs, inexorably, from past to future and everything dies, how is it possible, between past and future, to redo the chronology, in such a way that the past continues to exist (res judicata) in the present and that the future is interrupted (will not be sent to trial again)? Through which artifice is chronology (entropic quality: everything dies) manipulated by the positive law? Kelsen11 knowingly states, in purpose of freedom, that the individual is free because the rule imposes on him a conduct, through several possibilities. These possibilities are predetermined (through physiological, psychical, social, historical reasons, etc.) but the imputation of a sanction to one of those makes one “free”. Initially, nothing escapes the causal reasons, inexorably determined by chronological time. Causality is a type of linear and infinite relationship, in the progressive line of effects and in the regressive line of causes: everything has a cause and is the effect of a cause, effect of another and cause of another one. To Kelsen, chronological time is the master of the world of being. But in this picture, the imputation is a kind of terminal and primary relation. In other words, it has a defined beginning and a defined end. So, given a causal series, the imputation of a sanction to one event in the causal series temporally undefined interrupts it, when qualifying the event as a condition of the sanction. For example, someone was brought up too strictly (cause), so he/she rebels continuously (effect) and drinks too much (effect of the effect: cause/effect) and in this condition, moved by the rebellion against a strict education (cause), drives a car in high speed (effect) and then (cause) runs over and kills a passerby (effect). Each cause and each effect, in this series, align with other causes and other effects, in a diachronous and synchronous network, but always chronological. Well, the (legal) imputation goes through and interrupts the series, decomposes the diachrony and the synchrony, reorganizes the network, when highlighting an event and its consequence as a condition of the sanction (driving under the influence – negligence – and killing someone: sanction). The imputation, without altering the 11
Reine Rechtslehre, Vienna 1960, pp. 95 – 102.
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causal network (the chronology is inexorable and determined since the past, following determined and inexorably towards the future), creates a new series: the time of the typified conduct and the must-be of the sanction: the typical conduct ought to be avoided or, on the contrary, shall be the sanction. The agent, causally determined, is still subject to the inexorability of causal time: he/she will drink or not, he/she will drive the vehicle, drunk or not, or will not drive, etc. But if he/she drinks, drives, kills, it will move the sanction: the sanction shall be. In temporal terms, there is a sui generis treatment of the time factor. The (chronological) being of the agent becomes regulated by norms (imputation of sanctions) that provide for, since the past (moment of imputation of sanction), a determined future behavior (behavior to be sanctioned), whose conditions are preset since the past. The imputation, thus, makes the [future] behavior of the agent a past that shall be verified either as a punishable conduct or as an allowed conduct. The imputation time is the time of the free subject: it is about a normatively forbidden/allowed conduct that bears from a past (behavior typified by the sanction/absence of sanction) masked as future (under the nomenjuris of normative provision). That grants the normative time (positive law time) a different character, capable of dealing with chronological time in a peculiar way. The imputation of conduct to an individual through a positive norm makes this individual a kind of synthetic unity (free being), a being that, instead of experiencing the causal compulsions as external forces that conform it, manifests him/herself and in him/herself as the subject of imputation. As the subject of imputation, the individual is “designated” (through language, through the normative speech) as a possibility always possible despite whichever external determination (causal). In other words, the normative imputation makes the agent a subjectum, who is presented as a possible executor of a duty, as if the normative imposition can only be fulfilled in its integrity as a source for diversity. The legal normative order, as a nexus of external imputations, is then the possibility that designates the subject as their own possibility to be shown (phai-noumenon) as a subject. So, this way and as such, he is constituted as a possibility of future conduct, in spite of a past causal conditioning, according to a past typification that he realizes, since the past, as a future. For example: no one shall be considered guilty prior to a final decision of criminal sentence. In this case, despite past conditional events (having been caught in the act, feeling remorse, getting someone killed through an external instrument, etc.), being guilty (guilty subject) is a normative possibility (will only be considered guilty if…) constituted as a future possibility (considered guilty after final decision of sentence), that the normative subject (sentenced perpetrator) realizes (constitutes) from the past (example: having been sentenced by a crime) as a future (will commit a crime and be condemned with final decision on a sentence). Rephrasing it: I am, since the past, as I should be, since the future. This way, we have a curious “play” with time-here (nunc stans).
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In temporal terms, the positive normative order is determination (imputative) of the subject’s present through the future possibility of him being against his past (for example, rebelling and not driving drunk). Or, in other words, normative time runs backwards: from the future to the past! Let me make it clearer: through imputation, the chronological past conduct (killing someone) has the meaning of a future (the act of killing someone will be sanctioned) even before one kills someone else. The imputation time runs from the future to the past. We are, so to speak, responsible from the past for an action that happens in the future, while a projection that runs from the future and that still doesn’t exist to the past that stopped existing. The positive norm becomes a means through which a past (typified fact) is masked as a possible future that was realized as a past. Thus, one can understand a type of paradox introduced by the positive legal normativity in the chronological time. We are always held liable for what we did (past), but due to a liability imputed in the future (what we should do), and which makes us liable in the present since the future. You shall not kill under threat of imprisonment is a rule set forth to be observed by any individual in a given society: it is his/her future. The rule: do not kill or kill and be subject to imprisonment shows how someone – the subject of one’s possible actions – should behave before his actions. To the rule, in the past, this is the future, actually, a previous future. So, when someone kills someone else, he/she realizes, in the present, this previous future: to be or not to be condemned is reported, from the future, to this possible action, since the past, as a future possibility. As if the chronology, in normative positive time, could set (and effectively does) diachronic into synchronic. Let us look at the case of legitimate self-defense. The conduct that was (to kill someone and be punishable), is not punishable from the past by force of a past that comes from the future (you shall not kill, except in legitimate self-defense). That is, someone killed (from the past) and is not punished (from the future), even when he/she has already killed (type of fact established in the past, “masked” in future: killing in self-defense). The rule as a necessary possibility (if killing in self-defense, he/she will not be punished) opposes the purely chronological contingency of the facts: instead of killing in self-defense and not being punished, we have because it is not punishable to kill in self-defense (in the future) it goes to not being punished from the past. VI. The Law as an Endless Game and Time The positive law has the singularity of having a beginning. It bears from an initial action through an initial rule called first rule set forth. It is not the case here to distinguish the hypothesis of the fundamental norm. I just want to highlight that, from the angle of time, positive juridical time starts in a moment (a type of juridical nunc stans) that annuls the past and retrieves it as future. It is the theme of the constitution as an institution of new and legitimate order. Let us examine the matter.
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One can compare the positive law, keeping in sight the matter of time, to a kind of “endless game”.12 An example of “endless game” is that where the players propose a rule to invert the meaning of everything they say. So, if someone says, “I want water”, it shall be understood as “I don’t want water” and vice-versa. This would be an endless game because once playing, the message “I don’t want to play anymore” could not be coherently proposed, since it would mean, “I want to keep playing”. There is no way thus to interrupt it, except if we resort to factors external to the game. For example: defining that the game will occur in German and, to interrupt it, the message should be said in English (hypothesis of external language or meta-language). Or still, a time can be defined for the game: when the deadline is reached, the game is over (hypothesis of the time factor as an external datum that limits the game). Finally, an arbitrator can be instituted, someone that won’t play and that will tell if the game is over (hypothesis of the external mediator). Well, if the positive law sets forth a problem that is similar to such a game, with another aggravation that it is not only a game that does not have an end, but it also has a beginning when it puts an end to something that has no end. In these terms, the positive law is a sort of sui generis byproduct of the modern concept of revolution. After all, the astronomic physical concept suggests a circularity, a rotation (even if elliptical) of 3608, but transposed to the political time (political revolution) it means the foundation of a new time. As if the circularity of a kairos time could be crossed by the linearity of a chronos time. And it is this movement that the positive law, through a (first, initial) normative imputation, does. Through a presumption of dogmatic doctrine of positive law, we are, since we are born (and even before: the rights of the unborn child) inside our rights and all our conducts are legal, according to the principle “what is not forbidden is allowed”, and there are those who understand even the legal indifferent as a legal indifference. The theme generates, for the constitutional rights, the problem of reception of the previous right to a new constitution. All in all, the matter is knowing if and how is it possible to punctuate the juridical game (the sui generis never ending game). That means: the possibility to say if and when it stops being played (whence the problem of legitimizing the new law) as if the juridical time were a circular continuum susceptible to a linear discontinuity through an initial normative imputation, that happens inside this continuum, but is perceived outside of it, when, in truth, it is only possible to say from inside the positive law, when it ceases to be. Since this is an endless game, it should be obviously impossible to determine its ceasing from an internal angle. As a consequence, we can always say if the positive legal behaviors are licit or illicit, according to an internal principle of legal validity,
12 Cf. Tercio Sampaio Ferraz Jr, Teoria da Norma Jurídica. Ensaio de Pragmática da Comunicação Normativa, 1a edição, 1978, 4a edição, 2000, pp. 169 ff.
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but we cannot punctuate validity time itself outside validity itself. Except, of course, if we admit that the endless game admits some type of termination. Considering, though, as a possibility to end the time of the juridical game as a never ending game through an internal factor, one can imagine, first, the hypothesis of meta-language, an initial pact that establishes those rules that shall define the legitimacy of the game in time: for example, the constitution as the rule of rules and beginning of temporariness of them (they all begin after the constitution and end when they are revoked or when its temporary validity time expires).So, in this case, the constitution itself sets the normative time of all the infra-constitutional norms, existing before and after it: constitution defines the juridical time. But not the other way around; that is, the juridical time of constitution itself is defined by it: date of promulgation, but this date is reported to the real time, external to it (moment – day, month, year – when it is promulgated/published). Whence, time is no internal factor, but external. Away around the problem would be, in a second hypothesis, to conceptualize time itself, that is, to conceive History as a process inside which the juridical systems appear, overcome themselves, disappear: an overcome right – historically – has no more reason to be anymore and becomes illegitimate. Historical time would command normative time. The juridical dogmatic, in this sense, since the 19th century understands that the law is not in History, but is historical. If it is historical, historical time would be immanent. But, then, it wouldn’t serve as a criteria to determine the end of the never ending game: being historical, the law would only end with the “end of History”, which is an external criteria to the game (it demands an external spectator, that looks at History as a whole). To avoid difficulty, one admits, third, the hypothesis of having a super law, timeless, by definition, that allows us to determine, from outside, the ceasing of juridical systems: it is the hypothesis of a universal law, exterior and superior to the positive laws, which grants it the legitimate character: a kind of supratemporal and even timeless law. It is the case of the so-called natural law. For example, life begins and perishes, but the right to life is expressed in a rule that does not begin nor perishes. The dogmatic presumption that the fundamental rights are not instituted, but acknowledged by the constitution deals with this hypothesis. The timelessness hypothesis of such rights, on one hand, is very debatable, and on the other, puts the theme of time again inside law itself: temporal and timeless rights, as an intrinsic juridical factor. In the three hypotheses, we see, to sum up, some possibilities to bring foundation to positive law, and also to decide on its legitimacy, a type of last word on the juridical game as an endless game. They would be, so to speak, external criteria that would allow us to say when the never ending game of positive law begins and ends: it gets a time from an outside perspective. But, in the case of positive juridical systems, none of those are viable, since they are only apparently external standards. That is, in the positive law, time is time made positive by the own law set forth. And if they are
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not external, the endless game never ends. Jus ac tempus convertuntur.So, a constitution is not outside the system, but is the first rule in the system. Therefore, it is systematized, interpreted and applied according to rules of the system itself. The second hypothesis makes the assumption of something truly impossible: someone that, living timelessly inside the system and its phatic contingency, is put outside, as a neutral observer, capable of a universal historical view. After all, the law is not in History, but is historical. The third way of getting out of the game is also not feasible, because a super law is also a law and becomes subject to the knowledge and interpreting rules of law itself: for example, natural right to life depends on the juridical meaning attributed to life itself (see discussions around stem cells). After all, if the positive law is an endless game, there is no way to found it inside its own game: it is the paradox of sovereignty in the relation between power and law – is the power out or in? And, if it is out, would it be in a time outside the positive juridical time? The usual way by which the positive law deals with the inaugural power of constituting law means that normative time is the time that counts. But, between initial normative time and the interrupted normative time there is, in some way, an indefinable nunc stans. Do we have, after all, a void? Would the time normatively make this void positive? VII. In Time In his Confessiones, when interrogating about what is time, Augustinus raises an anguishing question: it is not the past, because time that has past is no more. It is not the future, because time that will come still is not. And the present is but an instant between the past and the future: it is when it ceases to be and so it is not; but when it stops being, it already is, but it is what it still is not, and, then, it isn’t. The past (time as past) is not. The future (time as future) is not. And the present (the nunc stans) between both is nothing. Nevertheless, we measure the time that passes. Through positivity of the law, we determine the tempus a quo and we count the time that will come: ten days after the publishing of the sentence. When we speak of a time for intervention of an appeal that it counts double, we measure the time. But how do we measure time if past time and future time do not exist and present time has no duration? Augustinus says that the time experienced by the human being is nothing. Nothing whose reason to be is to be memory (past time that is no more, but which it is in present memory); and it is in the expectation (future time that is not still, but it is in the present expectation). What do we measure then, through the positive law? We might be able to conclude that time is nothing, positive juridical time is a refined conceptualization of nothing – one of the most refined inventions we know – capable of granting to the temporal existence a significantly laborious meaning (normatively positive time).
Global Modernity, World Society and Global Justice: Preliminary Thoughts* By Volker H. Schmidt, Singapore I. Introduction In the decades following the end of World War 2, especially during the past 30 years or so, the world has undergone massive social and technological change as a result of which social arrangements and living conditions associated with the modern age have for the first time reached genuinely global proportions, affecting and shaping the life prospects of the majority of people around the world. This change, I argue, ushers in a new stage in the history of modernity, the stage of global modernity. A half century ago, modernity was concentrated in the West and a few other locations. Now, it has spread to all parts of the world. The breakthrough of global modernity is an event of seismic proportions whose significance the world has barely begun to understand. Despite this significance, it has not yet received much attention in the social sciences, two decades of research and theorizing about globalization notwithstanding. The reason is probably that the globalization literature captures only selected aspects of this sweeping change. Elsewhere, I have proposed a scheme for conceptualizing global modernity in its entirety (Schmidt 2012a; 2013), as well as gathered empirical data lending support to the claim that its breakthrough is indeed a landmark event in the history of humankind (Schmidt 2007, 2012b). Here, I only mention it as a background condition – as a condition that has enabled, and is arguably forcing, us to think humankind as one community – for what I will have to say about the relevance of the idea of global justice. In what follows, I will not dwell on global modernity any further except noting a temporal coincidence between its onset and the emergence of various theories of world society that, while still contentious, have slowly gained ground in sociology since the early 1970 s. Initially rather skeptical, I now think the concept of world society is well suited to making sense of current global trends and developments. In my own work I draw primarily on the conceptualizations of Niklas Luhmann (see especially Luhmann 1997) on the one hand, and John Meyer and his collaborators (Meyer et al. 1997) on the other. Again, I won’t go into detail here. Suffice it to say that I consider the capitalist global economy as but one manifestation of world society. * An earlier version of this paper was presented at the workshop “Aspects of Global Modernity”, University of Muenster, 18 June 2013. The author wishes to thank Thomas Gutmann for organizing the event and the audience for a lively, fruitful and helpful discussion.
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Other subsystems of society whose operations increasingly project global horizons and which have evolved institutions of global reach and significance are the political system, the sciences, religion, the mass media, sports, and, perhaps somewhat surprisingly, even the law and education. All of these systems are engaged in global activities which, collectively, can be thought of as constituting a world society. In keeping with the conventions of methodological nationalism, most contemporary conceptions of justice view the scope of social justice as being delimited by the boundaries of the nation-state. If we follow these conventions, then society itself is to be equated with the nation-state. Arguably, this line of reasoning had much to say for it until recently, but has been rendered increasingly outdated by the various waves of globalization that set in roughly around the early 1980 s. Or to put it another way: it has been surpassed by social reality. For one of the effects of globalization has indeed been the emergence of a world society, which cannot be adequately understood with the help of analytic tools tailored to making sense of societies in the plural – in short, of national societies. If principles of justice are to regulate societal arrangements and conditions, and if we have reason to believe society itself has gone global, then so must justice. The notion of global justice advocated by a small but growing number of cosmopolitan scholars reflects precisely this mindset. They argue a global societal order with far reaching consequences is now in place. If this order cannot be reduced to the actions of states, and if it affects different categories of people around the world differently, then questions once directed at states must now be asked about it (Risse 2005). The notion of global justice, just like that of world society, initially met with great skepticism, and only few professional philosophers openly advocate it today. Popular or not, I believe world developments have put global justice on the agenda. But rather than stipulating what it means or requires, I will restrict myself to discussing what I consider to be some of the strongest objections that have been raised against either the concept of global justice itself or against treating global justice on a par with national justice. More specifically, I will be looking at the pertinent work of two eminent political philosophers, Thomas Nagel and David Miller, and confront it with recent social science findings which shed a critical light on the premises underlying their objections. If it can be shown that the strongest cases made against global justice are unsustainable, then we have no reason to marginalize global justice as an object of study. Both authors treat the nation-state as the privileged site of justice, but focus on different aspects to argue their case. For the sake of simplicity, I divide their objections into two types that I call statist and communitarian, respectively, with Nagel standing for the former and Miller for the latter. I begin with Thomas Nagel’s position, laid down 2005 in the article “The Problems of Global Justice”. In the case of David Miller, I draw on his book National Responsibility and Global Justice from 2007.
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II. Two Objections to Global Justice Here is a brief summary of the key points behind Nagel’s statist objection: (1) The nation-state is the primary locus of political legitimacy and/or justice. (2) The subject matter of justice is institutions, and just institutions depend on sovereign government to enforce their rules. (3) Global justice would require global sovereignty. In the absence of a world government, global justice is a chimera. (4) International organizations with some capacity to regulate the global economy have arisen, but depend for the success of their activities on governments that fund them and that command coercive power. International organizations have not risen to the level of statehood, and while they may eventually dislodge the sovereignty of nation-states, they currently fall short of global sovereignty. Global governance hence depends on states. (5) Sovereign states are not only important as enforcement agents, but also give value to justice by putting fellow national citizens into strong associative relations which generate reciprocal responsibilities/obligations. (6) Associative relations and obligations are the basis of positive rights which citizens grant each other in their roles as both putative authors of just laws and individuals who are subject to them – neither of which conditions applies to noncitizens. (7) Negative rights, on the other hand, do not require any special relations but depend simply on people’s capacity to put themselves into the shoes of others. They apply to people’s relation to all others. This makes them suitable for grounding human rights. Granting everyone human rights, however, is not a matter of justice but of humanitarian concern for the plight of suffering people. As we shall see, some of the issues raised by Nagel overlap with Miller’s objections. With these aspects I will deal in my discussion of Miller. My main reply to Nagel will be that his notion of sovereignty is overstated. If we make justice dependent on it, then national justice is no less a chimera than global justice. Moreover, the scope of justice would be severely circumscribed, as even the most powerful states fall far short of the ideal, to say nothing of the rest (on the latter, see Risse 2011). So if sovereignty were a necessary condition of justice, then justice would have to be denied precisely to those who need it most. Let me now turn to David Miller. Miller puts the community component at the heart of his defense of the nation-state. He does not reject the idea of global justice as such, but treats it as subordinate to national justice, which trumps it and is also more demanding in terms of the claims it supports. Substantively, his position appears to be close to Nagel’s given that he grounds any justice claims that non-citizens might have against citizens in human rights. Moreover, like Nagel, he argues that
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non-citizens are only owed negative duties, not positive duties whose scope is to be reserved to fellow members of the national community. However, as justice norms they possess stronger moral force than in Nagel’s account because they are non-discretionary. Giving to others out of humanitarian concern rather than as a requirement of justice, by contrast, can be likened to acts of charity that we may or may not feel obliged to commit. Here is my summary of Miller’s position: (1) As political communities of citizens, nations possess intrinsic value. They establish special relationships among the insiders who cherish their allegiance toward one another, the ties between them and the opportunity to place their lives in the context of a collective project that has been handed down to them from generation to generation. (2) People who share a common national identity feel special loyalties toward their compatriots and value their difference from others/outsiders. They are emotionally attached to those features – language, cultural traditions, etc. – that embody this difference. The world community invoked by cosmopolitan thinkers appears far-fetched in comparison. (3) National communities ground national responsibilities, both rooted and expressed in shared citizenship. National citizenship forges solidaristic bonds for which no equivalents exist in transnational, not to mention global political spaces. (4) Social justice refers to the distribution of rights, opportunities and resources among members of large societies=nation-states. Global justice is not social justice with a wider scope because there is no global equivalent to the domestic political community that serves as its basis. (5) The positive duties owed to fellow citizens are delivered through a battery of measures that commonly go by the name of social policies (including the regulation of employment contracts, the inheritance of wealth, etc.). To non-citizens we owe largely negative duties, institutionalized as fairly basic human rights. Human rights, in turn, are best understood as reflecting basic needs, i. e. whatever is required for leading a minimally decent life. My response to Miller’s objection is twofold. First, by naturalizing the nation, Miller fails to recognize, at least acknowledge, its constructed character, the fact that nations are made, rather than found, entities, imagined communities which come into being only by design. Given the strong sentiments they can arouse, it is easy to forget the artificial conditions that generated national forms of consciousness and solidarity in the first place. Second, Miller’s propositions regarding the demands of human rights are incoherent. On the one hand, he pleads for only very basic, negative human rights. On the other, his needs-based approach leads him to interpret human rights in a way that clearly exceeds what would commonly qualify as claims/obligations deriving from negative duties. They include access to goods such as food and water, clothing and shelter, physical security, health care, education,
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even work and leisure. To provide these goods requires positive action, active intervention; not just inaction or abstention from interference in people’s affairs as mandated by negative duties. III. Critical Commentaries on Nagel and Miller I now discuss the two authors’ objections at slightly greater length. Once again, I begin with Nagel. The main problem with Nagel’s assumptions concerns the notion of the sovereign state itself. This notion projects the image of a unitary actor who is able to speak with one voice and to execute chosen policies/programs consistently across spheres of society, levels of decision-making, time and space. This image overstates the internal coherence of statutory regulation, and it understates, or leads us to underestimate, the extent to which different state bodies, divisions, departments, jurisdictions, authorities etc. pursue agendas independent of, as well as enjoy autonomy from, central governments, partly complementing, partly subverting the latter’s goals. Moreover, as society becomes more complex, tasks performed by state agencies require greater expertise, specialization and professionalization of staff, resulting in the flattening of bureaucratic hierarchies and a wide diffusion of power sources, thus rendering central control difficult. In short, even in the absence of globalization, governance is a much messier business than the notion of sovereignty implies. The government may well govern, but it comprises only the highest level of a multi-layered and highly differentiated system of governance over which the “chief executives” (Max Weber) of the administration (heads of state, ministers, etc.), not to mention the legislature, command only limited and probably decreasing control. This is a problem afflicting even the most powerful states. Globalization further intensifies it; in at least two ways: First, as society’s subsystems go global, a growing number of government agencies engage in cross-border cooperation because the solution of problems affecting states and their citizens escape the regulatory capacities of single states. Sometimes such cooperation results from government level agreements which spur meetings between lower-level officials, sometimes it is initiated by particular bureaucrats themselves who in pragmatic responses to specific problems directly contact their counterparts in other jurisdictions. Over time, their cooperation evolves into regulatory networks of professionals with recognized expertise and the partly delegated, partly assumed competence/authority to devise rules for their domain. These rules change not only the external, but also the internal environment of states as they become binding both domestically and abroad, often without any formal ratification by national or subnational legislative bodies (see especially Slaughter 2004). Further reducing the sovereignty of states is a second development associated with globalization, namely the rapid proliferation of supranational, in many cases fully global, trans-governmental and non-governmental organizations. Here, I will touch only on the first type.
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Trans-governmental organizations – the organizations that Nagel calls international organizations – have much greater power than he suggests. Well known examples are the OECD, the International Monetary Fund, the World Bank, the World Trade Organization, the United Nations, especially its security council but also several of its sub-organizations and programs such as the World Health Organization, UNESCO or the International Labor Office, and many others. Sometimes portrayed as little more than servants of the states that fund them and on whose power they ultimately rely for enforcement of policies or norms they propose, they are increasingly recognized as political actors in their own right who shape political realities beyond and above the nation-state. Once established, they change and grow over time, adapt to new circumstances, adopt new functions without requesting or getting approval from their formal stakeholders. They expand their inevitably vague mandates, and they possess considerable autonomy which they exercise against the overt or covert preferences of states whose action it is their purpose to shape. Sometimes they build alliances with civil society organizations to protect policies from powerful governments opposing them. They make authoritative decisions that reach every corner of the globe, they define problems that require solutions, they construct best practices addressing these problems effectively and legitimately, and they set agendas for global governance, based on their putative neutrality and technical knowledge/competence. Taken together, they constitute a world order of their own wherein states are construed as organs of the global community and governments as the enactors and enforcers, rather than authors, of globally binding rules (see Barnett and Finnmore 2004; Pal 2012). The emerging global political system is coupled to an increasingly autonomous legal system, which, much like the political and economic systems, shows growing signs of constitutionalization. Here, an increasingly global constitutional jurisprudence is seen as taking the initiative, with the European Convention sometimes treated as a model and an instrument used by the European Court of Justice for the making of rulings which have begun to change the shape of the laws of member countries. Indeed, European institutions, including the Commission and the Council of Ministers, have thrown a heavy network of regulations over the participating states, some of whose administrative bodies have been reduced to agencies that implement EU law (see Fassbender 1998; Fischer-Lescano and Teubner 2004; Slaughter 2004; Cohen 2012). The system of laws and institutions comprising the economic world order similarly has been likened to a constitutional order, not least because its purpose is precisely to insulate global imperatives from national policies and politics that are bound by them (Schneiderman 2008). In short, national sovereignty is severely circumscribed, and a powerful global order beyond the regulatory reach of any nation-state exists according to the findings of a growing body of social science work. To the extent that political philosophy’s normative reflections are based on empirical assumptions, these findings must be taken into account.
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I now turn to David Miller’s considerations about the special importance of the nation. Miller treats the nation as an organically grown community of fate, thus neglecting the constructive effort and political mobilization it has taken, and continues to take, to (re-)produce it and to transform the subjects of princely rulers into the citizens of modern states. Like Nagel’s insistence on a sovereignty that has been rendered obsolete or at least tenuous by the forces of globalization, his argument is not only admittedly conservative, but also unhistorical because it downplays the artificiality of the administrative processes that created the conditions wherein persons who had until then been strangers to one another could view themselves as fellow members of the same national community. National traditions are made and invented, linguistic unity across local dialects is achieved through the standardization of written language, national identity requires the abstraction from more particularized communities and allegiances, etc. (see e. g. Anderson 1983; Hobsbawm and Ranger 1983; Hobsbawm 1990). To emphasize the constructive nature of processes of nation-building and to deconstruct the invisibilization of the ongoing effort it takes to sustain it is not to devalue the national community as a source of solidarity or as a site of social justice. It is, however, to dethrone it, to question the taken for grantedness of its privileged status, both in political philosophy and sociology, by demonstrating its contingency. To most of our ancestors, the idea of a national community would have appeared as farfetched as the idea of a world community appears to David Miller and numerous likeminded scholars today. Moreover, as Habermas (1998) has argued, convincingly to my mind, it is precisely the artificiality of the conditions under which national consciousness arose that renders doubtful the assumption that the nation is the only form of organized community that can generate a solidarity among strangers strong enough for grounding claims of justice. Nor is citizenship necessarily tied to the nation. In Europe, the earliest forms of what we now associate with citizenship rights developed in towns and cities. Only during the last two centuries were such rights gradually extended to all members of the emerging nation-state. And it took until the 20th century before the rights of national citizens began to incorporate entitlements to a modicum of socio-economic benefits as well; in short, before ideas of social justice could gain a real foothold in state-funded and/or regulated institutions (see the classic account of Marshall 1964). Global citizenship and the global community are already being invoked in a growing number of public and private documents, are taken to be the appropriate referents for the regulatory activities of numerous governmental and non-governmental organizations, and human rights are interpreted in ever more expansive ways, in ways that include some positive entitlements rooted in ideas of social justice – just as David Miller suggests but cannot acknowledge because his narrow conceptualization of social justice rules out the possibility of viewing them as instances of justice.
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IV. Concluding Remarks In conclusion, it seems that the reasons held against conceptualizing social justice on a global scale are less compelling than the critics argue. A global order and a system of global governance have emerged that powerfully affect and shape the lives of ever more people around the world. Being made by humans, institutional orders contain an element of choice and hence have to be justified to those affected by them. Moreover, as globalization has shrunk the planet into one multiply interconnected world, notions of a world community are no longer utopian and have in fact begun to orient the action of a growing number of individual and collective actors, not least numerous non-governmental organizations, such as Amnesty International, Medecins Sans Frontiers, and many others that I can only mention in passing here but that play a crucial role in paving the ground for rendering the idea of global social justice plausible even in the absence of a world state. What exactly global justice might mean is a question I have to leave open; not only because, as a sociologist, I am ill prepared to answer it, but also because serious scholarly reflection about global justice has only just begun. So I will simply end with five brief and very preliminary propositions: (1) To the extent that political philosophers are treating global justice as a concern and concept, they have thus far tended to focus on the global poor and the question of what “we” owe them – with the “we” typically referring to the more developed and rich parts of the world, if not simply the West. A well-known example is the work of Thomas Pogge (see especially Pogge 2008). Pogge argues the global order is bad for the poor and hence requires remedial action on the part of its main beneficiaries in the form of redistribution of some of their wealth to the poor. Others, such as Mathias Risse (2005), while accepting the premises that a global order exists and that it is a proper subject of considerations of justice, find this order has actually benefited the poor, suggesting action is warranted not so much at the global level but rather at the more local level of weak states whose failings bear considerable responsibility for the poor’s misery. (2) As a point of departure, the focus on the poor seems well taken. When ideas of social justice came up within the context of nation-states, the misery of the poor was a concern that substantially drove and energized their development – first in Europe, then globally (in the sense of increasingly directing state action in all parts of the world; see e. g. Leisering and Barrientos 2013). Gradually, however, they expanded their purview, asking about the conditions that need to be met for safeguarding everyone’s full and equal membership in a national community. As the world is beginning to reconfigure itself as a global society and to view its population as one community, the question of what we owe the global poor will ultimately have to be rephrased into “What do we owe one another as global citizens?”
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(3) This question cannot be directed at a world state. For the foreseeable future, political world society will continue to be segmentally differentiated into nationstates. To the extent that social justice is found to demand mechanisms of administrative redistribution, state organizations will probably remain key actors. But world culture, whose main carriers are private organizations, increasingly construes states and their governments as organs of a global order bound by rules and principles rather than sovereign authors of public order. Moreover, they constitute only one of several such organs, partly subordinate and answerable to higher-level bodies of governance, partly overseeing and regulating the conduct of lower-level bodies. (4) Local justice, i. e. justice within private and public organizations commanding access to valued social goods, has long been known to be a rather messy business (Elster 1992; Schmidt 1994). Following the discussion of state sovereignty, and given the complexity of any given state as well as the multitude of actors involved in the delivery of justice, it must be concluded that national social justice is even messier. The same applies on a yet grander scale to the dispersed and disintegrated set of organizations and institutions that, collectively, constitute the order of global governance. Social justice, regardless of the level of aggregation considered, is thus inevitably a messy business, and no single actor or authority can bundle all relevant concerns into one coherent package of norms and services applied consistently across jurisdictions. (5) The messiness of global justice cannot be reasonably held against attempts to systematize its meaning at the theoretical level. To be sure, “thinking” global justice appears difficult at the moment, but the breakthrough of global modernity and the emergence of world society are putting the topic on the agenda. If I am not mistaken, then the social sciences and the humanities, including political philosophy, are in the midst of a Kuhnian-style scientific revolution. They are locked in “conceptual jails” (Rosenau 2000) that they themselves have erected at a time when equating society and the nation-state seemed “natural”, but that are no longer good enough analytical prisms through which to comprehend the realities of global modernity and world society. Hence the notion of “jails”: they tie us to a past that has been surpassed by recent developments, thus misleading us and misdirecting us in our search for solutions to current social problems. The sense that we need new analytical tools is growing, but we are still in an early stage of concept-formation for the changed realities. This creates uncertainties and unease. But clinging to the familiar, while understandable, does not help; epistemological conservatism is a poor guide for traveling uncharted terrain. We need to move beyond it. This is also the way that conceptions of global justice are likely to evolve. At some point in the not-too-distant future thinking in terms of global categories may appear just as normal and self-evident as thinking in national categories is to most of us today. But before we reach that stage, a lot of conceptual work needs yet to be done. Global justice is one of the concepts
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that will almost certainly gain growing prominence as this work proceeds – step by step. Bibliography Anderson, Benedict (1983): Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London. Barnett, Michael/Finnmore, Martha (2004): Rules for the World. International Organizations in Global Politics, Ithaca, NY. Cohen, Jean L. (2012): Globalization and Sovereignty. Rethinking Legality, Legitimacy, and Constitutionalism, Cambridge. Elster, Jon (1992): Local Justice. How Institutions Allocate Scarce Goods and Necessary Burdens, New York. Fassbender, Bardo (1998): The United Nations Charter as Constitution of the International Community, in: Journal of Transnational Law 36, pp. 529 – 619. Fischer-Lescano, Andreas/Teubner, Gunther (2004): Regime Collisions: The Vain Search for Legal Unity in the Fragmentation of Global Law, in: Michigan Journal of International Law 25, pp. 999 – 1046. Habermas, Jürgen (1998): Die postnationale Konstellation. Politische Essays, Frankfurt. Hobsbawm, Eric J. (1990): Nations and Nationalism since 1780. Programme, Myth, Reality, Cambridge. Hobsbawm, Eric J./Ranger, Terence (eds.) (1983): The Invention of Tradition, Cambridge. Leisering, Lutz/Barrientos, Armando (2013): Social Citizenship for the Global Poor? The Worldwide Spread of Social Assistance, in: International Journal of Social Welfare 22 (forthcoming). Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt. Marshall, Thomas H. (1964): Citizenship and Social Class, Garden City. Meyer, John W./Boli, John/Thomas, George M./Ramirez, Francisco O. (1997): World Society and the Nation State, in: American Journal of Sociology 103, pp. 144 – 182. Miller, David (2007): National Responsibility and Global Justice, Oxford. Nagel, Thomas (2005): The Problems of Global Justice, in: Philosophy and Public Affairs 33, pp. 113 – 147. Pal, Leslie A. (2012): Frontiers of Governance. The OECD and Global Public Management Reform, Basingstoke. Pogge, Thomas (2008): World Poverty and Human Rights, 2nd ed., Oxford. Risse, Mathias (2005): How Does the Global Order Harm the Poor?, in: Philosophy and Public Affairs 33, pp. 349 – 376. Risse, Thomas (2011): Governance in Areas of Limited Statehood, in: id. (ed.), Governance Without a State? Policies and Politics in Areas of Limited Statehood, New York, pp. 3 – 35.
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Die sozial-kulturelle Wirklichkeit des Rechts in der Theorie des sozialen Wandels nach René König Von Klaus Veddeler, Kassel Das Recht hat nach König, als eine Form der Kultur, auch eine eigene Strukturgesetzlichkeit, wenngleich es zur Verwirklichung seiner Struktur von der Sprache in den Gegenwartsgesellschaften Gebrauch macht.1 Die Definition/Beschreibung des Rechts ohne unmittelbaren Bezug auf Sprache und Schrift schließt Formen des Rechts älterer Gesellschaftsformen ein. Auf der einen Seite finden sich rechtliche Orientierungen beispielsweise auch in archaischen Gesellschaftsformen, die keine Schriftsprache besitzen. Auf der anderen Seite sind in modernen Gesellschaftsformen nicht alle tatsächlich gelebten Rechtsregeln in Texten niedergelegt oder gar formalisiert, wenngleich eine Verbalisierung immer möglich ist. Hier finden wir einen ersten Hinweis auf die soziale Wirklichkeit des Rechts nach König, die jenseits der Unterscheidung von Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit liegt. In seinem Artikel „Sozialer Wandel“ im Fischer Lexikon Soziologie von 1967 setzt sich König kritisch mit allen evolutionistischen Entwicklungstheorien und den teleologischen Reduktionen von Entfaltungstheorien, der Deutung und Erklärung sozialer Veränderungsprozesse auseinander. Er kritisiert monokausale Theoreme, die den Ursprung sozialer Veränderungsprozesse auf Konflikt- und Rassenoder Klassenkampfphänomene reduzieren, die zwangsläufig zu einer revolutionären, gesamtgesellschaftlichen Umgestaltung von Gesellschaften führen. König betont die Rolle des Rechts in empirisch fundierter, soziologischer Theorie des sozialen Wandels am Beispiel der Lehre von Ludwig Gumplowic, der die Rolle des Rechts als ein neues „strukturelles Element“ in seiner Beschreibung der Theorie des Klassen- bzw. Rassenkampfes des sozialen Wandels bezeichnet, in dem Gumplowic dem Recht eine „mediatisierende Funktion“ zuschreibt.2 Das Recht hat danach die Funktion unterschiedliche Interessen zum Ausgleich zu bringen. Dies gilt auch für moderne funktional ausdifferenzierte Gegenwartsgesellschaften, in denen Familie, Religion, Erziehung, Wirtschaft und Recht eigene soziale Funktionssysteme bilden, die sich auf Basis und nach Maßgabe normativer und kognitiver Er1
René König, Artikel „Sprache“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon Soziologie, umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1967, S. 309 – 314, 312. 2 René König, Artikel „Sozialer Wandel“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon Soziologie, umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1967, S. 290 – 297, 291.
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wartungen ständig neu reproduzieren, identifizieren und (re-)stabilisieren (durch Annahme oder Ablehnung) der Zumutungen, die von außen an diese sozialen Funktionssysteme herangetragen werden. Eine an der Erfahrung orientierte Beobachtung und Beschreibung des Rechts, die auch sozial-kulturell bedingte Strukturen und die strukturelle Kopplung der Funktionssysteme in Rechnung stellt, kann erkennen, dass dem Recht hier ein doppelte Funktion zukommt. Zum einen ist das Recht das einzige systemübergreifende wirksame Funktionssystem, dass normative Orientierungen zur Verfügung stellen kann, an denen sich die Funktionssysteme in ihrer autopoietisch selbstreferenziellen Reorganisation ausrichten können. Zum anderen ist das Rechtssystem ebenso Adressat normativer Erwartungshaltungen, die im Krisenfall bis zum Kollaps des Systems führen, wenn innerhalb des Rechtssystems nicht rechtzeitig auf lernfähiges Erwarten umgestellt wird.3 In diesem Fall verliert das Rechtssystem seine mediatisierende Funktion auf Grund und nach Maßgabe seiner strukturellen Kopplungsfähigkeit. Bislang haben wir, wenn und soweit vom Recht oder rechtsnormativer Regelung oder Erwartungshaltung gesprochen wurde, nicht zwischen dem staatlich organisierten Rechtssystem und dem genuin gesellschaftlichen Recht unterschieden. König nimmt diese Unterscheidung auf und bezieht sich dabei auf die Theorie von Georges Gurvitch.4 Nach Gurvitch rückt die staatliche Organisation in den Konfliktregelungen der „antagonistischen sozialen Klassen“ nochmals in den Vordergrund, indem der Staat „als Mediator der Konflikte“ auftritt.5 Gleichzeitig betont König die Bedeutung nichtstaatlicher Assoziationen und Verbände und die Funktion des Pluralismus dieser Organisationsformen zur Regelung sozial konfligierender Interessen. Exemplarisch für die „mediatisierende Funktion des Rechts“ nennt König das kollektive Arbeitsrecht, dass den „sozialen Auseinandersetzungen zwischen den Unternehmern und Arbeiterschaft institutionalisierte Wege der Konfliktlösung“ eröffnet – dabei wird der „akute Kampf ausgeschaltet“, ohne dass dabei die „unterschiedlichen Interessen aufgehoben werden“.6 Dieses Beispiel zeigt besonders gut die Evolution von den assoziativen Arbeitervereinen zu Gewerkschaften als Interessenvertretungen der Arbeitnehmer auf der einen Seite und den Unternehmerverbänden auf der anderen Seite, deren Vereinbarungen in unserem Rechtssystem dann einen allgemeinverbindlichen staatlich sanktionierten Geltungsanspruch besitzen.
3 Niklas Luhmann, Soziale Systeme, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1988, S. 447 ff. zur Modalisierung zeitlich generalisierter Verhaltenserwartungen. 4 Zur Normentheorie von Georges Gurvitch und der Rolle des Staates in der Normentheorie, vgl. Gert Riechers, Die Normen und Sozialtheorie des Rechts bei und nach Georges Gurvitch, Berlin 2003, S. 228 ff., der hervorhebt, dass auch in der Normentheorie von George Gurvitch, der Erzeugung rechtlicher Normen, soziale Prozesse zu Grunde liegen. 5 René König, Artikel „Sozialer Wandel“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon Soziologie, umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1967, S. 290 – 297, S. 297. 6 René König, Artikel „Sozialer Wandel“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon Soziologie, umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1967, S. 290 – 297, 294.
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Auf den Pluralismus divergierender, kollektiver Vergesellschaftungsformen verweist Werner Krawietz in seiner Auseinandersetzung mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann. Dabei unterscheidet Krawietz zwischen Interaktion und Organisation. Die Interaktionssysteme kennzeichnen sich dadurch, dass diese „auf wechselseitiger Wahrnehmung der Anwesenden basieren“. Hingegen müssen sich die Organisationssysteme, also Verbände, Parteien, Gewerkschaften und Vereine, wegen der regelmäßig fehlenden Möglichkeit einer „face to face“ Kommunikation auf eine „eigenproduzierte, für alle Mitglieder geltende, universalistische Ordnung stützen [müssen], deren sozial vermittelter Sinngehalt normativen Charakter“ besitzt.7 Hierbei ist jedoch zwischen dem genuin gesellschaftlichen Recht ¢ also auch jenem Recht assoziativer Vergesellschaftungsformen – und dem formalen Recht, des staatlich organisierten Rechtssystems zu differenzieren. Das Rechtssystem als solches kann empirisch gesehen weder auf die eine noch auf die andere Betrachtungsweise reduziert werden. Dabei gilt, dass „alles formale, staatlich gesetzte Recht [ist] …. zugleich gesellschaftliches Recht“ ist, aber nicht umgekehrt. Ferner muss eine empirische, an der sozialen Wirklichkeit des Rechts orientierte Beobachtung und Beschreibung des Rechts feststellen, dass das „Rechtssystem als Funktionssystem der Gesellschaft“ nicht auf die „Einheit einer oder mehrerer Organisationen, beispielsweise der staatlichen Großorganisationen, reduziert werden“.8 Beispiele dafür finden sich in allen gesellschaftlichen Teilbereichen und Funktionssystemen. Exemplarisch können dafür Ehe und Familie genauso genannt werden, wie Unternehmen der Wirtschaft. Und immer geht es dabei um divergierende Erwartungshaltungen im Hinblick auf die Selektion von Verhaltensoptionen. Diese Erwartungen können sich auf das Verhalten von einzelnen Akteuren (psychischen Systemen) oder von Organisationen, z. B. Wirtschaftsunternehmen beziehen. Immer geht es aber um die Frage, wem zugemutet werden soll, sein Erwarten für die Zukunft zu verändern/anzupassen, dass divergierende Verhaltensanforderungen nicht zu Konflikten führen. Diese Entscheidung, welche normativen Regelungen für alle gelten sollen, übernimmt in modernen staatlich organisierten (Regional-)Gesellschaften regelmäßig das Recht, als einziges gesellschaftsweit funktionierendes Normensystem, welches regelmäßig staatlich organisiert ist. Gleichwohl können dessen normative Zumutungen auch die Ursache von Konflikten werden, wenn und soweit diese mit anderen genuin gesellschaftlichen rechtsnormativen Orientierungen kollidieren und zu Irritationen in den Funktionssystemen führen. Die sozial-kulturelle Funktion des Rechts in 7 Werner Krawietz, Staatliches oder gesellschaftliches Recht? Systemabhängigkeiten normativer Strukturbildung im Funktionssystem Recht. in: ders./Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme, Auseinandersetzung mit Luhmann Hauptwerk, Frankfurt 1992, S. 247 – 301, 266 f. 8 Ebd. S. 275 f.; vgl. dazu auch René König (Kritik der historisch existentialistischen Soziologie München 1975, S. 224), der konstatiert, dass der Staat „seiner ganzen Struktur nach unfähig sei, „der ungeheuer differenzierten und konkreten Ordnung des Soziallebens vorzustehen“.
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sozialen Wandlungsprozessen kommt ohne diese differenzierende Betrachtung nicht in den Blick. Das Recht kann Konflikte in sozialen Veränderungsprozessen, wie zuvor beschrieben, also nicht nur mediatisieren, sondern auch auslösen. Das „Hinterherhinken“ normativer Systeme (z. B. von Religion, Recht), also das von William Ogburn, als „cultural lag“ bezeichnete Theorem der kulturellen Phasenverschiebung, auf welches auch König rekurriert, deutet und erklärt sozial-strukturelle Veränderungsprozesse vor dem Hintergrund schneller sozio-ökonomischer oder technischer Veränderungsprozesse, die in den normativen Systemen nicht schnell genug „nachgezogen“ werden können und dann aufgrund der veränderten Umwelt die normative Orientierungsfunktion verlieren.9 Werden die Erwartungshaltungen des Rechts dann weiterhin kontrafaktisch auf Dauer gestellt und durch Sanktionierung gekennzeichnet, kommt es zu weiteren Irritationen in den anderen Funktionssystemen, zum Beispiel in der Wirtschaft oder der Politik. „Irritationen sind ähnlich wie Informationen systeminterne Angelegenheiten, die auf strukturellen Kopplungen beruhen. Sie werden nicht aus der Umwelt ins System transferiert, sondern ergeben sich immer erst beim Vergleichen mit systeminternen Erwartungsstrukturen.“10 So sind die Institutionen von Ehe und Familie in unserem Rechtssystem staatlich organisiert, über die Verfassung institutionell auf Dauer gestellt. Dies dient zugleich der Kopplung des politischen Systems mit dem Rechtssystem. Während das politische System mit dem Code Regierung/Opposition operiert, erfolgen alle Operationen des Rechtssystems nach dem Code Recht/Unrecht. Gesetzesvorhaben irritieren das Rechtssystem und umgekehrt veranlassen gerichtliche Entscheidungen das politische System aktiv zu werden. Diese sehen sich dann in ihrer eigenen Reorganisation vor Fragen gestellt, die die innere Reorganisation betreffen, insbesondere vor die Frage, welche Erwartungshaltungen für die Zukunft gelten sollen bzw. faktisch wirksam werden. Wann, wo und wie kann eine Ehe als Ehe identifiziert werden, z. B. wenn die Partner gleichgeschlechtlich sind? An welchen formellen Akten soll dies festgemacht werden? Müssen diese neu „erfunden“ werden und genügen die alten Verfahren der Institutionalisierung? Ist eine Gruppe bestehend aus „Vater, Vater und Kind“ oder „Mutter, Mutter und Kind“ ein Familie? Welche (rechts-)normativen Erwartungen werden von welchem System an die Familie gerichtet, um diese als Familie zu (re-)identifizieren und umgekehrt? Welche Erwartungshaltung kann aufrechterhalten werden und wann ist welches System (z. B. Religion, Recht, Wirtschaft) auf Grund der Faktizität veränderter normativer Erwartungen eines anderen Systems gezwungen zu lernen, dass sich die sozial-kulturelle, immer auch normativ geprägte Umwelt verändert hat – mit allen Folgen für die eigene Reorganisation? 9 René König, Artikel: „Sozialer Wandel“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon Soziologie, umgearbeitete und erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a.M. 1967, S. 290 – 297, S. 294. 10 Andreas Schemann, Strukturelle Kopplung, in: Werner Krawietz./Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a.M. 1992, S. 215 – 229, S. 220.
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Hier sind (Norm-)Konflikte vorprogrammiert, da alle Prognoseentscheidungen zu weiteren Konflikten führen können, weil nicht direkt auf die systeminternen Prozesse steuernd eingegriffen werden kann und die Erwartungshaltungen in der Systemumwelt des Systems immer kontingent bleiben. Dies ist eine Folge divergierender Systemzeiten. Die Prozesse finden zwar alle in der Gegenwart statt, die reorganisierende Synchronisation der Systeme ist aber durch die eigene Systemzeit bedingt. Damit sind Vergangenheit und Zukunft keine festen, von der Behandlung in ihrem sozialkulturellen Kontext unabhängigen Tempi, sondern bilden variable kulturabhängige Zeithorizonte.11 Zeit entsteht so als eine beobachtbare Abfolge von für sich nicht wiederholbaren Geschehnissen, deren jeweilige Dauer durch die Anschlussnahme an die vorangegangenen Geschehen bestimmt wird. Jeder Beobachter einer Information, eines Verhaltens oder einer Handlung muss – nachdem diese als ein Solches im System identifiziert wurde (und diese Identifikation als solche benötigt Prozesse und damit Systemzeit) ¢ zunächst einmal abwarten.12 Die wechselseitige Funktion und Bedeutung der normativ-strukturellen Kopplung von Funktionssystemen im Prozess sozialen Wandels kann exemplarisch auch im Verhältnis zwischen Wirtschaft und Recht beobachtet werden. Hier sind die Akteure regelmäßig Organisationen, also Unternehmen, Verbände, der Staat sowie die Politik. Alle Organisationen suchen gleichermaßen gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu beeinflussen und entsprechenden Einfluss auszuüben. So werden in der Organisationsstruktur von Unternehmen tiefgreifende Veränderungen – insbesondere normativer Art durchgeführt –, um Irritationen durch staatlich gesetztes Recht zu vermeiden, oder um die Folgen erwarteter staatlich organisierter Setzungsakte zu verhindern. Beispiele dafür sind die vielfältigen Regelungswerke der Wirtschaft und ihrer Verbände, in der Form von Code of Conducts, Compliance-Regelungen, Verhaltenscodici oder andere Wohlverhaltensregelungen (z. B. den im Jahr 2012 neu beschlossenen Verhaltenscodex für den Vertrieb von Versicherungsprodukten.13) Derartige Regelungen werden zwar regelmäßig moralisch-ethisch begründet, funktionieren aber als gesellschaftliches Recht mit Bedingungsfunktion. Die nichtstaatlichen organisierten Verbände verfolgen dabei immer die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder, wenn und soweit sie die allgemeine Verbindlichkeit einfordern. Dabei wird die Sanktionierung dieser Regelungen innerhalb des Unternehmens oder auch durch die Wirtschaftsverbände selbst vorgenommen, immer mit dem Ziel diese möglichst nicht staatlich auf Dauer stellen zu lassen. Die Folgen sind (wegen 11 Alfred North Whithehead, Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt a.M. 1987, S. 137, S. 385 ff.; 434, 436. 12 Klaus Veddeler, Rechtsnorm und Rechtssystem in René Königs Normen- und Kulturtheorie, Berlin 1999, S. 207 ff. 13 http://www.gdv.de/2012/11/versicherungswirtschaft-verschaerft-den-verhaltenskodexfuer-den-vertrieb/gdv-verhaltenskodex-vertrieb-2012n/?back=%2F2012 %2F11 %2Fversiche rungswirtschaft-verschaerft-den-verhaltenskodex-fuer-den-vertrieb%2F.
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ihrer Komplexität nicht immer ex ante zu kalkulierende) bedeutende Veränderungsprozesse, die nur in den Blick kommen, wenn und soweit auch eine sozial-kulturelle Betrachtung anstellt, also wenn neben der Struktur der Organisation auch die kulturellen Bedingungen der Organisation, des Unternehmens betrachtet werden. Die Beobachtung des Rechts als sozial-kulturelle Wirklichkeit überbrückt die Unterscheidung in der Beobachtung, Beschreibung und Erklärung des Rechts als eine bloß faktische Verhaltensregelmäßigkeit versus einer idealisierenden Deutung im Sinne eines lediglich normativ postulierten Handelns. Die Unterscheidung von faktischer Verhaltensregelmäßigkeit und normorientierter Handlung besagt, dass nur dort normatives Handeln beobachtet werden könne, wo sich Akteure desselben bewusst sind. Entsprechend grenzt Max Weber ein rein reaktives, auf Nachahmung beruhendes und traditionales Verhalten aus dem Handlungsbegriff aus, weil es „ganz und gar an der Grenze und oft jenseits dessen (steht), was man ,sinnhaft‘ orientiertes Handeln überhaupt nennen kann“.14 König folgt dieser Klassifikation der normativen Handlungsorientierungen nicht. Auf der Grundlage der kulturanthropologischen Forschungen John Deweys kann König zufolge nämlich „selbst da, wo ein scheinbar ,mit einem subjektiven Sinn nicht verbundenes‘ Handeln auftritt, bei genauerem Zusehen und bei einem Zurückverfolgen dieses Verhaltens in die Vergangenheit ein solcher Sinn in Form einer einstmals wirksam gewesenen Normierung entdeckt werden“.15 König stellt mit Dewey fest, dass das „Erworbene das Ursprüngliche ist“ und dass das vermeintlich reaktive Verhalten Ausdruck einer Sedimentierung früherer normativer Gestaltung ist, die zur „zweiten Natur“ wurde. Der Begriff der ,zweiten Natur‘ findet sich auch bei Arnold Gehlen als sinnhafte Kulturwelt des Menschen, in der der Mensch lebt und aus der heraus die ,erste Natur‘ des Menschen gedeutet wird. Damit ist zunächst gesagt, dass alles soziale Verhalten, Handeln und Erleben nicht auf einer tabula rasa beginnt, sondern regelmäßig immer schon an bereits vorhandenem Sinn in der Form von Kultur anknüpft, ohne dass dies zwangsläufig bedeutet, dass kulturelle Neuschöpfungen in einer Gesellschaft ausgeschlossen seien.16 Darüber hinaus verweist die Tatsache der Ursprünglichkeit der ,zweiten Natur‘ des Menschen in der Form von Kultur darauf, dass, sofern menschliches Verhalten sich bloß als faktisch oder als naturgegeben im Sinne eines reizreaktiven Bewegungsoder Verhaltensablaufs darstellt, dies zum einen ein kulturgeformtes Verhalten ist, das zum anderen aus einer spezifisch kulturellen Sicht, also kulturrelativ und dementsprechend selektiv, eben als ein reizreaktives Verhalten und nicht als ein anderes beschrieben wird. Die ,zweite Natur‘ bestimmt kulturrelativ, was die sogenannte 14
Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., Tübingen 1980, S. 12. René König, Das Recht im Zusammenhang der sozialen Normensysteme, in: Klaus Lüddersen /Fritz Sack (Hrsg.); Seminar: Abweichendes Verhalten I, Die selektiven Normen der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1982, S. 186 – 2017, 188. 16 Zum Ganzen vgl. Klaus Veddeler, Rechtsnorm und Rechtssytem in René Königs Normen- und Kulturtheorie, Berlin 1999, S. 38 ff. 15
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,erste Natur‘ des Menschen ist, indem das normativ unbefragte Verhalten kultureller Selbstverständlichkeiten sinnhaft – d. h. aus der Kulturwelt heraus als das sog. ,natürliche‘ Verhalten – gedeutet und erklärt wird. Diese Ursprünglichkeit des kulturell erworbenen Verhaltens der Gattung Mensch in ihren Vergesellschaftungsformen entspricht der von König als „Zweite Geburt“ der sozialkulturellen Person bezeichneten Enkulturation und Sozialisation, die es der Person erlaubt, sich in dem sozialkulturellen Milieu einer Gesellschaft, welches sich aus den gesellschaftstypischen Institutionen zusammensetzt, zurechtzufinden. In diesem Sinne beschreibt Niklas Luhmann den Begriff der Organisationskultur, als einen Beitrag „zu einer Theorie der Evolution von Organisationen, mit dem sichtbar gemacht wird, wo Variationen ansetzen können, wenn es zu Selektionen und zu Restabilisierungen kommen soll“.17 Kultur fungiert als Gedächtnis, als Komplex der unentscheidbaren Entscheidungsprämissen zur Einführung der Differenz von entscheidbaren und unentscheidbaren Entscheidungsprämissen. Irritationen im System, die diese Unterscheidung als kulturell gelebte Praxis in Frage stellen, führen zu schwerwiegenden Veränderungen in der Reorganisation des Systems. Der Wegfall von unentscheidbaren Handlungsprämissen hat unmittelbaren Einfluss auf die handelnden Akteure, denen es damit plötzlich an Verhaltenssicherheit bei der Entscheidungsfindung fehlt. Verhaltenssicherheit muss dann wieder durch neue normative Regelungen auf Dauer gestellt werden, mit einem entsprechenden Sanktionsapparat für den Fall der Abweichung, zur Sichtbarkeit ihrer Geltung. Durch die nachfolgende Institutionalisierung werden die neuen Handlungsprämissen in der Kommunikation der Organisation dann nicht mehr in Frage gestellt. Niklas Luhmann macht es am Beispiel des „Petzens“ deutlich. In allen Organisationen und Unternehmungen finden private Unterhaltungen zwischen Arbeitnehmern unterschiedlicher hierarchischer Ebenen statt. Soweit diese Kontakte zum Verstecken oder zum Vertuschen von Fehlern und der Beseitigung von Fehlerfolgen dienen, werden diese Kommunikationen übersehen, wenn und soweit kein offizielles Verfahren vorliegt. Dieses soll aber regelmäßig durch eine derartige informelle Kommunikation verhindert werden. Die Unternehmen haben insbesondere auf das Vertuschen von Fehlerfolgen reagiert und in ihren Compliance Regelwerken genau dieses informelle „Petzen“ unter dem Stichwort „Whistleblowing“ institutionalisiert,18 da die negativen Folgen unberechtigten „Petzens“ weniger schwer wiegen, als die positive Außendarstellung des Unternehmens und der Möglichkeit dadurch Rechtsverstöße rechtzeitig zu erkennen, die erhebliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Dabei wird die Systemreferenz, der Code des Rechtssystems Recht/Unrecht nicht unmittelbar in die Organisation des Unternehmens eingeführt. Das Unternehmen operiert selbstverständlich weiterhin in der eigenen Selbstorganisation nach dem Code des Wirtschaftssystems Zahlung/Nichtzahlung.19 Auf der einen Seite zielen die Regelungen 17
Niklas Luhmann, Organisation und Entscheidung, 2. Aufl., Wiesbaden 2006, S. 248 f. Vgl. dazu exemplarisch: Siemens Business Conduct Guidelines 2009 – 01 S. 37. 19 Niklas Luhmann, Soziale Systeme, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1988, S. 625.
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darauf ab, z. B. hohe Strafzahlungen bei Kartellrechtsverletzungen zu vermeiden. Auf der anderen Seite kann dies mit einem deutlichen Verlust an Vertrauen einhergehen und damit mit einer nur schwer zu kalkulierenden Erhöhung der Komplexität in der Organisation, indem nicht reflektierte Kontinuitätserwartungen enttäuscht werden.20 Die Erhöhung der Komplexität treibt allerdings auch die Kosten, durch Verlust der Entscheidungsfähigkeit oder die Verzögerung von Entscheidungen. Die Entscheidungsfähigkeit kann nur im Rahmen einer entsprechenden formalen Selbstorganisation des Unternehmens wieder eingeführt werden. So müssen Vorkehrungen in der Institutionalisierung von Verfahren getroffen werden, zum Bespiel die Zusicherung der Anonymität des Whistleblowers (denn der Petzende wird nach wie vor geächtet), Einführung eines Ombudsmannes o. ä. Ferner stellt sich die Frage, inwieweit derartige Verfahren Wirksamkeit entfalten können. Dazu ist nochmals auf den Begriff der Organisationskultur Bezug zu nehmen, als Gedächtnis für unentscheidbare Entscheidungen. Darüberhinausgehend finden sich in allen (Regional-) Gesellschaften unbefragte Werte und Normen, die zum einen das unternehmerische Agieren von Unternehmensorganisationen prägen. Zum anderen werden diese auch von den Akteuren unreflektiert befolgt, im Sinne einer „zweiten Natur“ des Akteurs. In den Veränderungsprozessen können aber eben auch diese Regeln in Frage gestellt werden („hire and fire“ vs. staatlich finanziertes Kurzarbeitergeld in der Führungskultur von Unternehmen). Handlungs- und Entscheidungsroutinen des Mitarbeiters als Akteur werden von diesen als kontingent erlebt und zwingen wiederum zu neuer Selektivität. Die sedimentierte Kultur liefert gewissermaßen den Grundstock sozial realisierbarer Möglichkeiten des Handelns und Erlebens. Die basale Sinnhaftigkeit ist nach König auf das Engste mit der empirischen Wirklichkeit von Handeln und Erleben verknüpft. Der Sinn ist also – wie König es formuliert – zuerst „im Modus der Einhüllung“ im sozialen Handeln vorhanden.21 Hiernach bestimmen sich die Denkweisen, Sichtweisen und Deutungsmuster sowohl der natürlichen als auch der sozialkulturellen Umwelt. Nicht reflektierte Deutungsmuster müssen aber immer in Rechnung gestellt werden, wenn und soweit in sozial-kulturellen Veränderungsprozessen Einflussnahmen auf der Basis der normativ-strukturellen Kopplung des Rechts mit den übrigen gesellschaftlichen Funktionssystemen erfolgen sollen.22 Anders formuliert geht es darum, bei normativ initiierten Veränderungsprozessen auch die Kompatibilität zu den nichtbefragten, also in der Kultur eines Systems, tradierten Hand-
20 Zum hier verwendeten Begriff des Vertrauens, vgl. Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 2., erw. Aufl., Stuttgart, 1973; zur Kontinuitätserwartung S. 25. 21 René König, Kritik der historisch-existenzialistischen Soziologie, München 1975, S. 261 f. 22 Beeinflussung hier verstanden im Sinne einer Auslösekausalität und nicht im Sinne von Determinierung vgl. dazu Niklas Luhmann, Organisation und Entscheidung, 2. Aufl., Wiesbaden, S. 400 ff.
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lungs- und Verhaltensmöglichkeiten in Rechnung zu stellen, wenn sie akzeptiert werden und in der Kommunikation Anschlussfähigkeit finden sollen. Hier geht es nicht um eine tatsächliche Akzeptanz im Sinne einer Anerkennung oder Zustimmung durch den Akteur oder Adressaten der rechtsnormativen Erwartungshaltung, die in Assoziationen gegeben ist und im staatlichen Recht ggf. nicht.23 Anders formuliert ist nicht die Gegenüberstellung von „richtigem“ oder „falschem“ Recht gemeint, sondern die Beschreibung der normativen Funktion des Rechts in seiner Faktizität. Eine – die soziale Wirklichkeit des Rechts – in Rechnung stellende Deutung und Erklärung des Rechts, kann auch beobachten, wenn (rechts-) normative Erwartungen, als kontrafaktisch stabilisierte Verhaltenserwartung, aus der Perspektive des adressierenden, normsetzenden Systems nicht mehr aufrechterhalten werden können, nicht mehr funktionieren. In diesem Fall ist – wieder aus der Perspektive des normadressierenden Systems betrachtet, welches sich durch die kontrafaktische Stabilisierung autopoietisch-selbstreferentiell Herstellen/Reorganisieren muss – ein „umschalten“ auf lernfähiges Erwarten zur Reorganisation notwendig. Andernfalls kollabiert das System am Stabilisierungsaufwand im Kontakt mit seiner Umwelt. Lernfähiges Erwarten setzt die Möglichkeit der Selektion und Identifikation neuen normativen Sinns voraus. Dazu bedarf es in der Organisation der Implementierung von entsprechenden Verfahren und Prozessen, die die Selbstidentifikation aufrechterhalten und die Kultur des eigenen Systems in Rechnung stellen. Zur Sichtbarmachung der unbefragten kulturellen Voraussetzungen eines Systems, einer Organisation bedarf es der Wahl einer anderen, nicht teilnehmenden Beobachterperspektive, um den kulturellen Sinn, in der Sprechweise Königs gewissermaßen zu „enthüllen“, um dann neue Möglichkeiten des Handelns sichtbar machen zu können. Diese Funktion übernehmen in Unternehmen der Wirtschaft regelmäßig Unternehmensberatungen und nicht die Wissenschaften.24 Dabei ist es das Ziel der Beratung, die Lernfähigkeit bzw. Lernbereitschaft in festgefahrene Strukturen einzubauen und so neue Organisationsmuster möglich zu machen. Dies geschieht auch indem der Berater den Blick des Unternehmens und der Unternehmensleitung auf die Unberechenbarkeit der Umwelt richtet. Lernfähigkeiten werden reduziert, wenn unternehmenskulturelle Gewohnheiten nicht befragt werden, wobei die Entscheidung zum Lernen immer in der Verantwortung des Unternehmens bleibt.25
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Werner Krawietz, Anerkennung als Geltungsgrund des Rechts in modernen Rechtssystemen, in: Gerhard Haney/Werner Maihofer/Gerhard Sprenger (Hrsg), Recht und Ideologie, Festschrift für Hermann Klenner zum 70. Geburtstag, Freiburg/Berlin 1996, S. 104 – 146, 108 ff. 24 Zur Diskrepanz zwischen Organisationsberatung und Organisationsforschung vgl. James G. March, Organisationsberater und Organisationsforschung, in: REVUE für postheroisches Management, Heft 2, S. 64 – 75. 25 Zur Begriffsgeschichte des Beratungswesens vgl. Peter Sloterdijk, Konsultanten. Eine begriffsgeschichtliche Erinnerung, in: REVUE für postheroisches Management, Heft 2, S. 8 – 19.
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Im Rechtssystem muss die Aufgabe, der Sichtbarmachung unbefragter kultureller Selektivität normativer Entscheidungsprozesse mit dem Ziel gesellschaftlichen Wandel zu gestalten, durch die Wissenschaft übernommen werden. In diesem Zusammenhang erkennt z. B. Topornin für die Juristenausbildung in Russland, dass sich diese „nicht in einem Vakuum entwickelt und existiert“ und erhebt deshalb die Forderung, die Juristenausbildung an, „die rechtliche Entwicklung anzugleichen an die politisch-kulturellen Gegebenheiten und sozialen Bedingungen des jeweiligen Kulturkreises und der zugehörigen Kernstaaten“.26 Damit rückt die sozialkulturelle Wirklichkeit des Rechts in den Blick – ohne die das Recht seine normativ-strukturelle Kopplungsfunktion in sozialen Veränderungsprozessen auf Dauer nicht sicherstellen kann. Auf der Ebene der Rechtsanwendung und der dogmatischen Rechtswissenschaft wird diese als Rechtswirklichkeit, als Praxis des Rechts jedoch nicht sichtbar. Dazu bedarf es einer tiefgestaffelten an der Erfahrung der sozialkulturellen Wirklichkeit orientierten Beobachtung und Beschreibung des Rechts.27
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Vgl. dazu Boris N. Topornin, Verwissenschaftlichung der russischen Juristenausbildung – Die Akademische Rechtsuniversität Moskau, in: Rechtstheorie-Sonderheft: Kommunikation und Recht in der modernen Wissensgesellschaft – national oder international?, Berlin 2003, S. 291 – 298, 297; Werner Krawietz, Staatliches oder gesellschaftliches Recht? Systemabhängigkeiten normativer Strukturbildung im Funktionssystem Recht. in: ders./Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a.M. 1992, S. 247 – 301, 276 ff. 27 Exemplarisch zum von Werner Krawietz entwickelten Multi-Level Approach: Werner Krawietz, Das Recht als Regelsystem, Wiesbaden 1998, S. 98 f., 112 ff., 116, 162 f.
II. Normative Strukturelle Kopplungen in Politik, Recht und Wirtschaft
Law, Democracy and Constitutional State By Aulis Aarnio, Helsinki The theme can be dealt with from several alternative points of view. One such dimension, which in recent times has often been referred to, is the legislative process and its democracy. In this case, the question might be phrased as follows: What is required from well-functioning legislation if it is to satisfy the requirements of democracy? This topic even has nowadays a name of its own: Legisprudence. Earlier, questions of this area have usually been analysed under the title of legal policy. Legisprudence falls outside the scope of this book. Instead of that, I will focus especially on the problems of rule of law and its relation to democracy. In this way it is possible to see the connections of legal reasoning both to the constitutional state and to democracy, in other words, to the democratic constitutional state. Let us start with the concept and related problems of the tripartite separation of powers credited to Charles de Secondat, ie. Montesquieu. In his book “The Spirit of the Laws” (L’Esprit des lois: 1748) he presented a theory of balancing the exercise of power, which is followed to this day – in somewhat different forms – in Western democracies. As is well known, the core of the tripartite separation of powers is in the separation of the legislature, executive and judiciary. Each of these areas should be independent of the others. However, the tripartite separation is not unproblematic at all. The executive and judiciary are not exactly independent of the legislature; on the contrary, the matter is completely the opposite. There are also tensions between the judiciary and the executive, as is the case between legislature and the executive as well. Already the fact that legislature defines the content of both administration and judgment, makes a clear distinction impossible, and not just that. In the order of constitution, even the structure or status of the executive and the courts can be changed. Eerik Lagerspetz hit the nail on head when he writes: “Law cannot be only that what lawyers say because the law, in its turn, defines who judges are.” The same holds true as far as the administrative practice is concerned. For the constitutional state, the core of the tripartite separation is the independence of courts from the executive. As a matter of fact this is exactly what is usually meant when referring to the independent status of courts. The core is in that the executive, for example the Ministry of Justice, cannot direct the courts in the resolution of an individual case. No one can dictate from the outside the content of an individual judgment.
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However, it is the case in Finland among others that the executive has a possibility to guide the courts through the budget. The general allocation of resources is defined by the Ministry of Justice, and it also provides, for instance, training for judges on the application of new legislation. This process leads easily to the consequence that the interpretation of the new law is exactly that preferred by the Ministry of Justice. The same issue is of a great importance as far as the education system of judges is concerned. In other Nordic countries, like Denmark and Norway, the status of courts has been made more independent from the government of any given time by setting up a specific judicial administration office. It provides instructions as a central office and takes part in drawing up the budget. A similar system is in force in Sweden as well. The extent to which the judicial administration guarantees the independence of courts is largely dependent on the resources of courts. If the judiciary has direct access to the Parliament when negotiating on the budget, independence from the decisions of the ministry in question is at its greatest. I leave this set of problems outside the scope. The independence of a judge has also another dimension apart from the constitutional one. I call it social independence. In this regard, the focus is on the court’s and the judge’s relationship to the civil society and to its institutions. Here is necessary to take into account at least four dimensions, i. e. the judge’s relation to (1) the media, (2) political organizations, for example parties, to (3) the those who use economic power and last but not least to (4) other organizations of civil society, such as associations and other free coalitions of individuals. Examples of the last type could be official, semi-official or unofficial environmental organizations. The relationship to the media has, in all western countries, proven to be the biggest test of independence. For as long as there has been a press, there have also been so-called sensational cases. The most famous of such cases might be the trial of Alfred Dreyfus, which shares several nightmarish qualities with Franz Kafka’s The Trial. In 1894, Dreyfus was found guilty for passing military secrets to the Germans. It was later found that the judgment was incorrect and that Dreyfus was innocent. After certain turns, the president of France pardoned Dreyfus and restored his military rank. Even if we weren’t to examine such a radical setting, the courts’ relationship to the media seems rather problematic. The relation will be necessarily reflected in the degree of independence of the courts. In the Nordic countries, the relation between the media and courts has undergone a rapid change toward the same direction as it has in the United States. As I am best aware of the Finnish situation, I shall use it as an example. These days, cases leak to publicity, both to newspapers and electronic media, far earlier than before. This has at least three consequences:
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(1) The suspect has to be in public for a long time without legal clarity on whether he is guilty or not. In cases of innocence, the public humiliation of the party in question is hard to compensate since the matter is often more about immaterial than material loss. (2) When the case is exposed to the attention of the media for a considerable amount of time, it gives rise to pressure on the courts. In these situations, more moral backbone is required of the judge to stay outside the sensation than in matters which are not characterised by publicity. (3) In some cases, the media is intentionally used to further a party’s own agenda. One such method is to quietly bring up suspicions concerning the blamelessness of the opposing party. Sometimes it even seems like media is being used to brand the opposing party. All three of the above-mentioned phenomena are probably familiar to everybody on the basis of everyday publicity of his or her own country. However, there is still an issue, which cannot be left out of the scope. Journalists often have to describe trials in brief and without a special knowledge of the legal area. As a consequence, a far too simplified image of court rulings may be transmitted to the readers. This especially concerns the facts of the case. If they are described briefly and/or superficially, the given legal ruling will not be seen as it should be. This leads to the ruling becoming the target of slanted criticism, from which the courts cannot defend themselves. According to a widely known principle, the courts are not permitted to explicate its rulings afterwards. The reasoning has to be incorporated into the decision itself and this has to be done with sufficient clarity for the decision to open up to people who are interested in understanding it. The forbiddance of explication naturally sets high standards of quality for the reasoning, but this is of no help even to a well-functioning court in case that the decisions are read incorrectly or assessments are being made on the basis of a simplified image of the facts. The courts can have no effect on the situation. The responsibility lies with the media. The best part of it does seem to bear this responsibility well, for example by training journalists on legal matters. However, this is no remedy against the gutter press. In these mediums, courts and the credibility of the constitutional state are at the mercy of the press. As to the court’s relation to the civil society, this mostly concerns rules on incompetence due to bias from a formal, legal standpoint. The judge shall rule himself incompetent, or will be thus ruled by a party to the matter if the dependence is obvious. In connection to this, the threshold for incompetence has been lowered throughout Europe. The judge should not only be impartial but also appear so. If suspicion concerning independence arises on the grounds of an externally visible fact, it is of no use even if the judge is found not to be objectively incompetent. The judge’s independence from civil society should be as strong as constitutional one. As a matter of fact, the judge’s dependence on a political party or a power bloc
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does as much destruction to the constitutional state as dependence upon the executive. In the judiciary of the Soviet Union, the judge’s dependence upon the communist party should serve as a sufficient example of this problem. The fumbling of the judiciary of present-day Russia in the context of several politically motivated murders seems like evidence of a similar dependence, although one that is structured differently. When one turns from a single judge to the judiciary as an institution, the problem of dependence changes from the specific to the general. The judiciary as a whole can be formally independent from the executive. Still, it may be the case that the constitutional state is not realized. It leaks in relation to the civil society. Before dealing with this side of the matter briefly, a reference to the history of the constitutional state should clarify the starting point. The historical background of the constitutional state can be found in the notion of legal protection (legal safety, legal certainty). Originally it was quite limited. It covered only the protection of an individual against other individuals. This provided the foundation for both Roman law, reconstructed and compiled under Justinian, and the European ius gentium up to the times of the Holy Roman Empire. It has often emphasized that the foundation of the constitutional state started at the moment when an individual acquired protection against governmental authority. In modern law, this turns the focus on the cornerstones of the modern constitutional state, fundamental and human rights. Even if the courts were constitutionally independent of the executive from an external point of view, they may be attached with many visible and invisible ties to the organizations of civil society. This is the case in constitutional states still in development, such as Russia. Through these normative-conceptual bounds the constitutional state is firmly connected with the regulative hierarchy of society. To borrow Hans Kelsen’s famous analogy of a pyramid of norms, the constitutional state is regulated not only by acts and decrees but also by constitutional norms at the top of the pyramid. The constitution creates the status of courts as courts and provides the foundation for the rights of citizens against governmental authority. When taking into account these two facts – the legal status of courts and fundamental and human rights – the concept of a democratic constitutional state is also covered to some degree. It acquires its structure and internal norms of operation in the democratic order. According Norberto Bobbio, democracy presupposes a liberal tradition, which defines the freedoms (liberties) of an individual. In this regard, the liberal tradition and democracy are in a necessary connection to each other. Liberalism without democracy leads to a fanatic ultra-liberalism whereas democracy without individual liberties is a victim of the tyranny of majority or even of dictatorship. As we will see later on, the notion of freedom (liberty) is more complicated than the general one used by Bobbio. However, let us accept his view, because it opens the door to another essential element not only of democracy but of the constitutional state as we. That element is consisted of fundamental and human rights. They create guar-
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antees not only for individuals to enjoy their freedom of speech, association and assembly but also for a fair trial. This is why the tripartite separation of powers and fundamental and human rights are an inseparable and equal part of the concept of the modern constitutional state although not the only ones. In general, it seems to me that Elias Diaz has listed the core issues of the constitutional state shortly but so that it is enough to follow the analysis. There are five points on his list: (1) Law as an expression of a common will; Law’s Empire. (2) The tripartite division of state powers. (3) The principle of legalility which concerns especially the administrations as well as. (4) Human rights both in formal and material sense. I would like to add to the list one element more although it, as a matter of fact, results from the other four, this means. (5) The equal legal protection guaranteed by the law to every citizen at issue. The last mentioned element is tightly involved in the quality of legal reasoning. Why and how? One of the key issues of democracy is the control of decisions and the related transparency. Obviously, forms of democracy can also be satisfied without such a control, but this is not the point in the case of the constitutional state. The formal democracy can be characterized as a system fulfils all the criteria (1) to (5). Then the machinery produces decisions that are formally correct and implemented according to regulations. Still, something appears to be missing. Not only forms but also the content of democratic decisions is important. It seems to be what Elias Diaz has in mind when he emphasizes the importance of the material realization of the human rights. As far as I can see, Jürgen Habermas refers to the material side of democracy when analysing the relations between democracy and publicity. Social relations were in earlier times built strongly on the basis of authority. Depending on the situation, the authority was either secular or ecclesiastical. In the Judeo-Christian tradition, the Catholic, Orthodox and Lutheran churches all had an authoritative grip on their members. As a result of secularization, this grip has been loosened, but there are still traces of authority among different churches. An example of this is the Catholic Church and its relation to abortion, birth control or sexual deviance. In the sphere of secular government, the degree of authority has been high especially in dictatorships and autocratic monarchies, but not only in these power centres. Let us take an example of Finland, which was first a part of the kingdom of Sweden for 700 years and then a grand duchy of Russia for one hundred years. Both the Swedish autocratic constitution from the late 18th century and the Russian czar’s similar government transferred into Finland the old tradition of authoritative administration.
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The direction of decisions was downward from the upper levels. The same use of power and the attitude it expresses were kept intact in Finland all the way up to the end of the Second World War even though Finland had at that time been a republic for decades. Changes became visible only in the 1970’s, when the political rupture and turmoil of the 1960’s arrived in Finland. As Otto Brusiin pointed out in the 1950’s, ecclesiastical authority had already been broken before the Second World War. The crisis of authority entered the judiciary in the 1970’s. It acquired many Finnish-national shapes which are of little relevance to this presentation, although one of them should be taken up for further discussion. More and more, citizens began to question: Why was the decision like it was? It was the appearance of the question “why” in legal discussion that turned the intellectual direction; not immediately, but as a slow and continuous process. The citizen’s question on why his matter was resolved in a certain manner challenges the authority of the judiciary in a completely new way. The answer cannot take the form of a laconic reference to the court’s constitutional status, nor to a comment about the court having both the duty to make decisions but also the power to make them. The why-question demands reasoning. This in turn means that also the courts have to fulfil certain basic demands for democracy, i. e. at least the demand of openness, because in the modern society, courts are not a separate, closed institution. On the contrary, they are an essential part of the democratic machinery and a very special part, to be exact. However, democracy in a constitutional state does not mean that political organs have the power to appoint judges, unless the object is a court that uses political power, such as the Supreme Court of the United States. What is as important, is that the judges cannot be removed from their posts and that temporary courts are not allowed. According to the Nordic ideal of law, this has meant not only the constitutional independence of courts but also an appointment system that is independent in relation to the executive and to civil society’s organizations. In Finland this is represented among others by the strong status of supreme courts in appointing judges of the highest position. As control has to extend to court rulings as well, the only thing that is left is taking the citizen’s question ”why” seriously. The courts have to provide reasoning for their decisions in a way that proves their integrity both in relation to the law and to morality. Therefore, from the perspective of the democratic constitutional state, the theory of legal reasoning has risen to a central position. It shapes the public sphere that weighs the integrity of decisions. In every system and in every legal matter, it is essential to produce a final ruling. The finality means that the decision is enforceable. If appeal to decisions of the lower instance could be sought ad infinitum, the whole system of legal remedies would be eroded. Law would no longer be an order of obligation. However, the final ruling is not conceptually the same as a right ruling. The question on whether the final or other
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ruling is simultaneously the right ruling depends on the criteria set for the right ruling. As we will see later on, in law it is possible to produce more than one set of criteria, in the light of which the ruling can be seen as right. There is no single right ruling, not in principle or in practice. More difficulties arise from the so-called dilemma of fallibilism. We cannot know which ruling is right or – from another perspective – we cannot know when we have the knowledge. Still, the modern constitutional state and democracy require the courts to produce credible rulings. It is the very problem of credibility (admissibility) that proves to be central when discussing the practical realization of the democratic constitutional state. In a society where credibility is based on authority, the problem does not appear in practice. As authority is eroded, credibility is based all the more on content as the formal authority of the decision-maker wanes. This relation between credibility and reasoning becomes evident from the study undertaken by the so-called Bielefelder Kreis in the 1990’s led by Robert S. Summers and Neil MacCormick. The study focused on nine western judicial systems, the decision and reasoning structures of which were compared on the basis of pre-determined questions. The questions were drawn up so that a comparable answer could be given for each of the studied systems. As a summary of the study it could be stated that, excluding France, in each of the compared countries development was underway toward more open argumentation. The matter could also be stated so that arguments are allowed to speak for themselves, so that the end result depends on the arguments, not on the party presenting them. Finland proved to be an interesting country in the comparison, especially due to its starting points. For historical reasons, the Finnish adjudication has been more authoritative than substantive compared to the other studied countries. Even in the 1950’s and early 1960’s a Finnish court could manage its reasoning with the sentence: “In the light of section of law A, it has to be seen that the result of the matter is B.”
These “it has to be seen”-rulings began to be viewed, to the credit of Kaarle Makkonen, as the pet peeve of legal theory from the late 1950’s onwards, but it was only in the 1980’s that the development toward the current situation began. It started from the Supreme Administrative Court and was transferred with a small delay to the reasoning practices of the Supreme Court as well. Legal theoreticians both Nordic countries and elsewhere were keen to remind that it is not enough for a court to refer only to a section of law. Reasoning such as this leaves behind the argument of the open question: So what? Why was the law interpreted as it was? To use a term made familiar by Aleksander Peczenik, the law is only a prima facie argument. It only provides the starting point for reasoning, and this starting point can either be contested or demanded to be individualized if the prima facie argument does not satisfy. In order to connect the ruling to the whole legal culture, one must utilize legal sources to strengthen legal interpretation. In other words, the reasoning must be followed by legislative history, possible case law, practical grounds, and possibly by ar-
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guments on reasonability. Depending on the situation and the legal culture, the list of legal sources may be wider or narrower. In the Nordic countries it is both wide and liberal as to its contents. A substantial amount of arguments are accepted as legal sources. In an ideal situation all possible arguments are in use and they are weighed accordingly. This is the case where the best possible, although not the only right decision can be achieved. In practice, this goal cannot be reached. Man is lacking in knowledge and skills and cannot be moral all the time, even in the case of a judge. This is why we must be satisfied with the best possible ruling that can be arrived at in a given situation. This is the most that can be asked of law in a modern, developed democracy. As we will see later on in this book a kind of “golden rule” is the most what furthers the maximization of the individual’s legal protection: Provide such reasoning for your ruling that would allow all parties rationally assessing the matter and taking into account all the circumstances to accept your ruling. I am aware of the theoretical difficulties inherent in the maxim. However, I don’t think these difficulties prevent the maxim in its present form from offering a standard for reasoning a legally solid ruling. Still, the reasoning behind a legal ruling is not the only connection between legal deliberation and democracy. The demand for reasoning does not guarantee that the constitutional power of courts stays within the limits of the tripartite separation of powers. A question such as this directs attention to the relations between legislation and the judiciary. The starting point is that the legislator’s sphere of influence includes the handing of general legal norms, rules and principles. The task of courts is to give rulings in specific cases or to hand a judgment for a specific act classified as criminal. It could be said that the legislator directs the behaviour of citizens on a general level, whereas courts provide singular directive norms. This border between the generic and the singular has become troublesome in modern society. The question is simple: Have the judges too much power. In the German culture, the threat of a judgestate (Richterstaat) is sometimes brought up. What is this threat all about? It results from the law as a power order that the judges always have and they always will have power. They realize the obligation essential to law. The judge gives the final content to the law’s abstract norm, and specifies for that purpose the content of the statutes. Sometimes the judge has to eliminate contradictions between different regulations or to fill regulations that appear incomplete. However, the interpreting judge always works within the boundaries set by the law. His use of power is limited by the power of the legislator. It is only very rarely that one has to act contra legem. This is the case, for example, when the text of the law is helplessly out of date and in blatant contradiction with the current conception on law and morality. From this perspective, the power of the judge is relative, especially in relation to the power used by the parliament. However, the situation has changed or at least is about to change. Saying this, I have especially Nordic law in mind, but the problem can be identified in other
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legal systems as well. The problem concerns the structure of legal norms, specifically their openness and elasticity. Provisions have in many cases become elastic to even such degree that the judge’s deliberative power grows in comparison to the classic interpretation. This is the case with norms concerning mitigation and reasonability, among others. For example, Nordic judicial systems recognize the adjustment of contracts in certain circumstances to the benefit of the weaker party. The same goes for mitigation of the division of property after divorce. This line of development has transferred power from the legislators to the judge. The citizen’s behaviour is not any more directed only through parliamentary norms but de facto by the judge’s ruling. The matter is as clear as far as the application of principles is concerned. A principle is not a norm in a way similar to a rule, which is either followed or not. A principle is followed “more or less”. When two principles are in conflict, each is applied to the largest possible degree. This is why principles have been referred to as commands of optimization. In different judicial systems fundamental and human rights are by their nature principles, and the demand of optimization is fully applied to them. Legal deliberation of this kind has often been called weighing and balancing, as distinct from classical interpretation. The more deliberation the provision grants to the judge, ie. the more the judge has to weigh and balance principles or their compatibility, the more power is transferred from the legislator to the judge. Legislation only provides the framework, which the judge fills with weighing and balancing. With this development in mind, there has sometimes been talk of a judge-state or views on judges having too much power in society. I am not ready to accept this characterization. There is not going on a coup by the judge, nor the erosion of the foundations of democracy. The judges have taken no more power than the regulations allow. The legislator has delegated to them such a degree of power as is needed to make the assessment of specific cases flexible. Even in cases of weighing and balancing principles or applying elastic norms, judges use only the power granted to them by the legislator. There is no use of judicial power that exceeds this. The modern development results from the fact that law has to be adjusted to correspond to changing circumstances in a way apart from the time-consuming and rigid legislative process, namely by flexible legal interpretation and especially by weighing and balancing. The matter is about a new kind of relation between the constitutional state and democracy, not of a judge-state in which the judge takes power above the legislator. Bibliography Aarnio, A. (1979): Denkweisen der Rechtswissenschaft, Wien. – (1980): The Form and Content of Law. Aspects of Legal Positivism, in: Archivum Juridicum Cracoviense XIII, pp. 17 ff.
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Natural Justice is Subject to Change Problems Arising from Aristotle’s Nicomachean Ethics V.7, 1134b18 – 1135a5 By Joaquín García-Huidobro, Santiago de Chile1 One of the texts of the Nicomachean Ethics that has had more influence on the history of practical philosophy is, interestingly, a relatively short passage. I refer to some lines in chapter 7 (chapter 10 in some editions) of Book V, where Aristotle draws the distinction between things that are just by nature and those that are just only in virtue of human convention. This text, however, has been not only very influential, but also has caused the most dissimilar interpretations imaginable, to the point that a modern scholar states that the “most emblematic fragments and the ones that have generated the greatest controversies of the Nicomachean Ethics are certainly those related to natural right”.2 It suffices to consider, for example, the simple and important fact that from these passages a whole doctrine was developed, namely, that of natural law, which often invokes an Aristotelian provenance but that in many ways is very different from what the Stagirite himself claimed or even, if we are to believe some interpreters, contrary to the core of the Aristotelian teachings.3 The text in question is known: “Of political justice part is natural, part is legal ¢ natural, that which everywhere has the same force and does not exist by people’s thinking this or that; legal, that which is originally indifferent, but when it has been laid down is not indifferent, e. g. that a prisoner’s ransom shall be a mina, or that a goat and not two sheep shall be sacrificed, and again all the laws that are passed for particular cases, e. g. that sacrifice shall be made in honor of Brasidas, and the provisions of decrees. Now some think that all justice is of this sort, because that which is by nature is unchangeable and has everywhere the same force (as fire burns both here and in Persia), while they see change in things recognized as just. This, however, is not true in this unqualified way, but is true in a sense; or rather, with the gods it is perhaps not true at all, while with us there is something that is just even by nature, yet all of it is changeable; but still some is by nature, some not by nature. It is evident which sort of thing, among things capable of being otherwise, is by nature, and which is not but is legal and conventional, assuming that both are equally changeable. And in 1
The author wish to thank Fondecyt (Grant 1110452) for their financial support. Hobbus (2009), p. 133. 3 See Voegelin (2002), p. 140; Nordquest (1999).
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all other things the same distinction will apply; by nature the right hand is stronger, yet it is possible that all men should come to be ambidextrous. The things which are just by virtue of convention and expediency are like measures; for wine and corn measures are not everywhere equal, but larger in wholesale and smaller in retail markets. Similarly, the things which are just not by nature but by human enactment are not everywhere the same, since constitutions also are not the same, though there is but one which is everywhere by nature the best.”4
In the following pages I will present some of the problems posed by Aristotle’s text and examine some interpretative possibilities that arise from it. With few exceptions, in order to analyze the text of NE 1134b18 – 1135a5, I will pay particular attention to several medieval authors who wrote systematic commentaries on Book V (such as Michael of Ephesus, Averroes and Thomas Aquinas) and to two contemporary authors, Eric Voegelin and Richard Kraut, who have studied this passage in some detail. In any case, by no means do I pretend to make a historical exhibition of these various commentaries, but only to benefit from them as part of my effort to give a systematic interpretation of the text. In accordance with the practice of different commentators, I will discuss the text by following in order each of the fundamental ideas it contains. It should be noted, however, that some scholars argue that this is a particularly disorganized text, if not at all confusing, and Voegelin even contends that it has not been transmitted to us as it was originally conceived.5 For my part, I will not concentrate on these speculations but will rely on the text simply as we know it today. I. Natural Justice and Legal Justice The text in question begins with a basic statement: “Of political justice part is natural, part is legal.” To understand the scope thereof, it should be noted that Aristotle includes this text on natural justice towards the end of Book Vof the Ethics, where he deals with justice. The introduction of the topic of natural justice gives rise to what might be considered a second part of Book V. This part deals with subjects rather diverse and seemingly lacks the partial unity that the chapter had had until this point. He introduces the subject of political justice once he has dealt with the forms of justice and has shown to what extent this virtue may be present in certain relationships that exist in some human communities, specifically the family.6 Now, however, he jumps to another level, because what now matters is nothing less than the justice of the polis: “Political justice is what governs the relationship of all full-fledged members of the political community. It therefore excludes both those who live in other cities and those who live within one’s city but wholly or partially lack citizen
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Nicomachean Ethics, V. 7, 1134b18 – 1135a5. See Voegelin (2005). 6 See Nicomachean Ethics V. 6, 1134b15 – 17. 5
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status (slaves, women, children, resident aliens).”7 And when he speaks of political justice, he appears to be aware that what he has said so far in Book V does not exhaust the fundamentals of the subject, since a distinction is missing (namely, that between natural and legal justice) which refers to the most basic forms of justice. Now he does not focus on the one that apportions nor on the one that receives, neither on how trade relations take place between individuals ¢ all issues that were important when dealing, for example, with commutative and distributive justice. At this time, however, he points to the origin of political justice and warns us that it is found not only in conventions, but also beyond them, in nature. The fact that within the polis we can recognize not one but two basic forms of justice, including natural justice, seems to show that in the very structure of what is just there is something that is related to nature. The claim that there is a form of justice proper to the polis takes us immediately to Book I of the Politics, where Aristotle links the political character of man to the fact that he is endowed with logos8 and, at the same time, establishes a relationship between the existence of logos and the ability to discern between right and wrong.9 In one of his most famous text, Aristotle states in chapter 2 of Book I of the Politics: “Now, that a man is more of a political animal than bees or any other gregarious animals is evident. Nature, as we often say, makes nothing in vain, and man is the only animal who has the gift of speech. And whereas mere voice is but an indication of pleasure or pain, and is therefore found in other animals (for their nature attains to the perception of pleasure and pain and the intimation of them to one another, and no further), the power of speech is intended to set forth the expedient and inexpedient, and therefore likewise the just and the unjust. And it is a characteristic of man that he alone has any sense of good and evil, of just and unjust, and the like, and the association of living beings who have this sense makes a family and a state.”10
Although the text links political life with the ability to distinguish between good and evil, this does not mean that in the family or in the village such notions are absolutely nonexistent. In fact we can speak of a good parent or a bad son, but good and evil, in their fullest expression, only take place in relation to individuals who are free and equal, i. e., in the polis. Indeed, only the political community comprises broad participation in the moral sense, that is, the ability to call the same things “good” and “bad”. Without it we will have a commercial or military alliance, but not a real political community.11 In other words, just as we can analogically describe some animals as being endowed with a certain political character, although the fullness of which is exclusively human, so also can we describe a basic morality in structures such as the family, yet it remains impossible to fully practice all the virtues in 7
Kraut (2002), p. 126. See Marín (2007). 9 See Ritter (1988). 10 Pol. I. 2, 1253a7 – 18. 11 See Pol. I. 2, 1253a18. 8
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them. That is, the highest moral dimension of man cannot be fulfilled in these lower forms of community (family, village), which take care of subsistence but do not suffice to achieve a good life.12 The typical case is that of justice which, strictly speaking, is between two or more individuals who are free and equal; however, in the relationships within the family one of those elements is missing, either freedom, equality, or otherness [alteritas].13 Thus, with respect to the master, the slave lacks freedom; with respect to her husband, the woman, in Aristotle’s view, lacks equality; and with respect to the father, the son lacks otherness because he is not well enough differentiated from his parent: the child is something of the father.14 As Voegelin states, “there is no denying the physikón of that which is ‘just’ in the other communities, although it is only a modus deficiens of the ‘similar’, only that Aristotle does not have much to say about these other types of justice by nature, since these do not interest him in his inquiry regarding the politikón”.15 The inevitable reference to the polis when discussing natural justice has likewise another important consequence, namely, that the knowledge of what is right and wrong is acquired through our contact with others. The spontaneous reaction to this fact would be to follow the views of relativism, which would lead one to think that since there is no genuine moral knowledge but only such that is gleaned from the interaction with others, then morality is proved to be a product of society. Nevertheless, the way in which we acquire knowledge is one thing, while the matter of its origin or foundation is something quite different. Examples abound: it suffices to reflect on the case of mathematics, where the fact that its rules must be learned in social environments (i. e. a school) does not prevent its foundation from being far beyond the dominant social beliefs. Needless to say the case of justice is much more complex than that of mathematics, since one could argue that mathematics does not require human relationships to exist, whereas justice arises only in a social or, in order to be complete, a political context. But this difference is not sufficient to exclude the idea of natural justice as a form of political justice. Consider, for example, the case of language, which for Aristotle is natural although it must be learned, and, moreover, the fact that we speak not just “language” but a specific language. That is to say, the natural requirement (language) is made effective through a conventional determination (this language). Thus, in view of Aristotle, the fact that certain contents or skills can be acquired only in contact with others is not an obstacle for their inclusion in human nature. Possession of language allows us to exchange goods of a higher nature and to achieve goals that are impossible to attain by other animals. Thus, the self-sufficiency that according to Aristotle characterizes the happy life is not obtained in isolation but 12
See Pol. I. 2, 1252 b 29 – 30. See Nicomachean Ethics V 6, 1134b8. 14 See Nicomachean Ethics VIII 12, 1161b18; see also, regarding the slave: Pol I. 2, 1253b32 – 1254a14; and particularly Thomas Aquinas’, S. Th. II-II, q. 57, a. 4. 15 Voegelin (2002), pp. 142 – 144. 13
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only in the polis: “By self-sufficient we do not mean that which is sufficient for a man by himself, for one who lives a solitary life, but also for parents, children, wife, and in general for his friends and fellow citizens, since man is born for citizenship.”16 Once the proper place of natural justice has been indicated, that is, the polis, Aristotle goes on to characterize it.
II. The Universal Validity of Natural Justice The first kind of justice entailed by political justice is, as stated, natural justice: “[N]atural [is] that which everywhere has the same force and does not exist by people’s thinking this or that.”17 The force to which our author refers is not evidently factual force. Unlike physical laws, moral standards are not invalidated by their unfulfillment. In the background of Aristotle’s claim is his opposition to the famous argument of the diversity of ethical views, which has its origin in certain sophists and has lasted until today.18 According to this argument, the existence of different views regarding what is good and bad is an unequivocal sign that there are no suprapositive principles of justice. Already in Book I of the Ethics he had addressed this problem when describing how “fine and just actions, which political science investigates, admit of much variety and fluctuation of opinion, so that they may be thought to exist only by convention, and not by nature”.19 Already Herodotus, in the fifth century B. C., had endorsed this argument, citing as examples the differences existing between the funerary practices of the Callatians, who eat their dead relatives, and the Indians, who cremate them, whence he seems to infer the absence of universally valid criteria of justice.20 The efforts of Aristotle and, according to Spaemann, of all possible natural law theory is precisely to show how it is possible to speak of things that are naturally just despite the fact that the opinions of men about the good and bad differ noticeably.21 In fact, the diversity of ethical views is not an obstacle to the development of a theory of natural law but, rather, is its starting point, because the concern for what we now call “natural law” arises only once men have become aware of the diversity of moral convictions. Indeed, as long as we find ourselves within the limits of a “closed” society it is impossible to even pose the question of the moral (in)adequacy of that society’s traditional practices, since there is no criterion to judge them “from outside”. It is only when being compared to the practices of other cultures that the question arises of what course of action is better and whether there even is any criterion to determine it. Just as the omission of posing the question regarding the justice of one’s own moral practices is, so to speak, the 16
Nicomachean Ethics Ethics, I 7, 1097b8 – 11, see also Kraut (2002), pp. 251 – 252. Nicomachean Ethics V 7, 1134 b 19 – 20. 18 See Becker/Scholz (2004), and Bobbio (1982) and (1965). 19 Nicomachean Ethics, I 3, 1094b14 – 16. 20 Histories III, 38. 21 See Spaemann (1993), (1997) and (2001). 17
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basic consequence of the fact that a society is not yet completely open, the first spontaneous response to the realization of this diversity is to postulate relativism, which may be then well understood as the reasonable reaction to a somewhat unexpected moral and political diversity. The question or task, then, of moral philosophy is to find sounder answers to these initial reactions: either to keep the idea that judging the different societies from outside is as impossible as jumping over one’s own shadow or, on the contrary, to attempt, like Aristotle, to find certain criteria of justice which do not rely on existing conventions, that is, criteria whose force does not depend on what appears or does not appear to people to be the case.22 The “force” or “strength”, then, of which Aristotle speaks here is a moral one and consists in the peculiar feature that a specific action has so as to appear to someone as something that ought to be done or omitted. So it has been understood be some renowned interpreters. Albertus Magnus, who wrote the first full-fledged commentary on the Nicomachean Ethics in Latin Europe, affirms the following: “That which is just by nature, as said above, is that which from its ‘own’ substance has vigor and equity [vigorem et aequitatem], and ‘such things’ are those which by themselves are in conformity with reason, when it deliberates with respect to those things that either absolutely produce or conserve the human good, such as honoring one’s parents and things alike.”23 His disciple Thomas Aquinas, meanwhile, states that if we observe the effects of natural justice we would have to say that “it has everywhere the same power or force (potentiam id est virtutem) to incline to good and avert from evil”.24 Why this universality? The answer is simple: this happens “because nature ¢ which is the cause of what is just by nature ¢ is the same everywhere and in all”,25 whereas that which a political authority provides for a city is valid only within its borders.26 A century earlier, in Byzantium, Michael of Ephesus had already understood this universal force in a slightly different way because such universality occurs only among people who are morally well disposed, since for individuals who are affected by moral corruption the force of what is just by nature is not the same: “Aristotle says that it is according to nature ’what has the same force everywhere’ instead of saying ‘what has the same force for most people’ and what has the same force for those who are not perverted and for those who live according to nature.”27 Evidently Michael of Ephesus is here reasoning in terms of facts (de facto), since he focuses on the actually existing behaviors of a society whose members are far from being virtuous, whereas Aristotle and Aquinas considered this situation de iure (that 22
See Nicomachean Ethics V 7, 1134 b 19 – 20. Super Ethica V, c. 7, q. 3 24 Sententia Libri Ethicorum, V, 304: 38 – 40, n. 1018. 25 Ibid., V, 304: 41 – 42, n. 1018. 26 Ibid. 27 In librum quintum Ethicorum Nichomacheorum commentarium 46, 10 – 11.
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is, regardless of factual conditions). That is why he continues and asserts that “among the ones who are bestial and completely blind regarding their intellect (noûs) and only pursue animal pleasure, there is no political justice (tò politikòn díkaion)”.28 Aristotle would agree with this statement on a descriptive level, but this in no way shakes the validity of the thesis according to which natural justice has the same force everywhere. Indeed, if we can qualify the behavior of certain individuals as bestial, it is precisely because we think that they could have acted otherwise, in accordance to the demands of justice. In our time, Richard Kraut, among others, has highlighted the moral force of that which is just by nature: “[A] rule is naturally just if its justice does not depend on its being accepted in any city […]. Although a law depends for its existence on its being accepted in some community, its natural justice does not consist in its being thought just.”29 III. Legal Justice Once presented this summary characterization of that which is just by nature, Aristotle proceeds to describe what kind of justice is that which is founded on human convention: “[L]egal, that which is originally indifferent, but when it has been laid down is not indifferent, e. g. that a prisoner’s ransom shall be a mina, or that a goat and not two sheep shall be sacrificed, and again all the laws that are passed for particular cases, e. g. that sacrifice shall be made in honor of Brasidas, and the provisions of decrees.”30
This other form of justice, then, is nomikón. It comprises both the provisions of the law (whether or not it has been written) and that which is required as a result of some other form of agreement. In this case, the strength or force of that which has been established is not the same everywhere, but this is not an obstacle to recognize its importance and necessity. Human coexistence requires people’s agreement in order to establish fair solutions within a range of multiple, variable possibilities; otherwise, coexistence would be impossible. Although this involves a certain inevitable degree of arbitrariness, that which has been established does not cease thereby to be compulsory for all. As Kraut says, “[i]t would be absurd to argue that since some of the practices of one’s city are not uniquely correct, but are just only by convention, one need not abide by them”.31 Here again the reference to the Politics is mandatory because the validity of these criteria of justice depends on the political regime in question;32 and the regime which should be chosen depends, in turn, on many circumstances that can not be determined 28
Ibid., 46, 11 – 13. Kraut (2002), p. 129. 30 Nicomachean Ethics V. 7, 1134b20 – 24. 31 Kraut (2002), p. 128. 32 See Pol. III. 11, 1282b10 – 11.
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a priori. It is also interesting to show that the examples Aristotle offers as the most typical of conventional justice concern both military as well as other religious matters. The case of war, which is the context where the ransom whose value amounts to “a mina” occur, is particularly illustrative because the only way to reach a practical solution between enemies is to have an explicit agreement. The same applies to religion, which in Aristotle’s perspective is a broad field for the conventional.33 This idea will later be acknowledged and developed by some medieval Aristotelians, such as Thomas Aquinas, who in the Summa Theologiae notes that in the Mosaic Law it is possible to distinguish “ceremonial” precepts (referred to the worship of God), judicial precepts (crimes, processes and contracts), and moral precepts (represented mainly by the Ten Commandments34). The first two types of precepts are clearly of a legal nature, since they depend on the will of God for a particular people, namely the Jewish people, during a particular moment of their history; whereas those precepts of a moral character, inasmuch as they respond to natural requirements, have permanent validity.35 In them we can also find religious requirements, such as worshiping God, and others related to our relationships with others, such as the prohibition against lying or murder. It should be noted that the example of Brasidas is not of Athens, but of Sparta, which reinforces Aristotle’s audience, who certainly were no Spartans, in their conviction that we are dealing here with realities that change significantly from country to country. In Athens the fact of offering sacrifices to Brasidas is something completely indifferent, but it is not so in Sparta, where it had already been established that these sacrifices ought to be offered. There, then, it is not indifferent to stop offering them. Whoever omits them commits an injustice. The ways in which the demands of conventional justice are expressed are highly variable. In some cases they can be general provisions ¢ what we nowadays call laws ¢, but other times they can be particular ordinances ¢, now called decrees [pséphisma]. The fact that the forms of expression are variable reinforces the idea that conventional justice is essentially determined by the factual circumstances in which it is exercised and the current needs of that society. Not having the same force everywhere and having to be determined from place to place, conventional justice is not, nevertheless, whimsical or modifiable for whatever reason. In his Politics, Aristotle insists over and over again on the importance of political stability for the good order of the polis. Moreover, it is in no way irrelevant which provision is actually determined, since there are some provisions that are inadequate to the society in which they are approved, for example, because they are inconsistent with the spirit of the current political regime. In other words, here polit-
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See Martínez Barrera (1999). S. Th., q. 99 – 101. 35 See ibid. I-II, qq. 98 – 105. 34
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ical prudence is of the outmost importance. The range for political decisions is very broad, but not unlimited.36 In this same line of thought, it should not be suprising that, although dealing with “indifferent” things (adiaphora),37 it is perfectly possible that the common sense of people will, when finding themselves in similar situations, determine rather similar things. Here, then, there is room for an extensive factual coincidence between conventional determinations of justice that occur in different peoples. This common area of convergence will later be called by the Romans and the Scholastic tradition ius gentium, which is a generally accepted law and, in the opinion of the majority of the authors of those centuries, should be understood as positive law,38 which is the expression that, over the centuries, will be used to designate that which is just by convention. In any case, this coincidence is not de iure, but de facto. Many centuries later, Leo Strauss will show, in a famous text, that since Averroes and particularly since Marsilius of Padua,39 natural law begins to be understood precisely in those terms, that is, simply as generally accepted positive law.40 There is, then, a second form of justice, legal justice, which is fixed by man, whose determinations differ from one place to another. Its content is variable, since it allows for diverse, even contradictory, provisions to be the case. However, once a particular solution is specified and established, it loses its indifferent character, and then someone acts justly only when in compliance to it. Aristotle does not come to define the relationship between the two forms of justice. Thomas Aquinas, however, holds that positive law originates from natural law by an intellectual process he calls “determination” or “specification”.41 Thus, he compares the task of a legislator to that of an architect, who, starting from the sole idea of a house, designs and builds a particular house. The shapes, however, that the concrete houses acquire when built are highly variable and in that sense, the analogy shows, this kind of justice is particularly 36
See Popper (1982), pp. 770 f. The term adiaphora, as a specially relevant philosophical category, was first introduced by the Stoics, in correlation to their emphasis on virtue as the only good. Typical examples of indifferent things are ”life-death, reputation- lack thereof, pleasurepain, wealth,-poverty, health-disease and things alike” (Stobaeus, Ecl. II, 57 – 58). It should be noted that here Stobaeus speaks not of actions, but of passions, i. e. external things or states of a subject, in clear contrast with the use giving to the term by Aristotle. 38 See Domingo de Soto, De Iustitia et Iure, III, q. 1, a. 3 and Francisco Suárez, De Legibus, II, c. 19, n. 4. 39 See Defensor Pacis, II, 12, 7. 40 See Strauss (1971), pp. 157 – 159; see also id., (1983), p. 140. There are good reasons to think that the interpretation that Strauss makes of Averroes is wrong, since he does not take into account the vast number of texts in which Averroes explicitly describes actions that are morally wrong by their very nature (for example, Averroes, Commentaire moyen à la Rhétorique d’Aristote, (trans. M. Aouad), Paris 2002, vol. II, 1.13.2, p. 113; also see id., On Plato’s Republic [Translated, with an Introduction and Notes, by Ralph Lerner], Ithaca (N. Y.)/London 1974, The First Treatise, 20 [30]). 41 See Sententia Libri Ethicorum V, 306: 115, n. 1023; see also S. Th. I-II, 95, 2 ad 2. 37
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changing. This inevitable variability that characterizes just things inclines some to think that the idea of there being things that are just by nature is just wishful thinking, as will be discussed below. IV. Just Things are also Subject to Change In what follows, Aristotle is faced with those who think that all justice is of a conventional nature: “Now some think that all justice is of this sort, because that which is by nature is unchangeable and has everywhere the same force (as fire burns both here and in Persia), while they see change in things recognized as just.”42
Here, Aristotle is obviously referring to some sophists.43 Ultimately, the Nicomachean Ethics is nothing more than an elaborated and articulated response to the challenge posed by the sophists and their moral relativism. According to what is said in this text, these “some” alluded to hold the following four propositions: i.
Any form of justice is nomikón.
ii. That which is by nature is not subject to change. iii. That which is by nature has everywhere the same force. iv. Just things are subject to change. The strategy that Aristotle follows is very interesting because he accepts, as he also does elsewhere, much of what his detractors hold, although reinserting it in a more appropriate context of interpretation. In this case, our author accepts iii), that is, the universal force of that which is by nature, and iv), that is, the change just things can undergo, but denies both i) and ii), since he believes neither that all just things are so only in virtue of convention nor that nature is such an immutable thing as the sophists would have it. By denying the idea that that which is just by nature is unchangeable, Aristotle seems to further radicalize the sophists’position. They considered immutability as the distinctive feature of things that are by nature. For Aristotle, instead, it is essential not to grant this point because to do so would put too great a burden on him to develop a reasonable notion of natural law. This is an issue in which the differences between Aristotle and several of his commentators are more noticeable, because Michael of Ephesus, Averroes and Nicholas of Oresme44 ¢ all of them, deny or at least severely limit the possibility of things that are by nature to change in the strong sense indicated by Aristotle. Thus, for example, Averroes maintains:
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Nicomachean Ethics V. 7, 1134 b 24 – 27. See Guthrie (1969) and Kerferd (1981). 44 See Le livre de Ethiques d’Aristote footnote N. 9, p. 305.
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“But those [justices] that are in nature wouldn’t vary since their strength is the same at any place or time, like the strength of the fire, which is the same at any place, i. e., it moves upwards at any corner of the world wherever and whenever it is put.”45
Michael of Ephesus, for his part, recognized the mutability of justice but associated it with the moral corruption of some, whereas for the virtuous natural justice would be immutable: “For those who are disposed according to nature (katà phy´sin) and are uncorrupted (adiastróphois) ‘what is just’ is not changeable, even though it is changeable for those who are disposed in the worst manner.”46
Other interpreters, instead, such as Thomas Aquinas, recognized this possibility: “That which is natural to one whose nature is unchangeable, needs to be such always and everywhere. But man’s nature is changeable, wherefore that which is natural to man may sometimes fail. Thus the restitution of a deposit to the depositor is in accordance with natural equality, and if human nature were always right, this would always have to be observed; but since it happens sometimes that man’s will is unrighteous there are cases in which a deposit should not be restored, lest a man of unrighteous will make evil use of the thing deposited: as when a madman or an enemy of the common wealth demands the return of his weapons.”47
It is somewhat bewildering that Aquinas’ opinion being so clear, Spanish scholastics who read and knew Aquinas’ Commentary on the Ethics read the text of the Ethics in such a way so as to understand the claim of the immutability of natural justice precisely in the way and sense in which fire burns in Persia and in Greece as actually belonging to Aristotle.48 In doing so, they assume the immutability of natural justice in a particularly strong sense.49 For Aristotle, an immutable nature is not proper of the sublunary world.50 Moreover, he characterizes nature precisely as a principle of change,51 so it should not be surprising that when talking about ethical matters he is consistent with this position. And it is precisely this flexibility which allows the application to practical matters, such as those described in the Ethics and in the Politics, of a notion that is coined mainly in the Metaphysics and the Physics. Concluding from the aforementioned, Voegelin says that “we may say that the phy´sei díkaion is what is right by nature in its tension between the immutable divine 45
In Moralia Nicomachia Expositione V 7, 74 A. In librum quintum Ethicorum Nichomacheorum commentarium 47, 5 – 8. 47 Summa Theologiae II-II, q. 57, a. 2, ad 1. 48 Thus Domingo de Soto, De Iustitia et Iure, III, q. 1, a. 2; also in De Justitia, ms. 781, ott. lat., q. 57, a. 2; see also Francisco de Vitoria, De Justitia, q. 57, a. 2. 49 See Domingo Báñez, In Secundam Secundae, q. 57, a. 2; also Francisco de Vitoria, De Legibus, q. 94, a. 4; also Domingo de Soto, De Legibus, ms. ott. lat. 781, q. 94, a. 4; also Bartolomé Carranza, De Justitia, q. 57, a. 2; also Luis de León, De Legibus, q. 94, a. 4. 50 See De generatione et corruptione, I. 3, 318a; also De Caelo, I. 8. 51 See Physica III. 1, 200b 10 – 15; II. 1, 192b 5 – 20; also Metaphysica V. 4, 1014b 15 – 20. 46
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substance and the existentially conditioned human mutability”.52 Thus, “what is right by nature is not given as an object that would lend itself, once and for all, to the statement in correct propositions. On the contrary, it has its mode of being in man’s concrete experience of what is right, which is immutable and everywhere the same, and yet, in its realization, again changeable and everywhere different”.53 The strategy of the sophists consists in establishing so exigent a starting point that no possible ethical system would be capable of satisfying such demanding conditions, which would then make moral relativism the only reasonable possibility. The position of Aristotle, however, is rather deflationary. He recognizes that that which is by nature has the same force everywhere, but not as the fire burns with the same force and in the same way in Greece and in Persia. Here is a link with what was said earlier: the force referred to is not an empirical force. This applies even in those cases, such as positive law, where we are in the presence of things that are valid everywhere. Just as things that are just by nature, those which originate from convention are in no way less fair or are invalidated because some individuals in society do not comply with them. That is what punishments are for, which in Aristotle’s thought play a very important role.54 As already stated, legal rules do not lose their validity by the fact that they are unfulfilled. The same can be said a fortiori of things that are just by nature. They have everywhere the same force, so that their violation does not invalidate them. Although subject to change, they have universal validity, as discussed below. V. In which Sense is Natural Justice Changeable? Aristotle then makes the claim that has the strongest speculative force of this whole passage, but that at the same time is a source of many difficulties. Thus he says: “This, however, is not true in this unqualified way, but is true in a sense; or rather, with the gods is perhaps not true at all, while with us there is something that is just even by nature, yet all of it is changeable; but still some is by nature, some not by nature.”55
As mentioned, the strategy followed by Aristotle in discussing with the sophists is very interesting because it seems to further radicalize their position. Unlike them, he denies that in the sublunary world natural justice is immutable.56 That property, he states, pertains exclusively to the gods57. What he means by this is a debated topic. For some Aristotle expressly excludes justice from the realm of the divine,58 52
Voegelin (2002), p. 146. Voegelin (2002), p. 147. 54 See for example Nicomachean Ethics X. 9, 1180a22 – 25. 55 Nicomachean Ethics V, 7, 1134 b 27 – 30. 56 See Kalinowski (1985). 57 See Nicomachean Ethics V. 7, 1134 b 28. 58 See Nicomachean Ethics X, 8, 1178b.
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which makes this statement somewhat incomprehensible or at least unfortunate. Why would he say that among the gods justice does not change if they do not know that virtue? It is difficult to determine the extent of these Aristotelian claims regarding the divine, but it seems that we are not in the face of a problem of interpretation that lacks a solution. For starters, it is perfectly possible that our author is arguing here hypothetically (“perhaps”, he says). He refers to the gods in the same way that an atheist could say, for example, that it would take a divine mind to know the exact future development of the economy or the like. Aristotle is not drafting here a theological treatise or explaining his concept of the divinity, but only is attempting to show the audience that the claim the sophists put forth is wrong. If that is the case, Aristotle’s claim is valid even if he does not believe in the existence of a plurality of gods. What matters, then, is that the absolute immutability of the things that are just by nature could only happen in the divine world, not ours. Another way of looking at this problem is to argue that here Aristotle is not saying that it is only justice that is immutable among the gods, but that the whole divine world is endowed with immutability. Let us recall that the statement of the sophists is not limited to the (hypothetical) case that, were there a natural justice at all, it would have to be immutable, but it extends to everything that is by nature, maintaining that precisely because it is by nature it is thereby immutable, something which the examples provided by them ¢ acknowledged by Aristotle in his text ¢ help illustrate since they point to the (natural) properties of fire, which are always the same, whether in Greece or in Persia. This is true, Aristotle concurs, but only for the gods. The immutability of what is just by nature then should be just another case of the immutability of the nature of the divine in general. Thus, whether we adopt one or the other explanation, the Aristotelian claim is fully justified. In any case, beyond these debates, there is no denying that Aristotle clearly holds the mutability of the sublunary world. As mentioned, the very notion of nature, as shown for example in the Metaphysics, is inextricably linked to the idea of change.59 In this way, all natural things, including that which is just by nature, is subject to mutation. Moreover, if nature is the principle of change, it should not be surprising that nature itself could be subject to change, at least in some cases. Yet the recognition of the changing nature of all justice does not prevent us from distinguishing between physikón and nomikón forms of justice. This statement is simply outstanding and shows the enormous difference between Aristotle and his usual natural-law-minded interpreters. In any case, Thomas Aquinas himself seems to adhere to this interpretation, although with some reservations when he comes to the distinction between that which happens “ut in pluribus” and that, the change of which is by nature, which occurs “in paucioribus”.60 Hence he sets limits to the change of that which is by nature, stating that “we must keep in mind that the essences of changeable things 59
See Vigo (1996). Sententia Libri Ethicorum V, 306: 188 – 189, n. 1028; see also Kalinowski (1985), Villey (1985) and Liska (1996). 60
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are immutable; hence whatever is natural to us, so that it belongs to the very nature of man, is not changeable in any way, for instance that man is an animal”.61 Thomas distinguishes between nature and the things that follow from it, such as actions, dispositions and movements.62 The realm in which change takes place is the second. Therefore, “those actions belonging to the very nature of justice cannot be changed in any way, for example, theft must not be committed because it is an injustice. But those actions that follow from the nature of justice are changeable in a few cases [ut minori parte]”.63 In the solution given by Aquinas to this problem, one can trace a certain influence of his teacher Albertus Magnus, who when commenting for the first time on the Ethics states the following regarding naturally just things: “It is indeed true that in respect to those things that are essential they [i.e. naturally just things] do not change, but their use does change, since sometimes that which is in accordance to a full nature [secundum naturam rectam] is abandoned, acting instead in accordance to a weakened nature [secundum naturam infirmam], as it happens in medicine, which sometimes gives to the sick, due to his fever, things overly cold, which considered in themselves [simpliciter] are not healthy. In a similar way one must sometimes alter natural things themselves, due to various events [accidentia] with the purpose of avoiding a greater evil.”64
Here, however, one senses the influence of an idea borrowed from theology, namely, that of original sin, which seeks to explain the fact that human nature is weakened. This clairifies why, in certain circumstances, a “weak nature” should be treated in a special way, different from that which would correspond to a nature at its fullest. The question of the mutability of natural justice played an important role in the thought of Scholastic philosophy due to, among other reasons, the need those authors had to explain some difficult situations described in the Bible and one particular situation found in Plato, whose solution was morally dubious. The cases are the following: How is one to explain that God commanded the Jews to appropriate the clothing and jewelry from the Egyptians? How is it possible that God commanded Hosea to unite and procreate with a prostitute? And how can one explain the sacrifice of Isaac, which involves killing an innocent? The other example, taken from the Greeks, is the famous case of weapons left trustingly by a person who later comes to claim them either in order to cause serious injury to others or after having losing his sanity. These are problems that arose in a particularly acute way as the Aristotelian idea of things that are just by nature evolved and was transformed into a comprehensive theory of natural law, which includes rules that obligate permanently and without any exceptions.
61
Sententia Libri Ethicorum V, 306: 197 – 307: 200, n. 1029. See Sententia Libri Ethicorum V, 307: 201 – 203, n. 1029. 63 Sententia Libri Ethicorum V, 307: 203 – 207, n. 1029. 64 Super Ethica, l. V, c. 7, q. 6. 62
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The transformation of the Aristotelian theory into a far-reaching doctrine of natural law, understood as a set of moral standards of permanent value, owes greatly to the Stoic and Christian traditions, but it also has its own basis in the Nicomachean Ethics. Indeed, in Book II one explicitly finds the idea that there are some passions and actions that are always bad. Thus, “But not every action nor every passion admits of a mean; for some have names that already imply badness, e. g. spite, shamelessness, envy, and in the case of actions, adultery, theft, murder; for all of these and suchlike things imply by their names that they are themselves bad, and not the excesses or deficiencies of them. It is not possible, then, ever to be right with regard to them; one must always be wrong. Nor does goodness or badness with regard to such things depend on committing adultery with the right woman, at the right time, and in the right way, but simply to do any of them is to go wrong.”65
As in the case of natural justice, several authors66 have tried to find here a confirmation of their idea that there are moral standards that know no exceptions.67 When Aristotle says, for example, that murder is always wrong, he is implicitly acknowledging that the precept “do not commit murder” admits no exceptions. However, the Aristotelian way of dealing with moral issues is not by recourse to norms.68 Aristotle’s ethics is not of norms, but of virtues. VI. How to Distinguish the Natural from the Conventional? When we speak of human affairs, whether by nature or by convention, we necessarily must remember that we are dealing with things subject to change. The problem, however, lies in distinguishing here and now what is just by nature and what is just by convention. Surprisingly, Aristotle does not seem to have this problem himself: “It is evident which sort of thing, among things capable of being otherwise, is by nature, and which is not but is legal and conventional, assuming that both are equally changeable.”69 At first glance, it is startling that Aristotle considered “obvious” (dêlon) a question that has been debated since the sophists and that is constantly in the background of his own efforts to provide a nonrelativistic answer to the problem of the variability of ethical opinions. The solution to this impasse is not simple, but I think that in this case Aristotle is speaking to an audience who already accepts this difference. In this philosophical context it is not difficult to draw such a distinction. Following Aristotle, we can say, for example, that everyone will agree that the reasons given by Euripides Alcmaeon to slay his mother are ridiculous.70 This happens only, in the Aris65
Nicomachean Ethics II. 6, 1107a9 – 17. See for example Finnis (1993), id. (1988a) and id. (1983). 67 See Massini (1996). 68 See Kaczor (1997) and also Nussbaum (1986). 69 Nicomachean Ethics V. 7, 1134b31 – 33. 70 See Nicomachean Ethics III. 1, 1110a27.
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totelian context, if matricide is not a matter whose justice depends purely upon human agreement. The examples could be multiplied. That this difference between the two forms of justice initially appears to be clear does not exclude that there are cases in which such determination is difficult.71 At the very beginning of the Ethics, Aristotle stated that he speaks about what happens ordinarily, in most cases, and that it is necessary to expose these subjects in a sketch-like fashion.72 In his interpretation of this passage, Eric Voegelin argues that the way to know what is just by nature consists not in consulting a catalog of eternal and immutable moral standards, but in paying close attention mainly to the role model provided by the spoudaîos. Thus, the passages of the Ethics that refer to him, “show very clearly that Aristotle cannot view what is right by nature as a natural law, a set of eternal, immutable propositions, because the truth of a concrete action cannot be determined by its subsumption under a general principle, but only by questioning the spoudaîos.”73
For such an individual, for a man who has led his entire life in accordance to logos, it should not be difficult to distinguish which things are just by nature and which determinations have, in contrast, a conventional character. Aristotle expressly mentions the case of an exceptional situation requiring, in order to really achieve justice, a solution different from the usual. He does so when discussing the doctrine of equity, which he will expose a bit later in the same Book Vof the Ethics.74 But the problem here is not with the general formulation established by the moral standard and the specific requirements of the particular situation confronting the agent, but with the tension that exists between the generality of the positive norm and the uniqueness of the concrete case, which sometimes requires going beyond the letter of the law and applying its spirit. Aristotle says, then, that what is fair inasmuch as it considers the nature of the case is superior to one form of justice,75 in an obvious reference to conventional justice, since it requires to attend to what is naturally just in that particular case.76 As Gadamer explains, unlike the craftsman who abandons the original plan and adapts it with a realistic sense to what is possible in the concrete case, he who applies the law to a specific situation, “will have to refrain from applying the full rigor of the law. But if he does, it is not because he has no alternative, but because to do otherwise would not be right. In restraining the law, he is not diminishing it, but, on the contrary, finding the better law.”77 71
See Finnis (1980), id. (1983) and id. (1987). See Nicomachean Ethics II. 7, 1107a28 – 30. 73 Voegelin (2001), p. 151. 74 See Nicomachean Ethics V. 10, 1137a31 – 1138a3. 75 See Nicomachean Ethics V. 10, 1137b24 – 25. 76 These lines, as does the entire text, put us in touch with the important matter of what Aristotle himself understands by ’nature’ and what its scope is in the field of praxis. See Müller (2006) and Bien (1973). 77 Gadamer (2004), p. 316. 72
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We see, then, that the need to conform to the uniqueness of the concrete case does not imply a defect in the original plan, but is a consequence of the changing nature of human affairs.78 Therefore, for Aristotle not only what is just by convention can change, but also what is just by nature can do so. But the fact that both forms of justice are “equally” subject to change does not mean that they are so to the same extent or with the same intensity. Natural justice changes because the actions of the virtuous cannot be defined a priori, but always require the mediation of prudence, with the exception of those cases mentioned in Book II of the Ethics, that is, of certain actions in which it is never morally permissible to engage. But since these actions are very few in number, we can assert that, in most situations, what the nature of the case requires is changing. In other words, Aristotle’s solution is the inverse of Thomas Aquinas’s. For Aquinas, in the case of things conventionally just mutation occurs ut in pluribus, while what is naturally just changes only in paucioribus. In Aristotle, however, mutation of just things by nature is very common, except in the case of acts that are never licit to perform. It seems, then, that the medieval and Spanish Scholastics tended to soften Aristotle’s stance, whose claims go far beyond the simple and almost trivial distinction between what usually happens and what rarely occurs. VII. The Variation of Measures Aristotle proceeds to provide two examples in order to illustrate the variability of justice: the case of a person who becomes ambidextrous by practice, and the variation that occurs in the measures used for purchasing goods. Thus: “It is evident which sort of thing, among things capable of being otherwise, is by nature, and which is not but is legal and conventional, assuming that both are equally changeable. And in all other things the same distinction will apply; by nature the right hand is stronger, yet it is possible that all men should come to be ambidextrous.
The things which are just by virtue of convention and expediency are like measures; for wine and corn measures are not everywhere equal, but larger in wholesale and smaller in retail markets.”79. These lines, in which Aristotle allegedly wants to clarify what he is explaining, have caused many difficulties amongst interpreters.80 For starters, not few are dissatisfied by the fact that he gives an example so foreign to the moral field as that of someone who, through practice, comes to dominate both hands with equal skill.81 But in this example, Aristotle is simply highlighting a familiar circumstance for his audi78 The imprecision that sometimes one finds in positive laws is due, explains Aristotle, to the fact that ”it is impossible to attain ideal perfection when framing a law in general terms; for we must judge of his intentions, not from the actual results in the present day, but from the general tenor of the rest of his legislation.” See Constitution of Athens, V. 79 Nicomachean Ethics V. 7, 1034b33 – 1035a3. 80 See Kraut (2002) and Dirlmeier (1999). 81 See Bien (1985), p. 294.
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ence in order to show that a habit can end up having the same power as nature. For this same reason, in the Politics he is rather reluctant to accept excessive changes in legislation because “the law has no power to command obedience except that of habit”.82 Moreover, one wonders when Aristotle refers to the variation of measures in the exchange of commercial goods, which is not merely a physical example but also bears juridical connotations, what can he possibly mean thereby? Speaking of the changeability of the measures of wheat or wine in the exchange market, is he speaking ironically, as Pedro de Osma contends, or rather, as Gadamer would have it, is he pointing to an accepted variation within certain shared limits?83 This author writes: “Aristotle is not saying that people in the wine trade are constantly trying to trick their customers, but rather that this behavior corresponds to the area of free play permitted within the set limits of what is right.”84
It is also conceivable, and this is my opinion, that Aristotle is simply showing here that in the wholesale exchange market significantly higher measures are required than in the retail market. There is neither deceit nor is there a certain tolerance in favor of the merchant; they are just different measures because the needs of the buyer and the seller are different. This interpretation has the advantage of reinforcing the idea that the criteria of conventional justice are mutable, since they must adjust to the reality of the society in question. This is, moreover, the interpretation of Averroes, who states: “The commeasure varies, being greater or fewer, according to this or that law among those justices that are variable by law, i. e., by those among them that are intermediate, and even though they are many and differ from one people to another, nevertheless they are all united for operating the action of justice. It is as if all the different measures that are used in each country become similar. Here they are all, even though different, operating the act of equalization, i. e. the measurement of wheat, oil, and all other things that are measurable.”85
The variation of the measures, then, should not obscure the fundamental fact, namely, that in each of these cases we are dealing with exercising justice. VIII. The Best Political Regime by Nature We thus come to the end of the text, where along with stressing the variety of conventional measures, Aristotle draws a political consequence of what he has been saying:
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Pol. II. 8, 1269a21. See Gadamer (2004). 84 Ibid., p. 317. 85 In Moralia Nicomachia Expositione V 7, 74 B-C. 83
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“Similarly, the things which are just not by nature but by human enactment are not everywhere the same, since constitutions also are not the same, though there is but one which is everywhere by nature the best.”
Aristotle establishes here a very interesting relationship between the subject of natural justice and the question of the best political regime. The problems stemming from this have not been sufficiently studied, with the exception of few scholars. Already Voegelin noted that these few final lines of the passage were pointing to Aristotle’s Politics: “In this place of Book V of the Ethics Aristotle warns us that out of all the politeiai there is only one which is right by nature, namely, the best. Its description occupies him throughout the Politics. Books VII and VIII of the Politics sketch the model of a social order on the basis of the Aristotelian knowledge of human nature. Books VII and VIII constitute Aristotle’s ‘natural right’.”86
When Aristotle, while acknowledging the existence of several political regimes, indicates that there is one that is best in nature, a very sensitive problems arises that calls for a solution. Indeed, does this mean that the variety of political regimes is nothing more than a consequence of human imperfection and that, insofar as men move toward the political constitution which best befits our nature, that variety will eventually disappear? Such has been the opinion, although not unanimous, of some interpreters throughout history. In the twelfth century Michael of Ephesus asserted that “the best form of government […] is always the same for those who live in accordance with nature”.87 Nicholas of Oresme, meanwhile, draws a similar conclusion: “If one found everywhere a government in accordance to the best polis by nature, then the same polis would be everywhere.”88 In the nineteenth century Henry Jackson expressed a similar view: “That is to say, the fact that díkaia, differ in different places (kineîtai), and are therefore capable of arbitrary variation (kinetá), does not disprove the existence of an eternal, natural díkaion to which the before-mentioned díkaia more or less conform.”89 All these authors share the understanding of the Aristotelian assertion in an absolute sense: not only is there a political regime that is everywhere the best, but this regime is the same wherever it is established. This position, however, implies assigning to the Aristotelian ideal a homogeneity that seems very foreign to the Politics as we have received it, which is a work full of nuances and constant considerations of the factual circumstances in which the political ideals transpire. Some authors have tried to solve this problem by understanding the Aristotelian statement in a distributive sense. There is, indeed, a political regime that is the best by nature but this does not mean that it is everywhere the same, which allows for two 86
Voegelin (1963), p. 128. In librum quintum Ethicorum Nichomacheorum commentarium 48, 23 – 25. 88 Le livre de Ethiques d’Aristote, 305 nt. 11. 89 Jackson (1879), p. 107.
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places to have different regimes, each with its special character.90 In any case, regardless of adopting one or the other solution, the truth is that we will usually have to settle for the versions of that model that are possible here and now. The model acts, then, as a regulative ideal. The same happens as in human nourishment: although one talks of an ideal diet, this does not mean that, in practice, it is appropriate for all people to follow it in litteris. Thus, approaching an ideal will never cause the abolition of the factual diversity of legitimate political regimes. That is why Gadamer warns that “the best state ‘is everywhere one and the same’ but it is the same in a different way than fire burns everywhere in the same way, whether in Greece or in Persia’”,91 as Aristotle writes a few lines above the Ethics’ passage under investigation. The relationship Aristotle establishes between ethics and politics precisely with regard to the subject of natural justice, demonstrates once more the great difference that exists between his ideas and modern theories of natural law, which understand the former as a set of eternal and immutable norms. Voegelin yet again captures the contrast when he says that: “Quite unlike the later ideas about natural law as the quintessence of eternal, immutable legal maxims, the right by nature here is identical with the paradigm of the áriste politeía [the best constitution]. The investigation about the phy´sei díkaion, therefore, must not be understood as an autonomous body of teachings that could be further developed into a ’doctrine of natural law’; instead, it leads directly to the core problem of political science, the question of the right order of society.”92
Thus, as important as pointing to the ideal contents is paying attention to the specific embodiments of these models, and that is precisely what occupies Aristotle in his Politics, which is the natural and necessary continuation of the Nicomachean Ethics. Bibliography Aquinas, Thomas (1993): Commentary on Aristotle’s Nicomachean Ethics, Indiana. Aristoteles (1999): Nikomachische Ethik, übersetzt und kommentiert von F. Dirlmeier, Berlin. Aristotle (1984): Nicomachean Ethics, translated by W. D. Ross, in: Barnes/Jonathan, The Complete Works of Aristotle, Princeton. Becker, A./Scholz, P., (eds.) (2007): Dissoi Logoi. Ein sophistischer Traktakt, Berlin. Bien, G. (1973): Die Grundlegung der politischen Philosophie bei Aristoteles, Freiburg/München. ¢ (1985): Erläuterungen, in: Aristoteles, Nikomachische Ethik, auf der Grundlage der Übersetzung von Eugen Rolfes herausgegeben von Günther Bien, Hamburg, pp. 262 – 350.
90
See Mulhern (1972), pp. 260 – 268; also Mansuy (2009). Gadamer (1004), p. 317. 92 Voegelin (2002), p. 146. 91
Natural Justice is Subject to Change
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Recht, Staat und Geld Überlegungen zur multiplen Modernität der Rechtssysteme im Eurowährungsgebiet im Anschluss an Max Weber Von Athanasios Gromitsaris, Jena/Dresden Die Rolle des Staates bei der Bestimmung von Recht und Geld ist ein altes theoretisches Problem, dessen praktische Relevanz durch die aktuelle Verschuldungsund Eurokrise veranschaulicht wird. Der Euro wird als eine Währung ohne „Wirtschaftsregierung“, ohne „Staat“ beschrieben, der aber auf einer rechtlichen Struktur beruht. Es handelt sich um eine Währungsunion, die keinem einheitlichen Wirtschaftsgebiet (mit einheitlichen sozial-, arbeits-, steuerrechtlichen Regelungen) zugeordnet werden kann und noch mit außerwirtschaftlichen Ungleichgewichten und Außenhandelsdefiziten der Euroländer verbunden ist. Die Debatte, die an der Eurokrise entzündet wurde, befasst sich nicht nur mit den Konvergenzkriterien der beteiligten Volkswirtschaften und der Staatsverschuldung, sondern auch mit den optimalen Bedingungen für Institutionenbildung im Euroraum. Ausgehend von Max Weber wird hier zunächst der Versuch unternommen, die Rolle des Staates bei der Bestimmung von Recht und Geld aufzuzeigen (I.). Abgesehen von der Feststellung, dass Finanzmärkte, Politik und Rechtsstaat verschiedenen Logiken folgen und unterschiedliche Zeitperspektiven als Verhaltensdeterminante haben , wird in einem zweiten Schritt die Kopplung von Rechtsordnung und Geldordnung hervorgehoben (II.). In einem weiteren Schritt gibt uns Webers Auseinandersetzung mit der Wirtschaftstheorie seiner Zeit und der historischen Schule der Nationalökonomie Begriffe an die Hand, die auf zeit- und krisendiagnostische Problemlagen aufmerksam machen (III.). Im Zentrum stehen Webers rechts- und wirtschaftstheoretische Ausführungen in „Wirtschaft und Gesellschaft“. Sie schärfen den Blick für die „multiple Modernität“1 der Rechtssysteme innerhalb der einheitlichen Geldordnung des Eurowährungsgebiets.
1
Einer der ersten Gelehrten, die das Analyse- und Erklärungspotential des Begriffs der „multiplen Modernität“ rechtstheoretisch fruchtbar gemacht haben, ist Werner Krawietz, Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive, in: Winfried Brugger/Ulfried Neumann/Stephan Kirste (Hrsg.), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2008, S. 181-206.
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I. Rolle des Staates bei der Bestimmung von Recht und Geld 1. Komplementarität von Staats-, Geld- und Rechtstheorien a) Interdisziplinärer Zugang zu Staat und Geld Innerhalb der „sozialökonomischen Probleme“ unterscheidet Weber zwischen „bewußt zu ökonomischen Zwecken geschaffenen oder benutzten“ „,wirtschaftlichen‘ Vorgängen bzw. Institutionen“, „ökonomisch relevanten Erscheinungen“ nicht wirtschaftlicher Provenienz („nicht-ökonomische Determinanten“) und „ökonomisch bedingten Erscheinungen“.2 Berücksichtigt man die Verschiedenartigkeit dieser theoretischen Perspektiven, überrascht es nicht, dass sich Geldentstehungstheorien im Plural entwickeln konnten. Theorien der nicht-ökomischen Betrachtung des Ökonomischen und des Geldes3 einerseits und ökonomische Geldtheorien andererseits können parallel zu einander entwickelt werden und sich komplementär zueinander verhalten. Die ökonomische Transaktionskostentheorie der Geldentstehung betont die Kostensenkung im Verkehr durch die Verwendung von Geld als Tauschmittel, wobei die Neue Institutionen-Ökonomik die Bedeutung der Wahl formeller und informeller Institutionen sowie von Vertrauen für die Funktionsfähigkeit von Transaktionskontexten hervorhebt. Eine soziologische Theorie des Geldes sieht Geld (neben etwa Macht und Wahrheit) als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium an.4 Aus der Perspektive der „sakral-kulturellen Sphäre“ kann sich ein (historischer) Erklärungsansatz von Geld als eine „sakrale Opfertheorie“ darstellen.5 Aus der Sicht des politischen Systems konnte eine „Staatliche Theorie des Geldes“ 2 Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 7. Aufl., Tübingen 1988, im Folgenden zitiert: Weber, WL, S. 161 f., 169. 3 Alexander Preisinger, Geld, Geist und Gesellschaft, www.zeitschrift-humanwirtschaft.de-05/2007, S. 14 – 17; Lothar Bornscheuer, Zur Geltung des ,Mythos Geld‘ im religiösen, ökonomischen und politischen Diskurs, in: Rolf Grimmiger/Iris Hermann (Hrsg.), Mythos im Text. Zur Literatur des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 1998, S. 55 – 105. Abrufbar unter http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/bornscheuer_geld.pdf (abgerufen am 1.4. 2013). Zu einer phänomenologischen Betrachtungsweise: Benediktus Hardorp, Elemente einer Neubestimmung des Geldes und ihre Bedeutung für die Finanzwirtschaft der Unternehmung, Karlsruhe 2009. 4 Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1994. 5 Bernhard Laum, Heiliges Geld: Eine historische Untersuchung über den sakralen Ursprung des Geldes, Tübingen 1924. Geld hatte in nicht ausdifferenzierten Gesellschaften (z. B. in der homerischen Gesellschaft), in denen seine Entstehung verortet ist, multiple Funktionen: es diente als „Kommunikationsmedium im sakralen Bereich zwischen Göttern und Menschen durch das Opfer“, es diente als „Kohärenzmedium“ im Verhältnis von Oikosherren und Gefolgschaftskreisen oder es diente als „Siegespreis bei öffentlichen Wettkämpfen“. Dazu Engelbert Theurl, Konkurrierende Theorien der Geldentstehung. Einige Überlegungen zur Vereinbarkeit, in Robert Rollinger/Christoph Ulf (Hrsg.), Commerce and Monetary Systems in the Ancient World. Means of Transmission and Cultural Interaction., Melammu Symposia 5, Oriens et Occidens 6, Stuttgart 2004, S. 33 – 53, 43 f. http://www.aakkl.helsinki.fi/melammu/ (abgerufen am 1.4. 2013). Ferner: Jochen Weiß, Mammon. Eine Motivgeschichte zur Religiosität des Geldes, Mannheim 2004.
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vorgelegt werden: Denn Georg Friedrich Knapp hoffte mit seinem Buch den „Beifall“ und den „Beistand derjenigen zu finden, welche das Geldwesen, richtiger das Zahlungswesen überhaupt, als einen Zweig der Staatswissenschaft auffassen“.6 In rechtlicher Hinsicht geht es nicht nur um rechtsnormtheoretische Geldtheorien, sondern auch um eine Betrachtungsweise, die die rechtsimmanente mit der rechtstranszendenten Sichtweise7 verbindet. b) Wirtschaftstheoretische Modelle als idealtypische Konstruktionen Max Webers Sozialökonomik erforscht das Verhältnis der Wirtschaft zum Rest der Gesellschaft. Sie wird aber auch mit einer Wirtschaftsoziologie verbunden, die sich der abstrakten Grundsätze der österreichischen ökonomischen Theorie und insbesondere der Grenznutzentheorie in der Form eines heuristischen Idealtypus bedient.8 Aus der Sicht Webers ist Theoriebildung unverzichtbar, und dies wird auch der deutschen historischen Schule der Ökonomie von ihm entgegengehalten. Das Material für die Bildung seiner wirtschaftstheoretischen Idealtypen entnimmt allerdings Weber nicht ausschließlich der Österreichischen, sondern auch der historischen Schule, oder genaugenommen, dem Methodenstreit und historischen Streit selbst. Im Bereich der Geldtheorie speist sich die Idealtypenbildung somit sowohl aus den Werken Ludwig von Mises und Carl Mengers als auch aus der staatlichen Geldtheorie Georg Friedrich Knapps. Das Ideal der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis ist nicht ein „System von Lehrsätzen, aus dem die Wirklichkeit ,deduziert‘ werden könnte“. Die „sozialwissenschaftliche Arbeit“ will „über eine rein formale Betrachtung der Normen – rechtlichen oder konventionellen – des sozialen Beieinanderseins“ hinausgehen.9 Theoriebildung bleibt allerdings als Teil der sozialen Wirklichkeit relevant. Ebenso wie der dogmatische Sinn von Rechtssätzen für die Erfassung der Wirklichkeit des Rechts von Bedeutung ist, berücksichtigt Weber für die Erfassung der sozialen Wirklichkeit der Wirtschaft die ökonomische Theoriebildung. Wie die Rechtsdogmatik den „ideal konstruierbaren Sinn“ von Normsätzen herausarbeitet und kontrollierbar macht, er-
6 Georg Friedrich Knapp, Die staatliche Theorie des Geldes, Leipzig 1905, S. VI. Im Folgenden zitiert: Knapp, 1905. 7 Zu den verschiedenen theoretischen Zugangsmöglichkeiten zum Recht siehe Martin Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts, 2011. 8 „Solche idealtypischen Konstruktionen sind z. B. die von der reinen Theorie der Volkswirtschaftslehre aufgestellten Begriffe und ,Gesetze‘.“ Sie stellten dar, „wie ein bestimmt geartetes, menschliches Handeln ablaufen würde, wenn es streng zweckrational, durch Irrtum und Affekte ungestört, und wenn es ferner ganz eindeutig nur an einem Zweck (Wirtschaft) orientiert wäre.“ Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, mit textkritischen Erläuterungen hrsg. von Johannes Winckelmann, 5., rev. Aufl., Tübingen 1976; im Folgenden zitiert: Weber, WuG, S. 4. 9 Weber, WL (FN 2), S. 170 f.
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arbeitet die ökonomische Theorie Erwartungszusammenhänge ideal konstruierbaren rationalen Wirtschaftens.10 Dem Grenznutzengesetz etwa misst Weber eine heuristische Funktion zu, die den „Gattungsbegriff“ des „Tausches“ in einen „genetischen“ Begriff verwandeln kann. Das Interesse Webers an der ökonomischen Theorie ist methodologischer Natur, ökonomische Theorien seien nicht universell gültig, sie setzten rationales Verhalten unter bestimmten Bedingungen voraus. Nach Weber ist die ökonomische Theorie historisch bedingt.11 Sie dient der Formulierung von Idealtypen für rationales Verhalten von Individuen und Institutionen. Die Idealtypen ermöglichen anschließend die Analyse von Möglichkeitsfeldern irrationalen Erlebens und Handelns. Aus diesem Grunde kann Weber Werke und Erkenntnisse der österreichischen ökonomischen Theorie mit Erkenntnissen der historischen Schule zwangslos verbinden. Der heuristische Wert der ökonomischen Theorie dient der Identifizierung „irrationalen“ oft macht- bzw. politiktheoretisch relevanten Verhaltens, das allerdings durch die ökonomische Theorie selbst nicht mehr erklärt werden kann, sondern von Weber eher als Anlass zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser herangezogen wird.12 So stellt er fest: „Die Untersuchung des generellen Wesens des Tausches und der Technik des Marktverkehrs ist eine – höchst wichtige und unentbehrliche! – Vorarbeit.“ Aber damit sei die Frage nach der „Kulturbedeutung der Geldwirtschaft, um derentwillen wir uns für jene Schilderung der Verkehrstechnik ja allein interessieren“ nicht beantwortet.13 Erst recht stehe es so „mit dem berüchtigten ,Grundbegriff‘ der Nationalökonomie: dem des ,wirtschaftlichen Werts‘“. „Von der Scholastik an bis in die Marxsche Theorie hinein“ verquicke sich hier „der Gedanke von etwas ,objektiv‘ Geltendem, d. h. also: Seinsollendem, mit einer Abstraktion aus dem empirischen Verlauf der Preisbildung (…) Was aber unter jenem theoretischen Begriff gedacht wird und gedacht werden kann, das ist nur durch scharfe, das heißt idealtypische Begriffsbildung wirklich eindeutig klar zu machen – das sollte der Spott über die ,Robinsonaden‘ der abstrakten Theorie jedenfalls so lange bedenken, als er nichts besseres, d. h. hier: Klareres an die Stelle zu setzen vermag.“14 Die ökonomische Theorie bildet hiernach 10 „In unvermittelter und anscheinend unüberbrückbarer Schroffheit steht noch heute die ,abstrakt‘-theoretische Methode der empirisch-historischen Forschung [in unserer Disziplin] gegenüber. Sie erkennt durchaus richtig die methodische Unmöglichkeit, durch Formulierung von ,Gesetzen‘ die geschichtliche Erkenntnis der Wirklichkeit zu ersetzen oder umgekehrt durch bloßes Aneinanderreihen historischer Beobachtungen zu ,Gesetzen‘ im strengen Sinn zu gelangen.“ Weber, WL (FN 2), S. 187. 11 Ebd., S. 201 f., 394. 12 Siehe hierzu Michel Lallement, Max Weber, la théorie économique et les apories de la rationalisation économique, in: Les Cahiers du Centre de Recherches Historiques [online], 34 (2004), (abgerufen am 08. Februar 2013). URL: http://ccrh.revues.org/212; DOI: 10.4000/ ccrh.212. 13 Weber, WL (FN 2), S. 176. 14 Ebd., S. 196.
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eine der unerlässlichen Voraussetzungen des richtigen Verständnisses der Wirtschaft. Weber ist ein „Nationalökonom“, ohne den „Kardinalfehler“ der Historischen Schule der Nationalökonomie zu teilen: die Missachtung der ökonomischen Theorie.15 2. Verhältnis der Rechts- zur Geldordnung Webers Geldtheorie lehnt sich an die staatliche Theorie des Geldes von Knapp, demzufolge Geld ein „Geschöpf der Rechtsordnung“ sei. Die Rechtsordnung beschreibe die zulässigen Stücke („Morphismus“ i. S. v. Knapp) und proklamiere ihre Geltung. Die „proklamatorische“ Verwendung führe zur Entstehung eines „autogenischen“, stoffunabhängigen Zahlungsmittels („Chartalität“). „Eine echte (,autogenische‘) Papierwährung sei eben eine solche, bei welcher auf eine effektive ,Restitution‘ der alten Einlösungsrelation in Metall gar nicht mehr gezählt wird.“16 Die Verfassung des Zahlungsmittels lässt sich unter diesem Gesichtspunkt als eine administrative Erscheinung begreifen. Zwar gelte die Rechtsordnung nur für ein bestimmtes Staatsgebiet, aber Staaten könnten Verträge schließen und dadurch Geltungsbegrenzungen aufheben.17 a) Institutionelle Grundlagen des Geldwesens Der Staat ist nach Knapp unter zwei Gesichtspunkten wichtig: als Zahlgemeinschaft und als Verrechnungsstelle. Für das Zahlungswesen ist der Staat als öffentliche Zahlgemeinschaft von Bedeutung, die privaten Zahlgemeinschaften gegenübersteht. Unter Zentralstelle versteht Knapp eine „regiminale“ (administrative) „Leitung“, welche „die Art und Weise der Zahlung rechtlich ordnet“. Knapp zufolge ist ein Zahlungsmittel Verrechnung. Dies mache eine Verrechnungsorganisation als regiminale Institution nötig. Sie muss nicht staatlich sein. Bei „privaten Zahlungswesen“ sei dies bspw. eine Bank. Das Zahlungswesen ist demnach auch eine „regiminale Erscheinung, sei es private oder staatliche“.18 Alle „drei Arten“ von Zahlungsmitteln („pensatorische“, „chartale“ und „girale“) gestatteten die Übertragung von Forderungen, die an die „Zentralstelle“ gerichtet seien, wobei die dritte Art eine „buchführerische Übertragung“ sei. In einer Zahlgemeinschaft sei somit jede übertragbare Verfügung über Werteinheiten dann Zahlungsmittel, wenn der Inhaber „durch Übertragung an die Zentralstelle“ eine „mindestens eventuale Gegenforderung an diese Stelle begründen könne“.19 Verrechnung und Verrechnungsorganisation (Clearing-Stellen) werden auf diese Weise zu zentraler Erscheinung des Geldwesens gemacht.20 15
101. 16
Gottfried Eisermann, Max Weber und die Nationalökonomie, Marburg 1993, S. 96 ff.,
Weber, WuG (FN 8), S. 105. Knapp, 1905 (FN 6), S. 24 f., 29, 43. 18 Ebd., S. 140, 145. 19 Ebd., S. 143. 20 Vgl. hierzu: Heinrich Rittershausen, Geldtheorie, Version V, 1951, 1952, http://kenten nant.com/rm/rittershausen/003GELDTHEORIE.htm (abgerufen am 1.4. 2013), S. 11. 17
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Auch private Zahlungsgemeinschaften, die Zertifikate aus Papier annehmen, stellen die Grundlage von Geld dar. Mit Verabschiedung des „Autometallismus“ mache sich nach Knapp das Bedürfnis nach einer „regiminalen“ Leitung der Zahlgemeinschaft sichtbar. Diese „lytrische“ Verwaltung (Lytron: Zahlungsmittel, Zahlungsmittelverwaltung) könne zwar die Staatsgewalt, aber auch – bei privaten Zahlgemeinschaften, eine Bank oder auch die Verwaltung eines privaten Geschäftsunternehmens sein, soweit es die Macht hat, die „Geldordnung“ zu gewährleisten. Unter diesem Aspekt sei das ganze Zahlungswesen ein „Geschöpf der Rechtsordnung in Gemeinschaften, seien es staatliche oder private“.21 Der Staat könne über die Verrechnungsorganisation hinaus durch Anerkennung von Geldansprüchen für und gegen sich sowie für und gegen Dritte die Umlauffähigkeit und damit das Vertrauen in die Tauschmitteleigenschaft des Geldes bestärken. Soweit allerdings das „Giralgeld“ nicht aufdrängbar, also nur akzessorisch sei, stelle es eigentlich kein Geld, sondern nur Zahlungsmittel dar. Man kann zwar die Forderungsaufrechnung angesichts der dazugehörigen Verrechnungsorganisation – über Knapp hinausgehend – ebenfalls als Geld bezeichnen, wobei dann aber nur die Zahlungsfunktion nicht aber auch die Wertaufbewahrungs- und die Preisausdrucksfunktion22 präsent wären. Die Währungseinheit kann vom Gläubiger bei der Zahlung oder Verrechnung von Schulden nicht zurückgewiesen werden.23 Weber, der die Bedeutung des Phänomens der privaten und öffentlichen Bürokratisierung herausstellte, hatte keine Schwierigkeiten mit Knapps These, das Zahlungswesen sei insofern eine „regiminale“ (administrative) Erscheinung, als es eine staatliche oder aber eine private Verwaltungsorganisation („Zentralstellen“, Abrechnungsstellen, Clearing) voraussetze. Die Organisationen des Geldwesens setzen allerdings nach Knapp die „Werteinheit“ voraus, die sich nur in Gemeinschaften ausbilden könne und Voraussetzung des Zahlungsverkehrs sei. Denn, um Preise feststellen zu können, braucht man Werteinheiten.24 b) Öffentliche und private Zahlgemeinschaften Zahlung sei nach Knapp ein Vorgang, der jedenfalls eine „Zahlgemeinschaft“, also Gemeinschaftsbildung (sei es auch die eines Privatbankiers mit seinen Kunden) voraussetze. Geldausgabe durch einen Einzelnen ohne jeglichen Bezug zu einer Gemein21
Knapp, 1905 (FN 6), S. 135, 143. Rittershausen (FN 20), S. 23 f. Die Verallgemeinerung der Einbeziehung der Zukunft in die Angebots- und Nachfragekalkulationen findet in der modernen vollentwickelten Erwartungs- und Kreditwirtschaft statt und bestimmt die Preisbildung. Ferner ebd., S. 38: „Geld, das nur der rechtlich-organisatorischen Auflösung von Schuldverhältnissen dient, aber nicht Währung ist, wird auch Zahlungs- oder Verrechnungsmittel genannt. Es gilt als unvollkommenes und unselbständiges Geld, als ,akzessorisch‘. Um vom Sprachgebrauch nicht zu sehr abzuweichen, versagen wir ihm nicht den Geldcharakter (im Gegensatz noch zu Knapp).“ 23 Rittershausen (FN 20), S. 12, 18. 24 Ebd., S. 13. 22
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schaft hält er für unmöglich. Jeder kann Zahlungsversprechen machen, doch das Problem ist, jemanden zu finden, der bereit ist, Gläubiger zu sein. Der Staat sei die gewöhnlichste, aber nicht die einzige Zahlgemeinschaft. Er sei insofern eine Zahlgemeinschaft, als er eine operationsfähige Werteinheit schaffen könne. Dies könne er aber deshalb, weil er eine Zahlgemeinschaft sei, nicht weil er Staat sei. Der Staat ist als Zahlgemeinschaft wichtig, weil er von den Staatsbürgern Steuern verlangt. Knapp veranschaulicht das Zusammenspiel von privaten und staatlichen Zahlgemeinschaften historisch-exemplarisch in „gewissen Augenblicken der Not“, in denen der Staat „Darlehen“ von den Banken bekomme, wenn also die Steuerforderungen nicht ausreichten bzw. Anleihen ihm verweigert würden. Die Banknoten seien zwar ursprünglich „chartales Zahlungsmittel von privater Emission“ und vor allem ein privater Kassenschein verwendbar zu Zahlungen an die Bank und zu Zahlungen der Kunden der Bank unter sich, da die Verwendung bei der Bank gesichert sei. Banknoten seien nur dann staatliches Geld, wenn sie auch als staatliche Kassenscheine zugelassen seien. Gleichzeitig könne der Staat verfügen, die Bank sei, obwohl sie ihren „Barvorrat“ verloren habe, von der Pflicht der Einlösung entbunden; ihre Banknoten würden in diesem Fall kraft staatlicher Entscheidung dennoch als „staatliche Kassenscheine“ behandelt. Übrigens gehe auch der Staat selbst, der „von dem baren Geld“ nicht genug habe, irgendwann dazu über, „in den uneinlösbaren Banknoten“ zu zahlen. Diese würden somit zu „valutarischem Gelde“, und da die Wirtschaftsteilnehmer nicht gerichtlich gezwungen werden könnten, in anderen Zahlungsmitteln zu zahlen, als in solchen, die der Staat ebenfalls verwende, erhielten „diese Noten Zwangskurs bei allen Zahlungen unter Privaten“. Knapp hebt die Irrationalität dieses sich selbst legitimierenden Vorgehens hervor: „Freilich hat dabei die Bank ihren vorgeschriebenen Kreis der Geschäfte überschritten, aber ihr Wächter, der Staat, hat sie dazu genötigt.“25 Knapp beschreibt mit diesen Ausführungen einen Kreditgeldschöpfungsprozess auf der Grundlage eines fraktionalen Reservesystems.26 Ferner bemerkt er, dass „Zahlungsversprechen“ das „anfängliche Wesen“ der Banknote sei, „womit sie sich in die Welt einschmeichelte“.27 Angesichts der juristischen Übertragbarkeit von Zahlungsversprechen setzt er sich dann mit der Frage aus, ob und wann diesen Geldqualität zukommen kann. Ihm geht es also um die Monetarisierung von Zahlungsversprechen unter Privaten. Er weist darauf hin, dass „chartale Zahlungsmittel“ von privater Emission für private Kreise „Chartalgeld einer unstaatlichen Zahlgemeinschaft“ blieben, solange sie nicht staatlich akzeptiert seien. Soweit die übertragbaren Zahlungsversprechen anderer Unternehmen als Banken durch besonderen Rechtsakt der „Akzeptation“ nicht zum Status „staatlichen Geldes“ erhoben würden, 25
Knapp, 1905 (FN 6), S. 122, 129 f. Zur aktuellen Debatte siehe Jörg Guido Hülsmann, Banks Cannot Create Money, in: The Independent Review 2000, S. 101 – 110; ders., Has Fractional-Reserve Banking Really Passed the Market Test?, in: The Independent Review 2003, S. 399 – 422. 27 Knapp, 1905 (FN 6), S. 121. 26
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blieben sie Zahlungsmittel einer privaten Zahlgemeinschaft. Der Staat erkläre nicht alle Zahlungsarten „als epizentrisch zulässig“, sie seien somit einfach für die Frage, ob sie zu den Zahlungsmitteln der staatlichen Gemeinschaft gehören, nicht relevant.28 c) Rechtszwang, Zwangswert und Annahmezwang Für eine tatsächlich von der Verwaltung innerhalb einer Rechtsordnung ausgewählte Geldart reserviert Knapp den Begriff „valutarisch“. Valutarisches Geld wird zum Nennwert (Zwangswert) angenommen und fungiert als Währung, also als Preisausdrucksmittel und Werteinheit. Das Preisausdrucksmittel muss vor dem Zahlungsmittel, vor der Zahlung und der Verrechnung, also vor dem Abschluss eines Kaufvertrags da sein. Zum valutarischen Geld gehört auch das mit Annahmezwang ausgestattete Papiergelt,29 das somit zu „gesetzlichem Zahlungsmittel“ wird, was nur heißt, dass die Gläubiger die aufdrängbaren Scheine annehmen müssen. Die übrigen Zahlungsmittel sind zwar nicht aufdrängbar, aber durchaus zulässig.30 Die nicht valutarischen Geldarten seien „akzessorisch“. Sie müssten von niemand, außer von dem Ausgeber angenommen werden. Letztere könnten nur Zahlungsmittel, aber keine Währungseinheiten darstellen. Beim Vorhandensein allgemeinen und unbegrenzten „Annahmezwangs“ muss jeder Zahlungsempfänger das aufdrängbare Geld annehmen.31 Geldarten, die in einer definitiven Geldart einlösbar sind, d. h. in einer solchen, die rechtlich als endgültig betrachtet wird, seien „provisorisch“. Mit Blick auf den Preis ihres Materials können Geldarten über- voll- oder unterwertig sein und als Waren verkauft werden. Entgegen einer staatsanbetenden Interpretation des Theorie Knapps kann Geldqualität nicht staatlich dekretiert werden: Nicht die Gesetze entschieden, was valutarisches Geld sein solle; sie drückten „nur einen frommen Wunsch aus“, während die Interaktion zwischen Wirtschaftsteilnehmern und Zahlungen an den und von dem Staat der bestimmende Faktor sei. Der Begriff des „valutarischen Geldes“ thematisiert die Spannungen, die aus der Divergenz juristischer, politischer und wirtschaftli28
Ebd., S. 123, 125, 145. Ebd., S. 94. 30 Rittershausen (FN 20), S. 17. 31 Weber übernimmt die Terminologie Knapps: Geld ist „legal“, wenn jedermann und vor allem die staatlichen Kassen verpflichtet“ sind, es als gesetzliches Zahlungsmittel zu nehmen und zu geben. Das von den Regierungskassen tatsächlich angenommene und „dem Publikum“ als „legal aufgedrängte Geld“ wird „regiminal“ genannt. Es gehe um einen durch Verwaltungsregeln herbeigeführten Geldzustand. Geld, das faktisch nicht von staatlichen Kassen, dagegen „im Verkehr zwischen Privaten kraft des formalen Rechts“ aufgedrängt werde, solle „akzessorisches“ Währungsgeld heißen. Beliebige Arten von Objekten können von einem Staat als gesetzliches Zahlungsmittel und beliebige „chartale Objekte“ als „Geld“ im Sinne von „Zahlungsmittel“ bestimmt werden. Als „Kurantgeld“ werden nach Weber die von der Ordnung eines „Geld-Verbandes“ mit unbeschränkter Geltung als Zahlungsmittel ausgestatteten Geldarten genannt. „Definitives“ Kurantgeld“ soll das regiminale Kurantgeld, „provisorisches“ jedes „tatsächlich (gleichviel bei welchen Kassen) jederzeit effektiv durch Einlösung oder Umwechslung in solches umwandelbare Geld“ heißen: Weber, WuG (FN 8), S. 97, 101 f. 29
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cher Sicht hervorgehen. Die Gesetze vermöchten nichts gegen das tatsächliche Verhalten des Staates, das nach Maßgabe vorherrschender Machtverhältnisse das „definitive Zahlungsmittel“ auswähle, das bei „apozentrischen Zahlungen“, bei denen der Staat als Geber erscheint32 aufgedrängt werde. Die Bereithaltung valutarischen Gelds wird nicht durch die Folgerungen bestimmt, die aus der formell geltenden Rechtsordnung gezogen werden. Sie hänge auch nicht von den Bestimmungen von Verwaltungsbehörden, sondern von der Entscheidung der „Machtfrage“ ab, ob der Staat dazu fähig sei, eine bestimmte Geldart durchzusetzen. Oft müsse der Staat zu derjenigen „Bereithaltung“ greifen, die ihm unter den gegebenen Markt- und Machtverhältnissen noch übrig bleibe. Er könne nicht nach der Rechtsordnung die valutarische Geldart wählen, sondern er bestimme durch diese tatsächliche Wahl einen wichtigen Teil der Rechtsordnung. Sieht man das valutarische Zahlungsmittel eines Landes als seine Währung im engeren Sinne des Wortes an, so darf man demnach diese nicht aus den Gesetzen erkennen wollen, denn die Frage, welche definitive Geldart der Staat aufdringlich bei Zahlungen an Dritte („apozentrische Zahlungen“) verwendet, ist eine Tatfrage. Die „regiminale Auffassung“ Knapps will tatsächlich umgesetztes Gesetzes- und Verwaltungsrecht beachten und die damaligen Probleme des Bimetallismus dadurch lösen, dass er die jeweils in der Praxis festgelegte Geldart als „valutarisch“, die andere als „akzessorisch“ betrachtet.33Ähnlich wird das Verhältnis von Staat und Recht erklärt, das wiederum für das Verständnis von Geld wichtig ist: Der Staat schaffe zuweilen neues Recht, nicht durch Gesetze, sondern durch „tatsächliches Verhalten, und nachträglich ändere er zuweilen die Gesetze so, dass sie seinem tatsächlichen Verhalten“ entsprächen. Dies werde „weder empfohlen noch verteidigt, sondern nur als politische Erfahrung ausgesprochen“. Wer das nicht sehen wolle, der könne „die wichtigsten Vorgänge in der Geldgeschichte nicht begreifen“.34 Die macht- und zugleich transaktionstheoretische Relevanz dieser Theorie zeigt sich ferner daran, dass nebeneinander geltende Geldarten ihre funktionelle Stellung im Leben durchaus vertauschen können. Wenn bares Geld als valutarisches Geld und Papiergeld als akzessorisches Geld nebeneinander bestünden, dann könne ersteres in eine akzessorische, nebensächliche Stellung treten, während letzteres valutarisch werden könne.35 Die Anwendbarkeit des Gresham’schen Gesetzes (das schlechte Geld verdränge das gute) ist gegeben, soweit zwischen den beiden Geldarten ein staatlich vorgeschriebener Kurs besteht, der aber den Marktpreis nicht mehr widerspiegelt. Beide Geldarten sind Waren.36 Es kommt darauf an, welche Geldart jeweils als tauglich tatsächlich anerkannt ist, Forderungen der Zentralstelle zu befriedigen oder deren Schulden zu tilgen. Die Entscheidung darüber, welche akzessorischen Geldarten sich im Zahlungsverkehr halten, hänge vom Verhalten der Individuen ab; sie sei eine „merkantile Erschei32
Knapp, 1905 (FN 6), S. 86. Ebd., S. 95, 97, 99, 100, 105. 34 Ebd., S. 97. 35 Ebd., S. 130; Weber, WuG (FN 8), S.102. 36 Weber, WuG (FN 8), S. 5; Rittershausen (FN 20), S. 89 f.; David Gordon, Eine Einführung in volkswirtschaftliches Denken, Ludwig von Mises Institute 2000, S. 71. 33
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nung“. Die Abhängigkeit von den Marktverhältnissen zeige sich unter den Bedingungen des Nebeneinander-Bestehens von valutarischem und akzessorischem Geld vor allem an der Stauung des akzessorischen Geldes in den Staatskassen. Es entstünden „tote Vorräte“ an Geld in akzessorischer Stellung mit negativem Agio, die es dem Staat erschwerten, die einmal beschlossene Währung aufrechtzuerhalten.37 Ferner erkläre sich der Preis, den die valutarische Geldart eines Landes an der Börse eines anderen Landes erhalte, „pantopolisch“, er sei ein Inbegriff „pantopolischer Verhältnisse“. Der intervalutarische Kurs38 nehme seinen Ursprung nicht in der „Hylodromie“ (Wahl der ,Hyle‘ (Stoff) des Geldes)39 und im Metallhandel, sondern im Verhältnis zum valutarischen Geld anderer Länder. Nach dieser „pantopolischen“ Theorie des intervalutarischen Kurses ließen sich keine festen Beziehungen zwischen verschiedenen Währungen finden, denn diese seien versatile Zahlungseinheiten. Diese Ausführungen Knapps zu den „pantopolischen Verhältnissen“ sind ein weiterer Nachweis dafür, dass seine „staatliche“ Geldtheorie zwar den Fiskus einbezieht, doch den tauschtheoretischen Zugang und die marktabhängigkeit der Verhältnisse nicht aus dem Auge verliert. Denn es sind die „pantopolischen Verhältnisse“, die letztendlich nach ihm das Schicksal der Wechselkurse bestimmen.40 Das Zusammenspiel von Staat und Markt bei der Geldbestimmung und Geldgeltung wird in Anlehnung an Knapp in der Form einer Spannung zwischen dem „Offiziellen“ und dem „Effektiven“ zum Ausdruck gebracht: Die Hylodromie (der Geldstoff) kann nach Weber „offiziell“ bestehen, ohne „effektiv“ zu sein. Sie kann aber auch andererseits „effektiv“ sein, ohne „offiziell“, kraft Rechtssatz, zu gelten.41 Auch müsse „regiminales Kurantgeld“ natürlich „auf die Dauer das gleiche wie effektives, nicht also das etwa davon abweichende ,offizielle‘, nur legal geltende, Kurantgeld sein“42. Weber (und Knapp) sind sich dessen bewusst, dass es für Politik und Wirtschaft von größter Bedeutung ist, welche Liquiditätsgüter und welche Hortungsgüter jeweils von der Bevölkerung bevorzugt werden.43 3. Verbindung des staats- und tauschtheoretischen Zugangs zum Geld a) Staatlicher Nominalismus Der Metallismus, den Knapp als erster systematisch bekämpfte, wurde verabschiedet. Aspekte seines sog. geldtheoretischen Nominalismus sind von der ökonomischen 37
Knapp, 1905 (FN 6), S. 170 ff. Webers Definition in Anlehung an Knapp lautet: „Intervalutarisches Zahlungsmittel soll dasjenige Zahlungsmittel heißen, welches zum Ausgleich des Zahlungssaldos zwischen verschiedenen Geldverbänden jeweils letztlich dient.“ Weber, WuG (FN 8), S. 40. 39 Weber, WuG (FN 8), S. 109. 40 Knapp, 1905 (FN 6), S. 247 f. 41 Weber, WuG (FN 8), S. 101 f. 42 Ebd., S. 101. 43 Vgl. Rittershausen (FN 20), S. 26. 38
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Literatur (und insbes. von Mainard Keynes) rezipiert worden. Doch ist Knapps Theorie kein bloßer staatlicher Nominalismus. Die Metallisten gehen davon aus, dass Metallgeld wegen seines Selbstwertes und seiner besonderen Eigenschaften, nicht jedoch wegen staatlicher und rechtlicher Anerkennung von den Marktteilnehmern akzeptiert werde.44 Für Weber und Knapp ist das Verhältnis von Recht und Geld mit dem Verhältnis von Recht und Sitte vergleichbar. Und das geht übrigens mit der Auffassung R. v. Iherings über das Verhältnis von Sitte und Recht konform.45 Wie Schumpeter bei der Besprechung des Theorie Knapps bemerkte: Geld sei ebenso viel bzw. ebenso wenig das Geschöpf der Rechtsordnung wie die Ehe.46 Gewiss komme es auf die „,Interessen‘ der Einzelnen“, nicht auf die „,Ideen‘ einer Wirtschaftsverwaltung“ an. Aber die Einzelnen agierten in einer Welt, in der es Wirtschaftsverwaltungen gebe.47 Die Münzprägung, die Selbstwertgeld (seinen Wert in sich selbst tragendes Geld) vom Akt des Wägens unabhängig macht, und vom Staat anerkannt wird, gilt als eine auf eine bereits vorhandene Sitte zurückwirkende Ex-Post-Kodifizierung. Selbstwertgeld „enthält einen allgemein freiwillig anerkannten und unbezweifelten Wert in sich“. Doch gehört zu jedem Selbstwertgeld aufgrund seines Warencharakters ein Warenmarkt dazu. Der Warencharakter des Selbstwertgeldes bleibt neben seinem Charakter als Recheneinheit erhalten.48 Für die Metallisten wird die Rolle des Staates darauf beschränkt, Verträge durchzusetzen und diejenigen Dienstleistungen bzw. Produkte zur Verfügung zu stellen, die profitorientierte Privatunternehmungen nicht erbringen bzw. herstellen können. Der Staat ist dafür da, öffentliche Güter in den Markt einzuspeisen, die der Markt nicht herstellen kann: das Geld wird von den Marktteilnehmern selektiert, der Staat liefert lediglich die Münzprägung, den Stempel. Weber übernimmt zwar die „chartale Sicht“, er kann sie aber zugleich mit der Tausch- und Zahlungsmittel-, Rechen- und Hortungsfunktion49 44
Bei „Selbstwertwährungen“ (Goldwährung und Metallwährungen bestimmter Form) fällt Sicherheit und Liquidität zusammen, während bei der Papierwährung (Festkurswährung) fallen beide im Laufe der Zeit oder sofort auseinander: Rittershausen (FN 20), S. 26. 45 „Ueber Brauch und Sitte sind die betreffenden Abschnitte aus Jherings ,Zweck im Recht‘ (Band II) noch heute lesenswert.“ Weber, WuG (FN 8), S. 15. 46 (Knapps) „… theory was simply a theory of the ,nature‘ of money considered as the legally valid means of payment. Taken in this sense it was as true and as false as it is to say, for example, that the institution of marriage is a creature of law.“ Joseph A. Schumpeter, History of Economic Analysis, Taylor & Francis e-Library, 2006, S. 1056. 47 Weber, WuG (FN 8), S. 209. 48 Rittershausen (FN 20), S. 38, 55 f. 49 Zu den Geldfunktionen siehe Europäische Zentralbank, Preisstabilität: Warum ist sie für Dich Wichtig?, Frankfurt a. M. 2011, S. 16 ff. www.ecb.europa.eu. Ferner siehe mit Bezug auf Knapp: Rittershausen (FN 20), S. 38, 53: Die Währung ist Wertmesser und Preisausdrucksmittel: sie ermöglicht bei der Preisbildung einen Wertvergleich. Die Preisbildung des „Selbstwertgeldes“ geschehe auf dem Warenmarkte, da dieses Geld zunächst eine Ware sei und als solche am Warenmarkte gehandelt werde. Das „sach- und stoffwertlose“ Geld erhalte mangels jeden Warencharakters seinen Wert auf andere Weise: durch die „Annahme“. Ohne jedoch „die Hortungsfunktion“ könne die Preisbildung der vollendeten Kreditwirtschaft, „nämlich die freie Wahl des Wirtschafters zwischen Kaufen und Nichtkaufen nicht zustande kommen“. Auch liege die „Werterhaltungsfunktion des Geldes“ nicht vor. Die vollkommene
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des Geldes verbinden. Die Hortungsfunktion in ihrer doppelten Gestalt, „der Verwirklichung der Liquidität und der Verwirklichung der Sicherheit des Wirtschafters“ geht in soziologischer und psychologischer Perspektive über die Wirtschaft hinaus.50 b) „Katallaktische“ und „akatallaktische“ Geldtheorie Im Grunde beschreibt Knapp den historischen Übergang vom Metallgeld zum Papiergeld.51 Der staatlich verordnete „allgemeine Annahmezwang zum Nennwert“ bewirkt im Geldwesen dieselbe Folge wie der staatliche Rechtszwang für das Recht:52 eine erfolgreiche „Oktroyierung“, also Institutionalisierung, die Anspruch auf gesamtgesellschaftliche Relevanz erhebt. Beide Oktroyierungen sind allerdings bewährungsbedürftig in der Praxis. Andernfalls bleibt das Recht ohne Wirkung und das staatlich geschaffene „Fest- und Zwangskursgeld“53 nur ein Fiat-Geld54, ein fiktiver Wert, der durch Inflation die Gläubiger lautlos zugunsten der Schuldner enteignet. Das Festkursgeld kann als Mittel der Überwälzung von Staatshaushaltsdefizit auf die Bürger wirtschaftspolitisch verwendet werden. Beim „Marktkursgeld“ hingegen beruht der Wert des Geldes weder auf staatlichem Befehl (Festkursgeld) noch auf dem verwendeten Edelmetall (Selbstwertgeld), sondern auf der Nachfrage nach diesem Geld, das als verbriefte Forderung in Verkehr gegeben wird.55 Weber spricht die Probleme an, die Knapp ausgelassen und Leopold von Mises kritisch hervorgehoben hat: die monetäre Expansion, die Geldmenge und die Kaufkraft von Geld. Die universelle Annahmefähigkeit von Geld kann politisch instrumenWährung enthalte also „alle drei Geldfunktionen, die Währung nur zwei, das Zahlungsmittel nur eine.“ 50 Rittershausen (FN 20), S. 21. In welchem Grade das Geld im Denken der Menschen „längst den Rang eines ,funktionalen Äquivalents Gottes‘ gewonnen haben kann, hängt davon ab, inwiefern man ,vom Geld‘ die Ausübung der Funktion des universalen Sicherungsmittels“ erwartet wird. So unter Hinweis auf religiöse Quellen Lothar Bornscheuer, Zur Geltung des ,Mythos Geld‘ im religiösen, ökonomischen und poetischen Diskurs (25.01. 2006), S. 1 – 47, 15. In: Goethezeitportal. URL: http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/bornscheuer_ geld.pdf (abgerufen am 1.4. 2013). 51 Vgl. in Anlehnung an Knapp Ritterhausen (FN 20), S. 60: Ein dem Stoffe nach wertloses, mit einer Urkunde bedrucktes Papier kann dadurch zu Wert gebracht werden, dass es in Selbstwertgeld eingelöst werde, dass bei Besitzwechsel eine Zinszahlung versprochen werde, dass ein Unternehmen mit sehr großem Kassenverkehr veranlasst werde, die an sich wertlose Urkunde zum vollen Nennwert anzunehmen, dass die gesamte Bevölkerung veranlasst werde, aus Selbstinteresse oder durch staatlichen Zwang veranlasst werde, die Urkunde zu nehmen. 52 Zur Nicht-Identifikation von Recht und Staat siehe Rainer Schröder, Rechtsfrage und Tatfrage in der normativistischen Institutionentheorie Ota Weinbergers, Berlin, 2000. 53 Hierzu Rittershausen (FN 20), S. 61. 54 Hans-Hermann Hoppe, How is Fiat Money Possible? – or, the Devolution of Money and Credit, in: The Review of Austrian Economics 7 (1994), S. 49 – 74. 55 Der Staat setzt sich somit in den Stand, sein Haushaltsdefizit zu Festkursnoten umzumünzen, „mit denen er in bar an diejenigen zahlt, die seine künstlich getroffenen Aktiven annehmen müssen“. Rittershausen (FN 20), S. l 62, 66, 78.
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talisiert werden. Geld kann auch dem Markt dienen, ohne zugleich die Interessen politischer Instanzen zu befriedigen. Umgekehrt ist aber nicht möglich, dass Geld den Interessen der Politik dient, ohne dass es vorher von der kooperativen sozialen Ordnung als Zahlungsmittel angenommen worden ist. Geld ist sowohl vom Staat als auch vom Verkehr abhängig. Unbestritten ist zudem nach Weber, dass der Staat durch Anerkennung von Geldansprüchen für und gegen sich sowie für und gegen Dritte die Umlauffähigkeit und damit das Vertrauen in die Tauschmitteleigenschaft des Geldes bestärkt. Jedenfalls hängt die Aussagefähigkeit einer „staatlichen“ Theorie des Geldes von der Definition des Begriffs „Staat“ ab. Dieser kann nämlich mit der rechtlichen Statuierung von Annahmezwang oder mit einer „Zahlgemeinschaft“ (Knapp) gleichgesetzt werden. von Mises, der Gegner Knapps im historischen Streit war, sieht den Übergang vom materiellen Warengeld zum ungedeckten Kreditgeld als evolutionäres Nebenprodukt, nicht als intendierte Folge von Vereinbarungen oder Staatshandlungen an.56 Knapp geht es allerdings darum, nicht einen Vorgang („die Lage des Staates, der in die Papierwirtschaft versunken ist“) zu legitimieren, sondern ihn „genau festzustellen“.57 Aus diesem Grunde finden sich bei ihm Ausführungen, die der Sache nach Mengers Geldtheorie und Mises’ „Regresslehre“ zum Ausdruck bringen bzw. mit ihnen kompatibel sind.58 Denn auch für Knapp ist Geld eine vorstaatliche Erscheinung, die allerdings mit der Entstehung von privaten und staatlichen „Verrechnungsorganisationen“ als Verrechnungsgeld institutionalisierbar wird. Nach Carl Menger war es historisch die „marktgängigste Ware“, die zu Geldware wurde und somit dem freien Spiel der Marktkräfte als spontane Ordnung entstanden sei.59 Mises bestätigte und ergänzte die These Mengers durch seine „Geldregressionslehre“. Er fügte die Erklärung des Geldwerts in die allgemeine Nutzentheorie ein und erklärte den Geldwert durch dieselbe Theorie, die den Wert anderer Güter erklärt: Geld habe einen Tauschwert, der erheblich höher als sein Selbstwert (intrinsischer Wert) sei, deshalb, weil es auf ein Sachgut rückführbar sei, dessen Tauschwert mit seinem Selbstwert identisch war. Der Regress führe uns auf den Tag zurück, an dem der Wert des Sachgutes, bevor es zu Geld wurde, nicht durch Kaufkrafteinschätzungen bestimmt wurde.60 In dem Übergang von der nicht-monetären in die monetäre Nutzung eines Sachgutes nehme die Kaufkraft des Geldes ihren Ursprung. Mises kri56 Knapp, 1905 (FN 6), S. 101; Fiona Maclachlan, Max Weber and the State Theory of Money, 2003, paper presented at the 44th annual meeting of the International Studies Association, Portland, Oregon, 1. March 2003. Abrufbar unter http://home.manhattan.edu/%7Efi ona.maclachlan//maclachlan26july03.htm abgerufen am 1.4. 2013, S. 13. Im Folgenden zitiert: Maclachlan. 57 Knapp, 1905 (FN 6), S. 131. 58 Maclachlan (FN 56), S. 8 f. 59 Carl Menger, Geld, in: J. Conrad (Hrsg.), Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Band, 3. Aufl., Jena 1909, S. 555 – 610. 60 Thorsten Polleit, Freies Marktgeld ist notwendigerweise Sachgeld, München, 3. Februar 2011, Frankfurt School of Finance & Management, Frankfurt a. M. 2011, S. 4.
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tisierte ferner die damals herrschende Quantitätstheorie, der zufolge eine Geldmengenerhöhung zu einem gleichhohen Preisanstieg führe. Er integrierte die Tauschwertbestimmung des Geldes in die allgemeine Grenznutzenlehre, so dass die Kaufkraft des Geldes bei steigender Geldmenge abnehme. Allerdings ist der Staat weder für Menger noch für Mises lediglich entweder gefährlich oder nutzlos. Menger meinte, dass Tauschmittel auch vom Staat instituiert werden könnten.61 Und für Mises muss der Staat stark genug sein, damit er die ihm zwar reduzierten aber klar umgrenzten Staatsaufgaben adäquat erfüllen kann.62 Alle geldtheoretischen Probleme lassen sich nicht als verwaltungsrechtliche Fragen beschreiben. Eine Geldtheorie muss gleichzeitig eine Theorie der Tauschverhältnisse (theory of exchange bzw. catallactic theory) im Sinne Mises sein. Weber ergänzt die „akatallaktische Theorie“ Knapps, um eine Theorie der Tauschverhältnisse („katallaktische Theorie“). Der Wert des Geldes ist nicht mit dem Wert des Geldstoffs identisch. Der Geldwert hängt von den Einschätzungen auf dem Markt ab. Der Staat bestimmt die Geltung von nominalen Geldeinheiten, doch nicht die Geltung dieser Einheiten im Handel. Eine Geldtheorie die über die Geldkaufkraft keine Aussage macht, ist auch nicht imstande eine Aussage über die Geldpolitik einer „lytrischen“ Verwaltung zu machen. Weber thematisiert das Problem des Außenhandels, das für die „Währungspolitik“ so wichtig ist und von Knapp nicht angesprochen wird. Knapps Geldttheorie spricht das Thema der Geldmenge ebenso wenig wie das Thema der Verbindung zwischen Geld und Preise an. Knapps „pantopolische Herkunft der exchange rates“ ist mindestens „katallaktisch“, also marktabhangig.63 Festgestellt sei vorerst nur, „dass ,Geld‘ niemals nur eine harmlose ,Anweisung‘ oder eine bloß nominale ,Rechnungseinheit‘ sein werde und könne“, solange es eben Geld sei. Seine Wertschätzung sei stets auch eine „Seltenheits-(oder bei ,Inflation‘: Häufigkeits-)Wertschätzung“.64 II. Widerstreit der formalen und materialen Rationalität bei der Kopplung von Recht und Geld Die oft von Weber beschriebene Spannung zwischen formaler und materialer Rationalität ist für das Verhältnis von Recht und Geld maßgeblich: Denn „(f)ormale und materiale (gleichviel an welchem Wertmaßstab orientierte) Rationalität fallen unter allen Umständen prinzipiell auseinander, mögen sie auch in noch so zahlreichen (der 61 Yukihiro Ikeda, Carl Menger’s Monetary Theory: A Revisionist View, in: European Journal of the History of Economic Thought, in: Taylor and Francis Journals 15 (2008), S. 455 – 473. 62 Stefan Kolev, Neoliberale Leitideen zum Staat, Diss., Uni Hamburg, Hamburg 2011, S. 23, 160. 63 Die mir im ganzen annehmbarste „materiale Geldtheorie“ ist die von Mises. Die „Staatliche Theorie“ G. F. Knapps – das großartigste Werk des Fachs – löst ihre „formale Aufgabe“ in ihrer Art glänzend. Für „materiale Geldprobleme“ ist sie unvollständig.“ Weber, WuG (FN 8), S. 40. 64 Ebd., S. 41.
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theoretischen, unter allerdings völlig irrealen Voraussetzungen zu konstruierenden, Möglichkeit nach selbst: in allen) Einzelfällen empirisch zusammentreffen.“65 1. Formale Rationalität des Wirtschaftens und Nicht-marktorientierte-Interessen Der Widerstreit der „formalen und der materialen Rationalität“ stellt sich im Rahmen der Geldwesenspolitik wie folgt dar: „Der Staat kann durch seine Gesetzgebung und der Verwaltungsstab desselben durch sein tatsächliches (regiminales) Verhalten formal in der Tat die geltende ,Währung‘ des von ihm beherrschten Geldgebiets ebenfalls beherrschen.“66 Allerdings zahlten die staatlichen Kassen „nicht etwa nach ganz freien, an irgendeiner ihnen ideal scheinenden Geldordnung orientierten, Entschlüssen“, sondern sie verhielten sich so, „wie es ihnen 1. eigene finanzielle, 2. die Interessen mächtiger Erwerbsklassen“ oktroyierten.67 Weber zufolge bedeute eine „formale verkehrswirtschaftliche Rationalität der ,lytrischen Politik‘ und damit: des Geldwesens“ die „Ausschaltung“ von solchen Interessen, die entweder „nicht marktorientiert sind“ oder „an jener bestimmten Art der Schaffung von ,Kaufkraft‘ … durch das Mittel der Inflation“ orientiert sind.68 Geld vermag dann aber keine Sicherheitsfunktion, sondern nur eine Zahlungsfunktion zu erfüllen. Keine Währung kann allerdings überleben, wenn sie die Wertaufbewahrungsbedürfnisse der Bevölkerung nicht erfüllen kann.69 Da man nur das „Verwaltungsgeld“ nicht aber das „Verkehrsgeld“ „beherrschen“ könne, sei ersteres, „vor allem aber: das billig in beliebigen Mengen und Arten zu schaffende Papiergeld, das spezifische Mittel, überhaupt Geld unter – gleichviel welchen – material rationalen Gesichtspunkten zu schaffen“.70 Dies entspricht den Überlegungen hinsichtlich der Rationalität des Rechts: Denn materiale Rationalität bedeute ja gerade: „daß Normen anderer qualitativer Dignität als logische Generalisierungen von abstrakten Sinndeutungen auf die Entscheidung von Rechtsproblemen Einfluß haben sollen: ethische Imperative oder utilitarische oder andere Zweckmäßigkeitsregeln oder politische Maximen, welche sowohl den Formalismus des äußeren Merkmals wie denjenigen der logischen Abstraktion durchbrechen“.71 Mit der begrifflichen Unterscheidung von „Verkehrsgeld“, „Verwaltungsgeld“ und „reguliertem Geld“ trägt Weber dem Spannungsverhältnis zwischen den Zahlungsbedürfnissen des Marktes und des Staates Rechnung. Wenn die Geldausgabe an den Zahlungsbedürfnissen von Tauschinteressenten orientiert ist, spricht er von 65
Ebd., S. 59. Ebd., S. 98. 67 Ebd., S. 101. 68 Ebd., S. 108. 69 Vgl. Rittershausen (FN 20), S. 24, 28. 70 Weber, WuG (FN 8), S.108 f. 71 Ebd., S. 397.
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„freiem“ oder „Verkehrsgeld“. Orientiert sich hingegen die Verwandlung monetären Stoffs in „chartaler Form“ „material“ primär an den „Zahlungsbedürfnissen der Verwaltungsleitung eines Verbandes“, so spricht Weber von „gesperrtem“ oder „Verwaltungsgeld“. Im Falle der wirksamen Regelung der Art und des Ausmaßes der Geldbeschaffung durch berechenbare Normen ist schließlich von „reguliertem Geld“ die Rede.72 Weber beschreibt, wie der „Grenznutzen des Geldes“ primär „für die Geldemissionsstelle“ sinke, wenn sie „Verwaltungsgeld“ schaffe und „als Tauschmittel“ verwende oder „als Zahlungsmittel“ aufdränge. Sekundär sinke er auch für die „Tauschpartner des Staats“, in deren Händen „eine Vermehrung des Geldbestandes“ infolge der „gesunkenen Grenznutzenschätzung der Staatsverwaltung“ und der „bewilligten höheren Preise“ eintrete. Der bei den „Geldbesitzern sinkende Grenznutzen des Geldes“ könne alsdann wiederum einen kräftigen Preisanstieg zur Folge haben usw. Umgekehrt müsse der Staat bei Senkung seiner Geldvorräte seine Ausgaben einschränken, „seine Preisangebote also entsprechend herabsetzen“. „Verkehrswirtschaftlich“ könne also „(nicht nur, aber:) vor allem Verwaltungsgeld in einem einzelnen Geldgebiet preisumgestaltend wirken“.73 2. Formale und materiale Geltung von Recht und Geld Dass die Rechtsordnung und Verwaltung des Staats „die formale legale und auch die formale regiminale“ (verwaltungsmäßige) „Geltung einer Geldart als ,Währung‘ im Gebiet ihrer Zwangsgewalt“ „bewerkstelligen“ könne, findet Weber an der Auffassung Knapps richtig. Damit sei aber „über dessen materiale Geltung, d. h. darüber: in welcher Tauschrelation es zu anderen, naturalen Gütern genommen“ werde, noch nichts gesagt, „also auch nicht darüber: ob und wieweit die Geldverwaltung darauf Einfluss“ gewinnen könne.74 Die Konsequenz, die Weber hieraus zieht, ist, dass die legale Geldverfassung der staatlichen Monopolisierung von Geldordnung und Gelderzeugung, die historisch auf rein fiskalische Gründe zurückgehe, trotz der verfügbaren Möglichkeiten des „Aufdrängens“ von Geld, „formalen Störungen“ ausgesetzt ist, die „nur schwer oder gar nicht“ vom Staat unterdrückt werden können.75 Das Spannungsverhältnis zwischen Geld als Ware, Tauschmittel oder Symbol von Kreditwürdigkeit und Geld als Instrument von (Rechts-)Politik thematisiert Weber im § 32 seiner „soziologischen Kategorien des Wirtschaftens“ unter dem Titel „die Geldverfassung des modernen Staates und die verschiedenen Geldarten“, wo er auch präzisiert, an welchem Punkte „die Unvollständigkeit der im Übrigen völlig ,richtige‘ und schlechthin glänzenden, für immer grundlegenden ,Staatlichen Theorie des Geldes‘ von G. F.
72
Ebd., S. 39. Ebd., S.99. 74 Ebd., S. 105. 75 Ebd., S. 41, 97 f. 73
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Knapp“ beginne. Es sei „nach der Seite der materialen Geldgeltung unvollständig“.76 Knapp habe „die Möglichkeit einer planvollen, rationalen… Preispolitik durch Inflation ganz außer Betracht“ gelassen. Aber sie sei „historische Realität“.77 Die Politik von Geldverwaltungen sei zwar „nicht notwendig rein an persönlichen Interessen des Herrn oder Verwaltungsstabs“ bzw. an der „möglichst kostenlosen Schaffung von so viel Zahlungsmitteln wie möglich, einerlei was aus der ,Gattung‘ als Tauschmittel werde“ orientiert. Aber die „Chance, dass diese Orientierung eintrete“, sei „chronisch vorhanden“.78 Die „,amphitropische‘ Stellung ,aller‘ (!) Einzelnen aber, die bedeute: – jeder sei ja sowohl Gläubiger wie Schuldner –, die Knapp allen Ernstes zum Nachweis der absoluten Indifferenz jeder ,Entwertung‘“ vorführe, sei, „wir alle erleben es jetzt: Phantom“.79 Obwohl Weber angesichts des Phänomens der Inflation feststellt, dass die „material planwirtschaftliche rationale Leitung“ der Politik des Geldwesens gerade besonders leicht „irrationalen Interessen“ diene,80 begnügt sich Knapp „mit dem Rat: der Staat solle ,vorsichtig‘ bei der Emission autogenen Papiergelds sein“.81 Dieser Optimismus reicht zur Disziplinierung der politischen Zahlungsmittelverwaltung sicherlich nicht aus. Denn der Staat, der „von gestiegenen (Nominal-)Einkommen entsprechend gestiegene (Nominal-)Steuern erhöbe“, würde nach Weber, „wenigstens eine recht starke Rückwirkung davon spüren“: „Wäre das nicht verlockend?“ „Verlockend“ sei es auch, eine „alte Außenschuld den Ausländern in einem Zahlungsmittel“ zahlen zu können, „das man beliebig höchst billig“ herstelle. Bei einer „reinen Außenanleihe“ stünden dann Bedenken praktisch nur „wegen Gefährdung künftiger Kredite im Wege“.82 Wie Weber bemerkt, sei „,gegen den Tod‘ (einer Währung) ,kein Kraut gewachsen‘“. Denn es habe stets unstreitig gegeben „sowohl 1. eigene Interessen der Leiter der politischen Verwaltung – die auch Knapp als Inhaber oder Auftraggeber der ,lytrischen‘ Verwaltung voraussetzt –, wie 2. auch private Interessen, welche beide keineswegs primär an der Erhaltung des ,festen Kurses‘ interessiert“ seien. Auch sie könnten – „im eigenen Schoß der politisch-lytrischen Verwaltung oder durch einen starken Druck von Interessenten auf sie – wirksam auf den Plan treten und ,Inflationen‘ vornehmen“, was übrigens auch Knapp für unzulässig hielte.83 76
„Die Definition des Geldes als gesetzliches Zahlungsmittel und Geschöpf der ,lytrischen‘ (Zahlungsmittel-)Verwaltung sei soziologisch nicht erschöpfend. Sie gehe von ,der Tatsache aus, dass es Schulden gibt‘ (G. F. Knapp), insbesondere Steuerschulden an die Staaten und Zinsschulden der Staaten. Für deren legale Ableistung ist das gleichbleibende Geldnominale (mag auch der Geldstoff inzwischen geändert sein) oder, bei Wechsel des Nominale, die ,historische Definition‘ maßgebend.“ Weber, WuG (FN 8), S. 98, 109. 77 Ebd., S. 111 f. 78 Ebd., S. 113. 79 Ebd. 80 Ebd., S. 108. 81 Ebd., S. 112. 82 Ebd., S. 110. 83 Ebd., S. 110.
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Derartige Zusammenhänge lassen sich durch eine rein mathematische Theorie nicht erfassen. Und dies betrifft nicht nur Papiergeld. Gerade die Betrachtung der Goldwährung und des Goldmarktes ergebe, „daß eine rein quantifizierende mathematische Theorie nur wenige, zusammenhanglose und noch nicht einmal wesentliche Charakterzüge des Geldes zu erforschen vermag“.84 Es hat sich herausgestellt, dass etwa das Gleichgewicht im Außenhandel und im Staatshaushalt für die Wahl der Währung jeweils maßgeblich gewesen ist. Webers „katallaktische“ Ergänzung der Theorie Knapps geht dahin, dass es „nicht nur (schon bestehende) Schulden“, sondern auch „aktuell Tausch und Neukontrahierung von Schulden für die Zukunft“ gebe. Dabei aber erfolge die Orientierung „primär an der Stellung des Geldes als Tauschmittel“, also „an der Chance, dass es von unbestimmt vielen Anderen gegen bestimmte oder unbestimmt gedachte Güter künftig in einer (ungefähr geschätzten) Preisrelation in Abtausch werde genommen werden“.85 Die Annahme eines Tauschmittels ist „an der Chance für den Annehmenden orientiert“, dass in der Zukunft „die Chance bestehen werde“, es gegen alle anderen oder gegen bestimmte Güter in einem „Austauschverhältnis in Tausch zu geben“.86 Das sei die „materiale Geltung“ des Tauschmittels; sie betreffe die „Chance der Annahme in einem abschätzbaren Tauschverhältnis“ zu anderen Gütern; seine „formale Geltung“ betreffe hingegen „die Verwendung an sich“.87 Ebenfalls stelle die Geltung der „Hingabe“ eines „Zahlungsmittels“ als Erfüllung von Leistungspflichten, die „konventional oder rechtlich garantiert“ ist, die „formale Geltung“ eines „Zahlungsmittels“ dar, die zugleich „formale Geltung als Tauschmittel“ bedeuten könne. Tauschmittel oder Zahlungsmittel können sogar „chartal“ sein. Sie könnten nämlich als Artefakte betrachtet werden, die „kraft der ihnen gegebenen Form ein konventionelles, rechtliches, paktiertes oder oktroyiertes Ausmaß formaler Geltung innerhalb eines personalen oder regionalen Bereichs“ hätten. Geld solle somit „ein chartales Zahlungsmittel heißen, welches Tauschmittel“ sei.88 Weber hebt hervor: Selbst wenn der Staat das Geld, dass er durch Steuern oder andere Maßregeln erwerbe „nicht nur als Tauschmittel, sondern oft sehr stark auch zur Schuldzinsen-Zahlung“ begehre, „seine Gläubiger“ wollten es „dann 84 So Rittershausen (FN 20), S. 59. Knapp selbst betonte, seiner Theorie habe es fern gelegen, eine Papiergeldwirtschaft zu empfehlen: Knapp, Art. Geldtheorie, staatliche, in: HdSW, 4. Aufl., Bd. 4, Jena 1927, S. 754, zitiert nach Gerald D. Feldman u. a. (Hrsg.), Die Anpassung an die Inflation, Berlin 1986, S. 15. Vgl. ferner die spieltheoretische Relevanz von Zahlgemeinschaften: „Es handelt sich beim Geldwesen um Spiel und Kampf einzelner Wirtschafter und ganzer Zahlgemeinschaften gegen andere, bei denen alle Methoden der Fairness und des Mogelns, des Handels, des Kredits, aber auch des Betrugs und der Täuschung angewendet werden. Deren wissenschaftliche Erkenntnis ist unmöglich, wenn diese Vorgänge als physikalische Ströme einer einheitlichen, mengenmäßigen Geldquantität allein begriffen werden sollen.“ Rittershausen (FN 20), S. 59. 85 Weber, WuG (FN 8), S. 99. 86 Ebd., S. 38 f. 87 Ebd., S. 39. 88 Ebd.
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eben doch als Tauschmittel verwenden“ und begehrten es „deshalb“. Die „Zahlungsmittelqualität“ könne doch nicht das „Definitivum“ sein. Es komme zusätzlich auf „künftig auf dem Markt (verkehrswirtschaftlich) zu deckende“ staatliche oder private „Nutzleistungsbedürfnisse“ und insbesondere auf die „Tauschchance eines Geldes zu bestimmten anderen Gütern“ an. Diese Chance beruhe auf seiner „Schätzung im Verhältnis zu Marktgütern“ und stelle die „materiale Geltung“ von Geld dar. Sie sei von „der formalen, legalen“ Geltung von Geld „als Zahlungsmittel“ und von dem „oft bestehenden legalen Zwang zur formalen Verwendung eines Geldes als Tauschmittel“ abzuschichten.89 In einer „(formal legalen) Wirtschaftsordnung“ richte sich „Geldbedarf“ vor allem danach, welcher „Kreditbedarf von Markt-Interessenten“ bestehe, und zwar „in Verbindung mit der Beachtung der eigenen Solvenz und der zu diesem Zweck oktroyierten Normen“. Geldbedarf in diesem Sinne bestimme „die Umlaufsmittel-Politik der modernen Notenbanken“. Gegen „,materiale‘ Anforderungen“ verhalte sich dieser Begriff „ganz indifferent“.90 Demgegenüber problematisiert Weber die Disziplinierung des „freien Entschlusses“ einer „politischen Verbandsleitung“, die bei einem „,beliebig‘ vermehrbaren“ Geldstoff (Papier) eine zügellose Geldschaffung vornehmen könne, wobei die „Finanz-Interessen“ des jeweiligen politischen Machhabers bzw. die „ganz persönlische(n) Interessen“ des „Verwaltungsstabes selbst“ die von jeglichen geldstofflichen Hemmungen gelösten „Regulatoren der Geldquantität“ wären.91 Weber sah die Funktion der Metallwährungen in den Geldwirtschaften seiner Zeit „in einer gewissen Hemmung dieser Interessen“.92 Diese Chance der Orientierung an diesen Interessen sei das „formal ,Irrationale‘ der nicht ,hylodromischen‘ Währungen“ („vom Standpunkt der formalen Ordnung der Verkehrswirtschaft aus gesehen“).93 Wie Metallisten hebt Weber die Eigenschaft von Geld als Tauschmittel hervor. Geld ist in diesem Fall ein Geschöpf des Marktes, das die Transaktionskosten im Handel von Tauschgütern erfolgreich überwindet und sich somit als allgemein annahmefähiges Tauschgut durchsetzt. Schon die Gelddefinition macht dies deutlich: „,Geld‘ z. B. bedeutet ein Tauschgut, welches der Handelnde beim Tausch deshalb annimmt, weil er sein Handeln an der Erwartung orientiert, dass sehr zahlreiche, aber unbekannte und unbestimmt viele Andere es ihrerseits künftig in Tausch zu nehmen bereit sein wer89
Ebd., S. 98 f. Ebd., S. 112 f. 91 Vgl. hierzu Rittershausen (FN 20), S. 82: Auch ein scheinbar omnipotenter Staat sei denjenigen gegenüber schwach und ängstlich, die ihn trügen. Er werde sie daher steuerlich nicht gern anfassen wollen. 92 Weber, WuG (FN 8), S. 113. 93 Ebd. Vgl. hierzu Paul Krugman, Deficits and the Printing Press (Somewhat Wonkish), in: New York Times, March 25, 2011: „(O)nce we’re no longer in a liquidity trap, running large deficits without access to bond markets is a recipe for very high inflation, perhaps even hyperinflation. And no amount of talk about actual financial flows, about who buys what from whom, can make that point disappear: if you’re going to finance deficits by creating monetary base, someone has to be persuaded to hold the additional base.“ 90
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den.“94 Er fügt aber mit Knapp hinzu, dass Geld zugleich eine buchhalterische, eine Recheneinheit ist, die auch ohne Golddeckung eine feste Kaufkraft haben kann. Geld besitzt allerdings Kaufkraft, solange die Märkte (und nicht lediglich diverse staatliche Instanzen) davon ausgehen und immer wieder feststellen können, dass es Kaufkraft besitzt und ein taugliches Tauschmittel ist. 3. „Neo-Chartalismus“ und die Rolle des Staates Dem Staat ein gewisses Maß an Verantwortung für den monetären Sektor zuzugestehen,95 erscheint es auch aus der Sicht liberaler Ökonomen immer noch notwendig. Die älteste Lösung zum Problem des staatlich kontrollierten „chartalen Gelds“, das „nicht marktorientierten Interessen“ zum Opfer fällt, ist eine Rückkehr zum Goldstandard.96 Diese Idee springt aus der Asche der chartalen Geldverfassung immer wieder neu. Die heutzutage dominante Lösung zum Problem der politischen Instrumentalisierung der formalen Rechts- und Geldgeltung ist die Selbstbindung und Glaubwürdigkeit von Zentralbanken.97 Wenn allerdings der Staat vom Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft ausgeht und den öffentlichen Sektor als einen Arbeitgeber „of last resort“ ansieht, ist die Gründung autonomer Instanzen (Zentralbank, Kartellund Regulierungsbehörden) alles andere als selbstverständlich. Geldentwertungen stellen demgegenüber nach Weber „Umgestaltungen der (materialen) Geltung des Geldes“ dar. Selbst wenn dies zur Folge habe, dass Unternehmungen inflationsbedingt „intervalutarische Gewinne“ machen und Arbeitnehmer sich „nominale Mehrlöhne“ sichern könnten, bedeuteten doch „derartige starke Umgestaltungen“ eine „chronische Tendenz zur sozialen Revolution“.98 Max Weber hat in der Geldtheorie Knapps keine volkswirtschaftliche theoretische Untermauerung der Praxis der Erzeugung ungedeckten Gelds und der Staatsverschuldung gesehen, wodurch der Staat „heute“ mit der noch zu erbringenden Leistung zukünftiger Generationen bezahlt und eine dem Wettbewerb nicht ausgesetzte „lytrische“ Bürokratie von Marktsignalen wie Preise, Zinsen, Löhne, Mieten usw. absieht und Wohlstandsverluste herbeiführt.99 Auch konnte Weber durchaus Hinwei94
Weber, WuG (FN 8), S. 11. Maria Paprotzki, Die geldpolitischen Konzeptionen der Bank von England und der Deutschen Bundesbank. Eine Analyse über den Einfluss des monetaristischen Paradigmas, Frankfurt a. M. 1991, S. 42 f. 96 Auch aus dem Grunde, dass bei den „Selbstwertwährungen“ das Haushaltsdefizit auf die Währung nicht einwirke. „Der Staat verfüge hier grundsätzlich über kein Mittel zum Eingriff in das Privateigentum, außer auf dem Steuerwege.“ Rittershausen (FN 20), Geldtheorie IV 1944, S. 3. 97 Niels P. Petersson/Katrin Ullrich, Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank im historischen und ökonomischen Kontext, Universität Konstanz/ZEW Mannheim, Juni 2004. 98 Weber, WuG (FN 8), S. 113. 99 „Das Buch ist formell und inhaltlich eines der größten Meisterstücke deutscher schriftstellerischer Kunst und wissenschaftlicher Denkschärfe. Die Augen fast aller Fachkritiker aber 95
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se auf die zirkulierende Geldmenge und die Inflationsrisiken einer staatlichen Geldschöpfung in Knapps Schrift finden. Die Schrift kann somit nicht herangezogen werden, um inflationsträchtiges Handeln des Staates, insbesondere die Erzeugung von Geld in großem Umfang aus dem nichts zu rechtfertigen. Weber interpretiert Knapps Theorie als eine nicht-etatistische Geldtheorie, die aber die Kaufkraft des Geldes nicht erklärt. Die aktuelle ökonomische Schule der „Modern Monetary Theory“ (MMT),100 die auch unter dem Stichwort „Neo-Chartalismus“ bekannt geworden ist, hat eine staatlich orientierte Geldtheorie unter Zugrundelegung von Knapps Theorie propagiert. Die Hauptthese geht dahin, dass Geldakzeptanz in der modernen Gesellschaft auf die Anwendung staatlicher Vorschriften, also auf ein legislatives „fiat“ zurückgehe („fiat-money“). Die staatliche Steuerhoheit sei hier deshalb von gravierender Bedeutung, weil die Währung, mit der Steuerschulden getilgt würden, zum allgemeinen und legitimen Währungsstandard werde. Da übrigens der Staat das Geldschöpfungsmonopol habe, sei er nicht durch die Pflicht und Notwendigkeit beschränkt, Einnahmen zu erzielen und zu sichern, bevor er Geld ausgebe. Für die Chartalisten führt die staatliche Steuerhoheit eine Hierarchisierung vorhandener Geldarten unter dem Gesichtspunkt von deren Annahmefähigkeit herbei.101 Ferner wird in der aktuellen geldtheoretischen Debatte über die Rolle des Staates einerseits dahingehend argumentiert, dass ohne jegliche staatliche Intervention ein Edelmetall (höchstwahrscheinlich Gold) zu Geld würde. Kreditgeld sei eigentlich „Betrug“, der ohne staatliche Proklamation schnell und zu Recht aufgedeckt würde.102 Dem wird entgegengehalten, dass fraktionales Bankenreservesystem durchaus auch ohne staatliche Intervention möglich und mit der Evolution freier waren auf die (relativ wenigen, freilich nicht ganz unwichtigen) beiseitegelassenen Probleme gerichtet.“ 100 Hierzu siehe Modern Monetary Theory: A Debate, In: Political Economy Research Institute, Working Paper Series, Number 279, January 2012. 101 Marc Lavoie, The monetary and fiscal nexus of neo-chartalism: A friendly critical look, Department of Economics, University of Ottawa, October 2011, S. 1 – 31, 3: „Neo-chartalists, or modern chartalists, argue, following Adam Smith, Georg Friedrich Knapp and John Maynard Keynes, that the State determines what can serve as money, and it enforces this decision by its power to tax people and to require payment in the currency of its choice. Thus what we have here is a state theory of money, or more precisely a taxes-drive-money theory.“ Diese Theorie firmiert unter „chartalism because the definition of money is proclaimed by the State, and the ability of banks to produce money is granted by charters.“ Stephanie Bell, The Role of the State and the Hierarchy of Money, in: Cambridge Journal of Economics 2001 (25), S. 149 – 163; Dror Goldberg, The Tax-Foundation Theory of Fiat Money,Bar-Ilan University, Department of Economics, Working Papers, http://www.biu.ac.il/soc/ec/wp/working_papers. html (abgerufen am 1.4. 2013): „The government chooses which objects to accept in tax payments and in turn, affects the value of these objects and their potential to circulate as media of exchange.“ 102 Maclachlan (FN 56), S. 14; „(W)ould fractional reserve banking be permitted in a free market, or would it be proscribed as fraud?“ Murray N. Rothbard, What has Government done to our Money?, Ludwig von Mises Institute, 5th edition, Alabama 2005, S. 42.
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Märkte vereinbar sei.103 Die erste Auffassung stimmt mit Knapp insofern überein, als sie den Ursprung von Verrechnungsgeld in den Finanzierungsbedürfnissen des Staates sieht.104 Vor dem Hintergrund der Finanz- und Verschuldungskrise wird moniert, Geld werde zum großen Teil als Giroguthaben durch die Banken per Kredit geschaffen. Kehrseite des Kreditgeldangebots sei dann der Anstieg der Verschuldung privater Haushalte, der Kreditinstitute untereinander und des Staates. Die Banken schöpften Sichtguthaben im Zuge ihrer Kreditvergabe an das Publikum durch einen einfachen Eintrag in den Büchern. Bis zur Tilgung eines Kredits zirkulierten „die Guthaben im Publikum wie Geld, und zwar durch Verrechnung auf den Girokonten“. Die Sichtguthaben auf Girokonten würden zwar wie gesetzliche Zahlungsmittel behandelt, sie seien aber nur ein „Geldsurrogat“.105 Das Geld-, Kredit- und Bankensystem beruhe auf einem fraktionalen Reservesystem und einer „multiplen Geldschöpfung“. Diese Bezeichnungen gehen darauf zurück, dass eine geringe Zahlungsreserve der Umsätze den Banken genüge, um auf dieser Grundlage ein Vielfaches an Krediten aufzubauen. Der Staat spiele hierbei eine wichtige Rolle, da die Regierungen Kreditinstitute vor dem Konkurs durch Steuergelder retten, was die Staatschulden wiederum steigere und Bankenprofite „privatisiere“. Auch seien Einlagensicherungsfonds der Banken in ihrem Zusammenhang mit den staatlichen Verbürgungen durch Regierungsgarantien zu sehen.106 Im Folgenden ist die geldtheoretische Bedeutung des Staates um einen rechtstheoretischen Zugang zu ergänzen, der die Relevanz von soziokulturellen Strukturen und Institutionen des Rechts aufzeigt. III. Zahlgemeinschaft und multiple Modernität der Rechtssysteme im Eurowährungsgebiet 1. Soziokultureller Strukturwandel und Rationalität des Rechts Die gegenseitige Bedingtheit der formalen und materialen Rationalität von Rechts- und Geldordnung ist vor dem Hintergrund eines mitgliedsstaatlich segmentierten politischen Systems in Europa zu betrachten. Der Rechtstypus des europäischen Regelwerks lässt sich in diesem Kontext danach beurteilen, welche Merkmale die formelle und die materielle Seite des Regelwerks aufweisen und in welchem Ver103 George Selgin/Lawrence H. White, In Defence of Fiduciary Media, in: The Review of Austrian Economics 9 (1996), S. 86 ff., 98 (Zitat) begründen Verrechnungsgeld staatsfrei und markttheoretisch in Anlehnung an Mises: „(T)hanks to the development of fiduciary media and clearing systems among their issuers, a ,tremendous increase in the exchange value of money, which otherwise would have occurred … has been avoided, together with its undesirable consequences.‘ The ,undesirable consequences‘ are the diversion of capital and labor from other branches of production to the production of the monetary metal.“ 104 Maclachlan (FN 56), S. 14. 105 Joseph Huber, Reform der Geldschöpfung – Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld, in: Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 142, September 2004, 13 – 21. 106 Joseph Huber, Finanzkrise und Geldordnung: Reform der Geldschöpfung, WZFG e.V. Berlin-Buch, Vorlesung vom 15.5. 2009, S. 1 – 12, siehe insbes. 1 – 8.
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hältnis diese Seiten zueinanderstehen, d. h. inwieweit dieses Regelwerk durch die formelle Seite beherrscht wird und die Abgrenzung rechtlicher und außerrechtlicher Normen durchhält. Wie jedes Recht hat auch dieses Regelwerk eine formelle und eine materielle Seite. Mit Weber muss man zwischen „materiell und material“ sowie „formell und formal“ und auch zwischen „rechtsimmanenten und rechtstranszendenten“ Verhältnissen unterscheiden.107 Auch das Regelwerk des Eurogebiets steht in außerrechtlichen Kontexten, d. h. es grenzt sich von andersartigen Normen und Kommunikationen ab, die auf die Rechtskommunikation wiederum zurückwirken. Es weist material-rationale Züge auf, wenn bestimmbare und kontrollierbare Tatbestandsmerkmale materiell-rechtlich und prozessual beachtet sind.108 Nun muss dieses Regelwerk in einer Pluralität mitgliedsstaatlicher Rechtsordnungen umgesetzt werden, die ihrerseits unterschiedlichen Kombinationsformen materialer und formaler Rationalität folgen. Während in dem Rechts- und Kulturkreis der Gläubigerländer der Eurozone die Modernisierung des Rechtssystems und seine Anpassung an die Anforderungen globaler Wirtschaftskonkurrenz in relativ hohem Maße verwirklicht sein mag, scheint sie in einer Reihe von Rechtssystemen der Schuldnerländer – und sei es auch nur partiell – nach wie vor in den Formen eines Rechts der präglobalisierten Wirtschaftsära und sogar zum Teil in den Formen eines neo-patrimonialen Rechts befangen zu sein. Die gegenseitige „Irritation“ und „strukturelle Kopplung“ unterschiedlicher Funktionssysteme (Recht, Wirtschaft, Politik) und Funktionslogiken reicht, so sehr sie als erster Zugang richtig ist, zur Analyse der Eurokrise nicht aus. Diese Funktionslogiken implizieren, dass Transaktionen, Verträge oder Gesetze als Systemereignisse je nach funktionaler Systemreferenz miteinander vergleichbar sind. Wer aber eine derartige Vergleichbarkeit annimmt (Ein Gesetz sei überall in Europa ein Gesetz), kommt über eine oberflächliche Beschreibung von Rechtsstaaten nicht hinaus. Auf diese Weise kann die im Euroraum durch die Krise geradezu veranschaulichte „multiple Modernität“ nicht thematisiert werden. Sie beschreibt nämlich das Phänomen, dass verschiedene Formen materialer und formaler Rechtsrationalität in den Mitgliedstaaten unter dem Dach für alle geltender Vorschriften am Werk sind. Der Nutzen des Begriffs „multiple Modernität“ liegt darin, dass er Dichotomien vermeidet, die den Gegensatz oder sogar die Abfolge von Tradition und Moderne überbetonen. Er ist ein Plädoyer für die Analyse von gleichzeitig wirksamen rechtlichen soziokulturellen Strukturen, die in verschiedenem Grade modern, vormodern oder neutral (weder traditional noch modern)
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Vgl. den Weber-Explikationsvorschlag von Wolfgang Schluchter, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus, Tübingen 1979, S. 92, 131, 141, 145, 155 f. 159, 193 f. 108 Formal sei ein Recht insoweit, als „ausschließlich eindeutige generelle Tatbestandsmerkmale materiell-rechtlich und prozessual beachtet werden“. Dieser Formalismus könne „anschaulichen“ oder „logischen“ Charakter haben. Die „materiale Rationalität“ bedeute, dass Rechtsprobleme durch „ethische Imperative oder utilitarische oder andere Zweckmäßigkeitsregeln oder politische Maximen“ entschieden werden, die sowohl den „anschaulichen“ als auch den „logischen“ Formalismus durchbrechen. Weber, WuG (FN 8), S. 396 f., 618, 829, 859.
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sind, sich vermischen und auf die globalisierte Wirtschaft in verschiedener Weise reagieren. 2. Regelsetzung und Regelbefolgung und das Problem der Zeitinkonsistenz Die Entkoppelung von Geld- und Fiskalpolitik in der Europäischen Währungsunion ergab aus neo-chartalistischer Sicht folgendes: Da die „chartale“ Verbindung der Währungssouveränität zur fiskalpolitischen Souveränität im Euroraum durchtrennt sei, seien die Mitgliedstaaten bei der Begebung von Staatsanleihen auf die Geschäftsbanken bzw. andere Finanzinstitute angewiesen. Die Euroländer hätten durch die Vereinbarung des Stabilitätspakts auf „chartale“ Nationalwährungen zugunsten einer Währung verzichtet, die sie nicht beliebig schaffen könnten. Im Gegensatz zu nationalen Währungen, die Geschöpfe der verschiedenen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen seien, sei die Verbindung zwischen nationalen Zahlungsmittelverwaltungen und Zentralbank im Euroraum durchtrennt. Die Mitgliedstaaten könnten keine aufwendbaren Guthaben schöpfen. Staatsanleihen konkurrierten somit mit anderen Schuldarten auf dem Kapitalmarkt wie etwa Anleihen von privaten Unternehmungen, Anleihen anderer Euroländer oder Commercial Papers. Der Euro stelle sich demnach als eine „private“ Geldart dar: Er werde auf alleinige Anfrage privater Akteure von Banken, welche die von der Zentralbank festgesetzten Ziele erfüllen sollen, hergestellt, soweit er von den Erwartungen der Finanzmärkte getragen werde. Auf dieser institutionellen Grundlage sei die Eurokrise vorprogrammiert gewesen.109 Die Euro-Zahlgemeinschaft konnte über einen bestimmten Staat hinausreichen und das Euro-Kapital konnte nicht mehr einem bestimmten Staat zugerechnet werden. Das Fehlen eines föderalen Fiskus habe den Mitgliedstaaten die Fähigkeit genommen, von einer echten Politik ihrer nationalen Zentralbanken zu profitieren und die Mitgliedstaaten der Sache nach zu Kommunalbehörden deklassiert.110 Neo-Chartalisten sehen die Staatsverschuldungskrise nicht als Widerlegung, sondern als Bestätigung des Neo-Chartalismus an.111 109
Stephanie A. Bell/Edward J. Nell (eds.), The State, the Market and the Euro, Northampton (Massachussets) 2003, S. 175 ff. 110 S. A. Bell, Neglected costs of monetary union: the loss of sovereignty in the sphere of public policy, in: id./E. J. Nell (eds.), The State, the Market and the Euro: Chartalism versus Metallism in the Theory of Money, Cheltenham 2003, S. 160 – 183; Stephanie A. Kelton/ L. Randall Wray, Can Euroland Survive?, in: Public Policy Brief 106 (2009), S. 4 – 19. 111 Vgl. Marc Lavoie, The monetary and fiscal nexus of neo-chartalism: A friendly critical look , Ottawa, October 2011, S. 1 – 31, 9: „In particular, it should be pointed out that neochartalist authors were very critical of the setup of the eurozone and the euro monetary system, and had predicted the financial problems that some of the eurozone countries were likely to encounter, precisely because these countries did not have a sovereign currency as defined above (because the European central bank was prevented from directly purchasing sovereign debt). Thus one cannot use the current situation in countries such as Greece, Ireland and Portugal, or even Spain and Italy, as counter-examples to the theories advanced by neochartalists.“
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An der Krise konnte in der Tat veranschaulicht werden, dass der von der EZB festgesetzte nominale Zinssatz vom realen, durch die jeweilige Inflationsrate bedingten Zinssatz abwich. Die geldpolitische Glaubwürdigkeit erstreckte sich durch die Währungsunion und die stabilitätsorientierte Politik der EZB auf alle Staaten des EuroRaumes mit dem Ergebnis, dass sich die Differenzen unter den Zinssätzen für lang laufende Staatsanleihen allmählich verschwanden. Die Währung gilt aber in einem Gebiet, das ökonomisch und auch institutionell nicht homogen ist. Die Unterschiede betreffen Verwaltung, Fiskalpolitik, Gewerkschaften und Lohnaushandlung, Staatsabhängigkeit der Wirtschaft und divergierende Inflationsraten. Knapps „Zentralstelle“ und Verrechnungsfunktion ist schon in der Form der Verrechnungsmethode zwischen Banken, Notenbanken und der EZB im Eurowährungsgebiet vorhanden. Dass das System von Verrechnungsorganisationen ergänzungsbedürftig ist, hat die Finanzkrise allerdings ebenfalls bereits gezeigt: eine Stelle zum Clearing von Derivaten würde die Finanzmarktstabilität erhöhen.112 Die Wirkung währungspolitischer Instrumente beschränkt sich ferner im Euroraum ihrerseits auf Preisstabilität. Gemäß Artikel 123 Abs. 1 AEUV sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für die Mitgliedstaaten ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.113 Wie bei allen Regeln ist auch bei den im Eurowährungsgebiet geltenden Regeln ein Bindungsproblem in der Form eines Zeitinkonsistenzproblems114 am Werk: Regeln, die zum Zeitpunkt der Regelsetzung optimal zu sein scheinen, erweisen sich zum späteren Zeitpunkt der Regelanwendung und Regelbefolgung zumindest in ihrer ursprünglichen Form als suboptimal und reformbedürftig. Über die wirtschaftspolitische und institutionenökonomische Relevanz der Zeitinkonsistenz hinaus geht es hierbei um die Thematisierung von Problemen der Regelbegründung, Regel- und Selbstbindung im Zuge des Regelvollzugs.115 Das betrifft sowohl die staatliche Ret112 Dazu: Centrum für Europäische Politik (CEP), Grundsatzpapier über eine ordnungspolitische EU-Finanzmarktregulierung. „Für einen neuen Umgang mit Risiken“, S. 1 – 26, www.cep.eu (abgerufen am 1.4. 2013). 113 Vgl. auch Art. 21 des Protokolls (Nr. 4) Über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Europäische Zentralbank, Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet, Gültig ab 1. Januar 2012, Amtsblatt der Europäischen Union L 331/3, 12.12. 2011, Rn. 1.3.1: Als Hauptrefinanzierungsgeschäfte dienen dem Eurosystem regelmäßig stattfindende liquiditätszuführende befristete Transaktionen. Wichtigstes Instrument sind die befristeten Transaktionen in Form von Pensionsgeschäften oder besicherten Krediten. Weitere Instrumente, die das Eurosystem nutzen kann, sind endgültige Käufe bzw. Verkäufe, die Emission von EZB-Schuldverschreibungen, Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen. Allerdings geht bei Offenmarktgeschäften die Initiative von der EZB aus, die auch über das einzusetzende Instrument und die Bedingungen für die Durchführung der Geschäfte entscheidet. 114 Begriff von F. Kydland/E. Prescott, Rules rather than discretion: The inconsistency of optimal plans, in: Journal of Political Economy 85 (1977), S. 473 – 490. 115 Klaus Beckmann, Jon Elster und das Zeitinkonsistenz-Problem, Diskussionspapier Nr. 2007 – 21 des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-
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tung privater Banken als auch die Rettung verschuldeter Staaten.116 Die institutionelle Architektur des Währungsverbundes eröffnete verschiedenen Akteuren (nationalen Verwaltungen und politischen Entscheidungsträgern, Finanzmärkten, Ratingagenturen oder „Spekulanten“) Möglichkeiten jeweils subjektiv rationalen, aber den Währungsverbund objektiv unterminierenden Handelns. Die öffentliche Kreditaufnahme konnte „als Spezialfall der unmerklichen Besteuerung zu Zwecken des politischen Machterhalts missbraucht“ werden. Die Zins- und Tilgungslasten für die Staatsverschuldungspolitik wurden von denjenigen getragen, die für die jeweils gegenwärtige Regierung „als Wähler keine Rolle spielen“, nämlich künftige Generationen.117 Neue gemeinsame Regeln sollen nun die fehlende institutionelle Vergemeinschaftung der Wirtschafts- und Haushaltspolitiken im Euroraum besser ausgleichen. Sie sollen eine Erhöhung der Transparenz und Verlässlichkeit nationaler Statistiken bewirken und eine Verstärkung der Überwachung der mitgliedstaatlichen Haushaltsund Wirtschaftspolitiken herbeiführen. Die Sanktionen bei Regelverstößen werden ebenfalls verschärft. Das neue Regelwerk beschreibt explizit oder implizit eine Reihe von Verhaltensweisen als das, was Weber als Spannungsfelder „materialer und formaler Rationalität“ ansieht: die Verdeckung von Auslandsverschuldung, negativer Leistungsbilanzsalden bzw. mangelnder Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Der Ausweg aus dem Teufelskreis von Verschuldung und Rezession (Staatsverschuldung, defizitäre außenwirtschaftliche Lage, interne Abwertung durch Absenkung der Reallöhne und hierdurch wiederum bedingte tiefe Rezession, Wirtschaftseinbruch und somit erneuter Anstieg der Verschuldungsquoten)118 stellt auf jeden Fall ein mehrdimensionales Problem dar, das über eine Problematik reiner Wirtschaftsrationalität hinausgeht.
Wittenberg, hrsg. von Ingo Pies, Halle 2007, S. 1 – 28. Als Download unter http://ethik.wiwi. uni-halle.de/forschung (abgerufen am 1.4. 2013). 116 Emmanuel Farhi/Jean Tirole, Collective Moral Hazard, Maturity Mismatch and Systemic Bailouts, in: American Economic Review, 102 (2012), S. 60 – 93; Moritz Schularick/Alan M. Taylor, Credit Booms Gone Bust: Monetary Policy, Leverage Cycles and Financial Crises, 1870 – 2008, Working Paper 15512, http://www.nber.org/papers/w15512 (abgerufen am 1.4. 2013). 117 Robert K. von Weizsäcker, Repräsentative Demokratie und öffentliche Verschuldung: Ein strategisches Verhängnis, in: Ralf Thomas Baus/Annegret Eppler/Ole Wintermann (Hrsg.), Zur Reform der föderalen Finanzverfassung in Deutschland: Perspektiven für die Föderalismusreform II im Spiegel internationaler Erfahrungen, Baden-Baden 2008, S. 87 – 97, 90. 118 Daniele Schwarzer, Economic Governance in der Eurozone. Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ 4/2012), 17.1. 2012, http://www.bpb.de/apuz/59752/europa (abgerufen am 1.4. 2013).
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3. Kollision und Abstimmung von Rationalitäten und die Schuldner/Gläubiger-Differenz Im Rahmen der europäischen Integration lenkt der Integrationsbegriff die Aufmerksamkeit auf tatsächliche und (un)erwünschte Integrationsprozesse. Er bringt hiermit die Analyse in die Gefahr, Wechselwirkungen zu überschätzen. Die Krise hat nunmehr diese Einseitigkeit durch eine Betonung von tatsächlichen und erwünschten Trennfunktionen und politisch-ökonomischen Teilbetroffenheiten ausbalanciert. Die Frage, die sich nun aufdrängt, hat einen genuin Weberschen Charakter, denn sie betrifft die Bestimmung von Funktionen, die von einander systematisch getrennt bleiben sollen: Welche Funktionen sollen aus einem vormals auf staatlicher Ebene undifferenzierten Bündel von Tätigkeiten herausgelöst und verselbständigt und einer Eigengesetzlichkeit unterworfen werden? Das betrifft die politische „Immunisierung“ bestimmter Regeln bzw. institutioneller Aktivitäten gegenüber dem politischen Spiel durch die verfassungsmäßige Verankerung bestimmter Regeln bzw. die institutionelle Autonomie bestimmter Entscheidungs- und Kontrollinstanzen. Das politisch segmentierte Mehrebenen-System in Europa muss sich mit Entscheidungen auseinandersetzen, die im globalisierten Finanzsystem getroffen werden.119 Im globalen Maßstab des Wirtschaftssystems ist die „Abwertung der einen Währung die Aufwertung der anderen Währungen“ und die „Exporte des einen Landes sind die Importe eines anderen“, während „die weltweite Summe der Leistungsbilanzsalden immer null“ ist.120 Im Kontext der Verschuldungskrise geraten allerdings das Regelwerk der politischen Verfasstheit Europas und das Eurowährungsgebiet in den Geltungsbereich der Schuldner/Gläubiger-Differenz. Die Verwendung und Legitimation des Instruments der Staatsverschuldung betrifft die Parlamente und Völker der Gläubiger- und Schuldnerstaaten in Europa in verschiedener Weise. Die Rechtsprechung des BVerfG, das Europafreundlichkeit mit der Beachtung des Grundgesetzes verbinden will, sorgt dafür, dass bei der Lösung der Governance-Probleme im Euroraum der Bundestag aktiv mitwirken wird. Intergouvernementale Maßnahmen müssen dem BVerfG zufolge durch das nationale Parlament effektiv kontrolliert werden können. Eine Haftungserhöhung der Bundesrepublik Deutschland am ESM muss vom Bundestag beschlossen werden. Das impliziert, dass dem Bundestag effiziente Informationsgewinnungs- und Beteiligungsrechte zustehen und wirklich wahrgenommen werden müssen. Das bedeutet auch, dass die Summen, wofür Staaten und ihnen zugeordnete Kredit- und Finanzinstitute haften, klar erkennbar und voneinander getrennt bleiben müssen. Da jedoch die Statuierung 119
Die Notwendigkeit der Abstimmung nationaler Politiken angesichts des globalen Finanzsystems wird zur Voraussetzung politischen Handelns auf EU-Ebene gemacht: Jacques de Larosière. The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report, Brussels, 25 February 2009. 120 Carl Christian von Weizsäcker, Die Schuldenbremse ist nutzlos. Verschuldet euch! Cicero Online, 19. Oktober 2011.
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faktischer Finanzausgleichsmechanismen finanzwirtschaftlich durchaus stattfinden kann, wird finanzwissenschaftlich etwa auf die Gefahren hingewiesen, die sich aus „Target-2“ für die Zentralbanken der Gläubigerstaaten ergeben.121 Ein Mechanismus, der den Schuldner-Gläubiger Interessenkonflikt zu lösen verspricht, indem er gleichzeitig Gläubiger- und Schuldnerschutz betreibt und der politischen Rationalität in Gläubiger- und Schuldnerstaaten im Euroraum Rechnung trägt, wurde in der Truhe der Weisheiten des US-amerikanischen Insolvenzrechts gefunden.122 Die Ein- und Durchführung eines geordneten Insolvenzverfahrens für Staaten könne – so das Versprechen – die Beachtung und Abstimmung nicht lediglich rechtsstaatlicher, sondern auch wirtschaftlicher, politischer und ethischer Rationalität ermöglichen.123Ausgehend vom US-amerikanischen Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften (Chapter 9, Title 11 USC) wird nahegelegt, die Grundelemente dieses Modells, das schon für die Insolvenzhandhabung hochverschuldeter Entwicklungsländer vorgeschlagen und auch unter dem Namen „Fair and Transparent Arbitration Process: An Exit from Debt Crises“ bekannt wurde, mit Hilfe einer Schiedsgerichtsbarkeit zu internationalisieren.124 Die völkerrechtlich bewährte Institution der Schiedsgerichtsbarkeit könne es als unabhängige Instanz ohne eigenes Interesse vermeiden, dass bei der Abwicklung einige Gläubiger „die Rolle des Richters in eigener Sache übernehmen“. Steuerzahler und Bankengläubiger könnten somit in das Verfahren adäquat einbezogen werden. Dies biete auch eine „Lösung des Souveränitätsproblems“ durch Beachtung der Hoheitsrechte des Staates und eine Gleichbehandlung öffentlicher und privater Gläubiger. Darüber hinaus könne in einem Insolvenzverfahren dem Schuldnerschutz und der politischen Rationalität Rechnung getragen werden. Die Schonung eines Minimums an Ressourcen des Schuldnerstaates, das dem Gläubigerzugriff zu entziehen wäre, könne dem Schuldnerschutz dienen. Ein Anhörungsrecht der Betroffenen, das durch Unternehmerverbände, Gewerkschaften 121
Hans-Werner Sinn/Timo Wollmershäuser, Target-Kredite, Leistungsbilanzsalden und Kapitalverkehr: Der Rettungsschirm der EZB (Juni 2011), ifo Working Paper No. 105. 122 Zu diesem Vorschlag eingehend Kunibert Raffer, Insolvency Protection and Fairness for Greece: Implementing the Raffer Proposal, in: Elena Papadopoulou/Gabriel Sakellaridis (eds.), The Political Economy of Public Debt and Austerity in the EU, Athen, S. 225 – 239. Kurze Zusammenfassung in: „Ökonomenstimme“, die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum www.oekonomenstimme.org (abgerufen am 1.4. 2013) 123 Die Unterstützung ökonomischer Rationalität durch den Geleitschutz rechtsstaatlicher Rationalität wurde bereits angesichts der Sub-Prime-Finanzkrise in den USA mit Blick auf das „investment house Lehman Brothers“ hervorgehoben. Man müsse einfach Insolvenzrechtsregeln beachten und anwenden: „What does the rule of law tell monetary and regulatory authorities to do when large financial firms are insolvent? … Do not arbitrarily rescue or bail out an insolvent firm at taxpayer expense. Instead, resolve the insolvency. If nobody wants to buy the firm as a going concern without subsidy, follow bankruptcy law.“ Lawrence H. White, The Rule of Law or the Rule of Central Bankers?, in: Cato Journal 30 (2010), S. 457. 124 Zur Idee eines permanenten Schiedsgerichts für souveräne Schulden („Tribunal Internacional de Arbitraje sobre Deuda Soberana“, kurz TIADS) unter der Ägide der Vereinten Nationen siehe European Network on Debt and Development (Eurodad), Ein faires und transparentes Entschuldungsverfahren. 10 zivilgesellschaftliche Grundsätze, Dezember 2009.
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und Nichtregierungsorganisationen auszuüben sei, solle schließlich genauso wie das Erfordernis der Zustimmung der betroffenen Bevölkerung125 für bestimmte Maßnahmen in Anlehnung an das US-amerikanische Recht statuiert werden. 4. Reformen im Rahmen der multiplen Modernität der Rechtssysteme in der Geldordnung Dieser Ansatz verspricht, durch Konkursverwaltung die Stärken eines rechtsstaatlich organisierten Verfahrens, also Transparenz, Gerechtigkeit, Kontrollierbarkeit auszuspielen. Was er nicht hinreichend berücksichtigt, ist die hartnäckige Realität der „multiplen Modernität“ in der Eurozone. Er kann somit auch keinen Weg zur Umsetzung erforderlicher Reformen weisen. Realwirtschaftliche Reformen sind allerdings zum Abbau der Leistungsbilanzdefizite sowie zur Herstellung der Wettbewerbs- und Kreditfähigkeit in einem Währungsgebiet, das eine Mindest-Homogeniesierung zustande bringen muss, unverzichtbar. Wenn ferner Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass wenig Vertrauen in die effiziente Verwendung der Finanzmittel und in die gerechte sowie transparente Steuererhebung durch den Schuldnerstaat gesetzt werden kann und dass die Korruption und der fehlende politische Wille die Kooperation der die Zivilgesellschaft vertretenden Instanzen unterminiert, muss die Insolvenzverwaltung an gleichzeitig mitlaufenden Reformen gekoppelt werden.126 Eine Schwierigkeit kommt dann in folgender Frage zum Ausdruck: „Wie können die Anreizmechanismen der Wettbewerbsdemokratie glaubwürdig verändert werden, wenn eine auf öffentliche Budgetdisziplin ausgerichtete Reform den Interessen der gegenwärtigen Amtsinhaber zuwiderläuft?“127 Ferner: Wie können die gegenwärtigen Amtsinhaber und Gewerkschaftsvertreter Reformen einleiten, die gegen ihre eigenen Interessen gerichtet sind? Und wie kann andererseits eine Reform gegenüber der betroffenen Bevölkerung legitimiert werden, wenn ihre Durchsetzung erst langfristig positive Effekte für die Bevölkerung zeitigen kann. Es gibt übrigens „eine Reihe von Punkten, die für Gewerkschaften eindeutig und absolut nicht an-
125 Der betroffenen Bevölkerung des Schuldnerstaates per Referendum das Wort zu geben, ist kein funktionales Äquivalent zur Beteiligung an einem Insolvenzverfahren. Nach Jürgen Habermas, Rettet die Würde der Demokratie. Papandreou hält dem zerrissenen Europa den Spiegel vor. Ein Kommentar zu Frank Schirrmachers ,Demokratie ist Ramsch‘, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11. 2011, mache ein Referendum aus „Betroffenen Beteiligte“. Im Gegensatz zum Insolvenzrecht macht jedoch ein Referendum aus der betroffenen Bevölkerung des verschuldeten Staates keinen Beteiligten, sondern einen Entscheider, der darüber entscheidet, ob und welchen Risiken er sich aussetzen will. 126 Hierzu siehe den Erfahrungsbericht von Reinhold Plate, Kamerun und die Entschuldungsinitiative HIPC Entwicklung seit 2000 – Aktuelle Vorgänge und Probleme, Yaoundé (Kamerun) Juni 2004, S. 5, 7. Allzu oft würden „die Falschen“ beteiligt: Frank Bliss, Was ist Zivilgesellschaft? Zu wenig Aufmerksamkeit für den Aspekt der Legitimität, in: Zeitschrift für Entwicklung und Zusammenarbeit, 05/2003. 127 Robert K. von Weizsäcker (FN 117), S. 96.
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nehmbar sind“.128 In der politischen Debatte wird der jeweils erreichte Stand des Beamten- und Arbeitsrechts als Argument gegen Strukturreformen ins Feld geführt. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände „die Lohnsteigerungen autonom ohne das Eingreifen einer staatlichen Institution – egal welcher staatlichen Institution – auf welcher Ebene auch immer aushandeln“. „Unakzeptabel“ sei ferner zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit mit der Europäischen Kommission eine „Modernisierung der Systeme zur Festlegung der Löhne“, eine „Stärkung der Flexibilität bei der Lohnfindung“, wie eine „Erleichterung der Bedingungen für Unternehmen“ zu fordern oder „auf höherer Ebene geschlossene Tarifverträge“ aufzukündigen und „sektorale Lohnvereinbarungen“ einzuführen. Die Realisierung derartiger Forderungen verstärke „deflationäre Tendenzen und die Rezession“. Das Europäische Parlament stellt demgegenüber – anders als die Gewerkschaftsvertreter – fest, „dass es aufgrund der starren Regulierung des Arbeitsmarktes in einigen Mitgliedstaaten an Flexibilität mangelt, um Schocks wie die derzeitige Krise effektiv abzufedern“ und dass „die derzeitigen Arbeitsmarktvorschriften einen unverhältnismäßig hohen Schutz festangestellter Arbeitnehmer bietet und die Eingliederung junger Menschen in den Arbeitsmarkt beeinträchtigt“.129 An dieser Gegenüberstellung sieht man, dass der Rechtsstaat zugleich ein Hindernis und ein Instrument von Strukturreformen darstellt. In einigen Bereichen kann „Entpolitisierung“ Reformen zum Erfolg verhelfen. Die Haushaltsdisziplin130 kann erfolgreich gestärkt werden, wenn das Politikversagen verhindert wird, das durch den „Widerspruch zwischen den kurzfristigen Anreizen der repräsentativen Demokratie und den langfristigen Erfordernissen der öffentlichen Finanzwirtschaft“ bedingt ist. Eine „Teil-Ausgliederung des Instruments der öffentlichen Kreditaufnahme aus dem politischen Prozess“ könne dazu beitragen.131 In dieser Richtung geht das unionsrechtliche Regelwerk: Die rechtlichen Bestimmungen des „Korrekturmechanismus“ des Fiskalpakts auf nationaler Ebene müssen vorzugsweise Verfassungsrang haben oder von verbindlicher und dauerhafter Natur sein und auf jeden Fall gewährleisten, dass der Korrekturmechanismus befolgt wird.
128 Hierzu und zum Folgenden: IndustrieAll, European Trade Union, Position von IndustriAll European Trade Union zum Diskussionspapier der EU-Kommission: Dreigliedriger Meinungsaustausch zur Lohnentwicklung, Press Release, 31. Januar 2013, www.industriall-eu rope.eu (abgerufen am 1.4. 2013). 129 Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments, RR\926305DE.doc, A7 – 0032/2013, über das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung: Jahreswachstumsbericht 2013 (2012/2256(INI)), Ausschuss für Wirtschaft und Währung, 4.2. 2013, S. 1 – 26, 3. 130 Das Europäische Parlament „erinnert daran, dass das Kernelement des Verhältnisses zwischen Wachstum und Konsolidierung die Zusammenstellung von Konsolidierungsmaßnahmen ist“: BERICHT über das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung: Jahreswachstumsbericht 2013 (2012/2256(INI)), S. 6. 131 von Weizsäcker (FN 117), S. 90; siehe ferner auch Wolfgang Scherf, Politische Ursachen und Möglichkeiten einer konstitutionellen Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, Heft3/1996, S. 365 – 386.
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Der Korrekturmechanismus darf nicht durch einfache Haushaltsgesetze änderbar sein.132 5. Grenzbegriffe und Wertbindung in der Rechts- und Geldordnung Die krisenbedingte Erosion institutionellen Vertrauens133 bedeutet für die formale und materiale Rechtsrationalität im Eurowährungsgebiet, dass das Zusammenspiel von Spielregelsetzung und Spielregelbefolgung keine Subsumtion mehr zulässt. Die Normalität, die Normen brauchen, um befolgt und durchgesetzt zu werden, liegt unter Krisenbedingungen nicht vor. Übrigens fehlt es an klaren, im Voraus bekannten Regeln (etwa an einem Abwicklungsregime für verschuldete Banken eines verschuldeten Staats). Diese werden erst ad hoc ausgehandelt. In dieser Situation kann die Unterscheidung von „Klassenbegriffen“ und „genetischen Begriffen“ weiterhelfen.134 Denn die Begriffe formale und materiale Rationalität können mit Weber sowohl als Klassenbegriffe wie als genetische Begriffe gebildet werden. Klassenbegriffe sind Durchschnittsbegriffe, zu denen das empirisch Gegebene im Verhältnis der Subsumtion steht. Bei genetischen Begriffen geht es hingegen nicht um Subsumtion, sondern um die Beantwortung der Frage, in welchem Annäherungsgrad das empirisch Gegebene zu ihnen steht. Sie sind Grenzbegriffe.135 Im Krisenkontext steht „Governance“ in der Eurozone in einem Annäherungs- nicht in einem Subsumtionsverhältnis zur formalen und materialen Rechtsrationalität und muss an diesem Maßstab gemessen werden. Nun hat die Eurozone, so kann man mit Weber sagen, zugleich einen „Verbands“Aspekt und einen „Ordnungs“-Aspekt.136 Der Verbandsaspekt verweist auf Mechanismen äußerer Institutionalisierung, auf Instanzen und Verwaltungsstäbe, auf Reaktionsnormen, äußere Verhaltensanreize und Sanktionen, die eigens dafür geschaffen 132
Für betroffene Mitgliedstaaten wird ein Korrekturzeitplan erstellt werden können. Siehe hierzu Verordnungen (EG) Nr. 1467/97 zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1175/ 2011 und (EU) Nr. 1173/2011 und Mitteilung COM(2012) 342 vom 20. Juni 2012: Gemeinsame Grundsätze für nationale fiskalpolitische Korrekturmechanismen. 133 Lorenzo Bini Smaghi, Policy rules and institutions in times of crisis, Speech by Mr Lorenzo Bini Smaghi, Member of the Executive Board of the European Central Bank, at the „Forum for EU-US Legal-Economic Affairs“ organised by the Mentor Group,Rome, 15 September 2011. 134 Hierzu: „Man nehme etwa die Begriffe: ,Kirche‘ und ,Sekte‘. Sie lassen sich rein klassifizierend in Merkmalskomplexe auflösen, wobei dann nicht nur die Grenze zwischen beiden, sondern auch der Begriffsinhalt stets flüssig bleiben muß. Will ich aber den Begriff der ,Sekte‘ genetisch, z. B. in bezug auf gewisse wichtige Kulturbedeutungen, die der ,Sektengeist‘ für die moderne Kultur gehabt hat, erfassen, so werden bestimmte Merkmale beider wesentlich, weil sie in adäquater ursächlicher Beziehung zu jenen Wirkungen stehen. Die Begriffe werden aber alsdann zugleich ideal typisch, d .h. in voller begrifflicher Reinheit sind sie nicht oder nur vereinzelt vertreten. Hier wie überall führt eben jeder nicht rein klassifikatorische Begriff von der Wirklichkeit ab.“ Weber, WL (FN 2), S. 194 f. 135 Siehe Wolfgang Schluchter, Einleitung, in: ders. (Hrsg.), Max Webers Sicht des Islams, Frankfurt a. M. 1987, S. 11 – 124, 96 ff. 136 Hierzu Weber, WuG (FN 8), S. 25 f.
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werden, die Spielregeln des Währungsgebiets zu garantieren. Der Ordnungsbegriff unterstreicht hingegen das Vorhandensein innerer Glaubensgrundlagen und Antriebe, die die Ordnung rein innerlich aufrechterhalten. Hiermit hängt die Wertbezogenheit des Ordnungsbegriffs zusammen. Es handelt sich um einen Verweis auf den Wertbezug als Leerstelle, die den politischen Diskurs und somit auch den Umgang mit politischem Vertrauen und Misstrauen symbolisiert. Auch die Eurozone ist als Ordnung an Wertideen des europäischen Rechtskulturkreises „unvermeidlicherund berechtigterweise“ (Wertbeziehung) gebunden.137 Damit ist keine (trügerische) tatsächliche oder erwünschte „Wertgemeinschaft“ gemeint. Vielmehr geht es um ein Thema politischer Kommunikation. Man kann sich über die konkrete Ausgestaltung bestimmter Wertideen streiten, man kann sie durch andere Wertideen ersetzen (etwa Staatenkonkurrenz, Interessendurchsetzung und Stabilität statt/neben Frieden und Demokratie), beseitigen kann man aber die Wertbindung als Thema politischer Kommunikation nicht. Dies richtet das Augenmerk auf die Relevanz von politischem Vertrauen und Misstrauen (Kooperation und „Tit-for-Tat“-Verhalten) im Umgang mit Währungsunionspartnern. Der Wertbezug der Währungsunionsordnung thematisiert daher politisches Integrations- aber auch Konfliktpotential zugleich und ruft den politischen Diskurs neben dem von den Finanzmärkten ausgehenden Disziplinierungsund Gefährdungspotential auf den Plan. Ansonsten verweist die Wertbindung auch auf rechtliche Werte, die sich im Laufe der Konstitutionalisierung von Entscheidungsverfahren im Rechtsstaat als wichtig herausgestellt haben (etwa Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Sachlichkeit, Betroffenenpartizipation, Kontrollierbarkeit, Verhältnismäßigkeit). Derartige Grundsätze einer „guten Verwaltung in einer demokratischen Gesellschaft“ lassen sich zwar nicht als subsumtionsfähige Begriffe auf intergouvernementale Verhandlungen und Verabredungen übertragen, doch werden sie implizit als Grenzbegriffe von Medien, Öffentlichkeit, Betroffenen und Entscheidern herangezogen. Hierhin gehört auch die Gemeinwohlbindung der Währung, auch wenn sie in den Sog der Schuldner/Gläubiger-Differenz gerät und in divergente Interpretationen des Gemeinwohls zerfällt. Die Funktion des Gemeinwohlbezugs besteht in der bereitgehaltenen Möglichkeit, die Systemrationalität und Sachlogik der Währungsunion unter Bezugnahme auf das Gemeinwohl politisch zu thematisieren bzw. zu hinterfragen. Jedenfalls sind bei der Bestimmung und Vollziehung der Spielregeln in der Währungsunion beide Seiten maßgeblich: die institutionenbildende und legitimierende Kraft der Motivationsstrukturen der „Zahlgemeinschaft“ einerseits und die motivbildende Kraft der vorhandenen oder zu etablierenden Institutionen. Wirtschaftstheoretisch mag es zwar eine heftige Debatte über den erforderlichen und angemessenen Policy-Mix zur Konvergenz und Homogenisierung der Volkswirtschaften im Euroraum geben. Ohne die institutionenbildende Kraft der Motivationsstruktur ist jedoch keinerlei politisch-wirtschaftliches Reformkonzept umsetzbar. Die zunehmende Schwächung dieser Wechselwirkung bietet einen Nährboden
137 Vgl. zur Wertbindung als „unvermeidlich und berechtigt“ Schluchter (FN 135), S. 96 mit Note 263 auf S. 121.
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für die Entstehung politischer Risiken, mit denen auch die ökonomische Rationalität rechnen und umgehen muss. IV. Fazit Weber entwickelt eine formale und materiale Geltungstheorie von Recht und Geld, welche die Spannungen, die aus der Divergenz juristischer, politischer und wirtschaftlicher Sicht hervorgehen, thematisiert. Hierbei wird mit Knapp auf den politischen Aspekt des Geldes hingewiesen. Die staatliche „Bereithaltung von Geld“ ist eine „Machtfrage, welche auf die Politik einwirkt und daher auch bestimmend wird für die Rechtsordnung.“138 Geld kann also nicht vom Staat unabhängig von den gegebenen Markt- und Machtverhältnissen dekretiert werden. Ähnliches gilt für das Recht, das einerseits vorstaatliche soziale Institutionen regelt, indem es von ihnen bestimmt ist, und andererseits staatliche Institutionen schafft und begrenzt. Der Beitrag zeigt, dass mit verschiedenen, nicht explizit gemachten Staatsbegriffen im Verhältnis von Recht und Geld operiert wird. Das betrifft den Staatsbegriff nicht nur des Finanzsektors und der Gewerkschaften, sondern auch den der Geldtheorie.139 Die Neo-Chartalisten stützen sich auf ein Staatskonzept, das die Wirtschaftsund Fiskalpolitik der Regierung und öffentlichen Verwaltung mit der Tätigkeit der Zentralbank konsolidiert.140 Demgegenüber versucht man im Eurowährungsgebiet den Widerstreit politischer und wirtschaftlicher Rationalität durch Entpolitisierung bestimmter Institutionen und Entscheidungen zu lösen. In diesem Sinne wird auch das Ziel verfolgt, die Regeln des Stabilitätspakts, die eher politischer Natur sind, da sie vornehmlich dazu dienen, mit budgetpolitischem Fehlverhalten umzugehen, möglichst zu automatisieren und zu entpolitisieren. Die Beschäftigung mit Knapps und Webers Geldtheorie verdeutlicht allerdings, dass Geld naturgemäß stets eine Zahlgemeinschaft voraussetzt, die ihrerseits ein Mindestmaß an gemeinsamen Institutionen und Aufsichtsbehörden erfordert. Der Grund liegt darin, dass Geld gegenüber der Politik und den vielfältigen Rollen von „Staaten“ nicht immun ist. Der „Staat“ agiert als Regelsetzer und Aufseher, Kreditgeber und Kreditnehmer und er verfolgt zugleich Eigeninteressen auf den Finanz- und Investitionsmärkten.141 Dies erklärt warum Weber sowohl mit Knapp als auch mit von Mises übereinstimmen 138
Knapp, 1905 (FN 6), S. 96. „Auch deuten erste Analysen darauf hin, dass Sozialpolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Krise in der Eurozone vor allem als Kostenfaktor und Wachstumsbremser interpretiert wird und deshalb entsprechende Strukturreformen angemahnt werden.“ Jenny Preunkert, Das zweite Europäische Semester. Revival des neoliberalen Modells in der Krise? Friedrich Ebert Stiftung, April 2012, www.fes.de/ipa (abgerufen am 1.4. 2013). 140 Marc Lavoie, The monetary and fiscal nexus of neo-chartalism: A friendly critical look, Department of Economics, University of Ottawa, October 2011, S. 11, 25. 141 Siehe oben die Ausführungen unter II. 1. sowie Siegfried F. Franke, Die Rolle der Regierungen auf den internationalen Finanzmärkten, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 13.2. 2012, http://www.bpb.de/politik/wirtschaft/finanzmaerkte/63022/regierungen? p=all (abgerufen am 1.4. 2013). 139
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konnte. Dies illustriert insbesondere seine Aussage, die „staatliche Theorie des Geldes“ löse „ihre formale Aufgabe in ihrer Art glänzend“, die ihm „im ganzen annehmbarste materiale Geldtheorie“ sei jedoch „die von Mises“.142 Webers formale und materiale Geldungs- und Rationalitätstheorie von Geld und Recht kann Geld als machtpolitisches, juristisches und ökonomisches („katallaktisches“) Phänomen gleichzeitig behandeln. Sie erstreckt das Blickfeld über eine Theorie der (erfolgreichen Überschätzung) der Annahmechancen von Geld als Medium sozialer Kommunikation hinaus auf eine interessen-, macht-, organisationsund politiktheoretische Betrachtung. Weber kann somit nicht nur die Problematik der Institutionenbildung mit Blick auf die Zahlungsmittelverwaltung, sondern auch Währungskonkurrenz und „Währungskrieg“ im Anschluss an Knapp machtund politiktheoretisch erfassen. Für das Eurowährungsgebiet bedeutet dies, dass die Wahrung der Unabhängigkeit von Notenbanken und Aufsichtsbehörden im Laufe einer zunehmenden politischen Vergemeinschaftung auch eine Machtfrage darstellt. Der auf Ad-Hoc-Basis stattfindende Neuentwurf der Spielregeln im Eurowährungsgebiet schafft zwar erst die Regeln, die er anwendet. Er steht aber, wenn nicht in einem Subsumtionsverhältnis, so doch in einem Annäherungsverhältnis zu Grundsätzen rationalen Rechtssetzung. Darüber hinaus kann er sich einer Wertbindung nicht entledigen, die die Wechselwirkung institutioneller Anreizstruktur und Motivationslage symbolisiert und für eine erfolgreiche Kovergenz heterogener Volkswirtschaften unerlässlich ist.
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Weber, WuG (FN 8), S. 40.
Geld und Recht als Kommunikationsmedien in normen- und systemtheoretischer Perspektive Von Sergej Korolev, Moskau I. Wie, wen und was beobachtet ein wissenschaftlicher Beobachter aus normen- und systemtheoretischer Perspektive? 1. Wer im staatlich organisierten Rechtssystem der Russischen Föderation lebt und als teilnehmender russischer Beobachter aus der Perspektive der Theorie von Staat und Recht ¢ in Deutschland würde man wohl eher sagen: von Recht und Staat! ¢ in normativ-inhaltlicher Hinsicht auf die Rechtsentwicklung und Rechtsverwirklichung in den letzten beiden Jahrzehnten zurückblickt, kann nicht umhin, die gesteigerte Verwissenschaftlichung1 des gesamten russischen Rechtsdenkens zu diagnostizieren. Sie kann selbstverständlich nicht Gegenstand dieses kleinen Beitrags zur regional- und weltgesellschaftlichen Thematik und Problematik der Positivität des Rechts sein, die sich in dem hier vorliegenden, noch sehr viel weiter ausgreifenden Bande hauptsächlich auf das Verhältnis von Recht und Gesellschaft richtet. a) Im Fokus meiner bescheidenen Vignette steht die Verbindung einer allgemeinen Normen- und Handlungstheorie mit der Kommunikations- und Gesellschaftstheorie des Rechts, so wie sie sich heute aus russischer Perspektive darstellt. Ich folge dabei, ganz im Sinne einer komparativen allgemeinen Rechtstheorie, dem von Werner Krawietz, Martin Schulte u. a. in einer Reihe von Beiträgen entwickelten und umrissenen Perspektivismus2, der in der Tat einen spezifischen Zugang zur rechtstheoretischen Analyse auch der deutsch-russischen3 Beziehungen eröffnet. 1 Eingehend hierzu: Boris N. Topornin, Staat, Recht und Professionalisierung des Rechtsdenkens in der modernen russischen Wissensgesellschaft, in: ders. (Hrsg.), Internationale Rechtskommunikation und Integrierte Deutsch-Russische Juristenausbildung ¢ die Akademische Rechtsuniversität Moskau [Münsterische Juristische Vorträge, Bd. 10], Münster/ Hamburg/London 2003, S. 53¢65, 60 f. Vgl. zum Autor: Werner Krawietz, Boris N. Topornin ¢ Person, Leben und Werk im neuen Russland und in der Russischen Akademie der Wissenschaften, ebd., S. 25 – 34. 2 Vgl. Martin Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft ¢ rechtsrealistisch betrachtet, in: Aulis Aarnio et al. (Hrsg.), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Berlin 1993, S. 317 – 332, 325 ff. Siehe ferner: ders., Eine soziologische Theorie des Rechts, Berlin 2011, S. 11, 13 et passim. 3 Sehr treffend erinnert Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts (FN 2), S. 8 an das legendäre, seinerzeit von dem ersten freigewählten Direktor des Moskauer Instituts für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften, Professor Dr. Boris N. Topornin,
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b) Für meinen eigenen Zugang, der vom Standpunkt einer empirisch fundierten, auch geschichtlich orientierten Rechtsbetrachtung ausgeht, liegt es nahe, den an Niklas Luhmanns Werk orientierten, vollinhaltlich auch von Schulte geteilten und befolgten Rat zu beherzigen, den man demjenigen erteilen kann, der den gesamten (!) Rechtsbetrieb ohne Exklusion von andersartigem4 Recht beobachten möchte. Er lautet: Beobachte den Beobachter! Dies ist leichter gesagt als getan, zumal viele der von Luhmann aufgezeigten, vor allem in rechtsmethodologischer und rechtstheoretischer Hinsicht sich stellenden Probleme noch weitgehend ungelöst sind. 2. Es macht ¢ was die jeweils zu Grunde liegenden Relevanzschemata angeht ¢ in der rechtstheoretischen Beobachtung einen Unterschied, von welcher Standortbestimmung man in normen- und handlungstheoretischer Hinsicht ausgeht. Dies gilt auch für die Konzeption einer allgemeinen Normen- und Rechtstheorie, die nicht nur in der Auswahl des jeweiligen Gegenstandsbereiches charakteristische Unterschiede aufweist, sondern auch in der Bestimmung des jeweiligen Referenzrahmens,5 innerhalb dessen eine mehr oder weniger verwissenschaftlichte Beobachtung erfolgt. a) Der normentheoretische Perspektivismus, so wie er – einmal abgesehen von Luhmann selbst und seinem Bezugssystemrelativismus – von Kaulbach6, Schelsky7,
einberufene Zusammentreffen („Morozovka 2002“) mit Mitgliedern der Akademie im Weichbild von Moskau. 4 Zur notwendigen Inklusion von nichtstaatlichem Recht in einen weiter gefassten Rechtsbegriff: Mikhail Antonov, On the Intellectual Sources of the Legal Conception of Georges Gurvitch, in: Russian Yearbook of Legal Theory 3 (2010), S. 667 – 689. Vgl. ferner: Gert Riechers, Die Normen- und Sozialtheorie des Rechts bei und nach Georges Gurvitch, Berlin 2003, S. 27 f., 333 f.; ders., Rechtssystem als normative Struktur und sozietaler Prozess. Anforderungen an eine Theorie der Positivität des Rechts, in: Werner Krawietz/Gert Riechers/ Klaus Veddeler (Hrsg.), Konvergenz oder Konfrontation? Transformationen kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Berlin 1999, S. 239¢305, 260 ff. 5 Ein nützlicher Bericht und Überblick findet sich in: Wissenschaftsrat (Hrsg.), Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland. Situation, Analysen, Empfehlungen, Köln 2012, S. 8 f., 69 f., in dem nicht nur für die „interdisziplinäre Kommunikation als Prozess der systematischen Selbstbeobachtung“ plädiert wird, sondern auch für einen übergreifenden „Diskurs über die Disziplinen hinweg“. 6 In philosophischer Perspektive: Friedrich Kaulbach, Menschenrecht und Naturverhältnis, in: Volker Gerhardt/Werner Krawietz (Hrsg.), Recht und Natur, Berlin 1992, S. 13¢39, 20 ff., 33 f. Danach ist im Verhältnis von Naturwissenschaft und Rechtswissenschaft „abzuwägen“ zwischen „den Perspektiven der gefesselten Natur einerseits und der freien Natur andererseits“. Der Mensch „richtet sein Handeln dieser Perspektive gemäß ein“. Vgl. ferner: Vorwort der Herausgeber, Naturverhältnis und Menschenrecht im Perspektivismus, ebd., S. V–VIII. 7 Helmut Schelsky, Systemfunktionaler, anthropologischer und personfunktionaler Ansatz der Rechtssoziologie, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), S. 37¢89.
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Hondrich8, Preyer9, Krawietz10, Martin Schulte11, Rainer Schröder12, Weber-Grellet13, Wyduckel14, aber auch vielen anderen15 vertreten wird, nimmt beim Aufbau einer Normen- und Handlungstheorie des Rechts seinen Ausgangspunkt von der Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung16 der jeweils vorausgesetzten System-
8 Karl Otto Hondrich, Wie sich Gesellschaft schafft. Fünf Prinzipien der Konstitution sozialen Lebens, in: Gerhard Preyer ( Hrsg.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft, Wiesbaden 2009, S. 91 – 94. 9 Gerhard Preyer, Recht ohne moralische Bindung ¢ Entscheidung als Selbstreferenz des Rechtssystems, in: Rechtstheorie42 (2011), S. 283¢306, 285 f. 10 Werner Krawietz, Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive, in: Winfried Brugger/Ulfrid Neumann/Stefan Kirste (Hrsg.), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2008, S. 181¢206, 191 f., 204 f. 11 Unter Berücksichtigung der rechtsdogmatischen Bezüge für einen „mehrperspektivischen Zugang zum Recht“: Schulte, Recht, Staat und Gesellschaft (FN 2), S. 325 ff., 331 f. Schulte geht davon aus, dass die von ihm „benannten Perspektiven der Befassung mit dem Rechtssystem grundsätzlich in einer Ebene liegen, zwischen ihnen systemische Referenzen bestehen, sie sich jedoch durch die unterschiedliche Betrachtung ihres Gegenstandes voneinander unterscheiden lassen“. Man könnte auch von einer Multireferenzialität der hier vertretenen Denkansätze sprechen. 12 Aus der Perspektive einer Theorie sozialer Systeme, wie sie von und seit Luhmann im Rahmen des deutschen Rechtsrealismus vertreten wird: Rainer Schröder, Social Institutions Revisited ¢ Zum Verhältnis von Institutionen- und Systemtheorie, in: Manuel Atienza et al. (Hrsg.), Theorie des Rechts und der Gesellschaft, Berlin 2003, S. 747¢765. 13 Heinrich Weber-Grellet, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, 5. Aufl., Münster 2010, S. 89 ff., 192. 14 Dieter Wyduckel, Normativität und Positivität des Rechts, in: Aulis Aarnio et al. (Hrsg.), Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit, Berlin 1993, S. 437¢474, 448 ff., 453 f. Vgl. ferner: ders., Schnittstellen von Rechtstheorie und Rechtsgeschichte. Warum die Rechtsgeschichte der Rechtstheorie und die Rechtstheorie der Rechtsgeschichte bedarf, in: Manuel Atienza et al. (Hrsg.), Theorie des Rechts und der Gesellschaft, Berlin 2003, S. 109¢140, 110 f. 15 Ich denke hier beispielsweise an Belvisi, Chanos, Gromitsaris, Kerger, Menezes Albuquerque, Riechers, Salgado, Schemann, Veddeler und Petra Werner, die maßgebend zur Entwicklung der modernen Normen- und Handlungstheorie, insbesondere der sozietalen institutionalistischen und systemischen allgemeinen Rechtstheorie beigetragen haben, wie sie im Rahmen der Münsterschen Schule der Rechtstheorie und Rechtsphilosophie vertreten und gepflegt wird. Zu letzterer, auch in kommunikationstheoretischer Perspektive vor allem: Petra Werner, Die Normentheorie Helmut Schelskys als Form eines Neuen Institutionalismus, Berlin 1995, S. 107 f., 158 ff., 162 f. Vgl. ferner: Werner Krawietz, Recht als Regelsystem,Wiesbaden 1984, S. 24 f., 64 f.,72 f.,132 f., 178. 16 Zur Differenzierung der Perspektiven einer Außen- und Innenbeschreibung und der Bindung der Beobachtung an diese unterschiedlichen Systemreferenzen: Preyer, Recht ohne moralische Bindung (FN 9), S. 285 f.: „Die Außenbeschreibung erfolgt unabhängig von der Bindung an die Funktion, den Code und die Erwartungen der Systemmitglieder. Das Wirtschaftssystem kann man z. B. vom politischen System, vom Rechts- oder auch vom Wissenschaftssystem aus beschreiben. … Die Außenbeschreibung ist ihrerseits immer von der Perspektive des Systems abhängig, von dem aus andere Systeme sich beobachten und beschreiben. Insofern liegt eine Bindung der Beobachtung an die Systemreferenz des Beobachters vor.“
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perspektive, bevor er zur Fremdbeobachtung und Fremdbeschreibung seines Gegenstandsbereichs übergeht, so wie ich es im Folgenden tue. b) Für die moderne Rechtstheorie ist ihr Gegenstand, das Reich des Rechts, nicht in dessen ,Natur‘ oder ,Vernunft‘ für alle wissenschaftliche Erkenntnis ontologisch bzw. deontologisch gleichsam vorgegeben. Vielmehr wird dieser Gegenstandsbereich, dynamisch-funktional, d. h. vor allem und in erster Linie in zeitlicher Perspektive betrachtet, in Kommunikation und Operation (Handlung/Entscheidung) in selektiven, aber überwiegend aktabhängigen17 Prozessen fortlaufend konstitutiv erzeugt oder doch zumindest in normativ-faktischer Hinsicht reproduziert. Etwas salopp formuliert kann man sagen, dass von Verfassungs und Rechts wegen juridische Kommunikation kommuniziert, so wie das auch in den übrigen sozietalen Funktionssystemen in der jeweils zugehörigen politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen sozialen Kommunikation der Fall ist. II. Deutsch-Russischer Dialog in der und über die Kommunikation von Recht 1. Die im Folgenden anzustellenden Überlegungen zur juridischen Kommunikation und den dabei zum Einsatz gelangenden Kommunikationsmedien können die Kenntnis der Kommunikationstheorie des Rechts nicht ersetzen, sondern müssen sie voraussetzen. a) Ich muss in diesem Zusammenhang hier auch darauf verzichten, meinen eigenen Zugang zur Theorie der Rechtskommunikation zu entfalten, der das Phänomen Recht und die juridische Kommunikation aus der Perspektive des Strukturalismus und der Phänomenologie Husserls zu bestimmen sucht, mit der die allgemeine Rechtstheorie Niklas Luhmanns bekanntlich zahlreiche Berührungspunkte aufweist.18 Hier eröffnet sich ein weites Feld für ins Detail gehende rechtstheoretische Forschungen. Ich habe hierzu im Rahmen der seit einer Reihe von Jahren abwechselnd in Sankt Petersburg bzw. in Moskau stattfindenden Konferenzen und Workshops des Internationalen Kompetenznetzes Allgemeine Rechtstheorie (ART) wiederholt vorgetragen und kann insoweit auf die demnächstige Veröffentlichung von deren Proceedings Bezug nehmen. Diese Tagungen haben gezeigt, dass auf russischer wie auf deutscher Seite eine Reihe von Untersuchungen und Veröffentlichungen vorliegen, die belegen, dass in der modernen Kommunikationsforschung, insbesondere im Bereich des Rechts, im nationalen wie im internationalen Dialog zahlreiche Erkenntnisfortschritte erzielt werden konnten, die im Hinblick auf die bereits 17 Zur Unterscheidung zwischen Kommunikation und Operation im Bereich der juridischen Kommunikation: Krawietz, Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive (FN 10), S. 192 f., 194 f. Zur alltäglichen Kommunikation und der Ausdifferenzierung von Kommunikationsebenen des Rechts auch schon: Krawietz, Recht als Regelsystem (FN 15), S. 52 f.,113 f., 118 f., 126, 154 f. 18 Axel T. Paul, Organizing Husserl: On the Phenomenological Foundations of Luhmann’s Systems Theory, in: Journal of Classical Sociology, 1.Jahrgang, 3 (2001), S. 371 – 394.
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vorliegenden diversen allgemeinen Rechtslehren eine rechtstheoretische Integration des fachsystematisch heterogenen, aus den diversen sozialen Handlungswissenschaften stammenden Rechtswissens angezeigt erscheinen lassen. b) Aus russischer Perspektive gesehen, kann und muss man den Eindruck gewinnen, dass ¢ einmal abgesehen von gewissen, fachsystematisch heterogenen allgemeinen Vorlaufentwicklungen kommunikationstheoretischer Provenienz, die sich in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts vollzogen haben ¢ an der Wende zum und seit Beginn des 21. Jahrhunderts vor allem in Petersburg, aber auch in Moskau wichtige Schritte zum Aufbau und Ausbau einer Neuen Kommunikationstheorie des Rechts erfolgt sind. Ich denke hier an den originären Begründer dieser Forschungsrichtung, Andrey Polyakov19, und ¢ was deren soziologische und sozialphilosophische Voraussetzungen und Entwicklung angeht ¢ an die grundlegenden rechtstheoretischen und rechtssoziologischen Forschungen von Mikhail Antonov20. Beide haben jeweils auf ihre Weise zur gesteigerten Verwissenschaftlichung des zeitgenössischen Rechtsdenkens beigetragen.21 c) Diese intra- und interdisziplinären Studien finden ihren Ausdruck und werden fortlaufend diskutiert und fortentwickelt in dem seit einer Reihe von Jahren geführten, auch interdisziplinären Moskau-Petersburger Dialog, der auf Fragen der Rechtstheorie und Rechtsphilosophie und die Erfordernisse moderner Grundlagenforschung fokussiert ist. Der Dialog ist in erster Linie rechts-, staats- und gesellschaftstheoretisch orientiert und steht auf der deutschen Seite dieser Modernitätspartnerschaft unter dem Vorsitz von Werner Krawietz. Die einschlägigen Konferenzen und Workshops finden zweimal jährlich abwechselnd in Petersburg oder Moskau in deutscher/russischer Sprache statt. Mit Krawietz, mit dem ich über alle territorialen Grenzen hinweg stets kollegial und freundschaftlich zusammenarbeiten durfte und dem ich seit mehr als einem Jahrzehnt auch als Übersetzer und Dolmetscher helfen konnte, verbindet mich das gemeinsame Interesse am Aufbau einer Allgemeinen Rechtstheorie. d) Unser Erkenntnisinteresse reicht weit hinein in analytisch-begriffliche und kategoriale fachwissenschaftliche Sprachverwendungen, so dass ich mich schon häufig bei unseren diversen Begegnungen gefragt habe, welches Sprachspiel ich in der gemeinsamen Arbeit mehr oder weniger reflektiert eigentlich spiele ¢ das von Niklas Luhmann vorgegebene, das von Werner Krawietz eigenständig geprägte oder gar das eigene? Nur so viel erscheint sicher, dass wir in unseren kulturellen und geschichtlich geprägten juridischen Sprachverwendungen von den jeweiligen Lebensformen abhängen, in die unsere zwischenmenschlichen juridischen Kommunikationen eingebettet sind. Ich rede hier bewusst nicht von juristischen, sondern von juridischen 19
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Hierzu in diesem Band: Polyakov, On the Concept of Legal Communication, S. 495 –
Hierzu in diesem Band : Antonov, In the Quest of Gobal Legal Pluralism, S. 15 – 30. Eingehend hierzu jetzt auch: Mikhail Antonov/Andrey Polyakov, Legal Communication and Rule of Law, in: Pravovedenie 2011, Nr. 6, S. 214¢220. 21
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Sprachverwendungen, um damit anzudeuten, dass es in der Rechtssprache und der Fach- und Wissenschaftssprache einer Theorie der Rechtskommunikation nicht überwiegend und schon gar nicht ausschließlich bloß um die Fach- und Berufssprache von Juristen (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt) geht. Wenn heute in der Allgemeinen Rechtstheorie von juridischer Kommunikation die Rede ist, so ist dies nicht Ausdruck einer unangebrachten Neuerungsucht, sondern eine Fortschreibung des tradierten Konzepts einer genuin juridischen Logik (lat. logica juridica, frz. logique juridique, span. lógica jurídica, russ. juridicˇeskaja logika) und Methodenlehre, die zum Mainstream des tradierten wie des heutigen Rechtsdenkens gehört. Deutsches und russisches Rechtsdenken sind insoweit sehr eng beieinander. 2. Die Klärung des Verhältnisses von Recht und Kommunikation ist, was die Problemsicht aus Moskauer Perspektive angeht, in Forschung und Lehre vor allem durch einschlägige Beiträge von Boris N. Topornin nachhaltig gefördert worden. a) Durch die Beschäftigung mit den ganz neuartigen Rechtsmaterien, wie sie uns beispielsweise im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht höchst unterschiedlicher Rechtssysteme ¢ auch komparativ betrachtet ¢ begegnen, erkannte er sehr rasch und sehr früh, dass Information, (Tele-)Kommunikation und Kommunikationsmedien ihrer Funktion und Struktur nach eine Querschnittsmaterie bilden, die heute von keiner der drei klassischen Rechtsdisziplinen, nämlich dem Privatrecht, dem Strafrecht und dem Öffentlichen Recht, auch nur annähernd abgedeckt wird. Dies war für ihn Grund genug, diesen Gegenstandsbereich und seine normative Behandlung schon seit den 1992er Jahren in wachsendem Ausmaß in die deutsch-russischen Beziehungen des Moskauer Instituts für Staat und Recht, in die von ihm ins Leben gerufenen Aktivitäten und in den Magister-Studiengang des Deutsch-Russischen Universitätszentrums für Rechtsstudien Moskau einzubringen, die mit der Universität Münster gepflegt wurden. Aus der jahrelangen Zusammenarbeit mit Professor Topornin und Werner Krawietz, der seit 2000 als deutscher Koordinator am Moskauer Universitätszentrum tätig war, resultieren meine Forschungsinteressen an einer Verbindung von allgemeiner Rechtstheorie und einer Theorie sozialer Systeme, an deren Integration wir gemeinsam arbeiten. b) Es war auch Topornin, der sehr früh die normativen strukturellen Kopplungen zwischen Politik, Rechtssystem und Wirtschaftssystem erkannte und den Einsatz und die Wirkungsweise der diversen Kommunikationsmedien ¢ hier die autoritative Machtausübung im Rahmen des Rechts, dort das Geld ¢ als besonderer Forschungen bedürftig herausstellte. Den Grund hierfür erblickte er darin, dass alle politischrechtliche Regulierung „unter marktwirtschaftlichen Bedingungen“ stattfindet sowie darin, dass man „in Ländern, in denen man mit dem nicht bloß als Zahlungsmittel benutzten, sondern als Kommunikationsmedium gezielt eingesetzten Geld auch wirklich und wirtschaftlich rechnen kann“. Ich komme auf diesen Ansatzpunkt für eine Theorie der Kommunikationsmedien, bezogen auf das Verhältnis von Poli-
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tik, Recht und Wirtschaft22, noch zurück. Im Übrigen kann ich mich hier kurzfassen, da eine Veröffentlichung der deutschsprachigen Studien Topornins demnächst erfolgen wird.23 c) In den staatlich organisierten Rechtssystemen der modernen Regionalgesellschaften in West und Ost ist nach dem Übergang zum 21. Jahrhundert seit mehr als einem Jahrzehnt ein tiefgreifender sozietaler Wandel zu verzeichnen, der auch die normativen Kommunikationsstrukturen erfasst und die Kommunikation von Recht zunehmend vor ganz neue Aufgaben stellt. Welcher praktische und theoretische Stellenwert dabei der modernen Kommunikationstheorie des Rechts und der mit ihr eng verbundenen, aber bislang leider sehr vernachlässigten Theorie der Kommunikationsmedien zukommt, wurde vor allem auf der ersten Deutsch-Russischen Wissenschaftsmesse im Rahmen der Wissenschaftstage der NRW-Landespräsentation deutlich, die im Jahre 2003 in Moskau stattfand.24 Es wurde aber auch sehr schnell erkennbar, dass diese Entwicklung sich im globalen Zugriff auch auf weltgesellschaftliche Zusammenhänge erstreckt.25 Die in der modernen Gesellschaft etablierten Funktionssysteme, wie beispielsweise das sozietale Teilsystem Recht, können aber nicht mehr auf gleichsam uniforme gesamtgesellschaftliche Vorgaben hoffen, weil diese ersichtlich nicht existieren. Sie bilden deshalb soziale Kommunikationsmedien aus, die in symbolisch generalisierter Form, wie beispielsweise der Normenform (Wenn-Dann-Regeln), verwendet werden.
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Dazu Vladimir Yakunin, Tripolare Weltordnung 2.0. Optionen einer strategischen Partnerschaft zwischen Rußland und Europa, in: WeltTrends. Zeitschrift für internationale Politik 92, September/Oktober 2013, 21. Jahrgang, S. 108 – 114, 112 ff. Vgl. ferner: Werner Krawietz, Posthegemoniale Strukturen des modernen Rechts – Ein Dialog der Zivilisationen?, in: Rechtstheorie 43 (2012), S. 483 – 493. 23 Siehe die von ihm in deutscher Sprache verfassten bzw. ins Deutsche übertragenen Studien: Boris N. Topornin, Innovation des Rechts, moderner Rechtsstaat und Verwissenschaftlichung des Rechtsdenkens im russischen Rechtssystem, Berlin 2014 (Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, Duncker & Humblot). Mit einem Geleitwort von Werner Krawietz und einem Nachwort von Wilfried Bergmann. 24 Vgl. vor allem: Werner Krawietz/Bodo Pieroth/Boris N. Topornin (Hrsg.), Kommunikation und Recht in der modernen Wissensgesellschaft ¢ national oder international? Vortragsreihe im Rahmen der Wissenschaftstage der NRW ¢ Landespräsentation in Moskau vom 9. bis 12. Juni 2003, Berlin 2003. 25 Werner Krawietz, Jenseits von national und staatlich organisierten Rechtssystemen ¢ Normative Kommunikation von Recht in der modernen Weltgesellschaft, in: Rechtstheorie 34 (2003), S. 317¢331. Hierzu auch schon: Werner Krawietz, Recht als Information und Kommunikation in der modernen Informationsgesellschaft – Normen- und Handlungstheorien im Übergang, in: Jürgen Brand u. a. (Hrsg.), Soziologie des Rechts, Baden-Baden 1998, S. 175 – 206.
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III. Juridische Kommunikation, Kritik der Drei-Ebenen-Analyse des Rechts und normativ-faktische Autonomie der Rechtskommunikation 1. Zum Ausgangspunkt der im Folgenden anzustellenden exemplarischen Überlegungen, in welchem Verhältnis juridische Kommunikation und die dabei verwendeten Kommunikationsmedien zueinander stehen, wähle ich im Folgenden die finanzielle Unterstützung der Ausbildung von Schülern und Studierenden, wie sie gegenwärtig in der alltäglichen deutschen Lebens- und Ausbildungspraxis existiert, aber auch für den russischen Beobachter in ihren normativ-faktischen Charakteristika leicht einsehbar und nachvollziehbar erscheint. a) Rechtsgrundlage ist dabei das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Danach haben Schüler und Studierende einen gesetzlich verbrieften Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung für ihre Ausbildung an weiterführenden allgemein bildenden Schulen, Berufsschulen sowie an speziellen Fachschulen und Wissenschaftlichen Hochschulen. Die Höhe der Förderung nach BAföG hängt ab bzw. wird abhängig gemacht vom Bedarf des Auszubildenden für seinen Lebensunterhalt, von den Kosten der Ausbildung, von seinem Einkommen bzw. dem Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern u. a.m. Die Ausbildungsförderung nach BAföG setzt aber auch voraus, dass die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel, die prozentual anteilmäßig vom Bund und von den Ländern getragen werden, überhaupt erst einmal erwirtschaftet und über Steuern beschafft worden sind. Die ins Detail gehende Berechnung und Auszahlung des Förderungsbetrages durch die zuständigen Behörden erfolgt in Geld. b) Was ist dann aber ¢ aus der Perspektive der von Rechts wegen beanspruchten Zahlungen gesehen ¢ als Kommunikationsmedium anzusehen, ohne welches auch die juridische Kommunikation nicht stattfinden kann? Das Geld? Die Vorschriften des geltenden Rechts, welche derartige Zahlungen vorsehen? Oder nur die Sprache, in welcher derartige Rechtsansprüche erhoben werden? Die Umgangssprache aller an Rechtskommunikation Beteiligten? Oder nur die Berufs- und Fachsprache des Juristen, obgleich diese auf der Alltagssprache und deren Wort- und Begriffsverwendungen beruht? Ist es letzten Endes also nur die juristische Entscheidungssprache des Richters, der von Rechts wegen verbindlich entscheidet, was rechtens und demzufolge zu zahlen ist? Oder ist Kommunikationsmedium ¢ sollte letzteres zutreffen ¢ die juristische Amts- und Entscheidungsgewalt, die dem entscheidenden Gericht zusteht? Oder die durch Politik und Recht gedeckte, mit Zwangsbefugnissen ausgestattete Macht und Autorität des Staates, die schon dann ihre Wirksamkeit entfaltet, wenn sie ¢ sei es generell abstrakt, sei es individuell konkret ¢ den Adressaten des jeweils geltenden Rechts verbindlich in Aussicht gestellt wird? Auctoritas, non veritas facit legem!
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c) Ich habe nicht von ungefähr das Geld bzw. die Zahlung von Geld exemplarisch herangezogen, weil es dazu dient, als Medium wirtschaftliche26 Beziehungen zu vermitteln, so wie die Tageszeitung oder Zeitschriften, insbesondere wissenschaftliche Fachzeitschriften als „Verbreitungsmedium“ 27 für Informationen dienen, die in der Rechtspraxis benötigt werden. In Luhmanns Spätwerk Die Gesellschaft der Gesellschaft werden die Kommunikationsmedien und die zugehörige Medientheorie zwar sehr eingehend28 erörtert, aber diese Erörterungen stehen doch zu einseitig unter gesellschaftstheoretischem Vorzeichen. Im Hinblick auf die funktional ausdifferenzierte moderne Gesellschaft, in der die Funktionssysteme für Wirtschaft und Recht in funktional-struktureller Hinsicht eine gewisse Autonomie und eigenständige sozietale Identität erlangt haben, gelangt er zu dem Ergebnis, dass hier eine „Zweitcodierung des Eigentums durch das Geld“ sowie eine „Zweitcodierung der Macht durch das Recht“ vorliege. Durch welche Macht und durch welches Recht? Man vermisst hier ¢ einmal abgesehen von der ganz sicherlich erforderlichen Kritik an dem wenig glücklich gewählten Begriff „Zweitcodierung“ ¢ weitergehende Analysen der Wirkungsweise der Kommunikationsmedien Geld (für Wirtschaft) und Macht (für Politik), was zugleich die Frage aufwirft, welches Kommunikationsmedium bzw. welche Kommunikationsmedien für Recht bestimmend sind. Hier stellt sich dem wissenschaftlichen Beobachter die Frage, ob das sozietale Rechtssystem bzw. die in ihm etablierten staatlich organisierten Rechtssysteme etwa über gar kein eigenständiges Kommunikationsmedium verfügen. Offensichtlich besteht hier ein nicht unerheblicher, fachsystematisch heterogener Forschungsbedarf. 2. Ausgangspunkt für weitere Analysen, die auf dem knappen Raum von mir nicht angestellt werden können, müsste die Frage sein: Gibt es soziale Kommunikationsund Funktionssysteme, die kein eigenes symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium besitzen? Dies könnte für ihren institutionellen Bestand und ihre immanente Weiterentwicklung, falls dies zutreffen sollte, nachteilige Konsequenzen haben, die bislang nicht hinreichend bedacht wurden. a) Ganz offensichtlich handelt es sich dabei um eine Fragestellung, die auf analytisch- begrifflicher Ebene, wie sie in der dogmatischen Rechtswissenschaft gepflegt wird, innerhalb des hier üblichen grundbegrifflichen Rahmens nicht adäquat behandelt werden kann. Wie das eingangs erwähnte Fallbeispiel zeigt, können die hier skizzierten Rechtsprobleme auf der Ebene der Rechtspraxis (Level 1), der dogmatischen Rechtswissenschaft, die sich mit den hier einschlägigen Rechtsgebieten (Level 2) befasst, sowie die dabei anfallenden Probleme juristischer Methodik 26 Eingehend hierzu: Elena Esposito, Die normale Unwahrscheinlichkeit der Medien: der Fall des Geldes, in: Stefan Münkler/Alexander Rösler (Hrsg.), Was ist ein Medium? Frankfurt am Main 2012, S. 112¢130, 114 f. Vgl. Uwe Wirth, Die Frage nach dem Medium als Frage nach der Vermittlung, ebd., S. 222¢234, 223 ff. 27 Werner Krawietz, Multiple Modernität in den juristischen Zeitschriften – Rechtstheorie ist super!, in: Juridica international XVII (2010), S. 11 – 18, 12 f. 28 Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1997, S. 190 – 412, 366 f. et passim.
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bzw. der juristischen Methodenlehre (Level 3) in konventionellem Sinne rechtssprachlich durchaus bewältigt werden, sofern es nur um die rechtliche Regelung bestimmter Probleme geht. Der grundbegriffliche Rahmen, um den es sich dabei handelt, ist konventionell in der Geschichte der Rechtsdogmatik im Wege von (Selbst-) Abstraktionen und Analogien entwickelt worden, die auch heute im alltäglichen Rechtsleben mehr oder weniger reflektiert weiterhin verwendet werden können, aber nicht müssen. In scharfer Abstraktion von den aus dem Fallbeispiel ersichtlichen Grundbegriffen, die sich ¢ wie beispielsweise subjektives Recht (Anspruch), objektives Recht (Gesetz) und Rechtsordnung (systema legum) ¢ ergeben, lässt sich im Hinblick auf den individuellen Rechtsanspruch des Auszubildenden sagen, dass er diesen Zahlungsanspruch, also ein subjektives Recht, nach Maßgabe des objektiven Rechts ,habe‘, wie es dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu entnehmen sei, allerdings nur im Rahmen der gesamten Rechtsordnung, die an den Grenzen des jeweiligen staatlich organisierten Rechtssystems auch ihre Schranken findet; einmal abgesehen von den gesetzlichen Regelungen, die ausnahmsweise zu Gunsten von bestimmten Studierenden für zeitlich begrenzte Auslandssemester gelten. b) Es handelt sich dabei um eine rechtliche Begrifflichkeit (Level 1 – 3), die sich allenthalben in der konventionellen allgemeinen Rechtslehre niedergeschlagen hat. Für die juridische Argumentation bis hin zur richterlichen Entscheidungsfindung existiert somit eine mehr oder weniger einheitliche Rechtssprache, die auch von der dogmatischen Rechtswissenschaft als solche gepflegt wird.29 Sie findet hier allerdings auch ihre Leistungsgrenzen. Für weitere levelspezifische, fachsystematisch heterogene Abstraktionen (Level 4 usf.) fehlt es an einer einheitlichen Begrifflichkeit, die der inter- und transdisziplinären wissenschaftlichen Kooperation zugrundegelegt werden könnte. c) Die im vorstehenden Zusammenhang skizzenhaft angedeuteten Beziehungen, die – normen ¢ und systemtheoretisch gesehen -zwischen dem Politischen System, dem Wirtschaftssystem und dem Rechtssystem in der modernen Gesellschaft bestehen und der normativ-faktischen Rekonstruktion im Rahmen einer allgemeinen Rechtstheorie bedürfen, in deren Zentrum alles normierte menschliche Erleben und Handeln steht, bewegen sich jedoch in methodologischer wie in theoretischer Hinsicht auf sehr viel abstrakteren Theorieniveaus, die nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit zu bewältigen sind. Wer sich heute entschließt, rechtstheoretische Grundlagenforschung zu betreiben, muss deshalb Abschied nehmen von einigen liebgewonnenen, aber nicht hinreichend reflektierten Rechtsvorstellungen, die durch differenziertere Analysen zu ersetzen sind. Was heute ansteht, hat der Schweizer Rechtsgelehrte René Rhinow30, selbst hoher Richter in seinem Land, schon gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in die Worte gekleidet: „Abschied vom Drei-EbenenModell.“ An seine Stelle ist der von Krawietz begründete und entwickelte Multi29
Grundlegend hierzu: Krawietz, Recht als Regelsystem (FN 15), S. 76 ff. René A. Rhinow, Rechtsetzung und Methodik. Rechtstheoretische Untersuchungen zum gegenseitigen Verhältnis von Rechtsetzung und Rechtsanwendung, Basel 1979, S. 124 ff. 30
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Level-Approach getreten, der sich, auch auf weiteren system-internen/externen Abstraktionensstufen operierend, in der Allgemeinen Rechtstheorie weitgehend durchgesetzt hat. 3. Die Theorie der Kommunikationsmedien wird in der zeitgenössischen rechtsund gesellschaftstheoretischen Forschung auf juristischer Seite nicht gefördert, sondern eher wie ein Stiefkind behandelt. Das mag damit zusammenhängen, dass ihr Begründer, Niklas Luhmann, die normen- und rechtstheoretischen Aspekte dieser Problematik als Jurist, der er auch war, aber vor allem als Soziologe nicht als vorrangig betrachtet hat. a) Dies ging so weit, dass Luhmann in seiner Normen- und Rechtstheorie die Frage nach den juridischen Kommunikationsmedien ganz aus diesem Fragenbereich zu verbannen suchte. So heißt es bei ihm an entlegener Stelle, nämlich in „Die Wirtschaft der Gesellschaft“, dass „keineswegs alle Funktionssysteme ein eigenes symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium ausgebildet haben“31; die moderne Wirtschaft also Ja, weil sie ohne ihr Kommunikationsmedium Geld gar nicht auszukommen vermag, das Recht in diesem Zusammenhang also Nein? Die Antwort von Luhmann lautet: „Auch das Recht hat kein eigenes Medium, sondern ist ,letztlich‘ auf politisch zentrierte Macht angewiesen.“ b) Demgegenüber verfolgt Krawietz, obwohl auch er systemtheoretisch argumentiert, eine andere32 Sequenzierung, indem er nicht von vornherein auf die Gesamtgesellschaft und ihre Funktionssysteme abstellt, sondern in erster Linie das Verhältnis von Macht und Recht in staatlich organisierten Rechtssystemen untersucht, ohne deswegen die Strukturtheorie von Gesellschaft zu ignorieren oder zu vernachlässigen. Dieser Problemansatz seiner Analysen hängt wohl damit zusammen, dass er ¢ gemeinsam mit Michael Welker – mit Blick auf das Verhältnis von Religion und Recht, aber auch von Wirtschaft und Politik, in der Theoriebildung eine andere Sequenzierung als Luhmann verfolgt, die auch erhebliche, bislang nicht hinreichend untersuchte Konsequenzen für den Aufbau einer Theorie der Kommunikationsmedien, insbesondere der Medien der juridischen Kommunikation nach sich zieht.33 Infolgedessen hat Krawietz von Anfang an auch beim Aufbau seiner Kommunikationstheorie des Rechts eine von Luhmann abweichende Position bezogen, indem er das Recht nicht bloß als eine „normative Struktur“ der Gesellschaft, sondern zugleich als „Medium sozialer Kommunikation“ betrachtet.34 Auch in seinem im Jahre 2003 gehaltenen 31 Niklas Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1. Aufl., Frankfurt am Main 1988, S. 304 f. 32 Dazu und zum Folgenden: Werner Krawietz, Verhältnis von Macht und Recht in staatlich organisierten Rechtssystemen, in: Paul Hofmann/Ulrich Meyer-Cording et al. (Hrsg.), Festschrift für Klemens Pleyer, Köln/Berlin 1986, S. 217 – 235, 218 ff., 222 ff. 33 Werner Krawietz, Neue Sequenzierung der Theoriebildung und Kritik der allgemeinen Theorie sozialer Systeme, in: ders./Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a.M. 1992, S. 14 – 42, 26 f. 34 Vgl. die Nachweise bei: Werner Krawietz, Recht als normatives Kommunikat in normenund handlungstheoretischer Perspektive, in: Ernesto Garzón Valdéz/Werner Krawietz/Georg
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Moskauer Eröffnungsvortrag stellte Krawietz im Rahmen der 1. NRW Landespräsentation auf das „Verhältnis von Recht als normative Struktur und als Medium sozialer Kommunikation“35 ab, doch kann hier darauf nicht näher eingegangen werden. c) Selbstverständlich bestimmen und prägen die Teilsysteme der Gesellschaft ganz maßgeblich die sozietalen Lebensbedingungen und Lebensformen in allen sozialen Teilbereichen. Das geschieht jedoch nicht intentional, das heißt durch mehr oder weniger bewusste operative Aktivitäten und Handlungsbeiträge. Als Funktionssysteme der Gesellschaft können Teilsysteme selbst nicht kommunizieren und schon gar nicht handeln. Gesellschaftliche Teilsysteme fungieren nur in Form von kommunikativen sozietalen Strukturvorgaben (sogen. Funktionsprimat!). Im konventionellen Sinne handeln können Teilsysteme nicht. Handeln können nur Interaktionssysteme und Organisationssysteme. Dies hat auch eine Reihe von Konsequenzen für das Verhältnis von Rechtskommunikation und Wissenschaftskommunikation (Medium: Wahrheit), bei dessen Analyse einmal mehr deutlich wird: Die Theorie der Rechtskommunikation und ihrer Kommunikationsmedien ist ein weites Feld ¢ und wir stehen noch ganz am Anfang!
Henrik von Wright et al. (Hrsg.), Normative Systems in Legal and Moral Theory, Berlin 1997, S. 369 – 390, 374 ff. 35 Krawietz, Jenseits von national und staatlich organisierten Rechtssystemen (FN 25), S. 326 ff.
Should Poverty, Democratic Deficit and a Lack of Judicial Protection be Challenged and if so how? A Look at the Rule of Law through the Eyes of the European Court of Human Rights1 By Julia Laffranque, Strasbourg/Tartu I. Poverty, Democratic Deficiency and Inadequate Rule of Law in the Context of Crisis The worldwide economic crisis, one of the most far-reaching and serious in recent times, has stretched on for several years and unfortunately continues to this day. The financial crisis has become an unavoidable, everyday topic in Europe and, to a certain degree, is no longer anything special. This, however, is highly dangerous, as we should not allow ourselves to become accustomed to crisis, to let our guard down or to allow for compromise at the expense of the rule of law. The issues of poverty, democratic deficit and a lack of judicial protection become particularly topical in times of crisis. At such times it is the weakest among us who suffer the most: those who are economically less secure, minorities, persons with disabilities and immigrants.2 The economic downturn and sudden decline in the financial situation of the population brought on by the crisis inevitably affect economic and social rights and create the risk that some members of society will slide into severe poverty. However, it is not only the protection of social and economic rights that is in peril: the protection of civil and political rights may also be compromised. Moreover, crises do not only affect economics and the financial sphere, since it seems that Europe at least is leaning further towards a general political crisis.
1 This article is based on a speech given on October 4, 2012 in Tartu, Estonia during the 32nd Jurists’ Days. The opinions expressed are the personal views of the author. 2 Former Council of Europe Commissioner for Human Rights Thomas Hammerberg has also drawn attention to this: “Today, no country in Europe is free from racism & discrimination … The negative impact of the global economic crisis will hit vulnerable groups considerably harder. There is a major risk that it will be the weakest who will suffer the most … We must not be complacent. The promotion of human rights is far too serious a question to be approached with half-measures.” Cf. Irish Human Rights Commission, Human Rights Guide for the Civil and Public Service, 2009. Available online at: http://issuu.com/irishhumanrightscommission/docs/ihrc_human_rights_guide_20101 (29.05. 2013).
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II. The Problems Facing Europe and Proposed Solutions The problems currently faced in Europe might accurately be called Europe’s identity crisis. In dealing with consequences, the European Union (EU) should not forget prevention and should turn its attention to Europe’s own behaviour (Kinderstube). If the European Union places great demands on the Member States, it is in no position to neglect examining whether and how the EU adheres to its own fundamental values. The European Union needs a fresh vision.3 If we are afraid to speak openly of the concerns weighing on Europe, we will create a psychological barrier between the decision makers and everyone else that will be difficult to overcome. The people, who should be the bearers of supreme power, will no longer understand what role they have to play in this entire process. Professor Andreas Vosskuhle, President of the Federal Constitutional Court of Germany, has rightly begun to speak about a crisis of trust in Europe.4 The need for a broadbased debate on the future of Europe is evident. Initiatives for pan-European debate on this issue have for the most part been ineffective, dominated by ready-made ideas on a European political union (German Chancellor Angela Merkel5) and a European federation of nation states (President of the European Commission Jose Manuel Barroso6) that are served up to the public. Jointly exercised sovereignty in the interests of common policy, and solidarity and a stronger European Union, of which President of the European Council Herman van Rompuy7 speaks, would require amendment of not only the founding treaties of the European Union but also, in all likelihood, of the constitutions of many of the Member States. Are we prepared for this? German philosopher Jürgen Habermas commented on the decision of the Federal Constitutional Court of Germany of September 12, 2012 on the Treaty establishing the European Stabilisation Mechanism and posed the following question: with its decision, did the Court defend the nation state for the sake of democracy or democracy 3 Welcome address by Julia Laffranque at the XXV FIDE Congress in Tallinn on May 31, 2012. Available online at: http://www.fide2012.eu/index.php?doc_id=147 (29.05. 2013). 4 Address by Prof. Andreas Vosskuhle at the 69th meeting of the German Lawyers Association in Munich, September 21, 2012 in the Forum Europa section that focused on the potential need for a constitution for Europe and the crisis in Europe. See the article published in the Frankfurter Allgemeine Zeitung online edition on the same date: http://m.faz.net/aktuell/politik/inland/juristentag-lauter-souveraene-11898568.html (29.05. 2013). 5 Cf. e. g. Merkel will politische Union in Europa vorantreiben, in: Süddeutsche Zeitung, June 7, 2012. 6 Speech by Jose Manuel Barroso on the situation in the European Union in 2012. Available online on the website of the President of the European Commission at: http://ec.europa.eu/soteu2012/index_en.htm (29.05. 2013). 7 Cf. e. g. the speech by President of the European Council Herman Van Rompuy, “A Test of Solidarity”, at the Ambrosetti Forum in Cernobbios on September 8, 2012. Available online at: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/132287.pdf (29.05. 2013).
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for the sake of the nation state? („Verteidigte das Gericht den Nationalstaat um der Demokratie willen oder die Demokratie um des Nationalstaates willen?“).8 Despite the difficulties, it is the individual and the protection and respect of human dignity that should be of central importance in a democratic nation state during times of crisis, and at all other times as well. In the pan-European system fundamental rights must be protected equally by every State, the European Union, the Council of Europe and the courts, and they must do so in a mutually complementary and respectful manner. Above all it is important to have a democratic Europe that values human rights and the principle of rule of law. Already in its report published in 2009, the Center for Economic and Social Rights9 proposed a number of immediate measures and steps for the future to overcome the consequences of the economic crisis. The Center emphasized that at all times, interference with civil and political rights must be avoided, an elementary minimum level of the effective protection of economic and social rights must be guaranteed, the weakest members of society must be taken care of and discrimination must be avoided. The protection of human rights must be reflected in the policies of the State and in their implementation. In the long run, the role of the State on the domestic level needs to be reassessed, the respect, defence and implementation of human rights must be ensured and the principles of human rights must become an inseparable part of domestic economic policy. On the international level, there are calls to redesign global governance, reform international financial institutions and the international economic regulatory framework.10 Measures taken to tackle the economic crisis should not undermine the minimum standards set out in the European Convention on Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR, the Convention). Cut-backs to the budgets for activities that are needed for the elementary functioning of democracy and the rule of law, such as those earmarked to guarantee the independence and objectivity of the judiciary, will inevitably reach a limit that cannot be exceeded, and savings will have to be made on other costs, regardless of how unpopular such choices might be. Märt Rask, former Chief Justice of the Supreme Court of Estonia, has noted that it
8 Wolfgang Janisch, Das Europa der Anderen, in: Süddeutsche Zeitung, September 22 – 23, 2012. 9 The Center for Economic and Social Rights (CESR) is devoted to the promotion of social justice through human rights protection. Cf. for more information the website of the Center at http://www.cesr.org/article.php?list=type&type=3 (29.05. 2013). 10 Human Rights and the Global Economic Crisis. Consequences, Causes and Responses. Center for Economic and Social Rights 2009. Available online: http://cesr.org/downloads/ CESR-Human Rights and the Global Economic Crisis.pdf (29.05. 2013).
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would be far costlier for the State to bring vigilantism under control than to continue to develop an impartial court system.11 Indeed, without an independent and impartial judiciary there would be no need to continue any debate on challenges to poverty, democracy and inadequate rule of law. Temporary concessions that might threaten an independent judiciary will in the long run come back to haunt us. The independence of judges is not a privilege, but rather serves the interests of those who turn to the courts. III. The Protection of Human Rights is Expensive but it is not a Luxury Economic, financial, political, identity, cultural, social and solidarity crises, crises of trust and all other related troubles impose security risks and a threat to democracy and the rule of law as a whole. A danger also lies in the tendency to try to overcome these crises with the help of legal constructions which would be hard to accept in a stable situation. From here it is but a few steps to extremism, which has emerged in many European countries and is searching for a scapegoat, to the point that it is no longer an exaggeration to speak of a human rights crisis in Europe itself.12 Attempts to sidestep the rule of law in the shadow of a specific threat may culminate in farreaching and irrevocable consequences. Crises test the level of democracy within a society. Sir Nicola Bratza, former President of the European Court of Human Rights (ECtHR, the Court) has emphasized that human rights cannot be considered a luxury.13 European judges should recognise their responsibility in this regard. At the same time it is clear that guarantee of the protection of human rights requires that States have the necessary means. A high level of human rights protection is expensive and not only in times of crisis. But this cost is well worth it. United Nations High Commissioner for Human Rights Navi Pillay has emphasised that in times of crisis, States cannot forego their duties or restrict their obligations
11 Märt Rask, Kohtusse pöördumine on liiga keeruline (Going to Court is Too Complicated), in: Postimees, January 10, 2011. 12 Cf. on this topic e. g. Benjamin Ward, Europe’s Own Human Rights Crisis, available online at: http://www.hrw.org/world-report-2012/europe-s-own-human-rights-crisis (29.05. 2013). 13 Address by Sir Nicolas Bratza at the Solemn hearing of the European Court of Human Rights on the occasion of the opening of the judicial year on January 27, 2012 in Strasbourg. Available online at http://www.google.ee/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web& cd=3&ved=0CD8QFjAC&url=http%3 A%2F%2Fwww.echr.coe.int%2FNR%2Frdonlyres% 2F9F353912 – 1F71 – 4ABD-827F-4CEBA52EDBD0 %2F0 %2F2012_AUDIENCE_SOLEN NELLE_Discours_Bratza_EN.pdf&ei=JWXgUIv9FsmB4ASl-IGQDw&usg=AFQjCN HiQ13dguMRWdGZ7McquInmSO_2Ww&bvm=bv.1355534169,d.bGE (31.12. 2012).
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to uphold and protect civil, cultural, economic, political and social human rights. On the contrary, it is by fully integrating human rights principles and standards into their laws and practices that governments will be able to overcome the economic downturn in a truly sustainable manner.14 The ECtHR has repeatedly held that a lack of resources cannot in itself be considered sufficient reason to make concessions in the protection of human rights and implementation of the ECHR.15 This of course does not mean that budgetary considerations do not need to be taken into account at all.16 IV. Ideals and Pragmatism But how do we ensure that noble principles are not impacted by harsh reality? How do we provide catchy human rights slogans with real substance? How do we strike a balance between legal and economic/political contradictions and even opposition? The ECtHR has in its case law continuously stressed that the ECHR is not meant to protect theoretical or illusory rights, but rather must ensure effective rights in practice.17 It seems, as noted before, that particularly difficult problems can be attributed to a lack of public debate but also insufficient or superficial analysis prior to decision making. These give rise to a risk of populism on both sides, both on the part of the pragmatics and of their critics. Legal practice cannot exist without constitutionalism. But can constitutionalism exist without pragmatism? How seriously are fundamental rights taken in practice in the different corners of Europe, including Estonia? How do events taking place elsewhere in Europe affect us? Is that which we perceive at the national level to be a state based on the rule of law equally perceptible as such on the local level? Is the understanding of rule of law and democracy the same in the capital as it is in the remotest villages? Let us place ourselves within the borders of one municipality and its microclimate and let us suppose that there are plans for industrial development with state participation which may or 14
Statement of Ms. Navanethem Pillay at the General Assembly High Level Conference on the World Financial and Economic Crisis, June 18, 2009. Available online http://www.unhchr. ch/huricane/huricane.nsf/0/9 A42BB1B8AA9CBF9C12575E600366136?opendocument (29.05. 2013). 15 Cf. e. g. regarding prison conditions Poltoratskiy v. Ukraine, no. 38812/97, § 148, ECHR 2003-V. 16 Cf. e. g. Aleksanyan v. Russia, no. 46468/06, 22 December 2008, in which the Court held that the obligation to provide prisoners adequate medical treatment does not extend to expensive medicinal treatments to treat HIV-positive prisoners. 17 “The Convention is intended to guarantee not rights that are theoretical or illusory but rights that are practical and effective.” Cf. Case “relating to certain aspects of the laws on the use of languages in education in Belgium” (merits), 23 July 1968, p. 31, § 3 and 4, Series A no. 6; Marckx v. Belgium, 13 June 1979, § 31, Series A no. 31; Airey v. Ireland, 9 October 1979, § 24, Series A no. 32.
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may not provide jobs for the local population, while simultaneously posing a threat to the natural and living environment. Or let us look at another example: imagine how we would react if a substantial amount of information had been collected about us in the course of surveillance activities, but we could not fully access this information because it was classified as a state secret. Or how would we feel if we lost a loved one because he or she did not receive adequate medical attention? Can we imagine how a person feels when he or she is faced with a seemingly hopeless battle against the authorities and exhausting, drawn-out court proceedings? What would be his or her impression of legal remedies and the legal system? Could he or she trust them? Where is or who serves as a lifesaver for people who find themselves in such situations? Do the people who are truly in need ever actually make it to court? Do they have the courage to address the courts and can they afford court proceedings? Do they know their rights and understand when they are violated? At this point it would be apt to recall the words of former Finnish President Juho Kusti Paasikivi: “The beginning of all wisdom is recognition of facts”.18 V. The Indicators and Meaning of Rule of Law The Constitution, the ECHR and adherence to both should in light of the above serve as important indicators. But who holds the measuring stick? The people, parliament, the constitutional court and/or the Supreme Court or the ECtHR? Who will assess and define the concepts of poverty, democracy, rule of law and access to justice? If we proceed from the thinking of the philosopher Immanuel Kant, then we cannot justify our concept of a just society before we define the material interests that morals are intended to protect.19 Critics of Kantian ethics on the other hand claim that it is only once we know what are the conditions for a dignified life that we can formulate the elementary human rights that the State must uphold.20 The above analysis to this point can be summed up by the following key words: rule of law and human rights; morality and existentialism; the individual versus another individual; the individual versus public authority; the State versus the individual, whereby the State in certain aspects and to a certain degree can be equated with its taxpayers, who are individuals; the State versus Europe, whereby the interests of the State in European affairs need not be the same as the interests of all of its resi18 Jaanus Piirsalu, Soome–Vene suhted: tõsiasjade tunnistamine on tarkuse algus (FinnoRussian Relations: The beginning of all wisdom is recognition of facts), in: Eesti Päevaleht, January 24, 2009. 19 Margit Sutrop, Hea elu, moraal ja sotsiaalne õiglus. Aristotelesest tänapäevani (A Good Life, Morality and Social Justice. From Aristotle to Today), in: Akadeemia 2000/8, pp. 1638 – 1666. Available online at http://www.eetika.ee/orb.aw/class=file/action=preview/id=395036/MS_hea+elu.pdf (29.05. 2013). 20 Ibid., online version p. 12.
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dents.21 We should also add the concept of social justice, but once again the question of the border between law and politics arises. What is social justice and can it be incorporated into a court judgment? Inevitably, where the Member States have a wider margin of appreciation but lack resources and/or will, this may lead to a weaker protection of human rights. Yet the Convention was created to protect individuals, not States. In the light of the ECHR, as regards the possibility of challenging poverty, democratic deficit and a lack of judicial protection, two vital issues arise. First, to what extent does the scope of the protection offered by the Convention extend to severe hardship caused by economic crisis? And secondly, what impact does the economic crisis have on the Convention obligations of States and their margin of appreciation?22 To answer these questions we must first identify what the principle of rule of law means. To do so we must analyse how the rule of law has been defined by the Council of Europe and the European Court of Human Rights. The principle of the rule of law is referred to in both the preamble to the ECHR and the Statute of the Council of Europe. Since its judgment in Golder v. The United Kingdom of February 21, 1975, the leading case on the rule of law, the ECtHR has used the rule of law as a interpretive tool to further the protection of the subjective rights guaranteed by the Convention.23 In its established case law, the ECtHR has accorded the rule of law three principal, interrelated meanings: a) the institutional framework of the State (including the legality and role of the judiciary, the independence of the judiciary and its relationship with the executive, the relationship between the executive and legislative powers, the principle of democracy, the right to free elections, public security and the guarantee of fundamental rights); b) the principle of legality (including the quality of legislation, the principle of legal security, principle of equality before the law); c) the principle of a fair trial (including judicial control over the executive, the right to access to a court, the right to an effective legal remedy, the right to proceedings 21 Cf. in more detail Sigrid Kõiv, Julia Laffranque: inimõiguste mõiste lörtsimine avab ukse äärmuslusele. (Julia Laffranque: Undermining the Concept of Human Rights Opens the Door to Extremism), in : Postimees, June 3, 2012. Available online at http://arvamus. postimees.ee/862406/julia-laffranque-inimoiguste-moiste-lortsimine-avab-ukse-aarmuslusele/ (29.05. 2013). 22 Background paper for the 2013 annual seminar organised by the European Court of Human Rights “Implementing the European Convention on Human Rights in times of economic crisis” prepared by the Seminar Organising Committee Judges Laffranque (Chair), Raimondi, Bianku, Nußberger and Sicilianos, assisted by R. Liddell. Available online at http:// www.echr.coe.int/Pages/home.aspx?p=court/events&c=#n1365592510548_pointer (29.05. 2013). 23 Golder v. the United Kingdom, 21 February 1975, § 29, Series A no. 18.
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within a reasonable time, the presumption of innocence, the rights of defence, the right to the execution of judgments). The purpose of all of these principles is to protect individuals from arbitrary treatment. VI. Fundamental Social Rights The Convention does not as such include the right not to live in poverty. The ECHR does not have much to say about fundamental social rights, being almost silent on the matter, with the exception of Article 4 § 2 (prohibition on forced labour), Article 6 § 3 c (the right to free legal assistance), Article 11 (the right of association and the right to strike) and Article 2 of Protocol 1 to the Convention (the right to education). In comparison, the Charter of Fundamental Rights of the European Union that is nearly fifty years newer devotes an entire chapter to solidarity. This article, however, will be limited to an analysis to the ECHR and its interpretation. Both the Convention and the Charter of Fundamental Rights of the European Union give rise to the question of whether the provisions on social rights are addressed to public authorities only and whether they create any subjective rights. Pierre-Henri Imbert, a former high official at the Council of Europe, has questioned whether the rights of the poor are poor rights (“Droit des pauvres: pauvres droits?”).24 The ECtHR has nevertheless derived fundamental social rights from the following Convention articles: Article 2 (the right to life), Article 3 (prohibition of torture and inhuman treatment), Article 6 (the right to a fair trial), Article 8 (the right to respect for private and family life), Article 14 (prohibition of discrimination) and Article 1 of Protocol 1 to the Convention (protection of property). To provide the protection of social rights, the ECtHR has interpreted substantive law and also taken a creative and innovative approach to procedural law, applying, for example, the principle of equal treatment. This has been facilitated by the position held by the ECtHR that the Convention is to be viewed as a living instrument (document) which must be interpreted in the light of present day conditions.25 VII. Assessment of the Social and Economic Situation In developing its case law, the ECtHR has been faced with a series of fundamental questions. What are the positive obligations of a State with regard to social rights? 24 Pierre-Henri Imbert, Droits des pauvres, pauvre(s) droit(s)? Réflexions sur les droits économiques, sociaux et culturels, in: Revue du Droit Public, 1989/3, p. 739. 25 Cf. e. g. Tyrer v. the United Kingdom, 25 April 1978, p. 15 – 16, § 31, Series A no. 26; Soering v. the United Kingdom, 7 July 1989, p. 40, § 102, Series A no. 161; Loizidou v. Turkey (preliminary objections), 23 March 1995, p. 26 – 27, § 71, Series A no. 310.
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Can the war against poverty be won with the help of an expansive interpretation of the ECHR? Should we be satisfied with the lowest common standards? Should the social, economic, historic and political background of a State be taken into consideration and if so, to what extent? This last question becomes particularly acute in times of transition and in the context of economic crisis. As early as October 9, 1979 in its judgment in Airey v. Ireland, the ECtHR noted the following: “The Court is aware that the further realisation of social and economic rights is largely dependent on the situation – notably financial – reigning in the State in question. On the other hand, the Convention must be interpreted in the light of present-day conditions and it is designed to safeguard the individual in a real and practical way as regards those areas with which it deals. Whilst the Convention sets forth what are essentially civil and political rights, many of them have implications of a social or economic nature.”26 The ECtHR continues to refuse to turn a blind eye to the social and economic nuances of many of the rights protected under the Convention. VIII. Subsidiarity, Margin of Appreciation, European Consensus and Democratic Society We should recall that in addition to the doctrine by which the Convention is considered a living instrument, the ECtHR has at its disposal other principles and tools of interpretation which it may and must bear in mind. These include subsidiarity, proportionality, European consensus and the margin of appreciation of Contracting States. Also of importance is the principle by which interference with a fundamental right can only be justified where it is necessary in a democratic society.27 In the case law of the ECtHR, subsidiarity means that the ECtHR does not replace national courts, rather it is intended to complement them.28 National courts have the additional obligation upon application of the Convention to take into account the po26
Airey v. Ireland, 9 October 1979, § 26, Series A no. 32. This is often included in the text of the ECHR itself, cf. e. g. Article 8 according to which there shall be no interference by a public authority with the exercise of the right to respect for private and family life except such as is in accordance with the law and is necessary in a democratic society in certain circumstances. 28 The ECtHR emphasises that the system of protection of human rights established by the ECHR is subsidiary to the domestic mechanisms for human rights protection. Cf. Case “relating to certain aspects of the laws on the use of languages in education in Belgium” (merits), 23 July 1968, p. 35, § 10, Series A no. 6. The ECHR places primary responsibility for the guarantee of the rights and freedoms established by the Convention on the Contracting States. It is therefore only possible to lodge an application with the ECtHR after all domestic remedies have been exhausted. The national authorities of Member States are due to their constant and direct contact better placed to assess and resolve a situation than an international court. 27
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sitions of the ECtHR, although there is no de jure precedence in the ECtHR, and any judgment is binding only upon the parties. The draft Protocol 15 to the ECHR provides for the principle of subsidiarity, which to date has only been stated in the case law, to be expressly included in the preamble to the Convention.29 It is normally easier for the national courts of the Member States to assess whether a particular interference is necessary in the society in question. The ECtHR has repeatedly emphasised that according to its case law, national authorities are, in principle, better placed to evaluate local needs and conditions than an international court. In matters such as social and economic policy regarding which opinions in a democratic society may be rather diverse, national authorities, i. e. the national decision makers and politicians, must be left with a particularly broad margin of appreciation.30 This principle applies for example to urban and regional planning.31 Where such a margin of appreciation exists, the ECtHR will normally respect the choices of the national legislature except where such choices are manifestly without reasonable foundation. The margin of appreciation allotted to the Member States will range in its extent between a “narrow margin of appreciation”, a simple “margin of appreciation” or a “wide” or “broad margin of appreciation”. If, based on a comparative legal analysis, the ECtHR finds that there is a consensus on a particular issue in Europe, then the margin of appreciation left to the Member States is correspondingly reduced. The margin of appreciation is narrow on issues that affect the core elements of democracy, such as freedom of speech and expression and the right of association. Conversely, in matters relating to morals, the margin of appreciation will be broader.32
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“Affirming that in accordance with the principle of subsidiarity, the Contracting Parties have the primary responsibility to secure the rights and freedoms laid down in the Convention, under the supervision of the Court established by this Convention and within the margin of appreciation the Court defines.” Cf. Draft Protocol No. 15. Available online at http://www.coe. int/t/dghl/standardsetting/cddh/GT_GDR_B/GT-GDR-B(2012)R1en_Addendum.pdf (29.05. 2013). 30 Cf. e. g. James and Others v. the United Kingdom, 21 February 1986, § 46, Series A no. 98; Kjartan Ásmundsson v. Iceland, no. 60669/00, § 45, ECHR 2004-IX; Stec and Others v. the United Kingdom [GC], nos. 65731/01 and 65900/01, § 52 and 57, ECHR 2006-VI. 31 Gorraiz Lizarraga and Others v. Spain, no. 62543/00, § 70, ECHR 2004-III. 32 On the margin of appreciation of Contracting States cf. in more detail Dean Spielman, Allowing the Right Margin the European Court of Human Rights and the National Margin of Appreciation Doctrine: Waiver or Subsidiarity of European Review? University of Cambridge, Faculty of Law, Centre for European Legal Studies Working 2012. Available online http://www.cels.law.cam.ac.uk/cels_lunchtime_seminars/Spielmann%20-%20margin%20of% 20appreciation%20cover.pdf (29.05. 2013).
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IX. Various Issues in the Context of Social Rights The ECtHR has addressed many issues relating to social rights, including: a) the right to health and medical care, b) the right to housing, c) protection of the rights of persons with disabilities, d) the fight against poverty, e) the rights of aliens and asylum seekers, f) the right to education, g) the right to work, h) the prohibition on forced labour and human trafficking, i) the right to social security, j) pension rights, k) freedom of association. As noted above, the greatest attention must be paid to the most vulnerable in society, above all to persons with disabilities, children, the elderly, single parents, large families, homeless persons, unemployed persons, immigrants, refugees and asylum seekers. The fight against poverty is undoubtedly one of the most common and controversial topics in all of these areas. X. Challenging Poverty Some specific examples from the case law of the Court, primarily involving challenges to poverty in the light of social fundamental rights, are addressed below. 1. Challenging poverty in general One of the first cases that centred on the issue of poverty, Van Volsem v. Belgium, was reviewed by the former European Commission of Human Rights. The applicant was a divorced woman who had custody of her two minor children and whose electricity was cut off because she was unable to pay her bills. The Commission found no violation since although Article 3 ECHR could be applied to social and economic treatment that amounted to inhuman treatment, in the case in question, the cutting off of electricity could not be considered as inhuman or degrading treatment.33
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Van Volsem v. Belgium, no. 1464/89, Commission decision of 9 May 1990.
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In the case of O’Rourke v. United Kingdom, the ECtHR found that the complaints were ill-founded as the treatment of the applicant by the public authorities was not such as to constitute inhuman or degrading treatment of the severity required to constitute a breach of Article 3 ECHR.34 The applicant was homeless and lived on the streets for many months to the detriment of his health, but refused accommodation in a centre for homeless persons. The Court did, however, find a violation of Article 3 of the Convention where, due to the inaction of the public authorities, an asylum seeker found himself living in the street for several months, with no resources or access to sanitary facilities, and without any means of providing for his essential needs. In this matter the ECtHR took into consideration that the applicant was in a state of uncertainty as to the prospects for his application for asylum, and that the combination of these situations aroused in him feelings of fear, inferiority and anguish.35 There are a number of examples in the case law of the ECtHR where applicants have launched an application related to poverty and have endeavoured to rely on Article 8 (right to respect of private and family life) and Article 1 of Protocol 1 to the Convention (protection of property). 2. Pension and social benefits ¢ The leading cases of Larioshina v. Russia and Budina v. Russia On April 23, 2002, the Second Section of the ECtHR stated in a rather simple decision on inadmissibility in the case of Larioshina v. Russia that a complaint claiming that a pension is inhumanely low may in principle be admissible.36 This ECtHR decision, one of the most fundamental and far-reaching on this topic, arose from a complaint launched by Aleksandra Larioshina, a citizen of the Russian Federation resident in the Mordoviya Republic who was born in 1918. Her monthly pension together with social benefits equalled 653 roubles (ca. 25 euros) and she claimed that she had previously also been entitled to a special benefit as a widow of a Second World War participant, which the authorities had not taken into consideration in the calculation of her benefits. While the application relied on Article 6 § 1 ECHR and Article 1 of Protocol No. 1 to the Convention, the ECtHR found a need to note as an obiter dictum that a complaint about a wholly insufficient amount of pension, even if it includes other social benefits may, in principle, raise an issue under Article 3 of the Convention (i. e. be included in the scope of Article 3) which prohibits inhuman or degrading treatment. In this case, however, the ECtHR did not consider that the amount of the applicant’s pension and the additional social benefits violated human dignity, as it found no indication that the small pension caused such damage to 34
O’Rourke v. The United Kingdom (dec.), no. 39022/97, 26 June 2001. M.S.S. v. Belgium and Greece [GC], no. 30696/09, § 263, ECHR 2011. 36 Larioshina v. Russia (dec.), no. 56869/00, 23 April 2002.
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her physical or mental health capable of attaining the minimum level of severity falling within the ambit of Article 3 of the Convention. Furthermore, the pension was calculated in accordance with the relevant Russian legislation. Who at the time the ECHR was drafted and signed in 1950 could have imagined that Article 3 of the Convention on the prohibition of torture and inhuman treatment could be applied to combat extreme poverty? This view is not without its critics. For example, Thor Vilhjalmsson, a former judge of the ECtHR has stated that the war on poverty cannot be won through broad interpretation of the Convention.37 He may well be justified in his view, since the question does indeed arise as to how far the ECtHR may go before it interferes with the sovereign right of States to make economic decisions. The ECtHR nevertheless returned to the matter of applying Article 3 of the Convention with regard to an inadequate pension in its judgment of 18 June 2009 in the case of Budina v. Russia. In this case the disability allowance that the applicant had received since childhood was not added to her old age pension, which meant that she received a lower benefit when she began to receive an old age pension, amounting to the equivalent of approximately 27 euros per month. In its decision, the Court further elaborated its obiter dictum in the Larioshina case and stated, “[w]here treatment humiliates or debases an individual, showing a lack of respect for, or diminishing, his or her human dignity, or arouses feelings of fear, anguish or inferiority capable of breaking an individual’s moral and physical resistance, it may be characterised as degrading and also fall within the prohibition of Article 3.” Moreover, the Court deemed it sufficient that the person concerned considers a treatment to be degrading and could not exclude that state responsibility could arise “where an applicant, in circumstances wholly dependent on State support, found herself faced with official indifference when in a situation of serious deprivation or want incompatible with human dignity.”38 Yet in the Budina case, the Court also found no violation of Article 3 ECHR and declared the application to be inadmissible, since while the income of the applicant within the period in question was not high in absolute terms, the applicant failed to prove that the lack of funds brought about concrete suffering. As the Court noted, “[o]n the contrary, in her observations the applicant explained that in 2008 her pension was enough for flat maintenance, food, and hygiene items, but was not enough for clothes, non-food goods, sanitary and cultural services.” The Court held that even though the applicant’s situation was difficult, especially from 2004 to 2007, it was not persuaded that in the circumstances of that case the high threshold of Article 3 ECHR had been met and that “the level of pension and social benefits available to the ap37 Dissenting opinion of Judge Thor Vilhjalmsson in the case of Airey v. Ireland, 9 October 1979, § 24, Series A no. 32. Cf. on this topic in more detail also Pascal, E.: Welfare Rights in State Constitutions, in: Rutgers Law Journal 2008 (39) 4, p 863. Available online http:// works.bepress.com/elizabeth_pascal/1/ (29.05. 2013). 38 Budina v. Russia (dec.), no. 45603/05, 18 June 2009.
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plicant were insufficient to protect her from damage to her physical or mental health or from a situation of degradation incompatible with human dignity.39” Thus while the ECtHR recognizes that an entirely inadequate pension or social benefit may in principle give rise to the issue of inhuman treatment (human dignity) within the meaning of Article 3 ECHR, to date it has nevertheless found in each specific case that the amount of pension and social benefits was not so low as to cause such damage to the physical or mental health of the applicant as to constitute a violation of Article 3 ECHR. In such cases the ECtHR often recalls that the ECHR does not guarantee, as such, socio-economic rights, including the right to charge-free dwelling, the right to work, the right to free medical assistance, or the right to claim financial assistance from a State to maintain a certain level of living.40 The ECtHR cannot assume the place of the national authorities to assess the level or amount of social assistance and pensions in a particular State. Moreover, the Court stresses that the ECHR does not guarantee the right to a pension or to a particular amount of pension. However, if a State has established a pension system by law, then the right to a pension and the pension fall within the scope of protection of Article 1 of Protocol 1 to the Convention (protection of property), and any interference with the enjoyment of such property will be justified only where it is lawful (prescribed by law) and pursues a legitimate aim in the public interest.41 The State has a margin of appreciation in deciding on the retroactive effect of its pension system.42 In a case launched against Bulgaria, the Court found that imposing a cap on the maximum amount of a pension does not violate the Convention.43 Similarly, the Court considered it justified that the Italian pension system reduced the amount of a pension paid to persons who returned to Italy after working in Switzerland and who had paid less tax in Switzerland than they would have if they had worked in Italy.44 The ECtHR has agreed with Austria that periods spent working in prison need not necessarily be taken into account when calculating a pension.45 However, the Court found a violation where convicted prisoners were automatically deprived of their right to a pension and social benefits in Greece.46 The Court also examined the Austrian pension system and found a violation since an old-age pension scheme, based on
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Ibid. Cf. e. g. Pancˇenko v. Latvia (dec.), no. 40772/98, 28 October 1999. 41 Cf. e. g. Grudic´ v. Serbia, no. 31925/08, § 72, 17 April 2012. 42 Khoniakina v. Georgia, no. 17767/08, 19 June 2012. 43 Valkov and Others v. Bulgaria, nos. 2033/04, 19125/04, 19475/04, 19490/04, 19495/04, 19497/04, 24729/04, 171/05 and 2041/05, 25 October 2011. 44 Maggio and Others v. Italy, nos. 46286/09, 52851/08, 53727/08, 54486/08 and 56001/08, 31 May 2011. 45 Stummer v. Austria [GC], no. 37452/02, ECHR 2011. 46 Apostolakis v. Greece, no. 39574/07, 22 October 2009. 40
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a compulsory membership of a professional organisation, may also give rise to the legitimate expectation to receive pension benefits at the point of retirement.47 On the other hand, the ECtHR agreed that the conditions for eligibility for pensions may temporarily be more favourable for women than for men in the Czech Republic.48 As for applications against Latvia and Estonia relating to pensions, in the case of Andrejeva v. Latvia, the Court found that the applicant had been discriminated against by the national authorities by their refusal to take periods of employment in the former Soviet Union into account in granting and calculating her a state pension because Ms Andrejeva did not have Latvian citizenship.49 In contrast, on November 4, 2010, in its decision regarding an application lodged by 45 Russian military pensioners Tarkoev and others v. Estonia, the ECtHR held that Estonia had not violated the property rights of the applicants (right to a pension) nor discriminated against them, because the applicants had a different status and were subject to specific rules and therefore their different treatment was justified.50 The Court emphasised that a wide margin of appreciation is usually allowed to a Contracting State when it comes to general measures of economic or social strategy, and took into consideration the specific historical context in which Estonia and the Russian Federation concluded the Agreement concerning the provision of social security guarantees to the retired military personnel of the armed forces of the Russian Federation on the territory of Estonia, and the fact that the military pensioners were aware of the conditions for receipt of an Estonian pension when they stayed in Estonia. The judgment was referred to the Grand Chamber, but the Grand Chamber panel did not accept the judgment for consideration, and the judgment has now become final. With regard to unemployment benefits, in the case of Schuitemaker v. The Netherlands the court held that creation of a social security system is within the competence of the Contracting Parties to the Convention.51 3. The right to housing The Court has derived the right to housing from the right to respect of private life set out in Article 8 ECHR, at times in combination with Article 1 of Protocol 1 to the Convention on the protection of property. As early as 1986 in the case of James and Others v. The United Kingdom, the Court held that the right to housing is a prime social need and that the regulation of the hous47
Klein v. Austria, no. 57028/00, 3 March 2011. Andrle v. the Czech Republic, no. 6268/08, 17 February 2011. 49 Andrejeva v. Latvia [GC], no. 55707/00, ECHR 2009. 50 Tarkoev and Others v. Estonia, nos. 14480/08 and 47916/08, 4 November 2010. 51 Schuitemaker v. The Netherlands, no. 15906/08, 4 May 2010.
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ing market cannot entirely be left to the play of market forces. Instead, the State must retain the right to interfere to ensure social justice in the area of housing.52 Accordingly, the ECtHR approved of domestic legislation aimed at the reduction of rent prices in Austria.53 In a number of applications lodged against Russia, the Court has addressed the lawfulness of eviction. In the case of Gladysheva v. Russia, the Court ordered the Russian authorities to restore the applicant’s title to her flat and to reverse the order for her eviction.54 These cases have often involved eviction arising from people getting caught in the middle of changes arising from transition to a market economy where former social housing has been privatised and the residents have been chased from their homes.55 In other matters as well, such as in analysing an application lodged against the United Kingdom, the Court has stated that a person must be guaranteed the right to contest eviction even if the legal basis for use of the housing may already have expired. This particular case involved the eviction of a Roma from a caravan site.56 According to the case law of the ECtHR, the potential loss of a home is such a significant interference with the inviolability of the home that the right to contest such interference may arise even where the legal basis of use of the home no longer exists. At the same time the Court has reiterated in its case law that Article 8 of the Convention does not as such guarantee the right to be provided with social housing, “although an obligation to secure shelter to particularly vulnerable individuals may flow from Article 8 of the Convention in exceptional cases”.57 The Court has also declared inadmissible an application regarding an alleged violation of the right to property which arose because the national authorities failed to execute a domestic court judgment to evict squatters from buildings in the ownership of the applicants, on the consideration that the squatters were in a helpless and vulnerable situation.58 The Court has held that the national authorities violated the right to respect for family life by placing five children in a child welfare facility for the sole reason that the parents did not have sufficient means to maintain their children, in particular because less radical measures could have been taken to ensure the welfare of the children.59
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James and Others v. the United Kingdom, 21 February 1986, Series A no. 98. Mellacher and Others v. Austria, 19 December 1989, Series A no. 169. 54 Gladysheva v. Russia, no. 7097/10, 6 December 2011. 55 Cf. e. g. Pelipenko v. Russia, no. 69037/10, 2 October 2012. 56 Buckland v. the United Kingdom, no. 40060/08, 18 September 2012. 57 Cf. Yordanova and Others v. Bulgaria, no. 25446/06, 24 April 2012. 58 Société Cofinfo v. France (dec.), no. 23516/08, 12 October 2012. 59 Wallová and Walla v. the Czech Republic, no. 23848/04, § 37 – 46, 26 October 2006.
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With similar reasoning the Civil Chamber of the Supreme Court of Estonia in its order of November 14, 2012 held that the mere fact that the parents were unable to independently cope with managing the day-to-day lives of their family and to raise their children, and the mere fact that the parents did not have sufficient means to maintain the family, did not provide a legal basis to deprive the parents of their custody over their children entirely nor to remove the children from the family.60 4. The right to work With regard to the right to work, the Court has addressed protection against dismissal, in particular against immediate dismissal, and has also resolved the issue of extending or not extending immunity to the employee of an embassy of another State.61 XI. Challenging the Democratic Deficit While focus has been on the possibilities for challenging poverty, as mentioned earlier, crises also have a substantial impact on democracy. The following issues can be highlighted in the case law of the ECtHR relating to protection of the principle of democracy: a) the right to freedom of thought, conscience and religion; b) freedom of expression; c) freedom of association; d) the right to free elections. On March 15, 2012, the Grand Chamber of the ECtHR in its judgment in Sitaropoulos and Giakoumopoulos v. Greece held that the exclusion of Greek citizens resident abroad – whose number is considerable – from the right to vote in parliamentary elections does not violate the ECHR.62 Where a State does however make arrangements to allow for voting abroad, it should provide additional resources for this purpose. In the context of guaranteeing democracy, as a rule, a lack of resources or the need for greater expenditures cannot justify any attempt to sidestep the obligation to provide comprehensive protection of human rights. The ECHR will not allow itself to be influenced by the economic crisis, although in some circumstances the economic situation may play a role when weighing the interests of individuals against those of society as a whole. 60
Order No. 3 – 2-1 – 121 – 12 of the Civil Chamber of the Supreme Court of 14 November 2012, para 16. 61 Cudak v. Lithuania [GC], no. 15869/02, ECHR 2010; Sabeh El Leil v. France [GC], no. 34869/05, 29 June 2011. 62 Sitaropoulos and Giakoumopoulos v. Greece [GC], no. 42202/07, ECHR 2012.
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XII. The Right to Judicial Protection The right to a fair trail (protected under Article 6 ECHR), including the right to access to a court, the right to a fair and public hearing within a reasonable time and to an effective legal remedy is one of the most important rights for the guarantee of fundamental rights and freedoms in actual fact. In addition to the right to access to justice and the right to a fair trial, this right also includes the issue of state fees and the availability and quality of legal assistance. At the same time, the right to a fair trial is in itself a fundamental right. Access to a court must in fact be possible. As with other rights guaranteed by the ECHR, the right to access to a court must not be merely theoretical (on paper, in law), but must be practicable and effective. Yet a fair trail does not end with the decision of the court, rather a fair trail also entails the execution of the decision. It is vital that the decision be executable and executed (executed in full). The Court has held that failure to pay a judgment debt in compliance with a domestic judicial decision constitutes a violation of Article 6 § 1 ECHR and Article 1 of Protocol 1 to the Convention.63 It is clear that damages awarded by a court must bear a reasonable relationship of proportionality to the injury suffered.64 On the other hand the courts may not award disproportionate damages against a plaintiff or convicted person, as a court decision must also be executable in this regard. Thus, the Court held that the rights of a retired journalist were violated by the obligation to pay damages for defamation in an amount that was roughly twenty-five times greater than his pension.65 A separate issue is the size of an award for damages for injury caused by a public authority. For example, in the cases regarding property reform upon German reunification the Court has found that in certain cases, the public interest might outweigh the principle of compensation according to market prices since exceptional situations, such as the reunification of Germany, may justify a broader margin of appreciation for the State during the transition to a new political and economic order.66 Yet such exceptions raise the question of whether the principles relating to extraordinary circumstances and exceptions should also apply to Eastern European states with regard, for example, to cases concerning property reform or the subsequent expropriation of property.67 Moreover, should these principles apply to situations of crisis? How do we define the economic situation of a State in this context and can the ex63
Burdov v. Russia, no. 59498/00, § 37 – 38, ECHR 2002-III, 7 May 2002. Cf. e. g. Tolstoy Miloslavsky v. the United Kingdom, 13 July 1995, § 49, Series A no. 316-B. 65 Koprivica v. Montenegro, no. 41158/09, § 73, 22 November 2011. 66 Cf. e. g. Jahn and Others v. Germany [GC], nos. 46720/99, 72203/01 and 72552/01, ECHR 2005-VI. 67 The ECtHR did not agree with this view in e. g. its Grand Chamber Judgment in Vistin¸sˇ and Perepjolkins v. Latvia [GC], no. 71243/01, 25 October 2012. 64
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istence of public interest always be justified by the welfare of the State? These issues that indirectly relate to the effectiveness of judicial protection will undoubtedly arise in cases before the Court in the future. The right to an effective legal remedy and its scope of protection has continually been expanded by the case law of the ECtHR, for example by requiring that access to a lawyer be provided at increasingly earlier stages of legal proceedings.68 The right to judicial protection, the right to access to a court and the right to a fair trial are among the key issues at this time of economic downturn in Europe. In times of crisis it might be appropriate to ask whether we should begin to move in the opposite direction and start to restrict the scope of protection instead of expanding it. Yet a regression is probably unthinkable, for is it not the guarantee of human rights that will provide the key to overcoming the crisis? While there have been only a few applications against Estonia relating to social fundamental rights (the military pensioners case noted above), applications concerning Article 6 § 1 of the Convention against Estonia (e. g. the quality of defence) have been more numerous and more problematic. The Supreme Court of Estonia has in this regard also examined the issue of excessively high state fees in court proceedings as well as the right to access to a court and to an effective legal remedy. On a few occasions, the Supreme Court has found Estonian legislation to be in conflict with the Constitution.69 While the ECHR does not require that access to justice be completely free of charge, the ECtHR has nevertheless recognised that state fees cannot be so high as to unreasonably obstruct people from bringing a case to court.70 The size of a state fee should not be an obstacle to initiating proceedings, and excessive court fees (e. g. the equivalent of the average annual salary or four times the minimum monthly wage) are manifestly in violation of the Convention.71 In the discussions on reform of the ECtHR there has been talk of establishing court fees for ECtHR proceedings that are currently free of charge and of requiring the participation of representative counsel. To date, the judges of the Court have been against charging fees, and this issue has been omitted from the final documents of the conferences on the future of the Court such as the Brighton Declaration. The same problems are faced throughout Europe in the area of judicial protection: high state fees, inaccessible legal assistance, inadequate alternative dispute resolu68
Salduz v. Turkey [GC], no. 36391/02, ECHR 2008. Cf. e. g. Judgment of the Supreme Court En Banc No. 3-2-1-62-10 of 12 January 2011. 70 Cf. e. g. Mehmet and Suna Yig˘it v. Turkey, no. 52658/99, § 34, 17 July 2007. 71 Ibid, § 38. Cf. in more detail Gustavson, Gea: Juurdepääs õigusemõistmisele Euroopa Inimõiguste Kohtu praktikas, (Access to Justice in the Case Law of the European Court of Human Rights), Tartu: Riigikohtu õigusteabe osakond 2010. Available online at http:// www.riigikohus.ee/vfs/1054/G%20Gustavson_juurdepaas_oigusemoistmisele.pdf (29.05. 2013). 69
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tion mechanisms, inconsistent judicial awards, drastic cuts to the budgets of the judiciary, and a low level of awareness among the population of rights and rights protection.72 These problems and their potential solutions are often closely interrelated. The question of whether the time is ripe and there is sufficient need for more substantial reform becomes inevitable. As far as solutions are concerned, the same idealistic and pragmatic approaches that are more generally addressed above, collide. In matters relating to judicial protection the two opposite approaches are to provide as broad of a guarantee of the right to access to justice and of a legal remedy as is possible on the one end with a desire not to overburden the courts and other judicial bodies with unimportant, trivial and/or futile disputes (at least not in all instances) and to establish more stringent requirements for the admissibility of applications to this end. It would probably be most realistic to find a suitable compromise between these options, while many options, including alternative dispute resolution mechanisms, would not be without their risks. In any case, we must ensure that the protection of human rights is not compromised. Because of its substantial work load, the ECtHR has had to establish internal priorities to help select the applications that must be dealt with first.73 The pilot judgment procedure74 is used to resolve applications relating to similar problems, so-called repetitive cases, and allows for systemic or structural problems to be revealed to a Contracting State. Consultations with third parties and non-governmental organizations are vital to the guarantee of judicial protection, as is the possibility to apply interim measures.75 Over time there have been efforts to render the conditions for admissibility of applications (Articles 34 and 35 ECHR) more stringent. On June 1, 2010 for example, the condition set out in Protocol 14 to the Convention came into force, which requires that the applicant must have suffered a significant disadvantage.76 This criteria has only been used in a few cases to determine admissibility, whereby the disadvantage 72 Cf. e. g. the report by the European Union Agency for Fundamental Rights: Access to Justice in Europe: an overview of challenges and opportunities. March 2011. Available online at http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/1520-report-access-to-justice_EN.pdf (29.05. 2013). 73 Rule 41 in the Rules of Court of the ECHR by which “[i]n determining the order in which cases are to be dealt with, the Court shall have regard to the importance and urgency of the issues raised on the basis of criteria fixed by it …” Available online at http://www.echr.coe.int/Documents/Rules_Court_ENG.pdf (29.05. 2013). 74 Ibid., Rule 61. 75 Cf. also the comparison of the Court of Justice of the European Union and the European Court of Human Rights: S. Carrera/M. De Somer/B. Petkova, The Court of Justice of the European Union as a Fundamental Rights Tribunal. Challenges for the Effective Delivery of Fundamental Rights in the Area of Freedom, Security and Justice. CEPS (Centre for European Policy Studies) Paper in Liberty and Security. Available online at http://www.ceps.eu (29.05. 2013). 76 Article 35(3)(b) ECHR.
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must be measurable both objectively and subjectively, but need not always take the form of proprietary damage. Once it enters into force, the new Protocol 15 to the Convention that was adopted in May 2013 will see the period for lodging an application reduced from the current six months to four.77 Socio-economic rights and situations are thereby related to procedural issues in the proceeding before the ECtHR itself, as are the economic consequences of any specific case for both the applicant and the respondent State. In lodging an application with the Court the applicant must bear in mind that if the application is satisfied and the applicant has requested compensation, the Court must decide on this issue. The question arises as to whether and to what extent awards for damages to the benefit of the applicant should take into account the economic situation within the respondent State, if it is clear that the State would not be able to pay large amounts, regardless of the fact that the Committee of Ministers of the Council of Europe monitors the execution of the judgments of the Court. To what degree is the case law of the Court on the executability of judgments applicable to the Court’s own judgments and their execution? This is undeniably important if not vital for the protection of human rights, but it is also most certainly a sensitive topic. The decisions of the ECtHR are binding, but the Court might not limit itself to an award for damages and might in leading cases make recommendations on how systemic or structural problems should be alleviated in a particular State. These solutions might include, for example, the construction of more prisons to ensure the treatment of prisoners in accordance with ECHR standards. It may happen that a State prefers both politically and economically to pay the compensation awarded in a specific judgment instead of building new prison facilities or taking other measures foreseen in the decisions of the Court. A one-off solution to a structural problem is clearly short-sighted. Such issues need to be resolved systematically if further violations are to be prevented. Two important conclusions were drawn at the annual conference of the European Union Agency for Fundamental Rights in December 2012 that addressed the issue of access to justice in times of austerity. First, despite the economic crisis or because of it, access to justice and the right to effective legal remedy must be increased, however not so much quantitatively as qualitatively. Secondly, it is crucial to ensure that all people, especially vulnerable groups, are aware of their rights.78
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Protocol No. 15 amending the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms. Available online at http://www.conventions.coe.int/Treaty/EN/Treaties/Html/Prot15ECHR.htm (29.05. 2013). 78 FRA Fundamental Rights Conference 2012: Justice in austerity challenges and opportunities for access to justice. Available online at: http://fra.europa.eu/en/speech/2012/closingremarks-fundamental-rights-conference-2012 (29.05. 2013).
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XIII. Fundamental Rights Culture This last conclusion brings me to a topic that is common to disputes concerning poverty, democratic deficit and insufficient judicial protection, particularly considering the views of the ECtHR on the rule of law. This is the topic of a fundamental rights culture. In reality, the need and ability to challenge poverty, democratic deficit and a lack of judicial protection depend on adequate access to information, public debate, awareness raising, a human rights culture, education and training, networks and information exchange. For example, in addition to the case law, the ECtHR has added over 40 fact sheets to its website outlining the most important case law in various areas,79 and there is also separate information available on the case law concerning the different articles of the ECHR. We should definitely consider making this information available also in languages other than the official languages of the Council of Europe (English and French) in the future, as well as to those who do not have access to the Internet. The Court has in cooperation with the European Union Agency for Fundamental Rights already published a Handbook on Equality, which has also been translated into various languages.80 For the ECtHR it is self-evident that it must resolve matters before it through the prism of the rule of law, placing the individual and his or her rights at the forefront. There are after all 800 million potential applicants in the 47 Member States of the Council of Europe! There will surely be a few among them who will endeavour to challenge poverty and a deficit or even lack of democracy and, ultimately, indirectly also of the rule of law in one European state or another. In difficult times this is more likely to be the rule than the exception. The ECtHR is not omnipotent, but together with the courts of the Member States it can make its undeniable contribution to ensuring that the final bastion of protection for human rights in Europe acts in accordance with Europe’s conscience and that, in principle, it would be possible to challenge aspects of poverty, challenge (alleged) violations of democracy and of the rule of law. This of course does not mean that applicants will always be successful, rather much will depend on whether there are certain European minimum standards and how great of a margin of appreciation will be left to the Member States of the Council of Europe. Robert Badinter, a former Minister of Justice and President of the Constitutional Council of France, has said that the ECtHR has made Europe as a continent a beacon for human rights and that European civilization today is what it is thanks to the 79
Available online on the website of the European Court of Human Rights at http:// www.echr.coe.int/ECHR/EN/Header/Press/Information+sheets/Factsheets/ (21.01. 2013). 80 Available online at http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/1510-FRA-CASELAW-HANDBOOK_EN.pdf (29.05. 2013).
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Court.81 It is vital that European civilization remain as such in the future without an inevitable need for the courts to interfere.
81
Dialogue de Strasbourg avec Robert Badinter, 15 March 2011, Council of Europe.
Ein jah|kou für den Staat, k|cor der Demokratie Der Begriff der Verfassung zwischen der Positivität des Rechts und seiner Funktion im Regelsystem der Rechtsordnung Von Gianfranco Longo, Bari I. 1. Das Recht hat sich, in weltgesellschaftlicher und räumlich-zeitlicher Hinsicht verstanden, als ein Emergenzphänomen erwiesen, dass sich teils implizit, teils explizit – in der narrativen Rede und im gesprochenen Wort für den wissenschaftlichen Beobachter identifizierbar und erkennbar – in schriftlich verfassten Texten niederschlägt, deren normative Bedeutung bestimmend wirkt. In den staatlich organisierten Rechtssystemen der Moderne, insbesondere der westlichen Welt, stehen infolgedessen geschriebene (oder auch noch nicht geschriebene) Verfassungen im Fokus der Theorie und Philosophie des Rechts und seiner Anwendung. Einmal abgesehen von diesem Zugang der Allgemeinen Rechtstheorie zum Recht hat sich in der modernen Rechtstheorie im Umgang der Jurisprudenz und der diversen sozialen Handlungswissenschaften mit dem Recht eine Form der inter-, multi- und transdisziplinären Kooperation entwickelt, die Werner Krawietz durch den von ihm so genannten, seit den 1970er Jahren entwickelten Multi-Level-Approach zu erschließen und zu integrieren sucht. Es geht dabei um die juristische Methode, aber auch um die Theorie des Rechts. Der vorliegende Beitrag will im Ausgang von Krawietz’ Multi-Level-Approach to Law auf eine (ganz im Sinne von jq_my!) kritische Reflexion der von ihm verfolgten Mehr-Ebenen-Analyse hinführen, auf eine rechtstheoretische Reflexion1 der Verfassungssouveränität an und für sich, das heißt innerhalb des Politischen, sowie über den Staat als ein die Demokratie organisierendes und bestimmendes Konzept, aus der spezifischen Perspektive der Form und der Elemente in ihrer Diskontinuität: die Demokratie und ihre Anwendungen.
1 Eingehend hierzu jetzt: Werner Krawietz, Rechtskommunikation und normativ-soziale Reflexion im sozietalen Rechtssystem und im Rechtswissenschaftssystem, in: Clemens Jabloner et al. (Hrsg.), Gedenkschrift Robert Walter, Wien 2013, S. 345 – 368, 348 f., 367.
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Die Formkontinuität des Einzelnen (die Demokratie) wird zum Phänomen des Universellen (der Staat), da das Einzelne das Universelle in der Transformation umfasst, nämlich genau das aristotelische jah|kou.2 2. Diese Überlegung verlangt jedoch und setzt voraus eine eingehende Analyse metaphysischer und ontologischer Aspekte des Staates, seiner demokratischen Gesetze und staatlichen Normen: Es handelt sich hier um nicht mehr als eine Miszelle, einen Essay, der die Vielfältigkeit des Vergänglichen und Vergeblichen zu bestimmen sucht, fast schon außerhalb von Geschichte, der fälschlich jede Empirizität und eine alle fachwissenschaftlichen Zugänge überschreitende politik- und gesellschaftstheoretische Interpretation des Gesetzes verweigert wurde. Es geht heute wohl darum, neben diesen Darlegungen der Veränderung des Staates und der Wandlung der Demokratie in ein System von Normen eine Reflexion über deren Legitimität zu erreichen, über den modernen Staat, der seine Verfassung nicht opfern darf, um die Grundrechte zu erneuern und zu retten. 3. Das Gesetz präsentiert sich als ein Betriebssystem zur Verwirklichung der Grundrechte; es führt uns zur Beziehung zwischen dem Inhalt der politischen Werte und der staatlichen Institutionen, und auf der anderen Seite als Verbindung zur politischen Moderne, die die Umsetzung der Verfassung als Realisierung der bürgerlichen Freiheiten und den Schutz der Menschenrechte verlangt. 4. Allerdings findet die Verfassung in eben dieser Diskontinuität ihre dichotomisch-dialektische Eigenart als einerseits begrenzt/kontinuierlich sowie andererseits als diskret/unendlich: Es ist das Paradoxon der Verfassung, das die Unbegrenztheit des Raumes angibt, den sie misst, und der sie doch dazu zwingt, das Maß der Bewegung von all dem wiederzugeben, was jenen spezifischen politischen Raum ausmacht, und ihn in seiner Kontinuität als eine unendliche demokratische Form von Politik bezeichnet; so auch das Bewusstsein des Menschen, in dem sich die Bewegung der Staatswandlungen, in jedem bestimmten Augenblick sammelt, den wir demokratisches Leben nennen und in dem die ontische Existenz des Menschen und seine Würde ihren umfassenden Ausdruck findet. II. 1. Die ontologische Aporie des Politischen: die Existenz des Staates wird wirklich durch das Erlebnis von Verfassung. Im Übrigen scheint sich das Problem der Existenz der Verfassung, das auch der Frage zugrunde liegt, wie sie sich entwickelt und was der Staat ist, zunehmend mit diesem zu überschneiden, um schließlich ganz darin aufzugehen. Der Staat besitzt keine Verfassung, sondern der Staat gibt sich eine Verfassung, als ewige Dauer, Fülle der politischen Demokratie, deren rechtliches Bewusstsein man 2 Grundlegend hierzu: Gianfranco Longo, KATHOLOU. Weltgestalt und Zeitinterpretation, Berlin 2012.
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notgedrungen verliert, gerade, weil sie derart zum Rätsel der Verfassung als Existenz des Staates wird: die Verfassung ist die Ontologie des Staates, die rechtliche Innerlichkeit des Staates, nur wenn das Politische als der Verfassung untergeordnet anerkannt wird.3 2. Dieselbe Aporie ermöglicht es uns, trotz ihrer Unvorstellbarkeit, jene besondere Grenze zu begreifen, die aus Unruhen und Schwierigkeiten resultiert und dabei so wirkt, dass das politische Bewusstsein sich an der Verfassung orientiert, indem es sie als der rechtlichen Natur innewohnend wahrnimmt. Zwischen Staat und Verfassung gibt es demnach einen Zusammenhang, der zwei grundlegende Konzepte ans Licht bringt, Konzepte, die sich auch in grundlegenden theologischen Überlegungen finden: Wenn der Staat unbestreitbar real – da von der Verfassung begründet – ist, er aber das Recht an und für sich ist, so ist die Demokratie dennoch ein Zusammen aus jah|kou und t| a_diom; und die Idee von Verfassung als einer großen, reinen und perfekten Staatsidee, die einen solchen chaotischen Kontext nicht verurteilt, sondern ihn mit unendlicher Intelligo (die s}mesir) entwirrt, und die – obwohl unter dem Politischen leidend, sich aber doch an der Positivität des Rechts erfreuend – jenseits dessen konzipiert wird.4 Welches ist dann das Verhältnis zwischen Verfassung und Staat? Wie bleibt Verfassung außerhalb des Spannungsverhältnisses zwischen Demokratie und Dürftigkeit des Politischen, das unser Europa aller ethischen Entwicklung beraubt hat? III. 1. Im Folgenden geht es mir um Krawietz’ Multi – Level – Approach to Law und die iuris natura naturans. Die Theorie fungiert in seinem Approach5 nicht nur als politisch-philosophische Kategorie, sondern kann sehr wohl als ein festgefügtes soziales System gekennzeichnet werden: die Verfassung wird der Staat in der Zeit des Rechts, und deshalb können Verfassung und Staat, so wie ich es verstehe, in ein und derselben ,Seele‘ der iuris naturae naturantis als naturatae weilen. 3 Siehe Ota Weinberger, Is and Ought Reconsidered. Comment on G. H. von Wright’s Lecture „Is and Ought“, in : Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 70, (1984); ders., Norm und Institution. Eine Einführung in die Theorie des Rechts, Wien 1988, S.122 ff.; ders., The Logic of Norms Founded on Descriptive Language, in: Ratio Juris 4, (1991). 4 Siehe Horst Dreier, Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, Baden-Baden 1986, S.77 ff.; ders., Rechtsbegriff und Rechtsidee. Kants Rechtsbegriff und seine Bedeutung für die gegenwärtige Diskussion, Frankfurt a. M. 1986. Siehe auch Thomas Drosdeck, Die herrschende Meinung. Autorität als Rechtsquelle. Funktionen einer juristischen Argumentationsfigur, Berlin 1989, S. 89 ff. Siehe von Thomas Dunn, Die richtige Verfassung. Ein Beitrag zum Problem des richtigen Rechts, Zürich 1971, S. 102 ff. 5 Siehe Werner Krawietz, Recht als Regelssystem, Wiesbaden 1984, S. 54 – 67; ders., Legal Communication in Modern Law and Legal Systems. A Multi- Level- Approach to the Theory and Philosophy of Law, in: Luc J. Wintgens (Hrsg.), My Philosophy of Law. The Law in Philosophical Perspectives, Dordrecht/Boston 1999, S.69 – 120.
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2. Als Beispiel wurde im 16. Jahrhundert die Entwicklung dieses Konzepts nach Bodin in ein Gesetz gebracht, das die Grundlage und die Garantie des Reiches radikalisierte. Bodin konzipierte seine Gesetze auf den tatsächlichen Schutz und den Erhalt der Souveränität hin. Wie Helmut Quaritsch später dies betreffend gesagt hat6, wird es seit dem Jahr 1576 in Frankreich üblich, dass neben den „leges imperii“, die „lois fondamentales“, die die Unveränderlichkeit dieser Grundsätze gewährleisten, eben diese Unveränderlichkeit, die die Herrscher selbst zu erhalten und zu verteidigen verpflichtet sind, ihren festen Platz behalten. Diesen „lois fondamentales“ kam infolgedessen eine festigende Rolle und Aufgabe auch im Rahmen der Behörden zu: diese Gesetze (leges fundamentales) wurden zur Basis der sie deutenden Rechts- und Staatstheorie und konvergierten später in der Verfassung, die nach der Französischen Revolution ausgerufen wurde. 3. Übrigens ist das, was uns dabei helfen könnte, zwischen einem konzeptuellen und einem transzendenten System zu unterscheiden, genau der Bereich des intelligo, mit dem die Verfassungskontinuität das diskrete Element des Rechts und des Politischen und die Zeit des Staates trennt. Der Multi-Level-Approach to Law von Krawietz impliziert, so wie ich es verstehe, dass die Leitidee von Verfassung an und für sich Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft des Staates als genuin rechtliche Kategorie voraussetzt. Der k|cor der Demokratie bezeichnet nicht nur die Entpolitisierung des europäischen Wirtschafts- und Handelssystems, sondern auch die neue Beliebtheit des Politischen im Allgemeinen. Laut Krawietz lebt die funktional ausdifferenzierte Existenz eines politischen Körpers (political body)7 immer als symbiotisch notwendige rechtliche Voraussetzung, d. h. jenseits des politischen Dualismus und der phagozytierenden Durchdrungenheit der europäischen Wirtschaft in den europäischen Völkern. Im Rechtsdenken als Mehr-Ebenen-Analyse einer legeshierarchischen Verfassungsdeutung gelangt man zu einer möglichen Befreiung des Politischen, verstanden als reine und einzige Parteienwirklichkeit. IV. 1. Im Hinblick auf den rechtstheoretischen Denkansatz von Krawietz geht es mir im Folgenden um dessen Leistungsfähigkeit bei der Analyse der Funktion des Ver-
6 Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1970, S.363. Vgl. ferner: Gianfranco Longo, Dottrina della Sovranità e del Mutamento Costituzionale. Fondamenti di Semantica Storica della Costituzione, Roma 2008, S. 104 ff. Siehe auch: Gottfried Dietze, Kant und der Rechtsstaat, Tübingen 1982, S.96 ff. 7 Hierzu vor allem die begriffsgeschichtlichen Studien zur Körperschafts- und Mitgliedschaftstheorie von: Werner Krawietz, Artikel: Körperschaft, in: Joachim Ritter et al. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, Basel/Stuttgart 1976, Sp. 1101 – 1134, 1114 ff., 1120 et passim.
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fassungsschutzes. Schon Gregor von Toulouse8 formulierte das Konzept von Verfassung, letztere gedeutet als eine Bedarfsnotwendigkeit der Zivilgesellschaft und des Staates, als eine Ordnung, in der – mitgliedschaftstheoretisch gesehen – das Individuum selbst seinen Ort hat, aber auch als Bürger und Mitglied der Gesellschaft seinen Ort besitzt. Aber am Ende des 15. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff Verfassung das Erbe einer Sammlung und Zusammenstellung von Rechtsvorschriften, die die Demokratie des Politischen erlauben und garantieren, d. h. die Gesetzgebung.9 2. Es ist wohl wahr, dass die Komplexität der modernen Welt, kommunikationstheoretisch gesehen, diese zunehmend als eine unteilbare Weltgesellschaft wahrnehmbar macht10 ; doch diese Erfahrung ist oft weit entfernt von der konkreten sozietalen Wirklichkeit einer ausschlieblich autoreferenziellen Politik, die – und dafür sind die italienischen Verhältnisse nur ein Beispiel – in ihren ungelösten internen Problemen und Streitigkeiten befangen ist. Der aktuelle Trend, der vermutlich noch zunehmen wird, lässt eine Reduktion des Sozialen im politischen wie im rechtlichen Niveau erkennen oder, formuliert im Sinne von Krawietz, eine mangelnde normative strukturelle Kopplung der sozietalen Funktionssysteme von Politik und Recht.11 3. Es geht heute darum, den Funktionsprimat souveräner Politik zur Geltung zu bringen. Es erscheint vor allem erforderlich , Verfahren zu finden, die es den Politikern nicht länger erlauben, in einem Notstand zu überleben, der das Volk in tiefstem Elend sieht. Hieraus folgt als ratio constitutionis die Notwendigkeit einer Veränderung der Machtbalance zwischen den streitenden Parteienkräften gegenüber der Kontrolle der Verfassungs- und Rechtssouveränität, um den Schutz und die Garantie der Staatsräson zu gewährleisten. Daraus resultiert, dass die Wirkung souveräner Politik absolut notwendig ist, um die sozialen Ziele, die in der Verfassung garantiert sind, politisch- rechtlich zu verwirklichen.
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Zit. von Heinz Mohnhaupt, Verfassung I, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Stuttgart 1972 – 1992, Bd. VI, S. 837 ff.; Toulouse, in: De Republica, 1, 1 – 13 sagt: „Generaliter et respublica dicetur et accipietur pro statu populi et negotiorum eius. Eoque modo Aristoteles, respublica, inquit, est ordinatio civitatis et circa magistratus alios, et maxime circa id, quod summam incivitate habeat auctoritatem.“ 9 Ders., S. 840. Siehe Thomas von Aquin, De regimine principum, Reclam Stuttgart 1975, S.39 ff. Siehe auch Karl Engisch, Einführung in das juristische Denken, Stuttgart 1971, S. 43 ff.; Johann Eduard Erdmann, Philosophische Vorlesungen über den Staat, Halle 1851, S. 78 – 84; Theodor Eschenburg, Über Autorität, Frankfurt a. M. 1976. 10 Cf. Werner Krawietz, Das positive Recht und seine Funktion, Berlin 1967, S. 23 ff. 11 Werner Krawietz, Ausdifferenzierung des modernen Rechtssystems und normative strukturelle Kopplung – sozietal oder sozial?, in: Georg Peter/Reuß-Markus Krauße (Hrsg.), Selbstbeobachtung der Gesellschaft und die neuen Grenzen des sozialen, Wiesbaden 2012, S. 71 – 102.
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4. Ein rechtlich und politisch erneuerter Verfassungstext liefert damit den k|cor eines politischen Programms und einer rechtlichen Ordnung.12 Diese Tradition, die im 19. Jahrhundert mit der Teilung zwischen „Not- und Verstandesstaat“13 verschwindet, stellte eine Differenzierung dar, die vor allem auf das Problem der Realisierung eines Wohlfahrtsstaats überhaupt verweist, letzterer verstanden als soziale Idee eines Rechts für alle, unter der Voraussetzung der Notwendigkeit, dass die soziale Ordnung in einer souveränen Entscheidung konstituiert wurde, weil der Staat als ethische Idee existiert. 5. Auf diese Weise kann die kollektive Verwirrung durch die Integration von symbolisch generalisierten, gemeinsamen Werten überwunden werden, die in Sprache, Religion, Ethnizität, etc. zum Ausdruck gelangen. In einem berühmten Absatz seiner Philosophie des Rechts zeigt Hegel, wie egoistische Zielsetzungen, d. h. der selbstsüchtige Zweck, zur Gründung eines Systems völliger Abhängigkeit führte. Die direkte Folge, sagt Hegel, besteht darin, zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohlstands für die Einzelnen zu gelangen, so lange ihre Lebensgrundlagen und ihr Wohlbefinden solidarisch miteinander verflochten sind. Dies setzt jedoch voraus, dass das rechtliche Dasein des Individuums als abstrakte Kategorie, und zwar von allen, verteidigt wird. V. 1. Später jedoch als der Schwerpunkt des revolutionären „Idealismus“, der den Aufstieg der Volkssouveränität als rechtliches- und als politisches Prinzip vorsah, erlangte er einen eigenen aporetischen Aspekt gerade im Hinblick auf die allgemeine Rechts- und Staatstheorie. Das geschah als G. W. F. Hegel diesen Begriff in § 279 seiner Grundlinien der Philosophie des Rechts einführte. Er sagte, dass Volkssouveränität nur verstanden werden kann, in Anbetracht der Umstände einer Einheit zwischen Volk und Monarch: „Das Volk, ohne seinen Monarchen und die eben damit notwendig und unmittelbar zusammenhängende Gliederung des Ganzen genommen, ist die formlose Masse, die kein Staat mehr ist und der keine der Bestimmungen, die nur in dem in sich geformten Ganzen vorhanden sind – Souveränität, Regierung, Gerichte, Obrigkeit, Stände und was es sei – mehr zukommt.“ 2. Dieses Hegelsche Ganze wird im Staat formalisiert: derart könnte das Volk selbst die eigene Souveränität wiederfinden, sowie auch den Schutz der demokratischen Legitimität, aber nur, wenn das Volk auf den Willen des Monarchen zurückverwiesen wird. Späterhin stellte die Kelsensche Grundnorm den Willen der Verfassung zwischen dem Sollen des Politischen und dem Werden des Staates dar.
12 Siehe Johann August Eberhard, Über die Rechte der Menschheit in der bürgerlichen Gesellschaft, in: Philos. Magazin 3 (1791). 13 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 183. Siehe auch über Ausnahmezustand und Notstand: Leo Strauss, The Political Philosophy of Thomas Hobbes, its Basis and its Genesis, London 1936, S. 34 – 38.
Ein jah|kou für den Staat, k|cor der Demokratie
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3. Der Rechtsbegriff, gesehen in der Perspektive des Multi- Level-Approach von Werner Krawietz, offenbart die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung von Struktur und Funktion der Verfassung im Rahmen einer allgemeinen Theorie des Rechts. Nur die Rechtssouveränität der Verfassung, hier gedeutet als sozialsystemischer Funktionsprimat des Rechts, begründet in einer bestimmten politischen Lage ein jah|kou für den Staat, und zwar als k|cor der Demokratie: Krawietz’ allgemeine Theorie von Recht und Staat trägt, orientiert an den jeweiligen Verfassungen der staatlich organisierten Rechtssysteme und der systemischen Verfassungs- und Rechtssouveränität zur Einsicht in die normativen strukturellen Kopplungen von Politik und Recht bei und damit zur Zurückeroberung der Würde des Volkes.
Konflikt der Kulturen: Universelle Standards der Menschenrechte und traditionelle Normen der Zivilisationen* Von Elena A. Lukasheva, Moskau „In unserer Epoche gibt es kein akuteres Thema sowohl für das Erkennen als auch für das Leben als das Thema von Kultur und Zivilisation, ihrem Unterschiede und ihrer Wechselbeziehung. Das ist das Thema über das Schicksal, das uns erwartet. Nichts aber beunruhigt den Menschen so sehr wie sein Geschick.“ Nikolaj Berdjaev
1. Der Zugang zu den Kulturen und Zivilisationen und eine zivilisatorisch vergleichende Methode findet immer mehr Anwendung in diversen Bereichen wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie bietet Möglichkeiten, die Tendenzen und Perspektiven der gesellschaftlichen Entwicklung neu zu durchdenken und zu bewerten, die etablierten Stereotype zu überwinden und die Organisation der Welt in ihrer Einheit und Differenziertheit zu betrachten. Die heutige Welt entwickelt sich unter dem Einfluß von zwei Prozessen, der Globalisierung und der Selbstbestimmung der Zivilisationen. Diese Prozesse fließen manchmal gleichmäßig und harmonisch zusammen, wie zwei starke Flüsse, zuweilen sorgen sie jedoch, an steilen Schwellen aufeinander treffend, für turbulente Wirbel, die zu sozialen Kataklysmen führen, die die Menschheit an die Grenze einer Katastrophe bringen können und es auch nicht selten tun. Dies sind die Folgen der Theorien einer ,Ungleichwertigkeit‘ der Zivilisationen, der Überlegenheit der europäischen Kultur, der ,einholenden‘ Zivilisationen, die einräumen, daß das Hauptziel letzterer darin bestehe, die Entwicklungsschritte der europäischen Zivilisation zu wiederholen und ihre Werte bedingungslos anzunehmen. In jüngster Zeit wird die eurozentristische Weltanschauung dank der zivilisatorischen Methode überwunden: diese hebt die Einseitigkeit der Vorstellungen über die Organisation der Welt, über ihre Einpoligkeit und eindimensionale Entwicklung auf und rückt die Einzigartigkeit und Einmaligkeit der Lebensorganisation der Völker unterschiedlicher soziokultureller Gemeinschaften, die bestrebt sind, ihre Identität zu bewahren, in das Zentrum. Gleichzeitig erlaubt diese Methode, die allgemein-menschlichen Errungenschaften zu würdigen, die die Bedingungen für *
Aus dem Russischen übertragen von Dipl.-Jur., Dipl.-Phil. Elena Kantypenko, M.A.
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das Zusammenwirken der Zivilisationen schaffen. Der Dialog hilft nicht nur, andere Systeme des Seins verschiedener Völker und die abweichende Art und Weise ihrer Selbstorganisation zu verstehen, sondern sie auch zu respektieren. Der humanistische Sinn der zivilisatorischen Methode besteht darin, daß sie die Frage nach der Hierarchie der Zivilisationen, über deren Aufstellung nach ihrer Rangstelle und über ihre Aufteilung in progressive und ,hinterherhinkende‘ (cultural lag) aufhebt. In der sich globalisierenden Welt ist dies insofern wichtig, als der Dialog der Zivilisationen abstellt auf Prinzipien der Gleichheit, Partnerschaft, des gegenseitigen Austauschs, der Ächtung einer Unterdrückung von Kulturen durch stärkere Zivilisationen und der Auferlegung von fremden Etalonen, Standards und Werten anderer Zivilisationen, die auf derartige Innovationen nicht vorbereitet sind. Die mit Gewalt aufgedrängten fremden Werte oder unbedacht entlehnten Etalone, die in einer anderen Kultur gediehen sind, tragen keine Früchte auf dem dafür nicht vorbereiteten Boden; sie zerstören die gewohnten gesellschaftlichen Bindungen, desorientieren Menschen und bringen Chaos in die sich etablierende Entwicklung. Das 20. Jahrhundert hat die zerstörerischen Ergebnisse der Versuche der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion gezeigt, mit ihren eigenen Konzepten für staatliche Reorganisation in die traditionell aufgebauten Gesellschaften Afrikas einzudringen. Auch in der heutigen Etappe der Weltentwicklung bleibt der Druck der starken Zivilisationen auf die sich entwickelnden Gemeinschaften beibehalten. Die versteckte andere Seite der Globalisierung ist das Bestreben der hoch entwickelten Länder, die religiösen, kulturellen und moralischen Grundsätze der Zivilisationen zu nivellieren, ihre nationalen Interessen, Normen und Traditionen nachhaltig zu ignorieren und das Bestreben, die Souveränität des Staates einzuschränken und alle Zivilisationsstrukturen an das eurozentrische Modell anzupassen. Es ist sinnvoll, an die Auffassung von Huntington zu erinnern, daß der Westen ein merkwürdiges, fragiles Gebilde ist, dem man keineswegs den Status des Allgemeingültigen für die Menschheit verleihen darf. „Der westliche Entwicklungsweg war nie und wird für 95 % der Bevölkerung der Erde niemals der allgemeine Weg sein. Der Westen ist unikal, jedoch gar nicht universal.“1 Die Gesellschaft muß auf die Aufnahme der für eine Zivilisation neuen Werte anderer Kulturen vorbereitet sein. Die Austausch- und Entlehnungsprozesse finden in der heutigen Welt fortwährend statt, jedoch sollte man sie nicht noch anschieben und mit Nachdruck forcieren, da dies, wie die historische Erfahrung bezeugt, zur „Spaltung“ der Kultur, zum Bruch oder manchmal zum Untergang der Zivilisationen führt (Toynbee). 2. Für das Zusammenwirken der Zivilisationen und den Dialog zwischen ihnen erscheint es notwendig, sich die tragende Konstruktion der „Zivilisation“ vorzu1 Samuel Phillips Huntington, West is Unique and not so Universal, in: Foreign Affairs, Apr. 8., 1996.
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stellen: das normative, soziokulturelle Regulationssystem, das die Religion, die religiös-sittlichen Lehren, das Recht, die Moral, die Politik, Formen der Staatlichkeit, Sitten, Traditionen, Rituale, Etikette und v. a. inkludiert. Die Normativität ist die universelle Eigenschaft der Selbstregulierung jeder Gemeinschaft, eines jeden Systems und jeder Zivilisation. Die Elemente, die in das sozionormative System eingeschlossen sind, wirken dem Chaos und der Willkür entgegen, indem sie auf das Bewußtsein, Verhalten, Handeln der Menschen einwirken und eine bestimmte Ordnung der sozialen Verhältnisse schaffen. Das soziokulturelle System einer jeden Zivilisation enthält den oben erwähnten Katalog der Elemente. Der Inhalt dieser Elemente ist jedoch unterschiedlich, was den sich unterscheidenden Charakter, den „Stil“ der Zivilisationen bestimmt. Der Stil wird durch die allgemeingültigen, in Jahrzehnten etablierten Regeln, Normen, Werte, Bedeutungen und Symbole markiert, die die Einzigartigkeit und Spezifik der Lebensorganisation der Zivilisationen oder „Supersysteme“ wiedergeben und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Der soziokulturelle Komplex erlaubt, die Kultur als einen allumfassenden Begriff aller komplizierten Erscheinungsformen und des Zusammenwirkens der sie bildenden Elemente zu betrachten: a) System der Normen, Etalone, Werte, Symbole; b) Handeln der Menschen, das durch diese Normative geregelt und selbst organisiert wird; c) Gegenstände und Objekte des Seins als Ergebnisse dieses Handelns. Der Polyformismus als Lehre von der Mannigfaltigkeit der Kulturen, deren Fähigkeit, auf äußere Herausforderungen und auf die Bedürfnisse ihrer inneren Organisation zu reagieren, macht es möglich, die innere Bewegung der soziokulturellen Systeme zu beobachten und die wichtigsten Richtungen und Prinzipien des Zusammenwirkens der Kulturen und Zivilisationen zu bestimmen. Die Direktiven, Normativen und Werte, die sich durch die Jahrhunderte etablierten und die „tragende Konstruktion“ der Zivilisation bilden, sind stabil, sie tragen zum Erhalt des Zivilisationserbes bei und werden von Generation zu Generation weitergegeben. V.S. Stepin bezeichnet den Mechanismus der Vererbung von universellen Werten als kulturell-genetischen Code des jeweiligen Typus der Sozialität und die „Mutationen des genetischen Apparats von sozialen Organismen als Veränderungen der weltanschaulichen Universalien der Kultur“.2 Seiner Auffassung nach handelt es sich um ein System von Sitten, Traditionen, Gewohnheiten, Handelsarten, Vorschriften, Wissen, die eine Kultur aufbewahrt. Dieser kompliziert
2 V. S. Stepin, Filosofija i civilizacija [Philosophie und Zivilisation], in: Cˇelovek, nauka, civilizacija [Mensch, Wissenschaft, Zivilisation], Moskau, 2004, S. 76 – 77.
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organisierte Satz von Programmen existiert nur dank der besonderen Struktur, die als eine Art von Gen des sozialen Lebens3 fungiert. Neben den stabilen Komponenten der Kultur, die nur schwer Veränderungen und Mutationen unterliegen (Religion, Traditionen, Sitten, Glaube, Bräuche), gibt es in der Kultur auch dynamische Elemente, die im Prozeß des Zusammenwirkens mit anderen Zivilisationen die zweckmäßigen, nützlichen Normative, die sich bei ihrer Anwendung bewährt haben, freiwillig adoptieren. Zu diesen sollte man das Recht, einige politische Normativitäten, Errungenschaften der Wissenschaft, Kunstwerke etc. zählen. Im letzten Jahrhundert entstanden die Informatik und die modernen Technologien. Es begann eine neue Etappe der Wissenschaftsentwicklung. Diese Komponenten der Kultur eignen sich, entlehnt, adoptiert und in die Struktur der zuvor existierenden Kultur eingeführt zu werden. Eine Modernisierung des kulturell-historischen Typus findet statt. Jedoch ist eine derartige Entlehnung nur für die „offenen Zivilisationen“ charakteristisch. Auch in der heutigen Welt, insbesondere in der Vergangenheit, gibt es geschlossene Zivilisationen, die sich über eine längere Zeit den Innovationen jedweder Art gegenüber – sowohl kulturellen, wissenschaftlichen, aber auch technischen – feindlich verhalten. Als Beispiel dienen die altchinesische und die altindische Zivilisation. Neben den stabilen (traditionellen) und dynamischen (aufnehmenden) Normensystemen gibt es auch Normative, die zwangsläufig aufgedrängt werden, (wie es der Fall ist bei der kolonialen Abhängigkeit eines Staates). Oft werden fremde Elemente des soziokulturellen Systems in das eigene System der sozionormativen Regulation durch Gruppen der Elite, der führenden Persönlichkeiten, der Wissenschaft oder des Ethnos aufgenommen. Eine derartige Situation fügt der Integrität der Kultur einen enormen Schaden zu, führt zur Dissonanz ihrer Komponenten und nicht selten zum Untergang der Zivilisation. A. J. Toynbee schreibt: „Die Elemente der Kultur, die völlig harmlos und sogar wohltuend für den eigenen Boden sind, können gefährlich und zerstörerisch im fremden sozialen Kontext werden. Andererseits, sobald sich die fremden Elemente in ihrer neuen Umgebung etabliert haben, haben sie die Tendenz, andere Elemente ihrer eigenen Kultur anzuziehen.“ Als Beispiel nennt A. J. Toynbee die Einführung des westlichen Instituts der demokratischen Regierung in die Afrikanische Welt. Dieser Prozeß erwies sich als ziemlich zerstörerisch. Die Einführung von fremden Entlehnungen hätte man auf ein Minimum reduzieren können; man hätte schrittweise vorgehen, die existierende Situation richtig einschätzen, die Traditionen und das gesellschaftliche Bewußtsein des Volkes berücksichtigen können bei den Versuchen, die fremdkulturellen Elemente einzuführen.4
3
Stepin, ebd. A. J. Toynbee, Civilizacija pered sudom istorii [Zivilisation vor dem Gericht der Geschichte], Moskau, 2003. 4
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In der heutigen Welt fällt es verschiedenen Zivilisationen schwer, dem Andrang der westlichen Kultur, insbesondere der amerikanischen Kultur, die aggressiv in alle Regionen der Welt eindringt, zu widerstehen. Jedoch fechten stabile, bestehende Elemente der Hauptzivilisationen, die eine jahrtausendlange (chinesische, indische, islamische) Geschichte haben, für die Grundsätze ihrer Zivilisation und lehnen kulturelle Innovationen ab, die in der Lage wären, die Stabilität und Kongruenz der wichtigen Elemente der Kultur ins Wanken zu bringen. In der Epoche der Globalisierung, wenn die Kommunikation aller Länder, Völker und Zivilisationen miteinander unvermeidlich ist, wenn neben der freiwilligen Übernahme von wahrnehmbaren kulturellen Werten anderer Zivilisationen ein grobes gewaltsames Eindringen von europäisch-amerikanischen Standards in eine andere soziokulturelle Umgebung stattfindet, ist der Widerstand der Zivilisationen eine natürliche Reaktion auf diesen gewaltigen Druck. Man sollte die Prophezeihungen von Huntington nicht mißachten, nach denen das 21. Jahrhundert dazu verdammt ist, die Epoche der religiösen Kriege und der interzivilisatorischen Konflikte5 zu werden. Heute findet die Schlußfolgerung von Immanuel Wallerstein ihre Bestätigung, daß ein wechselseitiger Druck der Zivilisationen aufeinander stattfindet, bei dem jede Zivilisation bestrebt sei, die Herrschaft in der Welt zu erlangen. 3. Im Lichte der zivilisatorischen Methode kommt dem Thema der Menschenrechte ein besonderes Interesse zu. Die Menschenrechte sind harmonisch in die sozialen Verhältnisse eingeflochten. Sie stellen die Art und Weise des Zusammenwirkens des Menschen und der Gesellschaft, des Staates, anderer Menschen, des Ordnens ihrer Verhältnisse miteinander, der Koordination ihres Handelns und ihrer Taten dar, die objektiv die für das normale Funktionieren des Individuums, der Gesellschaft und des Staates notwendige Bedingungen und Besonderheiten der Lebensführung formuliert. Die Menschenrechte bestimmen das Maß der Freiheit des Menschen. Solche Rechte, wie das Recht auf Leben, Würde, Unantastbarkeit der Persönlichkeit, Gewissensfreiheit, das Recht auf Meinungsfreiheit und auf Meinungsäußerung, auf Autonomie des Privatlebens u. a. sind die wichtigsten Bedingungen des menschlichen Lebens in der Gesellschaft und müssen vom Staat anerkannt und geschützt werden. Der geltende internationale Katalog der Menschenrechte wurde durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 ausgerufen. Diese Erklärung verwirklichte alle großen Errungenschaften des humanitären Denkens, die, basiert auf europäischen Werten, allgemeine Gültigkeit für die Menschen in der heutigen Welt erlangten. Die Rechte und Freiheiten des Menschen, die in der Allgemeinen Erklärung formuliert sind, fanden ihre weitere Entwicklung und Bereicherung in anderen international geltenden Rechtsakten zu Menschenrechten. Diese erhielten 5 Samuel Phillips Huntington, Stolknovenie civizazij [Crush of civilizations], in: Polis, Nr. 1, 1994, S. 33.
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ohne Ausnahmen den Status universeller Rechte und wurden als Axiome aufgenommen. Mehr als 90 nationale Verfassungen, die nach 1948 verabschiedet wurden, enthielten eine Liste der fundamentalen Rechte, die die Bestimmungen der Allgemeinen Erklärung wiedergeben oder an sie angelehnt worden waren. Die unterzeichnenden Staaten äußerten die Bereitschaft, den Normen der Erklärung zu folgen. Nach einiger Zeit wurde es jedoch klar, daß das, was für das europäische Denken, das die besten Ideale des politischen und rechtlichen Denkens des europäischen Kontinents in sich aufgenommen hatte, selbstverständlich war, nur sehr schwer von den Völkern anderer Zivilisationen aufgenommen wurde. Die Realisierung dieser Rechte stellte sich für die Staaten, die bereits bei ihrer kolonialen Abhängigkeit den Druck anderer Zivilisationen erfuhren, als ein ziemlich komplizierter Prozeß dar. Noch verwickelter wurde es für die Zivilisationen mit jahrtausendlanger Geschichte, eigenständiger Kultur und spezifischer Mentalität. In der Mitte des 20. Jh. war es schwer, anzunehmen, daß die Kopplung von unterschiedlichen Rechtskulturen, Traditionen und Bräuchen eine dermaßen schwierige und langwierige Sache sein wird, die nicht automatisch durch die Fixierung in der Gesetzgebung oder durch Verkünden von Standards, die in der Unabhängigkeitserklärung der USA (1776) „selbstverständliche Wahrheiten“ genannt wurden, gelöst werden kann: alle Menschen sind gleich und wurden von Gott mit bestimmten unveräußerlichen Werten beschert, zu denen das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Die zivilisatorische Methode läßt erkennen, daß auch andere Zivilisationen über „selbstverständliche Wahrheiten“ verfügen und daß diese Werte den europäischen nicht immer entsprechen. Jahrhunderte lang verankert im Bewußtsein der Völker, von Generation zu Generation weitergegeben, bilden sie ein Hindernis für die bedingungslose Annahme und Realisierung von Menschenrechten, die in den internationalen Rechtsdokumenten erklärt wurden, trotz ihrer Aufnahme durch die nationale Gesetzgebung. Eine Erklärung dafür ist in der unzertrennbaren Verbindung des Inhalts der Menschenrechte und ihres Systems mit anderen normativen Regulatoren – Religion, Moral, Bräuchen, Traditionen sowie den höchsten Werten zu erblicken, die einem bestimmten Zivilisations- und kulturell-historischen Typus eigen sind. Diese werden bestimmt durch das Bild des Menschen und der Welt, in der sich der Mensch entwickelt. Die Welt ist pluralistisch und besteht aus einer Vielzahl von miteinander konkurrierenden Modellen der Welt des Menschen, die sich im System der Werte jeder Zivilisationsgemeinschaft zum Ausdruck bringen. Der Mensch ist das Erzeugnis seiner Welt, er ist erzogen in einem normativen System, das seit Jahrhunderten existiert. Der sozial-genetische Code überträgt die Werte dieser Welt von Generation zur Generation. Deshalb hielten die Zivilisationen, insbesondere alte Zivilisationen, die Kontinuität für die wichtigste Bedingung ihres Selbsterhalts und nahmen
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kulturelle Innovationen nur mit großer Vorsicht auf. Dies ist vor allem für die Zivilisationen charakteristisch, deren rechtliche Regulierung auf einer Religion (islamische Zivilisation) basierte. In den ältesten Zivilisationen (China, Indien) waren die rechtlichen Bestimmungen nicht aus den philosophisch-ethischen Lehren wegzudenken, die die „tragende Konstruktion“ der erwähnten Zivilisationen sind. Diese Werte bestimmen die Stellung des Menschen in der Gesellschaft – das Maß seiner Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, die seiner Weltauffassung entsprechen. Aus diesem Grund benötigt die Bevölkerung anderer soziokultureller Formationen Zeit dafür, um die jahrhundertalten Vorschriften und Traditionen abzulegen. 4. Wie oben bereits erwähnt, haben die meisten Staaten, die verschiedenen Zivilisationen angehören, die europäischen Standards der Rechte und Freiheiten des Menschen angenommen, die durch die Allgemeine Erklärung über Menschenrechte verkündet worden waren. Ihre Realisierung in den Ländern, die zu anderen Zivilisationen gehören, stößt jedoch auf wenig Verständnis und Anerkennung, so daß die Bevölkerung dieser Länder (insbesondere in den ländlichen Gegenden) weiterhin nach den jahrhundertealten Traditionen und Vorschriften lebt. Es ist kein Zufall, daß nach der Verabschiedung von universellen internationalen Akten über die Menschenrechte und mit der Entwicklung von Prozessen der Globalisierung ein anderer Prozeß begann – der Prozeß der Regionalisierung, d. h. der Entwicklung von Standards und Mechanismen, die die Menschenrechte im Hinblick auf die kulturellen, historischen Besonderheiten und Traditionen einer konkreten Region schützen sollen. Der größte Teil von regionalen Dokumenten wiederholt den Hauptsatz der Rechte und Freiheiten, der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den internationalen Pakten enthalten ist. In einer Reihe von derartigen Dokumenten finden sich die grundlegenden Prinzipien wieder, auf denen das System der Menschenrechte basiert, unter Betonung der besonderen Bedeutung eigener Traditionen und Werte. Das erste regionale Dokument war die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, verabschiedet am 4. November 1950 (in Kraft getreten am 3. September 1953). In der Präambel zur Konvention wird betont, daß die Regierungen europäischer Staaten, die vom gleichen Geist beseelt sind und ein gemeinsames Erbe an politischen Überlieferungen, Idealen, Achtung der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit besitzen, die ersten Schritte auf dem Weg zu einer kollektiven Garantie bestimmter in der Allgemeinen Erklärung aufgeführter Rechte unternehmen. Das europäische Erbe enthielt den ganzen Satz der universellen Rechte und Freiheiten des Menschen. Im Jahre 1969 wurde die Amerikanische Menschenrechtskonvention verkündet. Sie bestätigt ebenfalls auf ihrer Halbkugel der Erde das Bestreben, im Rahmen der demokratischen Institute die Freiheit der Persönlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit, die auf die Achtung der Menschenrechte zurückgehen.
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Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 26. Juni 1981 unterstreicht die Würde der historischen Traditionen und Werte der afrikanischen Zivilisation, die ihren Ausdruck in der Entwicklung und im Inhalt der Konzeption der Menschenrechte und Rechte der Völker finden sollen. Die Islamische Erklärung der Menschenrechte wurde 1990 verkündet. 1999 wurde die Arabische Charta der Menschenrechte durch die Arabische Liga beschlossen. Die Texte dieser regionalen Dokumente heben die Bedeutung von Erbe und historischen Traditionen hervor, die in den internationalen Rechtsdokumenten enthalten sind. Die Loyalität zu den Traditionen und Werten der eigenen Zivilisation erlaubt eine andere Auslegung der Normen über die Menschenrechte. Dies wird besonders aus der Islamischen Erklärung deutlich, die sich auf „die religiöse Lehre über den absoluten Monotheismus, die das Fundament der arabischen Welt ist“, stützt. Sie hebt die zivilisationshistorische Rolle der islamischen Gemeinschaft hervor, die von Allah als die beste von allen Gemeinschaften geschaffen wurde und die eine weltweit balancierte Kultur an die Menschheit vererbt. Sie vereint das Weltliche mit dem Jenseits und das Wissen mit dem Glauben, aber birgt auch Hinweise darauf, welche Aufgabe diese arabische Gemeinschaft haben soll, um der Menschheit, die sich zwischen den konkurrierenden Konzeptionen und anderen Irrwegen bewegt, den richtigen Weg aufzuzeigen und die Lösung für die chronischen Probleme der materialistischen Zivilisation zu finden. In den zitierten Texten wird die Bedeutung des Erbes der politischen und geistigen Traditionen und deren „zivilisationshistorische“ Rolle hervorgehoben. Während in der Europäischen Erklärung und Amerikanischen Konvention das geistige Erbe das Wesen und den Charakter der Rechte bestimmt, die in der Allgemeinen Erklärung verkündet werden, so werden diese Rechte in der Afrikanischen Charta und umso mehr in der Islamischen Erklärung in Zusammenhang mit den Besonderheiten der Rechtskultur dieser Zivilisationen gebracht. 5. Nach der Entkolonialisierung der Länder entwickelte sich im Westen eine Theorie sozialer „Entwicklung“ und des „sozialen Wandels“. Ziel dieser Theorie war die Suche nach einem neuen Modell der Nutzung von Rohstoffen und der billigen Arbeitskraft ehemaliger Kolonien. Sie unterstreicht die Notwendigkeit der Modernisierung der befreiten Staaten nach den Schablonen des Westens als den universellen Weg für die Entwicklung der Menschheit. Einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Theorie der Modernisierung leisteten insbesondere Edward Shils, Talcott Parsons und Shmuel Eisenstadt, die den Prozreß der Weltentwicklung als einen unumgänglichen Weg der Entwicklung von traditionsgeprägten Gesellschaften zu modernen Gesellschaften betrachteten, die auf den Ideen der Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit gründen.6 6 A. G. Belskij, Krizis zapadnocentristkich koncepcij „modernizacii“ I „sociologii razvitija“ [Die Krise der westzentrischen Konzeptionen der „Modernisierung“ und der „Soziologie der Entwicklung“], in: Issledovanija sociologicˇeckich problem razvivajusˇcˇichsja stran
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Die Ideologen dieser theoretischen Richtung haben die tiefe Verwurzelung der religiös-sittlichen Lehren, der historisch bedingten Traditionen, Bräuche, Rituale, die zum Zeitpunkt der Annahme der westlichen Rechtsstandards nicht überwunden werden konnten, nicht berücksichtigt. Die Nichtanerkennung von gesetzgeberischen Normen durch die Bevölkerung, die Resistenz gegenüber den neuen Standards des Verhaltens wurden als niedrige Entwicklung und Primitivität ihres Bewußtseins verstanden. Ignoriert wurde dabei die jahrtausendlange Geschichte soziokultureller Gemeinschaften, die auf anderen Begriffen, Prinzipien und Standards der Lebensführung basiert. Später wurde klar, daß die Unilinearität der gesellschaftlichen Entwicklung und das Bestreben, die Vielfalt der Welt in das eurozentrische Modell hineinzupressen, ohne Perspektive sind. Die Untersuchung der Gründe, die das hartnäckige Befolgen der Werte und Traditionen ganzer Völker in einer Reihe von Zivilisationen bestimmen, stellt demgegenüber einen gesetzmäßigen Prozeß dar, der mit dem Streben danach verbunden ist, die eigene Identität und Lebensweise zu erhalten. Das Problem der Assimilation von innovativen Normen und Standards sollte man sukzessive und vorsichtig angehen, ohne den Menschen eigene Vorstellungen aufzudrängen, die sich unter ganz anderen Bedingungen und in ganz anderen Systemen sozionormativer Regulierung entwickelt haben. Die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit von Innovationen, insbesondere von internationalen Rechtsstandards der Menschenrechte, werden mit der Zeit begriffen. Jedoch erbringt das beschleunigte Aufdrängen von überflüssigen Standards auf nicht vorbereitetem Boden keinen grünen Zweig. 6. Die Frage nach dem „Nicht-Einleben“ von westlichen Standards in anderen Zivilisationen steht weltweit seit langem im Fokus der Aufmerksamkeit von Forschern verschiedener Länder. Dieses Problem wird sowohl von Gelehrten der europäischen Zivilisation als auch von Gelehrten anderer Zivilisationen untersucht. Der russische Gelehrte Moiseev, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, lehnt die „Universalisierung“ der Menschenrechte als für die ganze Bevölkerung des Planeten geeignete ab. Dies sei, seiner Meinung nach, die gleiche Illusion wie die Vorstellung der Möglichkeit einer eindeutigen Interpretation des „Guten“. Der Versuch, den Begriff der Menschenrechte zu vereinheitlichen, spricht lediglich für die Unreife der Zivilisation unseres Planeten oder besser gesagt, unserer Zivilisation, die den allgemeinen Prozeß der Selbstorganisation, durch den die Entwicklung der Gesellschaft bestimmt wird, nicht begreift. Die Möglichkeit einer globalen Standardisierung der Menschenrechte ist ausgeschlossen, da sie den Charakter der Zivilisation, in der der Mensch erzogen worden ist, und die Tausende von Generationen, die diese Lebensregeln als durch
[Untersuchungen soziologischer Probleme der Entwicklungsländer], Moskau 1978, S. 219 – 235.
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ihre Umwelt bestimmte Lebensbedingungen übernommen hatten, nicht berücksichtigt.7 Der amerikanische Rechtswissenschaftler, H.J. Berman, bemerkt, daß der Mensch des Westens in der Vergangenheit sein Gesetz in der ganzen Welt verbreitet hat. Unter den heutigen Umständen bietet jedoch der Mensch des Ostens und des Südens andere Alternativen an. „Der Westen selbst geriet in Zweifel über die universelle Geeignetheit seiner eigenen Vorstellungen über das Recht, insbesondere für die nicht-westlichen Kulturen.“8 Es genügt, zu sagen, daß sich der für die europäischen Standards der Menschenrechte wichtige Ausgangsbegriff der Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit von dem der islamischen Welt, der chinesischen, indischen und afrikanischen Zivilisationen unterscheidet. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Auslegung der Menschenrechte, die unter dem Einfluß von internationalen Rechtsstandards der Menschenrechte stehen. Die offizielle Macht, die einflußreichen Kreise der Gesellschaft, die staatlichen Strukturen sind sich der Unannehmbarkeit und fehlenden Humanität einer Reihe von Traditionen bewußt, die in der jeweiligen Kultur verankert sind. Das Rechtsbewußtsein des Volkes kann in kürzester Zeit nicht umorientiert oder mit neuen Prinzipien, die die alten Traditionen ersetzen, angereichert werden. Westliche Gelehrte, wie D. Trubek, M. Galanter und andere, hoben mit ihrer Kritik einer Theorie der „Modernisierung“ und des „rechtlichen Legalismus“ hervor, daß die Implementierung von Rechtsinstituten des Westens in den postkolonialen Ländern kaum effektiv sei, da die Zerstörung von Traditionen ein Chaos in die etablierten sozialen Verhältnisse bringe. „Das Beispiel Indiens veranlaßte die westlichen Theoretiker der postkolonialen Modernisierung, ihre Auffassung neu zu orientieren. Sie wurden gezwungen, die Fehlerhaftigkeit eines linearen Verfahrens, die nur stufenweise mögliche Veränderung der Systeme in sogen. Übergangsgesellschaften anzuerkennen und auf die Wichtigkeit der traditionellen Elemente sowie auf die diversen internationalen Faktoren bei der Herausbildung von Übergangsregimen zu achten.“9
In den Jahren, die nach der Verabschiedung von internationalen Rechtsakten über Menschenrechte folgten, fand sowohl in der gesetzgeberischen Praxis als auch im Rechtsbewußtsein und in der Moral der Völker sowie der soziokulturellen Gemeinschaften eine Transformation, eine Neubewertung der Bedeutung vieler Bräuche und Traditionen statt, die der physischen oder psychischen Gesundheit des 7 N. N. Moiseev, @dcm aQXd]Q Sud’ba civilizacii. Put‘ razuma [Das Schicksal der Zivilisation. Der Weg der Vernunft], Moskau, 1998, S. 104 – 109, 152. 8 Harold J. Berman, Zapadnja tradicija prava: epocha formirovanija [Die westliche Tradition des Rechts: die Epoche der Entwicklung], Moskau, 1994, S. 48. 9 N. A. Krasˇeninnikova, Pravovaja kul’tura sovremennoj Indii. Innovacionnye i tradicionnye cˇerty [Rechtskultur im heutigen Indien. Innovative und traditionelle Züge], Moskau 2009, S. 128 – 129.
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Menschen Schaden bringen können. In der heutigen Welt spricht man über die Notwendigkeit, die traditionellen Werte zu wahren, die der Gesetzgebung und der allgemein menschlichen Sittlichkeit nicht widersprechen, über die Ablehnung von Traditionen antihumaner Natur, über die schrittweise Herausbildung des Rechtsbewußtseins der Gesellschaft, das die universellen Standards der Menschenrechte aufnimmt. Sie stehen für die freie Wahl, Befreiung von orthodoxen Bestimmungen der Religion und religiösen Lehren und für eine normale Lebensführung des Menschen und des Volkes. Dieser Weg ist noch nicht zu Ende gegangen. Es wird noch eine lange Zeit dauern, bis Menschen und Gemeinschaften den Rechtsraum der universellen Werte betreten können. 7. Eines der wichtigsten universellen Prinzipien der europäischen Konzeption der Menschenrechte ist die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Natürlich konnte dieses Prinzip in den Verfassungen der Nachkriegszeit im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung und der Internationalen Pakte über die Menschenrechte nicht unberücksichtigt bleiben. Jedoch konnten, trotz der zielgerichteten Politik des unabhängigen Staates Indien, die universellen Standards das System der Werte der Gesellschaft und deren soziale Struktur nicht radikal ändern und die Varna-Kastenorganisation, die auf Ungleichheit gegründet ist, nicht zum Verschwinden bringen. Die Verfassung Indiens von 1950 beinhaltet einen speziellen Abschnitt „Recht auf Gleichheit“, der das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz und das Verbot der Diskriminierung aufgrund beliebiger Merkmale, Gleichheit der Chancen bei der Einstellung zur Arbeit im staatlichen Dienst oder in Unternehmen, Abschaffung von Titeln u. a. bekräftigt. Die wichtigste Bestimmung dieses Abschnitts ist das Verbot der „Unberührbarkeit“. Diese Bestimmungen der Verfassung wurden durch das Gesetz „Über die Verbrechen in Bezug auf Unberührbarkeit“ (1955) konkretisiert, das den Kampf gegen Diskriminierung der unteren Kasten vorsah. Dennoch schaffte die Verfassung die hierarchischen gemeinschaftlich-kollektiven Grundlagen der indischen Gesellschaft nicht ab, das Kastenwesen wurde beibehalten, ohne die traditionellen gemeinschaftlichen Verhältnisse, die auf dem außerwirtschaftlichen Zwang vor allem der „Unberührbaren“ basieren, zu liquidieren. Faktisch bleibt in diesem Land auch die Ungleichheit der Frauen trotz staatlich veranlaßter gesetzgeberischer Akte, die diese Gegebenheit zu bekämpfen suchten, erhalten. Die gegebene Situation kann dadurch erklärt werden, daß eine der Hauptideen der philosophisch-religiösen Lehre, auf die sich die Zivilisation Indiens stützt, die Idee der Hierarchie ist, die durch das System der Kasten, d. h. der vererbbaren Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe mit ihren Unterschieden und Wechselwirkungen, zum Ausdruck kommt. Die Beständigkeit dieser Hierarchie ist durch drei
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Faktoren bedingt: Statustradition, detaillierte Regeln, die die genaue Trennung garantieren, Arbeitsteilung durch gegenseitige Abhängigkeit.10 Während das europäische Denken durch die allmählich herausgebildete Idee der Gleichheit, die größtenteils aus der christlichen Auffassung stammte, geprägt war, so erklärte der Hinduismus die Ungleichheit von Status für heilig, deren äußerste Erscheinungsform die Lage der Unberührbaren und des Umgangs mit ihnen war. Dies ist einer der Gründe, warum das traditionelle Recht während der kolonialen Abhängigkeit Widerstand erfahren hat und die Widersprüche auch im heutigen Indien nicht bewältigt sind. N.A. Krasˇeninnikova, die das Verhältnis zwischen Traditionalismus und Innovationen in Indien untersucht, deckt die tiefen Wurzeln von Beständigkeit und Widersprüchlichkeit der indischen Rechtskultur auf.11 In diesem Lande gelten die offizielle Gesetzgebung und traditionelle, tief verwurzelte Normen, die aus den religiös-sittlichen Lehren hervorgehen und parallel zueinander das Leben des Hindu durchdringen. Neben der Gesetzgebung des Staates existieren vielfältige Subsysteme des religiösen Rechts, Bräuche, Traditionen einzelner Territorien, Gemeinschaften und Kasten. Letztere behalten ihre Beständigkeit trotz der gesetzgeberischen Maßnahmen, die auf ihre Abschaffung gerichtet sind. Der Kampf gegen alte barbarische Traditionen, wie etwa Menschenopfer, Sati (Witwenverbrennungen), Eheschließungen unter Kindern, Verbot der Wiederverheiratung von Hindu-Frauen, Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Kasten, geht auf die Zeit der europäischen Aufklärer am Anfang des 19. Jh. zurück. Diese Tendenz, die auf Ausrottung von schädigenden Traditionen gerichtet war, wurde von der kolonialen Macht in Indien weiterhin verfolgt. Das Gesetz, das Sati verbot, wurde schon 1829 verabschiedet; der Akt von 1856 bekräftigte die Gesetzlichkeit der Ehen minderjähriger Witwen; das Gesetz von 1878 legte das minimale Alter für die Ehefähigkeit: 14 Jahre für Frauen und 18 für Männer fest (dieses Gesetz war weniger effektiv, da nicht nur Hindus, sondern auch Muslime und Buddhisten Ehen, geschlossen zwischen Kindern, begrüßten). Nach der Erlangung der Unabhängigkeit Indiens wurde eine Reihe von gesetzgeberischen Akten verabschiedet, um die schädigenden Traditionen zu überwinden: mit dem Gesetz von 2007 wurden ein Verbot für Kinderehen und Sanktionen für die schuldigen Personen im Falle einer Kinderehe verhängt; das Gesetz von 1987 über die Abschaffung von Sati, das eine Todesstrafe oder eine lebenslange Haft für das Anheuern zu dieser barbarischen Tat vorsieht, die in einer Reihe von Regionen bis Ende des 19. Jh. gang und gebe war. Dabei errichtete man an den Stellen der Witwenverbrennungen Tempel, die Symbol der Verehrung und Verherrlichung N. Cˇoudhuri, Induizm – religija, kotoroj zˇivut [Hinduismus – eine Religion, die gelebt wird], in: Sravnitel’noe uzucˇenie civilizacij [Vergleichende Studien über Zivilisationen], Moskau 2001, S. 374. 11 Krasˇeninnikova, ebd., S. 281 – 287. 10
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dieses Rituals wurden. Die orthodoxen Hindus versuchten, die Tradition trotz strenger Sanktionen, die durch die Gesetzgebung festgelegt waren, zu bewahren.12 Dieses Beispiel macht das kontinuierliche Bestreben der Fundamentalisten, jahrhundertealte Bräuche und Traditionen zu bewahren, exemplarisch. Sie verletzen eines der wichtigsten Menschenrechte – das Recht auf Leben. Dennoch wird das „Nicht-Einleben“ von europäischen Standards der Menschenrechte in den Konzeptionen gerechtfertigt, nach denen entscheidenden Einfluß nicht die normativjuristischen Vorschriften, sondern die im Laufe der Geschichte gebildete Lebensweise sowie das System der Werte und Normen Tradition haben. Diese theoretische Richtung äußerte in seinen Werken der indische Rechtsphilosoph Suraya Prakash Sinha, was schon die Titel seiner Arbeiten verraten: „Menschenrechte: nichtwestliche Sicht“; „Der mißlungene erste Schritt der Menschenrechte“. Eine von seinen Arbeiten, in der er bemerkt, daß das Recht in den westlichen Zivilisationen als Resultat historischer Bedingungen entstanden ist, heißt „Die Nichtuniversalität der Menschenrechte“. Andere Zivilisationen, die ihren Weg der historischen Entwicklung durchlaufen haben, schufen ihre Werte, die die „tugendhafte Lebensweise“ bestimmen und die keine Rechtswerte sind. Wie er erwähnt, habe die Geschichte der Welt deutlich die Behaglichkeit gezeigt, mit der sie von den ältesten Zeiten an am internationalen Pluralismus festhält, der keine Anzeichen des Verschwindens zeige.13 8. In der islamischen Welt existieren unterschiedliche Ansätze in Bezug auf das Verhältnis zwischen den islamischen Werten und den internationalen Rechtsstandards über die Menschenrechte. Die am meisten verbreitete Meinung besagt, daß es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem islamischen Ansatz und den liberalen westlichen Vorstellungen gebe. Dennoch, so lautet eine andere Auffassung, gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen der Islamischen Konzeption der Menschenrechte und den internationalen Standards. Leonid R. Sykijajnen bemerkt eine „für die muslimische Welt charakteristische auffällige Nichtübereinstimmung von verkündeten Normen der Gesetzgebung mit dem kollektiven Rechtsbewußtsein und dem in der Gesellschaft etablierten System der Werte, die unter dem bestimmenden Einfluß von Traditionen, vor allem der islamischen Dogmen sich herausgebildet haben.“14
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Krasˇeninnikova, ebd., S. 281 – 287. Prava cˇeloveka. Itogi veka, Tendencii, perspektivy [Menschenrechte. Ergebnisse des Jahrhunderts, Tendenzen, Perspektiven], S. 323 – 324. 14 Leonid R. Sykijajnen, Islamskij vzgljad na svobodu i ravenstvo: juridicˇeskoe zakreplenie i religiozno eticˇeskie granicy [Die islamische Sicht der Freiheit und Gleichheit: juristische Fixierung und religiös-ethische Grenzen], in: Vseobsˇcˇaja deklaracija prav cˇeloveka: universalizm i mnoobrazie opytov [Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Universalität und Vielfalt der Erfahrung], S. 77. 13
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Der amerikanische Forscher, G. Gibb, unterstreicht, daß es kaum eine andere Gesellschaft gebe, in der das Recht so tief in das Leben und in das gesellschaftliche Denken eingedrungen ist, wie in der muslimischen Zivilisation.15 Der entscheidende Einfluß des Islam auf das gesellschaftliche Bewußtsein, die Verwurzelung von religiös-rituellen Postulaten im sozialen Bewußtsein der Muslime, begründet die Divergenzen zwischen den Bestimmungen der Scharia und den internationalen Rechtsakten über die Menschenrechte. L.R. Sykijajnen bemerkt, daß die Übereinstimmung der Formulierungen, die in internationalen Rechtsakten über die Menschenrechte enthalten sind, und in ihrem Charakter nach ähnlichen Dokumenten, die in der islamischen Welt gelten, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, daß hinter der äußeren Gleichartigkeit tiefe Unterschiede im prinzipiellen Gehalt bestehen. 16 Die Islamische Deklaration der Menschenrechte verkörpert praktisch alle Normen, die in den internationalen Rechtsdokumenten zu Menschenrechten verkündet sind: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Würde, Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit u. a. In ihrer Präambel steht jedoch: „Sie [die Mitglieder der Islamischen Konferenz] glauben, daß die grundlegenden Rechte und Freiheiten im Islam ein integraler Bestandteil der islamischen Religion sind und grundsätzlich niemand das Recht hat, sie ganz oder teilweise aufzuheben, zu verletzen oder zu mißachten, denn sie sind verbindliche Gebote Gottes, die in Gottes offenbarter Schrift enthalten und durch Seinen letzten Propheten überbracht worden sind, um die vorherigen göttlichen Botschaften zu vollenden. Ihre Einhaltung ist deshalb ein Akt der Verehrung Gottes und ihre Mißachtung oder Verletzung eine schreckliche Sünde, und deshalb ist jeder Mensch individuell dafür verantwortlich, sie einzuhalten – und die muslimische Gemeinschaft [im Orig. die Umma] trägt diese Verantwortung solidarisch.“ Im Art. 24 wird verkündet: „Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen Scharia.“ Im abschließenden Art. 25 heißt es: „Die islamische Scharia ist die einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.“ 9. In allen Verfassungen der afrikanischen Länder, die nach Befreiung von der kolonialen Abhängigkeit verabschiedet wurden, ist das Prinzip der Gleichberechtigung, genauso wie die Idee der Allgemeingültigkeit und Unveräußerlichkeit der Rechte und Freiheiten des Menschen konsequent verankert. Den egalitären Tendenzen der politisch-rechtlichen Entwicklung wirkten die autoritären und clan-paternalistischen Traditionen entgegen, die einen festen Platz im Alltag und im Bewußtsein der Menschen (besonders in den ländlichen Gegenden) angenommen
15 G. Gibb, Principy integracii i rol‘ prava v islamskom obsˇcˇestve [Prinzipien der Integration und die Rolle des Rechts in der islamischen Gesellschaft], in: Sravnitel’noe izucˇenie civilizacij [Vergleichende Studien über die Zivilisationen], Moskau 2001, S. 369 – 360. 16 Prava cˇeloveka. Itogi veka, Tendencii, perspektivy [Menschenrechte. Ergebnisse des Jahrhunderts, Tendenzen, Perspektiven], S. 316.
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haben und ihr Leben mit Sinn füllen. Diese Traditionen bestimmen die Unterschiede in Rechten und Pflichten der Individuen und ihren Status. Die Bevölkerung der Städte und der großen wirtschaftlichen Zentren besitzt einen höheren Status. Dabei kommt der auf Ungleichheit basierte soziokulturelle und juristische Status der Persönlichkeit, welcher der Geltung des persönlichen traditionellen Rechts unterliegt, meistens in den ländlichen Bereichen vor. Das ist auch klar, da viele Städtebewohner eine europäische Bildung erhalten, liberale Ideen aufgenommen, sich aktiv in das System der Marktwirtschaft integriert und Besitz erworben haben. Ihr Bewußtsein ist widersprüchlich, da es Elemente des europäischen Denkens, oft in einer deformierten oder „hybriden“ Form, und des Denkens der soziokulturellen Umwelt ihres Landes enthält. Die mangelnde Übereinstimmung der Kulturen bringt die zivilisatorischen Ansprüche nach Vereinheitlichung ins Wanken. Wie M.A. Supataev schreibt: Ganz unabhängig davon, wie hoch die Quote der eingedrungenen westlichen liberalen Werte in afrikanischen Ländern auch sein mag, es findet kein totaler Wechsel des gesellschaftlichen Systems, keine konfliktlose Billigung der universellen Normen und Standards im Bereich der Menschenrechte statt.17 Der afrikanische Traditionalismus strebt hartnäckig die Selbsterhaltung an. 10. Im Falle Chinas zeigt die zivilisatorische Methode in der Konzeption der Menschenrechte einige Eigentümlichkeiten, da China ein aktives Mitglied der UNO ist und sich 15 internationalen Konventionen und anderen internationalen Rechtsakten über die Menschenrechte angeschlossen und diese zum Teil ratifiziert hat. Die Verfassung der Volksrepublik China enthält einen breiten Katalog der Menschenrechte. Zugleich unterstreicht die Konzeption der Menschenrechte die Notwendigkeit, die historischen, nationalen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten der Entwicklung des Landes sowie ihre außenpolitische Situation zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu den europäischen Ansätzen stehen Interessen, wie die Entwicklung des Landes und der Gemeinschaft, in China höher als die Interessen des Individuums. Das traditionelle Prinzip „des Lernens und der Mitarbeit“ des Volkes mit anderen Positionen unterstreicht, daß das Ausländische das Stadium der Chinaisierung durchlaufen haben muß und auf seine Geeignetheit zur Adaptation an die chinesischen Bedingungen geprüft werden soll. Dies betrifft auch die westlichen Standards der Menschenrechte und der Demokratie. Bei weitem nicht alle westlichen liberalen Werte können unter den Bedingungen des heutigen China angewandt werden. China nimmt entschlossen keine „rechtlichen Moralpredigten“ an und erteilt jeglichen westlichen Kritikern, die die Lage der Menschenrechte in China ansprechen, eine ordentliche Abfuhr. Solche Schritte deutet die Volksrepublik China als Eingreifen in ihre inneren Angelegenheiten, als Aufdrängen des fremden 17
Menschenrechte, ebd., S. 366.
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Systems der Werte, als Bestreben, die innere Lage zu destabilisieren und den Machtwechsel in China zu initiieren.18 Viel Aufmerksamkeit wird in China der kulturell-bildenden und rechtlichen Aufklärung des Volkes gewidmet, damit es von den ihm zur Verfügung gestellten gesetzlichen Rechten bewußt Gebrauch macht. Der konzeptuelle Ansatz Chinas in Bezug auf Menschenrechte ist rational. Dies erklärt sich dadurch, daß diese Zivilisation keine einzige orthodox ausgeprägte Religion hatte, die das ganze Leben des Menschen umfaßte. Der religiöse Synkretismus Chinas enthielt hauptsächlich moralische Vorstellungen und war nichts anderes als eine Synthese von drei Lehren – des Konfuzianismus, des Dauismus und des Buddhismus. Eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Entwicklung und Herausbildung der Kultur Chinas spielte die Lehre des Konfuzius, deren Ziel darin bestand, den Menschen zu lehren, wie er tugendhaft wird und wie die Ordnung in der Gesellschaft herzustellen ist. Seine Lehre hielt das Gesetz nicht für die notwendige Kraft, die die Verhältnisse ordnet und wies ihm lediglich einen zweitrangigen Platz zu. Die heutige Regierung Chinas hat die Bildung einer „harmonischen Gesellschaft“ zu ihrem Ziel erklärt. In dieser Gesellschaft bilden die Interessen des Menschen und das Zufriedenstellen seiner vernünftigen Bedürfnisse den Urquell der Politik. Wie M.L. Titarenko meint, berücksichtigen diese Ideen und politischen Novellen die historischen Traditionen Chinas, die Lehren der chinesischen Weisen von Konfuzius, Lao-Tse, Mo-Tse und Han Fei-Tse bis Qin Shihuangdi und Wang Anshi. Diese nahmen die Ideen der neuen und der neuesten Geschichte von Sun Yat-sen, Deng Xiaoping u. a. in sich auf.19 11. Wenn man die Gründe für die Beständigkeit der Normen, Traditionen und Bräuche in den östlichen Zivilisationen analysiert, fällt es auf, daß den stärksten Widerstand gegenüber den Innovationen diejenigen soziokulturellen Gebilde leisten, in denen Religionen und ihre Postulate einen allumfassenden Charakter haben und den ganzen Lebensstil eines Volkes bestimmen, indem sie das irdische und das kosmische, transzendentale Leben miteinander verbinden. Dies erscheint auch begründet, da von allen Komponenten der soziokulturellen Regulierung die Religion beim Kontakt mit anderen Zivilisationen die am meisten widerstandsfähige ist. Das erklärt sich durch drei Faktoren: erstens verleiht die Religion dem Menschen und der Gesellschaft eine psychische Grundlage, insbesondere in den früheren Etappen der Herausbildung der Gesellschaft, wenn der Mensch seine Abhängigkeit von Naturkräften, von den Aggressionen anderer Stämme und vom Druck der sich bil18
M. L. Titarenko, Kitaj: progress v razvitii politicˇeskoj sistemy. O kitaizirovannoj koncepcii prav cˇeloveka [China: Fortschritt in der Entwicklung des politischen Systems. Über die chinaisierte Konzeption der Menschenrechte], in: Vseobsˇcˇaja deklaracija prav cˇeloveka: universalizm i mnogoobrazie opytov [Allgemeine Deklaration der Menschenrechte: Universalismus und die Vielfalt der Erfahrungen], Moskau 2009, S. 73 – 74. 19 Titarenko, ebd., S. 73.
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denden starken Schicht, die ihre Formen und Methoden der Lebensführung aufdrängt, spürt; zweitens erscheinen uns das irdische Leben und die traditionellen Normen als Einrichtungen des göttlichen Willens; drittens bringt die Religion eine relative Klarheit in die wirtschaftlichen Verhältnisse, was besonders unter der Bedingung der früheren Differenzierung der Gesellschaft in Schichten wichtig ist. Die Religion fließt aufgrund dieser Umstände mit der staatlichen Gewalt, Politik, Moral und Gesetzgebung zusammen, da sie schließlich die Lebensbedingungen der Menschen, die Rechte und Pflichten zum Ausdruck bringt, die in einer bestimmten historischen Gemeinschaft entstanden und den Charakter der Zivilisation bestimmt haben. Als resistent gegenüber der Aufnahme von neuen Werten erwiesen sich diejenigen Zivilisationen, in denen die Religion zur Weltauffassung der Gesellschaft gehörte und folglich zum höchsten Gesetz wurde. Der hohe Widerstandsgrad der Religion, ihre bewußte oder unterbewußte Interiorisierung wurde über Jahrhunderte und sogar Jahrtausende beibehalten. Dieser Prozeß, der vor allem mit der Mythologisierung von unterschiedlichen Aspekten des Seins verbunden ist, ist auch der heutigen Welt nicht fremd. Die Wechselbeziehung zwischen dem Recht und der Religion hat, so gesehen, tiefe historische Wurzeln. Sie differenziert sich in Zivilisationen, Weltreligionen und Weltregionen. A. Toynbee hält die Weltreligionen für den Faktor, der den Charakter der Zivilisation bestimmt. Die Wechselbeziehung zwischen der Religion und dem Recht ist in traditionell ausgeprägten Rechtssystemen höchst widerstandsfähig und unveränderbar. In den europäischen Ländern mit christlich ausgeprägter Religion ist sie flexibel und dynamisch. Je nach der historischen Entwicklung dieser Länder werden das Recht und die Religion als soziale Regulatoren immer mehr voneinander getrennt. Bei normalem Ablauf der gesellschaftlichen Verhältnisse richten sie sich trotz ihrer Selbstbehauptung nicht gegeneinander, sondern unterstützen sich in bestimmten Situationen gegenseitig. Die Religion ist als Element des soziokulturellen Systems der Zivilisation bestrebt, die Identität ihrer eigenen Gemeinschaft zu bewahren und verwaschenen Prinzipien, die den Stil der Zivilisationen nachteilig prägen könnten, tunlichst entgegenzuwirken. 12. Die Probleme, die bei der Realisierung der internationalen Rechtsstandards der Menschenrechte entstehen, ließen auch Rußland als eine Zivilisation eigener Art, deren negative Sitten, Traditionen und Einstellungen zu überwinden sind und deren Ursprung wohl in „grauen uralten Zeiten“ liegt, nicht unbeteiligt. Diese Probleme äußern sich im mißbräuchlichen Umgang mit dem Menschen, mit seinen Rechten und seiner Würde, im Rechtsnihilismus und in Korruption, in der Rechtlosigkeit von Situationen und anderen Erscheinungen, die die Etablierung des Rechtstaates, das Wohlbefinden des Menschen und den Respekt vor seiner Würde behindern.
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Das Bestreben zur Etablierung der Einzigartigkeit, der besonderen Lebensführung, der wahren Werte kam in der „Deklaration über Rechte und Würde des Menschen“ zum Ausdruck, die am 14. April 2006 durch das Globale Russische Volkskonzil „im Namen der eigenartigen russischen Zivilisation“ verabschiedet wurde. Die Verkündung dieses Aktes war durch die Verfechtung der Werte der russischen Zivilisation und die Wiederherstellung von Sittlichkeit motiviert, die unter dem Einfluß fremder Kultur durch Divergenzen zwischen den europäischen Standards der Menschenrechte und den Normen der Sittlichkeit zerstört werden. Man muß hier bemerken, daß die Sittlichkeit in Rußland nicht nur unter dem Einfluß fremder Kultur, sondern auch aufgrund bestimmter Positionen ihrer eigenen, gegen die Persönlichkeit gerichteten, zerstört wird, was oben schon erwähnt wurde. Die internationalen Rechtsstandards, unabhängig davon, wie sie in dem jeweiligen Zivilisationsraum ausgelegt werden, sind nie von ihrem moralischen Inhalt zu trennen. In der Präambel der Charta der Vereinen Nationen wird deren Ziel so bestimmt, wenn es gilt, „unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit“ zu stärken, „Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben“. Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hebt hervor: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Die Anwendung und Auslegung dieser Standards ist eine andere Sache. Man darf aber die Aggressivität der amerikanischen Zivilisation nicht vergessen, die ihre Werte allen Ländern der Welt, darunter auch Europa, aufdrängt. Dieser Drang, das gewaltsame Aufdrängen der eigenen Kultur, die keine tiefen Wurzeln hat und vom Kommerz herrührt, führt, wie A. J. Toynbee es formuliert, „zur Dissonanz der Kulturen“, die ein „Unbehagen der Zivilisation“ bescheinigt. Sogar die europäische Kultur erlebt unter dem Einfluß der alles durchdringenden Amerikanisierung eine Transformation. A. Danilevskij20 sprach vom Untergang der europäischen Zivilisation, auch „Der Untergang Europas“ im Sinne von O. Spengler ist, im Grunde genommen, ein Requiem für die europäische Zivilisation. Dennoch hat sie widerstandsfähige Kernstützen, die auf Prinzipien der Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Herrschaft des Rechts gebaut sind und die Zivilisation vor Chaos und Unruhen bewahren. 13. Das Bestreben zur Etablierung der Einzigartigkeit, der Besonderheit der eigenen Lebensführung und eigenen Werte bedeutet nicht die Ablehnung von Standards, die in den internationalen Rechtsakten über die Menschenrechte verankert sind, sondern hebt die Bedeutung der fremden Kultur, die stufenweise Überwindung von negativen Stereotypen, die Erhaltung guter Traditionen und die Anerkennung der Notwendigkeit der Menschenrechte hervor, die solche Grundlagen wie Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit haben. 20
A. J. Danilevskij, Rossija i Evropa [Rußland und Europa], Moskau 1991.
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Die Besonderheiten der Systeme soziokultureller Werte bedeuten nicht, daß diese Unterschiede nicht überwunden werden können. Dennoch bleibt die forcierte Durchsetzung fremder Werte auf einem nicht dafür vorbereiteten Boden, wie die historische Erfahrung zeigt, ohne Perspektive. Die Einführung der Elemente einer neuen Kultur, wenn sie rational und schrittweise geschieht, kann bei aller Ablehnung eines forcierten Aufdrängens der fremden Kultur dennoch für den Fortschritt in den Ländern anderer Zivilisationen sorgen: Entwicklung der Medizin, Bildung, Informatik, der neuen Technologien, der gegenwärtigen Arbeitshandfertigkeiten, Kunst und Wissenschaft. Sie können in Verbindung mit der Eigenart der Traditionen und den Modi der eigenen Lebensführung zu einem höheren und fortschrittlicheren Lebensstandard führen, zu einem Verschwinden von antihumanen Traditionen, die der physischen und psychischen Gesundheit des Individuums Schaden zufügen und von denen es sich selbst unter den Bedingungen der kollektiven traditionellen Verhältnisse nicht lossagen kann. Die historische Erfahrung zeigt, daß solche Etappen, in denen der Aufstieg zu höheren allgemeinmenschlichen Werten erfolgt ist, in vielen Zivilisationen stattgefunden haben. Gewöhnlich nahm dieser Prozeß dafür bedeutende historische Zeiträume in Anspruch. Es gibt aber auch eine andere Position: die Menschenrechte, die in den internationalen Rechtsakten festgehalten werden, seien universell und müßten unabhängig von jeglichen politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Besonderheiten der Länder realisiert werden. Diese Position berücksichtigt jedoch nicht die Realität, die in der heutigen Welt herrscht und die nicht nur die traditionell ausgeprägten Gesellschaften charakterisiert, sondern auch für den europäischen Raum wichtig ist. Das geht aus vielen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervor, die zur Wiederherstellung der verletzten (universellen, regionalen, nationalen) Rechte ergingen. Berücksichtigt werden sollte ferner, daß auch die Prozesse der Globalisierung kein universelles Weltsystem und kein universelles Wertesystem, wie auch keinen universellen Menschen und keine einheitliche Konzeption der Menschenrechte herstellen können. Es ist heutzutage schwer, die Wege der Entwicklung von Zivilisationen zu prognostizieren. Dennoch kann man behaupten, daß die Herausbildung einer (!) einheitlichen allgemeinmenschlichen Kultur und einer (!) Zivilisation in der überschaubaren historischen Zeit ausgeschlossen ist. Die Hauptaufgabe sollte es eher sein, die fremde Organisation der Welt und des Lebens zu respektieren, auch wenn diese unseren Überzeugungen widerspricht, und nicht zu versuchen, sie durch das Aufdrängen der Demokratie und eigener Standards der Menschenrechte, eigener Traditionen und Vorstellungen über die Verhältnisse der Menschen in der Gesellschaft mit Gewalt zu ändern. Die Kontakte der Zivilisationen sollten sich nicht in wirtschaftlichen Beziehungen erschöpfen und noch weniger in dem Aufdrängen von Werten bestehen, die für die jeweilige Kultur einer anderen Zivilisation fremd sind.
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Ein ständiger „Dialog der Zivilisationen“ erscheint notwendig. Er sollte die soziokulturellen Elemente ansprechen, die für das Zusammenwirken verschiedener Zivilisationen geeignet erscheinen. Der Prozeß der Aneignung und des ,Einlebens‘ der neuen Normen und Werte sollte schrittweise erfolgen und auf Dauer gestellt werden, um die Grundlagen einer Zivilisation zu respektieren. Nur ein Dialog der Zivilisationen ist in der Lage, den Weg zur Erhaltung der Vielfalt unserer Welt, zum Verständnis ihrer sozial-historischen Werte sowie zur Verhinderung von tragischen Konflikten aufzuzeigen. Der Dialog zwischen Zivilisationen, das Zusammenwirken der Kulturen und die Überwindung von Hindernissen zwischen den Kulturen sind von großer Bedeutung für den Zusammenschluß der Menschen bei der Lösung der wichtigsten Fragen in Bezug auf die Selbstorganisation der Welt. Ein derartiger Zusammenschluß sollte auf allgemeingültigen Werten basieren, wie: ¢ Anerkennung und Befolgung von Prinzipien, die in der Charta der Vereinten Nationen verkündet sind; ¢ Etablierung des Glaubens an die Grundrechte des Menschen, die Würde und den Wert der menschlichen Persönlichkeit; ¢ Anerkennung der Herrschaft des Rechts, der Freiheit und der Gerechtigkeit; ¢ Anerkennung der Gleichstellung der Kulturen verschiedener Zivilisationen; ¢ Respekt gegenüber dem Menschen, der in einer anderen soziokulturellen Gemeinschaft erzogen worden ist; ¢ Einsicht in die Notwendigkeit des sorgfältigen Umgangs mit der Umwelt; ¢ gegenseitiger Austausch von kulturellen Werten, von Innovationen in der Wissenschaft, in Technologien und in Produktionsverfahren; ¢ Unzulässigkeit des gewaltsamen Aufdrängens von Normen und Werten durch „starke Zivilisationen“; ¢ Einhaltung der „Fair-Play-Regeln“ in den weltwirtschaftlichen Wechselbeziehungen, die die Ausbeutung der Arbeitskraft und der Naturressourcen zum Nachteil von Entwicklungsländern verhindern; ¢ Konsolidierung aller Bestrebungen im Kampf gegen extremistische Erscheinungen, die dem Erhalt der normalen Lebensführung der Menschen, Länder und Zivilisationen im Wege stehen. Dies ist bei weitem nicht der ganze Katalog von Prinzipien der Integration von Kulturen und Zivilisationen. Dennoch bleibt die Herausbildung einer globalen Kultur ein Prozeß, der keine bestimmte Perspektive aufweist. Hier sollte der Faktor der ,Selbstbestimmung‘ der Zivilisationen und ihr Streben nach Erhalt ihrer Identität, der Werte und Traditionen der jeweiligen Zivilisation, die ihr eigen sind, berücksichtigt werden. Das inhaltlich Unvereinbare, das in jeder Zivilisation im Verhältnis zu anderen vorkommt, kann man den Globalisierungsprozessen nicht un-
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terstellen. Die globale Kultur ist die Verarmung des multikolorierten Bildes der Welt. Die Zivilisationskulturen werden ihre Unnachahmlichkeit, Einzigartigkeit und Besonderheit dann behalten, wenn sie sich bei der der Suche nach den Lösungen der wichtigsten Fragen des gemeinsamen Lebens zusammenschließen. Summary Universal international legal standards of human rights are included in constitutions of practically all countries of the world; they are fixed in regional international legal acts on human rights. However in practice there is a collision between European values and traditional norms, customs that have been imposed throughout millenniums and solidly entered the conscience and mode of life of non-European civilizations. In order to make the conflict of cultures vanish it is inadmissible both: to forcibly impose alien values and to carelessly borrow norms that have been formed up in different cultures. A dialogue of civilizations as well as respect towards cultures of the modern world are needed.
Den Rechtsstaat zur Vernunft bringen Papst Benedikt XVI. über die Grundlagen des Staates Von Andrés Ollero, Madrid Der Auftritt eines Papstes an Orten der Politik hat Seltenheitswert, ist also ein außergewöhnliches Ereignis. Zu erinnern ist hier an den Friedensappell von Papst Paul VI. vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 4. Oktober 1965 und an seine Gespräche mit Staatsoberhäuptern am Rande. Als ebenso beachtlich gilt der Vernunftappell von Papst Benedikt XVI. in seiner Rede im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaates.1 Die Rede, wiewohl formal nur an das „Parlament meines deutschen Vaterlandes“ gerichtet, ist allgemein gehalten und von diplomatischer Weite. Sie bezeugt professorale Stringenz in der Reflexion über den derzeitigen Status der rechtsstaatlichen Vernunft in ihrem Verhältnis zur Religion und ist deshalb als substanzreicher Beitrag zur deutschen und europäischen Rechtskultur zu würdigen. Deutschland hat sich Mitte des vergangenen Jahrhunderts, aus den bekannten Gründen, in das Epizentrum der rechtsphilosophischen Reflexion über die Grenzen der Staatsraison verwandelt, Folge der bitteren Erfahrung der Perversion einer Rechtsordnung.2 Im Zuge der Bemühungen um die positive Restitution des Staatsrechts mit dem Ziel, den Staat mit den notwendigen rechtlichen Instrumenten zur Neugestaltung der politischen Verhältnisse auszustatten, ist der Rechtsstaat entstanden. Damit war autonomes Recht in Kraft gesetzt, das befähigt ist, politische Macht der rechtlichen Kontrolle zu unterwerfen und zugleich mit Grundrechtsgarantien auszustatten, gleichsam als Legitimation der demokratischen Staatsraison. Wie erinnerlich, hatte schon der Heilige Augustinus, um Staaten zur Vernunft zu bringen, die provozierende Frage aufgeworfen, was denn den Staat von einer großen Räuberbande unterscheidet.3 Papst Benedikt evoziert diese Frage,4 indem er sie an 1
Zitiert wird im Folgenden durchgehend aus der im Internet veröffentlichten Rede von Papst Benedikt XVI. im Bundestag vom 22. September 2011: www.bundestag.de/kulturgeschichte. Der authentische autorisierte Text der Papstrede – mit Fußnoten (!) – ist abgedruckt im Sonderheft Papstrede vor dem Deutschen Bundestag, in: Rechtstheorie 42 (2011), S. 275 – 281. Vgl. ferner: Wilfried Bergmann, Rede von Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag – Öffentliche Erwartungen und Echo auf den Staatsbesuch in Berlin, in: Werner Krawietz (Hrsg.), Naturrecht – Vernunftrecht – Positivität des Rechts, Berlin 2011, S. 273 – 274. 2 So Gustav Radbruch in seinen legendären Fünf Minuten Rechtsphilosophie von 1945; ferner Fritz von Hippel, Die Perversion von Rechtsordnungen, Tübingen 1955. 3 De civitate Dei IV,4,1.
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einen kompetenten Gesprächspartner richtet, der als der gewichtigste Vertreter des Rechtspositivismus gilt, nämlich an Hans Kelsen. Es ist leicht, sich vorzustellen, wie dieser in der Konfrontation mit Zitaten aus seinem berühmten Werk, in Verlegenheit gerät und feststellen muss, dass nach Begriffen empirisch positiver Rationalität, es keinen Unterschied gibt „zwischen der Beschreibung des Befehls eines Straßenräubers und der Beschreibung des Befehls eines Rechtsorgans“5. Zwecks Überwindung dieses Dilemmas ist der Rechtsstaat unter dem Identitätszeichen zivilisatorischer Garantien wie geschaffen. Allerdings zwingen krisenhafte Entwicklungen dazu, eben diesen Rechtsstaat unter die Aufsicht der praktischen Vernunft zu stellen. Darauf weist ein Paradoxon der Politik hin. Die Menschenrechte gelten im politischen Bereich dort als oberster Maßstab des politisch Korrekten, obwohl sie rechtstheoretisch wegen ihres unhaltbaren Anspruchs auf objektive Geltung als Ausgeburt des akademisch Inkorrekten kritisiert werden. Wenn sie, mehr indikatorisch als veritabel, als spontanes Ergebnis einer internationalen Vereinbarung im Augenblick ihrer Deklaration von 1948 angesehen werden, die ohne Diskussion zustande gekommen ist, dann sind Menschenrechte auch nicht mehr als sie tatsächlich sind, nämlich Rechte ohne diskursives Fundament. Die Berufung der Staaten auf die Vernunft der Menschenrechte steht auf brüchigem Boden. Benedikt XVI. ist sich im Hinblick auf den öffentlichen Status der religiösen Vernunft der „dramatischen Veränderung der Situation“ bewusst, wenn er sagt: „Der Gedanke des Naturrechts gilt heute als eine katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren nicht lohnen würde, so dass man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen.“ Das Diktum richtet sich zugleich an die Adresse des säkularen Laientums, welches christliches Denken unter Berufung auf die Rationalität des Naturgesetzes gleichsam exkommuniziert hat. Nach positivistischer und paralleler laizistischer Optik, so heißt es, sind die Gebote des christlichen Denkens nicht nur irrationaler weil metaphysischer, sondern auch theokratischer Herkunft. Die derartig begründete Berufung auf das Naturgesetz ist widersprüchlich in sich, weil sie die öffentliche Vertreibung der Doktrin bedeutet, die historisch die Laizität bewegt hat. Das Problem besteht hauptsächlich darin, dass die christliche Welt mit einem Phänomen konfrontiert ist, das als „selbstaufgenommener Laizismus“6 zu bezeichnen ist und für sich doktrinäre Kompetenzen beansprucht. An die Adresse katholischer Laien ist nicht von ungefähr die Frage gerichtet, ob sie sich in der Lage sehen, Vernunftgebote des Naturgesetzes zu verstehen, also etwa das Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe, ohne jemals die Auseinandersetzung mit der hier maßgebenden Lehre 4 „Wir Deutsche wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind. Wir haben erlebt, dass Macht vom Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat.“ 5 Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960, S. 46. 6 Dazu Andrés Ollero, Un Estado laico. Libertad religiosa en perspectiva constitucional, Cizur Menor 2009, S. 283 ff.
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von Papst Johannes Paul II. gesucht zu haben. Im Grunde müssten sie sich den Glaubensschlüssel zum Dekalog aneignen und der Frage nachgehen, warum Gott es so gewollt hat. Beruhigt können sie dennoch sein, denn die Heilige Mutter Kirche verfügt über Doktoren … Mit ihrer Einstellung fehlt den Laien die Kompetenz, an öffentlichen Debatten über Glaubensfragen teilzunehmen, es sei denn, sie meldeten sich als autonome Autoritäten zu Wort, was ihnen nicht zu Gesicht steht. Auch die aufklärerische Attitüde steht ihnen nicht zu Gesicht, wie das historische Beispiel des Hugo Grotius zeigt. Mit der säkularen Abkehr von der Metaphysik gerät unvermeidlich die Absicht dieses ersten Aufklärers in die Krise, das Naturrecht zur Sache von Dialog und Verständigung schon zur Zeit der Religionskriege im gespaltenen Europa zu machen. Die Annahme der Existenz eines Schöpfers war für ihn eine mit der Metaphysik untrennbar verbundene Konsequenz und keine bloße Angelegenheit religiöser Gläubigkeit. Seine Forderung nach einem weltanschaulich neutralen Raum gründete nicht auf einem immanenten Weltbild.7 Vom Laizismus aber wird ein solches erwartet. Sie nehmen für sich eine imaginative Neutralität in Anspruch und verhindern damit den möglichen Dialog zwischen Gläubigen und Nichtgläubigen.8 So gewiss es ist, sagt der Pontifex an die Adresse von Gläubigen wie Nichtgläubigen, dass das Christentum „auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen ist – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft“, so gewiss ist es, dass beide Sphären „in der schöpferischen Vernunft Gottes gegründet“ sind. Die immanente Vorstellung von einer Regierung der diesseitigen Welt, die deren Gegründetsein in der göttlichen Vernunft leugne, könne keine Neutralität beanspruchen, sondern setze das „kulturelle Erbe Europas“ aufs Spiel, auf das zu verzichten kein Vernünftiger bereit sein könne: „Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden.“ Die Verneinung des Schöpfergottes endet damit unvermeidlich in den Sphären des Irrationalen. Es ist nicht schwer, parallele Texte bei Jürgen Habermas zu finden.9 Aber der deutsche Philosoph, der von der Notwendigkeit der öffentlichen Auseinandersetzung über religiöse Fragen überzeugt ist, sollte keine allzu großen Erwartungen hegen, nicht nur wegen der Präsenz von Religionen, die in aller Öffentlichkeit einem göttlich 7
Hugo Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, Prolegomena, 1. Dazu Poder o racionalidad. La religión en el ámbito público (En diálogo con la ,sociedad postsecular‘ de Jürgen Habermas), Anales de la Real Academia de Ciencias Morales y Políticas (Madrid) 2012 (LXIV-89), S. 147 – 156; jetzt in Religión, racionalidad y política, Granada 2013, S. 89 – 100. 8 Zum Kontext Jürgen Habermas, Religion in der Öffentlichkeit. Kognitive Voraussetzungen für den ,öffentlichen Vernunftgebrauch‘ religiöser und säkularer Bürger, in: ders., Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze, Frankfurt 2005, S. 119 – 154. 9 Jürgen Habermas, Vorpolitische Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates?, in: ders./Josef Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg/ Basel/Wien 2005, S. 31 – 33.
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positiven Voluntarismus huldigen, also fundamentalistisch sind, sondern auch wegen jenes Laienklerikalismus, der paradoxerweise in einer Haltung reiner Gläubigkeit dem Naturrecht anhängt. In seiner Rede hat Papst Benedikt die Gegenposition unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: die religiöse Überzeugung muss rational argumentieren, um als kulturelles Erbe Europas anerkannt zu werden. Der religiöse Glaube kann hierfür der Motor sein, wie Francisco de Vitoria und Martin Luther King in mitreißender Weise gezeigt haben. Nur aber mit Hilfe rationaler Argumente ist die öffentliche Auseinandersetzung über Vernunft und Religion, über Vernunftglaube und Glaubensvernunft zu bestreiten. Noch einmal wendet sich der Pontifex seinem polemischen Gesprächspartner Kelsen zu: „Er hatte gesagt, dass Normen nur aus dem Willen kommen können. Die Natur könnte folglich Normen nur enthalten, wenn ein Wille diese Normen in sie hineingelegt hat. Dies wiederum würde einen Schöpfergott voraussetzen, dessen Wille in die Natur miteingegangen ist.“ Aber Kelsen zieht diese Konsequenz nicht. Über die Wahrheit dieses Glaubens zu diskutieren, sei völlig aussichtslos und mache keinen Sinn, behauptet er. „Wirklich?“ fragt Benedikt XVI. und richtet diese mahnend bohrende Frage an den deutschen Bundestag, der in seinen Augen ein Parlament ist, das wie kein anderes europäisches Parlament sich offen für den Diskurs über Vernunft und Religion zeigt. „Ist es wirklich sinnlos zu bedenken, ob die objektive Vernunft, die sich in der Natur zeigt, nicht eine schöpferische Vernunft, einen Creator Spiritus voraussetzt?“ Für alle, die wie Kelsen einen voluntaristischen Nonkognitivismus vertreten, wäre die kategorische Zurückweisung dieser Frage eine kohärente Haltung, die allerdings nicht die Haltung europäischer Verfassungen darstellt, die erklärtermaßen kognitivistisch und uneingestanden metaphysisch basiert sind. Hinzuweisen ist auf die Spanische Verfassung, die in ihrem Art.53 der Legislative die Achtung vor dem „Wesensgehalt“ (sic) der Grund- und Freiheitsrechte auferlegt, was als bloße Rhetorik abzutun wäre, wenn nicht eine konstitutionelle Einstellung von kognitiver und praktischer Vernunft die Grundlage spanischer Politik bilden würde. Von ausschlaggebender Bedeutung bleibt die Enge des Begriffs der Natur, bedingt durch die Enge des Begriffs der Rationalität, den die empirisch empiristische Methodologie benutzt. Benedikt bringt das in subtil ratzingerischer Weise zum Ausdruck, durch Anspielung auf das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik und die Anwesenheit von Abgeordneten der Grünen Partei im Bundestag, indem er die Bedeutung der Ökologie hervorhebt, die „unbestritten“ sei, und anmahnt, „auf die Sprache der Natur zu hören und entsprechend zu antworten“. Er erinnert in diesem Zusammenhang an einen berühmten Aphorismus von Francis Bacon10, dem Wortführer der Moderne: „die Natur beherrscht man nur, wenn man sie kennt“. Benedikt redet dem wissenschaftlichen Denken und der wissenschaftlich-positiven Erkenntnis das Wort, aber mahnt zugleich, eine damit verbundene zweifache Fragestellung nicht aus den Augen zu verlieren. Gemeint ist zum einen 10
Novum Organum Buch 1, Aphorismus III.
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die Beobachtung, dass es Grenzen der Naturbeherrschung gibt, zum andern, dass die physisch verstandene Natur in dem Augenblick, in welchem sie aus den Fugen gerät, dem Menschen zur Quelle ethischer Forderungen wird, die unbedingte Beachtung erheischen. Damit wäre den Menschen die Aufgabe auferlegt, unbedingt zu vermeiden, dass das, was sie zur Herrschaft über die Natur antreibt, ihnen letzten Endes Knechtschaft beschert. Damit ist eine rechtstheoretische Grundlagenproblematik indiziert. Hier geht es darum, die Reichweite des sog. naturalistischen Fehlschlusses auszuloten, also, wie Benedikt XVI sagt, um die „These, dass zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle. Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein akzeptierte positivistische Verständnis von Natur und Vernunft“. Es ist nicht schwierig nachzuvollziehen, dass aus der Tatsache eines bestimmten Verhaltens nicht die Pflicht zu diesem Verhalten deduziert werden kann. Aus der Tatsache von häuslicher Gewalt, von Steuerhinterziehung oder von politischer Korruption kann nicht gefolgert werden, dass diese Verhaltensweisen gut oder schlecht sind. Aber wenn behauptet wird, dass der Mensch von Natur aus ein gesellschaftliches Wesen ist, offen für Beziehungen und solidarisch mit Anderen, oder sich zwecks Selbstverwirklichung für das allgemeine Wohl engagiert, dann wird weder eine Tatsache noch die Natur beschrieben. Zu sagen, dass der Mensch von Natur aus so oder so ist, heißt, das ethische Programm zu bestimmen, das ihm gebietet, sich selbst zu verwirklichen, auch wenn häufig mit Frustrationen zu rechnen ist. In diesem Fall unterläuft kein Fehlschluss, weil aus einer essentiellen Sollensaussage eine existentielle ethische Konsequenz gezogen wird. Noch einmal sei das Verhältnis von Positivismus und Laizismus im Hinblick auf die Vernunftfrage angesprochen. Beide Lager vertreten in trauter Gemeinsamkeit die nonkognitivistische Position, also die Kelsensche Negation, dass das Juridische und das Ethische zwar von einer rationalen Komponente getragen werden, die aber Frucht einer Willensoption ist, die von emotionalen und irrationalen Elementen angetrieben wird, ohne in re fundamentiert zu sein.11 „Der große Theoretiker des Rechtspositivismus hat im Alter von 84 Jahren – 1965 ¢ den Dualismus von Sein und Sollen aufgegeben.“ Aufschlussreich für das Verständnis dieser Grundlagenproblematik ist die von Benedikt XVI. vertretene Entgegensetzung zur positivistischen Position Kelsens, der er eine Studie gewidmet hat.12 Waldheim bestreitet die übliche Disqualifizierung des Naturrechts, Frucht eines naturalistischen Fehlschlusses zu sein, in der Absicht, Kelsen zu widerlegen. Kelsens Behauptung, dass die Geltung nicht Eigenschaft der Norm sondern des Seins sei, ver11 Dazu Andrés Ollero, ¿Tiene razón el derecho? Entre método científico y voluntad política (Ist Recht vernünftig? Zwischen wissenschaftlicher Methode und politischem Willen), Madrid 2006. 12 Wolfgang Waldheim, Ins Herz geschrieben. Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft, Augsburg 2010.
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steht Waldheim dahingehend, dass dieses Sein „ein Sein mit normativem Gehalt“ ist, aus dem zweifellos „ein Sollen folgen“ kann. Zwangsläufig müsse Kelsen sich von seiner These verabschieden, dass „aus einem Sein kein Sollen folgen könne“. Selbstverständlich aber würde Kelsen das nicht tun, und Waldheim erläutert, warum Kelsen das nicht tun würde, indem er sagt, „die Gleichsetzung der Natur mit dem positivistischen ,Wirklichkeitsbegriff‘ ist zu eng“. Kelsen weigere sich, ein „folgen“ anzuerkennen, weil dieses die Bestätigung dafür sei, dass das „Sein“ das Fundament des „Sollens“ ist, Kelsen sich aber weigert, festzustellen, dass das Sein existiert. Waldheim hingegen behauptet eben dieses und kritisiert Kelsen höchst drastisch als jemand, der „nicht weiß, was er sagt“.13 Tatsächlich führt Kelsen’s Argumentation sich selbst ad absurdum, indem sie mit der These, Normen könnten nur aus dem Willen kommen, unterstellt, dass die einzige Möglichkeit der Akzeptanz von Naturrecht in der Annahme besteht, dass ein Wille diese Normen in die Natur hineingelegt hat, ein Wille, der zudem göttlicher Art sein müsste. Folglich hätten wir es, wie leicht zu verstehen ist, mit einem göttlich positiven Positivismus zu tun, der in absolutem Widerspruch zu jedwedem Jusnaturalismus stände. Das Naturrecht, sagt Grotius, setzt eine göttliche Vernunft voraus, die die natürliche Ordnung achtet, unabhängig davon, ob sie die Vernunft eines Schöpfergottes ist. Wie der Pontifex wiederholt betont, muss Gott vor allem als ein allem Willen vorausliegender Logos gedacht werden. Das Naturgesetz erfüllt sich nicht, weil Gott es gewollt hat, wie sogar der Voluntarist Ockam zugestanden hat, sondern weil Gott es gefügt hat, dass seine ethischen Gebote sich erfüllen. Es ist ein Gott, der – ratio vel voluntas – bestimmt, dass alles Handeln vernünftig sei. Die positivistische Verleugnung des naturalistischen Umkehrschlusses führt zu einer drastischen Trennung von Recht und Moral. Dadurch ist das rote Band, das die sog. abendländische Rechtskultur zusammenhält, zerschnitten. Der Weg, so betont der Pontifex in seinem Rückblick auf den historischen Bund von Recht und Philosophie, geht seit den Anfängen in Griechenland und Rom „über das christliche Mittelalter in die Rechtsentfaltung der Aufklärungszeit bis hin zur Erklärung der Menschenrechte und bis zu unserem deutschen Grundgesetz“. Wer den historischen Gang dieses mythisch anmutenden akademischen Dialogs nachvollzieht, stößt auf entscheidende Fragestellungen: Ist die moderne Wissenschaft eine akademische Praxis, die sich selbst genügt und ihr Erklären und Verstehen aus eigenem Denken bezieht, das performativ den Maßstab des Wahren und Falschen bestimmt? Oder sollte man sie vielmehr als Ergebnis einer Geschichte der Vernunft ansehen, zu der wesentlich die Weltreligionen gehören?14 Andererseits wird jede Annahme objektiver und rational einsehbarer Wertfundamente mit dem Bereich des bloß Gefühlsmäßigen und Subjektiven assoziiert, der 13 14
Ebd., S. 59. Vgl. Habermas, Religion in der Öffentlichkeit (FN 8), S. 154.
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vorbehaltlos der Sphäre der Moral zugeschrieben wird, auch wenn zugestanden wird (so der sog. Inklusive Rechtspositivismus), dass nicht wenige Rechtsprobleme nur unter Rekurs auf moralische Kategorien zu lösen sind; eine merkwürdige Art, beide Bereiche voneinander zu trennen.15 In Wirklichkeit stellt essenziell Juridisches wie die Gerechtigkeit keine bloße Ableitung aus der Moral dar; vielmehr besteht, ganz im Gegenteil, die moralische Tugend der Gerechtigkeit darin, der objektiven Werthaftigkeit von juridischer Gerechtigkeit Audruck und Geltung zu verschaffen. Moral wie Recht liegt ein anthropologisches Konzept zugrunde, auf das mit jedem Hinweis auf die Natur des Menschen Bezug genommen wird. Das Problem besteht nicht darin, dass das Juridische an Objektivität verliert, wenn es unvermeidlich auf subjektive Moralurteile bezogen wird, sondern darin, dass das Recht wie die Moral letztendlich auf eine Anthropologie gestützt werden, die die objektive Werthaftigkeit der Natur des Menschen nicht reflektiert. Nach dem hier beschriebenen Stande des Diskurses über Vernunft und Religion gibt es gute Gründe, den Rechtsstaat aufzufordern, zur Vernunft zu kommen, weil der Rechtsstaat aufgrund seines wissenschaftlichen Selbstverständnisses der eitlen Vorstellung frönt, das Monopol über Rationaliät zu besitzen. Immer noch redet die Politik über Menschenrechte, als wären sie Repräsentanten eben dieser als objektiv unterstellten wissenschaftlichen Rationalität. Es wäre verständiger, davon auszugehen, dass es Menschenrechte nur deshalb gibt, weil sie, wie die päpstliche Diktion besagt, in vorausgesetzter „objektiver Vernunft“ gründen, „die sich in der Natur zeigt“. „Wie erkennt man, was recht ist?“ fragt Benedikt XVI. und antwortet: „In der Geschichte sind Rechtsordnungen fast durchgehend religiös begründet worden. Vom Blick auf die Gottheit wird entschieden, was unter Menschen rechtens ist. Im Gegensatz zu anderen großen Religionen hat das Christentum dem Staat und der Gesellschaft nie ein Offenbarungsrecht, eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen.“; und auch: „Wo die positivistische Vernunft sich allein als die genügende Kultur ansieht und alle anderen kulturellen Realitäten in den Status der Subkultur verbannt, da verkleinert sie den Menschen, ja sie bedroht seine Menschlichkeit. Ich sage das gerade im Hinblick auf Europa …“
15 Dazu Andrés Ollero, Derecho y moral. Una relación desnaturalizada (Recht und Moral. Eine entnaturalisierte Beziehung), Madrid 2012.
III. Religiöse Weltsicherheit, Sozietale Ausdifferenzierung des Religions- und Rechtssystems und Normative (Re-)Integration
Die Institutionentheorie und die Frage der sozialen Integration Die Beiträge von Rudolf Smend und Niklas Luhmann* Von Francesco Belvisi, Modena In der Zeit, in der ich in Münster als wissenschaftlicher Mitarbeiter des von Professor Werner Krawietz geleiteten Lehrstuhls für Rechtssoziologie, Rechts- und Sozialphilosophie tätig war, interessierte sich unser „großer Meister“ – neben anderen wissenschaftlichen Themen – für die juristische und soziologische Institutionentheorie, die von Autoren wie Niklas Luhmann, Helmut Schelsky, Neil MacCormick und Ota Weinberger entwickelt wurde.1 Hier, um das Thema wieder aufzunehmen, aber es gleichzeitig zu variieren, möchte ich mich auf die Funktion konzentrieren, die den Institutionen für die Integration der Gesellschaft bzw. des Staates zugeschrieben wird und darüber hinaus auf die Wechselfälle, die das Institutionentheoriearrangement bei Luhmann erfahren hat. Dafür ist es angebracht, meine Rekonstruktion bei der „Integrationslehre“ von Rudolf Smend anfangen zu lassen, auch gerade deswegen, weil dieser Verfassungsrechtslehrer m. E. als theoretische Kontrastfolie und gleichzeitig Bindestrich zwischen Schelsky und Luhmann gilt. I. „Institution“ gilt als einer der unzähligen „essentially contested concepts“2 der Rechtstheorie: es herrscht überhaupt kein Konsens über seine Bedeutung und sein Wesen, weil – wenigstens seit Emile Durkheim – Institutionen schlicht und einfach alle auf Dauer gestellten sozialen Tatsachen sein können, wie Familie, Heer, Geld, Grundrechte, Kirche, Rechtsinstitute, soziale Regeln, Schule, Sprache, Staat, Symbolen, Verfassung, Werte …, kurz alle Verhaltens-, Denk- und Gefühlsweisen, die von der Kraft der Normativität (contrainte sociale) gestützt sind.3 Dieser semantischen Ungewissheit zum Trotz, herrscht in den sozialen und rechtlichen Wissen*
Das Thema meines Beitrages wurde aus Francesco Belvisi, Verso l’inclusione, Kap. 4 u. 6, entnommen und stellt eine Vertiefung der Theorien beider Autoren dar. 1 Vgl. exemplarisch folgende Arbeiten von Krawietz, Rechtssystem; Über die Fachgrenzen; Die Normentheorie. 2 Gallie, Essentially Contested Concepts. 3 Im Sinne einer Rückbesinnung auf Durkheim, Die Regeln.
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schaften eine gewisse Sicherheit über das, was die Funktion4 der Institutionen ausmacht: die Institutionen sind dazu da,5 um die Gesellschaft zu integrieren und in Ordnung zu halten.6 In einen Aufsatz der Nachkriegszeit stellte sich Schelsky die Frage über die „Stabilität von Institutionen, besonders Verfassungen“, und suchte eine erste Antwort in dem Werk von Smend „Verfassung und Verfassungsrecht“. Synthetisch lautete die vorläufig durch Smend gefundene Antwort: Stabil sind diejenigen Institutionen, die belebt, also integriert sind, d. h. für die Smendsche Terminologie, dass sie sozial akzeptiert und legitimiert sind.7 Also für unseren Verfassungsrechtler gründete sich die Lösung auf die aktive Teilnahme der Bürger am Staatsleben. Nach Schelsky versteht Smend „die Wirklichkeit des Staates in den von ihm ausgehenden und beeinflussten Akten und Vollzügen handelnder Menschen“.8 Diese hagere Formulierung gibt aus einer soziologischen Perspektive den Sinn wieder, den der Begriff „Integration“ in der geisteswissenschaftlich inspirierten Lehre von Smend hat9: „Der Staat ist nur, weil und sofern er sich dauernd integriert, in und aus den Einzelnen aufbaut – dieser dauernde Vorgang ist sein Wesen als geistig-soziale Wirklichkeit.“10 Der Smendschen Auffassung nach, gibt es drei Idealtypen der Integration: die „persönliche Integration“, die durch die Anerkennung der politischen leadership seitens der Staatsangehörigen stattfindet;11 die „funktionelle Integration“, die in den „Produktions-, Aktualisierungs-, Erneuerungs-, Weiterbildungsprozesse[n] des 4 Über das Verständnis des Funktionsbegriffs im klassischen und systemtheoretischen Funktionalismus siehe Luhmann, Funktion; ders., Soziale Systeme, S. 83 – 91; Nassehi, Gesellschaft, S. 56 – 65; ders., Funktionale Analyse. 5 Normalerweise werden Institutionen als realiter existierend vorausgesetzt. Für eine Auffassung, die den Kontakt mit der Realität nicht verlieren will, aber erkenntnistheoretisch eine analytische ist, siehe Parsons, Prolegomena, S. 320. 6 Im Allgemeinen und problembewusst, siehe Peters, Die Integration. 7 Immer synthetisch ausgedrückt wurde die Antwort von Schelsky durch die Ergänzung komplettiert: Institutionen sind integriert, wenn sie „Grund- und/oder abgeleitete Bedürfnisse erfüllen“. Vgl. Schelsky, Über die Stabilität, S. 42 – 46. Dazu siehe Belvisi, La teoria delle istituzioni, S. 49 – 52 u. 68 – 73. 8 Ebd., S. 49. Hier bezieht sich Schelsky höchst wahrscheinlich auf folgenden Passus von Smend: „So ist insbesondere der Staat nicht ein ruhendes Ganzes, das einzelne Lebensäußerungen, Gesetze, diplomatische Akte, Urteile, Verwaltungshandlungen von sich ausgehen lässt. Sondern er ist überhaupt nur vorhanden in diesen einzelnen Lebensäußerungen, sofern sie Betätigungen eines geistigen Gesamtzusammenhanges sind, und in den noch wichtigeren Erneuerungen und Fortbildungen, die lediglich diesen Zusammenhang selbst zum Gegenstande haben. Er lebt und ist da nur in diesem Prozeß beständiger Erneuerung, dauernden Neuerlebtwerdens; er lebt, um Renans berühmte Charakterisierung der Nation auch hier anzuwenden, von einem Plebiszit, das sich jeden Tag wiederholt.“ Smend, Verfassung, S. 136. 9 Mit Grund kann man sich fragen, ob die knappe Formulierung von Schelsky gegenüber der Smendschen Auffassung korrekt sei. Vgl. jedenfalls Smend, Verfassung, S. 136 – 138. 10 Ebd., S. 138. 11 Siehe ebd., S. 142 – 148.
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Sinngehalts“ und vor allem in den „Vorgänge[n] der Willensbildung“ realisiert wird;12 und die „sachliche Integration“, die mit Bezug auf Werte stattfindet.13 Den ersten zwei Integrationstypen formaler Natur14 gegenüber besitzt die sachliche Integration eine unerlässliche Eigenschaft. In der Tat ist der Staat „nicht ein reales Wesen an sich[.] Sondern er ist überhaupt nur Wirklichkeit, sofern er Sinnverwirklichung ist; er ist mit dieser Sinnverwirklichung identisch.“ Deshalb kann seine Substanz als „Werteverwirklichung“ verstanden werden.15 Seine Machtfähigkeit, seine Legitimität und seine Ordnung hängen von den politischen und kulturellen Werten ab, die der Staat vertritt: „Legitimitätsbegründend sind die konkreten Werte, die die Geltung einer bestimmten staatlichen Rechtsordnung einerseits fordern und andererseits tragen.“16 Eine gelungene Staatsintegration ergibt sich aber nicht nur aufgrund eines einzigen Integrationstypus, sondern es ist sowohl die Mitwirkung von verschiedenen Integrationsfaktoren der anderen Typen notwendig als auch das einheitliche Operieren des Integrationssystems, wonach gegebenenfalls Vorgänge der sachlichen Integration mit denjenigen der formellen Integration zu ersetzen sind und vice versa.17 Die Verfassung bestimmt den Sinn des einheitlichen Integrationsvorganges, weil sie die „spezifische Substanz des Staates“ ist.18 Folglich ist die Verfassung die Rechtsordnung des Staates, „genauer des Lebens, in dem der Staat seine Lebenswirklichkeit hat, nämlich seines Integrationsprozesses. Der Sinn dieses Prozesses ist die immer neue Herstellung der Lebenstotalität des Staates, und die Verfassung ist die gesetzliche Normierung einzelner Seiten dieses Prozesses.“19 Durch diese „Monsterdefinition“20 wird die „Spannung von Sollen und Sein, Sinn und Lebenswirklichkeit“ aufgelöst,21 und dementsprechend hat die Verfassung einen doppelten Charakter. Einerseits stellt sie jeweils eine der verschiedenen Formen der 12
Siehe ebd., S. 148 – 160. Die parlamentarischen Vorgänge im Besonderen „integrieren, d. h. schaffen zu ihrem Teile die jeweilige politische Individualität des Volksganzen“, und stellen damit die erste „Voraussetzung“ einer sinngemäßen Integrationswirkung des Verfassungslebens mit Bezug auf das „rechtlich faßbare Tätigwerden“ eines Staates her. Die zweite Voraussetzung ist „die innere Beteiligung aller“ an jenem Leben, die sich dadurch vollzieht, dass der Einzelne sich der „Auswirkung der wesentlichsten staatlichen Integrationsfaktoren unterwirft.“ Siehe S. 154 u. 156. 13 Siehe ebd., S. 160 – 170. 14 Ebd., S. 139 u. 148. 15 Ebd., S. 160; siehe auch S. 161: „der Staat hat die Wirklichkeit, die er als geistige Lebensgemeinschaft hat, gleichmäßig vermöge aller Sinngehalte, die diese Gemeinschaft konstituieren.“ 16 Siehe ebd., S. 166; auch S. 155 u. 215. 17 Ebd., S. 170 – 180, u. bes. S. 171 f. u. 175; siehe auch S. 217. 18 Siehe Smend, Verfassung, S. 188. 19 Ebd., S. 189. 20 So Mols, Allgemeine Staatslehre, S. 200. 21 Smend, Verfassung, S. 188.
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Staatlichkeit dar,22 die als ideellen, staatsimmanenten Wert an sich, als des Staates „überempirisch aufgegebene[s] Wesen“ verstanden sein soll.23 Andererseits und gleichzeitig gibt die Verfassung die konkreten Werte an, die rechtlich positiviert worden sind. Unter dem ersten Aspekt entspricht die Verfassung dem politischen Integrationsvorgang, der – als „Selbstzweck“ – das Leben und die Stabilität des Staates garantieren soll.24 Unter dem zweiten Aspekt, hingegen, ist die Verfassung positives Recht, wirklicher Ausdruck des staatsbürgerlichen Willens.25 Aber als solche ist sie „nicht nur Norm, sondern auch Wirklichkeit […] integrierende Wirklichkeit“.26 Mit anderen Worten, nach der dynamischen oder prozesshaften Auffassung von Smend inkorporiert die Verfassung einerseits die existenzielle „kategorische Notwendigkeit“27 der Staatslegitimierung,28 die mit Bezug auf die Grundsätze der Präambel, des Grundrechtekatalogs, die Staatsform, die der Gewaltenteilung angemessenen Staatsfunktionen und die Symbole (Nationalhymne, Staatsfahne, Nationalfest, politische Zeremonie usw.) stattfindet.29 Andererseits bilden die Grundrechte ein „Kultursystem“ von „konkreten Werten“, das den Staat national homogenisiert.30 Noch bevor die Grundrechte die private Sphäre der Menschen – der liberalen Tradition gemäß – schützen, erteilen sie den Staatangehörigen „einen materialen Status, durch den sie sachlich ein Volk […] sein sollen“. Dank dieses Status wird die Motivation des politischen Handelns der Staatsbürger begründet, die sowohl zur aktiven Teilnahme am Staatsleben31 als auch zum täglichen Plebiszit seiner Existenzbejahung „berufen“ sind.
22 „Staatlichkeit“, die sich in den zwei Eigenschaften des „souveräne[n] Willensverband[es]“ und der „dauernde[n] Integration zur Wirklichkeit“ darstellt. Siehe ebd., S. 139. 23 Siehe ebd., S. 139, aber auch S. 135, FN 34. In diesem Sinne siehe Mols, Allgemeine Staatslehre, S. 186 f. u. 268; anderer Meinung ist Poeschel, Anthropologische Voraussetzungen, S. 48 – 55, der dem Wort „überempirisch“ den methodologischen Sinn von theoretisch gibt und setzt ihm den phänomenologischen Begriff „empirisch“ entgegen (siehe S. 53). 24 Siehe Smend, Verfassung, S. 197. Contra siehe Kelsen, Der Staat. 25 Siehe ebd., S. 132 – 135. 26 Ebd. S. 192. 27 Ebd., S. 196; siehe auch Smend, Das Problem, S. 508. 28 In diesem Sinne siehe Mols, Allgemeine Staatslehre, S. 266 – 270. Über die Grundlagen des „anthropologisch-existentiellen“ Ansatzes der Smendschen Lehre siehe ebd., S. 145 – 161. 29 Siehe Smend, Verfassung, S. 198 – 223, 260 – 268. 30 Ebd., S. 166, 221 u. 264 f. 31 Siehe ebd. S. 132, 215 f., 222 u. 260 – 265; siehe auch ders., Integration, S. 485; ders., Bürger, S. 316 – 319. Hier sind die Grundrechte nur „anscheinend private“, sie bestimmen keinen „trennende[n] Vorbehalt gegenüber dem Staat“, sondern bilden sie eine „bindenden Beziehung zu ihm, als Grundlage politischer Eignung […] diese grundrechtliche Freiheit ist nicht bourgeoise Emanzipation vom Staat, sondern bürgerliche Grundlegung des Staates.“ In: Das Problem, S. 512, behauptet Smend, dass die Werte, die grundlegend für die ethische Auffassung des Bürgers sind nicht jene revolutionären von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, sondern diejenigen „der Verantwortlichkeit, der Hierarchie und der Disziplin“.
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Die Smendsche Verfassung ist daher sowohl das „aktive Prinzip eines dynamischen Prozesses wirksamer Energien, ein Element des Werdens“ der politischen Einheit – nach der Definition von Carl Schmitt32 – als auch die Widerspiegelung eines realen und aktuellen politischen Vorgangs, eines Vorgangs, der – wie Schelsky sagte – aus „Akten der Wirklichkeitsschöpfung“ besteht.33
II. Voraussetzung der Smendschen Integrationslehre ist die vom Pädagogen und Philosophen Theodor Litt nach einer dialektischen Methode ausgearbeitete Begrifflichkeit. In seinem Werk Individuum und Gemeinschaft34 versucht er, die die geistige und kulturelle Wirklichkeit konstituierenden Polaritäten zu versöhnen: Individuum und Gemeinschaft eben. Ins Zentrum des Interesses des deutschen Verfassungsrechtslehrers rückt somit besonders der Begriff des „geschlossenen Kreises“, der die „soziologische Realität“ des Staates ausmacht.35 Für Litt gehört die soziale Realität der Welt des Bewusstseins. Deshalb soll die Sozialwissenschaft die „wesenhafte Struktur“ der Erlebnisse durch eine phänomenologische Analyse zu erklären versuchen: sie soll die Erlebniswelt des Individuums zusammen mit derjenigen der Gemeinschaft begreifen und auf dieser Weise deren traditionelle Scheidung überwinden.36 Aus dieser Perspektive stellt der „geschlossene Kreis“ den geselligen existentiellen Zustand des Individuums dar, das einer Gruppe angehört, in der „jeder jeden kennt“.37 So konzentriert sich die Analyse am Anfang auf eine kleine Gruppe, deren Mitglieder bei bestimmten Gelegenheiten alle anwesend sein können, so dass jedes Erlebnis des Einzelnen den Gehalt der Erlebnisse der anderen Angehörige mitbestimmt.38 Hier koinzidieren individuelles Erlebnis und Gesamterlebnis der Gruppe; die Integration, d. h. der „Zusammenhang des Individuums mit dem Ganzen“,39 ist – zumindest relativ – unproblematisch, da die soziale Kohäsion sich nicht so sehr durch den Kreislauf der Erlebnisse ergibt, sondern sich dank des unmittelbaren „Miterlebens“ ereignet, und das bedeutet – kurz gesprochen – durch Anwesenheit und eine Art von Sympathie des Verstehens,40 letztendlich durch kognitive Solidarität. 32
Schmitt, Verfassungslehre, S. 6. Schelsky, Über die Stabilität, S. 49. 34 Litt, Individuum. Über die phänomenologische Philosophie Litts und die Integrationslehre Smends ist es Bobbio, L’indirizzo fenomenologico, S. 51 – 63, immer noch lesenswert. 35 Smend, Verfassung, S. 132. 36 Siehe Litt, Individuum, S. 4 – 6 u. 8. Diese Problemstellung wird von Schelsky, Ortsbestimmung, S. 105 – 106, geteilt. 37 Litt, Individuum, S. 266. 38 Ebd., S. 239. 39 Ebd., S. 14 (Hervorhebung von mir). 40 Vgl. ebd., S. 182 – 192 u. 243 f. 33
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Die Frage aber der Integration der Institutionen und des Staates gehört nicht zu dieser analytischen Ebene. Wenn das soziale Gebilde größere Dimensionen hat, dann ist Anwesenheit selten oder kaum möglich, das Pathos der Nähe nicht vorhanden: Jetzt braucht man nicht auf Kommunikation und „soziale Vermittlung“ zurückzugreifen. Für größere Gruppen ist es angebracht, dem Begriff des geschlossenen Kreises den der „sozialen Verschränkung“41 zu koppeln. Sie stellt die Struktur der wechselseitigen Erlebnisse dar, die – so zu sagen – die Substanz des geschlossenen Kreises bilden. Da die Erhaltung des Erlebniskomplexes von dem Willen der Angehörigen der verschiedenen sozialen Kontexte abhängt, besteht jederzeit die Möglichkeit, dass die Einheit der Gesamtaktion sich radikal auflöst42 und die Gemeinschaft zugrunde geht. Daher ist es notwendig, das Zugehörigkeitsgefühl der Mitglieder durch ein sekundäres Erlebnis zu verstärken. Das individuelle und das Gesamterlebnis sind gegenwärtige, unmittelbare Erlebnisse, im Gegenteil bezieht sich das sekundäre Erlebnis auf das Zurückrufen eines vergangenen Erlebens, das durch die interpersonale Kommunikation, also durch die „soziale Vermittlung“ aktualisiert und „berichtet“ wird.43 Die Kommunikation erlaubt die Grenzen zu überschreiten, die von der Gegenwärtigkeit des Miterlebens gesetzt sind. Der Sinn des vergangenen Erlebnisses wird objektiviert und für die Gegenwart disponibel, so dass eine gemeinsame Wirklichkeit der Erlebnisse gebildet wird.44 Dieser Prozess der Sinnaktualisierung findet innerhalb der von Litt genannten „Werkgemeinschaft der Kultur“ statt. Sie kommt durch die „Sozialität des Sinnerlebens“,45 d. h. durch die Tatsache zustande, dass der Erlebnissinn nur durch die Sprache kommuniziert und verstanden werden kann, an deren Herstellung alle Gruppenmitglieder teilnehmen.46 Sprache und Kommunikation ermöglichen den gemeinsamen Bezug auf die Sphäre der Kultur, d. h. des objektiven Sinnes der geschichtlichen Erlebnisse.47 Sie ist „Einheitsprinzip“ der sozialen Verschränkung, ihr „festes Gerüst“.48
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Siehe ebd., S. 246 – 252. Siehe ebd., S. 249 – 250. 43 Siehe ebd., S. 254 e 278; siehe ferner S. 266 – 268, mit Bezug auf die Einbeziehung neuer Angehöriger, und S. 255 – 257 u. 276 – 279, über Probleme der sekundären Darstellung des Erlebnisses. Durch den Begriff der „Kommunikation“ aktualisiere ich das, was Litt mit „Bericht“ oder „Berichterstattung“ meint. 44 Vgl. ebd., S. 253 – 257, 265 – 274. 45 Vgl. ebd., S. 320 f., 322 u. 324. 46 Vgl. ebd., S. 314 – 316, 324 u. 326. Nach Litt, stellt die Sprache das paradigmatische Beispiel des universellen Sinnzusammenhanges: siehe auch S. 318 – 322 u. 325 – 327. 47 Vgl. ebd., S. 324 f. 48 Vgl. ebd., S. 325 – 327. 42
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Mit einem Wort bedeutet all das: kulturelle und soziale Homogenität, die trotz aller Entgegensetzungen und Konflikte49 vorhanden ist. Dem Zusammenhang der sozialen Wirklichkeit gegenüber, erfüllen die symbolisch fixierten und durch die Sprache propagierten Sinnbildungen der Kultur eine vereinheitlichende, integrierende Funktion. So sehr plausibel diese Auffassung Litts sein kann, nichts desto weniger drückt sie aber eine viel zu simplifizierte, unproblematische Einsicht der durch Erlebnis und Sinn konstituierten kulturellen Kohäsion. Darum, wenigstens in der Perspektive des Erkenntnisinteresses von Smend, sollen wir uns folgende Bemerkung vor Augen halten. In der Tat haben Sinnbildungen an und für sich keine Bedeutung:50 sie sind sinnlose Sinnbildungen, weil der Sinnbegriff – solange er keinen präzisen sachlichen Bezug hat – zu abstrakt oder zu leer ist. Daher sollen die Sinnbildungen einen besonderen Gehalt besitzen und er besteht – mindestens auch – aus Werten, besonders wenn es dann um kulturelle Sinnbildungen geht. Die Folge ist, dass die Littsche Auffassung nicht imstande ist, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass innerhalb einer ausgedehnten kulturellen Gruppe (so unterschiedliche) Werte erarbeitet werden können, dass auf Grund derer Bedeutung ein und dasselbe Erlebnis von Person zu Person einen auch grundunterschiedlichen Sinn annehmen kann.51 Gerade diese Differenz kann Ursache eines Konflikts sein, der die Wertgemeinsamkeit in Frage stellt. Litt begreift nicht den konfliktträchtigen Charakter von dem, was wir – Max Weber folgend – als „Polytheismus der Werte“ bestimmen können.52 Im Gegenteil wirkt sich bei Litt der homogene Charakter der sozialen Kultur in der Annahme der Wertkompatibilität aus, so dass der Konflikt – obwohl beschwört53 – sofort aufgelöst wird. Ferner ist der Bezugspunkt von Litt nur das Erlebnis(machen) und nicht seine Folgen, nämlich die menschliche Handlungen.54 Auch in diesem Fall können Konflikte entstehen, da nicht nur gemeinsame Werterlebnisse unterschiedlich ausgelegt werden können, sondern die Werte selbst – denen eine unterschiedliche Bedeutung (d. h. ein unterschiedlicher Gehalt) verleiht wird – als Handlungsmotivatio49 Siehe ebd., S. 192 – 199 (195 – 196 gegen eine ethisch-harmonizistische Auffassung der Gemeinschaft), 242 – 244, 320 f. u. 392 – 394. 50 Für eine abstraktere Auffassung des Sinnbegriffes siehe Luhmann, Sinn als Grundbegriff; und in einer exemplarischen Knappheit, ders., Institutionalisierung, S. 28 f. Dementsprechend sind Institutionen „Sinnablagerungen des Institutionalisierungsprozesses“ (ebd., S. 34) oder besser, sind Sinngehaltsablagerungen, da Institutionen nicht Depots von „Überschüssen von Verweisungen auf mehrere Möglichkeiten des Erlebens und Handelns“ sein können (ders., Soziale Systeme, S. 93), sondern Ablagerungen von entlastenden, vorerfahrenen und sicheren (entäuschungsfesten) Verhaltenserwartungen, denen sozialen Konsens unterstellt werden kann (vgl. ders., Grundrechte, S. 12 f. u. 34). 51 Dies war Talcott Parsons ganz klar: siehe Prolegomena, S. 325 f.; und wir werden sehen, dass auch Luhmann dessen bewusst war: siehe z. B.: „Was gemeinsam aufgefaßt wird, kann für die Beteiligten sehr Verschiedenes bedeuten.“ Luhmann, Soziale Systeme, S. 162. Und dasselbe gilt für die Kommunikation: siehe ders., Die Unwahrscheinlichkeit. 52 Siehe Weber, Der Sinn der „Wertfreiheit“, S. 507. 53 Siehe FN. 49. 54 Siehe Litt, Individuum, S. 392 f.
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nen unterschiedlich realisiert werden können und deshalb verschiedene Handlungen entstehen lassen bzw. motivieren. III. Nach Litt liefert die Kultur den Grund der sozialen Homogenität, die von den Entgegensetzungen – derer er bewusst ist – nicht angetastet wird, da sie durch den Bezug der streitenden Mitglieder auf einen gemeinsamen Sinnvorrat entschärft oder abgemildert werden, dessen Gehalt aus Kulturbildungen besteht: unter ihnen gibt es Symbole und Werte. Auch Smend lehnt den Wertgegensatz zwischen „Individuum und Gemeinschaft“ ab und wandelt ihn in das „Strukturproblem“ der existenziellen Beziehung zwischen „Ich und soziale Welt“ um.55 In Anbetracht der Wirklichkeit des „geistigen Lebens“ des Staates – Leben, das selbst „fließendes Leben [ist], also steter Erneuerung und Weiterführung bedürftig, eben deshalb aber auch stets in Frage gestellt“–, impliziert für die Staats- und Verfassungslehre jene Beziehung die Notwendigkeit, das anscheinend nicht triviale Problem der „Zugehörigkeit“ der Bürger zum Staat zu behandeln.56 Bei Smend ist die Lösung die der Integration: sie gewährt die Staatswirklichkeit als „Sinneinheit reellen geistigen Lebens“.57 Aber der Staat ist „überhaupt nur Wirklichkeit, sofern er Sinnverwirklichung ist“, und letztere kann nicht abstrakt verstanden werden, so dass der Staat „in seiner Substanz als Werteverwirklichung zu verstehen“ ist.58 Deshalb genießt die sachliche Integration unter den verschiedenen Integrationstypen eine entschiedene Prominenz.59 Selbst die Staatslegitimierung – besonders die des demokratischen Staates – hängt von der sachlichen Integration ab: „Ohne Legitimität, d. h. ohne Geltungsbegründung in geschichtlich geltenden, dem Staat und seinem Recht transzendenten Werten gibt es keine Geltung der positiven Verfassungs- und Rechtsordnung.“60 Und so wird die Wirkung der integrativen Prozesse „durch eine vom politischen Kampf nicht in Frage gestellte Wertegemeinschaft“ bedingt, die im Gegensatz „diesem Kampf selbst Regeln und den Sinn gibt“.61 Die Werte, an die Smend denkt, sind besonders die „Menschenrechte“ und ihre Konkretisierungsform: die Grundrechte der Staatsangehörigen.62 Sie bilden die Sub55
Vgl. Smend, Verfassung, S. 125. Vgl. ebd., S. 134 f. 57 Ebd., S. 136. 58 Ebd., S. 160. Das Staatsleben ist „eine Totalität […] bestimmt durch die Konkretisierung objektiver Wertgesetzlichkeiten“, und der Staat ist „ein einheitliches Erlebnis […] nur als eine Werttotalität“, S. 162. 59 Ähnlich Zagrebelsky, Introduzione, S. 24 f. Man spricht von Prominenz und nicht von Selbstgenügsamkeit: „weil auf funktionelle Integration allein kein Staat gegründet werden kann, ebensowenig wie auf sachliche allein“. Smend, Verfassung, S. 219. 60 Smend, Verfassung, S. 215. 61 Ebd., S. 155. „Die Realisierung aller ideellen Sinngehalte setzt Gemeinschaft voraus.“ Sie lebt von den Werten, die sie erlebt und verwirklicht; siehe ebd., S. 160. 62 Vgl. ebd., S. 216. 56
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stanz, die dem Staatsbürgerstatus seine spezifische Würde verleiht, sobald der Bürger den „Ruf“ zur Staatsangehörigkeit positiv beantwortet hat und nimmt die eigene Verantwortung auf, um seinen politischen Beruf tätig zu erfüllen.63 Diese ethische Eigenschaft des Staatsbürgers ermöglicht, dass sich die Voraussetzung der politischen „Homogenität“ der Demokratie realisiert und dass deshalb der Wertgehalt, der sie integriert, als „Besitz [der Aktivbürgerschaft] erlebt und fortgebildet wird.“64 Folglich sind die Grundrechte etwas mehr als einfach geteilt, sie sind – paradoxerweise – gleichsam ethisch von außen dem Staatsbürger auferlegt und durch den Integrationsvorgang von ihm akzeptiert. Smend stellt den traditionellen Diskurs der Rechte auf den Kopf: sie stellen überhaupt nicht einen Anspruch der liberalen Vernunft dar, sondern werden im Gesamterlebnis in einer fast irrationalen Weise wahrgenommen. Wie Gustavo Zagrebelsky richtig behauptet, sind bei Smend die Grundrechte nicht eigentlich Faktoren der bürgerlichen Emanzipation und nicht als Gewährleistung des Individuums vom Staat zu verstehen, sondern sie sind als objektive Staatsbegründung zu begreifen.65 Die Grundrechte proklamieren „ein bestimmtes Kultur-, ein Wertsystem, das der Sinn des von dieser Verfassung konstituierten Staatslebens sein soll.“66 Daher stimmt die Staatslegitimation mit der sachlichen Integration überein.67 Durch die Littsche Theorie des geschlossenen Kreises können wir die Bedeutung gut verstehen, die der Begriff der „Integration“ im Denken des deutschen Verfassungsjuristen behält. Dieser Begriff weist nur anscheinend auf das Konsensthema hin. In der Tat, durch das kulturelle Wertsystem legitimiert der Staat zwar seine Macht den Staatsbürgern gegenüber. Da sie aber aktiv an seinem politischen Leben teilnehmen, integrieren sie sich eigentlich nicht, sondern sie integrieren den Staat, d. h., sie bilden ihn geistig und bestätigen ihn als lebende Einheit.68 In all dem ist kein echter Konsens vonnöten, d. h. kein Einverständnis mit den bindenden politischen Entscheidungen: was ausreicht, ist die Legitimation des Staates, und sie findet schon in der früheren Phase des Erlebnisses statt bei der Teilnahme am Staatsleben. In ihr kann auch Dissens entstehen, der aber gedämpft bleibt, innerhalb gewisser nicht pathologischer Grenzen kraft der grundlegenden Übereinstimmung des kulturellen Wertsystems.69 Die Littsche Theorie liefert der Auffassung unseres Verfassungsrechtslehrers anspruchsvolle aber schwache Voraussetzungen, da sie in einer ausgedehnten politi63
Siehe Smend, Das Problem, S. 509 u. 513. Siehe ebd., S. 221 f. 65 Siehe Zagrebelsky, Introduzione, S. 27 f. 66 Siehe Smend, Verfassung, S. 265. 67 Vgl. ebd., S. 216, u. 262. Sachliche Integration und materielle Legitimierung beziehen sie sich sogar auf ein und das selbe Phänomen, zuerst staatstheoretisch und dann rechtstheoretisch bezeichnet (siehe S. 265). 68 Siehe Zagrebelsky, Introduzione, S. 13. 69 Siehe Smend, Verfassung, S. 166; siehe auch Zagrebelsky, Introduzione, S. 23. 64
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schen Gemeinschaft, wie sie die staatliche ist, kontrafaktisch gemeinsame Erlebnisse und eine Sinngemeinsamkeit der Werte beanspruchen. Nicht von ungefähr hat Smend selbst den Preis anerkannt, den seine Lehre an Erklärungsfähigkeit hat bezahlen müssen, und dabei hat er eine große intellektuelle Ehrlichkeit gezeigt. In der Tat war der Ausgangpunkt für ihn, dass das verfassungsmäßige Staatsleben eine problematische Erscheinung darstellte, die eine kontinuierliche Bestätigung erhalten sollte. Aber die Inanspruchnahme der phänomenologischen Auffassung Litts löst die möglichen desintegrierenden Elemente auf, da diese Konzeption sich auf den „unproblematisch geschlossenen Kreis der Sprachgemeinschaft“ gründet und damit bei der Bildung des Gesamterlebnisses die „existenzielle Identifikation (P. v. Oertzen)“ des Einzelnen mit dem Staat auf eine „zu unproblematisch[e]“ Weise löst.70 IV. Schelsky folgend, besteht das Verdienst der Verfassungslehre von Smend darin, dass sie eine der Funktionen klar hervorgehoben hat, „die eine Verfassung gegenüber ihrer Bedürfnisgrundlage, d. h. gegenüber den politischen Verhaltensantrieben der Bürger, zu erfüllen hat“: nämlich die „Rückwirkung“, die eine Institution „als Führung und Formierung“ auf die politischen Bedürfnisse ausübt.71 Bei der Sache aber, ist das Hauptinteresse von Smend dasjenige gewesen, die Integrationstypen zu beschreiben, ohne bei seiner Betrachtung auf „den anthropologischen und soziologischen Strukturzusammenhang“ der institutionellen Integrationsvollzüge zurückzugreifen, die sich „im Gesamtausbau der menschlichen Kultur“ ereignen, so dass er den „Grundstock an vitalen und kulturellen Bedürfnissen [übersah], von deren Erfüllung in institutionellen Akten der reversible Prozess der Integration im höchsten Maße abhängt.“72 Man muss doch anerkennen, dass nur ein Teil dieser Kritik auf die theoretische Absicht Smends zutrifft: er war Staats- und Verfassungsrechtslehrer und wollte nicht (und konnte auch nicht: die Zeit war dafür sogar unreif!73) zu einem Kulturanthropologen oder Rechtssoziologen werden. Er hat zwar seine Integrationslehre auf die fragliche geisteswissenschaftliche Philosophie von Litt gestützt, um Sinn und Wesen des Staates und der Verfassung – auf eine idealistisch versöhnende Weise – zu begründen. Und trotzdem wollte er kein Philosoph sein. Aber Schelsky hat in70 Siehe Smend, Integrationslehre, S. 480 f. Luhmann, Institutionalisierung, S. 30, erklärt, dass die Sprache „bei Bejahung gleicher Worte Konsens suggeriert“. 71 Siehe Schelsky, Über die Stabilität, S. 49. 72 Siehe ebd., S. 50. Die Kritik von Schelsky geht auch weiter: „Genauso weist [Smend] zwar auf die Notwendigkeit zu immer erneuter Institutionenbildung in der Entwicklung allen staatlichen Verhaltens hin, vermag aber über die Richtung und die Stabilitätsgesetzlichkeit dieses Prozesses nichts auszusagen.“ 73 Das wird auch von Niklas Luhmann, Grundrechte, S. 45, erkannt: „Die äußeren Gründe [der Defizite] der Integrationslehre wurzeln […] vor allem in der Unausgereiftheit der damaligen soziologischen Theorie und Methode.“
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sofern Recht, als Smend wegen seines dichten ethischen Ansatzes des Staatsangehörigen, den Zusammenhang zwischen „Erleben und Handeln“, Integrationsprozesse und Konsens nicht behandelt hat bzw. nicht behandeln konnte. Hieran knüpfen auch die kritischen Äußerungen Luhmanns an. Was für den Verfassungsjuristen der Kraftpunkt seiner Perspektive war, nämlich der geisteswissenschaftliche Ansatz, bedeutet für Luhmann „in soziologischer Sicht“ gerade „einen der schwerwiegendsten Mängel der Smendschen Integrationslehre“.74 Obwohl Smend „ein zentrales staatsbildendes Phänomen“ feststelle, beschränke sich seine Analyse darauf, die sinnkonstituierenden Integrationsprozesse zu beschreiben, die gebunden und begrenzt auf der Ebene des Erlebens und der rein „geistigen“ Sinnwirklichkeit sind. Auf diese Weise vermöge Smend nicht die Funktion zu erklären, die der integrative Vorgang für die Lösung der Probleme besitzt, die auf der Ebene des sozialen Handelns entstehen.75 Durch den Begriff des Staates als geistiger Wirklichkeit, habe die Integrationslehre „den Konsensbedarf gleichsam ontifiziert“. Im Gegenteil erfordert nach Luhmann der „Fortbestand sozialer Systeme nur im begrenztem Umfange Konsens“, dessen Maximierung mit „Unterleistung in anderen Hinsichten bezahlt werden muß“. Wegen der Überbewertung des Konsenses nimmt sich Smend „die Möglichkeit, ihn als funktionale Variable zu behandeln“.76 In der Tat kann die Smendsche Lehre diese funktionale Einsicht nicht leisten, da der Verfassungsrechtler entschieden sowohl die Kausalerklärung als auch die teleologische ablehnt.77 Daher ist, wie Luhmann richtig behauptet, trotz der Unterschiedlichkeit der „Integrationsarten“ bei Smend „die Integration […] als Integration immer dieselbe“.78 Der Ansatz dieser Lehre zwingt zu einer „undifferenzierte[n] Ganzheitlichkeit“. Nur wenn man Integration als „notwendige Funktion oder gar als Leistung versteht, kann man der verhängnisvollen Folgerung nicht mehr ausweichen, daß die integrierenden Faktoren wirksame, funktional äquivalente Mittel sind und daß, wie geschehen, die Grundrechte durch Paraden ersetzt werden können.“ Will man aber dieses – aus der Perspektive Smends – unzureichende Ergebnis vermeiden, dann wird 74
Ebd., S. 88. Vgl. ebd., S. 46. „Der Rückgriff auf das konstituierende Erleben […] dient lediglich dem Verschmelzen von Problemen und Wiedersprüchen zu einer undifferenzierten Sinnganzheit“: ebd., S. 44, Fn. 13. 76 Siehe ebd., S. 88. Trotzdem erkennt Luhmann, dass Smend einen Beitrag für die Konsenstheorie mit Bezug auf die „integrierende Bedeutung gewisser Konflikte oder über die Dissens stabilisierende und dadurch Konsens straffende Funktion der Grundrechte“ geliefert hat: ebd., FN 8; was die Rolle der Konflikte angeht, siehe Smend, Verfassung, S. 155 f. Im Gegenteil ist in puncto „Funktion der Grundrechte“ bei Smend die Lesart von Luhmann nicht zu teilen. Oben S. 249 haben wir gesehen, dass in der Smendschen Auffassung bei den Grundrechten es nicht so sehr um Konsens geht, sondern eher um die Bildung eines ethischen Staatsbürgerstatus. 77 Siehe ebd., S. 46. Besonders der teleologische Ansatz war charakteristisch für Gelehrte wie Hans Kelsen, Friedrich Meinecke und Max Weber; siehe die Kritiken in Smend, Verfassung, S. 122 u. passim. 78 Luhmann, Grundrechte, S. 45. 75
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der Integrationsprozess unverständlich, da er sich in ein „geheimnisvolles Lebensagens des Staates“ verwandelt, es sei denn man spricht diesem Vorgang die „Prätention einer allgemeinen Basis der Staatswirklichkeit“ ab und konfrontiert ihn – nach der systemtheoretischen Perspektive – „mit einer Vielzahl andersartiger funktionaler Bedürfnisse“.79 Nach Luhmann muss man also, um den Integrationsvorgang angemessen zu begreifen, die Ebene des Erlebens verlassen und sich auf „die Ebene des informativen Verhaltens“ stellen. Hier ist Integration laufende Kommunikation und kann als „ein informatives Geschehen“ bezeichnet werden, da sie „Konstitution von Systemen durch Kommunikation von Sinn in sozialen Kontakten“ ist.80 Das heißt, dass es bei dem Integrationsprozess nicht um normative Werteverwirklichung, sondern um ein faktisches Vorgehen geht: um die „Tatsache, daß alles Verhalten im staatlichen Relevanzbereich einen generalisierten, systembezogenen Ausdruckswert hat“.81 „Die integrierende Funktion der Kommunikationsprozesse besteht darin, daß ihr Mitteilungssinn direkt oder indirekt auf Handlungssysteme verweist; daß im sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucksverhalten die Existenz bestimmter Handlungssysteme impliziert und dargestellt wird, so daß im Austausch der Kommunikationen mehr oder weniger bewußt zugleich eine Verständigung über das Vorausgesetzte, eine Konstitution des Systems erfolgt.“82
Also hier geht es nicht mehr – wie bei Smend – um die Verwirklichung des Erlebnissinnes, d. h. der konkreten Werte, sondern um die Möglichkeit der Konstruktion von sozialem Sinn überhaupt, d. h. eben um die Bildung und Erhaltung des politischen Handlungssystems. Bei Luhmann bedeutet der Integrationsvorgang „Generalisierung von Kommunikationen“, die aus den „darstellenden, sinnvermittelnden, informativen Aspekten des Verhaltens“ entstehen und auf „das politische System als System“ bezogen werden: „Ohne das System zu implizieren, ist keine sachliche Äußerung möglich.“83 Überdies findet in der komplexen Gesellschaft die Integration nicht durch die Gleichheit, die Homogenität, die Kohäsion der Deutungen, der Erlebnisse, der Werte, der Handlungen statt, sondern in der Differenz und Verschiedenheit, in der Koordinierung und Übereinstimmung der Verhaltenserwartungen.84 Gerade hier haben „die Grundrechte als gesamtgesellschaftliche Institution“ ihre integrierende Funktion:
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Siehe ebd. Siehe ebd., S. 46 (Hervorhebung von mir). 81 Ebd., S. 47 f.; siehe auch S. 34. Generalisieren, d. h., von konkreten Kontexten abstrahiert. 82 Ebd., S. 47. 83 Vgl. ebd.; siehe auch S. 32. 84 Siehe ebd., S. 84 f. 80
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„Sie hemmen die strukturell bedingten Expansionstendenzen des politischen Systems im Interesse der Erhaltung einer differenzierten Kommunikationsordnung, die in ihren einzelnen Sphären auf spezifische funktionale Probleme der Gesellschaft bezogen ist.“85
„Gerade in der Vielzahl getrennter Grundrechte [liegt] derjenige Wesenszug der Institution, der die Gesamtgesellschaft integriert. […] Sie dienen dem Prozeß der sozialen Differenzierung.“86 Also: soziale Integration wird nicht mehr als kohärente Einheit der Gesellschaft verstanden, sondern als Erhaltung der (relativen) Autonomie von interdependenten, „aufeinander abgestimmten“ sozialen Systemen,87 die durch „Institutionalisierung von Freiheiten in den einzelnen Untersystemen“ ermöglicht wird.88 Dementsprechend symbolisieren die Grundrechte „institutionalisierte Verhaltenserwartungen und vermitteln ihre Aktualisierung in konkreten Situationen. Die Institutionalisierung der Grundrechte ist mithin […] zunächst ein faktisches Geschehen.“89 Nach Luhmann besteht jedes Untersystem „aus konkreten Handlungen […], die konkrete Menschen involvieren“.90 Und trotzdem werden die Handlungssysteme durch den Kommunikationsprozess des Handlungssinnes gebildet, so dass die Sinnkommunikationen und nicht die Handlungen als solche die Elemente sind, die das System konstituieren, sobald Menschen miteinander in Kontakt kommen und handeln.91 Zugleich ist das Handlungssystem „durch Institutionen gestaltet“, die seine Struktur bilden.92 Institutionen sind nicht einfach Normenkomplexe, sondern Komplexe „faktischer“, „generalisierte[r] Verhaltenserwartungen“. Im Zusammenhang einer sozialen Rolle werden solche Erwartungen aktuell und können „durchweg auf sozialen Konsens rechnen“.93 Sie liefern dem Handelnden, der in den institutionellen Be85 Ebd., S. 197; siehe auch S. 200. Die Grundrechte „sind nicht lediglich Träger der Sollsuggestion von Werten“ und obwohl die Untersysteme „an eigenen Wertideen ausgerichtet werden können […] diese Wertideen, z. B. die Würde und Freiheit der Persönlichkeit, oder die Unantastbarkeit des Eigentums, nicht letzter Bezugspunkt des Grundrechtsverständnisses bleiben können. […] Die Grundrechte müssen nicht sein [und ihr] Daseinsrecht läßt sich nicht auf letztverbindliche Werte zurückführen; denn Werte sind nicht wahrheitsfähig, und es gibt Werte genug, die eine Gesellschaftsordnung legitimieren, welche ohne Grundrechte auskommt.“ Ebd., S. 197 f. Für eine entgegengesetzte Auffassung, siehe Sprenger, Legitimation. 86 Ebd., S. 200 (Hervorhebung von mir); siehe auch S. 51 f. 87 Siehe S. 35 u. 200. Um das Beispiel von Luhmann wiederzugeben: „die Expansion der Geldwirtschaft wäre […] ohne Rückhalt an einem entscheidungskräftigen politischen System, ohne hinreichend abstrakte Stabilisierung von Verhaltenserwartungen und ohne individuell motivierte Konsum- und Arbeitsbereitschaft kaum denkbar.“ Ebd., S. 200. 88 Ebd., S. 35. 89 Ebd., S. 13. 90 Siehe ebd., S. 196. 91 Siehe ebd., S. 20 f.; gleichzeitig strukturieren Systeme die expressive Seite der Kommunikationsprozesse und ermöglichen daher ihr intersubjektives Verständnis. 92 Siehe entsprechend ebd., S. 32 u. 13. 93 Siehe ebd., S. 12 f.
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reich geriet, einen generalisierten Sinn, der für die Definition der Handlung gilt.94 Deswegen sind die diesen Erwartungen konformen Handlungen bestimmt, des Öfteren sozial erfolgreich zu sein. Das bedeutet aber keine Konsensverallgemeinerung, also keine Ontifizierung des Konsenses. Konsens ist nicht immer, nicht überall und nicht im selben Maße nötig. Denn Institutionen reagieren nur auf spezifische Probleme funktional, die eine gewisse Relevanz für das Teilsystem haben. Sie verallgemeinern nicht den Konsens für und durch die ganze Gesellschaft und doch verbreiten sie ihn mit einem eigentümlichen Ergebnis: „Institutionen können durch Verbreitung des Konsenses eine Konsensvermutung legitimieren und dadurch eine tragfähige Handlungsgrundlage abgeben, solange niemand erfolgreich eine gegenteilige Einstellung behauptet und seiner Kontaktbereitschaft zugrunde legt.“95 Sozialer Konsens soll also als Variable verstanden werden und der prozessuale Begriff der „Institutionalisierung“ bringt eben diese Eigenschaft zum Ausdruck:96 institutionalisiert werden diejenigen Verhaltenserwartungen, Normen, Werten, die den sozialen Konsens genießen und daher auf Dauer gestellt werden.
V. In einem späteren Aufsatz über die „Institutionalisierung“ wird die institutionelle Auffassung Luhmanns sehr kritisch. Hier erkennt er, dass „Institution“ einen an Voraussetzungen und Selbstverständlichkeiten reichen Begriff darstellt, deren Gültigkeit aber nicht hinterfragt wird, da sie mit dem Gemeinsinn übereinstimmen. Deswegen trägt die Verwendung des Institutionenbegriffs dazu bei, die Konstruktion einer Theorie zu blockieren, die der Komplexität der sozialen Wirklichkeit angemessen und demzufolge sehr abstrakt ist. So kann man „offenlassen, was eine Institution ist und mit welchem Recht sie gilt und sich der Frage zuwenden, was sie leistet, und wie sie ihre Funktion erfüllt.“97 Dafür ist es angebracht, von Institution auf Institutionalisierung umzuschalten. Die Institutionalisierung (des Sinnes) von Verhaltenserwartungen ermöglicht es, dem sozialen System und den einzelnen Teilsystemen die Erwartungen zu koordinieren, die geeignet sind, die zwischenmenschlichen Interaktionen zu strukturieren. Auf dieser Ebene wird die Formulierung der Erwartungen reflexiv, da jeder Interaktionspartner im Stande ist, die eigenen Erwartungen in einer Weise auszudrücken, die es ermöglicht, ihnen einen gewissen Grad an Sicherheit oder mindestens an Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Dem System geht es darum, Mechanismen der Stabilisierung von Erwartungsketten, d. h. von „Erwartungserwartungen“ zu liefern. Das ist unter anderem möglich durch die Institutionalisierung, die die Erwartungen auch gegenüber Unbeteiligten und abwesenden Dritten stabilisiert. 94
Siehe ebd., S. 32. Ebd., S. 12, FN 14. 96 Siehe ebd., S. 13, FN 15. 97 Luhmann, Institutionalisierung, S. 28.
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Bei der wissenschaftlichen Behandlung dieser Sachverhalte versagt aber der „Konsens“ als „klassische[r] soziologische[r] Integrationsbegriff“,98 weil er keine ausreichende Erklärungskapazität mehr hat. Wie wir wissen, stellt „Konsens“ – verstanden als „aktuellbewußt übereinstimmendes Erleben“99 – ein wichtiges Element dar, das nicht nur den Institutionenbegriff bezeichnet, sondern auch denjenigen der sozialen Integration. Aber gleichzeitig gestaltet sich der Konsens als hoch problematischer Begriff, da er keine gegebene und präzis messbare Größe ist, sondern – wegen der hohen Kontingenz der reflexiven Erwartungsstruktur – nur vorausgesetzt sein kann. In der Tat kann ich nicht nur das Verhalten des anderen Interaktionspartners erwarten, indem er wechselseitig das gleiche machen kann. Hinzu kann ich erwarten, dass der andere erwartet, dass ich ein besonderes Verhalten von ihm erwarte usf. In konkretem Fall und aller Kontingenz und Ungewissheit zum Trotz, kann die Interaktion auf Grund eben dieser komplizierten und ungewissen Verflechtung von Erwartungserwartungen realisiert werden: eben dank der Stabilisierungsfunktion der Institutionalisierung.100 Der soziale Konsens unterliegt einem ähnlichen Vorgehen, so dass, z. B. gegenüber den Fragen, die zur Debatte stehen oder einer durchzuführenden Handlungsweise, kann ich mit einer Entscheidung oder mit der Sinnzurechnung eines Verhaltens rechnen, weil von der diffusen Unterstellung ausgegangen wird, dass „fast alle zustimmen; ja möglicherweise sogar [dass] fast alle unterstellen, daß fast alle zustimmen.“101 Diese Operation der Unterstellung und der Verschiebung verringert die Quantität der den Entscheidungen zu verleihenden Aufmerksamkeit, also entlastet sie das individuelle Bewusstsein, aber gleichzeitig leitet sie es auf den Weg des Konformismus. Dasselbe Benehmen begründet die – routinemäßige – Legitimation der Institutionen, so dass sie „nicht auf der faktischen Übereinstimmung abzählbarer Meinungsäußerungen [beruhen], sondern auf deren erfolgreicher Überschätzung.“102 Es liegt offen, dass die soziologische Theorie sich nicht mit diesem Sachverhalt begnügen kann. „Es vermittelt daher eine unzulängliche, ja irreführende Vorstellung, wenn man Institutionen durch Konsens über Werte, Verhaltensmuster usw. definiert.“103 Luhmann zwingt uns, ernsthaft die Bedingungen zu betrachten, die von unserer komplexen Gesellschaft gestellt werden. Ihr pluralistisches Wesen stößt mit der üblichen Weise zusammen, in der die Institutionentheorie der soziologischen Tradition 98
Siehe ebd., S. 30. Ebd. 100 Diese Stabilisierungsfunktion ähnelt derjenigen der rechtlichen Normenproduktion, die aber spezifisch normative Verhaltenserwartungen generalisiert, die im Enttäuschungsfall kontrafaktisch aufrecht erhalten und durch Zwangsmaßnahmen gewährleistet werden. Dazu Luhmann, Rechtssoziologie, Kap. II, §§ 4 – 7. 101 Luhmann, Rechtssoziologie, S. 71. 102 Ebd. 103 Luhmann, Institutionalisierung, S. 30. 99
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die unerlässlichen kulturellen Elemente (Sinn, Normen, Symbole, Werte) versteht und durch deren Verweis sie sich begründet fühlt. Es handelt sich um eine Auffassung, die den tatsächlichen Prozess der sozialen Differenzierung nicht hinreichend beachtet, da sie immer wieder ein gemeinsames Einverständnis über objektive Werte postuliert. Ein weiterer Grund dafür, dass es hoch unwahrscheinlich ist, dass man mit einem kristallisierten materiellen Wertevorrat übereinstimmen kann,104 ist die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft schon unser Mitmensch sowohl Erlebnisse machen als auch Verhaltensmustern folgen kann, die grundsätzlich unterschiedlich von unseren sind, so dass die Menschen auch formal ähnlichen Erlebnissen und Handlungen jeweils einen verschiedenen Sinn geben. „Je komplexer Gesellschaft und Welt, desto problematischer, also voraussetzungsreicher die Abstimmung des aktuellen Erlebens und Handelns, weil mehr Möglichkeiten ausgeschieden werden müssen, wenn zwei Menschen dasselbe meinen, sich über bestimmte Sinngehalte verständigen sollen.“105
Mit Grund fragt Luhmann also danach, „wie es möglich ist, trotz [des] nicht wesentlich erweiterbaren Potentials für aktuellen Konsens […] die notwendigen Abstimmungen des Erwartens und Verhaltens zu schaffen.“ Die synthetische Antwort lautet: durch die Institutionalisierung, die den Konsens erfolgreich überzieht und ökonomisiert.106 Gleichzeitig erschwert dieser Mechanismus die Bedingungen für die Dissensäußerung, da sie sich – überraschenderweise – mit etwas konfrontiert sieht, das mittlerweile schon als üblich oder abgemacht gilt. Am Ende dieses Prozesses befinden sich die Institutionen als „Sinnbelagerungen“. Jetzt aber hat die Luhmannsche Theorie ihre Substanz abstrakter gedacht und ihre Existenz als prekärer dargestellt: in der Tat wird ihre „Zuverlässigkeit und Homogenität“ durch „die Unbestimmtheit, Uneinschätzbarkeit und Unbefragbarkeit der relevanten Dritten garantiert“ und das „verhindert, daß die jeweils kommunikativ erreichbaren Beteiligten sie durch Neuabstimmung ihrer Meinungen außer Kraft setzen.“107 Luhmann behandelt die Institutionen und die Institutionalisierung in der ersten, Parsonschen Phase108, seines Werkes. Seit den 80er Jahren des XX. Jahrhunderts unternimmt er einen „Paradigmenwechsel“ und erarbeitet eine soziologische „autopoietische Systemtheorie“.109 Mit dem Begriff der „Autopoiesis“ will er sagen, dass die sozialen Systeme autonom die sie konstituierenden kommunikativen Elemente erzeugen auf Grund von Irritationen, die aus ihrer externen Umwelt kommen. 104 Das beste Beispiel hierfür sind die divergierenden Bedeutungen, die die Staatsbürger den Grundrechten geben, obwohl man erfolgreich annimmt, dass sie mit ihrem universellen Sinn übereinstimmen. Siehe Luhmann, Gesellschaftstheorie, S. 20 f. 105 Luhmann, Institutionalisierung, S. 37. 106 Siehe ebd., S. 30. 107 Siehe ebd., S. 33 f. 108 Als Bestätigung siehe Luhmann, Grundrechte, S. 189 – 195. 109 Luhmann, Cambio di paradigma.
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Die Systeme übersetzen diese Anregungen in ihre eigene spezifische Sprache und wandeln sie in Informationen um, die jedes Teilsystem entsprechend seiner eigentümlichen Funktion umzuarbeiten vermag.110 Innerhalb dieser neuen kommunikativen Auffassung der sozialen Systeme verlieren beide Begriffe, sowohl der der Institution als auch der der Institutionalisierung, an theoretischer Anziehungskraft, während der Begriff der Integration umgearbeitet und umdefiniert wird. Unter „Integration“ versteht Luhmann jetzt nicht mehr einen Begriff, dessen Bezug die Wertübereinstimmung ist, sondern die „Einschränkung der Freiheitsgrade der Teilsysteme“, die auf Grund des Druckes geschieht, der auf die operativen Grenzen der beteiligten Systeme von der Umwelt oder dem gesamten sozialen System ausgeübt wird. Daher hat „Integration“ nichts mehr mit der Systemeinheit oder mit einer Bindung an Zentralinstanzen zu tun und hat überhaupt keinen positiven Wert. Sondern sie betrifft die Autonomie der wechselseitig interdependenten sozialen Systeme. Dass ein System integriert ist, bedeutet, dass seine operative Fähigkeit schon ganz (fremd)determiniert ist und keinen Handlungsraum, keine Selektionsmöglichkeit mehr hat.111 Die integrierteren Verhältnisse sind – paradoxerweise – diejenigen der Kooperation und des Konflikts: „Gerade Konflikte sind sehr hoch integrierte Sozialsysteme mit nahezu zwanghaftem Handeln. Gerade Konflikte führen dazu, daß so gut wie alles Handeln unter einen Gesichtspunkt des Gewinnens oder Verlierens gebraucht wird und unter diesem Gesichtspunkt wenig, es sei denn strategische, Freiheit besteht.“112
Daher muss eine komplexe Gesellschaft für eine ausreichende Desintegration sorgen, da nur ein gewisser Grad an Unbestimmtheit es den Systemen ermöglicht, die eigene Funktion angemessen zu leisten.113 Dieser im operativen Sinn umdefinierte Begriff der Integration bewirkt Folgerungen auch auf den Begriff der „Inklusion“. Zunächst kann man nach Luhmann von Inklusion nur als einer Seite der „Differenz von Inklusion und Exklusion“ sprechen. Dieses Begriffspaar fungiert als „Metacode“: er „mediatisiert“ die Anwendung der
110
Das Rechtssystem hat beispielsweise „die Funktion der Stabilisierung normativer Erwartungen durch Regulierung ihrer zeitlichen, sachlichen und sozialen Generalisierung“, d. h. für eine gewisse Zeit nach bestimmten Sinngehalten, die man als gebilligt vermutet. Es operiert auf Grund von Gesetzen, die als Konditionalprogramme wirken und die rechtliche Entscheidungen regulieren, die den Code Recht/Unrecht auf die zu bearbeitenden Fälle anwenden: siehe Luhmann, Das Recht, S. 131. Für eine Einführung zu seiner systemischen Rechtsauffassung siehe Belvisi, Niklas Luhmann. 111 Siehe Luhmann, Die Gesellschaft, S. 603 – 604; siehe auch ders., Inklusion und Exklusion, S. 249. 112 Siehe Luhmann, Konflikt und Recht, S. 101; siehe auch ders., Ordine e conflitto. 113 Vgl. Luhmann, Die Gesellschaft, S. 604.
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binären Codes bei dem Operieren der einzelnen Teilsysteme114 : Recht/Unrecht für das Rechtssystem, wahr/falsch für das Wissenschaftssystem, zahlen/nicht zahlen für das Wirtschaftssystem, Immanenz/Transzendenz für das Religionssystem, usw. Prinzipiell konnte man meinen, dass in der funktional differenzierten Gesellschaft jeder Mensch, der im Stande ist, Kommunikationen zu produzieren,115 die angemessen von einem System prozessiert sein können, gerade deswegen im entsprechenden Teilsystem inkludiert sei. Z. B. wer die eigene Handlung durch den Code zahlen/ nicht zahlen oder investieren/nicht investieren beschreibt, sei im Wirtschaftssystem inkludiert. Es existieren nicht mehr ständische oder schichtenmäßige Maßstäbe für die Inklusion in der differenzierten Gesellschaft oder in einem ihrer funktionalen Systeme. In Wirklichkeit hat aber für die exkludierten, marginalisierten Bevölkerungsgruppen die Frage der Anwendung, z. B. des Rechtscodes, „geringe Bedeutung im Vergleich zu dem, was ihre Exklusion ihnen auferlegt. Sie werden rechtmäßig oder unrechtmäßig behandelt und verhalten sich entsprechend rechtmäßig oder unrechtmäßig je nach Situationen und Chancen“116, aber nicht im Hinblick auf die Wirksamkeit des Rechtssystems: dieser Umstand ist bedenklich, weil er „auf eine Unterminierung der Rechtsordnung selbst“ hinausläuft.117 In der Tat, wer als Exkludierter handelt – oder im Gegenteil als höchstinkludierte Person, wie z. B. Politiker und Bürokraten in Korruptionsfällen – wird sich nicht zuvor um die rechtliche Definition eigenen Handelns kümmern, weil er ganz andere Präferenzkriterien bevorzugt und manchmal ist er gar gezwungen, sie auszuwählen,118 wie z. B. diejenigen des Erfordernisses des Überlebens oder – im Gegenteil – der schnellen Bereicherung. Wenn man „Integration“ als „Einschränkung der Freiheitsgrade der integrierten Teile“ versteht, dann kann man leicht feststellen, „daß gerade der Exklusionsbereich hochintegrierter funktioniert. […] Wer keine Papiere hat, kann nicht heiraten, kann keine Sozialleistungen beantragen. Analphabeten sind, ob formell ausgeschlossen oder nicht, gehindert, sinnvoll an Politik teilzunehmen. Die Exklusion aus einem Funktionsbereich verhindert die Inklusion in andere.“119 Und wenn man nichts mehr zu verlieren hat – oder zu viel zu gewinnen – liefert die Verfolgung der Illegalität seitens des Rechtssystems keine zusätzlichen Motive mehr, um das Recht zu befolgen. Unter diesen Umständen richtet sich selbst die Polizei „dann primär nach dem Status, den Inklusion bzw. Exklusion verleiht, und nicht nach dem Recht“.120 Im Exklusionsbereich werden die Menschen „nicht mehr als Personen, sondern als Körper
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Siehe Luhmann, Inklusion, S. 241; siehe auch ders., Das Recht, S. 583. Siehe Luhmann, Die Unwahrscheinlichkeit. 116 Luhmann, Das Recht, S. 583. 117 Ebd., S. 584. 118 Vgl. ebd., S. 583 f.; mit Bezug auf andere Teilsysteme siehe ders., Inklusion, S. 261. 119 Luhmann, Das Recht, S. 584; siehe auch ders., Inklusion, S. 259. 120 Siehe Luhmann, Das Recht, S. 584 f.; siehe auch ders., Inklusion, S. 260 f.
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erfasst“ und es ist klar, dass, wenn der Mensch nur „als Körper zählt, die Gefahr für Leib und Leben größer ist“.121 Es handelt sich um eine schwere Niederlage des Rechtssystems der funktional differenzierten Gesellschaft, deren fundierende Prinzipien die Grundrechte der Freiheit und Gleichheit sind. Denn das bringt einen evolutiven Rücktritt mit sich, die Wiederkehr des Privilegs und der institutionellen Diskriminierung zwischen Personen und Körpern, zusammen mit den negativen Folgen, die sich mit ihrer Wahrnehmung und Behandlung verbinden.122 Wie man sieht, finden mit Luhmann die Wechselfälle einer theoretischen Auffassung ein Ende, die die Integration der Gesellschaft durch Werte und Institutionen versteht. Smend und Luhmann bieten uns unterschiedliche aber – in gewisser Hinsicht – ergänzende Belehrungen. Smend ist an die Denktradition gebunden, nach der im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, Gesellschaft und Staat durch gemeinsame Werte und Erlebnisse zusammen gehalten werden können, also integriert sind. Daher werden Gesellschaft und Staat als eine notwendige Gemeinschaft verstanden. Bei ihnen kann der Sinn der Ereignisse auch unterschiedlich kommuniziert und ausgelegt werden und trotzdem immer auf Grund einer kongruenten Basis von Werten und Symbolen. Luhmann dagegen sagt uns, dass die sozialen Gebilde, in denen wir leben, keine Gemeinschaft begründen, sondern eine komplexe Weltgesellschaft, deren Wirklichkeit kontingent ist. In ihr ist die Kommunikation sowohl notwendig als auch unwahrscheinlich. Deswegen entsteht der Sinn, der die sozialen Systeme konstituiert, nicht aus einem gemeinsamen Verstehen von Werten, Erlebnissen und Handlungen. Mit der radikalen Modifizierung der Gesellschaftsstruktur von einer hierarchischen und stratifizierten zu einer funktional differenzierten haben ihre objektivierenden Voraussetzungen aufgehört als Fremdreferenzen zu existieren. Sie sind unzeitgemäß, da heutzutage (fast) alles selbstreferenziell läuft und die soziale Ordnung (oft) ein selbsttragendes Vorgehen ist. Jetzt ist die Einheit der Gesellschaft – paradoxerweise – nur in und durch Differenz möglich, also nicht mehr kraft Integration, sondern dank der funktionalen Autonomie der sozialen Systeme, nicht mehr durch die Kohäsion der Bewußtseine, sondern durch die Des-Integration der Systeme, die deren Bestehen, also das rekursive Operieren der Systeme ermöglicht.
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Francesco Belvisi
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Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering Von Henry Kerger, Dresden I. Unterscheidung von Recht, Sitte und Moral anhand des römischen Rechts Um Nietzsches Äußerungen über das Verhältnis moralischer (sittlicher) und rechtlicher Normen in ihrem rechtstheoretischen Stellenwert zu würdigen, erscheint es erforderlich, zunächst einige rechtstheoretische Gedanken Iherings in diesem Zusammenhang darzustellen. Die Bedeutung der Sittlichkeit in Hinsicht auf das Recht ist von Ihering zunächst als Merkmal des römischen Rechts, dann jedoch innerhalb seiner eigenen Lehre als einziger Gegenstand des zweiten Bandes seiner Schrift „Der Zweck im Recht“ besonders herausgestellt worden.1 Nietzsches Äußerungen zu Recht, Sitte und Moral innerhalb seiner „Genealogie der Moral“ liegt die Kenntnis und Auseinandersetzung mit Iherings Schrift „Der Zweck im Recht“ zugrunde, was belegt ist.2 In der Machtfülle, welche römische Institutionen wie die Obligation gewährten, sieht Ihering ein Zeichen scharfer Trennung zwischen den Normen des Rechts und denjenigen der Sitte, wie auch andererseits in einer strengen Bindung an sittliche Normen die Voraussetzung hierfür. Die „despotische Herrschaft der Sitte“ im altrömischen Recht erkennt Ihering als Bedingung dafür, dass die Rechtsverhältnisse als „reine Herrschaftsverhältnisse“ ausgestattet waren.3 Die ausgeprägte Bindung an die Sitte innerhalb der Gens, welche in den Familiengerichten und über die Gens hinaus in der Censur ihren Ausdruck fand, ermöglicht es nach Ihering erst, „die sittliche Substanz im Zustande der Flüssigkeit“ vom Recht zu unterscheiden.4 In der Trennung und Isolierung von jus und mores liegt für Ihering gerade der „Fortschritt des Rechts“, weil nur so die den Unwägbarkeiten des Zeitgeistes unterworfene Sittlichkeit, der die „Festigkeit“ fehle, vom Recht geschieden werden könne. Das Wesen der Sitte besteht demnach in der „Unbestimmtheit“, welche die Sitte im einen Fall eher zu einem Gebot und damit zum Recht erstarken lässt, im an1
Ihering, Der Zweck im Recht, II. Band, 1. Aufl., Leipzig 1883, Kap. IX, S. 1 – 176. Zur Genealogie der Moral, 10. Aufl., Stuttgart 1976, Zweite Abhandlung, Aph. 12; dazu Henry Kerger, Autorität und Recht im Denken Nietzsches, Diss. Münster 1987, Berlin 1988 (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 127), S. 14 f. 3 Ihering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Zweiter Teil, Leipzig 1880, § 31, S. 141, 143. 4 Ebd., § 25, S. 32. 2
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deren eher zu einer „freien Anforderung“ und damit dem Bereich der „Moral“ zugehörig werden lässt.5 Ihering wendet sich gegen eine Vermengung von Sitte und Recht; er stellt die Sitte – auch in der Erscheinung des Gewohnheitsrechts – als einen Zustand der „Identität des Rechts und der Moral“ dem Recht gegenüber. Ihering und Nietzsche stimmen darin überein, dass Recht und Moral (Sittlichkeit) „denselben Zweck“ verfolgen, nämlich die „Verwirklichung der Lebensbedingungen der Gesellschaft“.6 Die folgende Äußerung Nietzsches enthält durchaus den Gedanken, dass gesetzlich normiertes Recht, welches Rechtsverhältnisse als Herrschaftsverhältnisse ausgestaltet, der Sitte als einer das Recht stützenden und die Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit erzeugenden Ordnung bedarf: „Die Gesetze verraten nicht das, was ein Volk ist, sondern das, was ihnen fremd, seltsam, ungeheuerlich, ausländisch erscheint. Die Gesetze beziehen sich auf die Ausnahmen der Sittlichkeit der Sitte.“7 Nietzsche sieht indessen das Recht noch eher im Dienst der Sitte stehend, als dass es der Sitte gegenüber Selbständigkeit erlangt hätte, denn diejenigen, „welche durch die Tat den Bann der Sitte durchbrachen, – im allgemeinen heißen sie Verbrecher“.8 Die Sittlichkeit ist für Nietzsche die Erziehungsmethode zur Erhaltung und Ermöglichung der Gemeinwesen.9 Ihering betont ganz im Sinne der soeben zitierten Äußerungen Nietzsches, dass das Recht die gesellschaftliche Ordnung nicht allein herstellen kann, dass neben der Rechtsordnung die „sittliche Ordnung“ zu stehen habe.10 Die sittliche Ordnung als Postulat der Gesellschaft besteht demnach aus „gesellschaftlichen Normen“, deren Charakter als Imperativ nach Ihering das Merkmal „des Zwanges“ erfordert. Diesen Zwang sieht Ihering in der „psychologischen Zwangsgewalt der Gesellschaft“, als einer „Macht“, die von der häuslichen Erziehung bis zum sittlichen Urteil der öffentlichen Meinung reiche. Diese Ausführungen Iherings erinnern ein wenig an seine Darstellung der „Machtfülle“ römischer Rechtsinstitute wie der patria potestas, welche zur Durchsetzung der sittlichen Gebote diente und durch deren Befolgung bedingt war.11 Nietzsche hebt den Imperativcharakter des von der Sitte ausgehenden Zwanges hervor, welche Gehorsam ungeachtet ihrer Nützlichkeit fordert: „Eine höhere Autorität, welcher man gehorcht, nicht weil sie das uns Nützliche befiehlt, sondern weil sie befiehlt.“12 Die Autorität der Sitte beruht auf dem Gehorsam gegen das „Herkommen“, auf der „Furcht vor einem höheren Intellekt, der da befiehlt, vor einer unbegreiflichen, unbestimmten Macht“ der Götter. Sittliche Normen dienen daher zunächst nur insoweit dem Gedeihen und der Erhaltung eines Gemeinwesens, als 5
Ebd., S. 33. Ihering (FN 1), S. 212 f. 7 Die Fröhliche Wissenschaft, 7. Aufl., Stuttgart 1978, Aph. 43. 8 Morgenröte, 6. Aufl., Stuttgart 1976, Aph. 20. 9 M 9, 14. 10 Ihering (FN 1), S. 177. 11 Ihering (FN 3), § 31, S. 147. 12 (FN 8), Aph. 9. 6
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ihre Befolgung „der Gemeinde bei den bösen Göttern einen guten Geruch macht“, nicht jedoch, weil sie das Wohl der Gemeinde als solches im Auge haben oder gewährleisten können.13 Die Autorität der Sitte gründet sich daher für Nietzsche allein auf die „Sittlichkeit“, welche er folgendermaßen definiert: „Sittlichkeit ist nichts anderes (also namentlich nicht mehr!), als Gehorsam gegen Sitten, welcher Art diese auch sein mögen; Sitten aber sind die herkömmliche Art zu handeln und abzuschätzen. In Dingen, wo kein Herkommen befiehlt, gibt es keine Sittlichkeit; und je weniger das Leben durch Herkommen bestimmt ist, um so kleiner wird der Kreis der Sittlichkeit.“14 Der grundlegende Gedanke, wonach die Autorität der Sitte auf der Furcht gegenüber einer göttlichen Gewalt und Gesetzgebung beruht, findet in der Unterscheidung zwischen fas und jus, zwischen göttlichem und menschlichem Recht seinen rechtsgeschichtlichen Ursprung. Auf die Unterscheidung zwischen dem fas und dem jus, wie sie das römische Recht vorgenommen hat, stützt Ihering in weitgehendem Umfang seine Unterscheidung und begriffliche Analyse von Recht, Sitte und Sittlichkeit sowie des Verhältnisses von Recht, Sitte und Moral als den „drei gesellschaftlichen Imperativen“.15 In der Scheidung des fas von dem jus sieht Ihering den entscheidenden Schritt, wodurch im römischen Recht das Recht gegenüber Sitte und Moral zur Selbständigkeit gelangte.16 Die Sitte „entwich in das fas“ und wurde einer eigens dazu geschaffenen sittengerichtlichen Gewalt unterworfen.17 Erst von da an sieht Ihering die Sitte immer mehr, später auch in Gestalt der Censur, in einer „Gegensätzlichkeit“ zum Recht sich entwickeln.18 Ihering weist darauf hin, dass mit dieser Scheidung in „zwei selbständige Systeme des Rechts“ sich das Recht von Sitte und Moral endgültig gelöst habe, während zwischen Sitte und Moral eine solche Trennung nicht stattgefunden habe, was Ihering auf die beides umfassenden lateinischen Begriffe mos, mores zurückführt.19 Die Begriffe Sittlichkeit und Sitte sind von Ihering und Nietzsche in ihrer zu unterscheidenden Bedeutung herausgestellt, wenn auch verschieden definiert worden. Ihering sieht in dem Gewohnheitsrecht diejenige Erscheinung, innerhalb derer sich die Sitte aus dem Zustand der „Flüssigkeit“ heraus dem Recht angenähert und sich von der Sittlichkeit abgelöst hat.20 In der Sittlichkeit sieht Ihering diejenigen Gebote der Sitte enthalten, welche eher eine „moralische Verpflichtung“ als eine rechtliche Verbindlichkeit bedeuten.21 Die Sittlichkeit umfasst daher nach Ihering die Entschei13
M 18. M 9. 15 Ihering, Der Zweck im Recht, II. Band, ebd., S. 20 – 63, insbes. S. 52 und 56. 16 Ebd., S. 52. 17 Ihering (FN 3), § 26, S. 50 f. 18 Ihering (FN 1), S. 54. 19 Ebd., S. 53. 20 Ebd., S. 54 f., sowie bereits in: Geist des römischen Rechts (FN 3), § 25, S. 33. 21 Ihering (FN 1), S. 27; ders. (FN 3), § 25, S. 34.
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dungen „des Charakters“, also der Gesinnung und wendet sich an das Gewissen als „die Verantwortlichkeit des Verstandes in sittlicher Beziehung“.22 Die Sitte unterscheidet sich nach Ihering von der Sittlichkeit vor allem durch den äußeren Zwang und die damit gesicherte bloß „beschränkte“ Verbindlichkeit im Gegensatz zu dem „absolut Bindenden“ des vom Charakter ausgehenden Zwanges der Sittlichkeit.23 Nietzsche prägt zuerst in der Schrift „Morgenröte“ den „Begriff der Sittlichkeit der Sitte“, den er in der Schrift „Zur Genealogie der Moral“ wieder aufgreift.24 Das Wesen der Sittlichkeit der Sitte erkennt Nietzsche in dem, was Ihering die „psychologische Zwangsgewalt der Gesellschaft“ als Korrelat der sittlichen Ordnung nennt: „der Mensch wurde mit Hilfe der Sittlichkeit der Sitte und der socialen Zwangsjacke wirklich berechenbar gemacht.“ Der Sittlichkeit werden somit von Nietzsche im Gegensatz zu Ihering nicht diejenigen Gebote der Sitte zugeordnet, welche sich an die moralische Gewissensentscheidung des Einzelnen wenden, sondern diejenigen Normen der Sitte, welche eine Tendenz zum Recht enthalten. Es stellt sich nun die Frage, ob auch Nietzsche, welcher im Unterschied zu Ihering der Sittlichkeit normativen Zwangscharakter beimisst, die Sittlichkeit der Moral zuordnet. Eine solche Zuordnung könnte bei Nietzsche aus anderen Gründen geschehen und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zwar ordnet Nietzsche die Sittlichkeit der Moral zu, erkennt jedoch in der Sittlichkeit einen doppelten Zwangscharakter, nämlich sowohl im normativen als auch im moralischen Sinne. „Man hat alle Arten Imperative darauf verwendet, um die moralischen Werthe als fest erscheinen zu lassen: sie sind am längsten commandirt worden: – sie scheinen instinktiv, wie innere Commandos. Es drücken sich Erhaltungsbedingungen der Societät darin aus, dass die moralischen Werthe als undiskutirbar empfunden werden. Die Praxis: das will heißen die Nützlichkeit, untereinander sich über die obersten Werthe zu verstehen, hat hier eine Art Sanction erlangt.“25 Indem Nietzsche „die moralischen Werthe“ als Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft erkennt und die Nützlichkeit als ein Kriterium der Moral begreift, scheint Nietzsche den auf die Verwirklichung der moralischen Werte bezogenen Imperativ nicht als solchen der Gesinnung anzusehen, vielmehr mit der Sitte als gesellschaftlichem Imperativ im Sinne Iherings gleichzusetzen. Es geht Nietzsche jedoch nicht um eine Gleichsetzung von Sitte und Moral, sondern um den Hinweis darauf, dass „die Anwendung der moralischen Unterscheidung nur als perspektivisch bedingt“ gelten kann.26 Nietzsche erkennt in der perspektivischen Bedingtheit der Bewertung moralischer Handlungen einen Konflikt bzw. 22
Ihering (FN 1), S. 38, 40 und 66. Ebd., S. 61, 63. 24 M 9; Zur Genealogie der Moral, 10. Aufl., Stuttgart 1976, Zweite Abhandlung, Aph. 2. 25 Werke. Kritische Gesamtausgabe (KGW), Hrsg. Von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/New York 1976; KGW VIII 9 (97); Der Wille zur Macht (WM), Stuttgart 1978, Aph. 271. 26 KGW VIII 14 (152); WM 272. 23
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den moralischen Konflikt überhaupt. Diesen Konflikt sieht Nietzsche daraus erwachsen, dass moralische Werte einerseits von der Gesellschaft als gesellschaftliche Imperative postuliert werden und ihnen ein entsprechender Zwangscharakter beigelegt wird, andererseits jedoch moralische Wertsetzungen unabhängig von ihrer sozialen Nützlichkeit Geltung beanspruchen und sich daher gleichzeitig an das Gewissen des Einzelnen, an die Gesinnung richten. „Wenn wir uns, aus dem Instinkt der Gemeinschaft heraus, Vorschriften machen und gewissen Handlungen verbieten, so verbieten wir, wie es Vernunft hat, nicht eine Art zu ,sein‘, nicht eine ,Gesinnung‘, sondern nur eine gewisse Richtung und Nutzanwendung dieses ,Seins‘, dieser ,Gesinnung‘.“27 Nietzsche erhebt aufgrund dieses Widerspruchs den Einwand gegen die Moral, soweit sie als Sittlichkeit mit Zwangscharakter erscheint, dass unmoralische Handlungen als unsittlich verboten werden, „während wir dieselben Handlungen, vorausgesetzt, dass sie sich auf Gegner des Gemeinwesens … beziehen, nicht genug zu ehren wissen“. Die Sittlichkeit als gesellschaftlicher Imperativ der Sitte kann nach Nietzsche nicht durch die Gesinnung verwirklicht werden, worauf nach Ihering gerade ihre außerhalb einer normativen Zwangsgewalt liegende „Allgemeingültigkeit“ beruht.28 Die Sittlichkeit kann nicht der Gesinnung unterworfen sein, denn „die ,Gesinnung‘ zu verurteilen, … hieße … unser Dasein verurteilen und mit ihm seine oberste Voraussetzung – eine Gesinnung, … die wir mit höchsten Ehren ehren“.29 Nietzsche geht daher in seiner Moralkritik so weit, „alles Das, was moralisch gelobt wird, wesensgleich mit allem Unmoralischen“ zu erklären.30 Dass diese gegen die Moral vorgebrachte Kritik Nietzsches sich jedoch gegen die Sittlichkeit richtet, soweit sie unter moralischem Impetus auftritt, ergibt sich aus folgender Äußerung: „Wir verbieten durch unsere Dekrete, dass diese Gesinnung auf eine unzweckmäßige Weise ausbricht und sich Wege sucht, – wir sind klug, wenn wir uns solche Gesetze geben, wir sind damit auch sittlich.“31 Hinter Nietzsches Kritik an der „Unmoralität“ der Moral, welche er darin erkennt, dass moralische Ideale nur durch unmoralische Mittel errungen werden können32, steht der Vorwurf der Unmoralität der Sittlichkeit, des Missbrauchs moralischer Gesinnung und Werte für die Belange der Sittlichkeit. Nietzsche sieht die moralische Gesinnung auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse reduziert. In dieser Verkürzung der Gesinnung erkennt Nietzsche „beinahe eine Definition der Sittlichkeit“.33 Auch Nietzsches Kritik an der „Entnatürlichung“ der Moral, „dass man glaubt, es gebe Handlungen, welche an sich gut oder schlecht sind“, bezieht sich aus dem ge-
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KGW VIII 9 (47).(48); WM 281. Ihering (FN 1), S. 63. 29 WM, ebd. 30 KGW VIII 14 (152); WM 272. 31 WM 281. 32 KGW VIII 11 (71), (76); WM 306, 308. 33 KGW VIII 9 (47).(48); WM 281.
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nannten Grunde auf die Sittlichkeit34. Während Ihering jedoch gerade diese Erwägung zum Beweis seiner These anführt, dass „gut im gesellschaftlichen d. i. sittlichen Sinn“ nur das sein könne, was „den Zwecken der Gesellschaft förderlich, schlecht oder böse dagegen, was ihnen … hinderlich“ sei,35 bildet diese Erwägung für Nietzsche den Einwand dagegen, nach der gesellschaftlichen Nützlichkeit die sittlich-moralische Bewertung vorzunehmen. Die perspektivische Bedingtheit sittlich-moralischer Bewertung durch die jeweiligen Erhaltungsbedingungen verbietet es nach Nietzsche, einen einheitlichen Begriff der Nützlichkeit der Sittlichkeit zugrunde zu legen.36 Nietzsche weist zunächst auf die Fragwürdigkeit des Begriffs der Nützlichkeit hin: „Die Utilitarier sind naiv … Und zuletzt müßten wir erst wissen, was nützlich ist: auch hier geht ihr Blick nur fünf Schritte weit.“37 Tugenden und andere Vorschriften der Sittlichkeit sieht Nietzsche als gefährlich an, soweit darin nicht die „Bedingung gerade unseres Daseins und Wachstums“ liegt, „gleichgültig ob andere mit uns unter gleicher oder verschiedener Bedingung wachsen“. Dieser Satz von der Gefährlichkeit der unpersönlich verstandenen, objektiven Tugend gilt auch von der Bescheidenheit: „an ihr gehen viele der ausgesuchten Geister zugrunde.“38 Aufgrund der perspektivischen Bedingtheit sittlicher Vorschriften verwirft Nietzsche eine „individualistische Moral“, welche darauf gerichtet ist, das, was der Gesellschaft als „Herde“ angemessen und nützlich ist, auf alle als gleichzunehmende Individuen anzuwenden.39 Dies zeigt jedoch, dass Nietzsche nicht die moralische Bewertung des Daseins als solche verwirft. Nietzsches Kritik der „Unmoralität“ der Moral richtet sich vielmehr gegen die Tendenz der Sittlichkeit, soweit sie mit moralischem Impetus auftritt, den Einzelnen als Person zurückzudrängen. „Wo wir eine Moral antreffen, da finden wir eine Abschätzung und Rangordnung der menschlichen Triebe und Handlungen. Diese Schätzungen sind immer der Ausdruck der Bedürfnisse einer Gemeinde und Herde: das, was ihr am ersten frommt … das ist auch der oberste Maßstab für den Wert aller einzelnen. Mit der Moral wird der einzelne angeleitet, Funktion der Herde zu sein und nur als Funktion sich Wert zuzuschreiben.“40 Die Erkenntnis, „daß die Sitte eine eminente praktisch ethische Bedeutung hat“, veranlasste Ihering, den zweiten Band seiner Schrift „Der Zweck im Recht“ ausschließlich dieser Frage zu widmen.41 Ausgehend von der These, dass Recht und Sittlichkeit „denselben Zweck (Verwirklichung der Lebensbedingungen der Gesellschaft = Verwirklichung des gesellschaftlich Nützlichen)“ verfolgen, nimmt Ihering wie auch Nietzsche die Scheidung der Sitte von der Moral anhand der Begriffe „gut“ 34
KGW VIII 9 (26); WM 292. Ihering (FN 1), S. 214. 36 KGW VIII 9 (97), KGW VIII 14 (152); WM 271, 272. 37 KGW VIII 9 (40); WM 291. 38 KGW VIII 11 (407);WM 326. 39 KGW VIII 8 (2); WM 287. 40 Die fröhliche Wissenschaft (FW), Aph. 116. 41 Ihering (FN 1), S. 254 und Vorrede, S. XI.
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und „böse“ vor.42 Ihering unterscheidet im Gegensatz zu Nietzsche allerdings nicht zwischen den Begriffen „schlecht“ und „böse“, sondern setzt sie gleich.43 Der Satz Iherings: „der Unterschied von gut und böse liegt nicht in den Dingen an sich, sondern ergibt sich erst aus der Beziehung der Dinge und Handlungen auf die Zwecke des Menschen“ könnte beinahe zu der Vermutung verleiten, Nietzsche habe diesen Gedanken, welcher in schroffem Gegensatz zu der damals vorherrschenden Auffassung stand, von Ihering übernommen.44 Die perspektivische Bedingtheit moralischer Wertschätzungen als Normen der Sittlichkeit erwähnt Nietzsche jedoch nicht erst in der Schrift (Kompilation) „Der Wille zur Macht“. Der Einwand perspektivischer Bedingtheit moralischer Wertungen innerhalb sittlicher Vorschriften findet sich bereits in der Schrift „Morgenröte“, welche zwei Jahre vor der genannten Schrift Iherings erschien: „Ist nicht der Ursprung aller Moral in den abscheulichen kleinen Schlüssen zu suchen: ,was mir schadet, das ist etwas Böses (an sich Schädigendes); was mir nützt, das ist etwas Gutes (an sich Wohltuendes und Nutzbringendes).“45 Nietzsche betont dort gerade die Fragwürdigkeit, die „oft zufällige Relation eines anderen zu uns als sein Wesen und Wesentliches auszudichten“46. Nietzsches Kritik an der perspektivischen Bedingtheit der moralischen Begriffe gut und böse ist also unabhängig von nahezu gleichlautenden Äußerungen Iherings entstanden und diesen zeitlich vorgelagert. Ein weiterer Satz Iherings erinnert vielmehr umgekehrt an Nietzsches Kritik, die Wirkung einer Handlung auf uns als „Absicht“ der Handlung und schließlich das „Haben solcher Absichten als dauernde Eigenschaft“ zu nehmen.47 Auffallend ähnlich erscheinen die folgenden Worte Iherings: „Indem wir die Dinge der Handlungen gut oder schlecht nennen, projezieren wir etwas, was in uns seinen Grund hat, in sie als Eigenschaft hinein, gleich als ob es etwas ihnen immanentes wäre.“48 Diese relationsbedingte Abhängigkeit moralischer Wertungen gilt für Ihering daher in Einklang mit Nietzsche „für das sittlich Gute und Böse“. Es gibt keine Handlung, die an sich böse wäre.49 Durch diese relationsbedingte Abhängigkeit sittlicher Normen als moralischer Wertungen „ in der Sphäre des Subjektiven“ hebt sich nach Ihering die Sittlichkeit und mit ihr die Moral als „das Sittliche im engeren Sinn“ vom Recht ab.50 In dem Verhältnis der Sittlichkeit als Moral zum Recht erkennt Ihering den Gegensatz zwischen der Verwirklichung sittlicher Normen durch die subjektive Entscheidung der Gesinnung und derjenigen aufgrund normativen Zwangscharakters. „Wer genau sprechen will, betont mit Moral und moralisch den Gegensatz zu Recht und 42
Ebd., S. 213 f. Ebd., S. 216. 44 Ebd., S. 214. 45 Morgenröte (M), Aph. 102. 46 M, ebd. 47 M, ebd. 48 Ihering (FN 1), S. 214. 49 Ebd., S. 215. 50 Ebd., S. 56, 59.
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rechtlich, d. h. er negiert damit das Moment des äußeren Zwanges, während er mit Sittlichkeit bloß davon abstrahiert.“51 In dieser Formel fasst Ihering sehr präzise das Verhältnis von Sittlichkeit und Moral einerseits, sowie auch der von ihm so genannten drei gesellschaftlichen Imperative zueinander zusammen. Es wurde bereits erwähnt, dass Ihering im Einklang mit der Morallehre als Merkmale der Moral ihre „Verwirklichung durch die Gesinnung“ und ihre „Allgemeingültigkeit“ außerhalb normativen Zwanges begreift. Demnach ordnet Ihering die Moral der Sittlichkeit zu und weist darauf hin, dass die Sittlichkeit als Moral genau von der Sitte zu unterscheiden, jedoch geschichtlich aus der Sitte entstanden sei.52 Ihering nimmt die Unterscheidung innerhalb der Sittlichkeit nach ihrem normativen Zwangscharakter vor und beruft sich auf die Unterscheidung von der obligatio naturalis und der obligatio civilis des römischen Rechts. Die Zusammenfassung sowohl der Moral als auch des „Sittengesetzes“ und des Rechts unter dem gemeinsamen Begriff der „Sittlichkeit“ beruht bei Ihering jedoch vor allem auf der umfassenden Bedeutung der lateinischen Begriffe mos, mores.53 Die Begriffe mos, mores umfassen im römischen Rechts sowohl Sitte und Moral, als auch das Gewohnheitsrecht. Aufgrund dieser einheitlichen Wortbedeutung, welche dem Recht entgegengestellt ist, gelangt Ihering in seiner Darstellung des römischen Rechts zu dem Ergebnis, dass der Gegensatz zwischen dem Recht und der Sittlichkeit in diesem umfassenden Sinne allein in dem „inneren Moment“ des Gegensatzes einer rechtlichen oder bloß moralischen Verpflichtung zu suchen ist. Dass Moral, Sitte und Gewohnheitsrecht in einem Begriff vom römischen Rechts erfasst werden und die Sitte in ihrer normativen Tendenz sich nur durch den Grad an „Festigkeit“ vom Recht unterscheidet, führt Ihering bereits hinsichtlich des römischen Rechts zu der Erwägung, die Sittlichkeit „als Zustand der Identität des Rechts und der Moral unter dem Namen der Sitte dem Recht gegenüber zu stellen“.54 Während Ihering dort noch von der „Vorstufe“ des Rechts spricht und damit auf die Unbestimmtheit und „Flüssigkeit“ des Gewohnheitsrechts hinweist, geht er später davon aus, dass die Sittlichkeit „oder das Sittengesetz“ auch das Recht mit umfasst.55 Dies ist m. E. ein Zeichen dafür, dass Ihering das Merkmal des normativen Zwangscharakters nicht mehr als so entscheidend ansieht, dass sich daraus ein wesensmäßiger Gegensatz von Sittlichkeit und Recht ergeben könnte. Ihering erkennt daher schließlich in der Sittlichkeit „die höhere Einheit von Recht und Moral in der Sphäre des Subjektiven“.56 Die Unterscheidung zwischen der Moral als Sittlichkeit und der Sitte folgt somit für Ihering in Übereinstimmung mit Nietzsche letztlich daraus, dass
51
Ebd., S. 59. Ebd., S. 60, 63. 53 Ebd., S. 53; ders. (FN 3), § 25, S. 32. 54 Ihering (FN 3), S. 33. 55 Ihering (FN 1), S. 59. 56 Ebd.
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„gut und böse nur in dem Subjekt“ enthalten ist.57 Die „Autorität“ der Sittlichkeit beruht daher nach Ihering auf der Moral, d. h. auf der „Verwirklichung durch die Gesinnung“.58 II. „Unmoralität“ der Moral Nietzsches Kritik an der Sittlichkeit als Moral richtet sich, wie bereits dargelegt wurde, gegen ein Zurücktreten der Gesinnung zugunsten „des gesellschaftlichen Nützlichen“, welches nach Ihering den Begriff der Sittlichkeit ausmacht und mit ihm identisch ist. Nietzsche sieht zudem „die Herrschaft der Tugend“ nur durch dieselben Mittel erreichbar, „mit denen man überhaupt eine Herrschaft erreicht, jedenfalls nicht durch die Tugend“.59 Auch mit diesem Satz wendet sich Nietzsche erneut dagegen, moralischen Wertungen im Interesse der Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft als Imperativen der Sittlichkeit normativen Zwangscharakter zu verleihen und sie damit der Verwirklichung durch die Gesinnung des Einzelnen zu entziehen. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen in der Verwirklichung durch die Gesinnung wird hierdurch verdrängt und als Sittlichkeit begriffen: „Sie sind am längsten commandirt worden: – sie scheinen instinktiv, wie innere Commandos. Es drücken sich Erhaltungsbedingungen der Societät darin aus, daß die moralischen Werthe als undiskutirbar empfunden werden.“60 Nietzsches Vorwurf der „Unmoralität“ der Moral, welcher gegen die Moral als Bestandteil der Sittlichkeit gerichtet ist, zeigt nochmals die folgende Äußerung: „Man muß sehr unmoralisch sein, um durch die That Moral zu machen … Die Mittel der Moralisten sind die furchtbarsten Mittel, die je gehandhabt worden sind; wer den Mut nicht zur Unmoralität der That hat, taugt zu allem übrigen, er taugt nicht zum Moralisten.“61 Darüber hinaus liegt für Nietzsche in der „Unmoralität der That“ das Wesen der Moral als Sittlichkeit, nämlich als Weg zur Macht. „In der Geschichte der Moral drückt sich also ein Wille zur Macht aus, durch den bald die Sklaven und Unterdrückten, bald die Mißratenen und Ansich-Leidenden, bald die Mittelmäßigen den Versuch machen, die ihnen günstigsten Werthurtheile durchzusetzen.“62 Nietzsche sieht in der Moral der Sittlichkeit, wofür er den Begriff Tugend verwendet, die Tendenz, Abweichungen von dem in einer Gesellschaft vorherrschenden Erscheinungsbild der Menschen sowohl nach unten wie nach oben abzuwehren63. In dieser Tendenz gegen die „Ausnahmen“ und „Unabhängigen“ erkennt Nietzsche die „Sitte als eigentliche ,Sittlichkeit‘“.64 Die Unmoralität der Mittel liegt in dem Zwangscharakter der Sittlichkeit, weshalb sich Nietzsche die 57
Ebd., S. 215. Ebd., S. 62, 63. 59 KGW VIII 14 (173); WM 304. 60 KGW VIII 9 (97). 61 KGW VIII 11 (140).(141).(142); WM 397. 62 KGW VIII 9 (174); WM 400. 63 KGW VIII 9 (60); WM 285. 64 KGW VIII 11 (115); WM 283.
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Tugend als ein „Zwangsmittel“ darstellt, sobald sie die Macht erreicht hat; bis zur Erlangung der Macht bedarf sie der „Verleumdung, Verdächtigung, Unterminierung der entgegenstrebenden Tugenden, die schon in der Macht sind“.65 Während Ihering den Zwangscharakter der Sittlichkeit darin gerechtfertigt sieht, dass die Sittlichkeit die Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft darstellt und sichert, dient Nietzsche gerade diese Erwägung, dass die „Tugenden“ an die jeweiligen Daseinsbedingungen geknüpft sind, als Einwand gegen die Sittlichkeit und deren Zwangscharakter. In den Geboten der gegenseitigen sozialen Verträglichkeit sieht Nietzsche vor allem „Eigennutz und Klugheit“ als notwendige Daseinsbedingungen gemeiner Naturen, welche auf die Erhaltung gerade dieser Bedingungen gerichtet ist und den Einzelnen als Person bekämpft.66 Nietzsche hat bereits in seinen frühen Schriften auf den Konflikt hingewiesen, welcher sich als ein Konflikt innerhalb der Moral selbst darstellt, sobald moralische Wertungen als Gebote der Sittlichkeit auf die Erhaltung bestimmter Daseinsbedingungen gerichtet sind. Nietzsche führt als Beispiel das sittliche Gebot des Altruismus an und weist auf den Gegensatz zwischen dem Prinzip und dem Motiv „zu dieser Moral“ hin: „Dächte der Nächste selber ,selbstlos‘, so würde er jenen Abbruch an Kraft, jene Schädigungen zu seinen Gunsten abweisen, der Entstehung solcher Neigungen entgegenarbeiten und vor allem seine Selbstlosigkeit eben dadurch bekunden, daß er dieselbe nicht gut nennte!“67 Nach Ihering gelangt der Egoismus erst dadurch zur Bedeutung einer sittlichen Norm, dass die „individuelle Selbsterhaltung durch seine gesellschaftliche bedingt“ und darauf gerichtet ist, die „Selbsterhaltung auch in Bezug auf die Gesellschaft zu verwirklichen“.68 Dem hält Nietzsche entgegen, dass sich das Gebot des Altruismus sofort in sein Gegenteil verkehrt, d. h. den eigenen Vorteil „auch auf Unkosten alles anderen“ zu suchen, sobald der „Altruismus um des Nutzens willen“ postuliert werde.69 Für Nietzsche kann daher die Intention der Sittlichkeit unter moralischem Impetus nicht in der Erhaltung und Förderung bestimmter Daseinsbedingungen bestehen: „Erhaltung, wohin? Ist nicht gerade das Wesentliche, die Antwort auf dieses Worin? und Wohin? in der Formel ausgelassen?“70 Gegen die auch von Ihering genannte Erwägung, wonach es Aufgabe der Moral sei, die dem Menschen „gefährlichen“ Handlungen zu verbieten,71 prägt Nietzsche den Satz: „Die Tugenden sind so gefährlich als die Laster, insofern man sie von außen her als Autorität und Gesetz über sich herrschen läßt und sie nicht aus sich selbst erst erzeugt, wie es das Rechte
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KGW VIII 11 (104), KGW VIII 11 (96); WM 310, 311. KGW VIII 10 (138); WM 319. 67 FW 21. 68 Ihering (FN 1), S. 198 f. 69 FW, ebd. 70 M 106. 71 M 107; Ihering (FN 1), S. 261.
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Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering
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ist, als persönlichste Notwehr und Notdurft, als Bedingung gerade unseres Daseins und Wachstums“ ungeachtet des Gedeihens anderer unter diesen Bedingungen.72 Indem Nietzsche das Erreichen und die Erhaltung bestimmter Lebensbedingungen und Zustände als Intention der Sittlichkeit verwirft, gelangt er zu der Fragestellung, ob moralische Wertungen in der Sittlichkeit nach Abtrennung von der Erhaltung bestimmter Existenzbedingungen wie „Glück“, Wohlstand usw. noch eine Verantwortlichkeitslehre zulassen. In der Sittlichkeit als Tugend erkennt Nietzsche den „Versuch, ein Faktum von Wollen und Gewollthaben als notwendiges Antezedens vor jedes hohe und starke Glücksgefühl zu setzen“.73 Damit der Mensch seinen Glückszustand als in seiner Macht stehend ansehen kann, „muß ,Wille‘ sein vor diesem Zustand, – sonst gehört er ihm nicht an“. Es kann nicht als zufällig angesehen werden, dass Nietzsche an dieser Stelle, innerhalb seiner Moralkritik, einen Gedanken andeutet, welcher für seine Lehre vom Willen zur Macht von hoher Bedeutung ist. Nietzsche wirft hiermit die Frage auf, ob ein „freier Wille“ als Prinzip im Menschen denkbar ist, d. h.: ob der Wille als „Ursache“ oder „Wirkung“ und damit ein Subjekt als Träger der Verantwortlichkeit angenommen werden kann.74 Aufgrund der moralischen Bewertung der Lebensbedingungen beruht nach Nietzsche die Moralität als Verantwortlichkeitslehre auf dieser Hypothese eines „freien“ Willens, also darauf, dass „nur der Wille Ursache ist und daß man wissen muß, gewollt zu haben um sich als Ursache glauben zu dürfen“.75 Ohne die Annahme der Daseinsbedingungen als Gegenstand moralischer Bewertung bedürfte es der These eines freien Willens nicht. „Hier ist immer der Hintergedanke: wenn der Mensch nicht causa prima ist als Wille, so ist er unverantwortlich, – folglich gehört er gar nicht vor das moralische Forum, – die Tugend oder das Laster wären automatisch und machinal.“ Diese Äußerungen belegen, dass sich für Nietzsche innerhalb seiner Moralkritik die Frage nach dem Wesen des Willens stellt, welche im Denken Nietzsches von zentraler Bedeutung ist.76 Nietzsche erkennt die Moral als die Lehre der Verantwortlichkeit des Einzelnen und trennt sie dadurch scharf von der Sittlichkeit, während Ihering, ausgehend vom römischen Recht, zwar die Moral der Sittlichkeit zuordnet, jedoch ebenfalls aus ihr die Verantwortlichkeit des Einzelnen ableitet. Nietzsche greift die Sittlichkeit unter dem Begriff der Moral an, soweit das Anstreben und die Erhaltung bestimmter Lebensbedingungen der Moral als Verantwortlichkeitslehre unterstellt werden soll. Auf dieser falschen Zuordnung der Erhaltung und Sicherung bestimmter Lebensbedingungen – als Intention der Sittlichkeit – zur Verantwortlichkeitslehre beruht nach Nietzsche „die Schauspielerei als Folge der Moral des ,freien Willens‘. – Es ist ein Schritt in der Entwicklung des Machtgefühls selbst, seine hohen 72
KGW VIII 11 (407); WM 326. KGW VIII 14 (153).(154); WM 288. 74 KGW VIII 14 (98);WM 551: 75 KGW VIII 14 (126); WM 288. 76 Henry Kerger, Normativität und Selektivität der ,Willens-Kausalität‘ bei Nietzsche, in: Nietzsche-Studien, Bd. 19, Berlin/New York 1990, S. 81 – 111. 73
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Zustände (seine Vollkommenheit) selber auch verursacht zu haben, – folglich, schloß man sofort, gewollt zu haben“.77 Da Nietzsche die Moral ausschließlich als Lehre der Verantwortlichkeit des Einzelnen erkennt, stellt sich für ihn in der Frage nach dem Wesen der Moral die Frage nach dem Wesen des Willens. Nietzsche hebt in der Schrift „Morgenröte“ den Zwangscharakter der Sittlichkeit hervor und spricht dort neben der Autorität der Sittlichkeit auch von der „Autorität der Moral“ und deren Imperativ.78 Dies spricht dafür, dass Nietzsche der Sittlichkeit nur insoweit und deshalb Autorität zuerkennt, als sich in ihr moralische Wertungen ausdrücken. Bestätigt wird diese Annahme durch die bereits zitierte Äußerung in dem zweiten Abschnitt des zweiten Buches der Schrift (Kompilation) „Der Wille zur Macht“, welcher die Überschrift trägt: „Kritik der Moral“. Soweit Nietzsche dort „allen Arten Imperative“ darauf verwandt sieht, die „moralischen Werte als fest erscheinen zu lassen“, zeigt dies deutlich, dass Nietzsche die Autorität sittlicher und rechtlicher Normen auf der Autorität der Moral beruhend erkennt;79 der Sittlichkeit kommt Autorität zu, soweit sie die Erhaltungsbedingungen der Gesellschaft als moralischen Wert gebietet. III. Autonomes Individuum als Subjekt der Verantwortlichkeit Wie oben ausgeführt wurde, sieht Nietzsche den von der Sitte ausgehenden Zwangscharakter als „Sittlichkeit der Sitte“ in der Entstehungsgeschichte der Gemeinwesen für umfassend und den Charakter der Menschheit bestimmend an. Die Autorität der Sittlichkeit beruht auf dem „Gehorsam gegen das Herkommen“ als den Sitten, in deren Befolgung die Gemeinwesen die Voraussetzung ihres Fortbestehens sahen. Die Autorität des Herkommens gebietet den Gehorsam gegen die Vorschriften der Sittlichkeit ohne Rücksicht auf den Vorteil oder auch die Existenz des Einzelnen. Der Gehorsam wird nicht wegen der nützlichen Folgen für das Individuum gefordert, „sondern damit die Sitte, das Herkommen herrschend erscheine, trotz allem individuellen Gegengelüst und Vorteil: der einzelne soll sich opfern, – so heischt es die Sittlichkeit der Sitte“.80 Die Sittlichkeit ist gegen die Erscheinung des Einzelnen als Individuum gerichtet; „der freie Mensch ist unsittlich“. Nietzsche erkennt jedoch in der Sittlichkeit der Sitte über den normativen Zwangscharakter hinaus die „Verinnerlichung“ dieses Zwanges als „die eigentliche Arbeit des Menschen an sich selber in der längsten Zeitdauer des Menschengeschlechts“.81 Das Gebot des unbedingten Gehorsams gegen die Sittlichkeit, „ohne an sich als Individuum zu denken“ fand „hierin ihren Sinn, ihre große Rechtfertigung, wieviel ihr auch von Härte, Tyrannei, Stumpfsinn und Idiotismus innewohnt: der Mensch wurde mit Hilfe der 77
KGW VIII 14 (128); WM 289. M 107. 79 KGW VIII 14 (108); WM 271. 80 M 9. 81 GM II 2, 16. 78
Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering
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Sittlichkeit der Sitte und der sozialen Zwangsjacke wirklich berechenbar gemacht“.82 Diese Äußerung Nietzsches bezieht sich wiederum auf die Frage, wie man dem, der ein Versprechen gegeben hat, ein „Gewissen“ macht, wobei die Machtfülle, die die römische Obligation dem Gläubiger über den Schuldner verlieh, Nietzsche als herausragendes Beispiel dient.83 Welche Bedeutung Nietzsche dem Institut der römischen Obligation in Hinsicht auf den Zwangscharakter der Sittlichkeit beimisst, erhellt der folgende Satz, welcher m. E. wie kein anderer das Wesen der „Sittlichkeit der Sitte“ als Begriff zusammenfasst: „Stellen wir uns dagegen ans Ende des ungeheuren Prozesses, dorthin, wo der Baum endlich seine Früchte zeitigt, wo die Sozietät und ihre Sittlichkeit der Sitte endlich zutage bringt, wozu sie nur das Mittel war: so finden wie als reifste Frucht an ihrem Baum das souveräne Individuum, das nur sich selbst gleiche, das von der Sittlichkeit der Sitte wieder losgekommene, das autonome übersichtliche Individuum (denn ,autonom‘ und ,sittlich‘ schließt sich aus), kurz den Menschen des eignen, unabhängigen, langen Willens, der versprechen darf –“.84 Nietzsche erkennt die Autonomie des „übersittlichen“ Individuums in der Überwindung des von der Sittlichkeit ausgehenden Zwanges durch Erringen des „langen“ Willens, „der wirklich versprechen darf – “.85 Dies bedeutet, dass Nietzsche das Individuum erst dadurch zur Autonomie befähigt sieht, dass es „mit Hilfe der Sittlichkeit der Sitte und der sozialen Zwangsjacke wirklich berechenbar gemacht“ worden ist, die Vergesslichkeit des Willens überwunden worden ist. Der menschliche Wille wurde „frei“, indem er durch den ausweglosen Zwang der Sittlichkeit der Sitte berechenbar gemacht wurde und sich selbst gehorchen lernte: „dieser Herr des freien Willens, dieser Souverän – wie sollte er es nicht wissen, welche Überlegenheit er damit vor allem voraus hat, was nicht versprechen und für sich selbst gutsagen darf, … –, und wie ihm, mit dieser Herrschaft über sich, auch die Herrschaft über die Umstände, über die Natur und alle willenskürzeren und unzuverlässigeren Kreaturen notwendig in die Hand gegeben ist?“86 Die Freiheit des Willens als Voraussetzung der Verantwortlichkeit87 beruht somit nach Nietzsche auf der „Herrschaft über sich“, sie ist das „,Überlegenheitsgefühl des Befehlenden‘ über den Gehorchenden“. Das „autonome übersittliche Individuum“ gelangt somit nach Nietzsche erst aufgrund dieser Herrschaft des Willens über sich selbst, die aus dem sittlichen Zwang entstanden ist, zu dem „Privilegium der Verantwortlichkeit“.88 Auch Ihering geht davon aus, dass die Autonomie des Individuums aus der Sittlichkeit entstanden ist: „das völlige Einswerden des Individuums mit dem Sittengesetz, kurz die Autonomie desselben ist die letzte, höchste Form, in der dasselbe sich in ihm verwirk82
GM II 2. GM II 5. 84 GM II 2. 85 GM, ebd. 86 GM, ebd. 87 KGW VIII 14 (126); WM 288. 88 GM, ebd. 83
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licht“.89 Nach Ihering schließt sich jedoch „autonom“ und „sittlich“ gerade nicht aus, wie Nietzsche dies ausdrücklich feststellt. Soweit nach Ihering „das Individuum das Sittliche als Gesetz seiner selber in sich tragen soll“, gelangt er zu diesem Ergebnis aus der Erkenntnis, dass die sittlichen Normen „historisch nicht vom Individuum, sondern von der Gesellschaft aus gewonnen worden“ sind. Da das Individuum sich in Abhängigkeit von der Gesellschaft befindet und „sein Gesetz von ihr erhält“, kann sich nach Ihering die Autonomie des Individuums nur auf die Verwirklichung sittlicher Normen erstrecken, indem das Individuum diese Normen als „sein Gesetz“ auf sich anwendet. Ihering betont, dass auch eine Befolgung der sittlichen Normen durch das Individuum als „sein Gesetz“ nichts daran ändern könne, „daß dasselbe als Gebot und zwar als Gebot der Gesellschaft von außen her ihm aufgezwungen worden ist“.90 Die Autonomie des Individuums besteht also nach Ihering nicht in der Überwindung der Sittlichkeit, sondern in ihrer vollkommenen Verwirklichung, welche den Zwangscharakter sittlicher Normen nicht aufhebt. Nietzsche erkennt jedoch die „Herkunft der Verantwortlichkeit“ gerade darin, dass sich das Individuum von dem Zwang sittlicher Normen wieder lösen konnte. In dem „Privilegium der Verantwortlichkeit“ liegt ein „Bewußtsein dieser seltenen Freiheit, dieser Macht über sich und das Geschick“;91 dadurch wird ein von außen einwirkender Zwang der Sittlichkeit als Zuchtmittel überwunden, nachdem das Individuum „berechenbar“ geworden ist, worauf die Sittlichkeit insgesamt ausgerichtet ist. Die Autonomie des Individuums schließt also nach Nietzsche dessen Sittlichkeit deshalb aus, weil es mehr „Macht über sich“ gewonnen hat, als der Zwang sittlicher Normen dies zu erreichen vermag. Der „freie“ Wille, der das Individuum endlich „berechenbar“ vorfindet, welches ihm nun gehorcht und „wirklich versprechen darf“, gibt dem Individuum dieses Mehr an Macht gegenüber dem Zwang der Sittlichkeit. Hier zeigt sich, welche Bedeutung das Wesen des Willens als Wille zur Macht auch hier hinsichtlich der Frage der Autonomie des Individuums gegenüber der Sittlichkeit erlangt. Weiterhin hat die Darstellung gezeigt, dass Nietzsche bestimmte Institute des römischen Rechts, wie z. B. die Obligation, aufgreift, sie über ihre juristische Bedeutung hinaus analysiert, um dann schließlich zur Frage des Verhältnisses des menschlichen Willens zu Normen der Sitte und des Rechts vorzustoßen. Bemerkenswert erscheint überdies, dass Ihering bereits in seiner Darstellung des römischen Rechts die im römischen Recht ausgeprägte Unterscheidung zwischen Recht und Sitte einerseits sowie dem Recht im objektiven und subjektiven Sinne als eine „Folge des Prinzips der Autonomie“ ansah.92 Den Grund für die strenge Trennung zwischen der Sittlichkeit als Moral und dem Recht, welche mit der Scheidung des fas von dem jus begann und sich in der sittlichen Censur neben dem Recht wei89
Ihering (FN 1), S. 103. Ebd. 91 GM, ebd. 92 Ihering (FN 3), § 29, S. 101 f. 90
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terentwickelte, sieht Ihering, wie bereits ausgeführt wurde, in der „Flüssigkeit“ und Unbestimmtheit der Sitte, soweit sie mehr zur Moral als zum Recht tendiert. Die Institution der sittlichen Censur, in der sich für Ihering besonders diese Trennung offenbart, führt Ihering auf „das subjektive Prinzip“ der sittlichen Kontrolle der Gens über die Gentilen zurück.93 Dort sieht Ihering „die subjektive Rechtssphäre“ als eine „Tat und Produktion des Individuums und darum lediglich seiner Autonomie anheim gestellt“ an.94 Auf diesem „subjektiven Prinzip“ der Sittlichkeit als Ausfluss der Autonomie des Individuums beruht nach Ihering die Machtfülle, welche das römische Recht dem Individuum gewährt und gerade wegen der strengen sittlichen Kontrolle gewähren kann. Die auf diesem „subjektiven Prinzip“ der Sittlichkeit beruhende Autonomie des Individuums verbietet einerseits staatliche und private Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen, gewährt andererseits jedoch die Möglichkeit der freien Ausgestaltung rechtlicher Verhältnisse als Machtverhältnisse. Ihering nennt als Beispiel, dass den Vertragsparteien zur Sicherung eines rechtlich verbindenden Versprechens deshalb die Einführung „eines besonders strengen obligatorischen Bandes“ erlaubt war.95 Für Ihering offenbart sich also in der Freiheit und Machtfülle, welche die Abstraktion von sittlichen Geboten dem Individuum gewährt, dessen Autonomie. Hierin könnte m. E. der Grund zu finden sein, dass Ihering, ausgehend vom römischen Recht, die Autonomie des Individuums als „das völlige Einswerden des Individuums mit dem Sittengesetz“ begreift,96 da die Sittlichkeit als das von ihm so benannte „subjektive Prinzip“ beim Individuum seinen Anfang nimmt und das Korrelat zur freien Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse als Machtverhältnisse bildet. Nietzsche stellt demgegenüber auf den von der Sittlichkeit ausgehenden Zwang ab und erkennt die Autonomie des Individuums allein in dem „Privilegium der Verantwortlichkeit“, des freien Willens als „dieser Macht über sich“. Die Autonomie des Individuums als die „Macht über sich“ bedeutet Freiheit vom Zwang sittlicher Normen, „denn ,autonom‘ und ,sittlich‘ schließt sich aus“.97
IV. Recht als „umgewandte Moral“ Es wurde soeben dargelegt, dass Nietzsche die Autonomie des Individuums in dem „Privilegium der Verantwortlichkeit“ erkennt und deshalb die Autonomie der Sittlichkeit gegenüberstellt.98 Das „Bewußtsein dieser seltenen Freiheit, dieser Macht über sich und das Geschick“ ist nach Nietzsche zum „dominierenden Instinkt“ geworden, welcher erst das „Gewissen“ des Menschen ausmacht. Die Verantwortlichkeit des Einzelnen besteht nach Nietzsche in seinem „freien Willen“ als der Ge93
Ebd., § 26, S. 52 und 57, sowie § 14. Ebd., § 26, S. 57. 95 Ebd., § 29, S. 101. 96 Ihering (FN 1), S. 103. 97 GM, ebd. 98 GM II 2
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wissheit, dass sein Leib seinem Willen gehorcht, dass er einen „langen“ Willen besitzt, der „wirklich versprechen darf“. Das Gewissen in diesem Sinne als Ergebnis der Autonomie des Individuums und seiner Verantwortlichkeit bedeutet „also auch zu sich ja sagen dürfen“. Es ist das Produkt eines langen Kampfes gegen die Vergesslichkeit des Willens unter dem Satz: „,nur was nicht aufhört, weh zu tun, bleibt im Gedächtnis‘“.99 Leiden und Schmerz, vor allem die Härte des älteren Strafrechts, stellen sich Nietzsche als die bevorzugten Mittel zur Sicherung des Gewollten vor der Vergesslichkeit dar. Der Kampf um die Freiheit des Willens, an dessen Ende das Gewissen als Instanz der Verantwortlichkeit stand, fand jedoch, wie Nietzsche in Übereinstimmung mit Ihering feststellt, nicht des Individuums wegen statt. Mit Hilfe von Leiden und Schmerz „behält man endlich fünf, sechs ,ich will nicht‘ im Gedächtnis, in bezug auf welche man sein Versprechen gegeben hat, um unter den Vorteilen der Societät zu leben“.100 Nietzsche wendet sich, wie bereits ausgeführt wurde, dagegen, die Erhaltung bestimmter Lebensbedingungen als Gebot der Sittlichkeit moralischen Wertungen zuzuordnen und dadurch zum Gegenstand der Lehre der Verantwortlichkeit des „freien Willens“ zu machen. Das Gewissen als Instanz der Verantwortlichkeit sieht Nietzsche eher durch jene Vorschriften der Sittlichkeit und ihren Zwangscharakter geprägt, als durch die Gesinnung. „Das, was ehedem dazu bestimmte, gewisse Handlungen zu verwerfen, war nicht das Gewissen: sondern die Einsicht (oder das Vorurteil) hinsichtlich der Folgen.“101 Nietzsches Worte an dieser Stellen lassen erkennen, dass er insoweit das Gewissen nicht als Ergebnis der Autonomie des Individuums ansieht: „Es spricht bloß nach: es schafft keine Werte.“102 Dies spricht dafür, dass Nietzsche in Übereinstimmung mit Kant und Schopenhauer allein die Gesinnung als moralische Instanz der Sittlichkeit entgegenstellt, „Wenn wir uns, aus dem Instinkte der Gemeinschaft heraus, Vorschriften machen und gewisse Handlungen verbieten, so verbieten wir, wie es Vernunft hat, nicht eine Art zu ,sein‘, nicht eine ,Gesinnung‘, sondern nur eine gewisse Richtung und Nutzanwendung dieses ,Seins‘, dieser ,Gesinnung‘.“103 Nietzsche erkennt in dem Verhältnis der Sittlichkeit zur Gesinnung einen Gegensatz – vergleichbar mit dem Gegensatz zwischen Autonomie und Sittlichkeit –, wobei sich die Sittlichkeit an die Gesinnung des Einzelnen wendet, soweit sie sich auf moralische Wertungen beruft: „Wir verhüten durch unsere Dekrete, daß diese Gesinnung auf eine unzweckmäßige Weise ausbricht und sich Wege sucht, – wir sind klug, wenn wir uns solche Gesetze geben, wir sind damit auch sittlich“. Nietzsche stimmt weiterhin der Lehre Kants und Schopenhauers zu, wonach die Gesinnung unveränderlich ist, wenn er feststellt: „mit jenen Handlungen ihre 99
GM II 3. GM, ebd.; zur Bindungswirkung des Versprechens im römischen Schuldrecht siehe Kerger, Autorität und Recht im Denken Nietzsches, ebd., S. 15 f. 101 KGW VIII 15 (92); WM 294. 102 KGW, ebd. 103 KGW VIII 9 (47).(48); WM 281. 100
Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering
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Quelle, das ,Herz‘, die ,Gesinnung‘ zu verurteilen, so hieße das unser Dasein zu verurteilen.“104 Schopenhauer lehrt, dass „in der Moral der Wille, die Gesinnung, der Gegenstand der Betrachtung und das allein Reale ist“.105 Indem Schopenhauer die Gesinnung dem Willen zurechnet, trennt er die Gesinnung von der Motivation. Während die Gesinnung dem Willen als dem unerkennbaren „Ding an sich“ außerhalb der Erscheinungswelt angehört, beziehen sich die Motive auf die Handlungen innerhalb dieser Erscheinungswelt. Die Motive sind daher durch Erkenntnis und Erziehung zu beeinflussen, die Gesinnung entzieht sich dagegen einem solchen Einfluss. Erkenntnis und Erziehung können mit dem Motiv „nur die Richtung des Willens, nie ihn selbst ändern“.106 Die Unabänderlichkeit der Gesinnung bedeutet daher hinsichtlich der moralischen Bewertung einer Handlung, dass es keinen Unterschied macht, ob sich in ihr eine vorhandene Gesinnungslosigkeit offen zeigt, oder ob sie durch entsprechende Beeinflussung des Motivs äußerlich als lobenswert erscheint. Es macht danach keinen Unterschied, ob einer „große Schenkungen an Hilflose macht, fest überredet, in einem künftigen Leben alles zehnfach wieder zu erhalten, oder ob er die selbe Summe auf Verbesserung eines Landgutes verwendet“.107 Die moralische Bewertung einer Handlung hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit bestimmt sich somit danach, ob Recht und Gesetz freiwillig auch dort anerkannt und befolgt werden, „wo kein Staat oder sonstige Gewalt sie sichert“. Rechtliche Ge- und Verbote können daher nur auf die Motive des Handelns Einfluss nehmen und dadurch der Handlung eine andere Richtung geben, sie haben jedoch keinerlei Einfluss auf den Willen: „Von außen ist, wie schon gesagt, dem Willen immer nur durch Motive beizukommen: diese aber ändern bloß die Art wie er sich äußert, nimmermehr ihn selbst. Velle non discitur.“108 Dies bedeutet, dass das Recht und insbesondere das Strafrecht „ein möglichst vollständiges Register von Gegenmotiven“ in Bezug auf alle rechtlich relevanten Handlungen bereit zu halten hat, um „jedem möglichen Motiv zur Ausübung eines Unrechts immer ein überwiegendes Motiv zur Unterlassung desselben“ entgegenzustellen.109 Aus dem Satz velle non discitur folgt, dass nach der moralischen Bewertung der Wille, unrechtmäßig zu handeln, „den allein die äußere Macht zurückhält“, nicht anders zu beurteilen ist als der Erfolg einer aus dieser Gesinnung geschehenen Tat. „Hingegen den Staat kümmern Wille und Gesinnung, bloß als solche, ganz und gar nicht; sondern allein die Tat … wegen ihres Korrelats, des Leidens, von der anderen Seite: ihm ist also die Tat, die Begebenheit, das allein Reale: die Gesinnung, die Absicht wird bloß erforscht, sofern 104
KGW, ebd. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Band IV, Züricher Ausgabe, Zürich 1977, § 62, S. 428. 106 Ebd., § 66, S. 457. 107 Ebd., S. 458. 108 Ebd. 109 Ebd., § 62, S. 429. 105
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aus ihr die Bedeutung der Tat kenntlich wird.“110 Da die Gesinnung durch die Erkenntnis oder Erziehung nicht verändert werden kann und nicht zu erwarten ist, dass aus moralischen Gründen rechtmäßig gehandelt wird, ist es unmöglich, eine Rechtsordnung zu schaffen und zu erhalten, welche aus Vorschriften besteht, die gebieten, Recht zu tun. Die Rechtsordnung ist daher nach Schopenhauer darauf angewiesen und angelegt, die „Kehrseite“ der Moral zu benutzen „und alle die Grenzen, welche die Moral als unüberschreitbar, wenn man nicht Unrecht tun will, angibt, von der andern Seite zu betrachten, als die Grenzen, deren Überschrittenwerden vom Andern man nicht dulden darf, wenn man nicht Unrecht leiden will, und von denen man also Andere zurückzutreiben ein Recht hat“.111 Recht und Gesetz beziehen sich also auf diese Grenzen und können nur gebieten, kein Unrecht zu tun. Entgegengesetzt zur moralischen Bewertung, deren Gegenstand die Gesinnung ist, d. h. der Wille, Recht oder Unrecht zu tun, erkennt Schopenhauer das Recht als einen Anspruch gegen den anderen, kein Unrecht zu leiden. Aufgrund dieser umgekehrten Wertung von der „passiven Seite“ aus stellt sich Schopenhauer die „Lehre von den Rechten“ als „umgewandte Moral“ dar, welche die Rechte lehrt, „welche man nicht verletzen darf“.112 Auch Schopenhauer erkennt also in der Moral die dem Recht und der Sitte entgegenstehende Wertung menschlichen Handelns. Wie Nietzsche sieht bereits Schopenhauer moralische Wertungen in den Vorschriften des Rechts und der Sitte enthalten, um die Moral „nun zu ihren, der Moral fremden Zwecken, von der Kehrseite anzuwenden“113. Nietzsche sieht in dieser Umkehr moralischer Wertungen in Normen des Rechts und der Sitte, damit die Gesinnung nicht auf eine „unzweckmäßige“ Weise hervortritt, „beinahe eine Definition der Sittlichkeit“.114 Für Nietzsche liegt jedoch in sittlichen und rechtlichen Vorschriften eine weitere Umkehrung moralischer Wertungen. Nietzsche sieht die „Unmoralität“ der Mittel, das Schädigen durch unrechtmäßige Handlungen aller Art, auf dessen Abwehr Sitte und Recht gerichtet sind, durch sittliche Normen geradezu geboten, soweit es sich um Gegner oder Fremde handelt: „deshalb verbieten wir gewisse Handlungen in einer gewissen Rücksicht, nämlich auf uns, während wir dieselben Handlungen, vorausgesetzt, daß sie sich auf Gegner des Gemeinwesens … beziehen, nicht genug zu ehren wissen.“115 Dieses sittliche Gebot, die Gegner des Gemeinwesens zu schädigen, hat erst dadurch Autorität erlangt, dass sich die Sittlichkeit auf moralische Wertungen beruft. Das Recht als „Kehrseite“ der Moral sowie das, was Nietzsche die „Unmoralität der Moral“ nennt, sprechen deutlich dagegen, die Anwendung von Recht und Gesetz von einer außerrechtlichen, moralischen „Anerkennung“ abhängig zu machen. Die Einwirkung des Rechts ist auf das Motiv beschränkt, die Gesinnung des Einzelnen ist 110
Ebd. Ebd. 112 Ebd. 113 Ebd., S. 431. 114 KGW, ebd. 115 KGW, ebd. 111
Recht und Moral bei Nietzsche und Ihering
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der Einflussnahme durch das Recht entzogen; eine „reine Moralität, d. h. Rechtshandeln aus moralischen Gründen, ist nicht zu erwarten“.116 Recht ist gerade das, was nicht anerkannt wird. Schließlich „dürfen Rechtszustände immer nur Ausnahme-Zustände sein, als teilweise Restriktionen des eigentlichen Lebenswillens, der auf Macht aus ist“,117 wie Nietzsche in seiner „Genealogie der Moral“ feststellt.
116 117
Schopenhauer, ebd., S. 430. GM II 11.
Abstraktion als Bedingung der Freiheit des Rechts Von Stephan Kirste, Salzburg I. „Wer denkt abstrakt?“ Hegel schildert in einem kleinen Artikel mit dem Titel „Wer denkt abstrakt?“ aus dem Jahr 1807 die Hinrichtung des Verbrechers Binder aus dem Blickwinkel mehrerer Zuschauer.1 Der Mörder soll an ein Radkreuz gebunden, gemartert und schließlich getötet werden. Das zur Vollstreckung der Strafe erschienene Volk sieht in Binder ausschließlich den Mörder, der nun seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Einige Frauen bewundern seine Kraft und Schönheit und vermuten, daß sich hinter diesem angenehmen Äußeren eine interessante Person verbirgt. Daß man in einem niederträchtigen Mörder solche Qualitäten bewundern kann, empört nun wiederum das übrige Volk und dient einem Priester, „der den Grund der Dinge und die Herzen kennt“, als Beleg für den Sittenverfall. Nicht nur solche oberflächlichen Menschen wohnen dem Geschehen bei: Ein „Menschenkenner“ versucht ein tieferes Verständnis für den Verbrecher zu entwickeln. Er fragt danach, ob den Mörder vielleicht eine ungünstige Vergangenheit, ein schlechtes und hartes Elternhaus zu dieser Tat getrieben habe und prangert daher die Hinrichtung selbst als ein Verbrechen an einem Unschuldigen an. Andere eilen hinzu und schmücken das Kreuz am Rad mit Blumenkränzen aus Veilchen und Klatschrosen, damit alles nicht so furchtbar und unmenschlich aussehe. Den Gipfel stellt endlich ein Spitalweib dar, daß nach der vollzogenen Hinrichtung den schließlich abgeschlagenen Kopf von Binder betrachtet, wie er von der Abendsonne beschienen wird und tief befriedigt feststellt, daß „Gottes Gnadensonne Binders Haupt beglänzt!“ „Wer denkt abstrakt?“ Die Bürger in Hegels kleiner Satire werden nicht annehmen, daß sie abstrakt denken, empfinden Sie doch ganz unmittelbar die Richtigkeit ihrer Urteile. Sie kommen gar nicht darauf, daß die Gesichtspunkte, die sie diesen Urteilen zugrunde legen, abstrakt sein könnten. Dem Wissenschaftler, der sich anhand des – konkreten (sic.) – Beispiels fragt, was „abstrakt“ und „Abstraktion“ meinen, geht es nicht besser. Er hält gewöhnlich für abstrakt, was von der Erfahrung abgezogen ist, also etwa Vorstellungen über die Wirklichkeit oder Normen über das richtige konkrete Verhalten. Wenn man nun aber nicht nur abstrakte Vorstellungen verwendet, sondern auch noch darüber nachdenkt, inwiefern diese Vorstellungen oder Normen abstrakt sind, wird das Abstraktionsniveau noch erhöht. Läßt sich 1
Hegel abstrakt, S. 575 ff.
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überhaupt konkret über einen so abstrakten Begriff wie denjenigen der Abstraktion nachdenken? Werner Krawietz hat sich wiederholt mit der Abstraktion, besonders im Bereich der Theoriebildung beschäftigt und entsprechende Ansätze hierzu in einem „Multi-Level Approach“ geordnet.2 Daran und an Hegel knüpft der folgende Versuch zur Bedeutung der Abstraktion für das Recht an. In seinem Artikel versucht Hegel den allgemeinen Begriff des Abstrakten mit einem ganz konkreten Einzelbeispiel zu verdeutlichen. Könnte ein so weit von der sinnlichen Erfahrung abgezogener Begriff wie der des Abstrakten vielleicht konkret und sogar anschaulich werden, wenn man ihn in Aktion betrachtet wie in dem Beispiel? In Hegels Beispiel fällt auf, daß er es „abstrakt“ nennt, wenn die Zuschauer die Hinrichtung aufgrund sehr allgemeiner Vorstellungen beurteilen und dabei den Verurteilten nicht als Menschen ansehen, sondern nur auf einzelne Merkmale des Verbrechers abstellen. Um zu verstehen, inwiefern die Zuschauer dabei abstrahieren, liegt es nahe, dem Südwestdeutschen Neukantianer Heinrich Rickert3 folgend, auf zwei Formen der Abstraktion zurückzugreifen: die generalisierende Abstraktion4 und die isolierende Abstraktion, wie wir sie bei den Zuschauern der Hinrichtung geschildert bekamen.5 Der Unterschied dieser beiden Abstraktionsformen und ihr Verhältnis sollen hier näher bestimmt werden. Ihr Ergebnis wird sodann auf Form 2
Vgl. insbesondere Krawietz 1999, S. 81 ff.; er unterscheidet nach dem jeweiligen Abstraktionsniveau zwischen „(i) der Rechtspraxis, (ii) der praktischen (dogmatischen) Rechtswissenschaft, (iii) der zugehörigen juristischen Methodenlehre und (iv) der allgemeinen Rechtslehre, welche diese Ausdrücke mit unterschiedlichen Nuancen in der Bedeutung verwenden“ (Krawietz 2007, S. 60). Er selbst argumentiert auf dem Abstraktionslevel der Rechtstheorie, die philosophische und soziologische Elemente einschließt (Krawietz 1985, S. 146). Der entscheidende Verdienst von Krawietz besteht in der Identifizierung und Differenzierung verschiedener Levels dieser Teildisziplinen der Rechtswissenschaft und ihrer unterschiedlichen Argumentationsformen und Perspektiven. Vor diesem Hintergrund gelingt ihm etwa eine plausible Einordnung der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens oder auch des Unterschieds zwischen dem noch recht konkreten Institutionalismus Schelskys auf der einen und dem Systemfunktionalismus von Parsons und Luhmann andererseits (Krawietz 1984, S. 225). Zugleich wird deutlich, daß der Abstraktionsgrad der Rechtswissenschaft fortschreitet und inzwischen – etwa mit der Systemtheorie – über Kelsen hinausgegangen ist (2007, S. 83 f.). Diese Abstraktion ist – wie noch zu zeigen sein wird – eine isolierende Abstraktion, die etwa Gedanken des Naturrechts aus dem Bereich der Rechtstheorie ausklammert. 3 Rickert, Anfang, S. 142: „Während die generalisierende Abstraktion zum allgemeinen Gattungsbegriff kommt, unter den individuelle Exemplare fallen, löst die Abstraktion, die wir meinen, aus dem individuellen Ich das allgemeine Ich-Moment heraus und denkt es dann für sich allein. Sie mag die isolierende Abstraktion heißen.“ 4 Acham 1971, S. 59. 5 Weitere Formen der Abstraktion sind nicht ausgeschlossen. So wird gerade im deutschen Recht häufig dann von Abstraktion gesprochen, wenn es nicht um Generalisierung oder Spezialisierung geht, sondern darum, zwei rechtliche Tatbestände voneinander zu unterscheiden und ihnen eine unterschiedliche rechtliche Bedeutung beizumessen, wie etwa das Verpflichtungs- vom Verfügungsgeschäft. Ein ähnlicher Begriff des Abstrakten liegt zugrunde, wenn davon gesprochen wird, daß die Erfahrung konkret und die Begriffe abstrakt seien. Es ist dann sorgfältig zu bestimmen, ob das Abstrakte in der Trennung liegt oder in der Form des Getrennten, also im zweiten Fall des Begriffs. Dazu unten mehr.
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und Inhalt des Rechts bezogen. Dabei wird gezeigt, daß die Abstraktion eine wesentliche Bedingung rechtlicher Freiheit ist. II. Formen der Abstraktion 1. Die generalisierende Abstraktion Ganz allgemein bedeutet Abstraktion, daß von einem Erkenntnisgegenstand bestimmte Aspekte abgezogen werden, um sie näher zu untersuchen.6 Beim Verfahren der Abstraktion lassen sich die Abstraktionsbasis, die abstrahierende Tätigkeit (das Abstrahieren), das Abstraktum als Ergebnis der Abstraktion sowie die Ziele und Prinzipien, von denen sich das Abstrahieren leiten läßt, unterscheiden. Wenn umgangssprachlich und auch in den Wissenschaften – besonders den empirischen – von Abstraktion gesprochen wird, dann ist häufig gemeint, daß bei verschiedenen Erfahrungen gemeinsame Merkmale identifiziert, diese von den übrigen Erfahrungsdaten abgezogen und so zu allgemeinen Begriffen generalisiert werden.7 Die so gebildeten Begriffe sind abstrakt, weil sie von ihrer empirischen Basis abgelöst sind. Dadurch werden die Begriffsmerkmale von anderen Merkmalen, mit denen sie in der Erfahrung verbunden sind, frei. So sind sie generell, weil sie auf eine Vielzahl von Erfahrungen bezogen werden können, die über die der Abstraktion zugrundeliegenden Erfahrungen hinausgehen können.8 Basis der generalisierenden Abstraktion sind dann die Erfahrungen. Die abstrahierende Tätigkeit isoliert einzelne Merkmale aus diesen Erfahrungen. Der generalisierte Begriff ist das Abstraktum, das Ergebnis der Abstraktion. Ziel der Abstraktion ist es, ein 6 So definiert Finelli 2010, S. 19: „Im erkenntnistheoretischen Sinne ist Abstraktion (A.) – aus dem lat. abstrahere – die Operation, durch die ein gewisser Aspekt der Wirklichkeit von anderen, mit ihm verbundenen Aspekten getrennt wird und als Objekt der Betrachtung, der Untersuchung, der Erkenntnis ausgewählt wird“, wobei es – je nachdem, was darunter verstanden wird – zu eng sein kann, nur von der „Wirklichkeit“ zu abstrahieren. Jedenfalls sollten Begriffe auch zur Abstraktionsbasis gerechnet werden können. 7 Etwas verächtlich spricht Hegel von dieser generalisierenden Abstraktion; aber er anerkennt durchaus ihre Notwendigkeit: „Wenn vom Begriff gesprochen wird, so ist es gewöhnlich nur die abstrakte Allgemeinheit, welche man dabei vor Augen hat, und der Begriff pflegt dann auch wohl [als] eine allgemeine Vorstellung definiert zu werden. Man spricht demgemäß vom Begriff der Farbe, der Pflanze, des Tieres usw., und diese Begriffe sollen dadurch entstehen, daß bei Hinweglassung des Besonderen, wodurch sich die verschiedenen Farben, Pflanzen, Tiere usw. voneinander unterscheiden, das denselben Gemeinschaftliche festgehalten werde. Dies ist die Weise, wie der Verstand den Begriff auffaßt, und das Gefühl hat recht, wenn es solche Begriffe für hohl und leer, für bloße Schemen und Schatten erklärt.“, Hegel, Enzyklopädie I, § 163 Z, S. 506 f. 8 Entsprechend kann dann in der wissenschaftlichen Analyse des Rechts im Rahmen eines Multi-Level-Approaches zwischen Theorien unterschiedlicher Abstraktionsstufen unterschieden werden. Recht konkret wäre etwa eine allgemeine „Rechtslehre als eine rein fachwissenschaftliche, aber in normativer Hinsicht universale Theorie des Rechts“ und abstrakt eine Philosophie oder Soziologie des Rechts, Krawietz 2007, S. 48; Krawietz 1999, S. 69 ff. eingehend zu seinem Multi-Level Approach.
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Gemeinsames in den verschiedenen Erfahrungen zu ermitteln und es für weitere Handlungen – etwa weitere Erkenntnisakte – verfügbar zu machen.9 Wenn Niklas Luhmann „Gerechtigkeit … als adäquate Komplexität des Rechtssystems“ versteht10, abstrahiert er von konkreten Handlungsnormen und generalisiert das Prinzip als Strukturprinzip von Rechtssystemen11. Die Generalisierung betrifft dabei sowohl den Inhalt der Gerechtigkeit als auch ihren normativen Anspruch. Die Abstraktheit derartig generalisierter Begriffe erlaubt die Erfassung einer höheren Komplexität von Problemen. Dieser Abstraktionsvorgang ist nun keineswegs durch die Erfahrung bestimmt. Die Erfahrung enthält keine Kriterien darüber, von welchen ihrer Aspekte abgesehen und welche für das Abstraktionsziel als wesentlich angesehen werden sollen. Schon die Identifikation einer Erfahrung und die Abgrenzung von einer anderen setzen vielmehr begriffliche Arbeit voraus. Seit Nicolas Malebranche setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß man eine Idee vom Erfahrungsgegenstand braucht, um einzelne Aspekte von ihm abstrahieren zu können.12 Immanuel Kant und in seiner Folge auch Ernst Cassirer13 verstehen den Begriff als Norm für die Abstraktion.14 Nicht setzt der Begriff die Abstraktion, sondern diese vielmehr den 9 Diese Festlegung des Inhaltes eines allgemeinen Begriffs bezieht sich nicht auf eine begrenzte Menge aufgefundener Einzelfälle, sondern auf eine offene Menge von Fällen, also auch auf solche Fälle, welche nicht vorliegen, aber möglicherweise eintreten, Acham 1971, S. 59. 10 Luhmann 1973, S. 142. 11 Ebd., S. 143 f.: „Auf diese Weise wird eine zusätzliche Abstraktionsebene der Strukturbeurteilung in die Rechtstheorie eingezogen (und in der Rechtswirklichkeit als gegeben unterstellt), auf der das Gerechtigkeitskriterium als Regulativ für Strukturanalyse und Strukturkritik, aber nicht mehr als direkt anwendbare Entscheidungsnorm zur Verfügung steht.“ 12 Perler 1996, S. 223; Hegel (Vernunft, S. 168) wiederum treffend: „…man muß mit [dem] Kreise dessen, worein die Prinzipien fallen, wenn man es so nennen will, a priori vertraut sein, so gut als, um den größten Mann in dieser Erkennungsweise zu nennen, Kepler, mit den Ellipsen, mit Kuben und Quadraten und mit den Gedanken von Verhältnissen derselben a priori, schon vorher bekannt sein mußte, ehe er aus den empirischen Daten seine unsterblichen Gesetze, welche in Bestimmungen aus jenem Kreise von Vorstellungen bestehen, erfinden konnte.“ 13 Cassirer 2002, S. 327: „der theoretische Begriff im strengen Sinne des Wortes begnügt sich nicht damit, die Welt der Gegenstände zu überschauen und deren Ordnung in sich einfach widerzuspiegeln. Die Zusammenfassung, die ,Synopsis‘ des Mannigfaltigen, wird hier dem Denken nicht schlechthin von den Gegenständen vorgeschrieben, sondern sie muß durch eigene und selbständige Tätigkeit des Denkens, gemäß den in ihm selber liegenden Normen und Kriterien, hergestellt werden.“ 14 Cassirer 1999, S. 565: „Wenn nach traditioneller logischer Lehre der Begriff lediglich das Ergebnis der ,Abstraktion‘ aus einer Mehrheit von Empfindungsdaten ist, so zeigt es sich jetzt, daß ,ähnliche‘ Eindrücke, ehe sie, wie es für den Prozeß der ,Abstraktion‘ erforderlich ist, als ähnlich erkannt und zu einer gemeinsamen ,Gattung‘ zusammengefaßt werden können, unter eine bestimmte Regel der Beurteilung gestellt werden müssen… Der Einheit der Gattung geht also die Einheit einer ideellen Norm, der abstraktiven Vergleichung geht eine konstruktive Verknüpfung voraus. Der Begriff ist seiner eigentlichen Grundbedeutung nach nichts anderes, als das Bewußtsein dieser Einheit der Synthesis.“
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Begriff als Richtmaß und Ziel voraus. Nach der neukantianischen Theorie der Abstraktion haben Begriffe also für sie die Funktion, das Abstrahieren zu leiten. Die Abstraktion als menschliche Tätigkeit ist frei darin, das Abstraktionsverfahren und das Abstraktionsziel zu wählen. Es gibt daher nicht von vorneherein falsche Abstraktionen: Ob Erfahrungen mit Rücksicht auf ihre Verwendbarkeit für bestimmte Zwecke, ihren ästhetischen Wert oder ihre rechtliche Bedeutung hin abstrahiert werden, steht nicht zuvor bereits fest, sondern hängt von den Zielen ab, die mit der Abstraktion verfolgt werden. Die Erfahrung als Abstraktionsbasis determiniert also das Abstraktionsergebnis nicht. Dies hängt vielmehr ganz wesentlich vom Abstraktionsverfahren und vom Abstraktionsziel ab. Ernst Cassirer beschreibt das anschaulich: „Die fertige Welt bietet dem Gedanken keinen Ansatzpunkt; er muß sie kraft der Freiheit seiner Abstraktion negieren, um sie desto gewisser zurückzugewinnen.“15 Das Abstraktionsverfahren läßt sich von Begriffen leiten, auf die hin es wesentliche von unwesentlichen Aspekten des Erfahrungsgegenstandes abzieht. Es läßt sich ferner von Verfahrensprinzipien leiten, die die Richtigkeit des Abstraktionsvorganges sicherstellen sollen. Wenn nun aber der Begriff nicht in der Abstraktionsbasis enthalten ist,16 sondern für die Abstraktion vorausgesetzt wird und sie leitet, wenn ferner das Abstrahieren als menschliche Handlung frei ist und daher fehlerbehaftet sein kann und wenn schließlich die Abstraktionsziele von den subjektiven Zwecksetzungen abhängig sind, welche Bedeutung hat dann eigentlich die Abstraktion? Kurz gesagt: Der Gewinn ist das Abstraktum. Vor dem Abstrahieren ist das Abstraktionsergebnis für das jeweilige Bewußtsein nicht vorhanden. Es besteht nur durch die denkerische Anstrengung desjenigen, der abstrahiert. Das Abstraktum wird nicht durch die Abstraktionsbasis bestimmt, ist also nicht im gleichen Sinn real wie diese. Es hat auch als solches auf die sonstige Realität keine Auswirkung. Das Abstrahieren zieht also nicht nur aus der Erfahrung dieses oder jenes Element gedanklich ab, um es zu generalisieren, sondern es ist auch ein Scheinvorgang, der zunächst keine Auswirkung außerhalb des Abstraktionsvorgangs besitzt. Der Kunstphilosoph Wilhelm Worringer schriebt, daß der „stärkste Drang“ der abstrakten Kunst gewesen sei, „das Objekt der Aussenwelt gleichsam aus dem Naturzusammenhang, aus dem unendlichen Wechselspiel des Seins herauszureissen, es von allem, was Lebensabhängigkeit, d. i. Willkür an ihm war, zu reinigen, es notwendig und unverrückbar zu
15
Cassirer 1999, S. 49. Cassirer 2001, S. 6 unter Berufung auf Leonard Nelson: „Die Induktion führt niemals auf Grundsätze, sondern immer nur auf Lehrsätze; die allgemeinen und notwendigen Wahrheiten sind für sie nicht das Ziel, bei dem sie endet, sondern immer schon der Anfang, den sie allenthalben voraussetzen muß. Die kritische Philosophie hingegen nimmt den Tatbestand unserer Urteile hin, wie sie ihn vorfindet, nicht um seine Wahrheit zu beweisen, noch um seine Entstehung zu erklären, ,sondern um aus ihm die reine Erkenntnis zu abstrahieren und auf ihre obersten Prinzipien zurückzuführen. Hat sie diese gefunden, so stellt sie sie als System der Philosophie auf‘.“ 16
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machen, es seinem absoluten Werte zu nähern.“17 Bezogen auf diese Wirklichkeit des „Seins“ ist das Abstraktum also nur Schein. Gerade im „Scheinvorgang“ der Abstraktion liegt aber ihre Bedeutung. In dem rein künstlichen Akt des Abstrahierens ist das Denken bei sich selbst und nur auf seinen Gegenstand gerichtet, der ihm durch die Erfahrung gegeben ist. Der Aufklärer D’Alembert spricht in diesem Sinne davon, daß die Erkenntnis um so sicherer sei, je abstrakter die Grundlagen sind, mit denen sie ihre Gegenstände erklärt und je unsicherer, je mehr sie sich von der Sinnlichkeit leiten lasse.18 Von der Erfahrung isoliert das Denken aufgrund selbst gesetzter Ziele einzelne Elemente und geht dabei nach Prinzipien vor, die es sich selbst gibt. Es experimentiert mit verschiedenen für wesentlich gehaltenen Elementen, um herauszufinden, welche mit Rücksicht auf das Erkenntnisziel wesentlich sind. Das Denken ist also in der Abstraktion völlig frei und bringt seinen Gegenstand in eben diese freie Form.19 So wird dieser für es transparent. Ergebnis ist, daß es sich allgemeine Begriffe – die Abstrakta – zum Bewußtsein bringt, über deren Generalitätsgrad und deren Generalitätsaspekt es frei entscheiden kann. Gerade weil das Abstraktum nur durch die Tätigkeit des eigenen Denkens geschaffen wurde, kann es nun als Grundlage einer bewußten Rekonstruktion des Erfahrungsgegenstandes dienen. Die Bedeutung der Abstraktion liegt also in der Freiheit und diese besteht und ermöglicht das Bewußtsein der Erfahrungsgegenstände. 2. Die isolierende Abstraktion Für die generalisierende Abstraktion werden Begriffe also in zweifacher Hinsicht bereits vorausgesetzt, nämlich als Ziele der Abstraktion und als Prinzipien des Abstraktionsvorganges. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Begriffe so, wie sie zunächst als Vorstellungen auftreten, für diese Aufgabe überhaupt geeignet sind. Wenn die Abstraktion dadurch, daß sie die gegebene Erfahrung in einem prinzipiengeleiteten Verfahren auf bestimmte Aspekte hin unterscheidet, die Erfahrungsgegenstände zum Bewußtsein bringt, dann läßt sich dieses Verfahren vielleicht auch auf die Begriffe selbst anwenden. Kehren wir jetzt zu Hegels Beispiel von der 17 Worringer 1921, S. 21 f. u. S. 31: Der Abstraktionsdrang äußert sich „nicht wie beim Einfühlungsbedürfnis als ein Drang, sich vom individuellen Sein zu entäussern, sondern als ein Drang, in der Betrachtung eines Notwendigen und Unverrückbaren erlöst zu werden vom Zufälligen des Menschseins überhaupt, von der scheinbaren Willkür der allgemeinen organischen Existenz. Das Leben als solches wird als Störung des ästhetischen Genusses empfunden.“ 18 Cassirer 1999, S. 412. 19 Cassirer 2002, S. 327: Der Gedanke bleibt nicht „bei den Gestaltungen stehen …, die die Welt der Anschauung ihm gewissermaßen fertig entgegenbringt, sondern er muß dazu übergehen, ein Reich der Symbole in voller Freiheit, in reiner Selbsttätigkeit aufzubauen. Er entwirft konstruktiv die Schemata, an denen und auf welche hin er die Gesamtheit seiner Welt orientiert.“
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Verurteilung des Mörders Binder zurück. Das Volk sah in ihm nichts als einen Mörder, einige Frauen fanden ihn attraktiv, ein „Menschenfreund“ sah in ihm nur das Opfer, das nun zusätzlich zu seiner Vergangenheit auch noch mit dem Tode bestraft wird, das Spitalweib sah völlig von dem Geschehen ab und fand in dem sonnenbestrahlten Haupt einen Gottesbeweis und die Leipziger machten aus dem Kreuz des Marterrades auf der Richtstätte einen kitschigen Abklatsch des Kreuzes von Golgatha. Hegel schildert dies als Abstraktionen von Ungebildeten. Inwiefern sind dies ebenfalls Abstraktionen und inwiefern sollen sie einem Gebildeten nicht unterlaufen? Wer im Verurteilten nur den Mörder sieht, reduziert den Menschen mit Namen Binder auf diesen einen Aspekt seines Verbrechens. Er abstrahiert von allen anderen Facetten seines Menschseins und behält einzig den Täter übrig. Wer in ihm einen schönen Mann sieht, abstrahiert unter anderem davon, daß dieser „attraktive“ Mann einen anderen Menschen getötet hat und daher bestraft wurde.20 Der „Menschenfreund“, der im Verbrecher nur das Opfer seiner Vergangenheit und der Verurteilung durch die Justiz sieht, abstrahiert von der dem Menschen gegebenen Fähigkeit, seine Handlungen grundsätzlich steuern zu können. Das Spitalweib wird dem brutalen Geschehen auf der Richtstätte nicht gerecht, wenn es vom Licht verzaubert ist, das weder mit dem juristischen noch dem moralischen Sinn der Hinrichtung irgend etwas zu tun hat und den Sinn des metaphorischen Gotteslichtes abergläubisch vergegenständlicht. Daß schließlich die Leipziger das christliche Symbol des Rosenkreuzes zur Beschwichtigung und Verharmlosung der Hinrichtung mit Klatschrosen zu Kitsch umstilisieren, muß Hegel besonders aufstoßen, denn es abstrahiert vollständig vom Sinn des Geschehens und setzt die Beruhigung des eigenen Gefühls an seine Stelle.21 Sie alle bilden in ihren Abstraktionen Vorurteile, Stereotype, Idole im Sinne Bacons.22 Was ist hier die Abstraktionsbasis, der Abstraktionsvorgang und was das Abstraktum? Das Abstrakte in diesen Vorstellungen liegt nicht in der Generalisierung von Erfahrungen. Hier soll nicht Binder als Mörder erkannt oder aus seinem Fall im Verhältnis zu anderen der Begriff des Mörders gebildet werden. Der Eindruck des Hinrichtungsgeschehens ist bei den verschiedenen Personengruppen nur der Anlaß dafür, daß sie sich Vorstellungen darüber bilden und das Geschehen danach beurteilen. Um diese Vorstellungen geht es Hegel. Sie sind das Abstraktum, das Ergebnis eines Abstraktionsprozesses, der den Zuschauern der Hinrichtung nicht zum Bewußtsein kommt. Keiner der geschilderten Beobachter der Hinrichtung begreift 20 Man könnte diese Abstraktion in der aristotelischen Diktion eine formelle Abstraktion nennen, vgl. Aristoteles Anal. post. I, 27, 87 a 33 – 37. 21 Kirste 2008, S. 67 ff. 22 Ränsch-Trill 1980, S. 105: „Der ungebildete Mensch denkt ,abstrakt‘, sagt Hegel; er verabsolutiert vorschnell einzelne Bestimmungen des Gegenständlichen und verstellt damit seinen Blick auf die konkrete Fülle des Ganzen. Ungebildetes, d. h. abstraktes Denken treffen wir allenthalben, wo Stereotype dogmatisch verwendet werden und wo einzelne Bestimmungen verabsolutiert werden.“
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die Person des Verurteilten als Mensch. Sie alle isolieren Einzelaspekte seines Menschseins und nehmen einen Teilaspekt für das Ganze des Verurteilten. Der Mensch mit Namen Binder ist aber nicht nur Mörder, attraktiver Mann, Opfer seiner Erziehung, abgetrenntes, wenn auch wichtiges und göttlich beleuchtetes Körperteil oder romantisch-rühriges Kitschbild des Gekreuzigten. Wer ihn nur in einem dieser Aspekte sieht, abstrahiert von allen anderen und abstrahiert von seinem Menschsein.23 Die Abstraktionsbasis beim Menschen wäre gewissermaßen der Mensch bei seiner Geburt, sein Leben das Abstraktionsverfahren, bei dem sich im Laufe seiner Biographie jeweils Teilaspekte seiner Persönlichkeit realisieren, die insgesamt seinen verwirklichten oder konkreten Begriff ausmachen.24 So wenig es bei der generalisierenden Abstraktion jedoch ausreichte, einen Aspekt der Erfahrung zu verallgemeinern, so wenig reicht es jetzt aus, all diese Aspekte – und noch wie viele weitere? – zu addieren. Konkret ist erst diejenige Vorstellung von Binder, die ihn als Menschen in der Fülle seiner Fähigkeiten sieht, von denen einige sich in dem Verbrechen, in seinem gefälligen Äußeren und in der Eigenschaft realisieren, daß er trotz seiner Taten als „Ebenbild Gottes“ verstanden werden kann. Auch hier ist der Begriff vom Menschen Binder selbst die konkrete Funktionseinheit aller seiner Aspekte. Er ist die Einheit, die ihnen ihren Sinn gibt. Die Zuschauer der Hinrichtung abstrahieren bei ihrer Beurteilung der Hinrichtung vom Begriff des Menschen Binder, der im Zentrum des Geschehens steht und dessen Schicksal sich hier erfüllt. Dabei ist ihre Abstraktionsbasis eine Vorstellung vom Menschen. Der Abstraktionsvorgang ist das Isolieren einzelner seiner Eigenschaften, Fähigkeiten, Taten. Das Abstraktum die Vorstellung, Mörder, attraktiv, gottbegnadet etc. zu sein, sei das Wesentliche an diesem Geschehen. Konkret ist der Begriff, der dann durch die Abstraktion seiner Elemente rekonstruiert wird.25 Wieso denkt nun der Gebildete weniger abstrakt, wie Hegel meint? Der Philosoph, vielleicht der Wissenschaftler überhaupt, bildet seine Begriffe – jedenfalls kann er es tun. Die isolierende Abstraktion ist für ihn eine Methode, durch die er sich die Fülle des Begriffs zum Bewußtsein bringt.26 Gedanklich sieht er von ein23 An anderer Stelle hat dies Hegel für den Sklaven ausgeführt: „Was dem Sklaven fehlt, das ist die Anerkennung seiner Persönlichkeit; das Prinzip der Persönlichkeit aber ist die Allgemeinheit. Der Herr betrachtet den Sklaven nicht als Person, sondern als selbstlose Sache, und der Sklave gilt nicht selbst als Ich, sondern der Herr ist sein Ich …“, Hegel, Enzyklopädie I, § 163 Z, S. 506 f. 24 Zu dieser Geschichtlichkeit, Kirste 1998. 25 Hegel (PhdG), S. 23: „Das Konkrete ist die Einheit von unterschiedenen Bestimmungen, Prinzipien; diese, um ausgebildet zu werden, um bestimmt vor das Bewußtsein zu kommen, müssen zuerst für sich aufgestellt, ausgebildet werden. Dadurch erhalten sie dann allerdings die Gestalt der Einseitigkeit gegen das folgende Höhere; dies vernichtet sie aber nicht, läßt sie auch nicht liegen, sondern nimmt sie auf als Momente seines höheren und tieferen Prinzips.“ 26 Hegel Logik II, S. 260: „Wenn in der oberflächlichen Vorstellung von dem, was der Begriff ist, alle Mannigfaltigkeit außer dem Begriffe steht und diesem nur die Form der abstrakten Allgemeinheit oder der leeren Reflexionsidentität zukommt, so kann schon zunächst daran erinnert werden, daß auch sonst für die Angabe eines Begriffs oder die Definition zu der
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zelnen Aspekten des Begriffs ab und läßt sie dann wieder sukzessive aus ihm hervorgehen. Er rekonstruiert also die Bedeutung, die jedes Begriffselement für den Begriff hat. Er nutzt die Funktionseinheit der Elemente des Begriffs, von der vielleicht zu Beginn des Erkenntnisprozesses nur eine vage Vorstellung bestand, isoliert einzelne Aspekte daraus und weist ihnen den Platz für die Erkenntnis zu, der sich aus der Funktion des Gesamtbegriffs ergibt. Der Philosoph rekonstruiert aufgrund der isolierenden Abstraktion die Vielfalt der Aspekte, die im Erfahrungsgegenstand unbewußt vereint ist, durch sein Denken in einer bewußten Form.27 Insofern ist die in Gedanken rekonstruierte Bedeutung sogar konkreter als die Erfahrung, von der die isolierende Abstraktion ausgeht. Denn diese Bedeutung ist das Werk des Denkens und nicht mehr vermittelt durch eine äußere Anschauung. In konsequenter Weise hat Thomas Hobbes diese Methode angewendet. Wissenschaft ist für ihn nur von gedanklichen Dingen möglich.28 Nichtgedankliches bringen wir in Gedankenform, um es an unseren Ideen zu messen. Kraft seiner resolutiv-kompositorischen Methode abstrahiert Hobbes von allen verbindenden Elementen des Staates29 und zerlegt ihn in seine Atome, um ihn von daher über den – abstrakten – Gesellschaftsvertrag wieder zu rekonstruieren und so als ein durch und durch verstandenes Gebilde more geometrico in Gedanken aufzubauen. Die kleinsten Teile des Staates sind die Menschen in ihrem Selbsterhaltungstrieb, die sich angesichts begrenzter Ressourcen im Naturzustand bekämpfen. Ihm fehlt freilich ein allgemeines Kriterium, bis zu welchem Grad er die Abstraktion vorantreiben kann.30 Die Bürger unterwerfen sich dem Staat als großem Menschen und seiner Souveränität, um in Frieden leben zu können, so daß Frieden und Sicherheit die einzigen Staatszwecke sind. Hegel hat diese Methode in seiner Philosophie aufgegriffen, um die Vernunft im Wirklichen für die philosophische Vernunft zum Bewußtsein zu bringen.31 Erwähnt Gattung, welche selbst schon eigentlich nicht rein abstrakte Allgemeinheit ist, ausdrücklich auch die spezifische Bestimmtheit gefordert wird. Wenn nur mit etwas denkender Betrachtung darauf reflektiert würde, was dies sagen will, so würde sich ergeben, daß damit das Unterscheiden als ein ebenso wesentliches Moment des Begriffs angesehen wird.“ 27 Hegel Logik II, S. 263: „Es ist hierüber schon daran erinnert worden, daß eben im Begriffe vielmehr diese Mannigfaltigkeit, insofern sie der Anschauung im Gegensatze gegen den Begriff angehört, aufgehoben werde und der Gegenstand durch den Begriff in seine nicht zufällige Wesenheit zurückgeführt sei; diese tritt in die Erscheinung, darum eben ist die Erscheinung nicht bloß ein Wesenloses, sondern Manifestation des Wesens. Die aber ganz frei gewordene Manifestation desselben ist der Begriff …“ 28 Tönnies 1896, S. 114 f. 29 „Dabei wird im Begriffe der Menschen von allem abgesehen, was sie auf natürliche und ursprüngliche Weise verbinden mag, also von Banden der Familie, der Freundschaft u. s. w., von allen sozialen Instinkten.“ Tönnies 1896, S. 210 f. 30 So die Kritik von Hegel Naturrecht, S. 445 f.; mit der Folge, daß sich für jeden Abstraktionsgrad auch unterschiedliche Perspektiven ergeben, Krawietz 1992, S. 28 31 Hegel schreibt in den „Grundlinien“ von 1820 bekanntlich: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ In der von Henrich herausgegebenen
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sei nur seine Rechtsphilosophie. Realität hat das Recht nach Hegel nur so, wie es im sittlichen Staat institutionalisiert ist. Um dies aber zu verstehen, muß zunächst der Begriff des Rechts gebildet werden. Recht ist danach das Dasein des freien Willens (Grundlinien, § 29). Das ist natürlich reichlich abstrakt, denn es sieht etwa von den Gegenständen, auf die sich diese Freiheit richtet, auf die innere Einstellung gegenüber diesen äußeren Rechtsbehauptungen und von den Institutionen, in denen sich diese Freiheit verwirklicht, ab. Deshalb nennt Hegel auch die erste Stufe, in der sich der freie Wille ein äußeres Dasein gibt, das „abstrakte Recht“. Es ist abstrakt, weil es von allen Inhalten absieht, mit denen es im Verkehr der Menschen ausgefüllt werden kann.32 An dieser Stelle kann nicht die ganze Konkretisierung des Begriffs des Rechts durch den Gang der Hegelschen Rechtsphilosophie rekonstruiert werden. Es zeigt sich jedoch, daß die abstrahierten Elemente des Rechtsbegriffs unter Berücksichtigung der Funktion des Rechts, Dasein der Freiheit zu sein, rekonstruiert werden. Wenn der Philosoph nun über Verbrechen und Schuld spricht – und für den Juristen sollte das auch gelten – dann versteht er das Verbrechen als eine – abstrakte – Form des Daseins der Freiheit: Der Verbrecher isoliert bei seiner Motivbildung Aspekte der sozialen Realität – zumeist solche, die ihm nützen – und handelt entsprechend. Hegel versteht also auch den Verbrecher, als einen Menschen, der seine Freiheit äußert, wenn auch in einer defizienten Form.33 Bei der Beurteilung seiner Tat und seiner Schuld wird der Richter also auch den Menschen in seiner Würde beurteilen und ihm die Gerechtigkeit zukommen lassen.34 Denn dem Verbrecher würde nicht das Seine zukommen, wenn er ausschließlich als einer verstanden würde, der Unrecht getan, Schaden angerichtet hat.35 Insofern bedeutet die unbewußte Abstraktion des einfachen Volkes auf dem Richtplatz zugleich eine Ungerechtigkeit. Nachschrift der Vorlesung von 1819/20 heißt es zwar: „Was vernünftig ist, wird wirklich, und das Wirkliche wird vernünftig.“ (S. 51), doch findet sich in einer anderen Nachschrift derselben Vorlesung die Formulierung „was vernünftig ist, ist wirklich und umgekehrt, aber nicht in der Einzelheit und dem Besonderen, das sich verwirren kann“ (S. 8). Etwas ausführlicher und fast rechtfertigend für die scharfe Formulierung in den Grundlinien heißt es in der Vorlesung von 1821/22 (S. 37): „Die Philosophie hat es allerdings mit dem vorhandenen Staate, auch mit seiner Wirklichkeit zu tun, aber mit seiner wahrhaften Wirklichkeit, mit seinem inneren Leben. Das Vernünftige ist wirklich, und das Wirkliche ist vernünftig. Der Staat ist das Gebäude des Geistes in der Gegenwart, und sein Werk ist das Werk der Vernunft. Man muß das Unausgebildete und das Überreife nur nicht wirklich nennen.“ 32 Bartuschat 1987, S. 30. 33 Radbruch möchte daher den „abstrakten Begriff des Täters“ wieder konkretisieren und „an Stelle des Schlagworts ,Nicht die Tat, sondern der Täter‘“ den weitergehenden Gedanken „,Nicht der Täter, sondern der Mensch‘, und zwar der Mensch in seiner ganzen sozialen Bestimmtheit“ setzen, Radbruch 1948, S. 254. 34 Seelmann 1995, S. 33 ff. 35 Hegel Grundlinien, § 100: „Daß die Strafe darin als sein eigenes Recht enthaltend angesehen wird, darin wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt. – Diese Ehre wird ihm nicht zuteil, wenn aus seiner Tat selbst nicht der Begriff und der Maßstab seiner Strafe genommen wird; – ebensowenig auch, wenn er nur als schädliches Tier betrachtet wird, das unschädlich zu machen sei, oder in den Zwecken der Abschreckung und Besserung.“
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Die isolierende Abstraktion hat jedoch neben der theoretischen durchaus praktische Konsequenzen, wenn das soziale Handeln von ihr bestimmt wird. Nicht erst Marx hat die Entfremdung der Arbeit unter den Bedingungen der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft diagnostiziert. Schon Hegel sah, daß „Die Abstraction des Producierens … das Arbeiten ferner immermehr mechanisch und damit am Ende fähig [macht, SK], daß der Mensch davon wegtreten und an seine Stelle die Maschine eintreten lassen kann.“36
Aus der Fülle des Menschseins abstrahiert der Arbeitsprozeß nur noch einzelne, arbeitsteilig zu verwertende Handlungsteile. Diese sind so abstrakt und standardisiert, daß sie schließlich durch die Maschine als ein geistloses Wesen übernommen werden können. Bleibt der Mensch gleichwohl in diesen Prozeß eingeordnet, wird seine Arbeit ebenso geistlos wie die Maschine.37 Bei Hegel und mehr noch bei Karl Marx wird die Abstraktion nicht nur als eine logische Operation verstanden, sondern auch als ein realer (politischer) Prozeß: Die sozialen Verhältnisse selbst führen zu Abstraktionen. Insbesondere die Fabrikarbeit bedeutet gegenüber der Manufaktur eine isolierende Abstraktion der Fähigkeiten des Menschen im Dienste der Ökonomie.38 Aus der Fülle der menschlichen Eigenschaften, deren Einheit seine Würde ausmacht, isolieren sie einzelne und machen sie gesellschaftlich nutzbar. So entziehen sie diese Kräfte der freien Bestimmung durch den Menschen selbst und überantworten sie einer anonymen gesellschaftlichen Steuerung.
36 Hegel Rechtsphilosophie, Hotho, § 198, S. 611. Dort heißt es weiter: „Das Mechanische hat zu seiner Grundlage einen abstracten Zusammenhang bloß des Verstandes; er ist ein Wirken in dieser abstracten Geschicklichkeit. Das Geistige und Lebendige ist individuell und concret, das Mechanische abstract nach einem Gesetz, einer Manier …“ 37 Hegel Rechtsphilosophie, Hotho, § 198, S. 611: „Solche Arbeiter daher stumpfen sich ab, sind gebunden an das Eine Geschäft, und so am Rande des Abgrunds; auf der andern Seite wird ihr Geist degradirt. Und indem aus der Arbeit das Geistige sich verliert, das ein Zusammenfassen und Beachten und Bemeistern eines Mehrerem ist, so ist die Folge davon, daß an die Stelle des Menschen zuletzt die Maschine treten kann … Indem nun aber die Arbeit so abstract ist, daß die Thätigkeit eine abstracte Bestimmung der Einfachheit nur in sich hat, so kann das Geistlose der Maschine hintreten diese Thätigkeit zu verrichten.“ 38 Marx Kapital, S. 440: „In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt.“ Ibid., S. 445 u. S. 596: „Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter.“
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3. Abstraktion und Freiheit Als Bewußtseinsleistung hat die Abstraktion jedoch befreiende Wirkung. Ebenso wie die gedankliche generalisierende Abstraktion bei der Erfahrung einen Scheinvorgang darstellt, der die Realität unbeeinträchtigt läßt, auch wenn sie praktische Konsequenzen haben kann, so läßt die isolierende Abstraktion die Funktionseinheit des Begriffs unangetastet. Kant erklärt: „Die Ausdrücke des Abstracten und Concreten beziehen sich also nicht sowohl auf die Begriffe an sich selbst, denn jeder Begriff ist ein abstracter Begriff, als vielmehr nur auf ihren Gebrauch.“39 Im Scheinvorgang liegt bei beiden die Ermöglichung des Bewußtseins. Kant beschreibt dies wiederum sehr treffend: „Das Bestreben, sich seiner Vorstellungen bewußt zu werden, ist entweder das Aufmerken (attentio), oder das Absehen von einer Vorstellung, deren ich mir bewußt bin (abstractio). – Das Letztere ist nicht etwa bloße Unterlassung und Verabsäumung des Ersteren, (denn das wäre Zerstreuung, distractio), sondern ein wirklicher Akt des Erkenntnisvermögens, eine Vorstellung, deren ich mir bewußt bin, von der Verbindung mit anderen in Einem Bewußtsein abzuhalten …“40
Die eigentliche Bedeutung der Abstraktion liegt nach Kant also in der Konzentration: Ich bringe mir eine Vorstellung zum Bewußtsein, indem ich sie aktiv von anderen unterscheide, ihr versage, sofort assoziativ alle möglichen Brücken zu verwandten Vorstellungen zu schlagen und diese Brücken bewußt abreiße. Das Denken muß die Vorstellung bei allen diesen abstrahierenden Tätigkeiten festhalten, damit es nicht unvermerkt zu anderen Vorstellungen übergeht und sich von diesen zerstreuen läßt. So werde ich mir der zu beobachtenden Vorstellung durch Konzentration bewußt. Dies ist eine wichtige und befreiende Fähigkeit des Menschen: „Von einer Vorstellung abstrahieren zu können, selbst wenn sie sich dem Menschen durch den Sinn aufdringt, ist ein weit größeres Vermögen, als das zu attendieren; weil es eine Freiheit des Denkvermögens und die Eigenmacht des Gemüts beweist, den Zustand seiner Vorstellungen in seiner Gewalt zu haben (anumus sui compos). – In dieser Rücksicht ist nun das Abstraktionsvermögen viel schwerer, aber auch wichtiger, als das der Attention, wenn es Vorstellungen der Sinne betrifft.“41
Gelingt die Abstraktion, schleichen sich also nicht unvermerkt irgendwelche Assoziationen ein, beweise das Denken, das es sich in seiner Gewalt hat. Gerade weil die Aufmerksamkeit zunächst auf dieses oder jenes gerichtet ist, weil die Zerstreuungen mir viel leichter fallen, dokumentiere ich durch die Konzentration auf die Vorstellung, von der ich alles andere abstrahiert habe, daß nur ich selbst 39 Er setzt hinzu: „Und dieser Gebrauch kann hinwiederum verschiedene Grade haben; je nachdem man einen Begriff bald mehr, bald weniger abstract oder concret behandelt, d. h. bald mehr, bald weniger Bestimmungen entweder wegläßt oder hinzusetzt.“ Kant Logik, Akad.-A. 9, 99, § 16, Anm. 1. 40 Kant Anthropologie, S. 412 (BA 10). 41 Ebd.
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diese Vorstellung aufrecht erhalte. So beweise ich meine Freiheit gegenüber allen Zerstreuungen. Nach Kant ist also gerade die Abstraktion als ein komplett unnatürlicher, nur vom Denkenden hervorzubringender Akt als Beweis von Freiheit: „Viele Menschen sind unglücklich, weil sie nicht abstrahieren können. Der Freier könnte eine gute Heirat machen, wenn er nur über eine Warze im Gesicht oder eine Zahnlücke seiner Geliebten hinwegsehen könnte. Es ist aber eine besondere Unart unseres Attentionsvermögens, gerade darauf, was fehlerhaft an Anderen ist, auch unwillkürlich seine Aufmerksamkeit zu heften: seine Augen auf einen dem Gesicht gerade gegenüber am Rock fehlenden Knopf, oder die Zahnlücke, oder einen angewohnten Sprachfehler zu richten, und den Anderen dadurch zu verwirren, sich selbst auch im Umgange das Spiel zu verderben.“42
Beide Abstraktionen sind notwendig, die generalisierende zur Bewußtwerdung der uns gegebenen äußeren Erfahrung, die isolierende zur Bewußtwerdung der Begriffe und ihrer gedanklichen Durchdringung. Sie bilden die Scheinwelt, in der das Denken das hervorbringen kann, was ihm sonst nur gegeben ist und ermöglichen ihm so Freiheit. Diese Freiheit ist wiederum Bedingung freien Handelns. Hegel sagt: „Wer etwas grosses will muß sich beschränken“43 und Goethe bringt dies in die Gedichtform: „So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen: Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muß sich zusammenraffen; In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“44
Um zu handeln, müssen die vielfältigen Möglichkeiten auf eine realistische Anzahl beschränkt werden und das bedeutet im Sinne der isolierenden Abstraktion, daß von anderen Handlungsmotiven abstrahiert wird. Für Kant ist das diese Abstraktion leistende Gesetz das Sittengesetz des Kategorischen Imperativs. Das Gesetz leistet diese Abstraktion der Handlungsmotive und damit ist es an der Zeit, zur juristischen Abstraktion überzugehen. III. Zur Juristischen Abstraktion Wir haben in der Darstellung bislang selbst von zwei Aspekten des Hegelschen Beispiels abstrahiert, auf die zurückzukommen ist: Erstens handelt es sich um ein Beispiel, also um die Erläuterung eines Begriffs an einem bestimmten, konstruierten Fall. Zweitens geht es bei der Hinrichtung um die Vollstreckung eines Urteils und die Wirkung dieser Vollstreckung auf das Volk. Mithin wird die Abstraktion an 42
Ebd. Hegel Rechtsphilosophie/Hotho, S. 130; Grundlinien § 13 Z. 44 Goethe: Natur und Kunst, S. 129.
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einem juristischen Problem exemplifiziert. Sollte also die Abstraktion das Recht in besonderer Weise betreffen? Ich beginne mit diesem rechtlichen Aspekt und komme dann abschließend zur Beispielsform zurück. 1. Die Abstraktion des Rechts Das moderne Recht ist notwendig durch und durch abstrakt. Ich verstehe unter modernem positivem Recht Normen, deren Setzung und Durchsetzung durch Normen geregelt sind.45 Diese Bestimmung erfolgt in rechtswissenschaftlicher und rechtsphilosophischer Absicht, also nicht in soziologischer oder allgemein philosophischer Perspektive. Fragt man zunächst, was das Gemeinsame der rechtlichen Regelungen ist, so ist dies, daß sie Verpflichtungen enthalten oder sich auf Verpflichtungen beziehen. Verpflichtende Sätze sind Normen. Würde man dabei stehenbleiben, wäre dies jedoch für die rechtswissenschaftliche Zielsetzung der Bestimmung über-abstrakt; denn Normen finden sich auch in der Moral, der Religion und in anderen Bereichen. Der Begriff der Norm muß also spezifiziert werden, damit er das Eigentümliche von Recht erfaßt. Sieht man sich unter den rechtlichen Regelungen um, so fällt auf, daß sie in irgendeiner Weise erschaffen wurden und daß sie durchgesetzt werden können. Normen, bei denen man annimmt, daß sie ewig gelten, sind danach kein Recht. Somit würden jedenfalls einige Normen des Naturrechts kein Recht, sondern etwa Moral sein. Denn abgesehen davon, daß sie als ewig nicht entstanden sind, ist ihre Geltung auch nicht in irgendeiner Weise normativ geregelt. Die Rechtstheoretiker haben mal mehr die Erschaffung mal mehr die Durchsetzung als das wesentliche Kriterium des Rechts angesehen, das es von anderen Normen unterscheiden soll.46 Sie haben dann als Entstehungskriterien etwa den Befehlscharakter des Rechts oder Diskurse angegeben. Die Definition des Rechts als Normen deren Entstehung normativ geregelt ist, stellt übrigens nicht auf staatliche Normsetzung ab; das wäre zu konkret, weil durchaus Normen existieren, die in geordneten nicht-staatlichen Verfahren entstanden sind und sich hinreichend von Moral unterscheiden.47 Hans Kelsen hat jedoch in der Reinen Rechtslehre – also einer Wissenschaft des Rechts, die es von seinen sonstigen sozialen Bezügen abstrahiert – nachgewiesen, daß man das Recht nicht als Norm erklären kann, wenn man auf das Faktum seiner Entstehung abstellt. Weil mit Rücksicht auf die Art der Sätze das Sein vom Sollen zu unterscheiden ist, kann eine Norm wie das Recht nicht aus der Tatsache ihrer Setzung erklärt werden. Noch etwas anderes tritt hinzu: Nicht jede Setzung von Normen begründet Recht. Nicht jeder Befehl kann Recht erzeugen, sondern nur einer, der seinerseits rechtmäßig ist. Nicht jede vom Gesetzgeber erlassene Norm ist 45
Kirste 2010, S. 85. Kirste 2010, S. 74 ff. 47 Erst sekundär – d. h. auf einer konkreteren Stufe – stellt sich dann das staatliche als eine Form von Recht dar; Krawietz 1992, S. 36. 46
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Recht, sondern nur eine, die mit der Verfassung übereinstimmt. Mithin sind zwar tatsächlich die Normen des Rechts gesetzt; entscheidend für ihre rechtliche Geltung ist, daß bei ihrer Setzung die Regeln für die Aufstellung von Normen eingehalten werden. Solche Regeln finden sich weder für die Moral noch für das Naturrecht, egal, ob es nun als ewig oder als geschichtlich angesehen wird. Mithin müssen wir für die Bestimmung des modernen Rechts von der Tatsache der Setzung abstrahieren und dürfen nur das Merkmal der normativen Regelung der Setzung festhalten. Dies ist freilich auch notwendig; denn eine Norm, die in einem nicht geregelten Verfahren erlassen wird, kann zwar – je nachdem ob ihr ein bloßer Wille oder die bloße Rationalität zugrunde liegt – ein Machtspruch oder ein Satz der Moral, nicht aber Recht sein. Manche Rechtstheorien begründen demgegenüber Recht damit, daß es anders als andere Normen etwa der Sozialmoral zwangsmäßig durchgesetzt werden kann. Tatsächlich wird zumeist – sogar von Normativisten wie Hans Kelsen – angenommen, daß die durch die Zwangsbewährung vermittelte Wirksamkeitschance notwendiges Element des Rechtsbegriffs sei. Nun fällt aber zunächst schon auf, daß die verschiedenen Theorien den Zwangsbegriff immer weiter abstrahiert haben: Nicht wirklicher Zwang, sondern bereits die Möglichkeit von Zwang soll danach ausreichen. Und auch die „Wirksamkeitschance“ ist eben nicht die volle Wirksamkeit. Das positive Recht läßt nicht jeden Zwang zur Durchsetzung seiner Normen zu: Folter etwa oder grausame Strafen – wie diejenigen in Hegels Beispiel – sind keine geeigneten Zwangsmittel zur Durchsetzung des Rechts. Auch die Frage, wann sich die Möglichkeit von Zwang in tatsächlich ausgeübtem Zwang durchsetzt, wird vom positiven Recht selbst gesteuert: Nämlich im Vollstreckungsrecht. Wäre Zwang oder Wirksamkeit des Rechts sein notwendiges Element, wäre unsere Bestimmung des Rechts wiederum zu konkret und würde Normen ausschließen, die die Funktion des Rechts, nämlich einer Verhaltenssteuerung in einer bestimmten Form, erfüllen. Wenn aber eine Norm zwangsmäßig durchgesetzt werden kann, ist sie nur dann Recht, wenn dieser Zwang normativ gesteuert wird. Nicht daß sie durchgesetzt wird, macht eine Norm zu Recht, sondern daß, wenn sie durchgesetzt werden kann, diese Durchsetzung normativ geregelt ist. Für die Bestimmung des Rechts ist also vom tatsächlichen Zwang zu abstrahieren. Nicht weniger als von der faktischen Setzung ist von der faktischen Durchsetzung der Norm zu abstrahieren, um den Rechtsbegriff zu bestimmen. Es muß auf die normative Regelung dieser faktischen Momente abgestellt werden. Das Recht ist mithin eine bestimmte Form von Normen. Normen sind Sätze, die Verpflichtungen enthalten, d. h. in ihnen wird nicht ausgesagt, wie etwas ist, sondern wie etwas sein soll. Daß sie sich mit einem Sollensgebot an ihren Adressaten wenden, setzt bei diesem Handlungsalternativen voraus. Könnte er nicht so oder anders handeln, würde die Verpflichtung keinen Sinn ergeben. Zwischen Alternativen entscheiden zu können, bedeutet aber Freiheit. Normen setzen also Freiheit voraus und richten sich an Wesen, die frei handeln können. Sie bewerten Handlungsmöglichkeiten und fordern vom Handelnden eine isolierende Abstraktion zu-
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gunsten der präferierten Alternative. Als Erlaubnisnormen können sie auch Handlungsalternativen eröffnen. Somit läßt sich sagen, daß Normen Freiheit voraussetzen und sie ermöglichen. Freiheit kann sich auf alle möglichen Handlungsweisen beziehen, auch auf das Setzen und Durchsetzen von Normen. Wenn also Recht Normen bezeichnet, deren Setzung und Durchsetzung normiert ist, dann ermöglicht und beschränkt es die Freiheit zum Setzen und Durchsetzen von Normen. Mit Gesetzgebungsbefugnissen etwa schafft es dem Gesetzgeber die rechtliche Freiheit zum Setzen von Normen; die Privatautonomie garantiert dies den Vertragspartnern. Das Entsprechende ließe sich für die Durchsetzung ausführen. Das bedeutet nun, daß sich der Begriff des Rechts einerseits generalisierend ausgehend vom positiven Recht abstrahieren läßt als Normen, deren Setzung und Durchsetzung normiert sind. Auf der anderen Seite kann Recht auch als Spezifizierung des Freiheitsbegriffs verstanden werden: Recht sind Normen, die sich als Ausdruck von normierter Freiheit an Freiheit richten. Sie sind Ausdruck positiver Freiheit in Gestalt der selbstbestimmten Wahl zwischen Regelungsalternativen und sie ermöglichen Selbstbestimmung und grenzen die Sphären der Selbstbestimmung von Rechtsträgern gegeneinander ab, schützen also auch die negative Freiheit. Normen beziehen sich nicht nur auf Freiheit. Sie ziehen das Handeln zugleich auch von bestimmten Handlungsalternativen ab und orientieren es auf andere Handlungsmotive. Das bedeutet aber, sie ordnen eine isolierende Abstraktion an. In einer Situation S bestehen die Handlungsalternativen H1, H2, H3 etc. Die Verpflichtung der Norm kann nun etwa das Verbot von H2 enthalten, H1 und H3 jedoch offen lassen; oder sie kann eine der Alternativen gebieten und alle anderen ausschließen. Sie ordnet also an, von den verbotenen oder den nicht gebotenen Handlungsalternativen zu abstrahieren. Die Abstraktionsbasis von Normen sind danach Handlungsalternativen. Das Abstraktionsverfahren besteht in der Auswahl und Bewertung unter ihnen. Das Abstraktionsziel ist die Durchsetzung eines Wertes. Normen abstrahieren nicht in der Form von Erkenntnissen, sondern in der Form von handlungsbezogenen Sollenssätzen. Sie können daher praktische Abstraktionen genannt werden. Grundlegende derartige Norm ist der kategorische Imperativ. Er gebietet, von allen besonderen Handlungsmotiven zu abstrahieren und wird von Kant selbst durch die Abstraktion von allen besonderen Pflichten bewiesen.48 Gerade aufgrund dieser Abstraktion von den empirischen Motiven ist er Grundlage der praktischen Freiheit des Menschen. 2. Rechtsnorm und Freiheit Die Abstraktion, so war oben ausgeführt worden, ermöglicht Freiheit. Mit ihr befreit sich das Denken von der Erfahrung, indem es anhand von Prinzipien ein48 Kant KpV, S. 141: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“
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zelne Aspekte generalisiert, die dann nur in dieser selbsthergestellten Form gelten; zugleich spezifiziert es den Begriff, dessen Merkmale gedanklich isoliert und in ihrer Verbindung rekonstruiert werden, so daß der konkrete Begriff das Werk des Denkens ist und nicht gegeben wird. Sowohl bei der generalisierenden als auch bei der isolierenden Abstraktion transformiert also das Denken ein Gegebenes in eine von ihm selbst hergestellte Form.49 Bezogen auf das Gegebene als Realität ist dies ein Scheinvorgang; denn das Gegebene wird durch die Abstraktion nicht verändert; nur für das Denken entsteht das Abstraktum. Das Denken befreit sich, wie Kant gezeigt hat, in der Abstraktion. Geht man nicht von einer naturalistischen Rechtsbegründung aus, so abstrahieren Norminhalte des modernen Rechts50 von konkreten Interessen und generalisieren und typisieren sie.51 Die Jurisprudenz hat „nicht Concreta, sondern Abstracta, Begriffe und Regeln“ zum Gegenstand, wie Georg Jellinek sagt.52 Sie sind nicht an einen „historisch-einmaligen Sozialbestand“ geknüpft, sondern beziehen sich auf „mögliche Tatbestände“.53 Wie oben hinsichtlich der abstrakten Kunst ausgeführt, streifen die abstrakteren Rechtsbegriffe die Zufälligkeiten der empirischen Basis ab und gewinnen Notwendigkeit.54 Deshalb spricht auch gegen die Bedeutung der Unrechtserfahrung als Grundlage der Menschenrechte, daß die Menschenrechtskataloge viel zu abstrakt formuliert sind, als daß sie sich auf konkrete Erfahrungen hätten beziehen können.55 Auch insofern stellt die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung einen Übergang von konkreten, ständisch gesicherten Privilegien der englischen Tradition hin zu universellen Menschenrechten dar. Mochte für die „Rights of Englishmen“ gelten, daß sie aus konkreten historischen Anlässen hervorgegangen sind, so ist die Abstraktheit hinsichtlich Adressat, Gegenstand und Schranken heute ein notwendiges Merkmal von Menschenrechten.56
49
Zum Begriff der rechtlichen Transformation, Kirste 2008, S. 134 – 156. Weber 1980, S. 397 – im Verhältnis zu früheren Stufen des Rechts, die etwa im Rechtsformalismus eine enge Beziehung zur Sinnlichkeit hatten. 51 Ehrlich 1918, S. 252 ff.: „Die juristische Konstruktion besteht darin, daß für die Zwecke der Rechtsfindung nicht die Begriffe verwertet werden, auf die sich die Interessenabwägung und Schutzgewährung in einem Rechtssatze bezieht, sondern Abstraktionen aus diesen Begriffen. Die Abstraktionen werden dadurch gewonnen, daß aus dem Begriff von dem Rechtsverhältnisse oder Interessengegensatze, mit dem sich der Rechtssatz befaßt, die konkreten Merkmale und Umstände so lange ausgeschaltet werden, bis sich ein Begriff ergibt, dem das Rechtsverhältnis oder der Interessengegensatz, für die eine Entscheidungsnorm gefunden werden soll, unterordnet werden kann.“ 52 Jellinek System, S. 16. 53 Husserl 1925, S. 17. 54 von der Pfordten, S. 451 f. 55 Hofmann 1992, S. 169. 56 Alexy 1998, S. 253 f. 50
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Allerdings wendet Hans Kelsen gegen Jellinek ein, daß die juristische Konstruktion zwar Abstraktion, aber keine generalisierende Abstraktion darstellt:57 „Auch die juristische Konstruktion – der konstruierte Begriff – ist eine Abstraktion. Allein diese Abstraktion vollzieht sich nicht auf Grund von wahrgenommenen physischen oder psychischen Tatsachen der Außenwelt, z. B. Tatsachen des praktischen sozialen Lebens in der Gemeinschaft, sondern die als juristische Konstruktion bezeichnete Abstraktion erfolgt aus ganz bestimmten der normativen Betrachtung entspringenden Denkvorgängen innerhalb des Abstrahierenden selbst.“
Die Trennung von Sein und Sollen verbietet es nach Kelsen, Rechtsbegriffe im Wege der generalisierenden Abstraktion aus der Empirie zu gewinnen; sie müssen vielmehr durch eine isolierende Abstraktion aus dem Sollen selbst konstruiert werden. Kelsen erklärt jedoch nur rechtslogisch die normative Form jeder Rechtsnorm. Er isoliert also den normativen Bestandteil der Rechtsnorm und begründet ihn logisch von der Grundnorm her. Die Grundnorm gilt aber als Gebot der Logik und vermag das Recht daher auch nur logisch zu begründen.58 Ohne von einer normativistischen Erklärung abzugehen, läßt sich jedoch Recht – wie oben gezeigt – als normierte Norm verstehen. Dieser Begriff kann sehr wohl im Wege einer generalisierenden Abstraktion gebildet werden, ohne dadurch auf einen Naturalismus zu verfallen. Bei der Bildung konkreter Normen werden wünschenswerte oder ethisch positive Handlungsmotive (etwa im Sinne des kategorischen Imperativs) generalisiert. Die Normbildung ist mithin eine generalisierende Abstraktion. Auch die Rechtsanwendung stellt keineswegs nur eine Rechtskonkretisierung dar. Die Gerichte müssen zunächst im Wege der isolierenden Abstraktion aus dem tatsächlichen Geschehen – dem Lebenssachverhalt – den Fall konstruieren. Sie reduzieren dazu den Lebenssachverhalt auf das zur Begründung ihrer Entscheidung Notwendige.59 Der Fall ist also konkret nur im Verhältnis zur generalisierend-abstrakten Norm; im Verhältnis zum Lebenssachverhalt stellt er eine isolierend-abstrakte Konstruktion dar.60 Die rechtliche Beurteilung prüft dann den isolierend-abstrahierten Fall an der generalisierend-abstrahierten Rechtsnorm. Der Fall wird auf seine Einpassung in die Merkmale des Tatbestandes der Norm untersucht und anhand ihrer angeordneten Rechtsfolge beurteilt. Die Entscheidung bezieht die generalisierend-abstrakte Rechtsfolge, die in der Norm angeordnet wird, auf den tatbestandsmäßigen Fall. Sie 57
Kelsen 1984, S. 291 f. Kirste 2008, S. 58. 59 Luhmann 1993, S. 315: „In ihrer Praxis pflegen Gerichte sich auf das zur Entscheidungsbegründung Notwendige zu beschränken. Wenn schon entschieden und begründet werden muß, dann mit dem Mindestmaß an Selbstfestlegung, das für die Entscheidung des konkreten Falles unerläßlich ist.“ 60 Insofern besteht dann „stets ein dialektisches Spannungsverhältnis zwischen der generell geltenden, kodifizierten oder durch tatsächliche Übung in Rechtsüberzeugung ,gesetzten‘ und rechtssprachlich fixierten oder doch fixierbaren generell abstrakten Rechtsvorschrift und dem individuell-konkreten Fall“; Krawietz 2011, S. 472. 58
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ist dadurch konkret, daß sie die auch im Lebenssachverhalt verbundenen Elemente von Motiven und äußeren Handlungen verbindet: Sie bezieht sich auf diese Person des Angeklagten und sein genau bestimmtes Verhalten und ordnet hierfür eine bestimmte Strafe als Sanktion an. Jedoch geschieht diese Konkretisierung anhand der in der Rechtsnorm generalisierend-abstrakt festgelegten Kriterien. Wegen dieses Einflusses der Rechtsnorm ist die Entscheidung nicht wie der Lebenssachverhalt einfach eine konkrete Verbindung von verschiedenen tatsächlichen Merkmalen. Sie ist vielmehr eine anhand der Norm gestaltete Wirklichkeit, ein konkretes Abstraktum. Daneben kommt aber auch die Gewinnung von Prinzipien im Wege der generalisierenden Abstraktion aus einzelnen Fällen in Betracht.61 Die Abstraktheit der Rechtsnorm selbst hat insofern einen Wert, als sie eine gewisse Gleichheit und Rechtssicherheit ermöglicht.62 Umgekehrt bedeutet auch Gleichheit immer eine Abstraktion, wie Gustav Radbruch schreibt: „Gleichheit ist ja nicht eine Gegebenheit, die Dinge und Menschen sind so ungleich ,wie ein Ei dem andern‘, Gleichheit ist immer nur Abstraktion von gegebener Ungleichheit unter einem bestimmten Gesichtspunkte“.63 „Gleichheitsschutz setzt eine Abstraktionsleistung voraus“.64 So legen etwa die Verbote, aufgrund von Volkszugehörigkeit, Religion, Weltanschauung etc. zu diskriminieren, fest, daß von diesen Merkmalen des Menschen zu abstrahieren ist. Wenn die Grundrechtecharta der Europäischen Union in Art. 1 bestimmt, daß die Würde des Menschen unantastbar ist, dann kommt diese Würde jedem Menschen zu, sodaß von seiner Hautfarbe, seiner sozialen Herkunft zu abstrahieren ist. Sie gewährt jedem Menschen ein Recht darauf, als Subjekt des Rechts anerkannt zu werden. Wenn der Mörder bestraft wird, dann wird er nicht als Mörder, sondern als Mensch aufgrund seiner Tat bestraft und ist in der Art und Weise der Bestrafung als solcher zu achten. Weder kann isolierend von seiner Menschenwürde abstrahiert und nur auf die Tat und ihre Folgen geschaut, noch kann generalisierend von der Tat abstrahiert und nur auf seine soziale Prägung abgestellt werden. Denn die Fähigkeit zur Selbststeuerung, die Selbstverantwortungsfähigkeit ist die Grundlage seiner Persönlichkeit und seiner Schuld. Die notwendige isolierende Abstraktion durch die Fachwissenschaften65 bedarf der Ergänzung durch die generalisierende Abstraktion, die die isolierten Aspekte – etwa des Menschseins – wieder durch einen allgemeinen Begriff zusammenfügt – wie etwa die Würde des Menschen.
61
Krawietz 1987, S. 214. Pavcnik 1997, S. 472 f.; Luhmann 1973, S. 166. 63 Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 259. 64 Mahlmann 2008, S. 450. 65 Vgl. noch einmal Krawietz 1984, S. 225, der freilich hervorhebt, daß Schelsky diese notwendige Abstraktion einzelner Aspekte des Menschseins nicht wiederum zu einem Gesamtbild des Menschen integriert habe. 62
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3. Abstraktionsfehler Wenn nun die Normsetzung als verbindliche Abstraktion aus Freiheit geschieht, dann kann die Entscheidung über die Norm auch fehlerhafte oder falsche Abstraktionen bedeuten. Derartige Fehler können sich etwa auf den Abstraktionsgrad beziehen, wenn dem Recht vorgeworfen wird, es enthalte zu abstrakte Normen, die dann so vage sind, daß nahezu beliebige Konkretisierungen möglich sind. Sie können aber auch zu konkret sein, so daß mit fortschreitender gesellschaftlicher Entwicklung die konkreten Regelungen nicht mehr den allgemeinen Sinn der Norm realisieren können, so daß zur Schließung der angenommenen Lücken Analogien mit Rücksicht auf den im Wege generalisierender Abstraktion gebildeten allgemeinen Sinn der Norm gebildet werden müssen. Ein Beispiel für das Problem des Abstraktionsgrades ist der Streit um den Begriff der Rechtsperson.66 Rechtsperson ist, wer Rechtssubjekt ist. Rechtssubjekt ist, wer Träger von Rechten und Pflichten oder Zurechnungssubjekt solcher Sätze ist. Der Begriff der Rechtsperson ist als Ausdruck liberalen Denkens des 19. Jahrhunderts kritisiert worden.67 Moderne sozialstaatliche Gesetzgebung konkretisiert diesen Begriff und geht vom Verbraucher oder von Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus und knüpft Rechte und Pflichten an diese konkretisierten rechtlichen Rollen. Gustav Radbruch schreibt: „Das neue Bild vom Menschen ist im Verhältnis zu dem abstrakten Freiheits-, Eigennutz- und Klugheitsschema des liberalen Zeitalters ein viel lebensnäherer Typus, in den auch die intellektuelle, wirtschaftliche, soziale Machtlage des Rechtssubjekts miteingedacht wird.“68 Hinsichtlich der Zuständigkeit für Abstraktionen kann etwa die Frage entstehen, ob Gerichte befugt sind, aus bestimmten Normen in Gesetzen oder auch der Verfassung abstrakte Prinzipien zu bilden, die dann ebensolche Verbindlichkeit erlangen wie die Abstraktionsbasis. Ein Beispiel aus den USA wäre die Erfindung des Privatheitsschutzes, die sich an den V. Zusatzartikel anlehnt;69 in der Bundesrepublik Deutschland könnte die Allgemeine Handlungsfreiheit als Auffanggrundrecht genannt werden.70 Bruce Ackerman entwickelt aus verschiedenen Grundrechten ein „right to exclude unwanted interference by third parties“.71 Es ist also berechtigt, wenn Easterbrook72 und Ackermann in einer Kontroverse fragen: „How abstractly
66
Vgl. hierzu Kirste 2001, S. 319 – 361. Aus Hegelianischer Perspektive Lasson 1879, S. 16: „Das Recht sieht im Menschen nur die Person, von allen andern unterschiedenen Bestimmungen der Einzelpersönlichkeit und von der unendlichen geistigen Freiheit abstrahirend.“ 68 Radbruch 1927, S. 472. 69 Brugger 2001, S. 114 ff. 70 Zum Vergleich des Verfassungsrechts der USA und der Bundesrepublik Deutschland, Brugger/Kirste 2011, § 186. 71 Ackerman 1992, S. 347. 72 Easterbrook 1992, S. 350. 67
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should judges read the Bill of Rights?“73 Wie stark darf der Interpret aus konkreten Normen allgemeine Prinzipien generalisieren? Eine wichtige limitierende Rolle spielt die systematische Auslegung, die die Allgemeinheit der Verfassungsprinzipien durch andere Verfassungsprinzipien beschränkt.74 Konservative Interpretationsansätze – also im deutschsprachigen Raum die stark historisch- und wortlautorientierten Auslegungen;75 im amerikanischen Bereich die Originalists – wehren sich jedoch gegen diese Abstraktionen. So schreiben etwa die Richter Renquist und Scalia: „We refer to the most specific level at which a relevant tradition protecting, or denying protection to the asserted right can be identified.“ Dabei stellen sie auf die in einem Land bestehenden Rechtstraditionen ab.76 Alles andere bedeutete richterliche Willkür77. Einen normativen Ansatz vertritt demgegenüber Easterbrook: „So you can’t view abstraction in the abstract. You must search for a level of generality simultaneously suited to the Constitution and to the judicial role. One that will be neither broad nor narrow all of the time, neither pro- nor con-state power.“78 Bei der Beantwortung der Frage, wer zur Abstraktion rechtlich befugt ist, soll mithin nicht von der konkreten Rechtsordnung abstrahiert werden. Es ist nicht nur eine Frage der Rechtslogik, welches Maß an Abstraktion sinnvoll ist, sondern auch eine Frage des Zusammenspiels der Gewalten. Problematische Abstraktionen können aber auch hinsichtlich des Inhalts von rechtlichen Entscheidungen bestehen. Wenn etwa ein Straftäter nur hinsichtlich des sozialen Schadens, den er angerichtet hat, bestraft wird und dabei von seiner Verantwortlichkeit abgesehen wird, oder wenn die Strafe von seiner Schuld absehen und nur auf seine oder die Abschreckung der Gesellschaft hin verhängt würde; dann wäre diese Abstraktion mit Rücksicht auf die rechtlich geschützte Freiheit und Würde des Menschen unrichtig. In diesem Sinn wären also sowohl die Abstraktionen des Volkes in Hegels Beispiel, das den Mörder lediglich als Mörder ansieht, als auch die Abstraktionen des „Menschenfreundes“, der sein ganze Verhalten mit Rücksicht auf seine Kindheit entschuldigt, mit Rücksicht auf seine Würde als Mensch unrichtig. Wenn es also fehlerhafte und fehlerfreie, unrichtige und richtige Abstraktionen sowohl in rechtlich verbindlichen Urteilen als auch in der Meinung der Bevölkerung darüber gibt, dann ist offenbar eine Wahlfreiheit zwischen ihnen gegeben. Diese kann durch Normen verbindlich gesteuert werden, die die Wahl der fehler73
Ackerman 1992, S. 321. So referiert etwa Ackerman (1992, S. 338 f.) das Prinzip von „Democratic Managerialism“, das in der Barnette Entscheidung des US-Supreme Court 1943 (Barnette, 319 US) zur Beschränkung eines Laissez-Fair-Liberalismus der Grundrechte der Bill of Right herangezogen wurde. 75 Rüthers 2008, S. 48 f.; Rüthers 2009, S. 276 f.; Rüthers 2011, S. 434 f. 76 Michael H. v. Gerald D., 491 U.S. 110 (1989). 77 Daher sprechen sie von „the need, if arbitrary decisionmaking is to be avoided, to adopt the most specific tradition as the point of reference“. 78 Easterbrook 1992, S. 380. 74
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freien und richtigen Abstraktion anordnen oder doch das Abstraktionsverfahren in diesem Sinn steuern. In der Tat finden sich besonders in den Verfassungen, aber auch in Menschenrechtserklärungen und in den verschiedensten anderen Rechtsnormen Regelungen von fehlerfreien und richtigen Abstraktionen. Mit Rücksicht auf die rechtliche Abstraktion läßt sich mithin sagen: in der generalisierenden und isolierenden Abstraktion befreit sich das Denken von den Bindungen der gegebenen Welt der Erfahrung und des Begriffs. Als Ausdruck von Freiheit und Freiheitsermöglichung kann die Abstraktion jedoch fehlerhaft sein. Normen können in dieser Hinsicht als verbindliche Abstraktionen verstanden werden, die zur Entscheidung für „richtige“ Abstraktionen verpflichten. Rechtsnormen sind jedoch selbst Ausdruck von Freiheit, so daß die Anordnung unrichtig sein kann. Daher bedürfen sie selbst der Normierung. So erscheint das Recht als durch und durch abstrakt. Das bedeutet aber auch, daß es Ausdruck von Freiheit ist und Freiheit ermöglicht. IV. Hegels Beispiel über das abstrakte Denken Im Aufsatz „Wer denkt abstrakt?“ will Hegel zeigen, daß nicht der Philosoph oder Wissenschaftler, sondern das „einfache Volk“, das in seinen Vorstellungen befangen ist, abstrakt denkt.79 Hegel mag dabei von der wirklichen Hinrichtung des Mörders Binder ausgegangen sein. Daran interessieren ihn aber nur einzelne Aspekte, mit denen er seine These veranschaulichen will. „Veranschaulichung“ ist aber nicht Erfahrung, sondern Darstellung eines selbst nicht Anschaulichen in einem erfahrbaren Medium. Das Nicht-Anschauliche ist Hegels Begriff des Abstrakten. Dessen Aspekte oder Momente bringt er in der Hinrichtungsszene zum Ausdruck. So kann er sie durch Momente anreichern, die vielleicht so gar nicht wirklich vorgekommen sind. Auch wenn tatsächlich die Sonne nicht schien, kann er mit ihren Strahlen das Ziel seines Beispiels erreichen. – Die Erfahrung wird so zum Symbol. Das Beispiel also symbolische Form, als freie Abstraktion zur Veranschaulichung des Begriffs. So ist Hegels konkretes Beispiel für den Begriff der 79 „Es ist ein gewöhnliches Vorurteil, die philosophische Wissenschaft habe es nur mit Abstraktionen, leeren Allgemeinheiten zu tun; die Anschauung, unser empirisches Selbstbewußtsein, unser Selbstgefühl, das Gefühl des Lebens sei dagegen das in sich Konkrete, in sich Bestimmte, Reiche. In der Tat steht die Philosophie im Gebiete des Gedankens; sie hat es damit mit Allgemeinheiten zu tun, ihr Inhalt ist abstrakt, aber nur der Form, dem Elemente nach; in sich selbst ist aber die Idee wesentlich konkret, die Einheit von unterschiedenen Bestimmungen … Die gesunde Menschenvernunft geht auf das Konkrete. Erst die Reflexion des Verstandes ist abstrakte Theorie, unwahr, nur im Kopfe richtig, – auch unter anderem nicht praktisch. Die Philosophie ist dem Abstrakten am feindlichsten, führt zum Konkreten zurück.“ Hegel GdPh, S. 46. Dem Denken liegt der Begriff näher als die Erfahrung, die ihm nur durch die Sinne vermittelt ist. So ist dem Denken der Begriff konkreter. Nur weil wir auf die äußere Erfahrung fixiert sind und uns seltener die Denkerfahrung bewußt machen – wie Hegel in der Phänomenologie des Geistes –, erscheint uns die Erfahrung als das Konkrete und der Begriff oder die Idee demgegenüber abstrakt.
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Abstraktion selbst eine Abstraktion zur Bewußtmachung des Begriffs der Abstraktion. Es zeigt eine defizitäre Abstraktion, nämlich die unbewußte des einfachen Volkes und verweist auf die notwendige Abstraktion zur Klärung des Begriffs. Die generalisierende Abstraktion greift aus der Wirklichkeit einzelne Aspekte heraus und verallgemeinert sie zum Bildmaterial; die isolierende differenziert die Aspekte des Abstraktionsbegriffs und bringt sie in diesem Material zum Ausdruck. Das Symbol kann so in eine nicht verbindliche Form bringen, was das Recht verbindlich anordnet: die Abstraktion. Bibliographie Acham, K. (1971): Abstraktion IV. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1, Basel, Sp. 59 – 63. Ackerman, Bruce (1992): Liberating Abstraction. In: The University of Chicago Law Review 59, S. 317 – 348. Alexy, Robert (1998): Die Institutionalisierung der Menschenrechte im demokratischen Verfassungsstaat, in: Philosophie der Menschenrechte, hrsg. Stefan v. Gosepath u. Georg Lohmann, Frankfurt a.M. 1998, S. 244 – 264. Aristoteles (anal. post.): Lehre vom Beweis oder Zweite Analytic (Organon IV), übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes, mit neuer Einleitung und Bibliographie von Otfried Höffe, Hamburg (verb. Nachdr. d. Ausg. v. 1922) 1990. Bartuschat, Wolfgang (1987): Zum Status des abstrakten Rechts in Hegels Rechtsphilosophie, in: ZPhF 41, S. 19 – 42. Brugger, Winfried (2001): Einführung in das öffentliche Recht der USA, 2. Aufl., München. – (2011): § 186. Angloamerikanischer Einfluß auf die Grundrechtsentwicklung in Deutschland, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX: Allgemeine Grundrechtslehren, 3. Aufl., Heidelberg, 2011, S. 121 – 186, (Stephan Kirste: Teil B. II-IV, C. VII 1b u. 2.). Cassirer, Ernst (1999): Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft, 2. Bd., Text und Anmerkungen bearbeitet von Dagmar Vogel, in: Gesammelte Werke, Bd. 3., Hamburg. – (2001): Der kritische Idealismus und die Philosophie des „gesunden Menschenverstandes“, in: Aufsätze und kleine Schriften 1902 – 1921, Text und Anmerkungen bearbeitet von Marcel Simon, in: Gesammelte Werke Bd. 9. Hamburg, S. 3 – 36. – (2002): Philosophie der Symbolischen Formen, Bd. III, Text und Anmerkungen bearbeitet von Claus Rosenkranz und Julia Clemens, in: Gesammelte Werke, Bd. 13, Hamburg. Easterbrook, Frank H. (1992): Abstraction and Authority. In: The University of Chicago Law Review, Vol. 59 (1992), S. 349 – 380. Ehrlich, Eugen (1917): Die Juristische Logik, in: AcP 115, S. 125 – 439. – (1918): Die Juristische Konstruktion, in: Die Juristische Logik, Tübingen, S. 252 ff., in: Werner Krawietz (Hrsg.), Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, Darmstadt 1976, S. 252 ff.
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Confucianism and Democracy Dogs, Princes, Individuals By Aurelio de Prada, Madrid “Everyone has the right to take part in the government of their country, directly or through freely chosen representatives.” The Universal Declaration of Human Rights, art. 21.1 “… even from his very home he can influence the Kingdom.” Great Learning, IX
I. Introduction It is not necessary to dwell too long on the demonstration of the progress China has been making in the last number of decades. It is enough to point out the fact that its economy is about to overtake that of the United States, turning so into the world’s first economy and finishing, at the same time, with a secular western hegemony. Things being so, it is more than convenient to analyse, in certain detail, whether its culture is compatible with one of the greatest western “inventions”: democracy, the participation in the government of their own country, directly or through freely chosen representatives, as we have seen in the quote right at the beginning of this paper. II. Methodological Problems Getting to the point, we should identify, before anything, the distinctive characteristics, the particular features of that rising culture. Something which is not very difficult as there is general agreement about the Chinese way of being in the world: Confucianism. Therefore, it is unquestionable that if we take away from China its Confucianism, its history and its culture would become as incomprehensible as the European would be without Greek philosophy and Christianity.1 An affirmation which here we cannot extend as deserved although it is enough to point out that in those moments in which Confucianism has been persecuted with up most insistence – for example in the case of the “burial of the scholars” and the “cultural revolution” – it has been strengthened on a long term basis.2 1
Javier Perez Arroyo, Introducción, in: Confucio, Los cuatro libros, Barcelona 2006, p. 7. Vid., for example, John Oldstone Moore, El confucianismo: Orden y virtud, in: Edward. L. Shaughnessy (ed.), China, Barcelona 2008, pp. 84 f.; Zhang Yingpin, Historia y civilización china., Beijing 2006, p. 247 and Anne Chin, El auténtico Confucio. Vida, pensamiento y 2
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However, for our purpose it is not sufficient to have identified the point of comparison with democracy, rather we should pay attention to a methodological question which obliges us to examine those distinctive characteristics in Chinese and not in English. Something that, without going further, we can deduce from the analysis of , rú jia¯, characters which are usually translated into English as “Confucianism” or “school of the scholars”.3 In fact, there would be no problem in translating the second character as “school” as it is a composition of /shıˇ pig, (you can easily imagine the head, the body, the legs and the tail) under /baˇ ogaì shed, roof. The pig under the roof, that’s to say, house, home4 and from there, by extension of meaning, “household”, “company” the people who are around the pig, and also “school” the people who are around a teacher, a master, a “pig” in the Chinese sense. But it is not so easy to translate the first character. In effect, rú, must be translated literally not as “scholar”, but as “the man who invokes the rain for the newly sprouted plants” given that this character is composed of three other ones. The first, on the left, rén/man and the other two characters, on the right, yuˇ /rain (you can imagine the clouds and even see the drops of water and a light) on top of er/ newly sprouted plant from the earth (you can imagine the the character roots, the soil, and the plant above the soil) in such a way that we could accept the translation of the whole character as “the necessary men”5 in plural, taking into account that we are talking about a “school”. Necessary men in both senses: the natural and the social one as long as the rain is necessary for the newly sprouted plants and the plants are necessary for society to survive. Things being so, if we accept the translation of rú jia¯ as “Confucianism”, we would be twisting the expression completely, given that the name of Confucius, as we have just seen, does not even appear in the name of “his” school. If we prefer the translation “school of the scholars”, we would lose the entire semantic universe that incorporates the union of the characters rén/man, yuˇ /rain and er/plant recently sprouted from the earth and that carries, in a first level of abstraction, as we have just seen to the idea of necessity, natural-social necessity.
política, Barcelona 2009, pp. 30 ff. and vid. Boye Lafallete De Mente, The Chinese have a word for it: the complete guide to Chinese thought and culture, Chicago 2000, p. 28: “The similarities between Chinese traditionalism and Communist ideology is no doubt one of the reasons why communism, in its firsts decades, was as successful as it was in China.” 3 Here we follow, with some changes, the analysis we have made in Aurelio de Prada, Between Confucianism and Human Rights: Individuals and Kings, in: Rechtstheorie 43 (2012), pp. 222 f. 4 In order to translate the Chinese characters we have made use of Pedro Ceinós, Manual de Escritura de los Caracteres Chinos, Madrid 2006; Li Leyin, Tracing the roots of Chinese Characters: 500 cases, Beijing 1993 and William Mcnaughton/Li Ying, Reading & Writing Chinese, Traditional Character Edition, Singapore 1999. 5 Ceinós (note 4), p. 222.
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Following all this, and with minimal methodological rigor, if we intend to analyse the point of view of Confucianism,6 we are obliged to first analyse each one of the characters which are expressed to capture, as much as possible, all their semantic universe and then relate it to the concept of democracy in order to see whether they are compatible or not. Something that we can do right now and taking into account the former analysis, we could conclude that Confucianism and democracy are not compatible. In fact, democracy means, literally, the power (jq\tor cratos) of the people (d/lor demos) and in fact this sounds completely strange to those rú , to those “necessary men for the rain to come”, we have just arrived at. Certainly the argument could be forced, as you can easily see, by saying that democracy and Confucianism are compatible as long as we are talking about “power” in both cases. “Abstract power” in the case of democracy and “real” power, so to speak, in the case of Confucianism; the actual power of calling forth the rain for the newly sprouted plants. In fact, the literally definition of democracy emphasizes on the subject of the “power”. A subject not specified because the definition of democracy does not say anything about who is included in “the people”. It only indicates that the holder of the power is the people. Things being so, it is obvious that democracy is acting in a semantic universe in which it appears as an alternative among other ones. The people (d/lor demos) appear as one possible holder of the power among other possible ones: monarchy, oligarchy, tyranny … such as can be corroborated throughout all western political tradition.7 On the other hand, Confucianism emphasizes on the object of that power or, better said, on the actual skill, and capacity of calling forth the rain for the newly sprouted plants. An emphasis which makes it possible to distinguish between the subjects that have that skill and the ones that do not have it. There are no different alternatives as it happens in the semantic universe in which democracy is included. You have or you do not have the skill, the capacity of calling forth the rain: tertium non datur. Besides that, and as we have seen before, in Confucianism, in the scholars’ school, there is a connection, so to speak, between nature and society which does not appear in the semantic universe in which democracy is included. The rú are the necessary men – naturally and socially, if we want to speak in clear and distinct terms. Necessary men in both senses: the natural and the social one, as long as the rain is necessary for the newly sprouted plants and the plants are necessary for society to survive. On the other hand and despite the fact that the connection nature-society is present in western tradition, the truth is that it does not appear at all in the definition of de6 An expression that we’ll use here because of its commodity and extensive use, although we must understand that it incorporates the meanings we have just pointed out. 7 Vid., for instance, Aristotle, Polítics, 1278b y ss.
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mocracy. The only consequence you can derive from that definition is that power is vested in the people as a mere possibility amongst others, without any reference to nature, society, or the connection between them. Things being so, it seems we are obliged to conclude that Confucianism and democracy are not compatible, although we really should not jump to such conclusion. In fact, we have already arrived at it from the simple denominations or, better said, from the analysis of the semantic universes they incorporate, and so, as graphic as they are, we must examine in detail all the discourse that Confucianism incorporates in order to validate this conclusion or, on the contrary, to arrive at a different one. III. Dogs and Loyalists We say Confucianism and yet we are not precisely accurate, because, besides the meanings we have just pointed out, we have not remarked that Confucius did not consider himself an innovator, an inventor but only “devoted to antiquity”8 and certainly his thoughts or, better said, his teachings are within a previous vision of the world,9 a previous frame, so to speak, that consequently we need to analyse. This is not really very difficult because that frame can be seen even nowadays in the Confucian temples.10
These characters can be translated – and actually they already have been – as “heaven, earth, king, family and teachers”11 but as we have seen before, the mere translation into English is not enough and we must try to capture the semantic universe incorporated in each one of these characters and so we need to analyse them one by one.12 Beginning with the first character : tia¯n/ heaven, day and even nature … it has an evident anthropomorphic basis13 – present too, in our cultural tradition.14 The character represents what is above the head of a big man or, if you prefer what is bigger 8
Confucius, The Analects, Chinese-English edition, VII, 1 Taipei 2006. Dolors Folch, La construcción de China. El período formativo de la civilización china, p. 138 and also Perez (note 1), p. 8. 10 François Cheng, La escritura poética china, Valencia 2007, p. 29. 11 Ibid. 12 Here we follow the analysis of de Prada (note 3), pp. 226 – 228. 13 Mcnaughton. and Li (n.4), p. 41. 14 For instance, Uranus in Greek mythology. Vid. Hesiodo, Teogonía, in: Obras y Fragmentos, Madrid 2006, pp. 9 ff. 9
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than a big man. In fact the character is composed of three parts. The first part is the rén/man, person, individual, with his arms open, something that character makes him dà/ big, and finally the character pieˇ/roof, on top of . In conclusion the meaning of is literally “heaven”, i. e., what is bigger than a big man , what is on top of him. The second character, dì/earth is composed of two other ones. The first, on the left, / soil, ground, and in fact one can imagine easily the subsoil, the soil and a plant sprouting. The other character yeˇ/ has a very complicated history15 and it is the pictogram of an uterus, in such a way that it has the meaning of “increase” and, earth, would by extension, the meaning of “also”. That said, the translation of be literally “the soil that is at the same time a uterus”, the soil mother. Something that certainly does not sound foreign to our cultural tradition in which the idea of mother nature is also present.16 The third character jün/monarch, king is composed of two other ones. The first, above, yıˇn/ a hand that holds a sceptre, symbolizing the power to control the common people and the second, below, koˇ u/mouth, an open mouth as one can see immediately. Things being so, the translation of the whole character , would be literally “the mouth of the man who holds a sceptre”, i. e., the mouth of the man who has the control, who gives orders and so, with a little abstraction, the monarch, the sovereign. Something that once again is not foreign to our culture, where the sceptre figures too as a true symbol of power.17 The fourth character qı¯n/parents, relatives is composed of two characters, each one composed of other two. The first, on the left, qı¯n is composed of the character lì/ a person above a pedestal (it is not difficult to imagine the head, the body and the legs of a person and the pedestal). This character can be found above the character mù/tree (it is easy to imagine the roots, the soil and the trunk). Things being so, the complete character means literally “the people who are standing up on the same tree”, the ancestors. We do not need to emphasize that it is a pictogram quite close to our genealogical tree. The second character that composes is on the right: jiàn/ to see, as we can conclude immediately from the character that is above: mù/eye and it is indeed the stylization of a person’s eye that, twisted 90 degrees, holds in a vertical position18
15
Mcnaughton/Li (note 4), p. 32. In Greek mythology Gea would be the equivalent representation. Vid. Hesiodo (note 14), p. 16. 17 Walter Ullmann, Principios de gobierno y política en la Edad Media, Madrid 1985, p.131. 18 “It is a pictograph. In oracle bone and bronze inscriptions, its form was an eye. Since small seas characters, it has been written vertically and no longer resembles an eye.” Li Leyin (note 4), p. 157 and Ceinós (note 4), p. 32. 16
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suggesting the idea of seeing, perceiving.19 With reference to the lower character there are different interpretations. For some authors, would not be composed of two characters but would be the drawing of a man reduced to an eye over legs, the eye running out to gather information for the onlooker”.20 In our opinion, however, it’s possible to defend that it is not only one character but two because under mù, would be the character ér/ son –male son- a pictogram of a baby’s fontanels not yet closed, and so would mean literally the baby with a great eye, the baby who is looking or, if you prefer, the person who looks, because when ér forms part of another character it means “person”.21. This interpretation seems especially relevant in order to translate the complete character, , which literally means the big eye with which the child looks at the members of his genealogical tree, at his parents or, in a wider sense, at his ancestors. Although, things well considered, the alternative interpretation to the one we are proposing not only does not change the meaning but, in some way, reinforces it, because we must suppose that the eye running out to gather information runs to “his” tree. Things being the way they are, we are obliged to conclude that must be translated as “family” in a wide sense, including the past generations that, in one way or another, are still present as long as they are literally being seen by their sons, their successors who even, in the alternative interpretation to ours, run out towards them to “gather information”. Once again it is not necessary to outline that the idea of temporal continuity, of actual presence of the ancestors, included in is not absent at all in our cultural tradition.22 When talking about the last character shı¯/ teacher, model, is also composed of two other ones. The one under, shuài means, first of all, general, commandant or chief, as it’s the representation of a flag that leads the soldiers, two of which can be seen, on the left. However by translation it also means “beauty”, “model”, something that is followed. The second character above is pieˇ/ roof as we have seen before. Things being so, the whole character must be translated as teacher, the person who conducts the pupils under a roof, acting as their model. Something that once again is not strange to our cultural tradition but on the contrary, because as it is well known,23 the first meaning of magister is “boss”, “commandant” and from there by extension of meaning, “teacher” the person who rules, modelling his scholars. After the former analysis we can validate the translation of the characters as “heaven, earth, king, family, and teachers” and come back to the analysis 19
“A man is looking forward with his big open eyes, hence the idea, to see.” Li Leyin (note 4), p. 157. 20 Mcnaughton/ Li (note 4) p. 73. 21 Ceinós (note 4), p. 37. 22 Vid. Fustel de Coulanges, La ciudad antigua, Barcelona 1979, pp. 51 ff. 23 Vid. Diccionario Ilustrado Latino-Español, Español-Latino, Bibliograf. Barcelona 1971, pp. 288 f.
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of the compatibility between democracy and Confucianism, between democracy and the frame of Confucianism, to be more exact. A question we left open and pending about the incompatibility between those two concepts, but it now seems we should correct. In those characters whose translation we have just verified, appears the monarch, the king – represented as the mouth of the one who holds the sceptre. In other words, the frame in which Confucianism moves includes the presence of one of the alternatives that, as we saw before, appeared in the semantic universe in which democracy is included. Things being so, although we should conclude that democracy and Confucianism are incompatible – as long as democracy and monarchy are – at least the semantic universe in which they appear would be the same one. Monarchy would appear as a possible alternative to democracy and vice versa, as happens throughout western tradition. Yet, it is still not completely right, because “the mouth of the one who holds the sceptre”, the monarch, does not appear as an abstract, as a mere alternative to democracy, to the power of the people, also in abstract, but it is part of a very specific context, perfectly balanced and connected with the other characters. Characters that, by the way, are not some previous elements, “clear and distinct”, so to speak, but created or born in their relationship and that is mainly because in the Chinese way of thinking the concept of “relationship” is not a single tie, established among different elements, but the tie, the relation is “constitutive of the beings in their existence and their becoming.”24 should be read not in “clear Things being so, the series of characters and distinct” terms, but we should rather speak of using “holistic” terms. Elements not previously differentiated but constituted in “their” relationship and creating at the same time the sequence in which they are included. More than that, the sequence is not at all static, generated only once, but is actually dynamic, regenerating itself continuously,25 in such a way that there is certainly one point, so to speak, more important than the others; the key point, the central point, the middle point that allows the constant dynamism of the sequence. Something that, by the way, is emphasized by the Chinese language and in fact zho¯ng, middle/centre is not only a nominal term but also verbal; it refers not only to the central space that is occupied, but also to the dynamic and active virtue that corresponds to that place: the virtue of the arrow in the centre of the target.26 We do not need to remind ourselves at this point that China in , the country, guó in/from the centre, zho¯ng. Chinese is Taking all this into account, in the series “heaven, earth, king, family and teachers” it is possible to see two worlds, so to speak, the natural one formed by the first 24
Anne Cheng, Historia del pensamiento chino, Barcelona 2002, p. 37. Vid. Richard Wilhem, Introducción, in: Lao Tse, Tao Te King, Barcelona 2009, p. 8 and Jordi Vilá, Introducción, in: YIJING, El libro de los cambios, Girona 2006, p. 19. 26 Cheng (note 24), p. 38. 25
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two characters of the sequence – heaven and earth- and the social one, formed by the last two characters – the family (ancestors and present generations) and the teachers- and also the central point that integrates, harmonizes these two worlds, the monarch. Heaven’s son holds the sceptre with his hand immediately below heaven and earth, meanwhile with his mouth , gives orders, organizes the social world, integrating it in the continuum. It goes without saying that this kind of correspondence, of sympathy, of interrelation between the natural world and the human world, between nature and society, is also present in the European tradition,27 as well as the way in which these two worlds are integrated by the king.28 Of course it is not necessary to highlight that it is neither strange to the western political tradition the idea of the “centre” understood as the arrow that reaches the target.29 But all this does not help the compatibility we are examining and that is because in Confucianism “monarchy” appears within a frame – as the centre of a sequence that includes nature and society granting the harmony between them – whereas “democracy” appears completely decontextualized, so to speak. It is the power of the people without any reference to the field – natural or social, in which that power is exercised and without any reference to the meaning of the term “people”. We could certainly force the argument once more in order to make Confucianism and democracy compatible by saying that the idea of “centre” is present in “democracy” because with that denomination the centrality of the people in the political action is emphasized, so to speak. Of course it is not necessary to highlight the artificiality of that argument, so long as that kind of centrality has nothing to do with the sense of how “centre” incorporates into the Chinese way of thinking, as we have just seen. Things being so, we must conclude that not only from the mere denominations but also from the frame in which Confucianism moves, Confucianism and democracy are not compatible. However, this conclusion is not definitive, because, in fact, until here we have carried out an analysis of the vision of the world in which Confucianism is inserted, as Hart would say,30 from an external point of view, forgetting the fact that the dynamic sequence of characters is not a mere object of intellectual analysis, but something alive, something literally present to the believer’s eyes, to the loyal follower of being in the world that way.31 Furthermore, the sequence does not only have an alive presence, but also literally includes, unites the believer, the loyalist inside it. The believer, zho¯ng, is the one 27
Hesiodo (note 14), pp. 76 f. and Hans Kelsen, La aparición de la ley de causalidad a partir del principio de retribución, in: La idea del Derecho Natural y otros ensayos, México 1979. 28 Vid., for example, Sofocles, Edipo Rey v. 22 y ss., Madrid 2009, p. 204. 29 Aristotle, Nicomachean Ethics, 1094 a. 30 H. L.A. Hart, The concept of Law, Oxford 1993, pp. 86 f. 31 Cheng (note 24), p. 29.
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who has the centre in the middle of his heart. In fact, the character is composed of two others. The one above zho¯ng is already known to us and as we have seen is of crucial significance in defining Chinese civilization. On the other character, below, xı¯n/ heart, it’s easy to imagine three drops of blood moving across the ventricles. Things being so, and although our analysis is and can’t be any other way but external, we must try to include the internal point of view: the point of view of the believer, of the zho¯ng. Something that we can do ideographically by placing the believer in a space below the sequence in order to illustrate his tie to it and at the same time his internal point of view:
Once again it goes without saying that this is not foreign to the western political tradition in the literal sense of the term “polis” (p|kir). In fact mutatis mutandis, the visualization could be seen as being perfectly parallel with the experience of a member of a Greek “polis”, feeling that “the polis is by nature prior […] to each of us” as Aristotle says.32 Again, needless to say that it is not strange to the natural law tradition, at least in the stoic version: a dog tied to the back of a cart and being pulled along. The dog is the man, whereas the cart symbolizes fate, universal reason, the eternal law which determines the criteria of behaviour. If clever, a man does not resist and follows the direction of the cart, if a fool, the only thing he gets is to be dragged after the cart. Fata volentem ducunt, nolentem trahunt.33 Yet now is not the time to dwell on this point extending it, for example, to the magnificent construction of the “domini canis” – “dog of the Lord” – Thomas of Aquinas, because this visualization is completely strange to the idea of democracy – at least in its modern version – where you cannot talk about a loyal citizen, a pok_tgr polites, or a dog that appears as a mere part of a previous whole to it, but only about “individuals”, elements previously isolated among themselves – worthy in themselves, with “human rights” – that constitute the “whole”, the social building in which they integrate themselves; the “people”. Something we can see immediately in one of the greatest theorists of democracy: J. J. Rousseau for whom the social contract is the act by which a people becomes a people.34
32
Politics, 1256 a. Vid. Hans Welzel, Introducción a la Filosofía del Derecho, Madrid 1979, p. 35. 34 Jean Jacques Rousseau, El contrato social, Libro I, Capítulo V, in: Escritos de Combate, Madrid 1976, p. 409. 33
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Certainly it is not the time to persist on the incompatibility between Confucianism and democracy we have just arrived at, nor to put more pressure on the rupture inside the western tradition that seems to derive from the previous analysis, and according to which there would be two kinds of citizens, two concepts of citizenship – the ancient and the modern,35 corresponding to two concepts of democracy or Liberty. It is neither the time to go further into these conclusions, taking into account that up to this moment, we have only examined the frame in which Confucianism moves without having mentioned any of the contributions that it has made to it. Considering this, we are obligated to not consider, at least at the moment, this development because we must see the modifications that Confucianism introduces in that frame, therefore we must see the Confucian way, the Confucian . IV. Princes and Individuals This is something that is not difficult to overcome as we have the use of one of the “Four Books” included in the “Confucian Canon”: the Analects or Conversations, terms which tend to be translated as the Chinese expression lún yuˇ . The main ju¯nzıˇ theme of the Analects is to define the qualities which correspond to the in contradiction to the xiaˇ o rén to the “small”, not worthy man. A contradiction that, by the way, still exists in contemporary China.36 But it does not proceed to go over this point, but rather, we must examine the seju¯nzıˇ .To begin, the first of the characters, on the left, as mantic universe of seen previously, is found in the middle of the series “heaven, earth, king, family and teachers” and can be translated as king. In what concerns the second character zi , it is translated as son (it is easy to imagine the baby’s head, the arms and the body wrapped in nappies). Things being so, the whole character means the king’s son, the prince and by extension, noble. In fact, ju¯nzıˇ is not an expression created by Confucius, but rather, it has already appeared in previous texts to designate whichever member of the nobility.37 Confucius continues to use the expression but gives it a completely new meaning: whoever, being noble or not, can become a prince by means of an appropriate education.38 35 Benjamin Constant, De la libertad de los antiguos comparada con la de los modernos, Madrid 1988. 36 One of the worst insults that can be aimed at any Chinese person, man or woman, is: . 37 Lionello Lanciotti, ¿Qué ha dicho verdaderamente Confucio?, Madrid 1971, p. 61; Cheng (note 24) p. 60 and B. W. Van Norden, Introduction, in: Confucius and the Analects. New Essays, Oxford 2002, p. 25. The term appears also in Lao Tse, Tao Te King, Madrid 2006, p. 82 and plays a central role in I Ching. 38 Mircea Eliade, Historia de las creencias y las ideas religiosas, Vol. II., Madrid 1979, p. 37.
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This is a new meaning we must comprehend in its entirety, taking into account the historical context in which Confucius expresses it: the period immediately before the zhàn guó (463 – 221 b. C.).39 A time in which the chaos of the Warring States: rupture of the frame of Confucianism starts, when there was not a king to maintain the natural-social harmony, but rather, different kingdoms, the future Warring States fighting against each other. Various ju¯nzıˇ , various kings’ sons, each one with a sceptre, fighting in a state of war in which everybody was against everybody. The solution to that collapse of the harmonizing centre of the natural social world is what we could call “democratization of the monarchy”. The solution is not to restore the centre but to move it. To move the centre, the power to whichever of the believers whom now, independently from their birth and by means of an appropriate education, are given the sceptre and that is what is making them literally princes. Things being so, the previous vision of the world, the frame of Confucianism, results slightly changed:
A slight change here, but very important. Now the centre is occupied by the loyalist, the properly educated man, who is transformed into a prince . Therefore, at this point, even from his very home, he can influence the kingdom.40 He can contribute to the harmony of the whole sequence. A natural-social harmony as we saw above and as you can corroborate, taking into account another book of the “Four Books” included in the “Confucian Canon”: zho¯ng yo¯ng “The Doctrine of the Mean”, whose main subject is precisely the interrelation, the unity of the natural-social world.41 Now the loyalist , becomes ru , becomes a man naturally and socially necessary: the one that invokes the rain for the newly sprouted plants. “Democratization of the monarchy” we said, and we were not right because after this last analysis we have to conclude, once again, that Confucianism and democracy are not compatible. Contrary to the Confucian “centre”, extended to all educated believers so that the harmonizing action can be acted out from even the very home, arises democracy as the mere affirmation of the abstract power of “individuals” – worthy in themselves, independent from of any natural or social consideration, with “human
39
Huston Smith, Las religiones del mundo, Barcelona 2001, p. 189. La Gran Enseñanza IX, in: Confucio, Los cuatro libros (note 1), p. 310. 41 Oldstone (note 2), p. 83.
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rights” – that constitute the “whole”; the social building in which they integrate themselves, the “people”, requiring no previous education. A power usually delegated to representatives either, because we do not want or because we cannot wield it. As a result of that we would pose as “the idiots” of contemporary democracies in front of “the princes by education” of Confucianism. “Idiots” in both senses of the term “Qdi~tgr”. First, in the sense of private individuals who do not want to exercise their political rights and prefer to devote themselves to their own particular business. Then, in the sense of an ignoramus, an “idiot” that not only renounces to assume his or her political rights, by delegating them over to their representatives, but recognizes him- or herself, more or less explicitly, as inferior to those representatives – as an “idiot” – permitting for example, a popular legislative initiative which limits itself to the less relevant questions42. In regard to all that we have seen so far, we have no other possibility but to embrace the conclusion that democracy and Confucianism are in no way compatible. That not only from the mere denominations or from the frame in which Confucianism is included, but also from the change Confucius makes to that frame. Incompatibilities that can be summarized in the contraposition between “princes by education” – who are part of a whole that is previous to them and whose harmony they can contribute to even from their very home, and “individuals”, worthy in themselves, independent of any previous whole –natural or social – who rather become “idiots” by letting their representatives exercise the power and accepting themselves as inferior to those representatives.
V. To Conclude: Making Democracy Real,
, Individuals and Kings
But once again this conclusion is provisional, because it is possible to imagine a synthesis between Confucianism and democracy, between princes by education and individuals. More than that, the synthesis is not only possible but necessary in a moment in which the common “home” – our planet Earth, is losing the conditions that support the survival of mankind/the human race, whose loss calls for a more than urgent action on stopping climate change and contributing, so, the necessary rain for the newly sprouted plants might be.43 With this goal at the base, we, the individuals of contemporary democracies, should renounce our “idiocy” and, by means of an appropriate education, to recognize ourselves as a part of a previous whole, becoming in that way princes that even from their very home, from their own oWjor oikos assure the harmony of that whole 42
Referring to the art. 87.3 of the current Spanish Constitution. Fernando Arribas, La miseria del negacionismo climático: el pensamiento liberal y la sostenibilidad ecológica, in: Sistema: Revista de ciencias sociales, N8 214 (2010), pp. 81 – 101. One of the main consequences of the climate change would be precisely the modification of the precipitation patrons. Vid. http://www.treehugger.com/climate-change/three-new-reports-this-week-link-extreme-weather-climate-change.html. 43
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previous to us. Princes that, of course, would not renounce but, on the contrary, embrace the intrinsic value, the dignity of the individual human being with independence of its belonging to a previous whole. Simply – they wouldn’t renounce the human rights. To make explicit the main features of that “making democracy real”, of that making it real in the sense of “true” and in the sense of “royal” as well44 becoming so individuals and kings is something that requires further developments here we cannot develop as is deserved.45
44
In Spanish, the word “real” has both senses: true and royal. I have worked on that synthesis in the following publications: de Prada (note 3) and id., Individuos y reyes, in: Eunomía, n. 3 septiembre de 2012Realizando la democracia: febrero de 2013, pp. 125 – 140. 45
Zur Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht Prolegomena am Beispiel des Kirchenaustritts Von Martin Schulte, Dresden Allein „voice or exit“ scheint die Option zu lauten, mit der sich beide christlichen Großkirchen in Deutschland seit geraumer Zeit konfrontiert sehen. Diejenigen ihrer Mitglieder, die noch an eine Veränderung der Verhältnisse zum Besseren glauben, protestieren gegen Missstände und engagieren sich für Reformen in der Kirche. Für diejenigen, die diese Hoffnung bereits aufgegeben haben, tritt immer häufiger der Kirchenaustritt an die Stelle des Protests. Unrühmlicher Höhepunkt dieser Entwicklung war zweifellos der vor dem Hintergrund zahlreicher Missbrauchsskandale zu sehende Kirchenaustritt von knapp 150.000 Katholiken im Jahre 2010. Mag dies auch insoweit ein Novum gewesen sein, als sich diese Kirchenaustritte wohl nur als rein innerkirchliches Protestverhalten deuten lassen und nicht auf gesellschaftliche oder politische Veränderungen zurückzuführen sind, so darf dennoch nicht übersehen werden, dass der Kirchenaustritt als solcher in Deutschland eine bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichende, von beträchtlichen Schwankungen im Zeitablauf gekennzeichnete „Tradition“ aufweist.1 Nun soll es im Folgenden aber nicht darum gehen, dieses Phänomen nach seinen Ursachen und Hintergründen oder seiner Entwicklung und (staats-)kirchenrechtlichen Relevanz zu befragen.2 Unser Augenmerk ist vielmehr darauf gerichtet, zu beobachten und zu beschreiben, wie sich die Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht am Beispiel des Kirchenaustritts vollzieht. Aus der Perspektive einer soziologischen Theorie des Rechts meint dies auch vorliegend eine Fremdbeschreibung des Rechtssystems als eines sich selbstbeschreibenden Systems.3 Dies setzt erneut Klarheit über die Operationen der Selbst- und Fremdbeschreibung sowie ihre unterschiedlichen Perspektiven voraus. Für das staatliche Recht kann dabei an Vor-
1 Zum Ganzen näher Liedhegener, Säkularisierung als Entkirchlichung. Trends und Konjunkturen in Deutschland von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, in: Gabriel/ Gärtner/Pollack (Hrsg.), Umstrittene Säkularisierung. Soziologische und historische Analysen zur Differenzierung von Religion und Politik, 2012, S. 481, 513 ff. 2 Zu all dem siehe ausführlich Güthoff/Haering/Pree (Hrsg.), Der Kirchenaustritt im staatlichen und kirchlichen Recht, 2011, passim. 3 Siehe dazu schon ausführlich Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts, 2011, passim.
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studien angeknüpft, für das kirchliche Recht müssen hingegen die Besonderheiten der katholischen und evangelischen Rechtsordnung näher erläutert werden.4 I. Sowohl für das staatliche wie das kirchliche Recht gilt grundsätzlich, dass es der Rechtspraxis um die praktische Handhabung des Rechts in Alltagssituationen, insb. im Rahmen der praktischen Entscheidungstätigkeit (Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsprechung, aber auch anwaltliche Rechtsberatung) geht. Auf der Grundlage basaler Selbstreferenz5 arbeitend erweist sie sich als Organisation der gerichtlichen und nichtgerichtlichen Arbeitsbereiche des Rechtssystems, aber auch als rechtsgestaltende Interaktion im Rechtssystem.6 Staatskirchen-, Religionsverfassungs- bzw. staatliches Religionsrecht7 begreift sich als „weltliche Rahmenordnung“ für die um den „Wahrheits-, Einheits-, Absolutheits- und Universalitätsanspruch ihrer Botschaft von der Offenbarung Gottes“ konkurrierenden Offenbarungsreligionen.8 Es regelt nicht nur die rechtliche Beziehungen von staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, sondern auch die Rechtsstellung des Individuums in religiösen Angelegenheiten und bildet auf diese Weise nicht zuletzt die „rechtliche Grundlage für kirchliches Wirken und damit auch für Kirchenrecht i. e.S.“,9 hier speziell dem katholischen und evangelischen Kirchenrecht. Zu seinen Rechtsquellen zählen einerseits das national wie supranational einseitig gesetzte Recht und andererseits das zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften vereinbarte Recht. Auf supranationaler Ebene sind hier vor allem die Religionsfreiheit nach Art. 10 EU-GRCh (i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EUV) und Art. 6 Abs. 3 EUV (i.V.m. Art. 9 EMRK) sowie der Kirchenartikel in Art. 17 Abs. 1 AEUV zu nennen. Letzterer sieht vor, dass die Europäische Union den Status achtet, den Kirchen und religiöse Vereinigungen 4
Zu den die staatliche Rechtsordnung prägenden Perspektiven der Rechtspraxis, Rechtsdogmatik, Juristischen Methode/Juristischen Methodenlehre sowie Rechtsphilosophie/ Rechtstheorie siehe ausführlich ders., ebd., S. 13 f., 15 ff., 18 ff., 23 ff. 5 Siehe dazu Luhmann, Soziale Systeme, 1984, S. 600 f. 6 Siehe im Einzelnen Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts, S. 14 m.w.N. 7 Zu den hier nicht weiter zu vertiefenden terminologischen und inhaltlichen Differenzen um Staatskirchenrecht, Religionsverfassungsrecht oder staatliches Religionsrecht siehe beispielhaft nur, aber jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen de Wall/Muckel, Kirchenrecht, 3. Aufl., 2012, § 8 Rn. 2 ff.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, 2009, § 1 Rn. 1 ff.; Hense, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht: mehr als ein Streit um Begriffe?, in: Haratsch/Janz/Rademacher/Schmahl/Weiss (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 9 ff.; vgl. ferner Heckel, Zur Zukunftsfähigkeit des deutschen „Staatskirchenrechts“ oder „Religionsverfassungsrechts“?, AöR 134 (2009), 310 ff.; Heinig/ Walter (Hrsg.), Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, 2007. 8 Heckel, ebd., 310, 364. 9 de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 8 Rn. 4.
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oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und ihn nicht beeinträchtigt. Dieser Verweis auf das Recht der nationalen Mitgliedstaaten wird für das Grundgesetz durch die zentralen Grundrechtsverbürgungen (Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 7 GG sowie das grundrechtsähnliche Recht in Art. 33 Abs. 3 GG) und die Übernahme der staatskirchenrechtlichen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 136, 137, 138, 139, 141 WRV) aufgegriffen. Das Verfassungsrecht der Länder weist dabei – gewisse Akzentverschiebungen im Bildungswesen einmal außen vor gelassen – keine nennenswerten Unterschiede auf. Neben der Verfassungsebene ergibt sich Staatskirchenrecht schließlich auch noch aus einfachem Bundes- oder Landesrecht. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang besonders die Kirchensteuer- und Kirchenaustrittsgesetze der Länder, aber auch deren Friedhofs- und Bestattungsgesetze. Und schließlich dürfen auch die sog. „Berücksichtigungsklauseln“ im Verwaltungsverfahrensrecht, im Beamtenrecht, im Arbeits- und Sozialrecht sowie im Baurecht nicht übersehen werden.10 Das zwischen Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften vereinbarte Recht nimmt demgegenüber in Deutschland eine hervorgehobene Stellung ein. Als Vertragsstaatskirchenrecht bezeichnet zählen dazu einerseits die religionsverfassungsrechtlichen Verträge mit dem Heiligen Stuhl (Konkordate) und andererseits die Verträge mit den evangelischen Landeskirchen (Kirchenverträge). Ganz überwiegend ist das Vertragsstaatskirchenrecht auf der Ebene der Länder angesiedelt, vereinzelt macht aber auch der Bund davon Gebrauch.11 Das in dieser Weise näher konkretisierte Staatskirchenrecht bildet – wie gesagt – den „weltlichen Rahmen“, innerhalb dessen Kirche kraft ihrer Selbstbestimmung eigenes Recht, sog. Kirchenrecht, setzt. Dies ist der „Inbegriff jenes Rechts, das die Kirche aufgrund der in Jesus Christus geschehenen Offenbarung als ihre verbindliche Lebensordnung versteht und entsprechend ihrem Glaubensverständnis in freier Selbstbestimmung ausgestaltet“12. Soweit es durch die römisch-katholische Kirche gesetzt wird, spricht man vom römisch-katholischen Kirchenrecht, üblicherweise auch „Kanonisches Recht“ genannt; evangelisches Kirchenrecht bildet hingegen das von einer evangelischen Kirche gesetzte Recht13. Kirche regelt durch das Kir10
Siehe dazu im Einzelnen dies., ebd., § 9 Rn. 4; Unruh, Religionsverfassungsrecht, § 3 Rn. 62. 11 Zu weiteren Einzelheiten siehe Unruh, ebd., § 3 Rn. 58 ff.; de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 15 Rn. 1 ff.; grundlegend nach wie vor Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965; ders., Die vertragsrechtlichen Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, 2. Aufl., 1994, S. 253 ff. 12 Aymanns, Kirchenrecht, in: Haering/Schmitz (Hrsg.), Lexikon des Kirchenrechts, 2004, Sp. 515; zur Bedeutung des Kirchenrechts siehe insb. Konrad, Der Rang und die grundlegende Bedeutung des Kirchenrechts im Verständnis der evangelischen und katholischen Kirche, 2010, passim. 13 Schon daraus wird ersichtlich, dass die Unterscheidung von staatlichem und kirchlichem Recht nicht rechtsgegenständlich (über Kirche als Organisation), sondern rechtsetzungsorientiert (über die den Geltungsanspruch begründende Autorität) erfolgt. So Aymanns, ebd.
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chenrecht unter Zugrundelegung ihres Selbstverständnisses ihre eigenen Angelegenheiten. Dazu zählen zunächst einmal die Verfassung der Kirche im weitesten Sinne, die Ordnung der Kirchengemeinden, das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht, die Sakramente, die kirchlichen Amtshandlungen sowie Gottesdienst und Seelsorge. Diese Aufzählung ist aber keineswegs abschließend, weil auch die kirchliche Mitgliedschaft, einschließlich der Rechte und Pflichten, die kirchlichen Einrichtungen und Werke, das Kirchenvermögen, die Kirchengerichtsbarkeit und vieles mehr zu den „eigenen Angelegenheiten“ rechnen14. Und nicht zuletzt differiert auch noch zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche das Verständnis darüber, welche Regelungsgegenstände zu den „eigenen Angelegenheiten“ zählen15. Das katholische Kirchenrecht verkörpert eine äußerst traditionsreiche, in sich geschlossene und umfassende Rechtsmasse, die durch enge Bezüge zur Theologie und zur Rechtswissenschaft gekennzeichnet ist16. Dementsprechend unterscheidet es zwischen göttlichem (ius divinum) und menschlichem (ius humanum) Recht. Ersteres umfasst – noch einmal getrennt nach Naturrecht (ius divinum naturale) und positivem göttlichen Recht (ius divinum positivum) – alle rechtlichen Regeln, die sich unmittelbar auf göttlichen Willen zurückführen lassen, während letzteres diejenigen rechtlichen Regeln zum Gegenstand hat, die aus dem Rechtsetzungswillen eines menschlichen Gesetzgebers in der Kirche oder aus der gewohnheitsmäßigen Übung der Menschen im Einverständnis des Gesetzgebers resultieren17. Zwar gehören göttliches und menschliches Recht zu einer Rechtsordnung, doch geht göttliches Recht jeder menschlichen Rechtsetzung vor18. Dem menschlichen Recht kommt damit letztlich eine dienende Funktion zu, die darin zu sehen ist, göttliches Recht in der Welt umzusetzen19. Zu den wesentlichen formellen Rechtsquellen des katholischen Kirchenrechts zählen der Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 (für die Lateinische Kirche) und (für die unierten Ostkirchen) der Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO) von 1990. Für die Gesamtkirche ist des Weiteren noch die Apostolische Konstitution über die Römische Kurie „Pastor Bonus“ (AK PastBon) zu nennen. Daneben gibt es aber noch zahlreiche weitere formelle Rechtsquellen im katholischen Kirchenrecht, z. B. die päpstlichen Erlasse, die Konkordate sowie das
14
de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 1 Rn. 6. So kennt das evangelische Kirchenrecht im Gegensatz zur katholischen Kirche weder ein kirchliches Ehe- noch ein kirchliches Strafrecht, vgl. dazu dies., ebd. a.E.; Robbers, Kirchenrecht (J), in: Heun/Honecker/Morlok/Wieland (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 2006, Sp.1196, 1197. 16 Siehe dazu de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 16 Rn. 4. 17 Ausführlich dazu dies., ebd., § 16 Rn. 20 ff. m.w.N.; siehe aber auch Aymanns, Kirchenrecht, in: Lexikon des Kirchenrechts, Sp. 515, 516 f. 18 Zum Verhältnis von ius divinum und ius humanum siehe insb. Konrad, Der Rang und die grundlegende Bedeutung des Kirchenrechts, S. 69 f. 19 de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 16 Rn. 24. 15
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sog. Partikularkirchenrecht, das von den Diözesanbischöfen, Bischofskonferenzen und Partikularkonzilien erlassen wird20. Im Gegensatz zum katholischen Kirchenrecht ist das evangelische Kirchenrecht – nicht zuletzt bedingt durch Martin Luthers scharfe Kritik am kanonischen Recht21 – von einer deutlichen Rechtsskepsis geprägt22. So hat sich eine einheitliche Kodifikation – wie sie das katholische Kirchenrecht vor allem in der Form des CIC kennzeichnet – im evangelischen Kirchenrecht nicht ausprägen können, weil die Normierung der kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen in den Gebieten, wo sich die Reformation durchzusetzen vermochte, Sache der jeweiligen Landesherren blieb. Erst mit dem Verzicht auf die Integration kirchlicher Ordnung in territorialstaatliches Recht – dem bestimmenden Merkmal des Staatskirchentums – entwickelte sich ein „von der Kirche selbst verantwortetes und allein an kirchlichen Aufgaben orientiertes“ (Partikular)Kirchenrecht23. Und noch heute ist das evangelische Kirchenrecht partikulares Kirchenrecht. Deshalb hat zumindest prinzipiell jede der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihre eigene Rechtsordnung. Allerdings folgen die einzelnen Rechtsordnungen durchaus einheitlichen Traditionen und Grundsätzen, nicht zuletzt auch des staatlichen Rechts, so dass von einer übermäßigen Rechtszersplitterung dennoch nicht die Rede sein kann. Zu den jeweiligen Rechtsordnungen der Gliedkirchen treten zudem noch die Rechtsordnungen der EKD selbst und anderer gliedkirchlicher Zusammenschlüsse (z. B. der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschland, der Union Evangelischer Kirchen, der Evangelischen Kirche der Union) hinzu, die für zentrale Rechtsgebiete vereinheitlichendes Recht gesetzt haben24. In durchaus gewollter Nähe zum staatlichen Recht ist das evangelische Kirchenrecht durch eine Normenhierarchie gekennzeichnet, an deren Spitze die Kirchenverfassungen stehen. Es folgen Kirchengesetze und untergesetzliche Rechtsnormen, z. B. Verordnungen und Satzungen25. Die Kirchenverfassungen regeln die Grundlagen der kirchlichen Organisation. Als evangelisches Kirchengesetz wird „eine von der Synode als dem Gesetzgebungsorgan der gesetzgebenden Körperschaft (EKD, Gliedkirche oder gliedkirchlicher Zusammenschluss) 20 Dies., ebd., § 16 Rn. 26 ff. m.w.N.; siehe aber auch Aymanns, Kirchenrecht, in: Lexikon des Kirchenrechts, Sp. 515, 518, der noch einmal zwischen primärem und sekundärem Recht unterscheidet. Zum letztgenannten Bereich zählt er dabei auch das Recht, „das kirchlichen Körperschaften zu autonomer Gestaltung überlassen ist (z. B. Kapitelsstatuten, Ordenskonstitutionen, Eigenrecht, Vereinssatzungen) und als Recht nicht aus sich heraus, sondern kraft der primären Rechtsordnung verpflichtet.“ 21 Zu den Missverständnissen in der Interpretation der lutherschen Kritik am kanonischen Recht siehe aber Robbers, Kirchenrecht (J), in: Ev. Staatslexikon, Sp. 1196. 22 Siehe dazu nur eindrucksvoll und m.w.N. Honecker, Kirchenrecht (Th), in: Ev. Staatslexikon, Sp. 1201 ff. 23 Pirson, Evangelisches Kirchenrecht, in: Ev. Staatslexikon, Sp. 525 f. 24 de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 25 Rn. 1. 25 Dies., ebd., § 25 Rn. 2, 4 ff., dort (Rn. 2) auch zu dem staatlichem Recht entlehnten Streit, ob auch Einzelentscheidungen wie kirchliche Verwaltungsakte oder Entscheidungen kirchlicher Gerichte am Rechtsquellencharakter teilhaben.
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im Gesetzgebungsverfahren erlassene kirchenrechtliche Regelung“ bezeichnet26. Und auch im Bereich der untergesetzlichen Rechtsnormen ist die Nähe des evangelischen Kirchenrechts zum staatlichen Recht unverkennbar. So wird unter der Verordnung eine von einem Verwaltungsorgan gesetzte Rechtsnorm verstanden und als Satzung die von einem Rechtsträger (z. B. einer Kirchengemeinde), der durch die Kirchenverfassung oder durch Kirchengesetz dazu ermächtigt wurde, autonom geschaffene Rechtsnorm begriffen. Schließlich anerkennt das evangelische Kirchenrecht auch das Gewohnheitsrecht als eigenständige Rechtsquelle. Neben der damit näher umschriebenen Rechtsetzung (insb. von Staatskirchenrecht, Katholischem Kirchenrecht, Evangelischem Kirchenrecht) kommt im Bereich der Rechtspraxis – ungeachtet der deswegen allerdings keineswegs zu vernachlässigenden Rechtsanwendung27 – vor allem der Rechtsprechung, besondere Bedeutung zu. Wie die Rechtsetzung so ist auch die Rechtsprechung im katholischen Kirchenrecht streng hierarchisch organisiert. Gemäß c. 1442 CIC ist der Papst der oberste Richter für den gesamten katholischen Erdkreis. Er übt seine Rechtsprechungsgewalt persönlich, durch von ihm delegierte Richter oder durch die Gerichte des Apostolischen Stuhls aus. Zu letzteren rechnen vor allem die Apostolische Signatur28 und die Römische Rota. Nach c. 1405 § 1 Nr. 4 CIC kann der Papst jederzeit ein anhängiges Verfahren an sich ziehen. Für die Teilkirche ist es gemäß c. 391 § 1 CIC Sache des Diözesanbischofs, diese nach Maßgabe des Rechts mit richterlicher Gewalt zu leiten. Seine Rechtsprechungsgewalt übt auch er persönlich oder nach Maßgabe des Rechts durch den Generalvikar und die Richter aus (c. 391 § 2 CIC). Grundsätzlich ist der Diözesanbischof Richter erster Instanz i.S.v. c. 1419 § 1 CIC. Gericht zweiter Instanz ist dasjenige des zuständigen Metropoliten (c. 1438 CIC) und dritte Instanz ist die Römische Rota. Schließlich ist jeder Diözesanbischof gehalten, einen Gerichtsvikar, d. h. einen Offizial mit ordentlicher richterlicher Gewalt zu bestellen. Mit ihm zusammen bildet er ein Gericht, das Diözesangericht, auch Offizialat genannt (c. 1420 §§ 1 und 2 CIC). Neben diesen Gerichten ist für das Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz vor allem auf besondere kirchliche Arbeitsgerichte hinzuweisen, zum einen die erstinstanzlichen Arbeitsgerichte und zum anderen den Arbeitsgerichtshof als Revisionsinstanz. Und unabhängig davon steht es schließlich jedem Gläubigen
26 Die Nähe der Definition zum staatlichen Recht ist offensichtlich. Dazu dies., ebd., § 25 Rn. 8 ff. 27 Dazu i.E. dies., ebd., § 19 Rn. 49 ff. 28 Weitere Entscheidungsdelegationen sind damit nicht ausgeschlossen, wie die von der Kolping Bildungszentren gGmbH ausgelöste Rechtsstreitigkeit um die Geltung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes belegt. In diesem Rechtsstreit entschied nämlich nicht die eigentlich angerufene Apostolische Signatur, sondern der Papst bestellte auf Antrag derselben das „Tribunal Delegatum et a supremo Signaturae Apostolicae Tribunali Constitutum“ zur Entscheidung (Urt. v. 31.3. 2010, GesR 2010, 497).
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frei, seine Streit- oder Strafsache29 in jeder Gerichtsinstanz und in jedem Prozessabschnitt dem Heiligen Stuhl zur Entscheidung zu übergeben oder bei ihm einzubringen (c. 1417 CIC). Im Vergleich mit der katholischen Gerichtsbarkeit ist die evangelische Gerichtsbarkeit nicht einheitlich aufgebaut30. Für unterschiedliche Arten von Rechtsstreitigkeiten (z. B. im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts, des Disziplinarrechts, des Verfassungs- und Verwaltungsrechts) gibt es auch unterschiedliche Gerichte. Zudem unterscheiden sich die Gerichte in den einzelnen Landeskirchen teilweise noch nach Aufbau, Zuständigkeiten und Verfassung. Allerdings sind seit geraumer Zeit gewisse Vereinheitlichungstendenzen im Bereich der evangelischen Kirche, vor allem auf der Ebene der EKD, erkennbar. Insoweit ist zunächst einmal das Kirchengerichtsgesetz vom 6.11. 2003 zu nennen, das die Rechtsprechung im Bereich der evangelischen Kirche nunmehr beim Kirchengericht, Kirchengerichtshof und Verfassungsgerichtshof konzentriert31. Darüber hinaus sind die Vereinheitlichungstendenzen für den Bereich der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Verwaltungsgerichtsgesetz der EKD vom 10.11. 2010 vertieft worden. So ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit der evangelische Kirche in der Eingangsinstanz den bei den Landeskirchen, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der EKD eingerichteten Verwaltungsgerichten und – soweit es sich um Streitigkeiten bei der VELKD und ihren Gliedkirchen handelt – in der als Revisionsinstanz ausgestalteten zweiten Instanz dem Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD zugewiesen. Nach wie vor recht unterschiedlich stellt sich hingegen die Organisation der Verfassungsgerichtsbarkeit in der evangelischen Kirche dar32. Verfahrensrechtlich orientiert sich die evangelische Kirche deutlich am staatlichen Recht. Dem staatlichen Recht kommt schließlich – unabhängig von der Einrichtung einer eigenen Gerichtsbarkeit im Bereich der katholischen und evangelischen Kirche – auch insoweit Bedeutung zu, als in Teilgebieten – bei allem staatskirchenrechtlichen Streit darum – eine Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten eröffnet sein kann. Zu denken ist hier beispielsweise an die Teilnahme der Kirchen am allgemeinen Rechtsverkehr, Fragen der res mixtae, den Rechtsschutz kirchlicher Bediensteter und den Rechtsschutz in Angelegenheiten des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts33.
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Streit- und Strafverfahren sind die Verfahrensgegenstände, mit denen sich kirchliche Gerichte nach cc. 1400 und 1401 CIC befassen. Zu weiteren Einzelheiten diesbezüglich de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 19 Rn. 67 ff. 30 Zu den Einzelheiten der Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche siehe dies., ebd., § 41 Rn. 1 ff. m.w.N. 31 Siehe dazu insb. Schliemann, Die neue Ordnung der Kirchengerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland, NJW 2005, 392 ff. 32 Dazu de Wall/Muckel, Kirchenrecht, § 41 Rn. 8. 33 Grundlegend dazu nach wie vor Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991, passim; Rüfner, Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten, in:
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Alles in allem hinterlässt die Rechtspraxis damit im Beziehungsgeflecht von staatlichem und kirchlichem Recht ein äußerst differenziertes und durchaus heterogenes Bild. Dieser Eindruck ist – wie dargestellt – ganz maßgeblich auf die Eigenheiten der kirchlichen Rechtsordnungen im Bereich der katholischen und der evangelischen Kirche zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund nicht unerwartet findet dies im Bereich der Rechtsdogmatik seine Fortsetzung. Dabei wird die klassische Rechtsdogmatik für den hier besonders interessierenden Bereich des Verhältnisses von staatlichem und kirchlichem Recht durch die sog. Staatskirchenrechtslehre konkretisiert. Und den Eigenheiten der kirchlichen Rechtsordnungen tragen mit Blick auf die Rechtsdogmatik die Kanonistik (katholische Kirchenrechtslehre) und die Evangelische Kirchenrechtslehre zusätzlich Rechnung. Sie alle nehmen aber aus der Perspektive der Fremdbeschreibung einer soziologischen Theorie des Rechts am Grundverständnis teil, dass Rechtsdogmatik als Selbstabstraktion die Rechtspraxis reflektiert und im Sinne einer „Konsistenzkontrolle“ die „Bedingungen des juristisch Möglichen, nämlich die Möglichkeiten juristischer Konstruktion von Rechtsfällen“ definiert34. Darüber hinaus wenden sie sich im Sinne des Normierens des Normierens mit rechtspolitischen Vorschlägen zur Fortentwicklung des geltenden Rechts an das organisierte Entscheidungssystem des Rechtssystems, insbesondere an den jeweiligen (staatlichen oder kirchlichen) Gesetzgeber. Die Staatskirchenrechtslehre darf durchaus als eigenständige Disziplin in der Dogmatik des Öffentlichen Rechts bezeichnet werden. Sie weist deutliche Bezüge zum Kirchenrecht, zum Verfassungs- und Verwaltungsrecht, aber auch zum Völkerund Europarecht sowie zur Rechtsgeschichte auf. Besonderes Interesse hat das Staatskirchenrecht nach dem Ende des 2. Weltkrieges auf sich gezogen35. Rechtsdogmatisch spiegelt sich die Bandbreite der von der Staatskirchenrechtslehre behandelten Fragen und Problemkreise vor allem im zweibändigen Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland wider36. Und bis in die Gegenwart wird die Staatskirchenrechtslehre in besonderer Weise durch die seit 1966 jährlich veranstalteten „Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche“ und die seit 1971 im Verlag Duncker & Humblot (Berlin) erfolgende Herausgabe der „Staatskirchenrechtlichen Abhandlungen“ sowie die Forschungen des „Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands“ (Bonn) und des „Kirchenrechtlichen Instituts der EKD“ (Göttingen) gepflegt.
Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Zweiter Band, 2. Aufl., 1995, § 73, S. 1081 ff. 34 Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S. 18 f. 35 Zu den Entwicklungslinien des Staatskirchenrechts von seinen Anfängen bis zur Gegenwart siehe prägnant Hense, Religiöse Pluralität normativ verarbeitet. Zur grundgesetzlichen Ordnung von Staat und Religion, HerderKorrespondenz 63 (2009), 354 ff. 36 Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Erster Band 1994, 1150 S., Zweiter Band 1995, 1240 S., (1. Aufl. hrsg. v. Friesenhahn/Scheuner i.V.m. Listl 1974/1975).
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In engem Kontakt mit der Staatskirchenrechtslehre steht für den Bereich des katholischen Kirchenrechts die Kanonistik (katholische Kirchenrechtslehre)37. Als „Wissenschaft vom Kirchenrecht“ befasst sie sich mit „der kirchlichen Gemeinschaftsordnung als einer in ihren Grundzügen auf dem Willen Jesu Christi gegründeten Einrichtung“. Über ihren spezifisch wissenschaftlichen Charakter herrscht Uneinigkeit, die von einem Verständnis als „juristische Disziplin mit juristischer Methode“, als „theologische Disziplin mit theologischer Methode“, als „theologische Disziplin mit juristischer Methode“ bis hin zu einer „theologischen und juristischen Disziplin mit theologischer und juristischer Methode“ reicht38. Ihrem spezifischen Charakter am nächsten dürfte ein Verständnis kommen, das die Kanonistik als „theologische Disziplin“ begreift, „die gemäß den Bedingungen ihrer theologischen Erkenntnisse mit juristischer Methode arbeitet“39. Theologische Disziplin ist die Kanonistik schon ihrer geschichtlichen Herkunft nach, hat sie sich doch aus der Theologie und nicht aus der Rechtswissenschaft heraus entwickelt und verselbständigt40. Und die spezifische Verbindung von theologischer und juristischer Methode zu einer einheitlichen wissenschaftlichen Methode gelangt vor allem darin zum Ausdruck, dass sie in ihrer Arbeit „den Bedingungen ihrer theologischen Erkenntnisse“ folgt. Das heißt, dass sie die juristische Methode stets daraufhin überprüft, „ob und inwiefern sie dem theologischen Wesen der Kirche entspricht und ihrem Sendungsauftrag förderlich sein kann“41. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses unterteilt sich die Kanonistik schließlich in die methodologischen Einzelbereiche der Kirchenrechtsdogmatik (mit der besonderen Aufgabe, „die Kenntnis des geltenden Kirchenrechts und dessen Anwendung im kirchlichen Leben zu vermitteln“) und der kirchlichen Rechtsgeschichte42. Im Vergleich mit der katholischen Kirchenrechtslehre ist die evangelische Kirchenrechtslehre durch einen deutlich geringeren Grad der fachspezifischen Ausdifferenzierung gekennzeichnet. Auch sie sieht sich aber – wie die Kanonistik – mit dem Problem konfrontiert, ihren methodologischen Standpunkt zwischen Theologie und Jurisprudenz zu finden. Zum einen lässt sie dabei eine besondere Nähebeziehung zur evangelischen Theologie erkennen, weil sie sich an das gottesdienstliche Handeln der Kirche und an den diakonischen Dienst der Kirche gegenüber der Welt bindet. Die Theologie vermittele die Grundlagenerkenntnisse, aufgrund derer es der Kirchenrechtslehre erst möglich werde, „die Besonderheiten ihres dienenden Auftrags 37 Siehe zum Folgenden insb. Aymans/Mörsdorf, Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, Bd. 1, 1991, § 5, S. 57 ff.; vgl. aber auch Weigand, Kanonistik, in: Lexikon des Kirchenrechts, Sp. 451 ff.; Puza, Katholisches Kirchenrecht, 2. Aufl., S. 22 ff. 38 Zu den diesbezüglichen Nachweisen siehe Aymans/Mörsdorf, ebd., S. 63 39 Dies., ebd., S. 71. 40 Eingehend dazu dies., ebd., S. 65 ff. 41 Dies., ebd., S. 70 f.; siehe dazu auch Weigand, Kanonistik, in: Lexikon des Kirchenrechts, Sp. 451, 467, der die Kanonistik als „Brückenfach“ beschreibt. 42 Dies., ebd., S. 71 ff.; zu weiteren Unterscheidungen auch Puza, Katholisches Kirchenrecht, S.24.
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zu begreifen“43. Zum anderen wird – ohne Annahme eines Über- oder Unterordnungsverhältnisses – die „ständige Wechselwirkung“ zwischen der Theologie und der Kirchenrechtslehre als „bindende Notwendigkeit“ anerkannt und die evangelische Kirchenrechtslehre letztlich als juristische Disziplin verstanden, weil sich ihre wissenschaftliche Aufgabenstellung mit den sonstigen Rechtsdisziplinen „in gebotener wissenschaftlicher Arbeitsgemeinschaft“ verbinde.44 Ihre Aufgaben sind klar definiert: Sie sammelt, erfasst und systematisiert die im kirchlichen Bereich geltenden Normen. Ihre Erkenntnisse trägt sie im Rahmen ihrer Lehraufgabe an den Juristen und den Theologen heran. Der kirchlichen Rechtspraxis dient sie „durch das Aufweisen des historisch und territorial vielschichtigen Normenbereiches im Kirchenrecht und fördert durch dieses Handeln die notwendige Neuformung und Weiterbildung der kirchlichen Ordnung“45. Lässt man den disziplinären Ausdifferenzierungsgrad einmal beiseite, so wird man insgesamt feststellen dürfen, dass evangelische und katholische Kirchenrechtslehre in ihrem Auftrag und ihrer Zielstellung durchaus übereinstimmen. Zur Kirchenrechtsdogmatik, wie sie in der soeben beschriebenen Weise durch die katholische und evangelische Kirchenrechtslehre repräsentiert wird, tritt für den Bereich des kirchlichen Rechts schließlich die sog. Kirchenrechtstheorie hinzu. Ihr geht es, insoweit durchaus vergleichbar mit der Rechtstheorie des staatlichen Rechtssystems, darum, die Identität des kirchlichen Rechtssystems im Unterschied zu seiner Umwelt begrifflich auszuarbeiten und dabei vor allem Überlegungen zur Legitimation der Geltung kirchlichen Rechts anzustellen. Dem liegt die Unterscheidung von System und Umwelt zugrunde, so dass sich auch in diesem Zusammenhang von Reflexion sprechen lässt46. Da die Kirchenrechtstheorie eine Theorie über das Kirchenrechtssystem entwickelt, sie sich auf das System bezieht und dessen Standpunkt teilt, kann sie in aller Kürze – wie die Rechtstheorie des staatlichen Rechtssystems – als „Theorie des Systems im System“ bezeichnet werden47. Auch wenn es derzeit wohl noch an einer vollständig ausgearbeiteten Kirchenrechtstheorie fehlt48, so sind doch erste Schritte in die Richtung erkennbar, verstärkt 43 Frost, Zur Methodenproblematik des evangelischen Kirchenrechts, in: ders., Ausgewählte Schriften zum Staats- und Kirchenrecht, hrsg. v. Baldus/Heckel/Muckel, 2001, S. 260, 265. 44 Ders., ebd., S. 265 f. 45 Ders., ebd., S. 266. 46 Zu den Statuskennzeichen von Reflexionstheorien siehe insb. Kieserling, Die Soziologie der Selbstbeschreibung, in: de Berg/Schmidt (Hrsg.), Rezeption und Reflexion. Zur Resonanz der Systemtheorie Niklas Luhmanns außerhalb der Soziologie, 2000, S. 38, 50 ff. 47 Luhmann, Selbstreflexion des Rechtssystems. Rechtstheorie in gesellschaftstheoretischer Perspektive, in: ders., Ausdifferenzierung des Rechts, Beiträge zur Rechtssoziologie und Rechtstheorie, 1999, S. 419, 422. 48 So jedenfalls Aymanns/Mörsdorf, Kanonisches Recht I, S. 61, 71; weniger zurückhaltend demgegenüber Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 24 „Die Kirchenrechtstheorie – heute auch Theologie des Kirchenrechts – ist Grundlagenwissenschaft.“ (Hervorhebung i.O.)
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reflexiv nach Wesen und Methode des Kirchenrechts und der Kirchenrechtslehre, speziell der Kanonistik, zu fragen. Im Wesentlichen geht es dabei um die Grundlegung des Kirchenrechts, den theologischen Nachweis also, „dass und inwiefern legitimerweise das Phänomen ,Recht‘ zur Kirche gehört“. Das bedingt natürlich ein aus der Erfahrung und der Reflexion geprägtes Verständnis vom Wesen des Rechts. Im Gegensatz zum katholischen Kirchenrecht, das über das ius divinum eine gleichsam natürliche Nähebeziehung zu rechtlichen Strukturen aufweist49, fehlte eine solche dem evangelischen Kirchenrecht über lange Zeit nahezu vollständig50. Mittlerweile ist aber für beide Kirchen die Kirchenrechtstheorie der Ort geworden, wo eine „philosophisch-theologische Auseinandersetzung mit den dargebotenen philosophisch-juristischen Vorstellungen vom Wesen des Rechts legitim durchgeführt wird“51. Dabei lässt sich der Nachweis, dass dem Glauben der Kirche eine rechtliche Dimension wesensimmanent ist, nur theologisch erbringen, allerdings stets einhergehend mit der Beantwortung der Frage, inwiefern das Phänomen Recht zum Glauben der Kirche zählt52. So mündet die im Rahmen der Kirchenrechtstheorie erfolgende theologische Grundlegung des Kirchenrechts letztlich in eine Theologie des Kirchenrechts53. Nachdem damit ersichtlich geworden sein dürfte, aus welch unterschiedlichen Perspektiven einer soziologischen Theorie des Rechts – und zwar des staatlichen wie des kirchlichen Rechts – die Beobachtung und Beschreibung der Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht zu erfolgen hat, soll es nachfolgend darum gehen, auf systemtheoretischer Grundlage die Bewegungsmechanismen der Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht am Beispiel des Kirchenaustritts zu verdeutlichen.
49 Siehe dazu insb. Konrad, Der Rang und die grundlegende Bedeutung des Kirchenrechts, S. 66 ff. m.w.N.; dezidiert in diesem Sinne Kreß, Ethik der Rechtsordnung, 2012, S. 91: „Die katholische Kirche ist eine Rechtskirche.“ 50 Stellvertretend dafür sei hier nur Rudolph Sohms Diktum zur Unvereinbarkeit von Kirche und Recht genannt. Siehe dazu Sohm, Kirchenrecht, Erster Band. Die geschichtlichen Grundlagen, 1970 (unveränderter Nachdruck der 1923 erschienenen zweiten Auflage), S. 1: „Das Kirchenrecht steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch … Das Wesen der Kirche ist geistlich; das Wesen des Rechts ist weltlich …“ Dazu eingehend Dreier, Ralf, Der Rechtsbegriff des Kirchenrechts in juristisch-rechtstheoretischer Sicht, in: Rau/Reuter/ Schlaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Bd. I Zur Theorie des Kirchenrechts, 1997, S. 171 ff.; Konrad, ebd., S. 220 ff.; vgl. ferner Robbers, Kirchenrecht (J), in: Ev. Staatslexikon, Sp. 1196, 1199 f. 51 Aymanns/Mörsdorf, Kanonisches Recht I, S. 62; für das evangelische Kirchenrecht sei hier exemplarisch insb. Huber, Gerechtigkeit und Recht. Grundlinien christlicher Rechtsethik, 1996, S. 420 ff. genannt, während für das katholische Kirchenrecht in jüngerer Zeit vor allem auf Kreß, Ethik der Rechtsordnung, S. 91 ff. hinzuweisen ist. 52 Aymanns/Mörsdorf, ebd. (kursiv i.O.). 53 Dies., ebd.; ebenso Puza, Katholisches Kirchenrecht, S. 24.
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II. Wir gehen dabei von einer Ko-Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht aus, d. h. wir beantworten die Vorfage, ob eine Evolution funktionaler Teilsysteme der Gesellschaft, vorliegend des Rechtssystems, überhaupt möglich ist54, positiv.55 Allerdings ist diese Ko-Evolution durch einige Besonderheiten gekennzeichnet, die die Ausgangslage äußerst komplex, vor allem aber theoretisch weitgehend unerforscht erscheinen lassen. So sind an ihr zunächst einmal gleich drei Funktionssysteme der Gesellschaft (Politik, Religion und Recht) maßgeblich beteiligt. Mit Staat und Kirche, die sich bei oberflächlicher Betrachtung als Organisationssysteme von Politik und Religion einordnen ließen, ist zwei gesellschaftlichen Organisationen die Rechtsetzung übertragen, die sich in besonderer Weise durch ihre „Multireferenz“56 auszeichnen, d. h. die Fähigkeit, sich kommunikativ mit unterschiedlicher Gewichtung an verschiedenen Funktionssystemen der Gesellschaft zu orientieren. Außerdem stellt sich die Frage, wie man sich die Funktionsweise der Organisationssysteme Staat und Kirche, vor allem in Funktionssystemen, speziell dem Rechtssystem, vorzustellen hat. Haben wir es mit Irritation zu tun und was kennzeichnet diese, und zwar zwischen Funktionssystemen, zwischen Organisationssystemen und vielleicht sogar zwischen Funktions- und Organisationssystemen? Gibt es Kopplungen zwischen den Funktionssystemen Politik, Religion und Recht? Gegebenenfalls, handelt es sich dabei um operative oder strukturelle Kopplungen? Welche Bedeutung kommt insoweit dem über Art. 140 Grundgesetz – sprich der Verfassung als struktureller Kopplung von Recht und Politik – garantierten Staatskirchenrecht zu? Erscheint eine strukturelle Kopplung der Funktionssysteme Politik, Religion und Recht vielleicht auch über Organisation, also Staat und Kirche als Organisationssystemen, denkbar? All diesen Forschungsfragen, die damit vermutlich noch nicht einmal vollständig benannt sind, kann im vorliegenden Zusammenhang nicht näher nachgegangen werden. Vielmehr soll es hier und jetzt nur darum gehen, diese abstrakt formulierten Probleme am Beispiel des Kirchenaustritts (und das auch nur in jüngster Vergangenheit) zu verdeutlichen. In der Rechtspraxis haben die Fragen des Kirchenaustritts zunächst einmal naheliegender Weise Kirche als Organisation beschäftigt. Ausgangspunkt dafür waren „Zweifel und Anfragen“ von Bischöfen, Offizialen und Fachleuten des Kanonischen 54 Das Matrjoschka-Problem einer systemtheoretisch fundierten Gesellschaftstheorie. Siehe dazu schon Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 557 ff. 55 In diesem Sinne bereits Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts, S. 87 ff. 56 Lieckweg, Strukturelle Kopplung von Funktionssystemen „über“ Organisation, Soziale Systeme 7 (2001), 267, 273; dies./Wehrsig, Zur komplementären Ausdifferenzierung von Organisationen und Funktionssystemen. Perspektiven einer Gesellschaftstheorie der Organisation, in: Tacke (Hrsg.), Organisation und gesellschaftliche Differenzierung, 2001, S. 39, 49; von „Multireferentialität“ und der „Perspektive multipler Programmierung“ spricht in diesem Zusammenhang Bora, Öffentliche Verwaltungen zwischen Recht und Politik. Zur Multireferentialität der Programmierung organisatorischer Kommunikationen, ebd., S. 170, 171 ff.; vgl. auch Drepper, Organisationen der Gesellschaft, 2003, S. 200.
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Rechts zur Klärung des sog. actus formalis defectionis ab ecclesia catholica, die 2006 den Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte erreichten und ihn zu einer an die Präsidenten der Bischofskonferenzen gerichteten Interpretation dieses in den Canones 1086, § 1, 1117 und 1124 verwendeten Begriffs veranlassten.57 Gerade einmal gut einen Monat später hat dieses Rundschreiben den Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz zu einer Erklärung bewogen, welche die benannten „weltkirchlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der deutschen Rechtstradition“ auf die deutschen Diözesen anwende.58 Gleichsam im Sinne eines „no order from noise“59 geht man dabei davon aus, dass es sich beim bezeichneten Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte lediglich um eine „Klarstellung“ zum kirchlichen Eherecht handele, welche die in der deutschen Rechtstradition stehende staatliche Regelung für den Kirchenaustritt nicht berühre. Das Rundschreiben schaffe kein neues Recht, sondern halte an der geltenden Rechtslage fest und bestätige die bewährte Praxis. Diese zunächst einmal zumindest kühn anmutende Feststellung hat erwartungsgemäß in der Kanonistik eine äußerst lebhafte Diskussion über den Zusammenhang von Kirchenaustritt und actus formalis defectionis ab ecclesia catholica ausgelöst.60 Die Diskussion um den Kirchenaustritt, seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen, ist jedoch nicht auf den Bereich des kirchlichen Rechts begrenzt geblieben. Im staatlichen Recht hat vielmehr der „Fall Zapp“ die Problematik staatskirchenrechtlich überformt. Dahinter verbirgt sich der Streit um das Phänomen des sog. „modifizierten Kirchenaustritts“, genauer gesagt die Frage, wie das Zusatz-Verbot des § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KiStG BW rechtlich zu werten ist, wonach nicht nur die Kirchenaustrittserklärung selbst, sondern auch die Begleitumstände eines Kirchenaustritts keinen „Zusatz“ enthalten dürfen. Im Fall des Freiburger Theologen Hartmut Zapp hatte dieser versucht, (zur Vermeidung der Kirchensteuerpflicht) durch den Zusatz „römisch-katholisch, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ im Formular „Austritt aus einer Kirche, Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft“ seinen Austritt aus der Körperschaft öffentlichen Rechts zu erklären, seine Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche als Glaubensgemeinschaft aber beizubehalten. Die Frage, ob eine solche Austrittserklärung nach staatlichem Recht zulässig 57 Siehe im Einzelnen Päpstlicher Rat für die Gesetzestexte (PCLT, Pontificium Consilium de Legum Textibus), Actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica, Prot. N. 10279/2006 v. 13.3. 2006, AfkKR 175 (2006), 158 – 160. 58 Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche v. 24.4. 2006, AfkKR 175 (2006), 160 – 162. 59 In Umkehrung des bekannten, auf Heinz von Foerster zurückgehenden Selbstorganisationsprinzips der „order from noise“. 60 Siehe nur Graulich, Ist der Kirchenaustritt ein actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica? – Ein Beitrag zur Diskussion, KuR 2008, 1 ff. (Hervorhebung i.O.); Nelles, Der Kirchenaustritt – Kein „Actus Formalis Defectionis“, AfkKR 175 (2006), 353 ff.; Schmitz, Kirchenaustritt als „Actus Formalis“. Zum Rundschreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 13. März 2006 und zur Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz vom 24. April 2006. Kanonistische Erläuterungen, AfkKR 174 (2005), 502 ff.
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ist, wird von der kirchenrechtlichen Frage überlagert, ob in einer solchen Erklärung eine Straftat, gar ein Schisma i.S.d. Canones 1364 § 1 i.V.m. Canon 751 Hs. 2 CIC/ 1983, zu sehen ist. Dies verdeutlicht die vom Bundesverwaltungsgericht auch ausdrücklich so bezeichnete „häufig schwer zu überblickende Gemengelage von staatskirchenrechtlichem und innergemeinschaftlichem Recht“.61 Im Ergebnis geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass derjenige, der aufgrund staatlichen Rechts aus einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, austreten wolle, seine Erklärung nicht auf die Körperschaft öffentlichen Rechts unter Verbleib in der Religionsgemeinschaft als Glaubensgemeinschaft beschränken dürfe. Allerdings sei für die Auslegung der Austrittserklärung nicht auf begleitende Umstände, sondern allein auf die Eindeutigkeit der Erklärung selbst abzustellen.62 Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht63 eine breite kirchenund staatskirchenrechtliche Diskussion um den Kirchenaustritt hervorgerufen.64 Die Auseinandersetzungen um den sog. „Fall Zapp“, aber sicher auch die vielen Kirchenaustritte vor dem Hintergrund der zahlreichen Missbrauchsskandale in der Katholischen Kirche haben wiederum erst jüngst die deutschen Bischöfe zu einem Allgemeinen Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt veranlasst.65 Darin wird ausdrücklich festgestellt, dass die Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde als öffentlicher Akt eine „willentliche und wis61 BVerwG, Urt. v. 26. 9. 2012 – 6 C 7.12 – , ZevKR 58 (2013), 91, 99 f.; in diesem Sinne auch Reimer, Der Kirchenaustritt zwischen Landesrecht, Bundesrecht und Kirchenrecht, JZ 2013, 136, 137. 62 BVerwG, ebd., 91 ff. 63 Siehe zuvor bereits VG Freiburg, Urt. v. 15.7.2009 – 2 K 1746/08 – und VGH BadenWürttemberg, Urt. v. 4.5.2010 – 1 S 1953/09. 64 Siehe dazu insb. Löhnig/Preisner, Verhältnis von Kirchenaustritt zur Kirchensteuerpflicht, NVwZ 2013, 39 ff.; Muckel, Nochmals: Verhältnis von Kirchenaustritt und Kirchensteuerpflicht, NVwZ 2013, 260 ff.; ders., Bloßer „Körperschaftsaustritt“ (nur) formal möglich – Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 26.9. 2012, Az.: 6 C 7.12, KuR 2012, 209 ff.; zur Entscheidung der Vorinstanz (VGH Baden-Württemberg) siehe schon Kuntze, Zur Erklärung des Kirchenaustritts vor staatlichen Stellen, Anmerkungen zu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4.5. 2010, Az.: 1 S 1953/09, ZevKR 55 (2010), 416 ff.; Löhnig/Preisner, Aus aktuellem Anlass: Zu den Folgen eines Kirchenaustritts nach den Landeskirchenaustrittsgesetzen, AöR 137 (2012), 118 ff.; Muckel, Kein „Körperschaftsaustritt“ als „Kirchensteueraustritt“ – Anmerkung zu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4.5. 2010, Az.: 1 S 1953/09, KuR 2010, 26 ff.; vgl. auch allgemein zur Problematik Muckel, Körperschaftsaustritt oder Kirchenaustritt? Der sogenannte Kirchenaustritt im Schnittfeld von staatlichem Verfassungsrecht und katholischem Kirchenrecht, JZ 2009, 174 ff.; ders., Kirchenaustritt, „Körperschaftsaustritt“ und das Vorgehen Roms, KuR 2010, 188 ff.; Stuhlfauth, Das Recht zum Austritt aus der Kirche, DÖV 2009, 225 ff.; Zapp, Körperschaftsaustritt wegen Kirchensteuern – kein „Kirchenaustritt“, KuR 2007, 66 ff.; vgl. ferner – noch immer grundlegend – Listl, Verfassungsrechtlich unzulässige Formen des Kirchenaustritts, JZ 1971, 345 ff.; siehe auch neuerdings umfassend Güthoff/Haering/Pree (Hrsg.), Der Kirchenaustritt im staatlichen und kirchlichen Recht, 2011, passim. 65 DBK, Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt vom 20.9. 2012, ABl. der Erzdiözese Freiburg 2012, Nr. 24, S. 343 f.
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sentliche Distanzierung von der Kirche“ darstelle und eine „schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft“ sei. Sie beinhalte einen Verstoß gegen die „Pflicht, die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren (c. 209 § 1 CIC), und gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag dazu zu leisten, dass die Kirche ihre Aufgaben erfüllen kann (c. 222 § 1 CIC i.V.m. c. 1263 CIC)“.66 III. All dies zeigt, dass wir es schon mit Blick auf die thematisch überschaubare Problematik des Kirchenaustritts bei der Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht67 mit noch weitgehend ungeklärten Wechselwirkungen zu tun haben, an denen Staat und Kirche als Organisationssysteme, aber auch Kanonistik und Staatskirchenrechtsdogmatik maßgeblich beteiligt sind. Insoweit wird es demnächst vor allem darum gehen, eingehend zu untersuchen, in welcher Weise Staat und Kirche als klassische Organisationssysteme an der Interdependenzunterbrechung und Interdependenzherstellung im Verhältnis von Politik, Religion und Recht beteiligt sind.68 Unabhängig davon muss der Blick dann aber im Weiteren über diese begrenzte Fragestellung hinausgehen. Dabei müssen die Wechselwirkungen zwischen Politik, Religion und Recht (aus systemtheoretischer Perspektive die „Irritationen“) in einem zeitlichen Längs- und einem thematischen Querschnitt untersucht werden. Entwicklungsgeschichte ist dabei nicht zu erwarten. Vielmehr geht es um die mehr oder wenige zufällige Emergenz von Ereignissen, die gleichsam als take-off eines evolutorischen Sprungs genutzt werden können. Ein erster solcher Sprung könnte in der sog. Gregorianischen Revolution des 11. bis 13. Jahrhunderts zu finden sein. In dieser Zeit gelang es dem Recht, sich als Korpus von Rechtsgrundsätzen und Rechtsverfahren zu verselbständigen; erstmals erstarkten kirchliche und weltliche Zentralgewalten; Europa erlebte die Gründung seiner ersten Rechtsschulen. All diese Umstände trugen zur „Bildung der modernen westlichen Rechtssysteme“69 bei, als deren erstes sich das Kanonische Recht der römisch-katholischen Kirche herauskristallisierte. Vor seinem Hintergrund und in Konkurrenz zu ihm schufen auch die europäischen Königreiche ihre eigenen weltlichen Rechtsordnungen und die freien Städte Europas gaben sich ihr erstes Stadtrecht. Daneben waren aber auch religiöse Kräfte am Werk. Und hier ist ganz maßgeblich die sog. päpstliche Revolution zu nennen, allen voran das Wirken Papst Gregor VII., 66 Durchaus kritisch dazu Neumann, Kirchensteuer: Wer zahlt, der glaubt?, CIG Nr. 40/ 2012, 435 f. 67 Ausdrücklich thematisiert mit Blick auf den Kirchenaustritt von Reimer, Der Kirchenaustritt zwischen Landesrecht, Bundesrecht und Kirchenrecht, JZ 2013, 136, 137 f. 68 Siehe dazu demnächst Schulte, Zur Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht – dargestellt am Beispiel des Kirchenaustritts, in: ders. (Hrsg.), Politik, Religion und Recht – Zur Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht, Berlin 2014, i. Vorb. 69 Dazu eingehend Berman, Recht und Revolution, 1995, S. 193 ff.
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der 1075 die politische und juristische Oberhoheit des Papsttums über die ganze Kirche, letztlich aber auch in weltlichen Angelegenheiten proklamierte und die Unabhängigkeit des Klerus von weltlicher Kontrolle forderte. Der sich anschließende sog. Investiturstreit zwischen Königtum und Kirche fand mit dem Wormser Konkordat (1122) in einem bis heute fortwirkenden „Dualismus von kirchlichem und weltlichem Rechtssystem“ sein Ende.70 Aber selbst dabei wird man vermutlich nicht stehen bleiben dürfen. Müssen denn nicht auch die Konfessionalisierung des 16. Jahrhunderts,71 die Säkularisierung des 18. und 19. Jahrhunderts72 sowie die aktuellen Entwicklungen in Richtung auf eine von religiöser Pluralität gekennzeichnete Multiple Moderne73 als evolutorische Sprünge im Verhältnis von Politik, Religion und Recht begriffen werden? Und welche Irritationen sind dadurch im Verhältnis von staatlichem und kirchlichem Recht ausgelöst worden? Dieser zeitliche Längsschnitt der Ko-Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht wird schließlich durch einen thematischen Querschnitt vertieft werden müssen. Als Untersuchungsfelder bieten sich dabei das Organisations- und Personenrecht der christlichen Kirchen an. Aus dem Bereich des kirchlichen Organisationsrechts könnten insoweit möglicherweise das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht, das kirchliche Stiftungsrecht und das kirchliche Bildungswesen besonders aufschlussreich sein. Ähnliches lässt sich mit Blick auf das kirchliche Personenrecht für die Bereiche des kirchlichen Eherechts und des kirchlichen Strafrechts vermuten. Damit dürften die Umrisse eines längerfristigen Forschungsvorhabens zur Evolution von staatlichem und kirchlichem Recht formuliert sein, zu dem hier nur einige Vorüberlegungen am Beispiel des Kirchenaustritts beigesteuert werden konnten.
70 Ders., ebd.; siehe aber auch Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 443 Fn. 59, der mit Berman darin den maßgeblichen „take-off“ für die Ausdifferenzierung eines Rechtssystems sieht; durchaus kritisch demgegenüber – insb. mit Blick auf Bermans Thesen – Schieffer, „The Papal Revolution in Law“? Rückfragen an Harold J. Berman, Bulletin of Medieval Canon Law 22 (1998), 19 ff. 71 Siehe dazu insb. Cancik/Henne/Simon/Ruppert/Vec (Hrsg.), Konfession im Recht. Auf der Suche nach konfessionell geprägten Denkmustern und Argumentationsstrategien in Recht und Rechtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, 2009, passim. 72 Siehe dazu nach wie vor Lübbe, Säkularisierung, 2. Aufl. 1975, passim; Böckenförde, Der säkularisierte Staat. Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert, 2007, passim. 73 Siehe dazu insb. Gabriel, Jenseits von Säkularisierung und Wiederkehr der Götter, APuZ 52/2008, 9 ff.
Juristische und theologische Dogmatik Von Michael Welker, Heidelberg I. Einleitung „Dogmatik ist als theologische Disziplin die wissenschaftliche Selbstprüfung der christlichen Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott.“ So lautet der erste Satz der einflussreichsten evangelisch-theologischen Dogmatik des 20. Jahrhunderts, der Kirchlichen Dogmatik des Schweizer Theologen Karl Barth.1 Könnte man im Blick auf die Rechtsdogmatik analog formulieren: „Dogmatik ist als juristische Disziplin (und Proprium der Rechtswissenschaft) die wissenschaftliche Selbstprüfung des Rechtssystems hinsichtlich des Inhalts der Findung und Setzung von Recht.“? Schon die erste Beschäftigung mit Rechtsdogmatik zeigt auch dem Außenstehenden, dass diese Bestimmung zu eng ist. Sie würdigt nicht hinreichend den Bezug der Rechtsdogmatik zur Rechtspraxis. Welche Lehren sollten die theologische Dogmatik und die wissenschaftliche Theologie aus dieser Perspektivenerweiterung ziehen? Die folgenden Überlegungen nehmen neuere Entwicklungen und die jüngste Diskussion in der deutschen Rechtswissenschaft über die Frage auf: „Was weiß Dogmatik? Was leistet und wie steuert die Dogmatik des Öffentlichen Rechts?“2 Sie tragen Beobachtungen aus einer wissenschaftlichen und theologischen Außenperspektive an diese Diskussion heran und wollen dabei aus der aktuellen deutschsprachigen juristischen Diskussion für die systematisch-theologische Selbstverständigung Lehren ziehen. Schon vor über vierzig Jahren hatte Werner Krawietz eine Spannungslage artikuliert, die, sehe ich recht, die gegenwärtige Diskussion noch bestimmt:
1 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik I/1 (1932; Studienausgabe 1993), § 1. Die „eigentümliche Rede“ hat die Gestalt der „Verkündigung“ (in Bekenntnis, Predigt und Lehre). Die Verkündigung ist „schriftgeführte“ Verkündigung und bezieht sich über die Heilige Schrift auf die göttliche Offenbarung. Barth spricht von einer „dreifachen Gestalt des Wortes Gottes“ in Offenbarung, Schrift und Verkündigung. 2 So der Titel des von Gregor Kirchhof, Steffen Magen und Karsten Schneider herausgegebenen Bandes, Tübingen 2012, der im Hauptteil ein 2009 veranstaltetes Kolloquium dokumentiert (zit.: Was weiß Dogmatik?).
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Einerseits gibt er zu bedenken: Ein Rechtsdenken, das auf kritische Analyse des Rechts und rechtswissenschaftliche Grundlagenforschung bedacht ist, kann kein Interesse daran haben, das dogmatisch-exegetische, um prägnante Begrifflichkeit bemühte Vorgehen der konventionellen Jurisprudenz polemisch zu diskreditieren.3
Andererseits heißt es: Die geistige Isolierung einer Rechtswissenschaft, die sich im kontinentaleuropäischen Bereich, zumindest in der Bundesrepublik Deutschland, noch immer als vorwiegend dogmatisch-exegetische Disziplin versteht, kommt nicht von ungefähr. Sie ist die späte Folge eines verfehlten Selbstverständnisses der Rechtswissenschaft, die bis zum 19. Jahrhundert im wesentlichen mit philologisch-logischen Mitteln arbeitete und die – und das gelte bis in unsere Tage hinein – den Zusammenhang zwischen dem Recht und seinem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext aus den Augen verliert.4
In der gegenwärtigen deutschen Diskussion werden allerdings sowohl die Würdigung der dogmatischen Arbeit als auch die Bedenken gegenüber ihrer Vorherrschaft wesentlich vollmundiger formuliert: Die Rechtsdogmatik ist „das Kernstück“, „das Zentrum“5 oder gar „das Herzstück“ der Rechtswissenschaft, „der deutschsprachigen Juristen liebstes Kind“6. Sie ist die „Kerndisziplin der Rechtswissenschaft“7, auf jeden Fall „der Schwerpunkt rechtswissenschaftlicher Forschung in Deutschland“8. Sie erbringt ganz beträchtliche Leistungen: (1) Erhöhung der Bestimmtheit der Normen, (2) Reduktion von Begründungsanforderungen, (3) Verbesserung der Anschlussfähigkeit des Rechtssystems gegenüber anderen Dogmatiken9 – welche auch immer damit gemeint sein mögen. Rechtsdogmatiken sind Instrumente der „Findung, der Ordnung oder auch 3
Werner Krawietz, Funktion und Grenze einer dogmatischen Rechtswissenschaft, in: Recht und Politik 6 (1970), S. 150. 4 Ebd. S. 151; siehe zu den im Folgenden diskutierten Problemlagen auch Werner Krawietz, Differenzierung von Praxis und Theorie in juristischer systemtheoretischer Perspektive, Sonderheft Juristische Methodenlehre, Rechtstheorie 32 (2001), S. 345 – 358. 5 Martin Eifert, Zum Verhältnis von Dogmatik und pluralisierter Rechtswissenschaft, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 79 ff., 79; Bernd Grzesick, Steuert die Dogmatik?, ebd., S. 97 ff., 97. 6 Matthias Jestaedt, Wissenschaftliches Recht – Rechtsdogmatik als gemeinsames Kommunikationsformat von Rechtswissenschaft und Rechtspraxis, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 117 ff., 122; vgl. Gregor Kirchhoff/Stefan Magen, Dogmatik: Rechtliche Notwendigkeit und Grundlage fächerübergreifenden Dialogs – eine systematisierende Übersicht, ebd., S. 151 ff., 151. 7 Ralf Dreier zitierend, Oliver Lepsius, Kritik der Dogmatik, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 39 ff., 52. 8 Christian Waldhoff, Kritik und Lob der Dogmatik. Rechtsdogmatik im Spannungsfeld von Gesetzesbindung und Funktionsorientierung, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 17 ff., 30. 9 So Winfried Hassemer, Dogmatik zwischen Wissenschaft und richterlicher Pragmatik: Einführende Bemerkungen, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 3 ff., 14.
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der Setzung von Recht“, sie sind „wohlgefüllte und wohlgeordnete Speicher juristischen Wissens“10. Generell werden, oft etwas vage, die bedeutenden Beiträge der Rechtsdogmatik im Blick auf Systematisierung, Gewährleistung von Kohärenz11 und Konsistenz12 im Recht gewürdigt. Damit biete sie nicht weniger als die Ermöglichung von „Einheit und rationaler Kommunikationsfähigkeit des Rechts“13. Konsistenzbeschaffung und Stiftung von Erwartungssicherheit, die Schaffung von „systematisierenden und rationalisierenden Auslegungs- und Anwendungsregeln“14, die „Systematisierung der Rechtsnormen“15 – all dies aber ist unverzichtbar für die Sicherung von Funktion und „Bedeutung des Rechts“ überhaupt. Und so wird die Arbeit der Dogmatik auch „als die rechtswissenschaftliche Methode schlechthin“ bezeichnet16 und mit der Aufgabe der „Selbstbeobachtung des Rechts“17 oder sogar mit der gesamten Arbeit der Rechtswissenschaft identifiziert, wobei letzteres aber von der Mehrheit der Zunft mit Recht kritisiert wird. Christian Waldhoff hat im Anschluss an neuere Monographien eine Vielzahl von Gewichtungen und methodischen Zugängen in den Bestimmungen der Kernaufgaben von Rechtsdogmatik zusammengestellt:18 Dogmatik als „praktische Verhaltensanweisung an den Richter“ (Franz Wieacker), als Herstellung eines „überzeugenden Verhältnisses zwischen positivem Recht und Gerechtigkeitsanforderungen“ (Josef Esser), als Freilegung der latenten Dogmen in gesetzlichen Geboten einer Kodifikation (Konrad Zweigert), als Gewinnung juristischer Erkenntnis in der „Aufhellung bestimmter juristischer Sinnzusammenhänge“ (Hans Dölle). Die Dogmatik soll den Rechtsstoff lernbar machen, Lücken darin feststellen und „rechtliche Folgen einer intendierten Regelung prognostizieren“ (Adalbert Podlech), sie soll „die zu einer bestimmten Frage des positiven Rechts vertretenen Lehrmeinungen artikulieren“ (Friedrich Müller), sie ist nicht weniger als „die Gesamtheit inhaltlicher Aussagen über geltendes Recht“ (Klaus Adomeit), „die Erläuterung der für das geltende 10
Hassemer (FN 9), S. 3 u. 7. Zur Karriere des Kohärenzbegriffs vgl. Frank Schorkopf, Dogmatik und Kohärenz, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 139 ff., 144: „Kohärenz, verstanden als die Schaffung von Sinnzusammenhängen im Sinne von formaler Berechenbarkeit, hat einen festen Platz in dem Diskurs über Dogmatik.“ Er verweist dabei auf Klaus F. Röhl/Hans Christian Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl., 2008, S. 438. 12 Udo Di Fabio, Systemtheorie und Rechtsdogmatik, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 63 ff., 72, und zwar im Anschluss an Luhmann, der „Konsistenz“ schon früh (1973) als „,Substanz‘ der Gerechtigkeit in Erwägung gezogen“ habe; Niklas Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 1999, S. 374. 13 So Kirchhoff/Magen (FN 6), S. 160. 14 Grsezick (FN 5), S. 97. 15 Eifert (FN 5), S. 85. 16 So Christoph Möllers nach Waldhoff (FN 8), S. 17 ff., 25. 17 Di Fabio (FN 12), S. 63 ff.; ebd. S. 74, im Anschluss an Luhmann, „mit Dogmatik beobachtet das Recht sich selbst“. 18 Vgl. Waldhoff (FN 8), S. 22 ff., dort auch die Belege. 11
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Recht maßgeblichen Begründungen und Lösungsmuster“ (Bernd Rüthers), die Ermittlung des Sinngehalts der gesetzlichen Vorschriften und ihrer „Bedeutung im Gesamtsystem des Rechts“ (Winfried Brohm). Am nächsten kommen den eingangs gegebenen Bestimmungen wohl der Vorschlag von Günther Jahr, die Rechtsdogmatik sei „die wissenschaftliche Überprüfung von Rechtssatzbehauptungen innerhalb einer Rechtsordnung auf der Grundlage geltender Rechtssätze“, sowie die besonders deutlich von Christian Waldhoff, Matthias Jestaedt und – außerhalb des Bandes – von Christoph Möllers ausgesprochene Empfehlung, die Dogmatik als Brücke zwischen der scientific community und den Teilnehmern am Rechtserzeugungsprozess in der Praxis zu verstehen. Just der Praxisbezug, besser vielleicht: der Praxiseinbezug, prägt und stärkt – nicht zuletzt unter wissenschafts- und gesellschaftspolitischen Auspizien – die Führungsrolle der Dogmatik innerhalb der Rechtswissenschaften. In der Dogmatik haben sich seit jeher auf nachgerade symbiotische Weise Rechtspraxis und Rechtswissenschaft verbunden, finden sie auf ihrer Basis zu intensiver und wechselseitig befruchtender Kommunikation.19
Ähnlich vielstimmig und vollmundig sind aber auch die kritischen Bedenken gegenüber einer privilegierten Stellung oder gar Dominanz der Dogmatik im Rechtssystem. Zum Teil werden die Gefahren sehr vage beschrieben mit „Selbstermächtigung“, Verlust an Rationalität, Verlust an „Fähigkeit zur Selbstkritik und Wissenschaftlichkeit“. Die Rechtsdogmatik wird angesehen als „deutscher Sonderweg“, „als größter gemeinsamer Nenner sich ausdifferenzierender Nischenwissenschaften“20. Die Kritik operiert mit der Warnung vor zu engen Systembegriffen und vor Systematisierungssucht. Immer wieder wird die Gefahr der Wiedererweckung einer doch längst überwundenen „Begriffsjurisprudenz“21 beschworen. Die Wendungen „Verselbstständigung und Verfestigung“,22 „Selbstimmunisierung und Abschottung“ werden geradezu apotropäisch gebraucht, und das traurige Schicksal einer „internationalen sowie einer inter- und intradisziplinären Isolation“ wird den Befürwortern der Dogmatik im Allgemeinen und der deutschen Rechtswissenschaft im Besonderen vor Augen gestellt.23 Die emphatischen Befürworter der Rechtsdogmatik und ihre emphatischen Kritiker wirken auf den Außenbeobachter im zugrunde gelegten Textmaterial nicht nur quantitativ ungleichgewichtig. Wohl können einzelne positive Hervorhebungen des Leistungsspektrums der Rechtsdogmatik den Anschein erwecken, hier würden gele19 20
62.
Jestaedt (FN 6), S. 119 f. So Lepsius (FN 7) in einem kritischen Rundumschlag, S. 39 ff., vgl. 43, 47, 52, 57, 60 –
21 Dazu geradezu ikonoklastisch die Warnung vor „Begriffspyramiden“, z. B. Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., 1991, S. 19 ff. 22 So wiederholt Eifert (FN 5), S. 79, 86, 94. 23 Kirchhoff/Magen (FN 6), S. 169, 152, vor allem die Beiträge von Lepsius (FN 7, bes. S. 60) und Eifert (FN 5, bes. S. 80) aufnehmend; zum Vorwurf der Unzeitgemäßheit von Dogmatik vgl. den Beitrag von Schorkopf (FN 11), S. 139 ff.
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gentlich des Kaisers neue Kleider gepriesen. Aber auf Seiten der Kritiker zeigt sich wesentlich ausgeprägter, dass belastbare Argumente fehlen und sie deutlich von Emotionalität gesteuert sind. Am eindrücklichsten stellt sich mir noch der kritische Vorwurf dar, die Dogmatik diene der Erschleichung von Kompetenzzugeständnissen und Geltungsmacht: Sie verhelfe nämlich den Akteuren in Wissenschaft und Praxis zu einer „Bedeutungserhöhung“, die Oliver Lepsius auch „Selbstermächtigung“ nennt. Denn die Wissenschaft habe ein „Geltungsproblem. Mit Hilfe der Dogmatik versucht sie sich einen Anteil an der Rechtserzeugung zu sichern und zu behaupten, dass ihre Aussagen über das geltende Recht eine rechtliche Geltung besitzen.“24 Behörden und Gerichte hingegen „haben ein Kompetenzproblem: Ihre Aussagen sind nur insoweit verbindlich, als sie innerhalb der gesetzlich eingeräumten Zuständigkeit ergehen.“25 Unter Berufung auf die Rechtswissenschaft und ihre dogmatische Stützung der Gerichtsurteile könnten die Praktiker und Praktikerinnen ihre Kompetenzansprüche steigern. Die Frage ist nun: Liegt hier tatsächlich eine letztlich betrügerische Symbiose vor oder eine fruchtbare wechselseitige Verstärkung? Wer diese Frage beantworten will, muss den Versuch wagen, einen klaren Blick auf die Multifunktionalität der Dogmatik, und zwar der Rechtsdogmatik und einer Dogmatik überhaupt, zu gewinnen. Dabei ist erstens unstrittig, dass die Dogmatik nicht allein, aber doch primär im Wissenschaftssystem verankert ist – in unserem Betrachtungsspektrum in der Rechtswissenschaft und der wissenschaftlichen Theologie. Die „wissenschaftliche Selbstprüfung des Rechtssystems“ scheint in der Tat eine zentrale Aufgabe der Dogmatik zu sein. Welche begrüßenswerten Leistungen und welche Gefahren sind damit verbunden? Zweitens, und auch darin sind sich die Befürworter und Kritiker einig, operiert die Dogmatik zwischen „Gesetz und Fall“ und wird von Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft und aus der richterlichen Praxis produziert. Zumindest andeutungsweise wird immer wieder bemerkt, dass gerade Obergerichte und Höchstgerichte sich um eine Stützung ihrer Urteile durch wissenschaftlich abgesicherte Dogmatik bemühen. Dies scheint dem wissenschaftlich-dogmatisch gestützten Richterrecht einen beträchtlichen Einfluss auf die Rechtserzeugung in Aussicht zu stellen. Das wiederum ist nur zu begrüßen, da Rechtserzeugung und Gesetzgebung natürlich vielfältigen politischen, zivilgesellschaftlich-moralischen, medialen, wirtschaftlichen und anderen Erwartungen ausgesetzt sind. So jedenfalls erste Beobachtungen zum Machtkreislauf des Rechtssystems in demokratischen Gesellschaften. Welche Rolle spielt dabei die Wissenschaft jenseits der Ausbildungsorganisation für den juristischen (bzw. theologischen) Nachwuchs?
24 25
Lepsius (FN 7), S. 44. Ebd., S. 43.
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II. Was soll die Dogmatik im Wissenschaftssystem? Die hohe Bedeutung der Einbindung des Rechtssystems und auch des Religionssystems in die Wissenschaft wird jedem einleuchten, dem an einer Eindämmung oder zumindest an möglichst großer Kontrolle der Einflussnahme von Politik, Staat und Kirche (aber auch des Marktes und der Medien, der Familienloyalitäten und der sogenannten öffentlichen Moral und Meinung) auf Recht und Religion gelegen ist. Nun sind die Interdependenzen von Politik, Staat und Recht sowie Kirche und Religion ganz offensichtlich und unverzichtbar. Religion ist darüber hinaus in hohem Maße mit dem Familienleben und mit persönlichen und öffentlichen Moralen verquickt. Markt und Medien suchen intensiv Einflussnahme auf alle gesellschaftlichen Systeme und Lebensbereiche. Aber warum ist gerade die dogmatisch gestaltete Partnerschaft von Rechtssystem und Wissenschaft, von Religionssystem und Wissenschaft von so großer Bedeutung? Weckt nicht schon das Wort „Dogmatik“ auch im Wissenschaftssystem generell Bedenken und Aversionen? Warum eine so anstößige und komplizierte Brückenbildung? Ähnlich den Einschätzungen und Gewichtungen der Dogmatik im Rechtssystem (in globaler Perspektive), kennen wir auch im Blick auf die theologische Dogmatik unterschiedliche Freiheitsgrade in den verschiedenen kirchlichen Kontexten und unterschiedliche Grade der Begeisterung für die Einbindung und Kontrolle von Religion und Frömmigkeit durch die Wissenschaft. Sowohl die meisten Fundamentalisten als auch viele Orthodoxe Kirchen z. B. haben Schwierigkeiten, ein geordnetes Verhältnis von Religion und Wissenschaft in Gestalt von akademischer Theologie und Dogmatik zu entwickeln, von der Implementierung in einen gesellschaftlich und international anerkannten Forschungs- und Bildungsverbund ganz zu schweigen. Die größte und dynamischste Frömmigkeitsbewegung der Menschheitsgeschichte, die Pfingstkirchen mit einer halben Milliarde Mitglieder, scheint sich dagegen heute an vielen Orten, langsam und oft unter beträchtlichen inneren Auseinandersetzungen, einer wissenschaftlichen Ausbildung und kirchlich-wissenschaftlichen Selbstprüfung anzunähern.26 Am besten entwickelt ist die Symbiose von Religion und Wissenschaft in protestantischen und liberal-katholischen Kontexten. Was nützt sie hier? Und was nützt die wissenschaftliche Einbindung dem Rechtssystem, das doch schon durch richterliche Selbstkontrolle in der Hierarchie der Gerichte und durch politische Aufsicht ausgezeichnet orientiert und kontrolliert zu sein scheint?27 Die hohe Bedeutung der Freiheit von Forschung und Lehre wird auch von einigen der Autoren betont, die der Frage nachgehen: Was weiß die Rechtsdogmatik? Zu26 Vgl. Michael Welker (Hrsg.), The Work of the Spirit: Pneumatology and Pentecostalism, 2006. 27 Siehe dazu die sehr aufschlussreiche Diskussion: Armin von Bogdandy, The past and promise of doctrinal constructivism: A strategy for responding to the challenges facing constitutional scholarship in Europe, in: International Journal of Constitutional Law 7/3 (2009), S. 364 – 400, und Robert C. Post, Constitutional scholarship in the United States, ebd., S. 416 – 423.
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nächst scheint die Verbindung mit der freien Wissenschaft eher eine diffuse Komplexitätserhöhung mit sich zu bringen als dogmatikfreundliche Kohärenz- und Konsistenzangebote. Weite Zeithorizonte, die weitgehende Entlastung von Entscheidungsund Verwertungsdruck und der Methodenpluralismus werden als Errungenschaften der Wissenschaft genannt.28 Nicht so deutlich gesehen wird, dass diese Errungenschaften mit vielfältigen intensiven Formen der akademisch institutionalisierten Erkenntniskontrolle einhergehen, die zusätzliche Formen von Selbstprüfung und Selbstkritik zu den gerichtlichen und gesetzgeberischen bzw. kirchlichen und religiös-moralischen Formen solcher Prüfung und Kritik bereitstellen und implementieren. Da sind zunächst die engmaschigen wechselseitigen Kontrollen der Kolleginnen und Kollegen im Wissenschaftssystem und die Kontrollen durch bürokratische universitäre und schulische Organisation zu nennen, die Fachverbände und die Publikationsorgane, ferner die hohen Risiken des Reputationsverlusts und der Karriereblockade, der heute gegebene Druck, internationale Ausstrahlungskraft und zugleich Qualitätskontrolle durch entsprechende Publikationen und Tagungspräsenzen zu forcieren. Schwer nachzuvollziehen waren für mich die Polemiken dogmatikkritischer Juristen gegen die Verwissenschaftlichung des Rechts und die wissenschaftliche Dogmatik bei gleichzeitiger Sorge um internationale Anschlussfähigkeit und Reputation. Hier müssen dringend prekäre strukturelle Bedenken und zu konkretisierende Auseinandersetzungen mit bestimmten problematischen Wissenschaftsstilen differenziert werden. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus im Wissenschaftssystem der beständig erzwungene Druck durch die Auseinandersetzung mit den Studierenden, also mit der kommenden akademischen und bürgerlichen Elite, in der lebendigen Lehre, aber auch in der Vermittlung und kontrollierten, karriererelevanten Abprüfung zuverlässigen Fachwissens. Die Einbindung von Recht und Religion in das Wissenschaftssystem bzw. des Wissenschaftssystems in Recht und Religion bringt ein Phänomen mit sich, das sich leicht gedanklicher Kontrolle entzieht: Es ist dies die gleichzeitige und kovariante Steigerung von stimulierender Entwicklungskomplexität und restringierender rationaler Kontrolle in Recht und Religion. Recht und Religion leisten sich neben ihren vielen internen Kontroll- und Entwicklungsmechanismen dieses zusätzliche System der Entfaltung und Immunisierung, der offensiven und defensiven Selbstprüfung. Dabei spielt die heute leider oft auch akademisch belächelte „Wahrheitssuche“ eine ganz entscheidende Rolle. Die Verpflichtung zur Wahrheitssuche, das Selbstverständnis, in Wissenschaft, Religion und Recht in „Wahrheit suchenden Gemeinschaften“ zu stehen, klingt 28
Eifert (FN 5), S. 79 ff., betont die „produktive Entfaltung ihrer Wissenschaftlichkeit im dogmatischen Arbeiten …“ Er hebt hervor: „Ihre (scil. der Rechtswissenschaft) Freiheit von Entscheidungslast, ihre Autonomie, der offene Zeithorizont ihres Arbeitens sowie ihr Methodenpluralismus bei wissenschaftlichen Standards sichern eine fortlaufende kritische Reflexion der dogmatischen Bestände und Herausforderungen“, ebd., S. 91.
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für viele skeptische Zeitgenossen vage und chiffrierend, gar prätentiös oder größenwahnsinnig. Diese Selbstverpflichtung geht aber zunächst einher mit der disziplinierenden Erkenntnis, dass Resonanzerfolg und moralische Enthusiasmierung nicht ausreichen, um Wahrheitsansprüche erfolgreich zu erheben und zu verteidigen. Dies kann gegenüber dem Machtverbund von Markt und Medien und oft auch gegenüber einer von ihm abhängigen Politik gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Die Wissenschaft ist spröde gegenüber resonanzträchtiger Masse und moralischer Emphase oder sollte dies jedenfalls sein. Die Selbstverpflichtung zur Wahrheitssuche muss einhergehen mit der in der Moderne oft schwer zu vermittelnden Erkenntnis, dass Wahrheit wohl Gewissheit und Konsens einschließen kann und in der Regel einschließen sollte, dass die Wahrheitssuche aber auch immer wieder Gewissheiten und Konsensbildung problematisiert. Sie sollte ferner einhergehen mit der gerade im Wissenschaftssystem schwer zu vermittelnden Erkenntnis, dass auch lange eingespielte Kohärenz- und Richtigkeitsbehauptungen trügerisch sein können. Kovariante Irritation und Steigerung von Suche nach Gewissheit und Konsens auf der einen Seite, Kohärenzgewinn und Richtigkeitserkenntnis auf der anderen Seite ist für den Weg der Wahrheitssuche charakteristisch.29 Gewissheitstheorien, Konsenstheorien, Kohärenztheorien und beide Seiten verbindende Korrespondenztheorien müssen also aufgeboten werden, um den anspruchsvollen Weg der Wahrheitssuche angemessen zu charakterisieren und zu steuern. So wie es den Glauben ehrt, dass er eine wie immer emotionalisierte Religiosität und diverse wie immer eingespielte religiöse Autoritäts- und Abhängigkeitsverhältnisse durch die wissenschaftlich kultivierte Wahrheitssuche geprüft und begleitet sehen will, so ehrt es das Rechtssystem, dass es die Suche nach Gerechtigkeit, nach Konfliktlösung und Steuerung wohlgeordneter gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse auch durch die wissenschaftlich kultivierte Wahrheitssuche bereichern, filtern und prägen lässt. Die Rechtsdogmatik und die theologische Dogmatik sorgen nun dafür, dass dieses Sich-Binden an das Wissenschaftssystem und das Sich-Bewegen darin immer wieder eine klare und überschaubare, mit dem Anspruch auf Wahrheitserkenntnis und praktisch-funktionale Effizienz verbundene Versprachlichung gewinnen.30 Hier können 29
Vgl. John Polkinghorne/Michael Welker, An den lebendigen Gott glauben. Ein Gespräch, 2005, Kap. 9; ferner meine Kritik: Michael Welker, Subjektivistischer Glaube als religiöse Falle, in: Ingolf U. Dalferth/Philipp Stoellger (Hrsg.), Krisen der Subjektivität. Problemfelder eines strittigen Paradigmas, 2005, S. 143 – 156. Impulse von Joseph Weilers Kritik an einer „Christophobie in Europa“ aufnehmend, habe ich diese Auseinandersetzung dogmatisch vertieft in: Michael Welker, Gottes Offenbarung: Christologie, 2. Aufl., 2012, S. 28 ff. u. 39 ff. Siehe auch die Darstellung von Wilfried Härle, Dogmatik im Gesamtzusammenhang der Theologie als Wissenschaft, in: ders., Dogmatik, 3. Aufl., 2007, S. 3 – 9 und 14 – 28. 30 Siehe dazu auch Wolfhart Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 1973, S. 426 – 442.
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dann die mehr oder weniger berechtigten Kritiken an reduktionistischen Prinzipien und Systematiken, an inhaltlich ausufernden Gedanken- und Buchproduktionen, an kontextuellen Verengungen oder sogar Ideologisierungen und vielen anderen Fehlentwicklungen der Dogmatik ansetzen. An dieser Stelle muss denn auch immer wieder für geeignete wissenschaftliche Formen und Methoden geworben und gestritten werden. Sehe ich recht, so sind es unter anderem die Differenz und Kooperation von Rechtsdogmatik und Methodenlehre im Recht, im Bereich der Theologie die Verhältnisbestimmung von Dogmatik und betont interdisziplinär (früher besonders in Disput und Dialog mit der Philosophie) geöffneter Systematischer Theologie, die an diesen Problemen zu arbeiten nötigen. Um eine klare Perspektive auf unverzichtbare Minimalstrukturen und Optimierungsmöglichkeiten in beiden Kontexten zu gewinnen, muss zunächst die Multifunktionalität der Dogmatik erfasst und gewürdigt werden. III. Die Multifunktionalität der Dogmatik Bei der Erfassung der Multifunktionalität der Dogmatik war mir gerade eine Minimalbestimmung besonders hilfreich, die Andreas Voßkuhle im Anschluss an Robert Alexys „Theorie der juristischen Argumentation“ vorgestellt hat.31 Eine Rechtsdogmatik ist danach „(1) eine Klasse von Sätzen, die (2) auf die gesatzte Norm und die Rechtsprechung bezogen, aber nicht mit ihrer Beschreibung identisch ist, (3) untereinander in einem Zusammenhang stehen, (4) von einem professionellen Rechtsstab (Richter, Verwaltungsbeamte, Wissenschaftler etc.) aufgestellt und diskutiert werden und (5) normativen Gehalt haben.“
Viele populäre und auch professionelle Ansichten über Dogmatik im Allgemeinen konzentrieren sich vor allem auf eine mehr oder weniger große „Klasse von Sätzen, die untereinander im Zusammenhang stehen und normativen Gehalt haben“. Die beobachtete Sperrigkeit des Einbaus der Dogmatik in das Wissenschaftssystem aus der Sicht von Religion und Recht, aber auch aus der Sicht der Wissenschaft, ergibt sich, sehe ich recht, im Rechtssystem aus dem unabdingbaren Doppelbezug einerseits zur „gesatzten Norm und Rechtsprechung“ – andererseits zum „professionellen Rechtsstab“ mit seinen beamteten Vertretern. Im Blick auf das christliche Religionssystem ist dies der normative Bezug auf „Schrift und Bekenntnis“ (oder Schrift, Bekenntnis, kirchliche Tradition) einerseits und zur religiösen und oft auch kirchlichen Bindung von Theologie und Dogmatik und ihrer Vertreterinnen und Vertreter andererseits.
31 Andreas Voßkuhle, Was leistet Rechtsdogmatik? Zusammenführung und Ausblick in 12 Thesen, in: Was weiß Dogmatik? (FN 2), S. 111; im Anschluss an Robert Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 3. Aufl., 1996, S. 314; vgl. auch Waldhoff (FN 8), S. 26.
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Mit großer Klarheit hat Udo Di Fabio formuliert: „Mit jedem Dogma muss deshalb zuerst sichergestellt werden, dass es das Hauptdogma der Gesetzesbindung garantiert.“32 Er hat von „Rechtsdogmen erster Ordnung“ gesprochen: „das Prinzip vom Vorrang des Gesetzes, der Geltungsvorrang der Verfassung, der Gesetzesvorbehalt“ und schließlich „der europarechtliche Anwendungsvorrang“. In großer Gelassenheit, die man vielen dogmatischen und systematischen Theologen nur anempfehlen kann, stellt er fest: „Das Gesetz ist für den Juristen das, was die Heilige Schrift für den Theologen in den großen Schriftreligionen ist.“ Eine der wichtigsten Funktionen der theologischen Dogmatik und zugleich eine ihrer größten Schwierigkeiten ist in der Tat die Pflege der sogenannten „Schriftbindung“. Über die Schriftbindung gewinnt die theologische Dogmatik ihr hohes inhaltliches und normatives Gewicht. Die hohe Bedeutung der Schriftbindung seriöser theologischer Dogmatik muss gegenüber zahlreichen „Systematischen Theologien“, aber auch sogenannten „Lehren der Kirchen“ betont werden, die diese Rückbindung auf die leichte Schulter nehmen zu können meinen. Selbstgebastelte Systematiken, um einige tatsächliche oder vermeintliche religiöse Evidenzerfahrungen, Grundgedanken philosophischer Klassiker oder moralische Modeerscheinungen herum entwickelt, können sich natürlich leicht dem halbgebildeten Common sense empfehlen, der den Staub der Jahrhunderte und die obskuren Weltbilder der Vergangenheit vornehm hinter sich lassen will. Sie können sich mit aktuellen Stilen wissenschaftlichen und moralischen Denkens locker verbinden und zudem immer die Transparente „Wir sind Hüter der Redlichkeit und Bescheidenheit“ in den Himmel heben. Die biblischen Überlieferungen dagegen sind über ein Jahrtausend gewachsen und haben eine komplexe 2000-jährige Ausstrahlungs- und Wirkungsgeschichte. Doch lassen sie sich überhaupt seriös in eine Dogmatik, „in eine Klasse von Sätzen, die untereinander in einem Zusammenhang stehen“, einholen? Begegnet uns in ihnen nicht eine unbeherrschbare Komplexität religiöser Äußerungen, die im Einzelnen zudem oft höchst fragwürdig sind? Analoge Bedenken lassen sich höchstwahrscheinlich gegenüber der emphatischen Berufung auf „das Gesetz“ und auf „die Gesetzgebung“ formulieren. Demgegenüber verpflichtet sich eine gute Dogmatik auf eine hohe Imaginations- und Falsifikationssensibilität, die sich tatsächlich dem enormen Druck der Gesamtheit eines über Jahrhunderte gewachsenen religiösen bzw. rechtlichen Wissens stellt. Treffend sind die von Udo Di Fabio im Anschluss an Niklas Luhmann vorgetragenen Beobachtungen zur dogmatischen „Argumentationskultur“, die „eine Mischung aus Rigidität und Elastizität“, ein multikontextuell erfolgreich befolgtes Plädoyer „für die Notwendigkeit begrifflichen Argumentierens im Recht“ und zugleich flexible „Stoppregel(n) für Begründungen suchendes Räsonieren“ bereitstellt.33 Diese Verwegenheit der Dogmatik, auf „das Ganze“ des rechtlich und religiös zu Denkenden bzw. des rechtlichen und religiösen Denkens zuzugreifen, erfordert ei32
Di Fabio (FN 12), S. 65; die folgenden Belege S. 65 f. Ebd., S. 71, unter Verweis auf Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 387. 33
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nerseits die Skrupulosität der beständigen „wissenschaftlichen Selbstprüfung“, sie ermöglicht es aber auch, die sogenannte „operative Schließung“ des Rechtssystems in definitiven Urteilen bzw. des Religionssystems in Ausgrenzung von Irrlehre und Häresie zu betätigen. An dieser Stelle sehen wir, wie wichtig es ist, zu enge Begriffe von System und Systematizität bei Befürwortern und Kritikern der Dogmatik zu kontrollieren. Wir sehen, warum die Formel von Eberhard Schmidt-Aßmann so erfolgreich war und ist: „Dogmatik ist … Systemnutzung und Systembildung zugleich.“34 Man könnte auch formulieren: Dogmatik ist Systemunterstellung und Systematizitätsbewährung! Die Dogmatik strebt immer Kohärenz und Konsistenz und einen stimmigen Zusammenhang ihrer Aussagen an. Doch diese Kohärenz und Konsistenz muss jeweils im Blick auf eine überwältigende normative Komplexität perspektivisch formuliert und im Blick auf evolutionäre und emergente Prozesse der Erkenntnisentwicklung gewonnen und bestätigt werden. Dies ist nicht die Ausgeburt eines Willens zu wahnhafter Spekulation, sondern die disziplinierte Bereitschaft, die Einheit einer Erkenntnis- und Praxistotalität in einem vieldimensionalen theoretischen und praktischen Zugriff zu erhalten. Die Dogmatik trotzt der Kontingenz des wirklich gelebten Lebens und der Resignation und dem Zynismus angesichts des Fragens nach Gerechtigkeit und Wahrheit. Ein Modell von neun in wechselseitigen Bedingungsverhältnissen stehenden Ebenen erlaubt es, die beeindruckende Leistungskraft der Rechtsdogmatik und der theologischen Dogmatik in vergleichender Betrachtung zu erfassen. IV. Rechtsdogmatik und theologische Dogmatik als Vernetzung von neun Erkenntnis- und Operationsebenen 1. Die Rechtsdogmatik sorgt dafür, dass die Rede von der „Einheit“ und Identität des Rechts nicht eine Wunschvorstellung und Chiffre bleibt. Sie nimmt aus verschiedenen Perspektiven, aber auch begrifflich konzentriert auf die „Sinntotalität Recht“ Bezug. Hochetablierte Juristen wagen es denn auch, von der Notwendigkeit zu sprechen, „ein gesättigtes Gefühl“ in Rechtsgebieten auszubilden,35 oder davon, dass das Recht „gesellschaftliche Wertungen und Wertungsänderungen mit Fühlbegriffen (ertaste), also Begriffssensoren seiner Dogmatik“ benötige36. Brauchbare Dogmatik bleibt selbst in dieser subtilen Steuerung nicht bei säuseligen Bemerkungen über „das Recht im Allgemeinen“ stehen. Die dogmatische Qualität erweist sich gerade in der beständigen Suche nach geeigneten Begriffen von Recht und Gerechtigkeit und in der überzeugenden Vernetzung der Integrations-, Einheits- und Ganzheitskon34 Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl., 2006, Kap. 1. 35 Hassemer (FN 9), S. 4. 36 Di Fabio (FN 12), S. 76 f.
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zepte mit den anderen Erkenntnis- und Operationsebenen, zumindest mit einigen von ihnen. In der Theologie sieht sich die Dogmatik genötigt, auf „Gott“, „den Glauben“ bzw. „die (christliche) Religiosität“ Bezug zu nehmen. In beiden Fällen werden – spontane oder nach eingehender Prüfung erfolgende – verlässliche Urteile erwartet, ob Äußerungen und Ereignisse im Bereich der Sinntotalität Recht bzw. der Sinntotalität (christliche) Religion normativ zu verorten sind. Die dogmatisch begründend einzuholenden Entscheidungen über „Öffnung und Schließung“ des Systems sind nur so nachvollziehbar. Diese erste Ebene wird in der dogmatischen Arbeit oft latent mitgeführt. Zwischen den Denkstilen ist oft strittig, ob sie als nur chiffrierend erfassbare relative Totalität oder als fokussierbarer Ausgangs- und Fluchtpunkt der Orientierung präsent zu halten ist. Im zweiten Fall: Welche Minimalbedingungen an Strukturbildung müssen erfüllt werden? Reicht etwa in der Theologie ein deus simplex als letzter Referenzpunkt aus – oder müssen mindestens Kerngedanken der Trinitätslehre aufgeboten werden? 2. Dieser Zugriff auf das relative „Ganze“ oder das „Ultimative“ erfolgt vor dem Hintergrund eines überwältigend großen normativen Textzusammenhangs: „das (kodifizierte) Gesetz“ bzw. „die kanonisierte Heilige Schrift“.37 Udo Di Fabio betont mit Recht: „Politische Gestaltungsmacht und richterliche Unabhängigkeit gibt es nur durch Bindung an Recht und Gesetz.“38 Analog sah Karl Barth „Autorität und Freiheit in der Kirche“ mit der Bindung an die Schrift als „Zeugnis von der Offenbarung Gottes“ verbunden.39 In der Bearbeitung dieses enormen Textzusammenhangs kooperiert die Dogmatik mit exegetischen und historischen Disziplinen, die mir in der Theologie noch stärker wissenschaftlich ausdifferenziert und abgegrenzt zu sein scheinen als im Rechtssystem. Für eine qualitativ befriedigende dogmatische Arbeit unter beständigem Rückgriff auf exegetische und historische Forschung ist die Integrationsleistung des Wissenschaftssystems unverzichtbar. Allerdings haben die neueren wissenschaftlich höchst erfolgreichen Entwicklungen in den exegetischen und historischen Disziplinen für die theologische Dogmatik die „Schriftbindung“ erheblich kompliziert. Die zunehmende multikontextuelle Sen37 Der christlich-biblische Kanon ist nur in wenigen Randtexten variabel; in der Rezeption gibt es nur schwache Differenzen in der Bestimmung seines Umfangs in den Kirchen. Er ist nicht absolut geschlossen – im Prinzip könnten wir ein fünftes Evangelium oder einen weiteren Schriftpropheten entdecken –, aber er tendiert zur Schließung. Eine erfolgreiche Kandidatur zur Erweiterung des Kanons würde gewaltige theologische und ökumenisch-kirchliche tektonische Verschiebungen erforderlich machen. Diese Verfassung teilen der jüdische, der christliche und auch der konfuzianische Kanon. Der römische und der griechische Kanon und die Kanones der Literaturpäpste diesseits und jenseits des Atlantiks dagegen benennen nur ein Ensemble von Klassikern; sie sind viel stärker zeitgeist-affin, lassen aber deshalb auch die normative Grenzlagensensibilität und die entsprechenden Bindekräfte vermissen. Sie sind nicht hinreichend dogmatisch. 38 Di Fabio (FN 12), S. 66. 39 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik I/2 (1937), Studienausgabe 1993, S. 505 – 830.
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sibilisierung sowohl im Blick auf den biblischen Kanon als auch im Blick auf die historischen und ökumenischen Kontexte stellen den Zugriff auf „die Einheit“ und „das Ganze“ des Glaubens, der Schrift und der Kirche zunehmend unter Druck.40 Um dem Zerfall der Exegese in eine unübersehbare Mannigfaltigkeit von historischen Spezialuntersuchungen mit oft schwindender theologischer Relevanz entgegenzusteuern, sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interdisziplinäre Konzepte, Projekte und Publikationsreihen unter dem Titel „Biblische Theologie“ entwickelt worden.41 Viele problematische Vorschläge, die „Einheit der Schrift“ oder die „eine biblische Theologie“ definitiv zu identifizieren, machten deutlich, dass sich die interdisziplinäre Kooperation und die Leistungskraft der Dogmatik vor allem auf den folgenden Ebenen zunehmender Spezifikation bewähren müssen, dass der Bezug auf „das Ganze“ der Ebenen 1 und 2 multiperspektivisch eingeholt und bewährt werden muss. Dies dürfte sowohl für die Rechtsdogmatik als auch für die theologische Dogmatik gelten. Die emphatische Bezugnahme auf „Gott und die Schrift“ bzw. „Gerechtigkeit und Gesetz“ ist unverzichtbar – aber dogmatisch unzureichend. 3. Der Textzusammenhang „das Gesetz“ bzw. „die Heilige Schrift“ imponiert sich in einzelnen Texten bzw. Textkomplexen und komplexen Themenstellungen, die die Dogmatiken aufnehmen und unter rein wissenschaftlichen oder rechtspraktischen bzw. praktisch-theologischen Leitperspektiven oder in Mischformen systematisch bearbeiten. Hier setzt die „Systematisierung“ ein, die sich mehr oder weniger kreativ und ingeniös mit Blick auf die Einheit und Kohärenz des ganzen Wissensgebiets und seiner normativen Texte entfalten kann. Die überzeugende Selektion und thematische Spezifikation und die dogmatische Kontextualisierung und Verknüpfung der ausgewählten Themen ist eine ganz entscheidende Aufgabe der Dogmatik. Dabei sind die inneren Rationalitäten der Entwicklung von Gesetz und Recht in Konfliktfallbewältigung und sozialer Steuerung zu beachten, die Matthias Jestaedt vorzüglich im Dreischritt von „Dekontextualisierung – Konsistentialisierung – (Re-)Konkretisierung“ beschreibt.42 Diese Operationen prägen schon exakt die biblisch greifbare „archaische Rechtskultur“ vor fast 3000 Jahren.43 Die klassische theologische Dogmatik hat sich in einer begrenzten Zahl von „loci“ entfaltet, die das Ganze des christlichen Glaubens mehrperspektivisch einholen. So können Dogmatiken z. B. von der Gotteslehre, der Christologie, der Pneumatologie, der Glaubenslehre oder der Ekklesiologie her entwickelt werden, wobei die Bezüge 40
Siehe dazu Michael Welker, Historik kirchlicher Zeitgeschichte und systematisch-theologische Urteilsbildung, in: Jahrbuch für Kirchliche Zeitgeschichte 5 (1992), S. 31 – 40. 41 Bernd Janowski/Michael Welker, Art.: Biblische Theologie, in: RGG, 4. Aufl., 1998; dies. (Hrsg.), Jahrbuch für Biblische Theologie, Bd. 1: Einheit und Vielfalt Biblischer Theologie, 1986, 3. Aufl., 1991. (Inzwischen sind 26 Bände in großer Themenvielfalt und von disziplinär und ökumenisch unterschiedlichen HerausgeberInnen betreut erschienen.) 42 Jestaedt (FN 6), S. 125 f. 43 Dies zeigt Michael Welker, Theologie und Recht, in: Der Staat 49 (2010), S. 573 – 585; ders., The Power of Mercy in Biblical Law, in: Journal of Law and Religion 29, Frühjahr 2014.
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zu den jeweils anderen Teilbereichen bzw. deren Integration deutlich gemacht werden müssen. 4. Die dogmatische Arbeit – auch wenn sie aus der Praxis heraus erfolgt – muss in allen folgenden Schritten wissenschaftskompatibel sein. Sie kann aber auch – auf dieser vierten Ebene – vor allem auf innerwissenschaftliche Relevanz und Akzeptanz abstellen und so eher nur indirekt der wissenschaftlichen Selbstprüfung des Rechtssystems oder der Kirche dienen. Sie dient hier der „normativen Distanzierung“, der Verfremdung, auch der heute notorisch geforderten interdisziplinären und internationalen Kommunikation. Hier können selbst hybride wissenschaftliche Kooperationen (z. B. Theologie und Naturwissenschaften, Recht und Kunst etc.) auf ihre Fruchtbarkeit hin erprobt werden. Wichtig sind dabei die überzeugende thematische Konzentration und die gelingende akademische Qualitätskontrolle. Generalistische „Metadiskurse“ um des Dialogs überhaupt willen und medien- und Common sense-freundliche erbauliche Bekundungen gemeinsamer Bemühungen um moralische Aufrüstung und verbale Weltverbesserung sind kontraproduktiv. Gerade hier ist die dogmatische Disziplinierung im Blick auf die anderen Operationsebenen unverzichtbar. Die erfolgreiche Platzierung von mit Recht und Religion befassten Lehr- und Forschungsoperationen im Wissenschaftssystem überhaupt sichert noch nicht rechtsdogmatische und theologisch-dogmatische Relevanz. Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie, Rechtspolitik und Rechtssoziologie, aber auch Kirchengeschichte, Exegese, Religionsphilosophie, Interkulturelle Theologie können auf dieser Ebene zur Geschichtswissenschaft, Philosophie, Soziologie, Politik- oder Kulturwissenschaft mit mehr oder weniger starken Gewichtungen von Recht und Religion und Außenperspektiven auf Recht und Theologie werden. Dies kann zu fruchtbaren Selbstdistanzierungen Anlass geben, aber auch zu Selbstentfremdungen, die der Fachrationalität und Fachentwicklung nicht mehr zuträglich ist. 5. Im engeren Sinne klassisch-dogmatisch sind die Bemühungen, entweder topdown methodisch und formal orientiert oder bottom-up themazentriert größere Zusammenhänge des auf den drei ersten Ebenen erschlossenen jeweiligen Wissensgebiets zu versprachlichen.44 Das heißt im Bereich der Theologie etwa, eine „Dogmatik“, eine „Systematische Theologie“ zu verfassen oder ein Buch oder einen Aufsatz zu einem der zentralen Themen der Dogmatik (loci). Entscheidend ist dabei die Leistung der wissenschaftlichen Dogmatik, den komplexen Zusammenhang der „wichtigsten Glaubensinhalte“ zu erschließen, sie zu ordnen und zu rechtfertigen, warum die einzelnen Inhalte für den Glauben tatsächlich zentral sind und jeweils eine Perspektive auf das Ganze des Glaubens zu entwickeln erlauben. Als optimale Form wählen viele einen Gesamtentwurf bietende Dogmatiken die Orientierung an den großen Altkirchlichen Glaubensbekenntnissen, am Apostoli44 Vgl. zum Recht: Werner Krawietz, Haupt- und Gegenströmungen in der juristischen Methodik und ihre rechtstheoretischen Implikationen, in: Rechtstheorie 42 (2011), S. 457 – 494.
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schen Glaubensbekenntnis und am Nizänischen Glaubensbekenntnis, genauer am Nicaeno-Constantinopolitanum aus dem Jahre 381. Hinter diesen summierenden Glaubensbekenntnissen stehen einerseits die biblischen Überlieferungen mit ihrem hohen historischen, kulturellen, kanonischen und theologischen Gewicht, andererseits die Nötigung der Dogmatik, auf jeweils gegenwärtige Empfindungen und Überzeugungen, Gewissheiten, Konsense, Vorstellungen von Richtigkeit und Stimmigkeit und in all dem auf aktuelle Wahrheitsansprüche Bezug zu nehmen. Dabei zeigen schon die erfolgreicheren Titel „Dogmatik“, „Kirchliche Dogmatik“, „Biblische Dogmatik“, „Ökumenische Dogmatik“ gewisse Gewichtungsverschiebungen. Die beliebtere Titulierung „Systematische Theologie“ signalisiert die gezielte wissenschaftlich-interdisziplinäre Vernetzung, früher vor allem mit der Philosophie, heute stärker mit Sozial- und Kulturwissenschaften. In der Rechtswissenschaft scheint dem die differenzierte Verbindung von Dogmatik, Methodenlehre und Rechtstheorie zu entsprechen. Genauer vergleichend zu erforschen wären noch die Verbindungen von Dogmatik und Exegese und das Verhältnis zur in beiden Fächern ausgeprägten Produktion von Kommentaren. Unter der Programmformel „Biblische Theologie“ ist diese Verbindung auf Seiten der Theologie im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern vorangetrieben worden. Sie versucht, eine hoch entwickelte Exegese dogmatisch einzubinden, eine Exegese, die sich der Zeittiefe der normativen kanonischen Texte stellen will mit den Instrumenten: Textkritik, Literarkritik, mit den Fragestellungen der Überlieferungsgeschichte, Redaktionsgeschichte, Formgeschichte, Traditionsgeschichte, schließlich der historischen Sinnbestimmung in religiongsgeschichtlichen Kontexten.45 Wie leicht zu sehen, steht sie damit in der Gefahr, sich mit bestenfalls geschichtswissenschaftlichen, philologischen und religionsgeschichtlichen Meisterleistungen von systematischen und dogmatischen Aufgabenstellungen zu dispensieren. Deutlicher in der Rechtswissenschaft als in der wissenschaftlichen Theologie sorgt die Dogmatik dafür, dass die gegenwartsrelevante und praxisrelevante Einbindung der Exegese sowie der auf der Ebene 4) genannten Teildisziplinen erhalten bleibt. 6. Beide Dogmatiken, juristische und theologische Dogmatik, sind für die Ausbildung und, zumindest partiell, für die Berufspraxis der gebildeten und professionell kontrollierten Amtsträgerinnen und Amtsträger relevant. Die Rückwirkung der richterlichen Rechtsfortbildung auf die Rechtsdogmatik scheint mir allerdings erheblich besser ausgebildet und erwartbar als die der Pastorinnen und Pastoren und der Religionslehrerinnen und Religionslehrer auf die theologische Dogmatik. Sie steuern eher diffus über die von ihnen mit ausgelösten Resonanzerfolge der wissenschaftlichen theologischen Literatur mit. Hier entstehen Kommunikationsaufgaben zwi45 Vgl. dazu vorbildlich Odil Hannes Steck, Exegese des Alten Testaments. Leitfaden der Methodik, 14. Aufl., Neukirchen 1999.
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schen systematischer und praktischer Theologie, die bisher nur unzureichend bewältigt werden und die wohl auch mit der, jedenfalls in meiner Sicht, kirchlichen und praktisch-theologischen Scheu vor empirisch gestützter Selbstprüfung zusammenhängen. Zugleich schalten sich im Religionssystem erheblich stärker die gebildeten und halbgebildeten sogenannten Laien in die Resonanzsteuerung der wissenschaftlich-theologischen und dogmatischen Gedankenproduktion mit ein. Damit entsteht eine Anfälligkeit für Zeitgeistschwankungen und moralische Moden, die wohl erheblich stärker auf das Religionssystem durchschlagen als auf das Rechtssystem. 7. Beide Formen von Dogmatik, juristische und theologische Dogmatik, werden wirksam in einem organisierten außerwissenschaftlichen Institutionsgeflecht. Im Rechtssystem sind dies wohl primär die Gerichte, im Religionssystem die Gottesdienste und die Jugend- und Erwachsenenbildung – in großen Teilen Deutschlands die religiöse Bildung an Schulen. Im Religionssystem sehe ich in diesem Geflecht der Institutionen heute eher Allergien gegenüber der Dogmatik vorherrschen, wie sie auch von den Kritikern der Rechtsdogmatiken zum Ausdruck gebracht werden. Eine Verständigung über die Kompetenzen und das Leistungsspektrum von Dogmatik sollte nicht einfach Vorbehalte mit Vorhaltungen abzubauen suchen, sondern mit transparenterer und verbesserter dogmatischer Funktionserfüllung wieder Vertrauen gewinnen. Auf dem Gebiet der theologischen Dogmatik dient die „wissenschaftliche Selbstprüfung der christlichen Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott“ der immer neuen Beschäftigung mit den Ebenen 1 – 3, um den Gefahren liturgistischer und biblizistischer Erstarrung und fundamentalistischer Rechthaberei zu begegnen, aber auch der Auflösung eines durchgebildeten Glaubens und gepflegter Religiosität in der Anpassung an immer neue politisch-moralisch-medial imponierte Modewellen oder in der Irritation und Zerrüttung durch moralisch-politische Konfliktlagen entgegenzuwirken. 8. Die Dogmatik nötigt im Rechts- und Religionssystem zur bewussten, inhaltlich zu bewährenden Pflege einer professionellen Doppelidentität. Diese Doppelidentität sollte nicht auf Jugend (in der Ausbildung im Wissenschaftssystem) und Reife (Akteure in Rechtspraxis, Kirchen und religiöser Bildung) aufgeteilt werden. Sie verpflichtet zu lebenslangem, fachrelevantem Lernen und zur Bereitschaft zu Selbstkritik und Systemkritik. Diese spannungsreiche Doppelidentität hält einerseits sensibel für das Gewicht der zu vertretenen „Sache“, das Amt und den Auftrag. Sie hält aber auch sensibel im Blick auf die Anforderungsprofile in der rechtlichen und religiösen Lebenspraxis und die von ihr immer wieder offen gehaltenen „Gerechtigkeitsanforderungen“ (J. Esser) und Wahrheitsfragen. Diese Doppelidentität erleichtert es den professionellen Praktikern im Rechtsund Religionssystem, sich einfühlsam, selbstkritisch und lernbereit den Menschen zuzuwenden, die in oft schwierigen Krisen- und Übergangslagen rechtliche und religiöse Hilfe suchen („Anrufung“!) – zugleich aber sicherzustellen, dass in dieser Zuwendung die rechtliche und religiöse Normativität geprüft, bewährt und weiterent-
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wickelt wird, so dass die Betroffenen nach bestem Wissen und Gewissen mit der Gerechtigkeit des Rechts und der Wahrheit des Glaubens befreiend konfrontiert werden. Die vielleicht unscheinbarste, aber wichtigste Wirkungs- und Bewährungsebene der Dogmatik ist die Ebene der konkreten Fälle in der Praxis von Recht und Religion, die mit zahlreichen persönlichen Betroffenheiten verbunden ist. Die Emphase der Frage nach Recht und Gerechtigkeit, Gott und Erlösung und in beiden Kontexten seriöser Suche nach Wahrheitserkenntnis steht hier auf dem Prüfstand. Die enormen Bemühungen, sich wirklich immer wieder der gesamten Komplexität von Recht und Religion zu stellen, immer wieder auf Kohärenz und Konsistenz zu dringen, die in konkreten theoretischen und praktischen Problemlagen angemessenen rechtlichen und religiösen Texte und Verfahren zu identifizieren, verantwortliche Systematisierung und Versprachlichungen zu suchen und kontextsensibel, sachlich ernst und persönlich einfühlsam zu vermitteln – das ganze Geflecht dieser dogmatischen Bemühungen sucht dem zu entsprechen. Die verschiedenen Ausprägungen der Dogmatik müssen sich in diesen konkreten Praxiskontexten und den ja oft beträchtlichen existentiellen Krisen und Nöten der Menschen bewähren. 9. Dabei muss die Leistung der Dogmatik nicht nur im Blick auf konkrete Überzeugungsarbeit in spezifischen rechtlichen, kultischen und pädagogischen Situationen herausgearbeitet werden, sondern auch im Blick auf die Pflege des allgemeinen rechtlichen, moralischen und religiösen Bewusstseins und damit im Blick auf Kernbereiche der „kulturellen Klimatisierung“. Die Investitionen auf den verschiedenen Ebenen dogmatischer Arbeit leisten einen polyphonen Beitrag zur Bildung eines komplexen Gemeinwesens. Dieser Bildungsbeitrag wird in seinem Gewicht und in seiner Unverzichtbarkeit erkennbar – gerade inmitten der heute inflationär zunehmenden Kontext- und Globalisierungssensibilität. Der Umgang mit Multikontextualität ist für die Dogmatik schon aufgrund ihrer Gesetzes- und Schriftbindung und der damit erforderlichen historischen Bildung keine fremde Anforderung. Er wird heute im Blick auf eine bewusste Selbstverortung von Recht und Religion in der Spannungswelt gesellschaftlicher Teilsysteme, Assoziationen und Milieus, in multikonfessionellen und multireligiösen Konstellationen und multinationalen politischen Verhältnissen mit unterschiedlichen Entwicklungsdynamiken abverlangt, obwohl er intellektuelle und emotionale Verarbeitungskapazitäten weit übersteigt. Es ist wichtig zu erkennen, dass Dogmatik gerade nicht ein großes Instrument der Vereinfachung und Selbstimmunisierung ist, sondern eine auf mehreren Ebenen herausgeforderte Instanz kritischer und selbstkritischer Sachbezogenheit. Es ist sekundär, ob die Rechtsdogmatiken oder theologischen Dogmatiken Anschlüsse primär an Ontologien, Reflexionstheorien oder eher historisch oder systematisch strukturierte Gesellschaftstheorien suchen. Auch in dieser Hinsicht ist ein offen gelegter Methodenpluralismus nur förderlich. Zusatz: Zumindest auf der Ebene der theologischen Dogmatik bzw. Systematischen Theologie sehe ich – vielleicht als Ersatz für die unzureichende professionelle Kooperation in der Arbeit an der Dogmatik von Seiten der Praktiker – ein Bemühen,
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die Dogmatik in einem Stil zu präsentieren, der die Bewusstseinsstellung des einzelnen Menschen oder einer Vielzahl von Menschen zur göttlichen Offenbarung beständig mit-reflektiert: a) So haben wir Dogmatiken (Beispiel: Karl Barth), die sich als Explikation des göttlichen Sich-Explizierens verstehen. Sie erzeugen gelegentlich den Eindruck, fundamentalistisch zu sein, bringen aber eine starke Leidenschaft dafür auf, die den Menschen ansprechende Autorität des Wortes Gottes zu erläutern und die Objektivität der Glaubensgrundlagen darzustellen. b) Andere Dogmatiken oder eher Systematische Theologien (Beispiel: Paul Tillich) fassen eine dialogische Konstellation zwischen „Gottes Wort und des Menschen Antwort“ ins Auge und entwickeln Methoden der Korrelation und Dialektik, um beide Größen aufeinander zu beziehen. Sie begeistern oder irritieren durch ihre Fähigkeit, die Bezugssysteme zu wechseln (Theologie und Philosophie, Theologie und Kulturtheorie). c) Wieder andere Systematische Theologien oder Glaubenslehren gehen von der polyphon-geselligen Grundkonstellation geistlicher Kommunikation aus, bei gleichzeitiger Identifikation von fundamentalen Bewusstseinsstellungen, die unverzichtbar für die religiöse Kommunikation sind (Beispiel: Friedrich Schleiermacher). Sie lassen sich am leichtesten in kulturwissenschaftliche und multidisziplinäre Ansätze integrieren und übersetzen, haben allerdings oft Schwierigkeiten, die materialen Glaubensinhalte und eine angemessene Schriftbindung zu beherbergen. d) In den letzten Jahrzehnten bieten sich betont kontextuelle Entwürfe an (zum Beispiel Befreiungstheologien), die eine bestimmte gesellschaftliche oder moralisch-politische Situation als Rahmenvorgabe wählen. Sie nehmen die von Werner Krawietz einst für das Recht geforderte Beachtung des Zusammenhangs mit dem „politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext“ nun für die Religion sehr ernst, können aber oft nicht mehr glaubwürdig als Dogmatik kandidieren (bzw. wollen es auch gar nicht mehr), da sie sowohl kontextuell-regional als auch theologisch-inhaltlich allzu selektiv vorgehen. e) Eine interessante Herausforderung für das dogmatische Denken sind multikontextuelle und multisystemische Ansätze, die historische und gegenwärtige Kontexte mit betonten formalen und thematischen theologischen Schwerpunktbildungen relationieren (Beispiele bieten thematisch konzentrierte Biblische Theologien oder komplexe historisch-zeitgeschichtlich vernetzte dogmatische Ansätze).46 Der Übergang von dogmatischen Gesamtentwürfen zu dogmatisch-thematischen Konzentrationen in der neueren theologischen Literaturproduktion ist 46 Zum Gebiet der Rechtsdogmatik vgl. Werner Krawietz, Modern Society and Global Legal System as Normative Order of Primary and Secondary Social Systems – An Outline of a Communication Theory of Law, in: ProtoSociology. An International Journal of Interdisciplinary Research 26 (2009), S. 121 – 149.
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darin stilbildend. Offen ist, ob damit das Aufgabenspektrum der Dogmatik wirklich angemessen aufgenommen und wahrgenommen werden kann. Handelt es sich um eine innovative Entwicklung oder um einen Kräfteverfall? Die weitere Reflexion auf die Leistungsanforderungen an die Dogmatik sollte diese Frage im Auge behalten.47
47 Eine erste Fassung dieses Beitrags wurde vorgetragen in einem interdisziplinären Gesprächskreis über Rechtsdogmatik und Theologische Dogmatik im Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg. Armin von Bogdandy, Matthias Goldmann, Ute Mager, Eberhard Schmidt-Assmann und Klaus Tanner bin ich für hilfreiche Kommentare verbunden. Mein Dank gilt auch dem Philosophen Rüdiger Bittner, Bielefeld, für seine Kommentare zur ersten Fassung.
IV. Emanzipation des Rechtsdenkens und neoanalytische Rhetorik
Analytical Rhetoric as Philosophy of Law By João Maurício Adeodato, Pernambuco I. Introduction: Basic Theses for a Rhetorical Philosophy of Law The paper deals with the three basic theses that define the rhetorical way of thinking, which I call realistic rhetoric, applied to philosophy and philosophy of law. For that, departing from a suggestion from Arnold Gehlen, it divides all philosophical schools in two very broad groups, according to their anthropology: for the ones that take humans as “fraught” or “full beings”, evident truths in knowledge and ethics are there to be literally discovered and that will merely depend on method, e. g., on the competence of the approach, for which language is nothing but a means; for the philosophers who consider humans “lacking beings” (Mängelwesen), there is no access to objects beyond language, which is the sole conventional environment, arbitrarily built by temporary, mutable, self-referent and unstable agreements. 1. First thesis: against ontologists and Aristotelian rhetoricians. Rhetoric is a form of philosophy which is opposed to the dominant ontological trend but not to philosophy as a whole. Ontologists took hold of philosophy up to the point that even rhetoricians came to believe that philosophy consists in the search for truth and thus that rhetoric must be separated from philosophy. But if one abandons the concept of truth, rhetoric is a form of philosophy, for philosophy is the search for wisdom (sofia), not for truth, by the comprehension of the world. 2. Second thesis: against ontologists. Rhetoric cannot be reduced to a mere embellishment of the discourse, although this is one of its important functions, and, even less, to an anti-ethical ornament to fool the unwary, in spite of this being one of its skills. In other words: rhetoric neither cares solely for the beauty and seduction of words nor uses them as instruments to a “bad” ethic. On the other hand, rhetoric shall not be opposed to action, as if it would imply not only an “empty” (without any content) game of beautiful words, but also of lies and half truths. Rhetoric surely generates and favors any kind of action, for communication is an action, to communicate is to act. 3. Third thesis: against Aristotelian rhetoricians. Rhetoric does not only consist of persuasion, of the study and means of convincing through discourse, it reaches far beyond that. Not even the strategic rhetoric – that is only one of its species, as will be argued in this text –, in which persuasion does play the most significant role, may be reduced to the persuasive methodologies. Among other means,
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which are strategic but not persuasive, rhetoric takes hold of authority, enticement and threats. Specifically speaking, this paper brings a reflection about the tri-partition of the rhetorical perspective into material, practical and analytical, suggested by Ottmar Ballweg1, and tries to apply it to legal dogmatic, thinking about it in terms of a rhetoric of methods, methodology and methodic. II. Analytical Rhetoric about Legal Dogmatic: There is not an Analytical Dogmatic The first of the three ideal types2 into which the rhetorical approach is divided here is the material rhetoric that means to consider “reality”, the succession of unique and unrepeatable events in the flow of time, a linguistic phenomenon whose apprehension is rhetorical. This material rhetoric does not only mean that human knowledge of the world is intermediated by the cognitive apparatus of human beings, as suggested by Kant’s pure forms, or even intermediated by language, as stated by more traditional linguistics, or hidden by language, as Heidegger puts it. It means that reality itself is rhetorical, for every perception and apprehension is literally created by language. The material rhetoric builds the environment of the human beings and the relationships between them by means of narratives that constitute human existence itself; the concept wants to express that the very question about an ontological reality behind language does not make any sense, for humans are linguistically closed in themselves, prisoners in a universe of exclusively human signs and meanings. This is the meaning of the auto-reference of material rhetoric: there is no external and objective instance to control language. A psychopath may feel his behavior as confirmed by the world as a sane person and only an external observer may distinguish them. And this “normality” of this external observer depends on the temporary agreement of a number of other individuals: “A madness that the majority of the people have in the same manner cannot be seen as madness.”3 The material rhetoric is thus the first level of reality, the ways by which human beings build their own environment through language and communication. It consti1
Ballweg, Ottmar, Phronetik, Semiotic und Rhetorik, in: Ballweg, Ottmar/Seibert, Thomas-Michael (Hrsg.), Rhetorische Rechtstheorie. Festschrift für Theodor Viehweg. Freiburg i.B./München 1982, p. 27 – 71. And Ballweg, Ottmar, Analytical Rhetoric, Semiotic and Law, in: Kevelson, Roberta (ed.), Law and Semiotics, vol. 1. New York/London 1987, p. 25 – 33. 2 Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft ¢ Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen 1985, § 18, I, p. 3 – 20. 3 Roth, Gerhard, Erkenntnis und Realität: das reale Gehirn und seine Wirklichkeit, in: Schmidt, Siegfried J., Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus. Frankfurt a.M. 1987, p. 245: “Ein Verrücktsein, das die meisten Leute in gleicher Weise besitzen, kann nicht als Verrücktsein angesehen werden.”
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tutes the very anthropological condition of the species, whose perception of the world is linguistic like anything relating to it, even the dialog with itself that constitutes thought. Augustine states that even without emitting any sound we talk while intimately thinking the own words in our mind4. In the same direction Hannah Arendt says: For nothing can be itself and at the same time for itself but the two-in-one that Socrates discovered as the essence of thought and Plato translated into conceptual language as the soundless dialogue eme emauto¯ – between me and myself.5
So even thought is rhetorical, made of discourses that we tell our own selves. On the other hand, by the externalization of thought that also happens in and through language, only humans seem able to separate their own discourse from their individuality or subjectivity, like something different from themselves, as if the orator were at one and the same time also the receiver of the message. This seems to be one of the clear distinctive traits of human communication in comparison with communication in other species of animals6. This implies that knowledge of the world cannot be obtained in isolation, contrary to a strong Western philosophical tradition, probably based in the certainties of mathematics, that goes from Socrates to Descartes until this day. Not only knowledge, but the very account of “reality” is inter-subjective, for human beings know only concurring reports, their own and the ones told by others. This does not imply that reality is subjective – at least in the sense of the discretion of each individual. On the contrary, the greater or lesser degree of “reality” of a discourse will depend on the other human beings, on the possibility of public control of the language, that is, language has a function of control and exercises it by reducing complexity, which demands regularities with which people may agree7. But those regularities are variable, conditioned, unpredictable, built for the circumstances of the moment and much more difficult when the social environment is complex and differentiated. The analytical study of material rhetoric seeks to describe how language constitutes reality, although common sense makes us believe that reality is independent of language. To the rhetorical philosophy here, language expresses the world of human beings, a collective solipsism that gives them their own reality. Language turns ghosts, witches, premonitions and meteorology into reality and makes Pluto a planet or not, creates pulsing quasars, quarks, astrology and the Quantum world. The con4 Augustine, De magistro (Do mestre), transl. Angelo Ricci, Coleção Os Pensadores. São Paulo 1973, p. 294. 5 Arendt, Hannah, The life of the mind/Thinking. New York/London 1978, p. 185. 6 Gehlen, Arnold, Der Mensch ¢ seine Natur und seine Stellung in der Welt. Wiebelsheim 2009, p. 135 ff. 7 Ballweg, Ottmar, Rhetorik und Vertrauen, in: Denninger, Erhard u. a. (Hrsg.), Kritik und Vertrauen. Festschrift für Peter Schneider. Frankfurt a.M. 1990, p. 34 – 44.
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cept of material rhetoric responds to my claim of presenting the rhetorical attitude as a philosophy, an explanation about the constitution of reality. The thesis is that reality is made of methods (lnt\ |dór, “over the path”, “on the path”), etymologically and literally, the path taken. In other words, the material rhetoric is the whole of the victorious methods, the narratives chosen among the several possible and concurring accounts in a given event. The material rhetoric is normative, prescriptive, to the extent that it is made of options before alternatives. Strictly speaking, the human world is always normative, for even empirical discourses aim to win and constitute the environment, but there is a distinction in attitude, by the transitory engaging of interests. The decisions of the law are very important in the determination of this victorious discourse that constitutes the material rhetoric because they induce people to behave in a certain manner and threaten them with harmful consequences if they persist in affirming reports contrary to those decisions, although this possibility is always present. A legal fact is thus a discourse that seeks to express a certain perception of a given eventual context. And the legal proceedings, like children playing telephone, consist of chains of narratives about other narratives. This is how law strongly contributes to “make realities”; the version of the law is very likely to become a winning version. There we see how the real world is at the same time an empirical and a linguistic phenomenon or, as preferred here, rhetorical, and how language literally fabricates the real world and the human being itself. Imagine a car crash with people badly hurt or any other legally relevant criminal event, like a drunk driver. The police elaborate a narration about what they found on the spot, the police report, in which accounts of witnesses may be included, accounts that may differ from each other, due to heterogeneous perspectives and perceptions and so on. Then the Chief of Police receives this document and composes his own narrative, the so called criminal investigation, for which he may consider it important to hear the witnesses again, who, having gone some weeks or months since the experience, will tell different stories from the ones they themselves told the police on the spot of the accident. So the criminal investigation is sent to the District Attorney, who will produce another story, the accusation or criminal charges – if she considers there is enough evidence of guilt – enriched by many other elements that were absent in the prior discourses. While the judge is elaborating his own narrative to process the indictment, after receiving the files of the case from the District Attorney, perhaps again many months later, he may well have other elements, hear witnesses, policemen, new arguments … When there are juries, many more differences will appear in the proceedings, when witnesses, police, attorneys and lawyers will construct their versions in public.
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About the “real” event, in the common sense attributed to the expression, nothing could ever be said. So there is no real event. The obstacle to the perception of this state of the art seems to be the atavistic inclination, almost like a biological necessity of human beings to truth, the metaphor of all metaphors, the one that would eliminate the distance and perhaps the very difference between words and things, an anthropological impulse that would come from basic instincts of the species. Hence the domination of the ontological philosophies, philosophies that defend external criteria, put “in front of” the subject – so “ob”-jective – as patterns of reference to ethics and knowledge. Hence the forgetfulness (Vergesslichkeit) that language is a self-referent filter whose sole environment is language itself: When someone hides something behind a bush, searches for it right there and finds it, there is not much to praise in this searching and finding: that is what happens with the searching and finding of “truth” inside the circumscription of reason. If I fudge the definition of mammal animals and I declare next, after inspecting a camel: look, a mammal animal, with this some truth is sure brought to light, but it has a limited value, I mean, it is entirely anthropomorphic and does not hold a single point that is “true in itself”, effective and universally valid, independent from human beings.8
Practical (I prefer strategic) rhetoric is the whole of the strategies chosen with the goal of conforming the material rhetoric, interfere on it by establishing directives to it, determining how it ought to be. This strategic rhetoric is literally made of methodo-logies, of theories about the methods, the methods that make the material rhetoric. The methodologies are then orientations to obtain goals, means to ends, thus they are reflexive. The methodology of law, that is, the dogmatic knowledge for success in legal practices, does not escape the rule. So methodology consists of strategies for the construction of methods, while the material rhetoric is its target and object of action. This rhetorical dimension is also normative, pragmatic and teleological, it observes how the material rhetoric functions, the successful strategies that work in it, and builds doctrines, theories (logias), in order to make certain views about the environment appear as “the world”, privileged narratives that obtain more belief and adherence than others. Efficacy is its pattern.
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Nietzsche, Friedrich, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, in Nietzsche, Friedrich: Nachgelassene Schriften 1870 – 1873. Colli, Giorgio/Montinari, Mazzino (Hrsg.), Kritische Studienausgabe – in fünfzehn Bände, Vol. I. Berlin 1988, p. 873 – 890, p. 883: “Wenn Jemand ein Ding hinter einem Busche versteckt, es eben dort wieder sucht und auch findet, so ist an diesem Suchen und finden nicht viel zu rühmen: so aber steht es mit dem Suchen und Finden der ,Wahrheit‘ innerhalb des Vernunft-Bezirkes. Wenn ich die Definition des Säugetiers mache und dann erkläre, nach Besichtigung eines Kamels: Siehe, ein Säugetier, so wird damit eine Wahrheit zwar an das Licht gebracht, aber sie ist von begrenztem Werte, ich meine, sie ist durch und durch anthropomorphisch und enthält keinen einzigen Punkt, der ‘wahr an sich’, wirklich und allgemeingültig, abgesehen von den Menschen, wäre.”
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So those methodologies can be taught, they encompass topics, theories of argumentation, theories as to status, figures of language and style and, in the study of law, the doctrines of legal dogmatic. They investigate which topoi appear more frequently in a discourse, which methods provoke this or that effect, how rhetorical commonplaces are worked on, which tactics, words, gestures and so on produce the desired effects more efficiently. The analytical rhetoric corresponds to what I call methodic. Its approach is different, for it aims at the methods and methodologies, emphasizing their interrelations as its object of interest. It extends the traditional bipartition of language in meta-language and object-language to a tri-partition that intends to stress the differences between the strategic and the analytical rhetoric – although they are both reflexive, that is, meta-languages – between the skills involved in changing reality and the more withdrawn and neutral knowledge of it. The analysis also intends to describe the situation of human knowledge itself, once science is also a linguistic meta-agreement about a common linguistic environment that is also agreed about. In the legal field, the material rhetoric concerns the events, the methods, the legal dogmatic in the sense of object-language, that is, how problems are treated, how conflicts are perceived and effectively “solved”; its approach reveals, for example, that the Brazilian administration obstructs the Judiciary with dilatory appeals or that there is a whole coercive order among the excluded in the slums, where State rules do not penetrate. The strategic rhetoric resides in the many theories that have the practice of law as their object, in order to teach and learn how to deal successfuly with legal events, with the material law of the methods, of the chosen paths. So there is an analytical study of law, yes, but there is no legal dogmatic in the analytical sense, what would be a contradictio in terminis. Analytical rhetoric may be called zetetic, in opposition to dogmatic, in the dichotomy suggested by Theodor Viehweg9, because the dogmatic attitude is directed towards the guiding of actions and decisions through the construction of opinions (doxa, hence dokein and dogma), it leaves out of discussion several postulates, precisely its dogmas. The zetetic or investigative (zetein) approach, on the other hand, intends to describe empirical events and all its affirmations remain questionable (zetemata). So it would be the closest to what one may call a scientific attitude. My suggestion here differs from Viehweg’s conceptualization, for he states that the scientific approach to law would be a union of both attitudes10. Here, as already argued, the normative levels of dogmatic – material and strategic – cannot achieve the characteristics of distance and neutrality pursued by scientists.
9 Viehweg, Theodor, Topik und Jurisprudenz – Ein Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung. München 1974 (4. Aufl.). 10 Viehweg, Theodor, Dogmática jurídica y cetética jurídica en Jhering, in: Viehweg, Theodor, Topica y filosofia del derecho, trad. Jorge M. Seña. Barcelona 1991, p. 141 – 149, p. 146.
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As long as it seeks to study not only the material rhetoric but also the strategies that try to direct the chosen paths or methods, the analytical rhetoric avoids the confusion between (strategic) methodology and (analytical) methodic, a confusion that drives many legal theories to defend that law “is” what their authors think it “ought to be” or that it unfolds and progresses in a direction supposedly detected by them, caught in its fundamental essence. Those theories that intend to change reality are strategic, not analytical. They mix up empirical and normative approaches. In other words, the relations between the first level of rhetoric, the material level of the methods, and the second level of rhetoric, the strategic level of the methodologies, are the object of the third level of rhetoric, the analytical level of the methodic. In the case of law, its analytical rhetoric studies the bonds between the legal practices, the many methods through which law constitutes itself, and the theories of those methods, the doctrinal methodologies that compete in the explanation and molding of that practice. As it builds theories too, analytical rhetoric may be called a meta-theory, an empirical description, tentatively neutral to considerations of values, of the normative prescriptions through which the methodological doctrines try to influence the options of the material rhetoric of methods. It is important to insist upon this difference between the normative/prescriptive and the empirical/descriptive approaches in the study of law. The argumentation of the strategic rhetoric relies on circumstantial conditions of diverse capacities of influencing on other peoples’ behaviors, differences in power to obtain results, running from sincere agreements and persuasion through authority to fooling with lies and threatening with violence. The old deceptive and misleading fame of rhetoric comes from this strategic facet, for its objective would not be truth or justice, but leading the auditors to the conduct desired by the orator. This sophistical desideratum is very important, but rhetoric shall not be reduced to it. This realistic rhetoric thus combats relevant trends in tradition, as already said in the beginning of this article, although also based in tradition. Through the concept of material rhetoric it intends to be a philosophy, describing how our environment is constituted by language and nothing but language. Considering its strategies only a part of rhetoric, although a very significant one, the realistic rhetoric contradicts its traditional ontological adversaries, to whom the knowledge of rhetoric serves only to embellish the discourse to seduce and fool the unwise and innocent. Finally, with the analytical approach, including other ways of constructing discourses, like enticement, seduction or menace, the realistic view follows some of the sophists and keeps away also from the dominant Aristotelian tradition of rhetoric as the wisdom of persuasion. Both ontologists and Aristotelians fall in the metonymy of reducing rhetoric to its strategic level.
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III. Analytical Rhetoric and the Problem of a Science of Law: Description of Legal Dogmatic as Method and as Methodology The rhetorical analysis of legal texts emphasizes the metaphor of construction, in the sense that the discourse is made from resources that previously exist in everyday language, that the dogmatic activity implies a choice before uncountable possibilities and that this selection depends on the subjects and contexts involved. People deal with the environment in an indirect, retarded, selective and metaphoric manner11, and the traditional models of seeing language as a means to reach “things” shall be abandoned for a due comprehension of legal problems. Besides, the dogmatic discourse must be seen as oriented to action, that is, as a social practice. Jurists employ their language to obtain results, literally to do and to make things with words: condemn, pardon, get economic advantages, less taxes or child care. The material as well as the strategic dogmatic have a normative character, what the analytical approach by definition does not admit. An analysis of dogmatic proceedings may be exemplified as follows. The different versions that people present for the “same facts” do not necessarily imply that some are liars or deceivers, but simply arise from the contexts of experience, from the material rhetoric, then every discourse is circumstantial. For example: a phrase like “the testimony was false”, if uttered by someone who has just testified, about his or her own testimony, suggests a confession; if told by the prosecutor to the witness, it may be an accusation; if the orator is a magistrate, a verdict, and so on. This obvious contextual character takes place because discourses are meant to communicate meaning and thus to establish a version about the environment that stands in competition with other diverse and perhaps contradictory versions in order to get acceptance. This is also the case in the discourse of law in its many forms of manifestation. That is why generalizations and other notions of objective truth are to be seen with all suspicion, and the rhetorical analysis seeks to render them explicit, and thus to unmask them. Besides the paths of persuasion – ethos, pathos and logos – the Aristotelian tradition identifies three types of rhetoric in the so called stasis theory, according to the temporal dimension to which they focus: the forensic, the deliberative and the epidictic. The canons of analysis observe the organization of the discourse and show five parts: invention, disposition, style, memory and presentation. Then there are the four criteria to study them: the objective, the audience, the situation and the timing. Forensic rhetoric is focused on past events and the orator aims to convince the listeners that events “really” happened according to his version, with the causes and consequences that he assigns to them. Aristotle was thinking about discourses in court, with defenses and accusations. The deliberative rhetoric has the future 11 Blumenberg, Hans, Antropologische annäherung an die aktualität der rhetorik, in: Blumenberg, Hans, Wirklichkeiten in denen wir leben – Aufsätze und eine Rede. Stuttgart 1986, p. 104 – 136, p. 115.
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time as its horizon and the speaker tries to show that the path he indicates is the best. It is appropriate to political discourse and concentrates the persuasion in the advice. The epidictic rhetoric concentrates in the present and intends to praise, to censure, to exalt; it is fit to honorific ceremonies or funeral prayers. In order to analytically decompose a speech, the first of the canons in which classical rhetoric separates the discourse is the invention (inventio), the part that has the function of making arguments plausible, seeks to investigate their origins and how orators create and utilize arguments considering their goals. It constitutes the most general section of the speech, the one that will direct it through the paths of ethos, pathos and logos. The disposition (dispositio) explores how the discourse is organized, the ordering of its forms, whether it departs from general or specific statements (deductively or inductively), for example, and how this organization may influence the audience, whether arguments considered strong or emphatic should come before or after the weaker ones and so on. The style (elocutio) is the moment of the speech that intends to adapt the meaning of the message to its ways of expression, that is, to relate form and content of the discourse, as one can see in the differences between an article in a newspaper and a poem, or between a scientific paper and a legal opinion, or if the discourse is carried out in the first or in the third person, for example. The memory (memoria) is a canon that analyzes to what extent the orator retains the pertinent information, dominates the content of the speech, disposes of the relevant data demanded by the theme. In classic formal rhetoric teaching the good orator should be capable of repeating the discourse as exactly as possible12. The presentation (pronunciatio) in rhetorical analysis calls attention to the ways of transmission of the discourse: if written, spoken, in a letter or e-mail, at a table in a bar or in a formal meeting, between two people or in front of an audience. It is about control over contentiousness and exuberance, sobriety or excess, elegance in writing and talking13. Besides the canons, classical rhetoric teaches us that detecting linguistic figures plays a crucial role in the analysis of legal dogmatic. This is not only a question of style, in spite of its great importance. From a pragmatic point of view, the effect that their use provokes in human behavior clearly shows the relations between the material and the strategic dogmatic. The most significant figure in this theory of the status
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To the role of Law in preserving memory, see Kirste, Stephan, Der Beitrag des Rechts zum kulturellen Gedächtnis, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 94 (2008), Heft 1, p. 47 – 69. 13 See the book that continues to be published in the complete works of Cicero, although it is considered apocryphal: Retórica a Herennio. Obras Completas de Marco Tulio Cíceron (en 16 tomos). Madrid 1928, tomo III.
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is the metaphor; for many authors, following Nietzsche, it would gather all figures of language for, in the end, all language is metaphoric14. Analytical rhetoric is the approach that seems to come closest to what has been seen as a scientific attitude, as long as it tries to describe, avoiding ethical preferences and evaluations, how material and strategic rhetoric work, isolated and in their mutual influences. It is thus characterized by a non normative approach and the search for neutrality. That leads to the problem of legal dogmatic as a science (Rechtswissenschaft), for analytical rhetoric seems to be the closest to the scientific perception that one may get, or at least an attempt at knowledge, to speak more modestly, an attitude of researching an object, that is, the dogmatic way of organizing positive law. This obviously depends on the concept of science, which here coincides with the analytical approach of rhetoric. This approach does not exactly adopt the criteria of social sciences in general, which emphasize uniformity and consistency, besides quantification in the gathering, measuring and evaluating of data. It tries to be more flexible and reckons the unavoidable interference between subject and object, in spite of the attitude of descriptive neutrality. Analytical rhetoric vindicates only some few affirmations of general validity, for its discourse must change in relation not only to the subject, but also to the object and the audience. If the correctness of the narrative is conditioned by space, time and parts involved, then the study should pay more attention to the particular, individual, casuistic, than to statements of general character. Also normative perspectives which intend to optimize legal proceedings, that is, to argue about what and how law should be, do not fit into analytical rhetoric. IV. A Rhetorical Analysis of the Dogmatic Decision: From the Text to the Concrete Norm Ubi societas ibi jus expresses the famous Roman adage. Every human community creates this phenomenon, which, somewhat imprecisely, is called positive law, the law empirically perceptible. Although present in all societies, positive law, as well as the very societies in which it is found, organizes itself in very different ways. Thus there is a positive law among the Indians in the Amazon region and there was another form of positive law in Medieval England. Dogmatically organized law is a characteristic phenomenon of complex modern societies, a form of positive law that was built to respond to its necessities. It presents several peculiarities, many of which have been described by many different authors. In what follows I try to expose an analytical rhetorical view of the stages through which dogmatically organized modern law deals with the conflicts that come to it, 14 Winter, Steven L., Transcendental nonsense, metaphoric reasoning, and the cognitive stakes for Law, in: University of Pennsylvania Law Review 137 (11). Pittsburg 1989.
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showing its proceedings to treat two important problems in the philosophy of law: how to decide concrete individual cases with abstract general rules (the problem of knowledge in law) and how to decide between incompatible ethical points of view (the problem of values in law)15. These stages of phases are put here in a sequence only for the purpose of clarity in the exposition. It is obvious that interpretation and argumentation, for instance, interpenetrate and cannot be rigorously separated, as well as that argumentation and decision shall not be parted16. The first dogma of dogmatic law is that a qualified quarrelsome communication between two or more parties has to be referred to a positive “source” of law (so they are called since Ancient Rome), like a precedential judicial case or a legislative act or statute. This means that the first constraint before the divergences is to select, amidst a universe of valid texts that constitute the juridical order, the ones on which the discussion must be based. Those texts have to be pertinent to the case, according to complex mechanisms of selection and adequacy: for example, if the case involves a neighborhood conflict about disposing the garbage, the criminal code and the rules for exchanging currency should not be put forth by the disputants in this process of reducing complexity. Those texts must be picked out of a network of literally millions of legal texts, produced by public administrators, legislators, magistrates and other bureaucrats and ordered according to a very complex hierarchy that also needs to be interpreted before the concrete case. Those texts, invoked by the participants on the dogmatic discourse, will provide the entrance data to interpretations and argumentations that are meant to give significance in the case by means of a decision that will help to constitute reality on the level of the material rhetoric. Those chosen sources of law must also be valid, e. g., elaborated according to the rules of production of the dogmatic system, which may be reduced to the competence of the authority that created the rule and the due rite through which the rule was created. In order to interpret and argue for or against those texts, the other parties, including the judge, have to choose other valid texts that are also allegedly adequate to the case or give different meanings to the same texts. The interpretation, the second step in the procedure suggested here, means that the legal dogmatic demands that all participants must determine the concrete meaning of 15 Adeodato, João Maurício, Antworten der juristischen Dogmatik auf zwei wichtige Probleme der Rechtsphilosophie, in: Rechtstheorie 41 (2010), Berlin, p. 285 – 303. 16 Ferraz Jr., Tercio, Função social da dogmática jurídica. São Paulo 1980, p. 95 s.; Ballweg, Ottmar, Entwurf einer analytischen Rhetorik, in: Schanze, Helmut (Hrsg.), Rhetorik und Philosophie. München 1989, p. 229 e s.; Viehweg, Theodor, Notizen zu einer rhetorischen Argumentationstheorie der Rechtsdisziplin, in: Viehweg, Theodor, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? Darmstadt 1980, p. 315 – 326.
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the chosen texts before the case, reducing their vagueness and ambiguity. The indication of the texts that was made in the first dogmatic step is not enough because texts do not “have” a “proper” or “adequate” meaning, but infinite possibilities. Only in the end of the concretization process the texts gain their meaning before the case. Until then all participants only suggest the concurring meanings they want to see as winning narratives. So vagueness, ambiguity, porosity are characteristics of human discourse in the rhetorical conception of language, they are not malfunctions or product of the incompetence of bad speakers or writers. The inconsistencies, which result in the antinomies of the legal system, and the incompleteness that are shown in its lacunas, derive from this incompatibility between signifiers and significances. Dogmatically organized law works with this inexactness as long as it keeps a relatively autonomous distance from the events that it intends to control, qualifying them and transforming them into “normative concepts”, whose meaning and reach may present more or less flexibility. The hermeneutic significant, the text, apparently remains the same and guarantees the continuity of the discourse, but its meaning varies continuously along the dogmatic proceedings. The third step is the argumentation. There we have at least two elements, the orator and the audience. An orator, or “actor”, is a participant of the discourse that emits a grounded opinion or argument. Those grounds or fundaments appeal to different aspects, as in common daily life. One of their most important kinds is the factual argument, for facts are presented as evidences which do not depend on language, they are not “mere” arguments, they are supposedly imposed by reality, although this distinction cannot resist the rhetorical analysis. According to Aristotle’s Rhetoric and ancient Greek tradition, they may refer to the what (logos), who (ethos), how (pathos) and when (kairos) that underlies the argument. While scientific analytical arguments are supposedly supported by their content (logos), legal dogmatic arguments, that are strategic, may rest upon the personality, curriculum, authority or life history (ethos) of the orator. And it may be decisive to the success of a given argument the ways and manners by which the speaker expresses him or herself, the looks, the clothes, the ways of impressing, provoking or controlling emotions (pathos), as well as the precisely right moment of each development in the process of argumentation (kairos). Of course those fundaments in human communication are also ideal types (Idealtypen), for they appear together in the material and strategic rhetoric. With the final decision, after all dogmatic proceedings, the process of determining the signification of the alleged texts comes to its end and the concrete case becomes “known”. The rhetorical analysis of legal dogmatic shows that those proceedings construct law case by case, that is, that law does not exist in itself, it is not previously given by legislators or judges, but comes into being while it is decided. Nevertheless,
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this construction is not “free” or at random, it has to respect some regularities or constraints, the methods of the material rhetoric before different, somewhat contradictory methodologies about how to treat them. V. Summary I. Introduction: basic theses for a rhetorical philosophy of law. 1. First thesis: against ontologists and Aristotelian rhetoricians. 2. Second thesis: against ontologists. 3. Third thesis: against Aristotelian rhetoricians. II. Analytical rhetoric about legal dogmatic: there is not an analytical dogmatic. III. Analytical rhetoric and the problem of a science of law: description of legal dogmatic as method and as methodology. IV. A rhetorical analysis of the dogmatic decision: from the text to the concrete norm. References Adeodato, João Maurício: Antworten der juristischen Dogmatik auf zwei wichtige Probleme der Rechtsphilosophie, in: Rechtstheorie 41 (2010), Berlin. Arendt, Hannah: The life of the mind/Thinking. New York/London 1978. Augustine: De magistro (Do mestre), transl. Angelo Ricci, Coleção Os Pensadores. São Paulo 1973. Ballweg, Ottmar: Phronetik, Semiotic und Rhetorik, in: Ballweg, Ottmar/Seibert, Thomas-Michael (Hrsg.), Rhetorische Rechtstheorie. Festschrift für Theodor Viehweg. Freiburg i.B./ München 1982. ¢ Analytical Rhetoric, Semiotic and Law, in: Kevelson, Roberta (ed.), Law and Semiotics, Vol. 1. New York/London 1987. ¢ Entwurf einer analytischen Rhetorik, in: Schanze, Helmut (Hrsg.), Rhetorik und Philosophie. München 1989. ¢ Rhetorik und Vertrauen, in: Denninger, Erhard u. a. (Hrsg.), Kritik und Vertrauen. Festschrift für Peter Schneider. Frankfurt a.M. 1990. Blumenberg, Hans: Antropologische annäherung an die aktualität der rhetorik, in: Blumenberg, Hans: Wirklichkeiten in denen wir leben – Aufsätze und eine Rede. Stuttgart 1986. Cicero (apocryphal). Retórica a Herennio. Obras Completas de Marco Tulio Cíceron (en 16 tomos). Madrid: Librería y Casa Editorial Hernando, 1928, tomo III. Colli, Giorgio/Montinari, Mazzino (Hrsg.): Kritische Studienausgabe – in fünfzehn Bände, Vol. I. Berlin 1988. Ferraz Jr., Tercio: Função social da dogmática jurídica. São Paulo 1980. Gehlen, Arnold: Der Mensch ¢ seine Natur und seine Stellung in der Welt. Wiebelsheim 2009. Kirste, Stephan: Der Beitrag des Rechts zum kulturellen Gedächtnis, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 94 (2008), Heft 1.
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João Maurício Adeodato
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The Emancipation of Meaning Sign, Meaning, Norm By Jan M. Broekman, Carlisle (USA)1 Can a single sentence survive approximately 2,5 millennia and yet not lose meaning? Two issues are intermingled here: to resist the ages, and to conserve meaning. Both formed the coordinates of Hugo von Hofmannsthal’s famous 1902 “Ein Brief” (in the Anglo-Saxon world quoted as “The Lord Chandos Letter”2), which he conceived in the days when he transited from poetry to drama and became librettist for the composer Richard Strauss. That move served a Wagnerian ideal ¢ the conception of a “Gesamtkunstwerk”, a total work of art, a fusion of poetry, drama and music in which spirit and worldliness would unify meaning and thus withstand the ages. I. The Letter and its Metaphor The Chandos letter rereads a sentence of Hippocrates as quoted in Latin by Francis Bacon: “Qui gravi morbo correpti dolores non sentient, iis mens aegrotat”, not translated by von Hofmannsthal into German and reading in its English translation: “One who is suffering from a severe illness yet feels no pain is sick in mind.” The line, most probably written around 400 BC on the Greek island Kos, should describe the precarious situation of a self after the loss of evidence with which a mind relates to the outer world, its culture. If that loss is real but not felt, what uncertainty relations reign between a speaker and the meaning of his words, and what can then be said in a truthful and reliable manner? “I would fain give you an answer such as you deserve, fain reveal myself to you entirely, but I do not know how to set about it”, writes the author of the letter. Its centerpiece is thus a severe illness and that illness is the letter’s metaphor for a loss, which remains without name because its proper cause remains unnoticed. But it has a sickness of mind as its consequence ¢ the Chandos letter expresses that consequence and in doing so, broadens the scope of the problem in showing how it concerns a major problem of Western culture at the beginning of the 20th century. von Hofmannsthal may not have been aware of how his introduction of a medical metaphor entails what the Ancient Greek called semeiotics: the study of signs and the 1
I am very grateful to Prof. Dr. Phil T. Grier, Dickinson College, Carlisle PA, for his many discussions, comments and editorial interventions pertaining to this text. 2 Joel Rotenberg (ed.), The Lord Chandos Letter and Other Writings. Introduction by John Banville, New York 2005, pp. xii, 117.
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making of meaning. His quotation from the Hippocratic corpus would have had no rhetorical or argumentative power if those words were not understood and presented as a sign. Galen of Pergamon developed his medical theories approximately two centuries later upon such Hippocratic insights (so that he received the qualification “father of modern medicine”) whilst coupling even stricter the semiotic dimensions with medical ones by suggesting that a physician must read an illness as a text. The reading of the physician furthers his medical diagnosis and determines the therapy at hand. Emphasis on that reading is, however, accompanied by many bewildering insights. We mention only three. First, there is always uncertainty and a lack of clarity about the facts of morbidity in medical discourse, as the Chandos letter clearly shows in its literary turns and twists. Facts in medicine are generally not understood at the level of signs, because signs in medicine are in essence perceived as deciphered symptoms. But symptoms deserve only such status insofar as they can be deciphered ¢ so: what does this mean? The circular observation shows that not nature or body, but the conceptualization of medical knowledge forms the great barrier in medicine. Bachelard called this knowledge “the epistemological obstacle par excellence”.3 As a consequence, a medical practitioner experiences how he loses his institutionally secured ability to conduct a discourse on matters of morality or philosophy as well as on life and death. He is in that regard in the same position as Lord Chandos, the author of the letter. The epistemological obstacle causes a situation of the mind in which one lost, as the text suggests, ‘the ability to think or speak of anything coherently and to express insights gained moments before’. The Hippocratic quotation seems to describe perfectly what happens when we are urged to understand a sign or symptom. The illness is that we are chained to a process of self-explanation without reliable reference to a scientific and/or cultural discourse. That is important, because these discourses are conceptual systems altogether.4 In other words: the Von Hofmannsthal letter pertains to deeply engraved semiotic issues (among them the problems of meaning and reference), which touch the metaphysical base of life and thought. Second, the illness mentioned in the quotation is not an individual fate and cannot serve as an excuse for remaining silent and inactive in discourse. To put illness as a sign in the forefront is still at issue in modern medicine, although the consideration “sign of what?” has become hardly answerable in medicine’s modernity because of its loss of discursive reference. It appears very clear that any natural, everyday-lan3
G. Bachelard, The Formation of the Scientific Mind, Boston 2002. Transl. M. McAllester of: La formation de l’esprit scientifique, 1938. 4 This observation does not only challenge a human consciousness in terms of Western traditions, but also the cultural embedding of scientific and philosophical observations in its totality with its globalizing conclusions in social- and other sciences; see Ethan Watters: “We Aren’t the World” at http://www.psmag.com/magazines/pacific-standard-cover-story/joe-hen rich-weird-ultimatum-game-shaking-up-psychology-economics-53135/ and J. Henrich/St. J. Heine/A. Norenzyan, The Weirdest People on the World at http://www2.psych.ubc.ca/~hen rich/pdfs/Weird_People_BBS_final02.pdf.
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guage for a response to that consideration is missing, and nothing can break that silence. Problems inherent to this silence are the major subject of the letter and not a single kaleidoscopic composite can mirror the breach of reference and its silence appropriately. The breach shows how a Self lacks its voice as well as its language and written words represent an elusive alienation. With the loss of a fixated meaning of signs, norms can no longer be formulated nor can they function as a social beacon. The disjunction between signifier and signified opened a vertiginous prospect where the limits of language are at stake. That very same disjunction is covered in law and legal discourse by authority, because the latter is inherent in the performance of a legal speech act. Lawyers create an exceptional situation when they speak: the disjunction, which Von Hofmannsthal’s letter describes, is neglected (or compensated) by the spoken word as soon as it is a spoken legal word. Lawyers do not like to speak about law in a natural, non-legal language because the inherent authority of legal language is missing as soon as they change the character of their discourse. In other words: the meaning of a sign in legal discourse is not unfolding through, but created by the speaker. A question whether the world-we-articulate is the world-that-is is for them without interest because of this character of a legal speech act and its inherently performative power. Semiotic considerations of legal language address the main issue of the Chandos letter, one could say, because the legal practitioner is mostly unaware that he reads his own handwriting when he reads the signs of/in the legal case. Third, there are not only semiotic complexities in the letter as linked with the introduction of the medical metaphor, but there were at the turn of the century also complexities of a wider scope, which pertain to the general state of Western culture and the understanding of a Self. At stake is the loss of power to “express (…) lightness and jest, which only great men, convinced of the perilousness of life yet not discouraged by it, can master”. It may be startling to consider the challenge to read the state of mind and of culture as a text! That call implies a quest for meaning ¢ which is evident for us in retrospect, but was not evident for poets, philosophers or scientists in the year of the Chandos letter. The call was heard, and the conditions of an inner Self were challenged only at the beginning of a fascinating process I call ‘the emancipation of the concept of meaning’. The letter reports on how a failure of language robbed the author of self-confidence and creativity. ‘Meaning’ would for us be one of the central categories to analyze and reinforce, but it is of interest that the complaint, the letter and the philosophical context of the time in which this document was conceived, did not refer to the concept of meaning as a received concept in science and philosophy. Although Chandos feels time and again as if he is on the brink of recovery and thoughts begin to form in his mind anew, he ultimately only understands himself as a broken man, who is left mourning the abilities he lost. Neither academic nor everyday discourse nor the reciting of classical works, for instance those of Cicero or Seneca, brings him back to those lost treasures. Silence reigns in the letter. Only if the
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crisis of language and a deep mistrust of the word is acknowledged, newly engendered thoughts and means of expression might come up. The cultural climate of the days of the Chandos letter is therefore captured in these two phrases: the ‘emancipation of meaning as a concept’ and ‘the mistrust of the word’. They are, sometimes independent and more often intertwined ¢ an issue for research and contemplation in itself ¢ the basis for a new understanding of discourses, in particular legal discourse, in terms of semiotic concepts. II. Meaning and Mistrust The emancipation of meaning as a philosophical concept, one could conclude, took at least three decades. At the origin of that process were the writings of an academic outsider and a female author, the British Lady Victoria Welby-Gregory (1837 – 1912) who became a respected self-educated philosopher of language, whilst also enjoying the life of a musician and a watercolor artist. During the last days of the 19th century she published in broadly respected academic journals, such as Mind and The Monist. Her first philosophical book publication was the 1903 “What is Meaning? Studies in the Development of Significance”. She developed her approach to meaning in terms of significs, a neologism that came surprisingly close to the term semiotics as conceived in the philosophy of Charles Sanders Peirce. The term “theory of meaning” was developed later in the 20th century as distinguished from a theory of naming (Plato, Locke and others) and figured in a great number of philosophical disputes over the last half-century. Unfortunately, that term has also been used to mean a great number of different things. A first sort of theory of meaning is a semantic theory, assigning semantic contents to expressions of a language. These differ according to whether they assign propositions as the meanings of sentences and, if they do, what view they take of the nature of these propositions. A second type of theory states the facts in virtue of their semantically determined expressions and thus comes near to Peircean semiotics. The general process of emancipation of meaning dates from Lady Welby’s first book until the publication of C. K. Ogden and I. A. Richards’ “The Meaning of Meaning”, 1923. These authors published their text because, as they stated in their introduction, “the moment seems to have arrived when an effort to draw attention to Meanings may meet with support”. One sort of support comes from the psychologists of those days, another from the manifestly inadequate forms of speech, which crept into High Courts and political debates in the English Parliament. The dates from 1903 to 1923 are those of the suggested emancipation process of the concept of meaning. Petrilli quotes the Ogden specialist Terrence Gordon, who suggested that “The Meaning of Meaning” was a firm recognition of Welby’s significs, not simply a matter of affinities but of a closure by means of the exploration of a new dimension of meaning now embedded in significs. The final emancipation of the concept in Ogden and Richard’s book opened up what today is understood as a sign-theory, leading to the elaboration of a technical definition of context, which underpins the entire book. Petrilli
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concludes that today’s sign-theory may be considered as a further development of significs/semiotics. She mentions that Ogden and Richards were not alone in stimulating this development, but were accompanied by Peirce, Vailati, Bakhtin and others.5 After “What is Meaning?” in 1903, Lady Victoria Welby published in 1911 her second book: “Significs and Language: The Articulate Form of Our Expressive and Interpretive Resources”. It should be mentioned that 1911 is also the year of the famous edition of the Encyclopedia Britannica, an edition still available on its website and which still reads as an outstanding text that has already lasted more than a full century. One finds there very traditional descriptions like: “SYMBOL (Gr., a sign), the term given to a visible object representing to the mind the semblance of something which is not shown but realized by association with it”. And one encounters Lady Welby with her text on SIGNIFICS: “The term ‘Significs’ may be defined as the science of meaning or the study of significance, provided sufficient recognition is given to its practical aspect as a method of mind, one which is involved in all forms of mental activity, including that of logic.” It is striking how the traditional explanation of symbol follows in this 1911 edition after a refreshingly new entry on sign/significs, written by a female author who was an academic outsider. How important these entries were in the course of the years since 1911 can be read a decade later in Bertrand Russell’s “Introduction” to Ludwig Wittgenstein’s “Tractatus LogicoPhilosophicus”, 1922. Wittgenstein himself did not agree with either the German draft or the English final version, and I guess that Russell’s uses of the expression “symbol” and “symbolism” were in Wittgenstein’s mind a misunderstanding of the semiotic (i. e. meaning-related) impetus of his “Tractatus”. It is in hindsight indeed strange when the reader is invited by Russell to notice “how traditional philosophy and traditional solutions arise out of ignorance of the principles of Symbolism and out of misuse of language”, or that a part of the “Tractatus” “deals with Symbolism”, which causes concern “with the conditions which would have to be fulfilled by a logically perfect language”. Russell should better have read and applied the Welby article on “Significs” in the Encyclopedia as a basis for understanding the “Tractatus”, Wittgenstein must have thought. Charles Sanders Peirce (1839 – 1914) wrote a positive review of Welby’s “What is Meaning” together with Russell’s “The Principles of Mathematics” in The Nation (now The Nation@Magazine; see Peirce: Coll. Papers, Vol. 8, § 171). His review led to an intensive correspondence between Welby and Peirce, edited by Charles S. Hardwick ¢ texts which play a dominant role in Peirce studies and semiotic analyses.6 Before that publication, a daughter of Lady Welby, Mrs Henry Cust, published 1931: “Other Dimensions. A Selection from the Later Correspondence of Victoria 5
Susan Petrilli, Signifying and Understanding. Reading the Works of Victoria Welby and the Signific Movement, Berlin 2009, p. 747. 6 Charles S. Hardwick, Semiotic and Significs: Correspondence between Charles S. Peirce and Victoria Lady Welby, (Assistance of James Cook), Indiana 1977.
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Lady Welby.” The book’s Introduction by L. P. Jacks7 clarifies what the striving for recognition of the concept of meaning implies: “All science, all cosmology, all metaphysics, all theology, all art even ¢ yes, art most of all ¢ are attempts to compel the universe to declare ‘what it means’. In that question lies the generating source of intellectual and spiritual activity, the driving power of all that may be summed up under the name of philosophy. The impulse that prompts philosophy, and sustains it through the ages, is thus identically the same as that which prompts and sustains the question ‘what do you mean?’ addressed to the speaker of an obscure sentence or the writer of an obscure book. The universe may be compared to a spoken sentence imperfectly heard, while philosophy is the attempt to articulate it more clearly, thereby revealing what it means.” The proximity of the idea “to read the illness as a text” to the insight that “the universe may be compared to a spoken sentence imperfectly heard” bridges millennia, and still fascinates. “The only legitimate ultimate why is the question Why do we ask why, why do we want to know why? Why should life be a riddle and why do we want to ‘solve’ it?” ¢ Lady Welby wrote from her view on that bridge. But that combines, even intertwines the process of emancipation of meaning as a philosophical concept with the mistrust of the word, as expressed in the Chandos letter because that mistrust was so deeply experienced in literature, sciences and philosophy. This combination reinforced the idea of significs as forwarded by Lady Welby, debated with Charles S. Peirce and discussed among them and Russell, Ogden and James as well as others ¢ a climate that influenced the Amsterdam Signific Circle (including G. Mannoury, F. van Eeden, J. I. de Haan and L. E. J.Brouwer) as well as Viennese thinkers, among which was Ludwig Wittgenstein. One should consider, that significs discussions were discussions about words and their meanings. Words were perceived as the components of language, which were elements of the most trusted systems of reference, which make everything accessible and understandable. Chandos stylishly formulates its contrast: a mistrust in the word, which colors the cultural climate of the turn of the century in Western Europe, in London as well as in Amsterdam, in Vienna, as well as in Berlin or Paris. His argument is deeply anchored in personal experiences which mirror their culture: “… all the opinions which are generally expressed wit ease and sleep-walking assurance became so doubtful that I had to cease altogether taking part in such talk. […] Single words floated around me; they coagulated into eyes, which stared at me and into which I was forced to stare back-whirlpools which gave me vertigo and reeling incessantly, led into the void. […] the whole thing is … thinking in a medium more immediate, more liquid, more glowing than words. […] I might be able to write and to think in a language none of whose words is known to me, a language in which inanimate things speak to me and wherein I may one day have to justify myself before an unknown judge.” 7 Mrs Henry Cust , Other Dimensions. A Selection from the Later Correspondence of Victoria Lady Welby, Introduction: L. P. Jacks/Jonathan Cape, London 1931, pp. 12 f.
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There are clearly two different though related issues at stake: on the one hand the necessity to think of language as a composite of words, and on the other to overcome or even be inspired by a growing mistrust of the word as the sole carrier of meaning. The two are, of course, closely related. But their distinction relates to a further differentiation between significs and semiotics, whereas that same distinction leads en plus to the power of significs and semiotics in law and legal discourse, whereby sign and meaning acquire new articulations. Studies of meaning as initiated by Lady Welby focused on the word as the main constitutive element of language since her early articles and the 1903 edition of her book on meaning. She analyzed different kinds of sense within the broader concept of meaning through in-depth studies of three particular words: sense, meaning and significance. Relations between them and their neighboring concepts such as ethics, aesthetics, pragmatics, norms and (social) values would result in the understanding of more levels of human language and consciousness. That was the task of significs she saw ahead of her, whilst keeping traditional ideas about language alive. Peirce, in his correspondence with Lady Welby, demonstrates his ingenuity in bringing this presupposition of Welby’s approach to the fore in the form of a philosophically sophisticated mistrust in the exclusivity of the word. In one of his many letters between 1908 and 1911, he states: “One remark of yours I approved particularly was that ‘language is only the extreme form of expression’. Also, ‘life itself may be considered (I should have said should be recognized) as expression.’ […] But studies of the limits of the science in general convinced me that the logician ought to broaden his studies, and take in every allied subject that it was no business of anybody else to study; in short and above all, he must not confine himself to symbols, since no reasoning that amounts to much can be conducted with icons and indices. Nor ought he to confine himself to the relations of signs to their objects since it has always been considered the business of the logician and of nobody else to study definition. Now a definition does not reveal the object of the sign, its denotation, but only analyses its signification, and that is a question not of the sign’s relation to its object but of its relation to its interpretant. My studies must extend over the whole of general semeiotic. I think that perhaps you are in danger of falling into some error in consequence of limiting your studies so much to language, and among languages to one very particular language, as all Aryan languages are; and within that language so much to words.” Peirce thus proposed to envisage a broader science of semiotic that embraces all sorts of signs (there is not one single type of sign!), which include icons, symbols, indices etc., as well as ¢ on the same level of analysis and observation ¢ the relations of signs with objects and interpretants. This is important, because the semiotic project is not an issue of the word alone, as Peirce continuously underlines. Word-language is the most prominent in our daily language use (hence Wittgenstein: “All I know is what I have words for.”) but in that same context we use other languages, which we are less aware off and master less strictly ¢ body language is a good example here. So this is one of the important differences between significs and semiotics.
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More differences between them become very clear: the first concentrates on words/components of a natural language, whereas the second is aware of the need to go beyond and/or mistrust the concept of word-language. The Peircean correspondence with Lady Welby reveals that awareness. One could venture the idea that also Wittgenstein, who did not aim to contribute to significs or semiotics, was all the same living and thinking all of this. His notes written between 1929 and 1948 and published in 1967 by Anscombe and Von Wright as a book with the title “Zettel” clearly show fragments of a progressing theory of signs. So Welby, so Wittgenstein. In her path-breaking studies on Lady Welby’s works, Petrilli highlights how the latter “underlines the need to critique language, to highlight the signifying power of words and expressions, and to better define their meanings in light of the context of discourse which they somehow include ¢ the terms ‘person’, ‘self’, ‘life’, ‘religion’ are signaled as examples. Reference to the larger context is necessary for the purpose of minimizing the negative effects of misunderstanding and improving the work of conceptualization”8 Such observations are perfectly in line with approaches and attitudes of several other signific movements and circles, among them the Amsterdam Signific Circle. They refer on the one hand to the wealth of possibilities when critically analyzing the word as a major component of language, and on the other to a deep mistrust about the meaning a word appears to be and to transmit. The two approaches are fruitful in so far as they fit to a genuine cultural pessimism about the decline of the Occident (Spengler) as well as Wittgenstein’s last sentence of his Tractatus: “7. Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen/What we cannot speak about we must pass over in silence.”
III. Legal Semiotics The case of the mistrusted word has more weight in law and legal discourse than in any other conversational language. What can a lawyer advise his client or how can a judge formulate his final judgment, when he or she mistrusts the word used to express an opinion or conclusion because it does not guarantee its power of reference, or provide any certainty about the precise fitting and meaning of the utterance? One should not underestimate the power of significs and semiotics in their attempt to understand and do away with many of the problematic social consequences of such mistrust, which was so culturally en vogue at the beginning of the 20th century. It therefore seems worthwhile to remember how Milton Singer pointed to similarities between Peircean semiotics and Saussurean semiology. Both were constitutive in the various Signific Circles, in particular the Circle in Amsterdam, which blossomed at Amsterdam University following the contacts between Lady Welby and the Dutch poet and philosopher/psychologist Frederik van Eeden in London during the final decade of the 19th century, in particular after 1892. All have been coping with the experience of mistrust! Singer mentions differences between the various contexts in which this mis8
Petrilli (note 5), pp. 139 – 141.
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trust became semiotically relevant, but they all refer to the distinction between ‘significs’ and ‘semiotics’.9 It seems beyond doubt, that De Saussure as well as Peirce regarded themselves as pioneers opening a new field, both aimed at a general theory of signs, and both analyzed the nature of signs in relational and structural terms rather than as ‘substance’ and ‘things’. Finally, a dimension of severe mistrust comes to the fore when emphasis is on the fact that both regarded linguistic signs as ‘arbitrary’. This arbitrariness results from meanings being dependent on social conventions and usages rather than on stable fixations of connections between sign/word and object/thing. But there is no mention at all of the implications of the dynamic character Peirce gave his ‘semeiotic’ project. Greimas, and later Kristeva highlighted how these dynamics propel word and meaning from deep-structures to surface-structures and back into deep levels, and from hidden in-depth layers to levels of manifestation, so that arbitrariness seems only an issue of surface-structures of language and discourse. Kristeva analyzed those continuous semiotic movements in terms of ‘pheno-text’ and ‘geno-text’. In doing so, there is an important conclusion, which is a fortiori important for law and legal discourse: mistrust of the word is seldom (institutionally) admitted to enter pheno-textual levels of manifestation, in particular not in law and legal discourse!10 One observes rather the inverse: at the surface levels of language, words are studied and fixated, their meanings chained to expressions used in the phenotext and words must avoid a confrontation with other meanings, other-than-spoken or written at the surface of daily life or accepted as belonging to a professional discourse! These tactics of avoidance are a determinative part of law and legal discourse, and the struggle to implement them was a feature of an unfolding semiotics of law already in the days of the Chandos letter. Indeed, one can read that letter as a supreme literary attempt to unearth geno-textual situations, which had become manifest in the pheno-texts of literature, philosophy and science. The metaphor of medicine was well chosen in that regard: illness appeared to defeat any attempt to remain exclusively at the level of manifestation without even considering in-depth levels of language and meaning. A semiotic understanding of human discourse (of which legal discourse is an outstanding example) meets two types of arbitrariness and uncertainty in the determination of meaning. First, there is the link between concepts and contexts, as De Saussure has demonstrated ¢ the meaning of one word can differ importantly if used in A or in B. That uncertainty is repeated at the level of semiotics, as the difference between a word-directed significs and a world-directed semiotics shows. Peirce, in defense of the latter, wants to study all kinds of signs and their relations to their objects and those relations 9
M. Singer, For a Semiotic Anthropology, in: Th. A. Sebeok (ed.), Sight, Sound, and Sense, Indiana 1978, p. 214. 10 Julia Kristeva, Semeiotikè. Recherches pour une sémanalyse, Paris 1969, pp. 278 f.; Algirdas J. Greimas/François Rastier, The Interaction of Semiotic Constraints, in: Yale French Studies 41 (1968); Algirdas J. Greimas, Sémantique Structurale (1966), engl.: Structural Semantics: An Attempt at a Method, 1983.
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to their interpretants. This brings uncertainty and determination to the fore: he used the example of the many skins of an onion. His semiotics analysis should, more precisely, be structural and relational, and focus on words, signs, language patterns and linguistic uses. All these issues and moods were shared by the members of the 1917 Amsterdam Signific Circle, mainly scholars at the Amsterdam University around 1910 – 1920, among them Van Eeden, writer, psychologist and philosopher, Brouwer and Mannoury (both famous mathematicians) as well as the poet and lawyer Jacob Israel de Haan (1881 – 1924), who held in 1916 the first academic chair in legal significics/semiotics in the world. De Haan’s inaugural lecture at the Amsterdam University, entitled “The Essence and Task of Legal Significs” was, however, until now only available in Dutch, and his legal colleagues were not very interested in an analysis of words and concepts they were used to applying most naturally when exercising their profession.11 The fact that legal semiotics was already recognized in 1916 in the academic world remained unknown, due to the isolation of the Dutch language, the disinterest of the legal world and the almost exclusive focus on words in law, not on law as a particularly interesting type of discourse. The specificity of the signific passion that colors the work of De Haan (he contributed some fifty publications on the subject in twelve years) is linked with the word and the use of words: in circles of legal practitioners already in those days a hot theme. The obscurity of legal language was a public shame, in particular under the scrutiny of socialist politicians. These objections could be read and heard on the streets of Amsterdam, London, Paris and Berlin as if they were coined today: the many Latin words, the incredible archaisms, the dark prose and the stilted order of items and paragraphs demonstrated a use of language that made true communication among human individuals impossible. De Haan’s LLD publication concentrated on three words, which play an important role in any individual’s life: ‘aansprakelijk’ (liable), ‘verantwoordelijk’ (responsible) and ‘toerekeningsvatbaar’ (accountable). The many uses of those three words, their specific determinations, in particular their changeable legal determination in the various practices of legal disciplines and their many meanings in different social contexts were linked to an ever growing insight in the task of legal semiotics: to 11 See the text of the inaugural lecture in Dutch: Jacob Israël de Haan, Wezen en Taak van de Rechtskundige Significa, Amsterdam 1916, and in English in: Jan M. Broekman/Larry Catà Backer, Signs of Law – A Source Book. The Semiotics of Law in Legal Education, Vol. III, forthcoming. See also De Haan’s LLD dissertation: Rechtskundige Significa en hare toepassing op de begrippen ‘aansprakelijk’, ‘verantwoordelijk’, ‘toerekeningsvatbaar’, Amsterdam 1916. Cf. G. C. J. J. van den Bergh, Jacob Israel De Haan’s Legal Significs, in: International Journal for the Semiotics of Law, IX, 25, 1996, pp. 81 f.; Petrilli (note 5), Chapter 7, and H. Schmitz/H. Walter, De Hollandse Significa. Een reconstructie van de geschiedenis van 1892 tot 1926, Assen 1960, German edition 1985: Verständigungshandlungen ¢ eine wissenschaftshistorische Rekonstruktion der Anfänge der signifischen Bewegung in den Niederlanden (1892 – 1926); and H. Walter Schmitz/E. Heijerman, (eds.), Significs, Mathematics and Semiotics. The Signific Movement in the Netherlands, Münster 1986.
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study human expressiveness in a systematic manner, which was later transformed into a semiotics focusing on inter-human understanding, self-preservation and their accompanying symbol systems. His attempts to find a way out of uncertainty and mistrust of the word inspired his legal significs in so far as each word, each expression or move in meaning-making was under the spell of the idea of an ideal language, in which meanings are what they are ¢ a specific linguistically dimensioned form of positivism, which he shared in attitude rather than in theory with philosophers like Mach or with mathematicians who believed that their language was the ideal language. In the later years of his function at the University, De Haan diminished the exclusivity of his focus on words, and included other means of communication such as sounds, images, signs, movements, music, mathematics ¢ unaware of how the direction of his thoughts developed in parallel with Peirce. But these considerations do not do away with the strong impression that the beginning of legal semiotics as an academic discipline, and all possible evolvements within that framework, are inspired by a mistrust of the word ¢ as interpreted among the various cultural and epistemological contexts within which this mistrust is noted. The following lines from the inaugural lecture confirm that attitude: “… we consider a Higher Education incomplete as long as a subject like significs is lacking. We consider it desirable that the significs of any particular science be taught in addition to the general significs. This will bring us to the understanding of Sign and Meaning. Those lessons will motivate us to distinguish Sign and Meaning constantly as separated and as un-separated. […] However, the question of whose task it is to practice legal significs seems no longer important if it is accepted that the language of law needs to be improved, and that this improvement can be achieved by practicing legal significs. Complaints about the limited and modest power of expression of legal language are numerous, in the Netherlands as well as elsewhere. […] Language suffers more than Law from its own incapacity. Actual linguistics is neither supported by philosophy nor by reflection. There exists too much science and too little understanding of language. […].”
Aword has thus never the same meaning for two different individuals. This is even true for a speaker and a hearer in the same conversation, not even when they live in “the same shades of will”. And, what is more, a word has not continuously the same meaning in the hands of the same user. A word never carries exactly the same meaning twice. The expression “the” meaning of a word is incorrect and misleading. That is also the case with the claim that the word “has” a meaning. A word “has” no meaning or meanings; it “is” united with an infinite number of meanings by something that cannot be perceived and that composes a word from an infinite number of meanings. Our thinking separates the words in their numerous meanings as it unites those meanings to a word. Thinking cannot split or unite the continuous and the discrete, but it can only separate and unite them at the same time. No linguist has ever expressed the concept of the Word in a purer sense than the mathematician and philosopher G. Mannoury: “The word is reciprocal and thus equal; it is relation and thus difference. It is the act of the speaker and the act of the hearer to separate what is inseparable and to fixate what is not lasting. The
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word is indefensible definiteness.” It is most remarkable how these words of wisdom remain without any attention. The more we reflect upon words, the more we become aware of their importance for the general-, and in particular the legal, significian. Legal semiotics began to unfold already a century ago, in the midst of the cultural pessimism and mistrust so eloquently expressed in the Chandos letter, with the attempt to fight that mistrust through restoring trustworthy one-to-one relationships between signified and signifier, thing and the thing named, thing and word. De Haan, as the first academic legal semiotician, propagated a slogan for that purpose: “betere taal is beter recht”, “better language is better law”. Although the slogan harbors an unmistakable positivism, the “law-language-theme” remains one of the primary interests of lawyers and legal theoreticians until today. The trajectory of legal semiotics from De Haan to Kevelson and our contemporaries leads from fixations to battle mistrust of the word towards an insight into the dynamics of meaning based on a functional understanding of expressiveness in time and space, between the surface of language and its deep-reaching levels of engenderment. IV. Sign, Meaning, Norm The situation in which one encounters these three components of legal discourse and semiotic research is more complex and reaches further than traditional analytical philosophy of law suggested. To understand law in terms of legal semiotics “as a system of signs” (Kevelson’s slogan) means that we should understand the engenderment of law and legal discourse the way we understand the engenderment of a sign ¢ which is so eloquently described by Peirce. The “as” in this Kevelson phrase does not only mean: “like”, or “as identical as possible”, but also: “the same manner in which”. One concludes: the “as” can be understood as indicating the dynamics of the meaning-making process in law and of law.12 Understanding those dynamics is perhaps a final step in the emancipation of the concept of meaning, which unfolds when grasping the context and engenderment of a sign. As a consequence, there are two inspiring steps to discover in each semiotic approach to law and legal discourse: ¢ The first consists in perceiving the interdependence of all components of discourse. Not one element of language we use or produce is ever beyond interdependency with others: a word alone is not a word; just as Peirce emphasized that a sign alone is not a sign. That includes also an approach to “sign, meaning, and norm”. Any meaning-making process is therefore an issue of transparency: only thanks to existing meanings can other meanings brought into existence. ¢ The second consists in keeping a constant eye on the dynamics between the surface and the deep structure of discourse. A word spoken or written is always tem12 Roberta Kevelson, The Law as a System of Signs, New York 1988; Jan M. Broekman/ Larry Catà Backer, Lawyers Making Meaning. The Semiotics of Law in Legal Education, Vol. II, 2013, pp. 195 f.
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porarily located at the surface of a communicative activity; it can at any moment disappear or be made to disappear into layers of engenderment where it came from. How is a norm characterized in this theoretical framework, how a sign, and what about meaning here? Sign and meaning are entangled in mutual relationships, which are in their turn at home in triadic patterns of relation. Norms can only fulfill their social role as an outcome of those triadic relations. That indicates the questionable character of understanding ‘Law as Command’. It is not a new insight to formulate how norms surface thanks to their third, which Peirce called their interpretant. A third is an always present and functional interpretant under the condition that sign and meaning are at stake, and he would confirm that the interpretant should not exclusively focus on his being immersed in a cultural pessimism or a reigning mistrust of the word when one speaks. Russell made a thoughtful remark on the patterning of the third, the interpretant. He wrote November 1905 to Lady Welby: “… any triadic relation f (x, y, z) may be reducible to the assertion between y and z of a relation which is a function of x. But this only gives equivalence; philosophically the meaning is changed, though not the truth or falsehood. …” Indeed, the triadic relations within which Peirce gave signs a meaning and sense are new equivalences resulting from his semiotic approach. If that is correct and inspiring (beyond traditional analytical philosophy of law and language ¢ which it seems to be) then the Peircean “third” or “interpretant” does not interpret anything, but functions in such a way that a sign can exist and be perceived to be functioning in the surface of language and discourse. In other words: the third is not a referent, the third only makes reference possible. It is also not an object or something understood in that very same way. Where semioticians took the non-sign as referent for the sign, they understood the third as something autonomous and fixed as if it concerned an object in physical sciences. This is the form of positivism De Haan strove for in his inaugural lecture as well as in his slogan “betere taal is beter recht”. An improvement of law and an overcoming of mistrust in referential relations is, however, not the result of any positivism or meaning fixation. When considering sign, meaning and norm in their intimate semiotic relationships ¢ which cannot be described here in detail ¢ it appears that semiotics will fail to combat cultural pessimism so long as it considers that pessimism as an object. It shows also how the characterization of the non-sign in relation to the engenderment of the sign is a semiotic issue par excellence. Peirce meant to suggest that the meaning of a sign is “a final cause”: meaning does not create the sign, but meaning brings the sign to the surface in order to have it function linguistically and discursively there. Any exclusive focus on the functioning (as in analytical philosophy) diminishes the necessary consideration of that surface (as in semiotics). There is no other telos of the sign than its being/functioning-insurface ¢ which never endures over the ages. Sign and object are sign and object in the surface of language and discourse: Freud knew this when he recurred to his 1899 “The Interpretation of Dreams”. He has been
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read since as the author who discovered a new dynamic of the human psyche, but one should start to honor him in the semiotic mood since he also understood the dynamics of surface and depth of language and mind, and what it means to resort only temporarily in surface layers. It means that the non-sign is the major sign problem in semiotics, because we have to think the sign (as we have to think the world) in terms of surfaces in which only an occasional phenomenality can reign. It could very well be that surface and phenomenality are two words for the same observation. Peirce’s term “final cause” is in that regard an extremely sensefilled and significant expression. We seldom seem successful in thinking phenomenality as based on a phenomenon (Peirce would say “phaneroscopic”),13 which manifests itself for a limited, non-determinable time in the surface layers of discourse. That experience formed the basis for the first line of this text when the Hippocratic sentence in the Chandos letter was quoted. The Saussurean split between signifier and signified bestirs the Anglo-Saxon semiotic tradition, which is based on logics as developed from Peirce to Ogden and Richards and determines the emancipation of meaning in a one-sided manner. Arbitrariness and split are not an issue for logicians. If the sign depends on a split between signifier and signified, then a sign is not a sign when it is on its own; it is only a sign when it is embedded in texts. Texts are multi-layered semiotic jewels, which sparkle in not solely being what they seem to be (when seeing them in the surface, we see them seldom as engendered) and not solely saying what they seem to say. Hence the suggestion of Kristeva, that we should perceive texts not as a linguistic phenomenon, but as a form of engenderment of a linguistic phenomenon ¢ which can lead to virtually all forms provided by literary traditions.14 Her proposal is, of course, the strongest opposition to any escape from the mistrust of the word created by the idea of a ‘pure’ language in which one-to-one relations reign and meanings only mean what they mean. It is of interest that the revolutionary tone in which De Haan in 1916 glorified the purity of the language of mathematics as a means to semiotically purify law and legal discourse, can still be heard in political protest movements of today, when they reinforce their quest for certainty in life. But signs and norms cannot become meaningful in a glorified mechanistic language such as law for instance presents in the form of syllogisms ¢ as its rich history has shown. These considerations and their focus on the semiotic understanding of sign, meaning and norm are not new. They can be read and meditated upon in Wittgenstein’s 13 Which “ascertains and studies the kinds of elements universally present in the phenomenon; meaning by the phenomenon, whatever is present at any time to the mind in any way.” (Peirce, Collected Papers, Vol. 2, 1903, p. 186). 14 Broekman/Catà Backer (note 12), pp. 198 ff. Kristeva’s observations show an urgent need to develop Peirce’s and Saussurean diagrams into three-dimensional representations. A holographic image of word, conversation fragment or discourse could have Google’s N-grams functioning in the hologram itself to unveil the rise into- and fall from surfaces. Images of cross-section of conversation and other linguistic communications could deliver insight in the dynamics of meaning making. A renewed dynamism in linguistics and philosophy of language is more than needed, and would meet many semiotic challenges.
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“Philosophical Investigations”, and appear here perhaps only in a new light ¢ clearer, and/or differently colored. His § 583 reads: “But you talk as if I weren’t really expecting, hoping, now ¢ as I thought I was. As if what were happening now had no deep significance. ¢ What does it mean to say: “What is happening now has significance” or “has deep significance”? What is a deep feeling? Could someone have a feeling of ardent love or hope for the space of one second ¢ no matter what preceded or followed that second? ¢ What is happening now has significance ¢ in these surroundings. The surroundings give it its importance. And the word “hope” refers to a phenomenon of human life. (A smiling mouth smiles only in a human face.)”
Das ,Paradox Kelsens‘ Eine Kritik Von Jean-François Kervegan, Paris I. Sein und Sollen Die Leitidee der reinen Rechtslehre Hans Kelsens besteht darin, dass die Normen, insbesondere die Rechtsnormen ein selbständiges System ausmachen, dessen Elemente mit bestimmten ontologischen Bestimmungen ausgestattet sind, insofern sie zur Sphäre des Sollens gehören. Diese Sphäre beinhaltet zudem eine epistemologische Eigenart, und zwar die Zurechnung, welche die Grundstruktur der deontischen Sätze definiert: „Wenn a ist, dann soll b sein.“ Die Zurechnung ist im Normenbereich das Äquivalent des Kausalitätsverhältnisses („Wenn a ist, dann ist b.“) im Bereich der Tatsachen oder des Seins. Die epistemologische Unterscheidung spiegelt nun die grundlegende ontologische Unterscheidung wider. Vom Standpunkt der reinen Rechtslehre ist also die Autonomie der Rechtsordnung in letzter Instanz auf die strenge ontologische Trennung von Sein und Sollen begründet, die bei Kelsen als ein Postulat gilt: „Der Unterschied zwischen Sein und Sollen kann nicht näher erklärt werden.“1 Zwar bedeutet dies nicht, dass „Sein und Sollen beziehungslos nebeneinander stehen“2, weil die Annahme einer Norm ein Bestreben oder eine Absicht impliziert, das, was „ist“, in Übereinstimmung mit dem, was „sein soll“, zu bringen; wie Hume festgestellt hat, wäre es jedoch ein Irrtum zu glauben, dass es ein Kausalitätsoder Einflussverhältnis zwischen ihnen geben könnte. Das, was „ist“ (die Faktizität) und das, was „sein soll“ (das Normative) sind möglicherweise „gleich“ (und deshalb ist es uns um den Preis einer gewissen Ungenauigkeit erlaubt, zu sagen, dass ein Verhalten normkonform oder normüberschreitend ist), aber keineswegs „identisch“.3 Demzufolge soll eine Normwissenschaft, insbesondere die Rechtswissenschaft, von Struktur und Betrieb ihres Gegenstandes (d. h. der Normenordnung, von der die Rechtsordnung einen selbständigen Teil ausmacht) Rechenschaft geben, ohne irgendein ,äußeres‘ Element ins Spiel zu setzen; insbesondere ist die Berücksichtigung von „natürlichen“ Elementen ausgeschlossen, welche in die ontologische Seinssphäre und in das Erklärungsmodell der Kausalität gehören. Die reine Rechtslehre – dies ist der erste Sinn ihrer ,Reinheit‘ – beruht also auf dem Prinzip der autonomen Kon1
Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. [zit. Reine Rechtslehre II], Wien 2000, S. 5. Ebd., S. 6. 3 Ebd. 2
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sistenz und (dank der „Fiktion“ der Grundnorm) der Selbstbegründung der positiven Rechtsordnung, welche ausschließlich ein „System von Normen“ ist.4 Dadurch unterscheidet sie sich von den ,exoterischen‘ Theorien, die das Recht als eine soziale Tatsache, nicht als ein rein normatives Gebilde behandeln. In einer Reihe von Veröffentlichungen aus den 1910-er Jahren,5 deren Grundthesen das Buch Der soziologische und der juristische Staatsbegriff (1922) zusammenfasst, widersetzt sich Kelsen den damals emporsteigenden soziologischen Behandlungsarten des Rechts. Nicht deshalb, weil die Soziologie über Recht nichts Lehrreiches festzustellen hätte, im Gegenteil; aber das, was sie uns darüber lehrt, betrifft das Recht als soziales Phänomen, nicht als Normensystem. Während die Rechtswissenschaft eine normative Wissenschaft ist (eine Benennung übrigens, die nicht eindeutig ist), ist die Rechtssoziologie eine „Seinswissenschaft“, die uns zwar darüber treffende Daten verschafft, was das Recht und die Rechtsvorstellungen sind, d. h. über „Seinstatschen“6 oder über die „Chance“, die dieses oder jenes Rechtsverhältnis hat, innerhalb einer gewissen Gesellschaft als legitim betrachtet zu werden; aber sie sagt uns nichts darüber, was sein soll. Die Rechtswissenschaft hingegen, „fragt nicht, wie die Soziologie: was geschieht? und erklärt nicht, warum es so und nicht anders geschehen muss, sondern fragt lediglich, was geschehen soll“; sie ist also keine erklärende „Kausalwissenschaft“, sondern eine „normative Disziplin oder Normwissenschaft“.7 In der Tat zielen diese beiden Betrachtungsarten des Rechts nicht auf denselben Gegenstand. Dass die Normen eines gewissen Rechtssystems auch soziale Fakten sind, dass infolgedessen ihre Erzeugung und Funktionsweise analysierbare Regelmäßigkeiten innehaben und darum Normalitätskriterien unterworfen sind, ist nicht zu leugnen; dies erklärt aber keineswegs ihre normative Gültigkeit. Zwischen dem sozialen Sein der Normen (ihrer Faktizität) und ihrem normativen Status (ihrer Geltung) besteht eine Kluft, die das sogenannte ,Humesche Gesetz‘ ausmisst: aus dem Sein folgt kein Sollen. Die reine Rechtslehre ist deshalb ,rein‘ von irgendwelchen außernormativen Elementen, rein also von irgendwelcher soziologischer Begebenheit oder von all dem, was in die Rechtspolitik gehört. Diese Feststellung führt zum Kern der reinen Rechtslehre, zu der Theorie der normativen Geltung, und zu ihrer letzten Bedingung, der Grundnorm.
4
Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 32. Diese Schriften („Zur Soziologie des Rechts. Kritische Betrachtungen“, 1912; „Eine Grundlegung der Rechtssoziologie“, 1915; „Der Staatsbegriff der ,verstehenden Soziologie‘“, 1921) sind zusammen mit Texten von H. Kantorowicz, E. Ehrlich und M. Weber, im Sammelband „Hans Kelsen und die Rechtssoziologie“ (hrsg. v. S. Paulson), Aalen 1992, gruppiert worden. 6 Kelsen, Eine Grundlegung der Rechtssoziologie, in: Hans Kelsen und die Rechtssoziologie (FN 5), S. 873. 7 Kelsen, Zur Soziologie des Rechts, in: Hans Kelsen und die Rechtssoziologie (FN 5), S. 601 f. 5
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Der Reinen Rechtslehre zufolge ist die Geltung einer Norm ihre „spezifische Existenz“ oder „die besondere Art, in der sie […] gegeben ist“.8 Die Geltung bedeutet also, dass der Tatbestand, dessen Realisierung durch die Norm vorgeschrieben, verboten oder erlaubt ist, „sein soll“, dass er „gesollt“ ist. Wie gesagt entspricht die Geltung der „sein sollenden“ Objekte der Existenz der „seienden“ Objekte. Nun schließen das ontologische Prinzip der Undeduzierbarkeit des Sollens vom Sein und das epistemologische Prinzip der Unterschiedenheit der Sollsätze und der Seinsätze aus, dass der Geltungsgrund (der ,Existenz’grund) einer Norm aus irgendeinem faktischen Element besteht, nicht einmal aus dem sie herbeiführenden Willensakt: Der Akt [mit dem die Norm gesetzt wird] ist die Bedingung, nicht aber der Grund der Geltung. Der Geltungsgrund einer Norm, eines Sollens, kann nicht ein Sein, sondern nur ein Sollen, die Geltung einer anderen Norm sein.9
Also kann der Geltungsgrund einer Norm ausschließlich eine andere Norm sein. Die Geltung dieser zweiten Norm ist durch eine weitere begründet, etc., bis man entschließt, dass man den letzten Geltungsgrund aller Normen des Systems erreicht hat, und zwar die ,Grundnorm‘. Ich werde im Kurzen diesen zentralen Begriff ausführlicher erörtern. II. Geltung und Wirksamkeit: Das Paradox Kelsens Ich komme nun zum misslichsten Punkt der Kelsenschen Konstruktion, der dem ,Paradox Kelsens‘ zugrunde liegt, und zwar zum Verhältnis von Geltung und Wirksamkeit der Normen. Die Geltung einer Norm ist ihr Norm-,Sein‘, ihr gesollt-Sein. Ihrerseits ist die Wirksamkeit die „Seinstatsache, […] dass sie tatsächlich angewendet und befolgt wird“.10 Aus der strikt dualistischen Perspektive Kelsens sind nun Geltung und Wirksamkeit ontologisch sowie epistemologisch unabhängig. Ontologisch, weil ihre ontische Modalität (das Sein auf der ersten, das ,Gesollt-sein‘ auf der zweiten Seite) unterschieden ist; epistemologisch, weil die Wirksamkeit Kausalitäts-, und die Geltung Zurechnungsverhältnisse betätigt. Nun aber erhebt sich die Schwierigkeit. Als Jurist, und als solcher zu einem gewissen Realismus verpflichtet, gibt Kelsen zu, dass im Großen und Ganzen „ein gewisser Zusammenhang“ zwischen Geltung und Wirksamkeit bestehen soll.11 Diese These der Korrelation von Geltung 8
Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 9. Siehe ders., Reine Rechtslehre, 1. Aufl., 1934 [Reine Rechtslehre I], Aalen 1994, S. 7; ders., General Theory of Law and State, Cambridge, Mass. 1945, S. 30. 9 Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, Wien 1979, S. 136. Siehe Reine Rechtslehre II, S. 5 et 8. 10 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 10. 11 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 10. Siehe auch ebd., S. 215 – 221: Kelsen gibt hier zu, dass „die korrekte Bestimmung dieses Verhältnisses […] eines der wichtigsten und zugleich schwierigsten Probleme einer positivistischen Rechtstheorie“ ist. Parallele Stellen: ders., Reine Rechtslehre I, S. 72 – 73; ders., General Theory of Law and State (FN 8), S. 29 – 44; ders., Allgemeine Theorie der Normen (FN 9), S. 11 – 114. Das Problem des Zusam-
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und Wirksamkeit bewirkt eine theoretische Schwierigkeit, deren Kelsen sich völlig bewusst ist; sie führt nämlich zwischen den Sphären des Seins und des Sollens einen Zusammenhang wieder ein, der übrigens – so Hume – „unbegreiflich“ ist. Warum nimmt Kelsen völlig bewusst in Kauf, in eine solche Schwierigkeit zu geraten? Wahrscheinlich deshalb, weil er sich als Positivisten versteht: „Eine positivistische Rechtstheorie ist vor die Aufgabe gestellt, zwischen zwei Extremen, die beide unhaltbar sind, den richtigen Mittelweg zu finden.“: das erste ist die als idealistisch bezeichnete Stellung, die jedes Verhältnis zwischen Geltung und Wirksamkeit verneint; die zweite, als realistisch bezeichnete Stellung hingegen löst die Geltung in die Wirksamkeit auf.12 Für einen Anhänger des Rechtspositivismus, der als solcher die „normative Kraft des Faktischen“13 mehr oder weniger anerkennt, vermag keine Norm unabhängig von ihrem Verwirklichungskontext völlig gültig zu sein. Andererseits ist die Tatsache, dass eine Norm mehrheitlich oder sogar einstimmig befolgt wird, kein Beweis ihrer normativen Geltung; dies zu glauben wäre eine Verwechslung der Normativität mit der Normalität, die den Genusunterschied von Sollen und Sein vernachlässigen würde. Der „Mittelweg“ Kelsens, der mit Hilfe einer von der Scholastik entliehenen Terminologie dargestellt wird, besteht aus der Feststellung, dass zwar die Wirksamkeit die conditio sine qua non der Geltung ist (in dem Sinn, dass eine nie befolgte Norm keine echte Norm mehr sei), dass aber die letztlich von der Grundnorm begründete normative Geltung einer weiteren Norm die conditio per quam jeder gültigen Norm ist, indem nur eine Norm eine andere Norm setzen kann: Die Normen einer positiven Rechtsordnung gelten, weil die die Grundregel ihrer Erzeugung bildende Grundnorm als gültig vorausgesetzt wird, nicht weil sie wirksam sind; aber sie gelten nur, wenn, das heißt nur solange als diese Rechtsordnung wirksam ist.14
Die Schwierigkeit ist jedoch nicht damit erledigt, wie Kelsen es selbst zugibt, indem er die ontologische Trennung von Sein und Sollen übrigens festhält; um sie dank einer Redundanz zu betonen redet er sogar von ,Soll-Geltung‘ und ,Seins-Wirksamkeit‘. Die vorgeschlagene Lösung des Paradoxes besteht einerseits in der Feststellung, dass die die Geltung bedingende Wirksamkeit nicht diejenige der individuellen betroffenen Norm (indem eine Normübertretung die Geltung dieser einzelnen Norm selbstverständlich nicht aufhebt), sondern die Geltung der gesamten Normenordnung ist; sie besteht andererseits in der Integrierung jenes Faktors in die Grundnorm selbst: „Setzung und Wirksamkeit sind in der Grundnorm zur Bedingung der
menhangs von Geltung und Wirksamkeit ist im Bereich des internationalen Rechts besonders akut: „[International law] is to be considered as a valid order only if it is by and large effective.“ (Kelsen, Principles of international law, 1959, S. 110). 12 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 215. 13 So G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre (4. Aufl., 1924), Darmstadt1968, S. 341, 360, 371. 14 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 219.
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Geltung gemacht.“15 Indem aber die Grundnorm formeller, nicht materieller Natur ist, indem sie ausschließlich vorschreibt, dass man eine „tatsächlich gesetzte, im großen und ganzen wirksame Verfassung, und daher die gemäß dieser Verfassung tatsächlich gesetzten, im großen und ganzen wirksamen Normen“ befolgen soll,16 ist die Schwierigkeit zwar zurückgedrängt, aber nicht gelöst. Wenigstens finden wir hier eine Bestätigung darüber, dass die Grundnorm nicht nur den bekanntesten Beitrag Kelsens zur Rechtstheorie, sondern den Schlussstein seiner gesamten begrifflichen Konstruktion ausmacht. Dieser Begriff besitzt nun in der reinen Rechtslehre eine doppelte Funktion. Auf der logischen Ebene entspricht die Grundnorm dem aristotelischen Prinzip anagkè stenai (man muss Halt machen). Um nicht in die Sackgasse des regressus ad infinitum zu geraten, muss man voraussetzen, dass die geordnete Normenmenge eine Abschlussklausel im Sinne der Theorie der formalen Systeme beinhaltet: in letzter Instanz ist also die Grundnorm dasjenige, das es möglich macht, eine gewisse Norm als Komponente eines gegebenen Systems anzuerkennen oder nicht. Die Grundnorm hat also bei Kelsen eine ähnliche Funktion wie die Anerkennungsregel bei Hart, insofern sie es erlaubt, das „Problem der Unsicherheit“ zu lösen,17 nämlich: ist diese Norm gültig oder nicht, das heißt letzten Endes: ist sie eine Norm oder nicht? Auf der epistemologischen Ebene nun ist die Grundnorm ein kontrafaktisches Prinzip, in dem Sinne nämlich, dass alles geschieht, als ob das ganze normative System von einer einzigen vorausgesetzten Quelle herrührte. In der zweiten Auflage der Reinen Rechtslehre (1960) wird die Grundnorm als eine „transzendental-logische Voraussetzung“ bezeichnet.18 Ihre Bestimmung ist „nicht das Produkt freier Erfindung“;19 umgekehrt ist es ihre eigene Funktion, „die objektive Geltung einer positiven Rechtsordnung […] zu begründen“, indem ihre eigene Geltung „nicht weiter in Frage gestellt wird“ und werden kann.20 Es handelt sich also um ein formales, bzw. prozedurales Prinzip, nicht um einen bestimmten normativen Inhalt. Die Grundnorm ist, so Kelsen, „der Ausgangspunkt eines Verfahrens“, deshalb hat sie „einen durchaus formal-dynamischen Charakter“.21 Deswegen konnte Kelsen im Lauf seines Denkwegs und wegen der Entwicklung seines Forschungsfeldes die Grundnorm als „die erste Verfassung“, als die grundlegende Charta der internationalen Rechtsordnung, oder sogar als die Verfassung eines künftigen Weltstaats bezeichnen. Das Wichtige nämlich ist nicht der materielle Inhalt der Grundnorm, sondern ihre formel15
Ebd. Ebd. 17 Siehe Hart, The concept of law, Oxfort 1994, S. 94: „The simplest form of remedy for the uncertainty of the regime of primary rules is the introduction of what we shall call a rule of recognition.“ 18 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 204. 19 Ebd. 20 Ebd., S. 205. 21 Kelsen, Reine Rechtslehre I (FN 8), S. 64. Siehe ders., Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 204. 16
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le Natur oder, wie man will, ihre logische Funktion; stricto sensu hat sie keinen Inhalt, wenigstens vom Standpunkt einer ,dynamischen‘, nicht ,statischen‘ Theorie der Rechtsordnung.22 Diese Eigenschaft macht den großen Unterschied aus, der zwischen den naturrechtlichen und den positivistischen Rechtstheorien besteht. Während die ersteren eines gewissen normativen Inhalts (zum Beispiel eines materiellen Begriffs der Gerechtigkeit) als Ausgangspunkt bedürfen, haben die positivistischen Theorien (wenigstens nach der „normativistischen‘ Interpretation Kelsens) ausschließlich nötig, sich eine anfängliche formale Klausel zu geben, deren allgemeinste Formulierung wie folgendes lauten könnte: „die Normen des Systems S sind gültig, deshalb soll man sie befolgen“, oder ganz einfach: „Normen sind Normen“, und als solche drücken sie ein Sollen aus. Die Grundnorm also ist nicht nur eine Abschlussklausel im oben definierten Sinne, aber auch dazu die syntaktische Grundregel, die die Erlassprozedur der gültigen Normen innerhalb eines gewissen Systems bestimmt. Man versteht nun, dass die Grundnorm eine metanormative Aussage ist; ebenso wie die Bildungs- und Transformationsregeln eines formellen Systems benötigen, in einer Metasprache beschrieben zu werden, gehört die Grundnorm nicht zu dem durch sie begründeten System, und kann nicht dazu gehören; sie ist jedoch ihm nicht äußerlich, als ob sie zu einem anderen System gehörte. Es ist durchaus klar, dass man nach Kelsen einer solchen Grundaussage bedarf, um die (mit dem Vokabular Luhmanns formulierten) ,operative Schließung‘ des Systems, anders gesagt seinen systematischen Charakter zu sichern. III. Kritik Ist die von Kelsen angegebene Lösung des Paradoxons der Gegenüberstellung von Normgeltung und Normwirksamkeit befriedigend? Ich glaube es nicht. Um diesen Verdacht zu bestätigen soll man die Konsistenz der beiden Hauptargumente Kelsens prüfen. 1. Erstes Argument: ohne dass die Wirksamkeit den Grund (die conditio per quam) der normativen Geltung ausmacht, ist sie jedoch ihre conditio sine qua non. Kelsen präzisiert aber, dass diese Bedingung nicht notwendig für jede einzelne Norm (indem die Tatsache, dass eine Norm übertreten wird, ihre Ungültigkeit natürlich nicht impliziert), sondern für das ganze System gilt, welches „im Großen und Ganzen“ wirksam sein soll, damit die dazu gehörenden Normen selbst gültig sind. Anders gesagt, damit die zum System S angehörige Norm N1 gültig und geltend ist, sollen zwei Bedingungen (und nur diese zwei) befriedigt werden: a) (B1) Die Geltung von N1 soll von N2, die Geltung von N2 selbst von N3 festgestellt werden, etc., bis man die Norm N0 erreicht, die durch eine „transzendental-logische“ Annahme (wel22 Statisch ist eine Rechtstheorie, deren Grundnorm durch einen gewissen materiellen Inhalt bezeichnet ist; eine dynamische Theorie hingegen versteht wie die reine Rechtslehre selbst die Grundnorm als ein ,formelles‘ Normerzeugungsprinzip, das es zugleich erlaubt, die Geltung der bestehenden Normen des betroffenen Systems zu prüfen.
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che selbst die Grundnorm ist) die erste oder „ursprüngliche“ Norm des Systems ausmacht. Weil meines Erachtens oft ein Missverständnis darüber besteht, will ich nachdrücklich betonen, dass N0 mit der Grundnorm Nf von S nicht zusammenfällt; sie ist vielmehr die von Nf als ,erste‘ oder ,ursprüngliche‘ Norm von S gesetzte Norm. Zum Beispiel: wenn S die nationale Rechtsordnung ist, dann ist Nf die ,formelle‘ Norm, die es vorschreibt, dass man die Verfassung (N0) und die davon abgeleiteten Normen befolgen soll. Mir scheint, dass diese Unterscheidung von N0 und Nf das einzige Mittel ausmacht, die oft wiederholte Behauptung Kelsens zu beachten, dass die Grundnorm formeller Natur ist, was augenfällig nicht der Fall bei einer Verfassung ist, selbst bei der ersten. b) (B2) Das System S, dessen Normen N1, N2, …Nn von N0 ihre Gültigkeit gemäß Nf letzten Endes haben, soll ,im Großen und Ganzen‘ wirksam, das heißt nicht nur gültig, sondern auch geltend sein.
Aber ich sehe nicht warum die Bedingung B2 zu B1 hinzugesetzt sein soll. Die globale Wirksamkeit von S ist zwar die Bedingung der Wirksamkeit der Normen N1, N2, …Nn von S (wie könnte sonst eine individuelle Norm wirksam sein, wenn das sie umfassende System selbst nicht gültig und geltend wäre?), aber nicht ihrer Geltung, wenigstens wenn es stimmt, wie Kelsen es nachdrücklich betont, dass nur eine (gültige) Norm die Geltung einer weiteren Norm begründen kann. Selbst die von ihm angegebene Definition der Geltung schließt wegen ihrer ontologischen (Trennung von Sein und Sollen) und epistemologischen (Unterscheidung von Kausalität und Zurechnung) Voraussetzungen aus, der inneren Bedingung per quam eine äußere Bedingung sine qua non in der Definition der Geltung hinzuzufügen. Die globale Wirksamkeit von S ist also ja die Bedingung sine qua non der Wirksamkeit von N1, N2, …Nn, aber nicht die Bedingung per quam ihrer Geltung. Um seine Stellungnahme zu begründen, behauptet Kelsen, dass sie einen „Mittelweg“ zwischen zwei „unhaltbaren“ Rechtsauffassungen ausmacht: der „idealistischen“ Auffassung, die die Frage der Wirksamkeit völlig vernachlässigt, und der „realistischen“, die die Geltung zur Wirksamkeit reduziert.23 Warum aber sind sie unhaltbar? Sie sind es sicherlich, wenn man die logischen und ontologischen Voraussetzungen Kelsens akzeptiert; man darf jedoch auch diese wenigstens logisch möglichen Auffassungen als Anregungen dazu betrachten, jene Voraussetzungen in Frage zu stellen. In der Tat sind diese beiden unhaltbaren Ansichten wirklich gehalten worden, und zwar dank verschiedener berücksichtigungswürdiger Argumente. Die in der Reinen Rechtslehre wenig dokumentierte ,idealistische‘ Auffassung ist eine strikt deontologische Rechtskonzeption wie z. B. diejenige Kants. Für einen konsequenten Normativisten wie Kant ist die Geltung des Sittengesetzes (und daher diejenige der Rechtsnormen, welche der ,Moral‘ im breiten Sinne, d. h. dem Inbegriff der praktischen, rechtlichen sowie sittlichen Vernunftnormen, angehören) von der Tatsache völlig unabhängig, dass es freie (= ,autonome‘) Handlungen und freie (= das Vernunftgesetz befolgende) handelnde Subjekte tatsächlich gibt. In dieser Hinsicht besteht zwischen der normativen Ebene (der der praktischen Vernunft) und der kognitiven Ebene (die des reinen Verstandes und der theoretischen Vernunft in ihrem re23
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gulativen Gebrauch), oder zwischen Geltung und Faktizität eine strikte Trennung; deshalb können wir widerspruchslos denselben Akt als durch Naturgesetze ganz determiniert und als vom Standpunkt des Sittengesetzes aus völlig frei betrachten, insofern wir uns bewusst sind, dass wir ihn nicht „in demselben Sinne, oder in eben demselben Verhältnisse“24 beides Mal ansehen. Die Position Kelsens wäre ähnlich derjenigen Kants, wenn er auf B2 verzichtete und die Geltung ausschließlich angesichts von B1 bestimmte. Weil es nicht der Fall ist, vertritt Kelsen eine Konzeption, die ich gerne als eine Art von inkonsequentem Normativismus bezeichnen würde. Kelsen gibt eine präzisere Bezeichnung der anderen „unhaltbaren“, realistischen Auffassung, die derjenigen des sog. legal realism entspricht. In der General Theory of Law and State kritisiert er die bekannte Aussage des Vorkämpfers des amerikanischen Realismus, Oliver W. Holmes: „The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law.“25 Solche Aussage, erwidert Kelsen, beruht auf einer ,soziologischen‘ Verwechslung von „legal necessity“ and „factual probability“, also auf einer Verwechslung der Geltung mit der Wirksamkeit.26 Solche Kritik an Holmes nimmt den Standort einer konsequenten (,normativistischen‘) Rechtstheorie ein, welcher von der eigenen ,mittleren‘ Position Kelsens abweicht. In der Reinen Rechtslehre ist eine lange Fußnote einer Widerlegung der von Alf Ross vertretenen ,skandinavischen‘ Variante des juristischen Realismus gewidmet: sie beruht, so Kelsen, auf einem Verständnis der Geltung als „Glaubens“ an die Legitimität der normsetzenden Instanz; sie reduziert also die Geltung zu einer psychologischen „Seinstatsache“, und dies führt dazu, den bestimmten, streng normativen Begriff der Geltung zu beseitigen (indem eine Seinstatsache „nicht gültig“ ist), und ihn durch einen „völlig anderen Begriff“ zu ersetzen.27 Auch in dieser ,antirealistischen‘ Polemik vertritt Kelsen einen konsequenten (Kantschen) Standpunkt. Fazit: das erste von Kelsen konstruierte Argument, um das ,Interferenzparadox‘ zu beseitigen, ist nicht beweiskräftig. Es bringt sogar mit sich eine gewisse Zweifelhaftigkeit angesichts der konsequenten normativistischen Position, die der strikten Unterscheidung von Geltung und Wirksamkeit zugrunde liegt. Wenn die Geltung definiert ist, wie sie es bei Kelsen ist, also als B1, dann gibt es keinen zwingenden Grund, die Wirksamkeit als selbst äußeren Bedingung B2 der Geltung zu verstehen.
24
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Ak. A. V, S. 456. O. W. Holmes, The path of law, in: id., Collected legal papers, S. 173. 26 Kelsen, General Theory of Law and State (FN 8), S. 168. In der Allgemeinen Theorie der Normen behauptet er, dass die Definition Holmes‘ dazu führt, den Standpunkt des Täters (welche Chance habe ich, festgenommen zu werden?) mit dem des Richters (soll ich den Urheber jenes Akts verurteilen?) zu verwechseln; Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen (FN 9), S. 274. 27 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 215 – 218. 25
Das ,Paradox Kelsens‘
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2. Zweites Argument: „Setzung und Wirksamkeit sind in der Grundnorm zur Bedingung der Geltung gemacht.“28 Diese Aussage aber ist meines Erachtens mit der Auffassung schwierig zu vereinbaren, nach welcher die Grundnorm nichts anderes als der Ausgangspunkt einer Prozedur ist, die „den Geltungsgrund, nicht aber auch den Inhalt der dieses System bildenden Normen“ ausmacht.29 Wenn die Grundnorm Nf einen rein formellen oder prozeduralen Charakter hat, ist sie nun unfähig, die (inneren wie äußeren) materiellen Bedingungen der normativen Geltung zu bestimmen. Vom Standpunkt einer ,Rechtsdynamik’ erklärt Nf folgendes: N0 und die von ihr prozedural ausgehenden Normen N1, N2, …Nn, welche mit N0 das System S ausmachen, sind gültig.
Falls man hingegen wie anscheinend Kelsen selbst annimmt, Nf erkläre, dass N0 und die von ihr prozedural ausgehenden Normen N1, N2, …Nn, welche mit N0 das System S ausmachen, gültig sind, unter der Bedingung, dass S als Ganze wirksam ist,
dann verbleibt man nicht mehr im Rahmen einer strikt dynamischen (d. h. formellen, prozeduralen) Auffassung der Normenordnungen; man geht vielmehr zu einer gemischten, statisch-dynamischen Auffassung über. Das, was die statische und die dynamische Auffassung unterscheidet, ist nämlich die Tatsache, dass die erstere Nf einen gewissen „unmittelbar einleuchtend[en]“30 Inhalt beiordnet, hier: die These, dass die formell gültigen Normen von S nur dann wirklich gültig (oder ,geltend‘) sind, wenn S „als Ganze wirksam ist“. Diese äußere Bedingung macht zwar nicht den Inhalt selbst der Grundnorm aus, welche ihren prozeduralen Charakter behält; sie ist jedoch konzipiert als mit ihm notwendig verbunden. Eine ,Seinstatsache‘ ist also für dasjenige grundlegend, das das Prinzip der normativen Geltung von S und von den in ihm enthaltenen Normen ausmacht. Dies aber widerspricht dem ,Humeschen‘ Doppelaxiom, das Kelsen als Grundlage seiner gesamten Konstruktion postuliert, und zwar die ontologische Trennung von Sein und Sollen und die epistemologische Trennung von Seinssätzen (kognitiven Aussagen) und Sollsätzen (normativen Aussagen). So erreicht man dasselbe Ergebnis wie bei der Prüfung des ersten Arguments: die Interferenz-These stört die Kohärenz einer „idealistischen“ Konzeption der normativen Geltung (welche mit B1 zusammenfällt), die jedoch die Achse der Kelsenschen Rechtstheorie ausmacht. Ich behaupte keineswegs, dass Kelsen die ,Wirksamkeit‘ der Normensysteme, d. h. ihre Wirklichkeit, irrtümlich berücksichtigt. Ich bin jedoch der Meinung, dass diese Berücksichtigung (die dank B2 stattfindet) mit der ,formellen‘ (rein prozeduralen) Auffassung der Geltung unvereinbar ist, die er außerdem vertritt, um sich vor dem Gespenst des Naturrechts und seiner ,materiellen‘ Auffassung der Grundlage der normativen Ordnung zu schützen. 28
Ebd., S. 219. Ebd., S. 199. 30 Kelsen, Reine Rechtslehre II (FN 1), S. 198.
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Kann man nun dem ,Paradox Kelsens‘ eine befriedigendere Lösung als die seine antragen? Diese Lösung kann theoretisch in zwei Richtungen ausgesucht werden. Eine erste Möglichkeit besteht darin, der einen oder der anderen Position beizutreten, welche Kelsen selbst als unhaltbar ansieht, und zwar der idealistischen Position (B1), die irgendwelche Berücksichtigung der Faktizität ausschließt, oder der realistischen Position (B2), die zu einer Identifizierung der Geltung mit der Faktizität führt. Die Nachteile beider Positionen sind von Kelsen klarsichtig formuliert worden: weder eine pur normativistische, noch eine pur faktische (positivistische im üblichen Sinne des Wortes) Auffassung der Normativität sind imstande, von der spezifischen Natur der Normativität und der normativen Aussagen Rechenschaft zu geben. Es gibt jedoch eine andere Möglichkeit, die Kelsen selbst nicht einmal betrachtet, weil sie einer seiner Grundüberzeugungen widerspricht: es handelt sich darum, die dualistische Prämisse der ganzen Konstruktion in Frage zu stellen, und zwar die strenge Trennung von Sein und Sollen, vom Normativen und vom Faktischen. Genau das ist meines Erachtens das Vorhaben der (außerdem unter sich sehr unterschiedenen) institutionellen Auffassungen des Rechts und der Normativität. Es gibt also vermutlich einen institutionellen Weg, das ,Paradox Kelsens‘ zu lösen, oder wenigstens zu beseitigen.
Die Rolle des Internationalen Privatrechts im Prozess des Zusammenwirkens nationaler Rechtssysteme* Von Andrey G. Lisitsyn-Svetlanov, Moskau I. 1. Das Recht jedes einzelnen Landes, welches das ,nationale‘ Rechtssystem stellt, wie die russische juristische Literatur es zu nennen pflegt, beinhaltet eine bestimmte konkrete Einheit. Sie umfasst alle Rechtsnormen, die an den auf der internationalen Bühne entstehenden Verhältnissen rechtlicher Provenienz beteiligt sind. Die in diesem Zusammenhang in Erscheinung tretenden Probleme betreffen alle Rechtsgebiete, d. h. sowohl das Privatrecht als auch das Öffentliche Recht der diversen Staaten.1 Gegenstand dieser Wechselbeziehungen ist der internationale Austausch und Rechtsverkehr. Er umfasst ein breites Spektrum der sozialen Verhältnisse und Lebensbereiche. Objektiv gesehen, gibt es im gesamten Komplex des Zusammenwirkens der nationalen Rechtssysteme einen Bereich, in dem die Intensität der erwähnten Verhältnisse besonders hoch ist, nämlich das ,zivilistische‘ Segment.2 a) Der Argumentation von Professor A. A. Rubanov folgend, müsste man hier die besondere Rolle des Internationalen Privatrechts hervorheben. Die russische Doktrin bestimmt diesen Gegenstandsbereich als Zivilrecht im weiten Sinne des Wortes, das heißt als zivilrechtliche, insbesondere familienrechtliche und arbeitsrechtliche Beziehungen, die mit dem internationalen Element beschwert sind. Dies charakterisiert das Internationale Privatrecht nicht nur als Bestandteil des zivilistischen Segments im Recht, sondern als ein Rechtsgebiet, das deswegen entstanden ist, um das Zusammenwirken von nationalen Rechtssystemen zu gewährleisten. Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass die Besonderheit des Internationalen Privatrechts als eines zivilistischen Rechtsgebiets in seiner unmittelbaren Kopplung mit dem internationalen Zivilprozess zu erblicken ist, der seinerseits ein Bestandteil des Öffentlichen Rechts ist, nämlich des Zivilprozessrechts. b) Die Entstehung und Stärkung von internationalen Beziehungen regt, geschichtlich gesehen, die Staaten zum Dialog an. Eine Reihe dieser Verhältnisse machen im Laufe ihrer Entwicklung die Herausarbeitung eines konsistenten einheitlichen Ver*
Aus dem Russischen übersetzt von Dipl.-Jur., Dipl.-Phil. Elena Kantypenko, M.A. Rubanov, A.A., Teoreticˇeskie osnovy mezˇdunarodnogo vzaimodejstvija nacional’nych pravovych sistem [Theoretische Grundlagen des internationalen Zusammenwirkens von Rechtssystemen], Moskau 1984, S. 5. 2 Vgl. ebd., S. 11. 1
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haltensmodells erforderlich, dass die Etablierung von internationalen Gewohnheiten nach sich ziehen kann. Es kommt auch zu bestimmten, auf Absprachen beruhenden Regeln, zum Beispiel von Verträgen oder noch flexibleren Instrumenten zur Regulierung dieser Verhältnisse, die in der Rechtsdoktrin als „soft law“ bezeichnet werden.3 In anderen Fällen kann das Zusammenwirken als Resultat einer von den Staaten verabschiedeten nationalen Gesetzgebung in Erscheinung treten. Sie kann von Anfang an sehr viel besser die Notwendigkeit berücksichtigen, die objektiv mit unterschiedlichen Rechtssystemen verbundenen Verhältnisse zu regulieren. Sie kann auch spezielle Institute enthalten, in denen nicht nur der Mechanismus der Regulierung von entstehenden Verhältnissen vorgesehen ist, sondern auch das Zusammenwirken der Rechtssysteme geregelt wird. Die objektive Notwendigkeit eines derartigen Zusammenwirkens tritt vor allem gerade im Internationalen Privatrecht in Erscheinung. Besonders anschaulich zeigt sich dies, wenn die interne Gesetzgebung mit den in den internationalen Verträgen aufgeführten Normen nach deren Ratifizierung harmonisiert wird. 2. Die Geschichte der Entwicklung von zwischenstaatlichen Beziehungen, die auch in den Rechtsverhältnissen zwischen Privatpersonen realisiert werden, spiegelt überzeugend eine Evolution wider, die von den einfachsten rechtlichen Formen bis hin zu komplexen Integrationsprozessen reicht. a) Das Ende des 20. Jahrhunderts und der Anfang des 21. Jahrhunderts waren gekennzeichnet durch die kardinalen Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen und folglich auch der rechtlichen Weltkarte. Das nachhaltige Wachstum der wissenschaftlich-technischen Entwicklung und bedeutende Asymmetrien der demographischen Prozesse in unterschiedlichen Regionen der Erde verleihen dem Prozess dieser tiefgreifenden Veränderungen zusätzlichen Schub. In diesem Zusammenhang sind solche Faktoren zu erwähnen, wie das Nichtvorhandensein oder der Wegfall von Konfrontationen zwischen zwei sozialpolitischen Systemen, die a priori Hindernisse für das Zusammenwirken der Rechtssysteme darstellen, sowie der Verlust der Stel3 In der russischen juristischen Literatur wurde die Rolle des „soft law“ als Regulator der Rechtsverhältnisse unterschiedlich bewertet: von der Nichtanerkennung bis zu positiven Kommentaren zu den Quellen des „soft law“. Vgl. z. B., Kolodkin, R.A., Kritika koncepcii mjagkogo prava [Kritik der Konzeption des soft law], in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo [Sowjetischer Staat und sowjetisches Recht], Nr. 12, 1985, S. 95 – 99; Bajtin, M.I., O sovremennom normativistkom ponimanii prava [Über das gegenwärtige normativistische Verständnis des Rechts], in: Zˇurnal rossijskogo prava [Zeitschrift für das russische Recht], Nr. 1, 1999, S. 98 – 107; Lukasˇuk, I.I., Mezˇdunarodnoe „mjgkoe pravo“ [Das internationale soft law], in: Gosudarstvo i pravo [Staat und Recht], Nr. 8,9, 1994, S. 159 – 167; Matveeva, T.V., K voprosu o „mjagkom prave“ v regulirovanii mezˇdunarodnych cˇastnopravovych otnosˇenij [Zur Frage des „soft law“ bei der Regulierung von internationalen privatrechtlichen Verhältnissen], in: Gosudarsvto i pravo [Staat und Recht], Nr. 3, 2005, S. 62 – 71; Matveeva, T.V., O mezˇdunarodnych dogovorach i inych formach garmonizacii nacional’nogo zakonodatel’stva v ramkach ES, SSˇA und SNG [Über die internationalen Verträge und andere Formen der Harmonisierung der nationalen Gesetzgebung in der EU, in den USA und GUS-Ländern], in: Svetlanov, A.G., Mezˇdunarodnyj grazˇdanskij process: sovremennye tendencii [Der internationale Zivilprozess: gegenwärtige Tendenzen], =oskau, 2002, S. 83 – 114.
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lung Russlands als Superstaat und die Entstehung eines neuen China, die Herausbildung und das Wachstum des asiatischen Marktes und, schließlich, die Realisierung von prinzipiellen Veränderungen in der westlichen Zivilisation und in ihrer Wiege: Europa. b) Der europäische Aspekt der Probleme wird seinerseits sehr unterschiedlich bewertet. In einigen Bewertungen wird die Effizienz des Europäischen Rechtssystems im Vergleich zum Common Law, insbesondere bei der Regulierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, stark in Zweifel gezogen. Die Weltbank initiiert bereits seit mehreren Jahren Forschungen, die allgemein als Doing Business bezeichnet werden und die sich in einer ihrer Ausrichtungen mit der Suche nach dem optimalen System der rechtlichen Regulierung beschäftigen. Ihrer Tendenz nach besteht diese Suche in dem Vergleich der kontinentalen zivilistischen Tradition mit dem Common Law, wobei die Vorteile des letzteren und deren Begründung in den Vordergrund gerückt werden.4 c) Wenn man dieses Problem im Kontext des Verhältnisses Russland-Europa betrachtet, wird klar, dass auch etwaige Veränderungen des politischen Kurses Russlands und Europas in ihrem Verhältnis zueinander, wie die potentielle Positionierung Russlands als eines euroasiatischen Staates oder ein Wechsel der Prioritäten der außenwirtschaftlichen Beziehungen keinen Einfluss auf die Rechtskultur haben, die ihrer Genese nach gleich ist. Sehr treffend erscheint deshalb die Bemerkung von Henri Capitan, der im Namen der Association des amis de la culture française juridique äußerte, dass das Zusammenwirken der Rechtssysteme nicht zu Kollisionen oder Konflikten führen dürfe: es sei absolut nicht notwendig, mit dem Export von vermeintlich universellen Business – Modellen ein Aufdrängen fremder Rechtstraditionen zu betreiben. Recht sei vor allem eine Kategorie der menschlichen Ordnung, die in die Weltanschauung und in die Kultur des Menschen eingebaut werde. Deshalb sei das Zusammenwirken der Rechtssysteme ein Dialog der Kulturen, der erst dann produktiv werden kann, wenn er von Anfang an unter gleichen Bedingungen und in dem gebührenden gegenseitigen Respekt stattfindet.5 3. Diese allgemeinen Einschätzungen beantworten jedoch nicht die zeitkritischen und zugleich praktisch wichtigen Fragen: In welche Richtungen führt die Entwicklung und das Zusammenwirken des Rechts in der Europäischen Union und im Recht der Staaten, die nicht EU-Mitglieder sind? Der Aufbau der Europäischen Union ist ein Prozess, dessen Entwicklung nach einem bestimmten Szenario abläuft. Die Realisierung dieses Szenarios verläuft gewöhnlich mit einigen Störungen, doch wird im Großen und Ganzen der Plan eingehalten. Was Russland betrifft, so zeigt die heute objektiv vorhandene Situation, sofern man einmal die im Chor vorgetragenen Mei4 Grimaldi, M./Medvedev, M./Jarkov, V., Predislovie k russkomu izdaniju [Vorwort zur russischen Ausgabe], in: Civilisticˇeskie pravovye tradicii pod voprosom [Zivilistische Rechtstraditionen in Frage gestellt]. (Mit Bezug auf die Beiträge der Weltbank Doing Business), Moskau 2007, S. V. 5 Ebd.
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nungen über die ganz außerordentliche Einzigartigkeit Russlands außen vor lässt, die Isoliertheit Russlands in Bezug auf den „Neuen“ Westen und auf das „Neue“ Europa. Die Unterschiede in der Integration der jeweiligen sozialen Verhältnisse und dementsprechend der rechtlichen Integration treten in der historischen Betrachtung besonders deutlich hervor. a) Die positiven Wechselbeziehungen zwischen den Staaten entwickelten sich historisch vor allem durch den Handel und realisierten sich auf diese Weise in privatrechtlichen Verhältnissen, die die materielle Grundlage für das Internationale Privatrecht lieferten. Seine ganze Geschichte demonstriert eine fortschreitende Entwicklung, deren Sinn darin zu erblicken ist, eine adäquate rechtliche Regulierung und Anerkennung des privatrechtlichen Verhältnisses zu gewährleisten, das mit zwei oder mehreren Rechtssystemen verbunden ist. Das Resultat dieser Regulierung ist die Möglichkeit der Anwendung sowohl des nationalen als auch des ausländischen Rechts oder gar einer vereinheitlichten materiell-rechtlichen Norm durch das Gericht. Bemerkenswert ist, dass dieser Prozess, der seinen Anfang schon im Mittelalter nahm und der die Methoden seiner Regulierung fortwährend verbessert hat, sich auf den Bereich des Privatrechts erweiterte, indem er den Bereich des Öffentlichen Rechts ganz verließ. b) In der russischen, genauer: sowohl in der russischen als auch in der ausländischen Literatur, wurde auch die Meinung über die Möglichkeit einer Nutzung der Kollisionsmethode im Bereich des Öffentlichen Rechts geäußert, nämlich im Strafrecht und im Gerichtsprozess.6 In der Praxis hat sich diese Methode jedoch im Strafrecht nicht bewährt. Was den Gerichtsprozess angeht, so wurde die Anwendung des Prinzips der lex fori vor Gericht sowohl in der russischen als auch in der ausländischen Literatur7 unterschiedlich bewertet. c) Es wäre jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass die Rechtssysteme im Bereich des Öffentlichen Rechts miteinander nicht in Berührung kommen. Ein entsprechender Prozess findet ganz im Gegenteil statt und entwickelt sich fort. Besonders deutlich ist dies im Rahmen der EU zu sehen. Das wichtigste Rechtsinstrument in diesem Prozess sind auf universellem Niveau nicht die Kollisionsnormen, sondern die Normen des internationalen Rechts, unter denen man in der gegenwärtigen Situation diejenigen hervorheben muss, die die Rechte und Freiheiten des Menschen garantieren und die in den internationalen Konventionen festgelegt sind.8 Sehr treffend äußerte sich Michele de Salvia: „Innovativ an der Europäischen Konvention der Menschenrechte ist die Erklärung der Gültigkeit der europäischen öffentlichen Ordnung gegenüber 6 Näher dazu vgl.: Lunz, L.A., Kurs mezˇdunarodnogo cˇastnogo prava v trech tomach [Kurs des internationalen Privatrechts in drei Bänden], =oskau 2002, S. 161 – 170. 7 Vgl.: Svetlanov, A., The International Civil Process and Conflicts of Laws, in: Russia in the International Context: Private International Law, Cultural Heritage, Intellectual Property, Harmonization of Law, Berlin 2004, S. 199 – 211; Schak, H., Mezˇdunarodnoe grazˇdanskoe processual’noe pravo [Das Internationale Zivilprozessrecht], Moskau 2001, S 1 – 5. 8 Vgl: Mezˇdunarodnye akty o pravach cˇeloveka [Internationale Akten der Menschenrechte], Moskau 1998.
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den nationalen Systemen“.9 Hervorzuheben ist, dass der effektive Rechtsmechanismus, der das Zusammenwirken von Rechts- und Gerichtssystemen in diesem Bereich gewährleistet, im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erblicken ist. Die von ihm hervorgebrachte Gerichtspraxis soll die Grundlage sowohl für die nationale Gesetzgebung als auch für die nationale Gerichtspraxis bilden.10 Im Rahmen der Europäischen Union als eines regionalen Gebildes hat diese Wechselbeziehung auf dem Niveau des Öffentlichen Rechts ihre im weitesten reichende Entwicklung erfahren. Der Hauptteil der Regulierung, der auf den Statuten der Europäischen Union basiert, gilt für das Öffentliche Recht und nicht für das Privatrecht. II. 1. Worin besteht der normative Sinn des Zusammenwirkens des internationalen Privatrechts verschiedener Länder und worin bestehen seine Besonderheiten im Vergleich mit dem Zusammenwirken der nationalen Systeme des Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts verschiedener Länder? a) Die oben genannten Rechtsgebiete wirken objektiv miteinander zusammen. Die Gesetzgebung der einen Länder beeinflusst praktisch den Prozess der Normenbildung in anderen Ländern. Die Vielfalt der Verbindungen, die zwischen den Staaten entstehen, betrifft unter anderem auch den Bereich des Rechts. Eine konkrete Form dieses Zusammenwirkens ist die Rezeption von Recht, das heißt eine mehr oder weniger weitgehende Übernahme des Rechtssystems, von Rechtslehren oder Rechtsschulen eines ausländischen Staates. Unter Umständen kann dieses Verfahren „methodologisch“ genannt werden. Die Geschichte des russischen Privatrechts illustriert ganz offen seine Zugehörigkeit zum System des deutschen Rechts. In der Praxis anderer Länder hat dieses Verfahren noch konkretere Formen angenommen, vor allem in der Annahme der Quellen des ausländischen Privatrechts. Beispiele für eine derartige Rezeption liefern die Erfahrungen im Ausland: der französische Code Civil wurde durch Belgien übergenommen und das schweizerische Gesetz über Schuldverhältnisse – durch die Türkei. Dieser Prozess nimmt manchmal auch spezifizierte Formen an, wie beispielweise in den Ländern Lateinamerikas. b) Die neueste russische Erfahrung in dieser Richtung zeigte sich mit aller Deutlichkeit bei der Herausarbeitung und Verabschiedung des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation und des Einheitlichen Zivilgesetzbuches der GUS-Länder. Ähnlich, wie für die anderen Gebiete des Privatrechts, ist es auch für das internationale Privatrecht charakteristisch, dass seine Entwicklung durch die Wechselbeziehung mit den Systemen anderer Länder vorangetrieben wird. Diese Wechselbeziehung äußert sich hier aber ihrer Form und ihrem Inhalt nach viel detaillierter und inhaltsreicher. Besonders auffällig ist die Methode der Kodifizierung von Normen des inter9 De Salvia, Michele, Precendenty Evropejskogo suda po pravam cˇeloveka [Präzedenzien im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte], St. Petersburg 2004, S. 12. 10 Vgl. ebd.
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nationalen Privatrechts, die in England, Georgien, Italien, der Ukraine und der Schweiz gewählt wurde. In diesen Ländern wurden umfassende Gesetze verabschiedet, die sowohl die Kollisionsregulierung als auch Prozessnormen beinhalten, die in Fällen, deren Sachverhalt eine Auslandsberührung aufweist, anzuwenden sind. Die Literatur bezeichnet diese Methode als „autonome“ Kodifizierung des internationalen Privatrechts.11 c) Die Gesetzgebung Russlands entwickelt sich vom Standpunkt ihrer Kodifizierung nach dem traditionellen Schema, das sowohl für sie als auch für eine Reihe von anderen GUS-Ländern charakteristisch ist. Grundlage der Kodifizierung des internationalen Privatrechts bilden die Normen, die in den Zivilgesetzbüchern Armeniens, Weißrusslands, Kasachstans, Kirgisiens, Russlands und Usbekistans aufgeführt sind.12 Was die Normen des internationalen Zivilprozessrechts angeht, so sind sie in den entsprechenden Gesetzbüchern dieser Länder zu finden. Die aufgeführten Analogien in den Methoden der Kodifizierung verbessern die Orientierung der Teilnehmer an internationalen privatrechtlichen Verhältnissen sowie die der nationalen Gerichte und andere zuständige Organe. 2. Ein weiterer Aspekt des Zusammenwirkens, der ebenfalls mit der Herausarbeitung von ähnlichen Konzeptionen der Regulierung von privatrechtlichen Verhältnissen verbunden ist, äußert sich im nationalen internationalen Privatrecht durch die Etablierung von Instituten, die es erlauben, die Wahl des anzuwendenden Rechts flexibel zu wählen. Die entscheidende Rolle bei dieser Wahl spielen die Umstände, die dem Rechtsverhältnis, das ein ausländisches Element enthält, am nächsten stehen. Die Gesetzgebungen vieler Staaten verfügen somit über eine Kollisionsnorm mit Blick auf „das Recht, das am meisten mit dem Rechtsverhältnis verbunden ist“. Diese Auffassung, die im Artikel 4 des Römischen Übereinkommens „Über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“ von 1980 verankert ist, fand ihren Ausdruck bei der Herausarbeitung des Statuts der EU über das Recht, das die außervertraglichen Verpflichtungen regelt.13 In unserer Betrachtungsweise 11 Näher dazu: Kysil‘, V.I., Mizˇnarodne pryvatne pravo [Internationales Privatrecht], Kiew 2005, S. 108 – 135. 12 Texte entsprechender Abschnitte der Zivilgesetzbücher der GUS-Länder vgl.: Mezˇdunarodnoe cˇastnoe pravo. Inostrannoe zakonodatel’stvo [Internationales Privatrecht. Ausländische Gesetzgebung], Moskau 2001, S. 70 – 139. 13 Näher dazu vgl.: Baratjanc, N./Kabatova, E., Otdel’nye soobrazˇenija o sovremennom razvitii mezˇdunarodnogo cˇastnogo prava [Einzelne Überlegungen über die Entwicklung des internationalen Privatrechts], in: Rossija v kontekste mezˇdunarodnogo razvitija: mezˇdunarodnoe cˇastnoe pravo, zasˇcˇita kul’turnych cennostej, intellektual’naja sobstvennost‘, unifikacija prava [Russland im Kontext der internationalen Entwicklung: internationales Privatrecht, Schutz von kulturellen Werten, geistiges Eigentum, Unifizierung des Rechts], Festschrift für Mark Moiseevicˇ Boguslavskij, Berlin 2004, S. 47 – 48; Dmitrieva, G.K., Novye podchody v pravovom regulirovanii transgranicˇnych vnedogovornych objazatel’stv po mezˇdunarodnomu cˇastnomu pravu Rossii Lex Russica. Naucˇnye trudy Moskovskoj gosudarstvennoj juridicˇskoj akademii [Neue Methoden in der rechtlichen Regulierung von grenzüberschreitenden außervertraglichen Pflichten nach dem internationalen Privatrecht in
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kann die Bedeutung dieser flexiblen Kollisionsnorm im Bestreben des Gesetzgebers erblickt werden, nicht bloß die formal-rechtlichen Kriterien für die potentielle Anwendung ausländischen Rechts anzusprechen, sondern vielmehr die Nutzung des adäquaten Rechtssystems zu ermöglichen und die bloß formalen Begründungen, die die Zulässigkeit der Anwendung eines ausländischen Rechts vor Gericht beinhalten, zu vermeiden. a) Ein weiteres Institut des heutigen Kollisionsrechts besteht in der Norm, die das Gericht verpflichtet, das eigene oder das ausländische Recht unter Berücksichtigung der imperativen Bestimmungen des Rechtssystems anzuwenden, das auf bestimmte Weise mit dem bestrittenen Rechtsverhältnis in Verbindung steht. Auch in diesem Verfahren ist das Bestreben des Gesetzgebers ersichtlich, ein möglichst enges Zusammenwirken der nationalen Rechtssysteme im Ganzen und ihrer einzelnen Gebiete, zu denen das internationale Privatrecht gehört, herbeizuführen. Das russische Recht verfügt über die beiden genannten Institute. b) Das Zusammenwirken der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts äußert sich auch dadurch, dass die allgemeinen Rechtsprinzipien und Werte, die durch die Globalisierung des internationalen Lebens hervorgerufen wurden, von den nationalen Systemen aufgenommen werden. Dies führte im russischen Recht dazu, dass der Gesetzgeber seine Einstellung zu einem Institut des Kollisionsrechts, wie dem Institut der öffentlichen Ordnung (ordre publique), änderte.14 c) Illustrativ ist auch eine weitere Regelung, welche die für das heutige Recht charakteristischen Prinzipien „Schutz der Interessen der schwächeren Partei“15 und Priorität von Interessen und Rechten des Kindes aufzeigt. Sie fand eine nachhaltige Fixierung im internationalen Familienrecht. Es handelt sich hier um die Aufnahme „des persönlichen Rechts des Kindes“ im Gegensatz zum „persönlichen Recht des Vaters“ im Sinne der herrschenden Kollisionsanknüpfung in der heutigen GesetzgeRussland Lex Russica. Wissenschaftliche Beiträge der Staatlichen Juristischen Akademie Moskau], Moskau 2006, S. 1106 – 1123. 14 Im Kommentar zum Art. 1193 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation bemerkt E.V. Kabatova folgendes: „Die Vorbehaltsklausel über die öffentliche Ordnung ist keine Novelle für die russische Gesetzgebung. Sie wurde im Zivilgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik [RSFSR] (Art. 568) sowie in den Grundlagen der zivilrechtlichen Gesetzgebung (Art. 158) aufgeführt. Die Formulierung des kommentierten Artikels unterscheidet sich jedoch wesentlich von den früheren. Während im Zivilgesetzbuch der RSFSR der Hauptakzent auf den ,Grundlagen der sowjetischen Gesellschaftsordnung‘ und in den Grundlagen der zivilrechtlichen Gesetzgebung auf den ,Grundlagen der sowjetischen Rechtsordnung‘ lag, geht es jetzt im kommentierten Artikel um die ,Grundlagen der Rechtsordnung‘, was in erster Linie den rechtlichen und nicht den ideologischen oder politischen Charakter der Einschränkung einer Anwendung ausländischen Rechts hervorhebt.“ Kommentar zum Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation in drei Bänden, Bd. 3, Moskau 2006, S. 317. 15 Die Wirksamkeit dieses Instituts kann mit Bezug auf das internationale Privatrecht im Bereich der Regulierung von Arbeitsverhältnissen beobachtet werden. Vgl. z. B.: Law and the Weaker Party. Anglo-Sweedish Comparative Study. University of Leicester, 1982, pp. 123 – 223.
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bung. Außerdem gibt es Beispiele der Regelung einer flexiblen Kollisionsanknüpfung, die eine noch großzügigere Anwendung der Rechtsordnung erlaubt, die den Interessen des Kindes am meisten entspricht. Eine derartige Kollisionsregulierung findet sich im § 21 des Gesetzes Österreichs über das internationale Privatrecht: „Bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten ist das Personalstatut des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt maßgebend.“16 Die Ähnlichkeit der Rechtsinstitute oder eine direkte Rezeption des Rechts bedeutet keine Gleichstellung, zumindest nicht in der rechtsanwendenden Praxis. Dieses Rechtsfaktum, auf das schon L.A. Lunz17 in der russischen juristischen Literatur aufmerksam gemacht hat, sieht die Beibehaltung des Systems des Kollisionsrechts so lange vor, bis ein übernationales Rechtssystem und übernationale rechtanwendende Organe möglich sind. 3. Die Kollisionen der nationalen Rechtssysteme, die im privatrechtlichen Bereich entstehen, werden mit Hilfe des Internationalen Privatrechts gelöst und eben darin besteht seine besondere Funktion mit Bezug auf alle anderen Bereiche des Privatrechts des jeweiligen Staates. Das nationale Privatrecht erfährt derart die „methodologische“ Wirkung anderer Systeme des Internationalen Privatrechts und garantiert unmittelbar das Zusammenwirken des Privatrechts verschiedener Staaten. Gerade die Kollisionsmethode und eine dementsprechende konkrete Kollisionsnorm fördern den Dialog des Rechts eines einzelnen Landes mit dem Rest der Welt. a) Der Effekt des Zusammenwirkens der Rechtssysteme äußert sich auch durch die internationale Vereinheitlichung des Rechts. Die Erfolge dieser Vereinheitlichung lassen objektiv die Bereitschaft der nationalen Rechtssysteme erkennen, gewisse Kompromisse einzugehen. Der internationale Vertrag, die internationale Gewohnheit und das „soft law“ als solche sind eine objektive Form, die das Zusammenwirken der Rechtssysteme zum Ausdruck bringt. b) Die Annahme von vereinheitlichten Normen ¢ sowohl von Kollisionsnormen als auch von Normen materiellen Rechts ¢ seitens der Staaten, die Partner der internationalen Verträge sind, ist darauf ausgerichtet, eine einheitliche Regulierung der privatrechtlichen Verhältnisse zu erreichen. Die Rede ist hier nicht nur von einer einheitlichen normativen Regulierung, sondern auch von einer einheitlichen rechtsanwendenden Praxis, die auf den für die Weltgemeinschaft geltenden allgemeinen Prinzipien, Regeln und Methoden der Auslegung von internationalen Verträgen basiert.18
16
Marysˇeva, N.I., Semejnye otnosˇenija s ucˇastiem inostrancev: pravovoe regulirovanie v Rossii [Familienverhältnisse mit Beteiligung von Ausländern: rechtliche Regulierung in Russland], Moskau 2007, S. 152 – 153. 17 Vgl.: Lunz, ebd., S.34. 18 Die Bedeutung der allgemeinen Prinzipien des Rechts wird in den Materialien zur Haager Konferenz von 1893 hervorgehoben. Vgl. dazu: Mandelstamm, A.N., Gaagskija Konferencii o kodifikacii mezˇdunarodnogo cˇastnogo prava. Tom 1: Kodifikacija mezˇdunarodnogo cˇastnogo prava [Die Haager Konferenzen zur Kodifizierung des Internationalen Privatrechts. Bd. 1: Kodifizierung des Internatioanlen Privatrechts], St. Petersburg 1900, S. 253 – 273. Zu den Prinzipien, Regeln und Methoden der Auslegung von internationalen Verträgen in der
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4. Die historische Erfahrung zeigt, dass die Bedeutung der jeweiligen Form der Vereinheitlichung als Mittel des Zusammenwirkens der Rechtssysteme in verschiedenen historischen Zeitabschnitten unterschiedlich war. a) Die älteste Form, die über Jahrhunderte eine Spitzenposition einnahm, war die internationale Gewohnheit. Am Anfang des letzten Jahrhunderts hatte die Weltgemeinschaft große Hoffnungen auf den internationalen Vertrag gesetzt. Als Zeugnis dafür dienen die Haager Konferenzen zum internationalen Privatrecht. Dennoch wurde deren Erfolg in der Herausarbeitung einer bedeutenden Anzahl von Konventionen zugleich ein Indikator dafür, dass die meisten Staaten, sogar die europäischen, nicht bereit waren, diese zu ratifizieren. Man muss anerkennen, dass die herausgearbeiteten Konventionen wohl eher die Doktrin des internationalen Privatrechts bereicherten, als zu einer umfassenden Vereinheitlichung zu führen. In Europa fand die rechtliche Vereinheitlichung in diesem Bereich erst in einem sehr viel späteren Zeitabschnitt statt. Sie ist mit Etablierung und Entwicklung des Gemeinsamen Markts im Westen und des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe im Osten verbunden. Die Vereinheitlichung erfuhr hier eine Weiterentwicklung und das auf universeller Grundlage. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Ausarbeitung und Verabschiedung des Wiener Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenverkauf von 1980. Hervorzuheben ist, dass die vereinheitlichten materiell-rechtlichen Normen in diesem Fall als Instrument des Zusammenwirkens der Rechtssysteme fungieren und dass dies die Bedeutung der Kodifikation von Kollisionsrecht in den Hintergrund gerückt hat.19 b) Im Bereich der Vereinheitlichung des Zivilprozessrechts verlief das Zusammenwirken der Rechtssysteme etwas anders. Eine lange Zeit wurde es auf bilaterale Verträge aufgebaut, insbesondere auf denjenigen über die Rechtshilfe. Die wichtigste Etappe im Prozess der Vereinheitlichung war der Abschluss des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968. Dieses Übereinkommen bildete später die Grundlage für ein weiteres Luganer (Parallel-)Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988. Es war für die Staaten vorgesehen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union waren. In diesem Prozess war zunächst die Position der Sowjetunion und später diejenige Russlands besonders bemerkenswert. Die Zeit der Herausarbeitung und des Abschlusses des Luganer Übereinkommens fällt zusammen mit der ziemlich intensiven Entwickheutigen Zeit vgl.: Lukasˇuk, I.I., Sovremennoe pravo mezˇdunarodnych dogovorov [Das Recht internationaler Verträge heute], Bd. 1, Moskau 2004, S. 620 – 642. 19 Diese Akzente zum Vorteil einer Vereinheitlichung des materiellen Rechts sind zum größten Teil dadurch bedingt, dass sich im Bereich der Kollisionsregulierung allgemein die Tendenz zur breiten Anwendung des allgemeinen Kollisionsprinzips abzeichnet, d. h. anzuwenden ist „das Recht, das dem Rechtsverhältnis am nähesten steht“. Dieses Kollisionskriterium, das in vielen nationalen Rechtssystemen verankert wurde, spielte eine Art vereinheitlichende Rolle.
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lung der außenwirtschaftlichen Beziehungen der Sowjetunion. Im Bereich der außenwirtschaftlichen Tätigkeit herrschte im betreffenden Zeitraum eine hinreichend stabile Praxis der Streitbeilegung, bei der eine dominierende Rolle die internationale Handelsarbitrage spielte. Was die alltäglichen privatrechtlichen Rechtsverhältnisse angeht, so war deren Anzahl und die Anzahl der Konfliktsituationen durch die Perspektive der Eröffnung eines Gerichtsverfahrens äußerst begrenzt. Diese betrafen ihrer Geographie nach in den meisten Fällen die Bündnispartner der UdSSR, mit denen Verträge über Rechtshilfe in Zivilrechtssachen, Familien- und Strafsachen abgeschlossen waren. Die gleiche Praxis galt auch für einige andere Länder, mit denen die UdSSR und später auch die Russische Föderation traditionell in freundschaftlichem Verhältnis stand. Derartige Verträge bestanden, z. B. mit Argentinien, Indien, der Republik Mali, mit der Türkei und Ägypten. c) Die heutigen Gegebenheiten sind mit dem intensiven Wachstum der Europäischen Union verbunden. Dieser Prozess senkte de facto die Rolle des Luganer Übereinkommens und ersetzte die Geltung des Brüsseler Übereinkommens konsequent durch die verabschiedeten Statuten der EU, die als Primärrecht im behandelnden Bereich angesehen werden. Eine derartige Situation ruft ein gewisses rechtliches Dilemma hervor. Einerseits haben die Länder, die nicht Mitglieder der EU sind, die Möglichkeit, die vertraglichen zwischenstaatlichen Mechanismen zu entwickeln. Andererseits aber setzt sich in der Praxis eine andere Tendenz immer mehr durch, nämlich die Herausarbeitung des „soft law“. In den Verhältnissen der EU mit einem ihrer strategischen Partner, den USA, hat letzteres eine nachhaltige Entwicklung angenommen. III. 1. In den Bereichen des Zusammenwirkens der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts ist vor allem über einen Bereich zu sprechen, der sich seinem Charakter nach von allen anderen unterscheidet. Das ist der Bereich derjenigen Rechtsverhältnisse, die das geistige Eigentum betreffen. Gerade der objektiv territoriale Charakter der Rechte auf Objekte des geistigen Eigentums und der exterritoriale Charakter der Sachenrechte verursachen einige Besonderheiten des Zusammenwirkens der Rechtssysteme. Eine gewisse Abgrenzung bei Regulierung von Verhältnissen, die mit dem Entstehen und dem Schutz der exklusiven Rechte einerseits und ihrer Realisierung andererseits zu tun haben, projiziert sich vollständig auf die Prinzipien der Regulierung von Rechtsverhältnissen im Bereich des internationalen Privatrechts. Der Wirtschaftsverkehr von Objekten des geistigen Eigentums erfolgt in der Regel auf Vertragsbasis und im Bereich derjenigen Rechtsverhältnisse, die es mit Erbschaft oder Schenkung zu tun haben, außervertraglich. Wie auch andere zivilrechtliche Schuldverhältnisse haben diese beiden Gruppen von Rechtsverhältnissen einen exterritorialen Charakter und werden durch die Anwendung von Kollisionsnormen bedient. Was allerdings die Entstehung, die Anerkennung und den Schutz der exklusiven Rechte angeht, so haben diese territorialen Charakter und fallen nicht unter die Kollisionsregelung. Im internationalen Rechtsverkehr wird für sie eine an-
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dere Methode der Regulierung angewandt, die für das internationale Privatrecht charakteristisch ist, nämlich der internationale Vertrag. Diese Methode gewährleistet auch das Zusammenwirken der nationalen Gesetze, die den genannten Kreis von Rechtsverhältnissen reglementiert. Die allgemeine Tendenz in der Praxis der internationalen Verträge besteht in diesem Bereich darin, dass die universellen internationalen Übereinkommen über die Fragen sowohl des Urheberrechts als auch des gewerblichen Eigentums, allgemein die gefassten Ziele befolgen, nämlich die gegenseitige Anerkennung der Rechte zu erreichen, die aufgrund der Geltung der nationalen Gesetzgebung der an diesen Übereinkommen beteiligten Länder entstehen. a) Die regionalen Abkommen in den zu behandelnden Fragen verfolgen noch radikalere Ziele. Beispielweise gibt es in Fragen des Schutzes des gewerblichen Eigentums einschlägige Erfahrungen in den GUS-Ländern. Am 9. September 1994 haben zehn GUS-Länder die Eurasische Patentkonvention unterzeichnet, die die Eurasische Patentorganisation ins Leben gerufen hat. Diese Konvention enthält Normen auch des materiellen Patentrechts. Eines der Organe dieser Organisation ist das Eurasische Patentamt, das eurasische Patente erteilt. Die Normen des internationalen Vertrags, die die Anerkennung der Tatsache der Entstehung von exklusiven Rechten aussprechen, sind aufgrund der Geltung des Rechts eines ausländischen Staates keine vereinheitlichten Kollisionsnormen. Sie setzen die Möglichkeit einer Anerkennung des gleichen Umfangs der durch das Patent eingeräumten Rechte, das in einem anderen Land erworben wurde, durch das Gericht des ausländischen Staates nicht voraus. Fehlt das universelle Patent, wird der territoriale Charakter der Rechte auf die Objekte des gewerblichen Eigentums durch die Notwendigkeit, ein Patent zu erwerben, von jedem der Beteiligten am internationalen Übereinkommen eigens hervorgehoben. Beim Vorhandensein eines regionalen Patents entfällt zwar die Notwendigkeit der mehrfachen Patentierung, das nationale Prinzip wird aber bis heute bei der Einräumung des Umfangs der Rechte beibehalten. b) Die rechtliche Tatsache, dass das Gericht keine Möglichkeiten hat, das ausländische Recht bei der Bestimmung des Umfangs von eingeräumten Rechten auf das gewerbliche Eigentum, das dem Patentbesitzer gehört, anzuwenden, bezeugt lediglich, dass hier die Kollisionsmethode der Regulierung fehlt. Dennoch kann das Zusammenwirken der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts auch in diesem Bereich der privatrechtlichen Verhältnisse festgestellt werden. Es wird allerdings bedient mittels der Normen einer seiner Quellen, nämlich des internationalen Vertrags. 2. Der Mechanismus der rechtlichen Regulierung verdient besondere Aufmerksamkeit bei der Frage des Zusammenwirkens der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts. Die ursprüngliche Bestimmung des internationalen Privatrechts besteht in der Sicherstellung einer adäquaten Rechtsregulierung von zivilrechtlichen Verhältnissen mit ausländischem Element. Unter Adäquatheit ist zu verstehen die Anerkennung derjenigen Rechte, die durch Geltung des ausländischen Rechts entstanden sind, und/oder die Anwendung eines anderen Rechts als lex fori. Dieses all-
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gemeine Ziel wird erreicht durch die Herausbildung der nationalen Gesetzgebung, die als internationales Privatrecht bestimmt wird, sowie durch die Etablierung der entsprechenden rechtsanwendenden, vor allem gerichtlichen, Praxis und durch die internationale Vereinheitlichung des Rechts. a) Der Teil der nationalen Gesetzgebung, in dem das internationale Privatrecht verankert ist, wird in der Doktrin unterschiedlich behandelt. Für viele ausländische Doktrinen ist die Gleichsetzung des internationalen Privatrechts mit dem Kollisionsrecht charakteristisch. Nach dieser Auffassung gehören die entsprechenden Kollisionsnormen und die Normen ihrer Anwendung zum internationalen Privatrecht. In den russischen Doktrinen herrschte die Position, nach der das internationale Privatrecht sowohl die Kollisionsnormen als auch die mit ihnen verbundenen materiellrechtlichen Normen, welche die zivilrechtlichen Verhältnisse im weiten Sinne des Wortes regulieren und die mit dem ausländischen Element beschwert sind. Diese Konzeption wurde von Generationen russischer Autoren unterstützt.20 b) Gerade die Besonderheit der Entstehung und des Existierens der internationalen privatrechtlichen Verhältnisse, die dadurch bedingt ist, dass es kein vorher festgelegtes nationales System des materiellen Rechts gibt, das für sie angewandt werden kann, bildet einen einzigartigen Mechanismus der rechtlichen Regulierung, der dieses Rechtsgebiet des nationalen Rechts von allen anderen Gebieten unterscheidet. Die Geltung eines beliebigen Gebiets des nationalen Rechts wirkt unmittelbar ein auf die Rechtssubjekte und auf die Verhältnisse zwischen ihnen. Im Bereich der Regulierung von „inneren“ privatrechtlichen Verhältnissen in einem Land, in dem das geschriebene Recht gilt, unter anderem in Russland, ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Regulierung und Prognostizierung der sich ergebenden Verhältnisse mit Blick auf die Entsprechung zur geltenden Gesetzgebung besonders offensichtlich, da das nationale Zivilrecht unmittelbar Rechtsverhältnisse erzeugt, deren Subjekte idealerweise von Anfang an im Rahmen der vorher festgelegten rechtlichen Regulierung handeln. c) Die gesonderte Rolle des internationalen Privatrechts ist damit verbunden, dass das Verhalten der Rechtssubjekte oder deren Rechtsverhältnisse ganz im Gegenteil nicht der Geltung eines bestimmten Systems des nationalen Rechts entsprechen. Die reale Regulierung von international privatrechtlichen Verhältnissen fängt deshalb in dem Moment an, wenn eine der nationalen Gerichtsbarkeiten angerufen wird, die von den Normen ihres Kollisionsrechts ausgehend eine Wahl zwischen der lex fori und der ausländischen Rechtsordnung (dem materiellen Recht des ausländischen Staates) trifft. Der Mechanismus des Zusammenwirkens der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts realisiert sich folglich durch das Zusammenwirken nicht nur der Kollisionsnormen und materiell-rechtlichen Normen, sondern auch durch die nationalen rechtsanwendenden Organe (nationale Gerichtsbarkeiten). Dabei ist die Rolle 20 Zu den Positionen der russischen Juristen zu dieser Problematik vgl.: Boguslavskij, M.M., Mezˇdunarodnoe cˇastnoe pravo [Das Internationale Privatrecht], Moskau 2005, S. 18 – 30.
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der Letzteren in diesem Mechanismus grundlegend und notwendig. Dies ist dadurch bedingt, dass das international privatrechtliche Verhältnis in einem noch unbestimmten Rechtssystem gebildet wird. Dieses System kann erst dann festgelegt werden, wenn die Gerichtsbarkeit gewählt ist, die das Kollisionsproblem nach ihrem Verständnis löst und das anzuwendende materielle Recht bestimmt. Wenn zum Beispiel russische Personen einen Vertretungsvertrag abschließen, dessen Wirksamkeit auf die Russische Föderation begrenzt ist, so ist jede Partei im idealen Fall selbst in der Lage, sowohl den Vertrag als auch den Rahmen ihres Verhaltens zu bestimmen. Jede Partei ist von Anfang an über die Quellen des Rechts und über die Praxis seiner Anwendung informiert. Die Wahl der territorialen Gerichtsbarkeit in der Russischen Föderation ist in diesem Fall aus der Sicht der materiell-rechtlichen Regulierung der Vertretungsverhältnisse nicht von Bedeutung. Sobald die Rede von einem Vertretungsvertrag ist, der ein ausländisches Element enthält, so sieht es anders aus. Zum einen können die Parteien (beim Abschluss des Vertrages) das materielle Recht, das angewandt werden soll, nicht festgelegt haben. Zum anderen können die Streitigkeiten in verschiedenen nationalen Gerichtsbarkeiten behandelt werden. Folglich kann die Wahl des materiellen Rechts unterschiedlich ausfallen (bei fehlender Willensautonomie) und die Wahl, die von den Parteien getroffen wurde, abhängig von den Bestimmungen des internationalen Privatrechts der jeweiligen Gerichtsbarkeit, in der der Streit ausgetragen wird, für zulässig oder unzulässig erklärt werden. Diese Umstände bringen eine Situation hervor, bei der die Abstimmung über die Vertragsbedingungen wenig effektiv erscheint, wenn der prozessuelle Faktor, nämlich die Festlegung der internationalen Gerichtsbarkeit, nicht berücksichtigt wird. 3. Das oben Erwähnte bezeugt noch eine Besonderheit der Wirkung des internationalen Privatrechts, die dieses Rechtsgebiet von allen anderen unterscheidet: es realisiert sich nur durch die Praxis der rechtsanwendenden Organe. a) Das nationale Rechtssystem ist in der Lage, auf den Stand der Integration der jeweiligen Beziehungen, die sich im Staat entwickeln, im System der gleichartigen internationalen Beziehungen ziemlich genau zu reagieren. Als Indikator für dieses Reagieren fungiert das Internationale Privatrecht. Das ist am Beispiel des russischen internationalen Rechts sehr deutlich zu beobachten. Die russische Gesetzgebung hielt die Normen des internationalen Privatrechts über Jahrzehnte in den drei wichtigsten Gesetzbüchern fest: im Zivilgesetzbuch, im Seehandelsgesetzbuch und im Familiengesetzbuch. Die Dynamik der Entwicklung dieser (auch objektiv beschränkten) Verbindungen fand ihren Ausdruck in Sachen der allgemeinen Gerichte, in den Urteilen der Arbitragekommission (für Seefahrt) und der Gerichte der Industrie- und Handelskammern der UdSSR. Die real existierende Gerichts- und Arbitragepraxis hat den Impuls für die Entwicklung des russischen internationalen Privatrechts gegeben. b) Demgegenüber führten das praktische Fehlen ausländischer Arbeitskräfte in der UdSSR und die Arbeitsbeschäftigung der sowjetischen Bürger im Ausland, die in der Regel im Rahmen gesonderter Geschäftsreisen ausgeführt wurde, dazu,
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dass Arbeitsverhältnisse aus dem Bereich der Regulierung seitens des sowjetischen internationalen Rechts praktisch ausgeschlossen waren. Im Ergebnis verfügten die Arbeitsgesetzbücher über keine Kollisionsnormen und über eine nur sehr gering ausgefallene Grundlage von materiell-rechtlichen Normen mit direkter Wirkung. Die Reformierung des zunächst sowjetischen und anschließend russischen politischwirtschaftlichen Systems ist mit der Freiheit der Kommunikation zwischen den Menschen und mit der Etablierung der Marktverhältnisse innerhalb und außerhalb des Landes untrennbar verbunden. Diese Faktoren verlangten nach einer Verbesserung des russischen internationalen Privatrechts. Die Reform umfasste sowohl das Zivil- und Familiengesetzbuch als auch das Seehandelsgesetzbuch. Dennoch behielt man im Bereich der Arbeitsverhältnisse die frühere Tendenz bei. Der russische Markt öffnete sich ausländischen Arbeitskräften nicht. Auch hat die Situation der Arbeitsbeschäftigung russischer Bürger im Ausland nichts gemeinsam mit dem freien Zugriff auf den Arbeitsmarkt anderer Länder. Im ersten wie im zweiten Fall sind die Migration und die Rechtslage von Migranten der dominierende Faktor der Regulierung und nicht die Regulierung der Arbeitsverhältnisse, die mit dem ausländischen Element beschwert sind. Diese objektive Situation fand ihren Ausdruck auch im neuen Arbeitsgesetzbuch, in dem die Kollisionsnormen fehlen. 4. Das nationale internationale Privatrecht enthält eigene Mechanismen, die das Niveau des Zusammenwirkens mit anderen Rechtssystemen gewährleisten.21 Als Indikator der Offenheit des nationalen Rechtssystems für dieses Zusammenwirken können der Grad der Zulässigkeit der Wahl des für das Rechtsverhältnis anzuwendenden Rechts durch die Parteien (Liberalismus einer Willensautonomie der Parteien) und das Vorhandensein von Einschränkungen für die Anwendung des ausländischen Rechts (weite Nutzung der lex fori, Vorbehaltsklausel für die öffentliche Ordnung, Ersuchen des Instituts der „fraus legis“, d. h. einer ,Umgehung des Gesetzes‘ dienen. Hier müssen auch die sogenannten „Einschränkungen“ im Prozessrecht erwähnt werden: die übermäßige Festlegung ausschließlich staatlicher Gerichtsbarkeit für privatrechtliche Streitigkeiten, einige Regeln des internationalen Zivilgesetzbuches und Hindernisse für die Vollstreckung der durch die ausländischen Gerichte und Arbitragen beschlossenen Entscheidungen. a) Das russische internationale Privatrecht geht traditionell von der Willensautonomie der Parteien (lex voluntatis) als einem der grundlegenden Prinzipien dieses Rechtsbereichs aus. Die lex voluntatis erlaubt es, das universelle Prinzip des Privatrechts, die Vertragsfreiheit, im Hinblick auf die Verhältnisse, die im Rechtsverkehr entstehen, zu realisieren. Während im inneren, zum Beispiel im russischen Zivilrecht die Art. 421 und 422 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation den Inhalt und die Grenzen des Prinzips der „Vertragsfreiheit“ vorgeben, so kann die Willensautonomie der Parteien im internationalen Privatrecht die Vertragsfreiheit im Rahmen der Rechtsordnung so realisieren, wie es für die Regulierung von Rechtsverhältnissen 21 Bleiben wir hier bei ihrer Rolle im Prozess des Zusammenwirkens der Rechtssysteme des internationalen Privatrechts.
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mit Auslandsbezug am ehesten adäquat ist. Dieses Prinzip des internationalen Privatrechts, das in vielen unterschiedlichen Rechtssystemen eine breite Entwicklung erfuhr, garantiert nicht nur ihr Zusammenwirken, sondern auch die Realisierung von vertraglichen privatrechtlichen Verhältnissen mit Auslandsbezug. b) Mit Bezug auf das Institut des internationalen Privatrechts – die lex fori – stellt sich die Frage, ob dieses Instrument das Zusammenwirken der Rechtssysteme fördert oder ob es ein erzwungenes Hindernis, die sogen. „überschießende Souveränität“ des nationalen Rechtssystems darstellt. Obwohl die lex fori die Wahl des anzuwendenden Rechts durch die Vertragsparteien objektiv einschränkt und das Gericht verpflichtet, ausschließlich das Recht des eigenen Landes anzuwenden, bleibt sie jedoch das wichtigste Element im Mechanismus des Zusammenwirkens von Rechtssystemen, da sie als eine Variante der Lösung des Kollisionsproblems, nämlich des Problems eines derartigen Zusammenwirkens, angesehen werden muss. Dies wird durch die Normen des internationalen Privatrechts verschiedener Länder unmittelbar bestätigt, die darauf hinweisen, dass die imperativen Normen bei der gerichtlichen Lösung eines Kollisionsproblems in diesen Staaten unbedingt berücksichtigt werden müssen. c) In der rechtsanwendenden Praxis können ähnliche Fragen in Bezug auf solche Institute, wie die „Umgehung des Gesetzes“ (fraus legis) und die „Vorbehaltsklausel für die öffentliche Ordnung“ (ordre publique) gestellt werden. In diesem Fall handelt es sich aber nicht um Hindernisse für das Zusammenwirken der Rechtssysteme, sondern um notwendige Mechanismen für dieses Zusammenwirken. Es muss gesagt werden, dass die Rolle dieser Institute auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck kommt. d) Das Institut der „Umgehung des Gesetzes“, dessen Bedeutung darin besteht, potentiellen Missbräuchen bei der Wahl der anzuwendenden Rechtsordnung entgegenzuwirken, wird in der russischen Praxis kaum verwendet. Was die „Vorbehaltsklausel für die öffentliche Ordnung“ angeht, die ebenfalls zu den Instituten des Kollisionsrechts gehört, so hat auch sie keine bedeutende Verbreitung erlangt. Dennoch sollte ihre Rolle als Institut des internationalen Zivilverfahrensrechts nicht unterschätzt werden. Eine breite Anwendung der Vorbehaltsklausel für die öffentliche Ordnung kann in Russland in Sachen der Anerkennung und Zwangsvollstreckung von ausländischen Gerichts- und Arbitrageentscheidungen eine negative Auswirkung auf den Prozess des Zusammenwirkens der nationalen Rechtssysteme haben. e) Eine negative Auswirkung auf den Prozess des Zusammenwirkens der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts können auch andere Institute des internationalen Zivilverfahrensrechts erzeugen. Die Rede ist hier von der unbegründet langen Liste der Sachen, die der ausschließlichen Gerichtsbarkeit der nationalen Gerichte unterliegen, vom Missbrauch des Prinzips der long arm rule, das in der Gerichtspraxis der USA entstanden ist. Die Erweiterung der Kompetenz von nationalen Gerichten führt, wie aus der Praxis ersichtlich, zu Einschränkungen bei der Anwendung des ausländischen Rechts. Die in Russland und in der EU bestehende zurückhaltende Position hinsichtlich einer übermäßigen Ausweitung der Gerichtsbarkeit
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der nationalen Gerichte kann im Prozess des Zusammenwirkens nicht nur der nationalen Gerichtsbarkeiten, sondern auch der Systeme des internationalen Privatrechts als ein positiver Faktor gesehen werden. 5. Zum Schluss soll ein besonderes Institut des internationalen Zivilverfahrensrechts erwähnt werden, das auf engste Weise mit dem internationalen Privatrecht verbunden ist und eine unmittelbare Auswirkung auf das Zusammenwirken der nationalen Systeme des internationalen Privatrechts ausübt. Es geht um die Ordnung der Festlegung des Inhalts des ausländischen Rechts durch das Gericht.22 Historisch betrachtet wurde das ausländische Gesetz im Recht und in der Gerichtspraxis des kontinentalen Europa, einschließlich Russlands, als Rechtsnorm angesehen. In den Ländern des Gewohnheitsrechts gilt das ausländische Gesetz im Gegensatz zur erwähnten Auffassung als Faktum. Das bringt für die Partei ein gerichtlich auszutragenden Streites die Notwendigkeit mit sich, dieses zu beweisen. a) Das Problem der Festlegung des Inhalts des Rechts eines ausländischen Staates beinhaltet eine der Facetten der Auslegung des fundamentalen Prinzips des Prozessrechts jura novit curia. Die „kontinentale“ Methode für die Festlegung des Inhalts des ausländischen Rechts, die von Anfang an durch die russische Doktrin und Praxis akzeptiert wurde, findet darin ihre Erklärung. Einerseits wurde am Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. nur eine sehr beschränkte Geographie der Rechtssysteme angenommen, die von den Gerichten des Russischen Reiches zu beachten war. In den meisten Fällen waren dies die Hauptrechtssysteme Europas. Zweitens zeigt die juristische Literatur jener Jahre unmissverständlich eine vorzügliche Sachkenntnis der russischen Juristen in Rechtsfragen von europäischen Staaten. Diese Tatsache illustriert ihrerseits sehr überzeugend, dass das hohe Niveau des Zusammenwirkens der Rechtssysteme auf einem dermaßen festen Fundament basieren kann, wie die Kenntnis des Rechts! Unter diesen Bedingungen erscheint die Festlegung des Inhalts des ausländischen Rechts auf Initiative des Gerichts selbst und die Präsumtion der Kenntnis des anzuwendenden Rechts eines ausländischen Staates durch das Gericht als völlig selbstverständlich. b) In der gegenwärtigen Situation sieht es vollkommen anders aus. Einmal abgesehen vom bloßen Kommentieren der früheren und jetzigen Kenntnisse, muss in Betracht gezogen werden, dass sich die Geographie der Rechtssysteme, die von den russischen Gerichten zu beachten ist, prinzipiell geändert hat. Heutzutage spricht man nicht nur über die bedeutende Erweiterung des Kreises von Ländern, deren Recht als systembildend bezeichnet werden kann. Der größte Teil der gegenwärtigen international privatrechtlichen Gerichtspraxis besteht aus Sachen, bei denen das Recht der Inselstaaten, der sogenannten Off-shore-Zonen, angewendet werden soll. Diese Tatsache allein ist in der Lage, die kompromisslose Befolgung des Prinzips jura novit
22 Hier muss darauf hingewiesen werden, dass die Bestimmungen über die Festlegung des Inhalts des ausländischen Rechts durch das Gericht auch im Art. 1191 der Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation enthalten sind.
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curia in eine Formalität zu verwandeln, die sowohl die Rechtsprechung als auch das Zusammenwirken der Rechtssysteme behindert. Die nationalen Systeme des internationalen Privatrechts fungieren in ihrem Zusammenwirken als Regulator bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse, die im internationalen Rechtsleben entstehen. Gleichzeitig dienen sie als Mechanismus eines derartigen Zusammenwirkens, der über ihm inhärente Methoden der Regulierung verfügt.
Über das funktionale Wesen der Rechtsprinzipien und über ihre Anwendung in der estnischen Rechtsordnung beim Finden einer dem Recht entsprechenden Entscheidung Von Raul Narits und Kalle Merusk, Tartu I. Das funktionale Wesen der Rechtsprinzipien Die Wurzeln der kontinentaleuropäischen Rechtskultur reichen weit in die Geschichte zurück und basieren auf dem Gesetzesrecht. Aber genauso wichtig wie das Gesetz ist in unserer Rechtskultur der Inhalt des Gesetzes. Eine essentielle Beobachtung des römischen Juristen Celsus über das Recht ist allgemein bekannt: ius est ars boni et aequi bzw. das Recht ist eine Kunst der Güte und Gerechtigkeit. Gleichzeitig wurde das Rechtsdenken lange Zeit von der historischen Tradition – der positivistischen Rechtsüberzeugung – gefesselt. Im Zusammenhang mit dem kraftvollen Durchbruch der Wertungsjurisprudenz haben sich aber die Grenzen des Rechtsdenkens erweitert und dies betrifft nicht nur die Entwicklungen in den nationalen Rechtsordnungen.1 Aus der Perspektive staatlich organisierter Rechtssysteme betrachtet, die wie Estland in der Europäischen Union kraft politisch-rechtlicher Inklusion als Mitglieder fungieren und daher mit der strukturellen Anpassung ihres Normenbestandes befasst sind, gehört die Europäisierung vom Recht zur Modernisierung des Rechts. Hieraus hat sich eine Dialektik der Europäisierung modernen Rechts ergeben, die mit der Mo1
Zu einem der sehr aktuellen Probleme zählen hier die sog. inhaltlichen Grenzen der einheitlichen Auslegung in der Europäischen Union. Wie soll man in den Situationen vorgehen, in denen das nationale Recht „so weit wie möglich“ mit Blick auf den Wortlaut und die Absicht der Rechtsakte der Europäischen Union ausgelegt werden soll. Als Erstes muss man bei der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts und des Rechts der Europäischen Union auch die Tatsache der Verflechtung der Rechtsordnungen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten im Auge behalten. Auf keinem Fall kann der Grundsatz der einheitlichen Auslegung eine Basis für die contra legem Auslegung des nationalen Rechts sein (siehe: 16. Juni 2006, Gerichtsentscheidung über den Fall C-105/03, Pupino. – EKL 2005, S. I-5285, Zf. 47). Gleichzeitig wird der Grundsatz der einheitlichen Auslegung von allgemeinen Rechtsprinzipien eingeschränkt, von denen die wichtigsten das Rechtssicherheitsprinzip und das Prinzip des Rückwirkungsverbots sind (siehe: 4. Juli 2006, Gerichtsentscheidung über den Fall C-212/04, Adeneler u. a. – EKL 2006, S. I-6057, Zf. 110). Stellt man sich hier die Frage, ob das Gericht die allgemeinen Prinzipien des Rechts eines Mitgliedstaates oder die der Europäischen Union berücksichtigt hat, ist es sicher, dass es die Letzteren waren.
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dernisierung der Modernisierung des Rechts ihrerseits reflexiv geworden ist. Letztere erscheint gekennzeichnet und geprägt: „(i) durch die Positivität allen Rechts, die einer neuen und genaueren Bestimmung ihrer sozietalen Funktionen, vor allem in der normen- und handlungstheoretischen Perspektive bedarf; (ii) durch die weitere Verwissenschaftlichung der Rechtswissenschaft, die – weniger in der konventionellen Rechtsdogmatik – heute vor allem in der Methodologie und Theorie des Rechts in Erscheinung tritt.“2 Dieser Artikel befasst sich mit dem funktionalen Wesen der Rechtsprinzipien und ihren Anwendungsmöglichkeiten bei der Weiterentwicklung der estnischen Rechtsordnung. Um die funktionelle Bedeutung der Rechtsprinzipien tatsächlich zu verstehen, müssen diese darüber hinaus von den Juristen aufgegriffen und in der Rechtspraxis angewandt werden. Anscheinend sind die Rechtsprinzipien beim Verlassen der kontinentaleuropäischen Konventionalität hilfreich und dienen der Fortentwicklung des Rechts.3 In diesem Sinne helfen gerade die Rechtsprinzipien die rechtliche Stagnation zu überwinden, ohne aber die rechtliche Evolution ins Unkalkulierbare laufen zu lassen, indem sie die Grundlage neuer Stabilisierung bilden. Für die kontinentaleuropäische Rechtskultur ist es womöglich die natürlichste und auch die logischste Lösung, die Rechtsprinzipien im ius scriptum zu finden. Ein Text kann expressis verbis ein Rechtsprinzip bezeichnen; es ist aber auch möglich, ein Prinzip formal festzulegen, ohne dass man es ausdrücklich als solches bezeichnet.4 Die andere, aktuell zunehmend favorisierte Methode, um Prinzipien zu finden, ist eine ausführliche Analyse des Rechts als solches. Hier unterscheidet man zwei Richtungen: die eine konzentriert sich auf das Finden einer traditionellen, auf Normen basierenden Verallgemeinerung, die andere bezieht das Untersuchen des entsprechenden politisch-moralischen Kontextes ein. Diese letztgenannte Richtung findet sich sowohl bei kontinentaleuropäischen Autoren als auch bei solchen, die dem angelsächsischen Rechtskreis entstammen. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang meist Ronald Dworkin genannt;5 in ähnlicher Weise kann man aber auch Robert Alexy nennen, der inhaltlich, aufgrund seiner Analyse von der doppelten Natur des Rechts, ebenfalls ein Vertreter dieser Richtung ist. Die These der Doppel2 R. Narits/W.Krawietz, Dialektik von Europäisierung und Globalisierung modernen Rechts im weltgesellschaftlichen Kontext. Zur Modernität staatlich organisierter Rechtssysteme, insbesondere Estlands, in: Rechtstheorie 38 (2007), S. 198. 3 Die Auswahl bestimmter rechtsnormativer Strukturen bedeutet stets die soziale Erwartung der Wiederverwendbarkeit rechtlicher Sinnfestlegungen. Darüber hinaus erfordert rechtliche Evolution die Stabilisierung der selegierten normativen Erwartungen. Siehe P. Werner, Die Normentheorie Helmut Schelskys als Form eines Neuen Institutionalismus, Berlin 1994, S. 59. 4 O. Weinberger, Revision des traditionellen Rechtsstaatskonzeptes, in: B. Schiller/ P. Koller/B.-Ch. Funk (Hrsg.), Regeln, Prinzipien und Elemente im System des Rechts, Wien 2000, S. 64. 5 A. Jakab, Prinzipien, in: Rechtstheorie 37 (2006), S. 59.
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natur des Rechts enthält zwei Dimensionen: eine reale (faktische) und eine ideale (kritische) Dimension. Bei der Rechtsanwendung spielen sowohl die Normen als auch die Prinzipien eine zentrale Rolle. Die Normen drücken an dieser Stelle ein festes oder reelles „Muss“ aus, die Prinzipien aber das prima facie oder das ideale „Muss“. Deswegen versucht die Doktrin der Prinzipien eben die Doktrin der Proportionalität weiterzuentwickeln, die inhaltlich eine Doktrin des Ausgleichens umfasst.6 Bei der Ausgestaltung der Rechtsprinzipien kommt der praktischen Tätigkeit der Gerichte, insbesondere der Verfassungsgerichte, eine besondere Rolle zu. Die Gerichte müssen in bestimmten Einzelfällen entscheiden, ob und inwieweit Rechtsprinzipien bei der Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen Wirkung entfalten. Insoweit ist es auch mit Blick auf die kontinentaleuropäische Rechtskultur angemessen, von Richterrecht zu sprechen, welches neben dem Gesetzesrecht entsteht. Das Schaffen eines Rechtsdenkens, das auf Rechtsprinzipien aufgebaut ist, und eines Kognitionsumfangs, der sich auf Rechtsprinzipien basierendes Recht stützt, fordert daher einen gewissen Mut, da man das rechtsdogmatische Paradigma hinter sich lassen muss und sich zum rechtsgestaltenden Denken hinbewegen soll. In Estland war der Staatsgerichtshof (Riigikohus) hierbei wegweisend. Beim Lösen eines Gerichtsvorgangs zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 30 Abs. 2 des Landwirtschaftsgesetzes der Estnischen SSR (Eesti NSV taluseadus) wurde dieser aufgrund § 25 Abs. 3 des Umsetzungsgesetzes des Sachenrechtsgesetzes (Asjaõiguse rakendamise seadus) aufgehoben, und das Gericht fand, dass man sich in demokratischen Staaten bei der Rechtssetzung, Rechtsumsetzung und auch bei der Rechtspflege von Gesetzen und geschichtlich entwickelten Rechtsgrundsätzen leiten lässt. Bei der Entwicklung der Grundsätze des estnischen Rechts müssen neben dem Grundgesetz auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze einbezogen werden, die durch den Europarat und die Institutionen der Europäischen Union entwickelt worden sind. Diese Grundsätze sind von allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten mit einer hoch entwickelten Rechtskultur abgeleitet worden. Die Gültigkeit der Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates bedeutet, dass in Estland solche allgemeinen Rechtsgrundsätze gelten, die im europäischen Rechtsraum anerkannt sind. In einem Staat, der auf Freiheit, Gerechtigkeit und Recht aufgebaut ist, gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Daher ist ein Gesetz, das diesen Grundsätzen nicht entspricht, verfassungswidrig.7 Gleichzeitig kann man vieles über die Wichtigkeit der Prinzipien und ihre unterschiedliche Qualität im Vergleich zu Normen sagen, aber wenn die Prinzipien undefiniert bleiben, sind sie nutzlos.8 In der estnischen Rechtsliteratur wird die Meinung 6
R. Alexy, The Dual Nature of Law, in: Law of Ukraine 1 (2011), S. 39 – 50. RKPJKo 30.09. 1994, III-4/A-5/94. Der Staatsgerichtshof hat in dem resolutiven Teil seiner Entscheidung genau auf zwei allgemeine Rechtsprinzipien hingewiesen: das Prinzip des Rückwirkungsverbots und das Prinzip des Vertrauensschutzes. 8 Wir weisen nur auf einige moderne Quellen hin, wo im Kontext von nationalen Rechtsordnungen, internationalem Recht und dem Recht der Europäischen Union kognitive Grund7
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vertreten, dass im Sinne des Grundgesetzes die allgemeinen Rechtsgrundsätze die überlappenden und übertragbaren Grundsätze der allgemein anerkannten Rechtsordnungen sind. Hierbei handelt es sich um eine positivistische Begriffseingrenzung, die auf einer deutschen Doktrin basiert.9 In der zuvor zitierten Quelle versucht man, die Anwendungspraxis der Rechtsprinzipien in Estland im Rahmen einer gewissen Entwicklung zu sehen. Diese Entwicklung wird in unterschiedliche, zeitlich sich teilweise überlappende Phasen aufgeteilt. „Die erste Phase besteht im Import der verfassungsrechtlichen Grundsätze in die estnische verfassungsrechtliche Dogmatik aus den Staaten mit hoch entwickelter Rechtskultur. Die zweite Phase wird durch die Anwendung der allgemeinen Rechtsgrundsätze in den Begründungen der Gerichtsentscheidungen, die nicht verfassungsrechtlich sind, gekennzeichnet. Die dritte Phase wird durch die Versuche charakterisiert, die sog. richtigen, international allgemein anerkannten Prinzipien anzuwenden, wobei der Unterschied zu der zweiten Phase lediglich in den angewandten Begriffen besteht. In der vierten Phase werden die aus (mehr oder weniger) supranationalen Rechtsordnungen der Europäischen Union und des Europarates stammenden Grundsätze bei der Auslegung des Grundgesetzes direkt angewandt, und in der fünften Phase werden einige Auslegungsregeln zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen gewandelt.“10 Genügt es aber, wenn man die Anwendungspraktiken von Rechtsprinzipien nur aufgrund einer Zeitachse voneinander unterscheidet? Anscheinend ist es nicht aussätze zur Definition der Rechtsprinzipien zu finden sind: R. Streinz, Rechtsprinzipien des EuGH zur Durchsetzung des Europäischen Rechts, Tübingen 2013, S. 21 – 43; H. Henninger, Menschenrechte und Frieden als Rechtsprinzipien des Völkerrechts, Tübingen 2013; I. Härtel, Kohäsion durch Föderale Selbstbindung – Gemeinwohl und die Rechtsprinzipien Loyalität, Solidarität und Subsidiarität in der Europäischen Union, Berlin 2012, S. 63 – 240; Àvila, Humberto Bergmann, Theorie der Rechtsprinzipien, Berlin 2011 (Schriften zur Rechtstheorie, Band 228); P. Sourlas, Rechtsprinzipen als Handlungsgründe. 1. Aufl., Baden-Baden 2011; J. Pa‘ci‘c, Rechtsprinzipen und Allgemeine Rechtsgrundsätze, in: ÖJZ 2010, S. 1059 – 1064; A. Heinold, Die Prinzipientheorie bei Ronald Dworkin und Robert Alexy, Berlin 2011; R. Seinecke, Rechtsprinzipien: Konsens oder Konflikt, Stuttgart 2010, S. 187 – 205; R. Veil, Rechtsprinzipien und Regelungskonzepte im europäischen Gesellschaftsrecht, Köln 2007, S. 799 – 818; R. Alexy, Rechtsregeln und Rechtsprinzipien, Baden-Baden 2003, S. 217 – 233. 9 M. Ernits, Põhiõigused, demokraatia, õigusriik (Grundrechte, Demokratie, Rechtsstaat), Tartu, 2011, S. 10. Ernits verweist hierbei auf H. D. Jarass/B.Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., München 2006. 10 Ernits (FN 9), S. 10 f. Bei seiner Beschreibung der ersten Phase der Praxis des Staatsgerichtshofs zu den allgemeinen Rechtsprinzipien, die sich insbesondere auf die Gerichtsentscheidung III-4/A-5/94 gestützt hat, worauf wir schon hingewiesen hatten, kommt der Autor zur Schlussfolgerung, dass der Staatsgerichtshof die allgemeinen Rechtsprinzipien „hinzu stilisiert“ hat. Dies ist nicht der Fall. Grundgesetzdogmatik bedeutet, dass wir das Rechtsdenken, das auf einer positivistischen und deduktiven Herangehensweise basiert, hinter uns lassen und das Recht anwenden, indem wir es gleichzeitig fortentwickeln. Damit ist auch der Autor einverstanden, wenn er sagt: „Trotzdem ist es nicht ein Fehler des Gerichts. … Mit Hilfe der allgemeinen Rechtsprinzipien hat der Rechtsgerichtshof den Weg zu einer schnelleren Integration der dogmatischen Strukturen in die estnische Rechtsordnung bereitet, wie wir sie in den Staaten, die eine weiterentwickelte Rechtskultur haben, vorfinden.“ Ebd., S. 12.
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reichend. Man muss nicht nur fragen, was der Staatsgerichtshof getan hat, sondern auch, warum er so vorgegangen ist. Daher sollte man sich nachfolgend kurz mit den Funktionen dieser Prinzipien beschäftigen. Nur so wird ihr Zweck, also ihr Nutzen, verständlich. An dieser Stelle erinnert sich einer der Autoren dieses Artikels (R. Narits) an die Teilnahme an einem internationalen Symposion in Münster im Jahr 2003, bei dem er mit Professor W. Krawietz über die integrative Jurisprudenz – das Recht als ein Kommunikationsmedium der sozialen Verhältnisse – und über die rechtlichen Werte gesprochen hat.11 Die Verwendung der Rechtsprinzipien in der juristischen Argumentation ist auch eine Methode, mit der das vergleichende Recht die nationalen juristischen Entscheidungen beeinflussen kann. Durch die Verwendung von Rechtsprinzipien kann man inhaltlich auf die Normen der anderen Rechtsordnungen hinweisen und somit ist die Verwendung der Prinzipien eine „Brückenbildung“ zwischen dem Eigenen und dem Fremden.12 Diese „Brückenfunktion“ wird aktuell, wenn die Vertreter aus unterschiedlichen Rechtskulturen nach entsprechenden Entscheidungen suchen. Probleme entstehen aber schon zwischen den unterschiedlichen Rechtsfamilien. Es ist wichtig hervorzuheben, dass der Europäische Gerichtshof mit dem Versuch, mehrere Rechtsprinzipien von der Idee der Supranationalität ausgehend zu definieren, dabei geholfen hat, die Brücken für die Europäische Union als eine Rechtsgemeinschaft zu bauen. Hat nicht auch der estnische Staatsgerichtshof im Jahre 199413 als ein innenstaatlicher Brückenbauer fungiert? Wir sind der Meinung, dass es so war. Die Wurzeln dieser Rechtsprinzipien, auf die der Staatsgerichtshof sich bezogen hat, reichen zurück in die Geschichte und wurden vom Europarat und von den Institutionen der Europäischen Union entwickelt. Zugleich entsprachen sie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der EU-Mitgliedstaaten mit einer hoch entwickelten Rechtskultur. Diese Prinzipien sind an die Rechtsgrundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates gebunden und der Freiheit, Gerechtigkeit und dem Recht verpflichtet.14 11 W. Krawietz, Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Tönnies‘sche Handlungs- und Forschungsparadigma in neueren Rechtstheorien, in: ders./A. Sproede (Hrsg.), Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbewusstsein, Rechtstheorie Sonderheft Russland/Osteuropa, Berlin 2005, S. 579 – 652; R. Narits, Die Rechtsordnung in Estland. Wesen und Rationalität der Erkenntnis, in: Krawietz/Sproede, a.a.O., S. 653 – 669. 12 In der rechtswissenschaftlichen Zeitschrift, die in St. Petersburg herausgegeben wird, erschien eine umfangreiche Rezension über die, auf Basis von obem genannten Symposium erschienene Publikation, in der gesagt wird, dass eine ähnliche Diskussion auch unter den russischen Rechtswissenschaftlern geführt wird. Diese ist zusammengefasst in der Gedenkschrift „Meie raske tee õiguse juurde“, zusammengefasst von V. Grafskii, 2006; E. A. Pribõtkova, Protiv progressirjusevo onemenija (gegen progressive Taubheit), in: Pravovedenie 6 (2007), S. 211 – 229. 13 Siehe FN 7. 14 Die Möglichkeiten der „Brückenbildung“ mit Hilfe des Rechts der EU, die die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten besitzen, hat der estnische Richter des Europäischen Gerichtshofs anschaulich beschrieben: U. Lõhmus, Kuidas liikmesriigi kohtusüsteem tagab Euroopa Liidu õiguse tõhusa toime (Wie das Gerichtssystem des Mitgliedstaates die Effizienz des EU Rechts gewährlweistet.), in: Juridica III, 2007, S. 143 – 154.
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Im estnischen Kontext möchte ich die sog. praktische juristische Funktion der Prinzipien hervorheben, die ihrem Wesen nach eine Weiterentwicklung des Rechts darstellt. J. Esser hat dies als einer der Ersten betont.15 Von Zeit zu Zeit hat diese Funktion dort eine größere Rolle gespielt, wo die Rechtsordnung hauptsächlich durch ihre Jugend, durch eine kleine Anzahl oder durch die Widersprüchlichkeit der Doktrinen charakterisiert wird. Genau aus diesem Grund nehmen die Rechtsprinzipien eine spezielle Stellung in Estland ein. Auf jeden Fall kann man über die regulative Funktion der Prinzipien reden und eigentlich hätte man damit bei der Behandlung der Funktionen beginnen sollen. Wenn es so ist, kann man schlussfolgern, dass es beim Anwenden der Prinzipien möglich ist, die rechtsrelevante Wirklichkeit direkt und unmittelbar zu regulieren. Im Sinne dieser Funktion unterscheidet sich das Rechtsprinzip nicht stark von einer Rechtsnorm, die ebenfalls eine regulative Wirkung/Funktion beinhaltet. Eine bemerkenswerte Tatsache ist, dass die auf Prinzipien zentrierte Herangehensweise in Estland sicherlich auch eine heuristische Bedeutung hat. In der Fachliteratur wird zu Recht gesagt, dass die Interpretation und die Nutzung der Prinzipien im heuristischen Sinne zum ersten Mal im 19. Jahrhundert für Germanisten charakteristisch waren.16 Dies war nämlich eine Situation, in der mit der Realisierung der Idee von generellen Kodifikationen die kodifizierte Rechtsordnung unübersichtlich gemacht wurde, und so versuchte man diese, um die Rechtsordnung überschaubar zu machen und zu strukturieren, auf allgemeine Leitideen zurückzuführen.17 Die Strukturiertheit und Übersichtlichkeit der Rechtsordnung sind aber auch für den heutigen Rechtsstaat unerlässlich. Sie werden von einem wesentlichen Element der Rechtsidee – der Rechtssicherheit – gefordert. II. Praktische prinzipienzentrierte Weiterentwicklung der Rechtsordnung Estlands durch den Staatsgerichtshof Estland wurde am 1. Mai 2004 Vollmitglied der Europäischen Union. Als eines der neuen Mitglieder der Europäischen Union war Estland verpflichtet, die Gemeinschaftswährung Euro einzuführen. Diese Verpflichtung ergab sich aus Art. 4 des Beitrittsvertrags zur Europäischen Union und aus Art. 122 Abs. 2 des Gründungsvertrags der Europäischen Union in Verbindung mit § 2 des Gesetzes über die Ergänzung des estnischen Grundgesetzes. Untrennbarer Bestandteil des im § 2 des Gesetzes über die Ergänzung des Grundgesetzes gemeinten Vertrags (Beitrittsvertrag) ist 15 J. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, Tübingen 1956, S. 83. 16 Jakab (FN 5), S.60. 17 Unter der Führung des Justizministeriums werden in Estland aktuell große Kodifizierungsarbeiten durchgeführt. Man beschäftigt sich mit der Ausarbeitung eines Kodex zum Umweltschutz, eines Bildungskodex, eines Planungs- und Baukodex, eines Kodex des geistigen Eigentums sowie eines Sozialkodex. Diese Lage weist darauf hin, dass in Estland die heuristischen Funktionen der Rechtsprinzipien eine bemerkenswerte Wichtigkeit haben.
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nach Art. 1. Abs. 2 des Beitrittsvertrags der Beitrittsakt zur Europäischen Union – RT II 2004, 3, 8, wobei Art. 2 des Beitrittsaktes zur Europäischen Union den gesamten acquis communautaire für die neuen Mitgliedstaaten, darunter auch Estland, für verbindlich erklärt. Demgegenüber besagt der § 111 des Grundgesetzes der Republik Estland, dass der Estnischen Bank das alleinige Recht zur Ermittlung der estnischen Währung zusteht. Andererseits aber sieht das Gesetz über die Ergänzung des Grundgesetzes der Republik Estland vor, dass nach dem Beitritt Estlands zur Europäischen Union das Grundgesetz der Republik Estland unter Berücksichtigung der sich aus dem Beitrittsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten angewandt wird. Es ist bekannt, dass nach dem Eintritt der Vollmitgliedschaft Estlands in der Währungsunion die estnische Währung „Krone“ aus dem Geldkreislauf genommen wurde und dass die Europäische Zentralbank alleinberechtigt ist, die Ausgabe der Banknoten nach Art. 106 Abs. 1 des Gründungsvertrags der Europäischen Union zuzulassen. Und das Parlament Estlands (Riigikogu) fragte den Staatsgerichtshof nach einer Stellungnahme über die Auswirkungen des § 111 Grundgesetz in Verbindung mit dem Gesetz über die Ergänzung des Grundgesetzes und mit dem Recht der Europäischen Union.18 Man muss hinzufügen, dass beim Volksentscheid über den Beitritt zur Europäischen Union das Grundgesetz als solches formal nicht geändert wurde. Jedoch war die Verpflichtung zur Einführung der sich aus dem Beitrittsvertrag ergebenden Vorgaben in einem gesonderten konstitutionellen Akt enthalten. § 2 des Gesetzes über die Ergänzung des Grundgesetzes war und ist eine Auslegungsregel, gemäß der der Wortlaut des Grundgesetzes immer zusammen mit dem Gesetz über die Ergänzung auszulegen war. Gleichwohl ist aber darüber hinaus zu prüfen, ob solch eine Auslegung des Grundgesetzes mit den Rechtsprinzipen (Grundsätzen) des Grundgesetzes übereinstimmt. § 1 des Gesetzes über die Ergänzung des Grundgesetzes bestimmt nämlich, dass Estland der Europäischen Union angehören kann. Leider bietet das Gesetz über die Ergänzung des Grundgesetzes selbst nur sehr allgemeine Leitlinien zur Definierung der Grundsätze. Ähnliches gilt auch für die amtliche Begründung.19 Die Stellungnahme des Staatsgerichtshofs besagt im Ergebnis, dass zu berücksichtigen ist, dass man das bei der Volksentscheidung verabschiedete Gesetz über die Ergänzung des Grundgesetzes, wonach man das Grundgesetz nur anwendet, soweit es mit den sich aus der EU-Mitgliedschaft ergebenden Pflichten im Einklang steht, für verfassungskonform hielt, weil man davon ausging, es werde keinen Wi-
18 Stellungnahme der verfassungsrechtlichen Aufsichtskammer beim Staatsgerichtshof zur Auslegung des § 111 des Grundgesetzes. – RK 3 – 4-1 – 3-06. 19 Bei der Behandlung des Gesetzesentwurfs über die Ergänzung des Grundgesetzes im Parlament (Riigikogu) wurde über den Zweck des § 1 des Gesetzes Folgendes gesagt: „Die Einhaltung der Grundsätze des estnischen Grundgesetzes ist in der Situation zu gewährleisten, in der das Recht der Europäischen Union entgegen dem Beitrittsvertrag oder anlässlich der erweiternden Auslegung der Zuständigkeit der Institutionen der Europäischen Union mit dem estnischen Grundgesetz in Widerspruch gerät. Mit den Grundsätzen des Grundgesetzes sind insbesondere die in der Präambel des Grundgesetzes und die in den §§ 10 und 11 angeführten demokratischen Prinzipien gemeint.“ – http//www.just.ee/10731 (07.05. 2013)
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derspruch zu den Grundlagen des Grundgesetzes geben; denn die Bedingungen zum Beitritt der Währungsunion waren bereits im Beitrittsvertrag verankert. Trotzdem kritisiert man, dass, obwohl der Staatsgerichtshof dem § 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Põhiseaduse täiendamise seadus) eine rechtliche Bedeutung gegeben hat, § 1 nicht definiert wurde.20 Eine wichtige Funktion der Rechtsprinzipien ist auch die Gewährleistung und der Schutz von Grundrechten und anderen subjektiven Rechten der Personen. Diese Funktion muss sowohl der Gesetzgeber bei der Rechtsentwicklung als auch der Rechtsanwender zugrunde legen. Für den Rechtsentwickler dienen die Prinzipien, die als Wertmaßstäbe wahrgenommen werden, als eine Grundlage bei der Rechtsentwicklungstätigkeit. Beim Einschätzen des § 23 Abs. 4 aus dem Zwangsvollstreckungsgesetzbuch (täitemenetluse seadustik) hat der Staatsgerichtshof entschieden, dass der Staat nach § 14 des Grundgesetzes dazu verpflichtet ist, die Rechte und Freiheiten von Personen zu gewährleisten. Die Gewährleistung der Rechte und Freiheiten bedeutet nicht nur, dass der Staat verzichtet, sich in die grundrechtlichen Freiheiten einzumischen. Nach § 14 des Grundgesetzes ist der Saat verpflichtet, die geeigneten Verfahren zum Schutz des Grundgesetzes zu schaffen. Sowohl das Gerichts- als auch das Verwaltungsverfahren müssen gerecht sein. Unter anderem bedeutet dies, dass der Staat ein Verfahren in Kraft setzen muss, das den effizienten Schutz der Rechte einer Person gewährleistet.21 Somit hat der Staatsgerichtshof die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers darauf gelenkt, dass man beim Inkraftsetzen der Verfahrensregeln das allgemeine Gerechtigkeitsprinzip beachten soll, das den Verfahrensbeteiligten einen optimalen Schutz gewährleistet. Für den Rechtsanwender sind die Prinzipien eine Grundlage für die Normauslegung und Lückenfüllung und ermöglichen so, eine flexible und dem Recht entsprechende Lösung zu finden. Die Rechtsprechung, vor allem der Staatsgerichtshof, hat mit der Auslegung der Bestimmungen des Grundgesetz, bei der man die allgemeinen Rechtsgrundsätze der demokratischen Staaten als Vorbild genommen hat, wesentlich zur Weiterentwicklung der estnischen Rechtsordnung beigetragen und geholfen, diese Ordnung aufgrund der allgemein anerkannten Werte aufzubauen. Beim Herleiten, Formulieren und Definieren der Rechtsprinzipien hat der Staatsgerichtshof als das zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit zuständige Gericht relativ viele 20
Der Richter des Staatsgerichtshofs schrieb in seiner abweichenden Meinung Folgendes: „Leider enthält die Begründung des Staatsgerichtshofs keine Erklärung darüber, weshalb man es nicht für erforderlich gehalten hat, in die Analyse über die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit auch einzubeziehen, was im § 1 PSTS (Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes) geregelt ist.“ – Riigikohtunik E. Kergandbergi eriarvamus RKPJKa-le 11.05. 2006, 3 – 4-1 – 306. In seiner abweichenden Meinung schrieb der Richter vom Staatsgerichtshof Villu Kõve: „Bei der Bedeutungsanalyse des § 2 des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (PSTS) hätte man auch den § 1 desselben Gesetzes auswerten müssen, der auf die Bedingung zum Beitritt zur Europäischen Union – als Grundlage wird das Grundgesetz genommen – hinweist.“ – Riigikohtunik V. Kõve eriarvamus RKPJKa-le 11.05. 2006, 3 – 4-1 – 3 06. 21 RK PJKo 14.04. 2003, 3 – 4-1 – 4-03, P. 16.
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Möglichkeiten. Die Grundlage dazu bildet § 152 Abs. 2 des Grundgesetzes, nach dem der Staatsgerichtshof alle Gesetze oder sonstige Rechtsakte, die mit der Bestimmung und mit dem Sinn des Grundgesetzes nicht übereinstimmen, aufhebt. Die Konstruktion „Bestimmung und Sinn“ ermöglicht es dem Staatsgerichtshof, bei der Auslegung des Grundgesetzes alle Argumente zu nutzen, die mit dem Sinn des Grundgesetzes als Ganzes im Einklang stehen. Der Staatsgerichtshof ist nicht starr an die Formulierungen der Bestimmungen des Grundgesetzes gebunden. Der Staatsgerichtshof hat festgehalten, dass in Estland nach § 10 des Grundgesetzes die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates gelten, die im europäischen Rechtsraum anerkannt werden. Zudem hat das Gericht festgestellt, dass im europäischen Rechtsraum auch im Bereich des Verwaltungsrechts allgemeine Rechtsgrundsätze akzeptiert werden. Das sind verallgemeinerte Regeln, die in verschiedenen Bereichen gelten und in jedem Staat in diversen Rechtsquellen ausgedrückt werden. Des Weiteren listet das Gericht die wichtigsten Prinzipien des Verwaltungsrechts auf: Rechtssicherheit, rechtmäßige Erwartung, Proportionalität, Nichtdiskriminierung, das Recht auf Gehör im Verwaltungsverfahren, das Recht auf ein Verfahren binnen angemessener Zeit sowie Wirksamkeit und Effizienz.22 Die Prinzipien des Verwaltungsrechts sind nicht nur Prinzipien des objektiven Rechts, die die subjektiven Rechte unberührt lassen. Die Prinzipien, die auf der Grundlage des Grundgesetzes entwickelt worden sind, werden so definiert, dass sie den Bürgern auch subjektive Rechte vermitteln und somit deren Rechte gegenüber der staatlichen Gewalt erweitern. Der Staatsgerichtshof hat den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung durch die Auslegung des § 14 des Grundgesetzes entwickelt, nach dem die Gewährleistung der Rechte und Freiheiten eine Pflicht der gesetzgebenden, exekutiven und judikativen Gewalt sowie der Kommune ist, und zwar nach dem Vorbild des Artikels 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dabei betonte das Gericht, dass neben der objektiven Bedeutung des Prinzips aus diesem auch subjektive Rechte abgeleitet werden können: Das Recht auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ist eines der Grundrechte.23 Das Recht auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ist unmittelbar auch für die Verwaltung verbindlich und verpflichtet sie, dieses Prinzip zu befolgen. Das Prinzip ist eine Grundlage für die Bewertung der Rechtsmäßigkeit von Verwaltungshandlungen. Seine Wichtigkeit ist nicht nur auf die Auslegung der Verfahrensnormen und Lückenerfüllung begrenzt, sondern deckt auch solche Kategorien der Ethik und Moral ab wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Wohlwollen u. ä.24 Die Rechtsprechung hat beim Definieren des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung zusätzlich folgende Elemente hervorgehoben: 22
RK PJKo 17.02. 2003, 3 – 4-1 – 1-03, P. 14. PK PJKo 08.10. 2007, 3 – 4-1 – 15 – 07, P. 18. 24 Ü. Madise u. a., Eesti Vabariigi põhiseadus. Kommenteeritud väljaanne, Kolmas täiendatud väljaanne (Staatsverfassung der Republik Estland. Kommentierte Auflage), Tln. 2012, § 14 P. 3.22. 23
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¢ Benachrichtigung von Personen. Eine Person muss über ihre Rechte betreffende Verwaltungsakte und Vorgänge sowie über die gegen sie gerichteten Verfahren benachrichtigt werden. Dies gilt auch für dritte Personen. ¢ Das Einbeziehen der Personen in das Verwaltungsverfahren. Jede Person, bei der vorausgesehen werden kann, dass ein Verwaltungsakt oder eine Handlung ihre Rechte einschränken kann, muss in das Verfahren einbezogen werden. ¢ Das Recht einer Person, im Verfahren gehört zu werden. Sie muss eine Möglichkeit haben, Einwände zu erheben, sachbezogene Erklärungen zu geben, Beweise einzureichen usw. ¢ Das Recht, ein Einblick in Dokumente und Akten zu nehmen, die für den Sachverhalt relevant sind. ¢ Das Recht, Erklärungen und Beratung zu erhalten. ¢ Das Recht zu erwarten, dass das Verfahren binnen eines vernünftigen Zeitraums durchgeführt wird. ¢ Die Pflicht des Verwaltungsorgans, die Verwaltungsakte und Handlungen zu begründen. ¢ Die Pflicht des Verwaltungsorgans, den Adressaten über den Verwaltungsakt zu informieren. In der estnischen Rechtsordnung war auch die Festlegung des Proportionalitätsprinzips, das aus § 11 des Grundgesetzes hergeleitet wird, wegweisend. Nach der genannten Bestimmung können Rechte und Freiheiten nur in der Übereinstimmung mit dem Grundgesetz eingeschränkt werden. Diese Begrenzungen müssen in der demokratischen Gesellschaft notwendig sein und dürfen nicht den Charakter der einzuschränkenden Rechte und Freiheiten verzerren. Im Laufe von vielen Jahren hat der Staatsgerichtshof eine vollständige Schilderung des Proportionalitätsprinzips entwickelt. Zum ersten Mal entwickelte der Staatsgerichtshof im Jahre 1997 das Wesen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit (Proportionalitätsprinzip) in seiner Entscheidung bezüglich der Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Minderjährigen. Das Gericht hat entschieden, dass eine entsprechende Einschränkung an sich möglich ist, wenn es begründet ist, dass diese Einschränkung notwendig ist, um zu verhindern, dass die Minderjährigen unbeaufsichtigt sind, dass dies proportional zum gewünschten Ziel ist und dass dieses Ziel nicht mit Hilfe anderer Mittel erreicht werden kann.25 In einer Entscheidung im folgenden Jahr hat der Staatsgerichtshof das Prinzip der Verhältnismäßigkeit noch deutlicher formuliert: „Nach dem im Rechtsstaat geltenden Prinzip der Verhältnismäßigkeit müssen die angewendeten Mittel dem gewünschten Ziel entsprechen.“26 Auf das dreistufige Prinzip der Verhältnismäßigkeit 25 26
RKPJKo 06.10. 1997, 3 – 4-1 – 3-97, P. 1. RKPJKo 30.09. 1998, 3 – 4-1 – 6-98, P. III.
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hat der Staatsgerichtshof zum ersten Mal im Jahre 2000 hingewiesen, als der Staatsgerichtshof erwähnte, dass aus § 11 des Grundgesetzes eine Forderung folgt, dass die Einschränkungen von Rechten und Freiheiten in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein müssen, und sie dürfen nicht den Charakter der einzuschränkenden Rechte und Freiheiten verzerren. Die Einschränkungen dürfen gesetzlich geschützte Interessen oder Rechte nicht mehr beschädigen, als dies mit einem legitimen Ziel der Norm begründbar ist. Die angewandten Mittel müssen proportional zum erwünschten Ziel sein. Der Staatsgerichtshof betonte hierbei, dass nicht nur der Rechtsanwender, sondern auch der Gesetzgeber das Prinzip der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen muss.27 Ein vollständiges dreistufiges Prinzip der Verhältnismäßigkeit hat der Staatsgerichtshof im Jahre 2002 formuliert. Bei der Überprüfung eines Antrags des Bezirksgerichts Tallinn bezüglich der Aufhebung des zweiten Satzes des § 18 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes hat der Staatsgerichtshof Folgendes gesagt: „Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit folgt aus § 11 S. 2, nach dem die Einschränkungen von Rechten und Freiheiten in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein müssen. Die Übereinstimmung mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird von einem Kollegium in drei aufeinander folgenden Stufen geprüft: Als Erstes wird die Tauglichkeit des Mittels, danach seine Notwendigkeit und gegebenenfalls auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, d. h. die Angemessenheit des Mittels geprüft. Im Falle eines offensichtlich unpassenden Mittels ist eine Überprüfung der Verhältnismäßigkeit auf den darauf folgenden Stufen unnötig. Geeignet ist ein Mittel, welches das Erreichen des Ziels fördert. Zweifellos nicht verhältnismäßig ist ein Mittel, das mit Blick auf die Tauglichkeit auf keinen Fall das Erreichen des Ziels fördert. Der Inhalt der Tauglichkeitsanforderung ist, die Person vor dem unnötigen Einmischen der öffentlichen Gewalt zu schützen. Ein Mittel ist notwendig, wenn das Ziel mit einem anderen, die Person weniger belastenden Mittel, das zumindest genau so effektiv ist wie das Erste, nicht erreicht werden kann. Ebenfalls muss man berücksichtigen, wie weit die ersten Mittel Dritte belasten und wie hoch die Unterschiede für Staatsausgaben sind. Bei der Bewertung der Angemessenheit des Mittels muss man einerseits den Umfang und die Intensivität des Eindringens in die Grundrechte betrachten und andererseits die Wichtigkeit des Ziels.28 Dabei hat das Gericht sowohl bei der Tauglichkeit eines Mittels als auch bei der Notwendigkeit der Anwendung eines sog. milderen Mittels als Ziel den Schutz der Rechte der Personen hervorgehoben. Seitdem wird das Prinzip sowohl im Gerichts- als auch in der Verwaltungspraxis angewendet. Das Verwaltungskollegium des Staatsgerichtshofs hat einige Aspekte des Prinzips der Verhältnismäßigkeit weiterentwickelt. Zum Beispiel hat das Kollegium entschieden, dass bei besonders belastenden Maßnahmen es nicht gerecht ist, dass die Person alleine die belastenden Folgen tragen muss. Dies gilt besonders dann, wenn nicht die Person selber die Begrenzung ihrer Rechte und Freiheiten verursacht hat oder wenn dies nicht in ihrem Interesse liegt. Das Gericht hat 27 28
RKPJKo 28.04. 2000, 3 – 4-1 – 6-00, P. 13. RKPJKo 6.03. 2002, 3 – 4-1 – 1-02, P. 15.
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festgestellt, dass solche Situationen vorkommen können, in denen es im Interesse des Staates ist, die Rechte des Einzelnen weitgehender einzuschränken, als es mit Rücksicht auf die Interessen der konkreten Person proportional wäre. Sollten die Rechte der Person so stark beeinträchtigt werden, dass es nicht möglich ist, ein Gleichgewicht zwischen allgemeinem Interesse und dem Interesse des Einzelnen zu finden, muss der Person eine Entschädigung gezahlt werden. Bei einer angemessenen Entschädigung ist die Verletzung der Grundrechte nicht unverhältnismäßig, und die Grundrechte der Person werden nicht verletzt. Sollte die Entschädigung fehlen oder nicht angemessen sein, ist die Verletzung der Grundrechte unverhältnismäßig.29 Die Rechtsprechung hat auch ein Rechtssicherheitsprinzip entwickelt. Der Staatsgerichtshof hat dieses Prinzip aus dem § 10 des Grundgesetzes hergeleitet, das den Grundsatz des sozialen und demokratischen Rechtsstaates festlegt. So hat der Staatsgerichtshof in der Verbindung mit der Normbildung Folgendes gesagt: „Das Rechtssicherheitsprinzip folgt aus § 10 des Grundgesetzes. Im weitesten Sinne muss dieses Prinzip eine Sicherheit bezüglich der geltenden Rechtslage schaffen. Die Rechtssicherheit steht sowohl für die Klarheit beim Inhalt von geltenden Rechtsnormen (Rechtsklarheitsgrundsatz) als auch für die Sicherheit, dass die festgelegten Normen weiterhin gültig bleiben (Vertrauensschutzgrundsatz). Nach dem Rechtsklarheitsgrundsatz muss eine Person die Möglichkeit haben, mit ausreichender Klarheit vorauszusehen, welche rechtlichen Folgen die eine oder andere Handlung mit sich bringt.“30 Der Inhalt und die Anwendung des Vertrauensschutzgrundsatzes bei Verwaltungstätigkeiten sind vom Verwaltungskollegium des Staatsgerichtshofs gründlich behandelt worden. So hat er im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der rechtswidrige Vergünstigungen gibt, entschieden, dass eine Person sich bei einer Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der inhaltlich rechtswidrig ist oder mit einem wichtigen Verfahrens- oder Formfehler behaftet ist, dann auf den Vertrauensschutzgrundsatz stützen kann, wenn sie sich aufgrund einer begründeten Hoffnung, der durch den Verfahrensakt entstanden ist, anders verhalten hätte, als sie gehandelt hat, wäre der Verwaltungsakt nicht vorhanden.31 Des Weiteren hat das Gericht präzisiert, dass das Verwaltungsorgan bei der Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes einerseits die Gründe der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und das öffentliche Interesse, das durch den Verwaltungsakt verletzt wurde, sowie andererseits die rechtmäßige Erwartung des Einzelnen, dass der zu seinen Gunsten erlassene Verwaltungsakt gültig bleibt, abwägen soll. Gleichzeitig muss das Verwaltungsorgan bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes die Auswirkungen des Verwaltungsaktes auf die Rechte Dritter einschätzen.32 29
RKHKo 15.03 2010, 3 – 3-1 – 69 – 09, P. 63. RKPJKo15.12. 2005, 3 – 4-1 – 16 – 05, P. 20; RKPJKo 31.01. 2007, 3 – 4-1 – 14 – 06, P. 23. 31 RKHKo 07.12. 2001, 3 – 3-1 – 51 – 01, P. 3. 32 RKHKo 07.12. 2001, 3 – 3-1 – 51 – 01, P. 2; RKHKo 28.10. 2003, 3 – 3-1 – 66 – 03, P. 19.
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Das Verwaltungskollegium des Staatsgerichtshofes hat den Vertrauensschutzgrundsatz auch in Verbindung mit anderen Tatsachen der Verwaltungstätigkeiten hervorgehoben. Zum Beispiel hat das Gericht entschieden, dass der Vertrauensschutz verletzt worden ist, wenn ein Verwaltungsorgan einer Person mit Erklärungen, Zusagen oder anderen Verhaltensmethoden (auch mit der Unterlassung) die Meinung vermittelt, dass es einen Verwaltungsakt erlassen wird, der den Wünschen der Person entspricht, dann aber eine Entscheidung trifft, die nicht die Wünsche der Person berücksichtigt. Ein Verwaltungsorgan muss seine Zusagen einhalten.33 Zugleich ist der Vertrauensschutzgrundsatz verletzt, wenn ein Verwaltungsorgan eine Person irreführt oder zu einem Verhalten lenkt, das mit dem Recht nicht im Einklang steht.34 Das Gericht vertritt die Position, nach der der Vertrauensschutzgrundsatz auch die Pflicht des Verwaltungsorgans umfasst, die Person vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes über schwierige und komplizierte verwaltungsrechtliche Fragen zu informieren, und dies besonders in einem Fall, wenn die Person die Regulationen des Gesetzes nicht versteht. Auch wenn ersichtlich ist, dass das Verhalten einer Person nicht zum gewünschten Ergebnis führt, muss das Verwaltungsorgan die Person darüber informieren und ihr eine Möglichkeit geben, ihr Verhalten zu verändern.35 Das Gericht hat unter anderem auch betont, dass eine ständige Verwaltungspraxis eine Grundlage für das Entstehen eines berechtigten Vertrauens bietet. Zugleich kann bei einer falschen und rechtswidrigen Verwaltungspraxis kein berechtigtes Vertrauen entstehen.36 Das Gleichbehandlungsprinzip wird vom ersten Satz des § 12 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitet, nach dem alle vor dem Gesetz gleich sind. Das Gesetz betrachtet die Gleichheit vor allem bei der Rechtsanwendung, sie ist aber auch bei der Gewährleistung seitens der Gesetzgebung wichtig. Die Gleichheit bei der Rechtsanwendung setzt voraus, dass die geltenden Gesetze für alle in der gleichen Weise angewandt werden. Der genannte Satz definiert das subjektive Recht für Personen, hat aber auch eine objektive Bedeutung. Der Staatsgerichtshof hat ein Kontrollschema für die Überprüfung des Einhaltens des Gleichberechtigungsprinzips entwickelt. Dies ist aber nicht immer konsequent verfolgt worden. Die Überprüfung erfolgt auf zwei Stufen.37 Auf der ersten Stufe muss festgestellt werden, ob die Personen in gleichen Verhältnissen ungleichmäßig behandelt worden sind. Dafür muss man als Erstes feststellen, ob diese Personen aufgrund wichtiger, sie charakterisierender Merkmale vergleichbar sind.38 Sind die Personen vergleichbar und hat man sie unterschiedlich behandelt, muss man überprüfen, ob es sich um analoge oder wesentlich ähnliche Merkmale handelt. Die Ungleichbehandlung ist dann vorhanden, wenn gleiche Sach33
RKHKo 27.03. 2002, 3 – 3-1 – 17 – 02 P. 18. Ibid, P 18. 35 Ibid, P 18. 36 RKHKo 6.12. 2004, 3 – 3-1 – 53 – 04, P. 13. 37 RKÜKo 10.12. 2003, 3 – 3-1 – 47 – 03, P 25 und 27. 38 RKÜKo 27.06. 2005, 3 – 4-1 – 2-05, P. 40. 34
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verhalte ohne ersichtliche und vernünftige Gründe unterschiedlich behandelt werden.39 Die Ungleichbehandlung bedeutet nicht immer, dass das Gleichbehandlungsprinzip verletzt wurde. Der Staatsgerichtshof hat festgehalten, dass man auf der zweiten Stufe herausfinden muss, ob es einen objektiven und vernünftigen Grund für Ungleichbehandlung gegeben hat. Sollte dieser fehlen, handelt es sich um eine willkürliche Ungleichbehandlung, die gegen den ersten Satz des § 12 Abs. 1 des Grundgesetzes stößt.40 So hat das Verwaltungskollegium gefunden, dass bei einem Beamten, der aufgrund Entlassung den sog. „Weihnachtsbonus“ nicht ausbezahlt bekommen hat, es sich nicht um eine Verletzung des Gleichbehandlungsprinzips handelt (im Amt bleibende Beamte haben den Weihnachtsbonus erhalten), weil die Zahlung von Weihnachtsbonus einen, in die Zukunft gerichteten allgemein motivierenden Charakter hat. Daher gab es einen objektiven und vernünftigen Grund für die Ungleichbehandlung.41 Wie wir sehen, wird ein Lösungsmuster, das auf die Rechtsprinzipien konzentriert ist, in einem bestimmten Zeitpunkt benutzt, weil das Finden einer rechtskonformen Entscheidung immer mit einem in einer bestimmten Zeit und im bestimmten Raum sich ereignenden Fall verbunden ist. Aber bei der Lösungsfindung ist nicht die zeitliche Dimension entscheidend, sondern immer der Verwendungszweck der Nutzung von Rechtsprinzipien. Über den Verwendungszweck bekommt man Informationen nur dann, wenn die Funktionen der Rechtsprinzipien als Ausgangspunkt benutzt werden.
39
RKHKo 20.12. 2001, 3 – 3-1 – 61 – 01, P. 6; RKHKo 12.12. 2006, 3 – 3-1 – 65 – 06, P. 25. RKÜKo 10.12. 2003, 3 – 3-1 – 47 – 03, P. 27. 41 RKHKo 20.12. 2001, 3 – 3-1 – 61 – 01, P. 5. 40
Der Fall – Geschichte und Erzählung Von Jan Schapp, Gießen I. Einführung Werner Krawietz hat in einem Beitrag zur Festschrift zu meinem 70. Geburtstag nachdrücklich für die Entwicklung einer narrativen Jurisprudenz plädiert.1 Er versteht dabei Jurisprudenz im Sinne einer allgemeinen Rechtslehre. Er entfaltet in seinem Beitrag eine Vielzahl von Themen, die durch eine solche narrative Jurisprudenz erschlossen werden können. In diesem Zusammenhang würdigt er meine Arbeit seit den siebziger Jahren als Begründung und Entwicklung einer narrativen Jurisprudenz. Die ganze Breite der Thematik bringt Krawietz nicht zuletzt durch die Einbeziehung der anglo-amerikanischen Forschungen zum Ausdruck. Im Folgenden wollen wir auf dem eingeschlagenen Weg einige Schritte weitergehen. Da wir damit den Anregungen des Jubilars folgen, können wir hoffen, mit unseren Bemühungen sein Interesse zu finden. Wir werden uns im Folgenden vor allem mit zwei Fragen befassen. Wenn es nahe liegt, eine auf Geschichten gründende Phänomenologie des Rechts am juristischen Fall festzumachen, wie verhalten sich dann Fall und Geschichte zueinander? Handelt es sich bei den Fällen etwa um typische Geschichten und wie ist diese Typizität zu charakterisieren? Besteht auch das Umfeld der Fälle aus Geschichten und wie verhalten diese sich zu den Fällen? Die erste Frage geht also nach dem Verhältnis von Fall und Geschichte. Die zweite Frage ist die nach dem Verhältnis von Fall und Erzählung. Wenn ein Fall sich erst durch seine Erzählung erschließt, welche Bedeutung hat diese Erschließung für die Falllösung und damit schließlich für das richterliche Urteil? Während die erste Frage mehr rechtstheoretischer Natur ist, betreten wir mit der zweiten das Gebiet der juristischen Methodenlehre. Wenn wir den treffenden Ausdruck von Krawietz aufnehmen dürfen, so gehören beide Fragen dem Kernbereich einer narrativen Jurisprudenz an.
1 Werner Krawietz, Narrative Jurisprudenz oder Theorie der Rechtskommunikation? Überlegungen zu einer Geschichtenphänomenologie des Rechts, in: Festschrift für Jan Schapp, 2010, S. 311 ff.
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II. Das Verhältnis von Fall und Geschichte 1. Der Fall als Unrechtsgeschichte Den Kern des juristischen Falls finden wir in dem Unrecht, das jemandem nach seiner Einschätzung geschehen ist. Das Erlebnis des Unrechts löst das Verlangen nach Wiedergutmachung aus. Mit der Wiedergutmachung ist der bis dahin ungelöste Fall gelöst. Ich habe diesen Zusammenhang seit meiner Schrift „Das subjektive Recht im Prozess der Rechtsgewinnung“ (1977) durch ein dreistufiges Rechtsmodell einzufangen versucht. Dieses Rechtsmodell ermöglicht es, sich auf einer ersten Stufe eine Welt von Rechten und Pflichten vorzustellen, die der Verletzung des Rechts und damit dem Unrecht vorangehen. Die hier gesetzten Grenzen machen auf der zweiten Stufe das Unrecht als Überschreitung dieser Grenzen überhaupt erst möglich. Dann lässt sich auf der dritten Stufe mit besonderer Präzision die Reaktion des Rechts auf das Unrecht unter dem Begriff der Sanktion erfassen und plausibel machen. Dieses dreistufige Rechtsmodell stimmt nun nicht nur mit grundlegenden Thesen von Kant2 und Hegel3 zum Recht überein, sondern es entspricht auch der Konzeption unseres positiven Rechts.4 Dort kommt es im Wesentlichen darin zum Ausdruck, dass das positive Recht die Privatautonomie, und damit die Institute Eigentum und Vertrag seinerseits bei seinen sanktionierenden Regelungen voraussetzt. Das ist der Grundgedanke der Konzeption unseres Zivilrechts, wird dann aber in den verfassungsrechtlichen Lehren von den Menschenrechten und von den Grundrechten auch nicht anders gesehen. Die Orientierung des Rechts in der dritten Stufe an der Wiedergutmachung von Unrecht hat für künftige Fälle Konsequenzen, auf die in diesem Zusammenhang hinzuweisen ist. Die Konfliktsentscheidung hat für die Zukunft immer zugleich auch konfliktsvermeidende Funktion. Im Sinne der Konfliktsvermeidung wird diese Entscheidung für diese Fälle schon auf der ersten Stufe des dreistufigen Rechtsmodells wirksam, d. h. wirkt sich im Sinne von Grenzen für das rechtsbedeutsame Handeln in der ersten Stufe aus. Es kommt vielfach gar nicht erst zu dem Unrecht, das dann einer rechtlichen Sanktionierung bedürfte. Das hat dann auch zur Folge, dass die verschiedenen Arten von Unrecht, die sich im Laufe der Rechtsgeschichte im Zivilrecht, im Strafrecht und im öffentlichen Recht herausgebildet haben, ihrerseits schon die Einteilung der Rechtsverhältnisse in der ersten Stufe bestimmen, da es nur auf diesem Wege zu der Art von Unrecht kommen kann, für die das Recht dann eine bestimmte Wiedergutmachung vorsieht. Die erste Stufe wird damit immer mehr zu einer Beschreibung aller Rechtsverhältnisse, die im Hinblick auf mögliches Unrecht so vor2
Die Metaphysik der Sitten, AB 52. Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 82, Zusatz zu § 97. 4 Vgl. dazu im Einzelnen Jan Schapp, Der Fall in der juristischen Methodenlehre, in: Subsumtion. Schlüsselbegriff der juristischen Methodenlehre, herausgegeben von Gottfried Gabriel und Rolf Gröschner, 2012, S. 227 ff., S. 229 f. 3
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sortiert sind, dass nach geschehenem Unrecht in der zweiten Stufe die bestimmte Art der Sanktionierung in der dritten Stufe so erfolgen kann, wie sie vom Recht für Unrecht im Zivilrecht, im Strafrecht und im öffentlichen Recht vorgesehen ist. Was den Fall betrifft, so können wir ihn als Geschichte bezeichnen, die zunächst einmal derjenige erlebt, dem – nach seiner Meinung – Unrecht geschieht. Wir verwenden den Ausdruck Geschichte dabei im Sinne der Philosophie der Geschichten Wilhelm Schapps.5 Das bedeutet vor allem, dass es nur Geschichten von Personen gibt, die sie erleben oder – wie Wilhelm Schapp sagt – in sie verstrickt sind, nicht Geschichten von Objekten. Diese kommen nur in Geschichten von Personen vor. Der Fall ist dann zugleich eine Geschichte, die erzählt werden kann, und mit deren Erzählung Personen in Geschichten einen bestimmten Zweck verfolgen.6 2. Die Geschichte der Entfaltung der Person in ihren Rechtsverhältnissen Im vorliegenden Zusammenhang interessiert uns, dass die Geschichte des Falles eine Vorgeschichte hat, die ihrerseits für das Verständnis des Falles von Bedeutung zu sein scheint. Es ist dies die Geschichte der Entfaltung der Person in ihren Rechtsverhältnissen, die dann auf irgendeine Weise Gegenstand der Verletzung werden. Die Möglichkeit der Entfaltung der Person in ihren Rechtsverhältnissen ist offenbar Voraussetzung dafür, dass das Recht an die Verletzung dieser Rechtsverhältnisse die Sanktion der Wiedergutmachung anknüpft. Beide Gesichtspunkte sind aber voneinander zu unterscheiden. Der Begriff einer Vorgeschichte der Verletzung bedarf allerdings noch einer Präzisierung. Unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung für das ganze Leben stellt die Entfaltung der Person in ihren Rechtsverhältnissen die Hauptgeschichte dar, die sich wiederum in eine Vielzahl von Geschichten aufgliedern mag, und ist der Gesichtspunkt der Wiedergutmachung von Rechtsverletzungen vielfach eher eine Annexgeschichte oder eine Nachgeschichte, deren Bedeutung sich aus ihrem Verhältnis zu diesem größeren Ganzen bestimmt. Die Geschichte der Rechtsverletzung kann aber auch selbst zur Hauptgeschichte werden. Bei dem Blick auf die Hauptgeschichte in der ersten Stufe darf allerdings nicht übersehen werden, dass sie überhaupt erst möglich wird aufgrund der Sicherung 5 Wilhelm Schapp, In Geschichten verstrickt, 1953, 5. Aufl., 2012; ders., Philosophie der Geschichten, 1959, 2. Aufl., 1981; ders., Metaphysik der Naturwissenschaft, 1965, 3. Aufl., 2009. 6 Eine Rechtsphilosophie des Falles entwickele ich zuerst in „Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre“, 1983, S. 15 ff., sie liegt dann meiner „Methodenlehre des Zivilrechts“, 1998, zugrunde. Zusammenfassung in meinem Aufsatz im Sammelband „Subsumtion“ (FN 4). Vgl. zur Thematik vor allem Rolf Gröschner, Dialogik und Recht, 2013, S. 107 ff. und 328 ff. Man kann die Grundlagenarbeiten Gröschners 1982 – 2012 auch als Erschließung einer narrativen Jurisprudenz unter dem Gesichtspunkt der Dialogik sehen. Einen wesentlichen Beitrag zu einer narrativen Jurisprudenz von philosophischer Seite leistet Karen Joisten, Von dem „Verstricktsein“, der (Gerichts)Akte und dem Erzählen und Hören. Zur Geschichtenphilosophie Wilhelm Schapps, in: Festschrift für Jan Schapp (FN 1), S. 283 ff.
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der Rechte, die das Recht im Sinne einer Konfliktsvermeidung hier immer schon zur Folge hat. Das bedeutet zugleich, dass eine Erzählung dieser Hauptgeschichte immer zugleich auch eine Erzählung des Rechts ist, das in dieser Geschichte vorkommt. Diese Hauptgeschichte, die dann Fälle gewissermaßen als Unfälle überhaupt erst begreifbar macht und ihnen ihren Ort im Ganzen der Lebensverhältnisse zuweist, versuchen wir uns nun für das Zivilrecht etwas deutlicher vor Augen zu führen. Wir beschränken uns dabei auf das Vermögensrecht im Sinne der ersten drei Bücher des BGB und blenden Familienrecht und sonstige wichtige Rechtsbereiche, etwa das Wirtschaftsrecht, aus. In dem derart begrenzten Zivilrecht stehen im Mittelpunkt das Eigentum und der Vertrag. Für das weitere Verständnis sind die Begriffe der negativen und der positiven Freiheit hilfreich. Sie bieten sich insbesondere im Hinblick auf das Eigentum an. Die Außengrenze des Eigentums im Sinne der Ausschließungsbefugnis stellt gewissermaßen eine Ankündigung der Verletzungstatbestände dar. Die hier gezogene Grenze dient dem Schutz des Innenbereichs, der sich als positive Freiheit auffassen lässt. Hier liegt der Kern der Hauptgeschichte. Was mache ich mit meinem Eigentum? Die beiden Perspektiven lassen sich in ähnlicher Weise auch für den Vertrag unterscheiden. Mit den Vertragspflichten gibt der Vertrag gewissermaßen nach außen Grenzen auf und bereitet die Konfliktsentscheidung vor. Die Vertragsfreiheit liegt aber im Schwerpunkt darin, dass jeder Vertragspartner den Vertragsschluss zum Zwecke der Verfolgung eigener Motive einsetzen kann, im Hinblick auf die er dem anderen keine Rechenschaft schuldig ist. Hier stellt sich also die Frage, welche Zwecke verfolge ich für mich durch Abschluss eines bestimmten Vertrages.7 Die negative zum Schutz im Konfliktsfalle hinleitende Freiheit in beiden Fällen dient also dem Schutz der positiven Freiheit, die eine Freiheit der Person in der Entfaltung in ihren Rechtsverhältnissen Eigentum und Vertrag ist. Diese Entfaltung begreifen wir als eine eigene Geschichte der Person, die ihrerseits Voraussetzung dafür ist, dass das Recht im Konfliktsfalle sanktionierend eingreift. Damit ist das Recht als Fallentscheidung notwendig auf die Person bezogen, nicht nur auf die Verletzung von Normen oder irgendwelcher subjektiven Rechte ohne Rücksicht auf ihren Inhaber. Zur Entfaltung der Rechtsverhältnisse der Person in einem auch das öffentliche Recht mitumfassenden Sinne gehört nun auch die Ausübung öffentlicher Autonomie, die zur Einsetzung des Gesetzgebers, der Verwaltung und der Rechtsprechung führt. Wir haben an anderer Stelle das Verhältnis von Privatautonomie und öffentlicher Autonomie als ein Ergänzungsverhältnis beschrieben, das im Einzelnen näher in der
7
Zur positiven und negativen Freiheit vgl. ausführlicher Jan Schapp, Über die Freiheit im Recht, in: Über Freiheit und Recht, 2008, S. 1 ff. Ausführlicher zu diesem Verständnis der Vertragsfreiheit Jan Schapp, Grundlagen der Rechtsgeschäftslehre, 1986, S. 50 ff. Es sind die Motive, die die Vertragsgeschichte mit dem Vertragswillen verbinden und auf diese Weise dem Vertragswillen überhaupt erst sein Gewicht verleihen.
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Verfassung geregelt ist.8 Wir dürfen hier auf diesen Gedanken zurückkommen. Wenn der Kreis des öffentlichen Rechts in dieser Weise mit dem Kreis des Privatrechts verbunden wird, gehören die öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten des Bürgers auf der Grundlage von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung mit zu den Rechtsverhältnissen auf der Grundlage von Eigentum und Vertrag und damit auch mit zu den Geschichten, die jeder einzelne in seinen Lebensverhältnissen erlebt. Die Geschichtenwelt, mit der der einzelne umgeht, stellt immer schon eine Mischung aus Rechtsverhältnissen dar, die dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind. Das beginnt mit dem Abzug von Lohnsteuer vom Arbeitslohn, geht über die Erlaubnisse, die etwa für das Bauen oder für die Ausübung eines Gewerbes einzuholen sind, bis hin zu den vielfältigen staatlichen Leistungen, die nur auf Antrag gewährt werden. Rechtsverhältnisse, die nur der einen oder anderen Seite zuzurechnen sind, müssen dabei unterschieden werden von Rechtsverhältnissen, in denen beide Seiten miteinander kombiniert sind. Die Mischungen beider Arten von Rechtsverhältnissen unterscheiden sich von Bürger zu Bürger. Auch selbst wer vorwiegend auf staatliche Leistungen angewiesen ist, bewegt sich in einem Milieu von Rechtsverhältnissen, in dem er noch einen Einfluss auf die Gestaltung seiner Lebensverhältnisse hat. Man kann also – wenn auch mit Abstrichen – noch von einer Entfaltung von Rechtsverhältnissen sprechen. Die Perspektive auf den Prozess schließt sich hier wie im Bereich des Privatrechts erst an die Sphäre der Rechtsverhältnisse an, die wir insgesamt der ersten Stufe des dreistufigen Rechtsmodells zuordnen. Wie ist nun das Strafrecht in diese Welt der Rechtsverhältnisse einzuordnen? Man wird ein dem Strafgesetz inhärentes Verbot, strafbare Handlungen zu begehen, von der Sanktion unterscheiden müssen, die das Strafgesetz für den Fall der Begehung der Straftat anordnet. Damit ist Teil des Verhältnisses zu anderen Bürgern, dass niemand Straftaten begeht. Der Straffall ist allerdings dadurch gekennzeichnet, dass der Staat den Strafanspruch geltend macht. Die Rechtsphänomenologie hatte frühzeitig Eigentum und Vertrag je in ihrer Eigenart in den Blick genommen und deren Eigengesetzlichkeit dadurch unterstrichen, dass die Frage nach der Bedeutung einer Sanktionierung im Falle einer Rechtsverletzung – weitgehend – ausgeblendet blieb. Das führte beim Eigentum zu einer intensiven Untersuchung des Verhältnisses von Schaffen und Entstehung von Eigentum, beim Vertrag zur Deutung des Verhältnisses als Austausch von Eigentum. Die Selbständigkeit von Eigentum und Vertrag in ihrem Verbund wurde dann aufgrund einer weiteren Blickwendung noch deutlicher. Für das Eigentum ist als Erwerbsgrund genauso wichtig wie die Herstellung von Sachen der Erwerb durch Vertrag. Hier ist neben dem Ankauf und Verkauf durch den Handel vor allem der Arbeitsvertrag zu nennen.9 8 Vgl. Jan Schapp, Private und öffentliche Autonomie: Zur Achtung des anderen im Recht, in: Methodenlehre und System des Rechts, 2009, S. 109 ff.; ders., Über Ethik, Freiheit und Recht, in: Ad Legendum, 2012, S. 8 ff. 9 Vgl. dazu Jan Schapp, Phänomenologie und Recht, in: Methodenlehre und System des Rechts (FN 8), S. 245, 249; ders., Geschichtenphilosophie und Recht, in: Das Denken Wil-
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III. Der Fall als Erlebnis und als Erzählung Unsere zweite Frage geht nach dem Verhältnis des Falles als Geschichte und als Erzählung und nach den Konsequenzen, die sich aus dieser Unterscheidung ergeben. 1. Die Geschichte als Erlebnis und als Erzählung Wir wollen uns dabei auf unsere Abhandlung „Verstrickung und Erzählung“ stützen, in der wir in Anknüpfung an die Philosophie der Geschichten Wilhelm Schapps die Unterscheidung von erlebter und erzählter Geschichte eingehend entwickelt haben.10 Erlebte und erzählte Geschichte stimmen nicht überein, stehen jedoch in einer engen Beziehung zueinander. Die Erzählung einer Geschichte kommt ihrerseits in dem Erlebnis einer Geschichte vor. Der Ort der erzählten Geschichte in dieser erlebten Geschichte wird dadurch bestimmt, dass mit der Erzählung vielfach ein Zweck verfolgt wird, der seinerseits seinen Platz in der erlebten Geschichte hat. Wilhelm Schapp hat das Verstricktsein des Menschen in Geschichten in den Mittelpunkt seines philosophischen Denkens gestellt. So trägt das erste Werk seiner Trilogie über die Geschichten den Titel „In Geschichten verstrickt“.11 Wesentliche These dieser Geschichtenphilosophie ist, daß die Geschichten nicht Gegenstand einer Erkenntnisbeziehung sein können, auch nicht für den in sie Verstrickten. Geschichten sind keine Sachverhalte. Wilhelm Schapp sieht das mit dem Ausdruck Verstrickung deutlicher zum Ausdruck gebracht als mit dem Ausdruck Erlebnis einer Geschichte, den er dann allerdings häufiger auch benutzt, und zwar durchaus im Sinne des Verstricktseins in die erlebte Geschichte. In diesem Sinne sprechen wir im Folgenden von Erlebnis. Wichtig in unserem Zusammenhang ist nun, dass das Erlebnis der Geschichte als solches sich nicht verobjektivieren lässt. So hält Wilhelm Schapp die Suche nach einer Originalfassung der Geschichte, in der der Verstrickte sie selbst erlebt, für aussichtslos. Er spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Geschichte stets oszilliert und dass nie zwei Fassungen einander gleichen.12 Dem entspricht, dass das Verstricktsein in Geschichten ständig von einem leisen Sprechen begleitet ist, mit dem der Verstrickte seine Geschichten gewissermaßen kommentiert, ohne dass diese Kommentierung sich schon im Sinne eines lauten Sprechens artikulieren würde. Dieses leise Sprechen ist aber Grundlage jeden lauten Sprechens in der Ge-
helm Schapps. Perspektiven für unsere Zeit, herausgegeben von Karen Joisten, 2010, S. 65, 75 f. 10 Jan Schapp, Verstrickung und Erzählung, in: Phänomenologische Forschungen 2007, S. 125 ff. 11 Wilhelm Schapp (FN 5). 12 Wilhelm Schapp, Philosophie der Geschichten (FN 5), S. 177.
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schichte, das seinerseits von diesem leisen Sprechen begleitet wird. Das leise Sprechen ist noch keine Erzählung.13 Dass es keine Originalfassung der erlebten Geschichte gibt, verschafft uns die Möglichkeit, die erzählte Geschichte von der erlebten Geschichte zu unterscheiden. Die Erzählung wird durch den Zweck bestimmt und kommt damit ihrerseits in der erlebten Geschichte nur vor. Die erzählte Geschichte ist damit nicht etwa die Originalfassung der erlebten Geschichte. Die Erzählung der Geschichte wird als Teil der erlebten Geschichte ihrerseits ständig von dem leisen Sprechen begleitet. Die Philosophie der Geschichten bezieht ihre Plausibilität zu einem ganz beachtlichen Teil aus der Möglichkeit der Erzählung von Geschichten. Das rechtfertigt auch, mit Werner Krawietz die Verfolgung dieses Ansatzes in der Rechtswissenschaft als „narrative Jurisprudenz“ zu bezeichnen. Auch eine narrative Jurisprudenz erfordert allerdings zunächst einmal eine weitere Klärung des Platzes der Erzählung in den Geschichten. Um sie haben wir uns in diesem Abschnitt bemüht. 2. Der Fall als Erlebnis und als Erzählung Da wir auch den Fall als Geschichte begreifen, ist die Unterscheidung von Erlebnis und Erzählung auch auf ihn anwendbar. Wir werden sehen, dass diese Unterscheidung in der Methodenlehre des Falles zu einer Reihe neuer Perspektiven führt, die im Folgenden allerdings nur angedeutet werden können. Bei unserer Untersuchung haben wir vor allem die Fälle des Zivilrechts im Auge, jedoch lassen die Überlegungen sich mit der erforderlichen Anpassung auch auf Fälle des Strafrechts und des öffentlichen Rechts übertragen. a) Der Fall des Klägers Der Kläger erlebt das Unrecht und den gesamten Prozess, mit dem er Wiedergutmachung dieses Unrechts zu erreichen versucht, als seine Geschichte. Zu dieser Geschichte gehören daher auch die Einlassungen des Beklagten und schließlich das Urteil. Ganz offenbar ist diese Geschichte in reichem Maße von leisem Sprechen durchsetzt, das aber nicht mit dem Inhalt der schließlich eingereichten Schriftsätze verwechselt werden darf. Welchen Raum nimmt in diesem Erlebnis des Klägers nun die Erzählung ein? Ganz offenbar erzählt der Kläger dem Richter das widerfahrene Unrecht, um durch diese Erzählung seinen Antrag auf Wiedergutmachung zu begründen. Der Zweck der Erzählung liegt in der Begründung dieses Antrags. Mit diesem Zweck haben wir das wesentliche Moment, das die Erzählung vom Erlebnis unterscheidet. In einem weiteren Sinne lässt sich der Antrag mit zur Erzählung nehmen, sodass auch der Zweck der Erzählung als Teil der Erzählung gesehen werden kann. 13 Zum leisen Sprechen vgl. Wilhelm Schapp, Philosophie der Geschichten (FN 5), S. 269 ff.
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Die Erzählung des Klägers in der Klageschrift vermag den Klagantrag zu begründen, weil sie bereits eine Erzählung des Unrechts ist. Dabei kann hier durchaus dahin stehen, dass es sich zunächst nur um die Erzählung des Klägers handelt, also der Beklagte und dann der Richter noch nicht Stellung genommen haben. Das bedeutet, dass bereits der Kläger mit seiner Erzählung eine rechtliche Konzeption des Falles vorträgt, deren Richtigkeit er behauptet. Das wird ganz offensichtlich der Fall sein, wenn der Kläger in dem Prozess anwaltlich vertreten ist. Das gilt aber auch für den Fall, dass der Kläger die Klageschrift selbst verfasst hat, da nur auf diesem Wege sich das Unrecht und damit die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung verständlich machen lassen. Dass die rechtliche Konzeption häufig nur angedeutet ist, steht dem nicht entgegen. Häufig wird auch – aus wohlerwogenen Gründen – bei einer anwaltlich verfassten Klageschrift auf die genauere Entfaltung einer rechtlichen Konzeption im Sinne juristischer Dogmatik verzichtet. Dem scheint der Satz „da mihi factum, dabo tibi ius“ entgegen zu stehen, der in diesem Zusammenhang häufig zitiert wird. Nun stellen wir allerdings nicht in Frage, dass der Kläger in seiner Erzählung Tatsachen vortragen muss, die er im Falle des Bestreitens durch den Beklagten auch zu beweisen in der Lage ist. Nur müssen das Tatsachen sein, aus denen sich auch der Schluss auf den von ihm erhobenen Anspruch ziehen lässt, die also im Sinne der juristischen Methodenlehre „schlüssig“ sind. Damit behauptet der Kläger zugleich die rechtliche Bedeutung der vorgetragenen Tatsachen im Zuge der Begründung seines Klagantrags durch seine Erzählung. Die Aufspaltung des klägerischen Vorbringens in Tatsachenvortrag und Rechtsbehauptung scheint es uns vor allem zu sein, die an dieser Stelle den für eine Methodenlehre des Rechts so bedeutsamen Blick auf die Erzählung verstellt. Die vom Kläger in Anspruch genommene rechtliche Konzeption seiner Erzählung findet im Zivilrecht rechtsdogmatisch ihren Ausdruck in der Lehre vom Anspruch. Sie steht in mehr oder weniger sichtbaren Umrissen bereits im Hintergrund der Klageschrift, stellt dann aber im weiteren Verlauf des Prozesses für den Richter das entscheidende Arbeitsmittel dar. Es ist erst die Lehre vom Anspruch, über die es gelingt, Vorbringen des Klägers und des Beklagten in ausreichender Ordnung aufeinander zu beziehen und vor allem beider Erzählungen im Lichte des Gesetzes zu sehen und zu würdigen. Das wäre nicht möglich, wenn nicht das Gesetz selbst die Lehre vom Anspruch zur Grundlage seiner Regelungen gemacht hätte.14 Der Kläger arbeitet im Grunde von dem Erlebnis des Unrechts bis zum Urteil mehr oder weniger intensiv an seiner Erzählung des Falles. Dabei ist der Einfluss einer Reihe von Faktoren feststellbar. Allein der Zeitablauf bewirkt häufig wichtige Änderungen in der Einschätzung des ihm erfahrenen Unrechts, sei es nun, dass ihm dessen ganzes Ausmaß immer mehr bewusst wird, oder dass er es doch mit der Zeit für weniger gravierend hält als ursprünglich angenommen. Klärende Gespräche mit 14 Diesen Gedanken entfalte ich vor allem in „Das Zivilrecht als Anspruchssystem“, in: Methodenlehre und System des Rechts (FN 8), S. 3 ff., und in: Methodenlehre des Zivilrechts (FN 6).
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seinen Angehörigen haben ebenso Einfluss auf den Kläger wie die gemeinsame Arbeit mit dem Anwalt an der Klageschrift. Einfluss haben schließlich auch die Einlassungen des Beklagten, der seinerseits neue Perspektiven ins Spiel bringt, und die Hinweise, mit denen der Richter den Prozess lenkt. Wir möchten diese ganze Arbeit an der Erzählung dem Fall als Geschichte und damit als Erlebnis des Klägers zuordnen. Dennoch kann diese Arbeit an der Erzählung dazu führen, dass die Erzählung des Klägers sich ihrerseits wandelt. Wenn man genau hinsieht, so ist es durchaus denkbar, dass der Kläger zur Begründung seines Klagantrags während des Prozesses doch eine andere Geschichte erzählt als in seiner Klageschrift. Auch wenn man nicht von mehreren Erzählungen sprechen will, so mag schließlich doch schon allein aufgrund des klägerischen Vorbringens der erzählte Fall in einem neuen und anderen Licht erscheinen. In vielen Fällen mag ein Wandel der Lösungskonzeption und damit auch der von uns angenommene Wandel der Erzählung darauf beruhen, dass in einem größeren Erzählungszusammenhang unterschiedliche Teile der Erzählung akzentuiert werden. Wie unterschiedlich die Akzente in „einer“ Erzählung gesetzt werden können, wird etwa am „Zu-den-Akten-Fall“ deutlich, in dem die Problematik der Bürgschaft naher Angehöriger zur Entscheidung stand.15 Das mag dort auch daran gelegen haben, dass unterschiedliche Instanzen jeweils ihre eigenen Lösungskonzeptionen verfolgen konnten und verfolgt haben. Grundsätzlich spielt sich dieser „Kampf der Lösungskonzeptionen“ aber bereits in der Brust des Klägers selbst und dann natürlich auch in der des einzelnen Richters ab. Wir kommen im Folgenden noch auf diesen Fall zurück. b) Der Fall des Beklagten Der Beklagte erlebt den Fall des Klägers anders als der Kläger und er erzählt ihn vor Gericht auch anders. Das bedeutet, dass wir durchaus von einem Fall des Beklagten sprechen können. In derselben Sache tritt damit neben den Fall des Klägers der Fall des Beklagten, zunächst als dessen Erlebnis, dann im Prozess auch als seine Erzählung. Zunächst zum Erlebnis des Beklagten. Im Zuge der Entfaltung seiner Rechtsverhältnisse um Eigentum und Vertrag ist er mit einem Anderen in Streit geraten. Der Andere macht ihn für ein Unrecht verantwortlich, dessen Wiedergutmachung er verlangt. Der in dieser Weise in Anspruch Genommene streitet jede Verantwortlichkeit ab. Verhandlungen in der Sache erweisen sich als ergebnislos. Wir haben einen Streitfall, der sich – spätestens mit der Erhebung der Klage – zu einem Rechtsfall entwickelt. Mit dem Ausdruck Unrecht lässt sich dabei auch die Position des in Anspruch Genommenen charakterisieren. Der sieht sich zu Unrecht in Anspruch genommen. Es macht also nicht nur der Kläger mit seiner Klage ein Unrecht geltend, sondern der Beklagte seinerseits versucht mit seiner Verteidigung ein Unrecht abzuwehren. Damit unterscheiden sich beide Arten von Unrecht ebenso wie die beiden Fälle je15
Vgl. vor allem BVerfGE 89, 214.
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weils als Erlebnis und als Erzählung. Zu dem Erlebnis des Beklagten gehört dann auch der ganze Prozess von der Klageerhebung bis zum Urteil des Richters, wie wir das – mit umgekehrtem Vorzeichen – schon für den Kläger ausgeführt haben. Der Beklagte trägt nun mit seiner Klageerwiderung und den folgenden Schriftsätzen eine andere Erzählung vor als der Kläger. Der Kläger hat zwar mit seiner Erzählung das Thema gesetzt, auf das der Beklagte sich auch einlässt. Aber entscheidende Akzente des Falles wird der Beklagte anders setzen. Die Möglichkeiten des Beklagten lassen sich unter dem Gesichtspunkt der drei ihm zur Verfügung stehenden Strategien deutlich machen. Der Beklagte kann einmal Tatsachen bestreiten, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt. Er kann dann derartige Tatsachen rechtlich anders bewerten als der Kläger. Der Beklagte kann sich schließlich – durch Vortrag neuer Tatsachen – auf Normen berufen, die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtswirkungen außer Kraft setzen.16 Diese Struktur der Verteidigung des Beklagten spiegelt zugleich die Struktur des Vorbringens des Klägers und damit seiner Erzählung. Sie ist auch der maßgebende Schlüssel für das Verständnis des weiteren Vorbringens beider Parteien. Das skizzierte Verständnis der Einlassung des Beklagten im Sinne dieser drei zu unterscheidenden Möglichkeiten der Verteidigung setzt bereits die Deutung des klägerischen Vorbringens im Sinne einer auch rechtlichen Konzeption der Falllösung voraus, die für uns ein wichtiges Argument dafür ist, den Klägervortrag als Erzählung des Falles zu deuten. Sie zeigt zugleich mit ihrer scharfen Herausarbeitung der Differenzpunkte, dass wir es bei dem Vorbringen des Beklagten mit einer neuen Konzeption der Falllösung und damit auch mit einer anderen Erzählung des Falles zu tun haben. In der Regel wird der Kläger mit seinem Antrag nicht durchdringen, wenn der Beklagte auch nur in einem der von ihm geltend gemachten Punkte erfolgreich ist. Mit zwei Konzeptionen des Falles treten hier also auch zwei unterschiedliche Erzählungen des Falles einander gegenüber. Wir hatten gesagt, dass das Vorbringen des Beklagten für den Kläger häufig ein wichtiger Grund dafür sein wird, an seiner Erzählung zu arbeiten. Das kann im Laufe des Prozesses zu einer weitgehenden Umorientierung des klägerischen Vorbringens führen. Der Kläger trägt schließlich eine Erzählung vor, die sich von der in der Klageschrift vorgetragenen Erzählung wesentlich unterscheidet, ja fast eine andere zu sein scheint. Dasselbe gilt auch für den Beklagten. Die Arbeit an der Erzählung hat spätestens begonnen, als er mit dem späteren Kläger in einem Streit geriet. Sie setzt sich jetzt im Laufe des Prozesses – unter dem Einfluss des klägerischen Vorbringens, aber auch des Richters – fort. Beide Seiten arbeiten an ihren Erzählungen. Diese Arbeit an den Erzählungen ist dem Erlebnis des Falles zuzuordnen und von den unterschiedlichen Fassungen der Erzählungen zu unterscheiden. In der gegenseitigen Konfrontation des Vorbringens können beide Seiten nur ihre Sicht der Dinge zum Ausdruck bringen. Dass damit das Urteil des Richters vorbehal16
Vgl. dazu Jan Schapp, Methodenlehre des Zivilrechts (FN 6), S. 51 f.
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ten ist, ist selbstverständlich. Zugleich mag man an eine Skala möglicher Identifikation mit dem eigenen Vorbringen für Kläger und Beklagten denken. Sicher ist es ein Unterschied, ob der Kläger meint, ihm sei Unrecht geschehen, oder ob es diese Meinung nur vorgibt. Die Skala, die sich auf jeden Punkt des Rechtsstreites beziehen lässt, müsste allerdings noch sehr viel nuancenreicher sein. Wir wollen diesen Gesichtspunkt hier nicht weiter verfolgen. Die Einstellung der Parteien zu ihrem eigenen Vorbringen gehört der Welt des Erlebnisses an. Sie ist im Raum des leisen Sprechens zu verorten, das Streitfall und Prozess und damit auch die Arbeit an den Erzählungen ununterbrochen begleitet. c) Der Fall des Richters Mit Klageerhebung wird der Fall auch zur eigenen Geschichte des Richters und damit zu seinem Fall. Das bedeutet, dass man auch im Hinblick auf diesen Fall des Richters Erlebnis und Erzählung unterscheiden muss. Der Fall ist Erlebnis des Richters, weil er hier zwischen zwei Beteiligten über die Wiedergutmachung eines Unrechts zu entscheiden hat, und weil diese Entscheidung ohne Arbeit am Fall für den Richter nicht möglich ist. Damit ist auch der Richter vom Unrecht betroffen, allerdings in seiner Weise. Man könnte nun meinen, mit diesem Blick auf eine Geschichte oder ein Erlebnis des Richters aus dem Auge zu verlieren, dass der Richter ein staatliches Amt ausübt. Der Durchgriff auf die Person des Richters, der hier offenbar erfolgt, würde das Wesen seiner Amtstätigkeit verfehlen. Die Betroffenheit des Richters als Person lässt sich nun jedoch nicht erst mit der immer präsenten Gefahr eines Fehlurteils begründen. Auch der Begriff des Amtes würde ohne die im Hintergrund stehende personale Verantwortung des mit dem Amt Betrauten letztlich nicht voll ausgeschöpft sein. Auch die Gewährleistung der Entfaltung von Kläger und Beklagten als Personen bei der Entfaltung in ihren Lebensverhältnissen durch den Richterspruch ist daher letztlich nur durch den Richter als Person möglich. Das macht den Fall auch zu seiner Geschichte. Für die Arbeit des Richters steht nach verbreiteter Auffassung das Gutachten, das er nach der Literatur zur praktischen Methodenlehre zum Abschluss der Verhandlung zu fertigen hat und das dann als Grundlage seines Urteils vorgestellt wird.17 Häufig wird dieses Gutachten jedoch auch nur als Grundlage des Referats angesehen, das der Berichterstatter in einem Kollegialgericht seinen Richterkollegen in der zu entscheidenden Sache hält. Welchen Platz man dem Gutachten in dem Prozess auch immer einräumt, der Eindruck, es handele sich um einen Spiegel der Entscheidung, täuscht. Man wird die Entscheidung vielmehr in dem langen Arbeitsprozess des Richters zu sehen haben, der dem Gutachten vorangeht und in dem Gutachten selbst dann auch nur noch verhalten 17 Vgl. hierzu Walter Zimmermann, Klage, Gutachten und Urteil, 19. Aufl., 2007; Sattelmacher/Sirp/Schuschke, Bericht, Gutachten und Urteil, 34. Aufl., 2008.
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thematisiert wird. Auf diesem Weg zum Gutachten kommt es uns hier aber vor allem an. Dieser Arbeitsprozess ist ein wesentlicher Teil der Geschichte des Richters in dem zu entscheidenden Fall. Der Richter sieht sich schon bald nach Klageerhebung durch die Klage des Klägers einerseits und die Einlassung des Beklagten andererseits vor zwei Konzeptionen der Falllösung gestellt, die eine Reihe von Wahlen erforderlich erscheinen lassen. Hilfsmittel für die Arbeit am Fall sind für den Richter dabei im Zivilrecht die Lehre vom Anspruch, das vom Gesetz auf der Grundlage dieser Lehre zur Verfügung gestellte hoch differenzierte System der Anspruchsnormen und der für sie in Betracht kommenden Hilfsnormen, dann die Stellungnahmen der Rechtswissenschaft und die Präjudizien der vorangehenden Rechtsprechung und schließlich all das, was ihn Ausbildung und Erfahrung in seinem bisherigen Leben gelehrt haben.18 Im Kollegialgericht wird die Beratung mit den Kollegen eine wichtige Stelle einnehmen. Im Zuge seiner Arbeit am Fall kann der Richter im Rahmen des Vortrages der Parteien deren Positionen für eine Lösungskonzeption auch mischen. Dabei können sich neue Lösungskonzeptionen ergeben, die die Parteien so bisher noch nicht bedacht haben. Das geht bis zu einem völlig neuen Ansatz für die Falllösung, der auch nicht mehr als Mischung von schon vertretenen Positionen erscheint, sofern nur die Lösung auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien in tatsächlicher Hinsicht erfolgt. Im Zuge seiner Arbeit am Fall beginnt der Richter schon bald, den Fall selbst zu erzählen. Er macht das zunächst für sich in leisem Sprechen, indem er sich mit dem Fall auseinandersetzt. Hinweise an die Parteien, zu denen der Richter verpflichtet ist und mit denen er den Prozess voranzubringen versucht, lassen die dem Richter vorschwebende Erzählung jedoch schon bis zu einem gewissen Grade deutlich werden. Dass die Parteien darauf durch neue Konzeptionen reagieren und der Richter wiederum auf diese reagiert, macht das Kaleidoskop des Prozesses aus, das wir uns schon bei Vergegenwärtigung der Erzählungen des Klägers vor Augen geführt hatten. Der Fall, wenn wir das Wort hier einmal in der Einzahl gebrauchen wollen, erscheint in der Arbeit der Beteiligten in immer neuem, wechselndem Licht und damit auch in immer neuen Schattierungen. Das Bild der Rechtsfindung durch den Richter, das wir hier zeichnen, hat nun allerdings nur wenig Ähnlichkeit mit der Lehre von der Rechtsanwendung, die uns die juristische Methodenlehre vorträgt. Hier liegt der Schwerpunkt ganz in der Frage nach dem Abgleich von Gesetz und Fall, ob man ihn sich nun als Subsumtion oder wie auch immer vorstellt, während die Frage, welche Gründe den Richter bewegt haben, ein bestimmtes Gesetz für anwendbar zu halten, wenig Interesse findet. Es ist dies aber die Frage nach der Lösungskonzeption, mit der man schließlich den 18 Dass in diesem Zusammenhang die Rechtswissenschaft selbst nur wieder über die Geschichte des Rechtswissenschaftlers verständlich ist, versuche ich in meinem Aufsatz „Sprache, Gesetz und Recht“, Zeitschrift für Rechtsphilosophie 2013, Heft 1, S. 60 ff. deutlich zu machen.
Der Fall – Geschichte und Erzählung
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Fall zu einem Ende zu bringen versucht. Fast scheint ein altes Sprichwort diese Verhältnisse weiter zu erhellen, nämlich dass der Weg das Ziel ist. Der Weg, den Fall im Wechsel einander ablösender Lösungskonzeptionen zu betrachten, das heißt immer neu zu erzählen, lässt sich aber genauer dann doch wohl nicht beschreiben, weil dieser Weg über weite Strecken durch die Welt des leisen Sprechens führt. Im Prozess in einer Instanz sind fest greifbar mindestens drei Erzählungen des Falles, wenn man das Urteil des Richters als dritte Erzählung nimmt. Die Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten wird schon eher bei dem Blick auf die Schicksale eines Prozesses in mehreren Instanzen deutlich. Hier entwickeln die einander ablösenden Gerichte vielfach sehr unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für einen Fall, wobei die höheren Gerichte sich aufgrund ihrer Stellung häufig kaum gehalten fühlen, die von ihnen ins Auge gefasste Lösung zu der der Vorinstanz in eine Beziehung zu setzen. Das ergibt dann das Bild mehrerer nebeneinander stehender Lösungen, das bis zu einem gewissen Grade auch schon für die Rechtsfindung innerhalb einer Instanz in Betracht kommen kann. Ein anschauliches Beispiel scheint uns die schon erwähnte Rechtsprechung im Zu-den-Akten-Fall zu sein, mit der vier verschiedenen Instanzen zur Problematik der Bürgschaft naher Angehöriger Stellung nehmen. Während das Oberlandesgericht Celle die Lösung über die culpa in contrahendo sucht (daher Zu-den-Akten-Fall), hält der BGH zunächst die Bürgschaft einer gerade volljährigen Tochter für ihren Vater mit einem erheblichen Betrag allein schon aufgrund der Volljährigkeit der Beklagten für wirksam. Das Bundesverfassungsgericht hält dann eine Überprüfung des Falles daraufhin für erforderlich, ob bei strukturell ungleicher Verhandlungsstärke nicht Unwirksamkeit des Vertrages aufgrund ungewöhnlich starker Belastung eines Vertragspartners anzunehmen sei. Der BGH, der diese Prüfung vorzunehmen hatte, prüft in seiner zweiten Entscheidung Nichtigkeit der Bürgschaft nach § 138 Abs. 1 BGB und nimmt diese für den Fall an, dass bei engem familiärem Verhältnis der Bürge angesichts seiner eigenen Vermögenslosigkeit in eine lang dauernde Schuldsituation gestürzt werden würde. In dem Zu-den-Akten-Fall lag die Arbeit der Rechtsfindung ganz offenbar nicht in der Subsumtion des Falles unter eine unstrittig beachtliche Anspruchsnorm, sondern in der Wahl der Lösungskonzeption, mit der man ein richtiges Ergebnis zu finden hoffen konnte. Die Rechtsprechung thematisierte diese Wahl dann kaum im Verhältnis der zueinander in Betracht kommenden Lösungskonzeptionen, sondern rechtfertigte sie im Grunde durch das erzielte Ergebnis.19 Der Richter kommt in seinem Urteil zu einer Erzählung des Falles in seiner Sicht. Das geschieht dadurch, dass er zunächst die Erzählungen des Klägers und des Beklagten mit den gestellten Anträgen in den Tatbestand seines Urteils aufnimmt und sich mit diesen Erzählungen dann in seinen Entscheidungsgründen aufeinander19
Einen Versuch, die verschiedenen Lösungskonzeptionen in ein dogmatisches Verhältnis zueinander zu setzen, mache ich in meinen Aufsätzen: Privatautonomie und Verfassungsrecht; Die Konkretisierung von Generalklauseln durch den Zivilrichter am Beispiel der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger, in: Methodenlehre und System des Rechts (FN 8), S. 83 ff., 131 ff. Dort auch Rechtsprechungsnachweise.
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setzt. Wenn man die vielen eher „freischwebenden“ Variationen der Erzählungen der Beteiligten während des Prozesses einmal außer Betracht lässt, so haben wir in dem Urteil des Richters die dritte und jetzt maßgebende Erzählung des Falles. Der Ausdruck Erzählung ist auch in unserem Sinne erfüllt, denn der Richter verfolgt mit seiner Erzählung den Zweck einer Entscheidung und Lösung des Falles. Der Richter erzählt von seiner Entscheidung. Er wird dabei das gefundene Ergebnis in den Vordergrund stellen, der Weg zu diesem Ergebnis wird aber immer noch sichtbar sein.
V. Allgemeine Theorie und Soziologie des Rechtssystems
Die Beziehungen zwischen Logik und Recht Von Eugenio Bulygin, Buenos Aires Logik und Recht sind zwei alte und ehrwürdige Wissenschaften zwischen denen, trotz ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit, im Laufe der Geschichte enge Beziehungen bestanden haben. Logik befasst sich mit Argumentation und Schlussfolgerungen und demgemäß mit Begriffen wie Wahrheit, Sprache und Gültigkeit von Argumenten und ist daher eine ausgesprochen theoretische Wissenschaft, während das Recht sich mit menschlichen Beziehungen befasst und so einen praktischen Charakter aufweist. Trotzdem hat es zwischen beiden wechselseitige Einflüsse gegeben. Sie waren meistens einseitig; denn es war hauptsächlich Logik, die das Rechtsdenken beeinflusste. Aber am Anfang ihrer Geschichte und auch in den letzten fünfzig Jahren hat das Recht einen bemerkenswerten Einfluss auf die Logik ausgeübt. Im fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. haben Rechtsstreite in griechischen Gerichten, bzw. auf Marktplätzen, interessante logische Betrachtungen unter den vorsokratischen Philosophen gefördert, die zur Entdeckung von mehreren Paradoxen, wie z. B. das berühmte Lügner-Paradoxon, führten. Aber seit dem vierten Jahrhundert v. Chr. bis zum zwanzigsten Jahrhundert nach Chr. – und das bedeutet seit mehr als zweitausendzweihundert Jahren – war es Logik, die das Rechtsdenken beeinflusste. Die entscheidende Figur war Aristoteles, dessen Syllogistik (also Theorie des deduktiven Schließens) und Systemtheorie sehr tiefen Eindruck auf das wissenschaftliche Denken im Allgemeinen und auf das Rechtsdenken im Besonderen ausgeübt haben. Ein System ist in aristotelischer Sicht eine Menge von Sätzen, die die folgenden Bedingungen erfüllen:1 1. sie beziehen sich auf ein spezifisches Gebiet der Wirklichkeit; 2. sie sind wahr in bezug auf diese Wirklichkeit; 3. die logischen Folgen dieser Sätze gehören auch zum System, und 4. es muss eine endliche Anzahl von Sätzen geben (Axiome oder Prinzipien), deren Wahrheit so offensichtlich ist, dass sie keinen Beweis erfordern und die Wahrheit aller anderen zum System gehörenden Sätzen (Theoreme), deren Anzahl unendlich sein kann, wird von Axiomen ausgehend, durch logisch gültige Schlüsse erwiesen. Was Aristoteles im Blick hatte, war natürlich die Geometrie des Euclid. Aber was er geschaffen hatte, war eine allgemeine Theorie der Wissenschaft, die für alle Wissenschaften gelten sollte. Es dauerte längere Zeit bis neue Wissenschaften 1
S. E. W. Beth, The Foundation of Mathematics, Amsterdam 1965, S. 31 – 52.
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im aristotelischen Sinn entwickelt wurden, aber seine Systemtheorie galt Jahrhunderte lang als das Ideal der rationalen Wissenschaft schlechthin. Der Einfluss der Logik ist schon im römischen Recht spürbar, und umso mehr im Mittelalter, da der Einfluss von Aristoteles ausschlaggebend wurde. Die Naturrechtslehre der mittelalterlichen Rechtspilosophen folgt in großen Zügen der Idee des aristotelischen Systembegriffs; die Normen des Naturrechts werden als Axiome betrachtet, von denen andere Rechtsnormen abgeleitet werden sollen. Aber erst in der Neuzeit wird dieser Systembegriff ausdrücklich und praktisch auf das Recht angewendet. Etwa um 1600 kam es zu einer ersten Krise der aristotelischen Auffassung des Systembegriffs als Folge der von Galileo und Newton entwickelten, neuen Naturwissenschaft, die das Postulat der Evidenz und Deduktion durch empirische Forschung ersetzte. Dies führte zu einer Spaltung zwischen rationalen (formalen) und empirischen Wissenschaften. Aber die Rechtswissenschaft verblieb im Bereich der ersteren. Die großen Systeme des rationalen Naturrechts (Grotius, Pufendorf, Althusius) folgten der Tradition der scholastischen Naturrechtslehren, wobei nur das auf theologischer Grundlage beruhende Naturrecht durch das rationale Naturrecht ersetzt wurde. Der große Wandel kam erst mit der Aufklärung und gipfelte in der Kodifizierung von Napoleon. Unter dem Einfluss der großen Denker der Aufklärung (vor allem von Montesquieu) bestimmten vier grundlegende Ideen die Kodifizierung: erstens, die Ersetzung des Naturrechts durch das positive (von Menschen erzeugte) Recht; zweitens, eine scharfe Trennung zwischen Rechtserzeugung und Rechtsanwendung; drittens, die Gewaltenteilung, insbesondere die Teilung zwischen der rechtserzeugenden (gesetzgebenden) und der rechtsanwendenden (richterlichen) Gewalt und viertens, die Theorie des richterlichen Syllogismus. Das Recht wird als die Gesamtheit aller generellen, von gesetzgebender Gewalt erzeugten, Rechtsnormen aufgefasst. Die Aufgabe der Richter beschränkt sich auf die Anwendung der generellen Rechtsnormen (in erster Linie Gesetze) auf konkrete Fälle. Aber damit der Richter diese Aufgabe vollziehen kann, muss das Recht für alle möglichen Fälle rechtliche (und nicht bloß moralische oder politische) Lösungen enthalten. Und das bedeutet, dass das Recht, also die Gesamtheit aller generellen Rechtsnormen, vollständig und widerspruchsfrei sein muss. Wenn das Recht keine auf den betreffenden Fall anwendbaren Normen enthält (was traditionell als eine Rechtslücke bezeichnet wird), oder wenn es zwei oder mehrere unverträgliche, auf denselben Fall anwendbare, Normen enthält (Normenkonflikt), dann ist der Richter nicht in der Lage, das Problem durch bloße Anwendung des bestehenden Rechts zu lösen. Napoleon’s Code Civil war der erste ernste Versuch der Schaffung eines Rechtssystems, das den Gerichten ermöglichen sollte, das Recht anzuwenden, ohne es zu verändern. Die Theorie des richterlichen Syllogismus spielte dabei eine wichtige Rolle: eine Rechtsentscheidung wird nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn sie lo-
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gisch von den generellen Rechtsnormen und Tatsachenfeststellungen abgeleitet ist. Diese Ableitung muss logisch gültig sein und dies wird von der Theorie des richterlichen Syllogismus gewährleistet. Dass dieser Syllogismus mit den aristotelischen Syllogismusfiguren wenig Ähnlichkeit aufweist, wurde kaum beachtet. Auf diese Weise haben die Ideen der Vollständigkeit und der Widerspruchsfreiheit eine sehr wichtige Rolle in der Rechtspraxis eingenommen. Leider erwies sich die Behandlung dieser Ideen durch Rechtsphilosophen und Rechtstheoretiker weniger befriedigend: sie war fast immer unvollständig and öfters sogar widersprüchlich. Sie war nicht vollständig, weil der Begriff der Vollständigkeit des Rechts, nicht mit genügender Präzision bestimmt wurde, denn es wurde keine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Rechtslücken (oder verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks „Rechtslücke“) gemacht, was zu manchen Missverständnissen führte.2 Und widersprüchlich ist die unter den Juristen sehr verbreitete Meinung, es gäbe keine Rechtslücken und keine Normenkonflikte, weil solche Situationen von Gerichten stets durch Auslegung eliminiert werden können. Aber die Möglichkeit der Elimination setzt bereits die Existenz von Rechtslücken und Normenkonflikten voraus, denn was entfernt werden soll, sind ja gerade Lücken und Widersprüche. Statt die Begriffe der Vollständigkeit und der Widerspruchsfreiheit eingehend zu analysieren, haben viele Rechtsphilosophen und Rechtstheoretiker dogmatisch angenommen, dass das Recht notwendigerweise vollständig und widerspruchsfrei ist. Sogar ein so hervorragender Rechtsphilosoph wie Hans Kelsen hat sein Leben lang die These vertreten, dass es keine Rechtslücken im Recht geben kann und die Möglichkeit der Widersprüche im Recht hat er nur sehr spät, als er schon über achtzig war, anerkannt.3 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es bekanntlich zu einem außerordentlichen Umschwung der Logik, von dem die Juristen und Rechtsphilosophen kaum Notiz nahmen. Die Namen von Boole, Cantor, Frege, Peano und Russell blieben bis heute im Juristenbereich praktisch unbekannt. Dies führte zu einem bedauerlichen Bruch zwischen der Logik und dem Recht, der bis spät ins 20. Jahrhundert andauerte. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderte sich diese Sachlage. Die Veröffentlichung eines kleinen Artikels von Georg Henrik von Wright „Deontic Logic“ (1951)4 wird allgemein als das Geburtsdatum eines neuen Zweiges der Logik angesehen, nämlich der deontischen Logik, die sich mit Normen und normativen Begriffen befasst, und das bedeutete den Anfang einer neuen Phase in den Beziehungen zwischen diesen Wissensbereichen.
2 Zu diesem Problem siehe Alchourrón-Bulygin, Normative Systems, Wien/New York 1971; deutsche Übersetzung: Normative Systeme,Freiburg/München 1994; italienische (2007), russische (2010) und portugiesische (2013) Übersetzungen liegen auch vor. 3 H. Kelsen, Derogation, in: R. A. Newman (ed.), Essays in Jurisprudence in Honor of Roscoe Pound, Indianapolis/New York 1962. 4 In: Mind 60, N.S.
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In den letzten sechzig Jahren erschien eine beträchtliche Anzahl von Schriften, gewidmet der Analyse der normativen Begriffe wie Norm, Pflicht, Verbot, Erlaubnis, Kompetenz, Rechtssystem, Normenordnung, etc., die von den Logikern entwickelten Techniken gebrauchen. Bücher wie von Wright’s Norm and Action (1963), The Concept of a Legal System von Joseph Raz (1970), Normative Systems von C. E. Alchourrón und E. Bulygin (1971) und Position and Change von Lars Lindahl (1977), inter alia, haben einen beträchtlichen Einfluss ausgeübt, und es folgten bald viele Bücher und Artikel, die sich mit den logischen Aspekten des Rechts befassen.5 Aber nicht nur Rechtsphilosophen haben sich in der jüngeren Zeit intensiv für Logik interessiert, sondern auch unter den Logikern bemerkt man ein zunehmendes Interesse für normative Begriffe und nicht zuletzt für Rechtsprobleme, oder mindestens für solche, die für das Recht relevant sind. In diesem Zusammenhang könnten die Namen von S. O. Hansson, D. Makinson, R. Hilpinen, A, Soeteman, G. Sartor, und H. Prakken genannt werden. Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass diese Tendenz sich fast ausschliesslich auf kontinentaleuropäische und lateinamerikanische Länder beschränkt. Der Einfluss der Logik ist im englischsprechenden Bereich noch immer wenig spürbar. Doch habe ich eine gewisse Hoffnung, dass die bevorstehende Erscheinung des Buches Deontic Logic and Legal System von zwei meiner ehemaligen Schüler, Pablo Navarro and Jorge Rodríguez, das in Kürze in der Cambridge University Press veröffentlicht werden soll, zur Behebung dieser Sachlage Hilfe leisten wird. Die Entwicklung der deontischen Logik wurde stark durch das bekannte Jörgensensche Dilemma6 geprägt: Einerseits ist die Logik seit Aristoteles auf dem Begriff der Wahrheit aufgebaut: die logischen Grundbegriffe, wie z. B. Folge, Widerspruch, Implikation, setzen den Begriff der Wahrheit voraus und auch die logischen Konnektiven (Negation, Konjunktion, Disjunktion, usw.) werden mit Hilfe des Wahrheitsbegriffs definiert. Aber wenn die Normen, aufgefasst als Vorschriften, weder wahr noch falsch sind, dann kann es keine Logik der Normen geben. Andererseits werden die logischen Junktoren (nicht, und, oder, wenn – so) in normativen Kontexten oft – und anscheinend mit derselben Bedeutung – gebraucht, also in deskriptiver Sprache und die Normen figurieren oft als Prämissen oder Schlussfolgen in Argumentationen, die allen Anschein haben, logisch gültig zu sein. Das alles scheint zu zeigen, das es doch eine Logik der Normen geben muss. Ein Großteil der Geschichte der Normenlogik könnte gedeutet werden als Versuch, das Jörgensensche Dilemma zu überwinden.7 Einige Autoren wie, z. B. Kelsen, haben die erste Alternative des Dilemmas ernst genommen und konsequenter5 Hier seien nur einige wenige Namen erwähnt: R. Vernengo, R. Guibourg, P. Navarro, J. Rodríguez, C. Redondo, H. Zuleta (Argentinien), D. Mendonca (Paraguay), J. C. Bayón, J. J. Moreso, J. Ferrer (Spanien), B. Celano, R. Guastini, P. Comanducci, P. Chiassoni, G. B. Ratti (Italien), A. Aarnio (Finnland), A. Frändberg (Schweden), A. Marmor (Israel). 6 J. Jörgensen, Imperatives and Logic, in: Theoria 7 (1941). 7 Siehe E. Bulygin, Lógica Deóntica, in: Alchourrón/J. M. Mendez/R. Orayen (eds.), Lógica, Enciclopedia Iberoamericana de Filosofía, Madrid 1995.
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weise eine skeptische Haltung in Bezug auf die Möglichkeit einer Normenlogik eingenommen. Andere Philosophen versuchten ohne großen Erfolg den Begriff der Wahrheit durch andere Begriffe (wie Geltung oder „satisfaction“) zu ersetzen. Von Wright bemerkte bald nach der Veröffentlichung von „Deontic Logic“, dass die Logik „has a wider reach than truth“8, aber es war Carlos Alchourrón der als erster zwei Logiksysteme entwickelte, eins für Normen, die keinen Wahrheitswert besitzen und eins für wahre oder falsche Propositionen über Normen, d. h. für das, was von Wright „norm-propositions“ nannte.9 Die Unterscheidung zwischen Normen und „norm-propositions“ ist heutzutage beinahe allgemein akzeptiert, aber die Formulierung der beiden Logiken ist noch umstritten. Einige logische Probleme der Normenlogik (wie z. B. das Problem des Verhältnisses zwischen Verbotsnormen und Erlaubnisnormen, oder das der verschiedenen Arten der Unbestimmtheit oder Lücken) wurden so gut wie gelöst, aber es verbleiben noch eine Anzahl von Problemen die noch auf eine endgültige10 Lösung warten. So z. B. der Begriff des Widerspruchs zwischen Normen, die Formalisierung der Bedingungsnormen, die Idee des Begriffs der „defeasibility“ und last, but not least der Begriff oder die Begriffe des Rechtssystems. Hier soll dieses besonders komplizierte Problem noch kurz besprochen werden. Man muss mindestens zwei Begriffe unterscheiden, die unter den Namen „Rechtssystem“, „Rechtsordnung“, oder einfach „Recht“ kursieren. Erstens wird unter „Rechtssystem“ die Menge der in einem bestimmten Zeitpunkt geltenden Rechtsnormen verstanden. Für diesen Begriff hat Joseph Raz den Terminus „momentary system“ eingeführt.11 Dieser Systembegriff ist relativ zu einem Zeitpunkt und ist ein statischer Begriff, denn sobald eine neue Norm erlassen oder eine bestehende Norm aufgehoben wird, handelt es sich um eine neue, mit der vorigen nicht identische Menge: also ein anderes System. In diesem Sinne ist ein Rechtssystem normalerweise von kurzer Dauer. Aber es gibt noch einen anderen Systembegriff, der nicht relativ zur Zeit und dynamisch ist, d. h. er behält seine Identität im Laufe der Zeit, obwohl sein Inhalt sich verändert. Es ist eine Reihenfolge von momentanen Rechtssystemen, also eine Menge von Mengen von Rechtsnormen. Wir haben mit Carlos Alchourrón diese zwei Begriffe mit den Namen „Rechtssystem“ und „Rechtsordnung“ bezeichnet.12 Eine Rechtsordnung kann also längere Zeit dauern, auch wenn ihr Inhalt sich verändert.
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G. H. von Wright, Logical Studies, London 1957, S. VII. C. E. Alchourrón, Logic of Norms and Logic of Normative Propositions, in: Logique et Analyse 47 (1969), S. 242 – 268. 10 Soweit es bei philosophischen Problemen „endgültige“ Lösungen überhaupt geben kann. 11 J. Raz, The Concept of a Legal System, Oxford 1970, S. 34 f. 12 C. E. Alchourrón/E. Bulygin, Sobre el concepto de orden jurídico, in: Crítica: Revista Hispanoamericana de Filosofía 8, No.23, S. 3 – 23. 9
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Gegen diese Idee wurde von Hugo Zuleta13 folgender Einwand erhoben: eine Reihenfolge von Systemen ist ja auch eine Menge; deshalb führt jede Änderung eines Rechtssystems zu einer neuen Rechtsordnung. Also taucht dasselbe Problem auf, das wir schon bei der Definition des Rechtssystems gesehen haben: eine Rechtsordnung, als Reihenfolge von Rechtssystemen, ändert sich mit jeder Änderung ihres Inhalts. Ich glaube jedoch, dass dieser Einwand nicht ausschlaggebend ist. Die Identität einer Rechtsordnung hängt nicht von der Identität der momentanen Rechtssysteme ab, sondern von der Identität der Indentifizierungskriterien für die dazu gehörigen Normen. Das bedeutet, dass solange die Identifizierungskriterien dieselben sind, es sich um dieselbe Rechtsordnung handelt. Wir haben dieselbe Folge oder Kette von Rechtssystemen, wenn auch die Rechtssysteme dieser Rechtsordnung verschieden sind. Sie können verschieden sein als Folge der Anwendung derselben Kriterien zu verschiedener Zeit. Die allgemein gebrauchten Identifizierungskriterien sind die folgenden: (1) die historisch erste Verfassung im Kelsenschen Sinne, die den Ansatzpunkt für die Rechtsordnung bildet, indem sie die Organe und das Verfahren für die Erzeugung von generellen Normen festlegt. Diese (erste) Verfassung gehört zur Rechtsordnung per definitionem; es handelt sich um eine einfache Aufzählung der zur ersten Verfassung gehörenden Normen. Diese Verfassung muss, wie schon bemerkt, einige Ermächtigungsnormen enthalten, die die Organe und das Verfahren für die Erzeugung von generellen Rechsnormen festlegen. Die zwei anderen Identifizierungskriterien sind: (2) das Prinzip der Legalität, demzufolge die zu einem Rechtssystem gehörenden Normen nur durch ermächtigte, d. h. kompetente Organe, mittels Erlassung oder Derogierung geändert werden können und (3) das Prinzip der logischen Ableitung: logische Folgen der zum System gehörenden Normen gehören auch zum System. Das bedeutet, dass jedes statische System (Rechtssystem in unserer Terminologie) ein deduktives System im aristotelischen Sinne ist. Diese zwei letzten Kriterien sind rein konzeptuell, deshalb kann nur das erste Kriterium, also die erste Verfassung, willkürlich geändert werden. Und das ist das Identifizierungkriterium der Rechtsordnung als Reihenfolge oder Kette aller Systeme, die dieselbe Verfassung enthalten. Die erste Verfassung kann natürlich auch modifiziert werden, wenn sie ein Abänderungsverfahren festlegt. Aber wenn die erste Verfassung durch ein nicht vorgesehenes Verfahren, etwa durch eine Revolution oder ein coup d’état verändert wird, dann erhalten wir eine neue Rechtsordnung. Auf diese Weise haben wir eine Reihenfolge von Rechtssystemen, die Ihre Identität behält, trotz der Änderung der Inhalte der zu ihr gehörenden Rechtssysteme. Solange die historisch erste Ver-
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In einem Artikel der in Kürze in Análisis Filosófico erscheinen soll.
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fassung gilt, handelt es sich um dieselbe Rechtsordnung, die als jede Menge von Rechtssystemen, die dieselbe erste Verfassung enthalten, definiert wird.
Die soziologische Forschung des Rechts in der Systemtheorie1 Von Raffaele De Giorgi, Salento Auf den ersten Blick mag das hier behandelte Thema spezifisch und begrenzt erscheinen, bei näherer Betrachtung erweist es sich aber als ein Thema von universellem Charakter. Es erfordert eine theoretische Perspektive auf die Beobachtung bzw. die Erforschung der Welt, wobei es in unserem Fall um die Welt des Rechts geht. Das Thema betrifft also die theoretischen und epistemologischen Voraussetzungen der Konstruktion des Objekts der Beobachtung. Allerdings ist hier das Objekt die Forschung selbst und nicht ihr Gegenstand, das Forschungsobjekt. Denn die Forschung beobachtet ihr Objekt, in unserem Fall das Recht. Die Forschung wird also als Beobachter aufgefasst. Auf die Frage, wer eigentlich der Beobachter sei, hat Luhmann einmal geantwortet: Der Beobachter ist der, der als Beobachter beobachtet wird. Heinz von Foerster hätte hinzugefügt: Der Beobachter ist der, der eine Wirklichkeit konstruiert. Nimmt man die beiden Antworten zusammen, ist das Ergebnis, dass sich der Beobachter mit der Konstruktion seines Objekts selbst konstruiert. Folglich ist die Forschung, die wir beobachten, selbst Teil des Objekts, das sie beobachtet. So formuliert, führt uns die hier eingenommene theoretische Perspektive zu der Annahme, dass unser Beitrag nicht weniger als eine Reflexion über die Konstruktion der Objekte enthält. Weil wir unterstellen, dass diese Sicht von universeller Reichweite ist, da wir alle in unserer Eigenschaft als Beobachter Konstrukteure von Objekten sind – hacederos, wie Borges sie nannte – sind auch wir Teil der Welt, die wir beobachten, das heißt der Welt, die wir konstruieren. Das bedeutet, dass sich der folgende Beitrag mit sich selbst beschäftigt, er handelt von unserer Gegenwart und er sagt uns auch, weshalb wir immer ein bisschen lügen, wenn wir die Wahrheit sagen. I. Kantsche Perspektiven In der kommunikativen Konstruktion dessen, was wir als Wirklichkeit gebrauchen, werden wir von Redundanzen überschwemmt, von Bedeutungen, die immer etwas mehr beinhalten, als sie sagen, von Bedeutungen, die Sinngebungen beinhalten, in denen alte Gewohnheiten des Zugangs zur Welt eingelagert sind. In Wirklich1 Ich möchte mich bei Frau Dr. Gudrun Jäger und Herrn Dr. Guilherme Leite Gonçalves für die Hilfe in der Bearbeitung der deutschen Fassung bedanken.
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keit handelt es sich dabei um Vereinfachungen, um Reduktionen des Sinns, die uns die Welt in einem zugänglichen Format präsentieren und die sie uns auf diese Weise als vertraut erscheinen lassen. Wenn es einerseits wahr ist, dass wir ständig der Erfahrung einer unvorhersehbaren, sich ständig verändernden Welt ausgesetzt sind, und wenn es andererseits ebenfalls wahr ist, dass wir diese Erfahrung ohne Überraschungen erleben, können wir Folgendes sagen: Die Reduktionen des Sinns, durch die wir Zugang zur Welt haben, besitzen die Funktion, die Erfahrung zu demokratisieren, und zwar in der Weise, dass sie von allen ohne Erschütterungen, ohne Ungewissheit, ohne von der Realität enttäuscht zu sein, erlebt werden kann. Wir verschaffen uns Zugang zu einer Welt in reduziertem Format. Diese Welt nennen wir gewöhnlich Wirklichkeit. Die Erfahrung, die wir mit der Wirklichkeit machen, ist in Wirklichkeit eine Erfahrung „a denominazione di origine controllata“. Sie besitzt ein Garantie- und Gewährleistungssiegel, weil ihr Sich-Aussetzen gegenüber der Komplexität, auch wenn sie sich der Variation, der Unvorhersehbarkeit des Zufälligen und der Vielfalt der Andersartigkeit aussetzt, über einen domestizierten Zugang erfolgt, über Kanalisierungen der Beobachtung, die sich gerade an konsolidierten Reduktionen des Sinns orientieren, an jenen Reduktionen von Sinn, von denen wir überschwemmt sind. Von der Tradition bestimmt und vor der Selbstevidenz stabilisiert, geben uns diese Reduktionen Erfahrungssicherheit, sie garantieren uns eine stabile Orientierung für das Handeln. Auf diese Weise verringert sich aber auch der Variationsspielraum, das heißt, es verringert sich der Raum der Zugangsalternativen zur Welt. Unser Handeln in der Welt erfolgt kraft bestimmter Gewohnheiten. Es handelt sich um Gewohnheiten, die uns veranlassen, die Welt als Gegenständlichkeit zu behandeln, als Äußerlichkeit, als Hindernis außerhalb von uns selbst, als gegenständlichen Raum, in dem die Erfahrung stattfindet. Für diesen Raum sollen wir tatsächlich nicht verantwortlich sein, vielmehr agieren wir in ihm, wir sind das Objekt unseres Handelns. Wir sind kein Teil davon. Wir sind, wie man sagt, Subjekte. Diese Idee beschreibt den konstitutiven Begriffskern der westlichen Kultur der modernen Gesellschaft. Es handelt sich um eine Idee, die zugleich theoretisch wie praktisch ist, um es mit Kant zu sagen, bzw. um eine Idee, um es modern zu formulieren, die zugleich Erkenntnis- und Moralgrundlage der Differenz zwischen Subjekt und Objekt ist. Wir praktizieren einen übersteigerten Subjektivismus, wir handeln, weil die Welt da ist, direkt vor uns. In Wirklichkeit aber handeln wir so, als ob die Welt da wäre, direkt vor uns, und es nur darum ginge, sie zu verstehen, oder, wie man noch immer zu sagen pflegt, als ob es nur darum ginge, sie zu transformieren. Als Subjekte schließen wir uns selbst aus der Welt aus, denn nur so ist es möglich, die Konstruktion von Theorien zu rechtfertigen, die uns sagen sollen, wie man die Welt zu fassen bekommt, das heißt, wie man sie kennen und transformieren lernt. Wir operieren mit Bedeutungen, das heißt mit Beschreibungen, mit Interpretationen, Sinngehalten, die wir als selbstevident betrachten, und die wir behandeln, als
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hätten sie eine gegenständliche Konsistenz. Selbstverständlich entbinden wir sie gerade deshalb von jeglichem empirischen Beweis. Wir sind, wie wir beharrlich glauben, Beobachter einer äußeren Welt. Wir sind Beobachter der Wirklichkeit, wie man sagt. Um diese empirische Wirklichkeit kennen zu lernen, um Ordnung in die empirische Welt zu bringen, benutzen wir Kategorien und Schemata. Einige vertreten die Auffassung, dass diese Kategorien transzendental, dass sie Möglichkeitsbedingungen der empirischen Erfahrung sind. Doch können wir nicht sagen, ob die Differenz zwischen Empirie und Transzendenz eine empirische oder eine transzendentale Differenz ist. Genauso wenig können wir sagen, ob die Differenz zwischen Subjekt und Objekt eine subjektive oder eine objektive Differenz ist. Im Grunde benutzen wir Unterscheidungen, die einen Unterschied machen, die die Welt unterscheiden, die dann aber sich selbst nicht unterscheiden, die nicht auf sich selbst anwendbar sind. Folglich sind sie unter diesem Gesichtspunkt zumindest nicht glaubwürdig. Nennen wir sie ruhig paradox. Wir wissen nicht, aber wir handeln. Wir beobachten, beschreiben, konfrontieren und transformieren Bedeutungen, die wir als Gegenständlichkeit behandeln, das heißt als Wirklichkeit. Dies ist ein kantsches Erbe, aus dem es uns nicht gelingt, uns zu befreien. Denn es hat der großen hegelschen Anstrengung widerstanden, die Einheit als rational und real zu denken. Es hat auch der hegelschen Kritik des Sollens widerstanden, wie es der Selbstabschaffung der Geschichtsphilosophien widerstanden hat. Zudem hat es Marx’ großem Versuch widerstanden, die Reflexion der Einheit der Differenz zwischen Subjekt und Objekt in der Begründung der Idee der Gattung wiederzubeleben. Dieses Erbe widersteht noch immer, weil sich um es herum eine unerschöpfliche Semantik herausgebildet hat, die, auch wenn sie leer ist, wie Hegel gesagt hätte, höchst produktiv ist. Denn bis zur ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben sich die verschiedenen Formen der Selbstverständigung des modernen Wissens ihrer bedient und haben darin ihre Wurzeln der Differenz schlagen können, durch die die Disziplinierung dieses Wissens gerechtfertigt wird, wie Foucault klar und deutlich gezeigt hat. II. Disziplinierung des Wissens und Wissen der Realität Auf einer bedeutsamen Konferenz des Jahres 1985, die unser hier behandeltes Thema betrifft, sagte Luhmann, dass sich die Menschen, ohne die Soziologie abwarten zu müssen, schon ihre Gedanken über die Motive sowie die Art und Weise ihres Handelns gemacht haben, indem sie das Wissen in Bezug auf die äußere Welt, innerhalb der sich ihr Handeln produziert und rechtfertigt, „Kultur“ genannt haben. Sie haben Wissen über den Sinn des ökonomischen Handelns herausgebildet und haben es als ökonomische Rationalität schematisiert, Wissen über Erziehung, Wissen über den Staat und die Organisationen der Politik, das sie unter Konzepten wie Souveränität und Legitimität zusammengefasst haben, moralisches und theoretisches
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Wissen über den Unterschied zwischen Gut und Böse, das sie Ethik genannt haben. Sie haben nach dem Modell der alten Ideen von der „Zivilgesellschaft“ einen Begriff von Gesellschaft herausgearbeitet, der, eingebunden in die politisch-ökonomischen Repräsentationen des Vertrags, scheinbar eine Beschreibung der modernen Gesellschaft hätte darstellen können. Die Einheit des Objekts, das heißt die Einheit der Gesellschaft, wurde durch das Resultat einer normativen und moralischen Integration dargestellt: Normen und Werte, wie man bis heute noch sagt. Normen und Werte hielten die Faktizität der modernen Gesellschaft zusammen, die Akzidenzialität, die schlechte Unendlichkeit, wie Hegel sagte, die Kontingenz des Handelns, das bedrohliche wilde Außen, wie Foucault es nennen könnte. Gegenüber dieser Welt der Divergenzen, gegenüber den inkongruenten Perspektiven des Handelns der Einzelnen lieferten die Normen und Werte Integrationshorizonte. Aber sie gaben auch stabile Orientierungen für das Handeln. Auf diese Weise konnte man trotz der Divergenzen in den Sichtweisen, trotz der Differenzen in den Handlungsorientierungen und trotz der Gebrauchsmöglichkeit differenter Formen der Rationalität des Handelns einen einheitlichen Begriff von Gesellschaft herausarbeiten. Die normative Integration und der Zusammenhang der Werte haben einen einheitlichen Raum abgegrenzt, der die Divergenzen enthalten und gerechtfertigt hat. Es war der Raum des Agierens, die Welt, in der sich das Handeln ausbreiten konnte, der Raum, in dem sich das Handeln an einer logischen Ökonomie der Mittel und Zwecke orientieren konnte. Dieser Raum war die Domäne der modernen aufklärerischen Vernunft. Eine geordnete Welt einer geordneten Vernunft oder, um es erneut kantisch zu formulieren, die Welt einer ordnenden Vernunft. Praktische und theoretische Vernunft, Normen und Maximen, Inneres und Äußeres, Wahrheit und Werte, Empirie und Transzendenz. Die Beobachtung und Beschreibung dieser Welt mussten jene universelle Ordnungsidee benutzen und voraussetzen, die die große Errungenschaft der Aufklärung gewesen ist. Die Soziologie, sagte einmal Parsons zu Luhmann, entsteht als Soziologie des Rechts. Eine voll und ganz nachvollziehbare Behauptung. Diese Soziologie, die im Erbe der alten Aufklärung das semantische Universum ihrer Selbstkonstituierung findet, ist möglich geworden, weil die Repräsentation der Ordnung, die sie rechtfertigt, eng mit der Repräsentation des Handelns, das seinerseits aus einer Semantik des Bewegungsbegriffs, wie es Koselleck in seiner hervorragenden Arbeit genannt hat, entstanden ist. Schon seit Hobbes ist das Handeln als Bewegung zur Welt hin verstanden worden, als produktive Aktivität von Ereignissen, als eigenständiges Ereignis, das heißt als Ereignis, das unter dem Gesichtspunkt der ökonomischen Logik seiner Produktion beobachtet worden ist und das folglich mit anderen Ereignissen der gleichen Natur in Zusammenhang gebracht werden konnte. Die Ordnung der Welt konnte als Ordnung des Handelns der Einzelnen begriffen werden. Auf diese Weise ist es schließlich gelungen, die alte Idee von Gesellschaft, die jahrhundertelang auf die Idee der Schöpfung fixiert gewesen ist, zu laisieren oder,
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wie man auch sagt, zu säkularisieren. Nunmehr ist die Gesellschaft selbst als eine Welt interpretiert worden, die von dem Handeln der Einzelnen zusammengehalten wird. Wie man sieht, hat die kantsche Idee von Kausalität eine Geschichte gehabt, wie auch die hegelsche Kritik dieser Idee mittels der Vorstellung des Objekts des Willens eine lange Geschichte gehabt hat. Die Soziologie konnte die Gesellschaft als ihr einheitliches Objekt haben, sie konnte es als Welt des Handelns der Einzelnen auffassen, sie konnte die Gesetzmäßigkeiten des Handelns beobachten, sie konnte zur Konstruktion von Verallgemeinerungen voranschreiten und auf diese Weise, so behaupten einige, sogar bis zur Formulierung von Gesetzen gelangen. Die Soziologie konnte auf jeden Fall, selbst wenn die Formulierung von Gesetzen als übertriebener Anspruch oder als ideologisch kompromittiert erscheinen mag, Prognosen über das Handeln formulieren, kausale Zusammenhänge bestimmen oder wenigstens zur Herausbildung von objektiven Wahrscheinlichkeiten gelangen, wie man zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch sagte. Sie konnte das Handeln beschreiben, indem sie die richtungweisenden Sinnzusammenhänge beobachtete. Als Soziologie des Rechts interessierte sich das soziologische Wissen für das Handeln in Bezug auf das Recht, für die normative Orientierung des Handelns, für die Determinierung des juristischen Sinns des Handelns. Sehen wir, in welcher Weise. III. Soziologische Forschung des Rechts und Soziologien des Rechts Wenn wir mit Parsons bezüglich der Tatsache übereinstimmen, dass die Soziologie als Soziologie des Rechts entstanden ist, müssen wir aber auch daran erinnern, dass die Soziologie des Rechts ihr Selbstverständnis als spezifisches Wissen über das Recht nur in Reaktion auf die Begriffsjurisprudenz in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts organisiert. Ursprünglich handelte es sich um divergierende Ideen, um die herum sich die verschiedenen Reaktionsweisen auf die Ausdifferenzierung des Rechts und die Behauptung seiner Künstlichkeit anordnen lassen. Wenn Marx das Recht noch in die Semantik der Macht und die Struktur der sozio-ökonomischen Produktionsverhältnisse eingeordnet hat, verbreitet und behauptet sich mit Jhering eine Idee der Trennung von Recht und Gesellschaft, die schließlich die unabdingbare Voraussetzung für jede soziologische Forschung des Rechts bilden wird. Von der allgemeinen Betrachtung der sozialen Bedingungen über die Erforschung der Interessen als methodologische Orientierung in der Anwendung des Rechts bis zur Annahme von voluntaristischen Bezügen, wie solche, die man in der Freirechtsschule findet, bis hin zu zahlreichen antibegrifflichen Manifestationen wird die soziologische Forschung des Rechts versuchen, ihre Anerkennung über eine Rechtfertigung der Autonomie und des ursprünglichen Charakters ihres Wissens über das Recht zu erlangen.
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Die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts war besonders reich an theoretischen Bemühungen, insbesondere wenn man an die Beiträge von Ehrlich und seine Debatte mit Kelsen denkt, oder an den Institutionalismus, an die soziologische Jurisprudenz amerikanischen Zuschnitts, an den juristischen Realismus, den Juristensozialismus, vor allem im Bereich des Strafrechts, an die skandinavischen Schulen, an das Werk Schelskys und an diejenigen, die ihm nahestanden, bis hin zu den Bemühungen analytisch-linguistischen Ursprungs von Ota Weinberger. Diese Forschung hat dazu beigetragen, ein nicht dogmatisches Wissen über das Recht herauszubilden, das nicht systematisch-konzeptionell, nicht juristisch ist. Sie haben ein breites Spektrum von Reflexionen und Analysen besetzt und erstrecken sich vom Studium der Grundlagen des Rechts, die als soziale Wirklichkeit verstanden werden, bis hin zur Betrachtung der ökonomischen und politischen Determinationen des Rechts. Sie reichen sogar bis zum Studium der Natur der Ansprüche der Einzelnen gegenüber dem Recht und bis zur Analyse der Sprechweisen, über die die immanenten Erwartungen an diese Ansprüche sich als Sprechweisen der sozialen Bewegungen konsolidieren. Aber die Aspekte, die die jüngste soziologische Forschung des Rechts charakterisiert haben, sind, neben der kurzen Periode der Studien über Knowledge and opinion about law, einerseits das Studium des Einflusses des Rechts auf die Gesellschaft, wie man sagt, und andererseits die Kritik des Rechts gewesen. Die am weitesten verbreitete und am stärksten praktizierte Tendenz ist die, die es, wie einige meinen, mehr als jede andere verdienen würde, als Soziologie des Rechts anerkannt zu werden. Sie beschreibt mithilfe von Methodologien der empirischen Analyse von Daten die Ausdrucksmodalitäten des konformen Handelns, die Intensität seines Auftretens, sie interpretiert das Handeln aus der Perspektive des Rechts und beschäftigt sich in beträchtlichem Maße mit dem nichtkonformen Handeln, das man abweichendes Handeln zu nennen pflegt. Diese Beschreibung der Abweichung bedient sich häufig Theorien, die den Anspruch erheben, das abweichende Handeln zu erklären, das heißt, es zum Objekt eines theoretisch fundierten Wissens zu machen. Hier reicht, mit bedeutenden Intermezzi, das Spektrum der theoretischen Ressourcen, auf die man rekurrieren kann, vom mit unguten Erinnerungen behafteten Positivismus bis zu den Feinheiten der Psychoanalyse und den interessanten Konstruktionen der politischen Ökonomie des Strafens. Die zweite Tendenz umfasst verschiedene Perspektiven der Kritik des Rechts und beschäftigt sich mit den Modalitäten der Produktion der juristischen Entscheidungen, der Analyse der Konsequenzen, mit den Distributionsformen der Ressourcen mittels des Rechts und mit den Konstruktionen der Hierarchien der Rechtsgüter. Unter dem Ausdruck soziologische Forschung des Rechts versammeln sich vielfältige Bedeutungen und Denkrichtungen, die nicht auf eine Einheit reduziert werden können, sei es, weil sie unterschiedliche Wissensressourcen nutzen, sei es, weil sie aus unterschiedlichen intellektuellen Motivationen entstanden sind, sei es, weil sie unterschiedliche Wege verfolgen. Sie beinhalten epistemologische Voraussetzungen,
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die untereinander inkongruent wären und die nur aus der Perspektive einer nicht juristischen Analyse des Rechts Kongruenz annehmen könnten. Aber eine so beschaffene Perspektive wird sicher die Differenzen nicht annullieren, im Gegenteil, sie rechtfertigt sie insofern, als sie sie alle als legitime Reaktionen auf die juristische Beobachtung des Rechts erscheinen lässt. In diesem Sinne können wir daher behaupten, dass die verschiedenen Soziologien des Rechts alle eine andere Perspektive gemeinsam haben, sie rechtfertigen sich alle auf der Basis einer anderen Voraussetzung, sie nehmen alle die Unterscheidung von Recht und Gesellschaft als selbstevident an. Es geht um eine konstitutive Unterscheidung sowohl des Objekts – das Recht – als auch des Beobachters – die Soziologie des Rechts. Durch diese beiden Perspektiven vereint, differenzieren sich die unterschiedlichen soziologischen Forschungsrichtungen des Rechts danach, dass einige mit der Gesellschaft und andere mit dem Recht beginnen. Alle jedoch beginnen mit der Unterscheidung von Recht und Gesellschaft. Sie haben den Anspruch, zu beweisen, dass entweder die Gesellschaft das Recht oder das Recht die Gesellschaft determiniert. Mit diesem Anspruch begeben sie sich in das Paradox, das die Voraussetzung ihrer eigenen Existenz annulliert. Mehr noch: Sie machen eine Reihe von anderen Unterscheidungen, die sie auf die ausgetretenen Pfade eines nicht akzeptablen kantschen Erbes bringt, evident. Sehen wir kurz, welche die Unterscheidungen sind, die die erste Unterscheidung mit sich bringt. IV. Die Einheit der Unterscheidungen Das Paradox der nicht juristischen Analysen des Rechts, das heißt das Paradox der soziologischen Untersuchungen des Rechts, besteht in der Tatsache, dass sie die Unterscheidung von Recht und Gesellschaft als konstitutive Unterscheidung des Objekts anwenden. Diese Forschungsbeiträge nehmen die Innenperspektive des Rechts ein, um ihr Objekt von außen zu beobachten. Eine wahrhaft paradoxe Perspektive, wie es auch die Ergebnisse sind, zu denen diese Perspektive führt. Denn in der Tat wird für ihre Existenz die Unterscheidung zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll, konstitutiv, nämlich eine interne Unterscheidung, die sich das Recht konstruiert, um seine Operationen möglich zu machen. Auf diese Weise machen auch die Soziologien des Rechts ihre Operationen möglich, denn sonst hätten sie keinen Bereich, in dem sie ihre Aktivität realisieren könnten. In der Tat bringen sie sich auf der faktischen Seite des Sollens des Rechts ein, sie beobachten die faktische Realität des Sollens. Doch besteht das Paradox in der Tatsache, dass jenseits der juristischen Reflexion über das Recht keine Theorie der Gesellschaft existiert, die in der Lage wäre, zu sagen, an welchem Ort der Gesellschaft das Sollen verortet werden kann. Wenn die soziologischen Untersuchungen des Rechts die Möglichkeit hätten, Objekt von sich selbst zu werden, dann könnten sie beobachten, dass ihr Sein außerhalb des Rechts semantisch innerhalb des Rechts ist. Milan Zeleny hat einen Artikel mit
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dem Titel The same is different geschrieben, hier jedoch muss man sagen: the different is the same. In der Gesellschaft gibt es nur Raum für die empirische Faktizität. Nur das, was empirisch beobachtet werden kann, besitzt soziale Existenz und es hat nur deshalb soziale Existenz, weil es empirisch beobachtet werden kann. Das heißt, es kann als Wirklichkeit operieren, es kann im Unterschied zu etwas anderem beobachtet werden. Vom Recht kann man also sagen, dass es ist, und nicht, dass es soll. Das heißt, man kann sagen, wie es operiert, wie es sich das konstruiert, was es als Wirklichkeit gebraucht und wie es sich auf diese Weise von anderen Bereichen des sozialen Handelns differenziert. Aber nur der Beobachter von außen kann all das sehen. Ihm also wird das Sollen wie ein Paradox erscheinen, das heißt, als etwas, das sich selbst gegenüber die Tatsache ausblendet, dass es ist, wie es ist. Das Sollen ist ein schützendes Dach semantischer Natur, mit dem sich das Recht bedeckt, um gegenüber sich selbst die Tatsache auszublenden, das heißt die reine Faktizität, dass es keinerlei Recht hat, Recht zu sein. Dies gilt natürlich für das moderne positive Recht. Andere Ausgestaltungen des Rechts haben andere Semantiken verwendet und haben das, was sie als Wirklichkeit gebrauchen, auf andere Weise konstruiert. Eine weitere Unterscheidung, die sich aus der ersten konstitutiven Unterscheidung ergibt und mit ihr das abenteuerliche Schicksal und das Paradox gemeinsam hat, ist die Unterscheidung von Geltung und Wirksamkeit. Für die traditionelle soziologische Forschung des Rechts handelt es sich dabei um eine grundlegende Unterscheidung. Sie beschäftigt sich nämlich mit der Wirksamkeit des Rechts, das heißt mit der Auswirkung, die das Recht auf die Gesellschaft hat, mit der Integrationsfunktion des Rechts, mit der sozialen Kontrolle, die das Recht angeblich ausübt, mit seinem Allokationspotenzial der Ressourcen, wie man es auch nennt. Das Motiv für die Nichtbrauchbarkeit dieser Unterscheidung besteht nicht nur in dem, was schon Max Weber vor einem Jahrhundert erkannt hat, nämlich in der Unmöglichkeit objektive Kausalitäten des Handelns zu determinieren, sondern geht vielmehr mit der Tatsache einher, dass das, was die Juristen Geltung nennen, nichts anderes ist, als ein Symbol, das sich im Rechtssystem bewegt und das die Funktion hat, in der Zeitlichkeit des Systems das festzuhalten, was anders sein kann, als es ist. Geltung ist demnach eine faktische Symbolisierung des Sollens, das heißt der Normativität des Rechts. Sie ist das Ergebnis der Inklusion der Zeitlichkeit des Sollens in das Recht. Da die Temporalisierung des Rechts immer und auch immer in der Gegenwart operiert, konstruiert sich das Recht mittels der Geltung ein Gedächtnis, das heißt, es vergegenwärtigt sich selbst. Das Recht hat ein Gedächtnis und ist Adressat seines Gedächtnisses. Nun ist es so, dass die Darstellung der Wirksamkeit das Paradox der Geltung versteckt. Sie versteckt es und entzieht der Beobachtung die Fähigkeit, anders sein zu können, anders als das, was als Sollen angewendet wird. Sie verleiht ihm den Wert eines Werts und rechtfertigt die Vorstellung, nach der das Recht auf die Wirklichkeit angewandt wird und beobachtbare Konsequenzen produziert – empirisch beobacht-
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bare und statistisch erfassbare. Ein großes theoretisches und praktisches Problem einer jeden soziologischen Beobachtung des Rechts besteht gerade in der Idee seiner Anwendung. Auch in der juristischen Argumentation, in der Logik und in der juristischen Interpretation ist diese Idee vorhanden. In der Realität ist es so, dass die Wirklichkeit, auf die sich das Recht anwenden ließe, Rechtswirklichkeit ist, sie ist mittels der Anwendung des Rechts konstruiert. Es ist in der Tat sehr schwierig, zu verstehen, wie eine Rechtswirklichkeit außerhalb des Rechts existieren kann beziehungsweise wie ein Inhalt der Normen außerhalb ihrer Anwendung existieren kann. Konformität und Abweichung ist die andere Unterscheidung, die die soziologische Forschung des Rechts verwendet und die zu äußersten Konsequenzen führt, nämlich zur Ausarbeitung von Theorien des abweichenden Handelns und zum Anspruch einer Determinierung der Ursachen oder der Faktoren der Abweichung. Das ist ein Beweis für die Tatsache, dass die modernen Theorien der Abweichung ihre positivistische Herkunft unterdrückt haben. Die Unterscheidung zwischen Konformität und Abweichung ist eine juristische Unterscheidung und keine der Soziologie des Handelns. Sie ist das Paradox des ausgeschlossenen Dritten, der eingeschlossen ist. Das Objekt der Kriminologie ist nicht das abweichende Handeln, wie allgemein behauptet wird, sondern die kriminologische Beobachtung selbst. Schließlich gibt es noch den Mythos der soziologischen Beobachtung der Funktion der Sozialintegration, die das Recht angeblich hat. Demnach soll die soziologische Forschung das Potenzial haben, diese Funktion zu beschreiben. Nun ist es aber schwierig, zu verstehen, was soziale Disgregation meinen könnte und wie man das, was man Integration nennt, verwirklichen könnte. Um diesen Mythos lebendig zu erhalten, betrachtet die soziologische Forschung bestimmte Bereiche der Gesellschaft als disgregiert, wie beispielsweise die südlichen Regionen der modernen Gesellschaft, in denen das Recht nur eine symbolische Funktion hat. Es muss die Macht sichtbar machen, die die Macht besitzt, das Recht anzuwenden oder es zu umgehen. In Wirklichkeit sind diese Gesellschaften nicht disgregiert, sondern im Gegenteil, sie sind hoch integriert, denn in ihnen hängt jeder von jedem anderen ab und die Möglichkeiten des Handelns hängen von dieser wechselseitigen Abhängigkeit ab. Dagegen ist in den Gesellschaften, in denen das Recht ein hohes Ausmaß an Ausdifferenzierung erreicht hat, die Abhängigkeit eng mit der Autonomie verknüpft. Andernfalls, das heißt ohne dieses Verhältnis zur Abhängigkeit, ließe sich nicht erklären, wie das Recht eine Integrationsfunktion haben könnte, wenn doch seine normale Operation die Unterschiede anwendet und sie als subjektive Bereiche des gerade vom Recht anerkannten Handelns stabilisiert. Mit Sicherheit hat die Unterscheidung von Integration und Disgregation mit jenen Begriffen zu tun, die Bateson Erklärungsprinzip genannt hat, das heißt Begriffe, mittels derer man alles erklären kann, weil sie selbst inexplikabel sind und kein Objekt beschreiben. Auf diese Weise wendet die soziologische Forschung des Rechts in Wirklichkeit Begriffe an, das heißt, sie wendet Unterscheidungen an, die dem Recht eigen sind,
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das heißt rechtliche Unterscheidungen, Unterscheidungen innerhalb des Rechts, als ob es externe Unterscheidungen wären, als ob es also Konstruktionen eines externen Beobachters wären, das heißt Unterscheidungen, mittels derer die Soziologie das Recht beobachtet. Man muss sich fragen, warum die Soziologie damit fortfährt, diese Schwierigkeiten mit dem Recht zu haben und warum sie noch immer Beobachtungen anwendet, die die paradoxe Konstruktion des Rechts ausblenden. Und warum sie sich damit abgefunden hat, die alte Semantik der Aufklärung am Leben zu erhalten? Luhmann hat behauptet, dass es sich dabei um eine theoretische Abstinenz der Soziologie handelt, eine Abstinenz, die die Soziologie dazu bringt, sich der Gesellschaftstheorie zu verweigern, und die ihr verbietet – wir zitieren erneut Luhmann – zu verstehen, bis zu welchem Punkt sich die moderne Gesellschaft selbst der Verwirklichung einer Semantik verdankt, die hohe Ansprüche stellt. Wie kann die soziologische Forschung einen Zugang zu dieser Semantik erhalten? V. Die soziologische Forschung des Rechts in der Systemtheorie Die soziologische Forschung kann zu den Beobachtungen des Rechts Zugang erlangen, wenn sie zu den Unterscheidungen, mittels derer das Recht sein konstitutives Paradox ausblendet, Distanz hält und wenn sie ihre Beobachtung des Rechts konstruiert, indem sie die strukturellen Grenzen der Konstituierung des Rechtssystems in Betracht zieht. Das Recht ist eine selbstreferentielle Struktur, lokalisiert in der simultanen Produktion von Recht und Unrecht. Dieses strukturelle Defizit des Rechts gibt der soziologischen Forschung den Raum für Gegenüberstellungen, für vergleichende Analysen der möglichen Konstruktionsmodi von Wirklichkeit, durch die das Recht sein konstitutives Paradox entfaltet. Die Forschung kann beobachten, wie das Recht seine Zirkularität asymmetrisiert, und kann zuschauen, wie das Recht auf unterschiedliche Strategien der zeitlichen Delokalisierung seiner Operation rekurriert. Zum Beispiel kann sie sehen, wie das Recht die Orientierung auf die Konsequenzen hin anwendet, um in seinen kognitiven Raum die Zukunft einzuschließen. Die Forschung kann so ihre Beurteilungen von den Erfindungstechniken der Kausalität in der Zukunft, auf die das Recht rekurriert, formulieren und kann die reale Funktion beobachten. Auf diese Weise enthält sich die soziologische Forschung einer Einschätzung der Zukunft als wirklichem Bereich der Rechtsoperationen, sie enthält sich der Bewertung der Differenzen in den Konsequenzen, sie bleibt nicht im Raum der in der Semantik der Kausalitäten konsolidierten Unterscheidungen stehen, sie verliert sich nicht in dem empiristischen Trugschluss der traditionellen soziologischen Analysen und sie gestattet sich den Luxus der Anwendung der Erkenntnistechniken der Theorie. Sie urteilt über Alternativen und beobachtet die Technik der Asymmetrisierung des Rechts aus einer realistischen Perspektive, die es ihr ihrerseits erlaubt, weitere mögliche Strategien der Wirklichkeitskonstruktion mittels des Rechts zu beobachten und zu beschreiben. Sie sieht das, was die Forschung traditionellen Typs nicht sehen kann.
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Auf diese Weise kann die soziologische Forschung beispielsweise die Strategie der Kontrolle realistisch beobachten. Sie kann nicht damit fortfahren, die Kontrolle als einen Eingriff des Rechts in die Umwelt zu beschreiben, und kann nicht fortfahren, zu diskutieren, indem sie Funktionen darstellt, die das Recht nicht ausüben kann. Sie wird dann die Kontrolle als Technik der Immunisierung des Rechts bezogen auf die Simultaneität der Umwelt beobachten. Die Frage ist demnach sehr viel komplexer. Denn tatsächlich wird Kontrolle ausgeübt, weil das Recht jedes gegenwärtige Ereignis durch den Filter seiner Vergangenheit betrachtet. Die Vergangenheit, auf die wir uns beziehen, ist die Zeit, in der sich geronnener Sinn im Erinnern des Rechts festgesetzt hat. Über genau diese Kontrollaktivität reaktiviert das Recht auf selektive Weise das Erinnern, es lässt die Möglichkeit des Vergessens offen und konstruiert sich das eigene Gedächtnis. Mit anderen Worten, das Recht repräsentiert gegenüber sich selbst sein Gegenwärtigsein und temporalisiert die Präsenz der Umwelt. Auf diese Weise kann die soziologische Forschung durch die Beobachtung der fortgesetzten Rekonstruktion der Aktivität des Gedächtnisses des Rechts eine ursprüngliche Soziologie der Jurisprudenz konstruieren. Denn in der Tat handelt es sich um eine Soziologie des Gedächtnisses des Rechts, das heißt um die soziologische Beobachtung der fortgesetzten Reproduktion des Gedächtnisses. Das, was wir als Jurisprudenz beobachten, ist in Wirklichkeit ein Kondensat von rechtlichem Sinn, das so tut, als würde es aus dem Recht entweichen, um auf das Recht einzuwirken. Es ist das, was Hofstadter als tangled hierarchies bezeichnet. Diese Ausrichtung der Beobachtung eröffnet der Forschung den Weg für die Beschreibung der Weise, durch die das Recht seine eigene Evolution möglich macht. Die Voraussetzungen der Evolution selbst sind im Gedächtnis des Rechts enthalten. Sie gehen aus der Tatsache hervor, dass das Recht in jeder seiner Aktivitäten als Gedächtnis agiert, aber dass es selbst Adressat seines Gedächtnisses ist. Operationen des Rechts und Resultate seiner Operationen sind die gleiche Sache. Die lokalisierte Selbstreferenz ist immer vorhanden, aber sie greift in diesem Fall der Evolution voraus. Anhand dieser ersten Hinweise kann man bereits erkennen, wie sehr sich das Gebiet der soziologischen Forschung des Rechts verändern würde, wenn es ihr gelingen würde, sich von der Verpflichtung der Semantik des Handelns zu befreien und die Beobachterperspektive einer komplexen Theorie der Gesellschaft einzunehmen. Das Gebiet der Forschung wäre nicht nur ein anderes, es wäre auch sehr viel breiter angelegt, und die Forschung könnte zu nützlichen Erkenntnissen für das Verständnis des Rechts der modernen Gesellschaft gelangen. Eine derart beschaffene Technik der soziologischen Beobachtung, die in der Theorie der Gesellschaft ihre Wurzeln schlägt, erlaubt der Forschung, die kognitive Lernfähigkeit zu bewerten, über die das System des Rechts verfügt, das heißt, zu beurteilen, in welchem Maße es dem System gelingt, die Konflikte, die es selbst hervorruft, zu kontrollieren. Das Recht kanalisiert die Konflikte in dem Sinne, dass es sie prozessualisiert und sie in Rechtsprobleme transformiert. Das geschieht durch das Verfahren. Eine soziologische Beobachtung des Verfahrens macht deutlich, dass der gesamte Verlauf, durch den ein Konflikt, der ein soziales Problem repräsentiert,
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in ein Rechtsproblem transformiert wird, nur kraft einer weiteren Form der Asymmetrisierung der Zirkularität des Rechts möglich ist. Es handelt sich dabei um die Unterscheidung von Regel und Entscheidung. In Wirklichkeit ist es so, dass die Entscheidung die Regel ermöglicht, die die Entscheidung ermöglicht. Weit entfernt vom Blick der soziologischen Beobachtung verwandelt sich die Frage nach der Konstruktion einer Wirklichkeit mittels des Rechts in die im engeren Sinn juristische Frage der Argumentation, das heißt die Frage nach der Erforschung der Motive, auch wenn sich auf diese Weise das Recht gegenüber der Evolution öffnet. Derart beschaffene Erkenntnisse erlauben es ihrerseits, sich mit einer anderen zentralen Frage zu beschäftigen, nämlich der nach dem Verhältnis von Recht und Politik. Wie das Recht, so ist auch die Politik an der Produktion von Konflikten interessiert. Doch ist hier deren Aufrechterhaltung vollkommen unterschiedlich. Die Politik zielt darauf ab, den Konflikt zu reaktivieren und aus seiner Reaktivierung zu lernen. Das Recht dagegen hat das Interesse, die Erwartungen zu stabilisieren. Es generalisiert sie. Es hat die Neigung, dem Lernen zu widerstehen. Mit anderen Worten, das Recht verfolgt das Interesse, die Voraussetzungen seiner Operationen nicht jedes Mal, wenn eine Operation ausgeführt wird, in Zweifel zu ziehen. Die Politik dagegen kann sich selbst destabilisieren und von Mal zu Mal die Einheit der Unterscheidung ihrer Interessen und Bewertungen rekonstruieren. Die soziologische Beobachtung der Produktion von Konflikten, die Beobachtung der unterschiedlichen Funktionen der Konflikte im Recht und in der Politik erlaubt es, die Evolution des Rechts auch unter diesem Gesichtspunkt zu beobachten. Die soziologische Forschung des Rechts kann sich weiterhin mit einer anderen Strategie der Delokalisierung der Selbstreferenz des Rechts beschäftigen. Dabei denken wir an die Verwendung der Idee des Interesses und an die Bewertung der Interessen. Im Unterschied zu dem, was innerhalb des Rechts geschieht, und im Unterschied zur Rechtssemantik des Interesses, die in der Rechtstheorie behauptet wird, tendiert die soziologische Beobachtung zur Beschreibung der Konstruktion der Differenzen und der Hierarchien, die das Rechtssystem im Verhältnis zu Interessen und Werten benutzt. Das Recht rekurriert auf die Operationalisierung der Einheit der Differenz von Interessen und Wertungen, weil auf diese Weise das Interesse einen Wert annimmt, weil es einen Wert hat. In Wirklichkeit geht der Wert eines Interesses aus dem Interesse für einen Wert hervor. Interessen und Werte haben die Funktion, die Variation von beiden Seiten aus offen zu halten, also von der Seite des Interesses und von der Seite des Werts. Das Gedächtnis des Rechts reaktiviert sich, indem es die Einheit dieser Differenz mittels des selektiven Erinnerns und des selektiven Vergessens ständig behält. Da sich das Recht immer gleichzeitig mit der Umwelt neu produziert, enthüllt die ständige Anwendung der Einheit der Distinktion von Interesse und Wert auf sich selbst die Fähigkeit des Rechts, sich gegenüber einer bedrohlichen Umwelt zu immunisieren und sich selbst unter Kontrolle zu halten. Die soziologische Forschung des Rechts muss diese Strategie beobachten können und muss es vermeiden, Interessen und Werte als Objekte aufzufassen, als Daten der Umwelt, als Objektivität, die das Recht aus der Umwelt aufnimmt, in der sie sozusagen frei existieren
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würden. Erneut sind es die Voraussetzungen der Evolution, die die Voraussetzungen der Evolution anwenden. Die soziologische Beobachtung des Rechts, wenn sie so aufgefasst wird, wie wir es gerade aufgezeigt haben, ist in der Lage, die komplexen Wege zu beschreiben, mittels derer das Recht mithilfe der Aktivierung seines Gedächtnisses die Fähigkeit besitzt, Identität und Differenz zu schaffen, das heißt, sich mittels seiner Transformationen wiederzuerkennen, sich von sich selbst ausgehend zu evolvieren, Stabilität mittels Kontingenz umzusetzen. Die soziologische Forschung eröffnet sich auf diese Weise weite Perspektiven. Sie kopiert nicht das, was das Recht als Wirklichkeit benutzt, sie kopiert nicht die Rechtssemantik und deren Unterscheidungen, sondern beobachtet das, was diese Semantik nicht beschreiben kann. Sie enthüllt das, was nicht gesehen werden kann, sie gibt dem einen Namen, was nicht benannt werden kann. Sie kann dem konstitutiven Paradox des Rechts einen Namen geben und kann die Wirklichkeit der Wirklichkeit des Rechts ansehen. Sie kann von außerhalb des Rechts das beschreiben, was Schelsky die juristische Rationalität genannt hat, und zusehen, wie diese Rationalität die Dramaturgie des Paradoxes beschreibt, das heißt, wie sie selbst die Dramaturgie ihres Ablaufs sein kann. Die traditionelle soziologische Forschung kopiert das Recht, um ihm einen Sinn zu geben. Sie kritisiert es, um auf ein besseres Recht zu verweisen. Sie verfährt wie Prometheus in Friedrich Dürrenmatts Dramaturgie eines Rebellen, der seiner göttlichen Existenz dadurch einen Sinn verleihen wollte, indem er vernünftige Götter erschaffen hat. Das ist sein Fehler gewesen, sagt Dürrenmatt. Er hat die Tatsache, dass ein Gott – vernünftig oder nicht – eben keinen Sinn hat, außer Acht gelassen. Die Systemtheorie nimmt das Rationalitätsdefizit des Rechts als ihren Standpunkt der Beobachtung an. In seiner tautologischen und paradoxen Struktur besitzt das Recht Unentscheidbarkeit und von außen kommende Geschlossenheit. Auch die Logik, hat Luhmann einmal geschrieben, hat das Zusammenleben mit Gödel lernen müssen. So wie es die moderne Gesellschaft gelernt hat, mit ihrem Recht zusammenzuleben, wie es ein Organismus mit seinem Immunsystem tut.
Zur Institutionalisierung der Normativen Moderne Von Thomas Gutmann, Münster Die folgende Skizze zur Institutionalisierung der Normativen Moderne1 nimmt einige Themen auf, die der Jubilar über Jahrzehnte hinweg verfolgt hat, darunter die „Evolution des Rechts und der Menschenrechte“,2 die Modernisierung und Globalisierung des Rechts,3 die Institutionentheorie,4 die Theorie sozialer Systeme5 sowie, hinter alledem, das intrikate Verhältnis von normativer Reflexion und soziologischer Beobachtung des Rechts.6 I. Normative Moderne Normativ gehaltvolle Botschaften können nur in der Sprache des Rechts gesellschaftsweit zirkulieren7 und sich auch nur im Recht institutionell verfestigen.8 Deshalb muss das Rechtssystem im Zentrum einer Analyse stehen, die dem Verhältnis von Moderne und Normativität – kurz: der Normativen Moderne – gilt. Der Kern der normativen Dynamik der (zunächst westlichen) Moderne liegt in der rechtlichen Institutionalisierung eines egalitären normativen Individualismus. Dieser lässt sich exemplarisch an der internationalen Entwicklung der Grund- und Menschenrechte (der sogenannten „ersten Generation“, insbesondere der Freiheits-, Gleichheits- und justiziellen Rechte) demonstrieren. Die Verfassungen der westlichen Staaten haben mit grundrechtlich garantierten Individualfreiheiten, den Prinzipien der Gleichheit, des Rechtsstaats, der Demokratie sowie (teilweise in expliziter
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Der Beitrag nimmt eine Diskussion auf, die mit den Beiträgen Gutmann 2013a (sowie daneben Gutmann 2011a, 2012 und 2013b) begonnen wurde, und setzt sie zum Werk des Jubilars in Beziehung. 2 So der Titel seines Beitrags in der Festschrift für Helmut Schelsky zu dessen 65. Geburtstag, Krawietz 1978. 3 Krawietz 1998; 2008a, S. 183 ff.; 2008b und 2010. 4 Vgl. etwa Krawietz 1985 und 1994; Koller/Krawietz/Strasser 1994 und dazu auch Belvisi 2013. 5 Eine Auswahl aus der Fülle: Krawietz 1986, 1993a, 1993b, 1993c, 1998, 1999, 2001, 2008a und 2008b. 6 Vgl. etwa Krawietz 2009; 2010, S. 1133. 7 Habermas 1992, S. 78. 8 Habermas 1992, S. 146 – 151; Krawietz (FN 4); MacCormick 2008; La Torre 2010.
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Form auch) der Menschenwürde,9 die formalen und materialen Gerechtigkeitsgehalte des neuzeitlichen Vernunftrechtsdenkens als leitende, d. h. mit dem Status der Priorität auftretende10 Normen des positiven Rechts übernommen.11 Gleiches geschah im Bereich der Europäischen Union (etwa in der Grundrechts-Charta12 und in den Antidiskriminierungsrichtlinien)13 sowie in der Entwicklung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes zu einem objektiven Rechtsregime.14 Wir sind Zeugen einer seit dem späten 18. Jahrhundert anhaltenden Entwicklung des Rechts, die sich als fortlaufender Konstitutionalisierungs- und Institutionalisierungsprozess von Grund- und Menschenrechten, also der rechtlichen Sicherung fundamentaler individueller Interessen, darstellt. Die Idee der Menschenrechte ist nicht voraussetzungslos, sondern historisch im Rahmen einer Modernisierung normativer Diskurse entstanden. Ihre Generalisierung setzt rechtstheoretisch den Übergang von Konzepten, deren Grundbegriff der der Pflicht ist, zu Vorstellungen voraus, die das Verhältnis des Einzelnen zur Rechtsordnung von einem Begriff des subjektiven Rechts aus konstruieren und den Status, als Rechtsperson Träger solcher Rechte zu sein, in wechselseitigen Anerkennungsverhältnissen fundieren.15 Man wird diesen Übergang trotz aller Vorarbeiten, zumal bei Thomas Hobbes und in der Naturrechtstheorie John Lockes,16 nicht vor Kants initialer Setzung eines angeborenen Freiheitsrechts als fundamentales, absolutes individuelles Recht17 ¢ also vor jenem „Strukturwandel des Rechts, der sich […] am Ausgang des 18. Jahrhunderts vollzogen hat“ (Krawietz)18 ¢ verorten können. Das subjektive Recht ist jene Figur, die man in der theoretischen Selbstreflexion des Rechts als Motor der normativen Dynamik der Moderne schlechthin ausmachen kann.19 Sie wird zugleich auch in der soziologischen (Fremd-)Beobachtung als „die bedeutendste Errungenschaft der neuzeitlichen Rechtsevolution“20 verstanden. Die Formen seiner Institutionalisierung stehen im Zentrum der Institutionalisierung der Normativen Moderne.
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Gutmann 2010, S. 5 – 34 und 2011b. Alexy 1998, S. 252. 11 Alexy 1992, S. 121; Dreier 1991a, S. 84 und 1991b, S. 105 ff. sowie Krawietz 1978, S. 327 f. 12 Jarass 2010. 13 Vgl. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2011. 14 Schilling 2010; Walter 2011. 15 Habermas 2009b, S. 307 und 2009a, S. 220. 16 Brandt 2011; Siep 2011. 17 Vgl. Kant 1902, VI, S. 230. 18 Krawietz 1978, S. 327. 19 Gutmann 2013a. 20 Luhmann 1993a, S. 291; Luhmann 1981c. 10
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II. Dynamik und Gerichtetheit in der Welt der Gründe Nehmen wir zunächst die Perspektive einer Selbstreflexion des Rechts ein, d. h. die Perspektive einer das anhaltende Begründungspotential normativer Argumente untersuchenden Rechtsphilosophie. Die normative Dynamik der Entwicklung der Grund- und Menschenrechte liegt in der geistesgeschichtlich seit dem 17. und insbesondere seit dem 18. Jahrhundert vielfältig ausbuchstabierten Vorstellung, dass Rechtspersonen – in den Worten Ronald Dworkins – ein individuelles „Recht auf gleiche Achtung“21 zukommt. Darin begründet liegt als erste Ableitung ein Recht, nicht rechtlich diskriminiert zu werden. Zwei Schlaglichter müssen hier genügen: In schärfster Wendung gegen alle früheren Naturrechtslehren stellt bereits Hobbes an den Anfang seiner Theorie den Grundsatz, dass der Mensch primär nicht durch Pflichten eingeschränkt, sondern Träger von subjektiven Freiheitsrechten sei. Dieser fundamentale, von ,vormodern‘ inspirierten Autoren22 kritisierte Wechsel hin zu einer Orientierung an den natürlichen Rechten begründet die spezifisch neuzeitliche Naturrechtslehre und ist das Gründungsdokument eines Rechtsdenkens, das aus vorstaatlichen Freiheitsansprüchen des Einzelnen nicht zuletzt den Anspruch des Bürgers ableitet, vor dem Gesetz als Gleicher zu gelten. Zugleich wird die Staats- und Rechtsordnung auf den Schutz basaler, aber irdischer Interessen der Einzelnen verpflichtet. Dieses substantielle Moment des egalitären normativen Individualismus ist theoriegeschichtlich wie systematisch gleichursprünglich mit seiner prozeduralen Dimension: Die Begründung der leitenden Prinzipien von Recht und Staat wird seit Hobbes nicht mehr auf die objektiven Urteile einer (bis dahin primär theologisch angeleiteten) Vernunft überhaupt, sondern vielmehr vertragstheoretisch auf das Urteil und die Vernunft des jeweils handelnden Einzelnen („his own judgement and reason“23) gestützt. Damit ist nicht nur die Umstellung des Naturrechts von Seelenheilsauf Nutzenerwartungen24 ratifiziert, sondern vor allem ausgesprochen, dass jede Einschränkung der primären, gleichen subjektiven Freiheitsrechte des Einzelnen diesem gegenüber rechenschaftspflichtig wird. Einer Rechtsperson die Gleichheit in der Freiheit zu verweigern, bedarf der Rechtfertigung durch gute Gründe, die nicht mehr einfach solche der Tradition sein können, sondern Bedingungen der Reziprozität und Allgemeinheit erfüllen müssen. Diskriminierung steht damit unter Rechtfertigungszwang; gleichzeitig verlieren die Gründe, die zu ihrer Verteidigung vorgebracht werden können, ihr normatives Fundament. Dieser Gedanke wird im folgenden Jahrhundert, gerade in der kantischen Tradition, in einem Diskurs ausdifferenziert, der über die politische und rechtliche Zähmung des Hobbes’schen Leviathan geführt wird, das von Hobbes gelegte begründungstheoretische Fundament aber nicht mehr verlässt. 21
Dworkin 1984, S. 298 ff. und 1985, S. 191. Strauss 1995, S. 188. 23 Hobbes 1651, ch. 14. 24 Luhmann 1989, S. 297.
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Menschenrechte sind nach alledem jene normativen Gehalte, „die gleichsam übrigbleiben, wenn die normative Substanz eines in religiösen und metaphysischen Überlieferungen verankerten Ethos durch den Filter posttraditionaler Begründungen hindurchgetrieben worden ist“,25 die also übrigbleiben, weil sie unter den Rechtspersonen, die zugleich Autoren und Adressaten der von ihnen begründeten Normen sind, „niemand vernünftigerweise – also mit reziprok-allgemeinen Argumenten – zurückweisen kann.“26 Dieser Modus der Begründung und Begründungserwartung, den man auch unter der Überschrift eines als Basisanspruch fungierenden „Rechts auf Rechtfertigung“27 rekonstruieren kann, bildet das Fundament der Normativen Moderne. Es ist vor allem Diskriminierung, die nun in den Fokus des Rechtfertigungszwangs gerät. Dieser setzt eine spezifisch moderne normative Dynamik in Gang, deren historische Realisierung sich als die Selbstverwirklichung einer Idee darstellen lässt, in der gute Gründe mit Notwendigkeit gute Gründe gebären: Das Recht auf gleiche Achtung wendet sich omniphor gegen die Strukturen seiner Missachtung. Seine Logik ist inklusiv, es zielt auf die Einbeziehung des anderen und damit aller anderen. Wenngleich die Entfaltung des Prinzips historisch nur schrittweise und nicht ohne Rückschläge erfolgt ist, hat der Anspruch des egalitären Universalismus doch von Anfang an die Standards definiert, an denen sich die je verbliebenen Verstöße gegen ihn auf eben seiner Grundlage kritisieren ließen. Die im 18. Jahrhundert, auch noch bei Kant (und umso mehr in den sklavenhaltenden Vereinigten Staaten von Amerika des Jahres 1776) explizit oder stillschweigend mitgedachte Beschränkung aller oder bestimmter Bürger- und Menschenrechte auf freie, männliche (und ökonomisch unabhängige) citoyens konnte angesichts der egalitären Geltungsansprüche, die mit der Menschenrechtsforderung erhoben wurden, zwar politisch noch einige Zeit durchgehalten, aber von vorneherein nicht mehr plausibel begründet werden. Wenn es keine guten Gründe dafür geben kann, Menschen wegen ihrer Hautfarbe in Sklaverei zu halten, gibt es auch keine dafür, Personen wegen ihres Geschlechts bürgerliche und politische (oder Menschen-)Rechte vorzuenthalten, sie von Schulen, Universitäten und freier Berufswahl auszuschließen. Das gleiche Verbot der freiheitsbeeinträchtigenden Ungleichbehandlung greift sodann im Hinblick auf religiöse und weltanschauliche Überzeugung, auf die ethnische Herkunft, die sexuelle Orientierung, Behinderung und Alter sowie potentiell auch im Hinblick auf jene diskriminierenden Formen von Exklusion und Ungleichheit, die von der sozialen Dynamik stets neu hervorgebracht bzw. von der Progression der Inklusionslogik neu „entdeckt“ werden. Dies benennt einen weltweiten Prozess, der weit davon entfernt ist, zum Abschluss gekommen zu sein. Die Geschichte der Menschenrechte ist eine Geschichte ihrer Extension,28 weil und insoweit sich die Logik der Nichtdiskri25
Habermas 1992, S. 129. Forst 2007, S. 306. 27 Forst 2007. 28 Menke/Pollmann 2007, S. 99 ff.; Schmidt 2013a, S. 28. 26
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minierung Bahn frisst. Diese Bahn mag schief sein, sie mag Brüche und Umwege – ja selbst dramatische Rückfälle wie den mörderischen Rassismus der Shoah – aufweisen, sie mag völkerrechtlich noch unter zahllosen nationalen Vorbehalten stehen, aber ihre normative Binnenlogik ist einsinnig. III. Die Normative Moderne als historischer Lernprozess Wenngleich der Normenwandel kein intentionales Ziel hat, wenngleich kein Urteil über die Vernünftigkeit der Entwicklung des Rechts tout court zur Diskussion stehen kann, so lässt sich über das erkenntnistheoretische Verhältnis von Kontingenz oder Gerichtetheit der Entwicklung der Idee der Menschenrechte doch eine klare Aussage treffen: Wir können gar nicht anders, als diese Entwicklung, jedenfalls was die Ebene ihres leitenden Prinzips, die egalitäre Logik der Nichtdiskriminierung, angeht, in normativer Hinsicht zumindest ex post als sinnhaft und kohärent und insofern als gerichteten Prozess zu interpretieren. Soweit die egalitäre Achtung vor den Einzelnen als Rechtspersonen heute reicht, ist sie, aus normativer Perspektive, d. h. mit Blick auf die Logik ihrer normativen Gründe, die Entfaltung eines einheitlichen, spezifisch modernen Prinzips und nur als solche intelligibel. Die historische Entwicklung der schrittweisen Verwirklichung des Prinzips egalitärer Grundrechte und Achtungsansprüche stellt sich retrospektiv als Fortschrittsgeschichte eines sich selbst korrigierenden Lernprozesses dar,29 der die Kriterien seiner Entfaltung von Anfang an besessen hat. Dieser Prozess folgt, soweit seine normative Begründung in Rede steht, anders als andere Dynamiken des gesellschaftlichen Strukturwandels, nicht einfach dem evolutionstheoretischen Schema von Variation, Selektion und Stabilisierung. Dies nicht wahrzunehmen markiert den blinden Fleck von Evolutionstheorien des Rechts, die in seiner Entwicklung nur Emergenz und Zufall am Werk sehen.30 Die Normative Moderne besteht in der Durchsetzung posttraditionaler, im Kern universalistischer Formen der Normenbegründung. Dies legt es nahe, bei der Suche nach einem Leitbegriff für einen vermittelnden, interdisziplinären Zugriff auf das Phänomen der Entwicklung normativer Begründungsformen auf das Konzept eines historischen Lernprozesses abzustellen. Gesellschaften lernen evolutionär, „indem sie Rationalitätsstrukturen, die in kulturellen Überlieferungen bereits ausgeprägt sind, ,institutionell verkörpern‘, d. h. für die Reorganisation von Handlungssystemen nutzen.“31 Genau dies geschah und geschieht in der Dynamik der Konstitutionalisierungs- und Institutionalisierungsprozesse von Grund- und Menschenrechten im Recht (das, anders als die Moral, Lerneffekte in Institutionen speichern kann). Diese Prozesse haben den normativen Individualismus zu einem normativ-institutio-
29
Habermas 2009a, S. 224. Vgl. Luhmann 1993a, S. 239 ff. und Schulte 2011, S. 84 ff. 31 Habermas 1976b, S. 260.
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nellen Faktum32 gemacht, mit dem zu rechnen ist. Der normative Individualismus, der die Formen seiner Institutionalisierung zunächst (aber nicht nur) in westlichen Rechtsordnungen gefunden hat, sollte deshalb gerade von einer soziologisch aufgeklärten Rechtstheorie, der es um eine Analyse des Rechts als faktisch existierende und wirksame soziale Ordnung zu tun ist, ernst genommen werden.33 Zugleich gibt gerade die rechtssoziologische Beobachtung Anlass dafür, die vom Jubilar nach 1978 nicht mehr recht gewürdigten34 vernunftrechtlichen Begründungsfiguren in ihrer strukturbildenden institutionellen Präsenz und sozialen Wirksamkeit im Recht sowie als Bestandteil einer spezifisch juridischen Rationalität35 anzuerkennen. Dafür, dass die Möglichkeit einer engeren theoretischen Verzahnung von Beobachtung und Begründung des normativen Wandels ein Faszinosum bleibt, steht Jürgen Habermas‘ früher Gedanke, man könne phylo- und ontogenetische Prozesse parallelisieren, also Entsprechungen zwischen der Weltbildentwicklung des einzelnen Subjekts (im Sinne der Entwicklungspsychologie im Anschluss an Piaget und Kohlberg) und jener der Gattung annehmen.36 Dies würde die Annahme erlauben, dass die stufenweise Herausbildung eines postkonventionellen Normenbewusstseins (also die Normative Moderne) jedenfalls als gleichsam „natürliche“ (potentielle) soziale Entwicklungsdynamik und insoweit zugleich als plausible Form eines normativen Naturalismus begriffen werden könnte. Es wäre zu zeigen, dass sich an der scheinbar ,unverschämten‘ These, dass die Menschheit in der okzidentalen Tradition der Menschenrechte normativ erwachsen wird, rettende Kritik üben lässt. In diesem Sinn kann schon die „Form des modernen Rechts […] als eine Verkörperung postkonventioneller Bewusstseinsstrukturen begriffen werden“.37 Auf die mit funktionaler Differenzierung der Gesellschaft einhergehende Zunahme an Handlungsoptionen und den enormen Zuwachs an Entscheidungsproblemen antwortet das Recht mit erhöhter Selektivität, zeitlicher und sachlicher Komplexität und dadurch: Kontingenz.38 Das positive Recht gilt kraft Entscheidung. Doch geht die Modernisierung des Rechts nicht allein in dieser Positivierung auf, ging (und geht) mit dieser doch zugleich die dargestellte, um die Idee eines durch subjektive Rechte garantierten egalitären normativen Individualismus zentrierte Modernisierung von Begründungsmodi und -erwartungen einher, welche die Kontingenz und Selektionsoptionen des Rechtssystems, d. h. den Spielraum seiner Dezisionen zugleich begrenzen. Das Konzept der Menschenrechte ist paradigmatischer Ausdruck einer postkonven32
Zu diesem Begriff vgl. etwa Krawietz 2009 und 2010, S. 1125. Die anhaltende Kritik des Jubilars an dem epistemischen Individualismus von Rechtsund Sozialtheorien, für die ,Gesellschaft’ nur aus Individuen zu bestehen scheint (vgl. z. B. Krawietz 2010, S. 1113), setzt diesem Befund nichts entgegen. 34 Vgl. z. B. Krawietz 1987; 1995, S. 458; 2008a, S. 200 ff., 204 ff. und 2010, S. 1116. 35 Hierzu Krawietz 2008a, S. 201 f. 36 Habermas 1976a, S. 17 – 30 sowie ders. 1991a und 2009a, S. 220, 224, 227; vgl. Oesterdiekhoff 2000 und Miller 1986. 37 Habermas 1976b, S. 266. 38 Luhmann 1981b. 33
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tionellen Normenbegründung, die ihr ontogenetisches Korrelat in den von Schmidt39 skizzierten Tendenzen einer „Modernisierung der Person“ im Sinne sich global verbessernder gesellschaftlicher Bedingungen für die Herausbildung von Formen postkonventionellen Normbewusstseins und reflexiver Identität der Bürger findet. IV. Beobachtung und Begründung des Normenwandels Für den Rechtstheoretiker ist von Interesse, mit welchen theoretischen Mitteln man die theoretische Verzahnung von Beobachtung und Begründung des Normenwandels – die Institutionalisierung der Normativen Moderne – erfassen kann, obgleich zwischen Faktizität und Geltung, zwischen Deskription und Präskription ein Hiatus liegt und von der soziologischen Beobachtung bzw. der historischen Beschreibung zunächst kein Weg zum normativen Argument führt (und umgekehrt). Hieraus ergibt sich die methodische Forderung, diesen Hiatus allererst ernst zu nehmen, statt ihn kurzschlüssig von der Seite der Normativität aus zuzuschütten (wie dies aristotelisch inspirierte Ansätze seit jeher versuchen) oder ihn von der Seite der Gesellschaftstheorie aus zu verschleiern (wie dies beispielsweise die gerade in der Rechtstheorie anzutreffenden präskriptiven Deduktionen aus der Systemtheorie vorführen40). Erst das Bewusstsein von der irreduziblen Eigensinnigkeit der entia moralia erlaubt es, die Vermittlung normativer Diskurse mit ihrer sozialen und historischen Umwelt und die Frage nach möglichen Ko-Evolutionen theoretisch adäquat zu fassen. Projekt und Prozess der Moderne sind also zunächst systematisch zu unterscheiden und analytisch voneinander zu lösen, bevor ihre wechselseitige Bezogenheit zu einer Forschungsfrage werden kann. Ein Versuch, das Konzept der Normativen Moderne gerade auch in ihrer Entwicklungsdimension gesellschaftstheoretisch zu verankern, d. h. dem Verhältnis einer Normativen Theorie der Moderne zu einer Theorie der (Normativität in der) Moderne nachzugehen, würde sodann zu folgenden Fragen führen: Wie lässt sich die normative Entwicklungsdynamik zum Begriff der Moderne in den – beschreibenden bzw. verstehenden – Sozialwissenschaften in ein Verhältnis setzen? Konkret: Wie verhält sich Normative Moderne zu den Vorstellungen der Moderne in soziologischen Makrotheorien und den dort beschriebenen Dimensionen des Modernisierungsgeschehens?41 Welche Korrespondenzen und ko-evolutiven Relationen bestehen zwischen funktionaler Differenzierung (Deskription) und den spezifisch „modernen“ Forderungen und Instituten moralischer und rechtlicher Normenbegründung (Präskription)? Wie verhält sich die Ausdifferenzierung „moderner“ Prinzipien der Moral und des Rechts (und ihre Trennung von der Religion) zur Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Subsysteme? Konkret: Ist die langwellige Säkularisierung der Normen-
39
Schmidt 2013a. Z. B. Teubner 1989; hierzu kritisch Fateh-Moghadam 2012. 41 Vgl. Schmidt 2013a. 40
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begründung42 als Aspekt der Systemdifferenzierung und der Autonomisierung des Rechts zu verstehen? Wie hängt der normative Individualismus, der in der spätestens im 17. Jahrhundert einsetzenden Trennung der Rechts- und Moraltheorie von der Theologie gründet, mit dem institutionalized individualism (Parsons43) und den (übrigens späten) Individualisierungsschüben der Moderne zusammen? Rekurrieren Normenbegründung unter modernen Bedingungen und plausible soziologische Analysen des Phänomens „moderne Gesellschaft“ auf ähnliche Begriffe von Reflexivität? Gibt es Moral- und Rechtsprinzipien ¢ etwa bestimmte Formen subjektiver Grund- und Menschenrechte ¢ die der funktional ausdifferenzierten Moderne „angemessen“ sind, und für welche normativen Prinzipien und Strukturen bildet letztere umgekehrt ein förderliches Umfeld? Wo genau liegen die Korrespondenzen, ko-evolutionären Entwicklungen, wechselseitigen Entsprechungen, Irritationen und Verstärkungen? V. Theorieangebote Der vorliegende Beitrag schlägt vor, die Institutionalisierung der normativen Moderne soziologisch mit zwei unterschiedlichen theoretischen Instrumenten zu beobachten – zum einen vermittels der Luhmann’schen Systemtheorie, um deren Adaption und Weiterentwicklung sich auch der Jubilar über Jahrzehnte hinweg bemüht hat,44 und zum anderen mit dem sich als „makrophänomenologisch“45 bezeichnenden world polity-Ansatz der von John W. Meyer begründeten Spielart des soziologischen Neoinstitutionalismus. 1. Systemtheorie Die Theorie selbstreferentieller Systeme Niklas Luhmanns thematisiert den historischen Prozess und gegenwärtigen Stand der funktionalen Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme und deren Umstellung auf eine jeweils eigene Rationalität. Für die Suche nach der erklärungskräftigsten Theorie des Prozesses, der zur Herausbildung der Eigenlogik des Rechts und damit zur Institutionalisierung der Normativen Moderne geführt hat, scheint sie unter den soziologischen Makrotheorien die aussichtsreichste Kandidatin zu sein. Dies gilt gerade, weil die Systemtheorie als Theorie des Rechts der Gesellschaft Rechtssoziologie ist und keine Selbstreflexion des Rechtssystems. Sie ist second order observation, eine Fremdbeschreibung46 des Rechts, eine Beobachtung von außen,47 nicht von innen.48 Im Gegensatz zu theoretischen Reflexionsformen des Rechts, die selbst normative Geltungsansprüche er42
Vgl. Siep et al. 2012; Gutmann 2011a und 2013b. Parsons/Platt 1973. 44 Vgl. bei FN 5. 45 Meyer et al. 2005b. 46 Luhmann 1993a, S. 17, vgl. S. 24, 497. 47 Luhmann 1993a, S. 16; siehe auch Habermas 1992, S. 62 ff. 48 Luhmann 1993a, S. 12, 33, 502. 43
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heben und deshalb dem Rechtssystem zurechenbar sind, will und muss die Luhmann’sche Systemtheorie qua soziologische Theorie normative Implikate ganz ausdrücklich vermeiden.49 Die systemische „Autopoiesis ist kein politisches und auch kein ethisches Kriterium der Akzeptabilität von Recht.“50 Gerade aus diesem Grund ist von Luhmann für den Versuch, das Konzept der Normativen Moderne auch in ihrer Entwicklungsdimension gesellschaftstheoretisch zu verankern, Einiges zu lernen: Erstens eine theoretische Fundierung dafür, warum die Figur der subjektiven Rechte, die wir als Motor der normativen Dynamik der Moderne ausgemacht haben, auch in der soziologischen Beobachtung als die Errungenschaft des neuzeitlichen Rechts und seiner theoretischen Reflexion verstanden werden muss.51 Funktionale Differenzierung und die Institutionalisierung subjektiver Rechte, die mit dem Schutz des Individuums (etwa seiner Religionsfreiheit) zugleich der Aufrechterhaltung der Ausdifferenzierung sozialer Systeme (im Beispiel: der Religion und der Politik) dienen, sind komplementäre, ko-evolutive historische Prozesse:52 Die simultane Teilnahme der Individuen an den verschiedenen systemischen Kommunikationen komplexer, funktional ausdifferenzierter Gesellschaften lässt sich nur noch über subjektive Rechte koordinieren; subjektive (Bürger-, Menschen-, Grund-)Rechte stabilisieren, indem sie individuelle Freiheiten garantieren, funktionale Differenzierung. Subjektive Rechte sind damit, wie Luhmann zeigt, die wesentliche Möglichkeit abstrakter Systemsteuerung in modernen Gesellschaften. Sie stellen evolutionäre Universalien im Sinne Parsons dar, die eine höhere adaptive Elastizität des Rechts ermöglichen.53 Das subjektive Recht ist zugleich Produkt und Ermöglichungsbedingung funktionaler Differenzierung. Zweitens bietet die Theorie selbstreferentieller Systeme nicht-teleologische Konzepte der „sozialen Evolution“, der „Evolution des Rechts“54 und der „Ideenevolution“ im Sinne der Entwicklung sozialer Semantiken.55 Diese werden von Luhmann zwar vom Begriff der Kontingenz her entwickelt,56 enthalten aber die theoretischen Mittel dafür, die Selbststabilisierung (der u. a. von der Religion geschiedenen) rechtlichen Begründungsformen im Prozess der Ausdifferenzierung des Rechtssystems zu erklären.57 Man wird von der Systemtheorie hierbei drittens darauf verwiesen, dass rechtliche Kommunikation in besonderer Weise auf die Forderung konsistenten Ent-
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Luhmann 1993a, S. 31. Ebd., S. 83. 51 Ebd., S. 291. 52 Verschraegen 2002, S. 262; siehe bereits Luhmann 1965. 53 Vgl. Krawietz 1978, S. 336 ff. 54 Luhmann 1993a, S. 239 ff. 55 Vgl. Luhmann 2008a sowie Luhmanns Untersuchungen zu „Gesellschaftsstruktur und Semantik“. 56 Luhmann 1978, S. 421 und 1982, S. 155. 57 Luhmann 1981a und 1993a. 50
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scheidens und Begründens verwiesen ist;58 gerade dies kann die Logik der Inklusion erklären, mit der sich der fortschreitende Abbau von Diskriminierungen im Recht, den die Grund- und Menschenrechte verhandeln, vollzogen hat und vollzieht. Spätestens seit dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ist die Einsicht formulierbar, dass sich die normativ angeordnete Schlechterstellung bestimmter Bevölkerungsgruppen vor dem Hintergrund des menschenrechtlichen Egalitarismus nicht mehr plausibel oder gar konsistent begründen lässt, und gerade die an rechtliches Entscheiden gerichtete Konsistenzanforderung begünstigt die schrittweise Durchsetzung normativer Inklusion. Dies alles wird viertens durch Luhmanns Hinweis ergänzt, dass unter Bedingungen funktionaler sozialer Differenzierung die Anstößigkeit bestimmter Diskriminierungen, d. h. der Zuschreibung von Rollenasymmetrien durch nicht disponible externe Referenzen (vor allem Rasse, aber auch Religion und sexuelle Orientierung) „strukturell bedingt“59 sei. Kategoriale Ungleichheit, typisches Kennzeichen vormoderner, stratifikatorischer sozialer Differenzierung, wird in modernen Gesellschaften dysfunktional – auch insoweit weisen die normativen Grundlagen der Moderne und die Dynamik funktionaler Differenzierung in dieselbe Richtung.60 Dasselbe gilt für den eben dargestellten Befund, dass die simultane Teilnahme der Individuen an den verschiedenen systemischen Kommunikationen komplexer, funktional ausdifferenzierter Gesellschaften sich nur noch über subjektive Rechte koordinieren lässt. Beides sind Momente des auch von Krawietz beschriebenen Prozesses, in dem sich die Positivierung von Menschenrechten seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts „als Teil einer Evolution des Rechts dar[stellt], in der die moderne Gesellschaft ihre Rechtsstrukturen der Gesellschaftsentwicklung angleicht.“61 Das ist kein normatives Argument, aber für die sozialen Verwirklichungschancen der Normativen Moderne von Bedeutung. Diese theoretischen Befunde belegen, dass sich die Frage, wie sich die normative Entwicklungsdynamik ,moderner’ Menschenrechte zum Begriff der Moderne in den Sozial- und Geschichtswissenschaften in ein Verhältnis setzen lässt, sinnvoll stellen und beantworten lässt. Fünftens schließlich bietet die Luhmann’sche Theorie ein Instrument, mit dem der für den Normenwandel wesentliche Befund thematisiert werden kann, dass die normativen Begründungen für einen Normenwandel (ja selbst seine politische Setzung) seiner sozialen Realisierung regelmäßig zeitlich vorausgehen, wie das gerade die Geschichte der Menschenrechte belegt. Luhmann analysiert dies mit dem Begriff der preadaptive advances, mit denen Errungenschaften bezeichnet werden, die im Rahmen eines älteren sozialen Ordnungstypus entwickelt und stabilisiert werden, die aber erst nach weiteren strukturellen Änderungen des (sozialen) Systems in ihre endgültige Funktion eintreten.62 Gerade der systemtheoretisch-funktionale Begriff 58
Luhmann 1993a, S. 18, 338 ff., 356 f. Luhmann 1993a, S. 581. Zur sozialen Systemabhängigkeit normativer Strukturbildungen siehe auch Krawietz 1993b, S. 248. 60 Vertiefend Schmidt 2013b. 61 Krawietz 1978, S. 330. 62 Luhmann 1978, S. 433 und 2008b, S. 249. 59
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der Norm als einer kontrafaktisch stabilisierten Verhaltenserwartung erlaubt sodann die Analyse des Phänomens, dass Normen auf vielfache Weise ihre eigene Durchsetzung begünstigen und auch „gegen eine massiv andersgerichtete Realität durchgehalten werden können“. Luhmann kommentiert diese faktische Kraft des Normativen lakonisch mit dem Satz: „Die Geschichte der Menschenrechte, lanciert in einer Gesellschaft mit Sklaverei, mit massenhaften Enteignungen politischer Gegner, mit drastischen Einschränkungen der Religionsfreiheit, kurz: in der amerikanischen Gesellschaft um 1776, zeigt, daß es möglich ist.“63 2. World polity theory Will man die von Luhmann angesprochene Frage, wie bestimmte normative Gehalte „in die Welt kommen“ und sich in derselben ausbreiten, differenzierter beantworten, wird man die Systemtheorie – die der grundlegende soziologische Referenzpunkt auch einer Theorie der Normativen Moderne bleibt – allerdings verlassen müssen. Eine Möglichkeit dafür, ein zweites Beobachtungsinstrument zu gewinnen, könnte darin liegen, den Spezifika einer modernen Rechtskultur nachzugehen. Lawrence Friedman versucht sich an der deskriptiven Herausarbeitung eines solchen Konzepts, das auf ein Set normgenerierender kollektiver Vor- und Einstellungen abzielt, die in der (westlichen) Moderne in institutionell gefestigter Form idealtypisch zu beobachten seien und zugleich Grund und Randbedingungen der Rechtsentwicklung darstellten. Friedman nennt ein zusammenhängendes „System“ von sechs solcher Charakteristika einer modernen Rechtskultur, darunter zwei materielle: (1) eine durchgängige Umstellung auf institutionalisierte subjektive Individual(grund)rechte in Prozessen der Konstitutionalisierung des Rechts, und damit verbunden (2) die grundlegende Vorstellung eines normativen Individualismus, der wiederum durch subjektive Rechte und Ansprüche abgesichert werde und insbesondere Freiheitsbereiche je individueller Lebensführung und Persönlichkeitsentwicklung garantieren solle.64 Beide Momente umschreiben zusammen genau die Tradition der Grund- und Menschenrechte (der sogenannten „ersten Generation“), von der hier die Rede ist.65 Allerdings vermag der schillernde Begriff der Rechtskultur die von normativen Geltungsansprüchen und Gründen vorangetriebene innere Entwicklungsdynamik der Menschenrechtsidee nicht recht zu erklären. Versteht man mit Friedman die „Rechtskultur“ als „Quelle des Rechts“,66 handelt man sich jedenfalls ein analytisch unscharfes Konzept ein, in dem die Ebenen von Faktizität und Geltung theoretisch wenig kontrollierbar ineinander verlaufen.
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Luhmann 1993a, S. 4 f. Friedman 1994 und 2001, S. 8504. 65 Siehe nunmehr auch Friedman 2011. 66 Friedman 1994, S. 118.
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Ein leistungsfähigeres Konzept zur Erklärung des für die Ausbreitung der Normativen Moderne zentralen kausalen Wirkmechanismus kulturell vermittelter, tendenziell globaler normativer Prinzipien findet sich in dem sich selbst als „makrophänomenologisch“67 bezeichnenden world polity-Ansatz des von John W. Meyer begründeten soziologischen Neoinstitutionalismus. Die Hauptlinie des von Meyer et al. nicht zuletzt im Anschluss an Durkheim und Weber68 entwickelten Arguments69 lässt sich folgendermaßen rekonstruieren: Die (im Sinne Webers verstandene) westliche Rationalisierung, insbesondere das Zurechnungssystem70 der westlichen Kultur, das die Vorstellung von Handlungsfähigkeit (agency) von Göttern und natürlichen Kräften abgelöst und in den Menschen sowie in die Gesellschaft selbst verlegt hat,71 habe dazu geführt, „Gesellschaft als Mittel zu kollektiven Zwecken“ zu begreifen, die immanent auf die beiden Mythen Fortschritt und Gerechtigkeit bezogen seien.72 Hiermit werde zugleich die Möglichkeit, Notwendigkeit und Legitimität einer zweckgerichteten, rationalen Organisation dieses Unternehmens und, damit verbunden, die Vorstellung legitimierter, weil als zweckrational ausgewiesener Akteure vorausgesetzt. Die Kriterien des westlichen Gesellschaftsprojekts kristallisierten sich in Form globaler Modelle, die sich auf rationalisierte, insbesondere in den Wissenschaften ausdifferenzierte Begründungen stützten.73 „Verantwortungsbewusste“ und damit rationale (individuelle und soziale) Akteure seien unter dem herrschenden Paradigma einerseits gehalten, wissenschaftliches Wissen zu berücksichtigen und andererseits ihre Verantwortlichkeit unter Bezugnahme auf universelle Moral- und Gerechtigkeitsprinzipien zu demonstrieren, wie dies beispielhaft etwa die Etablierung und Ausarbeitung eines weltweit gültigen Begriffs von Menschenrechten und seiner Implementierung in Rechtssystemen zeige.74 Die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsregimes lässt sich so in makrosoziologischer Perspektive als exemplarisches Beispiel eines global institution building75 im Medium des Rechts analysieren. Meyer et al. arbeiten die These der „globalen kulturellen Konstruktion des modernen Akteurs“76 aus, der zufolge die beiden Prozesse (a) der dominanten (sowohl instrumentellen als auch normativen) Rationalisierung des Handelns und der Ausrich67
Meyer et al. 2005b. Krücken 2005. 69 Zum Überblick: Meyer 2009. 70 System of cultural accounts – Meyer et al. 2005a, S. 40. 71 Meyer/Jepperson 2005, S. 49 ff. 72 Meyer et al. 2005a, S. 34. 73 Meyer et al. 2005b, S. 91. 74 Meyer/Jepperson 2005, S. 54 – 58. 75 Ramirez/Meyer/Wotipka/Drori 2002. Von besonderem Interesse ist die Beobachtung Meyers, dass globale normative Lernprozesse durch Diffusion und Expansion von Prinzipien schneller auf der Ebene fundamentaler normativer Prinzipien vonstattengehen als auf der Regelebene (Boyle/Meyer 2009, S. 328). 76 Meyer et al. 2005b, S. 114. 68
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tung der legitimierten kollektiven Modelle an dieser Rationalisierung sowie (b) der Konstruktion von Einheiten, denen der Status des zweckorientierten Akteurs zugeschrieben wird, wechselseitig voneinander abhängen.77 Die Autoren rekurrieren dabei auf die im neuen soziologischen Institutionalismus78 ausgearbeitete Überlegung, der zufolge soziales Handeln in modernen Gesellschaften durch institutionalisierte Regeln und Handlungsmuster geprägt ist,79 die meist auf einer sehr allgemeinen (und regelmäßig auf globaler) Ebene liegen und im Medium der Kultur vermittelt werden. Dieser spezifische Kulturbegriff wird umgehend expliziert: Die „kulturell“ vermittelten Modelle „manifestieren sich im wissenschaftlichen, professionellen und juristischen Wissen über das ordnungsgemäße Funktionieren von Staaten, Gesellschaften und Individuen und sind eher kognitiv und instrumentell als expressiv“.80 Dieses Wissen werde in einem von Experten dominierten81 Prozess institutionalisiert, durch den bestimmte Handlungsmuster kognitive bzw. normative Gültigkeit erlangten und – etwa in Wissenssystemen oder im Recht – auf eine Weise als Selbstverständlichkeiten oder Gesetzmäßigkeiten etabliert und akzeptiert würden, dass Verstöße gegen sie Legitimationsprobleme der betreffenden Akteure nach sich ziehen könnten.82 Kultur im Sinne solcher Wertegeneralisierungen sei in der Weltgesellschaft in Form von Organisationen präsent83 und dränge auf den Ausbau von Strukturen. Die von Meyer et al. beschriebenen weltkulturellen Modelle der funktionalen Anforderungen an moderne Gesellschaften, Organisationen und Individuen beziehen sich (in Jürgen Habermas’ Terminologie) also sowohl auf den pragmatischen als auch (was uns besonders interessiert) auf den moralischen (bzw. rechtlichen) Gebrauch der praktischen Vernunft.84 Sie transportieren in beiden Bereichen Anleitungen zur sozialen – auch normativen – Modernisierung,85 die sich, je nach der Nähe der betreffenden Organisation zum weltkulturell vermittelten System universalistischer Prinzipien, langsamer oder schneller vollzieht.86 Für die Entwicklung des Rechts stellen Meyer et al. dabei, nicht anders als Friedman, auf die Diffusion und Expansion universalistisch begründeter Prinzipien eines normativen Individualismus ab, der sich insbesondere in der Garantie starker subjektiver Rechte auf individuelle Selbstbestimmung und Identitätsfindung ausbuchstabiert.87 77
Meyer et al. 2005a, S. 19. Meyer et al. 2005a; vgl. Hasse/Krücken 2005. 79 Meyer et al. 2005a, S. 17. 80 Meyer et al. 2005b, S. 92. 81 Meyer 2000. 82 Meyer et al. 2005a, S. 18, 28. 83 Meyer et al. 2005b, S. 89; Meyer 2009a, S. 281. 84 Habermas 1991b, S. 100 – 118. 85 Meyer et al. 2005b, S. 112. 86 Boyle/Meyer 2009, S. 327 ff. 87 Meyer 2009a, dort S. 285 f., 289 ff.
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Mit Hilfe der Analyse solcher globalen Konformitätsmuster, die nach Meyers Überzeugung nicht allein aus Machtbeziehungen und funktionalen Erfordernissen abgeleitet werden können,88 gelingt es seinem top down-approach auf plausible Weise, die insgesamt erstaunlich große Gleichförmigkeit institutioneller, auch rechtlicher89 Strukturen sowohl in Nationalstaaten mit unterschiedlichen Traditionen als auch auf transnationaler Ebene aus „weltkulturell“ vermittelten, externen, institutionalisierten Realitäts- und Wertdefinitionen zu erklären.90 Meyer et al. reflektieren hierbei, dass der world polity-Ansatz in seiner Analyse der globalen Diffusion und Expansion der Institutionen der Moderne mit einer systemtheoretischen Analyse der Weltgesellschaft konvergiert.91 Hierbei begreift auch der Weltkulturansatz die kognitiven und normativen Regelkomplexe der „Weltkultur“ im Anschluss an Weber als Säkularisierungsphänomen der religiösen Modelle des westlichen Christentums92 und „die rationalisierte Moderne [als] eine universalistische und ungeheuer erfolgreiche Form des früheren religiösen und postreligiösen westlichen Systems“.93 Für den Versuch, das Konzept der Normativen Moderne gerade auch in ihrer Entwicklungsdimension gesellschaftstheoretisch zu verankern, ist der Weltkultur-Ansatz in verschiedener Hinsicht erklärungskräftig: (1) Er ist zunächst empirisch breit abgesichert und hat seine explikative Kraft zur Erklärung einer Vielfalt von empirischen Phänomenen und Entwicklungen unter Beweis gestellt. Als Beispiele sind etwa die Entwicklung der rechtlichen und politischen Gleichberechtigung der Frauen,94 die internationale Homogenisierung der Bildungspolitik,95 die erstaunliche internationale Isomorphie bei der – wenngleich historisch langsamen – Beteiligung von Frauen an höherer Bildung96 und die Entstehung eines globalen Umweltschutzregimes97 zu nennen. Meyers Doppelthese, dass globale Modelle es lokalen Akteuren erlaubten, sich auf sie zu berufen und die Modelle diese Akteure zugleich (mit-)produzierten, lässt sich exemplarisch anhand eines der jüngsten Schritte in der Verwirklichung der rechtlichen Logik der Nichtdiskriminierung, der Liberalisierung des Rechts homosexueller Beziehungen, empirisch bestätigen: Schon für die 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts kann beobachtet werden, dass der Ausbau individueller Rechte auf Selbstbestimmung und Geschlechtergleichheit Oppor-
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Meyer et al. 2005b, S. 86. Vgl. Boyle/Meyer 2009. 90 Meyer et al. 2005a, S. 32 und 2005b, S. 96 ff. 91 Meyer 2009a, S. 282. 92 Meyer et al. 2005b, S. 121; Meyer/Jepperson 2005, S. 52. 93 Meyer et al. 2005b, S. 131; vgl. Boyle/Meyer 2009, S. 321 ff. 94 Berkovitch 1999; Ramirez et al. 1997. 95 Meyer/Ramirez 2005; Meyer 2000, S. 242. 96 Bradley/Ramirez 1996; Meyer et al. 2005b, S. 96. 97 Meyer et al. 2005b.
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tunitätsfenster für soziale Gruppen und Bewegungen98 geöffnet hat, die den Abbau der Pönalisierung und Diskriminierung homosexueller Lebensformen vorangetrieben und damit gleichzeitig auf nationaler und internationaler Ebene jene normativen Prinzipien gefestigt haben, deren Umsetzung sie als Akteure allererst möglich gemacht hat.99 Dieser Prozess hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten, in denen nach der Initialzündung Dänemarks die Mehrzahl der westlichen Staaten die Institution einer rechtlich anerkannten homosexuellen Lebenspartnerschaft oder Ehe geschaffen hat, in beschleunigter Form wiederholt und vertieft. (2) Wenngleich Meyer die überwiegend funktionalistischen Theorien und Ideologien der Weltkultur als „sowohl normativ als auch deskriptiv“ begreift und beide Dimensionen für untrennbar hält (was dem Jubilar gefallen dürfte),100 vermeidet die Meyer’sche Analyse dieses Gegenstands doch systematisch Kurzschlüsse zwischen Erklärung und Rechtfertigung und erlaubt es so, den Unterschied von Faktizität und Geltung und die methodischen Grenzen der Normwissenschaften einerseits und der Sozialwissenschaften andererseits systematisch zu reflektieren. Meyer et al. distanzieren sich auf vierfache Weise von einer normativen Apologie der „weltkulturell“ vermittelten Modelle der Moderne. Sie betonen zunächst, (a) dass die kognitiven und normativen Modelle der Weltkultur zwar dynamisch, aber durchaus widersprüchlich, inhomogen und inkonsistent seien und ganz erhebliche Spannungsverhältnisse zwischen den und innerhalb der spezifisch modernen Leitbilder(n) – Freiheit und Gleichheit, Fortschritt und Gerechtigkeit, Standardisierung und Diversität, Effizienz und Individualität – bestünden.101 Hinzu kommt (b), dass der Ansatz reflektiert, dass die Diffusion dieser Modelle kein linearer Prozess ist. Eine dritte Dekonstruktion apologetischer Tendenzen liegt sodann (c) in der Feststellung, dass die weltkulturellen Modelle, die ohnehin in der Form nicht vollständig realisierbarer Ideale aufträten, dysfunktional für die jeweiligen Gesellschaften sein können, in denen sie umgesetzt werden sollen, weswegen Entkopplungserscheinungen – also Divergenzen zwischen den formalen Modellen (der politischen Programmatik bzw. Selbstdarstellung der Akteure) und der tatsächlichen sozialen Praxis – eher die Regel als die Ausnahme darstellten.102 Mit diesem Befund hängt schließlich (d) zusammen, dass die Autoren im Rückgriff auf sozialpsychologische Theorien den dramaturgischen und symbolischen Charakter sozialen Handelns und damit die „Inszenierungsdimension“ der weltgesellschaftlichen Normenentwicklung103 und insbesondere die Dimension der Selbstinszenierung der Funk98 Zur Bedeutung internationaler Organisationen und Non-governmental organizations vgl. Boli/Thomas 1997. 99 Frank/McEneaney 1999. 100 Meyer et al. 2005a, S. 46; Meyer/Jepperson 2005. 101 Meyer et al. 2005b, S. 127. 102 Meyer et al. 2005b, S. 92 – 100. 103 Meyer et al. 2005b, S. 94.
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tionsträger als rationale Akteure in den Vordergrund rücken: In einem kulturellen Umfeld, das den Status des rationalen Akteurs universell einfordere, präsentiere sich nicht nur der Einzelne als zurechenbares Individuum, sondern unterlägen auch die Funktionssysteme der Gesellschaft selbst dem Zwang zur „Inszenierung der institutionalisierten Theorie rationalen Verhaltens“.104 Gerade dieser Aspekt der „Inszenierung“ ist von doppeltem theoretischen Interesse, verweist der Meyersche Befund von einer theoretisch anderen Richtung her auf die auch von Luhmann untersuchten Gründe dafür, dass die Dynamik der Normativen Moderne sich nicht als ,bloße‘ Semantik abtun lässt: Meyer versucht zu erklären, wie es möglich ist, dass die normativen Begründungen für einen Normenwandel seiner sozialen Realisierung zeitlich vorausgehen können, warum und auf welche Weise Normen also ihre eigene Durchsetzung begünstigen und auch gegen eine anders gerichtete Realität durchgehalten werden können. Die Theorie der Weltkultur thematisiert, wie sich Akteure durch die zunächst bloß symbolische Kommunikation und Inszenierung normativer Prinzipien selbst in ein Programm zu deren Realisierung verstricken können. In der Tat gilt gerade für kollektive Akteure: Wer sich auf die Logik der Menschenrechte einlässt, hat sich ihr ergeben. Es ist, um nur zwei Beispiele zu nennen, kein Zufall, dass selbst die Argumentation der muslimischen Staaten im UN-Menschenrechtsrat in Sachen Karikaturenstreit eine genuin menschenrechtliche war, die just den Vorwurf der Diskriminierung, also einen Verstoß gegen das right to equal concern and respect als Basisprinzip der westlichen Menschenrechtslogik, erhob.105 Dasselbe gilt für die Erklärung, mit der 57 Staaten des afrikanischen und arabisch/islamischen Raums die United Nations Declaration on Sexual Orientation and Gender Identity vom Dezember 2008106 abgelehnt haben. Auch dieser Vorstoß, der auf den ersten Blick eher als Ausdruck eines clash of civilizations im Sinne Huntingtons107 zu interpretieren sein könnte, rekurrierte auf (ihrem Anspruch nach) wissenschaftliche und vor allem auf völker- und menschenrechtliche Argumente und hielt sich insoweit im Rahmen jener gemeinsamen „weltkulturellen“ Standards, deren Struktur die Plausibilität der konkreten Argumente, die für die Ablehnung der Deklaration vorgebracht wurden, untergraben muss. (3) Nach dem Übergang nicht nur westlicher Gesellschaften von stratifikatorischen zu funktionellen Modi der sozialen Differenzierung kann sich in systemtheoretischer Perspektive die Inklusion der Individuen in „die Gesellschaft“, also soziale Integration, nicht mehr vorrangig über das je geltende Moral- oder Wertsystem vollziehen.108 Die bei Meyer anklingende Vorstellung einer normativistischen Makrodetermination der Gesellschaft sollte deshalb nicht überspannt 104
Meyer et al. 2005a, S. 36. Walter 2011. 106 UN 2008. 107 Dazu Krawietz 1998. 108 Luhmann 1993b, S. 377 f. 105
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werden.109 Soweit die Theorie der Weltkultur Weltgesellschaft als (auch) normativ integriertes Gebilde ausweisen kann, deren Funktionssysteme wenigstens partiell in einen Komplex übergreifender Wert- und Deutungsmuster eingelassen sind,110 scheint eine Engführung der beiden Elemente der Doppelfrage, wie die Evolution moderner Normativität einerseits sozialwissenschaftlich beschrieben und andererseits normativ beurteilt werden kann, jedoch aussichtsreich. In dieser Perspektive wäre zu prüfen, an welchen Stellen sich die Weberianische Distanz des Meyerschen Ansatzes gegenüber den Inhalten der global vermittelten Normen mit Gründen auflösen lässt. Ähnlich wie Friedman111 konstatiert auch die Gruppe um Meyer, dass die leitenden normativen Regelstrukturen der „Weltgesellschaft“ normativen Individualismus propagieren, d. h. dem Individuum und seinen individuellen Zwecken besondere Bedeutung und besonderes Gewicht verleihen112 (wiewohl der über kulturelle Modelle vermittelte Begriff von Akteur und Individuum zugleich ein standardisierter und isomorpher sei113). Soweit sich also die präskriptiven Geltungsansprüche des normativen Individualismus als begründet ausweisen lassen, kommen die empirische Beobachtung eines normativen Prinzips und seine Rechtfertigung zur Deckung und kann ein Element des rechts- und moralphilosophisch begründeten Konzepts der Normativen Moderne zugleich (und gerade auch in seiner Entwicklungsdimension) gesellschaftstheoretisch verankert werden. Und selbst dort, wo nach Meyer et al. Spannungsverhältnisse zwischen den und innerhalb der spezifisch modernen Leitbilder(n) bestehen, ist doch gerade in der Perspektive der Autoren mit der Möglichkeit zu rechnen, dass normative Diskurse zumindest bereichspezifische Kohärenz- oder Abwägungsmodelle anbieten können, die langfristig in „weltkulturelle“ Normen einfließen. In jedem Fall wird man hinter den Befund des Jubilars, es sei „nach wie vor keine universale Rechtskultur erkennbar“114, ein Fragezeichen setzen dürfen.
VI. Die Einheit der Normativen Moderne Der Lernprozess der Normativen Moderne ist geographisch nicht beschränkbar. Die Normative Moderne hat ihre (partielle) Herkunft aus der christlichen Tradition durch ihre Säkularisierungsleistungen115 längst abgestreift. Weil Fragen der normativen Geltung nicht durch Verweise auf die historische Genese der vorgebrachten Gründe entschieden werden können, steht dem universellen Geltungsanspruch der 109
Ähnlich Knöbl 2007, S. 38. Krücken 2005, S. 306. 111 Friedman 1994, 2001 und 2011. 112 Meyer et al. 2005a, S. 30. 113 Meyer/Jepperson 2005, S. 71. 114 Krawietz 1998, S. 259. 115 Vgl. Siep et al. 2012; Gutmann 2011a und 2013b. 110
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Normativen Moderne ihre Herkunft aus der Kultur des Okzidents auch sonst nicht entgegen. Die Begründungen und Geltungsansprüche, die mit dem Konzept der menschenrechtlichen Gewährleistung von Freiheit und Gleichheit verbunden sind, sind nicht westlich, sondern eben: modern.116 Gleiches gilt für den von Volker H. Schmidt untersuchten Zusammenhang zwischen dem Durchbruch der globalen, weltgesellschaftlichen Moderne und dem Diskurs über globale Gerechtigkeit.117 In beiden Fällen entfaltet die Dynamik der Normativen Moderne ein einheitliches Prinzip. Sie kann deshalb nur im Singular vorkommen. Der Vorschlag des Multiple-Modernities-Ansatzes, den Begriff der Moderne selbst zu pluralisieren,118 ist im Hinblick auf seine normative Dimension deshalb noch unplausibler als es der Ansatz, der über den von ihm verwendeten Begriff der „Modernity“ keine Auskunft geben kann, ohnehin ist.119 Darüber wird nicht zuletzt mit dem Jubilar nochmals zu diskutieren sein. Weder sein Beharren auf der noch überwiegend staatlichen bzw. regionalen Verfasstheit des Rechts120 und auf der Existenz gesellschaftlicher Systeme unterhalb der Weltgesellschaft noch die Anerkennung der Bedeutung kultureller Pfadabhängigkeiten für die Ausbildung rechtlicher Institutionen und Praxen121 sollte ihn dazu zwingen, ein einheitliches Konzept der Moderne – und mit ihm der Modernisierung des Rechts – aufzugeben und die „These einer multiplen Modernität der Rechtssysteme“122 zu vertreten. Die Rechtssysteme mögen multipel sein, ihre Modernität ist es nicht. Bibliographie Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (Hrsg.) (2011): Handbuch zum europäischen Antidiskriminierungsrecht, Luxemburg. Alexy, Robert (1992): Begriff und Geltung des Rechts, Freiburg/München. ¢ (1998): Die Institutionalisierung der Grundrechte im demokratischen Verfassungsstaat, in: Stephan Gosepath/Georg Lohmann (Hrsg.), Die Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt a.M., S. 244 – 264. Belvisi, Francesco (2013): Die Institutionentheorie und die Frage der sozialen Integration. Die Beiträge von Rudolf Smend und Niklas Luhmann, in diesem Band S. 241 – 261. Berkovitch, Nitza (1999): From Motherhood to Citizenship: Women’s Rights and International Organizations, Baltimore/London. 116
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säkularen Begründung staatlicher Normen. Zum Verhältnis von Religion und Politik in der Philosophie der Neuzeit und in rechtssystematischen Fragen der Gegenwart, Tübingen, S. 105 – 118. Siep, Ludwig/Gutmann, Thomas/Jakl, Bernhard/Städtler, Michael (Hrsg.) (2012): Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen. Zum Verhältnis von Religion und Politik in der Philosophie der Neuzeit und in rechtssystematischen Fragen der Gegenwart, Tübingen. Strauss, Leo (1995): Naturrecht und Geschichte [1953], 2. Aufl., Frankfurt a.M. Teubner, Gunther (1989): Recht als autopoietisches System, Frankfurt a.M. UN General Assembly, Statement on Human Rights, Sexual Orientation and Gender Identity, 18 December 2008, http://www.unhcr.org/refworld/docid/49997ae312.html [18.8. 2013]. Verschraegen, Gert (2002): Human Rights and Modern Society: A Sociological Analysis from the Perspective of Systems Theory, in: Journal of Law and Society 29/2, S. 258 – 281. Walter, Christian (2011): Normenbegründung als Lernprozess? Zur Tradition der Grund- und Menschenrechte, in: Ludwig Siep/Thomas Gutmann/Bernhard Jakl/Michael Städtler (Hrsg.), Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen. Zum Verhältnis von Religion und Politik in der Philosophie der Neuzeit und in rechtssystematischen Fragen der Gegenwart, Tübingen, S. 269 – 293. Wittrock, Björn (2000): Modernity: One, None, or Many? European Origins and Modernity as a Global Condition, in: Daedalus 129, S. 31 – 60.
On the Concept of Legal Communication By Andrey Polyakov, Saint Petersburg One would hardly disagree with the fact that legal ideas, science of law, legal ideology depend on the historical époque in which a certain concept of law prevails. Every period of history has its own understanding of law. There is nothing to wonder about the fact that our time also requires a special approach to law. The idea of law as communication and everything connected with this idea seem to be very perspective in the context of search for a theory of law which would be adequate to its time. One can draw several arguments to substantiate this thesis. Firstly, legal theory from this standpoint allows explaining a large variety of phenomena covered by the word “law”. This theory does not overlook other theories, but grants possibility to see their incompleteness. This theory is empirically verifiable, though it is rooted in spiritual values inherent to law and bound with the communicative nature of human beings, with their mentality. Secondly, law itself is taken here as a sphere of human interaction and mutual understanding, of consent and compromise, of liberty and responsibility, of equality and equity – all this allow reshaping law in the spirit of these values. It is not always possible to represent law as a result of unanimity and as a peak of justice; nevertheless, a minimal degree of consent and justice is a necessary precondition of law. Thirdly, in the scope of this approach law is conceived as a phenomenon whose nature does not emanate from state, but is institutional and intersubjective. This approach allows to understand and to explain the joint activities of the non-state actors in international relations; to explain legal pluralism; to argue about different levels of law (as Professor Werner Krawietz does it1). Fourthly, this approach facilitates a better understanding of nature of human rights. These rights can be explained not from the perspective of positivism or that of natural law, but from the standpoint located “between” ius positivism and ius naturalism. This position may be denoted as anthropo-sociological, or communicative. Many Western legal thinkers work in this direction since long time (among others Lon Fuller, Arthur Kaufmann, Karl Ladeur, Gunter Teubner, Werner Krawietz, Mark Van Hoecke, Robert Alexy). Even the philosophers who do not consider themselves 1 W. Krawietz, Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive, in: W. Brugger/U. Neumann/S. Kirste (Hrsg.), Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1998, S. 197 – 200.
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as belonging to communicative philosophy of law, must refer to the spectrum of ideas charged with the problems of communication. Russia is not an exception from this rule. It is noteworthy that the prominent Belgian legal scholar Mark Van Hoecke in Foreword to the Russian edition of his book “Law as Communication” has stressed that “in certain aspects, understanding of law as communication is closer to the Russian legal tradition then to the Western one”.2 I share this opinion, and I have already had possibility to formulate the key elements of the Russian tradition which expresses the ideas of communication,3 as well to articulate my own version of communicative theory of law.4 Important stimulus for development of this trend in the Russian jurisprudence is provided by the works of Werner Krawietz which are studied by his followers in Russia and some of which are translated into Russian and thus made available to the Russian audience.5 Along with the afore-mentioned book of Mark Van Hoecke, the articles of Professor Krawietz remain the principal source of inspiration of the Russian legal scholars who examine law from the standpoint of the communicative theory. The regular GermanRussian seminars of the “Moscow – Saint-Petersburg Dialogue” group headed by Professor Krawietz which are held twice a year since several years constitute an important background for developing the communicative approach to law.6 Despite the fact that communicative approach to law is rooted in the Russian legal science of 19 – 20th centuries, only in the recent years it became possible to detect a revival of interest to this problem.7 Although until now this discussion has not 2
M. van Hoecke, Law as Communication (In Russian), Saint Petersburg 2012, p. 7. A. V. Polyakov, Communicative theory of law as a variant of integral understanding of law, in: Legal ideas and institutes in historical and theoretical discourse, Moscow 2008 (in Russian); id., The Russian legal discourse and the idea of communication, in: id., Communicative conception of law (its genesis and theory), Saint Petersburg 2002, pp. 30 – 50 (in Russian). 4 The communicative theory of law started developing in the contemporary Russian jurisprudence ten years ago with publication of the book: A. V. Polyakov, General Theory of Law, Saint Petersburg 2001. 5 Among these translated works of W. Krawietz are: (1) Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive (2008), in: Pravovedenie 2011, N. 5, pp. 8 – 26; (2) Narrative Jurisprudenz oder Theorie der Rechtskommunikation? Überlegungen zu einer Geschichtenphänomenologie des Rechts (2010), in: Pravovedenie 2012, N. 1, pp. 18 – 32; (3) The Concept of Law Revised – Directives and Norms in the Perspectives of a New Legal Realism (2001), in: Russian Yearbook of Legal Theory 2008 N. 1, pp. 433 – 445; (4) The Contemporary Law and the System of Law in the Perspective of the Communicative Theory, in: Russian Yearbook of Legal Theory 2011, N. 4, pp. 168 – 179. 6 See on it: M. V. Antonov/A. V. Polyakov, Legal Communication and Rule of Law, in: Pravovedenie 2011, N. 6, pp. 214 – 220. 7 E. A. Romanova, Legal Communication: a General Analysis, Saratov 2011 (in Russian); L. S. Mamut, Legal communication: a Sketch of a Theory, Moscow 2011 (In Russian); id. (ed.), Legal Communication: Establishing the Problematic, Moscow 2012; V. G. Grafsky, Legal Communication in the Past and in the Present, in: Pravo i Politika 2011, No 1 (in Russian). 3
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brought any significant results among the practitioners of law in the Russian legal community,8 even if arguing about the communicative theory of law in the framework of the “Moscow – Saint-Petersburg Dialogue” resulted in drawing the interest of this community to the communicative aspects of law. Moreover, the very idea of legal communication in this discussion remains mysterious and vague for many of its participants. One can assert that social and legal communication cannot be understood without recourse to ideas of sociology, linguistics, phenomenology, hermeneutics, structuralism and post-structuralism. Communication must be considered as a primary and basic fact of social life; this fact make one human being look at another human being through the perspective of human being and measure this perspective through dimension of humanity. No communicative theory is possible without this perspective. Strictly speaking, use of phenomenological methods allows depicting only communication; and law is possible only as an epiphenomenon of communication, i. e. only in the scope of communication and within its limits. Law “as it is” is nothing more than communication. This thesis must be substantiated. Can anyone consider law without its communicative aspect? This question implies another question: can anyone consider law as something existing independently of human beings (of human society), as exterior reality for humans, as a fact – let’s say, as gravitation law which remains valid in spite of what individuals feel about it or what the whole society thinks of it. An intuitive reply would be rather negative. But to gain maximal clarity in this matter, one has to examine human beings and to find what is specifically “human” in them. A man is a kind of creature which is capable to differentiate himself from the surrounding world. A human personality begins from knowledge that there is “Me” and “Others”. As Semen Frank puts it, if every person was a unique self-referential entity having nothing in common with another person, then a society as a common existence would not come out.9 It is interesting that this differentiation is only possible if there is a certain unity (and equality, in this sense) between the subject and the object of differentiation; although, revealing this unity is possible solely with some differences at hand. It is not a secret that such possibility exists due to a special mediator between the subject and the object of differentiation, this mediator being language as a system of signs. Unlike other speakers and users of language, a human is guided by meanings which are drawn from certain texts. Meanings do not exist without texts, as everything which is meaningful always exists through a signifier, i. e. through signs. That is why a text is 8 The situation is nevertheless changing – recently, on 16th of May, 2013, Professor Krawietz exposed his ideas in a workshop organized by Ministry of Justice of Russia, this workshop presided by the Minister Alexander Konovalov. See: http://www.spblegalforum.ru/ spilf2013/Satellite?pagename=LF%2FAccount%2FChangeLocale&lang=en. 9 S. L. Frank, The Spiritual Foundations of Society: an Introduction to Social Philosophy, Leningrad 1991, p. 284. (in Russian) [cf. this book in English: S. L. Frank, The Spiritual Foundations of Society: an Introduction to Social Philosophy, Ohio 1987].
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not a creation of a writer, but is everyday’s reality which is handled by every human.10 Saying something meaningful implies creation of a text. Another person perceives your thought not directly but through a system of signs which belongs to a text (it is another issue whether this text is oral or written, verbal or non-verbal). Specificity of each text resides in the fact that text does not exist independently but always is given in a certain context. To be sure, a text can be understood only in a context; in its turn, context is a set of other texts. Meaning (not semantics) of the phrase “Smoking is prohibited” contained in some text can be understood only in the context given grace to knowledge of certain circumstances: who and when created this text, with what purpose, which reaction is expected in case of non-compliance with the prohibition, etc.11 One could feel that these theses are fairly apparent and hardly can be original. But it is this apparentness which makes us accept that communication is par excellence the constitutive basis of sociality. One cannot simply denote a social phenomenon as a human interaction, because in this case the nature of such interaction remains in the shadow. At the same time, it is insufficient to specify its character through description of the exchange of information which is provoked by this interaction. Sociality is a joint activity on the base of the received meaning of the texts which are common for the cooperating subjects. We can connote it as communication. Communication is an “atom” of sociality. Sociality does not exist without communication. What matters here is not the fact of joint activity but the fact that this joint activity is determined by some “subjective” capacities to understand the meanings which are “objectively” preset by the existing texts. Communication appears at the borderline of objectivity and subjectivity, of humanitarian and social, of logical and hermeneutical, of public and private, of rational and emotional, of incidental and systemic. Communication comprises all this. That is why these characteristics of communication have the prima facie importance – no matter which forms of sociality are meant. This also applies to law. Long ago it has been noticed that law does not exist as a reality directly accessible to cognition. For example, animals see the surrounding world, perceive dangers and watch the preys which can be caught; but these animals cannot “catch” law. Law does not exist for them. Law appears where there is an emergence resulting from connection of “subjective” understanding of meaning of a legal text and of its “objective” significance. Legal text is not a text which simply describes something, but it is a text which legitimately assigns to certain subjects-addressees their behavioral faculties.
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Cf. I. Grýzin, Law is Myth, in: International Journal for the Semiotics of Law 2005, p. 24. 11 This example is borrowed from the article of Eugenio Bulygin, About the problem of objectivity of law, in: Philosophy of Law Issues. An International Journal Vol. III, No. 1 – 2, Kyiv 2005, pp. 8 ff. (In Russian) [cf. in English: E. Bulygin, Objectivity of Law in the View of Legal Positivism, in: Analisi e diritto 2004, pp. 219 – 227].
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In this communicative aspect, law is not an abstract metaphysical idea (like the idea of freedom), it is not a-priory value (like the value of equality), it is not a textual prescription which is backed by someone’s will (like the law), but it is a “living” (total, synthetic, integral, developing) social phenomenon. Why should one speak here of communication and not of any similar phenomena, like human relations? I consider “relation” as a notion which is not identical to “communication”. On the one hand, this notion (“relation”) is usually associated with the commonplace, simplified, narrative representations of human coexistence. Relation is often interpreted as an interaction which falls outside the notion of text and has nothing to do with particularities of perception of the text (cf. above). As if a coordinated performance of orchestra were possible without playing from music. On the other hand, such kinds of communication, as legal communication, go beyond the borderlines of personal relations which are primarily targeted at forming of personal (face-to-face) interaction. I consider “relation” as a simplified version of communication, and the examples drawn above confirm this consideration. There are various approaches to definition of the notion of communication. In sociological jurisprudence and in philosophy of law one of the prevailing and famous approaches is developed in the conceptions of Niklas Luhmann and of Jurgen Habermas. Luhmann eliminates subjects and their rational behavior from the notion of communication. He asserts that many thinkers implicitly believe that communication is aimed at a consensus, at a search for harmony. It is on this foundation that Habermas builds his theory of rationality of communicative action.12 Nevertheless, this theory is erroneous already at the empirical level. One can enter into communication just to demarcate discrepancies; one can start arguing and there is no imperative argument to think that a search for harmony is more rational than a search for discrepancies. It is also true for themes and partners. It is self-evident that communication is not possible without any accord whatsoever, but neither it is possible without any discrepancy whatsoever. Communication imperatively establishes that the matter of accord or of discrepancy can remain open as to the themes not actual at the given moment.13 In our opinion, both positions – that of Luhmann and that of Habermas – need to be concretized. What does it mean “to enter into communication to demarcate discrepancies”? One can demarcate discrepancies either through forwarding rational arguments about significance of these discrepancies, or simply through claiming their significance without resort to any rational argumentation. Otherwise, it would be senseless to “demarcate” any discrepancies. Such actions are always intended to have re12 J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung, Frankfurt a. M. 1982, S. 367 – 452. 13 N. Luhmann, What is communication?, in: Communication Theory 1992, Vol. 2, Issue 3, pp. 251 – 259. In another paper Luhmann writes that communication creates such a state of recipient without which there would be no communication, but which is determined by the recipient himself. That is why accepting or declining as well the further reaction does not enter into the notion of communication (see in details: N. Luhmann, Social Systems, Stanford 1995).
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action, to provoke some reciprocal behavior. The concept of communication proposed by Luhmann seems to be too narrow. For Luhmann, communication is a synthesis of three different selections: that of information, that of communicating this information, and that of selective understanding or misunderstanding of this message and of the information contained therein.14 If the information has descriptive character, such concept of communication is viable. But the things are different as to the prescriptive information which has primordial meaning for law. If someone prescribes to anyone to perform certain actions, and this someone refers thereby to such reasons of this claim which are acknowledged by the parties, then communication cannot amount solely to selection and apprehension of this information, to a simple perception of information. The correlated behavior also will form integral part of understanding. In my opinion, human behavior (action) cannot be barred from the notion of communication, as behavior is inalienable part of cognition and understanding. Maturana and Varela insist that every human action, inclusive of communication, is performed through language.15 It ensues from this idea that subject of communication always deals with a text, i. e. with an ordered system of signs which refers to another reality. In this sense every communication is mediated by a text. Text is a total system of signs which conveys certain meaning. Sociality is always mediated by texts – this is modus vivendi of sociality. At the same time, the text presupposes existence of subjects capable to understand texts and their value (subjects able of interpreting these texts), and capable to interact on the basis of the received information.16 If it occurs, it means that communication has taken place. It is only in this sense that one can speak about legal communication when interpreting a text which establishes that “smoking is prohibited”. This text will be legal not because state has established an interdiction to smoke and fixed it in a law, but insofar as the social subjects who interpret this text, basically apprehend the text as binding, as establishing a certain interdiction, and as empowering the corresponding social structure to require that this interdiction be respected. Social legitimacy which is apparent here cannot be depicted through any quantitative variables (e. g., counting how many people support the law). This legitimacy is revealed only empirically as a certain social energy which allows that the subjects act publicly and fairly as bearers of their rights and obligations; that they defend and secure their rights (individually or through social institutions, including state). However, it ensues from the above-said that legal communication (and not communication in general) cannot in this case be 14
Luhmann, What is communication? (note 13). H. Maturana/F. Varela, The Tree of Knowledge: Biological Roots of Human Understanding, Boston/London 1992. 16 A. Polyakov, About the notion of public authority, in: State: multiplicity of approaches (Festschrift for the 80th anniversary of Professor L. S. Mamut), Moscow 2009, pp. 25 – 27 (in Russian). See also: W. Krawietz, Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme, in: Gerhard Preyer (Hrsg.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft, Wiesbaden 2009, S. 249 – 271. 15
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reduced solely to understanding the fact that there exists an interdiction to smoke. There is nothing distinctively legal in inferring that a text is a reason for interdiction. The subject who understands that smoking is prohibited and who nevertheless continues smoking, is not a participant of legal communication, even if he can be regarded as a participant of informational communication (this was the opinion of Niklas Luhmann). The key elements of legal communication are correlative rights and obligations. Due to their specific normativity, they define the particular character of communication, and depict it exactly as legal communication. That is why in this case legal communication can only take place when all addressees of the legal interdiction understand necessity to respect it and to refrain from smoking, i. e. to exercise their obligation. It is of the decisive importance that here cognitive perception of this interdiction is produced not due to freedom of self-determination, but due to acknowledgement that the claims to execute this obligation by the addressee of the norm are rightful. Law emerges at the cognitive level but exists only in the performative shape which is actualized through rights and obligations. Therefore, communication leads us from a text to an action; this effect is reached through legitimating this text. Communication comprises informational and behavioral aspects as its “antecedent” and “consequence”.17 As a result, communication comes out as an operatively closed cycle; it is a totality which gives birth to another communicative totality. Communication consists not of facts-things, but of processes-events. As it has been noticed above, if sociality is represented through texts (which are coordinated systems of signs), one needs to presuppose existence of subjects capable of understanding texts and of appreciating these texts (i. e., able to interpret these texts), and consequently capable to interact on the base of the received information. What matters here is the linguistic envelope of information. Every human interaction to a certain extent is mediated through language, speech, and through the corresponding texts. Language and speech exercise suggestive pressure, they involve into and bring about a kind of socialization. The scheme here is as follows: from signs to their understanding, and to transferring them to others. This leads to emergence of certain actions which are adequate to the received (understood) and reproduced information (the perlocutive effect). Here emerges communication in its explicit form – the quintessence of sociality. Nothing but communication connects texts, their ideal and axiological dimensions, with behavior of subjects. Communication resembles a chemical reaction. For the reaction to go smoothly, it is necessary to have several components. Taken apart, these chemical elements exist independently and their properties do not depend on properties of other elements. But in the course of the chemical reaction there emerges a new quality which cannot be 17 If one considers social communication through the lenses of theory of speech acts of J. L. Austin, one could affirm that every social communication is based on speech acts which have locution, illocution and perlocutive effect.
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found in the properties of the isolated elements; this is the way to bring about emergence of law, to refer to the terminology of Professor Krawietz. The same is with law. Particular components of law, e. g. legal texts (which are semiotic systems which accumulate legal information), subjects endowed with legal consciousness and will, their real activity in the framework of social time and space – all this does not yet constitute law as a total (integral) phenomenon. Law emerges only due to a certain “chemical reaction” in the form of legal communication. Law is nothing but legal communication. This communication results in an alloy, in a unity of subjective and objective, in restoration of their eidetic unison, this unison being reflection of unity (non identity) of the rights and obligations realized in the practice and laid down in the corresponding texts. In this perspective, law exists both at the social level and at the level of state. But even at this latter level, law does not emerge automatically, only pursuant to will of a legislator. Every juridical law is a text. But a text as a system of signs refers to another reality which is represented, is symbolized by this text. The text also reveals its meaning, becomes a legal text and a source of law only provided there are social subjects who interpret this text, who are capable to grasp meaning of this text and to accomplish this meaning in their behavior. In other terms, each legal text exists only as a link in the chain of the system of legal communications. Without communication law is principally impossible – without communication there are only some material objects, e. g. paper with the typographical imprints on it … What kind of reality is represented by the law? Seemingly, one could assume that the law establishes rules of Ought and thus does not depend on Is, on social reality. But impossibility to deduce Ought from Is does not prove that Ought is independent on Is or, in our case, on social reality. The imperatives which are not related to social reality would remain imperatives only in consciousness of their authors. In its core, Ought has not only a formally logical meaning but also axiological significance. Even if Ought is not deduced in a formally logical way from a text, nonetheless the meaning of this text is understood as Ought. For this effect it is not enough to establish only several purely formal aspects which characterize the legal text. (Among such aspects one can mention that a legal text is logically consistent and is focused on the future behavior; that the rule contained in this text is feasible and is deductible from a more general rule, etc.) If the text of a law claims to convey some legal meaning, then this text must be inscribed into a certain legal “territory”, into a certain legal space to become a legal text. This space is Lebenswelt in the phenomenological sense. I. e., the world of habitus, of the recognized and legitimated reality. These texts are a kind of “maps” of territories. One can say that the law and law are tied together by communication into an entire totality in the same manner as are tied the map and the territory marked on it. None of these elements exist in the social sense without communication. Let us once again examine the question about how to differentiate legal communication from other kinds of communication. As a practical system of activity, law is
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based on mutual understanding, so that it cannot exist without such understanding. If there is no mentally correlated behavior, there is no law. Law is impossible without information which is structured by a source of law and is addressed to the subjects of legal communication. It is not contents of the information, and not the prescriptive form of this information which are conditions of legal communication, but rather the persuasive force of this information. Without this force there can be no legal communication in the sense of practical joint activity. Law exists only if people are persuaded that there is law. It occurs when law becomes a part of Lebenswelt, i. e. grows into the space of legal communication. In the opinion of the contemporary Estonian theoretician, echoing the ideas of the realist and of the sociological jurisprudence, law always needs a community of followers who will distribute it, like a myth needs a bonfire around which the people transfer this myth to each other. The legal values which undergird jurisprudence are transferrable only in the living communication.18 Habutualization and institutionalization of legal texts, their recognition (formal and informal legitimating) are the point on which one can put counterbalances to physical force in law, to violence. Law is always displayed in institutions. It is these institutions which build the force of law as the legitimated force of legal regulation. That is why coercion in law always has legitimated and symbolic character which by far does not rules out physical compulsion. Law is legitimated also through symbolic interaction. It allows filling in the gaps in understanding and justification of law (these gaps are created due to reduction of complexity of legal reality).19 It is necessary to stress that cognition and imagination which produce a monocentric picture of law supposed to be created by state, do not have irregular character, imagining such a picture is not a solely subjective phenomenon. Following to Bourdieu and to Foucault, one can assert that this is the result of symbolic violence (or, better, of coercion!) exercised by state and by society. This violence (coercion) is symbolic in the sense that it is expressed in the legal texts which subordinate consciousnesses of the members of society through disciplinary practices.20 State trains its members to subordination, habituates them to the thought that monopoly to lawmaking belongs to state – all this is a part of legal socialization. But this must not lead to misunderstanding and create a simplified vision of legal reality. Thus, binding force of law and, consequently, law itself are impossible when the subjects of social system do not recognize law as such; if this recognition occurs, law is deemed to be recognized by the system itself. But recognition of law (of legal texts) also implies recognition of some general frameworks of behavior, i. e. of certain 18
I. Grýzin, Law is Myth, in: International Journal for the Semiotics of Law 2005, p. 46. See W. Krawietz, Sind Zwang und Anerkennung Strukturelemente der Rechtsnorm?, in: Ota Weinberger/Werner Krawietz (Hrsg.), Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, Wien/New York 1988, S. 315 – 369. 20 P. Bourdieu, Esprit d’Etat: genèse et structure du champ bureaucratique, Paris 1989. 19
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rights and obligations which bind all the members of society together. It implies recognition of an “objective” character which is independent on individual wills, as well recognition of socially relevant (axiological) dimension of these rights and obligations. It necessitates understanding of contents and of the way how to implement these rights and obligations; this recognition also entails accepting the possibility of punishment for non-compliance with these rules. It is in this sense that must be understood the assertion that law can only exist if there are correlated rights and obligations. Is it possible to recognize law without jural experience? Is it possible to recognize something which has not been experienced in life? If law determinates behavior of a subject, is it possible to recognize this law without having experience of the corresponding behavior? One can assume that law is legitimated not only formally, through virtual texts of the primary sources of law, and not only through political texts of the state authority, but also through actual texts which are created via practicing rights and obligations. In this aspect, one should observe a certain unison of cognitive world of a human (taken as a social subject and not as an isolated individual), of his behavior accomplished in the role of bearer of rights and obligations correlated with behavior of other subjects, of the texts which determinate these rights and obligations. In my understanding, it is the focal meaning of communicative approach to law. Legal texts, legal values, subjective legal consciousness, individual legal claims cannot form law insofar as they remain disaggregated elements. It is communication which unites them. Communication emerges as an intersubjective reality for which the interacting individuals are connecting links or communicates, to use the terminology of Professor Werner Krawietz.21 Another important conclusion follows from this reasoning: one can identify absence or presence of law in a given society not through examination of whether there are any laws in this society, but through examination of real rights and obligations of the members of the society. Only the subjects who communicate on the base of recognized rights and obligations (which results from the generally significant and the generally obligatory texts) find themselves in the state of legal communication and thus “create” law. Rights and obligations ontologically are “closer” to the phenomenon of law as compared with the texts of law and of other legal acts. One can mention here Petrazycki!22 The sense of legal communication resides namely in the reason21 W. Krawietz, Recht als normatives Kommunikat in normen- und handlungstheoretischer Perspektive, in: Ernesto Garz´on Valdés/Werner Krawietz/Georg Henrik von Wright et al. (Hrsg.), Normative Systems in Legal and Moral Theory. Festschrift for Carlos E. Alchourrón and Eugenio Bulygin, Berlin 1997, pp. 369 – 390; id., Legal Communication in Modern Law and Legal Systems. A Multi-Level Approach to the Theory and Philosophy of Law, in: Luc J. Wintgens (Hrsg.), My Philosophy of Law. The Law in Philosophical Perspectives, Dordrecht/ Boston 1999, pp. 69 – 120. 22 Cf. A. Polyakov/M. Antonov, Leon Petrazycki’s Legal Theory and Contemporary Problems of Law, in: B. Melkevik (ed.), Standing tall: Hommages á Chaba Varga, Budapest 2012, pp. 371 – 381.
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able and responsible realization of human liberty. It signifies that if we do not have a system of mutually determined coherent rights and obligations (which are a part of Lebenswelt of this society), then we do not have law either.
Transformation in der modernen Theorie und Soziologie des Rechts Von Gerhard Preyer, Frankfurt am Main I. Umbau und Neue Sequenzierung der Theoriebildung in Gesellschaft und Recht Die Einladung, zur Festschrift zum achtzigsten Geburtstag von Werner Krawietz einen Artikel beizutragen, hat mich sehr geehrt und ich habe sie gern angenommen. Mit Werner Krawietz verbindet mich mittlerweile eine neunzehnjährige Kooperation zu Problemen der Rechtstheorie, der Rechtssoziologie und der Gesellschaftstheorie, aus der mir von der Seite des erfahrenen, älteren und einfühlsamen gegenüber dem jüngeren Wissenschaftler immer wieder neue und fruchtbare Einsichten zugewachsen sind. In der Rechtstheorie und Rechtssoziologie war nach Niklas Luhmanns Ansatz keine die Resystematisierung ihres Gegenstandsbereichs wirklich fortführende Alternative zu erkennen.1 Krawietz hat demgegenüber einen Multi-Level-Approach des modernen Rechtsdenkens als eine allgemeine Theorie der Rechtssysteme ausgearbeitet, die im Unterschied zur konventionellen Jurisprudenz die Rechtstheorie nicht nur auf rechtssoziologische, sondern auch auf gesellschaftstheoretische Problemstellungen abstimmt.2 Es betrifft dies, neben der fachspezifischen systemtypi1
Diese Problemstellung sollte nicht als eine fachfremde Kritik missverstanden werden, sondern beabsichtigt einen übergreifenden Kooperationsvorschlag. In der Rechtswissenschaft beobachten wir eine elaborierte empirische und historische Forschung über Rechtsordnungen der Gegenwartsgesellschaft. Vgl. beispielsweise das Segment „Loewe-Projekt außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung“ des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der GoetheUniversität Frankfurt am Main. 2 Werner Krawietz, Recht als Regelsystem, Wiesbaden 1984; ders., Recht ohne Staat? Spielregeln des Rechts und Rechtssystem in normen- und systemtheoretischer Perspektive, in: Rechtstheorie 24 (1993), S. 81 – 133. Zur Übersicht über die Untersuchungsebenen des Ansatzes, ebd., S. 107, zum Ziel und der Leistung der Vorgehensweise, ebd., S. 113 – 14; ders., Identität von Recht und Staat? Begriff des modernen Rechts und Rechtstaat in kommunikations- und systemtheoretischer Perspektive, in: Rechtstheorie 38 (2007), S. 1 – 37.; ders., Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive, in: Winfried Brugger/Ulfrid Neumann/Stephan Kirste (Hrsg.), Rechtsphilosophie im 21 Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2008, S. 181 – 206; ders., Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme des Rechts, S. 249 – 71, in: Gerhard Preyer (Hrsg.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft. Karl Otto Hondrich (1937 – 2007) zum Gedächtnis, Wiesbaden 2009. Zur Struktur des Rechtssystems: vgl. Gerhard Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft III, Mitgliedschaft und
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schen Systematisierung der rechtlichen Kommunikation durch die Jurisprudenz, (i) die Unterscheidung zwischen dem informalen und dem formalen Recht und die damit einhergehende Unterscheidung zwischen primären und sekundären sozialen Systemen des Rechts, (ii) die Analyse der Normativität der Rechtsgeltung, d. h. die rechtlich normierten Verhaltenserwartungen, welche die Erwartungserwartungen spezifizieren, und (iii) die gesellschaftstheoretische Problemstellung der Analyse der veränderten Grundsituation der Gegenwartsgesellschaft. Sie lässt sich charakterisieren als Durchsetzung der Multiplen Modernisierung des Rechts und der Rechtssysteme in der weltgesellschaftlichen Kommunikation und als eine multiple Heterarchie diverser regionalgesellschaftlicher Systeme des Rechts. Krawietz führt damit das Forschungsprogramm der Multiple Modernities (Shmuel N. Eisenstadt3) rechtstheoretisch und rechtssoziologisch fort. Die Rechtskommunikation ist formal als Verfahrensrationalität zu charakterisieren, da durch die vorgeschriebenen Verfahren der Rechtsprechung mit ihren unterschiedlichen Instanzen, der Vertragsabfassung und der Satzung des Rechts die Rechtsprechung mit ihrer Kommunikation in der gesellschaftlichen Kommunikation Geltung beansprucht und erforderlichenfalls durchsetzt. Das Recht kennt aber auch jeden weder eingeschlossenen noch ausgeschlossenen Grenzwert der temporären Unentschiedenheit der Rechtsfrage.4 Die Rechtskommunikation ist informal, da sie durch die Projektion der Erwartungserwartungen der Kommunikationsteilnehmer in formal und spontan organisierten sozialen Systemen ihre Funktion ausübt und für die Teilsysteme eine Leistung der Regelung von Konflikten erbringt.5 Die Normativität des Rechts und der Rechtsgeltung besteht somit darin, dass die rechtliche Kommunikation operativ eine Selektion von Erwartungserwartungen der Teilnehmer an Kommunikationssystemen erbringt. Im Wege der Durchsetzung der rechtlichen Kommunikation macht sie fortlaufend weitere „Kommunikation“ konfliktfähig, indem sie die Konflikte noch vermehrt. Die Rechtsprechung gibt somit eine zu erwartende Vorgabe für die Restabilisierung der Regelung von Konflikten, indem sie für andere entscheidet.6 Sie ist eine Regelung für strukturellen Dissens und die Situation, in der die Erwartungsenttäuschung zum Normalfall wird. Die wird dadurch verstärkt, dass die Funktion und die Leistung der rechtlichen Kommunikation nicht rechtssystematisch und strukturell an der staatlich durchgesetzten Rechtsordnung durch strukturelle Kopplung zwischen dem Rechts- und dem Politischen System,
Evolution (3 Bde.), Bd. I, Wiesbaden 2009, S. 190 – 204. Zum Multi-Level-Approach: Preyer, Theorie und Soziologie des Rechts im Kontext Multipler Modernität, in: Rechtstheorie 41 (2010), S. 469 – 97; ders., Recht ohne moralische Bindung – Entscheidung als Selbstreferenz des Rechtssystems, in: Rechtstheorie 42 (2011), S. 283 – 306. 3 Zur Einführung in das Forschungsprogramm Shmuel N. Eisenstadt, Multiple Modernities: A Basic Framwork and Problematic, in: ProtoSociology 24 (2007), S. 20 – 56. 4 Niklas Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1993, S. 211. 5 Krawietz, Recht ohne Staat? (FN 2), S. 87 f. 6 Ebd., S. 88 – 90.
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somit dem sekundären Rechtssystem, zu exemplifizieren ist. Die primären Rechtssysteme bleiben symbiotisch an die System-Umwelt Differenz gekoppelt. Durch die Aufnahme der Ergebnisse des Forschungsprogramms der Multiple Modernities, hat der Ansatz eine operative Kopplung der Theoriebildung zwischen rechtstheoretischer und rechtssoziologischer Forschung erfahren, durch welche die Beobachtung und Beschreibung der Rechtskommunikation auf die Beschreibung und Analyse von regionalgesellschaftlichen Mitgliedschaftsordnungen eingestellt wird. Der Multi-Level-Approach zieht forschungsprogrammatische und systematische Folgerungen für die Theorie und Soziologie des Rechts aus der zu beobachtenden veränderten Grundsituation der gesellschaftlichen Kommunikation und der erkennbaren unterschiedlichen Rechtsordnungen. Im Multi-Level-Approach ist eine Theorietransformation der systemtheoretischen Gesellschaftstheorie angelegt. Sie betrifft aus meiner Sicht vor allem drei grundlegende Probleme, die den Umbau der Theorie sozialer Systeme und der Gesellschaftstheorie Niklas Luhmanns einleiten: (1) Abstimmung der Allgemeinen Rechtstheorie mit der allgemeinen Mitgliedschaftstheorie und Mitgliedschaftssoziologie. Den theoretischen Anschnitt der Mitgliedschaftstheorie möchte ich hier nur im Umriss skizzieren.7 Die Theorietransformation betrifft in diesem Punkt die Überführung der Sinnkonstitution sozialer Systeme in ihre Mitgliedschaftskonstitution.8 Die kooperative Ergänzung zu dem Multi-Level-Approach könnte dahingehend weiter ausgearbeitet werden, dass das System von Rechtssystemen als regionalgesellschaftliche Mitgliedschaftsordnungen gesellschaftstheoretisch zu systematisieren ist. (2) Die Theorietransformation der Neufassung von sozialen Normen aus der Perspektive der Mitgliedschaftstheorie in der soziologischen Theorie. Dabei nehme ich ein Motiv des Multi-Level-Approach auf, der die Normativität der Selektion von Erwartungen an den faktischen Gültigkeitsunterstellungen von sozialen Erwartungen bemisst. Das gilt nicht nur für die rechtliche Kommunikation. Es handelt sich dabei um eine Unterstellung gegenüber Dritten, die nicht auf einer individuellen Übereinstimmung der Kommunikationsteilnehmer beruht.9 (3) Die Theorietransformation der Neufassung des Gesellschaftsbegriffs. Sie begreift Weltgesellschaft als ein Mitgliedschafts- und Kommunikationssystem
7 Zur Fortschrift der Mitgliedschaftstheorie siehe auch meine Audio-Vorlesung Gerhard Preyer, Soziologie der Mitgliedschaft III, Wintersemester 2012/2013. Freigeschaltet auf meiner Homepage an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. 8 Zur Beziehung zwischen Sinn- und Mitgliedschaftskonstitution sozialer Systeme: Gerhard Preyer, Soziologie der Mitgliedschaft. Einleitung. Manuskript 2013/14. 9 Dazu Niklas Luhmann, Rechtssoziologie, 2 Bde., Bd. 1, Opladen 1972; zu dem Problem der Institutionaliserung, ebd., S. 64 – 80.
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der „Gesellschaft von Gesellschaften“ (Karl Otto Hondrich)10 und ihren Mitgliedschaftsordnungen. Sie leitet damit einen Umbau der Gesellschaftstheorie ein. Die „Gesellschaft von Gesellschaften“ beschreibt die heterarchische Ordnung von Mitgliedschaften in der Weltgesellschaft als eine Differenzierung von sozialen Systemen und Organisationen regionalgesellschaftlich implementierter Mitgliedschaftsordnungen und Kommunikationssysteme. Das betrifft vor allem die neuen regionalen Dominanzen, die gerade nach dem Ende des Kalten Krieges in der Gegenwartsgesellschaft in den Blick treten. Davon sind grundlegende Probleme der soziologischen Theorie angesprochen.11 Die Theorietransformation leitet ein neues Forschungsprogramm der Systemtheorie ein. Damit wird eine andere Positionierung des soziologischen Beobachters der gesellschaftlichen Kommunikation vorgenommen und deren analytisch-begriffliche Ausstattung umgeschichtet. Die Absicht des Beitrages ist es, die Transformation der systemtheoretischen Gesellschaftstheorie in den Kontext der Theorie und Soziologie des Rechts von Werner Krawietz zu stellen. II. Soziale Systeme als mitgliedschaftsbestimmte Ordnungen des Erlebens und Handelns von Systemmitgliedern 1. Nach Luhmann sind soziale Systeme und Bewusstseinssysteme kovariante komplementäre sinnkonstituierende Systeme. Seine Neufassung des Systembegriffs ordnet er in der allgemeinen Theorie sozialer Systeme in der Beziehung zwischen ,Welt‘ und Systembildung an. ,Welt‘ ist der höchste Zustand an Komplexität und Kontingenz und der Letzthorizont allen sinnhaften Verweisens.12 Als eine selbstsubstitutive Ordnung ist ,Welt’ der Universalhorizont des sinnhaften Erlebens und Handelns, der in Bezug auf Negation und Position als unmarked space unqualifiziert vorgegeben ist. Qualifikation beruht auf der Differenzierung elementarer Orientierungen (i) in der sachlichen Dimension als der Verweisungsstruktur für einen selektiven Weltzugang, beispielsweise des Innen- und Außenhorizonts gegenüber der Unendlichkeit des Und-so-weiter,13 (ii) der zeitlichen Dimension als der Herstellung von Dauer und Diskontinuität und (iii) der sozialen Dimension als der Mehrzahl von selektiv operierenden Systemen als der Zuschreibungsinstanzen von ego und alter
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Karl Otto Hondrich, Der kommunizierende Mensch – und seine Missverständnisse, in: ders., Der Neue Mensch, Frankfurt a.M. 2001, S. 139 – 162, 146 f. 11 Zur soziologischen Theorie und ihrem Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg im Kontext der Werkgeschichte Eisenstadts vgl. Gerhard Preyer, Zur Aktualität von Shmuel N. Eisenstadt. Eine Einführung in sein Werk, Wiesbaden 2011, S. 13 – 57. 12 Günter Thomas, Welt als relative Einheit oder als Letzthorizont? Zur Azentrizität des Weltbegriffs, in: Werner Krawietz/Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a.M. 1992, S. 327 – 354. 13 Der Regress wird durch ,Welt‘ als Letzthorizont unterbrochen.
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ego.14 Die drei Dimensionen konstituieren sich dichotomisch. Systembildung vollzieht sich in dem Gefälle zwischen System und Umwelt, die dadurch ausgezeichnet ist, dass die Umwelt immer komplexer ist als das sinnkonstituierte Bewusstseinsoder Sozialsystem. a) Die Sinngrenzen haben die Differenz von System und Umwelt vorauszusetzen. Erst durch diese Voraussetzung kann es ,Welt‘ geben. Wenn wir eine mitgliedschaftstheoretische (Re-)Strukturierung der Analyse der Systemgrenze vornehmen, so brauchen wir Sinngrenzen nicht zu bestreiten, sondern wir können sie in die Mitgliedschaftsentscheidung als Selbstkonstitution sozialer Systeme überführen. Der Schritt ist dadurch begründet, dass die Differenz zwischen System und Umwelt ein durch das System produzierter Unterschied und als Unterschied im System zu beobachten und zu markieren ist. Im System handeln und erleben sowie beobachten sich immer Mitglieder. b) Die Markierung kann deshalb nur durch die Mitgliedschaftsbestimmung vorgenommen werden. Das setzt eine symbolische Generalisierung und die Kommunikation der Mitgliedschaftsbedingung voraus. Erst die operativen und symbolischen Differenzen lösen eine Selbstreferenz der Mitgliedschaftsentscheidung als Kommunikation aus.15 Die Zurechnung auf Individuen ist dabei nichts anderes als die Unterscheidung von Selbst-/Fremdreferenz und die Projektion eines Beobachters, der dadurch Zuschreibungsinstanzen in Kommunikationen markiert. Insofern ordne ich das Erleben und Handeln der Systemmitglieder der Sinnkonstitution vor: Wir handeln und erleben immer als Mitglieder sozialer Systeme, das heißt: die Sinnselektion systemtypischer Kommunikation vollzieht sich als eine Mitgliedschaftskommunikation. Die individuelle Sinnselektion ist, sofern sie kommunikativ relevant sein soll, sozial zu charakterisieren. Die Sinnkonstitution fällt dann in den Differenzkorridor zwischen der Entscheidung über Mitgliedschaft und der Unterscheidung der Statuspositionen der Mitglieder und der Umwelt sozialer Systeme. Sie ist selbstreferenziell verfasst. Die Rede von Entscheidung und Mitgliedschaft darf auf der allgemeinen Ebene der Theoriebildung nicht durch die Standardentscheidung- und Spieltheorie sowie auch nicht im Sinne der Organisationstheorie (-soziologie) und Institutionenlehre als Hintergrundsemantik interpretiert werden. Sie ist im Unterschied dazu eine Selektion, d. h. Eigenleistung sozialer Systeme, durch die sie in ihrer Selektivität und Selektionsverstärkung in eine beobachtbare Umweltdifferenz eintreten. Es geht dabei nicht um eine Urentscheidung oder um einen evolutionären Anfang. Der Willkürlichkeit jedes Anfangs kann man sich nur dann entziehen, wenn man Beobachter beobachtet. Die Mitgliedschaftssoziologie ist insofern in den Bezugsrahmen der mehrstufigen Kybernetik zu überführen. 14
Vgl. dazu: Gerhard Preyer, System, Medien und Evolutionstheorie. Zur Gesellschaftstheorie Niklas Luhmanns, in: ders./Georg Peter/Alexander Ulfig (Hrsg.), Protosoziologie im Kontext. „Lebenswelt“ und „System“ in Philosophie und Soziologie, Würzburg 1996, S. 307 f. 15 Zum Symbolbegriff als Medium der Einheitsbildung und dem Begriff der symbolischen Generalisierung: Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984, S. 135 – 139.
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c) Die Mitgliedschaftsgrenzen sind nach allem Selektionen, die Sinngrenzen in der Kommunikation ziehen, da sie die Erwartungserwartungen der Teilnehmer an Kommunikationen festlegen. Dadurch gewinnen Kommunikationen eine nur ihnen zuzurechnende Komplexität, die es den Teilnehmern erlaubt, ihr Erleben und Handeln mit einem eigenen Möglichkeitshorizont in der Differenz von Innen und Außen, der immer eine Unterscheidung zwischen Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit einschließt, auszustatten. Durch die Selektionen werden die Innengrenzen sozialer Systeme aus der Perspektive der Kommunikation der Systemmitglieder festgelegt, die als Außenseite den unmarked space haben. Das gilt für die allgemeine Theorie. Bei ihrer Spezifikation auf die Typen von Mitgliedschaftssystemen und Mitgliedschaftsordnungen sowie ihrer Differenzierung haben die Mitgliedschaftssysteme ihrerseits Mitgliedschaftssysteme zu ihrer Umwelt. Das betrifft ihre Abtragung auf der Problemstufenordnung. 2. Ich unterscheide im Folgenden zwischen der Mitgliedschaftstheorie als der allgemeinen Theorie und der Mitgliedschaftssoziologie als der Typik von Mitgliedschaftsbedingungen, ihrer Codierung und Operationalisierung, abgetragen auf der Problemstufenordnung sozialer Systeme: Gesellschaft, Organisation und einfacher Interaktion.16 a) Die allgemeine Theorie unterscheidet die Letztelemente sozialer Systeme. Dabei handelt es sich nicht um ontologisch vorgegebene Entitäten, sondern um eine operative Relationierung der ungeordneten Systembestandteile eines Beobachters, die erst durch ihre Relationierung identifizierbar sind. Die Ontologie sozialer Systeme ist deshalb zu dekonstruieren, da soziale Systeme als Ereignisse nur durch ihre Operation bestehen. Als ,Ereignisse’ verfügen sie nur über eine okkasionelle und zeitpunktbezogene Existenz. Das heißt nicht, dass sie fiktiv oder unwirklich sind. Sie können erinnert, übergangen, reinterpretiert, als unwichtig erklärt werden. An sie kann angeschlossen, sie können aber nicht rückgängig gemacht werden. Insofern operieren soziale Systeme geschichtsabhängig, dem sie sich nicht entziehen können. Keinem sozialen System steht seine Geschichte zur Disposition. In dem vorliegenden Kontext ist anzumerken, dass jede Mitgliedschaftsentscheidung, jede
16 Zur allgemeinen Theorie: Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft (3 Bde.), Bd. I, Mitgliedschaftstheoretische Untersuchungen, Wiesbaden 2006, S. 23 – 64; ders., Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, Bd. III (FN 2), S. 38 – 60; ders., Rolle, Status, soziale Gruppe und Erwartungen. Mitgliedschaftstheoretische Reinterpretationen, Wiesbaden 2012, S. 15 – 27; zur Mitgliedschaftssoziologie: ders., Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, Bd. I, S. 64 – 86; ders,. Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, Bd. III (FN 2), 61 – 124. Zur Anwendung der Mitgliedschaftssoziologie auf das politische System Mathias Bös/Veronika Schmid, Staatsbürgerschaft ¢ ein Auslaufmodell? Zur Dialektik der Konstruktion von Mitgliedschaft in nationalstaatlich verfassten Gesellschaften, S. 53 – 72, in: Georg Peter/Reuß-Markus Krauße (Hrsg.), Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen, Wiesbaden 2012.
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Kommunikation einen Beobachter voraussetzt und in eine höherstufige Beobachtung überführbar ist.17 b) Der ontologisch selbstreferenzielle und okkasionelle Status von kommunikativen Ereignissen impliziert nicht, dass wir keine objektiven Aussagen über sie aufstellen können. Im Blick ist dabei zu behalten, dass die Selbstreferenz sozialer Systeme zwar ihr Sein an sich betrifft, das heißt: sie sind gegenüber ihren Mitgliedern durch einen objektiven Status ausgezeichnet, ihre Reproduktion durch Kommunikationen ist jedoch als beobachtungsabhängig einzustufen. 3. Die Mitgliedschaftstheorie geht aus von einem anderen und weiteren Bezugsrahmen als die wirkungsgeschichtlich gewordene Systemtheorie Luhmanns aus, da aus ihrer Sicht Kommunikationen nicht die Letztelemente sozialer Systeme sind, sondern die Entscheidung über Mitgliedschaft als eine Selektion, deren Operationalisierung über die Teilnahme an Kommunikationen entscheidet. Durch sie vollzieht sich die doppelte Schließung sozialer Systeme nach Innen und Außen. a) Entscheidung über Mitgliedschaft. Es gibt kein soziales System ohne die Entscheidung über Mitgliedschaft und ihre Operationalisierung als Konditionalprogramm.18 Die Entscheidung über Mitgliedschaft schließt aus, indem sie einschließt. Sie ist im Negativfall auf die Mitgliedschaft durch Nicht-Mitgliedschaft bezogen. Darin besteht die Morphogenese sozialer Systeme als die Etablierung ihrer System-Umwelt-Differenz, die sie nicht überschreiten können. Es handelt sich dabei um keine individuelle Entscheidung, sondern um die Entscheidung einer Autoritätsinstanz. Die Asymmetrie zwischen System und Umwelt, somit die Interdependenzunterbrechung zwischen beiden, wird erst dann beobachtbar und feststellbar, wenn in sozialen Systemen über Mitgliedschaft entschieden wird. Die Mitglieder der sozialen Systeme registrieren diese Asymmetrie gerade dadurch, dass sich Mitgliedschaft nur durch Ausschluss einstellen kann. Das ist die Erklärung dafür, dass sie sich dadurch in den „Zustand der selbsterzeugten Unbestimmtheit versetzen.“19 b) Jede Mitgliedschaft ist binär schematisiert und codiert, damit sie entscheidbar ist. Durch diese Entscheidungen und die damit einhergehenden Selektionen sind sie selbstreferenziell konstituiert. Die Entscheidung kann nicht an die Umwelt delegiert bzw. externalisiert werden. Dadurch vollzieht sich die Selbstselektion sozialer Systeme. Die Einheit sozialer System ist diese Operation und zugleich die Unentschiedenheit der Mitgliedschaft als fehlende Interdependenzunterbrechung zwischen System und Umwelt. Durch die Entscheidung steht die Selbstkonstitution in der Zeit
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In dem Artikel gehe ich nicht auf Luhmanns mehrstufige Kybernetik ein. Das bedarf einer besonderen Untersuchung. 18 Das schließt operative Zwecke nicht aus. Die Operationalisierung ist aber nicht als Zweckprogramm institutionalisierbar. 19 Niklas Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2000, S. 151.
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einen Augenblick still.20 Man könnte das auch so ausdrücken: Die Entscheidung ist prärekursiv. Erst dadurch wird den Mitgliedern sozialer Systeme die Unterscheidung zwischen Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft bewusst. Damit wird die Rekursion der Mitgliedschaftsentscheidung und der Kommunikation unterbrochen. Nur durch das Eintreten dieser Unterbrechung und damit des Stillstands kann die Rekursion der Mitgliedschaftsentscheidung als das Vorher und Nachher der Operation fortgeführt werden. Das setzt einen Beobachter voraus. Dasselbe gilt auch für Kommunikationen. Auch sie sind nur durch ihre Unterbrechung in der Abfolge von Anfang und Ende fortführbar. Daran ist zu erkennen, dass sie durch die Zeitdimension strukturiert sind und auf der Seite des Bewusstseinssystems als ihrer Umwelt, das an Kommunikation beteiligt ist, ein Zeitbewusstsein voraussetzen. Wenn wir davon ausgehen, dass sich durch Mitgliedschaftsentscheidungen die soziale Systeme und Kommunikationen selbst voraussetzen, so ist jede rekursive Fortbestimmung kommunikativer Ereignisse nur durch die Unterbrechung, das heißt durch ihren punktuellen Stillstand, möglich. Die soziale Zeit steht somit in der rekursiven Operation von Anfangen, Beenden und Fortführen der systemischen Operationen still, ohne dass sie ihre Dauer selbst negiert. Wäre dies nicht so, so könnte Kommunikation nicht fortgesetzt werden. Damit haben wir auch eine Erklärung dafür, dass in allen bekannten Gesellschaften liminale Situationen vorkommen und institutionalisiert sind, zum Beispiel die Grenzsituationen der Initiationsriten, des Protests, aber auch solche Ereignisse wie Prüfungen, Scheidungen und Entlassungen.21 4. Zeitliche Dimension und Gedächtnis. Der Fortbestand in der Zeit ist das zentrale Bestandsproblem sozialer Systeme. a) Die Dominierung durch die Zeitdimension als Grundverfassung sozialer Systeme bedeutet, dass alle Mitgliedschaftsentscheidungen fortlaufenden Veränderungen unterworfen sind, die wir in unserer begrenzten Wahrnehmungswelt kaum bemerken. Das gilt auch für die sachliche und die soziale Dimension. Das macht Dauer zu einem Bestandsproblem sozialer Systeme. Dieses Problem kann durch Kommunikation allein nicht gelöst werden, sondern bedarf der die Willkür der Kommunikationsteilnehmer einschränkender Strukturen. Zeit wirkt sich zugleich selek20 Sie dazu meine Audio Vorlesungen Preyer, Soziologie der Mitgliedschaft III (FN 7). Hier hat der soziologische Entscheidungsbegriff anzusetzen. Dazu Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1994, S. 272 – 90. Sein Vorschlag lautet: „… eine Handlung immer dann als Entscheidung anzusehen, wenn sie auf eine an sie gerichtete Erwartung reagiert. Wir können auch sagen: dass sie immer dann, wenn sie darauf reagiert, mit Hilfe von Erwartungen beobachtet wird; denn erst die Prognose des Verhalten macht es möglich, ihr zu folgen“, ebd., S. 278. Damit geht einher, dass Erwartungen durch die Zeitdimension differenziert werden, um durch Kommunikation erfüllbar zu sein. Kommunikation setzt immer die Entscheidung über Kommunikation und Nichtkommunikation voraus, die ihre Rekursion, somit ihre zirkuläre Konstruktion, unterbricht. Sonst könnte sie nicht wieder anfangen. Die zirkuläre Konstruktion der Zeit, bei der Anfang und Ende zusammenfallen, ist selbst zu unterbrechen. 21 Dazu Eisenstadt, Power, Trust, and Meaning, Chicago 1995, S. 309, 314 – 23, 352, 370.
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tionsverstärkend auf die Strukturierung von Kommunikation und die Orientierung der Kommunikationsteilnehmer aus. b) Die Entscheidung über Mitgliedschaft ist ihrerseits nicht nur auf die sachliche und soziale, sondern auch auf die zeitliche Dimension zu spezifizieren. Das ist dadurch begründet, dass diese Entscheidung zu einer Interdependenzunterbrechung führt und wir immer nur für eine bestimmte Zeit oder für zeitliche Intervalle Mitglied in sozialen Systemen sind. Gehen wir von der Zeitdimension sozialer Systeme aus, so erkennen wir, dass sie nur in der Gegenwart operieren. Insofern bedürfen sie der Erinnerung, da das Vergessen der Regelfall ist. c) Wir stoßen dadurch auf ein allgemeines Abstimmungsproblem bei der Rekursion der Mitgliedschaftsentscheidung und von Kommunikationen. Das Strukturproblem der fortlaufenden Erinnerung an die Entscheidung über Mitgliedschaft wird durch das Gedächtnis kompensiert, das sich an dieser Stelle ausbildet, damit sie nicht dem Vergessen anheimfällt. Eine Entscheidung ist als „Entscheidung“ kurzlebig. Sie ist zu kommunizieren und zu dokumentieren, damit sie erinnert werden kann. Individuelle Entscheidungen sind ihrerseits sozial zu charakterisieren, um für Kommunikationen relevant zu sein. Jede Entscheidung hat zudem die zeitliche Dimension zu verarbeiten. Sie ist immer durch sie strukturiert und hat ihre Folgen, gegebenenfalls auch ihre praktischen Prämissen, zu markieren, z. B. sind Rechtsfolgen praktische Prämissen für Rechtsansprüche in der Rechtskommunikation. Insofern sind Entscheidungen nicht nur durch die Präferenzordnung und Anwendung des Bayes’schen Entscheidungskriteriums zu systematisieren, sondern sie sind systemtypische Selektionen.22 5. Negationsspielraum. Mit der Entscheidung über Mitgliedschaft können wir auch den grundlegenden Negationsspielraum sozialer Systeme beschreiben.23 Angesprochen sind damit die Positionen der Negativität. Der Ausschluss übernimmt die Funktion der fortlaufenden Selbstirritation und Selbstbeobachtung sozialer Systeme. Das erklärt auch die Funktion von Widerspruch, Konflikt (Streit) und Protest. Durch die Negativereignisse treten eine Beobachtungsintensität und eine Bindung der Kommunikationsteilnehmer ein. a) Wir sind nirgends so stark gebunden wie im Konflikt und Streit (Georg Simmel). Die Entscheidung über Mitgliedschaft ist das Negativereignis, das in der systemeigenen Geschichte gespeichert wird. Dadurch vollzieht sich keine Anpassung an die Umwelt, sondern die Fortführung der systeminternen Operation, durch die sich soziale Systeme selbstregulieren. Systeme bedürfen somit einer Instabilität, damit sie lernen können und lernfähig bleiben. Die Operationalisierung des Mitgliedschaftscodes übernimmt die Funktion den Negationsspielraum auszuschöpfen, da jede An22 Zur Kritik des Bayes’schen Konsequenzialismus Julian Nida-Rümelin, Kritik des Konsequentialismus, München 1995. 23 Luhmann, Soziale Systeme (FN 15), S. 488 – 550, untersucht dieses Problem mit der Analyse der Immunologie und der damit einhergehenden Neufassung der soziologischen Konflikttheorie.
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schlussgestaltung von Kommunikation über die Entscheidung über Mitgliedschaft und ihre Operationalisierung als Teilnahmebedingung an Kommunikationen verläuft. Dadurch werden Erwartungsprojektionen von Mitgliedern sozialer Systeme vorgenommen. b) Es ist immer im Blick zu behalten, dass die Operationalisierung des Mitgliedschaftscodes die Teilnahmebedingungen an Kommunikationen selektiv bestimmt. Das gilt auch unter der Voraussetzung, dass die Anschlussrationalität der gesellschaftlichen Kommunikation über die kommunikativen Medien und ihre wechselseitige Transformation reguliert wird. Unter der Voraussetzung funktionaler Differenzierung liegt ein Verbund von Mitgliedschaften für die Teilnahme an der Kommunikation in den Teilsystemen vor. So wird zum Beispiel die Teilnahme am Wirtschaftssystem ist über das Geldmedium reguliert. Sie ist rechtlich normiert, politisch abgesichert und durch Organisationsmitgliedschaften selektiv gestaltet. Da das Inklusionsprogramm der Teilsysteme eine Vollinklusion vorsieht und ihnen Abweisungsmotive fehlen, werden durch ihre formale Organisation die Teilnahmebedingungen qualifiziert und spezifiziert, um auf diesem Wege Abweisungsmotive bereitzustellen. 6. Autoritätssystem. Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass die basale und selbstreferenzielle Operation sozialer Systeme die Entscheidung über Mitgliedschaft und ihre Operationalisierung beinhaltet, dann ist die Autoritätsstruktur ein konstitutiver Bestandteil dieser sozialen Systeme. a) Die Entscheidung über Mitgliedschaft ist asymmetrisch. Vergleichbar mit der Rechtsentscheidung, entscheidet sie für andere. Das wird auch dadurch nicht geändert, wenn die Mitgliedschaft bei den davon Betroffenen auf einem gegenseitigen Einverständnis beruht. Die Autoritätsinstanz setzt durch ihre Entscheidung die Mitgliedschaft als kontingent, indem sie sie einen Augenblick offen lässt. Wir können das auch so ausdrücken, dass sich durch diese Nichtentschiedenheit soziale Systeme öffnen. Die Entscheidung betrifft die Inklusion-Exklusion der Gesellschaftsmitglieder, da die Mitgliedschaftsselektion über die Teilnahme an Kommunikationssystemen entscheidet und damit Nichtzugehörigkeit markiert und der Beobachtung aussetzt. Jedes soziale System hat eine Instanz, welche diese Entscheidung autoritativ vornimmt. Dies ist die Gewährleistung dafür, dass Erwartungen in der Zeit projiziert werden können und die Obligationen der Mitglieder sozialer Systeme durch die Erwartungserwartungen reguliert sind. Damit geht einher, dass die Teilnehmer an Kommunikationen eine Zukunftsorientierung ausbilden können. b) Die Autoritätsstruktur hat somit eine Entscheidungsinstanz, welche Regelungen in Kraft setzt, anwendet und durchsetzt, zum Beispiel durch Häuptlinge, Könige des Rechts, Hohe Priester, militärische Befehlshaber, Gruppenentscheidungen, Richter, Gesetzgeber und ihre Erzwingungsstäbe oder Instanzen der Entscheidung über Eintritts- und Austrittsregelungen von formalen Organisationen.24 Sofern soziale Systeme durch die Entscheidung über Mitgliedschaft selbstbestimmt sind, gibt es 24
Das gilt auch für die Entscheidungen des demokratisch verfassten politischen Systems.
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in ihnen eine Instanz, somit eine Autorität, welche über den Verbleib in ihnen entscheidet. Dieser Instanz kommt auch die auctoritas zu, den Ausnahmezustand zu erklären.25 Die Instanz wird nicht im Bezugsrahmen der allgemeinen Theorie der Mitgliedschaft, sondern in der Mitgliedschaftssoziologie spezifiziert. 7. Kollektive Identität. Die Entscheidung über Mitgliedschaft zeichnet die Schließungsfunktion, somit die Interdependenzunterbrechung, sozialer Systeme als vorrangig für ihre System-Umwelt Differenzierung aus. a) Gehen wir davon aus, dass dabei eine doppelte Schließung vorliegt, so kondensiert sich diese Negation der kollektiven Identität der Mitglieder sozialer Systeme, seien es zum Beispiel ethnische, verwandtschaftliche, religiöse, nationale oder lokale kollektive Identitäten. b) Es sind die Zugehörigkeitsgrenzen, die über die Verbundenheit der Mitglieder entscheiden. Die kollektiven Identitäten reproduzieren die Selbstreferenz sozialer Systeme im Hinblick auf die Orientierung ihrer Selbstidentifikation. Sofern sie Negation und Konflikt in der Kommunikation durch die Grenzziehungen der Zugehörigkeit befördern, schöpfen sie ihren Negationsspielraum aus. Kollektive Identitäten sind aber keine Abschlussformel sozialer Systeme, sondern restabilisieren die Entscheidung über Mitgliedschaft und das Mitgliedschaftsgedächtnis.26 8. Primären soziale Systeme als symbiotische Mechanismen und sekundäre soziale Systeme. a) Die Entscheidung über Mitgliedschaft hat als Erfüllungsbedingung Selektionen aus Populationen, die ihrerseits die Umwelt dieser Entscheidung sind. Die Menschen als psycho-physische Systeme (Populationen) sind die Sensoren, mit denen soziale Systeme einen Kontakt zu ihrer Umwelt aufnehmen, auf die sie angewiesen sind. Wenn wir davon ausgehen, dass die Interdependenzunterbrechung zwischen sozialen Systemen ihrer Umwelt durch die Entscheidung über Mitgliedschaft herbeigeführt wird, dann ist im Hinblick auf die nicht erreichbare Umwelt die Systemgrenze neu zu fassen, da sie über symbiotische Mechanismen verläuft. Wir existieren zwar als einzelne organische Entitäten, sind aber in unserer biologischen Reproduktion auf die anderen Populationsmitglieder durch besondere Selektionen verwiesen. Zum Beispiel ist der geschlechtliche Vollzug für die Reproduktion der Population unverzichtbar. b) Soziale Systeme sind künstliche Gebilde. Erst durch eine Grenze zu ihrer Umwelt treten sie durch die Beobachtung der Mitgliedschaftsentscheidung in eine Differenzordnung zwischen System und Umwelt ein. Die Systemgrenze verläuft über 25
Dazu Preyer, Theorie und Soziologie der Rechts im Kontext Multipler Modernität (FN 2), S. 485. 26 Zu Relevanz kollektiver Identitäten in der gesellschaftlichen Kommunikation: Shmuel N. Eisenstadt, Cultural Programmes, the Construction of Collective Identities and the continual Reconstruction of Primordiality, in: Preyer (Hrsg.), Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft (FN 2), S. 135 – 184.
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symbiotische Mechanismen. Durch die symbiotische System-Umwelt Relation wird die Nichtüberschreitbarkeit der Differenzordnung zwischen System und Umwelt nicht beseitigt, sondern in eine Beobachtungsnähe gerückt.27 c) Die Kommunikation in primären sozialen Systemen vollzieht Kommunikation bei einem geringen selbstreferenziellen Komplexitätsgefälle in der System-Umwelt Relation, da der symbiotische Bezug und die symbiotische Abhängigkeit die Kommunikation und Beobachtung des jeweiligen sozialen Systems dominiert. Primäre soziale Systeme sind an die symbiotische Mechanismen der Wahrnehmung, der Bedürfnisbefriedigung, der Sexualität und der Gewalt als Ursymbole der Kommunikationsmedien rückgekoppelt, da alle symbiotischen Beziehungen in der Trennlinie zwischen System und Umwelt jeder Kommunikation verbleiben. Sie sind somit auf eine direkte Beobachtung von Kommunikationsteilnehmern und einen direkten Zugriff auf den Leib des Anderen angelegt. d) Die sekundären sozialen Systeme sind im Unterschied dazu durch Generalisierung von sachlichen, zeitlichen und sozialen Erwartungserwartungen und ihre organisationelle Normierung durch Verfahren gekennzeichnet. Mit ihnen geht eine abstraktere Anschlussgestaltung von Kommunikation einher. Sie erlaubt die Differenzierung von teilsystemtypischen Kommunikationssystemen. Die Unterscheidung zwischen den beiden Systemtypen verschwindet aber nicht durch Differenzierung der großen Funktionssysteme Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Recht, Kunst, Religion und Erziehung. Die Rückbindung der Kommunikation an die primären sozialen Systeme wird in den Teilsystemen durch die symbiotischen Mechanismen der Medien gesellschaftlicher Mitgliedschaft und Kommunikation sichergestellt, aber auch durch die Wahrnehmung und Beobachtung von Beobachtern.28 9. Die Mitgliedschaftsentscheidung ist einer Instanz zuzuschreiben. Sie hat als Instanz die Erwartungserwartung in Kraft zu setzen, d. h. die Funktion der Restabilisierung von Kommunikation im Hinblick auf ihre mögliche Anschlussrationalität. a) Das betrifft das alte soziologische Problem der Funktion sozialer Normen und ihrer Analyse. Insofern gehe ich auf eine Neufassung der Analyse sozialer Normen ein. Es ist dabei im Hintergrund zu berücksichtigen, dass die anderen Bestandteile der Konstitution sozialer Systeme an der Restabilisierung mitbeteiligt sind, zum Beispiel durch kollektive Identitäten und die Ausnutzung des Negationsspielraums und ihre Selbstbeobachtung durch Konflikte. Ich lasse aber diese Problemstellung außer Acht, um die mitgliedschaftstheoretische Analyse von sozialen Normen und ihre Geltung in den Blick zu bekommen. Das Neue dieser Analyse besteht darin, dass soziale Normen nicht deontologisch, nicht durch eine Solldimension und auch nicht in ihrem Beitrag zur sozialen Integration zu fassen sind. 27
Luhmann, Soziale Systeme (FN 15), S. 286 – 344, untersucht diesen Systemkontext als zwischenmenschliche Interpenetration. 28 Zu diesen Medien und der Struktur der Funktionssysteme: Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, 3 Bde., Bd. III (FN 2), S. 127 – 257.
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b) An dem Bezugsrahmen der Mitgliedschaftstheorie erkennen wir, dass soziale Systeme als Mitgliedschaftsordnungen selbstkonstituiert sind. Ihre Bestandteile können sie nicht an die nicht soziale Umwelt externalisieren und schon gar nicht aus ihr entnehmen. Mit dem Anschnitt haben wir auch die Stelle benannt, an der die Mitgliedschaftstheorie an die Rechtstheorie und Rechtssoziologie angeschlossen werden kann, da Rechtssysteme Mitgliedschaftsordnungen sind und Rechtsentscheidungen für Mitglieder sozialer Systeme, somit für einen bestimmten Adressatenkreis gelten. Wir haben aber durch den Bezugsrahmen der allgemeinen Theorie sozialer Systeme auch den Schlüssel dafür, die Theorie sozialer Integration neu zu fassen.29 Inklusion und Exklusion als die Berücksichtigung von Personen vollzieht sich über die Entscheidung über und die Selektion von Mitgliedschaft in sozialen Systemen.30 Wir können damit auch die theoretisch und empirisch unfruchtbare Kopplung zwischen Konsens und sozialer Integration auflösen. III. Analytisch-begriffliche Neufassung der Funktion sozialer Normen und des Rechts 1. In der Durkheim-Parsons Tradition der Soziologie hat man sozialen Normen oder der jeweiligen normativen Kultur eine grundlegende Bedeutung zugesprochen. Der Punkt ist nicht, die Funktion von sozialen Normen für unwichtig zu erklären, sondern an welcher Stelle sie in der soziologischen Theorie zu placieren sind. Es geht somit darum, die weit verbreitete Auffassung, dass Soziales durch normative Reduktionen bestimmt ist, einer anderen Analyse zuzuführen. a) Luhmann hat das Problem aus meiner Sicht grundsätzlich richtig erkannt, wenn er davon ausgeht, den Begriff der sozialen Norm „an theoretisch sekundärer, abgeleiteter Stelle“ in die soziologische Theorie einzuführen.31 Er verlagert die normative Strukturerhaltung in den Begriff der Generalisierung von Erwartungen.32 Durch diese Generalisierung wird aber das, was erwartet wird, in einem gewissen Ausmaß unbestimmt. Im Zuge der Transformation der systemtheoretischen Gesellschaftstheorie kann eine mitgliedschaftstheoretische Analyse der Trivialität, dass Soziales nicht ohne Normen möglich ist, eine nicht triviale Interpretation und eine andere Antwort als Luhmann geben, die Motive seiner Einsicht aufnimmt.33 29 Dazu Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, 3 Bde., Bd. I (FN 15), S. 217 – 67; ders., Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschft, Bd. III (FN 2), S. 289 – 311. 30 Person ist als eine Markierung der Adressaten von Kommunikation in der Situation zu verstehen, in der die Mitgliedschaft in sozialen Systemen nicht vorreguliert ist. Das betrifft die Grundverfassung funktionaler Differenzierung. Sie ist somit keine substanzielle Eigenschaft der Kommunikationsteilnehmer. 31 Luhmann, Soziale Systeme (FN 15), S. 44, 444 – 477. 32 Ebd., S. 445 – 447. 33 Zur Analyse von sozialen Erwartungen und den beiden Bildern des Erwartungsverstoßes vgl. auch: Preyer, Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe (FN 16), S. 77 – 94.
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b) Luhmann hat die Unterscheidung zwischen kognitiven und normativen (kontrafaktischen) Orientierungen eingeführt, um die Situation zu charakterisieren, dass unter der Voraussetzung funktionaler Differenzierung die Enttäuschung der Erwartungserfüllung zum Normalfall wird.34 Dadurch wird die Erwartung von Erwartungen kontingent gesetzt. Das stellt zwangsläufig die Frage nach der Enttäuschungsabsorption und konfrontiert die Teilnehmer an der gesellschaftlichen Kommunikation mit dem erforderlichen Lernen im Fall der Erwartungsenttäuschung.35 Die Orientierung am Enttäuschungsfall heißt, die Orientierung an der Differenz zwischen Erwartungserfüllung und Erwartungsenttäuschung.36 Luhmanns Sichtweise geht dahin, dass die Stabilisierung von Strukturen zur Absorption und Kanalisierung von Enttäuschungen gehört. Diese Stabilisierung werde durch die Mitgliedschaftsbedingungen herbeigeführt, die Erwartungserwartungen erwartbar machen und sie teilweise gegenüber der Enttäuschung immunisieren. Der Normbegriff bezieht sich somit auf eine Seite der Unterscheidung zwischen kognitiven versus normativen Orientierungen.37 Das heißt, die Erwartungserwartung wird durch die operativen Sequenzen konstant gesetzt. Unter Normativität ist somit die Konstantsetzung einer kontrafaktischen Verhaltenserwartung zu verstehen. Das schließt Interpretationsspielräume, Lernen und die Änderungen dieser Erwartungen nicht aus. Wenn wir davon ausgehen, dass durch die Entscheidung über Mitgliedschaft soziale Systeme sich selbst irritieren, dann kann die normative Orientierung, ihre Beibehaltung und Änderung immer nur den strukturabhängigen Eigenzustand sozialer Systeme betreffen. Klärungsbedürftig sind dabei das Problem der Geltung der Erwartung, des Begriffs des Normensystems, der Entscheidungsinstanz (Autoritätssystem) und der normativen Macht. 2. Aus mitgliedschaftstheoretischer Sicht ist danach zu fragen, ob die Mitgliedschaftsbedingungen einen deontologischen Status haben, da sie durch die Überführung in Erwartungserwartungen faktisch gelten. Wenn wir davon ausgehen, dass durch die mit ihnen einhergehende Form eine Stabilisierungsfunktion von Erwartungen hat, so ist ihre Geltung keine Norm, da sie nur durch ihre Entscheidung als eine Selektion gilt. Sie ist als die Vereinheitlichung dieser Stabilisierungsfunktion ein Symbol und eine Form (= Unterscheidung).38 Das Symbol ist auf die Einheit des so34
Im Falle der kognitiven Orientierung passt man sich an den Enttäuschungsfall durch Lernen an, bei normativen Orientierungen hält man im Enttäuschungsfall an der Erwartung fest. Der Ansatz ist so angelegt, dass das Faktische das Normative umfasst. Die Differenzierung tritt dann ein, wenn beide Erwartungsorientierungen eingespielt sind. 35 Luhmann, Rechtssoziologie (2 Bde.), Bd. 1, Opladen 1972, S. 27 – 80; ders., Soziale Systeme (FN 15), S. 437 – 440. 36 Luhmann, Soziale Systeme (FN 15), S. 437. 37 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft (FN 4), S. 134. 38 Zu diesem Ansatz Luhmann, Das Recht der Gesellschaft (FN 4), S. 98. Dieses Symbol hat keinen intrinsischen Wert, ebd., S. 98 f. Geltung ist immer dual codiert (Geltung-Nichtgeltung). Es läuft somit, wie es Luhmann ausdrückt, „… bei allen Symbolen … ein diabolischer Gegenfall mit.“, S. 104. Im Hinblick auf die Mitgliedschaftsbedingung ist immer darauf
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zialen Systems als ein Kommunikationssystem zu spezifizieren. Die Einheit jeder Kommunikation besteht in ihrem Beginnen, Enden und der Gestaltung ihrer Fortführung. Das heißt nicht, dass das Symbol fiktiv ist. Im Anschluss an Luhmann empfiehlt es sich, zwischen der symbolischen und der operativen Ebene der Mitgliedschaftsentscheidung zu unterscheiden. Ihre Gültigkeit als ein Symbol gilt durch die autoritative Entscheidung. Diese Operationalisierung bringt die erforderliche Redundanz und ihre Streuung in Kommunikationssystemen zustande. a) Eine notwendige Bedingung der Regelung von Kommunikation durch Mitgliedschaftsbedingungen besteht darin, dass eine Instanz (Autorität) diese Bedingungen in ein normatives System überführt.39 Das kann zum Beispiel eine Prüfungsordnung, ein Gesetzestext, eine Hausordnung oder eine formulierte Eintritts- und Austrittsbedingung sein. Die Entscheidung über Mitgliedschaft wird somit durch dieses System spezifiziert, welches die Erwartungserwartungen selektiv festlegt. Voraussetzung ist somit die Einheit der Operationsweise sozialer Systeme, in der Anschlussrationalität der systemtypischen Kommunikationen und Operationen zum Ausdruck gelangt. b) In diesem Kontext ist auf die Unterscheidung zwischen primären und sekundären sozialen Normen bzw. sozialer Systeme hinzuweisen. Die Unterscheidung ist von allgemeiner Relevanz, betrifft aber auch und vor allem die Analyse von Rechtsnormen. Ein Problem besteht darin, ob dem normativen System auch seine Durchsetzung zuzuschreiben ist. In der Rechtstheorie stellte sich dieses Problem zum Beispiel bei der Bestimmung des Status des Völkerrechts. Wenn wir normenund rechtstheoretisch die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Normen treffen, so betrifft die Erzwingung gewöhnlich nicht die primären, sondern die sekundären Normen.40 Damit einher geht eine Kritik an der Befehls- Sanktions- und Zwangstheorie des Rechts (John Austin u. a.41). Die Erzwingungsnormen sind ihrerseits durch die Differenzierung der sie implementierenden Organisationen an die primären Normen gekoppelt. Rechtsgrundlage (Rechtsnormen) als normatives System sind zum Beispiel die Bestimmungen (Direktiven).42 Der Richter ist ermächtigt, auf zu achten, dass das Geltungssymbol im Falle der Mitgliedschaft auf die Eigenanforderungen der Mitgliedschaft in sozialen Systemen reagiert. 39 Zu dem Begriff des normativen Systems: Joseph Raz, Practical Reason and Norms, London 1975, S. 106 – 123. Im Hinblick auf das Rechtssystem heißt das, dass es keine a priori geltenden Rechtsprinzipien gibt, die den Rechtsnormen (Gesetzen) zu Grunde liegen bzw. aus denen sie abgeleitet sind. Wir haben damit auch eine Antwort auf die sogenannte „Quelle“ des Rechts. Die Metapher der Rechtsquelle ist in der Rechtstheorie rätselhaft geblieben. 40 Auf die Relevanz der Unterscheidung in der Normen- und Rechtstheorie: Werner Krawietz, Sind Zwang und Anerkennung Strukturelemente der Rechtsnorm? Konzeptionen und Begriff des Rechts in der modernen Rechtstheorie, in: Ota Weinberger/Werner Krawietz (Hrsg.), Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, Wien/New York 1988, S. 315 – 369. 41 Zur Kritik an der Befehls-/Sanktionstheorie des Rechts H. L. A. Hart, The Concept of Law, 1. Aufl., Oxford 1961. 42 Zur „Bestimmung“ siehe im Folgenden.
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ihrer Grundlage zu entscheiden und schafft damit die Voraussetzungen für ihre zwangsweise Durchsetzung. Die Vollzugsbehörde ist ihrerseits ermächtigt, das Urteil zu erzwingen. Wir erkennen daran die strukturelle Kopplung der Rechtsentscheidung an ihre organisationelle Implementierung. Sie ereignet sich durch selektive Kommunikationen und Interaktionen nach Maßgabe von Vorschriften, Verfahrensregeln u. a., die als bedingte Direktive zu charakterisieren sind. In der Systemtheorie spricht man diesbezüglich von Entscheidungsprogrammen. c) Die durch die Mitgliedschaft festgelegten Obligationen sind aber keine gültigen individuellen Handlungsgründe, sondern von Rechtswegen geltende Entscheidungsgründe. Individuelle Handlungsgründe kann es viele geben, sie gelten aber immer nur selbstreferenziell für die jeweilige Person, die als Mitglied adressiert wird. Das Kriterium für diese Unterscheidung ist die Voraussetzung der Gültigkeit oder das „Symbol der Gültigkeit“. Das „Symbol“ ist dabei im Sinne einer Gültigkeitsund Einheitsformel des sozialen Systems zu verstehen, die nur paradox als symbolische und diabolische Vereinheitlichung zu artikulieren ist. Jede Mitgliedschaftsbedingung wird – selbstverständlich auch änderbar – durch Entscheidung in Geltung und damit in Kraft gesetzt. Diese Entscheidung ist kein Indikator für den Konsens der Mitglieder und kann auch nicht auf dem Konsens der davon Betroffenen beruhen. Insbesondere für die Rechtsentscheidung gilt, dass die Zustimmung der davon Betroffenen nicht judiziabel ist. Rechtsentscheidungen „entscheiden“ für Andere. Konsens ist nicht zeitunabhängig und ist in der fortlaufenden Genese und Geschichte von Kommunikationen immer wieder zu erneuern. Konsens bedarf der Vertiefung von Kommunikation, des Interessenausgleichs, des gegenseitigen Verständnisses und des Vertrauens. Konsens ist nur für ein sehr begrenztes aktuelles gemeinsames Erleben und Handeln herstellbar. Es ist auch nicht auszuschließen, dass durch die Kommunikation von Konsens in einem Kommunikationssystem mehr oder weniger drastisch Dissens hervorgerufen wird. Konsens ist nicht nur ein knappes Gut, sondern dient der Differenzartikulation und ist immer partikularisierend. Das heißt, die Funktion von Konsens besteht gerade in der sozialen Schließung und Ausschließung. Beides etabliert somit eine Differenzordnung der wechselseitigen Beobachtung und selektiver Kommunikation. Das hat bereits Max Weber mit seinem Begriff des Einverständnishandelns, das immer partikular ist, erkannt. 3. Die Mitgliedschaftsbedingung, ihre Codierung und Programmierung ist ihrerseits als ein autonomes und dynamisch-funktionales Regelsystem zu beschreiben, das Erwartungen spezifiziert.43 Es ist autonom, da es in der sachlichen Dimension geschlossen ist; es ist dynamisch, da seine Operationalisierung in der zeitlichen Dimension Variationen mit sich führt. In der sozialen Dimension unterliegt es der (Re-) Spezifikation auf die typischen Mitgliedschaften in sozialen Systemen. Die Merkma-
43 Das Recht insgesamt ist zum Beispiel als ein solches System zu charakterisieren. Vgl. Gerhard Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, 3 Bde., Bd. II. Lebenswelt, System, Gesellschaft, Wiesbaden, 2006, S. 166 – 173.
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le dieser Dimensionen sind auf die Mitgliedschaftsbedingungen und ihre Programmierung als Erwartungen und die Erwartungserwartungen bezogen. a) Alle Mitgliedschaftsbedingungen haben eine interne Relation zu den Erwartungen, die durch die in Kraft setzenden und anwendenden Entscheidungsinstanzen gekennzeichnet werden und für jedes normative Regelsystem gilt ein Kriterium, das die Mitgliedschaftsbedingung und die Obligationen der Teilnahme an Kommunikationen festlegt. b) Die Regelung der Mitgliedschaft in einem sozialen System setzt voraus, dass die geforderten Verhaltenserwartungen mit den in einem normativen System formulierten Erwartungen übereinstimmen und die Mitglieder die an sie adressierten Erwartungen befolgen. Das braucht nicht aus individueller Überzeugung geschehen und schließt Ambivalenzen der Mitglieder gegenüber diesen Regelungen nicht aus. Die verpflichtenden Regelungen bzw. ein normatives System sind verbindlich, sofern die Erwartungen gelten. Deren Geltung ist ihrerseits abhängig von der in Kraft setzenden und anwendenden Entscheidungsinstanz, welche die normativen Bewertungen und Beschreibungen definiert. Die Operationalisierung der Mitgliedschaftsbedingung wird somit durch ein normatives System gewährleistet, das Erwartungserwartungen formuliert. Es mag den Zweck haben, soziale Funktionen zu erfüllen, aber sie wird dadurch nicht identifiziert, da die Mitgliedschaftsbedingung durch das Kriterium ihrer Geltung identifiziert wird. Hierzu gehört auch die normierte Verfahrensrationalität, insbesondere das Verfahrensrecht, das zur systeminternes Geltungsbegründung beiträgt. Aus mitgliedschaftstheoretischer Sicht ist somit die Einheit und Identität des sozialen Systems von dem Kriterium abhängig, durch das über Mitglied und Nicht-Mitglied bzw. über den sozialen Status eines Mitglied z. B. als Angestellter, Hochschullehrer, Verkäufer oder als Besitzer eines Führerscheins entschieden wird. Die Mitgliedschaftsinstanz entscheidet über Mitgliedschaft und legt dadurch die Erwartungserwartungen fest, die in sozialen Systemen gelten. Die Mitgliedschaftsgrenzen sind deshalb durch die Entscheidungsselektion der Mitgliedschaftsinstanz geregelt. Das schließt Grauzonen nicht aus. Sie sind dadurch begründet, dass die Selbstbegrenzung der sozialen Kommunikation keine totale Institution ist und auch gar nicht sein kann. c) Gehen wir bei der Operationalisierung der Mitgliedschaftsbedingung von der Unterscheidung von primären und sekundären Normen aus, so lassen sich zwei Schritte oder Phasen unterscheiden: (i) ihre Codierung in einem normativen System durch die Entscheidungsinstanz und (ii) ihre Operationalisierung durch die sekundären Normen durch die dafür in der entsprechenden Organisation zuständigen Stellen (Ämter).44 Stelle ist analytisch-begrifflich gesehen die Schnittstelle, durch die das
44 Der Begriff der „Stelle“ ist allgemeiner als der des Amts. Von Amt spricht man in der Regel im Hinblick auf die (staatliche) Organisation (Verwaltung). Jede formale Organisation ist jedoch durch und in Stellen organisiert. Sie werden im Stellenplan dokumentiert. Sie strukturieren den Organisationsaufbau und die Kommunikation. Dabei handelt es sich um
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normative System und die von ihm formulierten Aufforderungen (Erwartungen) zur Bestimmung werden.45 d) Der Sprechakt der Bestimmung ist keine personbezogene Äußerung. Der Sprecher verzichtet auf die fremdpersonale Äußerung und bestimmt, dass etwas getan werden oder nicht getan werden soll. Die Bestimmung ist im Rechtssystem ein Rechtsprogramm. Der Übergang zur Bestimmung wird dann vorgenommen, wenn sich der Anspruch auf Befolgung im Hinblick auf die Annahmebedingung von Seiten des Adressaten auf das in der Äußerung Postulierte (des normativen Systems) bezieht. Das in der Äußerung Postulierte bezieht den Adressaten als einen von dem Anspruch des kommunikativen Akts Betroffenen ein. Die Bestimmung erfasst den davon Betroffenen somit immer selektiv als Mitglied eines sozialen Systems, für das die Geltung des normativen Systems unterstellt wird. Die formale Charakterisierung dieser Kommunikation besteht in den Rechten, Pflichten und der Missbilligung, die ¢ sehen wir von dem Fall der Gnade und des Mitleids ab – bei Nichterfüllungen eine organisationell durchgeführte Reaktion, insbesondere Bestrafung nach sich ziehen. Rechtssätze, hier verstanden als ein vertretenes normatives System, sind aus dieser Sicht als Bestimmungen einzustufen, die „im Namen eines Dritten“ geäußert werden. Sie können durch weitere Codierung unterschiedlich beschrieben und gerechtfertigt werden, zum Beispiel im Namen des Volkes oder einer heiligen Ordnung. Damit wird aber, wie mit einer „invisible hand“, die Selbstkonstitution des normativen Systems unsichtbar gemacht. Krawietz nennt dies im Hinblick auf das Rechtssystem seine Selbsthierarchierung, zum Beispiel diejenige der Rechtsordnung und ihrer Organisation durch die Autoritäts- und Entscheidungsinstanzen. Hiermit wird der Asymmetrisierung der Sozialbeziehungen, wie sie im Stufenbau der Rechtsordnung erfolgt, Rechnung getragen. Durch die sekundären Normen wird die Bestimmung, d. h. das normative System von primären Normen, an ihre organisationelle Implementierung gekoppelt, z. B. die Rechtsentscheidung und ihren organisationellen Vollzug. e) Von diesem Gesichtspunkt aus ist die Analyse von Rechtsmacht verleihenden Normen (Kompetenznormen, Ermächtigungsnormen) durchzuführen. Wie sind normative Macht und Ermächtigungsnormen zu interpretieren? Es empfiehlt sich, zwischen physischer Gewalt, politischer und kommunikativer Macht (Hanna Arendt) sowie normativer Rechtsmacht zu unterscheiden. Normative Rechtsmacht ermächtigt den Sprecher zu bestimmten Kommunikationen und Handlungen. Normative Rechtsmacht ist zu unterscheiden von bloß politischem Einfluss, politischer, kommunikativer Macht und physischer Gewalt.46 Sie setzt Erwartungen in Kraft. Normative Macht wird durch Macht verleihende Normen generiert und konstituiert, die eine bestimmte Selektionen, die den Ablauf und die Verkettung der Kommunikation festlegen. Vorausgesetzt wird dabei die festgelegte Erreichbarkeit des Adressaten. 45 Zur Analyse der Bestimmung: Preyer, Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe (FN 16), S. 89 – 91. 46 Raz (FN 39), S. 104 – 106.
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Autoritätsinstanz in Anspruch nehmen kann, aber nicht muss. Dabei handelt es sich um Kompetenznormen (Zuständigkeitsgebieten, Aufgabenbestimmungen) und Ermächtigungsnormen. Diese Macht setzt den Vollzug von normativen kommunikativen Akten in Kraft, die besondere normative bewertete Folgen in formellen und informellen Kommunikationen haben, zum Beispiel die Rechtsfolge, die Beurteilung und Bewertung eines nicht eingehaltenen Versprechens oder auch von Unpünktlichkeiten (Fristenversäumnisse). Das schließt es nicht aus, dass Abweichungen auch ungerügt übergangen werden. Die Kommunikation der Anwendung von normativer Macht setzt somit die Mitgliedschaftsbedingung in Kraft, die sich auf primäre und sekundäre Normen stützt. Sie ist an der Fortführung und der Koordination von Kommunikationen und somit gleichsam an Erwartungen orientiert. 4. Der Vollzug normativer Macht ist auf eine Autorität zu instanziieren, deren kommunikative Akte in einem angegebenen Kreis von Mitgliedern Geltung haben. a) Das können Befehle, Aufforderungen, öffentliche und nicht-öffentliche Anweisungen sein. Die normative Gewalt (Befugnisse) dieser kommunikativen Äußerungen, somit die Ermächtigung, besteht in ihrer erfolgreichen Anwendung, die durch kommunikative Macht gestützt sein mag und durch formale Organisationen zu implementieren ist. b) Es ist somit im Blick zu behalten, dass die erfolgreiche Anwendung sich auf die Anschlussrationalität in einem Kommunikationssystem bezieht, das Erwartungserwartungen erwartbar macht. Die Gewährleistung tritt jedoch nicht von selbst ein, sondern durch organisationell implementierte selektive Kommunikationen und Handlungen, die den Vollzug sicherstellen. Insofern erfordert jede Implementierung von normativen Systemen eine Organisationsmacht. Diese Eigenschaft wird gut erkennbar, wenn diese Ermächtigung nicht mehr greift, zum Beispiel den Aufforderungen einer Regierung, eines Offiziers, eines Beamten oder eines Lehrers nicht mehr gefolgt wird. In diesem Fall verlieren diese Autoritäten ihre normative Macht. Wir erkennen daran aber auch, dass die Anwendung von Macht verleihenden Normen mit Erlaubnissen (Freistellungen, Einräumungen) verbunden ist. Diese Einräumungen sind nicht als ein Basiskonsens zu interpretieren, da sie immer auch opportunistisch modifizierbar sind. Es ist damit aber auch die Stelle benannt, an welcher der Machtkampf von Statusgruppen zu beobachten ist und in instabilen Situationen auf Grund der Ambivalenz der Organisationsmitglieder gegenüber der etablierten Ordnung Protest und Widerstand ausbricht. c) Wenn wir davon ausgehen, dass die Einheit sozialer Systeme durch die Entscheidung über Mitgliedschaft als eine Selektion von Teilnahmebedingungen an Kommunikationen hergestellt wird, dann stellt sich die Frage nach dem Erkenntniskriterium dieser Einheit. Die Erkenntnisregel (Identifikationsregel, rule of recognition) ist dazu heranzuziehen, um eine geltende von einer nicht geltenden Mitgliedschaftsbedingung zu unterscheiden. Die Einheit wird durch die Operationalisierung des Mitgliedschaftscodes festgestellt.
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5. Jede Codierung einer Mitgliedschaftsbedingung hat nur eine einzige Erkenntnisregel. Das ist dadurch begründet, dass soziale Systeme eine Entscheidungsinstanz haben, welche durch die Operationalisierung des Mitgliedschaftscodes definiert ist. Das betrifft das Geltungssymbol. In der Regel sind dazu die Mitgliedschaft einschränkende Verfahren vorgesehen. a) Das gilt auch dann, wenn eine Differenzierung von Mitgliedschaftsbedingungen vorliegt, sei es zum Beispiel die Staatsbürgerschaft (staatsangehörig/nicht angehörig) im Hinblick auf die Adressaten einer nationalen Rechtsordnung, für die Zugehörigkeit zu einer Verwandtschaft oder zu einer subkulturellen Gruppe, aber auch bei der Unternehmenszugehörigkeit. Im Falle eines durch einen Vertrag eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses. Insofern stellt sich die Frage nach den besonderen Merkmalen dieser Instanz. Die Mitgliedschaft operationalisierende Instanz ist durch ihre Funktion definiert, Kommunikationen und Operationen (Handlungen) durch die dualen Codierungen von erwartet, geboten oder verboten, erlaubt oder freigestellt normativ zu beschreiben und zu bewerten. Die Einheit (Identität) sozialer Systeme ist aber keine Norm, keine Grundnorm und auch kein Grundwert, sondern eine erfolgreiche Operation, ihre Kommunikation und ihre Beobachtung. Sie wird dadurch erzwungen, dass der funktionale Imperativ jeder Kommunikation die Reduktion von Erwartungserwartungen in der zeitlichen Dimension ist, die auch immer anders ausfallen kann, da die zeitliche Strukturierung von Kommunikation der nicht überbrückbaren Unterscheidung zwischen gegenwärtiger Zukunft und zukünftiger Gegenwart unterliegt. Unter dieser Voraussetzung wird der Mitgliedschaftscode gerade ohne eine normative Evaluation seiner Gültigkeit angewandt, das heißt, die Gültigkeit ist nicht mitgliedschaftstranszendent durch Menschenrechte, ein Naturrecht, eine partikularistische Volkssouveränität, durch Wohlstandsansprüche, eine letzte Metanorm oder Wertansprüche gerechtfertigt, sondern nur durch die Überführung des Codes in seine Operationalisierung als die Bestimmung dessen, wer davon (in welcher Hinsicht) betroffen ist oder nicht. b) Eine Hypernorm der Bewertung kann es nicht geben. Dadurch würde sich das soziale System selbst blockieren. Nur ein insoweit normfreier Begriff des Mitgliedschaftscodes ist operationalisierbar und in der strukturellen Evolution sozialer Systeme institutionalisierungsfähig. Das gilt auch für die moderne Rechtsordnung und die Ablösung des Naturrechts durch die Positivität des Rechts, das durch Entscheidungen kontingent gesetzt ist. Der Umstand, dass sich zum Beispiel die Verfassungsrechtsprechung auf Grundwerte bezieht, ist nichts anderes als eine Vereinheitlichung institutionalisierte Verfassungsrechte, die auch immer unterschiedlich reinterpretiert werden können, zum Beispiel menschenrechtlich, liberalistisch oder als Wohlfahrtsansprüche. Informativ ist diesbezüglich, dass Menschenrechte nur als Abwehrrechte und nicht als Wohlfahrtsansprüche (materiale Rechte) institutionalisierbar sind. Die Anomalie besteht darin, dass Wohlfahrtsansprüche in Rechtsform fixiert werden. In diesem Fall sind sie auch eine Vorgabe für die rechtliche Einklagung von Ansprüchen.
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c) Man kann diese Situation der Normgenese und Normgeltung in Variation einer Einsicht von Jean-Paul Sartre formulieren: Die sozialen Normen haben keine Transzendenz mehr, sondern sie sind das, was sie leisten: eine erfolgreiche Reduktion und Projektion von Erwartungserwartungen der Anschlussgestaltung von Kommunikation.47 Auf nichts anderes können wir vertrauen. Die sozialen Normen sind somit nicht durch ein kontrafaktisches Sollen zu charakterisieren. Wenn wir diese Einsicht ernst nehmen, so ist die Unterscheidung zwischen kontrafaktischem Sollen und faktischer Geltung eingeebnet. Das gilt nicht nur für das Recht, sondern auch für andere teilund sozialsystemspezifische Mitgliedschaftsordnungen. Die zeitliche Stabilisierung des Mitgliedschaftscodes wird somit durch eine strukturelle Asymmetrie der Operationalisierung gegenüber den möglichen Mitgliedern und Nichtmitgliedern in Kraft gesetzt. In diesem Sinne ist die Operationalisierung gerade nicht demokratisch. Für die Operationalisierung des Codes wird als gültig vorausgesetzt, dass eine Menge von Normen durch eine Autoritätsinstanz in ein normatives System überführt wurde, indem sie die Mitgliedschaftsbedingung in Kraft setzt und anwendet. Sie ist eine basale Entscheidungssouveränität und regelt die Erwartungen von Mitgliedern eines sozialen Systems. Insofern handelt es sich um eine Mitgliedschaftsordnung, die in der zeitlichen Dimension zu restabilisieren ist. Das schließt Umbrüche und Veränderungen von Mitgliedschaftsanforderungen der Inklusionsordnung der sozialen Systeme nicht aus, sondern macht sie erst verständlich, zum Beispiel die in den letzten 20 Jahren veränderten Anforderungen an die Arbeitsplatzprofile durch die neuen Kommunikationstechnologien. Die Theorie und Transformation, die durch die Analyse der normative Strukturerhaltung von sozialen Systemen erfolgt, verlagert sich somit nicht nur in den Begriff der Generalisierung von Erwartungen, sondern auf die Kommunikation und Operationalisierung sozialer Normen durch ein Autoritätssystem. Jedes soziale System verfügt über eine solche Instanz. IV. Von der Weltgesellschaft zur ,Gesellschaft von Gesellschaften‘ 1. Luhmanns Lebenswerk war von Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere daran orientiert, eine Gesellschaftstheorie zu entwickeln. Das war etwas, das es noch nicht gab. Er hat dieses Programm theoretisch und in Einzelstudien zu den Teilsystemen Wirtschaft, Politik, Recht, Religion, Wissenschaft, Kunst und Erziehung eingelöst und in diesem Zuge die Wissenssoziologie und Wissenschaftstheorie unter dem Titel „Semantik und Sozialstruktur“ neu positioniert. Die Theorietransformation im Hinblick auf die Umstellung des Blickwinkels von der Weltgesellschaft zur ,Gesellschaft von Gesellschaften‘ als ein System von Mitgliedschaftsordnungen, hat deshalb vom Gesellschaftsbegriff auszugehen.
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Jean-Paul Sartre bezieht das auf die Nichttranszendenz der Existenz des Menschen.
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a) Luhmanns Ansatz in der Gesellschaftstheorie geht dahin, Gesellschaft als eine selbstsubstitutive Ordnung zu fassen. Damit löst er die überlieferten Gesellschaftsbegriffe „Gesellschaft“ als Geselligkeit, als Zivilgesellschaft (societas civilis) und einer Gesellschaft jenseits des Horizonts in der soziologischen Theorie ab.48 Dies ist dadurch begründet, dass wir seit dem 19. Jahrhundert in unserem Gesellschaftsverständnis von den Gesellschaftsbeschreibungen der Teilsysteme dominiert waren. Eine angemessene Theorie der modernen Gesellschaft war von diesen Ausgangspunkten her nicht möglich. Der Gesellschaftsbegriff wird von Luhmann deshalb eingeführt, weil in der Soziologie ein Begriff für die „Einheit der Gesamtheit des Sozialen“ als das umfassende soziale System erforderlich ist.49 Die Einheit des Gesellschaftssystems besteht aus dieser Sicht in seiner selbstreferenziellen Geschlossenheit.50 Gesellschaft kann expandieren, zum Beispiel durch die Erweiterung der Kommunikationskreise, und es kann Neues hinzukommen, aber alle Veränderungen sind als Anschlussrationalität gesellschaftlicher Kommunikation zu gestalten, fortzuführen oder zu beenden. Das Gesellschaftssystem ist deshalb ein selbstreferenzielles System in und mit einer Umwelt. Luhmann hat dabei einen Abstraktionsgewinn in der soziologischen Theorie im Blick, der sie anspruchsvoller, aber weniger intuitiv einsichtig macht. b) Eine Evolution von Gesellschaft, hier verstanden als Kollektivsingular, kann es nicht geben, da Gesellschaft eine selbstsubstitutive Ordnung ist. Evolution ereignet sich auf der Systemebene. Sie umfasst alle anderen Kommunikationssysteme. Ihre Analyse erfolgt am Leitfaden der Differenzierungsformen, die auch die Inklusion und Exklusion der Gesellschaftsmitglieder in sich schließt. Funktionale Differenzierung ist dadurch gekennzeichnet, dass Gesellschaft nur im umfassenden abstrakten Sinne eine einzige Weltgesellschaft als der Ort aller füreinander erreichbarer Kommunikation ist, aber evolutionäre gesamtgesellschaftliche Ausdifferenzierungen in sich einschließt.51 Greifbar wird dieser Ansatz in seinem evolutionären Ergebnis mit der Pluralisierung und Differenzierung von sozialen Systemen und Organisationen, in denen sich die weltgesellschaftliche Kommunikation kondensiert. Damit ist zugleich das Problem der Regionalgesellschaften angesprochen, deren Bestehen Luhmann zwar nicht bestreitet, aber der Durchsetzung der funktionalen Differenzierung in der Weltgesellschaft unterordnet.52 Wenn wir die Mitgliedschaftstheorie auf 48
Klaus Lichtblau, Von der „Gesellschaft“ zur „Vergesellschaftung“. Zur deutschen Tradition des Gesellschaftsbegriffs, in: Soziologie Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Jahrgang 39, Heft 3, 2010, S. 279 – 85. 49 Luhmann, Soziale Systeme (FN 15), S. 555. 50 Ebd. 51 Vgl. dazu Niklas Luhmann, Weltgesellschaft (1971), in: ders., Soziologische Aufklärung, Bd. 2, Opladen 1975, S. 51 – 71. Zum Begriff der Weltgesellschaft: Preyer, Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe (FN 16), S. 23 – 25. 52 Zum Begriff der Regionalgesellschaft: Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft (2 Bde.), Frankfurt a.M. 1998, Bd. 2, S. 806 – 812. Vgl. dazu: Preyer, Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe (FN 16), S. 23 – 25; zu dem Begriff der sozialen Netzwerke, ebd., S. 25 – 27.
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den Ebenen der Problemstufenordnung und der Differenzierung von Gesellschaft, Organisation und Interaktion in die Mitgliedschaftssoziologie überführen, so führt das zwangsläufig zu einer Transformation der Gesellschaftstheorie als einer Theorie der multiplen Heterarchie regionalgesellschaftlicher Mitgliedschaftsordnungen. Den theoretischen Anschnitt möchte ich soweit andeuten, dass der Schritt zu dieser Theorietransformation erkennbar wird. c) Die Mitgliedschaftstheorie wird in die Mitgliedschaftssoziologie als einer Typisierung der Mitgliedschaftsbedingungen sozialer Systeme, formaler Organisationen und einfacher Interaktionen überführt. Dabei erfolgt die Anordnung am Leitfaden der Unterscheidung zwischen offenen informalen versus geschlossenen formal regulierten Mitgliedschaftsbedingungen. Die Ordnungsleistung der sozialen Regelungen verdichtet sich dabei durch formale Organisation. Die Spezifikation der Typik von Mitgliedschaftsbedingungen sozialer Systeme auf der Problemstufenordnung von Gesellschaft, Organisation, Interaktion kann mit Hilfe der von Krawietz getroffenen Unterscheidung zwischen „sozial“ und „sozietal“ verfahren. Unter „sozial“ versteht er die direkte Teilnahme an Interaktionssystemen der Mitglieder von sozialen Systemen und unter „sozietal“ die gesellschaftlichen Verwiesenheit der Teilnahme an Kommunikationen dieser Interaktionssysteme. Interaktionssysteme und die gesellschaftliche Verwiesenheit sind in der Zeitdimension verbunden. Die kommunikativen Ereignisse der Teilnahme an Interaktionssysteme sind ihrerseits sozietale Episoden. Auf die gesellschaftliche Verwiesenheit der Teilnahme an Interaktionssystemen stoßen wir dann, wenn wir uns die Frage stellen: Woher wissen wir, dass gesellschaftliche Kommunikation nicht aufhört, wenn sich zwei Personen verabschieden? Die Antwort ist: Weil es Gesellschaft gibt! Insofern verweist jede Kommunikation in ihrem Beginn, Beenden und ihrer möglichen Fortführung auf die Rekursion der gesellschaftlichen Kommunikation. Eine nur einmalige Kommunikation kann es deshalb nicht geben. Die Teilnahme an Interaktionssystemen, auch wenn sie sich über Verbreitungsmedien Sprache, Schrift, Buchdruck, Funk, Telefon oder die neue Kommunikationstechnologie vollzieht, reproduziert immer auch sozietale Kommunikation. Einfache Interaktionssysteme erfordern eine direkte Anwesenheit der Kommunikationsteilnehmer, die auf wechselseitiger Wahrnehmung und Beobachtung basiert. Durch die Verbreitungsmedien wird sie in eine indirekte Anwesenheit des Adressaten umgewandelt. Die Teilnahme an Interaktionssystemen wird in diesem Kontext gegenüber der symbiotischen Kommunikation durch verallgemeinerbare Verhaltenserwartungen gekennzeichnet, obwohl die Grenzziehung der Interaktionssysteme auch symbiotische Voraussetzungen hat. Wir können das so formulieren: Soziales reproduziert immer auch Symbiotisches, aber Symbiotisches ist erst rudimentär sozial. 2. Die Unterscheidung offene informale versus geschlossene formal regulierte Mitgliedschaftsbedingungen strukturiert sowohl die Teilnahme an Interaktionen in sozialen Systemen unterschiedlichen Zuschnitts, zum Beispiel durch Programme
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in formalen Organisationen; dies geschieht auch durch die sozietale Reproduktion der Kommunikationen als Verweisungszusammenhang von Mitgliedschaften im Hinblick auf die Anschlussgestaltung von Kommunikationen, zum Beispiel durch Statusposition und besondere Zugehörigkeiten, sei es die Staatsbürgerschaft, die Zugehörigkeit zu Ethnien, zu Religionsgemeinschaften, zu Wirtschaftsunternehmen oder auch zu Subkulturen. Die Anordnung der Problemstufenordnung unter dem Gesichtspunkt offen informal versus geschlossen formal ist somit eine Anordnung von Interaktionssystemen der sozietalen Kommunikation. Sie betrifft eine unterschiedlich starke Regelung der Teilnahmebedingungen an Kommunikationen. Die Ordnungsleistung verdichtet sich dabei auf Bildung und Differenzierung von formalen Organisationen, die Mitgliedschaft formal regeln und dadurch die Kommunikationsoptionen schließen. a) Die mitgliedschaftstheoretische Fassung des Gesellschaftsbegriffs besagt: Gesellschaft als selbstsubstitutive Ordnung ist durch die Entscheidung über Mitgliedschaft(en) selbstreferenziell geschlossen. In die Gesellschaft kann zwar nicht einund ausgetreten werden. Wir sind immer nur Mitglied als Mitglied ¢ letztere hier in analytisch-begrifflicher Hinsicht verstanden als Konstrukt ¢ sozialer Systems und nur insofern auch von Gesellschaft.53 Die Einheit der Gesamtheit des Sozialen besteht somit formaliter in Mitgliedschaft und der Spezifikation der Mitgliedschaftsbedingung. Das heißt aber, dass gesellschaftliche Kommunikation fortlaufend eine interne Schließung und Exklusion herbeiführen kann. Sie ist aber keine totale Institution, da die Differenzierung des gesellschaftlichen Mitgliedschaftssystems porös und durchlässig ist. Gehen wir davon aus, so ist das Gesellschaftssystem als ein Mitgliedschaftssystem von funktional differenzierten Mitgliedschaftssystemen zu fassen, das der Evolution unterliegt. b) Die ,Weltgesellschaft‘ als eine Differenzierung von mehr oder weniger organisierten sozialen Systemen ist in der Gesellschaftstheorie als eine regionalgesellschaftlich strukturierte Mitgliedschaftsordnung zu systematisieren. Für sie gilt, wenn es überhaupt angebracht ist, im Anschluss an Luhmann von der GanzesTeil-Unterscheidung aus zu argumentieren, dass „das Ganze weniger ist als die Summe seiner Teile“.54
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Luhmann hat sich an der Bestimmung der Beziehung zwischen dem übergreifenden Gesellschaftssystem und den Teilsystemen an der Semantik von Ganzem und Teil abgemüht. Sie wird zwar der alteuropäischen (Aristotelischen) ontologischen Semantik zugeordnet, aber die Beziehung des übergreifenden Gesellschaftssystems zu den Teilsystemen wird durch eine Dekonstruktion dieser Semantik in der konstruktiven Perspektive der mehrstufigen Kybernetik durchgeführt. Sie besagt vereinfacht, dass jedes Teilsystem seine Beziehung zur sozialen Umwelt selbst zu konstruieren hat und jedes soziale System gleichzeitig gesellschaftliche Kommunikation vollzieht. Zur Ganzes-Teil Semantik: Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 2 (FN 52), S. 912 – 931. 54 Diesen Hinweis gab Werner Krawietz in einem persönlichen Gespräch im Hinblick auf die Weglosigkeit Luhmannscher Ganzes-Teil-Semantik.
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Bei der Rede von der „Gesellschaft von Gesellschaften“ darf Gesellschaft aber nicht als ein „Container“ oder als nationalstaatliche Gesellschaft missverstanden werden. Für diese Umorientierung spricht auch empirisch die unterschiedliche Modernisierung, die wir zum Beispiel in Thailand, Indonesien, Indien, Südkorea, Südost- und Ostasien, Brasilien sowie in Lateinamerika beobachten. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass Gesellschaften einerseits globale Netzwerke sind, andererseits auch global ausgreifende Metropolen und Megastädte. Ihre Netzwerke haben bei einem bestimmten Ausmaß der Vergesellschaftung den Status von Gesellschaften. Von dem reformulierten Gesellschaftsbegriff ist der Schritt zu den Multiple Modernities nicht weit. Krawietz charakterisiert die Struktur der gegenwärtigen multiplen Heterarchie der unterschiedlichen regionalgesellschaftlichen Mitgliedschaftsordnungen durch zwei „global“ und „lokal“ gegenläufige Tendenzen, nämlich (i) strukturelle Vernetzung „großer, global operierender Organisationseinheiten“ und (ii) als symbiotische Identitätskollagen der Teilnehmer an sozialen Netzwerken, d. h. an einem Kompromiss zwischen derjenigen Herkunftswelt und den Anforderungen an die Teilnahme an globalen Kommunikationssystemen, bei denen die kognitive Orientierung erwartet wird und sich die Erwartungserwartungen verallgemeinern.55 Die ,Gesellschaft von Gesellschaften‘ ist als ein System von Mitgliedschaftsordnungen ist gesellschaftstheoretisch in den Kontext der Dimensionen von Globalisierung zu stellen.56 Fassen wir Weltgesellschaft als Gesellschaft von Mitgliedschaftsordnungen, so sind die sozialen Systeme, die sie einschließt, nicht in eine hierarchische Ordnung zu bringen, sondern sie treten eher in einen strukturellen Drift ein. Es gibt in ihr keinen Vorrang eines sozialen Systems gegenüber den anderen sozialen Systemen. An dieser Struktur zerbrechen die alteuropäische Weltrechts- und anderen Ordnungsvorstellungen, welche die gesellschaftliche Kommunikation durch globale Organisationen und Institutionen zu regulieren beanspruchen. c) Die Mitgliedschaftsordnungen als soziale Systeme sind durch die Entscheidung über Mitgliedschaft, ihre Strukturierung in der Zeitdimension, durch das Mitgliedschaftsgedächtnis, die Negationsspielräume, das Autoritätssystem, die kollektive Identität ihrer Mitglieder und durch die primären symbiotischen sozialen Systeme selbstkonstituiert. Das Rechtssystem ist dafür ein guter Beleg. Es ist hervorzuheben, dass unter der Voraussetzung der globalisierten gesellschaftlichen Kommunikation und ihrer medialen, aber dadurch auch hoch selektiven Beobachtung nicht zu erwar55
Krawietz, Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme des Rechts (FN 2), S. 259 f. Zur Kommunikationsstruktur unter der Voraussetzung der globalen Expansion der gesellschaftlichen Kommunikation Barri Axford, Mere Connection: Do Communication Flows Compensate for the Lack of World Societies?, in: Georg Peter/ ReußMarkus Krauße (Hrsg.), Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen, Wiesbaden 2012, S. 31 – 41. 56 Zu den Dimensionen der Globalisierung und dem Abbau der Universalzuständigkeit der westlichen Modernisierung Preyer, Soziologische Theorie der Gegenwartsgesellschaft, 3 Bde., Bd. I (FN 15), S. 181 – 215.
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ten ist, dass sich die strenge Kopplung zwischen dem Rechtssystem und dem Politischen System, die sich in der westlichen Modernisierung etablierte, auf diese Kommunikation zu übertragen sein wird. Der besonderen Selektion rechtlich normierter Erwartungen fehlt es an Trennschärfe, um sie in den für die Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung zuständigen Organisationen mit einem universellen (globalen) Geltungsbereich institutionalisieren zu können. Sie stößt dabei auf die Nichtabstimmbarkeit (mangelnde Verallgemeinerbarkeit) der Interessen der unterschiedlichen sozialen Statusgruppen in den Funktionssystemen. 3. Für die Kopplung zwischen dem Politischen System und dem Rechtssystem in der Modernisierung der westlichen Gesellschaften ist daran zu erinnern, dass auf dem westlichen Modernisierungspfad wegen der Ablösung des Naturrechts durch die Positivierung des positive Recht die Leistung des Rechtssystems in der System-SystemBeziehung auf die Nachfrage nach neuen Regelungen der Kommunikation in den Teilsystemen ausgelöst wurde. Sie waren in ihrer Implementierung auf die westlichen Gesellschaften begrenzt. Nicht nur der Völkerbund ist nach dem Ersten Weltkrieg gescheitert, auch die Geschichte der UNO ist nach dem Zweiten Weltkrieg gerade keine Erfolgsgeschichte und konnte es letztlich auch nicht sein. Viele Belege sprechen dafür, dass mit der Globalisierung des Wirtschafts- und des Wissenschaftssystems eher eine Lokalisierung des Rechtssystems und gerade keine universelle Rechtsordnung und Rechtsgemeinschaft einhergeht. Sie wäre durch formale Organisationen mit Globalzuständigkeit zu implementieren. Das würde vermutlich eher auf einen globalen Bürgerkrieg hinauslaufen. Sofern wir davon ausgehen, dass das Recht der Gesellschaft von Gesellschaften ein sozietales Rechtssystem ist, so wird es ein System von regionalen Rechtssystemen mit unterschiedlichen Mitgliedschaftsordnungen sein, die sich in Regionalgesellschaften fragmentieren. a) Neu ist vor allem in der Gegenwartsgesellschaft die Konfrontation mit nicht westlichen Rechtstraditionen und Zivilisationen, die den westlichen Legalismus in Frage stellt, zum Beispiel die islamische Rechtsordnung. Für die Rechtstheorie sollten wir daraus folgern, dass die Annahme von a priori gültigen und vernünftigen Rechtsgrundsätzen und die Annahme eines Naturrechts eine rechtstheoretische Fiktion ist, die wir aufgeben sollten. Im Hinblick auf das Recht der Weltgesellschaft als einer Gesellschaft von Gesellschaften ist deskriptiv von dem Befund auszugehen, dass die sozietal vorliegenden Rechtssysteme (-ordnungen) keine allgemeine Rechtsordnung und kein Universalsystem des Rechts sind bzw. sein werden.57 Zwar wird sich durch die Beschleunigung, die Erweiterung und die punktuelle Verdichtung von Kommunikation die Inanspruchnahme des Rechts vermehren; das schließt wiederum einen deflationären Rückgang der Inanspruchnahme der rechtlichen Kommunikation nicht aus.58 57 Dazu Werner Krawietz, Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Tönnies’sche Handlungsund Forschungsparadigma in neueren Rechtstheorien, in: Rechtstheorie 35 (2004), S. 579 – 652. 58 Richard Münch, Dynamik der Kommunikationsgesellschaft, Frankfurt a.M. 1995. Zu den inflationären Prozessen des Rechts und seiner empirischen Illustrierung, ebd., S. 203 – 12,
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b) Das globale System von Rechtssystemen als ein System von Mitgliedschaftsordnungen bedeutet eine Differenzierung der Rechtsordnungen. Anzumerken ist dazu, dass auch innerhalb des westlichen Rechtssystems unterschiedliche Rechtsparadigmen vorliegen, zum Bespiel die Rechtstradition des Common Law in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. Es spricht nicht viel dafür, dass sich die rechtliche Kommunikation in einer Weltrechtsordnung rechtsinhaltlich vereinheitlicht. Vermutlich erfassen wir die erkennbare Situation dann, wenn wir von einer „Glokalisierung der Rechtskommunikation“ (Krawietz) ausgehen. Es findet somit eine institutionelle Regelung der rechtlichen Kommunikation in der globalen Dimension bei gleichzeitiger Lokalisierung statt. Forschungsschwerpunkte der gesellschaftstheoretisch orientierten Rechtssoziologie sind diesbezüglich die Untersuchungen der unterschiedlichen Rechtsordnungen, die sich im Zuge der strukturell unterschiedlichen Modernisierung herausbildeten, zum Beispiel in Japan, China, Indien, West- und Osteuropa, und die sich im Zuge der Globalisierung der gesellschaftlichen Kommunikation einander begegnen.59 4. Der Multi-Level-Approach unterscheidet zwischen primären und sekundären sozialen Systemen des Rechts, da rechtliche Kommunikation und die Rechtsordnungen des Funktionssystems der Rechtskommunikation nicht mit der strukturellen Kopplung zwischen dem Rechts- und dem Politischen System gleichgesetzt werden darf. a) Der Staat (Rechtsstaat) als die moderne Selbstbeschreibung der Organisation des politischen Systems wird als sekundäres Sozialsystem des Rechts (staatlich organisiertes Recht) eingestuft. Die Unterscheidung war der Rechtstheorie des 19. Jahrhunderts durchaus geläufig, zum Beispiel bei Rudolf von Ihering. Dieser Rechtstradition war noch das gelebte symbiotische Recht der primäre Rechtssysteme vertraut. Es bezieht sich auf die Adressaten des Rechts. Primäre soziale Systeme des Rechts sind symbiotisch an die System-Umwelt-Differenz ihrer Kommunikationssysteme gekoppelt. Sie sind, um hier einen Begriff von Krawietz einzusetzen, soziale Interaktionssysteme. Diese Systeme sind durch für sie typische Negationen, Optionen und kollektive Identitäten ihrer Mitglieder bestimmt, für die sie gelten, da sie auf regionale (lokale) Bereiche und Adressatengruppen zu spezifizieren sind. Sekundäre soziale Systeme sind dagegen durch die Verallgemeinerung von Erwartungserwartungen in der sachlichen, zeitlichen und sozialen Dimension sowie durch die Technisierung der organisationellen normierten Verfahren zu charakterisieren. b) In der rechts- und gesellschaftstheoretischen Beschreibung und (Re-)Konstruktion dienen die sekundären dem Schutz und der Implementation der primären soziazu den Paradoxien des modernen Rechts: der Paradoxie des rechtlichen Rationalismus, des rechtlichen Individualismus, des rechtlichen Universalismus und des Instrumentalismus der Rechtsgestaltung, ebd., S. 193 – 197. 59 Zum chinesischen Rechtssystem: Gerhard Preyer/Reuß-Markus Krauße, Rechtliche Kommunikation als normativ-faktischer Ausgleich ohne Gleichheit in der chinesischen Gegenwartsgesellschaft, in: Rechtstheorie 4 (2012), S. 1 – 16.
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len Rechtssysteme. Sie sind durch die für sie typischen Autoritätssysteme zu rekonstruieren. Damit sollte für die Rechtstheorie einhergehen, dass die Gleichsetzung von Verfassungsstaat und Rechtstaat als verfehlte Selbstidentifikation zurückgenommen wird. Der Staat, aber auch der Rechtsstaat, ist nur ein Organisationssystem unter anderen, mit denen er konkurriert. Insgesamt ist das ein Beleg dafür, dass in der Weltgesellschaft als einer ,Gesellschaft von Gesellschaften‘ von Mitgliedschaftsordnungen unterschiedliche Modernisierungen vorliegen.60 5. Mein in diesem Artikel verfolgtes Ziel war es, das rechts- und gesellschaftstheoretische Forschungsprogramm einer Transformation der systemtheoretischen Gesellschaftstheorie im Theorieverbund mit dem Multi-Level-Approach und der Mitgliedschaftstheorie, der Neufassung sozialer Normen in diesem Bezugsrahmen und der theoretischen Umstellung der Gesellschaftstheorie von der Weltgesellschaft (im Singular) zur Weltgesellschaft als einer Gesellschaft von Gesellschaften und ihren Mitgliedschaftsordnungen zu skizzieren. Die ,Gesellschaft der Gesellschaft‘ ist somit zugleich als eine Gesellschaft diverser Mitgliedschaftsordnungen zu beobachten. Damit ist das Forschungsprogramm der Transformation in der modernen Theorie und Soziologie des Rechts umrissen. a) Drei Einsichten der Systemtheorie sind aber festzuhalten: (i) Die Kritik an dem energetischen Austauschmodell der System-Umweltbeziehung der klassischen Systemtheorie (Talcott Parsons) als theoretisches „initial system“ des Umbaus der Systemtheorie. Die sozialen Systeme verdanken sich der Selbstselektivität ihrer Konstitution und können ihre Operationen nicht externalisieren. Man braucht aber nicht zu bestreiten, dass es kausale Einflüsse von Seiten der Umwelt auf soziale Systeme gibt.61 Aus mitgliedschaftstheoretischer Sicht ist die selbstreferenzielle Operation in der Entscheidung über Mitgliedschaft und ihre evolutionäre Variation, Selektion und (Re-)Stabilisierung zu erblicken. (ii) Menschen als physio-psychische Entitäten gehören zur Umwelt sozialer Systeme. Wir handeln und erleben in sozialen Systemen nicht als Menschen, sondern in unseren jeweiligen Systemmitgliedschaften. (iii) Die gesellschaftliche Kommunikation lässt sich nicht perfektionieren. Soziale Systeme und Gesellschaft sind nicht nach Maßgabe eines Bildes vom Menschen zu verstehen und zu beschreiben, zum Beispiel nicht durch dessen aufrechten Gang; sie können auch nicht hören und sehen. Das ist deshalb erwähnenswert, weil dies immer wieder von Soziologen und Philosophen fehlinterpretiert wurde. Es wird damit nicht behauptet, dass Menschen als psycho-physische Systeme und 60
Vergleiche dazu die neueren Veröffentlichungen des Projekts „Globalisierung, Modernisierungstheorie, Multiple Modernities“, z. B. ProtoSociology Vol. 26, 27: Modernization in Times of Globalization I (2009), II (2010). Vgl. ferner China’s Modernization I (2011), II (2012), ed. by Georg Peter/Reuß-Markus Krauße und Gerhard Preyer/Reuß-Markus Krauße, Chinas Power-Tuning. Modernisierung des Reichs der Mitte, Wiesbaden 2013. 61 Das Problem ist jedoch, welchen Kausalitätsbegriff wir für tragfähig halten. Zur Humeschen Regularitätstheorie, der wahrscheinlichkeitstheoretischen, der kontrafaktischen und dem modallogischen Interpretation des Kausalitätsbegriffs: Franz von Kutschera, Die falsche Objektivität, Berlin 1993, S. 41 – 51.
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Bewusstseinssysteme keine notwendige Voraussetzung der Emergenz (Co-Evolution) von sozialen Systemen sind. Bewusstsein ist auch an Kommunikationen beteiligt; es kann sie zum Beispiel stören. b) Als „Menschen“ sind wir jedoch Monaden, die aus ihrem Bewusstsein nicht heraustreten können. Wir können das auch so formulieren: Nach Leibniz hat die Monade keine Fenster, der Mensch als Monade kann aber durch das Fenster seines Bewusstseins hinaussehen und dem Blick des Anderen begegnen, ohne aus dem Fenster heraustreten zu können.62 Insofern könnte es sich lohnen, Sartres frühe Sozialphilosophie in dem Kapitel „Le Pour-Autrui“ in L’être et le néant. Essai d’ontologie phénoménologique kommunikationstheoretisch neu zu interpretieren, da seine Beschreibung des Blicks des Anderen von der Beobachtung der Beobachtung ausgeht.63 c) Die Dehumanisierung des Gesellschaftssystems als eines Mitgliedschaftssystems steht in der Evolution nicht mehr zur Disposition und wird durch die Differenzierung der Mitgliedschaftsordnungen herbeigeführt. Es ist auch nicht zu erwarten, dass gesellschaftliche Kommunikation unter der Voraussetzung funktionaler Differenzierung eine neue Einheitsformel ihrer Selbstbeschreibungen finden wird. Sie schließt es aber nicht aus, dass sich bei den Teilnehmern an Kommunikationen immer wieder Illusionen über diese Umstände einstellen. Es verweist auf symbiotisch strukturierte System-Umwelt-Relationen und die mehrstufige kybernetische Beobachtung der Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Ohne die Beobachtung von Beobachtern, auf die sich die Kommunikation unter der Voraussetzung funktionaler Differenzierung umgestellt hat, haben wir kein angemessenes Verständnis der Struktur gesellschaftlicher Kommunikation. Das gilt auch für die Weltgesellschaft als eine Gesellschaft von Mitgliedschaftsordnungen. Es ließe sich in einer Abwandlung von Luhmann fragen: Was machen wir mit dem Beobachter, der die Entscheidung über Mitgliedschaft beobachtet?64, 65
62 Nach Leibniz repräsentiert die Monade als Einzelnes in sich das ganze Universum. Perzeption ist die Produktion ihrer selbst und damit des Universums. Sie ist zugleich Vorstellung und aktiver Prozess. In der prästabilisierten Harmonie wird das Verhältnis von Perzeption und Rezeption begründet. Die Monade als einfache Substanz bringt vor sich, was sie an sich ist. Von einer Übereinstimmung von Mikro- und Makroordnung ist nach der Physik des letzten Jahrhunderts nicht mehr auszugehen. 63 Jean-Paul Sartre, L’être et le néant. Essai d’ontologie phénoménologique, Paris 1943. 64 Bei Luhmann bezieht sich die Frage auf den Teufel, der Gott beobachtet. 65 Ich danke Werner Krawietz für Gespräche und Kommentare, die er zu früheren Versionen dieser Untersuchung beigetragen hat.
Die Rechtstheorie ist schlecht vernetzt Von Klaus F. Röhl, Bochum I. Vom System zum Netzwerk 1984 erschien von Werner Krawietz der Band „Recht als Regelsystem“. Darin hatte er frühere Arbeiten zur Rechtstheorie unter dem Gesichtspunkt einer „Verbindung von Rechtstheorie und Systemtheorie“ (S. XIV) zusammengestellt. Ein Kapitel dieses Bandes handelt von der Theoriesubstitution in der Jurisprudenz. Wäre der Jubilar um 30 Jahre jünger, hätte er vielleicht heute einen Band über das „Recht als Netzwerk“ veröffentlicht, denn im Laufe dieser 30 Jahre hat die Rede von Netzwerken mehr und mehr den Systemgedanken verdrängt. Ob man insoweit von einer Theoriesubstitution sprechen kann, erscheint allerdings zweifelhaft, denn es gibt kein der Systemtheorie entsprechendes Gebäude einer Netzwerktheorie. Aber der Netzwerktalk ist in rechtstheoretischen Arbeiten inzwischen so verbreitet, dass es sich lohnt diesem Wandel nachzugehen. Das soll im Folgenden am Beispiel von zwei Autoren geschehen, in deren Arbeiten der Netzwerkbegriff eine prominente Rolle spielt, nämlich am Beispiel von Karl-Heinz Ladeur und Gunther Teubner. Die Netzwerkforschung nimmt für sich in Anspruch, mehr oder weniger allen Disziplinen, ganz gleich ob Naturwissenschaften, Technik oder Sozialwissenschaften, Hilfe anbieten zu können. Daher ist es naheliegend, dass auch die Rechtswissenschaft auf dieses Angebot zurückgreift. In Mathematik, Ingenieurswissenschaften und Soziologie gibt es handfeste Netzwerkkonzepte. Dem Netzwerkbegriff, soweit er in der Rechtstheorie verwendet wird, liegt jedoch bisher kein gehaltvolles Konzept zugrunde. Sie verwendet den Netzwerkbegriff vor allem als Ausdruck der Alltagssprache oder als Metapher.1 Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, denn die Rede von Netzwerken ist so verbreitet, dass sich das kaum vermeiden lässt. Problematisch ist solche Konzeptlosigkeit aber, wenn Rechtstheorie mit dem Anspruch auf Interdisziplinarität auftritt, und dabei unverdient von den Konnotationen profitiert, die auf die harte Netzwerkforschung verweisen.
1 Volker Boehme-Neßler widmet in seiner 2008 erschienenen Habilitationsschrift „Unscharfes Recht“ dem Netzwerkkonzept ein großes Kapitel (Vernetzung und Recht, S. 500 – 632). Er stellt Netzwerktheorie neben die Systemtheorie und findet in ihr eine alternative Beschreibungsmöglichkeit. Boehme-Neßler bietet ein Beispiel dafür, dass auch eine eingehende Rezeption der Netzwerkforschung nicht unbedingt rechtstheoretischen Fortschritt bedeutet. Dazu meine Kritik auf Rsozblog: http://www.rsozblog.de/volker-boehme-neslers-unscharfes-netzwerkkonzept/.
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Meine These lautet, dass sich die Rechtstheorie in den Erfolgen und der Popularität der Netzwerkforschung sonnt, dass sie es aber weitgehend versäumt hat, diese Netzwerkforschung zu rezipieren, so dass im Ergebnis eher Netzwerktalk als Netzwerktheorie herauskommt. Vorauszuschicken wären daher einige Stichworte zur Entwicklung der Netzwerkforschung und das Konzept einer soziologischen Netzwerktheorie, das der Kritik zugrunde gelegt wird. Für das Erstere kann auf die reichlich vorhandene Literatur2 verwiesen werden. Für Letztere müssen hier wenige Stichworte und der Verweis auf eine leicht zugängliche Darstellung an anderer Stelle3 genügen. II. Typische Merkmale sozialer Netzwerke 1. Netzwerkanalyse: Methodisches Konzept oder soziologische Theorie? Jede Relation zwischen zwei und mehr Objekten lässt sich mit dem Netzwerkvokabular von Knoten und Kanten beschreiben. Eine konsentierte Definition sozialer Netzwerke fehlt. Will man die Verwendung des Netzwerkbegriffs bei anderen kritisieren oder auch nur beschreiben, so ist es daher unabdingbar, sich auf eine eigene Definition festzulegen. Bei Definitionen gibt es kein richtig oder falsch. Aber natürlich ist jeder Definitionsversuch darum bemüht, sich als zustimmungsfähig zu erweisen. Die Erfolgschancen sind nicht gering, denn wenn man auf eine tiefe Einbettung in soziologische Theorie verzichtet, so schält sich doch das Netzwerk als eine typische Sozialform heraus. Ihre Besonderheit erschließt sich am besten aus einem Vergleich mit anderen sozialen Formationen. Erörtert wird vor allem die Abgrenzung von Gesellschaft, System und Interaktion,4 von Markt und Organisation5. Ich gehe hier von dem (von mir) so genannten Powell-Konsens aus. 1990 stellte Walter W. Powell in dem Aufsatz „Neither Market nor Hierarchy“6 Netzwerke als spezifischen Typus der Koordination ökonomischer Prozesse heraus, der die Defizite von Markt und Hierarchie bis zu einem gewissen Grade vermeiden könne. Er charakterisierte Netzwerke dazu als auf Dauer gestellte, eher informale Verhandlungsund Tauschverhältnisse. In Ökonomie und Soziologie hat sich seither ein gewisser 2 Eine kurze, dabei aber sehr vollständige und gut lesbare Darstellung gibt Boris Holzer, Netzwerke, 2006. Wer es ausführlicher mag, sei verwiesen auf David Easley/Jon Kleinberg, Networks, Crowds, and Markets, Reasoning about a Highly Connected World, New York 2010, sowie auf Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse, 3. Aufl., 2006. 3 http://Rechtssoziologie-online.de/, dort § 56 Soziale Netzwerke. 4 Vgl. Boris Holzer, Die Differenzierung von Netzwerk, Interaktion und Gesellschaft, in: Michael Bommes/Veronika Tacke (Hrsg.), Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, 2011, S. 51 – 66. 5 Zur Abgrenzung von der Gruppe Jan A. Fuhse, Gruppe und Netzwerk – eine begriffsgeschichtliche Rekonstruktion, in: Berliner Journal für Soziologie 2006, S. 245 – 263. 6 Walter W. Powell, Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organization, in: Research in Organizational Behavior 12 (1990), S. 295 – 336; deutsch: Weder Markt noch Hierarchie, in: Patrick Kenis/Volker Schneider (Hrsg.), Organisation und Netzwerk, 1996, S. 213 – 271.
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Konsens herausgebildet, dass es sinnvoll ist, Markt und Hierarchie (in der Gestalt der Firma) nicht als die Enden eines Kontinuums zur Koordination von interdependenten Handlungen anzusehen, sondern Netzwerke als dritten Typus der Handlungskoordination – und damit als Sozialstruktur eigener Art – zu begreifen. Schwierig ist die Abgrenzung von Netzwerk und System.7 In Luhmanns Theoriegebäude haben Netzwerke keinen ausgeprägten Platz. Eine simple Lösung scheint der Vorschlag von Kämper und Schmidt zu bieten, der Netzwerke als strukturelle Kopplungen zwischen den autopoietisch geschlossenen Systemen, insbesondere zwischen Organisationen, verortet.8 Aber er erklärt nicht, worin die Besonderheit von Netzwerken besteht. Es gibt auch Bemühungen, Luhmanns Trias von Gesellschaft, Organisation und Interaktion durch weitere Systemtypen zu ergänzen. Luhmann selbst hat diese Lösung nicht ganz ausgeschlossen. In „Organisation und Entscheidung“9 meint er immerhin, Netzwerke könnten „sich zu eigenen sozialen Systemen verdichten, wenn sie klare Grenzen und eine eigene rekursiv verwendbare Geschichte erzeugen und das netzwerktypische Vertrauen darauf stützen.“ Diesen Weg hat Gunther Teubner gewählt. Er hat damit die Aufmerksamkeit, aber nicht den Beifall der Soziologen gefunden. Darauf werde ich unter IV. eingehen. Vom systemtheoretischen Standpunkt aus sind Netzwerke ein modernes Phänomen, weil sie erst mit der Differenzierung der Gesellschaft relevant werden, denn solange die Gesellschaft segmentär oder hierarchisch geordnet war, ergaben sich soziale Beziehungen im Wesentlichen aus festgelegten Positionen und den damit verbundenen Rollen. Erst die funktionale Differenzierung öffnet die Gesellschaft für soziale Netzwerke, indem sie die Akteure aus ihren fixierten Rollen befreit und zu „sozialen Adressen“ werden lässt, die zwar nicht beliebig, aber doch aus vielen Richtungen angesprochen werden und umgekehrt andere ansprechen können.10 Ich folge dem Vorschlag von Veronika Tacke, Netzwerke als komplementäre soziale Strukturen anzusehen, die insofern sekundär sind, als sie einer sozialen Basis bedürfen.11 7 Guter Überblick bei Jan A. Fuhse, Der Netzwerkbegriff in der Systemtheorie, in: Johannes Weyer (Hrsg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl., 2011, S. 301 – 324. 8 Eckart Kämper/Johannes F. K. Schmidt, Netzwerke als strukturelle Kopplung, in: Johannes Weyer (Hrsg.), Soziale Netzwerke, 1. Aufl., 2000, S. 211 – 235. Diese Lösung übernimmt Poul F. Kjaer, Embeddedness through Networks: A Critical Appraisal of the Network Concept on the Oeuvre of Karl-Heinz Ladeur, in: German Law Journal 10 (2009), S. 483 – 499, 490 f. für die „real existierenden Netzwerke“ in der EU. Vgl. dazu auch Martin Schulte, Eine soziologische Theorie des Rechts, 2011, S. 181 ff. 9 2000, S. 408. 10 Veronika Tacke, Differenzierung und/oder Vernetzung?, in: Soziale Systeme 15 (2009), S. 243 – 270; Michael Bommes/Veronika Tacke, Netzwerke in der Gesellschaft der Gesellschaft, in: Soziale Systeme 13 (2007), S. 9 – 20, 14. 11 Veronika Tacke, Netzwerk und Adresse, in: Soziale Systeme 6 (2000), S. 291 – 320. Der Vorschlag ist weiter ausgearbeitet worden von Michael Bommes/Veronika Tacke, Luhmann’s Systems Theory and Network Theory, 2005 (wie FN 16); dies., Das Allgemeine und das Besondere des Netzwerkes, in: dies. (Hrsg.), Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, 2011, S. 25 – 50, 31 ff.; Veronika Tacke, Systeme und Netzwerke – oder: Was
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a) Soziale Netzwerke und ihre Basis Netzwerke brauchen als eine Basis eine vorstrukturierte Kommunikationschance. Richter des Bundesverfassungsgerichts können sich ohne weiteres an Richterkollegen der Verfassungsgerichte anderer Staaten wenden, um sich mit ihnen über ihre Praxis auszutauschen. Wenn dagegen ein Jurastudent an einen Richter des US Supreme Court mailte, etwa um nach Problemen im Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik zu fragen, bliebe er ohne Antwort. Prinzipiell kann jede soziale Formation, die Kommunikationen ermöglicht, zur Basis eines Netzwerks werden. Plattformen dieser Art waren und sind Familie und Nachbarschaft, Gruppen oder Organisationen. Kommunikationschancen ergeben sich auch aus der gleichen Lebenslage von Minderheiten, seien sie Eliten oder Diskriminierte. Insofern sind soziale Netzwerke sekundäre Strukturbildungen.12 Zur Netzwerkplattform schlechthin ist das Internet geworden. Wer über die Kompetenz verfügt, mit dem Internet umzugehen, darf Kommunikationsangebote machen und sich als „Knoten“ – etwa als Blogger – präsentieren. Im Internet haben sich speziellere Plattformen entwickelt, die sich zur Netzwerkbildung empfehlen, insbesondere natürlich die „sozialen Netzwerke“ wie Facebook und Twitter. Aber Facebook und Twitter sind als solche keine sozialen Netzwerke, sondern bloß Kommunikationsplattformen, die zum Netzwerken einladen, weil sie qua Mitgliedschaft Rollen schaffen, aus denen heraus man die Kommunikation mit unbestimmten Anderen aufnehmen kann. b) Netzwerke zwischen Markt und Organisation Die Funktion sozialer Netzwerke für die Koordination von unverbundenen Handlungen zeigt sich, wenn man sie mit anderen Formen der Handlungskoordination vergleicht. Diese Betrachtungsweise geht auf die Transaktionskostentheorie zurück, wie sie durch Coase begründet und durch Williamson ausgebaut wurde. Ursprünglich ging es dabei nur um den Vergleich zwischen Markt und Firma. Die Theorie der Firma fragt, ob es günstiger ist, eine Leistung am Markt zu erwerben oder sie innerhalb einer Unternehmenshierarchie zu erstellen. Der Markt koordiniert Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen über den Preis. Aber Preise, die durch Angebot und Nachfrage gebildet werden, sind nicht immer verfügbar. Und manches, was man einkaufen könnte, lässt sich nur schwer kontrollieren. Innerhalb einer Firma erfolgt die Koordination durch Weisung. Aber an der Spitze der Firmenhierarchie fehlen oft die Kenntnisse, die notwendig wären, um eine optimale Weisung zu erteilen. man an sozialen Netzwerken zu sehen bekommt, wenn man sie systemtheoretisch beschreibt, Netzwerke, Systemtheorie und Soziale Arbeit, in: Journal der dgssa 2, 2011, S. 6 – 24. Nunmehr behandeln die Autoren Netzwerke, die sich selbst als solche wahrnehmen, als soziale Systeme, schließen damit allerdings informelle Beziehungsnetzwerke aus. 12 Tacke, 2011 (FN 11), S. 13.
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Das hierarchische Gegenstück zur „Firma“ bilden in der öffentlichen Sphäre alle bürokratisch strukturierten Einrichtungen, von der kleinen Fachbehörde bis zum großen Staat. Für die hierarchische Spitze einer Behörde, insbesondere natürlich für die Spitze des Staates, stellen sich ähnliche Probleme ein wie für eine Unternehmensleitung. Es fehlen Informationen, die man bräuchte, um die richtige Weisung zu geben. Wenn es um hierarchische Steuerung geht, besteht zwischen Wirtschaftsunternehmen und Behörden so viel Ähnlichkeit, dass beide unter der Sammelbezeichnung Organisation dem Netzwerk gegenübergestellt werden können.13 c) Die „Handlungslogik“ von sozialen Netzwerken Netzwerken heißt, Tauschfähigkeit und Tauschbereitschaft zu kommunizieren. Was am Ende dabei herauskommt, ist „ein Tauschmodus, der mit einer eigenen Logik ausgestattet ist“.14 Das Kernelement sozialer Netzwerke ist eine ungeregelte, frei fließende und sich selbst verstärkende (= generalisierte) Reziprozität. Die Reziprozität in einem sozialen Netzwerk ist ungeregelt. Sie ist nicht kulturell festgelegt wie der – von Lévi-Strauss und Malinowski klassisch beschriebene – Gabentausch in einfachen Stammesgesellschaften. Bei der Tauschoperation im Netzwerk können Leistung und Gegenleistung ex ante unbestimmt bleiben; sie sind nicht unmittelbar und direkt miteinander verknüpft. Der Empfänger erbringt Gegenleistungen vielfach nicht an den Geber, sondern an andere Netzbeteiligte. Eine Gegenleistung muss nicht einmal real vollzogen werden, denn schon die Leistungsbereitschaft als solche stellt einen Wert dar. Geld spielt als Tauschmittel eine untergeordnete Rolle. Die Tauschgegenstände sind meistens gar nicht marktgängig. Ihre Hergabe ist für den Geber meist nur mit geringem Aufwand und Opfer verbunden, kann aber für den Empfänger wertvoll sein. Oft handelt es sich um singuläre Informationen über „Gelegenheiten“ wie z. B. über eine freie Arbeitsstelle. Das Minimum, das ein jeder anzubieten hat, ist seine Stimme. Er kann sozusagen den Gefällt-mir-Button drücken und damit anderen zu Anerkennung = Reputation verhelfen. Aus dem Vollzug von Transaktionen im Netzwerk entsteht Vertrauen, dass als soziales Kapital angesprochen wird.15 Das Netzwerk erweitert die Handlungsmöglichkeiten seiner Mitglieder, indem es ihnen eine gewisse Sicherheit bietet, bei Bedarf auf das Tauschpotenzial der anderen zurückzugreifen. 13 Die Erweiterung des Typenvergleichs auf Behörden wird in der Governance-Diskussion geleistet, die sich mit der Koordination von interdependenten Handlungen auch jenseits ökonomischer Transaktionen befasst: Andreas Wald/Dorothea Jansen, Netzwerke, in: Arthur Benz u. a. (Hrsg.), Handbuch Governance, 2007, S. 93 – 105. Allerdings darf Organisation nicht ohne weiteres mit Hierarchie gleichgesetzt werden (Luhmann, Organisation und Entscheidung, 2000, S. 21). 14 Powell, 1996 (FN 6), S. 217 f., 220. 15 Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse, 3. Aufl., 2006, S. 26 ff.; dies./ Rainer Diaz-Bone, Netzwerke als soziales Kapital, in: Weyer (FN 7), S. 74 – 108.
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d) Intra- und interorganisationale Netzwerke Wenn man spontan an Netzwerke denkt, hat man als Prototyp persönliche Netzwerke vor Augen, die ohne Absicht und Planung entstehen. Schüler, die zusammen eine Schulklasse besucht haben, unterhalten schon während der Schulzeit, aber auch danach, Kontakte, die über die gemeinsame Teilnahme am Unterricht hinausgehen, ohne sich darüber zunächst irgendwelche Gedanken zu machen. Oft werden die Kontakte dann allerdings bewusst gepflegt und besonders nach der Schulzeit gelegentlich auch organisiert. Viele Netzwerke werden von vornherein bewusst und gezielt ins Leben gerufen. Von Organisationen unterscheiden sie sich durch ihre Informalität und fehlende Verrechtlichung. Die Grenzen sind, wie meistens, fließend. Im Kontext von Organisationen entwickeln sich viele persönliche Netzwerke. Es gibt sie zwischen Parlamentariern, Richtern, Wissenschaftlern, Gewerkschaftsmitgliedern oder Orchestermitgliedern usw. Aber auch Organisationen selbst oder Teile davon kommen als Knoten sozialer Netzwerke in Betracht.16 Als Knoten erscheinen dann Organisationen als ganze (Unternehmen, Behörden) oder deren Teile (Abteilungen, Niederlassungen, Ausschüsse usw.). Das Netzwerk kann innerhalb ein und derselben Organisation bestehen, zwischen verschiedenen Organisationen oder zwischen Organisationsteilen und Organisationen. Die Beziehungen können sich auf den Austausch von Informationen beschränken. Sie können den Austausch von Gütern oder Diensten oder die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zum Gegenstand haben. Oder sie können in unterschiedlichen Formen der Beteiligung (Eigentum, Aufsichtsgremium) oder in Kooperation (Wettbewerbsvereinbarungen, gemeinsames Lobbying usw.) bestehen. Inter- und intraorganisationale Netzwerke können durchaus informell bleiben. Innerhalb einer Organisation gibt es Querverbindungen zwischen Organisationsteilen, die im Plan der Organisation nicht vorgesehen sind. Nach außen stehen Organisationen in Kontakt mit anderen Organisationen, die gleichfalls nicht auf dem Programm stehen. Anne Marie Slaughter hat durch ihre Beschreibung von transnationalen Behörden- und Gerichtsnetzwerken17 viel Aufsehen erregt. Besonders Interorganisationsnetzwerke sind aber oft geplant und entsprechend formalisiert. Viele „Strategische Netzwerke“18 wie etwa der Zusammenschluss mehrerer Luftfahrtgesellschaften zur Star-Alliance sind kaum noch Netzwerke, sondern eher Organisationen. Spätes16
Dazu ausführlich Michael Bommes/Veronika Tacke, Luhmann’s Systems Theory and Network Theory, in: David Seidl/Kai Helge Becker (Hrsg.), Niklas Luhmann and Organization Studies, Malmö 2005, S. 294 ff. Vgl. auch Jörg Raab, Netzwerke und Netzwerkanalyse in der Organisationsforschung, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hrsg.), Handbuch Netzwerkforschung, 2010, S. 575 – 586. 17 Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton (NJ) 2004; dies./David T. Zaring, Networking Goes International: An Update, in: Annual Review of Law and Social Science 2 (2006), S. 211 – 229. 18 Zu diesen Eckhard Heidling, Strategische Netzwerke, in: Johannes Weyer (Hrsg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl., 2011, S. 135 – 165.
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tens mit seiner Verrechtlichung ist das Netzwerk kein (bloß) soziales Netzwerk mehr.19 Interorganisatorische Netzwerke dienen oft dazu, Entscheidungen der beteiligten Organisationen vorzubereiten. Dann handelt es sich um Politik-Netzwerke i. e.S.20 Diese haben einen etwas anderen Tauschmodus als persönliche Netzwerke. In persönlichen Netzwerken läuft die Aushandlung von Transaktionen mehr oder weniger unbemerkt oder konkludent. Der Verkehr in Politik-Netzwerken vollzieht sich dagegen vielfach über explizite Verhandlungen.21 2. Funktionalitäten sozialer Netzwerke Das juristische Interesse an sozialen Netzwerken resultiert insbesondere aus ihrer Informalität, aus ihrer Innovationskraft und aus der ihnen zugeschriebenen Selbstorganisationsfähigkeit. Informalität: Das moderne Recht ist jedenfalls grundsätzlich formal. Formalität entsteht aus verordneten Kommunikationshindernissen oder -verboten. Im Wirtschaftsverkehr sind viele rechtlich vorgeschriebene Formen einzuhalten. So sind Rechnungen zu schreiben und Zahlungen zu buchen. Bei der Vorbereitung von Entscheidungen in Organisationen soll nicht zur Sprache kommen, was nicht rechtlich relevant ist. An einem Rechtsverfahren darf nicht jeder teilnehmen. Die Teilnehmer dürfen nicht jedes Thema aufgreifen, und sie müssen ihre Kommunikationsbeiträge an Formen und Fristen ausrichten. Sich informell zu vernetzen, bedeutet die Umgehung solcher Kommunikationshindernisse. So gestattet Informalität des Netzes schnelles situationsadäquates Kommunizieren und Handeln. Doch dazu unterlaufen Netzwerke das Recht. Deshalb stehen sie im Geruch der Illegalität. Tatsächlich arbeiten Netzwerke nicht unbedingt gegen das Recht.22 Viele Politik-Netzwerke wer-
19 In diesem Sinne ist das Netzwerk der europäischen Wettbewerbshörden (ECN) durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003) verrechtlicht. Dagegen fehlt dem International Competition Network (ICN) eine Rechtsgrundlage. Es ist aber weitgehend durchorganisiert, so dass es früher oder später zur Organisation werden wird. Vgl. Jörg Philipp Terhechte, Das Internationale Kartell- und Fusionskontrollverfahrensrecht zwischen Kooperation und Konvergenz, in: ZaöRV 68 (2008), S. 689 – 762. Die Überschrift des § 50 a GWB „Zusammenarbeit im Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden“ könnte auch „Amtshilfe gegenüber den europäischen Wettbewerbsbehörden“ lauten. Zum Eindringen des Netzwerkbegriffs in die deutsche Gesetzessprache Eike Michael Frenzel, Vom Verbund zum Netzwerk, in: Sigrid Boysen u. a. (Hrsg.), Netzwerke, 2007, S. 247 – 265. 20 Auch insoweit fehlt es an einer konsentierten Definition: Tanja A. Börzel, Organizing Babylon. On the Different Conceptions of Policy Networks, in: Public Administration Review 76 (1998), S. 253 – 273. 21 Renate Mayntz, Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen, in: Politische Vierteljahresschrift 34 (1993), S. 39 – 56. 22 Niklas Luhmann sprach, allerdings nicht speziell mit Blick auf Netzwerke, von „brauchbarer Illegalität“ (Funktionen und Folgen formaler Organisation, 1964, S. 304 – 314).
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den von der Absicht der Beteiligten getragen, dem Recht auf die Sprünge zu helfen. Aber eine „dunkle Seite der Netzwerke“23 bleibt unübersehbar. Innovationsfähigkeit: Netzwerke gelten als innovationsfähig.24 Die Innovationskraft beruht auf der relativ freien Kombinierbarkeit von sozialen Adressen quer über die Funktionssysteme hinweg. So können im Netzwerk ungenutzte Ressourcen, die nicht marktgängig sind, insbesondere auch Informationen, an Bedarfsstellen vermittelt werden. Die Innovationskraft ist jedoch keine Eigenschaft des Netzwerks an sich, sondern hängt von seiner Struktur ab. Voraussetzung ist anscheinend, dass das Netzwerk nicht zu stark verclustert ist oder über Brückenbeziehungen in andere Cluster oder Netzwerke verfügt. Hier zeigt sich die Stärke schwacher Beziehungen.25 Auch in einem Netzwerk können sich die Beziehungen soweit verfestigen, dass die Selbständigkeit der Beteiligten, die ihnen interaktives Lernen und Innovation ermöglicht, verloren geht. Das wäre dann umgekehrt die schwache Seite starker Beziehungen. Die Geschichte des Ruhrgebiets bietet ein Beispiel dafür, wie ein verclustertes Netzwerk die Entwicklung blockieren kann.26 Selbstorganisationsfähigkeit: Als typische Eigenschaft von Netzwerken gilt deren Selbstorganisationsfähigkeit. Dem Markt fehlt diese Qualität. Der Markt kann nur eine selbstzerstörerische Eigendynamik entwickeln. Verträge hätten ohne außervertragliche Grundlage keinen Bestand. Monopolbildung zerstört den Preismechanismus. Ähnlich liegt es mit der Demokratie, wenn sie zur Diktatur der Mehrheit wird. Deshalb benötigen Markt und Demokratie zu ihrer Funktion eine externe Verfassung. Organisationen brauchen eine Satzung, die Außengrenzen und innere Ordnung festlegt. Einzig Netzwerke scheinen ohne Korsett auszukommen und allein aus gelebter Reziprozität zu funktionieren.27 Ganz ohne Stütze kommen aber auch Netzwerke nicht aus. Ihre Währung ist das Vertrauen, und das scheint zu schwinden, wenn ein Netzwerk größer wird und wenn es sich von den sozialen Strukturen, in die es ursprünglich eingebettet war, zu lösen beginnt. Jedenfalls behaupten Powell28 und Ostrom, dass Netzwerke nur unter bestimmten, spezifizierbaren Bedingungen lebensfähig sind.29 23 Volker von Prittwitz, Die dunkle Seite der Netzwerke, Online-Veröffentlichung 2001: http://www.volkervonprittwitz.de/die_dunkle_seite_der_netzwerke.htm; Andreas Voßkuhle, Das Kooperationsprinzip im Immissionsschutzrecht, in: ZUR 2001, S. 23 – 28. 24 Martin Eifert, Innovationen in und durch Netzwerkorganisationen, in: ders./Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 88 – 133. 25 Mark S. Granovetter, The Strength of Weak Ties, in: American Journal of Sociology 78 (1973), S. 1360 – 1380. 26 Gernot Grabher, The Weakness of Strong Ties: The Lock-In of Regional Developments in the Ruhr Area, in: ders. (Hrsg.), The Embedded Firm, 1993, S. 255 – 277. 27 Von dieser einfachen Selbstorganisation ist die Eigendynamik komplexer Netzwerke zu unterscheiden, die gleichfalls oft als Selbstorganisation angesprochen wird. Sie tritt in Gestalt des Potenzgesetzes oder als Phasenübergang auf, der zu Netzzusammenbrüchen oder zu komplett neuen Netzzuständen führen kann. 28 Powell, 1996 (FN 6), S. 213.
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Heterarchie (Nebenordnung, Gleichordnung oder Polyzentrizität) ist das erwartete Ergebnis der Selbstorganisation im Netzwerk. Alle Knoten sind weitgehend gleichberechtigt. Das heißt, sie haben gleichermaßen Zugang zu den im Netzwerk vorkommenden Tauschoperationen, über die das Netzwerk sich stabilisiert. Die Gleichordnung in realen Netzwerken ist jedoch begrenzt. Viele Netzwerke entwickeln sich zentralistisch, indem einzelne Knoten besonders viele Aktivitäten auf sich ziehen. In der Organisationssoziologie wird die Frage diskutiert, ob und wieweit das Funktionieren von Netzwerken eine gewisse Gleichrangigkeit der Akteure und eine Symmetrie ihrer Beziehungen voraussetzt.30 Insoweit ist offen, ob Heterarchie die Voraussetzung oder das Ergebnis eines funktionierenden Netzwerks bildet. Selbstorganisation durch Netzwerke bedeutet zunächst nur, dass Netzwerke sich intern selbst organisieren. Sie liefern keinen Ordnungsüberschuss über die eigenen Grenzen hinaus. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. bietet ein Beispiel für ein gut funktionierendes Netzwerk zur Abwehr des Atommüll-Lagers in Gorleben. Die Tatsache, dass hier die Selbstorganisation in einem Netzwerk erfolgreich war, kann kaum bedeuten, dass allein deshalb auch Ziele und Außenwirkung des Netzwerks akzeptabel sind. 3. Netzwerke im Blickfeld der Jurisprudenz Die Rechtswissenschaft befasst sich vor allem mit organisierten Netzwerken, also mit solchen, die von bestimmten Akteuren planmäßig geschaffen worden sind und auch weiterhin gesteuert werden. Dabei geht es um Verwaltungskooperationen, regelbildende nationale und transnationale Organisationen, operative Netzwerke (Unternehmensnetzwerke und public-private Partnerships), Vertragsverbindungen und auch um rechtlich vorgesehene Politiknetzwerke. Bei all diesen Netzwerken sitzt entweder die Spinne im Netz31 oder das Netz hängt an einer Angel. Die Handlungslogik organisierter Netzwerke, zumal wenn sie asymmetrisch organisiert worden sind oder sich entwickelt haben, deckt sich nicht mit derjenigen informeller und/ oder persönlicher Netzwerke. Deshalb ist bei der Verwendung des Netzwerkbegriffs in rechtlichem Zusammenhang Vorsicht geboten. Als ungesteuerte Netzwerke stehen
29 Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, 2011, S. 28. Grundlegend dies., Governing the Commons, The Evolution of Institutions for Collective Action, Cambridge 1995. 30 Johannes Weyer, Zum Stand der Netzwerkforschung in den Sozialwissenschaften, in: ders. (Hrsg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl., 2011, S. 39 – 70, 55 f. 31 Die Ausgestaltung des Netzes der Wettbewerbsbehörden zeigt die Europäische Kommission in einer Position, die manche an eine „Spinne im Netz“ erinnert (Andreas Fuchs, Kontrollierte Dezentralisierung der europäischen Wettbewerbsaufsicht, in: EuR Beiheft 2, 2005, S. 77 – 118, 108).
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vor allem judikative Netzwerke32 und semantische Netzwerke33 unter juristischer Beobachtung. III. Ladeurs Netzwerkgesellschaft34 1. Netzwerkgesellschaft – Informationsgesellschaft – Wissensgesellschaft „Jede Theorie des Rechts bedarf einer Einbettung in eine Theorie der Gesellschaft.“35 Für Karl-Heinz Ladeur verläuft die Entwicklung der Gesellschaft von einer Gesellschaft der Individuen über die „Gesellschaft der Organisationen“ zur postmodernen „Gesellschaft der intra- und interorganisationalen Netzwerke“.36 Netzwerke sind das „movens“ der postmodernen Gesellschaft.37 Aus der Gesellschaft der Organisationen wird die Gesellschaft der Netzwerke, wenn und weil Rück-
32 Anne-Marie Slaughter, A Global Community of Courts, in: Harvard International Law Journal 44 (2003), S. 191 – 219; Daniel Terris/Cesare P. R. Romano/Leigh Swigart, Toward a Community of International Judges, in: Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review 30 (2008), S. 419 – 471. 33 Angelika Nußberger, Wer zitiert wen? Zur Funktion von Zitaten bei der Herausbildung gemeineuropäischen Verfassungsrechts, in: Juristenzeitung 2006, S. 763 – 770. 34 Folgende Veröffentlichungen von Karl-Heinz Ladeur werden nur mit Jahresangabe und Seitenzahl zitiert: Rechtstheorie, 1992; Von der Verwaltungshierarchie zum administrativen Netzwerk? Zur Erhaltungs der Eigenständigkeit der Verwaltung unter Komplexitätsbedingungen, in: Die Verwaltung 26 (1993), S. 137 – 165; Das Umweltrecht der Wissensgesellschaft. Von der Gefahrenabwehr zum Risikomanagement, 1995; Towards a Legal Theory of Supranationality – The Viability of the Network Concept, in: European Law Journal 3 (1997), S. 33 – 54; Toward a Legal Concept of the Network in European Standard-Setting, in: Christian Joerges/Ellen Vos (Hrsg.), EU Committees, Social Regulation, Law and Politics, Oxford 1999, S. 151 – 172; Die rechtswissenschaftliche Methodendiskussion und die Bewältigung des gesellschaftlichen Wandels, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 64 (2000), S. 60 – 103; Die Regulierung der Selbstregulierung und die Herausbildung einer „Logik der Netzwerke“, in: Die Verwaltung, Beiheft 4, 2001, S. 57 – 77; Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik, 2004 a; Globalization and the Conversion of Democracy to Polycentric Networks: Can Democracy Survive the End of the Nation- State?, in: ders. (Hrsg.), Public Governance in the Age of Globalization, Aldershot, VT, 2004 b, S. 89 – 118; Der Staat gegen die Gesellschaft, 2006; Die Internationalisierung des Verwaltungsrechts, in: Christoph Möllers u. a. (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 375 – 394; Towards a Network oriented Law of the Internet! The Necessity to Find a New Balance Between Risk and Opportunity in Network Communication, in: German Law Journal 10 (2009), S. 1201 – 1214; Die Netzwerke des Rechts, in: Michael Bommes/Veronika Tacke (Hrsg.), Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, 2011, S. 143 – 171; Die Evolution des Rechts und die Möglichkeit eines „globalen Rechts“ jenseits des Staates – zugleich eine Kritik der „Selbstkonstitutionalisierungsthese“, in: Ancilla Juris 2012, S. 220 – 255. 35 Werner Krawietz, Recht als Regelsystem, 1984, S. XVI. 36 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 4, 347, 388. 37 Ebd., S. 296; ders., 2011 (FN 34), S. 152.
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kopplungseffekte „souveränes“ Entscheiden auf der Grundlage von Erfahrungswissen und allgemeinen Regeln stören.38 Die Diagnose Netzwerkgesellschaft taugt als Grundlage rechtstheoretischer Erörterungen wenig, wiewohl sie durch den spanischen Soziologen Manuel Castells zu einiger Prominenz gelangt ist. Ladeur beruft sich nur beiläufig39 auf Castells, und das ist gut so, denn dessen Theorie der Netzwerkgesellschaft40 ist wenig tragfähig.41 Sie leidet unter anderem daran, dass sie nicht konsequent zwischen sozialen und anderen Netzwerken unterscheidet, sondern auch technische und andere Objektnetze für die Netzwerkgesellschaft vereinnahmt. Um es zu übertreiben: Man ist sich allgemein einig, dass die Nervenverbindungen des menschlichen Gehirns die Gestalt eines Netzwerks haben. Alle Menschen haben ein Gehirn. Also ist die Gesellschaft der Menschen eine Netzwerkgesellschaft. So grob ist die Argumentation Castells natürlich nicht. Aber sie läuft auf ein ähnliches Argument hinaus: Wir leben in einer Informationsgesellschaft, die durch elektronische Netze, allen voran das Internet geprägt ist. Also leben wir in einer Netzwerkgesellschaft. Die elektronischen Netze sind aber nur das technische Vehikel des Informationszeitalters, ähnlich wie Webstuhl und Dampfmaschine die Instrumente des Industriezeitalters waren. Deshalb ist aber die prägende Sozialstruktur der Informationsgesellschaft nicht ohne weiteres netzwerkartig. Besser, wenn auch nicht gut, sind die von Ladeur an anderer Stelle verwendeten Kennzeichnungen der Gegenwart als Informationsgesellschaft und Wissensgesellschaft.42 Der Begriff der Informationsgesellschaft hat immerhin durch seinen Erfin-
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Ladeur, 2006 (FN 34), S. 296 f. Ladeur, 2004a (FN 34), S. 116; ders., 2011 (FN 34), S. 143. 40 Manuel Castells, Das Informationszeitalter Bd. I: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, 2001 [The Information Age. The Rise of the Network Society, 1996]. 41 Castells Versuch fügt sich in die Reihe der Anstrengungen, gesamtgesellschaftliche Entwicklungen in einfache, aber markante Begriffe zu fassen und auf diese Weise Tiefenstrukturen der Gesellschaft zugänglich zu machen. Stefan Kühl hat sie allein schon durch die Aufzählung der langen Liste konkurrierender Einwort-Zeitdiagnosen beinahe lächerlich gemacht. Hier seine Liste: Organisationsgesellschaft, Informationsgesellschaft, Wissensgesellschaft, Risikogesellschaft, Dienstleistungsgesellschaft, Spaßgesellschaft, Erlebnisgesellschaft, Weltgesellschaft, Singlegesellschaft, Multioptionsgesellschaft, Beratungsgesellschaft, Coachinggesellschaft. Weitere Kandidaten wären Agrargesellschaft, Arbeitsgesellschaft, Kommunikationsgesellschaft. (Gesellschaft der Organisation, organisierte Gesellschaft, Organisationsgesellschaft. Überlegungen zu einer an der Organisation ansetzenden Zeitdiagnose, http://www.uni-bielefeld.de/soz/ forschung/orgsoz/Stefan_Kuehl/pdf/Organisationsgesellschaft-Working-Paper-endgultig180610 – 210610.pdf [Stand: 2.5. 2013]. Johannes Weyer urteilt über Castells: „Was genau das Spezifikum der Netzwerkgesellschaft ist, bleibt bei Castells offen; er präsentiert zwar interessante Beschreibungen der Entwicklungen gesellschaftlicher Teilbereiche, bindet diese aber nicht zu einer Gesamtdiagnose bzw. einem theoretischen Modell zusammen.“ (Netzwerke in der mobilen Echtzeit-Gesellschaft, in: ders. (Hrsg.), Soziale Netzwerke, 2. Aufl., 2011, S. 3 – 38, 3 FN 2). 42 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 191; ders., 1995 (FN 34), S. 51 ff. 39
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der Fritz Machlup43 eine spezifische Bedeutung erhalten. Den Begriff der Wissensgesellschaft haben der Managementtheoretiker Peter Drucker und der Soziologie Daniel Bell in Umlauf gebracht. Heute ist er von Ökonomie und Politik usurpiert worden.44 Dieser Richtung folgt Ladeur, wenn er „den Aufstieg von Information und Wissen zur zentralen Ressource“ erklärt.45 Zwischen den Zeilen erscheint sein Wissensbegriff aber doch sehr viel weiter. Im Übrigen unterstützt Ladeur seine Gesellschaftsdiagnose durch eine auf Evidenz setzende Beschleunigungs- und Komplexitätsrhetorik.46 2. Die Rechtsstruktur der Netzwerkgesellschaft Die in der Netzwerkgesellschaft veränderte Rechtsstruktur wird von Ladeur in verschiedenen Texten angesprochen.47 Im Kern geht es um den Zerfall des staatlichen Rechtsquellenmonopols und des damit verbundenen Konzepts einer Hierarchie der Rechtsquellen, um die Reflexivität der Rechtsanwendung, die die Unterscheidung von Normgebung und Normanwendung obsolet mache, um den damit verbundenen Niedergang des allgemeinen Gesetzes und um die Ablösung konkreter Verhaltensregelungen durch indirekte Formen der Regulierung. Diese geraten auf Grund permanenter Selbst- und Fremdbeobachtung zu kontinuierlichen Lernprozessen. Insoweit weicht Ladeurs Beschreibung nicht von den üblichen Diagnosen sich selbst als postmodern verstehender Beobachter ab. Eigentlich ist dazu der Netzwerkbegriff gar nicht notwendig. Dem Netzwerkbegriff wird immerhin zweifach Reverenz erwiesen, nämlich in der Hervorhebung von „Netzverträgen“ als Kennzeichen der Postmoderne sowie mit dem Verweis auf das netzwerkbezogene Recht, das heißt auf das Recht zur Regulierung technischer Netze, insbesondere von Telekommunikationsnetzen. Unter Netzverträgen versteht Ladeur einerseits Verträge, die explizit oder implizit aufeinander aufbauen und insofern vernetzt sind, und andererseits komplexe Langzeitverträge, bei denen sich die konkreten Rechte und Pflichten erst im Zeitablauf entwickeln (relationale Verträge). Ladeur bleibt allerdings nicht dabei stehen, das hierarchische Rechtssystem zu dekonstruieren, sondern erklärt uns, dass die neue Zeit heterarchischer Ordnung bereits angekommen sei. Den kooperierenden Entscheidungs-Netzwerken (decisionmaking networks) fehlt nur noch eine adäquate = netzwerkgerechte Regulierung.48
43 The Production and Distribution of Knowledge in the United States, Princeton (NJ) 1962. 44 Dazu hilfreich Martin Heidenreich, Merkmale der Wissensgesellschaft, Vortragsmanuskript, www.sozialstruktur.uni-oldenburg.de/dokumente/blk.pdf (Stand: 8.5. 2013). 45 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 198; ders., 1997 (FN 34), S. 48; ders., 2011 (FN 34), S.152. 46 Z. B. „ever increasing acceleration“ (1997 [FN 34], S. 50); „beschleunigte Selbsttransformation der Gesellschaft“ (2000 [FN 34], S. 66); „wachsende Intransparenz der sich schnell wandelnden Gesellschaft“ (2006 [FN 34], S. 306) u. öfter. 47 Relativ konkret und ausführlich Ladeur, 2011 (FN 34). 48 Ladeur, 1997 (FN 34), S. 45 f.
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3. Das Netzwerk als Organisationsform von Rückkopplung Die Ubiquität von Rückkopplung und/oder Rekursivität, Reflexivität und Selbstreferenz ist eine alte Bekannte.49 Ihre „Entdeckung“ wurde vor über 50 Jahren zur Grundlage der Systemtheorie. Postmoderne Rechtstheorie hat das Phänomen der Rückkopplung mit Hilfe des Konstruktivismus und hier insbesondere mit Hilfe Luhmanns dadurch zum Ausgangspunkt aller Überlegungen gemacht, dass es den Rückbezug mit dem Beobachtungsbegriff verbunden hat. „Wechselperspektivische Selbst- und Fremdbeobachtung“50 bewegt die soziale Welt, und die Wissenschaft beobachtet die Beobachter. Da es keinen letzten oder auch nur privilegierten Beobachterstandpunkt zu geben scheint, verliert die Wissenschaft und mit ihr das Recht den Boden unter den Füßen. Ladeurs Netzwerke bilden die Verknüpfung „wechselperspektivischer Selbstund Fremdbeobachtung“ auf der operativen Ebene des Rechts. Zentraler Rückkopplungseffekt ist die „Verschleifung von Regel und Anwendung“.51 Die Rückkopplung durch permanente Selbst- und Fremdbeobachtung verhindert definitive Festlegungen und hat Lernprozesse zu Folge. Sie operieren „mit einer Pluralität von Möglichkeitsmodellen …, die ihre eigene Haltbarkeit erst erproben müssen“.52 „Größere Lernfähigkeit für experimentierendes Handeln unter Ungewißheitsbedingungen“53 führt zu einer „Logik des Provisorischen“54. Die Lernprozesse werden in „zirkulären Vernetzungsprozessen“ abgearbeitet.55 Es ist nicht immer klar, ob der Netzwerkbegriff den Lernprozess als solchen oder eine spezifische Sozialstruktur bezeichnet. Auf jeden Fall kennt Ladeur das Netzwerk auch als Sozialstruktur, und zwar vornehmlich in Gestalt inter- und intraorganisatorischer Netzwerke. Die „Logik des Provisorischen“ im Umgang mit der ubiquitären Ungewissheit zählt anscheinend nicht ohne weiteres zu den Eigenschaften von real existierenden Netzwerken, sondern muss ihnen erst beigebracht werden. „Komplexere Programme, die unter Ungewißheitsbedingungen, also ohne stabile Erwartungsstruktur entwickelt werden, müssen auch die Beobachtbarkeit und Kontrollierbarkeit insbesondere durch das Mitlaufenlassen konkurrierender Modelle (z. B. Änderung der Schulformen) systematisch erzeugen.“56 Die Netzwerke sollen gezielt als „überlappende Netzwerke“ organisiert werden (von wem eigentlich?). „Konträre Perspektiven“ 49 Zu der (überflüssigen) Verwirrung, die mit Hilfe dieser Begriffe aufgebaut wird Röhl/ Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl., 2008, S. 104 ff. 50 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 187. 51 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 211; ders., 2000 (FN 34), S. 67. 52 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 162. 53 Ebd., S. 164. 54 Ebd., S. 165. 55 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 195. 56 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 161.
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müssen „eingebaut“ werden. Und schließlich sind „Konventionen für das Handeln unter Ungewissheitsbedingungen erwünscht …“57 Eigentlich war schon mit der Positivierung des Rechts dessen Vorläufigkeit besiegelt, denn es war nunmehr auf Änderung angelegt. Im Laufe der Zeit wurden dazu auch allerhand Techniken entwickelt, um die Lernfähigkeit zu institutionalisieren. Experimentelle Gesetzgebung, Beobachtungspflichten und Nachbesserungspflichten gehören inzwischen zum Inventar der Rechtsproduktion. Die ehemals hierarchischen Organisationen in Staat und Wirtschaft sind längst weitgehend dezentralisiert. Neue Begrifflichkeiten – Gewährleistungsstaat, reflexives und prozedurales Recht – beschreiben die Operationsweise. Vieles von dem, was Ladeur den Netzwerken zuschreibt, wird von anderen als regulierte Selbstregulierung behandelt.58 Anscheinend ist der Netzwerkbegriff in diesem Zusammenhang überflüssig. Ladeur verwirft solche Überlegungen, denn sie orientierten sich „an einer allzu engen Perspektive auf die bloße ,Sicherung von Regelungsstrukturen‘ unter veränderten Bedingungen“. Er sucht nach einem „möglicherweise dahinter verborgenen Wandel der ,Tiefenstruktur‘ der Gesellschaft“ und stellt die „Rationalität gesellschaftlicher und staatlicher Ziele unter Bedingungen von Komplexität“ in Frage.59 Die „Tiefenstruktur“ der Gesellschaft findet Ladeur „in den gesellschaftlichen Wissensbeständen situiert, die über das ,Netzwerk der Netzwerke‘ zwischen den Individuen generiert und transformiert werden.“60 Der Netzwerkbegriff soll eine neue „Lesart einer prozeduralen Rationalität“61 eröffnen, eine „Prozeduralität zweiter Ordnung“62. Es geht nicht darum, „durch Verfahren eine Mehrzahl von Optionen offenzulegen, über die dann nach vorfindlichen Kriterien entschieden werden kann, sondern der Optionsraum wird derart gestaltet, daß auch die Entscheidungskriterien selbst erst durch Verfahren situativ miterzeugt werden“.63 4. Ladeurs elusives Netzwerkkonzept Luhmann64 lobte Ladeur für ein anregendes Netzwerk-Konzept, das „an die Stelle einer hierarchischen Konzeption des Verhältnisses von Funktionssystem und Organisationen“ treten könnte. Gemeint waren die Seiten 176 ff. in Ladeurs „Rechtstheorie“ von 1992. Von Netzwerken war da allerdings noch kaum die Rede, umso mehr dafür vom Wandel zur Informations- oder Wissensgesellschaft (S. 185) und von den Modi der Wissenserzeugung unter der Bedingung ubiquitärer und permanenter Re57
Ebd., S. 162. In einer neueren Monographie zum Thema kommen Netzwerke weder in der Gliederung noch im Sachverzeichnis vor (Petra Buck-Heeb/Andreas Dieckmann, Selbstregulierung im Privatrecht, 2010). 59 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 5. 60 Ebd. 61 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 165. 62 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 200 ff., 202. 63 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 340. 64 Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 846 bei FN 444. 58
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flexivität oder Selbstreferenz. Ladeur hat sein Netzwerkkonzept auch später weder als empirisches noch als normatives oder juristisches ausgearbeitet. Als empirisches Konzept ist das Netzwerk zu allererst eine Beschreibungskategorie.65 Aber Ladeur nutzt es nicht als solches. In seinen Texten werden Netzwerke erwähnt, aber nicht näher beschrieben oder auch nur abgegrenzt. Sie haben vornehmlich die Gestalt von intra- und interorganisationalen Netzwerken.66 Gelegentlich handelt es sich um unbenannte Beziehungsnetzwerke.67 In anderen Fällen sollen sie öffentliche und private Akteure einschließen. Häufiger ist von „überlappenden Netzwerken“ die Rede.68 „Netzwerke von Anschlusszwängen“69 dürften semantische Netzwerke sein. Größere Aufmerksamkeit widmet Ladeur den transnationalen Netzwerken des Verwaltungsrechts. Sie werden vor allem durch Regulierungsaufgaben zusammengehalten; in ihnen geht es weniger um ein selektives Entscheiden als um die Erreichung von relativ weit gefassten Zielen.70 Als heterarchisches Netzwerk wird auch das Verhältnis der EU zu ihren Migliedsstaaten interpretiert.71 Als spezielle Netzwerkart werden epistemische Gemeinschaften genannt. „Die Stabilität der liberalen kollektiven Ordnung hängt von der produktiven Nutzung des Wissens ab, das über die Individuen verteilt ist. … Sie sind in erheblichem Umfang an praktische ,epistemische Gemeinschaften‘ oder besser: verdichtete Kommunikationsnetzwerke innerhalb des gesellschaftlichen ,Netzwerks der Netzwerke‘ verbunden.“72 Die epistemischen Gemeinschaften sollen nach Ladeurs Vorstellung das Wissen beisteuern, „das nicht als abstrakt allgemeines aus den praktischen Anwendungskontexten herausgelöst werden“73 und das deshalb nicht ohne weiteres über Sachverständige abgerufen werden kann. „Große Banken“ bilden zugleich die epistemische Gemeinschaft, „die die Vorgänge beherrscht, die insbesondere die Risiken der Finanzmärkte erzeugen“.74 Gelegentlich ist auch von implizitem Wissen die Rede.75 Die Verknüpfung der epistemischen Gemeinschaften mit den inter- und intraorganisationalen Netzwerken von Politik, Verwaltung und Wirtschaft bleibt offen.
65 Das betonen etwa Karsten Nowrot, Föderalisierungs- und Parlamentarisierungstendenzen in Netzwerkstrukturen, in: Sigrid Boysen u. a. (Hrsg.), Netzwerke, 2007, S. 15 – 35, 16 f., und Jörn Lüdemann, Netzwerke, Öffentliches Recht und Rezeptionstheorie, ebd., S. 266 – 285, 272 f. 66 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 4, 296 ff. und öfter. 67 Ladeur, 2004 (FN 34), S. 62. 68 Z. B. Ladeur, 1995 (FN 34), S. 31, 37 u. ders., 1997 (FN 34), S. 53. 69 Ladeur, 2000 (FN 34), S. 67; ders., 2012 (FN 34), S. 255. 70 Ladeur, 2007 (FN 34), S. 3. 71 Ladeur, 1997 (FN 34). 72 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 305; ferner ders., 1997 (FN 34), S. 50. 73 Ladeur, 2007 (FN 34), S. 14. 74 Ebd., S. 15. 75 Ladeur, 1995 (FN 34), S. 37.
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Das Konzept der epistemischen Gemeinschaften geht auf Peter M. Haas zurück.76 Gewöhnlich versteht man darunter Netzwerke von Experten, Professionellen und Wissenschaftlern. Sie haben gemeinsam, dass sie (vornehmlich transnational) bei der Produktion und Verbreitung von Wissen um ein bestimmtes Thema engagiert sind und dabei allgemeine normative Grundätze und Annahmen über kausale Zusammenhänge teilen. Ist der Expertenzirkel auf seinem Gebiet soweit anerkannt, dass auch die Politik dort Rat sucht, so spricht man von epistemic communities. Ladeur knüpft aber nicht an diese Begriffs- und Funktionsbestimmung an, sondern bei französischen Autoren, die sich mit der Netzwerkökonomie beschäftigen und bei denen die Schaffung neuer Informationsgüter, insbesondere mit Hilfe von Open-SourceProjekten im Mittelpunkt steht.77 Gelegentlich zeigen Fußnoten, dass der Autor die soziologische Netzwerktheorie zur Kenntnis genommen hat. Aber er sucht keinen Anschluss. Die systemtheoretische Variante „der Vernetzung als dauerhafte Begleiterscheinung der Ausdifferenzierung von Systemen“ wird nicht verworfen. Von der Netzwerkanalyse der Politikwissenschaften setzt Ladeur sich dagegen ab. Er meint, sie habe die Fruchtbarkeit des Netzwerkkonzepts nicht wirklich erkannt, denn sie reduziere es auf ein System von Verhandlungen und Austauschvorgängen, das sich von den beteiligten Akteuren steuern lasse. Diese akteurzentrierte Sichtweise sei aber philosophisch wie soziologisch überholt. In der Wissenschaft habe sich die Vorstellung durchgesetzt, dass Ordnung als „order from noise“ ohne zentralen Bezugspunkt entstehen könne.78 Daran schließt die folgende Netzwerkdefinition an: „A network is, first, more than a variously densified grouping of negotiated relationships among stable subjects. The interest in using the concept lies in the complementarity and interdependence of components and a synergy effect which produces new options which are accessible through the network as such, and are not the mere products of actors bargaining with each other.“
Soweit ließe sich mit dieser Definition wohl arbeiten. Dazu müssten allerdings als Minimum die Knoten der jeweils gemeinten Netzwerke und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen genauer bezeichnet werden, um dann die ablaufenden Prozesse und die dadurch bewirkten Veränderungen zu beschreiben. Doch die Definition ist damit nicht erschöpft: „The network is constructed by a process which is based not on a pre-determined construction plan, but one which ,writes‘ itself through application by continually recombining the 76 Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, in: International Organization 46 (1992), S. 1 – 35; ders., Epistemic Communities, in: Daniel Bodansky/Jutta Brunnée/Ellen Hey (eds.), The Oxford Handbook of International Environmental Law, Oxford 2007, S. 791 – 806. 77 Ladeur verweist wiederholt auf Veröffentlichungen von Bernard Conein, Michel Gensollen und Richard Arena in einem Sonderheft der Revue d’Economie Politique von 2003. Vgl. auch Michel Gensollen, Information goods and online communities, 2004 [im Internet verfügbar]. Hinweise auf Haas finden sich in Ladeur, 2007 (FN 34), FN 17, 50 und 58. 78 Ladeur, 1997 (FN 34), S. 47.
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individual ,nodes‘ and their relationships. At the same time, the ,nodes‘ take part (as stabilisers) in the construction of the overall network, transforming it into a product of emergent new properties not attributable to the individual contributions, but only through them taking shape as a unit.“79
Es will nicht passen, dass die große Menge der inter- und intraorganisationalen Netzwerke, die Ladeur vor Augen hat, eben doch geplant, organisiert und verrechtlicht sind. Eingeplant ist damit auch der Kooperationsgewinn. Damit verliert die hier und auch sonst großzügig verwendete Auszeichnung von Netzwerkprodukten als emergent ihre Berechtigung. Ladeur ist besonders an der Funktion von Netzwerken in der Wissensgesellschaft gelegen. Er will eine „postmoderne Variante der Bildung hybrider Netzwerke“ verfolgen, „die man als tertiäre Remodellierung der Wissenserzeugung und ihrer rechtlichen Beobachtung bezeichnen könnte“.80 Aber seine Aussagen über die Funktionsweise und die Dynamik dieser Netzwerke bleiben sehr allgemein und ohne Anschluss an die soziologische Netzwerktheorie. Vorsichtig kritisiert Poul J. Kjaer, Ladeur nutze das Netzwerk-Konzept kaum für empirische Aufnahmen oder detaillierte Funktionsbestimmungen, und so bleibe unklar, was Netzwerke denn wirklich bewirkten.81 Ino Augsberg verteidigt die Empirieabstinenz; denn wolle man Netzwerke bloß als empirisches Phänomen verstehen, so sei der Netzwerkbegriff nur ein Ersatz für anderweit längst bekannte und substantiierte Probleme. Der Begriff sei dann vielleicht nicht völlig sinnlos, aber er sei doch weitgehend überflüssig.82 Doch wenn man Netzwerke nicht zunächst als empirisches Phänomen versteht, wird der Anspruch auf Interdisziplinarität bloß vorgetäuscht. Es kommt – so Christoph Möllers83 – zu Beschreibungsverlusten; verloren geht die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Steuerung, zwischen hoheitlichem und privaten Handeln, zwischen Kooperation und Hierarchie, zwischen Steuerung und Evolution. Das ist bei Ladeur allerdings kein Versehen, sondern Absicht. Und es fehlt eine Auseinandersetzung mit Ostroms Frage:84 Warum ist Selbstorganisation in einigen Fällen erfolgreich und in anderen nicht? 5. Netzwerke als Quellen und Speicher des Wissens Wenn Ladeur von „gesellschaftlichen Wissensbeständen“ redet, die „über das ,Netzwerk der Netzwerke‘ zwischen den Individuen generiert und transformiert wer-
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Ladeur, 1997 (FN 34), S. 47 f. Ladeur, 2011 (FN 34), S. 152. 81 Kjaer (FN 8), S. 490. 82 Ino Augsberg, Das Gespinst des Rechts. Zur Relevanz von Netzwerkmodellen im juristischen Diskurs, in: Rechtstheorie 38 (2007), S. 479 – 493, 482. 83 Christoph Möllers, Netzwerk als Kategorie des Organisationsrechts, in: Janbernd Oebbecke (Hrsg.), Nicht-normative Steuerung in dezentralen Systemen, 2005, S. 285 – 302, 295 ff. 84 Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen, 2011, S. 28. 80
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den“,85 so klingt das, als solle die Gesellschafts- und Rechtsanalyse schlechthin auf Wissenssoziologie umgestellt werden. Diese Interpretation geht aber wohl zu weit. Wenn „Organisationen, nicht mehr nur Individuen wie in der Gesellschaft der ,Individuen‘, … in dauerhaft offenen, sich selbst transformierenden Netzwerken der Wissenserzeugung innerhalb und zwischen Organisationen“ agieren,86 geht es wohl doch nur um die Funktionsweise der Wissensgesellschaft. Ladeurs Wissensgesellschaft ist eine Unwissensgesellschaft, weil Entscheidungen im Hinblick auf den schnellen Wandel, die Komplexität, die Fragmentierung usw. der postmodernen Gesellschaft nicht mehr auf Kausalerklärungen und auch nicht auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen und ebenso wenig auf klare Interessenzuschreibungen und feste Normvorstellungen gestützt werden können.87 Allgemeinwissen reicht ohnehin nicht aus. Aber auch spezialisiertes Expertenwissen könne keine zuverlässige Wissensbasis mehr schaffen. Was immer geschieht, gerät zum „operieren unter Ungewissheitsbedingungen“.88 Damit verliert der Anspruch des Staates auf zentrale Regulierung die Basis. Der Staat sei aus Unwissenheit nicht einmal in der Lage, die Letztverantwortung für eine Standardsetzung mit Hilfe von Netzwerken zu übernehmen.89 Um welches Wissen geht es? Es geht um Wissen als wirtschaftliche Ressource.90 Es geht um Entscheidungswissen, das notwendig ist, um auf die höchst komplexen technischen, ökonomischen und sozialen Probleme zu reagieren.91 Netzwerke haben eine doppelte Funktion. Erstens sammeln oder produzieren sie das immerhin mögliche Erfahrungswissen. Zweitens pflegen sie als „Logik des Provisorischen“92 einen spezifischen Umgang mit Ungewissheit, bei dem alles auf Vorläufigkeit, Lernfähigkeit und Revidierbarkeit angelegt ist. Dass Wissen aller Art über viele Personen und Organisationen verteilt ist, wird man gerne akzeptieren. Wieso die diversen Wissensträger aber ein Netzwerk bilden, bleibt unklar. Anscheinend müssen diese Netzwerke erst organisiert werden. Das ist allerdings in Wirtschaft und Staat schon längst in erheblichem Umfang geschehen, so dass „gemeinsames Wissen“ durch „überlappende Netzwerke“ generiert werden kann.93 Über die Technik der Wissensproduktion, der Wissensspeicherung und des Wissensmanagements in Organisationen und/oder Netzwerken erfährt man darüber hinaus wenig oder gar nichts, außer dass es sich um laufende Prozesse der Selbst- und 85
Ladeur, 2006 (FN 34), S. 5. Ebd., S. 296 f. 87 Ladeur, 1995 (FN 34), S. 22 ff. 88 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 169. 89 Ladeur, 1999 (FN 34), S. 158. 90 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 198; ders. 1997 (FN 34), S. 48; ders., 2006 (FN 34), S. 302; ders., 2011 (FN 34), S. 152. 91 Ladeur, 1997 (FN 34), S. 45. 92 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 165. 93 Ladeur, 1995 (FN 34), S. 31 ff., 37. 86
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Fremdbeobachtung handelt, die auf Selbständerung angelegt sind.94 Alles Wissen, so muss man zwischen den Zeilen lesen, wird als revidierbares Wissen bereitgehalten. Ob das der Realität sozialer Netzwerke entspricht, kann man bezweifeln. Wie Netzwerke Wissen generieren, ist aus der soziologischen Netzwerktheorie geläufig.95 Der Witz dabei ist, dass Netzwerke nicht eigentlich neues Wissen produzieren, sondern verstreut vorhandenes Wissen zusammenführen können. Aus der Kombination bisher unverknüpfter Informationen kann dann auch gelegentlich Neues entstehen. Interessant sind für die Wissensgenerierung aber nur die weak ties, das heißt Verknüpfungen, die nicht dauerhaft und fest sind, insbesondere weil sie in andere Netzwerke hineinragen. Darauf spielt Ladeur mit den „überlappenden Netzwerken“ an. Wenn die Netzwerke verschiedene Sozialbereiche „überlappen“, können sie sonst nur separat vorhandenes Wissen zusammenführen und dadurch Innovationen fördern. Bei der Einführung des Begriffs96 bezog Ladeur sich auf einen Bericht über das Erfolgsrezept für die Entwicklung innovativer Industrieprodukte in Japan, welches darin bestanden haben soll, dass quer über die verschiedenen Abteilungen der Unternehmen Entwicklungsteams gebildet wurden, die zum Teil auch Vertreter der Abnehmerseite einschlossen, so dass Informationen aller Art zusammenflossen.97 Dort überlappten sich nicht eigentlich verschiedene Netzwerke, sondern das Entwicklungsteam als Netzwerk verstanden „überlappte“ die unterschiedlichen Ressorts der Organisationen. Nach diesem Vorbild empfahl Ladeur die Bildung überlappender Netzwerke „zwischen Abteilungen mit unterschiedlichen Kompetenzen … etwa von Polizei und Drogenpolizei, Sozial- und Wirtschaftsverwaltung“. „Überlappende Netzwerke“ verlieren allerdings ihre Innovationskraft, wenn sie auf Dauer gestellt werden. Dann gleichen sich die zunächst so fruchtbaren Wissensunterschiede aus. 1995 erhalten die „überlappenden Netzwerke“ eine weitere Funktion. Im Zustand der Unwissenheit kann oder soll eigentlich gar nicht entschieden, sondern immer nur probiert werden. Es geht daher nicht um instrumentelles oder um Regelwissen und auch nicht um ein Bild der Gesellschaft, denn das wäre prinzipiell nicht mehr ausreichend erreichbar. Gefragt ist vielmehr „praktisches Wissen“, und das sei auf überlappende Netzwerke verteilt, wo es auch produziert werde.98 Ladeur beruft sich auf Michael Polanyi, der, modern gesprochen, die Frage nach der Qualitätskontrolle von Beiträgen zur Wissenschaft stellt und die Antwort in einem Prinzip wechselseitiger Kontrolle findet: „It is clear that only fellow scientists working in closely related fields are competent to exercise direct authority over each other; but their personal 94
Am deutlichsten vielleicht noch Ladeur, 2006 (FN 34), S. 296 ff. Vgl. dazu Eifert (FN 24), S. 96 f.; Dorothea Jansen, Networks, Social Capital, and Knowledge Production, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyer, Discussion Paper 2004. 96 Ladeur, 1993 (FN 34), S. 158 ff. 97 Ikujiro Nonaka, Redundant, Overlapping Organization: A Japanese Approach to Managing the Innovation Process, in: California Management Review 32 (1990), S. 27 – 38. 98 Ladeur, 1995 (FN 34), S. 31 ff., 37, 168 ff. 95
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fields will form chains of overlapping neighborhoods extending over the entire range of science.“99 Aus den neighborhoods werden bei Ladeur Netzwerke.100 Dagegen ist nichts einzuwenden. Problematisch ist nur, dass die wissenschaftssoziologischen Beobachtungen auf inter- und intraorganisationale Netzwerke übertragen werden, die Wissensbestände produzieren und speichern, die aber nicht den Anspruch der Wissenschaftlichkeit mit sich führen und für die daher keine vergleichbaren Qualitätsmaßstäbe zur Verfügung stehen, wie sie in Wissenschaftlernetzwerken etabliert sind. Das praktische Wissen, dass in überlappenden Netzwerken entsteht, ist Wissen ohne irgend einen Richtigkeitsanspruch. Es ist, wie wiederholt betont, emergent. Das heißt, es ist, weil es ist und funktioniert. Obwohl Ladeur wiederholt von Entscheidungen redet, geht es ihm bei den Netzwerken nicht mehr um Entscheidungen von beobachtenden, räsonnierenden und letztlich verantwortlichen Subjekten, sondern um ein sozusagen objektives Geschehen, dass durch die Auszeichnung als emergent Entscheidungen substituiert. 6. Netzwerke als Modus heterarchischer Ordnung „Der Universalismus des Gesetzes hatte seinen Bezugspunkt im Individuum als Medium der Selbsttransformation der Gesellschaft, der Gruppenstaat war die Form der Bewältigung der Herausforderung der Gesellschaft der Organisationen, demgegenüber ist die Gesellschaft der variablen, auf Selbstveränderung angelegten überlappenden Netzwerke auf eine neue rechtliche Koordinationsform angewiesen.“101 Diese Koordinationsform liefern eben diese Netzwerke selbst. So dient der Netzwerkbegriff Ladeur als Kontrast zur Hierarchie (des Staates). Netzwerke setzen neue Formen der Selbstorganisation in Wirtschaft und Gesellschaft aus sich heraus. Über die internen Ordnungen der Netzwerke, die die Forschung beschrieben hat, gibt es auch in dem Aufsatz, der die „Logik der Netzwerke“ im Titel trägt,102 keinen Aufschluss. Eine interdisziplinäre Verwendung des Netzwerkkonzepts läuft Gefahr, selektiv auf typische Netzwerkeigenschaften zurückzugreifen und sie normativ aufzuladen. Die Faszination, die vom Netzwerkbegriff ausgeht, nährt sich vom Bild persönlicher Netzwerke. Deren typische Eigenschaften werden auf Netzwerke mit Organisationsbeteiligung projiziert. Die Variabilität real existierender Netzwerke ist aber so groß, dass die abstrakte Bezugnahme auf das Netzwerkkonzept leicht zur Ideologie gerät. Die Netze der Rechtstheorie sind immer heterarchisch. Sie sind locker und in Bewegung. Sie sind flexibel und verfügen über „kollektive Intelligenz“.103 Sie sind in dem
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The Tacit Dimension, 1966, S. 72. Ladeur, 1995 (FN 34), S. 33. 101 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 388. 102 Ladeur, 2001 (FN 34). 103 Ladeur, 2007 (FN 34), S. 15. 100
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Sinne „more social“,104 dass sie „stärker auf Beziehungen, Ansehen und gegenseitige Interessen angewiesen und weniger durch formale Regeln bestimmt“ sind als Organisationen. Von Netzwerken kann man hoffen, „daß eine verallgemeinerungsfähige ,Vision‘ entsteht und Recht und Pflichten über flexible Erwartungsstrukturen aufeinander abgestimmt werden“.105 Wenn man alle positiven Prädikate zusammen nimmt, mit denen Ladeur die Netzwerke ausstattet106– sie sind Ordnungsbildner und Wissensträger, sie sind autonom und flexibel, produktiv und innovativ und nicht zuletzt kooperativ, pluralistisch und heterarchisch = egalitär und antiautoritär –, dann steckt im Netzwerkbegriff ein ähnliches Ideologiepotential wie im Staatsbegriff. Es ist nicht die Rede davon, dass Netzwerke keineswegs, in dem Sinne egalitär oder demokratisch sind, dass alle Knoten eine ähnliche Zahl von Verbindungen aufweisen, sondern dass eine kleine Elite von Hubs die Masse des Verkehrs auf sich zieht. Die positiven und negativen Eigenschaften von Netzwerken lassen sich nicht schon aus dem Netzwerkbegriff ableiten, sondern müssen in jedem Einzelfall empirisch nachgewiesen werden. Deshalb ist es gefährlich, von Netzwerken an sich zu sprechen. Eine typische Konnotation des Netzwerkbegriffs ist die spontane Ordnungsbildung. Spontan heißt dabei, dass Ordnung als nicht intendierte Nebenfolge intendierten Handelns entsteht. Spontan heißt aber nicht länger „Ablagerung von Konventionsmustern“ nach der Art von Gewohnheitsrecht, sondern findet in einem „permanenten Prozeß des Abtastens der Beziehungsnetzwerke nach haltbaren (viablen) Mustern“ statt.107 Spontaneität und Emergenz decken sich nicht, kommen aber mit derselben positiven Konnotation daher. Darauf spielt Ladeur immer wieder an, etwa durch die häufige Bezugnahme auf v. Hayek oder die Betonung der „emergenten Effekte“ von Selbstorganisation. Auf höherer Ebene („Prozeduralität zweiter Ordnung“) leisten Netzwerke dasselbe, wie für v. Hayek der Markt.108 In den intraorganisationalen Netzwerken, die Ladeur vornehmlich im Blick hat, etwa wenn er die Zukunft der Globalisierung bedenkt, sind jedoch Akteure am Werk, die strategisch planen und dazu Regelungen entwerfen und durchzusetzen versuchen. Lässt man den kumulierten Ertrag ihrer Anstrengungen als spontan durchgehen, werden sie als quasi natürlich aufgewertet. Die Heterarchie der Netzwerke bleibt eine interne. Von den Externalitäten der Netzwerke, insbesondere von ihrer „dunklen Seite“, ist nicht die Rede. So schaffen Netzwerke wohl Inseln der Ordnung. Doch was ist mit dem Meer der Unordnung? Ladeurs Vorschlag zur Landgewinnung ist das „Netzwerk der Netzwerke“109, das die
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Powell (FN 6), S. 219. Ladeur, 1993 (FN 34), S. 164. 106 Z. B. Ladeur, 1995 (FN 34), S. 37; ders., 2004b (FN 34), S. 113 f. 107 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 305. 108 Ladeur, 1992 (FN 34), S. 194, 202. 109 Z. B. Ladeur, 2006 (FN 34), S. 5. 105
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Inseln eindeichen wird.110 Naheliegend ist die Idee immerhin für die globale Ebene transnationalen Rechts. Dort sieht Ladeur die Möglichkeit „of a combination of various transnational public forms of guaranteeing learning capacity and the enabling and enhancing of self-observation and observation of others within a global ,network of networks‘, adapted to the self-organizing and self transforming de-territorialized networks of relationships“.111 Daneben gibt es auf der globalen Ebene auch ein praktisches soziales Netzwerk der Netzwerke zwischen Bürgern, das einen „overlapping consensus“ hervorbringt, indem die Bürger in unterschiedlichen Rollen in unterschiedlichen Netzwerken mit vielfachen Verbindungen involviert sind.112 Hier nähert sich das Netzwerk der Netzwerke den überlappenden Netzwerken.113 7. Netzwerkgerechte Regulierung Die Diagnose der Netzwerkgesellschaft mündet in die Forderung nach netzwerkgerechter Regulierung.114 Ladeurs oft wiederholtes Credo besagt, der Staat könne nicht länger von einem privilegierten Beobachterstandpunkt aus das Gemeinwohl definieren und die Gesellschaft daraufhin regulieren.115 Grundthema des Buches „Der Staat gegen die Gesellschaft“ ist jedenfalls, dass alle staatliche Regulierung zum Scheitern verurteilt ist, die nicht „auf die Bedingungen der Selbstorganisation der postmodernen ,Gesellschaft der Netzwerke‘ abgestimmt ist“.116 Mit anderen Worten „muß der Staat seine eigene Rolle in einer heterarchischen Beziehung zu den privaten inter- und intraorganisationalen Netzwerken bestimmen, die letztlich ein funktionales Äquivalent zu der formalen Rationalität des ,souveränen‘ Entscheidens liefern muss“.117 Damit verträgt es sich nur schwer, wenn die Schaffung eines 110
Vorbild ist das „Network of Networks“, das Noam als neue Organisationsform der Telekommunikation vorstellte, nachdem die zentralen Telefonnetze ihr Monopol verloren hatten (Eli M. Noam, Interconnecting the Network of Networks, 2001). Dieses Vorbild passt aber gar nicht, denn die Vernetzung besteht dort in technischen Standards für Schnittstellen. In der soziologischen Literatur war die Rede vom network of networks schon früher etabliert, vgl. Ulf Hannerz, The Global Ecumene as a Network of Networks, in: Adam Kuper (Hrsg.), Conceptualizing Society, London 2006, S. 34 – 57. Aber letztlich bleibt diese Rede ganz unspezifiziert. Sie soll nur darauf verweisen, dass „any networks to which we choose to devote our special attention do eventually belong within something wider yet” (Hannerz, a.a.O., S. 51). Anders dagegen, wenn Friedhelm Neidhardt soziale Bewegungen als “Netzwerke von Netzwerken“ charakterisiert (Einige Ideen zu einer allgemeinen Theorie sozialer Bewegungen, in: Stefan Hradil [Hrsg.], Sozialstruktur im Umbruch, 1985, S. 193 – 204, 197). Hier werden konkret Subnetze und übergreifende Netze benannt. Gelegentlich meint Ladeur mit dem Netz der Netze auch nur das Internet, 2011 (FN 34), S.159. 111 Ladeur, 2004a (FN 34), S. 99. 112 Ebd., S. 107. 113 Ebd., S. 110. 114 Z. B. Ladeur, 1997 (FN 34), S. 50. 115 Z. B. Ladeur, 2011 (FN 34), S. 161. 116 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 250. 117 Ebd., S. 297.
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netzwerkadäquaten Rechts gefordert wird. Wie anders könnte das geschehen als eben von dem Standpunkt eines Beobachters, der die Netzwerkgesellschaft im Blick hat und insoweit gegenüber dieser Gesellschaft privilegiert ist? Wie könnte netzwerkgerechtes Recht aussehen?118 Der Staat soll „Diversität als Metaregel der gesellschaftlichen Selbstorganisation erhalten“.119 Netzwerke sollen zu „Adressaten des Verwaltungshandelns“120 werden. Die „Influenzierung von Netzwerken“121 ist aber wohl nicht nur Verwaltungsaufgabe, sondern Aufgabe der Rechtssetzung, durch wen auch immer. Dabei kommt „es darauf an … die Ansprüche an hierarchische-rationale Beherrschbarkeit von Entscheidungen als Einwirkungen auf komplexe Netzwerke herabzusetzen“.122 Vor allem aber sind „überlappende Netzwerke“ das Rezept, um auf die höchst komplexen technischen, ökonomischen und sozialen Probleme zu reagieren.123 Als Schnittstellen zwischen den verschiedenen Netzwerken sollen Kollisionsregeln nach dem Vorbild des Internationalen Privatrechts dienen.124 Wer könnte diese Forderung stellen und wer ihre Erfüllung überwachen, wenn nicht ein privilegierter Beobachter? 8. Denken in Netzwerken In erster Linie dient die Netzwerkperspektive Ladeur wohl als Kontrast zum Denken in einfachen Kausalitäten und Hierarchien. Das „Denken in Netzwerken“ ist damit eine Reaktion auf das höhere Komplexitätsniveau der postmodernen Gesellschaft. So jedenfalls habe ich Ladeurs Texte zu lesen und zu verstehen versucht. Ino Augsberg verwirft diese Lesart – mit gutem Grund – als zu oberflächlich, denn Ladeurs „Denken in Netzwerken“ mache ein epistemologisches Problem explizit, nämlich die Dekonstruktion des „auch im soziologischen Modell noch mit großer Anstrengung stabil gehaltene(n) Korrespondenzverhältnis(ses) von Geist und Welt“.125 Das „Denken in Netzwerken“126 soll dem „deduktiv-rational“ über die 118
Am besten fragt man wohl die Managementliteratur um Rat: Zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten der Steuerung interorganisationaler Netzwerke Jörg Sydow, Strategische Netzwerke, 2005; ders./Arnold Windeler (Hrsg.), Steuerung von Netzwerken, 2001; ders./ Stephan Duschek, Management interorganisationaler Beziehungen, Netzwerke, Cluster, Allianzen, 2011. 119 Ladeur, 2006 (FN 34), S. 303. 120 Ladeur, 1993 (FN34), S. 163. 121 Ebd., S. 162. 122 Ebd., S. 169. 123 Ladeur, 1997 (FN 34), S. 45; ders., 2006 (FN 34), S. 388. 124 Dazu mit Fundstellen Lars Viellechner, The Networks of Networks: Karl-Heinz Ladeur’s Theory of Law and Globalization, in: German Law Journal 2009, S. 515 – 536, 524. Vgl. auch Andreas Maurer/Moritz Renner, Kollisionsrechtliches Denken in der Rechtstheorie: Eine Skizze, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 125, 2010, S. 207 – 224. 125 Ino Augsberg, Das Gespinst des Rechts, in: Rechtstheorie 38 (2007), S. 479 – 493, 485. Vgl. auch Ino Augsberg/Lars Viellechner/Peer Zumbansen, Introduction to the Special
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Welt reflektierenden Subjekt einen „transversal-verknüpfenden Denkgestus“ nahelegen. „Die Einführung des Netzwerksmodells ist … ein Versuch, die irritierenden Paradoxa durch Einführung von Unterscheidungen abzuspannen. Ein Polyperspektivismus soll das traditionell-rationalistische, auf Einheit fixierte Modell ablösen.“127 Das epistemologische Konzept, auf das damit Bezug genommen wird, ist natürlich das transversale Denken, wie es von Wolfgang Welsch128 ins Gespräch gebracht wurde. Gewöhnlich verbindet man dieses Konzept mit der von Deleuze und Guattari geprägten Metapher des Rhizoms.129 Sicher ist da auch das Netzwerk als Metapher brauchbar. Aber ganz sicher geht es dabei nicht mehr um soziale Netzwerke, nach denen ich bei meiner Lektüre gesucht habe. IV. Teubners Netzwerkhybride130 1. Teubners enger Netzwerkbegriff Teubner ist mit der Netzwerkforschung gut vernetzt. Er hat insbesondere von Anfang an die ökonomische Netzwerkanalyse von Oliver Williamson131 und Walter W. Powells Aufsatz „Neither Market nor Hierarchy“132 rezipiert. Aber er begnügt sich Issue: The Law of the Network Society. A Tribute to Karl-Heinz Ladeur, in: German Law Journal 2009, S. 305 – 309, 308. 126 Erstmals wohl Ladeur, 1995 (FN 34), S. 37. 127 Augsberg, Das Gespinst des Rechts (FN 125), S. 485. 128 Wolfgang Welsch, Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft, 1995. 129 Gilles Deleuze/Félix Guattari, Rhizom, 1977. 130 Folgende Veröffentlichungen von Gunther Teubner werden im Text nur mit Jahresangabe und Seitenzahl zitiert: Rechtssoziologie: „Verbund“, „Verband“ oder „Verkehr“? Zur Außenhaftung von Franchising-Systemen, in: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 154 (1990), S. 295 – 324; Die vielköpfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure höherer Ordnung, in: Wolfgang Krohn/Günter Küppers (Hrsg.), Emergenz, 1992, S. 186 – 216; Den Schleier des Vertrags zerreißen? Zur rechtlichen Verantwortung ökonomisch „effizienter“ Vertragsnetzwerke, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 76 (1993), S. 367 – 393; Das Recht hybrider Netzwerke, in: Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht 165 (2001), S. 550 – 575; Die Perspektive soziologischer Jurisprudenz: Das Recht der Netzwerke, in: Stefan Machura/Stefan Ulbrich (Hrsg.), Recht – Gesellschaft – Kommunikation, 2003, S. 40 – 50; Netzwerk als Vertragsverbund, Virtuelle Unternehmen, Franchising, Just-in-time in sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht, 2004 a; Paradoxien der Netzwerke in der Sicht der Rechtssoziologie und der Rechtsdogmatik, in: Michael Bäuerle u. a. (Hrsg.), Haben wir wirklich Recht?, 2004 b, S. 9 – 31; „So ich aber die Teufel durch Beelzebub austreibe, …“ Zur Diabolik des Netzwerkversagens, in: Ino Augsberg (Hrsg.), Ungewissheit als Chance, 2009, S. 109 – 134 (Seitenzahl nach dem im Internet zugänglichen Manuskript). 131 Oliver E. Williamson, Markets and Hierarchies, Analysis and Antitrust Implications: A Study in the Economics of Internal Organization, New York 1975. 132 Walter W. Powell, Neither Market nor Hierarchy: Network Forms of Organization, Research in Organizational Behavior 12, 1990, 295 – 336 (in der deutschen Version von 1996).
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nicht mit dem Powell-Konsens, wonach es sinnvoll ist, auf der gleitenden Skala von Markt zu Organisation in der Mitte eine Markierung zu setzen, sondern er will Netzwerke als „echte Emergenzphänomene nicht ,zwischen‘, sondern ,jenseits‘ von Markt und Organisation“ ansiedeln.133 Sein Blick richtet sich dabei auf zwei spezielle Netzwerkarten, nämlich auf „Organisationsnetzwerke“ vom Typ dezentralisierter Konzern (Beispiel Daimler-Benz) und auf „Marktnetzwerke“ vom Typ des Franchising (Beispiel McDonalds). Sie werden als Hybride von Markt und Organisation eingeordnet, die durch Selbstorganisation zu autopoietischen Systemen höherer Ordnung geworden sind.134 Die Realität ist komplizierter als eine schematische Gegenüberstellung von Markt, Netzwerk und Organisation. Sie wird von Mischformen und Übergängen bestimmt. Der Zugang zu einem Markt wird oft erst über ein Netzwerk vermittelt. Aus wiederholtem Vertragsschluss entstehen vertragsübergreifende Beziehungen,135 und schon der einzelne Vertrag kann relationalen Charakter annehmen, oder er kann hierarchische Elemente (Weisungsrechte) enthalten. Der Typus der hierarchischen Organisation ist am besten in mittleren Unternehmen und auf der öffentlichen Seite in Fachbehörden anzutreffen. Größere Unternehmen sind weitgehend in Profitcenter aufgegliedert, und öffentliche Organisationen haben im Zuge des New Public Management interne Märkte geschaffen und Verrechnungspreise eingeführt. Diese gradualisierende Betrachtungsweise wird jedoch von Teubner verworfen. „Im Übergang von kurzfristigen spot-market transactions über relational contracts, über lose Gruppierungen bis hin zu integrierten Großorganisationen beobachten wir regelmäßig, daß organisatorische Elemente genau in dem Maße an Gewicht gewinnen, wie vertragliche Elemente an Gewicht verlieren. Netzwerke lassen sich in dieser Skala nicht unterbringen, weil bei ihnen vertragliche und organisatorische Komponenten gleichzeitig an Bedeutung gewinnen. Wie das Beispiel des Franchising gut zeigt, können in Netzwerken sowohl der Kollektivcharakter (Systemcharakter, Marketingverbund, Image-Einheit, Wettbewerbseinheit) als auch der Individualcharakter (Profitorientierung der Vertriebsstellen) gleichzeitig ins Extrem gesteigert werden.“136
Um diese Konstellation theoretisch in den Griff zu bekommen, werden zunächst Vertrag und Organisation auseinanderdividiert. Vertrag und Organisation sind ihrerseits schon autopoietische Sozialsysteme zweiter Ordnung.137 Die Systemeigenschaft von Organisationen ist aus Luhmanns Werk geläufig. Die Systemeigenschaft 133
Teubner, 1990 (FN 130), S. 306 f. Teubner, 1992 (FN 130), S. 190. 135 Powell verweist dazu auf Clifford Geertz, The Bazaar Economy: Information and Search in Peasant Marketing, in: The American Economic Review 68 (1978), S. 28 – 32. Für die Rechtssoziologie wird man sich eher auf (ältere) Arbeiten von Stewart Macaulay und Ian Macneil beziehen, die so bekannt sind, dass sie hier gar nicht genauer angeführt werden müssen. 136 Teubner, 1992 (FN 130), S. 200. 137 Ebd., S. 195. 134
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des Vertrages wird von Teubner 1992 als hyperzyklische Verknüpfung von „Vertragsakt“ und „Vertragsnorm“ begründet. Später138 wird die Lehre von der Selbstvalidierung des Vertrages ein Paradestück in Teubners Theoriegebäude. Am Beispiel der lex mercatoria wird sie als paradoxer Prozess dargestellt, der sich durch „Hierarchisierung“, „Temporalisierung“ und „Externalisierung“ entfaltet, oder, wie es Teubner selbst andeutet, sich wie Münchhausen an dem eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. An dieser Stelle soll es um Netzwerke gehen, und deshalb kommt es nur auf das Ergebnis an. Denn erst nachdem die „Unterscheidung von Vertrag und Organisation fest institutionalisiert ist“,139 taugt sie für den nächsten Schritt, nämlich für die selbstreflexive Verknüpfung zum Netzwerk. Für diesen Schritt nutzt Teubner einen Edelstein aus dem Baukasten der Systemtheorie, den „Wiedereintritt der Form in die Form“, der als re-entry140 bekannt ist. Netzwerke gewinnen ihren Charakter als autopoietische Systeme dritter Ordnung, wenn und weil die Unterscheidung von Markt und Organisation – als re-entry – in diese selbst wieder eintritt.141 Daraus folgt eine „soziale Doppelattribution von Handlungen: Ein kommunikatives Ereignis im Netzwerk wird sowohl einem der autonomen Vertragspartner als auch gleichzeitig der Gesamtorganisation zugerechnet.“142 Das Ergebnis sind dann „Widersprüche der Verhaltensanforderungen zwischen bilateralem Austausch und multilateralem Verbund, zwischen Kooperation und Konkurrenz, zwischen Hierarchie und Heterarchie und zwischen unterschiedlichen Rationalitäten innerhalb ein und derselben Institution“. Nur den autopoietisch gedoppelten Gebilden will Teubner den Netzwerktitel zubilligen.143 Schon aus diesem Grunde kann seine Konstruktion selbst von systemtheoretisch orientierten Soziologen144 nicht akzeptiert werden, denn sie greift aus dem breiten Spektrum der Erscheinungen, die sonst als Netzwerk angesprochen werden, nur einen schmalen Sektor heraus. Die große Menge der Netzwerke bleibt außen vor. 2. Die Handlungslogik organisierter Netzwerke Teubner verwendet also einen eigenen engen Netzwerkbegriff. Da gibt es kein richtig oder falsch. Aber es gibt doch einen falschen Anschein. Teubners „Netzwerke“ sind sämtlich geplant und stark verrechtlicht. Die Verrechtlichung gilt der Frage, 138
Gunter Teubner, Globale Bukowina: Zur Emergenz eines transnationalen Rechtspluralismus, in: Rechtshistorisches Journal 15 (1996), S. 255 – 290. 139 Teubner, 1992 (FN 130), S. 197. 140 Dazu Röhl/Röhl (FN 49), S. 100 ff., 103. 141 Teubner, 1992 (FN 130), S. 198. 142 Ebd., S. 199. 143 Ebd., S. 204. 144 Boris Holzer bezweifelt, dass die „Autopoiesis“ dieser Netzwerke erkennbar sei (Netzwerke, 2006, S. 94). Fuhse (FN 7), S. 306, meint, dass Teubner Netzwerke mit einer klaren Außengrenze behandelt, dass Netzwerke aber prinzipiell unabgeschlossen sind.
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wer zum Netz dazugehört und wer mit wem tauschen darf, und auch der Tauschmodus ist streng reguliert. Es geht um organisierte Netze, nicht aber um frei gebildete soziale Netzwerke. Auch ein organisiertes Netz lässt sich als Netzwerk analysieren, nämlich als Netzwerk von Rechtsbeziehungen und als Netzwerk von Austauschbeziehungen, die mehr oder weniger parallel oder quer zu den Rechtsbeziehungen verlaufen. Nur das letztere bildet ein soziales Netzwerk. Das Netzwerk der Rechtsbeziehungen hat zwei bemerkenswerte Eigenschaften. Es erweist sich als zentralistisch. Und es ist unvollkommen mehrseitig, das heißt, nicht alle Teilnehmer sind rechtlich miteinander verknüpft. Innerhalb des Netzes sind bestimmte Kanten als Kommunikationswege vorgeschrieben. Die netzwerktypische frei fluktuierende Reziprozität ist nicht vorgesehen. Interessant wäre nun, genauer zu wissen, wie die faktischen Beziehungen zwischen den Netzbeteiligten ablaufen, die das soziale Netzwerk ausmachen. Im Großen und Ganzen werden sie wohl der rechtlichen Vorgabe entsprechen. Daneben könnten sich aber informelle Beziehungen entwickeln. Teubner hat selbst Fragen formuliert, mit denen die „Doppelattribution der Handlungen auf Organisation und Vertragspartner in concreto“ und damit auch die widersprüchlichen Verhaltensanforderungen zwischen bilateralem Austausch und multilateralem Verbund empirisch getestet werden können.145 Aber m. W. hat es einen solchen Test nie gegeben. Was Teubner als spezifische Handlungslogik sozialer Netzwerke postuliert, folgert er zunächst aus einer begrifflichen Konstruktion, die in ein Paradox mündet. „Es ist also … in der Struktur der Netzwerke bedingt, dass die Frage nach dem ,gemeinsamen Zweck‘ selbst nur mit einem Widerspruch beantwortet werden kann. Netzteilnehmer müssen der widersprüchlichen Doppelanforderung genügen: in Bezug auf die gleiche Handlung eigene Geschäftszwecke zu verfolgen und zugleich das Netzinteresse zu verwirklichen.“146 Bisher galt noch immer: ex contradictione nihil sequitur. Teubner belässt es allerdings nicht bei der begriffssoziologischen Konstruktion. Er hält der Rechtsdogmatik vor, sie „verhedder(e) sich in gequälten Unterscheidungen zwischen einem gemeinsamen Zweck von Gesellschaften und einem nur einheitlichen Zweck von Vernetzungen“.147 Dagegen soll „eine soziologische Jurisprudenz die eigentümliche soziale Handlungslogik von Netzwerken freilegen“.148 Sie soll daraus folgen, dass in einem Vertragsverbund die individuellen Zwecke der Teilnehmer von einem einheitlichen „Netzzweck“ überlagert werden, weil die einzelnen Leistungen so miteinander verknüpft sind, dass sie nur im Verbund zum wirtschaftlichen Erfolg führen können. Der Kredit aus Transaktionen im Netz soll nicht bloß konkreten Tauschknoten, sondern dem ganzen Netz zugutekommen, weil „Eigen145
Teubner, 1992 (FN 130), S. 204. Teubner, 2004a (FN 130), S. 78. 147 Teubner, 2009 (FN 130), S. 11. 148 Dan Wielsch, Iustitia mediatrix, in: Gralf-Peter Calliess/u. a. (Hrsg.), Soziologische Jurisprudenz, Festschrift für Gunther Teubner, 2009, S. 395 – 414, 405, unter Berufung auf Teubner. 146
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leistungen an das Netz mit der unbestimmten Erwartung künftiger Netzvorteile“ verbunden werden.149 So entstehe ein einheitlicher Netzzweck, der über die bilateralen Vertragsbeziehungen hinaus den „normativen Gehalt des Vertragsverbundes“150 ergebe. Die soziologische Netzwerkanalyse gibt indessen keinen „Netzzweck“ her. Für die Annahme, dass „generalisierte Reziprozität der grundlegende Mechanismus spontaner Ordnungsbildung im Netzwerk“ sei,151 wird u. a. Powell zitiert152. Bei Powell geht es allerdings überwiegend um Unternehmensnetzwerke, die nur zum kleineren Teil organisiert und im Übrigen informell sind. In verrechtlichten Netzwerken wirkt die Rechtsbindung vielleicht auch faktisch stärker, als generalisierte Reziprozität. Teubner übersieht nicht, dass die von ihm behandelten „Organisationsnetzwerke“ und „Marktnetzwerke“ zwei sehr spezielle Netzwerktypen bilden.153 Eben deshalb behandelt er sie ja nicht einfach als soziale Netzwerke, sondern als Hybride. Dennoch – das ist die prinzipielle Schwäche seiner Argumentation – beruft er sich auf Eigenschaften typischer sozialer Netzwerke. Zutreffend schreibt Teubner selbst im Hinblick auf die Eigenlogik von Netzwerken: „Heterarchische Koordination bedeutet, dass nicht mehr hierarchisch auf einen übergeordneten Zweck hin organisiert wird, sondern nur noch strategisch und situativ.“154 Es ist nicht zu erkennen, wie in organisierten Netzwerken = Netzwerkorganisationen „generalisierte Reziprozität“ über die bilateralen Vertragsbeziehungen hinaus zum „normativen Gehalt des Vertragsverbundes“ wird, es sei denn durch den Imperativ der „Netzzentrale“. Was Teubner als „paradoxen Charakter der Netzwerke“ artikuliert, ist ein hierarchisch organisierter Zwang zur Freiwilligkeit. Wie nicht anders zu erwarten, wenn freiwilliges Verhalten gefordert wird, funktionieren organisierte Netze nur unvollkommen. Das hat Teubner selbst 2009 in einem Aufsatz „Zur Diabolik des Netzwerkversagens“ klargestellt. „Blockaden der Koordination, gravierende Schnittstellenprobleme, permanente Entscheidungskonflikte, asymmetrische Machtbeziehungen, opportunistisches Verhalten von Netzknoten oder Netzzentrale“155 sind an der Tagesordnung. Die „Achillesferse“ der organisierten Netze ist „ihre innere Koordinationsschwäche“.156 „Die netztypische Autonomie der Knoten begünstigt opportunistisches Verhalten der Knoten gegenüber der Zentrale oder anderen Knoten.“157 Auch in frei gebildeten Netzwerken läuft die Kooperation nicht immer glatt. Aber Störungen erledigen sich von selbst, weil kein Knoten fest ans Netz gebunden ist. 149
Teubner, 2004a (FN 130), S. 121. Ebd., S. 10. 151 Ebd., S. 125. 152 Ebd., S. 11. 153 Teubner, 1990 (FN 130), S. 305 ff. 154 Teubner, 2004a (FN 130), S. 30. 155 Teubner, 2009 (FN 130), S. 2. 156 Ebd., S. 6. 157 Teubner, 2004a (FN 130), S. 52. 150
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Erst die fehlende Ausweichmöglichkeit macht Störungen der Kooperation in organisierten Netzen zum Problemfall. Hilfe kann nur bei einer Verbesserung der Organisation ansetzen. 3. Netzwerke als kollektive Akteure Spontane Ordnung im Netzwerk bildet sich nur netzwerkintern. Im Falle des vom Vertragshändler getäuschten Kunden, der sich an den Importeur als Hintermann des Vertragshändlers wenden möchte, geht es um eine Externalität des Vertriebsnetzes. „Gegenüber anderen formalen Organisationen zeichnen sich hybride Arrangements durch besonders unerfreuliche ,netzwerkspezifische‘ Externalitäten aus.“158 Daraus resultieren die zahlreichen Durchgriffsfälle, die in Rechtsprechung und Literatur erörtert werden. Hier geht es um die „dunkle Seite der Netzwerke“, mit ihrer Fähigkeit, sich Vorteile auf Kosten außenstehender Dritter zu sichern. Für die Außenbeziehung von Netzwerken stellt sich daher die Frage, ob man sie als kollektive Akteure einordnen kann. Teubner bejaht. Es liege ein „Haftungsmodell von gleichzeitiger Kollektiv- und Individualhaftung als ,Netzwerkhaftung‘ nahe“.159 „Den nicht abzustreitenden Kollektivcharakter der Netze“160 leitet er wiederum aus der widersprüchlichen Doppelorientierung der Hybridnetzwerke ab. Unter Sozialwissenschaftlern, so meint er, sei der Kollektivcharakter der Netzwerke heiß umstritten.161 Die von ihm genannten Quellen sind aber kalt, und ich habe auch selbst keine anderen gefunden, die sozialen Netzwerken Handlungsfähigkeit zusprechen. Tacke hat den Eindruck, „dass die ,hybriden‘ Netzwerkarrangements der Wirtschaft ihren Reiz nicht zuletzt aus der Möglichkeit von Gesetzesumgehungen beziehen. Die Emergenzlösung lässt sich in diesem Zusammenhang nicht zuletzt als Konstruktion einer neuen ,Adresse‘ für Verantwortungszurechnungen verstehen“.162 In der Tat, wenn Rechtstheoretiker oder Rechtssoziologen von Emergenz reden, wollen sie damit meistens normative Umschlagpunkte postulieren. Besser als eine begriffssoziologische Deduktion ist der Hinweis auf empirische Sozialforschung, die vermutlich bestätigen kann, dass viele Netzwerkhybriden erfolgreich auch nach außen eine corporate identity pflegen.163 Wenn Netzwerke verrechtlicht und zugleich zentralisiert sind und zudem von außen als Einheit wahrgenommen werden, liegt es allerdings nahe, ihnen Handlungsfähigkeit zuzuschreiben. Aber das folgt nicht aus einer verallgemeinerungsfähigen Handlungslogik sozialer Netzwerke.
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Teubner, 1992 (FN 130), S. 209. Teubner,1990 (FN 130), S. 311. 160 Teubner, 2004a (FN 130), S. 80. 161 Teubner, 2009 (FN 130), S. 13 f. mit FN 56. 162 Veronika Tacke, Differenzierung und/oder Vernetzung?, Soziale Systeme 15, 2009, 243 – 270, S. 252 Fn. 14. 163 Teubner, 1992 (FN 130), S. 204. 159
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V. Fazit Die Vorliebe der postmodernen Rechtstheorie für den Netzwerkbegriff stammt aus der Überzeugung, dass das Rechtssystem heterarchisch oder polyzentrisch strukturiert sei. Ladeur findet im Netzwerk dazu die geeignete Metapher, verzichtet aber auf ein ausgearbeitetes Netzwerkkonzept. Sein Anspruch, den Dialog mit den Forschungsergebnissen der Nachbarwissenschaften zu suchen,164 bleibt hinsichtlich der Netzwerkforschung unerfüllt. Ino Augsberg hat einen lustigen Versuch unternommen, das Netzwerkkonzept im Werk Ladeurs auch als soziologisches zu retten: Die Gesellschaft ändere sich rasant und die Welt sei äußerst komplex geworden. Da sei das Netzwerkkonzept adäquat, weil es praktisch keinen Inhalt habe.165 Ganz so leer ist es wohl nicht. Ich teile eher die wohlwollend kritische Beurteilung von Poul J. Kjaer, Ladeur wolle mit der Verwendung des Netzwerkbegriffs die radikale Transformation der gesellschaftlichen Tiefenstrukturen akzentuieren, nämlich ihre Entwicklung zu einer dezentralisierten und nur noch heterarchisch geordneten Gesellschaft, die keiner zentralen Steuerung mehr zugänglich sei. Im Grund handele es sich bei Ladeur um ein bloß metaphorisches Konzept, das dazu diene, Anpassungsprozesse unter den Bedingungen des Verlusts einer gesellschaftlichen Mitte zu beschreiben. Der Netzwerkbegriff bei Ladeur sei mit anderen Worten bloß ein Ersatz für ein Konzept gesellschaftlicher Heterarchie.166 Dieses Urteil beschönigt freilich, dass der Netzwerkbegriff, oder vielmehr die Metapher, in Ladeurs Texten eine solche Prominenz erlangt hat, dass man mehr erwarten darf. Teubner hat mit seiner Netzwerktheorie einmal mehr, wenn nicht die „Unmöglichkeit“,167 so doch die Schwierigkeit soziologischer Jurisprudenz demonstriert. Er verfügt zwar über ein klares, in sich schlüssiges Netzwerkkonzept. Aber das besteht in einer begriffssoziologischen Konstruktion, aus der sich keine Aussagen über die Handlungslogik der Netzwerke herleiten lassen, die die Dogmatik „irritieren“ könnten. Irritiert wird Dogmatik allenfalls durch die systemtheoretische Begrifflichkeit. Teubners Netzwerkbegriff ist so speziell, dass solche Aussagen auch nicht auf die in der Soziologie verbreiteten Annahmen gestützt werden können, die sich in erster Linie auf die „Handlungslogik“ von persönlichen und informellen Netzwerken beziehen. Auf der anderen Seite zeigen die Streitfälle, die immer wieder die Rechtsprechung in Gang setzen, dass die Dogmatik mit den organisierten und verrechtlichten Netzwerken ein Problem hat. Hinsichtlich der Art der Probleme braucht es wohl nicht einmal eine planmäßige Rechtstatsachenforschung. Deutlich wird aber auch, dass die soziologische Netzwerkforschung, wenn sie juristisch relevant werden soll, verschiedene Netzwerktypen herausstellen und empirisch beforschen muss.
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Ladeur, 2006 (FN 34), Vorwort. Ino Augsberg, The Relevance of Network Models within the Juridic Discourse, in: German Law Journal 10 (2009), S. 383 – 394, 387 f. 166 Kjaer (FN 8), S. 490. 167 Teubner, 2003 (FN 130), S. 40. 165
Normenlogik und Rechtssoziologie Zur Kritik eines normativistischen Systembegriffs im rechtstheoretischen Kernwerk Ota Weinbergers (1919 – 2009) Von Rainer Schröder, Dresden/Siegen* Seit der frühe Ludwig Wittgenstein die Grenzen seiner Sprache mit den Grenzen seiner Welt kurzgeschlossen hat,1 ist ein Paradigma begründet, innerhalb dessen sich die hier anschließende analytische Philosophie mit der Verfassung metasprachlicher Texte beschäftigen kann. Dies impliziert ein Selbst- und Weltverständnis, nach dem die Sprachphilosophie die legitimste, verbleibende Form fundamentaler theoretischer Bemühungen darstellt. Man verfolgt in diesem Theorielager, nach anfänglichen Rückfällen in eine Abbildtheorie der Bedeutung, nunmehr weitgehend post-ontologische oder zumindest neo- bzw. deontologische Theorieinteressen und bezieht seine Aussagen auf die Strukturen von Sprache, nicht auf diejenigen von Sein.2 Die analytische Philosophie zeichnet damit zunächst eine Bewegung nach, die von der auf Kant folgenden Bewusstseinsphilosophie begründet wurde.3 Sie vollzieht die Abwendung von der klassischen Metaphysik mitsamt einer ihr eigenen Korrespondenztheorie der Wahrheit und bricht mit dem damit verbundenen Anspruch einer letzten,
* Mit der Person Ota Weinbergers verbindet den Jubilar ein jahrzehntelanger enger wissenschaftlicher und persönlicher Kontakt, der durchgängig auch unterschiedliche rechtstheoretische Ansätze ausgehalten hat. Die nachfolgenden Ausführungen weisen diese Unterschiede an einem abweichenden Begriff des Rechtssystems nach. Sie folgen insoweit sehr weitgehend Ausführungen, die der Verfasser in seiner von dem Jubilar betreuten Dissertation „Rechtsfrage und Tatfrage in der normativistischen Institutionentheorie Ota Weinbergers. Kritik eines institutionalistischen Rechtspositivismus“, Berlin 2000, S. 69 ff. vorveröffentlicht hat. 1 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, im Folgenden zitiert nach der Werkausgabe in 8 Bänden, Band 1, Frankfurt a. M. 1984, hier S. 67 (5.6): „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (Hervorhebung getilgt.) 2 Georg Henrik von Wright, Analytische Philosophie. Eine historisch-kritische Betrachtung, in: Rechtstheorie 23 (1992), S. 3 – 25, 9 f.; Ernst Tugendhat, Die sprachanalytische Kritik der Ontologie, in: ders., Philosophische Aufsätze, Frankfurt a. M. 1992, S. 21 – 35. 3 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, im Folgenden zitiert nach Band III, IV der von Wilhelm Weischedel hrsg. Werkausgabe in 12 Bänden, 12. Aufl., 1992; S. 275 (B 304): „… der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben …, muß dem bescheidenen, einer bloßen Analytik des Verstandes, Platz machen“.
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seinsbestimmten Einheit von Sinn und Sein (adaequatio rei et intellectus).4 Einem zentralen Anliegen Ota Weinbergers entgegenkommend, lässt sich festhalten, dass sich dessen Werk über den Bereich einer „dichotomen Semantik“, zumindest was die angedeutete Korrespondenztheorie der Wahrheit angeht, eindeutig in diese Vorgehensweise einreiht.5 Es folgt, unabhängig davon, ob es damit zugleich dem Bereich der Philosophie zuzuordnen ist oder nicht,6 dem linguistic turn und dringt so zu einer Primärstrukturierung der Sprache in die zwei disjunktiven Satzkategorien von Aussagesätzen und Normsätzen vor.7 Ganz im oben dargestellten Sinne wiederholt sich damit zunächst die Abwendung von den Positionen der antiken Seinsmetaphysik, die Weinberger davor bewahrt, die Einheit der von ihm propagierten Leitdichotomie in einer substantiellen Seinswahrheit des Seinsollenden zu finden. Er dringt daher zur Kritik einer „ontischen Konzeption“ vor, derzufolge es „einen Bereich des Seins und einen Bereich des Sollens“ gibt,8 und versteht die von ihm propagierte, dichotome Semantik als ein Konstrukt, welches nicht voraussetze, dass „jede sprachliche Äußerung über einen bestehenden Gegenstand berichtet“ bzw. auf einen „aus Gegenständen zusammengesetzten Sachverhalt hinweist“.9 I. „Idealentität“ und institutionelles Faktum Die dieser Art der Theorieführung angemessene Bezeichnung lautet: Kritizismus zweiter Ordnung. Sie attestiert die Ablösung der Einheit des Seins durch diejenige des Bewusstseins, welche dann in einem zweiten Schritt zu dessen Verdrängung durch das Paradigma der Sprache führt. Die Weinbergersche Wende zur Sprache macht nicht auf halbem Wege kehrt. Sie verzichtet darauf, sich in einer reflexionsbestimmten Einheit von Sinn und Sein zu reformieren, hebt die sinnstiftende Funktion des Bewusstseins auf, ordnet ihm die Sprache vor und folgt so der These, dass auch 4 Paradigmatisch: Aristoteles, Metaphysik. Schriften zur Ersten Philosophie, übersetzt und hrsg. von Franz F. Schwarz, Stuttgart 1993, S. 82, IV 1003 a [21]: „Es gibt eine Wissenschaft, die das Seiende, insofern es seiend ist, betrachtet und das, was ihm an sich zukommt.“ 5 Hierzu und zum Folgenden siehe Ota Weinberger, Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation, in: Manuel Atineza/Enrico Pattaro/Martin Schulte/Boris Topornin/ Dieter Wyduckel (Hrsg.), Theorie des Rechts und der Gesellschaft. Festschrift für Werner Krawietz zum 70. Geburtstag, Berlin 2003, S. 405 – 413, 405 ff. Siehe ferner Werner Krawietz, Artikel Sprachphilosophie in der Jurisprudenz, in: Marcelo Dascal/Dietfried Gerhardus u. a. (Hrsg.), Sprachphilosophie. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, 2. Halbband, Berlin/New York 1996, S. 1470 – 1489, 1474 ff., 1485 f. 6 Vgl. von Wright, Analytische Philosophie (FN 2), S. 18 ff. 7 Ota Weinberger, Ontologie, Hermeneutik und der Begriff des geltenden Rechts, in: ders., Recht, Institution und Rechtspolitik. Grundprobleme der Rechtstheorie und Sozialphilosophie, Stuttgart 1987, S. 109 – 128, 114. 8 Ebd., S. 112 f. 9 Ota Weinberger, Soziologie und normative Institutionentheorie. Überlegungen zu Helmut Schelskys Institutionentheorie vom Standpunkt der normativistischen Institutionenontologie, in: ders., Recht, Institution und Rechtspolitik (FN 7), S. 182 – 202, 187 (Hervorhebungen R. S.).
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eine angemessene Erklärung des Denkens nur über eine Erklärung des Satzes zu bewerkstelligen sei.10 In dieser Pointe einer sprachlichen „Objektivierung der Gedanken“11 aber konserviert sich das logizistische Ideal eines archimedischen Punkts, von dem aus sich die weiteren Erwägungen deduktiv in Bewegung setzen lassen. Die Weinbergersche Theorie des Rechts setzt auf Einheitschiffren. Sie begründet eine univoke Spitze. Sie legt sich auf die Prämisse fest, dass Sprache ein System sei, welches die Sinnidentität der ihm unterfallenden Begriffe garantiere und daher unter Abstraktion von konkreten Akten aus sich heraus verständlich sei.12 Mit dieser Prämisse begründet diese Theorie indes zugleich nichts anderes als einen Hiatus zwischen sprachlich konstituiertem Sinn und außersprachlichem Sein, den sie ausführt, indem sie die primäre, in die beiden disjunktiven Bereiche von präskriptiven und deskriptiven Sätzen zerfallende Einheit von Sprache sekundär mit einer „materiellen Realität“ kontrastiert.13 Zwei Dichotomien werden also ineinandergeschoben: Der Bereich der Sprache konstituiert – mitsamt der für ihn in Anspruch genommenen semantischen Primärdichotomie – einen „Idealbereich von Gedanken an sich“.14 Diesem wird sodann der Bereich der „materiellen Realität“, den Weinberger als äußerlich wahrnehmbar definiert, gegenübergestellt,15 und vor diesem Hintergrund kann er sodann den folgenden, vielleicht nicht ganz unproblematischen Anspruch erheben: „Auf dem Boden der von mir akzeptierten Terminologie wird die materielle Realität von den Idealentitäten … scharf getrennt …“16
10 Vgl. hierzu Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus (FN 1), S. 25 (4.0): „Der Gedanke ist der sinnvolle Satz“, sowie S. 67 (5.631): „Das denkende, vorstellende, Subjekt gibt es nicht.“ 11 Siehe hierzu bereits den Abschnitt „Sprache und Objektivität der Gedanken“, in: Ota Weinberger, Intersubjektive Kommunikation, Normenlogik und Normendynamik, in: Rechtstheorie 8 (1977), S. 19 – 40, 23 f. 12 Ota Weinberger, Die Norm als Gedanke und Realität, in: Donald Neil MacCormick/Ota Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus, Berlin 1985, S. 60 – 75, 63, 68; ders., Ontologie, Hermeneutik und der Begriff des geltenden Rechts (FN 7), S. 115; ders., Der normenlogische Skeptizismus, in: ders., Moral und Vernunft. Beiträge zu Ethik, Gerechtigkeitstheorie und Normenlogik, Wien/Köln/Weimar 1992, S. 431 – 499, 451 ff., 463 ff.; ders., Alternative Handlungstheorie. Gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit Georg Henrik von Wrights praktischer Philosophie, Wien/ Köln/Weimar 1996, S. 32 ff., 61 ff., 95 ff. 13 Weinberger, Die Norm als Gedanke und Realität (FN 12), S. 61 ff.; ders., Tatsachen und Tatsachenbeschreibungen. Eine logisch-methodologische Überlegung zu einem Grundlagenproblem der Sozialwissenschaften, in: MacCormick/Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus (FN 12), S. 108 – 123, 116 ff. 14 Ota Weinberger, Entwurf einer neo-institutionalistischen Soziologie – gleichzeitig Betrachtungen über die philosophischen und soziologischen Grundlagen der Normentheorie, in: Urs Fazis/Jachen C. Nett (Hrsg.), Gesellschaftstheorie und Normentheorie. Symposium zum Gedenken an Theodor Geiger 9.11.1891 – 16.6.1952, Basel 1993, S. 45 – 60, 49. 15 Weinberger, Die Norm als Gedanke und Realität (FN 12), S. 61 ff.; ders., Tatsachen und Tatsachenbeschreibungen (FN 13), S. 118 ff. 16 Ebd., S. 118.
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Die folgenden Ausführungen werden darauf verzichten, jener zweiten, hier aufbrechenden Dichotomie von „Idealentität“ und „materieller Realität“ im Einzelnen nachzugehen oder ihr Verhältnis zur Theorieführung Hans Kelsens im Detail auszuloten.17 Sie gehen statt dessen dem Anfangsverdacht nach, dass die von Weinberger propagierte Trennung von sprachlich konstituiertem Sinn und materieller Realität mit einer Ausblendung der sozialen Genese normativen Sinns einhergeht: Dieser Verdacht erhärtet sich, wenn dieser zwischen der „ideellen Entität“ und der „sozialen Gültigkeit“ von Normensystemen unterscheiden will.18 Es äußert sich ferner in seinem Plädoyer für eine scharfe Abgrenzung zwischen „Normen als sprachlichen Sinngebilden“ und „Normen als sozialen Realitäten“19 wie in der in diesem Zusammenhang stehenden Annahme „rein beschreibender Gesetze der Gesellschaft“, welche Weinberger unter diejenigen der „Natur“ subsumieren will.20 Mit dieser Vorgehensweise bleibt nämlich Weinberger einseitig in der vorgeordneten Dichotomie von „Idealentität“ und „materieller Realität“ verfangen. Dem Diktum eines tertium non datur unterworfen, gelingt es ihm nicht, eine vermittelnde Position einzunehmen, und so bleibt er genötigt, alles soziale Sein in den Bereich einer amorphen Faktizität zu verweisen, um es damit zugleich von der vermeintlich reinen Idealität des Normsatzbereichs abzutrennen: „Das Recht als ideelle Entität ist normativer Natur. Es kann durch Normsätze ausgedrückt werden. Die soziale Gültigkeit des Normensystems ist durch Tatsachen bestimmt (die Faktizitätskriterien sind Tatsachenfeststellungen).“21 Eben dieser Kurzschluss, wie eine ihn überschreibende Hierarchisierungstechnik, die im Folgenden noch näher zu belegen sein werden, bilden zugleich den entscheidenden Hintergrund für die Behauptung Weinbergers, dass gerade für den Bereich des Rechts eine „world-to-word direction of fit“ im Sinne John R. Searles bestehe, womit „die Welt“ der von ihr unabhängigen Bedeutung vorhandener Normsätze anzupassen wäre.22 Ergänzung findet dieser Sachverhalt sodann durch die Einführung einer Differenz von „rohen“ und „institutionellen Fakten“, für die sich Weinberger wiederum auf Searle sowie auf G. E. M. Anscombe beruft, um sie mit Erörterungen
17 Vgl. hierzu statt anderer: Wolfgang Frühwald/Hans Robert Jauß u. a., Geisteswissenschaften heute. Eine Denkschrift, Frankfurt a. M. 1991, sowie Hans Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze, 2., photomechanisch gedruckte, um eine Vorrede vermehrte Aufl., Tübingen 1923, S. VI et passim. 18 Siehe hierzu bereits Ota Weinberger, Normenlogik und Rechtstheorie, in: ders., Logische Analyse in der Jurisprudenz, Berlin 1979, S. 31 – 37, 32. 19 Weinberger, Der normenlogische Skeptizismus (FN 12), S. 452. 20 Weinberger, Alternative Theorie des Handelns (FN 12), S. 204. 21 Weinberger, Normenlogik und Rechtstheorie (FN 18), S. 35. 22 Weinberger, Einleitung. Ausgangspunkte des Institutionellen Rechtspositivismus, in: MacCormick/Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus (FN 12), S. 11 – 56, 19 f.; ders., Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation (FN 5), S. 411; John R. Searle, Intentionalität. Eine Abhandlung zur Philosophie des Geistes, Frankfurt a. M. 1991, S. 23.
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der Frage nach dem „Dasein“ des Rechts zu verbinden.23 Auch bei der Einführung dieser Differenz bleibt freilich die grundsätzliche Abhebung der Rechtssprache von der „materiellen Realität“ beibehalten: Zwar wird diese über den Begriff des „institutionellen“ oder „sozialen“ Faktums um Formen menschlichen Handelns angereichert.24 Ungeachtet dessen sieht Weinberger deren spezifische Faktizität nur in „Zusammenhängen mit beobachtbaren Vorgängen“, die als „rohe Tatsachen“ beschrieben werden könnten,25 begründet und hält sie so an eine amorphe Faktizität des Materiebereichs gebunden. Damit wird die Weinbergersche Rechtstheorie asymmetrisch: Die normative Idealität der Rechtssprache tritt in Kontrast zu einer materiellen Realität, die ihrerseits die beiden Bereiche roher und institutioneller Faktizität umfasst. Ihren Abschluss findet diese Theorieführung sodann, indem Weinberger zwischen Rechtsordnung und Ordnung dergestalt unterscheidet, dass erstgenannte das Recht als „Normensystem“ – und damit als sprachlich-gedankliches Phänomen – betreffe, wogegen er für das Recht als „realisierte und beobachtbare Ordnungsstruktur“ den Begriff der „Ordnung“ wählt.26 Hier nämlich wird der realen Ordnung sogleich eine „normativ geregelte Funktionsweise“ attestiert und eine Lehre von der Dynamik des Rechts entwickelt, die nach eigener Einlassung in der „gesellschaftlichen Realität“ nur „zusätzliche Zusammenhänge“ zu erkennen vermag.27 Und auf diesem Wege wird schließlich auch die Rechtsdynamik von Weinberger als Hinzufügung neuer Normen in das bestehende System rechtlicher Normen gedeutet, welche im wesentlichen durch die Erfüllung normativer Subsumtionsbedingungen und/ oder die ermächtigungskonforme Vornahme von Normerzeugungsakten eintreten soll.28 „Soziale Tatsachen“ sind demnach für ihn auch hier nur insoweit relevant, als sie mit ideellen Voraussetzungen korrelieren, die in vorhandenen Rechtstexten als Bedingungen der Entstehung neuer Normen konstituiert sind. Sie werden von seiner Theorie des Rechts nur als einer deduktiven Notwendigkeit unterliegende Erfüllungen des normativen Programms derartiger Texte wahrgenommen. Und so bleibt es die Aufgabe einer schichtenontologisch entlehnten Kategorie der Kausalität, bei der Umsetzung rechtsnormativen Sinns in institutionelle Fakten Pate zu stehen: „Nicolai Hartmanns Auffassung, dass reales Sein nicht notwendig durch Räumlichkeit, sondern durch die Tatsache charakterisiert ist, dass es sinnvoll ist, alles real Bestehende in zeitlichen Koordinaten zu sehen, erscheint mir als Folge der Wirkzusammenhänge von realen Idealentitäten mit beobachtbaren Vorgängen. Ich halte jedoch das reale 23
Weinberger, Einleitung (FN 22), S. 22; ders., Ontologie, Hermeneutik und der Begriff des geltenden Rechts (FN 7), S. 113; John R. Searle, Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay, 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1992, S. 78 ff.; G. E. M. Anscombe, On Brute Facts, in: Analysis 18 (1958), S. 69 – 72. 24 Weinberger, Tatsachen und Tatsachenbeschreibungen (FN 13), S. 109 f. 25 Weinberger, Einleitung (FN 22), S. 17. 26 Weinberger, Norm und Institution. Eine Einführung in die Theorie des Rechts, Wien 1988, S. 39. 27 Ebd., S. 102. Vgl auch ders., Institutionentheorie und Institutionalistischer Rechtspositivismus, in: ders., Recht, Institution und Rechtspolitik (FN 7), S. 143 – 181, 155. 28 Weinberger, Norm und Institution (FN 26), S. 81, 102 ff.
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Wirken von Informationen in faktischen oder potentiellen Prozessen, insbesondere in Handlungen für das wesentliche Moment der Wirklichkeit von Gedankenentitäten, wozu auch Normen, Werte, usw. gehören.“29 II. Selbstreflexionen der Weinbergerschen Rechtstheorie Es ist an der Zeit, festzuhalten, dass es sich bei der Sprache, die die bisher aufgeführten Leistungen erbringen soll, selbstverständlich nicht um eine Alltagssprache im herkömmlichen Sinne handelt.30 Vielmehr erhebt die Rechtstheorie Weinbergers den Anspruch, dass das von ihr inaugurierte Sprachsystem gewisse logische Mängel derartiger Alltagssprachen vermeide. Bei aller Konzentration auf die Ausarbeitung einer dem Gegenstandsbereich des Rechts adäquaten Normenlogik hält Weinberger damit, in Anlehnung an den logischen Positivismus insbesondere Rudolf Carnaps und gegen das Spätwerk Wittgensteins wie die hiervon ausgehende ordinary language philosophy, an der Vorstellung fest, man könne die benannten Mängel geläufiger Alltagssprachen durch die Begründung einer Kunstsprache überwinden.31 In durchaus klassischer Weise wird dabei von ihm weiter der Unterschied zwischen dieser Kunstsprache, die zu entwickeln er die Normenlogik beruft, und jenen Alltagssprachen, die im hier allein interessierenden Bereich des Rechts wohl primär in den verschiedenen „Nationalsprachen“ bestehen, welche den Formulierungen staatlicher Rechtstexte zugrunde liegen, letztlich über erkenntnistheoretische Prämissen eröffnet: Die zu Beginn dieser Ausführungen dargelegte Ontologieabstinenz des Weinberger’schen Werks gründet darauf, dass sich dieses, mitsamt der dazugehörigen Grunddifferenz von Normsätzen und Aussagesätzen, im Bereich der logischen Syntax ansiedelt und hier von jeglichem semantischen Bedeutungsbezug abstrahieren will.32 Obwohl Weinberger durchaus konzediert, bei seinen entsprechenden Bemühungen von gebräuchlichen rechtssprachlichen Ausdrucksformen auszugehen, nimmt er so in Anspruch, durch hierzu vorzunehmende „tiefengrammatikalische 29 Weinberger, Einleitung (FN 22), S. 17 f. (Hervorhebungen, wo nicht schon im Original, R. S.). 30 Hierzu und zum Folgenden vgl. Weinberger, Normentheorie als Grundlage der Jurisprudenz und Ethik. Eine Auseinandersetzung mit Hans Kelsens Theorie der Normen, Berlin 1981, S. 115, sowie ders., Rechtslogik, 2., umgearbeitete und wesentlich erweiterte Aufl., Berlin 1989, S. 36, 65 et passim. 31 Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 36; zum theoriegeschichtlichen Hintergrund siehe Ernst Konrad Specht, Die sprachphilosophischen und ontologischen Grundlagen im Spätwerk Ludwig Wittgensteins, Köln 1963, S. 19 f. 32 Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 36 (Hervorhebungen R. S.): „Die rein formale Beschreibung der Sprachausdrücke und die rein formalen Operationsregeln stützen sich auf eine wichtige Erkenntnis: jede Sprache besteht aus Zeichen, die als Gegenstände beschrieben werden können, ohne daß man ihre Bedeutung zur Beschreibung heranziehen muß.“ Spuren einer solchen Vorgehensweise noch bei ders., Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation (FN 5), S. 406, 408. Zum damit bezeichneten Unterschied von logischer Syntax und Semantik siehe Rudolf Carnap, Logische Syntax der Sprache, im Folgenden zitiert nach der 2., unveränderten Aufl., Wien/New York 1968, S. 9.
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Analysen“ zu einer logischen Grundstruktur vorzudringen, die in diesem Beobachtungsmaterial gleichsam diffundieren soll.33 In dem so abgesteckten Wirkungsbereich konzentriert sich sein theoretisches Interesse daher zunächst darauf, Termini und Sätze der analysierten Rechtssprache als verdinglichte Resultate vergangener Sprechakte gleichsam „für sich“ zu betrachten.34 Sodann sieht er es als seine Aufgabe an, ihre Konsistenz mit präformierten Regeln der logischen Syntax zu überprüfen, dort, wo ein dahingehendes Bedürfnis besteht, entsprechende Korrekturen am Beobachtungsmaterial vorzunehmen, um so schließlich ein System aufzubauen, das nur solche Sätze enthalten soll, die sich zu einem rein formal kohärenten Sinnzusammenhang ergänzen,35 der sich mit dem insoweit gebräuchlichen Terminus als Bereich „analytischer Sätze“36 bezeichnen lässt. Damit ist klargestellt, dass gegenüber der für diesen Bereich in Anspruch genommenen völligen Abstinenz von jeglicher Bedeutungserstreckung auf eine außersprachliche Umgebung die analysierte Rechtssprache selbst für Weinberger in weiten Bereichen durch eine derartige Bedeutungserstreckung gekennzeichnet ist. Sie wird als Bereich der „synthetischen Sätze“37 angesehen, die – seien sie nun Aussagesätze oder Normsätze – nur insoweit sinnhaft sind, als sie durch in ihnen verwendete „Namen“ im Sinne eines semantischen Bezugs auf die Rechtswirklichkeit rekurrieren: „Wenn in einem Satz – z. B. in einem Aussagesatz; bei Normsätzen und Fragesätzen ist dies ganz analog – ein Name steht, weist er auf den Gegenstand hin, über den gesprochen wird.“38 An dem damit herausgearbeiteten Dualismus von analytischen und synthetischen Sätzen schließt sich in der Normenlogik Weinbergers konsequenterweise eine Abgrenzung des eigenen Wirkungsbereichs von demjenigen der mit der Erkenntnis des positiven Rechts befassten Wissenschaften an. Diese Abgrenzung, die zunächst ganz in der Tradition des traditionellen Arrangements von formaler Logik und empirischen Wissenschaften arbeitet, geht jedoch keinesfalls davon aus, dass die Normenlogik nur ein Hilfsmittel der ihr entgegengesetzten Rechtswissenschaften sei.39 33
Siehe dazu Weinberger, Alternative Handlungstheorie (FN 12), S. 12, sowie ders., Der Wissenschaftsbegriff der Rechtswissenschaften, in: ders., Logische Analyse in der Jurisprudenz (FN 18), S. 15 – 30, 18, wo auch die Differenz von Normsätzen und Aussagesätzen als Produkt einer derartigen Tiefengrammatik dargestellt wird. 34 Siehe hierzu erneut das Zitat in FN 32. 35 Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 33: „Der Logik obliegt auch eine Aufgabe, die wir als ihre analytische Rolle bezeichnen können: Sie hat die üblichen Ausdrucksformen (meist in der Nationalsprache) auf ihren logischen Gehalt zu untersuchen, logisch unwesentliches aus der Betrachtung auszuscheiden, und dort, wo logisch wichtige Unterschiede bestehen – die oft nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommen und häufig übersehen werden – Unterscheidungen einzuführen.“ 36 Vgl. hierzu Carnap, Logische Syntax der Sprache (FN 32), S. IV, 135 et passim. 37 Vgl. ebd. 38 Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 58. 39 Vgl. demgegenüber Carnap, Logische Syntax der Sprache (FN 32), S. IV: „Diese, die sogenannten Wirklichkeitssätze, bilden den Kern der Wissenschaft; die mathematisch-logischen Sätze sind analytisch, ohne Wirklichkeitsgehalt, nur formale Hilfsmittel.“
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Während diese dem Bereich der synthetischen Sätze und damit zugleich der Rezeption der Inhalte des positiven Rechts zugewiesen werden,40 beansprucht jene, indem sie von derartigen „nur inhaltlichen“ Fragen absieht, „einer höheren philosophischen Entwicklungsstufe“ anzugehören,41 und geriert sich damit als eine Art Erster Philosophie: Sie feiert sich als „Wissenschaft über die Wissenschaft“42 und schickt sich als solche ganz selbstverständlich an, die Bedingungen, unter denen Empirie sinnvollerweise betrieben werden könne, überhaupt erst zu definieren.43 Im Ergebnis überschreibt diese Normenlogik damit die zuvor dargestellte Differenz von analytischen und synthetischen Sätzen mit dem hierarchisierenden Begriffspaar „transzendental/ empirisch“. Sie nimmt eine Rückbesinnung auf die Bewusstseinsphilosophie insbesondere Husserlscher Herkunft vor, adaptiert deren apriorische Selbstbegründung44 und überträgt sie auf die selbstverwalteten Regeln der logischen Syntax, um so sich selbst zu apriorisieren und gegen empirische Kritik zu immunisieren: „Für die rationale Rede und Argumentation, für die Wissenschaftssprache, für logische und entscheidungstheoretische Analysen wird eine ideale Kommunikation vorausgesetzt. Die Zeichenreihe (die Nachricht) wird als ideales Kommunikat behandelt. Die de facto auftretenden Abweichungen von der idealen Nachrichtenübertragung werden nicht als Elemente des rationalen Diskurses angesehen, sondern als bloß technische Mängel und Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen: durch Methoden, die außerhalb des wissenschaftlichen Redens und Begründens der Thesen stehen.“45
40 Und zwar geschieht dies über eine Rezeption des hermeneutischen Methodendualismus von Verstehen und Erklären. Siehe insoweit Weinberger, Logische Analyse in der Jurisprudenz (FN 18), S. 21 (Hervorhebungen R. S.): „Was aber heißt Normenerkenntnis? Nichts anderes als das Erfassen einer Norm durch Verstehen von Normsätzen oder durch Herauslesen und erfassende Rekonstruktion der Norm aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit, etwa einer Norm des Gewohnheitsrechts aus bestehenden normativen Gewohnheiten.“ 41 Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 29. 42 Ebd., S. 28. 43 Siehe Weinberger, Alternative Handlungstheorie (FN 12), S. 286: „Die Rolle der Philosophie ist es vor allem, die Fragestellungen der Wissenschaften zu bestimmen, die Methoden zu diskutieren und die Pluralität der wissenschaftlichen Systeme als Gesamtheit – als System von Systemen – zu verstehen. Die Philosophie hat also nicht nur eine sekundäre Hilfsfunktion für die Wissenschaften zu erfüllen, sondern lenkende und konstitutive Aufgaben.“ Vgl. ferner ders., Bausteine des Institutionalistischen Rechtspositivismus, in: ders., Recht, Institution und Rechtspolitik (FN 7), S. 11 – 42, 15 f., mit entsprechenden Ausführungen zu einer „Ontologie des normativistischen Institutionalismus“. 44 Vgl. Edmund Husserl, Logische Untersuchungen, Zweiter Band, I. Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, hier zitiert nach Band 3 der von Elisabeth Ströker hrsg. Gesammelten Schriften, Hamburg 1992, S. 6 f. (A 4): „Die reine Phänomenologie stellt ein Gebiet neutraler Forschungen dar, in welchem verschiedene Wissenschaften ihre Wurzel haben. Einerseits dient sie der Psychologie als empirischer Wissenschaft. … Andererseits erschließt die Phänomenologie die ,Quellen‘, aus denen die Grundbegriffe und die idealen Gesetze der reinen Logik ,entspringen‘ …“ (Hervorhebungen R. S.) 45 Ota Weinberger, Intersubjektive Kommunikation, Normenlogik und Normendynamik, in: Rechtstheorie 8 (1977), S. 19 – 40, 26.
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III. Analytischer Logizismus oder Sinnverstehende Theorie des Rechts? Die an dieser Stelle wiederum aufbrechende Abstinenz der Weinbergerschen Normenlogik von Fragen tatsächlicher Sprachverwendung46 führt nun zum einen dazu, dass sie die Schichten der Sprachtheorie zu dem wohl erstmals bei Charles Morris auftauchenden semiotischen Dreieck integriert.47 Zum anderen zeigt sich dabei, dass sich diese Normenlogik im Ergebnis dadurch zu der von ihr favorisierten formellen Rationalität verdichtet, dass sie sich als logische Syntax von semantischen und pragmatischen Analysen abkapselt – und dabei zwangsläufig ihre eigene Sprachverwendung ausblendet. Statt sich mit diesem Kurzschluss, der theorieimmanent durchaus angebracht sein mag, zu begnügen, reflektiert die Normenlogik Weinbergers von hier aus jedoch auch ihr Verhältnis zur Soziologie des Rechts. Mit dem Postulat, dass für das Recht und andere Normensysteme „trivialerweise“ der „Kernsatz“ ihrer Auffassung gelte, dass sie „logisch-rationale Einheiten“, nicht aber Systeme eines realen „Verhaltens“ bildeten,48 will jene Normenlogik spiegelbildlich der Soziologie des Rechts – die sie an anderer Stelle durchaus als verstehende Wissenschaft betrachtet – eine behavioristische Bescheidung auf die Beobachtung bloßen Sozialverhaltens attestieren und so die eigene Position stärken: „Die behavioristische Einstellung in der … Soziologie (?, R. S.) sollte sich dieser prinzipiellen Beschränkung bewußt sein: In dieser Sicht darf nichts anderes als Verhaltensbeschreibungen und deren Relationen auftreten.“49 Diesem Versuch und der damit verbundenen Selbstapriorisierung der Normenlogik bleibt freilich zunächst entgegenzuhalten, dass schon die ihm zugrundeliegende Differenz von synthetischen und analytischen Sätzen auch im Bereich sprachanalytisch orientierter Theoriekonstruktionen durchaus nicht unumstritten ist. Sensibilisiert durch eine empirische Epistemologie setzt sich hier vielmehr zunehmend die Erkenntnis durch, dass im logischen und wissenschaftlichen Sprachgebrauch eine strikte Trennung zwischen den beiden Satzbereichen gar nicht möglich ist, weil die systematische Rolle, die den analytischen Sätzen zugedacht war, im Bereich der synthetischen Sätze ebenso Platz greift, wie dies umgekehrt für den empirischen 46 Weinberger, Ontologie, Hermeneutik und der Begriff des geltenden Rechts (FN 7), S. 115. 47 Charles W. Morris, Foundations of the Theory of Signs, in: International Encyclopedia of United Science Vol. I, Nos. 1 – 10, Chicago/Illinois 1962, S. 77 – 137, 84, 107 ff., hier zitiert nach Karl-Ludwig Kunz, Die analytische Rechtstheorie: Eine ‘Rechts’-theorie ohne Recht? Berlin 1977, S. 29. Vgl. insoweit auch Weinberger, Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation (FN 5), S. 407 ff. 48 Weinberger, Soziologie und normative Institutionentheorie (FN 9), S. 189. 49 Ebd., S. 184. Wohl abgeschwächt dagegen ders., Pragmatische Bedeutungstheorie und Juristische Interpretation (FN 5), S. 411: „Die pragmatische Bedeutungsbestimmung zeigt, dass die Handlungstheorie und alle wesentlich mit Handlungen befassten Disziplinen auf einer dichotomen Semantik aufgebaut sind und von Logiksystemen des praktischen Denkens abhängig sind.“
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Gehalt, der den synthetischen Sätzen zugewiesen wurde, im Bereich der analytischen Sätze der Fall ist.50 Bietet es sich schon aus diesem Grunde an, eine verabsolutierende Trennung von synthetischen und analytischen Sätzen gegen Weinberger ganz aufzugeben, so fällt damit ferner auch die darauf aufbauende Führungsrolle der von ihm ins Werk gesetzten Normenlogik gegenüber den mit der Erforschung des positiven Rechts befassten Wissenschaften fort. Diese sind nämlich unter aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen keinesfalls mehr darauf angewiesen, sich die Konstituierung ihres Gegenstandsbereichs und die Grundzüge ihrer Forschungsmethodik von einem ihnen vorgeordneten Sprachtranszendentalismus51 zuweisen zu lassen. Sie haben vielmehr sehr weitgehend schon längst eigene Reflexivorgane ausgebildet, die derartige Aufgaben zudem auf eine Art und Weise erfüllen, die ebenso weitgehend nicht mit derjenigen Weinbergers kongruiert: So trifft es gegen dessen Auffassung durchaus nicht mehr zu, dass die „soziologische Rechtsbetrachtung“ auf die Erklärung von erosionsfreien Gesetzmäßigkeiten sozialen Verhaltens gerichtet wäre.52 Vielmehr wird Soziologie – und insbesondere Rechtssoziologie – spätestens seit Max Weber mit gutem Grund als Wissenschaft vom sozialen Handeln und damit auch als verstehende Wissenschaft betrieben.53 Und eine nähere Betrachtung der funktionalistischen Theorie und Soziologie des Rechts der Gesellschaft von Theodor Geiger vermag zu zeigen, wie eine theoretische Rechtssoziologie schon früh in dieser Form fortgeschrieben werden konnte, ohne dass insoweit in ein abbildtheoretisches Empirieverständnis zurückverfallen worden wäre.54 Vor diesem Hintergrund erscheint aber schließlich auch die Begriffsbildung Weinbergers, die das Phänomen Recht zunächst als pure Idealentität ansiedelt und 50 Siehe hierzu nur Willard v. O. Quine, Fünf Marksteine des Empirismus (Five Milestones of Empiricism), in: ders., Theorien und Dinge, übersetzt von Joachim Schulte, Frankfurt a. M. 1985, S. 89 – 95, 89, 94. 51 Vgl. insoweit Weinberger, Normentheorie als Grundlage der Jurisprudenz und Ethik (FN 30), S. 116, mit der Annahme „notwendiger, erfahrungs- und tatsachenunabhängiger Beziehungen“ im Bereich „sprachlich gegebener Sinnstrukturen“. 52 Weinberger, Soziologie und normative Institutionentheorie (FN 9), S. 184. 53 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5. Aufl. (Studienausgabe), besorgt von Johannes Winckelmann, Tübingen 1980, S. 1 (Hervorhebungen R. S.): „Soziologie … soll heißen: eine Wissenschaft, die soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“ 54 Eine derartige Auffassung von Empirie, die Weinberger, Rechtslogik (FN 30), S. 69, 73, bezüglich des Verhältnisses von Aussagesätzen zu Sachverhalten mehrfach durchscheinen lässt, wird von Theodor Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 4. Aufl., durchgesehen und hrsg. von Manfred Rehbinder, Berlin 1987, S. 202, als „naiv-rationalistische Auffassung“ abgelehnt. Sie ist darüber hinaus seit geraumer Zeit auch im Bereich der Naturwissenschaften fragwürdig geworden: vgl. nur Werner Heisenberg, Physik und Philosophie, hier zitiert nach der unveränderten Ausgabe, Frankfurt a. M. 1990, S. 60. Zur Rechtssoziologie Geigers vgl. insoweit im übrigen Athanasios Gromitsaris, Normativität und sozialer Geltungsgrund des Rechts. Zur Revision und Reformulierung der Normentheorie von Theodor Geiger, Berlin 1992, passim; Rainer Schröder, Rechtsfrage und Tatfrage in der normativistischen Institutionentheorie Ota Weinbergers. Kritik eines institutionalistischen Rechtspositivismus, Berlin 2000, S. 50 – 68, 51 ff.
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nur nachträglich wie auf einer sorgsam davon abgespaltenen Ebene rechtssoziologische Forschungen über seine Realisierung oder Nichtrealisierung in rechtsbefolgenden oder rechtsabweichenden Verhaltensweisen zulassen will, theoretisch unzureichend. Sie ist, wie Werner Krawietz immer wieder eingefordert hat, abzulösen durch eine normativ-realistische Betrachtungsweise, die alles Recht, unbeschadet seines normativen Charakters, hinsichtlich seiner geschichtlich-gesellschaftlichen Genese analysiert und so dem Umstand Rechnung trägt, dass es als Produkt und Struktur von Gesellschaft eben nicht auf den Wortlaut staatlicher Rechtssätze bzw. eine diesen statisch anhaftende Bedeutung zu reduzieren ist, sondern seiner Genese und Geltung nach an jeweils aktuelle soziale Interaktionen und Kommunikationen gebunden bleibt.55 Das Ziel einer solchen Betrachtungsweise ist also weder ein bloß naturwüchsig-faktisches System zwischenmenschlichen Verhaltens noch ein bloß sprachlich-gedankliches Rechtsnormensystem. Da für sie „alle sozialen Kommunikationen, die mit Bezugnahme auf das Recht formuliert werden“, dem Rechtssystem angehören, richtet sie ihr Augenmerk vielmehr auf empirisch feststellbare Beziehungsgeflechte sozialen Handelns und die sie tragenden normativen Erwartungsstrukturen geltenden Rechts.56 Der damit umrissene Begriff des Rechtssystems erstreckt sich mithin auf die Zusammenhänge zwischen Rechtsnormgefüge und Rechtshandeln. Er rekurriert, die Einseitigkeiten des Normenreduktionismus einer logisch-analytischen Betrachtungsweise wie diejenigen eines behavioristischen Reduktionismus vermeidend, auf ein in der sozialen Wirklichkeit tatsächlich beobachtbares Sozialgebilde.57 Auf diese Weise stellt sich das Rechtssystem, mit Werner Krawietz gesprochen, als ein soziales System dar, das aus „Rechtsnormen und den dazugehörigen Aktivitäten nebst deren sonstigen Bedingungen und Umständen“ besteht und, um dies nochmals zu betonen, in der sozialen Wirklichkeit realiter beobachtet werden kann.58
55
Werner Krawietz, Recht als Regelsystem, Wiesbaden 1984, S. XI, 122 ff. et passim. Ebd., S. 52 f. 57 Ebd., S. 48 f., 75 ff. 58 Werner Krawietz, Staatliches oder gesellschaftliches Recht? Systemabhängigkeiten normativer Strukturbildung im Funktionssystem Recht, in: ders./Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, Frankfurt a. M. 1992, S. 247 – 301, 290. 56
VI. Information, Datenverkehr und Rechtskommunikation
Legal Norms and Legal Institutions as a Challenge for Legal Informatics By Vytautas Cˇyras und Friedrich Lachmayer, Vilnius/Vienna I. Impact of Legal Informatics from Periphery to the Centre of Law Legal dogmatics1 and legal theory lie at the centre of jurisprudence and both have their own expansion. Endogenous developments in judicature, for example, legal personality (e-persons, e-identity) etc. have a significant impact on jurisprudence. Legal theory also has its thematic mainstream. In contrast to the centre, there are peripheral sciences such as legal philosophy, legal psychology, legal sociology, legal logic and legal informatics which form the surroundings. There is a certain dialectic between the centre and the periphery. A specific feature is that innovations often and unexpectedly come from the periphery. An example is Colette R. Brunschwig’s work on multisensory law, for example, Brunschwig (2011), which brings legal psychology into service. Her research is more important to legal informatics than to legal theory. The reason is that legal machines need to imitate human beings in order to be effective in law enforcement. Humans perceive legally important information with all of their senses and react accordingly. Therefore legal machines ought also to perceive and react multisensorily. Hence, Brunschwig’s research in legal psychology has a direct impact on legal informatics. Legal logic is another aspect of centre-periphery relations. Legal logic aims to reconstruct law, however, the way is not easy. The high expectations of the 1950s (see, e. g., von Wright 1950) have not been achieved. Hence, a reconstruction of law in a shallow model is not fully successful. But there are interesting partial models. One question is whether law is characterised by a special kind of formal logic or by applications of general logics. Hajime Yoshino (2011b) in his Logical Jurisprudence approach tries to reconstruct law in Prolog, a logic programming language. His legal sentence is a primary element and is represented in the Compound Legal Formula. He uses the modus ponens rule for deduction and does not build a special logic. We distinguish between applications of formal logic and specific legal notations. A notation is a writing system and not logic. Legal notations play the role of artificial languages. These are similar to chemical formula notations that are neither logic nor
1
Doctrine, ‘black letter law’, see MacCormick/Weinberger (1986), p. 1.
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Figure 1: Analogy of methods in Begriffsjurisprudenz and legal ontologies
natural languages. However, there are connections between logic and notations, and this is a research field for legal informatics. Although legal informatics appears peripheral, it is important for representing the law, namely, in the form of legal information. The law is represented by legal documents and this is part of legal culture. Nowadays legal information and informational processes are becoming more important than in past decades. For example, in Austria about 5000 documents are added to the legal corpus database each month, and more than 100 million legal documents are queried in RIS.2 Legal informatics has moved from technical periphery to a power in practice, hence acquiring a new quality and becoming a player in the legal community. A next step is that the challenges of legal informatics will affect law and legal dogmatics. This can happen through the judicature and shaping legal documents. Hence, the themes of the periphery can be displaced increasingly to the centre. II. Legal Texts and Legal Documents In legal informatics it is important to distinguish between legal text and legal document (Figure 1). A legal text expresses the meaning of a legal act, such as of a law or a court judgment, and is part of the legal realm, the Ought. On the other hand, a legal document is part of the legal documentation realm that is determined by legal technology. In modern legislation, legal documents include the medium of electronic documents. However, this is only a change of substrate. From the view of the model, there remains a difference between the legal text and the (electronic) legal document. This can be seen in different treatments of corresponding structural parts. Legal texts are structured according to legal rules, and namely, into sections, articles, items, clauses, etc. On the other hand, (electronic) legal documents are structured according to documentary rules, for example, the markup rules of Extended Markup Language XML. Legal validity is distinguished from documentary validity. Legal validity, i. e. the validity of a legal text, such as a norm or a law, is treated according Hans Kelsen’s 2
The Legal Information System of the Republic of Austria (RIS), http://www.ris.bka.gv.at/.
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“ideell existence” of a norm in the Ought realm, i. e. ‘ought-to-be-observed’. This was first described in Kelsen’s Pure Theory of Law (1960) then in his General Theory of Norms: “That a norm ‘is valid’ means that it exists. A norm which is not ‘valid’ is not an existing norm.” (Kelsen 1991, ch. 8 vi). On the other hand, documentary validity, i. e. the validity of a legal document in a legal database, is determined by the rules of (electronic) legal documents. The dates of coming into effect and lapse are represented explicitly in a legal document. To sum up, documentary validity is determined by database time events including the time of successfully obtaining an answer to a query. The following is a side effect of distinguishing between legal validity and documentary validity. Deciding whether a norm is valid or not valid can rest, on the one hand, on a legal act and a legal text and, on the other hand, on a legal document. Norms are mental constructs; however, documentary validity can also be applied here. Legal reality thus demonstrates that a norm becomes valid when a corresponding (electronic) legal document is uploaded to the database. 1. Metadata The importance of metadata has emerged from the beginnings of legal documentation in the European Union in the 1970s.3 Metadata constitutes supplementary information that comes with documentary structures and is primarily comprised of categories. In the beginning, categories were written as metadata within documents and could be handled separately. Nowadays metadata build a separate layer in legal documentation and are used more widely than in document management. Metadata can be represented in markup languages such as XML which are more powerful than former categories. 2. Metadata in searches Metadata is important not only in the production of legal documents but also in searching, where queries are allowed to contain various combinations of tags. For example, in judicature databases one can search for full texts, abstracts, judgments, specific legal sentences, words, etc. A thesaurus allows queries in more abstract or specific terms than the relevant documents may contain. Hence, metadata contributes to a separate model of documents, which can be employed in searching. 3. References Metadata contributes to making references. References can be made more explicit and rich using XML. Separate clauses of laws can be referenced, first, with cases and, second, with commentaries, in electronic commentaries of laws. Such XML struc3 See, e. g., CELEX. Nowadays see EUR-Lex for access to European Union law http://eurlex.europa.eu/.
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tures form a separate layer and provide various opportunities for document management including search and actualisation. A reference is a kind of relationship. A variety of relationships comprises strong logical relations, such as synonymy, semi-synonymy, antonymy and hyperonymy/hyponymy, as well as weak relations, such as dialectical relations, context relations and metaphorical relations. 4. Begriffsjurisprudenz and ontologies From the point of view of legal informatics, supplementing legal documents with metadata is insufficient. A tendency to build legal thesauruses has its roots in the nineteenth century Begriffsjurisprudenz.4 Georg Friedrich Puchta developed a legal system according to a pyramid of legal terms. A century later, since the 1990s, this research has come to be called legal ontologies.5 Here the term ontology is understood as in computing. According to the generally accepted definition of Thomas Gruber (1993), an ontology is an explicit formal specification of a common conceptualisation with term hierarchies, relations and attributes that makes it possible to reuse this knowledge for automated applications. Ontologies aim to collect legal terms into a semantic structure that comprises axioms about the terms. Nowadays see, for example, Metalex6 and research at the Leibniz Centre for Law of the University of Amsterdam7 and the CIRSFID Centre of the University of Bologna8. Metadata constitutes a separate layer, a meta-level, in legal document databases (Figure 1). Begriffsjurisprudenz used metaphors such as vitality, pyramid (Begriffspyramide), etc., which differ from more formalised representations such as logic, informational techniques and relationships in modern ontologies. Of course, in the nineteenth century there was no emphasis on searching. However, the method was not so different. The aim was to organise modally indifferent substrate into a semantic structure. III. Legal Norms and Legal Documents The notion of legal norm is not as simple as it may appear from the first impression of the meaning in natural language. Legal texts are not made of norms but of structural arrangement units such as parts, sections, paragraphs, sentences, etc. Moreover, legal norm is not a primary elementary notion of law. Legal documents as a form of 4 5
etc.
http://de.wikipedia.org/wiki/Begriffsjurisprudenz. See, e. g., Sartor et al. (2011). See also Valente (1995), Schweighofer/Liebwald (2007),
6 CEN MetaLex concerns metadata standardisation. This is an Open XML Interchange Format for Legal and Legislative Resources (by Comité Européen de Normalisation), see http://www.metalex.eu/. 7 http://www.leibnizcenter.org/; see, e. g., Breuker/Hoekstra (2011); Winkels/Hoekstra (2012). 8 http://www.cirsfid.unibo.it/; especially see research by Giovanni Sartor and Monica Palmirani, e. g., Palmirani/Cervone/Vitali (2011).
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Figure 2: Relationships between the notions of legal norm, legal text and legal document
legal information do not know the notion of norm. Legal documents reproduce the structural arrangement units of legal texts and contain their own document units, for example, in XML. Legal dogmatics holds that legal norm is a mental product. It extracts, reconstructs and formulates the contents, i. e., the legal meaning of a legal norm. A norm is obtained by interpreting legal text. A paragraph of a document can contain several norms of behaviour or a norm can continue through several paragraphs, part here part there. As a basic principle, legal norms are formulated in a natural language. A simple form is: “if A then B”, read “when a state of affairs (SF) is given, then the legal consequence (LC) applies”, SF!LC. This is a methodological step which precedes formalisation. Besides legal norms as mental constructs, legal institutions and situations can be extracted interpretatively from legal texts. Institutional thinking is also a mental construct and is obtained through interpretation. This clearly shows in Roman law, where institutions make a systematic layer which is separated systematically from legal sources such as legal gestures. 1. Legal norm and legal sentence The notion of legal norm has its significance in legal theory and also in the teachings of Hans Kelsen, who distinguishes between legal norms and legal sentences. According to Kelsen, legal norms belong to law whereas legal sentences belong to science, which describes the norms (Figure 2). 2. Logical Jurisprudence of Hajime Yoshino This interesting approach is presented, for example, in recent work by Yoshino (2011b). It contributes to formalisation and representation of legal knowledge, in particular, to top-down inference from the rules about rules, which is called legal metainference (Yoshino 2011a). However, Logical Jurisprudence raises doubts about the notion of norm. Yoshino places the so called logical legal sentences (LLS), i. e. legal sentences, in the foreground, although they are part of legal science. Therefore this reduction is not plausible. After a more thorough examination, one could argue that Yoshino is right, because LLS are represented as Compound Legal Formula in Prolog
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Figure 3: Granularity levels
and thus LLS are not legal texts. Hence, one could argue that LLS belong to the realm of law and not to science. However, we hold that such an argument is flawed. Indeed, a non-natural language representation of LLS is not a sufficient condition to make an analogy with legal norms that are mental constructs. 3. Institutional and situational contents of law It is also interesting that the institutional and situational layers of the contents of law that are mental constructs are not dealt with explicitly in legal texts, but through interpretation within semantic spaces of law. Therefore there is no essential difference between a normative and a situational treatment of law. Both are interpretative, furthermore, they enter with the text, go through the text and aim to structure semantic spaces of law. When reconstructing law in legal informatics, it is important not only to capture legal texts in legal documents, but also to represent semantic spaces of law. This means that both normative contents and situational contents are important to represent legal semantic spaces within legal informatics. IV. Granularity The granularity theme remains aside from the norm-institution relationship but emerges in the law-legal informatics relationship. There are structures in the background which are independent from the norm-institution relationship but which are important for the functioning of legal documentation, namely, for back-office software systems. Back-office contrasts with front-office which is concerned with the user-computer interaction. Granularity raises the question, “What is the smallest entity?” In legal documentation this question can have different answers: the whole text of a law, an article, a paragraph, a sentence, a word or even a symbol. The granularity could produce structures which differ from the current documentary structures. However, this would be a task for the future.
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The whole text of a law or a regulation is nowadays a primary option in legal databases (Figure 3). Another option is a particular article of a regulation, see, e. g., RIS.9 The next option is a paragraph, a clause or a provision, see, e. g., Dietmar Jahnel’s text-step program of the federal constitution of Austria (Schäffer and Jahnel 1991). An option is also a sentence, see, e. g., the Tasmanian legislation website.10 Probably, a word is also an option. Automation of all this would require elaborate XML structures. On the one hand, too fine-grained granularity may cause a metadata redundancy problem. On the other hand, too coarse-grained granularity may cause a problem while making amendments. Probably a middle level, such as the paragraph granularity, is the most reasonable happy medium. V. Notations for Legal Norms As noted previously, legal texts are not structured in the units of norms. In other words, a legal norm is neither a structural element of a legal text nor of a legal document. A norm is a product of interpretation. This is conducted by legal sciences, courts and the judicature. Probably, a legal norm is closer to what Kelsen called “legal sentence” (Rechtssatz). However, norms are linguistically formulated and jurists are linguistically-oriented. For example, this can be observed in a speech of a judge. A legal provision may be collected from several places. A notation is the next question. A generally accepted one is “if A then B”, A!B or N(A/B), which means “when A then ought B” (Figure 4). There are other notations, such as the Polish prefix notation that comprises a deontic modality and was used by Ilmar Tammelo (1978). An example of a Prolog-like notation is logical legal sentence in Yoshino’s Logical Jurisprudence (2011a, 2011b). This was done within a traditional research of legal logic and was an achievement on the level of a model, however, it did not succeed in implementing the whole interconnectedness of norms. We propose to supplement traditional elements – a condition and an ought-behaviour – with finality (or, in other words, a purpose, goal or telos). Taking into account that an ought is composed of four elements (a subject, a modus, an action, and an object), the structure of a norm is as follows (Figure 5): 1. condition 2. ought 2.1 subject 2.2 modus 2.3 action 2.4 object 3. finality (telos) 9
See note 2. Tasmanian legislation website, http://www.thelaw.tas.gov.au/.
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Figure 4: Relationships between a legal text, a legal norm as an interpretative product which is linguistically formulated, and norm’s representations in a certain notation
Figure 5: A structure of a legal norm
VI. Modally Indifferent Substrate and the Representation of Normativity in Situations Granularity could be viewed in connection with the modally indifferent substrate (MIS), which was examined by Hans Kelsen (1991, ch. 16). Kelsen considers the legal norm to be the decisive entity. According to Kelsen, Ought is a mode that comprises MISs. In contrast, we think that, in addition to legal norms, legal terms can be viewed as a separate layer of self-dependent entities of law. A paradigm shift in the granularity is that, in addition to norms, the centre legal elements comprise legal terms.
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Figure 6: Modally indifferent substrate, deontic field and situational terms
Suppose an act A is prescribed to the addressee of a norm. This can be expressed as Obligatory(A) or in other words O(A), which connects the ought O with the intended action A. According to Kelsen, A is an MIS that is imbedded in the mode O. In our view, it is interesting that O as well as A appears in a logical context. Therefore, we can treat O, the mode of obligation (prescription), abstractly. The reason for this is that the background of obligation involves the entire deontic field. The modes comprise concepts such as permission P, prohibition (forbidden, vetum) F, liberty L and probably other modalities, and could therefore be defined alternatively; see arrow (1) in Figure 6. On the other hand, a legal term A could also be viewed in relationship to other legal terms; see arrow (2) in Figure 6. Legal ontologies attempt to develop such relationships and make use of them, for example, in searching. In European Union law, such stereotypical relationships of legal terms occur as an MIS. In addition to this, there is the translation problem. The reason is that separate legal terms, e. g., A, B and C, in different national legal orders, could have different systemic significance. This produces different mappings of legal terms to the structural backgrounds of the terms in respective legal orders. Situational elements: An idea we put forward in this paper is also to consider situational terms besides normative terms. We hold that situational elements should build a separate layer that is supported by institutional elements, which are taken
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from ontologies, see arrow (3) in Figure 6. Hence, a parallel virtual legal world shall be expanded with a normative notation for situations. A reason emerges from legal practice. Besides ex-post analysis and case law, which, for example, is supported by RIS in Austria, there is ex-ante analysis, which is supported by the e-Portal HELP. gv.at. The two forms – ex-post and ex-ante – correspond to two forms of legal thinking. Cases are at the core of jurists’ professional legal thinking. A case is closed and a wrong behaviour cannot be reiterated in order to make a right choice. Lawyers (not laypeople) deal with cases whereas laypeople think of situations. A situation is a type, it is open and a layperson may seek advice on the behaviour to adopt. A choice is possible. Therefore situational representations serve ordinary citizens. Hence, expanding legal ontologies from normative terms to situational terms is both an important theoretical problem for legal science and a practical one. VII. Situational Visualisation of a Federal Court Judgment An example of a situational visualisation is “Menzi-Muck timber case – the Film!”.11 This four-minute film takes a familiar case (BGE 129 III 181 ff.). In this 2002 decision, the Swiss Federal Court defined criteria to distinguish between favour (Gefälligkeit), gratuitous contract (unentgeltlicher Auftrag), negotiorum gestio (Geschäftsführung ohne Auftrag) and the claim to compensation by a person who gave voluntary help to another (Schadenersatzanspruch der unentgeltlich helfenden Person). In the film, the type of situation is visualised with a Playmobil excavator-calf set (Figure 7, left). The film shows and explains the decision tree (Figure 7, right), which is employed by the visualised judge to make the judgment. The film is designed for educational purposes and can be used in electronic learning via the Internet. To explain the law, clear graphic style descriptions are employed. Colette Brunschwig (2011) calls this trend multisensory law. Hence, situational visualisation is used in the film for multisensory learning. The judgment in the “Menzi-Muck timber” case demonstrates an influence from the periphery. The impact on the centre is that the boundaries of standards are made 11 http://www.youtube.com/watch?v=KI7zeuayum4. See also the comment by lawyer Arnold Rusch, http://www.arnoldrusch.ch/pdf/130311_menzimuck.pdf. The case concerned the claim for damages suffered by the person who gratuitously helps another. A farmer helped a neighbouring farmer to attach large logs to a Menzi Muck excavator for transport. The former fell from the ladder without any third party being at fault and was gravely injured. Is this a question of gratuitous contract, favour or negotiorum gestio? The distinction is relevant because only negotiorum gestio entitled him to compensation. The Federal Court limited the bases for claims, but applied with respect to compensation of the helping person, and also cases of gratuitous contract and requested favour, Article 422 para. 1 or by analogy, because the identical interest situation so requires. See also BGE 129 III 181 ff.: http://jumpcgi.bger.ch/ cgi-bin/JumpCGI?id=BGE_129_III_181 and http://jumpcgi.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=21. 10. 2002_4C.56/2002.
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Figure 7: A film visualisation of the “Menzi-Muck timber” case of the Swiss Federal Court
more precise. Standards often come from the periphery. Hence, the periphery-centre dialectic produces a progressive step. The use of plastic characters and not real ones is important in representing law within this film. A kind of relaxed area is produced in this way. This is important from a semiotic point of view. A relaxed area serves for learning purposes better than a real one. Learning is easier in an abstract situation. The film represents a generalisation of the judgment in a concrete case. We believe that in the future situational visualisations will influence normative representation of law in two directions: first, legal ontologies, and second, parallel virtual legal worlds. Both are in the mainstream of research. Legal ontologies contribute to representing legal knowledge. Figurative situational imaginary legal worlds can be implemented in computer applications which are called three-dimensional online virtual worlds. Bibliography Breuker, Joost/Hoekstra, Rinke (2011): A cognitive science perspective on legal ontologies, in: G. Sartor/P. Casanovas/M. A. Biasiotti/M. Fernández-Barrera (eds.), Approaches to Legal Ontologies, pp. 69 – 81. http://link.springer.com/chapter/10.1007/978 – 94 – 007 – 0120 – 5_4. Brunschwig, Colette R. (2011): Multisensory law and legal informatics – a comparison of how these legal disciplines relate to visual law, in: A. Geist/C. R. Brunschwig/F. Lachmayer/G. Schefbeck (eds.), Strukturierung der Juristischen Semantik – Structuring Legal Semantics. Festschrift für Erich Schweighofer, Bern, pp. 573 – 667. Gruber, Thomas R. (1993): A translation approach to portable ontology specifications, in: Knowledge Acquisition, 5(2), pp. 34 – 43. http://dx.doi.org/10.1006/knac.1993.1008.
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Kelsen, Hans (2000): Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien (1960). See translation: Hans Kelsen, Pure Theory of Law. Translation from the second revised and enlarged German edition (1960), translated by Max Knight, 1st ed. in English 1967. ¢ (1991): General Theory of Norms, translated by Michael Hartney, Oxford. MacCormick, Neil/Weinberger, Ota (1986): An Institutional Theory of Law: New Approaches to Legal Positivism, 2nd printing, Dordrecht. Palmirani, Monica/Cervone, Luca/Vitali, Fabio (2011): A legal document ontology: the missing layer in legal document modelling, in: G. Sartor/P. Casanovas/M. A. Biasiotti/M. Fernandez-Barrera (eds.), Approaches to Legal Ontologies, pp. 167 – 178. http://link.springer.com/ chapter/10.1007/978 – 94 – 007 – 0120 – 5_10. Sartor, Giovanni/Casanovas, Pompeu/Biasiotti, Maria Angela/Fernandez-Barrera, Meritxell (eds.) (2011): Approaches to Legal Ontologies. http://link.springer.com/book/10.1007/ 978 – 94 – 007 – 0120 – 5/page/1. Schäffer, Heinz/Jahnel, Dietmar (1991): Ein Textstufenprogramm für Gesetzestexte. Darstellung am Beispiel des österreichischen Verfassungsgesetzes, in: Zeitschrift für Gesetzgebung 6, S. 268 – 278. Schweighofer, Erich/Liebwald, Doris (2007): Advanced lexical ontologies and hybrid knowledge based systems: first steps to a dynamic legal electronic commentary, in: Artificial Intelligence and Law 15, pp. 103 – 115. http://dx.doi.org/10.1007/s10506 – 007 – 9029 – 1. Tammelo, Ilmar (1978): Modern Logic in the Service of Law, Springer, Vienna. Valente, André (1995): Legal Knowledge Engineering, Amsterdam. Winkels, Radboud/Hoekstra, Rinke (2012): Automatic extraction of legal concepts and definitions, in: B. Schäfer (ed.), Legal Knowledge and Information Systems – JURIX 2012: The Twenty-Fifth Annual Conference, University of Amsterdam, The Netherlands, 17 – 19 December 2012, Amsterdam, pp. 157 – 166. http://dx.doi.org/10.3233/978 – 1-61499 – 167 – 0157. Wright, Georg Henrik von (1951): Deontic logic, in: Mind, new series, vol. 60 (1951), pp. 1 – 15. Yoshino, Hajime (2011a): The systematization of law in terms of the validity, in: Proceedings of the 13th International Conference on Artificial Intelligence and Law (ICAIL ‘11), ACM, New York, pp. 121 – 125. http://doi.acm.org/10.1145/2018358.2018376. ¢ (2011b): The logical structure of a legal system proving the validity of law, in: A. Geist/C. R. Brunschwig/F. Lachmayer/G. Schefbeck (eds.), Strukturierung der Juristischen Semantik: Structuring Legal Semantics. Festschrift für Erich Schweighofer, Bern, pp. 197 – 209.
Gerechtigkeit im intrarechtlichen sozialen Verkehr* Von Vladimir Grafsky, Moskau In den meisten nur mühsam auszutragenden Streitigkeiten und Konflikten geht es immer um die Gerechtigkeit in ihrer doppelten Form als Forderung und als entsprechende Regel. Gerechtigkeit als Regel kann dabei entweder als vorgegeben vorgestellt oder aber als eine ad hoc-Entscheidung herbeigeführt werden. Der intrarechtliche soziale Verkehr wird hier in erster Linie als Form der Konfliktaustragung thematisiert, aber auch andere Arten der intrarechtlichen zwischenmenschlichen Beziehungen dürften unter diesen Begriff subsumiert werden. Der intrarechtliche soziale Verkehr wird von verschiedenen leistungsbezogenen und anderen Verhaltensmaßregeln durchdrungen und kann darum als allgemein anerkannte und gewöhnliche Sphäre der Gerechtigkeitsmanifestation, als Gerechtigkeit in Aktion, beschrieben werden. Diese Gerechtigkeit in Aktion, die soziale Beziehungen mitprägt, wurde bei vielen Völkern schon im Altertum als Rechtswert erkannt bzw. gerühmt. In der abendländischen Tradition gibt es seit der Antike eine Fülle mündlicher und schriftlicher Überlieferungen dieser Erkenntnis.1 Die meisten dieser Überlieferungen reichen bis in die Neuzeit und die Moderne.2 In der Geschichte der Rechtsphilosophie wird die Gerechtigkeit nicht selten als das wesentliche Merkmal des Rechts und des intrarechtlichen sozialen Verkehrs anerkannt. Darin sind sich fast alle Klassiker von Aristoteles bis Grotius und weiter von Kant mit seiner Idee vom
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Deutsche Übersetzung von Prof. Dr. Sergej Korolev. Als Beweis dafür kann man auf Ulpianus’ Mahnung verweisen, nach der jeder Jurist nicht nur zur Erkenntnis der lex divina und lex humana angehalten werden, sondern auch zur Unterscheidung des Gerechten und Ungerechten befähigt sein muß (Ulpianus, D. 1. 1. 1). Den gleichen Gedankengang kann man bei Cicero und später bei Augustinus verfolgen, wenn sie feststellen, daß ein Staat, der ohne Gerechtigkeit auskommt, keinen Unterschied von einer Räuberbande hat (Augustinus, O grade Bozˇ‘em [Über die Stadt Gottes], IY). Für Cicero gehörte zum Wesen der Gerechtigkeit das Prinzip suum cuique tribuere und das Prinzip neminem laedere (Cicero, Ob objazannostjach [Über die Pflichten], Buch 1, Y, 15, YIII, 25). 2 In der heute noch geltenden Verfassung der USA von 1789 wird unter anderen erhabenen und notwendigen Zielen der konstitutiven Gewalt das Vorhaben verankert, die Gerechtigkeit zu etablieren (establish Justice). Im geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch Frankreichs von 1804 wird im Artikel 1135 festgestellt, daß offizielle Gesetze außerstande sind, alle möglichen Fälle zu berücksichtigen. Wenn das Gesetz den jeweiligen Sachverhalt nicht miterfaßt, muß der Rechtsanwender das Gerechtigkeitsprinzip zum Zuge kommen lassen. . 1
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Rechtsgesetz bis zu John Rawls einig. Bei letzterem ist die Synthese der verschiedenen Ansätze, die die Geschichte der Rechtsphilosophie mitprägen, zu finden. Unbeschadet seiner komplexen Struktur und der Vielseitigkeit seiner Manifestationen scheint das Recht eine relativ konservative Institution zu sein. Das ist schwer zu bestreiten, wenn man die Rechts- und die Staatsgeschichte ein und desselben Volkes vergleicht. Bei verschiedenen Völkern in verschiedenen Regionen der Welt findet man vielseitige Begründungen dieser Folgerung. Die Notwendigkeit des sozialen Verkehrs ist durch existente Formen des menschlichen Zusammenlebens (Familie, Sippe, Beruf etc.) vorgegeben. Aus diesen Formen entlehnt der soziale Verkehr Eigenschaften wie Beständigkeit, Nachhaltigkeit und Produktivität. Auch Häufigkeit bzw. Mühelosigkeit mit der sich die Teilnehmer des sozialen Verkehrs an demselben Platz und in derselben Zeit gegenseitig wahrnehmen können, trägt zur Verfestigung der genannten Eigenschaften bei. Der soziale Verkehr ist allerdings schon längst der positiven Verrechtlichung zum Opfer gefallen. Dabei übt der Staat die ausschließliche Kontrolle über die meisten Arten der Konfliktlösung durch seine Gerichte aus. Die Monopolstellung des offiziellen Gerichtswesens hat außerdem eine Menge von Begleitproblemen ausgelöst, die nur offiziell auszutragen sind. Dieser Umstand wird nicht ohne Eigennutz von den Akteuren des offiziellen Gerichtswesens kommerzialisiert. Im Ergebnis kann man folgern, daß das staatliche Gerichtsmonopol wenigstens teilweise ungerecht ist. Man kann auch einem modernen Autor zustimmen, der das offizielle Gerichtswesen als „Diebstahl des Konflikts“ bezeichnet hat, weil die Monopolstellung des Staates in den meisten Fällen der Konfliktaustragung das gesetzliche Recht auf Belohnung herbeiführt.3 Seit der Antike ist es üblich, zwischen zwei Formen der Gerechtigkeit zu unterscheiden. Es handelt sich um die ausgleichende (arithmetische) und verteilende (geometrische) Gerechtigkeitsform. In der Rechtspraxis ist es aber verfehlt, gleich am Anfang der gerichtlichen Konfliktaustragung von einer konkreten Gerechtigkeitsform auszugehen, da sich die für den jeweiligen Sachverhalt angebrachte Gerechtigkeitsform erst im Laufe des Gerichtsprozesses zur erkennbaren Gestalt verdichtet. Das könnte der Fall sein, nachdem der jeweilige Richter die Parteien angehört, die Zeugen befragt und alle relevanten Umstände analysiert hat. Diese Umstände wurden allerdings nicht nur von Richtern geklärt und bewertet. Das gleiche gilt auch für die Streitparteien und Zeugen. Schon in der Antike gab es zahlreiche Fälle der Voreingenommenheit der Teilnehmer der gerichtlichen Konfliktaustragung. Diese Tatsache konnte leicht ein ungerechtes Urteil herbeiführen. Ein redegewandter Sophist, der auch falsche Angaben in seiner Beweisführung nimmer verschmähte, war nur auf ein günstiges Urteil für seinen Kunden aus. Die Belohnungsfrage verdrängte leicht die Gerechtigkeitsfrage. Auf diese Weise wur-
3 N. Kristi, Predely nakazanija [Die Grenzen der Bestrafung], Übers. aus dem Norwegischen, Moskau 1984.
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den fehlerhafte und ungerechte Urteile gehäuft und die antiken Richter mußten den Ansehensschwund des Richteramts hinnehmen. Diese Krise wurde insbes. von Aristoteles erkannt und ergründet. Nach Aristoteles sieht die Prozedur folgendermaßen aus: wenn man im Streit liegt, muß man zum Richter gehen. Das bedeutet, daß jede der Parteien Gerechtigkeit sucht, weil ein Richter sich selbst als Personifikation der Gerechtigkeit darstellt. Daraus folgt, daß nur unvoreingenommene Richter für Parteien zählen können. Nicht umsonst werden Richter manchmal „Vermittler“ genannt. Nach Aristoteles impliziert diese Bezeichnung folgendes: das gerechte Urteil veranlaßt die Parteien künftig die rechte Mitte zu halten.4 Die Streitparteien konnten also nicht ohne einen Vermittler bzw. einen gerechten Richter auskommen. Dieser Vermittler sollte kein personelles Interesse an der Streitsache haben. Er sollte nur Gesetzen folgen und seine Vermittlungsfunktion im Auge behalten. Mit anderen Worten befürwortet Aristoteles nur eine Strategie der gerechten Konfliktaustragung und zwar die Mitte des Schadens und des Gewinns. Aristoteles beschreibt verschiedene Formen des ungerechten Verhaltens. Ungerecht handelt jener, der erstens gegen das Gesetz verstößt, aber auch jener, der zu viel für seine Leistung fordert. Auch jener ist ungerecht, der gleiche Menschen ungleich behandelt. Wenn jeder Gesetzesverstoß als ungerecht qualifiziert wird, dann bekommt die Gesetzeseinhaltung den Gerechtigkeitswert. Daraus ergibt sich, daß jede Gesetzesregel gewissermaßen gerecht ist.5 Gerichtliche Gerechtigkeit wurde von Aristoteles als „die Mitte des Schadens und des Gewinns, die die Willkür beschränkt“ und als „gleiche Behandlung“ im Prozeß. Gerichtliche Gerechtigkeit ist nach Aristoteles zweidimensional, sie ist gleichzeitig privat und öffentlich. In ihrer öffentlichen Dimension erscheint die gerichtliche Gerechtigkeit als Gemeinwohl. Für Aristoteles war das Gemeinwohl ein höherer Wert als das Privatinteresse. „Obwohl das private Wohlergehen eines Einzelnen auch wünschenswert sei, das Gemeinwohl des Volkes und des Staates sei schöner und göttlicher.“6 Die Unterscheidung der öffentlichen und der privaten Dimension des Guten wurde im antiken Rom als Grundlage für die Ausdifferenzierung des öffentlichen Rechts und des Privatrechts genutzt. Wie die antiken Griechen glaubten die Römer daran, daß Vernünftigkeit und Gerechtigkeit dem göttlichen Recht und dem Naturrecht immanent sind. Die gleichen Eigenschaften fanden sie auch im gut geordneten Staat, in dem es keinen Zwist bezüglich der Rechtsordnung und des Gemeinwohls gibt. Hier ist es angebracht, nochmals auf die bekannte Metapher von Cicero zu verweisen, die später auch von Augustinus aufgegriffen wurde, daß ein Staat ohne Gerechtigkeitsidee und eine Räuberbande nicht unterscheidbar seien. Soziale Aufteilung und Gruppenabsonderung in der antiken Gesellschaft – man denke nur an 4
20). 5 6
E˙tika Aristotelja [Die Ethik Aristoteles], St. Petersburg 1908, S. 89 – 90 (EN Y 7, 1132 a Ebd., S. 83 – 84 (EN Y 3, 1196 b 10). Aristoteles, Politika [Politica], in: Werke in 4 Bänden, Band 4, Moskau 1983, S. 410.
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Freie und Sklaven, an Aristokratie und Plebs, an Männer- und Frauenstatus, an pater familias und andere Familienmitglieder etc. – hemmten die soziale Wirkung der beiden Gerechtigkeitsformen. Das Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit trug durch den Ausbau der komplizierten Hierarchie der Gerechtigkeitsgrade in Vermögens- und Machtverteilung zur gerechtigkeitsneutralen Formalisierung des sozialen Verkehrs bei (Eigentümer vs. Proletarier, Praetor vs. Cives etc.). Im Mittelalter bilden sich unter verschiedenen Kollektivsubjekten neue Machtverhältnisse. Es handelt sich meistenteils um das bekannte Dreieck: Kirche – mondäne Fürsten – freie Städte. Recht, insbes. das mittelalterliche Gewohnheitsrecht, wurde als universelles Instrument der Konfliktaustragung innerhalb der Kirche, aber auch zwischen der Kirchengewalt und den Fürstenstaaten anerkannt. Das Recht hatte noch eine ganz besondere Funktion zu erfüllen: es mußte jeder der streitsuchenden Parteien zur Einsicht verhelfen können, daß der jeweilige Streitgegner als legitimes Subjekt zu behandeln ist. Diese Idee wurde von der Forderung flankiert, daß das Recht die strukturelle Einheit der mittelalterlichen Gesellschaft aufrechterhalten und eine echte Synthese der divergierenden Interessen herbeiführen sollte, weil jedes legitime Interesse ins soziale Gewebe eingeflochten worden war.7 In derselben historischen Periode veränderten sich wesentlich die christlichen Lehren vom Fegefeuer, der Buße und der Erlösung. Diese Lehren wurden nun in die Perspektive der Gesetzmäßigkeit und der Gerechtigkeit uminterpretiert. Bis zum Jüngsten Gericht befinde sich die jeweilige christliche Seele im Fegefeuer, bis sie durch das Leiden vollständig gereinigt sei. Die Sünden des Einzelnen werden im Fegefeuer abgewogen. Die Schwere der jeweiligen Sünde bedinge die Schwere der Strafe. Das Fegefeuer solle nun von der Kirche und vom Papst in Person verwaltet werden. Der Papst sei für die sog. Schatzkammer der Verdienste zuständig. Er sei imstande die Verdienste des Einzelnen im Fegefeuer zu verteilen. Als Verteilungsmaßstab wende der Papst die Frist der Buße, die der jeweilige Christ während seines irdischen Lebens für die Sühne gebraucht hätte.8 Auch die christliche Buße wurde uminterpretiert. Früher wurde sie als Zerknirschung des Christen über die verübten Sünden verstanden, die notwendigerweise die Beichte und die Sündenvergebung durch den Priester mit erfaßte. Später verengte sich der Inhalt der Buße auf schlichte Bußübung. Sie wurde nun als Bestrafung für begangene Sündentaten begriffen, als Vergeltung und als Seelenleid des Sünders. Harold Berman verweist in dieser Hinsicht auf eine Abhandlung aus dem 11. Jahrhundert mit dem Titel „Über die wahre und falsche Buße“. Dort lesen wir: „Eigentlich sind Strafe (poena) und Schmerz (laesio) eins. Dieser Schmerz bestraft 7 H. Berman, Zapadnaja tradicija prava: e˙pocha formirovanija [Die westliche Tradition des Rechts: Die Epoche der Entstehung], =oskau 1998, S. 164. 8 Ebd., S. 180.
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und übt Vergeltung (poenitentia). Dieser Bestrafung unterliegen immer die Taten, deren Verübung der Sünder bereut.“9 Auch Anselms von Canterbury juristischer Denkansatz ist für die Modifikation der Sühnelehre relevant. Anselm stellt die Frage: Warum ist die christliche Religion auf Wiedergutmachung bzw. Bestrafung der Erzsünde abgestellt? Warum hätte der barmherzige Gott keinen sanfteren und bedingungslosen Weg zur Erlösung der Menschheit erkoren können? Anselms Antwort: Wäre Gott auf sanftere Weise verfahren, dann hätte die heillose Unordnung fortgedauert, die durch die Erzsünde verursacht worden war. Wenn aber diese kosmische Unordnung weiter bestanden hätte, dann wäre das gleichbedeutend mit dem fortdauernden Verstoß gegen die Gerechtigkeit. Für die gerechte Ordnung des Weltalls ist es notwendig, daß der Preis bezahlt wird. Nach Anselm ist die Barmherzigkeit die Tochter der Gerechtigkeit.10 Anselms Sühneopfertheologie warf auch die Frage nach der richtigen Bemessung der Vergeltung auf. Diese Bemessung blieb unter Gottes Aufsicht, obwohl die tatsächliche Strafzumessung in der Obhut der irdischen Gesetzgeber und Richter lag. In der Neuzeit war es für den Gesetzgeber schon unangebracht, an die Gottesintervention zu appellieren. Die Weltanschauung der Neuzeit forderte Einsicht in die politische Rolle des Volkes und der Bürger und zwar in ihre Teilhaberechte im Rahmen der öffentlichen Verwaltung der europäischen Fürstenstaaten. Dem Aufbau des beruflichen Beamtentums im Dienste der Monarchie wurde eine neue soziale Kraft in Gestalt des Volkes als Staatsnation entgegengesetzt. Dabei ging die demokratische Komponente dieses historischen Prozesses (das Volk) Hand in Hand mit der liberalen Komponente (der einzelne Bürger) einher. Auf dem doktrinären Niveau wurde diese Gleichzeitigkeit durch die Versuche widergespiegelt, die Synthese aus der Idee des öffentlichen Vertrags und der Naturrechtstheorie zu erzielen. Man gab der Idee des öffentlichen Vertrags den theoretischen Anschein eines unveräußerlichen (subjektiven) Naturrechts. Hobbes, Locke, Montesquieu und andere Denker der Neuzeit versuchten, in ihren politischen Lehren den naturrechtlichen Ansatz mit der Idee der Gewaltenteilung zu verbinden. Dabei verfolgten sie das Ziel, einen Idealtyp vom Staat zu konstruieren, der als Hüter sowohl der Gesetzesordnung als auch der Menschenrechte und des Gemeinwohls fungieren sollte. Der Souverän ist nicht weniger als der Allerletzte seiner Untertanen dem geltenden Gesetz unterworfen. Soweit einer der Leitgedanken aus dem „Leviathan“ von Hobbes. Locke macht einen Schritt weiter und hebt hervor, daß das Volk selbst und kein Alleinherrscher der absolute Souverän ist. Das Volk kann jederzeit der Regierung seine Unterstützung verweigern. Außerdem kann das Volk die verantwortungslose Regierung stürzen. 9
Ebd., S. 172. Ebd., S. 177 f.
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Ihrer Natur zufolge sind alle Menschen gleich in Freiheit. Daraus folgt die Pflicht des staatlichen Gerichtswesens und des pönitentiaren Systems, die Grundrechte der Menschen auf Leben, Eigentum, Meinungs- und Glaubensfreiheit zu gewährleisten. Die Gewaltenteilung muß dabei der Gefahr der Volksentfremdung der Staatsgewalt vorbeugen, wenn das Handeln zugunsten der Staatsräson das Gemeinwohl und die Menschenrechte überlagert oder gar verdrängt. Am Anfang dieser historischen Wende ging es nur um Sicherung einer kleinen Gruppe der Individualrechte (auf Leben, soziale Sicherheit, Freiheit, Gleichheit, Eigentum), die bis jetzt als Grundrechte gelten. Im 20. Jahrhundert drängten sich nun sozial-ökonomische Rechte in den Vordergrund. Als das wichtigste unter ihnen wurde das Recht auf Menschenwürde anerkannt. Aus diesem Recht entwickelte sich weiter das Recht auf das menschenwürdige Dasein. In der Gegenwart wird das Augenmerk der Gesetzgeber und der Richter immer mehr auf die Privatsphäre des Einzelnen (privacy) gerichtet. Aber auch Kollektivrechte verschiedener Sozialgebilde, insbes. der Minderheiten (auf Selbstbestimmung, auf Autonomie), genießen immer mehr Aufmerksamkeit. Unter den Begriff der Minderheit werden heute nicht nur ethnische, kulturelle oder geschlechts- bzw. altersbezogene Minderheiten subsumiert. Im heutigen Rußland werden darunter auch die sog. sozial verwundbaren Gruppen, wie russisch-sprachige Heimatvertriebene, Flüchtlinge, Soldaten und Offiziere, obdachlose Kinder, Invaliden, Rentner usw. gezählt. Das gerechte Verlangen einiger Denker der Neuzeit nach dem Abbau bzw. der Milderung der sozialen Ungleichheit gewinnt heutzutage an Aktualität. Auf Grundlage dieses Ideenguts hat man im 20. Jahrhundert das Sozialstaatsprinzip (z. B. in Deutschland der Nachkriegszeit) theoretisch begründet und verwirklicht. Dabei wird klar – theoretisch wie praktisch – auf die verteilende Gerechtigkeit abgestellt. Der „späte“ John Rawls („Gerechtigkeitstheorie“ (1971) und „Der politische Liberalismus“ (1993)) bezeichnet die Basis der primären Sozialrechte als „nonnaturalist“. Das System der Sozialrechte wird nach Rawls ausgehend von der „berühmten Trinität“ (Freiheit, Gleichheit und Fairneß) ausgebaut. Die Effizienz des ganzen Systems ist von der inneren Kohärenz seiner Elemente abhängig. Jedes einzelne Sozialrecht soll das menschenwürdige und faire Zusammenleben der freien und gleichen Menschen absichern helfen. Auf dieser basalen Intuition konstruiert nun Rawls seine „nichtnaturalistische“ Gerechtigkeit als Fairneß-Theorie. Diesem Denkansatz zufolge entwächst die öffentliche Ordnung keiner fixierten naturrechtlichen Grundlage. Diese Ordnung wird erst allmählich durch soziale Kooperation der Menschen und das Zusammenspiel ihrer Moraleigenschaften (moral powers) konstruiert bzw. aufgebaut.11
11 Siehe A. Matjuchin, Gosudarstvo v sfere prava: institucional’nyj podchod [Der Staat im Bereich des Rechts: Der institutionelle Ansatz], Almaty 2000, S. 241 – 249, 276, 316.
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Einseitige Bestrebungen und Motive sind außerstande, den stabilen sozialen Verkehr zu gewährleisten. Nur vielseitige soziale Beziehungen, die jeden Einzelnen in multifunktionale Netzwerke der Familie, der Verwandtschaft, des Berufs, der Politik usw. einbeziehen, können den wirksamen sozialen Verkehr hervorrufen. Die gegenwärtige Dynamik des sozialen Verkehrs bedingt die Vielseitigkeit und Interdisziplinarität des angesprochenen Themas. Der soziale Verkehr als Forschungsproblem könnte in erster Linie mit Hilfe der Systemanalyse erforscht werden. Üblicherweise wird der systematischen Methode die integrative Funktion zugemutet, die verschiedene inkl. interdisziplinäre Theorieansätze vereinigen soll. In formeller Hinsicht gibt es keinen Gegensatz zwischen der Erkenntnis des Rechts als Ergebnis der Regelanwendung im Sinne der Gesetzesgerechtigkeit und den methodologischen Forderungen und Bedürfnissen der Systemanalyse. Wenn man aber das Recht nur als Befehlsordnung des Souveräns – sei es der König oder das Parlament – verstanden werden soll, dann büßen erkenntnistheoretische und pragmatische Ergebnisse der Anwendung der Systemanalyse erheblich an Deutlichkeit und Evidenz ein. Die Ursache dafür mag die sog. nichtlineare Eigenschaft des Systems sein. Es handelt sich um die Koexistenz zwei gegensätzlicher Richtungen in der Entwicklung und Funktionsweise jedes Systems: die eine Richtung tendiert zur Ordnung, die andere hingegen zielt auf Chaos. Innerhalb des Systems wird der jeweilige Systemanalytiker mit zwei widerspenstigen Größen konfrontiert – der irgendwie „chaotischen Ordnung“ und dem irgendwie „geordneten Chaos“, die sich gegenseitig durchdringen und ständig umgestalten. Gerechtigkeit im sozialen Verkehr wird nicht nur durch die genannten familialen, beruflichen, politischen etc. Klammern gesichert. Neue Argumente wurden von Biologen geliefert. Die Biologie behauptet, daß es letztendlich nur auf das Gerechtigkeitsgefühl ankomme. Dieses Gefühl werde aber von wenigen ganz bestimmten Gehirnabschnitten hervorgerufen und gesteuert. Die soziale Komponente des Gerechtigkeitsbegriffs wird auf diese biologische Weise ganz eliminiert. Als jede zu radikale Vereinfachung des angesprochenen Problems ist dieser biologische Ansatz kaum vertretbar. Wir möchten diesen Denkansatz am Beispiel der gefühlsgefärbten Gerechtigkeit testen. Diese wird üblicherweise zusammen mit ihrem Korrelat (der sog. unvoreingenommenen Gerechtigkeit) behandelt. Die gefühlsgefärbte Gerechtigkeit setzt bewußte oder unbewußte Voreingenommenheit ihrer Träger voraus. Es ist egal, ob die voreingenommene Gerechtigkeit von einer einzelnen Person oder von einer Gruppe getragen wird, immer wird sie als wahre Gerechtigkeit getarnt. Dabei fingiert die voreingenommene Gerechtigkeit solche Eigenschaften der wahren Gerechtigkeit, wie Gewohnheitsrechts- bzw. Gesetzesbefolgung, als auch Achtung auf politische, moralische oder wirtschaftliche Regeln. Die unvoreingenommene Gerechtigkeit wird üblicherweise in Form von unabwendbarer Strafe als Folge der verübten Gesetzesverstöße verstanden. Der jeweilige Gesetzesbrecher wird gerichtlich zu einer bestimmten Strafe verurteilt. Dabei ist
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das zuständige Gericht an eine strenge Abwägungsprozedur gebunden, die auf dem Prinzip der rationell begründbaren Unvoreingenommenheit basiert. Die gegenwärtige Epoche, wie es mehrfach in der philosophischen und kulturologischen Literatur hervorgehoben wurde, ist dem basalen und raschen sozialen Wandel unterworfen. Die Folgen dieses Prozesses sind nicht vorauszusehen. Die Veränderungen sind so radikal, daß sie praktisch unaufhaltsam und nicht zu beseitigen sind. Dabei werden viele soziale Üblichkeiten und traditionelle Verhaltensweisen in Mitleidenschaft gezogen. Diese Veränderungen werden auch in der Verschiebung unserer Fragenkomplexe und Gedankengänge bezüglich des Verhältnisses vom Alten und Neuen auf dem Gebiet der Rechtsregulierung widergespiegelt. Legitimität und Effizienz des Rechts wie auch die Zukunft der Rechtspolitik kreisen um die Frage der Gerechtigkeit innerhalb des sozialen Verkehrs. Das heutige Wissenschaftslexikon, insbes. auf dem Gebiet der Rechtstheorie, ist von neuen Termini und Kategorien überflutet, die vor 30 – 40 Jahren unbekannt waren. Obwohl man im Gebrauch dieser Neologismen manchmal unsicher bleibt, zeugt diese terminologische Überflut vom Ausmaß des sozialen Wandels als auch vom Bedürfnis, diesen Wandel sozial- und rechtsphilosophisch irgendwie zu erfassen. Als eine allumfassende und dadurch verwirrende Kategorie dient heute die der Kommunikation. Bis jetzt wird dieser Begriff am theoretischen Prokrustesbett gefoltert. Wenn der Kommunikationsbegriff für das jeweilige Forschungsziel zu „ausgedehnt“ und deshalb kaum erklärungsfähig scheint, wird er verkürzt und auf ein enges Merkmal einer einzigen Wissenschaft herabgedrückt. Wenn man aber in seltenen Fällen mit den üblichen Interpretationen dieser Kategorie nicht mehr auskommt, dann weitet man den Begriffsumfang in der Absicht aus, die Plausibilität seines Gebrauchs rechtfertigen zu können. Das ist gerade der Fall, wenn man den Kommunikationsbegriff, wie auch den verwandten Begriff des Dialogs, für die Analyse der intrarechtlichen Aspekte des sozialen Verkehrs miteinbezieht. Beide Begriffe werden für die Beschreibung jeden erdenklichen Interagierens zweier oder mehr Subjekte herangezogen. Mit Luhmann kann man sagen, daß diese Begriffe die sog. SubjektSubjekt bezogene oder dyadische Struktur zu beschreiben haben. Die Achillesferse dieser Weltanschauung im Allgemeinen und der Auffassung der Rechtsmaterie im Besonderen befindet sich darin, daß Kommunikation ausschließlich als Prozedur interpretiert wird. Es wird nur danach gefragt, wie eine bestimmte Kommunikationsart (wir meinen in erster Linie die Rechtskommunikation) gebraucht wird, wie sie funktioniert. Man weicht der Frage aus: Was ist Kommunikation an sich? Was ist Kommunikation ihrer Natur nach? Die Behandlung der Kommunikation steht in keiner Korrelation mit der Natur des Rechts und seiner Ziele. Die Hauptbestimmung des Rechts ist aber nicht auf das schlichte Kommunizieren zurückzuführen. Diese Bestimmung besteht in Gewährleistung und Förderung der Gerechtigkeit und Nützlichkeit in allen Arten der sozialen Konfliktaustragung.
Gerechtigkeit im intrarechtlichen sozialen Verkehr
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Es ist Zeit, eine neue anti-positivistische Doktrin aufzubauen, die als intradisziplinäre Theorie in der Rechtswissenschaft angesiedelt sein soll und als interdisziplinäre Theorie von allen Sozialwissenschaften beeinflußt werden könnte. Dabei ist es der Empfehlung mancher Philosophen zufolge notwendig, sich von der pluralistischen Weltanschauung zu befreien und die Auffassung von der Ganzheit und Einheit der Welt zu unterstützen. Diese Auffassung läßt sich ohne weiteres mit der Idee von der Ganzheit der nationalen Staats- und Rechtsordnung vereinbaren. Ratlosigkeit der Staatsgewalt, Ineffizienz ihrer Kontroll- und Regulierungsfunktion, Inkompetenz und Eigennutz der ausufernden Bürokratie, vielseitige Konsequenzen der korruptionsfördernden Gesetzgebung vertiefen die gegenwärtige Kulturkrise hierzulande. Wir brauchen eine klare und ehrliche Dokumentation des vorigen Jahrhunderts, einschließlich des politischen Lebens und der Rechtsgeschichte. Nur auf diese Weise könnten wir begreifen, wie das heutige Unheil entstanden ist. Die rasche soziale Auflösung in superreiche Minderheit und benachteiligte Mehrheit wird als die markanteste Manifestation der sozialen Krise während der Perestroika anerkannt. Etwa ein Zehntel der Bevölkerung im heutigen Rußland existiert an der Armutsgrenze. Der Verarmungsprozeß der Bevölkerung wurde von dem raschen Wachstum der privilegierten und fast unkontrollierbaren Bürokratie flankiert. Diese Bürokratie war schon gewohnt, sich selbst zu bedienen. Sie war aber und bleibt bis jetzt besonders geistreich und schwunghaft in korrupten Machenschaften. Als besonders problematisch erweist sich die Gewährleistung der Gesetzlichkeit und der Gerechtigkeit innerhalb der sog. Rechtsschutzorgane (Gericht, Polizei, Staatsanwaltschaft). Vielen Presseberichten zufolge wird die gesetzlich geordnete Möglichkeit der vorfristigen Entlassung des Verurteilten aus der Strafanstalt meistenteils von ihm „erkauft“ und die Prozedur der Entlassung wird von den genau kalkulierten eigennützigen „Abgaben“ zum Vorteil der Rechtschutzorgane begleitet. Die „Abgaben“ werden dann in akkurater Weise unter den jeweiligen Richtern, Ermittlungsbeamten und Staatsanwälten verteilt. Das gegenwärtige Recht ist der globalen Einwirkung der zwei entgegengesetzten Tendenzen ausgesetzt. Einerseits geht es um globale wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit. Andererseits verstärken sich Manifestationen der bipolaren Auseinandersetzung und Pluralität der Konfliktarten. Unter dem Einfluß der genannten Faktoren verändert sich die innere Rechtssystematik. Als Ergänzung zum Finanzrecht ist ein neues Rechtsgebiet namens „Bankenrecht“ entstanden. Das Seeund Luftrecht wurde durch das Weltraumrecht ergänzt. Das klassische Völkerrecht ist jetzt vom Europarecht usw. flankiert. Es gibt auch neue Termini, z. B. „Rechtsraum“ (und sogar „Rechtsfeld“), „Modellgesetz“ u.a.m. Einige rätselhafte und verwirrende Begriffe, die schon als längst verschwunden galten, sind jetzt wieder im wissenschaftlichen Verkehr. Es handelt sich z. B. um den Begriff „Rechtsleben“. Er war Gegenstand der regen
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Diskussion in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Jetzt sind wir wieder mit diesem gekünstelten Terminus allem Anschein nach ohne jegliche Fruchtbarkeit konfrontiert. Ab und zu versuchte man auch andere kurzlebige Begriffe zu fabrizieren. Man denke nur an die sog. kybernetische Methode im Recht. Ebenso kurzlebig scheint auch die heute diskutierte synergetische Methode im Recht zu sein. Diese Methode könnte durchaus die Medizin befruchten, ob sie auch im Recht erfolgreich wird, ist eher zu bezweifeln.
Daten als Gegenstand des Rechts – Fragmente zu einer Struktur des Datenverkehrsrechts Von Thomas Hoeren und Jonas Völkel, Münster I. Einführung Der Jubilar hat sich seit vielen Jahren neben der Rechtsphilosophie auch mit der Rechtsinformatik beschäftigt. Schon früh erkannte er die Brisanz informationsrechtlicher Fragestellungen und sorgte auch in seiner Eigenschaft als Schriftleiter der internationalen Zeitschrift Rechtstheorie für die Veröffentlichung von Pionieraufsätzen in diesem neuen Rechtsgebiet. Daher sei ihm zu Ehre eine der grundlegenden informationsrechtlichen Fragestellungen aufgegriffen: Wem gehören eigentlich Daten? Gerade im Zeitalter von Big data ist die Suche nach einem Dateneigentum eine der zentralen und brisantesten Fragen. Die „Eigentumsfähigkeit“ von Daten setzt voraus, dass Daten nach der Rechtsordnung einem Rechtssubjekt zugeordnet werden können. DIN 44300 Teil 2 Nr. 2.1.13 definiert Daten im technischen Sinne als ein „Gebilde aus Zeichen oder kontinuierlichen Funktionen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen Informationen darstellen, vorrangig zum Zwecke der Verarbeitung oder als deren Ergebnis“. Aus dieser Definition liest Welp eine Teilung des Begriffs in zwei Ebenen: Den Inhalt und die Darstellung.1 Damit lässt sich feststellen, dass ein Datum eine von diesen Ebenen abstrakte Bedeutung besitzen muss. Die Zeichen können (müssen aber nicht zwingend) körperlich manifestiert sein, Information hingegen ist immer unkörperlich. Rechtlich sind also drei Gegenstände getrennt zu betrachten: Das Medium, als physisch vorhandene Sache oder Eigenschaft einer Sache (Darstellung), die Information, also der Inhalt und das davon abzugrenzende Datum als „Gebilde“. Software wird teilweise über ihre Steuerungsfunktion von Daten abgegrenzt.2 Vor allem aber ist Software Inhalt und ist in dieser Eigenschaft nach den §§ 69a ff. UrhG urheberrechtlich geschützt. Begrifflich scheinen Daten also von Sache und Information trennbar zu sein. Die Frage nach der Eigentumsfähigkeit von Daten setzt daher voraus, dass diesen Daten auch rechtlich eine Eigenständigkeit neben den beiden darin vereinten Eigenschaften zukommt.
1 2
Welp, Datenveränderung (§ 303a StGB) – Teil 1, in: IuR 1988, S. 443 f. Leupold/Glossner/von dem Bussche/Schelinski, Teil 1, IT-Vertragsgestaltung, Rn. 11.
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Um sich der Frage zu nähern, muss zunächst abgegrenzt werden, in welcher Form Medium und Information für die Rechtsordnung von Interesse sind. Eine rechtliche Einordnung der Daten in diesem Kontext ergibt sich möglicherweise aus der Beziehung von Datenträger und Information zueinander. Ein Medium ist als Sache unabhängig von der darauf oder darin enthaltenen Information, fällt zivilrechtlich unter den Begriff der Sache nach § 90 BGB3 und damit auch unter den strafrechtlichen Sachbegriff der Vermögensdelikte.4 Es kann somit dem Eigentum einer Person nach § 903 BGB unterliegen. Inhalte können entsprechend der Vielfältigkeit ihrer Gestalt von unterschiedlichen Rechten erfasst sein. So unterliegen ihrem Schaffensprozess oder der Investition nach schutzwürdige Inhalte dem Urheberrecht oder gewerblichen Schutzrechten, personenbezogene Daten dem Datenschutzrecht. Teilweise können diese Rechte zwar unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG fallen,5 ihr Institut wird aber bereits durch die entsprechenden Gesetze (UrhG, GeschmacksmusterG etc.) gewährleistet und unterliegt nicht dem zivilrechtlichen Schutzregime für Sacheigentum. Sie sind sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrer späteren Zuordnung zu Personen von der Beziehung der Person zu dem Medium zu trennen. Zwar müssen Werke um Urheberrechtsschutz zu genießen, wahrnehmbar sein, eine körperliche Fixierung ist jedoch dafür nicht zwingend notwendig; das gilt auch für Computerprogramme.6 Der Gesetzgeber hat jedoch erkannt, dass Substanz und Inhalt in vielen Fällen eine Beziehung zueinander haben, die das Recht nicht ignorieren darf. Das zeigt sich deutlich beispielsweise in § 952 BGB. Hier begründet die auf einem Medium (Urkunde) verbriefte Rechtsstellung einer Person deren Sacheigentum an dem Medium. § 98 UrhG gibt dem Inhaber eines nach dem UrhG geschützten Rechts Ansprüche gegen den Eigentümer von Vervielfältigungsstücken auf Einwirkung auf die Sache. II. Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht Für die Untersuchung der Eigenständigkeit von Daten besonders interessant ist der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz. In § 17 Abs. 2 UrhG ist festgelegt, dass ein einzelnes Vervielfältigungsstück eines Werkes, das mit Zustimmung des Rechteinhabers in der EU oder dem europäischen Wirtschaftsraum durch Veräußerung in den Verkehr gebracht wurde, weiterverbreitet werden darf. Beschränkungen des Nutzungsrechts gelten nur gegenüber dem unmittelbaren Vertragspartner und
3
Säcker/Rixecker/Gaier/Stresemann, Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6., 5. Aufl., München 2009, § 90, Rn. 25. 4 Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, 27. Aufl., München 2011, § 142, Rn. 2. 5 Maunz/Dürig/Papier, Grundgesetz-Kommentar, 66. Ergänzungslieferung, München 2012, Art. 14 GG Rn. 197 – 200. 6 Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 3. Aufl., München 2008, § 2 Rn. 13 – 14.
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enden mit der Verbreitung.7 Im Übrigen haben solche Beschränkungen grundsätzlich nur schuldrechtliche und nur in Ausnahmefällen dingliche Wirkung.8 Die herrschende Meinung begründet die Erschöpfungswirkung mit dem Interesse der Allgemeinheit an der Verkehrsfähigkeit des Werkstücks.9 Im Grundsatz tritt Erschöpfung nur an körperlichen Werkstücken ein,10 was im Grunde auch für Vervielfältigungsstücke von Software gilt. Dort bestimmt sich die Erschöpfungswirkung nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG, der sich an Art. 4 Abs. 2 der EU-RL zum Schutz von Computerprogrammen11 orientiert. Der Erschöpfungsgrundsatz durchbricht das Prinzip der Trennung von Sacheigentum und Recht am Inhalt partiell: Es wird ein Nutzungsrecht an eine Sache gekoppelt, um diese verkehrsfähig zu halten.12 Ein Recht zur Vervielfältigung des Inhalts durch Schaffung neuer Sachen besteht hingegen grundsätzlich nicht. Diesen Grundsatz hat der BGH erstmals in der Parfumflakon-Entscheidung13 angetastet. Er stellte fest, dass auch Vervielfältigungshandlungen in Ausnahmefällen erlaubt sein können, wenn sie erforderlich sind, um die Verkehrsfähigkeit eines Werkstücks zu gewährleisten, indem beispielsweise Abbildungen des Werkes zu Werbezwecken für den Verkauf der Werkstücke dienen. Eine weitere Ausnahme enthält § 69d Abs. 1 UrhG. Der rechtmäßige Nutzer einer Softwarekopie darf demnach Vervielfältigungshandlungen vornehmen, soweit diese zum Gebrauch der Software erforderlich sind. Damit wird vordergründig zunächst der Eigenschaft von Software Rechnung getragen, zur Benutzung in gewissem Rahmen (Installation, Kopie in den Arbeitsspeicher) zwingend vervielfältigt zu werden. Rechtmäßiger Nutzer ist auch der Zweiterwerber einer Kopie, die nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG Gegenstand der Erschöpfung ist.14 Auch darf der Nutzungsberechtigte nach § 69d Abs. 2 UrhG eine Sicherungskopie der Software anfertigen. Damit darf zustimmungsfrei eine neue körperliche Sache geschaffen werden, die den Inhalt der veräußerten Softwarekopie trägt. Trotzdem wird weiterhin die Prämisse aufrecht erhalten, dass Gegenstand der Erschöpfungswirkung nur die in den Verkehr veräußerte Kopie ist.15 Bisher waren besonders zwei Fragen in diesem Zusammenhang streitig. 7
Wandtke/Bullinger/Heerma, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 1. Aufl., München 2002, UrhG § 17, Rn. 32. 8 Ebd., Rn. 30. 9 BGH, GRUR 2001, 153 f. – OEM-Version; BGH, GRUR 1986, 736 – Schallplattenvermietung; Heerma (FN 7), § 17, Rn. 30. 10 Dreier/Schulze (FN 6), § 17 Rn. 28. 11 RL 2009/24/EG, entspricht Art. 4 lit. C der RL 91/250/EWG. 12 Hoeren, Der Erschöpfungsgrundsatz bei Software – Körperliche Übertragung und Folgeprobleme, in: GRUR 2010, S. 665 ff., 669. 13 BGH, GRUR 2001, 51. 14 Dreier/Schulze (FN 6), § 69d Rn. 6; Hoeren (FN 12), S. 672. 15 OLG Düsseldorf, ZUM 2010, 60.
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Es war lange nicht eindeutig geklärt, ob die Erschöpfungswirkung des § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG direkt oder analog auch eine Softwarekopie erfasst, die der rechtmäßige Erwerber einer aus dem Internet heruntergeladenen Programmdatei mit Zustimmung des Rechteinhabers selbst anfertigt. Ferner war umstritten, ob eine solche Kopie auch nach § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG von einem Zweiterwerber nach Übermittlung von dem Ersterwerber über ein Netzwerk erstellt werden darf. Diese Fragen waren Gegenstand einer Vorlage des BGH an den EuGH, der diesbezüglich die Regelungen der Computerprogramme-RL auszulegen hatte, nach der wiederum die Vorschriften der §§ 69a ff. UrhG richtlinienkonform auszulegen sind.16 Auf die ausführliche Wiedergabe des Streitstandes wird hier verzichtet. Dreh- und Angelpunkt dabei ist jedoch die Frage, wie weit der Erschöpfungsgrundsatz von der Sache gelöst und auf Daten übertragen werden kann. Bisher wurde in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass ein nicht körperlich in den Verkehr gebrachtes Vervielfältigungsstück einer Software, sei es, eine Sicherungskopie oder eine durch Download veräußerte Programmversion, nicht von § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG umfasst sei und daher auch nicht nach § 69d Abs. 2 UrhG zum Gebrauch vervielfältigt werden darf.17 Der BGH schloss sich in seiner Vorlage dieser Ansicht mit dem Argument an, dass Zweck der Erschöpfung nur sein kann, die Verkehrsfähigkeit eines Vervielfältigungsstückes zu gewährleisten, nicht aber, eine vorher nicht vorhandene Verkehrsfähigkeit des Vervielfältigungsrechts oder des Werkes zu begründen.18 Dieses Argument zeigt deutlich, dass davon ausgegangen wird, dass aus urheberrechtlicher Sicht nur auf die Belegenheit einer Information auf einer Sache abgestellt und eine darüber hinausgehende Verkehrsfähigkeit von Daten nicht anerkannt wird. Der EuGH entschied auf der Grundlage des Wortlautes von Art. 4 Abs. 2 der RL 2009/24/EG, dass die Erschöpfungswirkung an jeder in dem Geltungsbereich erstverkauften Programmkopie eintritt, unabhängig davon, ob sie körperlich oder unkörperlich in den Verkehr gebracht wurde.19 Diese Auslegung stützt sich auf Erwägungsgründe der RL 2009/24/EG, die nach Meinung des Gerichtshofs zum Ausdruck bringen, dass die RL einen umfassenden Schutz für Computerprogramme gewährleisten soll und diesbezüglich körperliche und unkörperliche Erscheinungsformen gleichstellt.20 Ermöglicht wird eine solche Gleichstellung über eine weite Auslegung des Begriffs vom „Erstverkauf“. Die Begrifflichkeit der RL orientiere sich nicht an derer der nationalen Rechtsvorschriften, vielmehr ergebe sich eine richtlinienspezifische, weite Auslegung des Begriffs „Verkauf“, die auch das unkörperliche Inverkehrbringen umfasst.21 Eine „Lizenzaufspaltung“ soll aber ausdrücklich unzulässig 16
BGH, GRUR 2011, 418. OLG Düsseldorf, ZUM 2010, 60; OLG Frankfurt am Main, MMR 2009, 544. 18 BGH, GRUR 2011, 421. 19 EuGH, NJW 2012, 2565, 2568. 20 Ebd. 21 Ebd., 2566.
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sein.22 Um das ausschließliche Recht des Urhebers an der Vervielfältigung im Kern zu wahren, soll die Verbreitung einer durch Download unkörperlich in den Verkehr gebrachten Programmkopie nur dann zulässig sein, wenn nach dem Weiterverkauf die ältere Kopie gelöscht (unbrauchbar gemacht) wird.23 Hier scheint zum ersten Mal durch, dass das „Verschicken“ von Daten, welches eigentlich aus Kopie (also Vervielfältigung) und anschließender Unbrauchbarmachung besteht, nicht als Vervielfältigungshandlung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. A RL 2009/24/EG gelten soll. Die Formulierung des EuGH lässt keine Unterscheidung zwischen dem Verschicken oder dem Verfügbarmachen zum Download erkennen. Daraus lässt sich entnehmen, dass der EuGH den Daten, die ein Computerprogramm beinhalten neben dem Speichermedium eine selbstständige, rechtlich relevante Eigenschaft zugesteht. Dem Erwerber von Daten stehen sodann die Rechte aus Art. 5 RL 2009/24/EG (respektive § 69d UrhG) zu, da durch die Erschöpfung die Rechtmäßigkeit der Benutzung nicht mehr von der Zustimmung durch den Rechteinhaber abhängt. Deshalb ist es auch folgerichtig, dass eine Lizenzaufspaltung nicht ohne Weiteres zulässig ist. Eine solche würde ja gerade von der Person abhängige Nutzungsrechte weitergeben, was mit der Relativität des Überlassungsvertrages nicht vereinbar ist. Ob in dem Fall, dass einzelne Rechte aus einem „Lizenzvertrag“ veräußert werden, und der Veräußerer die eigenen Nutzungsbefugnisse in entsprechendem Umfang verliert, ein Anspruch auf Zustimmung nach § 34 Abs. 1 UrhG gegen den Rechteinhaber besteht,24 wurde nicht entschieden. Fraglich ist noch, wie weit diese Rechtsprechung im Urheberrecht außerhalb von Software reicht. Die weite Auslegung des Art. 4 Abs. 2 RL 2009/24/EG und damit einhergehend die richtlinienkonform entsprechende Auslegung des § 69c Nr. 3 S. 3 UrhG bezieht sich nämlich in dem EuGH-Urteil gerade auf den Schutz von Computerprogrammen und dessen Spezialrechtsverhältnis zur EG-Urheberrecht-HarmonisierungsRL (RL 2001/29/EG).25 Um die rechtliche Selbstständigkeit von Daten verallgemeinern zu können, muss die Frage im Endeffekt entschieden werden, da die Dateneigenschaft gerade nicht von der Gestalt des Inhalts (z. B. Software) abhängen soll, der Inhalt aber maßgeblich für die rechtliche Bewertung des Umgangs mit einzelnen Daten sein kann. Insoweit könnten sich die Ansätze zur Heranziehung der Grundsätze der Parfumflakon-Entscheidung des BGH als fruchtbar erweisen.26 Wenn jedenfalls die Berechtigung zur Nutzung eines Werkes mit der Übertragung von Daten an eine andere Person übergehen soll, müssen Daten parallel zu Sachen rechtlich einer Person zugeordnet werden können. Es entspricht nicht dem System des Urheberrechts und auch sonst nicht der Systematik über den Erwerb von Rechten, dass die gewillkürte Übertragung einer Rechtsposition durch einen reinen Realakt 22
Ebd., 2569. Ebd., 2568. 24 Hoeren (FN 12), S. 672. 25 EuGH, NJW 2012, 2567. 26 Hoeren (FN 12), S. 673. 23
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geschehen muss. So sind neben der einfachen Konstellation, dass ein Ersterwerber ein Computerprogramm in Datenform an einen Zweiterwerber „verschickt“, wesentlich kompliziertere Fälle denkbar, in denen die Zuordnung der Rechtsposition nicht so eindeutig feststellbar sein kann. Wie verhält es sich dann etwa, wenn der Zweiterwerber nicht Eigentümer des Datenträgers ist, auf den die Daten kopiert werden? Wie wirkt sich die Übermittlung von Daten in einem Mehrpersonenverhältnis aus? Die Rechtsprechung des EuGH klärt eine Frage zum Erschöpfungsgrundsatz im Urheberrecht, sie wirft aber die Frage auf, wer eigentlich „Berechtigter“ an Daten sein kann. Diese Frage wird als die Frage nach der Eigentumsfähigkeit von Daten aus Sicht der gesamten Rechtsordnung zu beantworten sein. III. „Eigentumsrechtliche“ Zuordnung von Daten Eigentum zeichnet sich durch die rechtliche Zuweisung einer Sache zu einer Person im Sinne eines umfassenden Herrschaftsrechts aus.27 Ein irgendwie geartetes „Dateneigentum“ muss sich also zumindest durch ebendiese Merkmale auszeichnen. 1. Daten als Sachen im Sinne von § 90 BGB Das konstitutive Merkmal ist dabei die Sacheigenschaft. Eine direkte Anwendung des § 903 BGB kommt ausschließlich in Betracht, wenn körperliche Gegenstände im Sinne des § 90 BGB betroffen sind.28 In dem Moment, in dem die Daten gespeichert werden, tritt eine physikalische Veränderung in materieller Hinsicht ein. Das allein ist allerdings nicht hinreichend. Mit Hinblick auf die Eigenschaft von Sachen, drei Aggregatzustände annehmen zu können (fest, flüssig, gasförmig), werden Daten teilweise schon deshalb nicht als körperliche Gegenstände angesehen, weil sie aus elektrischen Spannungen bestünden, die diese Eigenschaft nicht aufwiesen.29 Ohne zu tief in die physikalische Ebene einzudringen (etwa hinsichtlich der Frage, ob elektrische Spannung nicht etwa in Form von Elektronen doch Materie ist)30, ist eine Anknüpfung an die molekulare Ebene von Materie ein Tretminenfeld für die juristische Glaubwürdigkeit. Rechtsbegriffe müssen generalisiert und abstrakt aufgefasst werden. Das Schicksal eines Rechtsinstituts wie des Eigentums sollte nicht von den umstrittenen und wandelbaren Modellen nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen abhängen. Schon die Orientierung an den Aggregatzuständen ist heikel. Aggregatzustände betreffen nämlich einen einzelnen chemischen Stoff, Sachen im (zivil-) rechtlichen Begriff 27
Staudinger/Klinck , Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2004, W. Eigentum, Rn. 1 – 4. 28 Staudinger/Seiler, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2004, Vorbemerkung zu § 903, Rn. 3. 29 LG Konstanz, NJW 1996, 2662. 30 Vgl. HKK/Rüfner, §§ 90 – 103 Rn. 19.
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können aber aus mehreren Stoffen zusammengesetzt sein, der Begriff ist somit abstrakter als der naturwissenschaftliche Stoffbegriff. Zudem sollte sich der Jurist nicht allzu sehr auf seine physikalischen Kenntnisse verlassen. Beispielsweise war dem Gericht in oben zitierter Entscheidung wohl nicht bekannt, dass nicht drei, sondern vier Aggregatzustände existieren und dass einige Stoffe eben nicht alle Zustände annehmen können. Daten sind auch nicht immer elektrische Spannungen, sie können auch in magnetischer oder optischer Form oder als Oberflächenstruktur (z. B. bei einer CD) beschaffen sein. All diesen Erscheinungsformen ist jedoch gemein, dass sie Eigenschaften einer Sache – respektive des Datenträgers – sind. Daten sind damit als durch Zeichen vermittelte Information nicht eigenständig, sondern abhängig körperlich. In anderen Worten drückt das die banale und weitgehend unstreitige Erkenntnis aus, dass nicht Daten, sondern nur der Datenträger körperlich sein können.31 Daten können also nicht als Sachen im Sinne des § 90 BGB qualifiziert werden. Unter den § 90 BGB fallen nur körperliche Gegenstände, die räumlich abgrenzbar sind. Insofern wird auch in anderen Bereichen ein Eigentum an virtuellen Gegenständen, z. B. Accounts, Spielerpunkten oder virtuellen Figuren, abgelehnt.32 Solche virtuellen Güter sollen allenfalls urheberrechtlich geschützt werden können. 2. Eigentum und Datenträger Die Rechtsprechung geht, wie oben bereits beschrieben, davon aus, dass ein Datenträger mit den darauf verkörperten Daten eigentumsfähig sei. So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe33 eine Eigentumsfähigkeit von Daten im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB bejaht.34 Der Datenträger mit den darauf verkörperten Daten sei jedenfalls eine körperliche Sache. Zwar könne die Information, die in diesen Daten repräsentiert sei, wegen ihrer immateriellen Natur nicht Schutzgut einer Norm gegen die Beschädigung der materiellen Substanz sein. Jedoch sei deswegen von einer Verletzung des Eigentums auszugehen, weil der Eigentümer durch den Eingriff gehindert werde, mit der Sache seinem Wunsch entsprechend zu verfahren.
31
Säcker/Rixecker/Gaier/Stresemann, MüKo BGB, Bd. 6, 5. Aufl., München 2009, § 90, Rn. 24. 32 Rippert/Weimer, Rechtsbeziehungen in der virtuellen Welt, in: ZUM 2007, S. 272, 274 f. 33 NJW 1996, 200 = CR 1996, 35. 34 Anderer Ansicht LG Konstanz, NJW 1996, 2662 = CR 1997, 84; siehe auch Gerstenberg, NJW 1956, S. 540.
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3. Recht am eigenen Datenbestand Im Übrigen wird zum Teil vertreten, dass sich aus § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht auch ein Recht am eigenen Datenbestand herleiten lasse.35 Ein solches Recht benötigt freilich zur Legitimation eine gewisse eigenständige Bedeutung neben anderen Rechten. Werden Daten auf einem Datenträger unbrauchbar gemacht, so ist – sogar weitergehend als nach der Ansicht des OLG Karlsruhe (siehe oben) – von einer Substanzverletzung an dem Datenträger auszugehen, da dieser nachhaltig physisch verändert wurde.36 Mit diesem Rückgriff auf das Eigentum am Datenträger werden allerdings viele Probleme, die bei vernetzten Datenbeständen auftreten, nicht gelöst.37 Bedeutsam sind besonders die Fälle, in denen der wirtschaftliche Schaden gar nicht bei dem Eigentümer des Datenträgers entsteht, weil nicht er sondern ein Anderer den wirtschaftlichen Umgang mit der Information pflegte. Für solche Fälle hat ein Recht am eigenen Datenbestand durchaus eine Berechtigung. Allerdings zeichnen sich „sonstige Rechte“ im Sinne des § 823 BGB dadurch aus, dass sie eine den ausdrücklich normierten Rechten entsprechende Ausschlussfunktion besitzen.38 Es stellt sich genau die Frage, wer unter Ausschluss Dritter an einem Datenbestand berechtigt ist. Das Recht am eigenen Datenbestand ist daher eine Hilfskonstruktion, die zunächst mehr Probleme aufwirft als löst. Um diese Fragen zu klären, ist ein ganzes System erforderlich, das letztendlich gleichbedeutend mit der Frage nach einem Dateneigentum ist. Letztere gilt es noch zu beantworten. 4. Datenschutzrecht Das Datenschutzrecht schützt nur dem Namen nach „Daten“. Tatsächlich geht es um den dargestellten Inhalt, die Information, die sich mit einer Person in Beziehung bringen lässt. Dies lässt § 3 Abs. 1 BDSG erkennen, der personenbezogene Daten als „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“ definiert. Personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts sind also „Angaben“ und damit Inhalte und dürfen nicht mit Daten nach dem technischen Datenbegriff verwechselt werden. Der Schutz personenbezogener Daten wird an vielen Stellen über die Beziehung zwischen der Information und dem Datum geregelt. Anders als im vorangegangenen Abschnitt entstehen durch das Datenschutzrecht keine Beziehungen einer Person über eine Information zu einer Sache, sondern direkt zu Daten. So können beispielsweise nach § 35 BDSG Löschungs- oder Berichtigungsansprüche gegen eine verar35 Siehe dazu BGH, NJW 1996, 2924, 2925 = CR 1996, 663; ähnlich auch Meyer/Wehlau, Die zivilrechtliche Haftung für Datenlöschung, Datenverlust, Datenzerstörung, in: NJW 1998, S. 1585, 1588. 36 Meyer/Wehlau (FN 35), S. 1588. 37 Ebd. 38 Säcker/Rixecker/Gaier /Wagner, MüKo BGB, Bd. 6, 5. Aufl., München 2009, § 823 Rn. 143.
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beitende Stelle unabhängig davon geltend gemacht werden, in welcher Form die Daten vorhanden sind. Auch Auskunftsansprüche (z. B. aus § 34 BDSG) gewähren dem Betroffenen immer nur das Recht, Daten vorgelegt zu bekommen, die mit den gespeicherten Daten inhaltsgleich sind. Das umfasst zwar beispielsweise auch die Auskunft über die Bezeichnung der Datei, in der die personenbezogenen Daten gespeichert sind,39 der Betroffene erhält aber nicht das Recht auf Zugang zu dem Hauptspeichermedium, wie etwa dem Server der verarbeitenden Stelle. Das Datenschutzrecht schafft damit eine rechtliche Verantwortlichkeit für Daten. Es darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass der Betroffene Ausschließlichkeitsrechte an den einzelnen Datensätzen im Sinne eines „Eigentums“ besitzt. Zwar befinden einige Autoren die Zeit für reif, den Datenschutz von seinem persönlichkeitsrechtlichen Ursprung zu lösen und mit Hinblick auf die zunehmende Bedeutung von personenbezogener Information in ein „Quasi-Eigentum“ zu wandeln.40 Im Ergebnis beziehen sich aber auch diese Positionen auf die rechtliche Stellung der Person zu „Daten“ im inhaltlichen Sinn. Die „eigentumsähnliche“ Position kommt mehr einer „urheberrechtsähnlichen“ Position nahe. Paul Schwartz unternahm bereits, orientiert am US-amerikanischen Recht, den Versuch, das System eines „Eigentums“ an personenbezogenen Daten zu erschaffen. Dieses „Eigentum“ macht er an fünf Säulen fest: „inalienabilities, defaults, a right of exit, damages, and institutions “.41 Unabhängig von dem Rechtssystem, in dem sich diese Ideen bewegen, zeigt die Herangehensweise aber ebenfalls, dass damit mehr ein Datenschutzrecht im hier bezeichneten Sinne gemeint ist. Der dem Eigentumsbegriff noch am nächsten stehende Begriff der „inalienabilities“ soll gerade ein Inhaberverhältnis einschränken. Der Ansatz von Ladeur orientiert sich an dem Recht am eigenen Bild aus § 22 KUG.42 Das Recht am eigenen Bild gibt dem Verletzten primär einen Anspruch auf Vernichtung (§ 37 KUG) und wird auch von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen flankiert.43 Interessant ist aber auch das Recht auf Übernahme der Exemplare aus § 38 KUG. Mit der Absicht eine Parallele zum Eigentum zu ziehen, ließe sich darin eine Art Herausgabeanspruch erblicken. Allerdings ist auch evident, dass das Eigentum an analogen Bildträgern eben nicht ipso iure auf den Verletzten übergeht, sondern nur ein Anspruch auf Übernahme besteht. Anders kann es sich bei einer wie auch immer gearteten Eigentumsposition an Daten nicht verhalten. Das Recht am eigenen Bild ist also keine wirkliche Eigentumsposition, sondern es gibt als ur-
39
Gola/Schomeruns, Bundesdatenschutzgesetz, 11. Aufl., München 2012, § 34, Rn. 9. Ladeur, „Persönlichkeitsschutz und Comedy“ – Das Beispiel der Fälle SAT 1/Stahnke und RTL/Schröder, in: NJW 2000, S. 1977, 1980; vgl. auch Schwartz, Privacy and Personal Data, in: Havard Law Review 17 (2004), S. 2055 – 2128. 41 Schwartz (FN 40), S. 2094. 42 Ladeur (FN 40). 43 Wandtke/Bullinger/Fricke, KunstUrhG, § 22 Rn. 23. 40
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heberrechtsähnliches Recht dem Abgebildeten die Möglichkeit zur Einwirkung auf fremdes Eigentum. 5. Daten und der Sui-generis-Schutz des Datenbankherstellers Daneben findet sich im Urheberrecht ein weiterer Hinweis auf eine mögliche Zuordnung von Rechten an Daten: §§ 87a ff. UrhG mit dem darin enthaltenen Leistungsschutzrecht für Datenbankhersteller. Wie bereits festgestellt, schützt das Urheberrecht zunächst primär Inhalte. Das gilt auch für Datenbankwerke, die als Unterfall der Sammelwerke nach § 4 Abs. 2 UrhG geschützt sind, wenn sie in ihrer Auswahl oder Anordnung persönlich geistige Schöpfungen sind.44 Mit den §§ 87a ff. UrhG wurde aber in Umsetzung der Richtlinie 96/9/EG (EG-Datenbanken-Schutzrichtlinie) ein viel diskutierter Schutz „sui-generis“ geschaffen.45 „Datenbanken“ meint nach § 87a Abs. 1 UrhG „eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert“. Die darauf folgenden Vorschriften enthalten einen Schutz des Datenbankherstellers vor ungenehmigter Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlicher Wiedergabe. Dass Datenbanken nicht gleichbedeutend mit den darin angeordneten Daten sind, versteht sich durch die Definition.46 Es stellt sich aber die Frage, ob der Gesetzgeber mit dieser Regelung zum Ausdruck gebracht hat, dass er Daten nur in dem Umfang dieses sui-generis-Schutzes für schützenswert hält. Immerhin betonen die Erwägungsgründe der Datenbanken-Schutzrichtlinie, dass hinsichtlich des Schutzes des Datenbank-Marktes Handlungsbedarf bestand (EWG 1 – 4) und dass sich ein Ausschließlichkeitsrecht am besten am Urheberrecht orientieren könne (EWG 5). Der Richtliniengesetzgeber erkannte, dass eine Lücke oder zumindest eine Unklarheit auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Schutzes von Daten besteht, der der wachsenden Bedeutung nicht gerecht wird (EWG 10). Er sah die Schutzwürdigkeit jedoch in der Investition (EWG 10 – 12), nicht in einer eigentumsähnlichen Beziehung von Personen zu irgendwelchen Daten. Voraussetzung für den Schutz ist also nach § 87a Abs. 1 UrhG, dass mehrere Daten in einer gewissen Systematik angeordnet werden und für die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine wesentliche Investition getätigt wird. Ungeschützt bleiben also nicht nur Einzeldaten, sondern auch bloße, „unsystematische Datenhaufen“.47 Hinzu kommt die Voraussetzung der wesentlichen Investition. 44 Wandtke/Bullinger/Marquardt, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 1. Aufl., München 2002, UrhG § 4 Rn. 8. 45 Sendrowski, Zum Schutzrecht „sui generis“ an Datenbanken, in: GRUR 2005, S. 369 ff. 46 Ebd., S. 372. 47 Gaster, Der Rechtsschutz von Datenbanken, Köln 1999, S. 37 Rn. 66.
Daten als Gegenstand des Rechts
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Auch hier zeigt sich die Abgrenzung zu den einzelnen Daten: Wie der EuGH entschied, sollen Investitionen, die zur Erzeugung (nicht bloß Beschaffung) der Daten dienen, als bloße Vorfeldinvestitionen keinen Schutz auslösen.48 Auch soll nach § 87b Abs. 1 UrhG die Entnahme nur unwesentlicher Teile kein Eingriff in das Schutzrecht darstellen. Das Kriterium der Wesentlichkeit kommt zur Abgrenzung von Datenbanken und einfachen Daten doppelt zur Anwendung. Teilweise wird die Rechtsprechung des EuGH diesbezüglich als „nebulös“ und zu eng empfunden.49 Das ist nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führt, dass auf gewissen Gebieten der Forschung (z. B. in der Molekularbiologie) oder Wirtschaft wesentliche Investitionen in die Erzeugung von Daten getätigt werden, die in ihrem Umfang deutlich größer sind, als deren Einordnung in eine Datenbank.50 Die Datenerzeuger stünden dann im Gegensatz zu Personen, die die Daten zu Datenbanken aggregieren, schutzlos da. Zudem kann oft nicht sinnvoll zwischen Datenerzeugung und -beschaffung abgegrenzt werden.51 Andererseits ist die Rechtsprechung des EuGH insofern konsequent, als dass im Grundsatz gerade zwischen Daten und Datenbanken unterschieden werden soll. Das wird durch den Leistungsschutzcharakter, den die systematische Stellung der Vorschriften im UrhG verdeutlicht, unterstrichen.52 Im Endeffekt müssen diese Fragen aufgrund einer Abwägung der Interessen von Ersteller und Entnehmer im Einzelfall entschieden werden.53 Jedenfalls findet auch dieser Streit auf der Ebene des Dateninhalts statt. Die Frage, ob auch solche „Daten“, zu deren Erzeugung eine wesentliche Investition getätigt wurde, den Schutz einer Datenbank begründen können und wann diese „Daten“ wesentliche Teile der Datenbank sind, knüpft an einen inhaltlichen Begriff von Daten an. Der in der Einleitung besprochene technische Begriff erkennt jedoch gerade eine losgelöste Ebene an. Auch hier, wie im Datenschutzrecht, hat der Begriff „Daten“ eine eigenständige Bedeutung. Es muss strikt unterschieden werden: Daten im inhaltlichen Sinne meint Informationen. Sie sind Inhalt einer Datenbank. Daten im technischen Sinne meint Dateien und Datenstrukturen. Diese können sowohl die Darstellung der Elemente einer Datenbank als auch die Darstellung der gesamten Datenbank selbst sein. Der Schutz des Datenbankherstellers, als Ausschließlichkeitsrecht und subjektivrechtliche Rechtsposition ausgestaltet,54 begründet aber nur den Schutz vor Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlicher Wiedergabe und kein eigentumsähnliches 48
EuGH, GRUR 2005, 252. Hoeren, Anm. zu EuGH, GRUR 2005, 244, in: MMR 2005, S. 35. 50 Sendrowski (FN 45), S. 372. 51 Hoeren (FN 49). 52 Hoeren/Sieber/Gaster, Multimedia-Recht, 32. Ergänzungslieferung, München 2012, Teil 7.6 Rn. 71. 53 Wandtke/Bullinger/Thum, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 1. Aufl., München 2002, UrhG § 87b Rn. 16. 54 Hoeren/Sieber/Gaster (Fn 52), Teil 7.6 Rn. 75 f. 49
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Vollrecht. Auch die Erschöpfungswirkung an körperlichen Vervielfältigungsstücken der Datenbank55 zeigt, dass gerade nicht der Schutz von Daten bezweckt wird, sondern der des Dateninhalts. Ist also die wirtschaftliche Bedeutung von Daten durch den sui-generis-Schutz von Datenbanken in ihrem wesentlichen Teil abschließend erfasst? Zwar sind Dateien etwa in einem Betriebssystem elektronisch durch systemimmanente Abläufe (Dateisysteme, Datenstruktur) einzeln auffindbar. Die bloße Speicherung in einem Betriebssystem kann aber noch keine wesentliche Investition sein und selbst dann wären Einzeldaten keine wesentlichen Teile. Daher kann Hintergrund der Regelung nicht ein vollumfänglicher Schutz aller Daten sein. Im Vordergrund stehen Investitionsschutz und wirtschaftliche Verwertung der Investition. Wie andere Leistungsschutzrechte oder gewerbliche Schutzrechte hat der Datenbankschutz nur eine begrenzte Schutzdauer (nämlich 15 Jahre, § 87d UrhG). Weiterhin umfasst er auch Vervielfältigungen von Daten, die sich durch gleichen Inhalt auszeichnen, schließt aber Dritte nicht von der bloßen Benutzung (Abfrage) der Informationen aus. Dies zusammen genommen zeigt, dass mit der Regelung für Datenbanken ein spezieller Investitionsschutz geschaffen werden sollte, der vor wirtschaftlicher Ausbeutung fremder Leistung schützt, nicht aber eine rechtliche Zuordnung von Daten zu einer Person. Der sui-generis-Schutz schafft eine zusätzliche abstrakte Ebene, die in einer systematischen Anordnung von Inhalten besteht, diese Ebene ist jedoch selbst eine bloß inhaltliche. IV. Fazit Die Suche nach dem „heiligen Gral“ geht weiter. Die bisher entwickelten Ansätze eines Dateneigentums überzeugen nicht. Insbesondere helfen Urheber- und Datenschutzrecht nicht weiter. Es bedarf weiterer Analysen, etwa über eine Analogie zum Konstrukt der Datenherrschaft über § 303a StGB56, um eventuell verlässlichere Angaben zu einer normativen Datenzuordnung zu machen.
55 56
Gaster (FN 47), S. 131 Rn. 522 ff. Dazu demnächst Hoeren, in: Multimedia und Recht Ende 2013.
Are There Legal Norms? Four Existences of Legal Norms By Jasminka Hasanbegovic´, Belgrade Plurality of existences referred to in the title demands an explanation. Can we discuss multiple existences of a single phenomenon in a meaningful manner? Can there be more existences of the same phenomenon with a specific identity? Hardly – even supposing a potential reincarnation. Accordingly, the four existences of legal norms referred to in this paper are neither successive, nor simultaneous i. e. they are not four types of existences. They actually represent four aspects, four facets, four sides of the same complex existence, which appear as four (types of) existences only due to the principle of language economy. The complex legal norm phenomenon has an equally complex existence: The legal norm exists simultaneously as a material phenomenon, a meaningful phenomenon, a valid (or more often, though, in our opinion, not better: normative) phenomenon and as a value-phenomenon. Or, in other words, the legal norm materially exists, has a meaning, is valid and has a value. Different concepts and theories of law sometimes equate some of these aspects, and sometimes differentiate between them; some concepts and theories occasionally excessively emphasize, or, on the other hand, imply, neglect, dismiss, and even negate one or more specific aspects of legal norm existence. Still, regardless, in the case of every approach to law, every concept and theory thereof, each of these four aspects of existence of legal norms can be reconstructed at the meta-level, i. e. meta-theoretical level of analysis of any approach to law and any conception thereof. First, every legal norm is a material phenomenon, each is materialized in a certain manner. Descartes would disagree with this view because his mental substance, actually being conscience, is among other things also a legal norm. And, according to his precise definition of substance, the substance is something that can exist without the existence of any other substance (Descartes 1641: 2/1 – 62). So, if we follow Descartes, the mental substance (expressing legal norms, i. e. in which legal norms are formed) can also exist without the existence of any other substance. This is because the mental substance, according to Descartes, is not even ultimately a material substance. Allow us for the moment to leave aside all serious contestations of and arguments against this viewpoint of Descartes (Warner/Szubka 1994) and, at least initially, accept it. But, in order to avoid even this preliminary acceptance being dogmatic, we shall view the mental substance as energy. In such an interpretation and under-
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standing of the world, the substance is matter or energy, i. e. a physical phenomenon encompassing, as its special types, specifically organized matters and energies, which can be both soul and spirit, i. e. the phenomena of both the soul and the spirit. Under these conditions, Descartes’ the “substantial” and our “material” are one and the same. Now we can go back to the beginning and continue. Every legal norm is, thus, a material phenomenon, each being materialized in a certain manner. But, none is just a material phenomenon, none can be reduced to materiality. On the other (or third) hand (depending on the way the viewpoints are viewed and counted), certainly not all material phenomena are suited to be legal forms, or, more precisely, to be a materialized expression of legal norms, i. e. to express them. Only two groups of material phenomena are, or can be, such. As material phenomena, all legal norms are expressed in two manners: through language, signs, symbols, or, otherwise, through behaviour (human behaviour, of course, being implied). Regardless of the fact that the issue of the possibility of differentiation between the sign and symbol (Peirce 1903: 289 – 299), and differentiation between the primitive animal signalization systems and advanced human languages, as well as, in the framework of the latter (human language), the issue of the possibility of a private language and its relationship with the ordinary language (Wittgenstein 1953: §§ 243 – 271, esp. § 256 sqq.), so as the issue of the relationship between the language and the spirit (i. e. soul) are all of exceptional importance for the main topic, it is impossible to have them all discussed in a single paper. Hence, without engaging these and other complex philosophical issues, such as whether (and how) it is possible to differentiate within the material phenomena of the first group by which legal norms are expressed – namely languages and language elements: words, lexemes, syntagmas, phrases, clauses, sentences, then signs, signals and symbols – it should be stated that legal norms are expressed through both natural and artificial, ordinary and professional (legal), spoken and written, verbal and non-verbal language, regardless of the fact whether the latter, non-verbal language, is body language (as in the case of a traffic policeman) or sign language (as in the example of traffic signs), or signal language (as also with traffic light or sound signals), or symbol language (as in the case of state symbols, such as state emblem, flag or national anthem). The common trait of all the material phenomena is that they can be reduced to words or signs; and ultimately to either words (if we accept the viewpoint that every sign, including every signal and symbol as special types of signs, can be expressed through words), or signs (if we accept the viewpoint that words are only special type of signs). And the common trait of both the word and the sign is that the meaning (or purpose) of their existence always surpasses their material existence; hence, a word is a word, and a sign is a sign (i. e. they exist as a word, or as a sign) only if, on top of their material existence, they are also signifiers, if they exist as signifiers, as well (Peirce 1903; Saussure 1916). Here we move from the first, material aspect, to the second, meaning-related aspect of the legal norm exis-
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tence. But, before that, we should review the other manner of legal norm materialization, namely behaviour. Legal norms can also be materialized, i. e. expressed through behaviour, which needs to meet certain requirements. First and foremost, it needs to be repeated in form of a same, i. e. similar behaviour in same, i. e. similar circumstances; and to be repeated for a relatively long period, which we have known since Ulpian (1.4 in Girard 1903: 438). And it is necessary for that repetition not to be caused by the law of cause and effect in the sphere of necessity, but to be chosen, or “chosen” as one of two or more possible behaviours, and to take place in the sphere of freedom, to be an expression of free will, which is something we will focus on later in the paper, when discussing the limits – i. e. possibility and purposefulness – of regulating human behaviour. Further, such repetition of the same, i. e. similar behaviour in the same, i. e. similar situations should not be associated with individual cultural phenomena, in form of a habit (regardless of the considerable mental and social, i. e. psychological and sociological importance of habits, which is reflected in the ancient saying that habit is second nature), but should instead be associated with social cultural phenomena, in form of a custom or customary law. From the historical point of view as well, the law was born as customary, unwritten. In every community, custom has been and remained the most natural source of normativity, including the legal normativity (Perelman 1976: 19). This stems from the fact that custom, in its formation, rests on the formula: repeated behaviour = normal behaviour = regulated behaviour (either as an obligation of behaving in a certain manner, or as an empowerment to behave in a certain manner) = usual behaviour. So, if the legal norms are not materialized, i. e. expressed in words (or signs), if they are unwritten (unpainted, not expressed in sound etc.), then they are expressed through repeated behaviour in similar situations. But, in order for a customary norm or norm of customary law to exist, it is insufficient simply for the said repetitive behaviour to exist in similar situations (since it can be a habit, or even an unconscious repetition compulsion), and, even more precisely, it does not suffice that the same or similar, in principle free and socially relevant behaviour has been repeated in similar situations, but it has to be accompanied by the awareness of being either obliged or empowered to this behaviour in the said situation. And thus, we again move from the first, material aspect of legal norm to the second one – the awareness of the meaning of the repetitive behaviour – and thus the awareness of the meaning of the legal norm. However, prior to that, we need to provide additional comments on the links between these two aspects of the legal norm existence – material and meaning related. The material existence of legal norms is, accordingly, dually incorporated: either through words, i. e. signs, or through behaviour. This stems naturally from the very determination of norms as rules of (human) behaviour. The rules of behaviour can be expressed through either words or signs (which is valid for every rule: as for the rules on necessary links between phenomena, e. g. mathematical rules, laws of nature, such as gravity, inertia etc., so for the rules on non-necessary links between phenomena,
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such as all kinds of norms, e. g. those on hands washing etc.), or through the behaviour itself as human practice (which is by nature valid only for the rules of human behaviour, i. e. norms; a historically and philosophically interesting example is a technical norm applying Pythagoras’ rule for land measurements in Egypt in the pre-Pythagoras era). Here we need to draw attention to the following: Stating the existence of any phenomenon, including material one, always requires and implies individualization, identification, some form of naming. It is implied per se that we are discussing phenomenal, and not noumenal world (Kant 1781) – the things the way they are for us, and which are knowable by the senses, always of course from a certain point of view, and not the things as they are in themselves, behind the mind-imposed forms of space, time and causation, not depending on the point of view, regardless of how much the postulating of the noumenal is essential as a condition of human free will. Hence, without engaging the issue of transcendence (as much as it is possible, since this problem exerts an influence even when one is unaware of it or represses it), it should be noted that almost every individualization, i. e. identification of any phenomenon usually results in the naming of that item, i. e. phenomenon, due to the fact that human communication is much more sophisticated than the animal one, which is but a rudimentary signalling system, so the human communication uses a developed meaningful language, which uses words to communicate thoughts and ideas. In that sense, every naming, as a statement of existence of a material phenomenon, is based on the individualization, i. e. identification of the said phenomenon, and represents a form of transcending from material to meaningful existence, from phenomenon towards noumenon, although not into noumenon proper. Thus we come to Wittgenstein’s view that the meaning of the word is its use in the language (although Wittgenstein expressed it more precisely: For a large class of cases ¢ though not for all ¢ in which we employ the word meaning it can be defined thus: the meaning of a word is its use in the language; Wittgenstein 1953: § 43) and that the limits of my language mean the limits of my world (Wittgenstein 1922: 5.6), but we should keep in mind that the reverse is also valid: limits of our worlds mean the limits of our language, i. e. languages. Every word and every sign has to be a material phenomenon, but certainly cannot be simply reduced to one. On the other hand, in principle, each material phenomenon can also be a sign for everything but itself, as, for example, in many worldviews, theologies and theodicies all phenomena (even not only material ones) are signs (and sometimes even proofs) of the existence of God (God, gods, or the divine). Material phenomenon is, hence, a word or a sign if it possesses a meaningful existence along with the material one; or if it holds a “surplus” of existence, so its material existence is surpassed by the meaningful one; or if it has two manners (or two aspects, or two facets, or two sides) of existence; or – it can be also phrased as follows – if it has two identities: identity of a material phenomenon, and the identity of a sign i. e. signifier, since the means, the sign, is “objectivised” only through the use of sign as a bearer of a specific meaning, a meaning that can be different from the original, “sub-
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jective” meaning that the “author”, signifier, attributed, or tried to attribute to it, which will be discussed later in the paper. Any repetitive behaviour based on the awareness of being either obligatory or discretionary in specific circumstances represents a customary norm or norm of customary law. So, regardless of how it is materialized – either through words, i. e. signs, or behaviour – a legal norm must always possess a prior material existence: its material existence is the conditio sine qua non for its existence as a legal norm. Still, it does not suffice. Second, every legal norm is a meaningful phenomenon, each means something. Meaning is the second aspect of a legal norm’s existence. Phenomena with meaning are also called spiritual, cultural, intelligible, conceptual, ideal etc. In their case, we can also say that the name is the sign, nomen est omen, since each of the names provides a degree of information on the said phenomena, and the very number of names reflects the complexity of these phenomena, as well as the difficulties in identifying their concept, i. e. in identifying the meaning of the meaning, inter alia because it is a homological (or autological) concept (Petrovic´ 1972: 32 – 33), such as concept of concept, or definition of definition, and it represents a semantic paradox, i. e. it is a possible source of the Grelling-Nelson paradox (Peckhaus 1995: 269 – 280; id. 2004: 501 – 516). What is meaning? When is there (no) meaning? Are the sense and the meaning the same? And what about senselessness and meaninglessness? What is the relationship between the (human) mind, knowledge, meaning and sense? These and other aforementioned questions remain open issues in philosophy, hermeneutics, semantics and linguistics, both generally speaking and specifically in relation to legal norms. Frege differentiates between Sinn and Bedeutung as two aspects of meaning, where Sinn (or sense) is a way in which a term refers to an object, while Bedeutung (or the reference) is the object being referred to (Frege 1892), although that object is actually also a mental construction of its proper self. This differentiation presented by Frege has failed to become relevant either in legal theory or practice, where Sinn and Bedeutung remain synonyms, which is not surprising. However, it should be stated that these concepts of sense (Sinn) and meaning (Bedeutung), as identified by Frege, could be demarcated in legal practice and hermeneutics by having the sense (Sinn) refer to a legal norm, the sense of a legal norm, determined by the interpretation, while the meaning (Bedeutung) would refer to a legal qualification of the facts, circumstances of a specific case. But, we have already demonstrated in a different paper that it is impossible to practically and theoretically separate the identification of the sense of legal norms i. e. their legal interpretation, and the legal meaning of facts and circumstances of specific cases, i. e. their legal qualification (Hasanbegovic´ 1988: 220 – 227). Saussure, on the other hand, has started with the language as a group of signs, and identified the sign as a relationship between the signifier, i. e. the sound of the linguistic object, and the signified, i. e. the mental construction, or image linked to that sound (Saussure 1916). Applied to law, the meaning of a legal norm is actually
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the signified item, i. e. the mental construction, or image linked to the sound of the text of the legal norm (or “text”), whose content, as a content of the mental construction, or image, is determined by the signifier’s practice of using the sign. For similar reasons as Frege’s philosophy of language, neither Saussure’s theory of linguistics and semiotics had significant impact on legal philosophy or legal hermeneutics. It seems that also throughout the history of hermeneutics it was jurisprudence that was always giving more than receiving, which can be paradigmatically observed in the jurisprudential relevance of Gadamer’s fundamental hermeneutical position on historically effected consciousness in humanities (Gadamer 1960), as well as in the lack of knowledge of Betti’s hermeneutical contributions not only in the Anglo-American intellectual circles (Spaic´ 2013). Regardless of all the difficulties in determining the concept of meaning, we should keep in mind that not all meanings are appropriate to be the meanings of legal norms, just those concerning certain human behaviour, human conduct. This relates to the issue of the limits of legal regulation, which will be discussed later in the paper. But, irrespective of the way of their materialization through words, signs or behaviour, it is considered that every legal norm can also be transformed and reduced to a specific proposition, judgement, statement or sentence. It should be emphasized that we have to leave aside the two groups of important epistemologically preliminary issues: the nature of the relationship between the thoughts, meanings, concepts, notions, categories and words, on one side, and thoughts, meanings, propositions, judgements, statements and sentences, on the other; as well as the issue of the relationship between the propositions, judgements, statements and sentences, namely, whether they are more or less identical phenomena, i. e. different aspects of the same phenomenon, or not. Now we can return to the meaning-related existence of legal norms. If specific material phenomena expressed in words, signs and behaviours exist, and if we transform the said phenomena into propositions, judgements, statements, sentences, we should note that even then only some of them can be legal norms. Because not every proposition, every judgement, every statement, every sentence can be a legal norm, but only those that (this being the first prerequisite among others) hold a normative meaning. And with this – especially from the viewpoint of positive law concepts – we move to the following, validity-related (or as usually put: normative) aspect of legal norm existence, but allow us first to provide a few comments with the purpose of delineating, or at least attempting to delineate, these two meanings. With all the material phenomena (words, signs, and repetitive behaviour) which not only are, i. e. exist, but also mean something, i. e. have and express a specific meaning, this expressed meaning can be normative or indicative; or in other words, the expressed meaning can be a prescriptive meaning (prescription) or a descriptive meaning (description); or yet in another manner – it can be a value-related meaning (value judgement) or reality-related meaning (reality judgement): or – the meaning can be intentional or factual. So, words, signs and repetitive behaviour as
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material phenomena bearing specific meaning (or propositions, judgements, statements and sentences into which these words, signs and repetitive behaviour have been transformed, to which they have been reduced) can possess two basic types of meaning: normative, prescriptive, value-related, intentional, or indicative, descriptive, reality-related, factual. This difference was gradually established over the centuries and it has potentially reached its peak in the Cartesian understanding of knowledge, science, art, technique, technology, subject and object. It was also rigorously disputed, but it remains necessary and useful in legal theory (regardless of the very concept of legal theory: whether as a philosophical legal theory or scientific legal theory – if something like scientific legal theory, i. e. legal science is even possible in the Cartesian understanding of science), in legal dogmatics (e. g. regarding the issue of admissibility of revision before the high or supreme courts), and, accordingly, in the legal practice – hence, at every level of the multilevel approach within modern legal thought (Krawietz 1984: 98 – 163; id. 1993: 100 – 114). Maybe the origins of this differentiation should be sought in Aristotle’s differentiation of truth based on correspondence of statements of facts to the reality (Aristotle: Organon, Posterior Analytics; Metaphysics XI) and the truth based on correspondence of statements to the right object of desire (Aristotle: Organon, On Interpretation IX; On Soul III). In any case, from Hume onwards we can follow the development of the assertion that ought cannot be derived from is (Hume 1739/1740). This idea has been persevered until the second half of the 20th century when Searle wrote How to Derive ‘Ought’ from ‘Is’ (Searle 1964), which was and remains highly disputable, but he persisted in reinforcing the said idea for next several decades, explaining that “the traditional metaphysical distinction between fact and value cannot be captured by the linguistic distinction between ‘evaluative’ and ‘descriptive’ because all such speech act notions are already normative” (Searle 1995: 125). Leaving aside the fact that the differentiation between the fact and value by nature of its pretension cannot be solely, or even primarily, metaphysical, but physical (and – in that sense – natural) and social (otherwise everything would be metaphysical, would immediately relate and belong to metaphysics), and especially the fact that this differentiation is not traditionally metaphysical, we should accept Searle’s idea of institutional facts, which was later adopted both by Raz (1975) and Ruiter (1993), and which is inspired by Elisabeth Anscombe’s notion of brute facts (1958), although it can be encountered earlier, for example in the works of Poincaré. However, we consider that Searle’s differentiation between brute and institutional facts should not be accepted, since all facts are more or less institutionalized, and there are no brute facts, they do not exist. Traditionally it is considered for the first meaning (normative, prescriptive, valuerelated, intentional) in all of these pairs to be received either through generation of appropriate propositions (judgements, statements or sentences) on what is not (or was not or has not been or had not been), but is a desire, dream, need, value, purpose, objective, aim, eschaton, norm, regulation, or through interpretation and implementation of such propositions (judgements, statements, sentences) in specific situations;
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and for the second meaning (indicative, descriptive, reality-related, factual) to be derived in each of these four pairs from appropriate, but different propositions (judgements, statements or sentences) through stating, i. e. identification, description and demonstration of facts, but also through their qualification, naming which is by rule forgotten, and which possibly contributes the most to the institutional, normative or value-related character of factual propositions (judgements, statements or sentences). We consider that the first – normative, prescriptive, value-related, intentional – meaning cannot be completely (neither practically nor theoretically, neither physically nor metaphysically) separated from the second – indicative, descriptive, realityrelated, factual – meaning, due to the fact that the indications, descriptions, reality, realities and facts are human creations, results of human knowledge, expressed in human languages, and thus inevitably conventionally determined and assigned specific values. However, this does not mean that we should renounce this differentiation. It is necessary, as well as useful for both theory and practice. We should simply keep in mind its nature, character, basis and scope. Accordingly, since the differentiation of these two types of meaning is essentially founded in human knowledge on necessity and freedom, knowledge which (it seems to us) is growing and being increasingly precisely expressed, thus contributing to the shifting of borders between the sphere of necessity and the sphere of freedom (Hasanbegovic´ 2006: 61 – 66), the conventional differentiation between these two types of meaning is changing as well. Allow us to review several examples in order not only to illustrate the aforementioned, but also to indicate some other issues related to this distinction in the simplest possible manner. Let us review the following statements: The capital of Germany is Berlin. Or: The capital of Serbia is Belgrade. Viewed in linguistic terms, these are indicative and not normative statements. However, in spite of language rules, and regardless of the linguistic form, whether these (as of course, other) statements will have an indicative or normative meaning does not depend in the slightest on their linguistic form or rules of a given language (e. g. rules on the use and meaning of indicative and conjunctive, non-modal verbs in present, past and future tenses, and numerous lexical expressions of indicative meaning on one hand, and on the other, the rules on use and meaning of conjunctive, optative, imperative, conditional, potential, almost all modal verbs in all tenses, non-modal verbs in future tenses, and numerous lexical expressions with normative meaning), but, instead, depends on the context. Context – not the indicative or normative linguistic expression – determines whether the meaning of the statement will be indicative or normative. So, for example, the aforementioned linguistic statements on capitals have an indicative meaning when encountered in geography textbooks, and normative – more precisely normative legal – meaning when encountered in the constitutions or the Basic Law. The same is true for history textbooks. In the history textbooks these statements have an indicative meaning, while the identical statements, for example in the Constitution of German Democratic Republic, the Weimar Constitution, the Constitution of Serbia of 1963 or the one of 1974 they possess normative and legal meaning. Or maybe we should have expressed it more precisely in past tense? Then the conclusion would
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be as follows: Identical indicative linguistic statements on capitals had a normative legal meaning in the aforementioned Constitutions. Before answering this question, we should emphasize the first “discovery”, namely, that the indicative or normative quality of the meaning of a linguistic – including linguistic legal – statement does not depend on its linguistic expression, language form, i. e. linguistic rules on the use and meaning of these forms and expression, but primarily on its context. This directly refers us to discourse and discursive character of law, i. e. legal norms. So, the linguistic turn (Rorty 1967 and 1992) is definitely in the philosophy of law (and probably in other disciplines) much more than simple placement of language, speech and signs in the centre of inquiry as a paradigm. The linguistic turn in philosophy of law is most powerful when establishing the discursive paradigm: Not only language, and not only speech and speech acts, and not only signs and semiotics, but language and speech and speech acts and signs as components of a discourse, discourse which is always speech within context, more precisely, the widest socially contextualized speech which constitutes every object, including the law. And now, let us go back to the promised answer to the question whether the provisions in historical, no more valid constitutions concerning the aforementioned capital cities had or have a normative-legal meaning. The answer to this question depends on the concept of the existence of legal norm (i. e. law) and especially on the concept of the existence of positive law norm (i. e. positive law). For those for whom the law exists only as positive law, the provisions on state capitals in historical constitutions used to, but no longer have a normative legal meaning. Since in the framework of such a concept the true meaning-related and validity-related existence of a legal norm do not differ, but are equal, and they overlap and completely match, this legal norm does not exist if the linguistic statement has only a specific normative-legal meaning. In order for this linguistic statement to exist as a legal norm, in order for it to be a legal norm, it has to have a validity-related existence, it has to be valid. Hence, in the positive law concept of law, a normative-legal meaning of a statement which is (or should be, or aspires to be) a legal norm is just one, and not the only, not even the most important, the first, and it is not a sufficient (although usually necessary) requirement for that linguistic statement with normative-legal meaning to also be a legal norm. In the positivist concept of law, normative-legal meaning of a statement is something which is implied, understood. In the extreme positivist philosophy of law it is also quite irrelevant, for example, to Caligula when allegedly declaring his horse Incitatus (Swift) a senator and consul (Barrett 1990), since in line with the principle quod principi placuit, legis habet vigorem (Ulpian D 1.4.1) the power of law is not attributed to (or removed from) a statement due to its normative-legal meaning (or lack thereof), its normative and legal sense(lesness), but in line with placere principi, the decision of the one in power, hence, the will and not the sense, specifically the will of the creator which can be arbitrary to the point of absurd, and which is an expression of their (brute) force that sees and under-
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stands itself as power. In other words, the normative-legal meaning of a legal norm in the positivist concept of law is not an aspect or facet of the legal norm existence, but simply the potential in the legal norm existence, a potential which in extreme cases does not have to be realized, actualized, while the range of potential actualizations is quite wide, which we will focus on later. In the positivist concept of law the most important, first indispensable requirement for the existence of a legal norm, and in the extreme versions of legal positivism the only – necessary and sufficient – condition for its existence is its validity. We will discuss this aspect of legal norm existence further later in the paper, but we should first clarify the normative, i. e. normative legal meaning. For those for whom the law exists in another manner, in another form, and not only as positive law, the provisions, for example, on capital cities in historical circumstances have had, and no longer have a normative legal validity, but have had and keep having a normative legal meaning. And if the same provisions are encountered as statements in constitutional law textbooks, they keep their normative-legal meaning, but loose the normative legal validity, since the constitutional law textbooks are not a source of law, although they describe valid, invalid and yet-to-become valid provisions of present, past and, sometimes, future constitutions. Here we should recall Kelsen’s differentiation between Rechtssatz and Rechtsnorm (Kelsen 1960: 73 sqq.), which the modern law theory in the German speaking area does not use anymore, equating instead Rechtssatz, as a linguistic expression of a norm, to Rechtsnorm, as the content of that expression (Rödig 1986: 45; Weinberger 1988: 55; Larenz/Canaris 1995: 71; Rüthers 2007: 59 – 60). But, for Kelsen Rechtssatz (literally: a legal phrase or clause or sentence) is a statement of legal science on the content or validity of a legal norm; hence, an expression referring, content-wise, to the legal norm, without actually being one. Accordingly, Kelsen’s differentiation between Rechtssatz and Rechtsnorm is very close to the differentiation between the normative legal meaning and normative legal validity, i. e. the meaning and validity of the legal norm in this paper, without being completely identical to it (since the whole theoretical framework is not identical). We can find a good example of the legislator’s differentiation between the meaning and validity of a legal norm in the Yugoslav Law on Invalidity of Legal Regulations Passed Prior to April 6, 1941 and During the Enemy Occupation (adopted on October 23, 1946), which abrogated all legal regulations passed prior to April 6, 1941, but also allowed for all the legal rules contained in those regulations to be applied to the relations unregulated by the existing regulations, unless those legal rules contradicted the constitutions, laws and other valid regulations, as well as the principles of the new constitutional order. Thus the legal rules of a very complex civil law of the first Yugoslavia were for a very long time, decades even, implemented in the second, socialist Yugoslavia. The previous example is not relevant solely from the viewpoint of differentiation between the normative legal meaning or meaning of a legal norm, or Kelsen’s
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Rechtssatz, or legal rule, on one hand, and normative legal validity or validity of a legal norm, or Kelsen’s Rechtsnorm, or legal regulation, on the other; it also draws attention to two (seeming) paradoxes. First, legal rules, which by definition possess a meaning while not possessing validity have been applied for decades as if they were legal norms, or more precisely, they were legal norms, a part of the positive, valid law, which is directly demonstrated, proven and confirmed by their implementation. And second, the basis for validity, their obligatory nature, application, positivity of these legal norms was provided by the Law on Invalidity of Legal Regulations, which has invalidated these legal norms, i. e. the legal regulations containing them, and transformed them into legal rules, the application of which was allowed under the aforementioned terms. But, we will discuss the validity-related existence of legal norms in more detail later. If we choose not to see the law only as the positive, valid law, then we can accept a more general idea of law, and make a difference between the historical, past law and laws (ius historicum, praeteritum, leges historicae, praeteritae), the current, established, positive law and laws (ius latum, positum, positivum, leges latae, positae, positivae) and future law and laws (ius ferendum, leges ferendae). Normative legal meaning is assigned to all three of these law types, i. e. to the provisions thereof, although not all of them possess a normative legal validity, or more precisely, those pertaining to historical law possessed it, but do not any longer, those positive law related ones possess it, and those future law related ones do not, but will possibly or probably possess it. Furthermore, in the case of normative legal meaning of the provision, they can potentially be identical from the aspect of their linguistic expression in past, present and draft future laws, without having an identical meaning in all of these laws, since the meaning is not primarily textually determined, i. e. by its linguistic expression (as previously stated), but is always primarily determined by context, and not only – not even primarily – by the normative context but always by social context as well. An example of such an identical linguistic expression the meaning of which has mutated through time can be found in theft as the taking of someone else’s movable property with the intention of obtaining illegal gain for oneself or another, since the scope of the notion is now wider, encompassing, for example, electric power, or cable television channels. In our exposition on the meaning-related existence of legal norms until now, we have focused on those legal norms which are materialized by words, and similar conclusions can be drawn regarding the norms materialized by signs or by (human) behaviour. For example, a traffic sign communicating the distance and directions to Belgrade from the location of the sign is neither the mandatory direction, nor does it imply legal accountability if incorrect, while the sign showing the compulsory direction is legally binding. Another sign informing a person that they are entering/ leaving Belgrade city area has an indicative meaning, which is not necessarily legal, but can have a normative-legal meaning if it marks the beginning of the zone in which the local Belgrade communal law rules are valid (e. g. on waste collection), providing, of course, there are no other or higher legal rules stating that this communal law
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space has been regulated otherwise. Or the sign recommending a certain speed limit to vehicles at a specific road section can in one situation be interpreted as non-legal and even non-normative meaning of advice (we will discuss the relationship between the advice and the legal norm further in the exposition on the validity-related existence of a legal norm), while in a different situation, within a different context, it can have a legal meaning; for example, when taking that sign, inter alia, into account in order to determine whether a specific speed of a vehicle in concrete circumstances on that road section has corresponded to the legal standard of the “speed adapted to road circumstances” from the Law on Traffic. The identification of the meaning, i. e. meaning-related existence of legal norms materialized in repetitive human behaviour also represents a similar procedure with similar issues and problems. For example, nudism (or naturism) on beaches can be a part of a judicial free area, i. e. can be left to customary and other non-legal rules, as in Serbia, Croatia and Montenegro, but it can also be legally prohibited, as in Turkey, Albania and Greece, where the records show that in last couple of years the Greek authorities have charged one fine a year, or even none. The status of public beaches where naturism is mandatory, which exist in many states on all continents, is especially legally interesting. But what is even more interesting – at least legally – is to observe the behaviour of people who vote versus the behaviour of those who abstain. Identical human behaviour, e. g. voting, does not have the same legal meaning, for example in Austria, Belgium, Greece and Germany, since in Austria and Germany it represents the exercise of the right, while in Belgium and Greece it is the fulfilment of the duty. Accordingly, the behaviour of people who abstain from voting does not hold the same legal meaning in these legal orders, since it remains the right in Austria and Germany, while in Belgium and Greece it is an offence, although the existing legal sanctions have not been enforced by prosecutors in Belgium since 2003, which additionally complicates the identification of the legal meaning of this repetitive behaviour. Switzerland is especially interesting in this sense. In that country, non-voting is primarily an expression of the right to vote. But before 1971 the non-voting of men was an expression of their rights to vote, i. e. of their rights to abstain from voting included, while the non-voting of women was not their abstention, but reflected their lack of voting rights. Although the 1848 Swiss Constitution proclaimed the equality of all people before the law, the Federal Court has denied the request to include women in the voter registry in 1952 (as previously in 1923), by referring to customary law as a deeply rooted tradition of women’s non-voting which outweighed the legal equality incorporated in the Constitution (ASDF 2009). It is truly the great juridical example of social, constitutional, legal and judicial irony. Let us summarize and finalize our review of the meaning-related existence of a legal norm. Legal norms attribute the reality of meaning to the reality of material phenomena, more specifically, the reality of meaning specific for legal norms. This methodolog-
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ically and epistemologically grounds the legal hermeneutics and legal interpretation as the basic procedures of legal knowledge at all levels of both legal practice (application and creation of law) and legal theories (dogmatic, scientific and philosophical). And so, the differently grounded concept of legal truths operating at all levels of both legal practices and theories also opens more space in legal practice and knowledge of law for teachings and theories of argumentation and emphasizes the significance of proof (probatio) as opposed to demonstration (demonstratio – as they were defined by Ch. Wolff). Every legal norm is also a meaningful phenomenon, each means something, but the content of the said meaning is multiply (un-)limited and (un-)determined. Primarily, even though one of the basic divisions of meanings into indicative, descriptive, reality-related, factual, on one hand, and normative, prescriptive, value-related, intentional, on the other, cannot be consequently carried out, it should be kept – with awareness on its scope and limitations – out of practical and theoretical reasons. Keeping this in mind, it can be stated that the content of a legal norm meaning does not relate to what is, but to what is not, with all the practical and epistemological consequences of this position. But, this is not an exclusive characteristic of legal norms, but of other (such as moral, customary, technical, etc.) norms as well. And yet, it is intrinsic not only to norms, but also advice, counsels, desires, dreams, etc. The common characteristic of all of the aforementioned (hence, all types of norms, advice, desires, dreams) is that the content of their meaning does not relate to what is, it being a part of reality comprehended as material reality, but to what is not, which does not exist in the said reality as a material, but only as a meaningful phenomenon. The content of the legal norm meaning (as well as of other aforementioned similar phenomena) is normative (prescriptive, value-related, intentional), although it can be linguistically expressed both through normative (prescriptive, value-related, intentional) and indicative (descriptive, reality-related, factual) language forms, linguistic expressions. Hence, discursiveness as a contextual framework of the legal norm content construction is a methodical and epistemological paradigm in law (both in practice, i. e. legal order, and in theory at any level). So, the content of legal norm meaning relates to human behaviour which is not a part of material reality. It relates to human behaviour that is not, but that could be, and ultimately should be a part of the said reality (at least according to the opinion, feeling and wish of the norm author). According to what determines the content of the meaning, i. e. the content of the meaning-related reality which does not materially exist, we can differentiate between norms and advice on one side, and desires and dreams on the other. It is considered, namely, that the norms and advice are determined primarily, if not exclusively, by (human) consciousness and reason, i. e. knowledge shaped into norms and advice as means serving the purpose of achieving specific goals-values, while the content of the meaning of dreams and desires is determined primarily, if not exclusively, by the (human) unconscious and feelings, reshaped for the purposes of satisfying and fulfilling desires and dreams. It is also said that norms and advice
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have primarily collective, social and rational character, while desires and dreams have chiefly individual and psycho-emotional nature. Now we should differentiate between norms and advice on the basis of the meaning-related existence, i. e. meaning content. There are two widely accepted conceptions of advice, and, accordingly, two ways for differentiating them from all norms, including legal ones. According to the first, which has been considered the traditional for a long period of time, due to the fact that it is incorporated in the Justinian’s Corpus iuris civilis D. 17.1.2.6, as well as in the works of Thomas Aquinas, an advice is a non-binding norm, while the others, including the legal norms, are binding. Thus identified difference is not linked to the second, meaning-related aspect of legal norm existence, but to the third one, its validity, which we will discuss later in the paper. According to the second conception, which arguably originates from the works of Christian Thomasius, an advice is obligatio interna and obligates people to be aware of risks or potential gain generated through natural necessity, but it is in no way obligatio externa as an “external” obligation stemming from a specific law (Hasanbegovic´ 2006: 90). In other words, the advice is a technical norm created on the basis of knowledge of natural laws in order to achieve positive and avoid negative effects of those laws, for example, how to construct a house without it falling down, how to make bread, how to maintain hygiene in order not to attract a contagious disease, how to treat an illness, etc. Advice or technical norms can be transformed into legal norms if ascribed Thomasius’ obligatio externa, i. e. “external” obligation stemming from a specific (human) law, which is actually a sanction, e. g. a fine charged for failing to vaccinate a child. Ancient and modern technique (techne, ars) concepts – as well as the concepts of science – are quite different, entailing a different concept of the significance of technique and technical norms, as well as the need to provide them with the legal character in modern, technologically advanced societies (Hasanbegovic´ 2000: 488 – 527). Now we need to demarcate basic types of norms: legal, moral and customary, on the basis of the meaning-related aspect, i. e. on the basis of meaning content. Regardless of different concepts of law and morals and relationship thereof, this issue is always ultimately reduced to the relationship between positive and natural law, which is, in turn – within the theoretical approach adopted in this paper – the issue of the relationship between validity-related and meaning-related existence of legal norms, that will be discussed later on. But, when discussing the content of meaning of legal and moral norms, something else bears mentioning. The history of ethics presents us with two dominant concepts of morals and ethics as the doctrine on morals. Put in general terms, these are as follows: virtue ethics – until Kant, and duty ethics – from Kant onwards. Hence, we could state that the modern concept of ethics is dominated by the doctrine on morals as a teaching on duty, contrasting the law which determines (subjective) rights and duties. We consider this reasoning flawed, since in our opinion every norm (legal, moral, customary etc.) always determines empowerment or enablement (either as a right or as a competence), as well as duty or obligation. So, every norm through its meaning-related content always – either explicitly, or
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implicitly – intrinsically determines both legal empowerment or enablement to behave in a certain manner, on one side, and complementary legal obligation or duty to behave in a certain manner, on the other. The issue of the relationship between the content of the meaning of legal and customary norms cannot be meaningfully presented if we understand the customary norms as rules of behaviour created by long-lasting repetition of specific behaviour in similar situations, resulting in awareness that one is either obliged or empowered to such behaviour in those situations. This would mean that the custom is by definition determined only by its form, the way it is created, and not by its content, so that the customary norms can have any content. This transforms the issue of the relationship between the characteristic content of the meaning of legal and customary norms in two separate issues: the issue of validity-related or the issue of value-related existence of these customary and legal norms. Namely, if legal and newly-formed (or just newly-forming) customary norm possess contradicting contents, which one of them will be valid? These are the issues related to the third aspect, validity-related existence of legal norms, which we will focus on next. Or, otherwise put, if the legal norm and newly-formed (or just newly-forming) customary norm have different (and not necessarily contradicting) contents, then their relationship is reviewed as the relationship between legal and moral norms (i. e. the law and a custom with a specific moral content; or, positive and natural law), hence, as the issue pertaining to the fourth, last, aspect – value-related existence of the said forms. Thirdly, legal norm is a validity-related phenomenon. It is valid, i. e. exists by being valid. Validity is most often considered typical (which automatically means the only), or at least the most characteristic existence of a legal (or, generally speaking, any other) norm (as a well as of every value – if we choose to differentiate norms and values), an existence implying all other existences (material, meaning-related and value-related). This is the viewpoint of not only legal positivism, but also jusnaturalism, keeping in mind that they differ with regards to the concept of law, and, accordingly, with regards to the concept of validity. From the viewpoint of legal positivism the law exists only in the form of positive law, the law is only the positive law, i. e. currently valid law, created and decided on by the government and judicial authorities in global societies. The once valid norms, as well as those presented in draft laws, which are yet to become valid, are not law. This is similar to the conception that a wife is one and only, the one that is now; neither former wives, nor fiancées, wivesto-be, are wives; there is no ex-wife, neither future wife. In the Continental European law this legal positivism viewpoint is allegedly embodied in the words of Parisian professor Jean-Joseph Bugnet (1794 – 1866): “Je ne connais pas le droit civil: je n’enseigne que le Code civil. /I am not familiar with the civil law – I only teach the Civil Code./” But, according to jusnaturalists the natural law is the only true law, with authority higher than that of any earthly government, and, accordingly, was always valid, is valid now, and will be valid always and everywhere, while the positive law is valid only in a specific time and place, and even then only if aligned with
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the natural law. But, what is validity anyway, including the validity of legal norms? What is the nature of this existence of law, legal norms and legal acts? There are different conceptions of the validity of law. Most often the validity is interpreted in relation to its binding nature, and it is declared that a legal norm is valid by being binding. This is not completely true. Firstly, every legal norm, as it has been previously stated, is not only binding, but also empowering, legally enabling; it determines both the legal obligation (or duty), and the correlating legal empowerment (whether a right or competence). The concept of law as positive law, and the validity as the obligation to do or to refrain from doing something – is prevalent, since it corresponds to the authoritarian concept of law as imposing of obligations, which has been the prevalent legal reality in the entire legal history and legal tradition of the mankind. But other concepts exist, from Schelling, who understands the law as the allowance, the act of allowing to do what is practically possible and confirms the freedom (Schelling 1795: § 65 I 183), through the similar concept of law as the allowance to act, adopted by Serbian legal philosopher, professor of natural law, writer, comediographer and rhetor Jovan Sterija Popovic´ (1840/41: § 15, §20), to other different philosophies of law and human rights (Basta 1994; Haarscher 1987). And, secondly, legal obligation as well as legal empowerment (right, human right, freedom, competence, privilege etc.) are answers to the question on what legal norm means, what is the meaning of legal norm, the question regarding the meaning-related content of legal norms, and not the answer to the question whether it is valid, the question regarding its validity-related existence. The conception of validity of legal norm which equates its validity with that what ought to be according to the content of that norm is similar with the previous conception that legal norm is valid only when (or only if) it is binding. It is said that norm is valid because as an imperative, a commandment, it expresses not the state of being (Sein), what is, but what ought to be (Sollen). Here we actually also focus on meaning, meaning-related existence and content of norm, which expresses normativity and is normativity, either as an obligation or as an empowerment, but eo ipso is not validity. It should be said that law and legal norms can be conceptually reduced to imperatives, commandments, but this authoritarian concept, although widespread among legal professionals, is neither epistemologically nor practically the most plausible one (Hasanbegovic´ 2006). The sense and purpose of meaning-related existence expressing something which is not, which does not exist in material reality and which adds a specific normative meaning to the same material reality, hence, lie not in describing and explaining the said reality through that meaning, but in changing it in accordance with the manner and objective determined by that meaning. So, if the material reality is changed in manner and with the objective determined by the meaning of the norms, if the meaning-related existence of legal norms is active, exertive, effective and efficient, if it is implemented, then the legal forms have a validity-related existence, they are valid. Only then legal norms are more than just words on paper, or signs with no impact
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on reality, and they are not the anomic and anarchic behaviours, different from, and even opposite to, the ones determined by the content of the meaning of norms. Validity-related existence of law, i. e. legal norms is reflected in their efficiency, effectiveness, their implementation, their constant materializing in the reality in line with their normative meaning. However, since legal order – and, in its framework, the legal system – is a complex autopoietic order, the validity-related existence as the actual or sought scope or intensity (i. e. force or power) of validity or effectiveness of law, i. e. legal norms, remains different not only in the case of natural and positive law, as previously stated, but is also different within the framework of each of these orders, especially the ones of the positive law, among the elements of a single order. Namely, first and foremost, the very idea of norm as a rule intended for human practice, the rule of human behaviour, norm as a meaning which exists neither to describe or explain that behaviour, nor to simply state how it ought to be, but to also support its implementation, places the validity-related existence of norm, its effectiveness, in the focus of attention. And precisely in order to additionally encourage the effectiveness of behaviour rules, additional rules, being rules on sanctions, are attached to basic ones, with the goal of, on one hand, eliminating as far as possible the negative consequences of the breach of basic rules, and, on the other, encouraging the respect, implementation of the same rules. The rules on sanctions are, thus, the first characteristic of the autopoietic nature of any given order, which contributes to the survival of order, while making it considerably more complex. This also indicates the close link between validity as the effectiveness of legal norms and their implementation, but also the meaning and limits of enforceability of implementation i. e. validity of legal norms. Also, growing number of norms in every legal order inevitably impose a need for their mutual alignment, whether by identifying different meaning scopes for different norms, or by removing specific norms from the order, i. e. by depriving them of their validity, effect, positive legal nature. This, in turn, enforces the autopoietic nature of order, since it leads to the creation of rules on creation of rules, rules on interpretation of rules, rules on implementation of rules, briefly put, rules on rules, which makes the order more regulated, i. e. more complex, and, at first glance paradoxically, can make it less effective or even ineffective and transform it into its very opposite: state of anarchy and anomy lacking any valid rules. This is why – again at first glance paradoxically – the validity-related existences of legal norms and legal orders are not assessed according to the same principles. Legal norms are, in principle, valid (i. e. a part of positive law) if each individual one is aligned to higher norms. However, a legal order is valid (is a positive legal order) if the whole of legal norms within it, observed grosso modo, is efficient, effective. Finally, the aforementioned criterion of validity of legal order, its efficiency, effectiveness, indicates the problem of alignment of basic elements of every normative and especially legal order: namely, legal norms and (dis)respect thereof. Can a long and continuous period during which the norm is not implemented, its desuetude (des-
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uetudo), turn that legal norm invalid? Can long-lasting and continuous behaviour create a legal norm, i. e. a legal custom as a new source of law? Even the most developed contemporary legal orders, for example, the Canadian, British, French or US ones, do not provide convincing, unequivocal answers to these and related issues (for example, the answers to the questions if there are the desuetude of the prohibition of duels, the desuetude of the prohibition of the use of contraception in marriage, the desuetude of the prohibition of sodomy etc.; and the answer to the question if the widespread practice of homosexual partnerships has gained a new legal status, i. e. has a specific legal effect when compared to heterosexual partnerships etc.; Sunstein: 2003). The concept of law does not have to be reduced to the positive, currently valid law, but can be understood in a more general manner: as past, present and future positive law. But, even this wider concept of law can be additionally extended to cover natural law (ius naturae, ius naturale) and laws of nature (leges naturales, leges naturae), which can also be divided into historical, present and future natural law, and compared to the appropriate sections of the positive law. Such a wide conception of law, which is necessary not only for any philosophical discussion of law, but also for any critical, e. g. scientific deliberation of law, whose scope is not limited to the legal dogmatic picture of positive law, is almost impossible if we fail to take into consideration the value-related existence of legal norms. The fourth aspect of legal norm existence is value-related. A legal norm not only exists materially, means and is valid, but it also possesses a value. What is the relationship between the value-related, validity-related, meaning-related and material existence of a legal norm? The value-related existence of law is not usually emphasized, but rather implied. So those in favour of legal positivism consider only the current, valid, i. e. positive law as the law, which, according to them, has a value simply by effect of being valid. Even from the lexical point of view, in the ordinary language – at least in Indo-European languages – there is a close, almost indistinguishable link between valid and valuable. Extreme legal positivism, according to which legal norm has value simply by effect of being legal, valid, is reflected in the position that the law is respected due to the fact that it is the law, regardless of its content, i. e. its severity, dura lex, sed lex (sec. Ulpian D. 40. 9. 12. 1). The value of the law, i. e. legal norm is derived from the simple fact that it is valid, that it possesses a validity-related existence, but this value is actually rooted in either the will, i. e. authority of the author of the law, i. e. norm, or in the position that any law is preferable to anomy, i. e. any rule, any principle preferable to anarchy. Passions are older than the laws (cupiditates prius natae sunt quam leges – H. 34. 4. 8), stated Titus Livy, so the law is adopted precisely to suppress them. In any case, the consequence of this positivist viewpoint is that the value of the law and the general legal regulations framework is not questioned, nor disputed. The position of jusnaturalism is completely opposite. The natural law primarily possesses value, and is accordingly, valid due to that value. Hence, it derives its val-
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idity from its value, and out of the same reason aspires to be universally valid – always and everywhere. In the extreme jusnaturalistic viewpoints the natural law even derogates, declares void, the positive law with contradicting content. The so-called Radbruch formula is a current example of such a rule (Schünemann: 2013). What do we mean when we say that a legal norm has a value? The link between legal norm and value is manifold. Legal – as any other – norm is created precisely in order to trace a road to a specific end-value and to indicate the manner of achieving a specific objective-value, so every norm is valuable as a means to an end it serves, but it can also have an independent value, value-in-itself. It is usually considered that justice, together with fairness, is the ultimate legal value, and, as ultimate, it always encompasses and implies a system of values characteristic for each society, i. e. legal order in a given moment in history. This system of values corresponds to the ruling, or at least prevalent worldview, as well as ideological and jusnaturalistic views of that specific society in that specific period, views which usually aspire to validity in the future and outside of the boundaries of that society, thus aspiring to be spatially universal and timeless. The value-related aspect of the existence of legal norm implies all its other aspects, and it can respectively relate to and value each one of them. When discussing the materialization of legal norms, the question arises whether it is preferable to standardize these norms through words, signs, or to simply allow the use of the existing unwritten customary law rules and refrain from codifying them for the time being; whether the text of the norm is clear and concise, whether the style is appropriate; whether the signs have been well selected and appointed to appropriate positions etc. The meaning-related existence of a legal norm is also valued and assessed in practice, through interpretation (and not only purposive or teleological interpretation), and in legal science and philosophy. It suffices to keep in mind that centuries and centuries of extremely meticulous work by generations of wisest and most prominent lawyers were necessary to create and refine many legal rules which today’s lawyers perceive as self-evident (Hasanbegovic´ : 2013). Finally, the valuing, as it was mentioned in the Radbruch formula example, influences the validity through meaning. But, validity as (in)effectiveness of legal norms is also valued and assessed in other ways, which then provide the basis for changes in law, such as legislative or judiciary reforms, or changes in court practice, in penal policy of courts etc. The links between different aspects of the existence of legal norm (material, meaning-related, validity-related and value-related), due to the complexity of the proper phenomenon, constantly defy analysis, which, in turn, inevitably imply epistemological simplification and reduction. These linkages enable us to shed a new light on the already familiar insights regarding the limits and difficulties of human activity focusing on standardization of human behaviour. As with any human standardization, the limits of legal standardization are primarily determined by natural laws. There is no sense in standardizing something belonging to the sphere of necessity, since we are then demanding either the impossible, or the unnecessary,
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i. e. redundant, having in mind that it necessarily happens (e. g. to order people to, or prohibit them from breathing, or dying, or feeling). There is no sense in standardizing the absurd – either in the sphere of language, thought or logic. There is also no sense in standardizing everything that is possible, but legally irrelevant (e. g. a specific body weight, or hair colour). But, these limits are difficult to identify since they are constantly shifting, primarily owing to human knowledge and its application. Hence, the medical knowledge on the way of HIV virus is transferred can introduce – with the threat of penal action – the legal prohibition of sexual intercourse for the infected even in the case of heterosexual adults, which has never been prohibited before in any legal order. The De Lolme’s statement that Parliament can do everything but make a woman a man, and a man a woman is nearly proverbial (De Lolme 1771). But, two centuries later, developments in medicine have enabled the English Parliament to do exactly that. Medicine might enable the actual sex reassignment surgery, but only the Parliament can turn John into Joanna or vice versa by power of law. Of course, the psychological and social issues attached to the change of sex and gender identity remain, as well as the issue related to the recognition, i. e. social, cultural and individual acceptance of that change, but it is largely impossible or senseless to legally resolve those. The imperative: “Let’s be realistic and demand the impossible!” is senseless as a legal imperative, but as a political demand by Parisian students in 1968 it was sensible, realistic and effective. The request or demand: “Allez voir si j’y suis! [Go to see if I am there!]” – is meaningless from linguistic point of view, and at first glance completely logically impossible, but has its purpose in the everyday language, and has served to communicate to a specific person in both the Parisian and Belgrade slang that we wish to be rid of their company. However, through development of psychoanalysis this imperative has become a psychoanalytical postulate: it represents a patient’s silent cry for help to a good psychoanalyst, who, according to this postulate, has to seek and can find a painful spot in patient’s soul only elsewhere, buried deep in the patient’s unconscious, and not here, i. e. in patient’s consciousness (Todorovic´ 2009). Still, legally it, of course, remains a meaningless imperative. Legal standardization is made complex not only by the shifting limits of knowledge and its implementation, but also by the consideration of all four aspects of the existence of legal norm. Thus, within the boundaries of possible standardization, outside of the scope of natural laws, i. e. the sphere of necessity, hence, in the sphere of freedom, the said sphere can, through intersecting of these four aspects of legal norm existence, be divided into a coordinate system based on two principles: the first, what is not and what is regulated by legal norms, and the second, what should and what should not be regulated by legal norms. The coordinate system thus has four fields: first, that which is not, and should be regulated by legal norms = legal gaps; second, that which is, and should be regulated by legal norms = a part of positive law (but it should be noted that the fact that these human relations, i. e. human behaviours are and should be regulated by legal norms still does not mean that they are – either taking into account realisation of the aimed at legal values, or the best way of materialization, expression of those norms, or from the viewpoint of their validity as effective-
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ness, i. e. their good or at least best possible application); then, third, that which is, but should not be regulated by legal norms (i. e. human conduct that should be left to nonlegal regulation, e. g. sport, moral, professional regulations etc.) = this is so called abuse of legal regulations; and, fourth, that which is not and should not be regulated by legal norms = this is the so-called judicial free area. Legal practice of creation and application of law, as well as legal doctrines – dogmatic, scientific and philosophical – depend on the aspects of the existence of legal norm taken into consideration in analysing those norms, depend on the legal knowledge, education, consciousness, lawyer’s ethics, legal tradition and culture. Whether legal norms will exist, and in what form, depends on all of the aforementioned. Normatively refined legal solutions transplanted (Watson 1974), for example, through the so-called harmonization of regulations into value-wise fundamentally different legal orders result in, from the viewpoint of legal life and legal reality, unrecognizable solutions even in areas predominantly free of political influence, such as consumer protection (Karanikic´ Miric´ 2013). And how the reform of Serbian judiciary has turned, in the authoritarian hands of arrogant law ignoramuses wearing democratic gloves, into an undemocratic transitional involution and legal contra-revolution with numerous examples of legal pseudo-debility will be discussed elsewhere. Bibliography Anscombe, G. E. M. (1958): On Brute Facts, in: Analysis 18/3, pp. 69 – 72. Aristotle (1933): Metaphisycs (Books 1 – 9), Gr.-Engl. ed., translated by H. Tredennick, Loeb Classical Library No. 271, Cambridge (Mass.)/London. ¢ (1935): Metaphisycs (Books 10 – 14), Gr.-Engl. ed., translated by H. Tredennick, in: Aristotle, Metaphisycs (Books 10 – 14), Oeconomica. Magna Moralia, Loeb Classical Library No. 287, Cambridge (Mass.)/London. ¢ (1938): On Interpretation, Gr.-Engl. ed., translated by H. P. Cooke, in: Aristotle, Categories. On Interpretation. Prior Analytics, Loeb Classical Library No. 325, Cambridge (Mass.)/London. ¢ (1957): On the Soul, Gr.-Engl. ed., translated by W. S. Hett, in: Aristotle, On the Soul. Parva Naturalia. On Breath, Loeb Classical Library No. 288, Cambridge (Mass.)/London. ¢ (1976): Posterior Analytics, Gr.-Engl. ed., translated by H. Tredennick, in: Aristotle, Posterior Analytics. Topica, Loeb Classical Library No. 391, Cambridge (Mass.)/London. ASDF Association suisse pour led droits de la femme, Schweizerischer Verband für Frauenrechte (Hrsg.) (2009): Der Kampf um gleiche Rechte – Le combat pour les droits égaux, Basel. Barrett, A. A. (1990): Caligula: The Corruption of Power, New Haven. Basta, D. (1994): Pravo i sloboda [Law and Freedom], Novi Sad. De Lolme, J.-L. (1771): The Constitution of England, ed. by D. Lieberman, Indianapolis 2007.
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Anfänge des Rechts* Von Leonid Mamut, Moskau I. 1. In meiner Mitarbeit an dem Entwurf einer neuen russischen Verfassung, über die ich seinerzeit in der Zeitschrift Rechtstheorie berichtete1, habe ich im Umgang mit der Positivität des Rechts zwei Beobachtungen gemacht, auf die ich gleich eingangs hinweisen möchte. Ich gehe (i) davon aus, dass Recht und Gesetz (das letztere wird seltsamerweise seit vielen Jahren als das ,positive Recht‘ bezeichnet!) keine wesensgleichen Erscheinungen sind. Was das Thema ,Gesetz‘ (inklusive ,Gesetzgebung‘) angeht, erkennt man sofort, daß das Gesetz sehr viel einfacher beschaffen ist als das lebendige Recht. Jedwedes Gesetz läßt sich außerdem sehr viel einfacher realisieren. In Wirklichkeit ist das sog. positive Recht, soweit es sich der Gesetzgebung verdankt, nur ein Inbegriff der Gesamtheit verschiedener Gesetze und der ihnen entsprechenden, von ihnen abgeleiteten untergesetzlichen Rechtsvorschriften, wie auch immer es verbrieft und fixiert wird. Diese Gesetze und Rechtsvorschriften werden von den bevollmächtigten Organen vorbereitet und durch besondere Prozeduren geregelt. a) Gesetze und die diversen untergesetzlichen Rechtsvorschriften haben in der Regel normativen Charakter; ihre Regeln sind obligatorisch für diejenigen Subjekte, an die sie als offizielle (generell-abstrakte) Muster des äußeren Verhaltens gerichtet sind. Weicht das Verhalten der Adressaten von dem normativ Unabdingbaren ab, so können die entsprechenden, hierzu befugten Institutionen der Staatsgewalt Zwangsmaßnahmen anwenden. Das ist dem Grundsatz nach schon alles, was die Gesetzgebung bzw. das positive Recht angeht. Dahingestellt bleibt allerdings die Analyse der Beurteilungen und Bewertungen, die in Überlegungen zum Thema Gesetz bzw. zu den untergesetzlichen Regelungen immer präsent sind. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die andere Argumente voraussetzt oder doch impliziert. b) Die Frage nach den Anfängen des Rechts gehört (ii) in die Domäne der Rechtsphilosophie. Die Zeit an sich, wie auch der Raum, sind und bleiben Gegenstand der Philosophie, weil Begriffe wie ,Genesis‘, ,Entstehung‘, ,Anfang‘ genuin *
Übersetzt aus dem Russischen von Professor Sergej Korolev. Leonid Mamut, Politische Leitideen und ihre rechts- und staatstheoretischen Voraussetzungen im Verfassungsentwurf der Russischen Föderation, in: Rechtstheorie 22 (1991), S. 250 – 271. 1
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zeitliche Kategorien sind. Allerdings ist alles Recht, inklusive das werdende oder emergente Recht, in erster Linie eine Spezialität der Rechtswissenschaft. Daraus folgt, daß der Anhaltspunkt allen Rechts im Grenzgebiet zwischen der Philosophie und der Rechtswissenschaft liegt. Wir sind hier, offen gesagt, mit einem dunklen Wissensbereich konfrontiert, der von der Wissenschaft nicht hinreichend erschlossen ist. Aber es ist schon jetzt klar, daß das Thema ,Anfänge des Rechts‘ keineswegs in gerader Linie von dieser „Grundfrage der Philosophie“ abstammt. Ob das Sein oder das Bewußtsein primär ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil es für unser Thema nicht von zentraler Bedeutung ist. Das Forschungsziel und die Erkenntnisinteressen liegen ganz woanders.
II. 1. In vielen Nationalstaaten des vorigen Jahrhunderts herrschte die marxistischleninistische Ideologie. Sie war obligatorisch. Nach dieser Ideologie wird das Recht als Gesamtheit der sozietal relevanten Normen hingestellt, die von dem jeweiligen Staatsapparat produziert werden. Das Recht erscheint in dieser Sicht als Element oder Produkt des gesellschaftlichen Bewusstseins. Der historische Materialismus, die Basis-Überbau-Doktrin und die Klassentheorie haben das 20. Jahrhundert überdauert und ihre Zähigkeit erwiesen. Bis heute sind Rückfälle auf diese Ideologien zu verzeichnen. Sie finden Verwendung für die Interpretation fast aller sozialen Institutionen ¢ außer den vorstaatlichen. Allerdings kann das simple Kopieren und Wiederholen, auch wenn es mit einigen Novellierungen verbunden wird, keineswegs als Wahrheitsbeweis verkauft werden. Schon früher gab es ernste Argumente gegen die genannten Ideologien. Heute erscheint eine Vorgehensweise im Sinne der totalitären Ideologien noch sehr viel weniger zumutbar. a) Es bleibt nichts anderes übrig, als sich nochmals in die Tiefe des genannten Problems zu wagen. Hier sind wir aber mit dem bekannten Verhältnis vom Ontischen zum Gnostischen konfrontiert. Es ist ein unzertrennbares Paar. Keines von beiden ist als vereinzelte Kategorie existenzfähig. Das bedeutet aber keineswegs, daß sie wesensgleich sind und als Synonyme behandelt werden können. Das Ontische behält die Dominanz, das Gnostische hängt ab von dem jeweiligen Inhalt des Ontischen, geht aber nimmer im letzteren auf. b) Ich wiederhole, daß die Kopula „Sein (= das Ontische) + Bewußtsein (= das Gnostische“) keineswegs den Antagonismus der beiden Elemente impliziert. Die Kopula bezeugt nur, daß diese Elemente im einheitlichen Ganzen vereinigt sind. In dieser nichtantagonistischen binären Einheit werden menschliche Tätigkeit und menschliches Bewußtsein theoretisch ausdifferenziert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Individuum, eine Gruppe oder die ganze Gesellschaft anvisiert werden. 2. In philosophischer Sicht kann das menschliche Handeln als Form der Existenz in der sozialen Wirklichkeit beschrieben werden. Gleichzeitig findet durch das
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menschliche Handeln ein Vorgang der Kopplung von Subjekt und Objekt statt. Dieser Vorgang zielt auf Umgestaltung und Korrektur der jeweiligen Typen des sozialen Handelns von Menschen. Irrelevant ist dabei, ob ein Einziger, eine Gruppe oder die Gesellschaft agiert, sofern sie dazu in der Lage sein sollte. Anders gesagt, ist die Wirklichkeitsnähe dieses Vorgangs vor allem vom Ziel abhängig, welches das Subjekt vor Augen hat. Außerdem müssen die Vorgehensweise und die entsprechenden Mittel, zu denen auch Kommunikationsmedien gehören, dem anvisierten Ziel angemessen sein. Die Tatsache, daß die natürliche menschliche Tätigkeit intentional, das heißt zielgerichtet ist, bezeugt zugleich, daß das menschliche Handeln auf dem Gnostischen basiert. Das Bewußtsein bildet also die innere Seite der menschlichen Tätigkeit. a) Es stellt sich somit die Frage: Was soll hier diese langwierige „ontisch-gnostische Geschichte“? Es versteht sich von selbst, daß das gesellschaftliche Sein im Ontischen aufgeht; das gleiche Verhältnis gilt für das gesellschaftliche Bewußtsein und das Gnostische. Die Antwort lautet: Ohne präventives Angehen und Aufarbeiten dieser philosophischen Allgemeinheiten, die im Großen und Ganzen schon ergründet sind, erscheint es unmöglich, den Weg zur Klarstellung der echten Anfänge des Rechts zu bahnen. Gemeinplätze wie die, daß die Wurzeln des Rechts im Sozialen verankert sind, daß das Rechtsbewusstsein von der Gesellschaft getragen wird, sind zu spärlich, um zu den Quellen des Rechts vorzudringen. Und doch erscheint es unvermeidlich, ohne Metaphern auszukommen. b) Das Soziale an sich ist komplex und besteht aus vielen Systemen. Das soziale Dasein (in jedweder Form) involviert das gesellschaftliche Sein, das gesellschaftliche Bewußtsein und noch eine Menge dazwischenliegender Formen des Erlebens und Handelns. Dieser Schematismus wurde keineswegs von Marx und Engels erfunden. Er gehört zu den allgemeinen Universalien, falls es sie geben sollte. In welchem Versteck steht dann die Wiege des Rechts? Das ist ein Rätsel, das noch auf seine Lösung wartet. 3. Es genügt nicht zu sagen, daß das Recht eine Facette oder eine spezifische Form des gesellschaftlichen Seins ist. Es gibt eine Menge von anderen Facetten, die das gesellschaftliche Sein charakterisieren. Die ganze Kunst besteht ja eben darin, in diesem Sein eine Bodenschicht zu finden, aus der das Recht ,keimt‘. Ich bin fest davon überzeugt, daß die menschliche Tätigkeit als diese Bodenschicht fungiert. Gerade durch das menschliche Handeln wird das menschliche Dasein geprägt. Vorgegeben sind nur menschliche Bedürfnisse und menschliches Handeln. a) Allgemeingültig erscheint die These, daß die menschliche Tätigkeit zielgerichtet ist. Der Mensch kalkuliert seine Pläne, Bedürfnisse und Motive des Handelns. Er erwägt und bewertet Wege und Mittel seiner Tätigkeit. Im Regelfall handelt er in bewußter und zweckmäßiger Weise. Nicht nur das Ontische, sondern auch das Gnostische ist immer präsent in dieser Tätigkeit. Dieses Axiom scheint ganz trivial zu sein.
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b) Im Gegensatz zur archaischen Idee, daß das Recht das Produkt irgend einer gehobenen geistigen Sphäre der gesellschaftlichen Beziehungen sei, erscheint es heute eher angebracht, die handlungsbezogenen Facetten der Emergenz des Rechts zu betonen. Diese Vorgehensweise entspricht den aktuellen Erkenntnissen und Bedürfnissen der Gegenwart. Durch seine Tätigkeit wird der Mensch in die gesellschaftliche Praxis einbezogen, welche ständig die Welt verändert. Diese Einbeziehung ermöglicht unter anderem das Interagieren zwischen dem Sozialstaat, der verschiedene Leistungen erbringt, und dem Individuum, das diese Leistungen zu erlangen sucht. III. 1. Recht ist kein Spielplatz, auf dem man sich Aktivitäten ohne Regeln hingeben könnte. Ganz im Gegenteil! Das Recht ist durch und durch normiert. Die Rechtseffizienz ergibt sich daraus, daß das Recht ein wohlgeordnetes System von Maßstäben und Medien ist. Dieses System ordnet an, wie das Rechtssubjekt zu handeln hat, was es unterlassen und in welcher Weise es vorgehen soll, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Auch und gerade wenn man über irgendwelche Etappen der Emergenz des Rechts nachdenkt, darf man sich keineswegs über die handlungsbezogenen Modalitäten des Rechts hinwegsetzen. a) Abgesehen von der Anomie, bei der soziale Beziehungen in einem (determinierten) Chaos aufzugehen drohen, bleibt jedes soziale System, jede Kultur und auch jede normativ-soziale Kultur, insbesondere jede Rechtskultur gänzlich durch sozial vertretbare und vertretene Schemata und Maßstäbe vernetzt und gesteuert. Jede Handlung, die sozial gestützte und geschützte Verhaltensmuster und Handlungsschemata angreift, wird von der Rechtsordnung ausgegrenzt. Die genannten Orientierungsmuster und Schablonen sind da, um diverse Hindernisse zu vermeiden oder zu vermindern, mit denen das Rechtssubjekt ständig konfrontiert wird, wenn es sich zur jeweiligen sozial relevanten Handlung entschließt. Auch auf jeder Emergenzstufe bringt das Recht stets seine Normativität zum Vorschein und steht in einem besonderen Verhältnis zum gesetzten Recht mit seinen Gesetzen und untergesetzlichen Rechtsvorschriften, die von den kompetenten Staatsorganen hergestellt werden. b) Das intime Verhältnis zwischen dem Recht im weiteren und wahren Sinne des Wortes und dem gesetzten Recht, insbesondere dem Gesetz, wird oft mißbraucht, wenn man gewohnheitsgemäß oder absichtlich Recht und Gesetz zu vermengen sucht. Ich muß aber wiederholen, daß Recht und Gesetz keine wesensgleichen Erscheinungen sind, obwohl sie oft die gleichen Ziele verfolgen. Recht und Gesetz sind Verbündete, wenn das jeweilige Gesetz basale Aspekte des Rechts mitgestaltet und reglementiert. Das Gesetz wirkt dabei als Rechtsvermittler oder, wie man heute in der allgemeinen Theorie von Recht und Staat sagt, als normatives Kommunikationsmedium, das dem Recht zur vertretbaren offiziellen Schutzform verhilft. Das gilt allerdings nur für das sog. Rechtsgesetz. Manche Gesetze können immerhin
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Rechtsneutralität bewahren. Es gibt aber auch rechtswidrige Gesetze. Auf jeden Fall ist und bleibt jedes Gesetz ein Produkt des Gesetzgebers. Recht erscheint aber immer als Ergebnis des sozialen Interagierens von Rechtssubjekten. c) Wir dürfen uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß jede gesetzliche Regel und jede Rechtsnorm nur ein Unterfall der Kategorie ,Sozialnorm‘ ist. Jede Sozialnorm zielt durch ihre Anordnung auf Dominanz und Effizienz. Aber das ist ein besonderes Thema, auf das hier nicht näher einzugehen ist. 2. Soziale Verhaltensmuster können, unabhängig davon, ob sie im Recht oder im Gesetz verankert sind, ihr duales Wesen nicht verbergen. Jede Sozialnorm ist gleichzeitig deskriptiv und präskriptiv. In dieser Hinsicht können alle Sozialnormen gleich behandelt werden. Es gibt aber grundsätzliche Unterschiede. a) Erstens unterscheiden sich Rechtsregel und Gesetzesregel voneinander durch ihren Ursprung. Zweitens unterscheiden sie sich durch die jeweiligen Bedingungen, Mittel und Methoden ihrer Anwendung und Wirkungsweise. Drittens besteht ein großer Unterschied zwischen Rechtsverantwortung und Gesetzeshaftung. Im letzteren Fall wird eine bestimmte staatliche Sanktion angeordnet, der zufolge der jeweilige Gesetzesbrecher die unangenehmen Folgen seines devianten Verhaltens zu erdulden hat. Die Gesetzeshaftung kommt also immer von außen oder von oben, d. h. von der Staatsgewalt. b) Ganz anders wirkt die Rechtsverantwortung. Wenn jemand gegen eine Rechtsregel verstößt, dann trifft ihn die Rechtsfolge unmittelbar in dem Sinne, daß er sich selbst automatisch aus dem jeweiligen Rechtskreis, aus der Gemeinschaft der billig und gerecht denkenden Menschen ausgrenzt. Die Rechtsverantwortung läuft also für den jeweiligen Rechtsbrecher auf die Einschränkung seiner Rechtsbeziehungen hinaus. Rechtsbeziehungen können dynamisch sein und sind es auch meistenteils. Gesetzesbeziehungen sind aber als statisch anzusehen. Sie unterliegen keiner Einschränkungsgefahr; sie können nur von der Staatsgewalt aus der Welt geschafft werden. 3. Ich möchte abschließend ganz kurz noch ein wichtiges Thema wenigstens streifen. Es handelt sich um das Verhältnis zwischen dem Normativen und dem Faktischen. Offen gesagt, kann ich die These von der normativen Kraft des Faktischen, so wie Georg Jellinek sie vertreten hat, nicht unterstützen, weil diese These zur Vermengung des Normativen mit dem Faktischen führt. Setzt man das Normative mit dem Faktischen gleich, läuft man Gefahr, Komplexität und Vielseitigkeit des Normativen außer Acht zu lassen. Wenn man das Normative hingegen nur als eine besondere Manifestation der jeweiligen sozialen Kultur betrachtet, wenn man ,Sachen‘, die uns als Erkenntnisobjekte interessieren, ipso facto als schon geordnet ansieht, dann macht es wirklich keinen Sinn, zwischen dem Faktischen und dem Normativen zu unterscheiden. In der Domäne des Faktischen gibt es aber, so wie ich es sehe, auch solche Variablen, zum Beispiel Handlungen der Menschen, die man Untaten nennt, die keine Beziehung zum Normativen im engeren Sinne besitzen. Wenn das Faktische zum Chaotischen tendiert, verliert es den Anknüpfungspunkt
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zum Normativen. In dieser Diskussion pflichte ich ohne Zögern der Stellungnahme von Werner Krawietz bei. Man muß nach Krawietz das Faktische und das Normative analytisch-begrifflich streng unterscheiden, obwohl Krawietz selbst in seiner dynamisch-funktionalen Betrachtungsweise des Rechts das Factum der ständig mitlaufenden Korrelation und Kovarianz von Normen und Tatsachen betont. Dabei weist er auf die Notwendigkeit einer besonderen und zwar juristischen Instanz hin, die unter Umständen ein endgültiges Urteil darüber fällt, ob und inwieweit das jeweilige Faktische als normativ behandelt werden soll.2 Hier impliziert der Begriff Korrelation die mir sehr sympathische Idee, dass das Normative irreduzibel ist. Das Normative kann unmöglich im Faktischen ohne Rest aufgehen.
2
Werner Krawietz, Recht als Regelsysten. Wiesbaden 1984, S. 133.
Natural Law, Legal Positivism, and the Place of Law as Institution* By Massimo La Torre, Catanzaro I. Preliminary A central topic of jurisprudence, legal theory and philosophy of law is the controversy and distinction between natural law and legal positivism. This topic is central because what is here at stake is the concept of law, that is, what the law is – indeed an issue that can hardly be skipped by anyone asking for the law to be applied. But why should a conceptual question be of interest to lawyers and students of law and not just remain an issue of idle disputes among philosophers? Why should we engage in considerations and a discussion that does not seem to have a concrete bite on specific legal problems and cases? Well, first of all a special feature of legal practice could be stressed. This is that it, the legal practice, aims to, and is often concluded by, or leading to, a definition of what the law is, though this is usually done with reference to a particular occasion. People have studied and study law to be able to earn a living by saying, by declaring what the law is. But what the law is is a matter of controversy. As a matter of fact a legal case somehow is a fight about what is the law that should be declared to be the law. Moreover, the fact that the law defines is not some piece of material, hard reality, somewhat a stone; it is not an item of brute fact, something like a thunderstorm or an earthquake. The reality the law defines is somehow immaterial. In particular, in the law what the law is indeed is what the law should be, ought to be. The law is its normativity. It is made – so to say – of normativity. Now, normativity is not easy to be identified, to be spotted. People somehow need to agree about it. It is not just there; it should be endorsed. So that it depends on what people believe it is. In the end, in the case of law, it partly depends on what we believe and judge law is. Law is without truth, but there is a truth of the law without truth which is indeed not a matter of decision. It is a matter of discourse. In this way, * Previous versions of this paper have been given at the Conference “Normes et institutions: nouveaux enjeux, nouveaux regards”, Université Paris Ouest Nanterre, 2 – 3 April, 2012 at a Workshop on “Ontology and Politics of Institutions” at the University of Begrade, 29 – 30 April, 2013, and at the University of Klagenfurt, 14 May 2013. I am grateful to Kurt Bayertz, Noel O’Sullivan, Luis Peres Coutinho, Peter Strasser, and Tony Ward for several useful comments.
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but perhaps only in this, we could say that law is self-referential.1 If this is our phenomenological position in front of law and the search and fight about its definition, we could now see the controversy about natural law and legal positivism not only as a matter for legal philosophers isolated in ivory towers or in philosophy departments, but also as an issue for the practicing lawyers and the courts. “Any reading of law is an explanation of law.”2 This is a view confirmed by practice. But then, if law somehow is its definition, a conclusion we could plausibly draw is that law is its philosophy. Law is a philosophy of law, and nonetheless it is not a matter of just interpretation. If there is an “essence” of law, one element of it is its own interpretation. II. Natural Law and Legal Positivism Let us start with a short explanation or interpretation of the opposition between natural law and legal positivism. We could interpret this distinction in at last three different ways. (i) In a first way, natural law as a body of rules independent from human will is contrasted against positive law (the law according to legal positivism) as prescriptions fully dependent on human will. Here the distinction between the two kinds of law is sometimes considered to be equivalent to that between premodern and modern law. “The modern age – says Hannah Arendt – believes that truth is neither given nor disclosed to but produced by the human mind.”3 Verum factum—this is Giovambattista Vico’s famous formula: We do not passively receive truth; we make it. “True” thus could only be predicated of statements concerning entities that we humans are capable to fabricate. Of what we cannot fabricate we are not able to say any truth. Belief on the other side is experienced as will of believing. “True” somehow is what we believe and will that is true. Actually, in such perspective reality itself is a matter of willing. “Das Sein des Seienden erscheint in der neuzeitlichen Metaphysik als der Wille” – says Martin Heidegger.4 Now, if this is the paradigmatic view of the modern age, then its “true” law cannot but be “positive”, the one fabricated by human beings. Accordingly all true law is made law. And a legal rule to be made is an issue of will and decision. Natural law then, a law that we cannot produce, or that is not a matter of willing, that we cannot really make a matter of decision, could hardly be a law of modernity. 1
To say so there is then no need to refer to the baroque legal metaphysics offered by Niklas Luhmann. See for instance his Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1993, and cf. Massimo La Torre, Rules, Institutions, Transformations. Considerations on the ”Evolution of Law” Paradigm, in: Ratio Juris 10 (1997), pp. 316 – 350. 2 M. Oakeshott, The Concept of a Philosophical Jurisprudence, in: Politica, September 1938, p. 204. 3 H. Arendt, Truth and Politics, in: id., Between Past and Future, ed. by J. Kohn, London 2006, p. 226. 4 M. Heidegger, Was heisst Denken?, Tübingen 1954, p. 77.
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(ii) The second way of shaping that distinction is to conceive natural law as a law justified by, and valid in, a special situation (usually thought of not as “historical”, but only as “hypothetical”): the state of nature, while positive law is the body of rules we get produced once we agree (through a social contract) to abandon the state of nature and to enter into a civil state. Historically (in the history of ideas) legal positivism might be seen as deriving by such doctrine, that, in so far as it stresses contractual deliberation as the constitutional moment of a body politic, has been labelled as “contractualism”. A “contract” is something again that human beings construct, “fabricate”, or an artificial model that is used to reconstruct and make explicit the normative claims of political institutions. “Contractualism” could indeed be seen as a version of a constructivist moral and political theory. It could usually take a strong and a weak preemptive form. In a strongly preemptive model, the contractual moment is the mainly requirement that is derived from natural law and the positive rules that are the outcome of the contractual moment fully, or nearly fully, preempt, derogate and replace natural law entitlements. In a less premptive model, contracts are a way of project natural law requirements into the civil state and positive rules are sort of simulations and translation of natural law rules, though positive rules still have a moderate derogating force, that is lost however once a special, more or less high threshold of efficacy has been crossed. (iii) The third possibility is that of natural law as a theory that connects legal reasoning with moral reasoning, while legal positivism insists on the self-sufficiency or autonomy of legal reasoning. Said in different terms, natural law is a definition of what law is that recurs to some moral concept, while legal positivism is a theory of what law is that claims to be appropriate without any reference to morality. In this second version, it is not so much legal reasoning as rather the definition of law’s nature that is related to moral reasoning. Against this version the positivist’s claim is that the mere identification of a rule as positive law would not yet imply any instruction or obligation to follow that particolar rule (“descriptive” or “methodological” positivism). It is the view of positive law as implicitely basing on a stronger source of normativity the one that mostly worries lawyers and jurisprudents. As matter of fact some kind of implicit law is acknowledged even by the most ardent defenders of positivism. Here there are however radical exceptions that somehow reveal the decisionist core of positivism. For instance, the late Kelsen, against his previous convictions, ends up denying the validity of implicit logic rules within positive law.5 But usually lawyers do assume a great range of implicit rules, for instance the one concerning grammar and linguistic propriety. Elements of implicit law thus are recognised by the bulk of positivists. The serious issue at stake is not so much the implicit nature of some rule, nor either the possible derivation of those rules from a hypothetical social contract, but rather whether in order to give meaning to a rule in a concrete case we could colour it – so to say – by means of moral judgment. The relationship be5
See H. Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, Wien 1978.
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tween justice and legal validity is something that is ever present before the lawyer’s eyes, and it is here that contrasting natural law against legal positivism makes a difference for legal practice. III. Four Kinds of Definition Usually, we have four types of definition of law. These are (i) structural (ii) functional, (iii) ontological, and (iv) normative. Let us skip here the thorny issue of the alternative between “nominal” and “real” definitions. However, an epistemically interesting definition, that is, a definition with a claim to some kind of intersubjective validity, cannot just be nominal or “stipulative”. In an argument that has some ambition to truth or explicative power a definition cannot be just a matter of decision or subjective stipulation. And a “lexical” definition to explain whatever “object” it takes to address is fully underdetermined and actually needs a (mostly implicit) “realist” reference. Its epistemic potential will in any case be quite low. For an “explicative” or “reconstructive” definition to be tested through general assertability it would have to drastically reduce its “stipulative” elements. One could thus assume that a definition is an attempt to give an account of the “reality” of its object. By this assumption we are not necessarily bound to adopt an “essentialist” definitional strategy. We may argue that a part of the reality that is the “object” of the definition is given through the interplay and the controversy taking place in the definitional debate itself, without however meaning this to be a mere subjective decisionist game. One could for instance present the concept of law as “essentially contested” and nonetheless claim that this is not a stipulative definition. Now, a structural definition or theory of law is a view of the law according to which this (the law) is to be known or recognized through the form or shape of its components (for instance, through the logical structure of legal rules) and/or through the form of the connection or relationship of such components the one to the other. Paradigmatic of such an approach or definitional attempt are Hans Kelsen’s view of the legal order as a hierarchical structure, Stufenbau, of “hypothetical judgments” concerning the application of sanctions,6 and Herbert Hart’s theory of the legal system as a combination of rules imposing obligations and of rules ascribing powers, that is of “primary” and “secondary” rules, the former addressed to citizens while the latter ask for officials’ compliance.7 Law would be mainly a structured chain of command or else a pedigree certificate. A functional definition of law is one according to which the law is identified or known through a special function to fulfill or end to pursue without however referring to a moral point of view. Instances of this approach are Karl Llewellyn’s theory of the 6 Locus classicus of such a view is the positivist manifesto by Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, Wien 1934. 7 See H. L. A. Hart, The Concept of Rule, Oxford 1961, chap. 3 and 4.
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law as a sum of “law jobs”, or Lon Fuller’s view of law as “enterprise of subjecting human conduct to rules”, and in general all those theories that conceive law in terms of disputes settling.8 A definition aiming to ascertain law as a special kind of “thing” or “entity” could be labelled as ontological. As instances of such approach we could mention Joseph Raz’s theory of the “nature” of law9 or the various attempts of considering law as an “institution”, thought as a special dimension of social reality.10 A normative definition is the one according to which the law is identified or recognized through normative criteria, that is through some kind of ought-requirement or evaluative point of view. Here we might distinguish between (i) strong, and (ii) weak normative definitions. A strong normative definition is one according to which the law is identified through strong normative criteria, that is, through its correspondence to a complete moral theory which is assumed as already justified or true. In the strong version of a normative definition the central idea is that at least a few fundamental rules are completely justified and identified through their derivation from first moral principles or basic goods. Here – to use Deryck Beyleveld and Roger Brownsword’s words – “a law is defined as a rule which there is a moral right to posit for attempted enforcement”.11 A further case for a strong normative definition would be the one that reconnects the aim or role or function that the law is said to serve with the notion of a moral good.12 In this view a “function” would be considered as the law’s proper one in so far as it is an intrinsic, evident good, such as for instance human life and liberty, or the “common good”. A weak normative definition is one according to which the law is identifiable through a weak normative requirement, that is through a claim to justice still to be justified through a complete moral theory. A complete moral theory being (a) a theory that assumes to be justified, and (b) a theory that is such that can offer a substantive solution and a substantive directive without being added any further deliberative moment. For a weak normative definitional approach it is always meaningful to state a proposition of law as true without having yet confirmed its congruence with moral principles.13 What is required is only that a proposition of law could be claimed to 8
See K. Llewellyn, The Bramble Bush, New York 1930, p. 13. See J. Raz, Between Authority and Interpretation, Oxford 2009, especially pp. 91 ff. 10 See for instance N. MacCormick/O. Weinberger, An Institutional Theory of Law, Dordrecht 1985. 11 D. Beyleveld/R. Brownsword, Law as Moral Judgment, 2nd ed., Sheffield 1994, p. 160. 12 “If law is a functional kind then necessarily law serves some good and thus, necessarily, law is in that way related to morality.” (M. S. Moore, Law as a Functional Kind, in: R. P. George (ed.), Natural Law Theory. Contemporary Essays, Oxford 1992, p. 221). 13 Robert Alexy’s proposal could be considered a case of weak normative definition: “The law is a system of norms that (1) lays down claim to correctness, (2) consists of the totality of norms that belong to a constitution by and large socially effective and that are not themselves 9
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be morally true. For the strong definitional attempt, on the contrary, the moral truth of a proposition of law is a necessary condition of its being disposable or set forth as law. IV. Three “Points of View”: External, Internal, Ultraexternal There are at least three main perspectives one could take when considering a practice. There is first the external point of view which deals with regularity and causation. The internal point of view focuses on rules, not on regularities, and on meaning (and on what could be said a “weak normativity”). We may distinguish between a “cognitive” and a “normative” internal point. The former does not imply that the one assuming that point of view should adhere to the values that are expressed in the normativity that is considered. The “normative” internal point of view will on the contrary presuppose that those values are assumed by the subject considering the rules in question. The difference between “weak” and “strong” normativity centers around the different types of criticism their respective violation would justify. In the case of weak normativity there is criticism, but this does not involve an assessment of the integrity of the subject whom the violation is reproached. On the contrary in the case of “strong” normativity criticism implies a reproach against the subject’s integrity. Said in different terms, while to criticism on “weak” normativity could be objected a lack of understanding or training, the same were not believed to be acceptable in the case of a criticism within the domain of “strong” normativity. If I do not speak English properly, I can be criticised, because of my lack of education or proper understanding; this however does not lead to a criticism of my general character as a person. If I am criticised because I haven’t kept a promisse, or if I have stolen something, I will be on the contrary questioned not for lack of understanding, but because of moral carelessness. An ultraexternal point of view deals with obligations and justifications, that is with strong normativity. This perspective is not immediately the one assumed through the internal normative point of view. It is not just the belief in the binding force of a rule. It is rather the perspective that we assume once we ask for a justification of the rules that we have taken for granted from the internal normative perspective. This is in a sense the philosophical perspective, the one that on the one side is able to discriminate between descriptive and normative concepts and that on the other side seeks a foundation for the normative concept and practice in terms of a univer-
unjust in the extreme […], (3) comprises the principles and other normative arguments on which the process or procedure of law application is and /or must be based in order to satisfy the claim to correctness.” (R. Alexy, The Argument from Injustice. A Reply to Legal Positivism, transl. by S. L. Paulson and B. Litschewski Paulson, Oxford 2002, p. 127).
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salizable of what is good.14 “Ultraexternal” thus would here essential mean “counterfactual”. There is need for a coordination of all these points of view, when trying to assert the concept of law. As a matter of fact, lawyers trying to assess the truth of a proposition of law will in the end take all them. (i) We need an external point of view to start our investigation. This is far from trivial. We need a prima facie more or less empirical notion of law to put our feet on secure ground, that is on a concrete area of investigation. A perspective of this kind is involved in the precomprehension of the legal phenomena we have before starting to investigate about its definitive features. A preinterpretative view of law assumes that law is “out there”, and is such that can be looked at. However, an explicit external point of view will have to go beyond common sense epistemology, and build an explanatory model open to assertability and falsification. (ii) We need a cognitive internal point of view to understand what the practice we are dealing with means, to understand its sense. We have however to register not only the content of the rules but also their “point”. Otherwise, we would not be able to have a grasp of what the action or conduct that is guided by rules is and represents. The being of a practice are its rules, but also the point of the “game” that is played, that is of the practice that is carried on, by following those rules. It is the institution implemented by following those rules, but also its “Witz” (that we might call – in a different key – its “idée directrice”15). (iii) We need to assume a normative internal point of view, if we want to act within that practice. Through a cognitive point of view I understand the practice and its rules but I do not yet have reasons to justify it nor do I feel to be bound, “obligated”, by them. I understand them as possible reasons for action, but not yet as actual or valid reasons for action to direct my conduct. To make a further step from the meaning (and understanding) to the justification (and possibly obligation) I need to take a normative internal point of view. I have to consider the rules in questions correct and justified and thus as directives that are binding for my action. (iv) To fully make this passage, from understanding to justification and obligation, the normative internal point of view will require the move to a further perspective location, that is what could be called an “ultraexternal” point of view, which is a counterfactual stance and presupposition, a land of ought – so to say –. This might be conceptualized – I believe – as a kind of “nowhere”, an archimedean point from which to evaluate what we are required to do by rules in explicit terms. The “land of ought” here, or the ultraexternal point of view, is somehow 14
I take this terminology (“ultraexternal perspective”) from Carlos Nino’s book, Derecho, moral y política. Una revisión de la teoría general del derecho, Barcelona 1994, pp. 43 f. However, Nino seems to take into account such “external” perspective only as an epistemological device, without strong justificatory, moral implications. 15 See M. Hauriou, Aux sources du droit: le pouvoir, l’ordre et la liberté, in: Cahiers de la Nouvelle Journée, Paris 1925.
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reached inductively. It is not an exercise of deduction from abstract standards or rational evidences. However, the justification goes beyond a test of fitting of strong normative criteria into the practice of rule-following and will necessarily refer to a strong normative model of justification that has to be found and argued somehow independently from the practice in question. V. Connecting Points of View and Strategies of Definition Now, the four types and strategies of definition above introduced could be considered as interwoven with the three above mentioned points of view. We could say that structural definitions belong either to the external point of view or to the internal cognitive point of view, depending on whether they use and base on the notion of a rule or not. If we claim that a rule is a piece of law’s structure, and have of it a notion of a reason for action, we couldn’t eschew the conclusion that such rule as reason makes sense and can be grasped only or mainly by an actor within a practice, that is from the internal point of view concerning the said practice. We could then say that functional definitions belong either to the external or the internal point of view, depending on how a “function” is conceptualised. If it is seen as systemic, intrinsic to the practice, in the causalist sense, the point of view to take will be the external one. An observer could well assert a function so intended, just by registering the causal chains of the behaviour concerned and their empirical consequences. If however such function is seen as the intention pursued by participants in the practice, or the ideal that is involved in such participation, the point of view assumed will be the internal cognitive one. If, moreover, the function is considered to be intrinsically connected to a moral good or to the whole of morality, the said “function” to be argumentatively supported will have to refer to an “ultraexternal” point of view. Ontological definitions would belong either to the internal point of view or to the external one, depending on how much practice is needed to conceive the essence of law. The latter could be either derived from observation without asking for the meaning and the effective instantiation of a practice, or it could refer to practice as a necessary condition for the meaning of it. Normative definitions on the other side belong either to the internal point of view or to the ultraexternal point of view, depending on how much justification is required to be seen as acting under that rule or standard that is referred to by the normative point of view. We could define for instance a rule as just a reason without moral implications and nonetheless endowed with sort of binding force (for instance natural language rules) or as a reason that excludes other reasons and thus having a moral implication, or we could consider rules as reasons that raise a claim to justice, or as reasons that are just in so far as they can derive from a supreme objective standard of justice.
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To have a full grasp of the complex practice of law, we could plausibly believe that a combination of the four sorts of definitions is required. None of them can alone be considered sufficient for explaining law through an appropriate concept, though the ontological and the normative seem to be the basic ones. However, saying that we need a combination of the four kinds of definition especially amounts to say that we need recur to a normative definition with an ontological underpinning, or, if you prefer, we need complement an ontological definition with some reference to normativity. This seems especially plausible as far as the object to explain and define is law is concerned, since law raises the claim to be binding both for official’s and citizens’s behaviour. As a matter of fact, a normative definition does not exclude all the other sorts of definition; it only claims to work as the completion, the final step, of the definitional enterprise. Let’s take for instance Professor Ronald Dworkin’s attempt of defining the law. He believes that this could be done by pointing out two special dimensions of the practice of law that is here seen as constructive interpretation. These are two steps in the interpretation, and are called: (i) fit, and (ii) justification.16 “Fit” is the correspondence between our statement of what that practice is in a concrete case and we’ll get it through a functional and a structural definition. In this way we could have a prima facie statement of what valid law is for that special case. However, “fit” could still allow for a plurality of true propositions of law for that case. We need to narrow down the scope of “fit”, and reach the one right answer that should in principle be our decision. We should thus enter the domain of justification, to select among the statements that pass the test of fit the one that could be successfully proved against the test of justification. To achieve justification, however, a functional or structural definition of law would not be sufficient, though it is necessary. Here we shall need an additional normative approach and definition. We might however ask if Dworkin could stop here and should not further refer to a concept of law based on an ontological definition of some kind. He sometimes seems to hint that justification is the final step. This conclusion might be plausibly be challenged, once we remember that the justification of a practice can hardly do without inquiring about its “sense”. Rules and functions are both dependent on sense too. Here an ontological definition is needed, though it cannot merely be just an empirical, or a sociological one. We here face the question dealing with the kind of reality a social context of action and social artifacts like rules or rights consist of. VI. Institutionalism as Comprehensive View My contention is that institutionalism, once a liberal – so to say –, concept of institution is adopted, is a jurisprudential approach that can render justice to the complexity of legal practice and the plurality of possible definitions and points of view. A 16 See R. Dworkin, Law’s Empire, London 1986, pp. 255 f. and cf. id., A Matter of Principle, Oxford 1985, chap. 5.
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“liberal” approach to institution could not stress its ontological distinctive quality without referring to the semantics of sentences used to interpret and reproduce its practical implications for actors. And it would also need a strong normative justification, insofar as those practical implications are conceived as testable against standards of correctness or rightness. According to institutionalism – it should be recalled – law’s point is not that of submitting human conduct to prescriptions or rules. Nor is it the one of coordination. Its main point is considered not so much that of allowing that different schemes of action could be undertaken without interfering the one on the other, or that a collective scheme of action could be the outcome of a series of several, discrete individual courses of action. Law’s “function” here has a more pervasive and invasive effect. It has a nearly immediate “ontological” significance, insofar as it’s able to produce “types” or “forms” of conduct, and through the implementation or following of its rules, the correspondent instantiation or “tokens”, that is, concrete conducts, that otherwise (without the law and that law) would not have been conceivable and accordingly realizable. Law’s task therefore is not so much that of controlling social reality, as that of producing it. According to institutionalism the focal case of a rule is the “constitutive”, not the “regulative” one, that is, the rule wich is a necessary condition for the possibility of that conduct it disposes about17. In the law the relevant conduct is not logically independent from its (“constitutive”) rules. Now, one of the traditional faults of institutional theory is its monistic methodological approach, that stretches beyond any plausibility the relevance of a functional definition. Institutionalism can also very seldom be associated with a pluralist view of society that accepts the tension between concepts of the “good” and concepts of the “right”. However, the main problem among institutional doctrines is their recurrent temptation of downsizing moral discourse by replacing it with a self-fixed collective “form of life”. Beyond this it is as there were no possible scope for a judgment of justice and even for a good life. Such limitation nonetheless could be overcome through a larger and more generous notion of institution where the ontological dimension is not considered able to surreptiously produce normative sense and justification. From a “liberal” institutionalist perspective of this kind18 an ontological definition would on the one side comprise a structural and functional definition (and it should make use both of rules and goals, at least as methodological tools); on the other side it should refer to a (strong) normative definition. The latter would be first derived from a reconstruction of the institution as a piece of “is”, that is as an outcome of rules that are a piece of “ought”. The ought of the rules here will not 17 On “costitutive” and “regulative” rules, the fundamental reference remains the book by John R. Searle, Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language, new ed., Cambridge 1969. 18 For an institutionalist legal theory of such “liberal” kind, see O. Weinberger, Norm und Institution, Wien 1990.
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be prescriptive or regulative, but mainly constitutive. Moreover, an institution should have a meaning, a sense, to make the constitutive rule play a coherent role. The sense of the rules is not still fully given either by their linguistic meaning, or by the relationship to other rules, or by their effective observance. There is a Witz – to use Wittgenstein’s expression19 again –, that is the “point” of a game and the corresponding “form of life”. Now, this sense or point – I believe – could be translated into principles and values or better explained in such terms. It’s not here so much that a “point” or “sense” should be assessed through its best possible theory as rather how this “sense” could be related to a concept of what is good, since it refers to a “form of life” that claims to be an instantiation of a good life. Such sense therefore is open to justification, that is to an ought-dimension that this time however will be equivalent or transparent to the strong normativity of morality. Law thus, conceived as an institution, both bases on constitutive rules and refers to a strong normative sense. The latter consists in the end of a body of principles, that is claimed or appealed to in order to give the institution its justification. Here, institutionalism in the version I am proposing takes distance from a Wittgensteinian approach, according to which forms of lifes and institutions cannot further tested against “higher” standards.20 An institution so intended is not a final bedrock for action but can be further tested against a moral theory. It will therefore need both an ontological and a normative definition that have to complement and fit each other. A normative definition alone will not do; institutions are not fully disposable and understandable through principles. Likewise a mere ontological definition will be short of its definitive and comprehensive sense; social reality is not able as such to offer us strong normative principles and to be explainable and translated in terms of a complete moral theory. However, law as institution so intended would allow for a structural and a for functional definition too. Structurally law could be here conceptualised as the combination of constitutive and regulative or prescriptive rules. While morality is a domain of only prescriptive rules, law combines rules that prescribe and direct and sanction human conduct together with constitutive rules that do not prescribe or sanction but that offer new room or scope to human conduct. Seen from this perspective, the specific functional definition would be not so much that of regulating or orienting human conduct as rather that of making human conduct possible as an action, action meaning here a doing that takes place for the sake of its being done. The specific point of the law would thus be that it allows people to act together publicly and so to have a place where they belong to and claim rights reciprocally. Law makes possible for public moral reasoning to have a “space” and thus a “sense”. 19 See, for instance, L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Frankfurt a. M. 1977, p. 237: “Das Spiel, möchte man sagen, hat nicht nur Regeln, sondern auch einen Witz.” (italics in the text). 20 “Das Hinzunehmende, gegebene – könnte man sagen – seien Lebensformen.” (ibid., p. 363, italics in the text).
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Law as institution also has the merit of being able to account for novelty. I mean, it can better explain the emergence of models and courses of action that are not just a matter of coordination, and could not understood as such, that is, that are not the result of coordinating courses of conduct that could however be taken individually and that are only implemented or made more efficient by a coordinated effort of a plurality of actors. Playing in an orchestra is not just a matter of coordination, it is a collective enterprise whose sense has an holistic, comprehensive quality; the same we might say of playing the game of chess or football. Law is a special and eminent example of such kind of collective enterprise. Through law we can thus have produced, as far as relevant aspects of social life are concerned, a novel reality that is not just a sum of individual tokens of conduct. Institutionalism sees this fundamental feature of law and takes good note of it. VII. “Inclusive” and “Exclusive” Positivism (and Natural Law) I believe institutionalism may offer us a solution to the controversy between natural law and legal positivism. To explaining how I think this is possible, a recent debate within legal positivism should be shortly summed up. Within legal positivism there has developed a confrontation within two modes of conceiving the separation between law and morality that is seen as the defining mark of such jurisprudential approach. According to “exclusive” legal positivism morality can never play any role in assessing what the law is. The definition of law does not need any reference to morality nor does it require any sort of legal reasoning. Though moral reasoning is open to lawyers, this will not be specific of their function or practice. The nature of law is fundamentally based on the fact of being authoritative, or better authoritarian, in the sense of being able to impose its own provisions, of being thus factually enforceable; all other properties are doomed as irrelevant for identifying law as such. The nature of law is not considered to be interpretative and therefore is said independent of any public awareness about its existence.21 “Inclusive” legal positivism on the other side consists of the thesis that morality can be incorporated into the law, and so be instrumental to its recognition, if it is explicitly made part of the rule of recognition. Said in different terms, positive law could state that morality be one of its own “sources”. However, “sources” do not need to be “social facts”: they might also be moral principles. In this way the “source thesis” (the pillar of positivism) would still hold, and nonetheless the separation between law and morality would only be a contingent property of the law itself, not its essential and permanent quality. “Separation” will be now reinterpreted as separability between law and morality. In this “soft” or “negative version” “positivism is true, then, just in case we can imagine a legal system in which being a principle of morality is not a condition of legality for any norm: that is, just as long the 21 Cf. J. Raz, Between Authority and Interpretation, p. 94: “Our concept of law does not make an awareness of it in a society a precondition of that society being governed by law.”
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idea of a legal system in which moral truth is not a necessary condition of legal validity is not self contradictory.”22 Within natural law we also find an opposition of two modes of thinking it. We could use the terms “inclusive” and “exclusive” also to label the two views that are confronted here.23 On the one side we find an idea of law as derivable from a supreme moral principle or from basic or absolute goods without the necessity of a further institutional and public procedure to have access and acknowledge them. Substantive immorality would in this perspective be sufficient, at least in specific basic domains of human conduct, to assess the legal invalidity, or the illegality, of a certain rule or prescription. Natural law in this sense is “exclusive” in so far as it “excludes” the institutional operationalisation and recognition of natural law principles. These are able to give us, at least in certain cases, the one right answer we are asked to find in the law practice. Such “exclusivity” is radicalised through the denial of conceptual conventionalism. Meanings are reconsidered in terms of “essences”. A concept here relates directly to its object without the mediation of language and theory conventions. Law as a concept immediately reflects and gives account of the nature of law that is “out there” independently from the concept. This eventually implies that concepts cannot be matter of controversy; “things” are there to be exposed and “discovered” by means of concepts. The latter do not play any special, constructive role. As a consequence legal practice is no longer assumed to be an interpretative enterprise and the internal point of view (the one, that is, of those that practice and “use” law) is denied whatever epistemic privilege. For a second alternative view natural law is both epistemically and morally undetermined. Its full legitimacy will result through the procedure adopted in order to know and endorse its own, natural law principles. Epistemic access to natural law cannot here do without endorsement, since natural principles will be, so to say, registered and given a precise content only through deliberating and laying down positive rules. This implies that natural law has to refer to the positive law and its institutions and conventions to be fully determined and legitimate. It has to “include” positive law in order to claim legal validity in a concrete case. In this view conventions indeed are part of the nature of law. Such openness to positivity makes it also possible for this second version of natural law to take into account the controversial character of the law concept, since it has to admit that law’s final prescriptions need, and are the outcome of, the filter of public discussion and deliberation. Now, as far as legal positivism is concerned, one might argue that its “exclusivist” version is more coherent and comprehensive as a theory of the concept of law. This can be claimed, but the cost it has to pay is to “exclude” not only morality, but also the 22
J. L. Coleman, Negative and Positive Positivism, in: Journal of Legal Studies 11 (1982), p. 143. 23 Cf. M. La Torre, On Two Distinct and Opposed Versions of Natural Law: “Exclusive” Versus “Inclusive”, in: Ratio Juris 19 (2006), pp. 197 – 216.
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internal point of view. Law for the “exclusivist” perspective could only be the one that is assessed from the observer’s point of view, since the participant could not escape from law’s claim of being binding, and consequently of having some sort of moral justification. Law is to be adressed through “sources” that are “social facts” and as such to be identified through a neutral, descriptive attitude. Moral reasoning – it is said – is possible for a lawyer or an official, but according to terms that are not intrinsic to his or her operations. Should it however be true that moral reasoning is a part of legal reasoning and adjudication, these activities could easily be severed from the more fundamental truth that law is there to be stated in a descriptive mood before using it. This latest conclusion seems to push the “exclusivist” towards a jurisprudential corner which in the end is but a depository of irrelevant views for the law practitioner. Nonetheless, “exclusive” legal positivism has the merit of presenting a quite coherent theory of general jurisprudence. The nature of law is not rooted in a local, parochial context; it can be assessed and conceptualized in universal, somehow categorical terms: law is conceptually connected only to its being enforceable, while its morality is not an essentially definitional property. “Inclusive” legal positivism seems to be less coherent. It is too contingent as possible general jurisprudential thesis. Law’s connection to morality here is a matter of systemic design: we could or we could not have it, depending on how the legal system is shaped, that is, depending on the contents of the basic rule (the “rule of recognition”) of the system considered. “Substantive moral principles – it is said – can count as part of a community’s binding law in virtue of their status as moral principles provided the relevant rule of recognition includes a provision to that effect”.24 It is a “soft” positivism, in so far as it does not claim the separation between law and morality would hold in any case. Nor does it seems to share the “source thesis” as a fundamental tenet of positivism. “Sources” in this view are not generally identified in terms of “social facts”, since moral rules if incorporated in a rule of recognition are said to be acting as “sources”, without however being addressed as such as “social facts”. By this permanent reference to the contingent shape taken by the rule of recognition, however, the “inclusivist” positivist does not seem to be able to offer a universal definition of the nature of law. This is such that in some cases can receive or count morality among its “sources”, while however being such that in some other different case it is not able to do the same. The difference here is given through the fact that we can acknowledge (observe?) the validity of some moral requirement within the precinct of the basic positive rule. The fundamental question in this approach is that here it is not quite clear which role the law plays when it “includes” morality, or better which ontological and normative consequences this fact will bring about. In which sense could we say, within a 24 J. Coleman, Authority and Reason, in: R. P. George (ed.), The Autonomy of Law. Essays on Legal Positivism, Oxford 1996, pp. 287 f.
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legal positivistic approach, that morality is still itself, that is that morality mantains its strong normativity, once it is made the content of a contingent, positive, discrete prescription of law which is considered as giving morality its institutional validity? We might suppose that moral (strong) normativity would be changed into a positive (weak) binding force, once it is made the content of a positive legal rule. Suppose we find a principle incorporated in the positive rule of recognition that says that statutes are valid only if they are not extremely or intolerably unjust (which is, we might remenber it, the so-called Radbruch’s formula), statutes’ legal validity will then depend on whether statutes are intolerably unjust and not on whether they are believed intolerably unjust according to the rule of recognition or whatever “source” or “social fact”.25 We shall thus reason in moral, not in historical or just empirical terms. Morality has not here been incorporated in the sense of being translatable and disposable in terms of a proposition of law, whose truth is essentially an issue of genealogy or social fact assessment. A rule of recognition which would include moral principles could no longer be able to work either as a rule, since it would need refer to principles to receive a substantive content, or a proper rule of recognition, since through such a simple rule, without a further re-examination of what are the principle it includes and what these principles substantively require, we would not be put in the condition to know what is the law and to distinguish it from what is not the law. This is the impasse why perhaps Jules Coleman, in order to maintain his thesis of inclusive positivism, has to split the rule of recognition in two distinct types of rule. There will now be a rule with an epistemic function and a rule with a semantic function. Within the former we shall first a have a rule of “validation” serving to single out and ascertain what is valid law; and second a rule of “identification” serving to give binding force to the what has been qualified as valid law. While the former rule does not have to include moral criteria, the second one might incorporate them. Now, for Coleman only the latter seems to fulfill the proper practical function of a rule of recognition.26 However, here the question immediately arises of how one could recognize that a law is valid law, if its semantical content is still fully open. Not all a formal legal act contains could be assumed to be law (it might base on a factual mistake, for instance, or it might mention facts as proven that will later be falsified). The distinction between a rule of recognition as the truth condition for the content of a particular law (for the truth of a proposition of law) and a rule of recognition as a validity source for that discrete law does not help the operationalization of the rule of recognition, even if treated only as rule of validity. In fact, we shall never know that a rule confers validity to a law if it is not possible to point such rule when we are asked how we know that this particular law is valid law. “Disagrement about what falls under a rule is perfectly compatible with agreement about what the rule is.”27 This is the claim. 25
Cf. R. Dworkin, Taking Rights Seriously, London 1978, p. 348. See Coleman (note 24), pp. 287 ff. 27 Ibid., pp. 295 f. 26
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But if I do not have some knowledge of what is that falls under the rule, how could I know that is the rule I am looking for, that is, how could I know that it is the relevant rule for the case in question? Indeed, in order to agree about what a rule is, we should share at least some precomprehension of what is that falls under that rule. Thus, a validity rule which could not be used in a semantic statement were doomed not only to be pointless, but also to be falsified as something that is not a rule of validity. If the validity rule is “Whatever Dworkin says is law”, but the identification rule is “Listen to Raz”, will Raz’ dicta not become what the valid law actually is and require? Or will the validity rule not be permanently derogated by the identification rule? True, law sometimes is seen as a tool to compensate the motivational and cognitive weakness of morality. Still the source of normativity will in this perspective remain within morality itself. Law serves morality; the former makes the latter better effective. Morality however would remain valid and (weakly) operative, even if law were not supporting it. Law here is subservient to morality; and it draws its justification and legitimacy from its being able to implement morality. And it is always so, since this relationship is something inherent in the nature of law: the law is “there” to be used to protect morality. This however is not the view of legal positivism, according to which there could be a law, or there never is a law, that is not related to moral standards. One could also argue that once morality is made positive law through its recognition by means of the legal system’s basic rule, it will no longer be addressed as morality, but as just positive law. Its acknowledgment through the basic rule is a “fact”, and only this fact will matter in a legal positivistic perspective centering around “sources” as social facts. Once morality is received in the law, it will be so to say “consumed”, “digested”, and transformed into something different, a piece of positive law. Lawyers will address no longer morality as such, but a positive prescription. And for a theorist to assess what the law is there will be no need either to assume an ultraexternal point of view. In the end, both “inclusive” and “exclusive” legal positivism will point to the same “fact” (the fact of the recognition through the positive rule) to tell us what is the law, and when a proposition of law is true. In both cases the fundamental standard for legal truth would be correspondence to social facts. To somehow similar problems is exposed an “exclusive” natural law theory. Exclusive natural law – like “exclusive” positivism – cannot integrate all three kinds of point of view. Nor could it use the four strategies of definition. In particular, it is exposed to the same criticism of ignoring the internal point of view. This is somehow paradoxical, since natural law usually starts from the assumption of the paradigmatic definition of law taken by lawyers. However, this is only a first move that has quickly to refer to an ultraexternal point of view, the one of the absolute good or of the archimedean moral principle. The latter then is considered to be able to countercircuit the internal point of view (that is, the deliberative moment within the institutional context in question) and to offer a final, discrete decision at least in sensitive highly moral issues.
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Thus, in the definition of the nature of law given by the “exclusivist” natural lawyer the deliberative moment, which is – it’s to be stressed – an essential part of the internal point of view, is not ever present or especially relevant. As a matter of fact, “exclusive” natural law theories somehow neglect the “constitutional” moment in the law; law’s constitution is thought as already given in its archimedean principle. What is more discussed is the moment of application, which is surprisingly seen as sometimes requiring some more or less wide scope of discretion. VIII. A Way Out As already said, I believe institutionalism (that is, a concept of law elaborated in terms of institution) is a possible solution or conciliation to the controversy between natural law and legal positivism. This I would argue along two contentions. I would claim, first, that a more plausible view, and at the same time a way out from the struggle between those two views, is possibly given by “inclusive” natural law. This, being quite close to “inclusive” legal positivism, has nevertheless the advantage of not being referred to systemic contingency. Strong normativity is here seen as an essential, not an accidental property of law. Positive law cannot but be supported and supplemented through strong normativity, that is, through moral principles and consequently through moral reasoning. Strong normativity on the other side – it is argued – cannot do without positive law (positive public deliberation and rules), both for epistemic and ontological reasons. Positive law here will be need not only to better precise the natural law requirements (Aquinas’ determinatio indeed), but also and above all to “recognise”, endorse and fully justify them. Positive law as public deliberation would thus be part of the justification context, not just or only of the decision context of legal rules. “Inclusive” natural law could thus take seriously the fact of the law being layed down in a constructive and conventional (“positive”) way. Second, I would argue that an institutional theory of law is the best model for an “inclusive” natural law. “Inclusive” natural law makes deliberation and institutions a fundamental character of law, in so far as morality to be publicly legitimate and valid needs public deliberation and endorsement. In this sense law’s positivity is required and plays a legitimatory role not only at the moment of application but also in that of its constitution. Institutionalism enriches this conclusion, in so far as law as institution is considered not just a matter of justification for the public normativity, but is seen as the very being of the legal phenomeon. An institution is that portion of being within which it will make sense to raise issues that need to be handled through moral public deliberation.28 For an exercise of moral reasoning concerning a public sphere, we first need this public space, and this is more or less equivalent to an institution. This nonetheless can be tested 28 See, for a more detailed account of this point, M. La Torre, Law as Institution, Dordrecht 2010.
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through moral criteria and be challenged accordingly. Normativity in this perspective is somehow a process that follows an inside-outside movement. The internal point of view can never be eschewed. But it will not give the last word about what ought to be done.
VII. Juridische Argumentation, rechtliche Konflikte und interessengerechte Streitbeilegung
Wandel von Rechtsnormen und richterliche Rechtsfortbildung Von Antonis Chanos, Athen I. Einleitung Nicht erst seit der bekannten Formulierung Oskar Bülows wird allgemein angenommen, dass das Gesetz „nur eine Vorbereitung, ein Versuch zur Bewirkung einer rechtlichen Ordnung“ sei.1 Eine im Gesetzestext bzw. im Tatbestand eines Gesetzestextes symbolisierte normative Rechtsregel kann nie alle ihn materiell ausfüllenden Einzelfälle schon im Voraus umfassen. Die etwa noch denkbaren weiteren Beschaffenheiten von gesetzlichen Tatbestandsschemata sind nicht nur ausnahmsweise, sondern, genau genommen, immer unklar, da keine gesetzgeberische Normsetzung, aber auch keine Normbefolgung bzw. Normanwendung und -konkretisierung im Einzelfalle den ganzen Geltungs- und Regelungsumfang eines Normtextes ein für allemal vollständig zu determinieren bzw. zu antizipieren vermag. Man wird gerade deshalb davon ausgehen müssen, dass auch innerhalb des sprachlichen Regelungsrahmens eines Normsatzes und schon im Rahmen dessen Interpretation sozusagen „analogisch“ vorgegangen werden kann und muss. Im Entscheidungssystem der Rechtsprechung vollzieht sich nämlich eine mikroinnovative Geltungserstreckung von rechtlichen Entscheidungs- und Jurisdiktionsprogrammen sowie eine – vom einzelnen Entscheidungsverfahren her betrachtet kaum merkliche – Verschiebung des Verbindlichkeitshorizonts der Rechtsnormen von Fall zu Fall. Ist es dann aber möglich, zwischen dem Wandel von Rechtsnormen und richterlicher Rechtsfortbildung2 zu unterscheiden? II. Zwischen expliziter Fortbildung und impliziter Mikroinnovation des Rechts: Der juristische Analogieschluss Im Hinblick auf den Zusammenhang von Normwandel und Fortbildung von Normen im Rechtssystem ist es bemerkenswert, dass sich bereits in einer im Jahre 1961
1
Oskar Bülow, Gesetz und Richteramt, Leipzig 1885, S. 45. Für den Fall der Verwaltung siehe Robert Weimar, Rechtsfortbildung durch die Verwaltung, in: DÖV 2009, S. 932 – 938. 2
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erschienenen Monographie von Theodor Heller3 der Begriff der innertatbestandlichen Analogie findet. Habe man eine Rechtsnorm Tb!Rf und einen zweifelsfrei dem Tatbestand unterfallenden Sachverhalt (V1 & V2 & V3), so lasse sich die Implikation (V1 & V2 & V3)!Rf bilden. Seien die etwa noch denkbaren weiteren Beschaffenheiten vom Tatbestand Tb noch unklar und erweise sich ein weiterer Sachverhalt in seiner Kalkulierung als (V1 & V2 & V4), dann könne es durchaus sinnvoll sein, in Anlehnung an die Implikation (V1 & V2 & V3)!Rf „per analogiam“ zu folgern, dass auch die Impikation (V1 & V2 & V4)!Rf gültig sein müsse. Dadurch werde (V1 & V2 & V4) zu einem Unterfall von Tb erklärt. Nicht ohne Grund wird dabei bemerkt, dass die Unterscheidung von „normschaffender“ Analogie,4 also Rechtsanalogie im herkömmlichen Sinne der sich im Dienste der Lückenschließung bzw. Rechtsfortbildung „praeter legem“ befindenden juristischen Denkfigur, und „innertatbestandlicher“ Analogie nicht überbetont werden dürfe.5 Ob ein gesetzlicher Tatbestand nämlich „alle ihn materiell ausfüllenden Einzelfälle schon nach dem etwa im Sinne der Umgangssprache verstandenen Wortlaut“ umfasse oder ob dieser Wortlaut per analogiam erweitert werden müsse, hänge lediglich von „Zufälligkeiten bei der Gesetzgebung und von Zweckmäßigkeitserwägungen im Rahmen der Gesetzgebungstechnik“ ab. Jedenfalls könne sich der Analogieschluss „auch innerhalb … einer einzelnen Rechtsnorm“ auswirken. Die „analogische“ Verschiebung des Verbindlichkeitshorizonts der Rechtsnormen von Fall zu Fall vollzieht sich kaum in der mehr oder weniger statischen Form einer „Assimilation“ von Sachverhalt und Norm,6 die im „hermeneutischen Prozess der Rechtsverwirklichung“7 stattzufinden habe. Es handelt sich vielmehr um den im Entscheidungssystem der Rechtsprechung ständig, das heißt auch in jedem Akt bloßer „Anwendung“ von Rechtstexten, fallweise sich vollziehenden Prozess der Erstreckung der normativen Geltung von Gesetzesvorschriften, der gerade als „innertatbestandlicher“ Analogieschluss charakterisiert wurde. Der Prozess der „from-case-to-case“ vor sich gehenden Geltungserstreckung rechtlicher Normsätze auf neue Rechtsfälle und Interessenlagen hängt mit der fortlaufenden Produktion und Reproduktion der Normstrukturen einer geltenden Rechtsordnung aufs engste zusammen. In der Form „innertatbestandlicher“ Analogieschlüsse kann dieser Prozess schon innerhalb des Regelungsrahmens des Wortsinns von Rechtstexten bzw. in 3 Theodor Heller, Logik und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, Berlin 1961, S. 85 ff. 4 Ebd., S. 85 f. 5 Ebd., S. 87. 6 Für eine Kritik von Begriff und Struktur der Rechtsanalogie in der „neuen“ hermeneutischen Jurisprudenz Arthur Kaufmanns, insbesondere in seiner „Gleichsetzungslehre“, die hauptsächlich in seiner Schrift mit dem Titel: Analogie und „Natur der Sache“ (1965, 2. Aufl., Heidelberg 1982) entwickelt worden ist, siehe Antonis Chanos, Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie im heutigen juristischen Methodenstreit, Köln/Weimar/Wien 1994, S. 39 ff. 7 Kaufmann (FN 6), S. 59.
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Rückbezug auf ihn erfolgen. Es ist hier nicht von Belang, ob es sich dabei um Operationen von sogenannter „extensiver“ oder „restriktiver“ Auslegung handelt.8 Wichtig für die normative Selbstreproduktion der Rechtsordnung ist eher die mikroinnovative Anreicherung der rechtlichen Strukturen mit fallrelevantem Sinn, die zu „innertatbestandlichen“ normativen Strukturänderungen in der Rechtsprechung führt. Spätestens seit Theodor Geiger ist es der rechtssoziologischen Normentheorie geläufig, dass rechtliche Aktionsnormen, die in diversen sozialen Aktionsnormbereichen9 des Rechtsalltags von den Rechtsgenossen beachtet und selbsttätig befolgt werden, „stets im Fluss begriffen“ sind. Zutreffend ist bemerkt worden,10 dass der Zustand „selbstverständlicher“ Normbefolgung immer von bestimmten Voraussetzungen abhängig sei, die zwangsläufig variabel seien und nie a priori festgesetzt und festgeschrieben werden könnten. Trotzdem dürften die methodologischen Erkenntnisse, „die aus der behördlichen Rechtsanwendung (insbesondere durch Rechtsetzung) gewonnen worden sind, … nicht dazu verleiten, die Bedeutung problemloser Rechtsbefolgung zu verkennen“. Mit Grund wird dabei betont, dass die „moderne Hermeneutikdiskussion“ dazu neige, den Aspekt der Rechtsbefolgung durch die Staatsbürger zu vernachlässigen. Natürlich sind rechtliche Aktionsnormen „stets im Fluss begriffen“ auch wenn sie verletzt werden, eine Tatsache, die dazu führen kann und soll, die spezifischen Sanktionsmechanismen des modernen Rechts in Gang zu setzen. Ebenso „subsistent“ (im Sinne Geigers11) wie die Aktionsnormen sind auch die vom Richter im Einzelfall erzeugten und reproduzierten „sekundären“ Rechtsnormen, insbesondere auch Reaktionsnormen.12 Sie sind ebenfalls von ihren Wortgestalten, nämlich von den sie bloß sprachlich symbolisierenden Wortnormen, zu unterscheiden, die ihre Existenz als 8
Heller (FN 3), S. 135 ff. Zum Begriff des „Normbereichs“ als eines Bestandteils der Norm siehe Friedrich Müller, Strukturierende Rechtslehre, 2. Aufl., Berlin 1994, S. 147 ff. 10 Dazu und zum Folgenden siehe René A. Rhinow, Rechtsetzung und Methodik. Rechtstheoretische Untersuchungen zum gegenseitigen Verhältnis von Rechtsetzung und Rechtsanwendung, Basel/Stuttgart 1979, S. 243. 11 Theodor Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, durchgesehen und hrsg. von Manfred Rehbinder, 4. Aufl., Berlin 1987, S. 98, 104 ff., 157 ff.; siehe dazu auch Athanasios Gromitsaris, Theorie der Normen bei Rudolph von Ihering. Eine Untersuchung der Grundlagen des deutschen Rechtsrealismus, Berlin 1989, S. 106 ff. 12 Zum Verhältnis von Aktionsnormen und Reaktionsnormen siehe Athanasios Gromitsaris, Normativität und sozialer Geltungsgrund des Rechts. Zur Revision und Reformulierung der Normentheorie von Theodor Geiger, Berlin 1992, S. 33 ff.; ders., Zur Unterscheidung von Aktions- und Reaktionsnormen, in: Urs Fazis/Jachen C. Nett (Hrsg.), Gesellschaftstheorie und Normentheorie. Symposium zum Gedenken an Theodor Geiger, Basel 1993, S. 123 – 149. Insbesondere zur „strukturellen Koppelung“ von Aktionsnorm und Reaktionsnorm im Recht, die in der Wenn-Dann-Struktur der konditionalen Programmierung eingefangen wird, siehe Chanos, Erwartungsstruktur der Norm und rechtliche Modalisierung des Erwartens als Vorgaben sozialen Handelns und Entscheidens, in: Werner Krawietz/Michael Welker (Hrsg.), Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1992, S. 230 – 246, 239 ff. 9
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subsistente Normen „deklarativ“ oder „proklamativ“ zum Ausdruck bringen.13 In den selbstreferentiellen und autopoietischen Prozessen der fallweise stattfindenden Bildung sowie Fort- und Neubildung rechtlicher Reaktions- und Entscheidungsregeln im Organisationssystem der Rechtsprechung finden im Rahmen „mikroskopisch problemorientierter Fallbewältigung“14 viele „stillschweigende Innovationsprozesse“15 gerade mit Hilfe von „innertatbestandlichen“ Analogieschlüssen statt. Die Neuartigkeit der Fallentscheidung bei der „mikroskopischen“ Norminnovation legitimiert sich aus dem besseren Verständnis des positiven Rechts. Dabei ist von dem Gesetz, das nach der bekannten Formel angeblich „klüger“ als der Gesetzgeber sein kann, ja muss, die Rede.16 Das aktuelle bessere Gesetzesverständnis bezieht sich auf eine „zeitgemäß angemessene Bewältigung des bisher nicht oder nicht so erkannten Problems“. Das Rechtsproblem, das im Einzelfall als konkreter Interessenkonflikt in Erscheinung tritt, wird dabei nicht bloß in seiner einmaligen Individualität, sondern eher in seiner normativen Typizität erfasst. Die Mikroinnovation wird von dem Gedanken getragen, dass „die ratio legis oder die richtig verstandene Systematik oder sonstige dogmatische Basis der hier benutzten Gesetzesstellen eine solche Entscheidung geradezu geboten und gesetzesförmig nötig“ mache. Im Hinblick auf die Frage, inwiefern jedes richterliche Entscheiden – soweit es bloße Routine übersteigt – in einem mikroskopischen Sinne innovativ sei, kann man folgende Argumentationsformen und Innovationsstrategien der Rechtsprechung nennen: neuartige Problemdefinitionen, Verwendung neuer dogmatischer oder pragmatisch-rhetorischer Begründungsmittel und Argumente und nicht zuletzt auch implizite Neubewertungen sowie aktuellere Lösungen von Rechtsproblemen. Beide letztere werden „über das technische Medium bestimmter Systemvorstellungen oder anerkannter Zweckbestimmungen und policies“ als positives Recht dokumentiert. Gerade bei diesen Modi normativer Mikroinnovation vollzieht sich der „Kreislauf zurück in die positiven Rechtsquellen“ weniger sensationell als etwa bei der offiziellen rich-
13 Geiger (FN 11), S. 21 f. Zum Verhältnis von Wortnorm und subsistenter Norm siehe Gromitsaris, Normativität und sozialer Geltungsgrund des Rechts (FN 12), S. 86 ff. 14 Vgl. dazu und zum Folgenden: Josef Esser, Unmerklicher und merklicher Wandel der Judikatur, in: Jan Harenburg/Adalbert Podlech/Bernhard Schlink (Hrsg.), Rechtlicher Wandel durch richterliche Entscheidung. Beiträge zu einer Entscheidungstheorie der richterlichen Innovation, Darmstadt 1980, S. 217 – 224, 217. 15 Ebd., S. 221. 16 Siehe Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, 3. Aufl., 1932, S. 111 (hier zitiert in der Ausgabe: Gustav Radbruch, Gesamtausgabe, Band 2: Rechtsphilosophie II, hrsg. von Arthur Kaufmann, Heidelberg 1993, S. 206 ff., 345): „Der Ausleger kann das Gesetz besser verstehen, als es seine Schöpfer verstanden haben, das Gesetz kann klüger sein als seine Verfasser – es muss sogar klüger sein als seine Verfasser.“ Siehe aber bereits Bülow (FN 1), S. 37: „Gewiss: das Gesetz ist oft klüger als sein Urheber, das Gesetzbuch weiser als der Gesetzgeber!“ Zur Einbettung der Formel vom „Besser-Verstehen“ in die hermeneutische Tradition siehe Stephan Meder, Missverstehen und Verstehen. Savignys Grundlegung der juristischen Hermeneutik, Tübingen 2004, S. 106 ff. Vgl. hierzu kritisch Eberhard Baden, Gesetzgebung und Gesetzesanwendung im Kommunikationsprozess, Baden-Baden 1977, S. 105 ff.
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terlichen Neudefinition von Rechtsproblemen.17 Die „Einverleibung in die weiter tradierten Normvorstellungen“ ist aber auf dem Wege über die informationelle Kopplung zwischen den in den unteren Stufen der Organisationshierarchie des Rechtssystems stehenden Gerichten und der höchstrichterlichen Rechtsprechung genauso effektiv. Jedenfalls kann man von einem „gleichartigen Rückfluss“ von je verschieden gewonnenen Einsichten und Innovationsleistungen zum Bestand des „objektiven Rechts“ sprechen.18 III. Produktion und Reproduktion normativer Systemstrukturen des Rechts als Autopoiesis Ein anderer Aspekt, der die Prozesse „innertatbestandlicher“, mikroskopischer Strukturänderung und Verschiebung des Verbindlichkeitshorizonts von Rechtsnormen betrifft, wie sie im justiziellen Teilsystem eines modernen Rechtssystems ständig laufen, darf nicht unberücksichtigt bleiben. Im Rahmen der richterlichen Entscheidungssituationen geht es nicht lediglich um Produktion und Erzeugung von normativen Sanktionserwartungen. Die rechtspraktischen Operationen der Auslegung und der richterlichen Rechtsfortbildung im Einzelfalle19 werden von einem mitlaufenden, wenn auch meist nur implizit stattfindenden Prozess der Reproduktion anderer, im je aktuellen Einzelfall nicht direkt anzuwendender bzw. zu konkretisierender Norm- und Wertstrukturen der geltenden Rechtsordnung begleitet. Die mitlaufende Reproduktion sonstiger normativer Bestandteile der Rechtsordnung wird nicht erst bei der analogen Rechtsgewinnung und Lückenfüllung relevant, sondern auch bei nahezu jeder Geltungserstreckung von Normtexten durch „innertatbestandliche“ Analogieschlüsse. Dadurch werden die reproduzierten Strukturbestandteile der Rechtsordnung – nicht zuletzt Normsatzformen, denen in der Normenhierarchie eines selbsthierarchisierten Rechtssystems20 höherer Rang zukommt – in ihrer Normativität und Rechtsverbindlichkeit fortlaufend bestätigt. Dabei können auch die nicht unmittelbar, das heißt nur implizit zur Anwendung, Konkretisierung und Rekonstruktion kommenden und in der formalisierten Rechtskommunikation21 der Gerichtspra17
Esser (FN 14), S. 218 ff. Ebd., S. 220. 19 Siehe aus prozessrechtlicher Sicht Peter Lames, Rechtsfortbildung als Prozeßzweck. Zur Dogmatik des Zivilverfahrensrechts, Tübingen 1993. 20 Zur Selbsthierarchisierung verschiedener Normsatzformen im Rechtssystem siehe Werner Krawietz, Reine Rechtslehre oder Systemtheorie? Anfragen an eine analytische Jurisprudenz, in: ders., Recht als Regelsystem, Wiesbaden 1984, S. 81 – 143, 133 ff., 140 ff.; ders., Die Lehre vom Stufenbau des Rechts – eine säkularisierte politische Theologie, in: Werner Krawietz/Helmut Schelsky (Hrsg.), Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen, Rechtsheorie-Beiheft 5 (1984), S. 255 – 271. Zur Selbsthierarchisierung als Asymmetrisierung der rechtlichen Kommunikation siehe Gromitsaris, Normativität und sozialer Geltungsgrund des Rechts (FN 12), S. 9 ff., 17 ff. 21 Siehe dazu: Gromitsaris, Normativität und sozialer Geltungsgrund des Rechts (FN 12), S. 18 ff. 18
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xis nicht thematisierten (gleich- oder höherrangigen) Normsatzformen, aber auch Präjudizien, grundlegende „Rechtsgedanken“ und der Rechtsordnung „immanente“ Wertungen usw. selbst Gegenstand eines „Verständniswandels“ sein, der „mikroskopisch und kasuistisch schleichend“22 erfolgt. Auf diese Weise wird eine geltende Rechtsordnung bzw. Teile derselben, denen im jeweiligen gerichtlichen Entscheidungskontext normative Bedeutung und Relevanz zukommt, in jedem einzelnen zu entscheidenden Fall reproduziert, bestätigt und „mikroskopisch“ auch geändert. IV. Makroinnovation von Normen zwischen programmierendem und programmiertem Entscheiden im Rechtssystem Solche Prozesse der Mikroevolution von rechtsnormativen Erwartungsstrukturen, insbesondere auch „innertatbestandliche“ normative Strukturänderungen, vollziehen sich von Fall zu Fall im „bewährten Rhythmus kasuistischer Verfeinerung, ,step by step‘“, aber keineswegs programmartig.23 Da der Richter weder über die notwendige Anschauungsbreite noch über die erforderliche politisch-rechtliche Normierungsermächtigung im „offiziellen Kreislauf“24 der Organisationshierarchie eines modernen Rechtssystems25 verfügt, wirken diese Innovationsleistungen kaum programmbildend. „Makroskopische Rechtsneubildung“ steht dem Gesetzgeber zu,26 zumindest im Sinne der generell-abstrakt programmierenden (Neu-)Entscheidung über richterliche Entscheidungsprämissen. Immerhin kann man nicht ohne Grund von „makroskopisch auffallenden“ Norminnovationen nicht nur im Gesetzgebungssystem, sondern in einem gewissen Sinne auch in der Entscheidungspraxis der Rechtsprechung sprechen. Es geht dabei, anders als bei den mikroinnovativen normativen Strukturänderungen, um eher „finale und überlegte“ Innovationen.27 Solche Leistungen richterlicher Makroinnovation von Rechtsnormen sind nicht im Bereich der Auslegung und Anwendung von Normsätzen zu beobachten – auch wenn sie in Form von „innertatbestandlichen“ Analogien erfolgen –, sondern in erster Linie im Rahmen der richterlichen Rechtsgewinnung und Lückenfüllung.28
22
Esser (FN 14), S. 217. Zum Begriff der Kasuistik vgl. die tiefgreifenden Ausführungen von Johannes Strangas, Der Begriff der Kasuistik in der Rechts- und Moralphilosophie, in: Studi in onore di Arnaldo Biscardi, III, Milano 1982, S. 15 – 73, insbes. 38 ff. 23 Esser (FN 14), S. 217. 24 Vgl. in anderem Zusammenhang Niklas Luhmann, Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, München/Wien 1981, S. 47. 25 Vgl. dazu Krawietz, Die Lehre vom Stufenbau des Rechts (FN 20), S. 268. 26 Esser (FN 14), S. 220. 27 Ebd., S. 217. 28 Zum Verhältnis von Normenwandel im Rechtssystem und Rechtsfortbildung siehe auch Stefan Okruch, Innovation und Diffusion von Normen: Grundlagen und Elemente einer evolutorischen Theorie des Institutionenwandels, Berlin 1999, S. 163 ff.
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In der herkömmlichen Methodenlehre der dogmatischen Rechtswissenschaft ist hier von Rechtsfortbildung „praeter legem“ die Rede, wobei von einem bloß „gleitenden Übergang“ vom Bereich der Auslegung „secundum legem“ zum Bereich der Rechtsfortbildung praeter legem ausgegangen wird. „Gesetzesauslegung und richterliche Rechtsfortbildung dürfen nicht als wesensverschieden angesehen werden, sondern nur als voneinander verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens. Das will sagen, dass schon die einfache Auslegung des Gesetzes durch ein Gericht, sofern sie erstmalig ist oder von einer früheren Auslegung abweicht, eine wenn auch dem Gericht selbst vielfach noch nicht bewusste Rechtsfortbildung darstellt, …“29 Die erstmalige Auslegung einer Gesetzesbestimmung durch die Gerichte stelle insofern bereits eine „Fortbildung“ der Gesetzesnorm dar, als sie „eine unter mehreren dem Wortsinn nach möglichen Bedeutungen als die hier zutreffende kennzeichnet und damit eine vorher bestehende Ungewissheit beseitigt“.30 Jedenfalls dann bedeute eine veränderte Auslegung durch die Rechtsprechung nichts anderes als eine Rechtsfortbildung, „wenn man annehmen kann, dass die neue Auslegung fortan von der Rechtsprechung beibehalten, daher auch im Rechtsverkehr beachtet werden wird“.31 Es muss jedoch vor allem deutlich sein, dass es in der Rechtsprechung stets um Bildung von rechtlichen „Fallnormen“ geht und dass es sich auch bei der Erschließung des „Wortsinns“ eines Gesetzestextes durch Auslegung nicht anders verhält.32 Darin ist der eigentliche Grund zu erblicken, warum man von „analoger Rechtsanwendung“ nicht sprechen kann. Dabei handelt es sich nicht mehr um den „unauffälligen Teil der richterlichen Innovation“, sondern um eine durchaus „makroskopische“ Innovation von Rechtsnormen.33 Dadurch wird eine nicht bloß implizite, sondern durchaus explizite fallbezogene Geltungserstreckung rechtlicher Normtexte, welche der gerichtlichen Argumentation als „Analogiebasis“ dienen, durchgeführt. So wird eine erhebliche Erweiterung des „Verbindlichkeitsumfangs“ von Rechtsnormen und Übertragung rechtsnormativen Sinns auf explizit ungeregelte, dennoch – nach teleologischen Kriterien – „gleichgelagerte“ Fälle und Falltypen ermöglicht. 29 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York/Tokyo 1991, S. 336 (kursiv nicht im Original); vgl. ferner Baden (FN 16), S. 157. Siehe aber auch die kritischen Bemerkungen von Weimar, Von der Gesetzesanwendung zur Rechtsfortschreibung, in: Michael W. Fischer/Ernst Mock/Helmut Schreiner (Hrsg.), Hermeneutik und Strukturtheorie des Rechts, ARSP-Beiheft 20, Stuttgart 1984, S. 155 – 167 (neugedruckt in: ders., Einheit und Vielfalt der Rechtstheorie, Berlin 2008, S. 221 – 235); vgl. auch – mit Bezug auf das Verwaltungsrecht – Karl-Heinz Ladeur, Vom Gesetzesvollzug zur strategischen Rechtsfortbildung. Zur Genealogie des Verwaltungsrechts, in: Leviathan 7 (1979), S. 339 – 375. 30 Larenz (FN 29), S. 337. 31 Ebd. 32 Wolfgang Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV (Dogmatischer Teil), Tübingen 1977, S. 233 ff., 236 ff.; kritisch gegenüber dem in der traditionellen juristischen Methodenlehre verbreiteten Modell einer „Drei-Ebenen-Lehre der Rechtsanwendung“ Rhinow (FN 10), S. 124 ff.; Ernst Meyer, Grundzüge einer systemorientierten Wertungsjurisprudenz, Tübingen 1983, S. 59 ff. 33 Esser (FN 14), S. 217.
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Bei der analogen Fortbildung und Fortschreibung des geltenden Rechts bezieht sich die praktische juristische Argumentation auf ein Feld von „noch undefinierten Erwartungen“. Man kann hier mit Luhmann von einem „Ausweichen in einen semantisch noch nicht besetzten Strukturbereich“ sprechen.34 Wichtig für die Selbstbeschreibung der richterlichen Entscheidungspraxis beim methodischen Operieren mit Rechtsfortbildung „praeter legem“ scheint es allerdings zu sein, dass die Rechtspraxis selbst dieses Ausweichen beobachtet und in den Urteilsgründen darstellt. Bei der „Auslegung im engeren Sinne“ gehe hingegen umgekehrt „(d)ie Intention des Interpreten … freilich nicht darauf, die Norm fortzubilden, sondern nur darauf, diejenige Bedeutung zu erkennen und auszusprechen, die im Text beschlossen liegt. Die Absicht, nur das auszusprechen, was der ,richtig verstandene‘ Text von sich aus besagt, macht die typische Haltung des Interpreten aus“.35 V. Richterliche Rechtsgewinnung im Einzelfall als institutionelle Praxis: Konsens oder Akzeptanz als ihr Strukturelement? Die fallbezogene richterliche Fortbildung und Fortschreibung der geltenden Rechtsordnung kann als eine Aufgabe der Gerichtspraxis dargestellt werden, die „aus der Systemrationalität des Rechts und der Stellung des Rechtsanwenders in einem Entscheidungsprozess“ folgt, „der dieses System nur dadurch leistungsfähig erhält, dass er es rückinformierend mit jenen Bewertungsmaßstäben und Ordnungsgedanken ausfüllt, die bei neuen Konfliktlagen und neuen Erwartungshorizonten auftreten“.36 In den das geltende Recht fallweise produzierenden und reproduzierenden Entscheidungsprozessen des Rechtsprechungssystems vollzieht sich eine „ständig neue Konfrontation der Regelungserwartungen des Rechtsanwendenden mit der ,akzeptierten Interpretationsbreite‘ des Gesetzestextes“.37 Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Vorschriften kann, genau genommen, kein „konsentierter“ sein. Der Konsens der „Rechts- und Fachgenossen“38 ist eigentlich gar nicht feststellbar. Er kann wohl aber im Rahmen einer systemischen „Kontrolle“ und nach Maßgabe eben systemrationaler Kriterien in der institutionalisierten Gerichtspraxis mit einem gewissen Erwartungssicherheitsgrad unterstellt werden. Die Auslegung eines Normsatzes des geltenden Rechts ist „erst dann eine Anwendung der Norm, wenn sie in Übereinstimmung mit einer anerkannten Praxis ge34 Luhmann, Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1987, S. 475. 35 Larenz (FN 29), S. 337. 36 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung. Rationalitätsgarantien der richterlichen Entscheidungspraxis, Frankfurt a. M. 1970, S. 179. 37 Meyer (FN 32), S. 62. 38 Franz Wieacker, Gesetz und Richterspruch. Zum Problem der außergesetzlichen Rechtsordnung. Vortrag, gehalten vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe am 15. November 1957, Karlsruhe 1958, S. 15.
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schieht“.39 Diese Übereinstimmung ist jedoch „mehr als ein bloßer Konsens der Meinungen“. Konsens der Meinungen allein kann keineswegs eine Rechtsregel konstituieren; um Regelkonstitution bzw. Normerzeugung geht es aber in der institutionalisierten Praxis der Regelsetzung und Regelbefolgung im gesellschaftlichen Funktionssystem Recht und im organisatorischen Teilsystem der Rechtsprechung, und zwar permanent, also in jeder Entscheidungsoperation. Die Übereinstimmung mit bzw. in einer Praxis der Regelsetzung und Regelbefolgung ist viel mehr als ein bloßer Konsens subjektiver Meinungen.40 Dies betrifft jedoch nicht nur Semantisierungsvorgänge der richterlichen Entscheidungstätigkeit und die Befolgung von Sprachregeln, die – ob umgangssprachlich als Teilnahme an der allgemeinen gesellschaftlichen Kommunikation oder fachsprachlich im Rahmen der selbstreferentiellen Operationen und Prozesse der Rechtskommunikation41 – mit dieser Entscheidungstätigkeit intern verknüpft und gekoppelt sind und die zum Gegenstand einer linguistischen Beobachtung und Beschreibung der Rechtspraxis gemacht werden können. Übereinstimmungsvorschläge stehen im Zusammenhang auch mit allen anderen sozialen Limitationen wirklich-möglicher Rechtskommunikation,42 insbesondere innerhalb der eingespielten und etablierten Interpretations- und Argumentationskultur in der Rechtsprechung eines modernen Rechtssystems. Maßstäbe der „Akzeptierbarkeit“ der „Interpretationsbreite“ eines rechtlichen Normsatzes, die wohl „in aller Regel denselben Bedeutungsgehalt aufweisen (wird) wie der ,mögliche Wortsinn‘, der nach herrschender Auffassung die Grenze zwischen Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung“ markiert,43 werden in erster Linie von der Praxis der Rechtskommunikation, insbesondere der praktischen juristischen Argumentation selbst und im Rahmen der das Rechtssystem als soziales System kennzeichnenden Anschlussrationalität44 entwickelt und praktiziert. Außerhalb der juristischen Argumentationspraxis kann kein eindeutiges Kriterium für die Grenzlinie zwischen Auslegung und Anwendung von Normsätzen einerseits und Fortbildung und Fortschreibung des geltenden Rechts andererseits ein für allemal festgelegt werden. Erst in der institutionalisierten Kommunikationspraxis der Gerichte bzw. durch diese Praxis selbst kann der Unter39 Dietrich Busse, Zum Regel-Charakter von Normtextbedeutungen und Rechtsnormen. Was leistet Wittgensteins Regelbegriff in einer anwendungsbezogenen Semantik für das Interpretationsproblem der juristischen Methodenlehre?, in: Rechtstheorie 19 (1988), S. 305 – 322, 316. 40 Ebd., S. 316 Anm. 38. 41 Vgl. Luhmann, Closure and Openness: On Reality in the World of Law, in: Gunther Teubner (Hrsg.), Autopoietic Law: A New Approach to Law and Society, Berlin/New York 1988, S. 335 – 348, 339 ff. 42 Ebd., S. 340. 43 Meyer (FN 32), S. 62 Anm. 437. 44 Siehe dazu etwa Hans-Martin Pawlowski, Methodenlehre für Juristen. Theorie der Norm und des Gesetzes, 3. Aufl., Heidelberg 1999, Rn. 835; ders., Wandlungen der Normativität des Rechts – dargestellt am Beispiel der Ehe im Staat der Glaubensfreiheit, in: Robert Alexy/Ralf Dreier/Ulfrid Neumann (Hrsg.), Rechts- und Staatsphilosophie heute, ARSP-Beiheft 44, Stuttgart 1991, S. 260 – 274, 263, 269 ff.
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schied aufscheinen. Wenn sozialer Sinn den Kontext aller Zeichenfestlegung bildet,45 dann muss das auch für das Rechtssystem gelten. Man kann dann sagen, dass die Sinnevolution im Rechtssystem selbst ausprobiert, welche „Schemata“ der rechtlichen Informationsgewinnung und -verarbeitung sich in ihren Anschlussqualitäten bewähren.46 Die „Einübung“47 von gesetzes- bzw. rechtsbegrifflichen Strukturen in den normativen Informationsverarbeitungs- und Kommunikationsprozessen der gerichtlichen Entscheidungsverfahren ist institutionell bedingt. Sowohl die „akzeptierte“ Auslegungs- bzw. Interpretationsbreite juristischer Entscheidungsprogramme48 als auch die in die Normtexte hineinprojizierten Regelungserwartungen des Rechtsentscheiders verändern sich permanent so, dass die Grenze etwa zwischen (extensiver) Interpretation und analoger Rechtsgewinnung und Lückenschließung – zumindest vom Standpunkt des externen Beobachters der Rechtspraxis aus gesehen – in der Zeitachse beweglich erscheint.49 Was heute noch nicht akzeptabel und (rechts-) kommunikativ anschließbar ist, das heißt vom (unterstellten) Konsens der Rechtsöffentlichkeit umschlossen zu sein scheint, kann morgen durchaus im richterlichen „Erwartungs- und Durchsetzungskalkül“ (Th. Geiger) sein – oder umgekehrt.50 Auch die richterlichen Regelungserwartungen sind veränderlich, da sie –vom Standpunkt der Interessen- und Wertungsjurisprudenz aus betrachtet – sich anhand von Wertungen formen. Indem sie dem Phänomen des Wertewandels unterliegen, wird die Frage der Abgrenzung von Auslegung und Anwendung von Normtexten einerseits und Rechtsfortbildung und Lückenfüllung andererseits im Einzelfalle zusätzlich dynamisiert.
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Luhmann, Soziale Systeme (FN 34), S. 107. Ebd., S. 104. 47 Fritjof Haft, Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe im Strafrecht, in: JuS 1975, S. 477 ff., 481 f. 48 Zur Akzeptanz bzw. Anerkennungsproblematik im Rechtssystem im Allgemeinen siehe Krawietz, Sind Zwang und Anerkennung Strukturelemente der Rechtsnorm? Konzeptionen und Begriffe des Rechts in der modernen Rechtstheorie, in: Ota Weinberger/Werner Krawietz (Hrsg.), Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, Wien/New York 1988, S. 315 – 369; ders., Akzeptanz von Recht und Richterspruch? Geltungsgrundlagen normativer Kommunikation im Bereich des Rechts, in: Werner Hoppe/Werner Krawietz/Martin Schulte (Hrsg.), Rechtsprechungslehre. Zweites Internationales Symposium Münster 1988, Köln/ Berlin/Bonn/München 1991, S. 455 – 519. 49 Dazu und zum Folgenden siehe Meyer (FN 32), S. 62. 50 Vgl. Torstein Eckhoff, Zur Rechtsschöpfungsfunktion der Gerichte, in: Jan Harenburg/ Adalbert Podlech/Bernhard Schlink (Hrsg.), Rechtlicher Wandel durch richterliche Entscheidung. Beiträge zu einer Entscheidungstheorie der richterlichen Innovation, Darmstadt 1980, S. 383 – 410, 388 ff., 388, der anhand der Entwicklung des norwegischen Schadensersatzrechts ausführt, wie „der Anwendungsbereich einer Regel … erweitert (wird), indem ihr neue Typen von Sachverhalten zugeordnet werden“. Es finde bei allmählichen und graduellen Veränderungen in der Entscheidungspraxis der Gerichte „eine gewisse Verschiebung von einem zum anderen Einzelfall statt, so dass die Praxis – bei hinreichender zeitlicher Distanz – sich vom ursprünglichen Ausgangspunkt erheblich entfernt haben“ könne. 46
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Die Akte der normativen Sinngebung und des argumentativen Rückbezugs auf Normsätze des geltenden Rechts, wie er in jedem richterlichen Konkretisierungsvorgang stattfindet, legen sich in einem Prozess des „ständigen Transformieren(s) der Geltungslage“51 immer aufs neue fest. Dabei limitieren sie sich selbst, indem sie die „begriffliche Reichweite der einzelnen Wörter eines Gesetzestextes“52 und auf diese Weise die „akzeptierte Interpretationsbreite“ bzw. den „möglichen Wortsinn“ in seiner Grenzfunktion53 selbst fallweise bestimmen (bzw. bestimmen müssen). Die Normierungsleistungen der Legislative in der Form von (meist konditional formulierten) Entscheidungs- und Jurisdiktionsprogrammen können die richterliche Entscheidungstätigkeit nie vollständig determinieren. Die gesetzessprachlichen Fixierungen der normativen Rechtsregeln können nicht in einem regelplatonistischen Sinne54 alle „möglichen Sinngehalte“55, welche im Zusammenspiel normativer Regelsetzung und Regelbefolgung bzw. -anwendung im Gerichtssystem in den künftigen Gegenwarten der Selbstproduktion und -reproduktion des Rechtssystems fallweise erzeugt werden, bereits in sich enthalten. So kann auch durch die Spruchtätigkeit der Gerichte ein Richterecht56 entstehen, „das im Zuge einer ständigen Wiederverwendung teils kondensiert, nämlich für Wiedererkennung formuliert, teils konfirmiert, nämlich als auch für andere Sachlagen brauchbar befunden wird“.57 VI. Schluss Richterliche Rechtsfortbildung stellt nicht eine bloße „Fortsetzung der Auslegung“, die aber „auf anderer Stufe“ erfolge, dar, wie von der herkömmlichen juristischen Methodenlehre der dogmatischen Rechtswissenschaft häufig angenommen wird. Spätestens bei der Operation der (etwa analogen) Rechts„fort“bildung wird klar58, dass man es hier (wie es in der gerichtlichen Entscheidungspraxis überhaupt 51 Luhmann, Die Stellung der Gerichte im Rechtssystem, in: Rechtstheorie 21 (1991), S. 459 – 473, 469. 52 Meyer (FN 32), S. 62 Anm. 439. Zum Bedeutungswandel des Gesetzes siehe den mit diesem Titel versehenen Aufsatz von Weimar, in: Werner Krawietz/Ernst Topitsch/Peter Koller (Hrsg.), Ideologiekritik und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, Berlin 1982, Rechtstheorie-Beiheft 4, S. 241 – 262 (neugedruckt in: ders., Einheit und Vielfalt der Rechtstheorie, Berlin 2008, S. 203 – 220). 53 Siehe dazu Otto Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze. Thesen zu einem Topos der Verfassungsinterpretation, Heidelberg 1988. 54 Vgl. im Allgemeinen Andreas Kemmerling, Regel und Geltung im Lichte der Analyse Wittgensteins, in: Rechtstheorie 6 (1975), S. 104 – 131, 105 f. 55 Depenheuer (FN 53), S. 54. 56 Für einen anderen Zugang als den hier gewählten siehe: Alfred Schramm, „Richterrecht“ und Gesetzesrecht. Eine rechtsvergleichende Analyse anhand von Merkls Rechtsnormenlehre, in: Rechtstheorie 36 (2005), S. 185 – 208. 57 Luhmann, Die Stellung der Gerichte im Rechtssystem (FN 51), S. 468 f. 58 Zutreffend ist bemerkt worden, dass bei der „Rechtsfortbildung“ in Wirklichkeit unmittelbar weder der sich Bewegende noch der Betrachter beurteilen könne, ob man sich fort-
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der Fall ist) weder nur mit der Feststellung59 und Befolgung noch mit der Setzung60 von bloßen Sprachregeln61 oder nur mit der fallweise stattfindenden praktischen Handhabung und Konkretisierung von weiteren, in der eingespielten Argumentationskultur der Rechtspraxis etablierten methodischen Interpretationsregeln bei angeblicher „Anwendung“62 schon vorhandener, mit den Normtexten („Wortnormen“ im Sinne Geigers63) identischer Rechtsnormen zu tun hat, sondern in jedem Einzelfalle mit der Aufstellung von durchaus rechtlichen, allgemein-abstrakten bzw. individuell-konkreten Normen.
oder rückbewege. So Klaus Adomeit, Objektivität im Recht, in: ders., Normlogik – Methodenlehre – Rechtspolitologie. Gesammelte Beiträge zur Rechtstheorie 1970 – 1985, Berlin 1986, S. 199 – 204, 203. 59 Busse, Normtextauslegung als Regelfeststellung? Zur Rolle von Wittgensteins Regelbegriff für die juristische Methodenlehre, in: Peter Koller/Alfred Schramm/Ota Weinberger (Hrsg.), Philosophie des Rechts, der Politik und der Gesellschaft. Akte des 12. Internationalen Wittgenstein–Symposions 1987, Wien 1988, S. 207 – 210; ders., Bedeutungsfeststellung, Interpretation, Arbeit mit Texten? Juristische Auslegungstätigkeit in linguistischer Sicht, in: Ulrike Haß-Zumkehr (Hrsg.), Sprache und Recht, Berlin/New York 2002, S. 136 – 162. 60 Ralph Christensen/Michael Sokolowski, Wie normativ ist Sprache? Der Richter zwischen Strechautomat und Sprachgesetzgeber, in: Sprache und Recht, Jahrbuch 2001 des Instituts für Deutsche Sprache, Berlin/New York 2002, S. 64 ff. 61 Busse, Semantische Regeln und Rechtsnormen. Ein Grundproblem von Gesetzesbindung und Auslegungsmethodik in linguistischer Sicht, in: Rudolf Mellinghoff/Hans-Heinrich Trute (Hrsg.), Die Leistungsfähigkeit des Rechts – Methodik, Gentechnologie, Internationales Verwaltungsrecht, Heidelberg 1988, S. 23 – 38. 62 Marijan Pavcˇnik, „Rechtsanwendung“ oder normative Konkretisierung des Gesetzes?, in: ARSP-Beiheft 53 (1994), S. 171 – 178. 63 Geiger (FN 11), S. 21 f. et passim.
Konstitutionalismus und Recht Von Juan Antonio García Amado, León Traditionellerweise hat das juristische Denken den materiellen Inhalt der juristischen Normen als das Wesentliche und absolut Entscheidende und den prozessualen Normenkatalog als formelle Beifügung von untergeordneter Bedeutung betrachtet. Von daher mag es verbreitet sein, substanzielles Recht und Prozessrecht einander gegenüber zu stellen, als ob dieses von geringerer oder überhaupt keiner inhaltlichen Bedeutung und nichts weiter als eine notwendige Ergänzung aus praktischen und organisatorischen Gründen sei: weil wir wissen müssen und weil irgendwo festgelegt sein muss, in welchen Fristen wir eine Klage einzureichen haben oder vor welchem Gericht oder welcher Justizbehörde dies zu geschehen hat. Und wenig mehr. Der Konstitutionalismus, insbesondere der europäische Konstitutionalismus, entsteht unter den Konditionierungen der berufsständischen Ideologie der Juristen. Dabei handelt es sich einerseits darum, die Position des Bürgers vor dem Recht formell gleich zu gestalten und der ständischen Ordnung ein Ende zu setzen. Diese Vorstellung der Gleichheit vor dem Recht hat formellen Charakter. Andererseits muss diese formelle oder lediglich juristische Gleichstellung in der Erklärung von natürlichen oder angeborenen Rechten der Bürger begründet sein. Solche rechtlichen Proklamationen sind jedoch großteils eine bloße Rechtfertigung der besagten, formell egalitären Behandlung und geben nicht vor, gegen andere Arten von Ungleichheiten vorzugehen oder die materielle Stellung eines jeden Bürgers innerhalb der Gesellschaft zu verbessern. An zweiter Stelle vertritt dieser Konstitutionalismus die Absicht, den Bürgern gegenüber dem Staat und seiner Macht Schutz zu gewähren, wobei er die Schutzlosigkeit gegen rechtliche Grenzen und Bereiche der Immunität für den Einzelnen austauscht. Die moralische Substanz dieser Verteidigungsrechte besteht in eben jener naturrechtlichen Grundlage, wobei jedoch das Instrument, um diese gültig werden zu lassen, das Recht ist, ein Recht, das in der Entfaltung der konstitutionellen Vorschriften auf eindeutige Weise festlegen soll, was der Staat gegenüber den Bürgern tun oder was er ihnen verbieten darf und was er nicht tun darf oder ihrerseits hinnehmen muss. Solange die sozialen Hierarchien als Widerspiegelung einer natürlichen oder gottgewollten Ordnung präsentiert wurden, erschien das Verhältnis zwischen denen, die befehlen und denen die gehorchen ein religiöses zu sein, das moralisch und rechtlich nicht in Frage zu stellen war. Die bürgerlichen Revolutionen machen eine Ende mit diesem Postulat der Naturgegebenheit der Macht und ihrer Verteilung und angesichts dessen, dass man heute die Gleichwertigkeit und die gleiche Würde
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für jeden Einzelnen einfordert, wird niemandem mehr ein natürliches Recht zuerkannt, über die anderen zu bestimmen. Angesichts dieser wesentlichen Gleichheit und angesichts des Wertes und der Würde aller und jedes einzelnen Bürgers, könnten Lösungen in philosophisch politischer Hinsicht nur in zweierlei Hinsicht entstehen: entweder in der Verteidigung der Anarchie, der Abwesenheit politischer und rechtlicher Gewalten oder auf Basis neuer theoretischer Grundlagen in der Neugründung staatlicher Macht. Dieser Konstitutionalismus wird letzterem Weg folgen und somit die Volkssouveränität proklamieren: die Macht kommt allen und jedem einzelnen Bürger zu, und diejenigen, die aus dem Staatsapparat heraus regieren, tun dies im Auftrag der Bürgerschaft und in Übereinstimmung mit dieser, in Übereinstimmung mit dem Volk. Zur Absicherung der Wirksamkeit dieser revolutionären Veränderung wird eine Reihe neuer formeller und verfahrensmäßiger Prinzipien eingeführt: die Demokratie, als Mehrheitsregime, das auf einem Wahlsystem beruht, und die Gewaltenteilung, soweit es sich um eine gegenseitige Beschränkung innerhalb der Staatsmacht handelt, damit keine von ihnen sich dazu in der Lage versetzt sieht, die Volkssouveränität beiseite zu schieben und selbst zum Souverän zu werden. Der Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts in Europa ist Zeuge dieses, aus der alten Ordnung ererbten Streites zwischen der Macht von Königen und Kaisern und der in der Volkssouveränität verankerten Macht. Zugleich wird dadurch die Spannung zwischen einer Vorstellung vom Staat als natürlichem und übergeordnetem Gremium samt den diesem innewohnenden Befugnissen und als höherer Verkörperung der Gemeinschaft und der Vorstellung vom Staat als freiwilligem Zusammenschluss eigennütziger Bürger deutlich, die sich in dieser politischen und institutionellen Form in Freiheit zusammenschließen, um in dem, was sie verbindet, ihre Interessen besser zu verteidigen, und um höhere Ebenen an Wohlstand zu erreichen als ihnen zuteilwerden könnten, wenn jeder Einzelne sein Leben ohne eine Zusammenarbeit mit den anderen führen würde. Das Problem liegt darin, dass der rein programmatische oder lediglich politische Charakter der Verfassungen des 19. Jahrhunderts dazu führt, dass auf das Gesetz nur als Werkzeug zur Verteidigung dieser Position der Bürger gegenüber dem Staat vertraut werden kann. Es gibt weder Verfahrensweisen noch Einrichtungen, um die juristische Überlegenheit der Verfassung zur Geltung zu bringen, weshalb besagte Überlegenheit keinen höheren als einen politischen Wert besitzt. Der gesamte politische und gesellschaftliche Druck der folglich auf das Gesetz, und dabei umso mehr auf das demokratisch entstandene Gesetz ausgeübt wird, sowie jener extreme Legalismus des 19. Jahrhunderts erklärt sich dadurch, dass das Gesetz die einzige juristische Garantie darstellt und daraus, dass es mittels der Anwendung des Rechts durch die Richter sehr wohl Kontrollen gibt. Zwischen den rein nominellen Rechten der Verfassungen und den juristisch wirksamen Rechten der Gesetzbücher und der Gesetze liegt im Engagement für letztere die einzige Möglichkeit, die von der Nation und von der Bürgerschaft errungene Position zu verteidigen. Es ist kein purer Rechts-
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fetischismus, wie eine solche Haltung heutzutage häufig charakterisiert wird, sondern vielmehr eine Verteidigung der Errungenschaften der modernen Revolutionen, die der überkommenen Herrschaft ein Ende bereitet haben. Es darf uns nicht allzu sehr überraschen, dass besagte Haltung ideologisch von Mythen wie dem des „vernünftigen“ Gesetzgebers begleitet wurde, wenn wir berücksichtigen, dass dieser Mythos sich bis in unsere Tage gehalten hat, obwohl die Protagonisten gewechselt haben: wir sind vom Mythos des vernünftigen Gesetzgebers zu dem der vernünftigen Verfassungsmacht oder sogar zum Mythos der vernünftigen Verfassungsgerichtshöfe übergegangen. Es gibt immer jemanden, der sich im Besitz der Wahrheit befindet, der uns zum objektiv Guten hinführt und uns gegen die Übeltäter verteidigt, lautet ein entscheidender Bestandteil der juristischen Ideologie aller Zeiten. Es ist allen bekannt, dass die Zeitabläufe und ihre Konsequenzen in den Vereinigten Staaten andere sind, seit sich der Oberste Gerichtshof vor allem mit dem Urteil im Fall Marbury gegen Madison im Jahre 1803 die Befähigung zur Kontrolle über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtnormen anmaßte. Hier zeigt sich die oberste Hierarchie der Verfassung schon nicht mehr lediglich als nominell oder symbolisch, und die Richter verfügen durchaus über Instrumente zur direkten Verteidigung der verfassungsmäßigen Rechte. Von dieser nordamerikanischen Ausnahme und von einigen einzelnen Folgeerscheinungen abgesehen sollte die wirkliche konstitutionelle Revolution des 20. Jahrhunderts in der Einführung von Kontrollsystemen der Verfassungsmäßigkeit in den Verfassungen selbst bestehen, und insbesondere in der „Erfindung“ der Verfassungsgerichte. Dies konnte erst dann geschehen, als die juristische Oberhoheit der Verfassungen erstmals in der kollektiven Vorstellungswelt und besonders unter den Juristen und innerhalb der politischen Klasse gut verankert war. Nachdem einerseits im politischen und gesellschaftlichen Kampf jene Spannung zwischen Volkssouveränität und rechtlicher Gleichstellung der Bürger, und andererseits der Etatismus, der einen späten Reflex der überkommenen politischen und sozialen Ordnung darstellte, überwunden waren, ergibt sich ein neues Bedürfnis in dem Moment, in dem die Verfassung zur effektiv höheren Norm wird und in ihr die grundlegenden Garantien der Bürger gegenüber der Staatsmacht enthalten sind. Wenn darüber hinaus der Gesetzgeber nicht mehr die mythologische Persönlichkeit ist, die der Gesellschaft vollkommen loyal ergeben, aus der er hervorgegangen und deren ursprünglicher Ausdruck des allgemeinen Willens er ist, wird es notwendig, die Verfassungen mit Mitteln zu ihrer eigenen Verteidigung auszustatten, und zwar in erster Linie gegenüber dem Gesetzgeber selbst und zum Wohle der Bürger. Unter dieser Zielsetzung werden die Kontrollsysteme der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze eingeführt. Man muss jedoch das immanente Paradoxon dieses Prozesses hervorheben: vorausgesetzt, dass es sich um die ureigenen Verfassungstexte handelt, in die solche Mechanismen allmählich eingefügt werden, die einen konstitutionellen Selbstschutz bilden, muss zuvor das Primat der Verfassung angenommen worden sein. Nur wenn die Verfassung allgemein als die höchste Norm angesehen wird, werden die Mittel zur Geltung kommen können, die sich zur Verteidigung dieser obersten Hierarchie in den Verfassungen selbst
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abbilden. Es gibt keinen effektiven Wandel der Institutionen und der normativen Systeme, wenn dem nicht ein Wandel der Mentalitäten, eine ideologische Veränderung vorausgeht. Die Verfassung lässt sich nur wirkungsvoll schützen, wenn die ersten Loyalitäten des Volkes der Verfassung gehören und nicht außer- oder vorkonstitutionellen Mächten gelten. Da – in juristischen Begriffen gesprochen – der Schutz der Verfassung in ihrem Selbstschutz besteht, ist eine ihr gegenüber loyale Gesellschaft erforderlich, die bereit ist, sie auch mit den Instrumenten der Politik zu schützen. In diesem Moment geschieht es, dass die Verfassungen aufhören reine politische und moralische „Substanz“ zu sein und eine prozessuale Dimension annehmen. Von dem Augenblick an, in dem es prozessuale Garantien für die verfassungsmäßigen Rechte gibt, sind diese keine bloßen moralischen „Rechte“ oder politischen Zielsetzungen mehr, sondern werden zu juristischen Rechten, zu Rechten im engeren Sinne. Umso mehr dies geschieht, desto effektiver werden die besagten Prozesse der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit und der zugehörigen Verteidigung der Rechte. Radikal formuliert: es gibt kein konstitutionelles Recht in Reinform, solange man über kein konstitutionelles Verfahrensrecht verfügt. Die Rechte erlangen keinen rechtsverbindlichen Charakter, so lange es keine prozessualen Bahnen gibt, um ihnen gegenüber allen und jeder einzelnen der öffentlichen Gewalten und vor allem und an erster Stelle gegenüber dem Staat Geltung zu verschaffen. Und wenn diese vertikale Wirkung der grundlegenden Rechte als Rechte gegenüber der öffentlichen Gewalt erst einmal ausreichend garantiert ist, kann der nächste Schritt unternommen werden, nämlich die Einbeziehung auch der so genannten horizontalen Wirkung gegenüber den Mitbürgern [Drittwirkung], der sich bekannter Weise Ende der 1950er Jahre die deutsche Verfassungsrechtsprechung im Fall Lüth gewidmet hat. Mit anderen Worten und zusammenfassend gesagt gab es kein wirklich wesentliches konstitutionelles Recht, solange sich kein prozessuales Verfassungsrecht entwickelt hatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden wir Zeuge einer zweiten Veränderung. Da die konstitutionellen Gebote und die entsprechenden Rechtsvorschriften bereits über prozessuale Instrumente des Schutzes und der Effektivität verfügen, werden die Verfassungen rechtlich sehr viel dichter. Gewisse historische Erfahrungen verweisen auf mögliche Verirrungen des Gesetzgebers und die unheilvollen Gefahren unkontrollierter staatlicher Gewalten. Infolgedessen verschärfen sich in Form der verfassungsmäßig proklamierten und sanktionierten Bürgerrechte die Vorsichtsmaßnahmen. Heute wird die verfassungsmäßige Auslegung zu einer wesentlichen Arbeit, und davon, wie diese von den Rechtsorganen, die mit der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit befasst sind, ausgestaltet und umgesetzt werden, sind zwei Dinge abhängig: die Reichweite der Bürgerrechte und das Ausmaß an Einschränkungen, die der demokratische Gesetzgeber hinnehmen muss. Wir steuern nun auf einen Zusammenstoß von Gesetzmäßigkeiten zu, Während sich das so genannte Problem der gegen die Mehrheitsmeinung gerichteten Entscheidungen über die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zuspitzt. Das Ziel des Schutzes der Grundrechte gehört
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auf unvermeidliche Weise mit einer Zunahme der Macht der Richter, die eine der Staatsgewalten bilden, zusammen. Von hier aus sollte die Lösung eines anderen politisch-juristischen Problems als dringlich erscheinen: wie kontrolliert man den letzten Kontrolleur, ja wie schützt man die Verfassung selbst gegen ihre eigenen höchsten Beschützer. In praktischer und verfahrenstechnischer Hinsicht äußerst sich dies in solchen Fragen wie dem Grad an Unabhängigkeit der Richter und insbesondere derjenigen, die zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit ermächtigt sind; wie diese ernannt werden und welches ihr Status ist. Wir befinden uns hier vor einer der Unlösbarkeiten der konstitutionellen Theorie: wenn die Verfassungsrichter von der Macht der politischen Mehrheit oder von der exekutiven Gewalt abhängig sind, werden sie nicht die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger schützen, sondern die Immunitäten der politischen Gewalten. So gelangen wir zu autoritären und antidemokratischen Regimes, die mit einer sehr trügerischen konstitutionalistischen Terminologie ausgestattet sind und die Sprache des Rechtes als Tarnung für den Missbrauch desselben verwenden. Wenn sich aber andererseits die Verfassungsrichter nicht einer gewissen politischen Kontrolle durch die Bürgerschaft unterworfen, sondern sich in ihrem Aktivismus gefördert sehen und sich dazu getrieben fühlen, ihr Gesetz gegenüber dem demokratischen Gesetzgeber durchzusetzen, kommt es zu einer Verlagerung der Souveränität, zu einem Übergang von der Volkssouveränität zur richterlichen Souveränität. Daher gerät das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen den Staatsgewalten, angefangen mit deren politischen Rechten, einmal mehr zu Ungunsten der Rechte der Bürger, die Grundlage der Volkssouveränität und des demokratischen Prinzips sind, erneut ins Wanken. Dabei sollten wir ebenso wenig vergessen, dass in diesen Stimmungslagen eine unausweichliche Gesetzmäßigkeit gilt: um so größer die Macht der Richter ist, desto größer wird das Bestreben der Exekutive und der herrschenden Parteien, sie zu kontrollieren und sie ihren Diktaten zu unterwerfen, in den meisten Fällen mit Erfolg. Die Schwierigkeiten vergrößern sich noch durch eine Reihe weiterer Faktoren und Veränderungen. Die direkte Wirksamkeit der konstitutionellen Normen, speziell derjenigen, die sich auf Grundrechte beziehen, wird vorangetrieben. Wenn man versteht, dass die verfassungsmäßigen Rechte, wie in einigen Momenten geschehen, nicht wirksam werden und zur Anwendung kommen können, wenn sie sich nicht rechtlich entfalten können, bleibt der Gesetzgeber Herr über solche Rechte und kann diejenigen, deren Funktionsweise er nicht zu steuern vermag, in wertlose Schriftstücke verwandeln. Wenn man darüber hinaus begreift, dass diese Rechte eine eigene inhaltliche Substanz besitzen und dass es die Verfassungsrichter sind, die sich nicht nur im Falle mangelnden Rechts, sondern – einschließlich gegen nicht als verfassungswidrig erklärtes Recht – gegebenenfalls auch gegen das Recht um deren Verteidigung zu kümmern haben, findet eine verdeckte konstitutionelle Veränderung statt: die Verfassung entspricht nicht mehr dem konstitutionellen Wortlaut, sondern folgt der Interpretation des Verfassungsrichters oder darüber hinaus dem, was der Verfassungsrichter in das hinein interpretiert, was die Verfassung gebietet, auch wenn sie dies nicht
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oder in anderer Form aussagt. Hier liegt eine weitere der Unlösbarkeiten, von denen sich der gegenwärtige Konstitutionalismus nicht zu befreien vermag. Es folgt ein weiteres Element: In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ereignet sich ein weiterer entscheidender Wandel innerhalb des Konstitutionalismus. Es entwickeln sich neue Katalogisierungen der verfassungsmäßigen Normen und vor allem setzt sich die Vorstellung durch, dass es sich bei einigen dieser Normen sozusagen um verfassungsmäßige Prinzipien und nicht um „gewöhnliche“ Regeln oder Normen handelt. Diese konstitutionellen Prinzipien werden aufgrund ihres Verständnisses mit axioliogischem [wertephilosophischem] Inhalt beladen, d. h. dass hier die wesentlichen moralischen Werte zusammengefasst werden, die hinter der Verfassung stehen und dieser ihre gemeinsame Kohärenz und ihren gemeinsamen Wert geben. Vermittels der hier vermittelten Prinzipien werden Verfassungen auf eine moralische Basis gestellt und es verschwindet die Gleichsetzung zwischen Verfassung und Verfassungstext. Die Verfassungen bestehen bereits nicht mehr nur aus einer Reihe ausgesprochener Normen, die einen höheren oder geringeren Grad an semantischer Bestimmtheit oder Unbestimmtheit aufweisen können und infolgedessen von ihren Anwendern innerhalb der Grenzen anzuwenden sind, die die jeweilige Verfassungsmacht betrifft. Die Verfassungen sind nicht nur mehr rein sprachlich gedacht, sondern verdinglichen sich, werden zu materiellen Verfassungen, ihr Innerstes ist von philosophischem Wert. Dies geschieht jedoch nicht deshalb, weil der Inhalt ihrer Aussagen sich genetisch gesehen als Widerspiegelung einiger wertemäßiger Vorzüge der Gesellschaft oder der verfassungsmäßigen Gewalt darstellen, sondern weil die Verfassung ihren eigenen Wertgehalt besitzt. Hier handelt es sich um Werte, die darüber hinaus keine subjektiven Vorzüge bestimmter Personen oder Gruppen darstellen, sondern Werte sind, die eine objektive Werteordnung zum Ausdruck bringen. Die wahre Verfassung ist von daher nicht die, die es einfach „gibt“, sondern die, die es geben muss. So kommt es zu einem Wandel der konstitutionellen Ontologie und die Funktion der Richter verändert sich. Die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Rechts oder der Ergebnisse seiner Anwendung stellt keine Kontrolle der Kohärenz der legalen und der konstitutionellen Aussagen und keine Lösung von Widersprüchen zwischen zwei Aussagen mehr dar, sondern eine Kontrolle der Vereinbarkeit rechtlicher Lösungen mit dem substanziellen Inhalt gewisser Normen, die per se und unabhängig von der Art und Weise, in der sie im Verfassungstext zum Ausdruck kommen, existieren und fortbestehen. Deshalb sinkt die Bedeutung der Auslegung als Technik und auch als Geltendmachung eines Ermessensspielraumes seitens des Interpreten innerhalb gewisser Grenzen, die in logischen und semantischen Einschränkungen bestehen, und die richterlich auf die Verfassung anwendbare Entscheidung wird als eine Übung praktischer Vernunft angesehen. Der technische Verfassungsrichter überlässt seinen Platz dem philosophisch moralischen Richter. Die Moral nimmt den Platz des Rechtes bei der Erschließung der Verfassung ein und zugleich weiten sich die Handlungsspielräume der politischen Entscheidung aus. Folglich wird auch die richterliche Entscheidung nicht mehr als politische Entscheidung verstanden, sondern als
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Ausdruck einiger verfassungsmäßigen Gebote, die vor allem objektive moralische Gebote sind. Von dem Moment an, in dem die Verfassung mehr oder etwas anderes ist als was in ihr geschrieben steht, kann es geschehen, dass etwas, was in der Verfassung enthalten ist, ohne Bedeutung bleibt und es einen Teil der Verfassung geben kann, der in ihrem Text nicht explizit zum Ausdruck kommt. Das Materielle siegt über das Formale, der moralische Geist setzt sich gegen das Geschriebene durch, das Wesentliche obsiegt gegen das Zufällige: die Verfassung ist nicht mehr das, was sie zu sein scheint, was man in sie hineinliest, sondern das, was sie zu sein hat. Selbst wenn es sich um eine juristische Norm handelt, ist sie nicht mehr von künstlicher Schöpfung, sondern von ontologischer Essenz wie das Naturrecht oder wie bestimmte grundlegende Rechte der alten Ordnung. Die grundlegende Norm als virtuelles Fundament der rechtlichen Gültigkeit der Verfassung erscheint nun nicht als Fiktion oder als erkenntnistheoretisches Artefakt, sondern als moralische Essenz. Die Verfassungen gelten wegen ihrer Übereinstimmung mit der moralischen Wahrheit und die Kette ihrer Rechtswirksamkeit endet in einer obersten Norm, deren Geltung eine moralische ist. Das moralische Axiom bannt die sehr formalhypothetische fundamentale kelsenianische Norm oder die empirische Regel der hartianischen Anerkennung. Das natürliche Recht erlangt schließlich vollen Rechtsstatus und es sind keine weiteren theoretischen Hilfsmittel mehr nötig, um die Rechtmäßigkeit der Verfassung zu begründen. Eine neue Konsequenz und ein neues Paradoxon. Die sehr anerkennenswerte Vorstellung von der direkten Effizienz der Verfassung nimmt neue Färbungen an, wenn es sich um die verfassungsmäßige moralische Substanz handelt, die einer direkten Anwendung bedarf. Dies führt zusammen mit dem zuvor erwähnten Prinzipialismus zu einem Denken, dass die richterliche Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit eine Kontrolle der Vereinbarkeit der Lösung eines jeden Falles mit dieser konstitutionellen Substanz moralischer Natur sein müsse. Zu guter letzt wird davon ausgegangen, dass die Verfassung für eine gerechte Lösung eines jeden Falles sorgt, dass keine rechtliche oder richterliche Lösung eines Falles als unmoralisch zurückgewiesen werden kann, da sie dann verfassungswidrig wäre, auch wenn sie sich im Einklang mit dem nicht verfassungswidrigen Recht stehend erweisen sollte. Denn die Lösung eines Falles als unmoralisch zu bezeichnen kommt der Kennzeichnung dieser Lösung als verfassungswidrig gleich. Die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit führt auf diese Weise zu zwei überraschenden Phänomenen: es handelt sich um eine kasuistische Kontrolle und um eine Kontrolle der Moral. Die Verfassungen reduzieren sich letzten Endes auf ein einziges Mandat von Bedeutung: dass nämlich im jeweils konkreten Einzelfall Gerechtigkeit geübt werde. Das zuvor Gesagte gibt Anlass zu einem Spiel, das sich im Falle der sozialen Rechte und im Hinblick auf die Sozialstaatsklausel als besonders abartig erweist. Es handelt sich um ein ausgezeichnetes Thema, um das Verhältnis zwischen Grundrechten und allgemeinem abstraktem Gesetz zu untersuchen, und um die Art von Garantien neu zu entwerfen, die am besten zur Grundphilosophie der Rechte passen. Die
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sozialen Rechte, die Quintessenz und unverzichtbare Bedingung eines konstitutionellen und demokratischen Staates sind, der den Beinamen Sozialstaat verdient, können auf verschiedene Weise interpretiert werden. Die eine besteht darin zu bekräftigen, dass ein jeder Bürger, wie alle Inhaber gewisser Rechte, durch Verfassungsgebot einige angemessene und gesicherte Minima zur Befriedigung bestimmter Grundbedürfnisse besitzen muss: Nahrung, Wohnung, Gesundheit, Bildung … Dies ist keine irrige Anschauung, lässt aber die Frage der Form offen, in der diese garantiert werden können und müssen. Dazu gibt es zwei mögliche Wege. Der erste besteht darin zu erklären, dass jeder Bürger, der in dieser Hinsicht auf geeignetem Prozessweg die Behebung irgendeines Mangels einfordert (zum Beispiel, weil er sich einem wichtigen chirurgischen Eingriff unterziehen muss, den er nicht aus eigener Tasche bezahlen kann), von den Richtern einen geeigneten vorteilhaften Urteilsspruch erhalten muss, der die entsprechende öffentliche Institution dazu verpflichtet, die notwendigen Mittel bereitzustellen. Dies ist keine unangemessene Sichtweise, aber das Thema liegt darin begründet, ob es sich um eine Restgarantie oder eine Schlussgarantie handelt oder ob es dabei um eine Exklusiv- oder eine Vorzugspolitik zur Implementierung solcher Rechte geht. Der andere Weg ist der, für das allgemeine und abstrakte Gesetz einzutreten, das mit seiner universellen Eigenschaft diese Rechte auf eine Weise garantieren soll, dass für ihre Einhaltung in Bezug auf alle gesorgt wird oder zumindest alle , denen es an ökonomischen Mitteln fehlt. Unter diesen Umständen würde in Fällen der Verletzung der allgemeinen gesetzlichen Verfügungen, in zweifelhaften oder schwierigen Fällen und bei der Festsetzung der Grenzen der Verfassungsmäßigkeit besagter allgemeiner und abstrakter Norm der Rekurs auf die Gerichte dienlich sein. Die Krise des Gesetzes und die Geringschätzung der legislativen Gewalt sind die Ausrede dafür, dass diese in einigen Staaten dazu genutzt wird, die Umsetzung der sozialen Rechte ausschließlich den Händen der Richter zu überlassen. Die eigennützige Manipulation der Sprache des Rechts seitens der politisch Mächtigen und ihrer Propaganda, stellt zusammen mit einem gewissen Justizialismus die Judikative als obersten und gleichsam exklusiven Beschützer der sozialen Rechte dar. Aber die Richter entscheiden nur von Fall zu Fall und, so bemüht und verdienstvoll ihre Arbeit an den Urteilen auch sein mag, verdecken die besagten Strategien doch nur das Fehlen einer allgemeinen Sozialpolitik, die nur mittels des Gesetzes verwirklicht werden kann. Dies geschieht unter der Erschwernis, dass der Sozialstaat einnahmebezogene und umverteilerische Maßnahmen vorsieht, die auf die Finanzierung dieser grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen gerichtet sind. Eine solche Umverteilung vollzieht sich jedoch nicht einfach nach richterlicher Kasuistik, so gut sie auch gemeint sein mag. Es vollzieht sich auch keine gesellschaftliche Umverteilung und Politik, wenn man einfach die Einkünfte derer schmälert, die am meisten besitzen, sondern nur wenn man die Mittel in den Dienst der effektiven Verallgemeinerung der sozialen Rechte stellt. In vielen heutigen Staaten, insbesondere in Lateinamerika, werden wir Zeuge einer Wiedergeburt des Substantialismus, der sich gegen die prozessualen Garantien
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richtet, und es kommt zu einer tendenziösen Sichtweise auf die Rechte der Bürger. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass die Rechte, ohne prozessuale Regelungen, die rechtliche Konflikte ordnen und ihnen ein Rahmen geben, nicht wirklich geschützt werden. Die prozessuale Regulierung bringt Beschränkungen für die Verteidigung der Rechte mit sich, denn sie setzt Grenzen im Hinblick auf Fristen, Verfahrensweisen, mögliche Rechtsmittel, gültige Beweise, Verteidigungsgarantien, etc. Wenn es aber einen Konflikt zwischen dem Recht, das man versucht zur Geltung zu bringen und der prozessualen Norm gibt, dann neigt man heute dazu, der Substanz des ersteren gegenüber den prozessualen Regelungen den Vorzug zu geben, die von hohen Gerichten allzu häufig als Ursprung steriler Formalismen bezeichnet worden sind. Dieser militante Antiformalismus, diese Abneigung gegen prozessuale Hinderlichkeiten wäre nicht zu kritisieren, wenn es nicht so wäre, dass bei vielerlei Gelegenheiten das Verhältnis zwischen den von der einen oder der anderen Seite zur Debatte stehenden Rechten ein Nullsummenspiel darstellt: während das eine ausgeweitet wird, wird das andere eingegrenzt. Und das Gleiche geschieht mit den belebenden Prinzipien einschließlich der verfassungsmäßigen Grundsätze: wenn das Recht mit der Rechtssicherheit kollidiert, können beide nicht in identischem Maße obsiegen. Deshalb gibt es die prozessuale Norm, und aus diesem Grund muss sie sowohl in der Verfassungsmäßigkeit ihrer Begriffe kontrolliert, als auch ohne neue „Abwägungen“ der auf dem Spiel stehenden Werte oder Prinzipien, ob die besagte Norm verfassungsmäßig ist, angewandt werden. Denn wenn unter dem Vorwand des großzügigen Umgangs mit den substanziellen Rechten die Aufhebung von Fristen und jeglicher gesetzlich festgelegter Verfahrensbedingungen für gut und vollkommen verfassungsgemäß befunden wird, öffnet man zwei unerwünschten Folgen die Tür: zunächst der rechtlichen Ungleichheit zwischen den Bürgern (warum beträgt für die einen die Frist zur Einreichung einer Klage einmal acht Tage und kann für andere in einem anderen Fall zwölf Tage betragen?) und dann, langfristig gesehen, der Schutzlosigkeit der Rechte aller. Es ist jedoch bekannt, dass die substantiellen Rechte, wenn die prozessualen Rahmenbedingungen erst einmal aufgelöst sind, sich schließlich selbst verflüchtigen, da sie dann der reinen Willkür der Anwender der Verfassung ausgesetzt sind. Wie beladen sie auch mit Rechten, Prinzipien und Werten sein mag, so wird eine Verfassung, die als Vorwand für die Okklusion des Gesetzes und für die Nichtbeachtung seines allgemeinen und abstrakten Charakters dient, am Ende zur perfekten Ausrede für einen Autoritarismus neuer Prägung: einen paternalistischen und populistischen Autoritarismus, der sich immer auch darum kümmern wird, dass die Richter von der politischen Gewalt kontrolliert werden und ihr gegenüber fügsam sind. Dies ist der Kontext, in dem heranwächst, was wir als eine symbolische Rechtsprechung bezeichnen könnten, und zwar insbesondere eine symbolische Rechtsprechung der höchsten Gerichte: mit einer starken Betonung der Grundrechte, mit spektakulären Entscheidungen, die diese ausdehnen, wenn es sich um Konflikte zwischen Privatpersonen oder Konflikte handelt, die die Interessen der staatlichen Gewalten und der Politiker, die die Fäden ziehen, nicht betreffen, und mit einer ungeheuren
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und sehr zynischen Engstirnigkeit, wenn die Bürgerrechte mit der Staatsraison, mit dem Interesse der obersten Führungsspitze oder mit dem „Staatsnotstand der Republik“ zusammenprallen. Eine richterliche Demagogie, die von untergeordneten und ängstlichen, wenn nicht gar auf dreiste Weise bestechlichen Justizbeamten praktiziert wird. Das wahre Wesen der oberen Gerichtshöfe, ihr Grad an Unabhängigkeit und die moralische und verfassungsmäßige Statur ihrer Richter stellt sich nicht unter Beweis, wenn sie anordnen, dass der Staat Geld zur Verfügung zu stellen habe, um einem einfachen Bürger eine Wohnung zu verschaffen oder eine Operation am offenen Herzen zu bezahlen, auch wenn dies im betreffenden Fall gerecht und verfassungsmäßig gerechtfertigt wäre, sondern wenn sie mit der Verfassung in der Hand den Missbräuchen der politischen Macht und der Korruption der Herrschenden die Stirn bieten. Etwas anderes ist ein selektiver und von daher scheinheiliger Konstitutionalismus, ein Konstitutionalismus als Tarnung, als Ideologie im marxistischen Sinne des Begriffes, als falsches Bewusstsein und Strategie zur Aufrechterhaltung der vergeblichen Illusionen des unterdrückten Volkes: als (rechtliches) Opium für das Volk. Eine Richterschaft, die wahrhaft dem Schutz der Rechte verpflichtet ist, benötigt Richter und Justizbeamte mit zweierlei Arten von Attributen, institutionell die einen und persönlich die anderen. Dies erfordert funktional unabhängige Richter, die im Rahmen einer wahrhaftigen juristischen Laufbahn fachkundig, unkündbar und keiner anderen Macht unterworfen sind als der Verfassung und der Gesetzmäßigkeit. Und, was das Persönliche angeht, kann es weder eine effektive Verfassung noch gesicherte Rechte geben, wenn den Richtern und Justizbeamten das moralische Format fehlt. In einigen Ländern setzt die Aufrechterhaltung dieser grundlegenden moralischen Haltung nichts weniger als praktiziertes Heldentum voraus. Soweit man weiß, ist jedoch niemand dazu gezwungen, Richter zu sein, wenn er nicht will oder wenn man ihn seinen Beruf nicht auf anständige Weise ausüben lässt. Kommen wir auf die Prinzipien zurück. Wir wollen, wenn man so will, zunächst anerkennen, dass als Normprinzipien diejenigen gelten, die in der Verfassung, angefangen mit den Grundfreiheiten (Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Ideologiefreiheit, Religionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Recht auf Privatsphäre, etc., etc.) substanzielle Rechte erfassen. Darüber hinaus wollen wir wollen noch andere substanzielle Prinzipien zur Sprache bringen, die in den Verfassungen aufgezählt werden, wie das der Gerechtigkeit, das der Würde des Einzelnen, das der freien Entfaltung der Persönlichkeit, etc. Es wäre ausgezeichnet, wenn man sie maximierte, wenn man sie „optimierte“, soweit es sich um Optimierungsgebote handelt, wie sie von einem sehr wichtigen Teil der heutigen Verfassungslehre vertreten werden. In denselben Verfassungen gibt es jedoch auch anders geartete Prinzipien, die wir gattungsmäßig als formale, verfahrensmäßige oder institutionelle Prinzipien bezeichnen könnten. Hier finden wir das Prinzip des angemessenen Verfahrens, des Rechtes auf Verteidigung, der Gesetzmäßigkeit von Strafen und Sanktionen, des Rückwirkungsverbotes eines nachteiligen Strafgesetzes, der richterlichen Unabhängigkeit, der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und bei des-
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sen Anwendung, das Prinzip des „im Zweifel für den Angeklagten“ und das Prinzip der Waffengleichheit während des Verfahrens … Was machen wir nun mit diesen Prinzipien? Wägen wir sie möglicherweise ab? Sie sind es schließlich, die den Bürgern die höchsten Garantien, ihre grundlegende Sicherheit gegenüber dem Leviathan bieten. Ich wiederhole: wägen wir sie gegen die substantivischen Prinzipien ab, damit sie in gewissen Fällen unterliegen können? Opfern wir das Prinzip der Strafgesetzlichkeit aus irgendeinem Anlass, um denjenigen zu schützen, der etwas getan hat, was uns ungeheuerlich erscheint, obwohl dieses Verhalten strafgesetzlich keinen Tatbestand darstellt? Missachten wir die Unschuldsvermutung mit dem Ziel, dass derjenige bestraft werde, von dem wir unbedingt überzeugt sind, dass er ein übler Verbrecher sei, auch wenn man ihm seine Missetat nicht glaubwürdig hat nachweisen können? Manipulieren oder ignorieren wir die Erfordernisse des Rechts auf Verteidigung und das Beweisrecht, damit derjenige, der sich mit dem Staat überworfen oder dessen Macht herausgefordert hat, ohne Weiteres und auf exemplarische Weise seine verdiente Strafe erhält? Bringen wir Feindstrafrecht oder Täterstrafrecht zur Anwendung? Denken wir uns in dem Wissen, dass derjenige zum Feind wird, der die Macht herausfordert, leichtfertig ein Feindesverfassungsrecht aus? Sollen wir uns dazu aufschwingen zu denken, dass die Verfassung und die Grundrechte nur für die gutwilligen Bürger da sind, für die konformen Bürger, für das untertänige Volk, und dass es die anderen nicht verdienen unter einem Verfassungsstaat zu leben, sondern unter einem permanenten Ausnahmezustand? Ist der Konstitutionalismus etwa nicht dazu entstanden, um die Gleichheit der Bürger vor dem Recht und deren gleichartigen Schutz mit identischen Garantien zu etablieren, was auch immer sie denken, wen auch immer sie wählen, wen auch immer sie kritisieren? Kann es in einem demokratischen und sozialen Verfassungsstaat ein Verfahrensstatut und ein Rechtssystem geben, das sich je nach Gesinnung und Vorlieben [der Bürger] unterscheidet? Sollen wir im falschen verfassungsmäßigen Gewand eine reaktionäre Wende vollziehen, die zur Negierung der ureigensten Essenz der primären Grundrechte wie den Immunitäten und Garantien gegenüber dem Staat und seinen Gewalten führt? Stempeln Sie mich nicht als Pessimisten oder Alarmisten ab, aber suchen Sie nach einer zutreffenden Antwort auf dieses Rätsel unserer Tage: warum stoßen die Sprache und die Kategorien des so genannten Neokonstitutionalismus gerade in den Staaten und bei den Regimes von offenkundig autoritärer Neigung so sehr auf Gefallen und auf so starke Verwendung; warum konnte man darauf verfallen zu denken, dass es durch ein solches gedankliches Instrumentarium und eine solche Sprache möglich sei, die absolute Vormachtstellung des Staates und seiner Beherrscher wiederherzustellen und die Bürger zu Untertanen zu machen unter dem Vorwand über ihre hochheiligsten Rechte und unaufschiebbaren Reformen zu wachen; warum wird diese Doktrin der Rechte und der Verfassungen unter besagten Regimes nur dazu angewandt, um die Opposition nieder zu halten und die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Dies ist keinesfalls ein Argument, um den Neokonstitutionalismus als Doktrin zu verurteilen, kann uns aber hinsichtlich des Enthusiasmus zu denken geben, mit
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dem einige seiner Thesen in Ländern eingeführt werden, die in der Praxis verweigern, was sie durch die Benutzung dieser Sprache irreführender Weise proklamieren. Ein wundervoller Anzug, der einem großen Athleten oder einem Modell auf dem Laufsteg außerordentlich gut steht, kann an meinem Körper oder sagen wir an einem Sumo-Ringer unpassend, ja sogar lächerlich wirken. Dass in Deutschland oder in Schweden, wo schon ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit, an Rechtsschutz für alle und jeden, an wirkungsvollen Garantien gegen jedweden Verstoß gegen die Rechte des Einzelnen durch die Staatsmacht oder durch Privatleute durchgesetzt worden ist, neue verfassungsmäßige Kategorien und neue Systeme richterlichen Denkens erdacht werden, um im konkreten Einzelfall über die Umsetzung der Rechte hinausgehend dort Gerechtigkeit zu suchen, wo das Gesetz bereits eine hohes Maß an Gerechtigkeit für alle sicherstellt, ist verständlich und anerkennenswert. Es ist sicherlich ein positiver Schritt nach Vorne, dass die Verfahrensphilosophie neu formuliert wird und neue verfahrensmäßige Regulierungen etabliert werden, um in jedem Falle die richterliche Entscheidung gegenüber den Forderungen nach Gleichheit dort zu sensibilisieren, wo es kein erhöhtes Risiko der Willkür oder Diskriminierung gibt. Darüber hinaus werden da, wo diese vorgenannten Bedingungen nicht einmal dem Anschein nach erfüllt sind, genau dieselben Instrumente, die anderswo der Perfektionierung dienen, zum theoretischen Hohn und zur Quelle politischen und ökonomischen Missbrauchs. Dies geschieht in bestimmten Ländern Lateinamerikas mit der Übernahme von Neokonstitutionalismus und Prinzipialismus. Lassen Sie uns zum verfassungsmäßigen Verfahrensrecht zurückkehren und hinsichtlich seiner Bedeutung wie folgt rekapitulieren. Ohne Verfahrensgarantien haben die Bürgerrechte keinerlei praktische Relevanz, und keinerlei Verletzung dieser verfahrensmäßigen Garantien kann im Namen des besten Schutzes der substantiellen Rechte gerechtfertigt werden, denn diese Verletzung wird am Ende immer der beste Weg sein, diese Rechte zu leugnen, um sie allen zu verweigern oder um sie nur einigen Oppositionellen, den Kritikern, den Nichteinverstandenen, den Besten zu verwehren. Dieses konstitutionelle Verfahrensrecht ist kein bloßer Katalog von formalen Verfahrensweisen und Instanzenwegen, sondern besitzt als Grundlage eine konstitutionelle Philosophie, die es zu bewahren hat und die zum Entstehen des modernen Konstitutionalismus geführt hat, um der staatlichen Willkür und der Straflosigkeit der öffentlichen Gewalten ein Ende zu bereiten. Deshalb ist das Verfahrensrecht, wenn wir diese Terminologie verwenden wollen, nicht nur den obersten verfassungsmäßigen Prinzipien nicht fremd, sondern verkörpert genau die richtige Art der Umsetzung der Wichtigsten von ihnen, ohne die eigentlich weder Verfassung noch Rechtsstaat existieren würden: ein angemessenes Verfahren, habeas corpus, das Recht auf Verteidigung, das Legalitätsprinzip, das Rückwirkungsverbot eines nachteiligen Strafgesetzes, die Unschuldsvermutung und so weiter …
Administrativ-rechtliche Streitigkeiten als eine der Arten des juridischen Konflikts Von Natalia J. Khamaneva, Moskau* I. 1. Diverse Konflikte in verschiedenen Bereichen des Lebens erfordern eine Analyse, Ursachenerhebung und Erforschung der Bedingungen, die zu Konfliktsituationen führen. Es geht dabei um die Herausarbeitung von Maßnahmen zur Vorbeugung, Beilegung und Lösung von Konflikten. Die Erforschung dieser Probleme erfolgt im Rahmen einer Konfliktologie, hier verstanden als Wissenschaft(en), welche die Untersuchung des sozialen Charakters, der Ursachen und Mechanismen von Konflikten in der menschlichen Gesellschaft und die Herausarbeitung von Lösungswegen zu ihrer Beilegung oder zur Vorbeugung zum Gegenstand haben.1 Das Wort und der Begriff „Konflikt“ selbst bedeutet, folgt man der Ethymologie aus dem Lateinischen, das Zusammenstoßen von gegensätzlichen Interessen, Auffassungen und Bestrebungen, die zu Streitigkeiten mit Konsequenzen für die Beteiligten führen (können). a) Die umfassende Disziplin der Konfliktologie ist mit Soziologie, Sozialpsychologie, Politologie, Geschichte u. a. eng verbunden.2 Der Konflikt stellt sich in der heutigen Soziologie als ein Typ von sozialen Interaktionen dar, der durch die Wirkung und Gegenwirkung sozialer Subjekte charakterisiert wird und durch Widersprüche in deren Bedürfnissen, Interessen, Zielen und deren sozialem Status, Rollen und Funktionen bedingt ist.3 Es gibt auch andere Begriffe des „Konflikts“. In einem allgemeineren Sinne kann der Konflikt als Erscheinung von objektiven und subjektiven Widersprüchen angesehen werden, die sich in einer Auseinandersetzung von Parteien äußern, das heißt, es geht um Situationen, bei denen die Parteien
* Aus dem Russischen übertragen von Dipl.-Jur., Dipl.-Phil. Elena Kantypenko, M.A. 1 Näher dazu vgl.: V. N. Kudrjavcev (Hrsg.), Juridicˇeskaja konfliktologija [Juridische Konfliktologie], Moskau 1995. 2 Vgl.: Slovar‘ insotrannych slov v russkom jazyke [Wörterbuch der Fremdwörter im Russischen], Moskau 1996, S. 359. 3 Social’nye tehnologii: Tolkovyj slovar‘ [Soziale Technologien: Begriffswörterbuch], Moskau, S. 61.
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(Subjekte) der Interaktion irgendwelche eigenen Ziele verfolgen, die einander widersprechen oder sich gegenseitig ausschließen können.4 b) Mit Problemen der Konfliktologie beschäftigen sich neben den oben genannten Wissenschaften auch die Rechtswissenschaft und die Staatslehre. Sie untersuchen die juridischen Formen der menschlichen Interaktion. Ich verwende im Folgenden den Ausdruck ,juridisch‘, da es mir nicht nur um die Form von rechtlichen Interaktionen geht, an denen Juristen beteiligt sind, sondern um rechtliche Verhaltensweisen schlechthin. Die Analyse und Synthese von konfliktologischen Problemen und Grundsätzen einer genuin juridischen Wissenschaft verfolgt ein besonderes Interesse. Es besteht darin, daß viele soziale Konflikte im Bereich der Sozialbeziehungen stattfinden, die durch juridische Situationen ausgelöst werden und mit juridischen Mitteln gelöst werden müssen. Aus der allgemeinen Konfliktologie kann deshalb ein Bestand von Problemen ausgegliedert werden, der als juridische Konfliktologie bezeichnet wird. Sie beschäftigt sich mit der Erforschung von Fragen, die zum Gegenstandsbereich der allgemeinen Konfliktologie gehören, aber in der Perspektive des Rechts ausgegliedert sind. Die juridische Konfliktologie erforscht Ursachen, Formen und Dynamik juridischer Konflikte, an denen als Träger der Rechtsverhältnisse Personen im Rechtssinne, d. h. auch Bürger beteiligt sind. Sie erarbeitet rechtliche Methoden der Regulierung von Konflikten, einschließlich gerichtlicher Prozeduren und Verfahren oder anderer Mittel, die rechtlich vorgesehen sind. Die Besonderheit des juridischen Konflikts besteht darin, daß er mit der Verwirklichung oder Verletzung von Rechtsnormen und dementsprechend mit der Entstehung, Veränderung und Auflösung von Rechtsverhältnissen zwischen natürlichen oder juristischen Personen eng verbunden ist.5 Der Gegenstandsbereich umfaßt die verschiedensten Rechtsgebiete, wie beispielweise das Strafrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht, Verwaltungsrecht u. a. c) Wenn man über den juridischen Konflikt spricht, muß man darauf hinweisen, daß er gewöhnlich mit bestimmten Formen der Auseinandersetzung seiner Teilnehmer verbunden ist. Sie äußern sich sehr oft in bestimmten Formen von Streitigkeiten. Im folgenden wird deshalb zwischen juridischen Konflikten und rechtlichen/juristischen Streitigkeiten, insbesondere Rechtstreitigkeiten vor Gericht unterschieden. Ein Konflikt kann die Voraussetzung für die Entstehung eines Streits im juristischen Sinne6 sein. In einer Reihe von Fällen bietet eine Konfliktsituation die Möglichkeit, von vornherein durch ein Einvernehmen der Parteien gelöst zu werden, so daß es erst gar nicht zu einem Rechtstreit kommt.
4 Social’nye konflikty: E˙kspertiza, prognozirovanie, technologija razresˇenija [Soziale Konflikte: Expertise, Prognostizierung, Technologie der Lösung], Ausgabe 1, Moskau 1991, S. 27. 5 Juridicˇeskaja konfliktologija [Juridische Konfliktologie], Moskau 1995, S. 4. 6 Vgl. Luparev, E. B., Obsˇcˇaja teorija administrativno-pravovogo spora [Allgemeine Theorie des administrativ-rechtlichen Streits], Voronezˇ 2003, S. 11.
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2. Der juridische Konflikt besitzt im Bereich des Verwaltungsrechts eigene spezifisch-rechtliche Eigentümlichkeiten. Sie sind bedingt durch den Charakter mittels der Normen des Rechts zu regulierenden Rechtsverhältnisse im Funktionsbereich der Exekutive. a) Diese Rechtsverhältnisse haben öffentlich-rechtlichen Charakter. Wenn sie die Form streitiger Rechtsverhältnisse annehmen, so wird der Verwaltungsstreit zu einer besonderen Art des juridischen Konflikts.7 Die Subjekte dieser Rechtsverhältnisse können unterschiedlich sein. Es können in diesem Zusammenhang (i) Konflikte unmittelbar zwischen den vollziehenden Organen, (ii) zwischen einem vollziehenden Organ und einem sozialen Verband, d. h. einer kommerziellen Struktur, (iii) zwischen den vollziehenden Organen des Systems der örtlichen Selbstverwaltung, Bürgern u. a. entstehen. So können beispielweise Streitigkeiten, die einen administrativ-rechtlichen Charakter haben, auch zwischen verschiedenen Organen der vollziehenden Gewalt der Subjekte der Russischen Föderation entstehen. Für die Lösung der Widersprüche zwischen diesen Organen und zwischen den Organen der vollziehenden Gewalt auf der Bundesebene kann der Präsident der Russischen Föderation gem. Art. 85 der Verfassung der Russischen Föderation vom Schiedsverfahren Gebrauch machen. Die Regierung der Russischen Föderation löst die Streitigkeiten und Widersprüche zwischen den Organen der vollziehenden Gewalt auf der Bundesebene und den Regierungen der Republiken, den Verwaltungen anderer Subjekte der Föderation sowie zwischen den Ministerien u. a. Im Hinblick auf Entscheidungen der Regierung der Russischen Föderation, die die Rechte der Organe der vollziehenden Gewalt der Subjekte der Föderation verletzen, kann Beschwerde durch die gesetzgebenden Organe (Vertretungsorgane) beim Verfassungsgericht der Russischen Föderation oder bei der Höchsten Arbitrage der Russischen Föderation eingelegt werden. Gegen eine Entscheidung der Justizorgane, die eine Ablehnung der Registrierung enthält, kann Beschwerde durch einen sozialen oder religiösen Verband bei Gericht eingelegt werden usw. b) Die Vielfalt und Komplexität des verwaltenden und des verwalteten rechtlichen Subsystems der Gesellschaft führt oft dazu, daß Menschen die Ziele und Aufgaben der staatlichen Verwaltungstätigkeit höchst unterschiedlich oder widersprüchlich wahrnehmen. Dies kann eine Erscheinung, wie die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten zur Folge haben.8 c) Der administrativ-rechtliche Streit wird gekennzeichnet durch folgende Merkmale. Derartige Streitigkeiten entstehen im Bereich der staatlichen Verwal7 Vgl.: Zelencov, A. B., Konflikty v upravlenii i upravlenie konfliktami: Opyt kompleksnogo issledovanija predmeta i form administrativnoj jurisdikcii [Konflikte in der Verwaltung und Verwaltung von Konflikten: Erfahrungen einer komplexen Untersuchung des Gegenstandes und der Formen der verwaltungsrechtlichen Gerichtsbarkeit], Moskau 2001; Khamaneva N. J., Teoreticˇeskie problemy administrativno-pravovogo spora [Theoretische Probleme des administrativ-rechtlichen Streits], in: Gosudarstvo i pravo [Staat und Recht], Nr. 2, 1998, S. 29 – 36. 8 Luparev, ebd., S. 3.
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tung im Prozess der Erfüllung von Verwaltungsfunktionen durch die vollziehenden Organe. Charakteristisch für sie ist die besondere Lage der Subjekte, die an dem umstrittenen Rechtsverhältnis beteiligt sind. Unabdingbarer Teilnehmer des administrativ-rechtlichen Streits ist ein vollziehendes Organ, das mit Machtbefugnissen (Kompetenzen) ausgestattet ist, oder ein Organ der örtlichen Selbstverwaltung, eine ihrer Abteilungen oder ein Amtsträger. Dem administrativ-rechtlichen Streit liegt ein besonderer Gegenstand zugrunde, was mit dem breiten Spektrum möglicher Verwaltungstätigkeiten zu tun hat. Die wichtigste Besonderheit dieser Kategorie von Streitigkeiten ist die Eigenart ihrer Lösungen, die nach einer speziellen administrativ-rechtlichen Regulierung der Verfahrensweise bei der Prüfung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten verlangen. Streitigkeiten dieser Art werden sowohl im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, d. h. in einer bestimmten prozeduralen Form behandelt. Dies bedeutet, daß bei diesen in Streit stehenden Rechtsverhältnissen sowohl materiellrechtliche als auch prozessuale Elemente implementiert sind.
II. 1. Vom Standpunkt des juridischen Konflikts sind die Verhältnisse zwischen ,Bürger‘ und ,Verwaltungsorgan‘ ein Gegenstand besonderer Interessen, sobald sie die Form eines administrativ-rechtlichen Streits annehmen. Eben mit den Organen der Verwaltung kommt der Bürger in seinem Alltag am häufigsten in Berührung. Im Bereich des Verwaltungsrechts entstehen solche Situationen beispielweise dann, wenn das vollziehende Organ Rechte und Freiheiten der Bürger verletzt. Um einen Ausweg aus dieser Lage zu finden, versucht der Bürger, sich mit allen möglichen Mitteln zu schützen. a) Die Verfassung der Russischen Föderation enthält allgemeine Hinweise zum Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger und schreibt ihnen konkrete Normen vor. Die Verfassung stellt und garantiert ihren Bürgern unter bestimmten Bedingungen die Nutzung von Rechten und Freiheiten, versieht diese aber zugleich mit Mitteln, die sie schützen. Eins von solchen Instituten ist das Institut der Einlegung von Rechtsmitteln. Ein staatliches Organ stellt natürlich oft selbst im Rahmen seiner Tätigkeit fest, daß und wann einer seiner Akte eine Verletzung der Rechte und Interessen des Bürgers nach sich ziehen kann. Infolgedessen muß der Widerruf von Verwaltungsakten auch als Schutz der Rechte von Bürgern angesehen werden. Viel häufiger nehmen jedoch die Ereignisse ganz einfach ihren Lauf auf Ersuchen des Bürgers bei dem betreffenden oder höher stehenden Organ, bei den Gerichten usw. 9 b) Die Einlegung einer Beschwerde im Bereich der administrativ-rechtlichen Verhältnisse ist gekoppelt an die Entstehung einer bestimmten Konfliktsituation 9 Tumanov V. A., Prava cˇeloveka i ispolnitel’naja vlast‘ [Menschenrechte und die vollziehende Gewalt], in: Sovetskoe gosudarstvo i pravo [Sowjetischer Staat und Recht], Nr. 2, 1990, S. 50.
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zwischen dem Bürger und den Strukturen der staatlichen Gewalt (vollziehende Organe, Amtsträger u. a.), die untrennbar mit dem Streit im Verwaltungsrecht verbunden ist. Folglich hat dieser Konflikt seine eigene Spezifik: er äußert sich in Form eines Streits. Der Charakter dieses Streits ist nicht dadurch bedingt, daß ein Verwaltungsorgan als eine der Parteien daran teilnimmt, sondern wird bestimmt durch die materiell-rechtlichen Verhältnisse zwischen diesem Organ und dem jeweiligen Interessenten. Wie D. M. Cˇecˇot richtig bemerkt, können die Verwaltungsorgane mit Bürgern und Organisationen in Rechtsverhältnissen verschiedener Natur – in verwaltungsrechtlichen, zivilrechtlichen, landesrechtlichen, finanzrechtlichen, arbeitsrechtlichen – stehen. Die Verwaltungshandlungen führen in einer Reihe von Fällen nicht nur zu verwaltungsrechtlichen, sondern auch zu anderen, beispielweise zivilrechtlichen Folgen. In solchen Fällen verliert der Streit seinen rein administrativen Charakter.10 Er gilt in diesem Zusammenhang aber weiterhin als ein administrativer Streit. Die juristische Frage, die den konkreten Inhalt des Streits bestimmt, d. h. das materiell-rechtliche Verhältnis, das die Parteien verbindet, ist in jedem Falle eine Frage des Verwaltungsrechts. Man muß hier die Position E. B. Luparevs beachten, daß die materiell-rechtlichen Verhältnisse zwischen den Parteien als ein Element des Inhalts des Streits zu betrachten sind.11 2. Die rechtliche Natur von derartigen Streitigkeiten ist noch nicht hinreichend erforscht. Es läßt sich trotzdem bemerken, daß ein solcher Streit einen spezifischen Charakter hat, für den eine besondere Lage der Subjekte, d h. Teilnehmer des strittigen Rechtsverhältnisses, eine spezielle Ordnung der Lösung sowie spezifische Mittel und Arten des rechtlichen Schutzes charakteristisch sind. Dies macht es notwendig, die Verfahrensweise der Prüfung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten zu regeln. a) Der Streit beginnt, betrachtet als soziales Phänomen, mit äußerlichen Akten des Verhaltens des vollziehenden Organs (Amtsträgers), die gegen andere Teilnehmer (Bürger) gerichtet sind oder als solche von letzteren wahrgenommen werden, denen sie entgegenwirken, d. h. im Gegenzug aktive Handlungen gegen den ersten Akteur unternehmen. Der Streit entsteht somit und wird bestimmbar im Zusammenhang damit, daß eine der Parteien des konkreten administrativ-rechtlichen Verhältnisses die Verletzung bzw. Einschränkung ihrer Rechte und gesetzlichen Interessen durch die Gegenseite vermutet. Die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten werden in der Regel initiiert durch die verwaltete Seite. Diese nimmt die Wirkungen, die von der verwaltenden Seite (Verwaltungsorgan, Amtsträger) ausgehen ¢ die beispielweise von dem Erlaß eines Verwaltungsakts ¢, als eine widerrechtlich und ihre Rechte und Interessen einschränkende wahr. Streitigkeiten dieser Art können aber auch auf Initiative der verwaltenden Seite oder auf Initiative der Organe der Staatsanwaltschaft bei Einlegung eines Protests gegen die Aktivi10 ˇ Cecˇot D. M., Neiskovoe proizvodstvo [Verfahren ohne Klageantrag], Moskau 1973, S. 10. 11 Luparev, ebd., S. 26.
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täten oder Rechtshandlungen der vollziehenden Gewalt entstehen. Grundlage dieser Streitigkeiten bilden individuelle Verwaltungsverfahren, bei deren Beilegung eine rechtliche Bewertung des Verhaltens der streitenden Seiten zu erfolgen hat. b) Die administrativ-rechtliche Streitigkeit als eine Art des juridischen Konflikts zwischen dem Bürger und dem Verwaltungsorgan ist eine dynamische soziale Erscheinung, die sich ständig weiterentwickelt. Eine Analyse der Entwicklung dieses Streits weist eine Reihe von Stadien auf. Das erste Stadium ist verbunden mit der Entstehung von Motiven, die juridischen Charakter haben und mit einer oder beiden Seiten verbunden sind, d. h. es entsteht anfänglich eine objektive Konfliktsituation, die nach der Meinung des Bürgers in der Verletzung seiner Rechte und Freiheiten besteht. Das zweite Stadium ist die Einsicht des Bürgers in seine in dieser Situation bestehenden Interessen. Dieser Etappe folgt seitens des Bürgers die Feststellung derjenigen Umstände, die der Befriedigung seiner Interessen im Wege stehen. Für die Entstehung einer Konfliktsituation ist es unvermeidlich, nicht nur die eigenen Interessen, sondern auch die entsprechenden Hindernisse auf Seiten des Verwaltungsorgans zu verstehen. Das nächste Stadium beinhaltet die Identifikation der konkreten Handlungen, die der Bürger unternommen hat, um seine eigenen Interessen zu verteidigen (Einreichung einer Beschwerde) und die Rechtsverhältnisse zwischen den diversen Seiten des Konflikts zu begründen. Ein gesondertes Stadium ist in der Entwicklung (Veränderung, Einstellung) der Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Prüfung der Beschwerde des Bürgers durch das zuständige Organ zu erblicken. Das letzte Stadium beendet den Konflikt, in dem aufgrund der Analyse aller Umstände der Sache ein Rechtsanwendungsakt durch dieses Organ erlassen wird. c) In einem konkreten Streit sind die einander gegenüberstehenden Seiten individualisiert. Teilnehmer des administrativ-rechtlichen Streits sind die Seiten des administrativ-rechtlichen Verhältnisses, das Prozess- und Verwaltungscharakter hat, jedoch nur im Hinblick darauf, daß der Streit durch eine dritte Seite gelöst und entschieden wird. Diese Verhältnisse gehören zu den horizontalen, bei denen die verwaltende Wirkung fehlt. In diesem Zusammenhang ist die Gleichheit der Teilnehmer möglich.12 3. Administrativ-rechtliche Verhältnisse entstehen auf Initiative einer beliebigen Seite. Dabei ist das Einverständnis oder gar der Wunsch der anderen Seite keine obligatorische Bedingung. Derartige Verhältnisse können entweder ohne den Wunsch oder gegen das Einverständnis der anderen Seite sowohl auf Initiative des Subjekts der öffentlichen Gewalt als auch auf Initiative anderer Seiten zustande kommen. Dabei ist die Rolle dieser Initiative nicht gleich. Während die Seite, die die vollziehende Gewalt nach dem Gesetz ausübt und mit den notwendigen Maßnahmen für Ordnung im Bereich der staatlichen Verwaltung sorgen muß und dabei als Initiator für die Entstehung der administrativen Verhältnisse fungiert, ist das 12 Näher dazu vgl.: Kozlov, J. M., Administrativnye pravootnosˇenija [Administrative Rechtsverhältnisse], Moskau 1976.
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Eingehen eines konkreten administrativen Rechtsverhältnisses für die Bürger in der Regel eine Möglichkeit zur Äußerung der Initiative von ihrer Seite. In diesem Fall nutzt das Verwaltungsorgan (Amtsträger) die ihm zur Verfügung stehenden Machtund Rechtbefugnisse (Kompetenzen) nicht dafür, um den Initiator ,unterzuordnen‘, sondern nimmt im Gegenteil bestimmte rechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Bürger wahr. a) Ein Verwaltungsorgan stellt immer eine Seite des administrativ-rechtlichen Streits dar. Wenn die andere Seite der Bürger ist, der seine Rechte und Freiheiten schützt, so gilt er als Initiator dieses Streits. Der Bürger hat das Recht, an das Verwaltungsorgan rechtliche Forderungen zu stellen. Eine solche Situation entsteht dann, wenn der Bürger im Falle seines Nichteinverständnisses im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der in seinem Sinne beschlossenen Entscheidungen oder vorgenommenen Handlungen des Verwaltungsorgans (Amtsträgers) eine Beschwerde einlegt. Das ausgedrückte Nichteinverständnis nimmt keinen Einfluß auf die Entstehung von Rechtsverhältnissen, ruft aber bestimmte rechtliche Folgen hervor. Diese lassen sich dahingehend charakterisieren, daß der Bürger das Recht hat, die betreffenden Handlungen anzugreifen. Das Verwaltungsorgan hat das Recht, diesem entgegenzutreten. Jede der Seiten ist daran interessiert, das Problem im eigenen Sinne zu lösen. Es ist eben dieser Gegensatz, für dessen Austragung und Lösung beide Seiten eine Auseinandersetzung eingehen. Dies ist die Grundlage des administrativ-rechtlichen Streits. Gegenstand des Streits ist deshalb ein objektiv existierendes oder imaginiertes Problem, das für Zwist zwischen beiden Seiten sorgt, wenn der Bürger der Einsicht ist, daß seine Rechte verletzt wurden. In diesem Fall bildet der Antrag des Bürgers in Form einer Beschwerde, die als Reaktion der Person auf die Verletzung ihrer Rechte und Freiheiten im Bereich der staatlichen Verwaltung anzusehen ist, die Grundlage für die Entstehung des administrativrechtlichen Streits. b) Dabei ist zu beachten, daß Gegenstand der Beschwerde nicht nur das verletzte Recht, sondern auch das vom Gesetz geschützte Interesse sein kann. Das Recht des Menschen und das gesetzlich geschützte Interesse sind unterschiedliche soziale Kategorien. Das Recht des Bürgers setzt ein konkret vorhandenes, existierendes Recht voraus, das auf Grund und nach Maßgabe von rechtlichen Normen unmittelbar realisiert werden kann. Das Interesse vermutet bzw. unterstellt nicht nur einen gewissen inneren Zustand der Persönlichkeit, sondern auch das Bestreben, einen bestimmten Nutzen zu erzielen. Hier soll bemerkt werden, daß die Befriedigung vieler Interessen durch Rechtsnormen garantiert wird; dennoch gibt es Interessen, an deren Realisierung der Staat interessiert ist, obwohl sie nicht zum Kreis der Rechte gehören. Diese Interessen wiedersprechen keineswegs den allgemeinen Richtungen der staatlichen Tätigkeit und der Gesetzgebung, sie stehen sogar mit ihrer sozialen Ausrichtung im Einklang. Nicht jedes vom Gesetz geschützte Interesse kann jedoch sofort befriedigt werden. Nicht selten ist die Möglichkeit der Befriedigung durch objektive Bedingungen und vor allem durch wirtschaftliche Möglichkeiten eingeschränkt. Aus diesem Grund ist nicht jedes gesetzliche Inter-
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esse durch den Staat zum Recht erklärt worden.13 Es kann deshalb gesagt werden, daß der Gegenstand des administrativen Rechts mit dem Gegenstand des Schutzes zusammenfällt. Dazu gehören nicht nur die verletzten Rechte und Freiheiten der Bürger, sondern auch die vom Gesetz geschützten Interessen. c) Um festzustellen, ob eine Verletzung der Rechte der Bürger stattgefunden hat, ist es notwendig, dem Wesen der Beschwerde auf den Grund zu gehen. In diesem Zusammenhang müssen verschiedene prozessuale Handlungen, die durch Rechtsnormen reglementiert und auf Herstellung der Gerechtigkeit gerichtet sind, angewandt werden. Die Aufgabe, die bei der Lösung des administrativ-rechtlichen Streits gestellt wird, äußert sich in der detaillierten Analyse und Untersuchung von Konfliktsituationen. Dies geschieht, um das Ziel der Streitlösung zu realisieren. Das ist die Feststellung der objektiven Wahrheit in der Sache, die sich durch die Wiederherstellung des verletzten Rechts, beispielweise durch den Widerruf der Entscheidung, die den Gegenstand der Beschwerde ausmacht, oder durch die Ablehnung der Beschwerde bei entsprechender Begründung äußert. Die Struktur des administrativ-rechtlichen Streits besteht nicht nur aus Subjekten und aus dem Gegenstand des Konflikts. Sie beinhaltet den Prozess der Auseinandersetzung der am Streit teilnehmenden Seiten, durch die die Ziele und Aufgaben des Streits realisiert werden. III. 1. Bei der Erforschung der administrativ-rechtlichen Streitigkeit erscheint es notwendig, besonders das Problem der äußeren Handlungen der Verwaltungsorgane (Amtsträger) in Bezug auf die Bürger zu untersuchen, die Konfliktsituationen im Bereich der staatlichen Verwaltung hervorrufen können. In der Praxis gibt es unterschiedliche Formen der Verletzung von Rechten und Freiheiten der Bürger. Am häufigsten entstehen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Entscheidungen der Verwaltungsorgane. So folgt der Entscheidung über die Ablehnung von Anträgen auf Namensänderung, auf Anmeldung des Wohnortes u. a. sehr häufig die Einreichung von Beschwerden. In dem individuellen Akt, um den es in der Beschwerde geht und der die Form einer Entscheidung angenommen hat, werden bestimmte Handlungen des entsprechenden Organs (Amtsträgers) geäußert, die, nach Meinung des Bürgers, in seine Rechte eingreifen. In diesem Zusammenhang verlangt der Bürger, die Entscheidung (den Verwaltungsakt) für nicht rechtmäßig zu erkennen, indem er eine Beschwerde einlegt. a) Die Rechte des Bürgers können durch bestimmte Handlungen eines Organs oder eines Amtsträgers auch ohne den Schutz durch die Verfassung durch den Verwaltungsakt oder infolge einer Unterlassung verletzt werden, zum Beispiel: durch verspätete Umrechnung von Rentenbezügen, Unterlassung von Maßnahmen gegenüber den Personen, die die gesellschaftliche Ordnung stören, durch eine 13 Remnev V. I., Predlozˇenija, zajavlenija i zˇaloby grazˇdan [Vorschläge, Anträge und Beschwerden der Bürger], Moskau 1972, S. 10.
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schlechte Behandlung, Grobheit, Unachtsamkeit, Nichteinhaltung von Regeln bei der Annahme und Überprüfung von Anträgen der Bürger usw. Die Verletzung der Rechte kann sich auch in schweigender Ablehnung äußern, einen Verwaltungsakt zu erlassen. b) Beschwerdegrund ist auch die Überlassung von offiziellen Informationen, die Grundlage für die Entscheidung oder für Handlungen (oder Unterlassungen) wurden, die ihrerseits die Rechte und Freiheiten der Bürger verletzt haben. Grund der Beschwerde können nicht nur gesetzwidrige, sondern auch nicht zweckmäßige oder gar amoralische Handlungen sein. In ihren Beschwerden erwähnen die Bürger häufig den falschen Umgang mit der „Freiheit der Entscheidung nach Ermessen“, ungerechte Lösung des Anliegens etc. Häufig nehmen die Bürger ihr Recht in Anspruch, gegen individuelle Verwaltungsakte eine Beschwerde einzulegen. Seltener kommen Beschwerden über die Unrechtmäßigkeit von normativen Akten vor, obwohl derartige Ersuchen der Bürger beim Verfasser des Aktes oder bei einem anderen zuständigen Organ durchaus rechtmäßig sind.14 c) Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die sich in einer der oben genannten Formen äußert, kann auch Grundlage der Einreichung einer Beschwerde durch den Bürger werden. Heutzutage ist der Kreis der Adressaten im Beschwerderecht ausreichend weit. Der Staat stellt dem Bürger die Möglichkeit zur Verfügung, sich an verschiedene staatliche Organe oder Amtsträger zu wenden, um eine Lösung des Rechtsstreits herbeizuführen. Im Rahmen der rechtlichen Überprüfung erfolgt die Feststellung der Tatumstände, der Gesetzes- und Rechtmäßigkeit der Forderungen sowie der Einwände von Interessenten. 2. Für die Lösung von Rechtstreitigkeiten gilt eine bestimmte Ordnung. Demzufolge werden die zivilrechtlichen Streitigkeiten im Rahmen eines Klageverfahrens gelöst. Für die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten müssen generell spezielle Normen festgelegt werden, nach denen sich die Prüfung von individuellen Angelegenheiten richten soll. Dies bedeutet, daß eine gesonderte Regulierung der administrativ-prozessualen Tätigkeit stattfindet, die mit der Verfahrensweise der Prüfung von materiellen Rechtsstreitigkeiten im Bereich der staatlichen Verwaltung verbunden ist. a) Die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten werden hauptsächlich mit Hilfe von zwei Methoden und Verfahrensweisen behandelt und gelöst, die in enger wechselseitigen Beziehung stehen: (i) durch ein verwaltungsbehördliches Verfahren und (ii) durch ein Gerichtsverfahren. Die meisten administrativ-rechtlichen Streitigkeiten werden außergerichtlich gelöst. Der Bürger legt gegen die Entscheidung der anderen Seite des administrativ-rechtlichen Streits eine Beschwerde ein bei dem entsprechenden, mit Bezug auf die Seiten des Streits höher stehenden Organ (Amtsträger). In diesem Fall liegt die Beurteilung und Bewertung der Rechtmäßigkeit der Handlungen (Entscheidungen), gegen die eine Beschwerde 14
Bachrach D. N., Administrativnoe pravo [Verwaltungsrecht], Moskau 1997, S. 45.
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eingelegt wurde, in der Prärogative des zuständigen Organs (Amtsträgers). Das bedeutet, daß die genannte Lösungsart derartiger Streitigkeiten den Rahmen der staatlichen Verwaltung nicht verläßt. Sie stellt eines der Attribute der staatlichen Verwaltungstätigkeit dar. Ihr Charakter besteht darin, eine Entscheidung zu treffen durch das dafür zuständige Organ (Amtsperson). Sie stellt sich dar als gebietende juridische Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Handlung, die Gegenstand des Streits und für die streitige Situation verantwortlich ist. In dieser Etappe einer Entscheidungsfindung in der Sache kann folglich, trotz des horizontalen Prinzips der entstandenen Rechtsverhältnisse zwischen den beiden Seiten der administrativrechtlichen Streitigkeit, ein Verhältnis der Über- und Unterordnung festgestellt werden. b) Die Verhältnisse, die mit der Verwirklichung des in der Verfassung aufgeführten Antragsrechts einhergehen, erscheinen in der heutigen Entwicklung des russischen Staates als besonders aktuell. Das begründet die Notwendigkeit, die Mechanismen zum Schutze von Rechten und Interessen der natürlichen und juristischen Personen in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten zu vervollständigen und mit den Vertretern der verschiedenen rechtlichen Zweige staatlicher Macht ein neues System der wechselseitigen Beziehungen herauszuarbeiten. In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, die Gesetzgebung zu modernisieren, um die sachgemäße Regulierung und Ordnung der Prozeduren und Verhältnisse zwischen den natürlichen, den juristischen Personen und den Strukturen der staatlichen Macht und Autorität im Rahmen der administrativ-rechtlichen Verhältnisse zu erzielen. Die Herausarbeitung eines administrativ-prozessualen Gesetzbuches oder eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, das die Ordnung der Verabschiedung von individuellen Rechtsakten, d. h. die Rechte und Pflichten der Subjekte administrativ-rechtlicher Verhältnisse zum Gegenstand hat, ist nach unserer Auffassung vor allem dann vonnöten, wenn diese Subjekte nicht der Struktur und dem System staatlicher Organe angehören, welche befugt sind, eine durch die staatliche Macht begründete Rechtswirkung zu erzeugen. Dies kann jedoch nur unter Beachtung der Grenzen dieser Befugnisse erfolgen. Die Arbeiten an solchen Verfahrens- und Prozessnormen verzögern sich wohl noch weiterhin. c) Hier muß bemerkt werden, daß dem Recht, sich an die Strukturen der staatlichen Macht zu halten, in unserem Lande schon immer eine große Bedeutung beigemessen wurde. Dieses Recht ist im Rahmen des verfassungsrechtlichen Verhältnisses „Staat ¢ Bürger“ verankert. Die rechtliche Grundlage für diese Verhältnisse bietet der Art. 33 der Verfassung der Russischen Föderation. Die Fixierung dieses Rechts der Bürger auf dem Niveau der Verfassung des Landes kann als ein wichtiger Schritt in der Entwicklung dieses Rechtsinstituts angesehen werden. In der langen Zeit vor dem Erlass des Bundesgesetzes, das die Ordnung der Behandlung der Anträge der Bürger in der Russischen Föderation reguliert, wurden die Bestimmungen des Art. 33 der Verfassung der Russischen Föderation durch die Gesetze der Subjekte der Russischen Föderation eingehend konkretisiert.
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3. Die geltende föderale Gesetzgebung hinsichtlich des Antragsrechts der Bürger stellte somit eine lange Zeit kein in sich konsistentes einheitliches Normensystem dar, das im Rahmen eines Gesetzes vereint ist. Jedoch gab es Vorarbeiten in dieser Richtung. Das Ergebnis war die Verabschiedung des Bundesgesetzes „Über die Ordnung der Verfahrensweise der Prüfung von Anträgen der Bürger der Russischen Föderation!“ vom 2. Mai 2006. 15 a) Das neue Gesetz übernahm die Grundlagen der vorherigen Gesetzgebung, die sich in der Praxis bewährt hatten. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die Ordnung, Prüfung und Beantwortung der Anträge gelegt, die den Anforderungen der heutigen Zeit und der Arbeit der staatlichen Organe angepasst wurden. b) Das Gesetz unterscheidet verschiedene Arten von Anträgen. Unter einer Beschwerde wird das Ersuchen des Bürgers um Wiederherstellung oder um den Schutz der verletzten Rechte oder von gesetzlich geschützten Interessen anderer Personen verstanden. c) Bedauerlicherweise kennt das neue Gesetz keinen Unterschied im Verfahren der Prüfung der verschiedenen Arten von Anträgen, was sich unserer Meinung nach als Nachteil erweist. Die Anträge von Bürgern sind nicht homogen und enthalten höchst unterschiedliche Informationen. Gesellschaftliche Ausrichtung und Rechtscharakter sind verschieden und ziehen dementsprechend unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Jede Art von Anträgen besitzt ihre eigene Spezifik und dementsprechend einen eigenen Status, der normativ festgelegt werden muß. Die Fristen zur Prüfung von Vorschlägen müssen sich naturgemäß von den Fristen zur Prüfung von Beschwerden unterscheiden, die mit der Verletzung von Bürgerrechten verbunden sind. All dies wird im neuen Gesetz nicht berücksichtigt. d) Der Ausgangspunkt und Grund der Entstehung eines administrativ-rechtlichen Streits ist der Antrag in Form einer Beschwerde. Sie ist als Reaktion einer Person auf die Verletzung ihrer Rechte und Freiheiten im Bereich öffentlicher Verhältnisse anzusehen. Es erscheint nicht ratsam, die Prozedur der Prüfung von Beschwerden zu verallgemeinern und sie mit allen Arten von Anträgen zusammenzufassen. aa) Im Gesetz wird ein Versuch unternommen, die Gewährleistungen der Sicherheit für den Bürger im Zusammenhang mit seinem Antrag zu verankern. Diese Garantien bieten jedoch im übrigen keine Unterstützung, da der Art. 15 des Gesetzes über „Verantwortung im Falle des Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz“ nur formal-deklarativen Charakter hat; er verweist auf die geltende Gesetzgebung, die bis zum heutigen Tag keine Verantwortung vorsieht. bb) Als eine weitere Rechtssicherung gilt das Gebot der Geheimhaltung von Informationen, die dem Antrag zugrunde liegen und von Daten, die das private 15 Sobranie Zakonodatel’stva RF [Sammlung der Gesetzgebung der Russischen Föderation], 2006, Nr. 19, Art. 2060.
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Leben des Antragsstellers betreffen, wenn er der Bekanntgabe nicht zugestimmt hat. cc) Eine wichtige Sicherung des Rechts des Bürgers auf Antrag bleibt die im Gesetz beibehaltene Bestimmung über das Verbot, die Beschwerde bei dem Staatsorgan, dem Organ der örtlichen Selbstverwaltung oder durch den Amtsträger prüfen zu lassen, gegen deren Handlung die Beschwerde eingelegt wurde. dd) Den Rechten des Bürgers auf Antragstellung sollen die Pflichten innehalb der staatlichen Macht und Autoritätsstrukturen entsprechen, die die ordnungsgemäße Prüfung der Anträge vorsehen und die Realisierung des Art. 2 der Verfassung der Russischen Föderation garantieren. Das neue Gesetz enthält leider keinen gesonderten Artikel zu diesen Fragen. Die Autoritätsstrukturen sollen darüber hinaus nicht nur klar definierte gesetzgeberische Vorgaben erhalten, die ihre Befugnisse und damit auch deren Grenzen angehen, sondern auch ihre Pflichten erkennen und erfüllen, d. h. die Verantwortung für ihre Handlungen tragen. 4. Hier muß darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz keine Regelung im Hinblick auf die Prinzipien der Prüfung und die wirksame Bearbeitung von Anträgen der Bürger enthält. In diesem Punkt müßten expressis verbis Normen eingreifen, welche die Prinzipien der Tätigkeit eines jeden Organs oder Amtsträgers bestimmen, die die Anträge der Bürger bearbeiten. a) Angesichts der Tatsache, daß es in Russland kein Gesetzbuch für den Verwaltungsprozess gibt, wurde angenommen, daß das Bundesgesetz „Über die Ordnung des Verfahrens der Prüfung von Anträgen der Bürger der Russischen Föderation“ sowohl Normen des materiellen Rechts als auch Normen des Prozessrechts enthalten werde. Ein derartiges Gesetz könnte einen Schritt nach vorn auf dem Weg zur eigenständigen prozessualen Gesetzgebung in diesem Bereich bedeuten. Jedoch ging diese Hoffnung nicht in Erfüllung. Die Verabschiedung des oben genannten Gesetzes hebt deshalb die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Ausarbeitung einer entsprechenden Regelung für die administrativen Prozeduren nicht auf. b) Heutzutage spielen Gerichtsorgane eine wichtige Rolle bei der Lösung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten. Das durch die Verfassung der Russischen Föderation und durch die geltende Gesetzgebung vorgesehene Recht des Bürgers, sich an das Gericht zu wenden, um seine Rechte zu schützen, hat zur Sicherung der Rechte im Geltungsbereich der vollziehenden Gewalt enorm beigetragen. Unter den Bedingungen der Gewaltenteilung soll gerade die Rolle der rechtsprechenden Gewalt zum Zwecke des Schutzes von Rechten und Interessen der Bürger größere Bedeutung erlangen. Der Grund dafür kann darin erblickt werden, daß hinsichtlich der Prüfung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten das Gerichtsverfahren eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer Prüfung durch Verwaltungsorgane im Verwaltungsverfahren bietet. Das Gericht stellt ein spezielles Organ dar, das die Kontrolle über die Gesetzlichkeit ausübt. Es ist unabhängig von allen anderen Zweigen der staatlichen Gewalt und ist mit verfassungsrechtlichen Garantien seiner Unabhängigkeit ausgestattet. Dem Gericht fehlt wegen seiner Unabhängigkeit jede
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amtliche Befangenheit; es verfügt über eine detailliert aufgestellte prozessuale Reglementierung des Gerichtsverfahrens sowie über andere Prinzipien des Prozesses, die allgemein anerkannte Werte der Gerichtsbarkeit sichern. Der Bürger und das Staatsorgan (Amtsträger) nehmen am Verfahren als Parteien teil, die gleiche Prozessrechte und -pflichten besitzen. Das Gerichtsverfahren unterscheidet sich durch wesentliche rechtliche Sicherheiten, die eine starke Position gewährleisten. Außerdem kann die gerichtliche Lösung der administrativ-rechtlichen Streitigkeiten Verstöße, die bei der Einreichung der Beschwerde unterlaufen, auf obrigkeitlichem Wege neutralisieren. Gerichte werden von Juristen verschiedener Länder als Organe eingeschätzt, die in der Lage sind, die wirksamste Kontrolle über die Einhaltung der Gesetzlichkeit durch die Verwaltung zu gewährleisten. Werden die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten der Kompetenz der Gerichte entzogen, so muß dies als eine Methode gelten, die Machtstellung der Verwaltung beizubehalten.16 Das Gericht ist ein spezialisiertes Staatsorgan, das die Funktion der sozialen Kontrolle im Falle des Konflikts zwischen einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft, insbesondere zwischen ihnen und dem Staat erfüllt.17 5. Eine Erweiterung der Kompetenz der Gerichte bei der Behandlung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten weckt Zweifel in dem Sinne, daß eine zu weit gehende gerichtliche Kompetenz im System zu einer gewissen Entfremdung gegenüber der Tätigkeit der Verwaltungsorgane führen könne. Jedoch fehlt für derartige Zweifel jede Begründung. Die Praxis zeigt, daß die Erweiterung der Kompetenz von Gerichtsorganen keine Einschränkung der Möglichkeit nach sich zieht, eine Beschwerde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens einzulegen. Gleichwohl bleibt die Frage nach dem Verhältnis von Verwaltungsjurisdiktion und Gerichtsjurisdiktion in der Theorie aktuell. Zu diesem Problem gibt es eine Reihe verschiedener Meinungen. Vom Standpunkt der rechtlichen Doktrin, die in den meisten europäischen Ländern vorherrscht, ist die Erweiterung der Bestimmungen des Prozessrechts für die Gewährleistung der Gesetzlichkeit und den noch achtsameren Umgang mit den Rechten der Bürger unbedingt notwendig. a) Die genannten Verfahren für die Prüfung von administrativ-rechtlichen Streitigkeiten schließen sich gegenseitig nicht aus; die Organe der vollziehenden Gewalt stehen mit den Gerichtsorganen in vielfältigen Beziehungen und ergänzen einander. So gesehen, sind Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren Elemente eines Systems, das die Gesetzlichkeit des Schutzes der Bürgerrechte bei der Lösung von Streitigkeiten in einem demokratischen Staat garantiert. Unter den Bedingungen der autonomen Existenz von zwei Bereichen staatlicher Macht hat der Bürger die Möglichkeit, auf eigene Initiative zwischen dem jeweils vollziehenden Organ oder dem Gericht als Instanz für die Bearbeitung seiner Ansprüche gegenüber der Sˇarven G., Justicija vo Francii. Sudebnyj apparat i klassovaja bor’ba [Justiz in Frankreich. Der Gerichtsapparat und der Klassenkampf], Moskau 1978, S. 72 – 73. 17 Sravnitel’noe konstitucionnoe pravo [Vergleichendes Verfassungsrecht], Moskau 1995, S. 70. 16
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Verwaltung zu wählen. Diese besteht in den einschlägigen Fällen in der Beurteilung und der Bewertung des Gegensatzes zwischen dem Bürger und der Verwaltung und wird vorgenommen im Hinblick auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der jeweiligen Elemente, die für die Befriedigung der Rechtansprüche des Bürgers notwendig sind. b) Auf Anordnung des Präsidenten der Russischen Föderation vom 20. Mai 2008 Nr. 279-rp über die Verbesserung der Gesetzgebung für das Gerichtssystem werden Vorschläge vorbereitet, die die Qualität des Funktionierens des Gerichtssystems steigern soll. Jedoch läßt der Zustand des Gerichtssystems es nicht zu, die gerichtliche Ordnung zur Bearbeitung derartiger Streitigkeiten zu verabsolutieren. Dies legt die Schlußfolgerung nahe, daß sowohl der Verwaltungsweg als auch der Weg der gerichtlichen Lösung von Konflikten zwischen dem Bürger und den staatlichen Autoritätsstrukturen im Bereich der Verwaltung zur Verfügung stehen müssen. Eine wissenschaftlich begründete Kombination dieser Wege erlaubt, das Problem der Arbeitsteilung im Bereich der betreffenden Verhältnisse zu lösen, eine gegenseitige Kontrolle zwischen den verschiedenen Organen des Staates zu etablieren sowie die Gesetzlichkeit und den Mechanismus des Schutzes von Persönlichkeitsrechten zu stärken. Gegenwärtig werden die administrativ-rechtlichen Streitigkeiten nach den allgemeinen Regeln des Zivil- und Arbitrageprozesses behandelt. Es gibt jedoch einige wenige gesetzlich vorgesehene Ausnahmen. Die Zivilprozessordnung der Russischen Föderation enthält einen speziellen Unterabschnitt III „Verfahren in Sachen, die aus den öffentlichen Rechtsverhältnissen hervorgehen“. Hier erscheint die Bemerkung als angebracht, daß der Begriff „öffentliche Rechtsverhältnisse“ nirgends sonst in der Gesetzgebung bestimmt ist.
Totalitäre Versionen der Interessenjurisprudenz Von María José García Salgado, Oviedo I. Rezeption der Interessenjurisprudenz in Spanien von 1930 – 1935 „Die Änderung des Rechts ohne Änderung der Gesetze ist“, mit den Worten von Bernd Rüthers, „eines der faszinierenden Themen der Rechtswissenschaft und der politischen Soziologie“ des 20. Jahrhunderts (1987, 7). Während des Nationalsozialismus erreichte die Änderung ein und desselben Gesetzes in ein anderes Recht ungekannte Höhen und wurde außerdem mittels einer sehr einfachen, bereits zur Genüge bekannten Formel vollzogen: die vor dem Führer existierenden Normen mussten in Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus neu interpretiert werden. „Wir denken die Rechtsbegriffe um“, so lautet der Satz von Schmitt, den Rüthers in treffender Weise auswählt, um den Wesensgehalt der Rechtsmethoden der Nazis wiederzugeben. Der Nationalsozialismus quetschte dieses Prinzip bis aufs äußerste aus und genoss dabei die Hilfe von Juristen, die ¢ sei es aus Überzeugung oder sei es, um schadlos zu überleben und/oder ihre Karrieren voranzutreiben ¢ mit ihrer Rhetorik und ihren Theorien der Bewegung den benötigten juristischen Anstrich verliehen1 und die die entfesselte Jurisprudenz abstützten, die das Markenzeichen jener Zeit werden sollte.2 Die Anwendung des Rechts befreite sich in jedem seiner Bereiche von den normativen Fesseln und begab sich unter das immer flüchtiger werdende Joch der geteilten Weltanschauung. Einer der an den Auseinandersetzungen über die Rechtsmethodologie der Nazis beteiligten Juristen war Philipp Heck, der Vater der Interessenjurisprudenz, der sich mit noch fast 80 Jahren dafür einsetzte, der Akademie zu beweisen, dass seine Methode der Auslegung und Anwendung der Normen für die vom Nationalsozialismus verlangte Aufgabe der Rechtserneuerung die am besten geeignete sei. Er vermochte 1
Rüthers merkt an, dass die Wissenschaft in unserem Rechtskreis „vielleicht die entscheidende rechtsbildende Kraft“ ist (1987, 101). 2 Dies bedeutet, wie Rüthers und bereits viele andere gezeigt haben, die Bindung an das Recht und den juristischen Positivismus beiseite zu lassen (Rüthers 2009, 404; 2001, 79 – 81). Zum Irrtum, den juristischen Positivismus für die nazistische Katastrophe und die Stellung der Richter in Bezug auf das Gesetz während der nationalsozialistischen Zeit für verantwortlich zu halten, siehe vor allem García Amado (1991, 344 ff.). Eine ursprüngliche Form der Beurteilung der nazistischen Doktrin ist die von Rivaya (2002, 421 ff.), in der behauptet wird, dass die nazistische Rechtstheorie eine Theorie des Naturrechts sei (und nicht des naturalistischen Rechts, wie der aufgrund eines Irrtums des Korrektors im bereits veröffentlichten Text erscheinende Ausdruck lautet).
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die Nazis nicht zu überzeugen, beeindruckte jedoch, wie kürzlich von FernándezCrehuet dargelegt, den einen oder anderen spanischen Zivilrechtler, wie z. B. Felipe Clemente Diego, den Präsidenten des obersten spanischen Gerichtshofes im Jahre 1939, der bei Heck Munition für seine eigenen Absichten fand.3 Felipe Clemente de Diego war nicht der einzige spanische Jurist, der mit den Thesen von Heck vertraut war. Die Interessenjurisprudenz hatte, wenn auch mit einer anderen Methodik, bereits bevor Professor De Diego sie in seiner Rede als Präsident des Obersten Gerichtshofes benutzt hatte, in das juristische Panorama Spaniens Eingang gefunden. In Spanien sind es die Zivilrechtler, die die Interessenjurisprudenz im Allgemeinen und das Werk von Heck, jedoch nicht nur von Heck, sondern auch von Rümelin, Schreier, usw. im Besonderen kennen und verbreiten.4 So findet Heck bereits im Jahre 1930 bei Jerónimo González in einem Aufsatz mit dem Titel „Métodos Jurídicos“ [Juristische Methoden] Erwähnung, der in zwei Teilen in zwei aufeinander folgenden Nummern der Revista Crítica de Derecho Inmobiliario [Kritische Zeitschrift für Immobilienrecht] veröffentlicht wurde. Fünf Jahre später veröffentlicht derselbe Jerónimo González 1935 ebenfalls in der Revista Crítica de Derecho Inmobiliario zwei Arbeiten über die Interessenjurisprudenz. Die erste unter der Überschrift „Jurisprudencia de intereses“ ist die Zusammenfassung eines im Jahre 1932 von Philipp Heck (1933) an der Universität Frankfurt a.M. gehaltenen Vortrages mit einigen kurzen einleitenden Seiten, die der Begriffsjurisprudenz und der Freirechtsbewegung gewidmet sind (1935a); die zweite unter dem Titel „La escuela de Tubinga“ [Die Tübinger Schule] ist eine Analyse der Interessenjurisprudenz, die von Hecks Arbeiten: „Das Problem der Rechtsgewinnung“; „Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz“; „Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz“, und den beiden Werken „Grundriss des Schuldrechts“ und „Grundriss des Sachenrechts“ ausgeht (1935b). In dieser zuletzt genannten Arbeit umreißt Jerónimo González die Grundlagen der Interessenjurisprudenz (die praktische Rechtswissenschaft, den Interessenbegriff, die Selbständigkeit der Interessenjurisprudenz usw.) und legt außerdem die komplizierten Probleme der Klassifizierung von Begriffen dar, die auch von Heck im Detail untersucht werden. Jerónimo González schließt, indem er der Tübinger Schule das Verdienst einräumt, seine Theorie auf zwei solide Grundlagen zu stützen: den Gesetzestext und den Interessenbegriff, die sich damit von der Freirechtsbewegung und auch von der Begriffsjurisprudenz entfernt hat und die Aufmerksamkeit der Juristen auf ihr Verhältnis zum Leben und zu den Funk3
So stützt sich Felipe Clemente de Diego, wie es Fernández-Crehuet gesehen hat, gern und sehr häufig auf Hecks Schriften aus der Nazizeit, um seine eigenen Eröffnungsreden als Präsident des Obersten Gerichtshofes auszuarbeiten. Fernández-Crehuet analysiert im Einzelnen die Rede von 1939, in der De Diego eine „Monografie“ Hecks (nicht mehr als 40 Seiten), unter dem Titel Rechtserneuerung und juristische Methodenlehre verwendet, um seine eigenen Überlegungen (die denen des Franquismus entsprechen) im Hinblick darauf, welcher Art das Verhältnis des Richters zum Gesetz zu sein hat, zu bestätigen (Fernández-Crehuet 2011, 132 ff.). 4 Zum Beispiel Alfonso De Cossio (1943).
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tionen der Gesellschaft lenkt. Aber Jerónimo González kennt auch die Kritiken, die an der Interessenjurisprudenz geübt werden und spart nicht mit ihnen: ohne eine Auflistung von Interessen, ohne hierarchisierte Interessen und Werte, ohne Regeln zur Bemessung von Anreizen, Wünschen, etc., ist die Abwägung von Interessen eine Illusion und weit davon entfernt, eine Realität zu sein. Jerónimo González schließt mit der Erkenntnis, dass die Interessenjurisprudenz für den Richter zwar einen gewissen praktischen Wert hat, ohne jedoch dabei den Enthusiasmus an den Tag zu legen, den Heck für seine Theorie beansprucht (1935b, 575). Ein Jahr vor diesen beiden Schriften von Jerónimo González veröffentlichte dieselbe Revista Crítica de Derecho Inmobiliario unter dem ansprechenden Titel „¿Función automática o función creadora?“5 [Eine automatische Aufgabe oder eine schöpferische Aufgabe?] einen Aufsatz, der in Wahrheit eine reduzierte Version der Rede des Justizministers Vicente Cantos bei einem Festakt zur Gerichtseröffnung war. Hierbei ist die Sympathie interessant, die der Justizminister Spaniens im Jahre 1934 für diejenigen Bewegungen zeigt, die „die unverhältnismäßige Tragweite korrigieren“, die man dem Gesetz beigemessen habe, ohne die Interessenjurisprudenz (sehr wohl aber Ehrlich, Geny und die Freirechtsbewegung) anzuführen, aber unter ausdrücklicher Zitierung Bergsons und des Lebens, die ein wichtiges Substrat der Interessenjurisprudenz selbst darstellen (Cantos 1934, 647). Auch Recaséns Siches (1936, 275 ff.), diesmal kein Zivilrechtler, bezieht eine kurze Zusammenfassung von Hecks Theorie in sein im Jahre 1936 unter dem Titel „Panorama del pensamiento jurídico del siglo XX“ [Ein Panorama des juristischen Denkens des 20.Jahrhunderts] in Mexiko veröffentlichtes Werk mit ein, wobei er sich grundlegend auf die einfachen, von Heck auf der erwähnten Konferenz von 1932 ausgeführten Gedanken bezieht. Der Heck, der in dieser ersten Hälfte der 30er Jahre nach Spanien kommt, hat noch nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun (seine Schlüsselschriften in diesem Sinne erscheinen erst 1936): es handelt sich bei ihm um einen Zivilrechtler, der damit beschäftigt ist, eine juristische Methode zu entwerfen, welche die Treue des Richters gegenüber dem Gesetzgeber garantieren soll, die jedoch nicht von der (un-)logischen Blindheit der Begriffsjurisprudenz ausgeht, sondern sich dessen bewusst ist, dass die richterliche Tätigkeit immer auch einen schöpferischen Bestandteil enthält, der nur schwer auszuschalten ist. Dabei soll dieser Bestandteil der Schaffung von Recht seitens des Richters nicht bedeuten, dass dieser in subjektiver oder willkürlicher Weise über die Fälle entscheiden können soll, die ihm vorgelegt werden.6 Im Spanien der (immer noch) Zweiten Republik muss diese moderate Jurisprudenz, wenn nicht mit aufrichtiger Sympathie, so doch zumindest ohne Angst betrachtet worden sein.
5 Ohne Autorenangabe, da es die Zeitschrift selbst ist, die die Rede von Vicente Cantos exzerpiert. 6 Zur Interessenjurisprudenz von Philipp Heck vgl. García Salgado (2003 u. 2011).
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II. Das nationalsozialistische Misstrauen und die franquistische Wertschätzung gegenüber der Interessenjurisprudenz Im Jahre 1939 wird der Spanische Bürgerkrieg für beendet erklärt: es ist das Jahr des Sieges. Am 15. September 1939 hält Felipe Clemente de Diego, der Präsident des Obersten Gerichtshofes die Gerichtseröffnungsrede und bezieht sich, wie FernándezCrehuet in seinem ansprechenden Buch über „Jueces bajo el franquismo“ [Richter unter dem Franquismus] darstellt, auf eine Arbeit von Heck unter dem Titel „Rechtserneuerung und juristische Methodenlehre“ (Heck 1936b), um seine dort vertretenen Ideen zu untermauern. Diese im Jahre 1936 veröffentlichte Arbeit repräsentiert den (fast verzweifelten) Versuch Hecks, die Nazijuristen davon zu überzeugen, dass die Interessenjurisprudenz die am besten geeignete Methodenlehre für den Nationalsozialismus sei. In diesem Augenblick versucht De Diego, wie Fernández-Crehuet erläutert, einen neuen Richtertypus und eine neue Methodologie anzustoßen und zu befördern, „zu umreißen, wie der Prototyp des franquistischen Richters aussehen muss, wie die Rechtsauslegung im neuen Spanien umzusetzen ist, wie das Verhältnis zwischen den alten und neuen Normen zu sein hat“ (Fernández-Crehuet 2011, 137) und die Arbeit von Heck passt sehr gut zu diesen Absichten, weil es sich dabei um genau die Fragestellungen handelt, die auch Heck in diesem Werk zur Sprache bringt. Und seine Antworten, die auf der Linie der Nazis liegen, gefallen De Diego, der den von Heck zum Gefallen der Nazis entworfenen Richter für den Franquismus sicherlich als sehr nützlich befindet. Trotzdem scheint sich De Diego nicht dessen bewusst zu sein, dass der Gedanke der juristischen Rechtserneuerung nicht von Heck, sondern aus der Ideologie des Nationalsozialismus stammt; und dass für die Nazijuristen die Interessenjurisprudenz Hecks, aus Gründen, die wir in Kürze darlegen werden, nicht mit dieser Rechtserneuerung zusammenpasst. Im Jahre 1942 veröffentlicht Blas Pérez González in der Revista de Derecho Privado [Zeitschrift für Privatrecht] unter der Überschrift „El método jurídico“ [Die juristische Methodik] eine Dokumentation voller ausführlichster bibliographischer Referenzen und Fußnoten, in der er einige der methodologisch relevantesten Vorschläge auflistet. Sie endet mit einer ausführlichen Analyse der Interessenjurisprudenz, die zugleich eine ausgedehnte Zusammenfassung der Rechtserneuerung und der juristischen Methodenlehre Hecks darstellt. Darin berichtet er von dem Versuch Hecks, die Nazis davon zu überzeugen, dass eine bereits vor dem Nationalsozialismus existierende Methode wie die Interessenjurisprudenz auch für den Nationalsozialismus selbst geeignet sei. Da eine „Umfelderweiterung“ (S.15) ausreichend sei, hält er die Flexibilität für einen ihrer Vorzüge (S. 20) und behauptet, dass ¢ obwohl vor dem europäischen Krieg entstanden ¢ dieser Krieg der Grund dafür sei, dass sich die Interessenjurisprudenz verfestigt habe und vorherrschend geworden sei (S. 21). Wie wir sehen werden, ist Letzteres nicht zutreffend. Zum Abschluss setzt Pérez González auf den „methodischen Synkretismus“ als den wahren Weg, dem man folgen müsse, da, obwohl nicht alle Methoden weder gleichermaßen noch teil-
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weise nutzbar seien, „a priori, abstrakt gesehen, keine Formel erdacht werden kann, die auf jedwede Situation anwendbar ist“ (S. 23). Im Jahre 1943 veröffentlicht Alfonso de Cossío in der Revista de Legislación y Jurisprudencia [Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft] eine Arbeit unter der Überschrift „Jurisprudencia conceptual y Jurisprudencia de los intereses“ [Begriffsjurisprudenz und Interessenjurisprudenz], die die Besonderheit besitzt, genau da, wo es um die Darstellung der Interessenjurisprudenz geht, in Erwägung zu ziehen, ob nicht vielmehr Max Rümelin der wahre Schöpfer der Interessenjurisprudenz gewesen sei (468) und sich dabei auf diesen Autor und auf Schreier zu stützen, um diese Bewegungen zu charakterisieren. Eine weitere Besonderheit besteht auch darin, dass die Untersuchung des (von Heck ausdrücklich anerkannten) Einflusses von Heinrich Maier und seiner „Psychologie des emotionalen Denkens“7 auf die Ausgestaltung der Theorie der juristischen Auslegung Hecks nicht zum Stillstand kommt. Alfonso de Cossío verschweigt den Bezug der Interessenjurisprudenz zum Nationalsozialismus nicht, obwohl er zu keinem Zeitpunkt auf das zu jener Zeit emblematischste Werk Hecks, „Rechtserneuerung und Methodenlehre“ (1936b) Bezug nimmt, und er es sich daher mit einer gewissen Leichtigkeit erlauben kann, zu behaupten, dass die Juristen des Nationalsozialismus (auch wenn die Realität eher das Gegenteil widerzuspiegeln scheint) die Interessenjurisprudenz in ihr Programm aufgenommen hätten und es neben dem politischen Erfolg angebracht sei, den von der neuen Bewegung in der zeitgenössischen juristischen Literatur ausgeübten Einfluss hervorzuheben (476). Keiner der spanischen Zivilrechtler scheint bemerkt zu haben, dass es Heck nicht gelang, den Nationalsozialismus von der Vereinbarkeit seiner Methode mit der neuen Doktrin zu überzeugen. Ziel dieser sich nicht erschöpfenden Bezugnahmen auf die Rezeption der Interessenjurisprudenz war es, aufzuzeigen, dass auch in Spanien „zwei Interessenjurisprudenzen“ Eingang fanden: diejenige vor dem Nationalsozialismus und die der Nazizeit. In der pränazistischen Etappe beruhten die vorausschauenden Grundsätze, auf die die Interessenjurisprudenz baut, auf dem praktischen Charakter der Rechtswissenschaft, der philosophischen Unabhängigkeit der Interessenjurisprudenz, dem Interessenbegriff als Arbeitswerkzeug und dem Leben als Substrat der Normen und als Fanal des juristischen Handelns. Und was schließlich diese Elemente vereint, ist eine Methode, die Interessenjurisprudenz, deren Ausgangspunkt darin liegt, dass die Normen immer das Ergebnis eines Interessenkonfliktes sind, den der Gesetzgeber löst, indem er einem Interesse, unbeschadet eines weiteren oder weiterer anderer Interessen, den Vorzug gibt, die am Ende geopfert werden. Da der Richter keine Macht darstellt, die unabhängig vom Staat, sondern dem Recht unterworfen ist, ist es seine Aufgabe, den Interessenkonflikt, den er in seinem Sitzungssaal vor sich hat, genau auf die Weise zu lösen, die der Gesetzgeber vorgesehen hat. 7 Die Beziehung der Methodenlehre Hecks zu der wenig bekannten praktischen Philosophie H. Maiers in seiner „Psychologie des emotionalen Denkens“ wird von Krawietz ausführlich und treffend geprüft; (1976, Sp. 507 – 512).
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Gegen diese Interessenjurisprudenz sprach alles, um von den Nazis geschätzt zu werden. Wenn man sich also die Bemühungen Hecks ansieht, um ihre Akzeptanz zu erreichen, bleibt die Frage, ob Heck den grundlegenden Elementen seiner Theorie abschwor, um sie dem Nazismus anzupassen oder ob er trotz einer möglichen Unverträglichkeit mit der neuen Weltanschauung standhaft blieb.8 Meiner Meinung nach handelt Heck so, dass er die Interessenjurisprudenz aus ihrem Entstehungszusammenhang nimmt und diejenigen Elemente hervorhebt, die ¢ gelegentlich um den Preis der Entstellung ¢ am besten mit dem Nazirecht zusammen passen.9 Wie ich versuchen werde, aufzuzeigen, betreibt Heck eine „Uminterpretierung“ seiner eigenen Theorie in einen nationalsozialistischen Code, indem er an theoretischen Stellen genau das tut, was vom Richter in der Praxis zu tun verlangt wird. Heck vollzieht jedoch diese Uminterpretierung nicht offen, sondern scheinbar ohne sich in dem zu widersprechen, was er zuvor behauptet hatte. Die Beschönigung der Interessenjurisprudenz wird vor allem durch Beifügungen und Ausdrucksformen der Intensität bewerkstelligt, mittels derer Heck grundlegenden Prinzipien seiner Theorie eine Erscheinung verleiht, die sie vorher nicht besaßen, und andere in den Hintergrund schiebt, die zuvor sehr wohl von Bedeutung waren. Was sich ändert, ist die Betonung, was keine geringe Veränderung darstellt, wenn davon die Bedeutung des Wortes abhängt.10 III. Beschönigung der Interessenjurisprudenz zur Anpassung an die Nazi-Weltanschauung Es gibt drei charakteristische Merkmale von Hecks Theorie, die größere Probleme aufwarfen, um den Anforderungen der Nazis zu entsprechen: (1) die Bindung des Richters und die Methodik als Werkzeug zur Ermöglichung der Weisungsgebundenheit des Richters; (2) der Interessenbegriff und der Interessenkonflikt; (3) die philosophische Neutralität der Interessenjurisprudenz. 1. Was den Richter angeht, lag die Unstimmigkeit zwischen der Interessenjurisprudenz und dem Nationalsozialismus von vornherein auf der Hand: wie von Rüthers aufgezeigt, wurde die Entbindung des Richters vom Gesetz und insbesondere von den überkommenen Gesetzen zum Zentralpunkt des methodologischen Programms der nationalsozialistischen Juristen (2001, 79), während der zentrale Punkt des methodologischen Programms der Interessenjurisprudenz, zumindest vor den Nazis, in 8
Gegenüber Koch, der die präfaschistische und die faschistische Etappe der Interessenjurisprudenz unterscheidet, behauptet Schoppmeyer, dass Heck keine wesentlichen Veränderungen seiner Theorie vornahm und bis zuletzt den Kernelementen derselben treu geblieben sei (Schoppmeyer 2001, 211; 209 – 213). 9 Wenn die Interessenjurisprudenz laut Koch (1977, 117) für die „große juristische Erneuerung des Nationalsozialismus“ Anwendung finden konnte, dann weil Heck angesichts des bekannten Zeitgeistes wichtige Zugeständnisse machte. 10 Dies gilt vor allem dann, wenn, wie im Fall der Interessenjurisprudenz, das, was diese von ähnlichen Bewegungen wie der Freirechtsbewegung unterscheidet, genau in dieser Betonung lag.
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der, wenn auch nur minimalen, Kontrollmöglichkeit des Richters mittels der Methodik lag (Heck 1914, 103). In den Arbeiten der Naziepoche werden die Ausgleichsmaßnahmen, die Heck mittels der Begriffe Gesetz, Recht und Gemeinschaft vorzunehmen hat, um weiter von einem untergeordneten Richter sprechen zu können und damit sein Verfahren weiterhin Sinn hat, noch offensichtlicher, während er ihn, den Richter, vom Recht löst, um nicht als positivistisch zu erscheinen, und ihn wiederum erneut an das Recht bindet, um sich von der Freirechtsbewegung zu unterscheiden. Je nach momentaner Lage muss der Richter das Recht vom Gesetz, von den Notwendigkeiten des Lebens, von der Gemeinschaft oder von den Worten des Führers und den in den Darlegungen der Begründungen von Gesetzen enthaltenen Erklärungen lösen (Heck 1936b, 13). Diese Verschmelzung normativer Quellen ist mit dem Nationalsozialismus vereinbar, verträgt sich aber nicht mit der Interessenjurisprudenz. Gewiss erhält Heck mit unterschiedlichen Intensitäten die Bindung des Richters an das Gesetz und an die Gemeinschaft aufrecht, aber nun verschmelzen und vermischen sich Gesetz und Gemeinschaft in der Gestalt des Führers, wodurch der Richter mit dem Führer in einer Art von identifizierender Osmose verbunden ist. Die urtümliche Interessenjurisprudenz beinhaltete die Bindung des Richters an das Gesetz als wesentliches Fundament und als Substrat: der Richter war dem Gesetz unterworfen, weil das Gesetz Ausdruck der Autonomie der Gemeinschaft war, das heißt, dass die Gemeinschaft durch das Gesetz verbunden war. Dies war ein grundlegendes Prinzip und galt auch, wenn es keine Verfassung gäbe und eine solche Subordination verfassungsmäßig nicht geboten wäre (Heck 1914, 13 ff.). Nun erlangt die Gemeinschaft ¢ das Volk ¢ gegebenenfalls eine stärkere Geltung, was sich jedoch nicht über das Gesetz, sondern über die mystische Gestalt Hitlers äußert, der Willen und Werte auf eine Weise bündelt, die sich niemals so deutlich geäußert hätten und niemals so leicht abzuwägen gewesen wären, um konkrete Fälle zu lösen (Heck 1936b, 13). Die Worte sind dieselben, bedeuten jedoch nicht dasselbe. 2. Der Interessenbegriff und die Rolle des Interessenkonflikts sind eine weitere Problemquelle und ein weiterer Aspekt seiner Methodologie, die Heck beschönigen muss, um sie an die neuen Anforderungen der Nazis anzupassen. Offensichtlich kann Heck nicht auf den Interessenbegriff verzichten, weil dies so viel bedeuten würde, wie seiner gesamten Theorie abzuschwören, also reduziert er sie auf ihren geringsten Ausdruck: der Begriff ,Interesse‘, so sagt er, sei nur ein Etikett, eine Form, um „den zielgerichteten Wunsch“ zu bezeichnen, was nichts mit dem eigentlichen Inhalt der Lebensideale zu tun habe (Heck 1936a, 319). Larenz jedoch überzeugt, wie viele Nazijuristen, der erweiterte Sinngehalt, mit dem Heck den Begriff ,Interesse‘ verwendet, nicht, der ihn seiner Meinung nach vom Vorwurf des Egoismus, des Individualismus, des Materialismus, etc. befreien würde. Der Gedanke der Gemeinschaft, so sagt Larenz, habe den Interessengegensatz überwunden und die Strategie, auf den allumfassenden Charakter des Interessenbegriffes zurückzugreifen, entkräfte nicht die Kritik, weil der Fehler genau darin begründet liege, dass die nationalen und ethischen Werte und die materiellen Interessen nicht auf eine Stufe gestellt werden können, da die „Werte der Nation und der Gemeinschaft genau den höheren Maßstab
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bilden, gegenüber dem alle einfachen Interessen ihre Legitimität zu rechtfertigen haben“ (Larenz 1942, 45). In diesem Fall wird die Beschönigungsoperation der Interessenjurisprudenz noch offensichtlicher: „Das staatliche Recht bietet den Gemeinschaftsinteressen Schutz; den Interessen des Einzelnen dagegen nur in dem Maße, in dem diese zugleich Interessen der Gemeinschaft sind“ (Heck 1936b, 9). Nur wenn die privaten Interessen mit den allgemeinen gemeinsamen Interessen übereinstimmen, kommen sie für das Recht in Betracht, so dass, wie Heck im Jahre 1936 sagte, ein Konflikt zwischen privaten und öffentlichen Interessen undenkbar sei. Trotzdem warnte Heck nur wenige Jahre zuvor, dass die Interessen, auf die wir uns beziehen, nicht nur die Privatinteressen, wie Kantorowicz neben anderen fälschlicherweise annahm, sondern auf der gleichen Stufe auch die Interessen der rechtlichen Gemeinschaft sind, die in anderen Bereichen des Rechts, die sich vom Privatrecht unterscheiden, sogar die größte Wichtigkeit haben (1932, 39).11 Er bezeichnete es als einzige Anforderung an die Relevanz eines Interesses, dass dieses irgendeine öffentliche Bedeutung haben, das heißt, dass es ein „minimales öffentliches Interesse“ geben müsse. Allerdings ist „eine öffentliche oder rechtliche Bedeutung haben“ nicht dasselbe wie „von Interesse für die Gemeinschaft sein“. Auf dieser Gleichsetzung beruht das trügerische Wortspiel, das Anfangsprinzip, mit dem Heck vorgibt, der Nazikritik zu begegnen, einer wahrhaft vernichtenden Kritik, da ja, wie Schoppmeyer es zu betrachten wusste, das absolute Verschwinden der individuellen Interessen das Ende der Konflikttheorie von Heck voraussetzte, da sie überflüssig gemacht werden würde: ohne Individualinteressen, einschließlich konträrer Interessen, wäre ein rein finalistisches Denken ausreichend, etwas, das Heck bereits ein ums andere Mal abgelehnt hatte (Schoppmeyer 2001, 217 f.). Während Heck auch nicht auf den Gebrauch des Interessenbegriffs verzichtete und fortfuhr, seine Zweckmäßigkeit zu verteidigen, steht fest, dass er es in seinen Arbeiten aus der Nazizeit vorzuziehen scheint, sich auf seine Methode als teleologische Strömung zu beziehen und das Wort Interesse zu umgehen (Forsthoff 1937, 371; Heck 1936a, 315). Wenn der Interessensbegriff problematisch ist, konnte der Interessenkonflikt als Ursprung der Normen und hermeneutisch maßgebliches Kriterium nicht umhin, dies ebenso zu sein. Für die Interessenjurisprudenz lag der Ursprung der Normen im politischen Kampf, der Konflikt wurde im politischen Disput aufgeworfen und gelöst, und dieser Konflikt existierte fortwährend.12 Er wurde nicht immer mit der gleichen Intensität wahrgenommen, war aber stets gegenwärtig (1914, 17 ff.). Im Nationalsozialismus zeigt sich die Gesetzgebung bereits nicht mehr als Ergebnis des politischen Kampfes: an dieser Front ist der Interessengegensatz überwunden. 3. Genau wie er es schon 1914 getan hatte, behauptete Heck auch 1932 noch, dass der methodologische Disput eine rein rechtliche Auseinandersetzung sei, eine tech11
Vgl. García Salgado (2003, 620). Für die Interessen- und Wertungsjurisprudenz ist sogar das Rechtssystem „ein offenes, soziale Interessenkonflikte regulierendes System von Konfliktentscheidungen“ (Krawietz 1984, 74). 12
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nische Frage, die nicht mit irgendeiner philosophischen Strömung oder mit irgendeiner besonderen Weltvorstellung verbunden werden dürfe (1914, 309; 1932, 25). Und im Jahre 1936 fährt er fort zu beteuern, dass es ein schwerer Irrtum seiner Kritiker sei zu sagen, dass seine Methode auf philosophischen Vorstellungen der Vergangenheit oder einer liberalen Staatsauffassung beruhe (1936b, 8; 1936a, 325 ff.). Und obwohl er das Vorhandensein einer dem Nazismus inhärenten Weltanschauung einräumte, die sich von der vorhergehenden unterscheide und die er außerdem teile, ist die Behauptung, dass die Interessenjurisprudenz weder beabsichtige, eine Rechtsphilosophie noch eine weltanschauliche Theorie zu liefern, eine Konstante in seinem Werk: „Wir leiten und begleiten den Richter bis eine Weltanschauung eingreift, ohne ihm diese jedoch zu liefern. Wir geben ihm kein Ziel vor, sondern verschaffen ihm nur die Mittel, um seine Ziele zu erreichen“ (1936a, 326). Mit anderen Worten: wir sagen dem Richter nicht, was er anzustreben hat, wir unterweisen ihn nur in Bezug darauf, auf welche Weise er anzustreben hat, was er will. Allerdings dient die Methode, wie Heck selbst sehr wohl in seinen ersten Werken einräumte, immer den verfolgten Zielen – und die Interessenjurisprudenz ist eine Methode nur für die praktische Rechtswissenschaft, deren Ziel es ist, zu korrekteren Normen für das Leben zu gelangen. Wie kann es eine geeignete Methode geben, um jedes beliebige Ziel zu erreichen? Auf Kosten der Opferung der Methode und deren Verschwinden, auf Kosten der Aussage, dass es ¢ wie es Heck in seinen letzten Werken tut ¢ die teleologische Methode, mit er sich schließlich identifizierte, also mit geringen Schattierungen die Interessenjurisprudenz war, die am besten dazu geeignet sei, um die angestrebten Ziele zu erreichen, eine einleuchtende Sache, wenn man bedenkt, dass die teleologische Methode genau darin besteht, sich von Zielen leiten zu lassen. Das Besondere an der Interessenjurisprudenz, die historische Erforschung der Interessen, der hermeneutische Wert des missachteten Interesses, etc. löst sich vollständig auf, wenn Interessenjurisprudenz und teleologische Methode gleichgesetzt werden. Als Schlussfolgerung bleibt uns, zu fragen, ob Heck Recht gehabt haben könnte, das heißt, ob es irgendeine Art und Weise gab, Nationalsozialismus und Interessenjurisprudenz miteinander in Einklang zu bringen, ohne letztere so weit zu verfälschen, bis man sie fast zum Verschwinden gebracht hat. Meiner Meinung nach war dies nicht möglich, da beide Bewegungen unvereinbare Haltungen einnehmen und ihre Standpunkte und Gesellschaftsvorstellungen diametral entgegengesetzt sind.13 Der Nationalsozialismus vertritt eine harmonistische Gesellschaftsvorstellung, während die Interessenjurisprudenz, wenn auch nicht im marxistischen 13 Wie schon Krawietz betont hat, „besteht im Bereich der Jurisprudenz (…) seit jeher eine enge Verbindung von Praxis und Theorie: Beide setzen einander wechselseitig voraus und bedingen einander. Es wird dieselbe Rechtssprache benutzt. Sie dient als Gesetzessprache, als Fachsprache und Berufssprache des Juristen sowie der Jurisprudenz und basiert letzten Endes auf der Umgangssprache“ (2001, 348). Die Sprache der Interessenjurisprudenz und die Sprache des Nazismus waren, wie gezeigt, ganz anders und konnten keinen gemeinsamen Nenner finden.
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Sinne, eine Tochter des Konfliktualismus ist. Deshalb war Hecks Feldzug von vornherein verloren und hatte außerdem fatale Folgen für das Überleben seiner Theorie, da nicht auszuschließen ist, dass es genau sein Bemühen um die Verknüpfung seiner Methode mit dem Nationalsozialismus war, das die Interessenjurisprudenz zumindest nominell aus dem juristisch-methodologischen Panorama der Nachkriegszeit hat verschwinden lassen, obwohl sich ihr Erbe unter diesem oder unter anderem Namen in aktuellen Interpretationskonzepten noch nachverfolgen lässt. Bibliographie Cantos Figuerola, Vicente (1934): ¿Función automática o función creadora?, in: Revista Crítica de Derecho Inmobiliario 117, S. 641 – 649. Cossio, Alfonso de (1943): Jurisprudencia conceptual y jurisprudencia de los intereses, in: Revista General de Legislación y Jurisprudencia, November, S. 463 – 477. Fernández-Crehuet López, Federico (2011): Jueces bajo el franquismo. Once historias (y una nota sobre la depuración de los funcionarios judiciales), Granada. Forsthoff, Ernst (1937): Philipp Heck, Rechtserneuerung und juristische Methodenlehre, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (ZStW) 97, S. 371 – 372. García Amado, Juan Antonio (1991): Nazismo, Derecho y Filosofía del Derecho, in: Anuario de Filosofía del Derecho VIII, S. 341 – 364. García Salgado, María José (2003): Rechtliche versus gesellschaftliche Interessen?, in: M. Atienza u. a. (Hrsg.), Theorie des Rechts und der Gesellschaft. Festschrift für W. Krawietz zum 70. Geburstag, Berlin. ¢ (2011): La Jurisprudencia de intereses de Philipp Heck, Granada. González, Jerónimo (1930): Métodos jurídicos, in: Revista Crítica de Derecho Inmobiliario 68, S. 589 – 602 und 69, S. 699 – 713. ¢ (1935a): Jurisprudencia de intereses, in: Revista Crítica de Derecho Inmobiliario 126, S. 408 – 421. ¢ (1935b): La escuela de Tubinga, in: Revista Crítica de Derecho Inmobiliario, 128, S. 561 – 575. Heck, Philipp (1905): Interessenjurisprudenz und Gesetzestreue, in: DJZ 24, Sp. 1140 – 1142. ¢ (1912): Das Problem der Rechtsgewinnung. Rektoratsrede. Tübingen. ¢ (1914): Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz, in: AcP 112, S. 1 – 318. ¢ (1932): Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, Tübingen. ¢ (1933): Interessenjurisprudenz, in: Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart 97, Tübingen ¢ (1936a): Die Interessenjurisprudenz und ihre neuen Gegner, in: AcP 142, N. F. 22, S. 129 – 202; 297 – 332. ¢ (1936b): Rechtserneuerung und juristische Methodenlehre, in: Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, 118, Tübingen.
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Elemente einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie Von Heinrich Weber-Grellet, Münster I. Grundlagen einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie Jede Rechtstheorie bedarf einer Einbettung in eine Theorie der Gesellschaft; jede Rechts- und Staatstheorie ist Teil einer Gesellschaftstheorie.1 Es hat nie Gesellschaften ohne Recht gegeben.2 Diese schlichte Erkenntnis wird in Rechtswissenschaft, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie noch immer weitgehend ignoriert. Recht und Staat dienen der Gesellschaft, eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie versteht Recht und Staat als Funktionen der Gesellschaft. Recht und Staat sind (nur) Teile der Gesellschaft. Der Staat – und auch das Recht – müssen sich mit einem instrumentellen Status zufriedengeben; das ist die Grundlage der Demokratie.3 Alle Versuche, die Bedeutung von Recht und Staat zu erfassen, leiden unter dem traditionellen Verständnis des Staates; unabhängig von seiner rechtlichen Einkleidung ist der Staat in der demokratisch organisierten Gesellschaft nicht mehr Herrschaftssubjekt4, sondern nur noch Funktion; die „Vergesellschaftung des Staates“ ist die entscheidende Weichenstellung: Der Staat steht nicht mehr über oder neben der Gesellschaft, er ist – wie das Recht – dienendes Instrument; mit seiner Hilfe organisiert die Gesellschaft ihr Zusammenleben. Das Recht ist das Recht der Gesellschaft und der Staat ist der Staat der Gesellschaft. 1. Recht ist ein soziales und normatives System. Das System ist definiert durch seine Abgeschlossenheit von der Umwelt. Das Rechtssystem ist und bleibt ein Subsystem der Gesellschaft. Das Recht der modernen Gesellschaft basiert – institutionen- und systemtheoretisch gedeutet – auf einem Nebeneinander verschiedenartiger 1
Vgl. nur Krawietz, Gemeinschaft und Gesellschaft, in: Rechtstheorie 35 (2004), S. 579, 580, 633, zu den Tendenzen einer gesteigerten Vergesellschaftung von Rechtssystemen. 2 Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1995, 2. Teilband, S. 583; zur Entstehung moderner Rechtssysteme vgl. Berman, Recht und Revolution, 1995, S. 193. 3 Nemo, Was ist der Westen? Die Genese der abendländischen Zivilisation, 2005, S. 81. 4 A. A. noch Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., 1985, S. 822, nach dessen (vordemokratisch geprägtem) Verständnis der Staat ein auf das Mittel der legitimen Gewaltsamkeit gestütztes Herrschaftsverhältnis ist.
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Rechtsquellen.5 Der moderne Verfassungsstaat ist in erster Linie ein rechtlich strukturiertes Organisationssystem.6 Auch traditionelle (auch tribale) Gesellschaften haben ihr eigenes Recht und eigene Regeln, um das Zusammenleben zu ermöglichen.7 Recht ist nicht nur das nationale staatliche Recht; Recht existiert auf allen Stufen, subnational (z. B. Kommunalrecht) und supranational (EU-Recht, Völkerrecht), staatlich und nicht-staatlich (z. B. Vereinsrecht). Recht und Staat sind (nur noch) Funktionen der demokratischen Gesellschaft.8 Das Recht findet seine Funktion im konkreten Ordnen einer Gesellschaft; das Recht ist ein (staatliches) Entscheidungssystem zum „gedeihlichen“ und „friedvollen“ Zusammenleben und zur Lösung sozialer Konflikte, die nach materiellen Regeln in einem vorgeschrieben Verfahren (Diskurs) gelöst werden (Entscheidung), und deren Ergebnis überprüft wird (Rechtsmittel); das Recht ist mehr als nur ein Immunsystem der Gesellschaft.9 Die Leistung des Rechts besteht darin, dass es das Konfliktpotenzial „entfesselter“ subjektiver Freiheiten durch Gleichheit und Freiheit verbürgende Normen zähmt.10 2. Recht und Staat sind Funktionen jeder (politischen) Gesellschaft, wobei als Gesellschaft jeder Zusammenschluss von Personen in Betracht kommt. Während die Gemeinschaft durch innere Verbindungen gekennzeichnet ist (zB. die Familie), ist die Gesellschaft jedes „mechanische Artefact“.11 Gesellschaften existieren als kleine und große Gesellschaften, als kommunale, föderale und nationale Gesellschaften, als supranationale Gesellschaften und schließlich – in der Zukunft – auch als Weltgesellschaft.12 Der Organisationsgrad und der Inhalt sind unterschiedlich, von ganz einfach strukturierten bis hin zu hochkomplexen Gesellschaften. Recht und Staat sind (un-
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Krawietz, Recht ohne Staat?, in: Rechtstheorie 24 (1993), S. 81, 126. Krawietz, ebd., S. 87. – T. Parsons sah in der Organisation den wichtigsten Mechanismus für eine hochdifferenzierte Gesellschaft, um das System in Gang zu halten und Ziele zu verwirklichen, die die Möglichkeiten des Einzelnen übersteigen (zit. nach Müller-Jentsch, Organisationssoziologie, 2003, S. 17). 7 Etwa die Hochlandbewohner von Papua-Neuguinea oder subsaharische Gesellschaften in der Mitte Afrikas. 8 Weber-Grellet, Staat und Recht als Instrumente der demokratischen Gesellschaft im Lichte rechtsphilosophischer und rechtstheoretischer Entwicklungen, in: Rechtstheorie 2003, S. 157; ders., Steuerrecht und Steuerstaat in rechtsrealistischer Perspektive, in: Rechtstheorie 2005, S. 301; ders., Die Zukunft des Steuerrechts, in: FS DRB 2009, S. 235; de Groot, Der skandinavische Realismus …, 1997, S. 307. – Zur Entstehung des rationalen Staates, Weber (FN 4), S. 815 ff. 9 Dazu Luhmann (FN 2), S. 565. 10 Habermas, Die Einbeziehung des Anderen, S. 398; Weber-Grellet, Staat und Recht als Instrumente der demokratischen Gesellschaft (FN 8), S. 180 ff. 11 Zur Unterscheidung (nach Tönnies) vgl. Krawietz (FN 1), S. 609. 12 Zu den Entwicklungsstadien politischer Vergesellschaftung vgl. Weber (FN 4), S. 516 ff. 6
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terschiedliche) Teile der Gesellschaft; es besteht keine Identität von Recht und Staat13 und keine Identität von Staat und Gesellschaft.14 3. Ideelle Grundlage einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie ist – wie auch der Rechtsrealismus – der Pragmatismus15, dessen prominentester Vertreter Rorty16 ist. Der Pragmatismus ist die Philosophie der Demokratie – mit Bürgern einer toleranten, pluralistischen und föderalistischen Republik.17Die Demokratie ist weder nur Regierungsform noch ein sozialer Notbehelf, sondern eine Metaphysik der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Erfahrung in der Natur.18 Der Pragmatismus ist antiessenzialistisch, antimetaphysisch und antikantianisch; der Pragmatismus ersetzt die Erkenntnis durch Hoffnung; die Hoffnung auf die Erfindung und Entdeckung neuer Möglichkeiten des Menschseins hat Vorrang vor dem Bedürfnis nach Stabilität, Sicherheit und Ordnung.19 Die gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie beruht nicht auf der Systemtheorie oder der Theorie des kommunikativen Handelns, wenn auch beide Theorien hilfreiche Dienste leisten können, die Systemtheorie mit ihrer Trennung von System und Umwelt,20 die Diskurstheorie mit ihrer demokratischen und kommunikativen Grundlegung. 13
454. 14
Krawietz, Rechtstheorie und Rechtsstaatlichkeit, in: Rechtstheorie 26 (1995), S. 435,
Ebd., S. 457. James, Pragmatismus, 1907 (2001); Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis, 1994. Im Mittelpunkt des Pragmatismus steht der demokratische Individualismus und damit das Individuum und dessen individuelle Verantwortung als Motor allen sozialen, ökonomischen und politischen Geschehens. Alle klassischen Pragmatisten stimmen darin überein, dass das Philosophieren kein Selbstzweck, sondern eng mit dem Leben und seinen praktischen Problemen verbunden ist. – Posner, Law, Pragmatism, and Democracy, 2003. – Dazu Schulz, Recht und Pragmatismus, in: Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, hrsg. v. Brugger, Neumann u. Kirste, 2008, S. 286; Lege, Pragmatismus und Jurisprudenz, 1999; Schluep, Einladung zur Rechtstheorie, 2006, Rdnr. 1964 ff., der auf den (amerikanischen) Kampf gegen das Naturrecht, gegen eine begrifflich-konstruktive Rechtswissenschaft und auf die Betonung der psychologischen Aspekte des Rechts hinweist. 16 Horster, Richard Rorty zur Einführung, 1991: Realitätsorientierung, Metaphysikkritik, Religion nicht Mittel der Kontingenzbewältigung; offener Zukunftsentwurf. – Rorty (1931 – 2007) als der Anti-Platoniker, der Ballastabwerfer und Ausmister der abendländischen Philosophie – unter resoluter Abkehr von der Wahrheitsfrage, mit der Absage an alle Glaubensgewissheiten und Wahrheiten. Die Philosophie ist dazu da, die überirdische Schönheit der Orchideen mit Trotzkis Traum von der Gerechtigkeit auf Erden zu versöhnen. 17 Zum heutigen Stand des Pragmatismus vgl. etwa Raters/Willaschek (Hrsg.), Hilary Putnam und die Tradition des Pragmatismus, 2002, u. a. mit Beiträgen von Joas, Habermas und Putnam. Vgl. auch Kasiske, Rechts- und Demokratietheorie im amerikanischen Pragmatismus, 2007, S. 308: „Hierzulande hat man das pragmatische Rechtsdenken bislang kaum zur Kenntnis genommen.“ 18 Dewey, 1911, zit. nach Rorty (FN 15), S. 14. 19 Rorty, (FN 15), S. 63, 89. 20 Luhmann, Soziale Systeme, 1987, S. 22. – Soweit die Leistung der Systemtheorie (nur) darin bestehen soll, dem Recht als wesentliche und exklusive Funktion die Stabilisierung von 15
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II. Bedeutung von Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie im Rahmen einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie 1. Traditionell wird unterschieden zwischen der Rechtsphilosophie, der Rechtstheorie und der Rechtssoziologie.21 Rechtsphilosophie im engeren Sinne befasst sich mit der Frage nach dem richtigen Recht und nach der Gerechtigkeit. Gesucht wird nach übergeordneten Prinzipien, an denen das positive (d. h. das in einem Staat im rechtlich vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommene und deshalb geltende) Recht gemessen werden kann. Diese Prinzipien wurden in der Geschichte der Rechtsphilosophie etwa aus der Natur, der göttlichen Schöpfungsordnung, der Vernunft, dem Wesen des Menschen oder dem allgemeinen Konsens entwickelt. Der Bogen reicht vom Naturrecht der Antike (z. B. Aristoteles, Plato) über die christlichen Naturrechtslehren (Augustinus, Thomas von Aquin), die Aufklärung (Hobbes, Locke, Pufendorf, Thomasius, Wolff, Kant), den deutschen Idealismus (Fichte, Hegel) bis hin zu aktuellen, vor allem aus dem angloamerikanischen Rechtskreis stammenden Entwicklungen (Utilitarismus, Liberalismus, Kommunitarismus). Die Bedeutung der Rechtsphilosophie zeigt sich etwa daran, dass alle maßgeblichen Verfassungsentwürfe des westlichen Kulturkreises – z. B. die Virginia Bill of Rights (1776), die französische Erklärung der Menschenrechte (1789) bis hin zur Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948) und zum Grundgesetz (1949) – in dieser rechtsphilosophischen Tradition stehen. 2. Die Rechtstheorie konzentriert sich auf die formellen, strukturellen und funktionalen Elemente des Rechts.22 Zur Rechtstheorie (in einem weiteren Sinn) gehört auch die Methodik des Rechts (Methodenlehre), die Argumentations- und Entscheidungstheorie, Diskurstheorie, Hermeneutik, Topik und Rhetorik bis hin zu Gesetzgebungstheorie, Systemtheorie und marxistische Rechtstheorie. Die Rechtstheorie geht über die tradierte Allgemeine Rechtslehre, die sich als rechtdogmatisch gebundene Prinzipienlehre versteht, hinaus.23 normativen Verhaltenserwartungen zuzuweisen (dazu vgl. Huber, Systemtheorie des Rechts, 2007, S. 214), ist dieser Aspekt m. E. zu eng. Auch der Systemtheorie geht es um die gesellschaftliche Funktion des Rechts. 21 Ralf Dreier, FS Starck 2007, S. 21, 32 f. 22 Zum „Verschwinden“ der Rechtswissenschaft Somek, Rechtliches Wissen, 2006, Vorwort. – Instruktiv zu „einige(n) Problemen der gegenwärtigen Rechtstheorie“ Christensen/ Müller/Patterson/Sokolowski, Rechtstheorie 2007, S. 123. – Zum (praktischen) Nutzen der Rechtstheorie (eines rechtstheoretischen Räsonnements) Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein …, 2006. – Zu einer „Rechtswissenschaftstheorie“, Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), 2008. 23 Krawietz (FN 13), S. 450. Die allgemeine Rechtslehre ist nicht nur Rechtsformen-, sondern auch (in begrenztem Umfang) Rechtsinhaltslehre (Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl., 2008, § 1 IV). Sie befasst sich u. a. mit den Grundbegriffen des Rechts, mit dem Begriff des Rechts, dem Aufbau der Rechtsnorm und der Gesetze. Auch die Methodenlehre des Rechts, die auf die Auslegung des Rechts gerichtet ist, gehört zu der Allgemeinen Rechtslehre.
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3. Während sich Rechtsphilosophie und Rechtstheorie vor allem mit dem Recht in seiner Normativität beschäftigen, geht es der Rechtssoziologie um die Fakten und die dem Recht zugrunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse.24 So gibt sie sich etwa bei der Frage, warum Richter so und nicht anders entscheiden, nicht mit der Erklärung zufrieden, dass ihre Urteile auf dem Gesetz beruhen, sondern die Rechtssoziologie fragt weiter: Lässt sich der Richter wirklich von den Gesetzen leiten? Inwieweit werden Gesetze tatsächlich von den Gerichten, den Behörden und den Mitgliedern einer Gesellschaft befolgt? Warum haben Gesetze gerade diesen und keinen anderen Inhalt? Wem nützen und wem schaden sie? Wie funktioniert die rechtliche Organisation einer Gesellschaft überhaupt? Wie sieht die Rechtswirklichkeit aus?25 4. Auch eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie kommt ohne Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtssoziologie nicht aus, um die Gestalt und den Inhalt von Recht und Staat der Gesellschaft bestimmen zu können. Allerdings besitzen diese Fächer im Rahmen einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie nur noch eine Hilfsfunktion; ihre Erkenntnisse sind bei der Schaffung und Entwicklung von Recht und Staat der Gesellschaft einzubeziehen. 5. Die gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie baut auf den bestehenden Rechts- und Staatsstrukturen auf. Dogmatik26 und Systematik sind auch weiterhin von Bedeutung. Das Recht erschöpft sich nicht im Bestand der positiven Gesetze. Die Rechtsordnung enthält weitere Elemente wie Topoi,27 Prinzipien (Grundsätze), Systeme; außerrechtliche Elemente sind allerdings tabu. Nicht alle Konfliktlagen sind geregelt. Wegen ihrer Allgemeinheit können die erlassenen Gesetze nicht alle denkbaren Fälle erfassen; nicht alle Fälle in ihrer individuellen Verschiedenheit können geregelt sein. Die Rechtsordnung ist daher zwangsläufig lückenhaft. Zwischen und hinter den Regeln stehen allgemeine Rechtsgrundsätze oder Rechtsgedanken (Prinzipien) und Topoi.28 24 Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, 4. Aufl., 2007; Rottleuthner, KritV 2009, S. 202, zum Exodus der deutschsprachigen Rechtssoziologie aus der akademischen Landschaft. – Die gegenwärtige Schwäche der Rechtssoziologie zeigt sich m. E. auch in dem Sammelband „Wie wirkt Recht?“ von Cottier/Estermann/Wrase (Hrsg.), 2010; es ist schleierhaft, warum die grundlegende Funktion von Recht und Staat als Instrumente der demokratischen Gesellschaft nicht offensiv vertreten wird. 25 Weber-Grellet, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, 4. Aufl., 2010, S. 180 f. 26 Die Dogmatik erfasst die Lehrsätze, Grundregeln und Prinzipien, die dem geltenden Recht zugrunde liegen (Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 6. Aufl., 2011, Rdnr. 309 ff., 321). Ohne Dogmatik ist eine konsistente Rechtsanwendung und Rechtsauslegung nur schwer möglich. Die Dogmatik bewirkt Ordnung und Systematisierung, Stabilisierung; Entlastung, Bindung bei der Rechtsanwendung; Kritik- und Fortbildung. 27 Die Topik als Sammelbecken verschiedenster rechtlicher und praktischer Gesichtspunkte (Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, S. 312). 28 Allgemeine Sachgesichtspunkte, die bei der Rechtsanwendung zu beachten sind, z. B. Auslegungsgrundsätze, Beweislastgrundsätze. Ein wichtiger Bereich der Topoi sind die methodischen Grundregeln, die zwar allgemein angewendet werden, die aber nicht gesetzlich normiert sind. Die einzelnen Auslegungsmethoden und ihre Bedeutung sind nicht als Gesetze normiert, gleichwohl werden sie angewandt.
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III. Rechtsrealismus 1. Der Rechtsrealismus sieht das Recht in Verbindung zur Wirklichkeit und erfasst das Recht als Teil der sozialen Wirklichkeit.29Das Recht ist nicht ein vom Sein abgesondertes Reich des Sollens; das Recht findet seine Funktion im konkreten Ordnen einer Gesellschaft.30 Das Recht ist daher permanent an die gesellschaftliche Verhältnisse und deren Veränderungen anzupassen. Der Rechtsrealismus versucht, den juristischen Positivismus zu überwinden. Das Recht kann nicht aus den komplexen geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen herausgelöst werden. 2. Für den Rechtsrealismus der Münsterschen Schule entscheidet dementsprechend nicht der abstrakte Inhalt der Gesetze über den Wert eines Rechts, sondern die Objektivierung des Rechts im Leben, die fallweise und konkrete Verwirklichung des Rechts.31 Rechtsrealistisch gedeutet, d. h. frei von aller Metaphysik, ist das Recht abhängig von den politisch-rechtlichen Entscheidungsprozessen und von den arbeitsteiligen Strukturen der modernen Organisationsgesellschaft. Der Rechtsrealismus führt nicht zu einer Beseitigung von Gerechtigkeit, von Rechtsphilosophie und Ethik. Er trennt nur zwischen Recht und Staat als Ergebnis eines demokratisch legitimierten Prozesses auf der einen Seite und den individuellen, aus vielen Quellen, z. B. aus Tradition, Kultur und Religion herrührenden Überzeugungen seiner Bürger auf der anderen Seite. Daher ist die Erkenntnis, dass der freiheitliche säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann (Böckenförde), kein Manko, sondern Ausdruck rechtsrealistischer Erkenntnis. Der Münstersche Rechtsrealismus betont den Zusammenhang von Recht und Gesellschaft, umfasst Elemente der Reinen Rechtslehre, der Systemtheorie und der Diskurstheorie, verzichtet auf die Wahrheitsfrage, basiert auf Pragmatismus und einer Philosophie der Demokratie; danach ist das Recht frei von Metaphysik und besitzt instrumentellen Charakter; Maßstab des Rechts ist die gesellschaftliche Wirksamkeit. Recht ist danach das normativ strukturierte und in der sozietalen Welt tatsächlich existierende Kommunikations- und Handlungssystem der modernen Gesellschaft, jenseits naturrechtlicher und vernunftrechtlicher Positionen, auch jenseits
29 Krawietz, Rechtstheorie 22 (1991), S. 22, zur Rechtslehre von Otto Brusiin; ders., Recht als Regelsystem, 1984; ders., Anerkennung als Geltungsgrund des Rechts in den modernen Rechtssystemen, in: FS Klenner, 1996, S. 104, 137; Rorty, Hoffnung statt Erkenntnis, 1994; Schelsky, Die Soziologen und das Recht, 1980; Weber-Grellet, Staat und Recht als Instrumente der demokratischen Gesellschaft (FN 8), S. 157, 174 ff. 30 Voegelin, Die Natur des Rechts, 1957/2011, S. 111. 31 Westermann, Interessenkollisionen und ihre richterliche Wertung bei den Sicherungsrechten an Fahrnis und Forderungen, 1954, S. 8: „Gesetzliche und richterliche Bewertung müssen sich danach ergänzen und letztlich eine lückenlose Ordnung des sozialen Lebens herstellen.“ – Ähnlich Schelsky (FN 29), S. 144: Das Recht als Regulator für die Zukunftsgestaltung.
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eines etatistischen Gesetzes- und Rechtspositivismus.32 Der Rechtsrealismus versteht das Recht als Regelung der Lebensverhältnisse durch das Recht.33 Ausschlaggebend ist letztlich die „Tiefenstruktur des Rechts“, die in seiner gesellschaftlichen Realität und Wirksamkeit zum Ausdruck kommt, nicht aber das verfehlte Wissenschaftsideal eines erkenntniskritischen Objektivismus. Recht ist die normative Informations- und Kommunikationsstruktur, die der verbindlichen Orientierung des menschlichen Erlebens und Handelns dient.34 Im modernen Rechtssystem gibt es keine dem Recht überlegene, ihm vorgegebene oder auch nur als Zusatzerfordernis aufgegebene und deshalb von Rechts wegen zu beachtende Universalmoral oder Vernunftmoral, die als mit Rechtsgeltung ausgestattet und deshalb als rechtlich verbindlich angesehen werden könnte und dürfte.35 Eine normative Ethik, die einen Wahrheitsanspruch aufstellt, kann es nicht geben.36 Ideelle Grundlage des Rechtsrealismus ist der Pragmatismus amerikanischer Prägung.37 3. Eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie nimmt die Erkenntnisse des Rechtsrealismus’ auf, geht aber über ihn insoweit hinaus, indem sie dessen Rechtsperspektive für den Staat übernimmt und indem die dominante Stellung des Rechts (und des Staats) zugunsten einer gesellschafts-bezogenen Perspektive aufgegeben wird. Nicht mehr das Recht und Staat stehen im Vordergrund, sondern die Gesellschaft bildet den theoretischen Fixpunkt. IV. Rechtsauslegung und -anwendung; Erweiterung der Interessen- und Wertungsjurisprudenz38 1. Recht ist zweckorientiert; es beruht auf dem Versuch, die Interessen der Bürger zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Wie der Gesetzgeber die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse im jeweiligen Regelungszusammenhang bewertet,
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Krawietz, Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive, in: Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert, hrsg. v. Brugger, Neumann u. Kirste, 2008, S. 181, 199 f. 33 Entgegen Habermas, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 18.12. 2006, S. 39, ist es nicht das Anliegen der Rechtsrealisten, das Recht der Politik anzugleichen, sondern die Politik hat sich an dem demokratisch zustande gekommenen Recht zu orientieren. Den Rechtsrealisten geht es aber durchaus um den Zusammenhang von Recht und Politik; dieser Zusammenhang ist evident. 34 Krawietz, FS Klenner (FN 29), S. 104, 137. 35 Ebd., S. 121. 36 Bereits Xenophanes (564 – 470 v. Chr.) formulierte: „Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird auch keiner erkennen. … Sollte einer auch einst die vollkommenste Wahrheit verkünden, wissen könnt’ er sie nicht. Es ist alles durchwebt von Vermutung.“ 37 Siehe oben I. 3. 38 Horn, Einführung, § 6 VI.
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schlägt sich in der getroffenen Regelung nieder. Nach Jhering39 (1818 – 1892) hat das Recht die eigenen Zwecke mit den Interessen der anderen zu verbinden. Nach Philipp Heck (1858 – 1943) sind die Gesetze die Resultanten der in jeder Rechtsgemeinschaft einander gegenübertretenden und um Anerkennung ringenden Interessen materieller, nationaler, religiöser und ethischer Richtung. Die sog. Wertungsjurisprudenz hat die Nachfolge der Interessenjurisprudenz angetreten. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass jede Rechtsanwendung mit Wertungen verbunden ist. Der Richter hat die Gesetze nicht in einem begrifflich logischen Verfahren anzuwenden, sondern die vom Gesetz geschützten Interessen zu erkennen und in der praktischen Rechtsanwendung zu verwirklichen. 2. Die Auslegung und Anwendung einer Norm sind Teil einer normativen und diskursiven Kommunikation (juristische Hermeneutik, Rhetorik, Diskurs).40 Die sog. Rechtsanwendung ist ein Prozess wechselseitiger Annäherung; der Sachverhalt wird verallgemeinert, der Tatbestand der Norm wird konkretisiert, bis die Aussage getroffen werden kann, dass sich Tatbestand und Wirklichkeit decken (sich in den wesentlichen Punkten ähnlich sind) oder auch nicht.41 Auch der Diskurs – als allgemeines Erkenntnis- und Begründungsverfahren – kann keine richtigen Ergebnisse garantieren, er ermöglicht aber, alle relevanten Aspekte in den Vorgang der Auslegung und Anwendung einzubeziehen.42 Die juristische Methodenlehre gilt als Brücke zur Sicherstellung einer Bindung des Richters an das Gesetz und damit zur Gewährleistung der Gewaltenteilung im Rechtsstaat. Die Brücke trägt nicht wirklich.43 Die Regeln der Methodenlehre sind zwar vernünftig, sie widerspiegeln aber nur einen kleinen Teil des umfassenden Prozesses der Rechtsanwendung und erfassen eben nur einen kleinen Teil der Komplexität richterlichen Handelns.44 Neben der Methodenlehre sind von besonderer Bedeutung das in langen Jahren erworbene Vorverständnis,45 die richterliche Pragmatik46 sowie die Ergebnisorientierung, wie sie von der Norm vorgegeben zu sein scheint; dabei geht es um die „Politik des Einzelfalls im Rahmen der Norm“.47 39 Jhering, Der Kampf ums Recht (1872); ders., Der Geist des römischen Rechts auf den Stufen seiner Entwicklung; Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (1884). 40 Krawietz, Editorial, in: Rechtstheorie 35 (2004), S. XVII, XIX; ähnlich Gruschke, Zwei Modelle richterlicher Gesetzesauslegung, in: Rechtstheorie 41 (2010), S. 35. 41 Zur immer noch unbefriedigenden Erklärung des Subsumtionsvorgangs vgl. nur Gabriel/Gröschner (Hrsg.), Subsumtion, 2012. 42 Krawietz, Vernunft versus Rationalität des Rechts?, in: Festschrift für Günther Winkler (Staat und Recht), 1997, S. 515. 43 Kritisch Hassemer, Gesetzesbindung und Methodenlehre, in: ZRP 2007, S. 213. 44 So zu Recht Hassemer, Erscheinungsformen des modernen Rechts, 2007, Kap. „Juristische Methodenlehre und richterliche Pragmatik“, S. 119 – 200, 151. 45 Dazu Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, S. 287 ff. 46 Hassemer, 15. Deutscher Verwaltungsrichtertag, 2007, S. 23, 38: Richterliche Pragmatik ist das elektrisierende Stichwort für eine Fortentwicklung der juristischen Methodenlehre. – Dazu kritisch Kummer, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 16.11. 2007, S. 9: richterliche
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3. Eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie ist mit den bisherigen Rechtsauslegungs- und anwendungsregeln und mit den Erkenntnissen der Interessen- und Wertungsjurisprudenz ohne weiteres zu vereinbaren. Allerdings sind Interessen und Wertungen nicht losgelöst und nicht aus der Perspektive einer speziellen Weltanschauung vorzunehmen, sondern auf den Grundlagen und aus der Sicht der jeweiligen Gesellschaft. V. Inhalt von Recht und Staat Der Inhalt von Recht und Staat im Rahmen einer gesellschaftsfundierten Rechtsund Staatstheorie bestimmt sich nach den jeweiligen gesellschaftlichen Notwendigkeiten; Recht beruht nicht mehr auf einer natürlichen Ordnung der Welt, sondern wird im „Gesellschaftssystem selbst gemacht“.48 Die Möglichkeiten sind ganz unterschiedlicher Art, wie etwa die Vorstellungen von einem Minimalstaat und einem Wohlfahrtsstaat skandinavischer Prägung zeigen. Auch der moderne Steuerungsund Risikostaat verlangt detaillierte Regelungen. Beeinflusst werden die Regelungen von den ethnischen, historischen und kulturellen Grundlagen der jeweiligen Gesellschaft. Die Zahl der Rechtssysteme ist Legion. Es gibt auch mit Blick auf Demokratie und Rechtsstaat offensichtlich weder Eintopf-Lösungen noch Fertiggerichte, die den hungernden Völkern nur noch ausgeschenkt zu werden brauchen.49 Es gibt auch nicht die eine Gerechtigkeit; ethische Grundlagen sind immer nur individueller oder pluraler Natur, aber nie allverbindlich; nationale Unterschiede, kulturelle Unterschiede, religiöse Unterschiede, ethnische Unterschiede. Das Recht ist daher das eigene Recht der jeweiligen Gesellschaft; es besteht keine Möglichkeit, das Recht „rein kognitiv“ zu erkennen und zu begründen. Das Recht ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich; es gibt keinen einzig wahren Rechtsstaat.50 Recht und Staat sind flexibel. Wegen dieser Verschiedenheiten ist gegenüber den Vorstellungen der jeweiligen Gesellschaft (bestimmt durch Nationalität, Sprache, Kultur und Religion) Respekt zu wahren und Toleranz zu üben.51 Das Recht wird nicht länger einseitig auf eine bestimmte Rechtsordnung bezogen. Wie ein Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse unschwer erkennen lässt, sind die Pragmatik, ein Mittelding zwischen Methodenlehre, Dogmatik und den professionellen Bestimmungsgründen richterlichen Entscheidens. 47 Hirsch, Im Namen des Volkes: Gesetz – Recht – Gerechtigkeit, in: ZRP 2012, S. 205: Rechtsfindung ist ein Akt der Gestaltung der Rechtswirklichkeit. 48 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, 1981, S. 374.– Die Religion kann kein staatstragendes Ethos mehr verbürgen; es geht um die gelebte lebendige Kultur (Böckenförde, in: Wissenschaft, Politik, Verfassungsgericht, 2011, S. 432, im Interview mit Gosewinkel). 49 Topornin, zit. nach Krawietz, Rechtstheorie 33 (2002), Sonderheft Ungarn, Editorial, S. VII/XIX. 50 Krawietz (FN 5), S. 127. 51 Gorbatschow, zit. nach Krawietz, Editorial, in: Rechtstheorie 35 (2004), S. XVII, XX.
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Erscheinungsformen von Recht und Staat der einzelnen Gesellschaften von geradezu ungeheuerer Vielfältigkeit.52 Es besteht auch die Möglichkeit von Konkurrenzen und Überlappungen. Recht kann jedenfalls nicht mehr allein aus kosmologischen Mythen, aus Offenbarung (Israel) oder Philosophie (Hellas, das klassische Rom) oder aus den Grundlagen der westlichen Zivilisation (Vernunft, Aufklärung, französische Revolution) abgeleitet werden.53 Die Wahrheitsfrage ist obsolet; die „Wahrheit“ ist ein ungeeignetes Kriterium. Entscheidend ist die gesellschaftliche Wirksamkeit (unter Beachtung der gesellschaftlich vereinbarten Grenzen). Die Durchsetzbarkeit des Rechts beruht nicht (autonom) auf staatlicher Herrschaftsgewalt, sondern auf gesellschaftlicher Vereinbarung, wobei sich die Gesellschaft ihrer (staatlichen) Organisationsstrukturen bedient, um notfalls die vereinbarten und getroffenen Regelungen auch zwangsweise durchsetzen zu können; aber nicht aufgrund „staatlicher Gewalt“, sondern aufgrund demokratischer gesellschaftlicher Übereinkunft. VI. Entstehung von Recht und Staat Nach einer gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie hat sich die jeweilige Gesellschaft ihr Recht und ihre Organisation selbst zu geben. Die Schaffung von Recht und Staat ist ein gesellschaftlicher Prozess. Die Wahl des Rechts kann nicht auf Gott, die Natur oder die Vernunft verlagert werden.54 Die Menschen müssen ihr Recht selbst wählen und haben diese Wahl zu verantworten.55 Es gibt weder Natur- noch Vernunftrecht.56 ; das Recht ist nicht von Natur aus gegeben, sondern hat seinen Grund in der demokratischen Übereinkunft seiner Bürger, im „Gesellschaftsvertrag“;57 ihre politischen Interessen müssen 52
„Ubi societas, ibi jus“ (Krawietz (FN 1), S. 580). Voegelin (FN 30), S. 112: Heutzutage (bei antireligiöser und antiphilosophischer Umwelt) werde mit diesem Problem schändlich umgegangen oder es vollständig ausgeblendet. 54 Krawietz, Ulrich Klug (1913 – 1993) zum Gedächtnis (Reden anlässlich der Akademischen Trauerfeier), 1995, S. 11, 16. 55 Krawietz, Hans Kelsen – ein normativer Mastermind des Rechts, in: Rechtstheorie 38 (2007), S. 33, 97. 56 Krawietz, Festschrift für Winkler (FN 42), S. 515, 533. – Auf der Suche nach der Legitimität des Rechts (und der Forderung nach der einen richtigen Antwort) ist das immer noch nicht ganz unbestritten (vgl. etwa den Ansatz von Dworkin, Bürgerrechte ernst genommen, der von wahren und unumstößlichen Prinzipien ausgeht). 57 A. A. z. B. noch Cassirer, Die Philosophie der Aufklärung, Gesammelte Werke, Band 15, 2003, S. 270: Der Staat könne nur insofern Recht schaffen und Recht begründen, als er selbst ein ursprüngliches Recht in sich trage und in sich verwirkliche. Alle bindende Kraft der „lex civilis“ müsse in dieser Grundkraft der „lex naturalis“ verankert werden. Das Recht als solches sei vorstaatlich und überstaatlich. – Andererseits erkennt er zutreffend, dass sich Rousseau mit seiner Lehre vom „contrat social“ vom Naturrecht getrennt habe. Rousseau wolle den bisherigen Notstaat zum Vernunftstaat umbilden, er wolle die Gesellschaft, die bisher ein Werk der blinden Notwendigkeit war, zu einem Werk der Freiheit machen (S. 285). Rousseau habe die Welt der Aufklärung nicht zerstört; er habe nur den Schwerpunkt dieser 53
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die Bürger in einem diskursiven Prozess selbst in die Hand nehmen.58 Was für den Nationalstaat gilt, gilt auch für jede andere Gesellschaft. VII. Inhalt und Grenzen der gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatstheorie Eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie stellt keinen Freibrief für jeden beliebigen Rechts- und Staatsinhalt aus. Die Verfassung der jeweiligen Gesellschaft normiert ihre Anforderungen an Recht und Staat. Diese Verfassung haben die Mitglieder der Gesellschaft in demokratischer Weise selbst und eigenverantwortlich zu bestimmen. 1. Basis eines gesellschaftsfundierten Rechts- und Staatsverständnisses ist das Demokratieprinzip.59 Staat und Recht sind Sache des Volkes; das Demokratieprinzip ist der Ausgangspunkt aller Staatsgewalt und allen Rechts.60 Notwendig sind daher der stete dialektische Rückbezug der repräsentativen Leitungs- und Entscheidungsgewalt, die Verhinderung des Abgleitens der handelnden Repräsentanten in eine souveräne Stellung und die demokratische Korrigierbarkeit und Balancierung der repräsentativen Leitungs- und Entscheidungsgewalt, sei es durch Abberufung der Repräsentanten oder durch Sachentscheidungen des Volkes selbst.61 Dies gilt umso mehr, als nach dem Zusammenbruch des katholischen Weltbildes und der Dominanzideologien des 20. Jahrhunderts sowie der Preisgabe eines ethischen oder religiösen Identitätskerns die Gesellschaft ihren onto-theologischen Rückhalt und substanzielle Hintergrundkonzepte verloren hat. Die Entwicklung der letzten zweihundert Jahre ist ein Prozess fortdauernder Demokratisierung und Emanzipation, vom Rechtsstaat zu den Grundrechten, zu deren Bedeutungswandel von Abwehr- zu Status- und Teilhaberechten, zur Demokratie und dem heutigen Gemeinwesen, vom Rechtsstaat über den Sozialstaat zum Steuerungsstaat der Risikogesellschaft. So wichtig Globalisierung, Individualisierung und Utilitarisierung sein mögen, im Vordergrund steht nach wie vor die Demokratisierung von Staat und Recht.62 Welt an eine andere Stelle gerückt; wie kein zweiter Denker habe er den Weg zu Kant gebahnt (S. 287). 58 Mattei/de Morpurgo, juridikum 2010, S. 15, 23, sprechen vom gegenwärtigen „lack of democratic legitimacy“: „A rethinking of the very idea of global law is necessary and it must derive from a reevaluation of the local dimension, which is ignored by the currently taken-forgranted model of development.” 59 Dazu Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Staat, Verfassung, Demokratie, Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, 1992, S. 289, der auf S. 344 f. vor allem auf die sozio-kulturellen und emanzipativen Voraussetzungen der Demokratie hinweist. 60 Vgl. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 432; ähnlich bereits Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl., 1929, S. 102. 61 Böckenförde (FN 59), S. 369, 389. 62 Roth, Partizipative Demokratie, in: FS von Arnim, 2004, S. 761: Selbstentwicklungschancen, Diskurs, Herrschaftsausübung; eher zurückhaltend Professionalisierung, wachsende
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Demokratie ist – nach Richard Thoma63 – „einerseits die volle politische Emanzipation und Gleichberechtigung der sozialen Unterschicht, andererseits die Abschaffung aller stabil-unabsetzbaren Obrigkeit. … Demokratisierung ist der Name für das welthistorisch epochemachende Wagnis der abendländischen Zivilisation, die handarbeitenden Klassen trotz oder wegen ihrer gewachsenen, ja vielleicht alle andern Klassen und Gruppen überwachsenden Zahl zu gleichem Rechte in den Staat hineinzunehmen.“ Das Mehrheitsprinzip lässt die Frage nach den ethischen Grundlagen des Rechts offen;64 notwendig ist der Versuch einer „polyphonen Korrelation“. Die Säkularisierung der Gesellschaft basiert auf der Grundlage religiöser und weltlicher Mentalitäten.65 Das Recht kann nur in einem demokratischen Prozess entstehen. Die Demokratie ist weder nur Regierungsform noch ein sozialer Notbehelf, sondern eine Metaphysik der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Erfahrung in der Natur.66 Demokratie ist die Staatsform, die von der Vorstellung der Gleichheit aller Menschen geprägt ist. Sind alle Menschen gleich, müssen sie in gleicher Weise – mit gleichen Pflichten und gleichen Rechten – an der staatlichen Organisation und staatlichen Willensbildung teilnehmen.67 Aus dem Demokratieprinzip folgt, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt demokratisch legitimiert sein muss. Im gewaltengeteilten Staat hat der demokratische Gesetzgeber den Vorrang, Rechtsprechung und Verwaltung dienen der einwandfreien Umsetzung der Gesetze. Aus dem Legitimationsgedanken des Demokratieprinzips folgt, dass das Bundesverfassungsgericht den Inhalt der Gesetze nicht ändern, sondern die Einhaltung des Verfahrens (Zustandekommen des Gesetzes im „freien Diskurs“) überwachen sollte.68
Komplexität, abnehmende Steuerungsfähigkeit, wachsende Nachfrage nach Beteiligungsformen. – Hingegen ermöglicht nach Auffassung von Di Fabio, Demokratie im System des Grundgesetzes, in: FS Badura, 2004, S. 77, 87, nur eine repräsentative Ausübung politischer Gewalt eine Herrschaft nach Rechtsgesetzen; ähnlich Kirchhof, Das Parlament als Mitte der Demokratie, in: FS Badura, 2004, S. 237, der der freiheitsberechtigten Gesellschaft den freiheitsverpflichteten Staat gegenüberstellt. 63 Thoma, Das Reich als Demokratie, in: Rechtsstaat – Demokratie – Grundrechte, hrsg. von Dreier, 2008, S. 282, 286. 64 Ratzinger, in: Habermas/Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung – Über Vernunft und Religion, 2. Aufl., 2005, S. 39 ff. 65 Kritisch D’Arcais, Die Zeit v. 22.11. 2007, S. 53: Mit dem Ruf nach Hilfe durch die Religionen weicht Habermas dem entscheidenden Problem aus: dem Kampf für die Demokratie in der Demokratie. Dem Kampf gegen die Macht des Privilegs und des Konformismus. 66 Dewey, 1911, zit. nach Rorty (FN 15), S. 14. 67 Skeptisch gegenüber den Möglichkeiten der Demokratie (irrationale Straßenherrschaft, Nivellierung) Weber (FN 4), S. 868. 68 Limbach, Das Bundesverfassungsgericht als politischer Machtfaktor, Speyerer Vorträge, Heft 30, 1995.
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Staat und Recht sind nach dieser Perspektive Funktionen der demokratischen Gesellschaft; mithilfe von Recht und Staat regeln die Bürger ihre eigenen Verhältnisse.69 Diese Selbstregierung verlangt eine Neuorganisation des Staatsstruktur, eine Revision des Grundgesetzes, das unzweifelhaft seine historischen Verdienste hat, das aber der Autonomie der Gesellschaft entsprechend angepasst werden muss. Der Staat ist nur legitim, wenn er nicht länger einen Absolutheitsanspruch erhebt und wenn er auf seinen instrumentellen Status zurückgeführt wird. Das ist die Grundlage der Demokratie.70 Der Ehrgeiz des Bürgers gilt nicht allein seinem persönlichen Wohlergehen; er will gestalten, mitreden und organisieren.71 Das Mehrheitsprinzip ist die allgemeine Form demokratischer Entscheidungsbildung;72 es bedarf der Begrenzung durch die Beachtung der Rechte der Minderheit. Die Mehrheit darf ihre Rechte nicht bedingungslos durchsetzen. In besonderen Fällen können auch Einstimmigkeit und qualifizierte Mehrheiten verlangt werden. 2. Das parlamentarische System, das auf einer Übertragung von Herrschaftsgewalt beruht, ist aus heutiger Sicht eher unzureichend. Sicher lassen sich einzelne Bereiche auf Mandatsträger übertragen; die Grundentscheidungen müssen aber die Bürger selbst treffen. Rousseau hatte die Fragwürdigkeit der Mandatierung frühzeitig erkannt.73 Ist die Entscheidung für eine demokratische Ordnung eine Entscheidung für das Prinzip der Selbstregierung des Volkes, so bedeutet das Votum für ein Repräsentativsystem eine Einschränkung dieses Prinzips.74 Rechtsstaat und Grundrechtsstaat sind wichtige Errungenschaften der Moderne. Damit ist aber die Entwicklung nicht am Ende. Der nächste Schritt ist der Ausbau der demokratischen Rechte.75 Demokratie kann nicht auf die Teilnahme an Wahlen reduziert werden; die aktive Teilnahme der Bürger ist gefordert. Der Staat ist nicht länger Herrschaftsperson, sondern nur noch Funktion der (demokratisch organisierten) Gesellschaft. Das polykratische Repräsentativsystem hatte seine Berechtigung als 69 „Auf halbem Weg stehengeblieben“ ist Steinert, juridikum 2010, S. 37, 43, der einen Doppelcharakter von Recht ausmacht, als Herrschaft und als Infrastruktur. 70 Nemo, Was ist der Westen?, 2005, S. 81. 71 Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, 2. Aufl., 2009, S. 1081. Warum gab es in China keine Bildungsbürger? Die etablierte Elite definierte sich selbst durch Bildung. 72 Zur Strukturierung des demokratischen Prozesses, zur demokratischen Legitimität und zur Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips vgl. Zippelius, Recht und Gerechtigkeit, S. 65 f., 129 f. Kritisch Ratzinger, Auf der Suche nach dem Frieden, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.4. 2004, S. 39: „So bleibt ihm [dem Staat] am Ende nur der Positivismus des Mehrheitsprinzips und damit der Verfall des Rechts, das schließlich von der Statistik gelenkt wird.“ 73 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts, 1762, Drittes Buch, 15. Kapitel: Von dem Augenblick an, wo ein Volk sich Vertreter gibt, ist es nicht mehr frei. 74 Zehnpfennig, Einleitung zu Hamilton/Madison/Jay, Die Federalist Papers, 1787/88, 2007, 41. – Für die Federalists kamen Plebiszite oder eine direkte Demokratie nicht in Frage. 75 Riklin, Schweizerisches Staatsverständnis, in: JöR 52 (2004), S. 457, 462, auch zur Wandlung vom Minimalstaat zum Daseinsvorsorge- und Leistungsstaat, der einen Zuwachs der referendumfähigen Legislativakte um das Dreifache bewirkte.
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Übergangssystem vom Absolutismus zu einer demokratisch organisierten Gesellschaft. Im Hinblick auf den jetzt erreichten Entwicklungsstand ist eine weitere Demokratisierung angezeigt. Ein Teil der Regierungsgewalt kann weiterhin von gewählten Eliten ausgeübt werden, die Grundentscheidungen haben jedoch die Bürger selbst zu bestimmen; eine Politik, die allein durch Mandarine und Funktionäre praktiziert wird, ist überholt. Verstärkt gefragt sind Formen der unmittelbaren und dezentralen Beteiligung.76 Die Emanzipation und die allgemeine Bildung sind so weit fortgeschritten, dass es patriarchalischer Vertretungsverhältnisse nicht mehr bedarf. Die notwendigen Demokratisierungs- und Emanzipationsprozesse, die auf der berechtigten Autonomie der demokratischen Ordnung beruhen, werden zu Akzeptanz führen und zu Vereinfachung. Der einzig wirksame Weg zur Vereinfachung der Gesetze (und auch der Steuergesetze) führt über die unmittelbare Bürgerbeteiligung. Notwendig sind daher (1) die ergänzende Einführung von Plebisziten (Bürgerbegehren, Bürgerentscheide) auf allen staatlichen Ebenen, (2) die abgestufte Demokratisierung nach dem Ausmaß der Subsidiariät und der Intensität der Betroffenheit, also unterschiedliche Demokratisierung im Bereich der Kommunen, der Länder, des Bundes, (3) das Recht, über alle Fragen (auch Finanzfragen) Plebiszite herbeizuführen, (4) die zeitliche Begrenzung der Übertragung politischer Macht. Nicht frei von Bedenken ist es, der althergebrachten Idee der staatlichen Gemeinschaft nur die (von ihm verworfene) Idee des Staates als Agentur zur Verwirklichung von Ansprüchen gegenüberzustellen.77 Darum geht es nicht; Ziel ist es vielmehr, dass die Bürger ihre Geschicke in ihre eigenen Hände nehmen und sich nicht länger durch welchen Staat auch immer führen lassen. Ebenso wenig kann die Befürchtung, den Staatsbegriff Hans Kelsens in die heutige Rechtspraxis zu übernehmen, ein besonderes Unwohlsein hervorrufen. Die „Entzauberung“ des Staats und des Rechts durch Kelsen war der erste Schritt; weitere Schritte auf dem Weg zur partizipativen Demokratie müssen folgen. Der Staat ist ein Instrument, das funktionsgerecht den Bedingungen der partizipativen Demokratie entsprechend neu bestimmt und uminterpretiert werden muss. Es geht auch nicht um die Privatisierung der Demokratie; in der Demokratie gibt es – eigentlich selbstverständlich – keine andere Instanz als die der Bürger.78 Ebenfalls nicht zu folgen ist der liberalkonservativen Perspektive von Joachim Ritter und seinen Anhängern, die in der Frühzeit der Bundesrepublik das Programm eines „pragmatischen Dezisionismus“ favorisiert hatten;79 nach dieser Position 76 Für Elemente direkter Demokratie auch Peter M. Huber, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 20.12. 2011, S. 4. 77 Vosgerau, Schutzlos allein, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.3. 2010, S. 8. 78 Volkmann, Die Privatisierung der Demokratie, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 26.2. 2010, S. 9. 79 Dazu auch Habermas (zitiert nach Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit, 2006, S. 155): „Der Zuschnitt formaldemokratischer Einrichtungen und Prozeduren sorgt dafür, dass die
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könne Herrschaft nicht abgeschafft werden.80 Legitimiert würden Entscheidungen durch Institutionen und (geregelte) Verfahren; festgehalten werde an der Bedeutung der Religion als Fundament der politischen Ordnung.81 Von einem Ausbau der Demokratie ist nicht die Rede. Auch durch freien Wettbewerb allein werden sich die Verhältnisse nicht ändern;82 freier Wettbewerb kann zu einer stärkeren Akzeptanz von Unterschieden führen, mehr aber auch nicht. VIII. Evolution des Rechts – Weltrecht, Globalisierung Eine gesellschaftsfundierte Rechts- und Staatstheorie ist in einem besonderen Maße geeignet, den Anforderungen der Zukunft zu begegnen. Der Nationalstaat ist dabei, seine dominante Stellung immer weiter zu verlieren. Rechtlichkeit und Staatlichkeit stoßen in ganz neue Dimensionen vor, bis hin zu (bereits heute existierenden) Weltsystemen;83 die Entstehung eines globalen Weltrechts – in Teilbereichen – ist keine Utopie. Durch die Einführung des Internet hat sich in den letzten Jahren die Entwicklung eines „Weltrechts“ geradezu dramatisch beschleunigt. Schon heute gibt es einheitliche Grundregeln, die es erlauben, sich in jedem Staat der Erde halbwegs sicher und „rechtsgemäß“ zu bewegen. Gesellschaft und Wirtschaft werden durch die dezentralen Strukturen sozialer Netze verändert; auch können neue demokratische Prozesse entstehen.84 Auch diese Prozesse bedürfen natürlich rechtlicher Ordnung; die staatliche Regelung des Internets führt zu schwierigen Fragen, da das Internet ein global verteiltes Computernetzwerk ist, das viele freiwillig miteinander verbundene autonome Netzwerke umfasst.85 Das Internet dürfte zum Wegbereiter eines einheitlichen Weltrechts werden; differenzierte nationale Besonderheiten sind nicht ausgeschlossen und werden weiter bestehen. Die Idee der Menschenrechte wird sich weiter verbreiten; globale soziale Rechte werden begründet werden.86 Zu den wichtigsten Indikatoren eines weltgesellschaftlichen Rechtssystems gehört die zunehmende Aufmerksamkeit für Menschenrechtsverletzungen.87 Global agierende Konzerne können steuerlich über-
Entscheidungen der Administration weitgehend unabhängig von bestimmten Motiven der Staatsbürger gefällt werden können.“ 80 Vgl. Hacke (FN 79), S. 204 ff. 81 Ebd., S. 249. 82 A. A. Lübbe, Wann Unterschiede akzeptabel sind, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 17.3. 2010, S. 8. 83 Vgl. Preyer, Strukturelle Evolution und das Weltsystem (Hrsg.), 1998, S. 9 ff., 84 Dazu Shirky, Netz aus Leidenschaften, Süddeutsche Zeitung v. 31.7. 2012, S. 13. 85 Dazu Kleinwächter, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 1.11. 2012, S. 31. 86 Fischer-Lescano/Möller, Der Kampf um globale soziale Rechte, 2012. 87 Luhmann (FN 2), S. 574.
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wacht werden; die Zukunft des internationalen Steuerrechts und der internationalen Steuerpolitik steht in einer Reihe mit der Bankenregulierung.88 IX. Ausblick Recht und Staat sind auf dem Weg in die Zukunft; die Einschätzung, dass die westliche Gesellschaft in eine nie dagewesene Krise der Werte und des Denkens auf dem Gebiet des Rechts geraten sein soll,89 ist allzu pessimistisch. Ganz im Gegenteil, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat sind auf dem Vormarsch, Steuerhinterziehung und Steuerflucht werden gebrandmarkt, die Überwachung von Wirtschaftsnormen und Steuergesetzen macht Fortschritte. Überall werden staatliche Gebote und Verbote verschärft, beim Bann der Bestechung oder bei der Schaffung von Compliance-Regeln. Die Vorstellung, dass die Sonne der Weltgerechtigkeit schon aufgegangen sei, ist vielleicht ihrer Zeit etwas voraus.90 Doch geben die jüngeren Entwicklungen durchaus Anlass zur Hoffnung; vor allem aber zeigen sie, wie wichtig und wie erfolgreich der unermüdliche Einsatz des Jubilars gewesen ist und welch reiche Früchte seine Arbeit getragen hat und weiter tragen wird.
88 Schön, Das große internationale Steuer-Spiel, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.4. 2013, S. 12. 89 So Krawietz, Multiple Modernität in den juristischen Zeitschriften, in: Juridica International XVII (2010), S. 11, 18. 90 Görres, Sonnenaufgang der Weltgerechtigkeit?, Süddeutsche Zeitung v. 24.6. 2013, S. 18.
Bibliographie Werner Krawietz (Stand: 15. Oktober 2013) Von Andreas Schemann, Münster, Petra Werner, Münster, und Dieter Wyduckel, Dresden
A. Selbständige Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732 B. Herausgegebene Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 I. Einzelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 II. Schriftenreihen und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 C. Beiträge zu Festschriften, Lexika, Sammelwerken und Zeitschriften . . . . . 742 D. Rezensionsabhandlungen, Rezensionen und Buchanzeigen . . . . . . . . . . . . 759 E. Diskussionsbeiträge, Editorials, Geleit- und Vorworte, Glückwunschadressen und Nachrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 I. Diskussionsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 II. Editorials, Geleit- und Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 III. Glückwunschadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 IV. Nachrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
A. Selbständige Veröffentlichungen 1. Umfang und Besonderheiten der richterlichen Überprüfung wirtschaftlicher Maßnahmegesetze nach deutschem und österreichischem Recht. Diss. rer. pol. Masch. Graz 1960. XVIII, 184 Bl. 2. Unvollendete Demokratien. Organisationsformen und Herrschaftsstrukturen in nicht kommunistischen Entwicklungsländern in Asien, Afrika und im Nahen Osten. Von Ernst-Albrecht von Renesse, Werner Krawietz und Christine Bierkämper. Überarbeitet und ergänzt von Ernst-Albrecht von Renesse, hrsg. und eingel. von Hans Ulrich Scupin. Köln/Opladen: Westdeutscher Verlag 1965. 429 S. 3. Das positive Recht und seine Funktion. Kategoriale und methodologische Überlegungen zu einer funktionalen Rechtstheorie. Berlin: Duncker & Humblot 1967. 131 S. (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 9). Diss. iur. Münster 1965. 4. Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis. Eine Untersuchung zum Verhältnis von dogmatischer Rechtswissenschaft und rechtswissenschaftlicher Grundlagenforschung. Wien/New York: Springer Verlag 1978. XXI, 316 S. (Forschungen aus Staat und Recht, Bd. 38). Habilitationsschrift Münster 1974. 5. Recht als Regelsystem. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1984. XIX, 231 S. Enthält: a) Funktionen und Grenzen dogmatischer Rechtswissenschaft (siehe auch Nr. 76). b) Juristische Methodik und ihre rechtstheoretischen Implikationen (siehe auch Nr. 83). c) Rechtssystem und Rationalität in der juristischen Dogmatik (siehe auch Nr. 108). d) Reine Rechtslehre oder Systemtheorie? Anfragen an eine analytische Jurisprudenz (siehe auch Nr. 110). e) Marxismus oder Systemtheorie? Anfragen an eine marxistische Rechtstheorie (siehe auch Nr. 113). f) Theorieintegration oder Theoriesubstitution in der Jurisprudenz? (siehe auch Nr. 124). Auch erschienen als Lizenzausgabe Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1984. 6. El concepto sociológico del derecho y otros ensayos. México: Distribuciones Fontamara, S. A. 1991. 100 S. Enthält: a) El concepto sociológico del derecho (siehe auch Nr. 146). b) Principios de moralidad pública versus derecho (siehe auch Nr. 151). c) Derecho y racionalidad en la moderna teoría del derecho (siehe auch Nr. 121).
Bibliographie Werner Krawietz
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B. Herausgegebene Werke I. Einzelwerke 7.
Deutsche Schulgesetzgebung. Bd. I: Brandenburg, Preußen und Deutsches Reich bis 1945. Eingeleitet und bearbeitet von Leonhard Froese und Werner Krawietz. Weinheim/Berlin: Verlag Julius Beltz 1968. 247 S. (Kleine Pädagogische Texte, Bd. 37).
8.
Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz. Hrsg. von Werner Krawietz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1976. 437 S. (Wege der Forschung, Bd. 434).
9.
Recht und Gesellschaft. Festschrift für Helmut Schelsky zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Friedrich Kaulbach und Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1978. LXXVIII, 839 S.
10. Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz. Hrsg. von Werner Krawietz, Kazimierz Opałek, Aleksander Peczenik und Alfred Schramm. Mit einem Vorwort von Ota Weinberger. Berlin: Duncker & Humblot 1979. 354 S. (Rechtstheorie, Beiheft 1). Die in diesem Band zusammengefassten Beiträge sind im Zusammenhang mit einem Forschungsvorhaben und einem anschließenden Internationalen Symposium entstanden, das in Schloß Retzhof bei Graz vom 7.¢12. Mai 1979 stattfand. Es wurde von der Österreichischen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) und dem Institut für Rechtsphilosophie der Universität Graz veranstaltet. 11. Legitimation des modernen Staates. Vorträge der Tagung der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. bis 11. Oktober 1980 in Münster. Mit einem Diskussionsbericht von Dieter Wyduckel. Hrsg. von Norbert Achterberg und Werner Krawietz. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1981. VIII, 119 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 15). 12. Ideologiekritik und Demokratietheorie bei Hans Kelsen. Hrsg. von Werner Krawietz, Ernst Topitsch und Peter Koller. Berlin: Duncker & Humblot 1982. 526 S. (Rechtstheorie, Beiheft 4). Beiträge des Internationalen Symposiums „Ideologiekritik und politische Theorie bei Hans Kelsen“ aus Anlaß von Hans Kelsens 100. Geburtstag auf Schloß Retzhof bei Leibnitz vom 15.¢17. Mai 1981, veranstaltet von der Österreichischen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR), dem Bildungshaus Retzhof des Landes Steiermark und dem Institut für Rechtsphilosophie der Karl-Franzens-Universität Graz. 13. Metatheorie juristischer Argumentation. In Verbindung mit Aulis Aarnio, Robert Alexy, Aleksander Peczenik, Jan Broekman, Enrico Pattaro, Robert Summers, Ota Weinberger und Jerzy Wróblewski hrsg. von Werner Krawietz und Robert Alexy. Mit einem Vorwort von Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1983. 252 S. (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 108). Zuerst erschienen als gemeinschaftlicher Aufsatz von Aulis Aarnio, Robert Alexy und Aleksander Peczenik in Rechtstheorie 12 (1981), S. 133¢158, 257¢279, 423¢448. Neudruck in Buchform mit nachträglich verfassten kritischen Kommentaren der obigen Autoren. 14. Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Norbert Achterberg, Werner Krawietz und Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot 1983. 946 S.
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15. Objektivierung des Rechtsdenkens. Gedächtnisschrift für Ilmar Tammelo. Hrsg. von Werner Krawietz, Theo Mayer-Maly und Ota Weinberger. Berlin: Duncker & Humblot 1984. XI, 758 S. 16. Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen. Hrsg. von Werner Krawietz und Helmut Schelsky. Berlin: Duncker & Humblot 1984. 562 S. (Rechtstheorie, Beiheft 5). Die überwiegende Zahl der in diesem Sammelband vereinten Beiträge beruht auf Referaten, die im Rahmen des Internationalen Kolloquiums „Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen“ aus Anlaß des 100. Geburtstags von Hans Kelsen gehalten wurden. Das Kolloquium wurde veranstaltet vom Lehrstuhl für Rechtssoziologie, Rechts- und Sozialphilosophie der Universität Münster in Haus Rothenberge, dem Landheim der Universität Münster, vom 13.¢14. November 1981. 17. Theorie der Normen. Festgabe für Ota Weinberger zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Werner Krawietz, Helmut Schelsky, Günther Winkler und Alfred Schramm. Berlin: Duncker & Humblot 1984. XIII, 627 S. 18. Helmut Schelsky als Soziologe und politischer Denker. Grazer Gedächtnisschrift zum Andenken an den am 24. Februar 1984 verstorbenen Gelehrten. Hrsg. von Ota Weinberger und Werner Krawietz. Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1985. 172 S. 19. Die Ordnung des Bodens im Fortschritt der Wissenschaften – La planification du sol dans le cadre du progrès des sciences – Land Use Planning; Contribution of the Different Scientific Disciplines. Hrsg. von Werner Krawietz und Robert Weimar. Frankfurt a.M./Bern: Peter Lang 1986. VII, 163 S. 20. Formalismus und Phänomenologie im Rechtsdenken der Gegenwart. Festgabe für Alois Troller zum 80. Geburtstag. Hrsg. von Werner Krawietz und Walter Ott. Berlin: Duncker & Humblot 1987. XI, 574 S. 21. Ergänzbares Lexikon des Rechts. Neuwied/Kriftel: Luchterhand (Loseblattsammlung). Werner Krawietz ist seit 1988 Herausgeber der Gruppe 2: Rechtsphilosophie. 22. Politische Theorie des Johannes Althusius. Hrsg. von Karl-Wilhelm Dahm, Werner Krawietz und Dieter Wyduckel. Vorwort von Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1988. 592 S. (Rechtstheorie, Beiheft 7). Die in diesem Band zusammengefassten Beiträge gehen zurück auf ein Internationales Symposion, das aus Anlass des 400. Jahrestages der Begründung der Hohen Schule zu Herborn vom 12. bis 16. Juni 1984 in Herborn stattfand. 23. Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker. Gesamtredaktion: Ota Weinberger und Werner Krawietz. Wien/New York: Springer-Verlag 1988. 393 S. (Forschungen aus Staat und Recht, Bd. 81). Zum kritischen Ansatz der beiden Herausgeber gegenüber dem Normativismus der Wiener rechtstheoretischen Schule vgl. Nr. 144. 24. Technischer Imperativ und Legitimationskrise des Rechts (Technical Imperatives and the Crisis of the Legitimacy of Law). Hrsg. von Werner Krawietz, Antonio A. Martino und Kenneth I. Winston. Berlin: Duncker & Humblot 1991. XV, 393 S. (Rechtstheorie, Beiheft 11). Verhandlungen (Proceedings) des 13. Weltkongresses der IVR in Kobe 1987. Siehe dazu Nr. 63.
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25. Kritik der Theorie sozialer Systeme. Auseinandersetzungen mit Luhmanns Hauptwerk. Hrsg. von Werner Krawietz und Michael Welker. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1992. 386 S. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 996). Ergebnisse einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Theologen, Pädagogen, Soziologen und Juristen, die vom Sommersemester 1989 bis zum Wintersemester 1990/91 wöchentlich unter der Leitung von Michael Welker und Werner Krawietz tagte. Mit einer Stellungnahme von Niklas Luhmann, S. 371 – 386. 26. Öffentliche oder private Moral? Vom Geltungsgrunde und der Legitimität des Rechts. Festschrift für Ernesto Garzón Valdés. Hrsg. von Werner Krawietz und Georg Henrik von Wright. Berlin: Duncker & Humblot 1992. XXI, 486 S. 27. Recht und Natur. Beiträge zu Ehren von Friedrich Kaulbach. Hrsg. von Volker Gerhardt und Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1992. X, 201 S. (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 153). 28. Rechtsprechungslehre. Zweites Internationales Symposium, Münster 1988. Hrsg. von Werner Hoppe, Werner Krawietz und Martin Schulte. Köln/Berlin: Carl Heymanns Verlag 1992. IX, 723 S. 29. Institution und Recht. Grazer Internationales Symposion zu Ehren von Ota Weinberger. Hrsg. von Peter Koller, Werner Krawietz und Peter Strasser. Vorwort von Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1993. XI, 307 S. (Rechtstheorie, Beiheft 14). Überarbeitete und zum Teil wesentlich vermehrte Beiträge eines Symposions, das anlässlich des 70. Geburtstags von Ota Weinberger vom 28. bis 30. September 1989 in Graz stattfand. Vgl. hierzu die nachträglich verfasste schriftliche Erwiderung, ebd., S. 173¢283. 30. Rechtsstaat ¢ Ursprung und Zukunft einer Idee. Symposium zum 150jährigen Bestehen der Belgrader Juristischen Fakultät. Sonderheft Jugoslawien. Hrsg. von Danilo Basta, Werner Krawietz und Dieter Müller. Berlin: Duncker & Humblot 1993 (Rechtstheorie 24 (1993), Heft 1/2). 259 S. Überarbeitete, zum Teil erweiterte Referate des Belgrader Symposiums vom 26. bis 27. September 1991. Vgl. auch Nr. 153 und Nr. 171. 31. Sprache, Performanz und Ontologie des Rechts. Festgabe für Kazimierz Opałek zum 75. Geburtstag. Hrsg. von Werner Krawietz und Jerzy Wróbłewski. Berlin: Duncker & Humblot 1993. XXIII, 488 S. 32. Sprache, Symbole und Symbolverwendungen in Ethnologie, Kulturanthropologie, Religion und Recht. Festschrift für Rüdiger Schott zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Werner Krawietz, Leopold Pospisˇil und Sabine Steinbrich. Berlin: Duncker & Humblot 1993. XXV, 542 S. 33. Prescriptive Formality and Normative Rationality in Modern Legal Systems. Festschrift for Robert S. Summers. Ed. by Werner Krawietz, Neil MacCormick and Georg Henrik von Wright. Berlin: Duncker & Humblot 1994. XXX, 705 S. 34. Verfassungsstaat, Stabilität und Variabilität des Rechts im modernen Rechtssystem. Internationales Symposium der Budapester Juristischen Fakultät. Sonderheft Ungarn. Hrsg. von Werner Krawietz, Mihály Samu und Péter Szilágyi. Berlin: Duncker & Humblot 1995. II, 245 S. (Rechtstheorie 26 (1995), Heft 3). Überarbeitete, zum Teil erweiterte Referate des Budapester Symposiums vom 3.¢9. Oktober 1993. Vgl. auch Nr. 169. 35. Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus. Hrsg. von Giuseppe Duso, Werner Krawietz und Dieter Wyduckel. Vorwort von Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot 1997. XIV, 370 S. (Rechtstheorie, Beiheft 16).
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel Überarbeitete, zum Teil vermehrte Beiträge zum Internationalen und Interdisziplinären Symposion anlässlich der 350. Wiederkehr des Todestages des Johannes Althusius auf Schloß Herborn.
36. Normative Systems in Legal and Moral Theory. Festschrift for Carlos E. Alchourrón and Eugenio Bulygin. Ed. by Ernesto Garzón Valdés, Werner Krawietz, Georg Henrik von Wright and Ruth Zimmerling. Berlin: Duncker & Humblot 1997. XIV, 528 S. 37. Rule of Law. Political and Legal Systems in Transition. Ed. by Werner Krawietz, Enrico Pattaro and Alice Erh-Soon Tay. Preface by Ota Weinberger. Berlin: Duncker & Humblot 1997. XV, 390 S. (Rechtstheorie, Beiheft 17). Proceedings des 17. Weltkongresses der IVR in Bologna 1995. Siehe dazu Nr. 70. 38. System der Rechte, demokratischer Rechtsstaat und Diskurstheorie des Rechts nach Jürgen Habermas. Habermas-Sonderheft. Hrsg. von Werner Krawietz und Gerhard Preyer. Berlin: Duncker & Humblot 1998. IV, 203 S. (Rechtstheorie 27 (1996), Heft 3). 2. Aufl., 2004. 39. New Approaches and Ways of Legal Thinking Revised. The Otto Brusiin Lectures 1982 – 1997. Brusiin-Sonderheft. Ed. by Aulis Aarnio and Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 1998. VI, 110 S. (Rechtstheorie 28 (1997), Heft 2). 40. Konvergenz oder Konfrontation? Transformation kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Huntington-Sonderheft. Hrsg. von Werner Krawietz, Gert Riechers und Klaus Veddeler. Berlin: Duncker & Humblot 1999. VI, 320 S. (Rechtstheorie 29 (1998), Heft 3/4). Überarbeitete bzw. ergänzende Beiträge des Interdisziplinären Symposiums „Kampf der Zivilisationen? – Kollektive Identitäten im 21. Jahrhundert“, Veranstaltung des Wildunger Kreises in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft Forschung und Technologie an der Universität Münster im Juli 1997. 41. The Reasonable as Rational? On Legal Argumentation and Justification. Festschrift for Aulis Aarnio. Ed. by Werner Krawietz, Robert S. Summers, Ota Weinberger and Georg Henrik von Wright. Berlin: Duncker & Humblot 2000. XVI, 667 S. 42. Politische Herrschaftsstrukturen und Neuer Konstitutionalismus – Iberoamerika und Europa in theorievergleichender Perspektive. Hrsg. von Werner Krawietz, Ernesto Garzón Valdés und Agustín Squella. Vorwort von Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 2000. XXX, 346 S. (Rechtstheorie, Beiheft 13). Überarbeitete, zum Teil erweiterte bzw. ergänzende Beiträge des Workshops Recht im Rahmen eines Lateinamerika-Kongresses der Universität Münster. 43. Aus intellektuellem Gewissen. Aufsätze von Ota Weinberger über Grundlagenprobleme der Rechtswissenschaft und Demokratietheorie. Eine Auswahl hrsg. zum achtzigsten Geburtstag des Autors von Michael Fischer, Peter Koller und Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 2000. 468 S. 44. Gesetzgebung und Rechtspolitik. Internationales Symposium der Estnischen Juristischen Fakultät in Tartu. I. Sonderheft Estland. Hrsg. von Werner Krawietz und Raul Narits. Berlin: Duncker & Humblot 2001. XII, 551 S. (Rechtstheorie 31 (2000), Heft 3/4). 45. Vom Scheitern und der Wiederbelebung juristischer Methodik im Rechtsalltag – ein Bruch zwischen Theorie und Praxis? Sonderheft Juristische Methodenlehre. Hrsg. von Werner Krawietz und Martin Morlok. Mit einem Vorwort von Martin Morlok. Berlin: Duncker & Humblot 2002. VI, 371 S. (Rechtstheorie 32 (2001), Heft 2/3).
Bibliographie Werner Krawietz
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Überarbeitete Beiträge eines im Oktober 2000 mit Unterstützung der Volkswagen Stiftung an der Fernuniversität Hagen durchgeführten Kolloquiums. 46. On Different Legal Cultures, Premodern and Modern States, and the Transition to the Rule of Law in Western and Eastern Europe. Sonderheft Ungarn II. Ed. by Werner Krawietz and Csaba Varga. Berlin: Duncker & Humblot 2003. XXI, 393 S. (Rechtstheorie 33 (2002), Heft 2 – 4). 47. Political and Legal System of the Republic of Cyprus – A Selfreferential and Comparative Approach to Law. Deutsch-Zyprisches Symposium an der Universität Münster. Sonderheft Zypern. Hrsg. von Werner Krawietz und Sabine Rogge. Berlin: Duncker & Humblot 2003. XX, 155 S. (Rechtstheorie 34 (2003), Heft 1). Beiträge einer bilateralen, deutsch-zyprischen Konferenz über das Rechtssystem der Republik Zypern vom 26.–27. Oktober 2001 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 48. Kommunikation und Recht in der modernen Wissensgesellschaft – national oder international? Vortragsreihe im Rahmen der Wissenschaftstage der NRW-Landespräsentation in Moskau vom 9. – 12. Juni 2003. Sonderheft Rechtskommunikation. Hrsg. von Werner Krawietz, Bodo Pieroth und Boris Topornin. Berlin: Duncker & Humblot 2003. VIII, 60 S. (Rechtstheorie 34 (2003), Heft 3). 49. Values, Rights and Duties in Legal and Philosophical Discourse. Hrsg. von Christian Dahlman und Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 2005. VII, 274 S. (Rechtstheorie, Beiheft 21). 50. Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbewußtsein. Transformationen der Rechtskultur in West- und Osteuropa. Interdisziplinäres Symposion 2004 an der Universität Münster. Sonderheft Russland/Osteuropa. Hrsg. von Werner Krawietz und Alfred Sproede. Berlin: Duncker & Humblot 2006. XXI, 394 S. (Rechtstheorie 35 (2004), Heft 3/4). 51. Multiple Modernität, Globalisierung der Rechtsordnung und Kommunikationsstruktur der Rechtssysteme. Internationales Symposium zur Theorie der Rechtskommunikation an der Universität Tartu im April 2006. II. Sonderheft Estland. Hrsg. von Werner Krawietz und Raul Narits. Berlin: Duncker & Humblot 2008. VI, 198 S. (Rechtstheorie 38 (2007), Heft 2/3). 52. Nach 20 Jahren Perestrojka – Wege zu einer neuen Weltordnung. Michail S. Gorbatschow und Richard von Weizsäcker im Gespräch auf dem Petersberg in Bonn. Gorbatschow-Sonderheft. Hrsg. von Wilfried Bergmann und Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 2009. IV, 252 S., 18 Abbildungen (Rechtstheorie 40 (2009), Heft 2). 53. Naturrecht – Vernunftrecht – Positivität des Rechts. Sonderheft Papstrede vor dem Deutschen Bundestag. Hrsg. von Werner Krawietz. Berlin: Duncker & Humblot 2012. IV, 107 S. (Rechtstheorie 42 (2011), Heft 3).
II. Schriftenreihen und Zeitschriften 54. Rechtstheorie. Zeitschrift für Juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normen- und Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts. Begründet von Karl Engisch, H. L. A. Hart, Hans Kelsen, Ulrich Klug und Sir Karl R. Popper. Hrsg. v. Harold J. Berman, Thomas Hoeren, Werner Krawietz, Jürgen Schmidt, Martin Schulte, Boris N. Topornin, W. Bergmann und Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot 1970 ff.
738
Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel Werner Krawietz ist Mitbegründer der Zeitschrift sowie Editor-In-Chief und Geschäftsführender Redaktor.
55. Politik und Kultur. Redaktion: Wilhelm Wolfgang Schütz. Herausgeberkollegium: Arnulf Baring u. a. Berlin: Colloquium Verlag 1974 – 1990. Werner Krawietz war Mitglied des Herausgeberkollegiums von Heft 1 des 6. Jahrgangs 1979 bis zu der nach der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgten Einstellung der Zeitschrift im Jahre 1990. 56. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (ARSP). Gegründet 1907 von Josef Kohler und Fritz Berolzheimer, wiederbegründet 1949 von Rudolf Laun und Theodor Viehweg. Herausgeber: Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR). Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden. Werner Krawietz ist Mitglied der Redaktion seit 1981. 57. Beiträge zur allgemeinen Rechts- und Staatslehre. Hrsg. von Werner Krawietz, Ilmar Tammelo, Robert Weimar und Ota Weinberger. Frankfurt a.M./Bern: Peter Lang 1983 ff. 58. Current Legal Theory (CULT). International Journal for Documentation on Legal Theory (Bibliography ¢ Abstracts ¢ Reviews). Board of Advisors: André-Jean Arnaud, Jan M. Broekman, Werner Krawietz, Joseph Raz und Robert S. Summers. Board of Editors: J(es) Bjarup, Jan M. Broekman u. a. Leuven: Acco 1983 ff. Seit Bd. VIII (1990) u. d. T.: Current Legal Theory. International Journal for the Theory of Law and its Documentation. Editor-in-chief: Bert van Roermund. Board of Editors: J(es) Bjarup, Jan M. Broekman u. a. Tilburg: Tilburg University Press. Mitglieder des Board of Advisors sind zur Zeit: André-Jean Arnaud, Jan M. Broekman, Werner Krawietz, Wiesław Lang, Enrico Pattaro, Joseph Raz, Csaba Varga und Roberto J. Vernengo. 59. Studi di Teoria Sociale Giuridica. Hrsg. von Raffaele De Giorgi und Werner Krawietz. Lecce: Edizione Milella 1983 ff. 60. Travaux scientifiques de la Faculté Européenne des Sciences du Foncier, Strasbourg (Studies of the European Faculty of Land Use and Development, Strasbourg. Forschungen der Europäischen Fakultät für Bodenordnung, Straßburg). Hrsg. von Matthys J. M. Bogaerts, Hendrik J. M. Boukema, Aimé De Leeuw, Günther Frohberg, Gernot Kocher, Werner Krawietz, Hans Lenk, Nicolás M. López-Calera, Mario G. Losano, Niklas Luhmann, Theo Öhlinger, Walter Seele, Ilmar Tammelo †, Juha Tolonen, Robert Weimar und Henry W. West. Frankfurt a.M./Bern: Peter Lang 1983 ff. 61. Verhandlungen (Proceedings) des 11. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) unter dem Rahmenthema „Die philosophischen Grundlagen der Rechts- und Sozialwissenschaften“ vom 14. bis zum 20. August 1983 in Helsinki. 231 Beiträge in sieben Bänden. Beirat der Herausgeber (Editorial Board): Georg Henrik von Wright (Erster Vorsitzender), Werner Krawietz (Zweiter Vorsitzender), Aulis Aarnio u. a. ¢ Juristische Logik, Rationalität und Irrationalität im Recht (Juristic Logic, Rationality and Irrationality in Law). Hrsg. von André-Jean Arnaud, Risto Hilpinen und Jerzy Wróblewski. Vorwort von Roberto J. Vernengo. Berlin: Duncker & Humblot 1985. XIX, 419 S. (Rechtstheorie, Beiheft 8). ¢ Soziologische Jurisprudenz und realistische Theorien des Rechts (Sociological Jurisprudence and Realist Theories of Law). Hrsg. von Eugene Kamenka, Robert S. Summers und William L. Twining. Mit einem Vorwort von Aleksander Peczenik. Berlin: Duncker & Humblot 1986. XVI, 381 S. (Rechtstheorie, Beiheft 9).
Bibliographie Werner Krawietz
739
¢ Vernunft und Erfahrung im Rechtsdenken der Gegenwart (Reason and Experience in Contemporary Legal Thought). Hrsg. von Torstein Eckhoff, Lawrence M. Friedman und Jyrki Uusitalo. Mit einem Vorwort von Ota Weinberger. Berlin: Duncker & Humblot 1986. XII, 435 S. (Rechtstheorie, Beiheft 10). ¢ Tradition and Progress in Modern Legal Cultures (Tradition und Fortschritt in den modernen Rechtskulturen). Ed. by/Hrsg. von Stig Jørgensen, Juha Pöyhönen and Csaba Varga. Preface by/Vorwort von José Llompart. Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1985. 263 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 23). ¢ Social Justice and Individual Responsibility in the Welfare State (Soziale Gerechtigkeit und individuelle Verantwortlichkeit im Wohlfahrtsstaat). Ed. by/Hrsg. von Jan M. Broekman, Kazimierz Opałek and Djangir A. A. Kerimov. Preface by/Vorwort von Carl Wellman. Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1985. 299 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 24). ¢ Conditions of Validity and Cognition in Modern Legal Thought (Geltungs-und Erkenntnisbedingungen im modernen Rechtsdenken). Ed. by/Hrsg. von Neil MacCormick, Stavros Panou and Luigi Lombardi Vallauri. Preface by/Vorwort von Ralf Dreier. Stuttgart: Franz Steiner Verlag Wiesbaden 1985. 214 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 25). ¢ Man, Law and Modern Forms of Life. Ed. by Eugenio Bulygin, Jean-Louis Gardies and Ilkka Niiniluoto. Introduction by Michael D. Bayles. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company 1985. XVI, 321 S. (Law and Philosophy Library). Werner Krawietz war Mitglied und Zweiter Vorsitzender des Editorial Board des 11. IVRWeltkongresses von 1983¢1986. 62. Law and Philosophy Library. Managing Editors: Alan Mabe and Michael Bayles. Editorial Advisory Board: George Fletcher, Hyman Gross, Werner Krawietz, Robert Summers, Alice Erh-Soon Tay and Georg Henrik von Wright. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company 1985 ff. Werner Krawietz war Mitglied des Editorial Advisory Board bis 1987. 63. Verhandlungen (Proceedings) des 13. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) unter dem Rahmenthema „Law, Culture, Science and Technology ¢ In Furtherance of Cross-Cultural Understanding“ vom 20. bis zum 26. August 1987 in Kobe/Japan. 112 Beiträge in vier Bänden. Beirat der Herausgeber (Editorial Board): Mitsukuni Yasaki (Erster Vorsitzender), Werner Krawietz (Zweiter Vorsitzender), Aulis Aarnio u. a. ¢ Biotechnologie, Ethik und Recht im wissenschaftlichen Zeitalter (Biotechnology, Ethics, and Law in the Scientific Age). Hrsg. von Tom D. Campbell, Robert C. L. Moffat, Setsuko Sato und Csaba Varga. Vorwort von Werner Krawietz. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1991. XV, 180 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 39). ¢ Konstitutionalismus versus Legalismus? Geltungsgrundlagen des Rechts im demokratischen Verfassungsstaat (Constitutionalism versus Legalism? The Bases of Legal Validity in the Democratic Constitutional State). Hrsg. von Eugene E. Dais, Stig Jørgensen und Alice Erh-Soon Tay. Vorwort von Aulis Aarnio. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1991. XV, 198 S. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 40). ¢ Technischer Imperativ und Legitimationskrise des Rechts. 1991 (siehe auch Nr. 24). ¢ Monismus oder Pluralismus der Rechtskulturen? Anthropologische und ethnologische Grundlagen traditioneller und moderner Rechtssysteme (Monistic or Pluralistic Legal Culture? Anthropological and Ethnological Foundations of Traditional and Modern Legal Systems). Hrsg. von Peter Sack, Carl W. Wellman und Mitsukuni Yasaki. Vor-
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel wort von Ota Weinberger. Berlin: Duncker & Humblot 1991. XV, 443 S. (Rechtstheorie, Beiheft 12). Werner Krawietz war Mitglied und Zweiter Vorsitzender des Editorial Advisory Board des 13. IVR-Weltkongresses von 1987¢1991.
64. Ratio Juris. An International Journal of Jurisprudence and Philosophy of Law. Ed. by Carla Faralli. Committee of Advisors: Hans Albert, Noberto Bobbio, H. L. A. Hart u. Georg H. von Wright. Editorial Committee: Aulis Aarnio u. a. Oxford/New York: Blackwell Publishers 1988 ff. Werner Krawietz ist Mitglied des Editorial Committee seit 1988. 65. Internationales Jahrbuch für Rechtsphilosophie und Gesetzgebung (International Annual for Legal Philosophy and Legislation. Annuaire International de la Philosophie du Droit et de la Legislation). Hrsg. im Auftrag der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie, Österreichische Sektion, von Ota Weinberger und Michael W. Fischer. Herausgeberbeirat: Aulis Aarnio u. a. Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung seit 1989. Werner Krawietz ist Mitglied des Herausgeberbeirats seit 1989. 66. Dialogo Cientifico (dc). Revista semestral de Investigaciones alemanas sobre Sociedad, Derecho y Economia. Consejo Asesor: Robert Alexy u. a. Consejo de Redacción: Hans Walter Bähr u. a. Editor: Rafael Sevilla. Tübingen: Instituto de Colaboración Científica seit 1992. Werner Krawietz ist Mitglied des Consejo Asesor seit 1992. 67. Informatica y Derecho. Buenos Aires: De Palma 1987 ff. Werner Krawietz ist Mitglied des Scientific Board seit 1993. 68. Verhandlungen (Proceedings) des 16. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) unter dem Rahmenthema „Law, Justice, and the State“ vom 26. Mai bis zum 2. Juni 1993 in Reykjavík. Publikation einer Auswahl von 37 Beiträgen, die zum Kongressbeginn vorlagen. Beirat der Herausgeber (Editorial Board): Mitsukuni Yasaki (Erster Vorsitzender), Werner Krawietz (Zweiter Vorsitzender), Aulis Aarnio u. a. ¢ Recht, Gerechtigkeit und der Staat. Studien zu Gerechtigkeit, Demokratie, Nationalität, nationalen Staaten und supranationalen Staaten aus der Perspektive der Rechtstheorie, der Sozialphilosophie und der Sozialwissenschaften (Law, Justice, and the State. Studies in Justice, Democracy, Nationality, National States, and Supra-national States from the Standpoints of Legal Theory, Social Philosophy, and Social Science). Hrsg. von Mikael M. Karlsson, Ólafur Páll Jónsson und Eyja Margrét Brynjarsdóttir. Vorwort von Mikael M. Karlsson. Berlin: Duncker & Humblot 1993. XI, 467 S. (Rechtstheorie, Beiheft 15). 69. ISONOMÍA. Revista de Teoría y Filosofía del Derecho. Director: Rodolfo Vázquez. México: Instituto Tecnológico Autónomo de México seit 1994. Werner Krawietz ist Mitglied des Consejo Asesor seit 1994. 70. Verhandlungen (Proceedings) des 17. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) unter dem Rahmenthema „Challenges to Law at the End of the 20th Century“ vom 16. bis zum 21. Juni 1995 in Bologna. 240 Beiträge in neun Bänden. Editorial Board: Enrico Pattaro (Chairman); Alberto Artosi, Werner Krawietz und Gerhard Sprenger (Vice-Chairmen). ¢ Rule of Law. 1997 (siehe auch Nr. 37). ¢ Changing Structures in Modern Legal Systems and the Legal State Ideology. Ed. by Eugenio Bulygin, Burton M. Leiser and Mark Van Hoecke. Preface by Aulis Aarnio. Berlin: Duncker & Humblot 1998. XIX, 424 S. (Rechtstheorie, Beiheft 18).
Bibliographie Werner Krawietz
741
¢ Consequences of Modernity in Contemporary Legal Theory. Ed. by Eugene E. Dais, Roberta Kevelson and Jan M. Van Dunné. Preface by Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot 1998. XVI, 444 S. (Rechtstheorie, Beiheft 19). ¢ Challenges to Law at the End of the 20th Century. Bd. 1: Rights. Ed. by Rex Martin and Gerhard Sprenger. Introduction by Zenon Bankowski and B. Schaefer. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1997. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 67). ¢ Challenges to Law at the End of the 20th Century. Bd. 2: Law, Justice and Culture. Ed. by André-Jean Arnaud and Peter Koller. Introduction by Tom Campbell. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1998. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 68). ¢ Challenges to Law at the End of the 20th Century. Bd. 3: Sources of Law and Legislation. Ed. by Elspeth M. M. Attwooll and Paolo Comanducci. Introduction by Joxerramon Bengoetxea. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1998. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 69). ¢ Challenges to Law at the End of the 20th Century. Bd. 4: Legal Systems and Legal Science. Ed. by Marijan Pavcnik and Gianfrancesco Zanetti. Introduction by Hendrik Ph. Visser’t Hooft. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1997. (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 70). ¢ From Practical Reason to Legal Computer Science. Part 1: Practical Reason. History of Deontics. Computer Law. Ed. by Alberto Artosi, Manuel Atienza and Hajime Yoshino. Introduction by Neil MacCormick. Bologna: Clueb 1998. (European Journal of Law, Philosophy and Computer Science, Beiheft Vol. I). ¢ From Practical Reason to Legal Computer Science. Part 2: Legal Computer Science. Ed. by Alberto Artosi, Manuel Atienza and Hajime Yoshino. Introduction by Neil MacCormick. Bologna: Clueb 1998. (European Journal of Law, Philosophy and Computer Science, Beiheft Vol. I). ¢ Law and Politics between Nature and History. Ed. by Ralf Dreier, Carla Faralli and Vladik S. Nersessiants. Introduction by Roberto Vernengo. Bologna: Cooperativa Libraria Universitaria Editrice Bologna 1998. Werner Krawietz war von 1995 bis 1998 Mitglied und Vice-Chairman des Editorial Board des 17. IVR-Weltkongresses. 71. Associations. Journal for Social and Legal Theory. Editor-In-Chief: Aulis Aarnio. Berlin: Duncker & Humblot 1997 – 2004. Werner Krawietz war Mitglied des Editorial Board. 72. Persona y Derecho. Revista de fundamentación de las instituciones jurídicas y de derechos humanos. Director del Consejo de Redacción: Andrés Ollero. Universidad de Navarra. Werner Krawietz ist Mitglied des Comité Científico seit 1998. 73. Juridica International. Law Review. Editor-In-Chief: Paul Varul. Tartu: University of Tartu 1996 ff. Werner Krawietz ist Foreign Member Mitglied des Editorial Board seit 2000. 73a Russian Yearbook of Legal Theory. Editor-In-Chief: Andrey V. Polyakov; Executive Editor: Mikhail V. Antonov, Saint-Petersburg. Werner Krawietz ist Mitglied des Editorial Council. 73b Pravovedenie [Jurisprudence]. Editor-In-Chief/Executive Editor: Siehe oben 73a. Werner Krawietz ist Mitglied des Redaktionskollegiums dieser Zeitschrift.
742
Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
C. Beiträge zu Festschriften, Lexika, Sammelwerken und Zeitschriften 74.
Einleitung: Schulrechtlicher Überblick. In: Nr. 7 Deutsche Schulgesetzgebung. 1968, S. 46 – 65.
75.
Zur Kritik am Begriff des Maßnahmegesetzes. In: Die Öffentliche Verwaltung 22 (1969), S. 127 – 135.
76.
Funktion und Grenze einer dogmatischen Rechtswissenschaft. In: Recht und Politik. Vierteljahreshefte für Rechts- und Verwaltungspolitik 1970, S. 150 – 158. U. d. T.: Funktionen und Grenzen dogmatischer Rechtswissenschaft. In: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 1 – 15.
77.
Internationaler bewaffneter Konflikt und militärischer Gehorsam. V. Internationaler Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Militärstrafrecht und Kriegsrecht in Dublin (Irland). In: Deutsches Verwaltungsblatt 85 (1970), S. 610 – 612.
78.
Militärischer Befehl, soldatischer Gehorsam und die Rechtsstellung von Kombattanten. V. Internationaler Kongreß der Internationalen Gesellschaft für Militärstrafrecht und Kriegsrecht vom 25.¢30. Mai 1970. In: Die Öffentliche Verwaltung 23 (1970), S. 706.
79.
Welche Methode lehrt die juristische Methodenlehre? In: Juristische Schulung 10 (1970), S. 425 – 432.
80.
Art. Begriffsjurisprudenz. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter. Bd. 1. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. 1971, Sp. 809 – 814. Auch in: Nr. 8 Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz. 1976, S. 432¢437. Vgl. hierzu auch Nr. 94.
81.
Protokoll der Ersten Vormittagssitzung vom 3. Oktober 1970 (Generaldiskussion 3. Teil). In: Logische Struktur von Normensystemen ¢ am Beispiel der Rechtsordnung. Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Analyse der juristischen Sprache“: Referate und Protokolle der Arbeitstagung im Deutschen Rechenzentrum Darmstadt, 1.¢3. Oktober 1970. Hrsg. von Dieter Rave, Hans Brinckmann und Klaus Grimmer. Darmstadt 1971, S. 96 – 99.
82.
Art. Freirechtslehre (Freirechtsschule, Freirechtsbewegung). In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter. Bd. 2. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. 1972, Sp. 1098 – 1102.
83.
Juristische Methodik und ihre rechtstheoretischen Implikationen. In: Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft. Hrsg. von Hans Albert, Niklas Luhmann, Werner Maihofer und Ota Weinberger. Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag 1972 (Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. II), S. 12 – 42.
84.
Unbestimmter Rechtsbegriff, öffentliches Interesse und gesetzliche Gemeinwohlklauseln als juristisches Entscheidungsproblem. In: Der Staat 11 (1972), S. 349 – 366.
Auch in: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 16 – 49.
Bemerkungen zu: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 36. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1968. Berlin: Duncker & Humblot 1968. 190 S. (Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39). 85.
Was leistet Rechtsdogmatik in der richterlichen Entscheidungspraxis? In: Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht 23 (1972), S. 47 – 80. Wesentlich überarbeitete und ergänzte Fassung des Vortrags auf der unter dem Leitthema „Recht und Sozialwissenschaften“ veranstalteten 20. Tagung der Deutschen Richterakademie (27. April bis 5. Mai 1971) am 27. April in Travemünde.
Bibliographie Werner Krawietz
743
86.
Die Baulast als Rechtsinstitut. In: Deutsches Verwaltungsblatt 88 (1973), S. 605 – 618.
87.
Art. Gesetz (griech. vóloç, lat. lex, ital. legge, frz. loi, engl. law). In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter. Bd. 3. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. 1974, Sp. 480 – 493.
88.
Art. Grundnorm (amer./engl. basic norm, frz. norme fondamentale, ital. norma fondamentale, span. norma fundamental), ebd., Sp. 918 – 922.
89.
Thesen zum Referat: Teleologische Argumentation und Folgendiskussion in der dogmatischen Rechtswissenschaft. Überlegungen zum Verhältnis von Linguistik und Rechtswissenschaft. In: Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Analyse der juristischen Sprache“. Rechtstheorie und Linguistik. Referate und Protokolle der Arbeitstagung in der Werner-Reimers-Stiftung Bad Homburg, 3. und 4. Mai 1974. Hrsg. von Hans Brinckmann und Klaus Grimmer. Kassel 1974, S. 21 – 26.
90.
Verfassungsrechtliche Grenzen schulrechtlicher Lehrfreiheit. Habilitationsvortrag gehalten vor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster am 16. Juli 1974. 15 S. Masch. (unveröffentlicht).
91.
Demokratisierung der Schulverfassung? Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen einer Schulverfassungsreform. In: A. F. Utz, A. Rauscher, B. Casper u. a. Politische Bildung im Umbruch. Beiträge zur Orientierung. München: R. Oldenbourg Verlag 1976 (Arbeitsmaterialien für den politischen Unterricht), S. 107 – 124.
92.
Art. Interessenjurisprudenz (teleologische oder wertende Jurisprudenz, Zweckjurisprudenz, Wertungsjurisprudenz, Tübinger Schule der I.). In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter † und Karlfried Gründer. Bd. 4. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. 1976, Sp. 494 – 514.
93.
Art. Körperschaft, ebd., Sp. 1101 – 1134.
94.
Zur Einleitung: Juristische Konstruktion, Kritik und Krise dogmatischer Rechtswissenschaft. In: Nr. 8 Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz. 1976, S. 1 – 10.
95.
Gewährt Art. 1 Abs. 1 GG dem Menschen ein Grundrecht auf Achtung und Schutz seiner Würde? In: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein. Hrsg. von Dieter Wilke und Harald Weber. München: Verlag Franz Vahlen 1977, S. 245 – 287.
96.
Helmut Schelsky – ein Weg zur Soziologie des Rechts. In: Nr. 9 Recht und Gesellschaft. 1978, S. XIII–LXXVIII.
97.
Evolution des Rechts und der Menschenrechte. Ebd., S. 319 – 341. Mit Zusammenfassung, englischem Summary und französischem Résumé. Erstmaliger Abdruck eines Vortrags, den Werner Krawietz als Invited Speaker auf dem Weltkongreß „Law and the Future of Society“ der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) vom 14. bis 21. August 1977 in Sydney gehalten hat.
98.
Menschenrechte in einer sich wandelnden Gesellschaft. In: Politik und Kultur 5 (1978), Heft 5, S. 4 – 24. Gekürzte Fassung eines Berliner Vortrags zur Theorie der Evolution des Rechts und der Menschenrechte in der Perspektive der Rechts- und Staatstheorie. Siehe auch Nr. 349.
99.
Zur Kritik der Juristischen Methodenlehre seit Friedrich Carl von Savigny. In: Savigny y la ciencia juridica del siglo XIX. Anales de la Catedra Francisco Suarez 18/19 (1978¢79), S. 101 – 131.
100. Die Ausdifferenzierung religiös-ethischer, politischer und rechtlicher Grundwerte. In: Begründungen des Rechts II. Juristen-Theologen-Gespräch in Hofgeismar. Unter Mitar-
744
Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel beit von Hans-Hartmann Freiherr von Schlotheim hrsg. von Konrad von Bonin. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1979 (Göttinger theologische Arbeiten, Bd. 13), S. 57 – 85.
101. Grundwerte als Minimalkonsens? Zum Verhältnis von Politik und Recht in der modernen Demokratietheorie. In: Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht 30 (1979), S. 65 – 90. Vortrag, gehalten auf Einladung der Grazer Rechtswissenschaftlichen Fakultät. 102. Politisierung oder Legalismus? Verfassungsrechtliche Bedingungen des Schulverhältnisses im Rechtsstaat. In: Demokratisierung. Mitwirkung und Mitbestimmung im Spannungsfeld zwischen Repräsentation und Rätesystem. 11. Mülheimer Kongreß vom 9. bis 11. Oktober 1978. Hrsg. vom Realschullehrerverband Nordrhein-Westfalen (RLV). Paderborn: Ferdinand Schöningh 1979 (Schriftenreihe des Realschullehrerverbandes, Nr. 14 = Bildung Real 1/2 1979), S. 32 – 51. Referat im Rahmen des vorgenannten Kongresses. 103. Zum Paradigmenwechsel im Juristischen Methodenstreit. In: Nr. 10 Argumentation und Hermeneutik in der Jurisprudenz. 1979, S. 113 – 152. Erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen des Internationalen Symposiums vom 7. bis 12. Mai 1979 in Schloß Retzhof bei Graz. Siehe dazu Nr. 10. 104. Art. Logik, juristische. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. von Joachim Ritter † und Karlfried Gründer. Bd. 5. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. 1980, Sp. 423 – 434. 105. Der bedrohte Konsens: An welchen Grundwerten orientiert sich die Gesellschaft? In: Frieden ohne Menschenrechte? Aspekte einer Politik für den Menschen. Hrsg. von Edgar Lamm. Aachen: Einhard-Verlag 1981 (Schriftenreihe der Bischöflichen Akademie und der Hauptabteilung „Außerschulische Bildungseinrichtungen“ im Bistum Aachen, Aachener Beiträge zu Pastoral- und Bildungsfragen 7), S. 119 – 147. 106. Religiöse, politische und rechtliche Grundwerte als basale Leitideen des Rechts. Vortrag im Rahmen des 10. Weltkongresses „Law, Principle of Economic, Political, and Cultural Life“, veranstaltet von der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) vom 29. Juli bis 5. August 1981 in Mexico City. Mit deutschem, englischem und spanischem Resümee. 19 S. Masch. (unveröffentlicht). 107. Das Recht als Maßstab für ökonomisches, politisches und kulturelles Leben in unserer Zeit. In: Juristenzeitung 36 (1981), S. 676 – 678. Tagungsbericht des in Nr. 106 genannten Weltkongresses der IVR in Mexico City. 108. Rechtssystem und Rationalität in der juristischen Dogmatik. In: Methodologie und Erkenntnistheorie der juristischen Argumentation. Beiträge des Internationalen Symposions „Argumentation in Legal Science“ vom 10. bis 12. Dezember 1979 in Helsinki. Hrsg. von Aulis Aarnio, Ilkka Niiniluoto und Jyrki Uusitalo. Berlin: Duncker & Humblot 1981 (Rechtstheorie, Beiheft 2), S. 299 – 335. Erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen des vorgenannten Symposions. Auch in: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 50 – 80. 109. Zur Struktur von Entwicklung und Fortschritt in der Rechtstheorie. In: Zum Fortschritt von Theorie und Technik in Recht und Ethik (On the Advancement of Theory and Technique in Law and Ethics). Hrsg. von Ilmar Tammelo und Aulis Aarnio. Berlin: Duncker & Humblot 1981 (Rechtstheorie, Beiheft 3), S. 333 – 347.
Bibliographie Werner Krawietz
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110. Reinheit der Rechtslehre als Ideologie? In: Nr. 12 Ideologiekritik und Demokratietheorie bei Hans Kelsen. 1982, S. 345 – 421. Erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen des Symposiums „Ideologiekritik und politische Theorie bei Hans Kelsen“ (siehe dazu Nr. 12). U. d. T.: Reine Rechtslehre oder Systemtheorie? Anfragen an eine analytische Jurisprudenz. In: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 81 – 143. 111. Teoriasubstituutio Oikeustutkimuksessa. In: OIKEUS 1982:4, S. 207 – 216. Finnische Kurzfassung von: Theoriesubstitution in der Jurisprudenz. Siehe Nr. 115. 112. Juristische Argumentation in rechtstheoretischer, rechtsphilosophischer und rechtssoziologischer Perspektive. In: Nr. 14 Recht und Staat im sozialen Wandel. 1983, S. 347 – 390. Finnische Kurzfassung siehe auch Nr. 114. 113. Marxismus oder Systemtheorie? Anfragen an eine marxistische Rechtstheorie. In: Conceptions contemporaines du droit (Contemporary Conceptions of Law/Zeitgenössische Rechtskonzeptionen). IVR 9e Congrès mondial (9th World Congress/9. Weltkongress) (Basel 27/8/1979¢1/9/1979). Actes (Proceedings/Verhandlungen). Part 3. Paul Trappe (Editor). Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1983 (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Supplementa Vol. I, Part 3), S. 117 – 131. Vortrag, den Werner Krawietz als Invited Speaker auf dem 9. Weltkongreß „Zeitgenössische Rechtskonzeptionen“ der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) vom 27. August bis 1. September 1979 in Basel gehalten hat. Auch in: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 144 – 157. 114. Oikeudellinnen argumentointi: oikeusteoreettisia, oikeusfilosofisia ja oikeussosiologisia näkökulmia. In: Eripainos Lakimies-lehdestä 5 (1983), S. 555 – 590. Finnische Kurzfassung von: Juristische Argumentation in rechtstheoretischer, rechtsphilosophischer und rechtssoziologischer Perspektive. Siehe Nr. 112. 115. Theoriesubstitution in der Jurisprudenz. In: Das Naturrechtsdenken heute und morgen. Gedächtnisschrift für René Marcic. Hrsg. von Dorothea Mayer-Maly und Peter M. Simons. Berlin: Duncker & Humblot 1983, S. 359 – 412. Vortrag am 12. Dezember 1981 in Helsinki. Finnische Kurzfassung siehe auch Nr. 111. 116. Begründung des Rechts – anthropologisch betrachtet: Zur Institutionentheorie von Weinberger und Schelsky. In: Nr. 17 Theorie der Normen. 1984, S. 541 – 556. 117. Donde estamos hoy en la teoría del derecho y en la filosofía del derecho? In: DOXA 1: Problemas abiertos en la filosofía del derecho. Alicante: Universidad de Alicante 1984, S. 273¢275. Übersetzt von Ernesto Garzón Valdés. 118. Die Einheit der Rechtsordnung in rechts- und systemtheoretischer Perspektive. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums „Japanisches und europäisches Rechtsdenken ¢ Versuch einer Synthese philosophischer Grundlagen“, veranstaltet von der Hermann und Marianne Straniak-Stiftung vom 30. Juli bis 2. August 1984 in Luzern. 19 S. Masch. (unveröffentlicht). Überarbeitete und wesentlich vermehrte Fassung siehe auch Nr. 128.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
119. Juridisch-institutionelle Rationalität des Rechts versus Rationalität der Wissenschaften? Zur Konkurrenz divergierender Rationalitätskonzepte in der modernen Rechtstheorie. In: Rechtstheorie 15 (1984), S. 423 – 452. Wesentliche erweiterte Fassung des Vortrags, den Werner Krawietz als Invited Speaker auf dem Internationalen Symposion „Problemas Actuales de la Teoria General del Derecho“ vom 20. bis 24. August 1984 in Buenos Aires gehalten hat. 120. Die Lehre vom Stufenbau des Rechts ¢ eine säkularisierte politische Theologie? In: Nr. 16 Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen. 1984, S. 255 – 271. Referat im Rahmen des Internationalen Kolloquiums „Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen“ vom 13. bis 14. November 1981 (siehe dazu Nr. 16). Gekürzte ungarische Übersetzung von Csaba Varga u. d. T.: A jog lépcsös felépítésének tana – a politikai teológia szekula-rizációja? In: Jogtudományi Közlöny XLIII (1988) No. 5, S. 284 – 289. 121. Recht und Rationalität in der modernen Systemtheorie. In: Nr. 15 Objektivierung des Rechtsdenkens. 1984, S. 723 – 743. Spanische Übersetzung von Ernesto Garzón Valdés u. d. T.: Derecho y racionalidad en la moderna teoría del derecho. In: Nr. 6 ders., El concepto sociológico del derecho y otros ensayos. 1991, S. 85 – 100. Modifizierte italienische Fassung siehe auch Nr. 133. 122. Rechtssystem als Institution? Über die Grundlagen von Helmut Schelskys sinnkritischer Institutionentheorie. In: Recht als Sinn und Institution. Hrsg. von Dorothea Mayer-Maly, Ota Weinberger und Michaela Strasser. Berlin: Duncker & Humblot 1984 (Rechtstheorie, Beiheft 6), S. 209 – 243. Erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen des Internationalen Gedächtnissymposiums für Ilmar Tammelo vom 18. bis 20. Mai 1983 in Salzburg. 123. Rudolph von Ihering und sein Einfluß auf die deutsche Rechtswissenschaft. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums „,Allgemeine Lehren‘ in Legal Thinking and their Critique“ vom 14. bis 16. November 1984 in Helsinki. 24 S. Masch. (unveröffentlicht). 124. Theorieintegration oder Theoriesubstitution in der Jurisprudenz? In: Nr. 5 ders., Recht als Regelsystem. 1984, S. 158 – 202. 125. Towards a New Institutionalism in Modern Legal Thinking. Facets of Rationality. In: Reason in Law. Proceedings of the Conference Held in Bologna, 12¢15 December 1984. Volume One. Ed. by Carla Faralli and Enrico Pattaro. Milano: Dott. A. Giuffrè Editore 1987 (Legal Philosophical Library), S. 313¢325. Vortrag im Rahmen der Internationalen Konferenz „Reason in Law“ in Bologna. 126. Ansätze zu einem Neuen Institutionalismus in der modernen Rechtstheorie der Gegenwart. In: Juristenzeitung 40 (1985), S. 706 – 714. Geringfügig modifizierte griechische Fassung siehe auch Nr. 139. 127. Diritto e potere nella prospettiva della teoria istituzionale e nella teoria dei sistemi. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums „Il nuovo istituzionalismo nel pensiero sociale e giuridico europeo“ vom 4. bis 5. November 1985 in Salerno (unveröffentlicht). Übersetzt von Raffaele De Giorgi. 128. Identität oder Einheit des Rechtssystems? Grundlagen der Rechtsordnung in rechts- und gesellschaftstheoretischer Perspektive. In: Japanisches und europäisches Rechtsdenken
Bibliographie Werner Krawietz
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¢ Versuch einer Synthese philosophischer Grundlagen. Hrsg. von Mitsukuni Yasaki, Alois Troller und José Llompart. In: Rechtstheorie 16 (1985) (Heft 2/3), S. 233 – 277. Vgl. hierzu Dieter Wyduckel, Japanisches und europäisches Rechtsdenken. Ein Diskussionsbericht. Ebd., S. 311¢336, 323 ff. 129. Rationality and Rationalization in Modern Legal Theory. Towards a New Institutionalism in West-German Legal Thinking. Vortrag im Rahmen des 12. Weltkongresses „Law, Man and History“ der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR) vom 18. bis 24. August 1985 in Athen. 14 S. Masch. (unveröffentlicht). 130. Über die Fachgrenzen der Soziologie hinaus: Helmut Schelskys ,transzendentale‘ Theorie von Recht und Gesellschaft. In: Nr. 18 Helmut Schelsky als Soziologe und politischer Denker. 1985, S. 12 – 22. 131. Die Normentheorie Helmut Schelskys als Form eines Neuen Institutionalismus im Rechtsdenken der Gegenwart. In: Helmut Schelsky ¢ ein Soziologe in der Bundesrepublik. Eine Gedächtnisschrift von Freunden, Kollegen und Schülern. Hrsg. von Horst Baier. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag 1986 (Soziologische Gegenwartsfragen, Neue Folge, Nr. 46), S. 114 – 148. 132. Paradigms, Positions and Prospects of Rationality. The Changing Foundations of Law in Institutional and Systems Theory. In: Samfunn ¢ Rett ¢ Rettferdighet. Festskrift til Torstein Eckhoffs 70-Årsdag. Redaksjon: Anders Bratholm, Torkel Opsahl und Magnus Aarbakke. Oslo: Tano 1986, S. 452 – 465. 133. Razionalità del diritto e teoria dei sistemi. In: Teoria dei sistemi e razionalità sociale. Atti del convegno di Bologna 21¢23 ottobre 1983. A cura di Enrico M. Forni. Bologna: Cappelli editore 1986, S. 101 – 119. Hauptvortrag im Rahmen des Luhmann-Kongresses. Übersetzt von Raffaele De Giorgi. Deutsche Fassung siehe auch Nr. 121. 134. Recht und moderne Systemtheorie. In: Vernunft und Erfahrung im Rechtsdenken der Gegenwart (Reason and Experience in Contemporary Legal Thought). Hrsg. von Torstein Eckhoff, Lawrence M. Friedman und Jyrki Uusitalo. Berlin: Duncker & Humblot 1986 (Rechtstheorie, Beiheft 10), S. 281 – 309. Hauptreferat im Rahmen des 11. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR), der unter dem Generalthema „Die philosophischen Grundlagen der Rechts- und Sozialwissenschaften“ vom 14. bis 20. August 1983 in Helsinki stattgefunden hatte. Vgl. hierzu auch das Korreferat von Lawrence M. Friedman, Law as a System: Some Comments. Ebd., S. 311 – 315. 135. Zur Korrelation von Rechtsfrage und Tatfrage in der Rechtsanwendung. Strukturprobleme im Theoriedesign einer möglichen Rechtsprechungslehre. In: Rechtsprechungslehre. Internationales Symposium Münster 1984. Hrsg. von Norbert Achterberg. Köln/Berlin: Carl Heymanns Verlag 1986, S. 517 – 550. Mit Thesen, S. 551¢553 und Diskussion, S. 554 – 563. 136. Neues Naturrecht oder Rechtspositivismus? Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff des Rechts bei Ralf Dreier und Norbert Hoerster. In: Rechtstheorie 18 (1987), S. 209 – 254. Vgl. hierzu die Beiträge von Ralf Dreier, Der Begriff des Rechts. In: Neue Juristische Wochenschrift 39 (1986), S. 890¢896, und Norbert Hoerster, Zur Verteidigung des Rechtspositivismus. In: Neue Juristische Wochenschrift 39 (1986), S. 2480¢2482, sowie die Replik von Ralf Dreier, Neues Naturrecht oder Rechtspositivismus? In: Rechtstheorie 18 (1987), S. 368 – 385.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
137. Normativismus oder Skeptizismus? Zum Verhältnis von Regelsetzung und Regelbefolgung in der kritischen Rechtstheorie Kants. In: Nr. 20 Formalismus und Phänomenologie im Rechtsdenken der Gegenwart. 1987, S. 321 – 342. 138. Verhältnis von Macht und Recht in staatlich organisierten Rechtssystemen. In: Festschrift für Klemens Pleyer zum 65. Geburstag. Hrsg. von Paul Hofmann, Ulrich Meyer-Cording, Herbert Wiedemann. Köln/Berlin: Carl Heymanns Verlag 1987, S. 217 – 235. Modifizierte Fassung des Vortrags „Autoritätsstruktur des Rechtssystem im westdeutschen Neuen Institutionalismus“ auf einem internationalem Symposion in Brüssel im Oktober 1985. 139. Apaqw]r li\r v]ar heslojqat_ar stg s}cwqovg ceqlavij^ heyq_a to} dija_ou (t}poi ekk|cou) [Ansätze eines neuen Institutionalismus in der zeitgenössischen deutschen Rechtstheorie (Rationalitätstypen)]. In: Evgleq_r Ekk^vyv Molij~v [Griechische Juristenzeitung] 54 (1987), S. 85 – 95. Vortrag im April 1985 an der Universität Thrakien sowie im Goethe-Institut Athen. Übersetzt von Athanasios Gromitsaris. Deutsche Fassung siehe auch Nr. 126. 140. Aufgaben einer Theorie der Raum- und Bodenordnung. In: Politisches System und Bodenordnung (Les systèmes politiques et l’aménagement foncier/Political Systems and Land Management). Hrsg. von Nicolás M. López-Calera und Walter Seele. Frankfurt a.M./Bern: Peter Lang 1988 (Forschungen der Europäischen Fakultät für Bodenordnung Straßburg, Bd. 6), S. 55 – 71. 141. Deutsche Juristen im Dialog mit der ibero-amerikanischen Rechtswelt. In: Rechtstheorie 19 (1988), S. 541 – 547. 142. Können Engel auf einer Nadelspitze tanzen? Zum Verhältnis von Theologie und Jurisprudenz im frühmodernen staatlichen Gemeinwesen. In: Woody. Ein Mönch der Neuzeit im Tempel der Weisheit. Festschrift für Dieter Wyduckel zum 50. Geburtstag. Hrsg. von Wolfgang Meyer-Hesemann, Birgit Läpple und Martin Schulte. Münster: Eigendruck 1988, S. 146 – 167. 143. Kontraktualismus oder Konsozialismus? Grundlagen und Grenzen des Gemeinschaftsdenkens in der politischen Theorie des Johannes Althusius. In: Nr. 22 Politische Theorie des Johannes Althusius. 1988, S. 391 – 423. Überarbeitete und wesentlich vermehrte Fassung eines Vortrags auf dem Internationalen Symposion in Herborn aus Anlaß des 350. Geburtstags von Johannes Althusius. 144. Reine Rechtslehre als Herausforderung. Von Werner Krawietz und Ota Weinberger. In: Nr. 23 Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker. 1988, S. 1 – 16. 145. Sind Zwang und Anerkennung Strukturelemente der Rechtsnorm? Konzeptionen und Begriff des Rechts in der modernen Rechtstheorie. Ebd., S. 315 – 369. 146. Der soziologische Begriff des Rechts. In: Rechtshistorisches Journal 7 (1988), S. 157 – 177. Geringfügig überarbeitete Fassung des Vortrags im Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main am 10. Mai 1988. Französische Übersetzung u. d. T.: Le concept sociologique du droit. In: Revue interdisziplinaire d’études juridiques 21 (1988). Numéro spécial anniversaire 1978¢1988. Numéro publié avec le concours du Fonds de la Recherche fondamentale collective, S. 101 – 123.
Bibliographie Werner Krawietz
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Spanische Übersetzung von Ernesto Garzón Valdés u. d. T.: El concepto sociológico del derecho. In: DOXA. Cuadernos de filosofia del derecho 5 (1988), S. 253¢274. Auch in: Nr. 6 ders., El concepto sociológico del derecho y otros ensayos. 1991, S. 7 – 26. Leicht modifizierte griechische Fassung siehe auch Nr. 147. Modifizierte englische Fassung siehe auch Nr. 148, modifizierte, gekürzte englische Fassung siehe auch Nr. 150 sowie überarbeitete und erweiterte englische Fassung siehe auch Nr. 170. 147. G joivyviokocij^ ]vvoia to} dija_ou [Der soziologische Begriff des Rechts]. In: Aisulv^tgr: Wqovij\ tgr joivyviokoc_ar to} dija_ou [Aissymnètès: Annales de la sociologie du droit] 1 (1988), S. 74 – 93. Mit französischem Resümee, ebd., S. 93. Vortrag im Oktober 1988 an den Juristischen Fakultäten der Universitäten Komotini/Thrakien und Thessaloniki. Übersetzt von Antonis Chanos und Athanasios Gromitsaris. Deutsche Fassung siehe auch Nr. 146. 148. Legal Norms as Expectations? ¢ On Redefining the Concept of Law. In: Law, Morality, and Discursive Rationality. Ed. by Aulis Aarnio und Kaarlo Tuori. Helsinki: Hakapaino Oy 1989 (Publications of the Department of Public Law, University of Helsinki, D: 8), S. 109 – 140. Übersetzt von Stanley L. Paulson. Siehe auch Nr. 146. 149. Reason versus History? Social and Legal Aspects of Rationality in Regional Spatial Planning. In: Soziale Aspekte der Europäischen Raumordnung (Les aspects sociaux de l’aménagement du territoire européen/Social Aspects of European Regional Planning). Hrsg. von H(endrik) J. M. Boukema und H(enry) W. West. Frankfurt a.M./Bern: Peter Lang 1989 (Travaux scientifiques de la Faculté Européenne des Sciences du Foncier, Strasbourg, Bd. 9), S. 75 – 92. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums „Social Aspects of European Regional Planning“ der European Faculty of Land Use and Development (Strasbourg) vom 1. bis 3. August 1985 in Cambridge. Übersetzt von Stanley L. Paulson. 150. The Concept of Law Re-Visited: A New Approach to Theory and Sociology of Law. In: Laws and Rights. Proceedings of the International Congress of Sociology of Law for the Ninth Centenary of the University of Bologna (May 30¢June 3, 1988). Panels and Sessions edited by Vincenzo Ferrari. Milano: Dott. A. Giuffrè 1991, S. 155 – 170. Vortrag im Rahmen des Panels „Law, History and Sociology“ am 30. Mai 1988. Siehe auch Nr. 146. 151. Prinzipien öffentlicher Moral versus Recht? In: Öffentliche Moral. Gut und Böse in der Beobachtung durch Geschichte, Religion, Wirtschaft, Verteidigung und Recht. Hrsg. von Gerd Roellecke. Heidelberg: C. F. Müller Juristischer Verlag 1991 (Motive ¢ Texte ¢ Materialien [MTM], Bd. 59), S. 21 – 68. Spanische Übersetzung von Roberto J. Vernengo u. d. T.: Principios moralidad pública versus derecho. In: Nr. 6 ders., El concepto sociológico del derecho y otros ensayos. 1991, S. 27 – 84. 152. Rechtliche Verantwortung oder wissenschaftliche Vernunft im praktischen juristischen Entscheidungsverhalten? In: Wissen als Verantwortung. Ethische Konsequenzen des Erkennens. Hrsg. von Hans-Peter Müller. Stuttgart: Kohlhammer 1991, S. 53 – 99.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel Erweiterte Fassung eines Vortrags im Rahmen der Ringvorlesung „Die Verantwortung des Wissens“ am 28. November 1989 anläßlich des 75jährigen Bestehens der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.
153. Soziale Spielregeln und Recht in systemtheoretischer Perspektive. In: Pravna drz´ava. Poreklo i buduc´nost jedne ideje. Simpozijum Beograd, 26.¢27 septembar 1991 (Rechtsstaat. Ursprung und Zukunft einer Idee. Tagung Belgrad, 26.¢27. September 1991). Hrsg. von Dieter Müller und Danilo N. Basta. Belgrad 1991, S. 125 – 132. Vortrag im Rahmen der vorgenannten Tagung. Serbokroatische Übersetzung u. d. T.: Socijalna pravila igre i pravo u perspektivi teorije sistema. Ebd., S. 13 – 18. Erheblich erweiterte und ausgearbeitete Fassung siehe auch Nr. 171. 154. Theorie und Forschungsprogramm menschlicher Rechtserfahrung ¢ Allgemeine Rechtslehre Otto Brusiins. In: Rechtstheorie 22 (1991), S. 1¢37. Erweiterte Fassung der III. Otto Brusiin Lecture am 3. September 1990 in Helsinki. Geringfügig modifizierte Fassung u. d. T.: Forschungsprogramm und Theorie menschlicher Rechtserfahrung in Otto Brusiins Theorie und Philosophie des Rechts. In: Aulis Aarnio. Theorie der Rechtsgemeinschaften und Rechtserfahrung in Otto Brusiins Allgemeiner Rechtslehre. Münster: LIT 1999, S. 49¢91. Geringfügig gekürzte finnische Übersetzung u. d. T.: Inhimillisen oikeuskokemuksen teoria ja tutkimusohjelma ¢ Otto Brusiinin yleinen oikeusteoria. In: Oikeustiede Jurisprudentia XXV (1992), S. 169¢211. Übersetzung und englisches Summary von Jyrki Uusitalo, ebd., S. 212¢213. 155. What Does it Mean ‘To Follow an Institutionalized Legal Rule’? On Rereading Wittgenstein and Max Weber. In: Konstitutionalismus versus Legalismus? 1991 (siehe auch Nr. 63), S. 7¢14. Vortrag im Rahmen des 13. Weltkongresses der Internationalen Vereinigung für Rechtsund Sozialphilosophie (IVR) in Kobe/Japan 1987. Siehe dazu Nr. 63. Leicht modifizierte Fassung siehe auch Nr. 158. 156. Brauchen wir eine neue Theorie der Verantwortung? Voraussetzungen und Folgen rechtlicher Verantwortungsattribution. In: Demokratie und Rationalität. Mit Beiträgen von Michael W. Fischer u. a. Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung 1992 (Internationales Jahrbuch für Rechtsphilosophie und Gesetzgebung 1992), S. 49¢86. 157. Droit et jeu. Le point de vue de la théorie des systèmes. In: Le jeu: un paradigme pour le droit. Sous la direction de François Ost et Michel van de Kerchove. Paris: Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence 1992, S. 218¢235. Mit englischem Summary, ebd., S. 299. 158. Dual Concept of the Legal Rule? On Rereading Wittgenstein and Max Weber. In: Prawo w zmieniaja˛cym sie˛ społeczen´stwie. Pani Profesor Marii Boruckiej-Arctowej. Przyjaciele, Koledzy, Uczniowie. Kraków: Wydawnictwo Adam Marszałek 1992, S. 229¢239. Siehe auch Nr. 155. 159. Ernesto Garzón Valdés. Grenzgänger zwischen der iberischen und der ibero-amerikanischen Rechtswelt sowie den europäischen Rechtssystemen. In: Nr. 26 Öffentliche oder private Moral? 1992, S. V¢XVII.
Bibliographie Werner Krawietz
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160. Moral versus Legal Responsibility? Different Motives and Models for Attributing Rights and Duties. Ebd., S. 43¢55. Übersetzt von Stanley L. Paulson. 161. Das rechtsphilosophische und rechtstheoretische Werk von Norbert Achterberg. In: Nr. 28 Rechtsprechungslehre. 1992, S. 13¢24. Gedächtnisrede im Rahmen der Akademischen Gedenkfeier zu Ehren von Norbert Achterberg (1932¢1988), veranstaltet von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität am Vorabend des Zweiten Internationalen Symposiums Rechtsprechungslehre 1988 in Münster. 162. Akzeptanz von Recht und Richterspruch? Geltungsgrundlagen normativer Kommunikation im Bereich des Rechts. Ebd., S. 455¢519. Erweiterte Fassung des Vortrags im Rahmen des Zweiten Internationalen Symposiums Rechtsprechungslehre Münster 1988. Mit Diskussion, S. 529¢544. 163. Risiko, Recht und normative Verantwortungsattribution in rechtsethischer Perspektive. In: Nr. 27 Recht und Natur. 1992, S. 147¢187. 164. Neue Sequenzierung der Theoriebildung und Kritik der allgemeinen Theorie sozialer Systeme. In: Nr. 25 Kritik der Theorie sozialer Systeme. 1992, S. 14¢42. 165. Staatliches oder gesellschaftliches Recht? Systemabhängigkeiten normativer Strukturbildung im Funktionssystem Recht. Ebd., S. 247¢301. 166. Art. Althusius (Althus, Althaus). In: Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg: Herder Verlag 1993, Sp. 468. 167. Eigenrechte der Natur? Ökologischer Rechtsbegriff und normative Verantwortungsattribution in rechtsethischer Perspektive. In: Beiträge zur Rechtswissenschaft. Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Wilfried Küper und Jürgen Welp. Heidelberg: C. F. Müller Juristischer Verlag 1993, S. 11¢39. 168. Kazimierz Opałeks Rechtstheorie ¢ in internationaler Perspektive betrachtet. In: Nr. 31 Sprache, Performanz und Ontologie des Rechts. 1993, S. V¢XX. 169. Moderne Ethnologie im Spannungsfeld inter- und multidisziplinärer Forschungen. In: Nr. 32 Sprache, Symbole und Symbolverwendungen in Ethnologie, Kulturanthropologie, Religion und Recht. 1993, S. V¢XII. 170. Taking Legal Systems Seriously: Legal Norms and Principles as Expectations. Ebd., S. 361¢384. Siehe auch Nr. 146. 171. Recht ohne Staat? Spielregeln des Rechts und Rechtssystem in normen- und systemtheoretischer Perspektive. In: Nr. 30 Rechtsstaat ¢ Ursprung und Zukunft einer Idee. 1993, S. 81¢133. Siehe auch Nr. 153. 172. Recht, Institution und Politik im Lichte der Institutionentheorie. In: Nr. 29 Institution und Recht. 1993, S. 5¢16. Hommage à Ota Weinberger. 173. My Friend from Halfway, Oregon ¢ A Most Unusual American Academic Career. In: Nr. 33 Prescriptive Formality and Normative Rationality in Modern Legal Systems. 1994, p. V¢XXV.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
174. Dual Concept of the Legal System? The Formal Character of Law from the Perspective of Institutional and Social Systems Theory. Ebd., p. 43¢52. 175. Rechtstheorie und Rechtsstaatlichkeit. In: Nr. 34 Verfassungsstaat, Stabilität und Variabilität des Rechts im modernen Rechtssystem. 1995, S. 435¢461. 176. Theorie der Verantwortung ¢ Neu oder alt? Zur normativen Verantwortungsattribution mit Mitteln des Rechts. In: Verantwortung. Prinzip oder Problem? Hrsg. von Kurt Bayertz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1995, S. 184¢216. 177. Ulrich Klugs Theorie und Philosophie des Rechts im Umriß. In: Ulrich Klug (1913¢1993) zum Gedächtnis. Reden anläßlich der akademischen Trauerfeier für Herrn Professor Dr. Ulrich Klug am 8.12. 1994. Hrsg. vom Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft. Köln 1995, S. 11¢28. 178. On How to Accept a Legal Norm or Legal Order and Different Rules of Recognition. Is a Reasonable Argumentation Legally Rational? In: Law, Life and the Images of Man. Modes of Thought in Modern Legal Theory. Festschrift for Jan M. Broekman. Ed. by Frank Fleerackers, Evert van Leeuwen and Bert van Roermund. Berlin: Duncker & Humblot 1996, p. 521¢550. 179. Anerkennung als Geltungsgrund des Rechts in den modernen Rechtssystemen. In: Recht und Ideologie. Festschrift für Hermann Klenner zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Gerhard Haney, Werner Maihofer und Gerhard Sprenger. Freiburg/Berlin: Rudolf Haufe 1996, S. 104¢146. 180. Sprachphilosophie in der Jurisprudenz. In: Sprachphilosophie / Philosophy of Language / La philosophie du langage. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung / An International Handbook of Contemporary Research / Manuel international des recherches contemporaines. Hrsg. von / ed. by / ed. par Marcelo Dascal, Dietfried Gerhardus, Kuno Lorenz und Georg Meggle. 2. Halbbd. / Volume 2 / tome 2. Berlin/New York: De Gruyter 1996, Nr. 102, S. 1470¢1489. 181. Assoziationen versus Staat? Normative Strukturelemente föderaler politisch-rechtlicher Gemeinschaftsbildung. In: Nr. 35 Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus. 1997, S. 321¢339. 182. Frühere Persönlichkeiten der Fakultät: Professor Schelsky. In: Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ein Porträt. Hrsg. vom Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Dirk Ehlers. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1997, S. 42¢48. 183. Recht als normatives Kommunikat in normen- und handlungstheoretischer Perspektive. In: Nr. 36. Normative Systems in Legal and Moral Theory. 1997, S. 369¢390. 184. Vernunft versus Rationalität des Rechts? Zur Theoriebildung in der Rechtswissenschaft. In: Staat und Recht. Festschrift für Günther Winkler. Hrsg. von Herbert Haller, Christian Kopetzki, Richard Novak, Stanley L. Paulson, Bernhard Raschauer, Georg Ress und Ewald Wiederin. Wien/New York: Springer 1997, S. 515¢540. 185. Reasonableness versus Rationality of Law? On the Evolution of Theories in Jurisprudence. In: Justice, Morality and Society. A Tribute to Aleksander Peczenik on the Occasion of his 60th Birthday 16 November 1997. Ed. by Aulis Aarnio, Robert Alexy and Gunnar Bergholtz. Lund: Juristförlaget i Lund 1997, S. 221¢245. 186. Symbolic Forms and Formal Design in Music, Morals and Legal Systems. Instead of an Address to „Alchourrón y Bulygin“. In: Rechtstheorie 28 (1997), S. 277¢283.
Bibliographie Werner Krawietz
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187. Theory and Research Programme of Legal Experience. Otto Brusiin‘s General Theory of Law. In: Nr. 39 New Approaches and Ways of Legal Thinking Revised. 1998, S. 167¢201. 188. El Derecho como informacíon y comunicacíon en la sociedad moderna. Vortrag gehalten am 07.05. 1998 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Oviedo. 17 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 189. Recht als Information und Kommunikation in der modernen Informationsgesellschaft — Normen- und Handlungstheorien im Übergang. In: Soziologie des Rechts. Festschrift für Erhard Blankenburg zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Jürgen Brand und Dieter Strempel. Baden-Baden: Nomos 1998, S. 175¢206. 190. Sistemas jurídícos modernos en transición. Sobre la comunicación jurídica en las teorías contemporáneas de las normas y de la acción, in: DOXA, Cuadernos de Filosofía del Derecho, 1998, 21, vol. I, S. 123¢143. Übersetzt von Daniel González Lagier. 191. Modern Legal Systems in Transition – On Legal Communication in Contemporary Theories of Norms and Action. Vortrag gehalten an der Universität Budapest am 18.03. 1998. 15 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 192. Konstitutionalismus und Verfassungspatriotismus – neu oder alt? Vortrag auf Einladung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau am 03.12. 1998. 17 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 193. Are There ‘Collective Agents’ in Modern Legal Systems? An Institutional and System Theoretical Puzzle in Recent Theories of Norms and Action. In: Actions, Norms, Values. Discussions with Georg Henrik von Wright. Ed. by Georg Meggle. Berlin/New York: De Gruyter 1999, S. 273¢278. 194. Rechtssysteme und Rechtstheorien im Widerstreit – Dialog der Kulturen oder Clash of Civilizations? In: Nr. 40 Konvergenz oder Konfrontation? 1999, S. 259¢262. 195. Legal Communication in Modern Law and Legal Systems. A Multi-Level Approach to the Theory and Philosophy of Law. In: The Law in Philosophical Perspectives. Ed. by Luc. J. Wintgens. Dordrecht/Boston/London: Kluwer Academic Publishers 1999, S. 69¢120. 196. Vorstellung des Bandes ,Aus intellektuellem Gewissen‘ (Nr. 43) an der Universität Graz am 20.01. 2000. 11 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 197. New Constitutional Patriotism versus Legalism? On How to Differentiate between Legal Systems and the Modern State. In: Nr. 41 The Reasonable as Rational? 2000, S. 219¢231. 198. Autokratie, Demokratie und Rechtsstaat in iberoamerikanischen Rechtssystemen. In: Nr. 42 Politische Herrschaftsstrukturen und Neuer Konstitutionalismus – Iberoamerika und Europa in theorievergleichender Perspektive. 2000, S. IX¢XXX. 199. Codierung und Kodifikation neuer Regelsysteme des Rechts – Zum Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtspolitik in der Republik Estland. In: Nr. 44 Gesetzgebung und Rechtspolitik. 2001, S. VII¢XII. 200. The Concept of Law Revised – Directives and Norms in the Perspectives of a New Legal Realism. In: Ratio Juris 14 (2001), S. 34¢46. 201. Fragmentierung der modernen Rechtsgesellschaft und ,Neue Unübersichtlichkeit‘ – Individualismus versus rechtliche Kollektivsubjekte? In: Nr. 44 Gesetzgebung und Rechtspolitik. 2001, S. 521¢534.
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202. Otto Brusiin as a Modern Thinker. In: Associations 5 (2001), S. 51¢69. 203. Ausdifferenzierung von Praxis und Theorie in juristischer systemtheoretischer Perspektive. In: Nr. 45 Vom Scheitern und der Widerbelebung juristischer Methodik im Rechtsalltag – ein Bruch zwischen Theorie und Praxis? 2002, S. 211¢223. 204. Normative Rechtsstruktur und Prozeß in der Perspektive juristischer Systemtheorie. Vortrag, gehalten am 14.02. 2002 im Rahmen des Deutsch-Estnischen Symposiums „Prozeßrecht in Europa – Reform und Rezeption in Deutschland und Estland“ vom 14.¢16.02. 2002 an der Universität Münster. 12 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 205. Konflikt verschiedenartiger Rechtskulturen oder universales Rechtssystem – Auf dem Wege zu einem Kerneuropa? In: Nr. 46 On Different Legal Cultures, Premodern and Modern States, and the Transition to the Rule of Law in Western and Eastern Europe. 2003, S. VII¢XXI. 206. Taking State, Associations and Associational Method Seriously – On Withering away of the Nation State and Beyond. In: Nr. 46 On Different Legal Cultures, Premodern and Modern States, and the Transition to the Rule of Law in Western and Eastern Europe. 2003, S. 181¢192. 207. Ost-Erweiterung Europas und Rechtssystem Zyperns im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontext. In: Nr. 47 Political and Legal System of the Republic of Cyprus – A Selfreferential and Comparative Approach to Law. 2003, S. IX¢XX. 208. Information and Normative Communication in Modern Legal Systems. In: Nr. 47 Political and Legal System of the Republic of Cyprus – A Selfreferential and Comparative Approach to Law. 2003, S. 27¢38. 209. Konstruktion und Rekonstruktion der Welt des Rechts: Ist Luhmanns Theorie sozialer Systeme, insbesondere der Rechtssysteme, eine Institutionentheorie des Rechts? Vortrag, gehalten am 16.01. 2003 am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung in Bielefeld anläßlich der Tagung ,Weltrecht‘. 20 S. Masch. (nicht veröffentlicht). 210. Internationale Rechtskommunikation und Integration von Rechtsstudien – ein deutschrussisches Studienprogramm. In: Boris N. Topornin. Internationale Rechtskommunikation und Integrierte Deutsch-Russische Juristenausbildung – die Akademische Rechtsuniversität Moskau. Münster/Hamburg/London: LIT 2003, S. 1¢15. 211. Boris N. Topornin – Person, Leben und Werk im neuen Rußland und in der Russischen Akademie der Wissenschaften. In: Boris N. Topornin. Ebd., S. 25¢34. 212. Vertrag zwischen der Universität Münster, der Akademischen Rechtsuniversität Moskau und dem Institut für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften über ein integriertes deutsch-russisches Studienprogramm und Magisterstudium in Moskau vom 15. und 19.07. 2002. In: Boris N. Topornin. Internationale Rechtskommunikation und Integrierte Deutsch-Russische Juristenausbildung – die Akademische Rechtsuniversität Moskau. Münster/Hamburg/London: LIT 2003, S. 67¢72. Auszug des von Werner Krawietz ausgearbeiteten Vertrages 213. Jenseits von national und staatlich organisierten Rechtssystemen – Normative Kommunikation von Recht in der modernen Weltgesellschaft. In: Nr. 48 Kommunikation und Recht in der modernen Wissensgesellschaft. 2003, S. 27¢41 (317¢331). Vortrag, gehalten am 10.06. 2003 im Rahmen der NRW-Wissenschaftstage in Moskau. 214. Information and Normative Communication in Modern Legal Systems. In: Rechtstheorie 34 (2003), S. 27 – 38.
Bibliographie Werner Krawietz
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215. Art. Begriffsjurisprudenz. In: Nr. 21 Ergänzbares Lexikon des Rechts. Gruppe 2, Nr. 70, 2004 (nicht veröffentlicht). 216. Globalisierung rechtlicher Verantwortung? Verantwortungsattribution bei Kollektivsubjekten in normen- und handlungstheoretischer Perspektive. Vortrag im Wissenschaftszentrum Essen, 2004 (29 S. Masch., nicht veröffentlicht). 217. Konstruktion und Rekonstruktion der Welt des Rechts – Ist Luhmanns Theorie sozialer Systeme, insbesondere der Rechtssysteme, eine Institutionstheorie des Rechts? Vortrag vor der Juristischen Fakultät der TU Dresden, 2004 (19 S. Masch., nicht veröffentlicht). 218. Verhältnis von Religion und Recht in den modernen Kultur- und Rechtssystemen. Vortrag, gehalten in der Katholischen Sozialen Akademie Münster am 24. Juni 2004 (23 S. Masch., nicht veröffentlicht). 219. Münster und seine Rechtswissenschaftliche Fakultät. Frühere Persönlichkeiten: Helmut Schelsky (1912 – 1984), in: Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität. Ein Porträt. Hrsg. von Dirk Ehlers und Ursula Nelles. 2. Aufl., Münster 2005, S. 50 ff. 220. Integriertes Deutsch-Russisches Studienprogramm mit Magister/Magistra Legum-Abschluss an der Akademischen Rechtsuniversität Moskau. In: Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität. Ein Porträt. Hrsg. von Dirk Ehlers und Ursula Nelles. 2. Aufl., Münster 2005, S. 205 ff. 221. Integriertes Deutsch-Russisches Studienprogramm mit Magister/Magistra Legum-Abschluss an der Akademischen Rechtsuniversität Moskau. In: Nordrhein-Westfalen – Russland. Beispielhafte Projekte in der Hochschul- und Wissenschaftskooperation. Hrsg. von Klaus Waschik und Ursula Justus. Bochum 2005, S. 111 ff. 222. Glokalisierung der Rechtskommunikation? Zum Globalisierungsdiskurs in der modernen Rechts- und Gesellschaftstheorie. In: Nr. 50 Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbewußtsein. 2006, S. 293¢366 (579¢652). 223. Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Tönnies’sche Handlungs- und Forschungsparadigma in neueren Rechtstheorien. In Nr. 50 Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbewußtsein. 2006, S. 293¢366 (579¢652). 224. Interessen- und Wertungsjurisprudenz als Methode und Theorie des Rechts für das 21. Jahrhundert? In: Zivil- und Wirtschaftsrecht im Europäischen und Globalen Kontext. Festschrift für Norbert Horn zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Klaus Peter Berger, Ulrich Wackerbarth, Andreas Schlüter, Harald Herrmann und Georg Borges. Berlin: De Gruyter 2006, S. 1163¢1177. 225. Beyond Methodological and Theoretical Individualism – Are There Collective Actors or Collective Subjects in Modern Legal Systems? In: Values and Norms in the Age of Globalization. Hrsg. von Ewa Czerwinska-Schupp. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2007 (DiaLogos. Schriften zu Philosophie und Sozialwissenschaften, Bd. 9), S. 385¢396. Vortrag vor der Juristischen Fakultät der Universität Poznan. 226. Gibt es normative Kollektivsubjekte? Zum politisch-rechtlichen Gemeinschaftsparadigma im Verhältnis von Religion, Staat und Recht. In: Gegenwart des lebendigen Christus. Festschrift für Michael Welker zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Günter Thomas und Andreas Schüle. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2007, S. 497¢540. 227. Hans Kelsen ¢ Ein normativer Mastermind des Rechts und der Rechtstheorie für das 21. Jahrhundert? In: Rechtstheorie 38 (2007), S. 33¢98.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
228. Identität von Recht und Staat? Begriff des modernen Rechts und des Rechtsstaats in kommunikations- und systemtheoretischer Perspektive. In: Nr. 51 Multiple Modernität, Globalisierung der Rechtsordnung und Kommunikationsstruktur der Rechtssysteme. 2008, S. 269¢305. 229. Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive. In: Rechtsphilosophie im 21. Jahrhundert. Hrsg. von Winfried Brugger, Ulfrid Neumann und Stephan Kirste. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008, S. 181¢206. 230. Peresmotr ponjatija prava: direktivy i normy s totski zrenija novogo pravovogo realisma [The Concept of Law Revised – Directives and Norms in the Perspectives of a New Legal Realism]. In: Rossijskij ezhegodnik teorii prava [Russian Yearbook of Legal Theory], N. 1, 2008, S. 433¢445. Ins Russische übertragen von Mikhail Antonov und Andrey Polyakov. 231. Weltrechtssystem oder Globalisierung des Rechts? Konstruktion und Rekonstruktion der modernen Welt des Rechts in kommunikations- und systemtheoretischer Perspektive. In: Weltrecht. Internationales Symposium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld. Sonderheft Weltrecht. Hrsg. von Martin Schulte und Rudolf Stichweh. Berlin: Duncker & Humblot 2009 (Rechtstheorie 39 (2008), Heft 2 und 3), S. 419¢451. 232. Juristische Hermeneutik als normatives Handlungs- und Forschungsparadigma? Kommunikationstheoretische Überlegungen zur Normen- und Handlungstheorie des modernen Rechts. In: Rechtswissenschaft und Hermeneutik. Hrsg. von Marcel Senn und Barbara Fritschi. Stuttgart: Steiner 2009 (ARSP, Beiheft 117), S. 111¢126. 233. Perestrojka als politisch-rechtliches Prinzip? Herkunft und Zukunft einer Leitidee in zivilgesellschaftlicher und globaler Perspektive. In: Nr. 52 Nach 20 Jahren Perestrojka – Wege zu einer neuen Weltordnung. Gorbatschow-Sonderheft 2009, S. 5¢14 (149¢158). Gemeinsam mit Wilfried Bergmann. 234. Laudatio anlässlich der Ehrenpromotion von Michail S. Gorbatschow durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster. In: Nr. 52 Nach 20 Jahren Perestrojka – Wege zu einer neuen Weltordnung. S. 77¢93 (220¢237). 235. Modern Society and Global Legal System as Normative Order of Primary and Secondary Social Systems: An Outline of a Communication Theory of Law. In: ProtoSociology: An International Journal of Interdisciplinary Research 26 (2009), S. 121 – 149. 236. Moderne Rechtstheorie als Theorie primärer und sekundärer sozialer Systeme. In: Neuer Mensch und kollektive Identität in der Kommunikationsgesellschaft. Hrsg. von Gerhard Preyer. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 249¢271. 237. Modernization or Globalization of the Legal Order? Law as Normative Structure and Unity of Primary and Secondary Social Systems. In: Filosofia e Teoria Geral do Direito: Estudos em homenagem a Tercio Sampaio Ferraz Junior por seu septuagésimo Aniversário. Hrsg. von João Maurício Adeodato und Eduardo C. B. Bittar, São Paulo 2010, S. 1110 – 1138. 238. Narrative Jurisprudenz oder Theorie der Rechtskommunikation? Überlegungen zu einer Geschichtenphänomenologie des Rechts. In: Festschrift für Jan Schapp zum siebzigsten Geburtstag. Hrsg. von Patrick Gödicke, Horst Hammen, Wolfgang Schur und Wolf-Dietrich Walker. Tübingen: Mohr Siebeck 2010, S. 311¢327. 239. Multiple Modernität in den juristischen Zeitschriften ¢ Rechtstheorie ist super! In: Iuridica International. Law Review University of Tartu XVII (2010), S. 11¢18.
Bibliographie Werner Krawietz
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240. Verhältnis von Öffentlichem Recht und Sozialwissenschaften in normen- und handlungstheoretischer Perspektive. In: Perspektiven des Öffentlichen Rechts. Festgabe 50 Jahre Assistententagung Öffentliches Recht. Hrsg. von Marcel Dalibor, Alfred G. Debus, Florian Gröblinghoff u. a. Baden-Baden: Nomos 2011, S. 151¢165. 241. Juriditseskaja kommunikatsija v sovremennykh pravovykh sistemakh v teoretiko-pravovoj perspective [Juridische Kommunikation im modernen Rechtssystem in rechtstheoretischer Perspektive]. In: Pravovedenie [Jurisprudence], N. 5, 2011, S. 8¢26. Ins Russische übertragen von Mikhail Antonov. 242. Sovremennoe pravo i sistema prava v perspective kommunikativnoj teoria [The Contemporary Law and the System of Law in the Perspective of the Communicative Theory]. In: Rossijskij ezhegodnik teorii prava [Russian Yearbook of Legal Theory], Nr. 4, 2011, S. 168¢179. Ins Russische übertragen von Sergey Korolev. 243. Haupt- und Gegenströmungen in der juristischen Methodik und ihre rechtstheoretischen Implikationen. In: Das Enthymem. Zur Rhetorik des juridischen Begründens. Interdisziplinäres Symposion zur Methode und Theorie der Rechtsrhetorik an der FernUniversität Hagen vom 29.¢30. April 2011. Sonderheft Rechtsrhetorik. Hrsg. von Katharina Gräfin von Schlieffen. Berlin: Duncker & Humblot 2012 (Rechtstheorie 42 (2011), Heft 4), S. 457¢494. 243a Normativer Wille und Emergenz des Rechts im Rechtssystem der modernen Gesellschaft (nicht veröffentlicht). Vortrag im Rahmen eines dreitägigen Deutsch-Russischen Workshops „Modernes Recht und Rechtssystem in normen- und handlungstheoretischer Perspektive“ in der Staatsuniversität Sankt Petersburg am 9. September 2011. 243b Aporien der Rechtskommunikation – Blinde Flecken in der Beobachtung des Rechts (nicht veröffentlicht). Vortrag im Rahmen des Deutsch-Russischen Konferenz „Rechtskommunikation und moderner Staat“ im Institut für Staat und Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau am 24. November 2011. 244. Ausdifferenzierung des modernen Rechtssystems und normative strukturelle Kopplung ¢ sozietal oder sozial? In: Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen. Hrsg. von Georg Peter/Reuß-Markus Krauße. Frankfurt: Springer VS 2012, S. 73¢101. 245. Narrativnaja jurisprudentsija ili teorija pravovoj kommunikatsii. Razmyshlenija o fenomenologii povestvovanija prava? [Narrative Jurisprudenz oder Theorie der Rechtskommunikation? Überlegungen zu einer Geschichtenphänomenologie des Rechts]. In: Pravovedenie [Jurisprudence], Nr. 1, 2012, S. 18 – 32. Ins Russische übertragen von Marina Bajteeva. 245a Evolution und Entwicklung von Rechtssystemen in der Globalgesellschaft – Auf dem Wege zu einer Weltrechtsgemeinschaft) (nicht veröffentlicht). Vortrag im Rahmen der Rechtsstaatsinitiative der Deutschen Bundesregierung auf der 2. Deutsch-Russischen Konferenz „Rechtskommunikation und Ausdifferenzierung des Rechts in staatlich organisierten Rechtssystemen“ am 17. Juli 2012 in Moskau.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
245b Rechtskommunikation und Ausdifferenzierung des Rechtssystems (nicht veröffentlicht). Vortrag im Rahmen der Deutsch-Russischen Konferenz „Rechtskommunikation im modernen Rechtssystem“ am 6. Dezember 2012 in Sankt Petersburg. 246. Posthegemoniale Strukturen des modernen Rechts – Ein Dialog der Zivilisationen? In: Rechtstheorie 43 (2012), S. 483¢493. Bericht über die Jahrestagung des Rhodes World Public Forum „Dialogue of Civilisations“ vom 03.–08. Oktober 2012 in Rhodos auf Rhodos. 247. Rechtskommunikation im modernen Rechtssystem. In: Rechtstheorie 44 (2013), [erscheint in Heft 4/2013]. Zusammen mit Athanasios Gromitsaris und Klaus Veddeler. Russische Übersetzung von Mikhail Antonov: Pravovaja kommunikatisja v sovremennoj pravovoj sisteme. In: Pravovedenie [Jurisprudence] 5 (2013), [im Druck]. 247a Rechtskommunikation und normativ-soziale Reflexion im sozietalen Rechtssystem und im Rechtswissenschaftssystem, in: Clemens Jabloner et al. (Hrsg.), Gedenkschrift Robert Walter, Wien 2013, S. 345 – 364. 247b A New Concept of Law and Justice – Hegemonial Legal Systems and Beyond (nicht veröffentlicht). Invited Paper, Vortragender und Teilnehmer des Round Table „The Concept of Law and Justice in The European Tradition“, III. St. Petersburg International Legal Forum am 16. Mai 2013 in Sankt Petersburg, Chairman: Alexander Konovalov, Minister of Justice of the Russian Federation.
Bibliographie Werner Krawietz
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D. Rezensionsabhandlungen, Rezensionen und Buchanzeigen 248. Eric J. Hobsbawm: Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. von H. Maus und F. Fürstenberg. Neuwied 1962. 269 S. (Soziologische Texte, Bd. 14). In: Der Staat 3 (1964), S. 128. 249. John Wild: Human Freedom and Social Order. An Essay in Christian Philosophy. Durham, N. C. 1959. XI, 250 S. Ebd. 4 (1965), S. 258. 250. The Public Interest. Ed. by C. J. Friedrich. New York 1962. XIII, 256 S. (Nomos V, Yearbook of The American Society for Political and Legal Philosophy). Ebd., S. 516¢520. 251. Johannes Messner: Der Eigenunternehmer in Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Heidelberg/Löwen 1964. 163 S. (Sammlung Politeia, Bd. XVII). Ebd. 5 (1966), S. 136. 252. Ossip K. Flechtheim: Von Hegel zu Kelsen. Rechtstheoretische Aufsätze. Berlin 1963. 88 S. Ebd. 6 (1967), S. 128¢131. 253. Rupert Hofmann: Logisches und metaphysisches Rechtsverständnis. Zum Rechtsbegriff Hans Kelsens. München 1967. 134 S. (Epimeleia. Beiträge zur Philosophie, Bd. 6). Ebd. 8 (1969), S. 99¢101. 254. Ernst E. Hirsch: Das Recht im sozialen Ordnungsgefüge. Berlin 1966. 360 S. (Schriftenreihe des Instituts für Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung an der Freien Universität Berlin, Bd. 1). Ebd., S. 543¢544. 255. Erich Küchenhoff: Möglichkeiten und Grenzen begrifflicher Klarheit in der Staatsformenlehre. Berlin 1967. 1. Halbbd.: XV, 590 S. 2. Halbbd.: S. 591¢958 (Schriften zur Politischen Wissenschaft, Bd. 1). In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 125 (1969), S. 760¢762. 256. Erhard Denninger: Rechtsperson und Solidarität. Ein Beitrag zur Phänomenologie des Rechtsstaates unter besonderer Berücksichtigung der Sozialtheorie Max Schelers. Frankfurt a.M. 1967. XI, 342 S. In: Der Staat 9 (1970), S. 536¢540. 257. Joseph Raz: The Concept of A Legal System. An Introduction to the Theory of Legal System. Oxford 1970. IX, 212 S. In: Rechtstheorie 1 (1970), S. 127. 258. Bernhard Dombek: Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie. Berlin 1969. 99 S. (Schriftenreihe zur Rechtssoziologie und Rechtstatsachenforschung, Bd. 15). Ebd., S. 127¢128. 259. Rüdiger Lautmann: Freie Rechtsfindung und Methodik der Rechtsanwendung. Diss. Würzburg 1967. XXVII, 143 S. Ebd., S. 252.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
260. Franz Horak: Rationes Decidendi. Entscheidungsbegründungen bei den älteren römischen Juristen bis Labeo. Innsbruck 1969. XIV, 311 S. Ebd., S. 255¢256. 261. R. W. M. Dias: Jurisprudence, 3. Aufl. London 1970. LXVIII, 606 S. Ebd., S. 256. 262. Felix Ermacora: Allgemeine Staatslehre. Vom Nationalstaat zum Weltstaat. Berlin 1970. 2 Bände. XXXI, 1251 S. In: Rechtstheorie 2 (1971), S. 126¢127. 263. Die Funktion des Rechts in der modernen Gesellschaft. Hrsg. von Rüdiger Lautmann/ Werner Maihofer/Helmut Schelsky. Bielefeld 1970. 497 S. (Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 1). Ebd., S. 127¢128. 264. Rupert Scholz: Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem. München 1971. XVIII, 417 S. Ebd., S. 254¢255. 265. Heino Kaack: Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems. Opladen 1971. 750 S. Ebd., S. 255¢256. 266. Adalbert Podlech: Gehalt und Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. Berlin 1971. 315 S. In: Neue Juristische Wochenschrift 24 (1971), S. 1929. 267. Louis C. Midgley: Beyond Human Nature: The Contemporary Debate over Moral Natural Law. Provo, Utah 1968. IV, 134 S. In: Der Staat 11 (1972), 423¢424. 268. Politiker des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Rolf K. Hocˇevar, Hans Maier und Paul Ludwig Weinacht. München 1970/71. Bd. 1: Die Epoche der Weltkriege. XVII, 386 S. Bd. 2: Die geteilte Welt. XVII, 469 S. Ebd., S. 424¢425. 269. Gerd Roellecke: Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz. Mainz 1969. 316 S. In: Rechtstheorie 3 (1972), S. 125¢126. 270. Thomas Raiser: Einführung in die Rechtssoziologie. Berlin 1972. XI, 99 S. Ebd., S. 127¢128. 271. Rechtssoziologie und Rechtspraxis. Hrsg. von Wolfgang Naucke und Paul Trappe. Neuwied/Berlin 1970. 348 S. Ebd., S. 128. 272. Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen. Vorträge und Diskussionsbeiträge der 36. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer 1968: Berlin 1968. 190 S. (Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 39). In: Archiv des öffentlichen Rechts 97 (1972), S. 486¢487.
Bibliographie Werner Krawietz
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273. Arthur Kaufmann/Winfried Hassemer: Grundprobleme der zeitgenössischen Rechtsphilosophie und Rechtstheorie. Frankfurt a.M. 1971. 76 S. In: Rechtstheorie 4 (1973), S. 121. 274. Positivismus im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Jürgen Blühdorn und Joachim Ritter. Frankfurt a.M. 1971. 201 S. Ebd., S. 121¢122. 275. Joachim Hruschka: Das Verstehen von Rechtstexten. München 1972. VIII, 102 S. Ebd., S. 124. 276. Law and the Behavioral Sciences. Ed. by Lawrence M. Friedman and Stewart Macauly. Indianapolis 1969. XXXV, 1059 S. Ebd., S. 125¢126. 277. Norbert Reich: Sozialismus und Zivilrecht. Frankfurt a.M. 1972. 363 S. Ebd., S. 126¢127. 278. Friedrich Müller: Juristische Methodik. Berlin 1971. 202 S. In: Der Staat 12 (1973), S. 274¢275. 279. Wolfgang Kilian: Juristische Entscheidung und elektronische Datenverarbeitung. Darmstadt 1974. XII, 326 S. In: Rechtstheorie 5 (1974), S. 117¢119. 280. Althusius-Bibliographie. Bibliographie zur politischen Ideengeschichte und Staatslehre, zum Staatsrecht und zur Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner. Bearbeitet von Dieter Wyduckel. Berlin 1973. Bd. 1: LVII, 4 S. Abb., 612 S. Bd. 2: IV, 613¢1084 S. Ebd., S. 122¢123. 281. Enzyklopädie der Geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Hrsg. von Manfred Thiel. 11. Lieferung: Methoden der Rechtswissenschaft Teil I. Dargestellt von Josef Esser, Karl Engisch, Thomas Würtenberger, Friedrich Müller, Rudolf Bruns. München/Wien 1972. 216 S. Ebd., S. 125. 282. Niklas Luhmann: Rechtssystem und Rechtsdogmatik. Stuttgart 1974. 99 S. Ebd., S. 125¢126. 283. Rolf-Peter Callies: Theorie der Strafe im demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Ein Beitrag zur strafrechtsdogmatischen Grundlagendiskussion. Frankfurt a.M. 1973. 237 S. Ebd., S. 126¢127. 284. Winfried Hassemer: Theorie und Soziologie des Verbrechens. Ansätze zu einer praxisorientierten Rechtsgutslehre. Frankfurt a.M. 1973. 268 S. Ebd., S. 127. 285. Günter Wiswede: Soziologie abweichenden Verhaltens. Stuttgart 1973. 199 S. Ebd., S. 127¢128. 286. David Matza: Abweichendes Verhalten (Originaltitel: Becoming Deviant. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Tobias Rülcker). Heidelberg 1973. 237 S. Ebd., S. 128.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
287. Klaus F. Röhl: Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung. Tübingen 1974. X, 324 S. Ebd., S. 253¢254. 288. Knut Amelung: Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft. Untersuchungen zum Inhalt und Anwendungsbereich eines Strafrechtsprinzips auf dogmengeschichtlicher Grundlage. Frankfurt a.M. 1972. XVI, 439 S. Ebd., S. 255. 289. Michael Marx: Zur Definition des Begriffs ,Rechtsgut‘. Prologomena einer materialen Verbrechenslehre. Köln 1972. VIII, 110 S. Ebd., S. 255. 290. Hanna Fenichel Pitkin: Wittgenstein and Justice. On the Significance of Ludwig Wittgenstein for Social and Political Thought. London 1972. XV, 360 S. In: Der Staat 13 (1974), S. 586¢588. 291. Günter Schulte: Das Auge der Urania. Bilder und Gedanken zur Einführung in Erkenntnistheorie. Frankfurt a.M. 1975. 224 S. In: Rechtstheorie 6 (1975), S. 143. 292. Christian-Friedrich Menger: Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Eine Einführung in die Grundlagen. Karlsruhe 1975. VIII, 224 S. Ebd., S. 251¢252. 293. Anton Friedrich Justus Thibaut: Theorie der logischen Auslegung des Römischen Rechts. 1. Aufl. 1799. Photomechanischer Nachdruck der 2. Aufl. Altona 1806. Mit einer Einleitung von Lutz Geldsetzer. Düsseldorf 1966. LIII, 191 S. Ebd., S. 253¢254. 294. W. A. Tumanow: Bürgerliche Rechtsideologie. (Moskau 1971). Aus dem Russischen übersetzt von Anni Helmbrecht. Redaktion der deutschsprachigen Fassung: Reiner Arlt und Wolfgang Seiffert. Berlin (Ost) 1975; Köln 1975. 345 S. Ebd., S. 255. 295. Einführung in die utilitaristische Ethik. Hrsg. von Otfried Höffe. München 1975. 196 S. Ebd., S. 255¢256. 296. Wilfried Löwenhaupt: Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken. John Austin (1790¢1859) und die „Philosophie des positiven Rechts“. Berlin 1972. 386 S. Ebd., S. 256. 297. Friedrich Müller: Juristische Methodik und Politisches System: Elemente einer Verfassungstheorie II. Berlin 1976. 127 S. Ebd. 7 (1976), S. 118¢119. 298. Ingeborg Maus: Bürgerliche Rechtstheorie und Faschismus. Zur sozialen Funktion und aktuellen Wirkung der Theorie Carl Schmitts. München 1976. 195 S. Ebd., S. 119¢120. 299. Bernhard Giese: Das Würde-Konzept. Eine normfunktionale Explikation des Begriffes Würde in Art. 1 Abs. 1 GG. Berlin 1975. 112 S. (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 45). Ebd. 8 (1977), S. 254.
Bibliographie Werner Krawietz
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300. Heinrich Henkel: Einführung in die Rechtsphilosophie. 2. Aufl. München 1977. VIII, 573 S. Ebd., S. 254¢255. 301. Manfred Rehbinder: Internationale Biographie der rechtssoziologischen Literatur. 2. Aufl. Berlin 1977. X, 124 S. Ebd., S. 256. 302. Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten. Hrsg. von Gerd Kleinheyer und Jan Schröder. Karlsruhe/Heidelberg 1976. 392 S. Ebd. 9 (1978), S. 123. 303. Vilmos Peschka: Grundprobleme der modernen Rechtsphilosophie. Aus dem Ungarischen von Margit Dusa-Nagy. Budapest 1974. 236 S. Ebd., S. 123¢124. 304. Martin Kriele: Die Menschenrechte zwischen Ost und West. Köln 1977. 176 S. Ebd., S. 255¢256. 305. Bibliographie Juristischer Festschriften und Festschriftenbeiträge. Deutschland ¢ Schweiz ¢ Österreich. Bearbeitet von Helmut Dau. Bd. 1: 1945¢1961. Heidelberg 1962, VIII, 176 S. Bd. 2: 1962¢1966. Bielefeld 1967. VIII, 195 S. Bd. 3: 1967¢1974. Bielefeld 1977. VIII, 546 S. Ebd., S. 256. 306. Die Grundrechte in der Europäischen Gemeinschaft. Hrsg. vom Arbeitskreis Europäische Integration. Baden-Baden 1978. 68 S. (Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration e. V., Bd. 2). Ebd., S. 384. 307. Probleme der Verfassungsinterpretation. Hrsg. von Ralf Dreier und Friedrich Schwegmann. Baden-Baden 1976. 353 S. Ebd., S. 384. 308. Human Rights. Ed. by Eugene Kamenka and Alice Erh-Soon Tay. London 1978. VII, 148 S. Ebd., S. 510¢511. 309. Peter Paul Müller-Schmid: Emanzipatorische Sozialphilosophie und pluralistisches Ordnungsdenken. Stuttgart-Degerloch 1977. 288 S. Ebd., S. 511. 310. Handbuch der christlichen Ethik. Hrsg. von Anselm Hertz, Wilhelm Korff, Trutz Rendtorff und Hermann Ringeling. Freiburg 1978. Bd. 1: 519 S. Bd. 2: 559 S. Ebd., S. 511¢512. 311. Hendrik Jan van Eikema Hommes: Major Trends in the History of Legal Philosophy. Amsterdam 1979. 442 S. Ebd. 10 (1979), S. 123¢124. 312. Peter Häberle: Verfassung als öffentlicher Prozeß. Materialien zu einer Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft. Berlin 1978. 723 S. (Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 353). Ebd., S. 125.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
313. Der Einfluß der Reinen Rechtslehre auf die Rechtstheorie in verschiedenen Ländern. Hrsg. vom Hans Kelsen-Institut. Wien 1978 186 S. (Schriftenreihe des Hans Kelsen-Instituts, Bd. 2). Ebd., S. 125¢126. 314. Jürgen Kuczynski: Theodor Mommsen ¢ Porträt eines Gesellschaftswissenschaftlers. Mit einem Kapitel über Mommsen, den Juristen, von Hermann Klenner. Berlin (Ost) 1978. 277 S. Ebd., S. 126¢127. 315. Andrés Ollero: Rechtswissenschaft und Philosophie. Grundlagendiskussion in Deutschland. Aus dem Spanischen von Wolf Paul. Ebelsbach a.M. 1978. 64 S. (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Bd. 33). Ebd., S. 128. 316. Klassische Texte der Staatsphilosophie. Hrsg. von Norbert Hoerster. München 1976. 310 S. (dtv-bibliothek Literatur ¢ Philosophie ¢ Wissenschaft, 6067). Ebd., S. 253¢254. 317. Norbert Hoerster: Recht und Moral. Texte zur Rechtsphilosophie. München 1977. 241 S. (dtv-bibliothek Literatur ¢ Philosophie ¢ Wissenschaft, 6083). Ebd., S. 253¢254. 318. Heinrich Hubmann: Wertung und Abwägung im Recht. Köln 1977. 169 S. Ebd., S. 254¢255. 319. Reine Rechtslehre und marxistische Rechtstheorie. Hrsg. von Hans Kelsen-Institut. Wien 1978. 212 S. (Schriftenreihe des Hans Kelsen-Instituts, Bd. 3). Ebd., S. 255¢256. 320. Johannes Bernardus Marie Vranken: Kritiek en Methode in de rechtsvinding. Een onderzoek naar de betekenis van de hermeneutik van H. G. Gadamer voor de analyse van het rechterlijk beslissingsgebeuren. Deventer 1978. XII, 438 S. Ebd., S. 507. 321. Robert Alexy: Begriff und Geltung des Rechts. Freiburg i. Br./München 1992. 215 S. (Alber-Reihe Rechts- und Sozialwissenschaft). In: Nr. 24 Rechtsstaat ¢ Ursprung und Zukunft einer Idee. 1993, S. 249¢250. 322. Peter Koller: Theorie des Rechts. Eine Einführung. Wien/Köln 1992. 323 S. (Böhlau Studienbücher). Ebd., S. 250¢252. 323. Walter Ott: Der Rechtspositivismus. Kritische Würdigung auf der Grundlage eines juristischen Pragmatismus. Zweite, überarb. und erw. Aufl. Berlin 1992. 282 S. (Erfahrung und Denken, Bd. 45). Ebd., S. 252¢253. 324. Gesellschaftstheorie und Normentheorie. Symposium zum Gedenken an Theodor Geiger. Hrsg. von Urs Fazis und Jochen C. Nett. Basel 1993. VI, 319 S. (Social Strategies, Vol. 25). Ebd., S. 254¢258.
Bibliographie Werner Krawietz
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325. Die serbische Philosophie heute. Hrsg. von Mihailo Djuric´ und Slobodan Zˇunjic´. München 1993. 320 S. (Geschichte, Kultur und Geisteswelt des Südslaven. Neue Serie. Bd. IV). Ebd., S. 258. 326. Werner Gephart: Gesellschaftstheorie und Recht. Das Recht im soziologischen Diskurs der Moderne. Frankfurt a.M. 1993. 637 S. In: Rechtstheorie 25 (1994), S. 550¢551. 327. Alexander Somek: Rechtssystem und Republik. Über die politische Funktion des systematischen Denkens. Wien/New York 1992. XIV, 622 S. (Forschungen aus Staat und Recht, Bd. 98). In: Rechtstheorie 26 (1995), S. 135¢138. 328. Ota Weinberger: Wahrer Glaube, Agnostizismus und Logik der theologischen Argumentation. Berlin 2004. 117 S. In: Rechtstheorie 35 (2004), S. 282 f. 329. Carl Schmitt und Álvaro d’Ors: Briefwechsel. Hrsg. von Montserrat Herrero. Berlin 2004. 352 S. Ebd. 330. Carl Schmitt: Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europeaum. 4. Aufl. Berlin 1997. 308 S. Ebd. 331. Carl Schmitt: Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916¢1969. Berlin 1995, XXX, 668 S. Ebd. 332. Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Berlin 1991. 82 S. Ebd.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
E. Diskussionsbeiträge, Editorials, Geleit- und Vorworte, Glückwunschadressen und Nachrufe I. Diskussionsbeiträge 333. Beitrag zum ersten Beratungsgegenstand „Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung“ auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Augsburg vom 1. bis 4. Oktober 1975. In: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 34 (1976), S. 114¢115. 334. Diskussionsbeiträge. In: Recht und Institution. Helmut Schelsky-Gedächtnissymposion Münster 1985. Hrsg. von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster. Berlin: Duncker & Humblot 1985, S. 71¢73, 76¢77, 83¢85, 85, 89, 95¢96, 98, und 101. Podiumsdiskussion mit den Referenten Ernst-Joachim Mestmäcker, Ota Weinberger und Hermann Lübbe. Diskussionsleitung: Werner Krawietz. 335. Beiträge zu Aleksander Peczenik „Die Rationalität der juristischen Argumentation: Dialog, Logik und Wahrheit“. In: Rechtsprechungslehre. Internationales Symposium Münster 1984. Hrsg. von Norbert Achterberg. Köln/Berlin: Carl Heymanns Verlag 1986, S. 304 u. 310. 336. Beiträge zu Herbert Fiedler „Logische Struktur und informationstechnische Unterstützung richterlicher Rechtsprechung“. Ebd., S. 320, 321, 322 u. 326. 337. Beiträge zu Hannu Tapani Klami „Gewohnheitsrecht als Methodenproblem“. Ebd., S. 370, 372, 375 u. 376. 338. Repliken auf die Diskussionsbeiträge zu Werner Krawietz „Zur Korrelation von Rechtsfrage und Tatfrage in der Rechtsanwendung. Strukturprobleme im Theoriedesign einer möglichen Rechtsprechungslehre“ (siehe auch Nr. 130). Ebd., S. 554, 557¢559, 559 f., 563. 339. Beiträge zu Thomas Fleiner-Gerster „Rechtsvergleichende Überlegungen zur Funktion der Rechtsprechung im Verwaltungs- und Verfassungsrecht“. Ebd., S. 673¢675, 676 u. 679 f. 340. Diskussionsbeitrag zu Alois Troller „Juristische und metajuristische Determinanten der Rechtsprechung im Zivilprozeß“. Ebd., S. 725¢727. 341. Gemeinwohl als Leerformel. In: Glaube und Gemeinwohl. Kongreß der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und der Universität Bayreuth. Hrsg. von Wilhelm F. Kasch und Klaus Dieter Wolff. Paderborn/München: Ferdinand Schöningh 1986 (Bayreuther Kolloquium zu Problemen religiöser Sozialisation, Bd. 4), S. 176¢179. 342. Differenzierung der Gemeinwohlproblematik ¢ Stufen des Gemeinwohls. Ebd., S. 186¢188. 343. Zum Theoriedefizit in der Gemeinwohldiskussion. Ebd., S. 194¢196. 344. Diskussionsbeitrag zu Ulrich Karpen „Gesetzgebungslehre und Rechtsprechungslehre“. In: Nr. 28 Rechtsprechungslehre. 1992, S. 66¢67. 345. Repliken auf die Diskussionsbeiträge zu Werner Krawietz „Akzeptanz von Recht und Richterspruch? Geltungsgrundlagen normativer Kommunikation im Bereich des Rechts“ (siehe auch Nr. 156). Ebd., S. 528 und 530¢544. 346. Diskussionsbeiträge zur Podiumsdiskussion mit Ernst Benda, Friedrich-Adolf Jahn und Raimund Wimmer. Ebd., S. 650, 655, 666 und 673¢674. 346a Rhodos Forum 2013. World Public Forum „Dialogue of Civilizations“ vom 2.¢6. Oktober 2013. Workshop, Roundtable and Key Speaker: „Family Business as a Guarantor and Engine of Modern Societies“ (Bericht für den Druck in Vorbereitung).
Bibliographie Werner Krawietz
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II. Editorials, Geleit- und Vorworte 347. Vorwort. In: Nr. 7 Deutsche Schulgesetzgebung. 1968, S. 7¢8. Zusammen mit Leonhard Froese. 348. Vorwort der Herausgeber. In: Nr. 9 Recht und Gesellschaft. 1978, S. V¢VII. 349. Redaktionelles Vorwort des Mitherausgebers. In: Politik und Kultur 5 (1978), Heft 5, S. 3. Berliner Tagung betr. Menschenrechte und Grundfreiheiten als evolutionäre Universalien. Siehe auch Nr. 98. 350. Hinweis. In: Helmut Schelsky. Thomas Hobbes ¢ Eine politische Lehre. Berlin: Duncker & Humblot 1981, S. 17. Erstmaliger, nach Emeritierung von Helmut Schelsky mit dessen Einwilligung von Werner Krawietz besorgter und überwachter Druck der Habilitationsschrift Schelskys aus dem Jahre 1939. Obwohl seinerzeit die Fahnen schon vorgelegen hatten, kam der endgültige Druck damals nicht zustande, weil die Papierzuteilung für ein Hobbes-Buch im Jahre 1942 versagt wurde. 351. Vorwort. Juristische Argumentation und Argumentationstheorien auf dem Prüfstand. In: Nr. 13 Metatheorie juristischer Argumentation. 1983, S. 3¢8. 352. Vorwort der Herausgeber. In: Nr. 14 Recht und Staat im sozialen Wandel. 1983, S. 5¢8. 353. Internationales Symposion: Problemas Actuales de la Teoria General del Derecho vom 20. bis 24. August 1984 in Buenos Aires. In: Rechtstheorie 15 (1984), S. 393. 354. Vorwort. In: Nr. 15 Objektivierung des Rechtsdenkens. 1984, S. V¢VI. Zusammen mit Theo Mayer-Maly und Ota Weinberger. 355. Vorwort. In: Nr. 16 Rechtssystem und gesellschaftliche Basis bei Hans Kelsen. 1984, S. 5¢8. 356. Vorwort der Herausgeber. In: Nr. 17 Theorie der Normen. 1984, S. V¢IX. 357. Vorwort. In: Japanisches und europäisches Rechtsdenken. 1985 (siehe auch Nr. 123), S. 129¢130. 358. Vorwort. In: Nr. 18 Helmut Schelsky als Soziologe und politischer Denker. 1985, S. 7¢8. Zusammen mit Ota Weinberger. 359. Vorwort. In: Recht und Institution. Helmut Schelsky-Gedächtnissymposion Münster 1985. Hrsg. von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster. Berlin: Duncker & Humblot 1985, S. 5¢8. 360. Editorial: Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung für ausländische Geisteswissenschaftler an Georg Henrik von Wright. In: Rechtstheorie 18 (1987), S. 1. 361. Vorwort. In: Nr. 22 Politische Theorie des Johannes Althusius. 1988, S. 5¢8. 362. Wo stehen wir heute? Aktuelle Aufgaben einer Theorie und Soziologie des Rechts. In: Aisulv^tgr: Wqovij\ tgr joivyviokoc_ar to} dija_ou [Aissymnètès: Annales de la sociologie du droit] 1 (1988), S. 22¢27. Zum Erscheinen dieser Zeitschrift mit griechischer Übersetzung von Antonis Chanos und Athanasios Gromitsaris u. d. T.: Waiqetislos. Ebd., S. 17¢22. 363. Werkstatt Recht: Verfassung und politische Herrschaftsstrukturen in vergleichender Perspektive. In: Lateinamerika und Europa im Dialog. Hrsg. von Hans-Uwe Erichsen. Berlin: Duncker & Humblot 1989, S. 295¢296.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel Bericht aus dem Workshop Recht des Lateinamerika-Kongresses der Universität Münster vom 28. September bis 3. Oktober 1987.
364. Editorial: Münsteraner Disputationen mit Georg Henrik von Wright. In: Rechtstheorie 20 (1989), S. 3. 365. Editorial: Legitimität des Rechts in der modernen Gesellschaft. Internationales Symposion in Tampere/Finnland. Ebd., S. 137. 366. Deutsche Soziologie heute ¢ Herkunft und Selbstverständnis der Soziologie in der Bundesrepublik. Ebd. 21 (1990), S. 209. Redaktionelle Vorbemerkung zum Abdruck eines Luhmann-Interviews im Deutschlandfunk. Ebd., S. 209¢216. 367. Editorisches Vorwort/Editorial Preface. Von Mitsukuni Yasaki und Werner Krawietz [in Deutsch und Englisch]. In: 1. Biotechnologie, Ethik und Recht im wissenschaftlichen Zeitalter. 1991 (siehe auch Nr. 58), S. IX¢XII. 2. Konstitutionalismus versus Legalismus. 1991 (siehe auch Nr. 58), S. IX¢XII. 3. Technischer Imperativ und Legitimationskrise des Rechts. 1991 (siehe auch Nr. 24 u. Nr. 58), S. V¢VIII. 4. Monismus oder Pluralismus der Rechtskulturen? 1991 (siehe auch Nr. 58), S. V¢VIII. 368. Neue Theorie rechtlicher Verantwortung als Aufgabe moderner Rechtsethik? In: Biotechnologie, Ethik und Recht im wissenschaftlichen Zeitalter. 1991 (siehe auch Nr. 58), S. XIII¢XV. 369. Editorial: Analyomen ¢ Perspektiven der Analytischen Philosophie. In: Rechtstheorie 23 (1992), S. 1¢2. 370. Editorial: Franz Weyr und die Brünner Schule einer normativen Theorie des Rechts. Ebd., S. 147¢148. 371. Vorwort der Herausgeber. In: Nr. 28 Rechtsprechungslehre. 1992, S. V¢VI. 372. Grußwort des Vorsitzenden. Ebd., S. 629¢630. Betr. Abschlußveranstaltung des Zweiten Internationalen Symposiums Rechtsprechungslehre in Münster 1988 mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts a. D. Prof. Dr. Ernst Benda, dem Parlamentarischen Staatssekretärs a. D. Dr. Friedrich-Adolf Jahn und dem Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Raimund Wimmer. 373. Vorwort. In: Nr. 25 Kritik der Theorie sozialer Systeme. 1992, S. 9¢13. Zusammen mit Michael Welker. 374. Naturverhältnis und Menschenrechte im Perspektivismus. In: Nr. 27 Recht und Natur. 1992, S. V¢VIII. Zusammen mit Volker Gerhardt. 375. Editorial: Hat der Rechtsstaat in Jugoslawien eine Zukunft? Vom Ringen um Begriff und Idee des modernen Staates in den postrealsozialistischen Rechtssystemen. In: Nr. 30 Rechtsstaat ¢ Ursprung und Zukunft einer Idee. 1993, S. 1¢4. 376. Vorwort. In: Nr. 29 Institution und Recht. 1993, S. V¢VIII. 377. Editorial: Interdisziplinarität und Internationalität. Zur Eröffnung des Zentrums für Höhere Studien der Universität Leipzig. In: Rechtstheorie 26 (1995). S. 1¢2.
Bibliographie Werner Krawietz
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378. Editorial: Kann Variabilität des Rechts die Stabilität eines Rechtssystems gewährleisten? In: Nr. 34 Verfassungsstaat, Stabilität und Variabilität des Rechts im modernen Rechtssystem. 1995, S. 261¢264. 379. Editorial: Logik und Psychologie im Kreise der Wissenschaften von Normen und Handlungen. In: Rechtstheorie 27 (1996), S. 133¢134. 380. Vorwort. In: Nr. 36 Normative Systems in Legal and Moral Theory. 1997, p. IV¢IX. In Verbindung mit E. Garzón Valdés, G. H. v. Wright und R. Zimmerling als Mitherausgebern. 381. Editorial: On Alchourrón y Bulygin’s Normative Systems. In: Rechtstheorie 28 (1997), S. 251¢252. 382. Editorial: Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung für ausländische Geisteswissenschaftler an Aulis Aarnio. In: Rechtstheorie 28 (1997), S. 397. 383. Editorial: Wahrheit und Vernunft versus Recht? Zur Neuen Unübersichtlichkeit von Prinzipien und Prozeduren. In: Nr. 38 System der Rechte, Demokratischer Rechtsstaat und Diskurstheorie des Rechts nach Jürgen Habermas. 1998, S. 271¢274. 384. Editorial: Pax optima rerum – Das politische und rechtliche System des Westfälischen Friedens von 1648 als Vorlaufentwicklung des modernen Europa. In: Der Westfälische Frieden in rechts- und staatstheoretischer Perspektive. Sonderheft Westfälischer Frieden. Hrsg. v. Olav Moorman van Kappen und Dieter Wyduckel. Berlin: Duncker & Humblot 1999, S. 137¢138. [Rechtstheorie 29 (1998), Heft 2]. 385. Editorial: Rechtssysteme und Rechtstheorien im Widerstreit – Dialog der Kulturen oder Clash of Civilizations? In: Nr. 40 Konvergenz oder Konfrontation? 1999, S. 259¢262. 386. Vorwort. In: Aulis Aarnio. Theorie der Rechtsgemeinschaften und der Rechtserfahrung in Otto Brusiins Allgemeiner Rechtslehre. Münster: LIT 1999, S. 7¢10 [Münsterische Juristische Vorträge, Bd. 3]. 387. Vorwort der Herausgeber. In: Nr. 43 Aus intellektuellem Gewissen. 2000, S. 5¢7. 388. Editorial: Rechtstheorie als Kommunikationstheorie des Rechts. In: Nr. 48 Kommunikation und Recht in der modernen Wissensgesellschaft. 2003, S. V–VIII. 389. Editorial: Dialektik von Europäisierung und Globalisierung modernen Rechts im weltgesellschaftlichen Kontext. Zur Modernität staatlich organisierter Rechtssysteme, insbesondere Estlands. In: Nr. 51, Multiple Modernität, Globalisierung der Rechtsordnung und Kommunikationsstruktur der Rechtssysteme 2008, S. 1 – 4 (197 – 200). Gemeinsam mit Raul Narits.
III. Glückwunschadressen 390. Über das Fachgebiet hinaus: Professor Dr. Helmut Schelsky wurde 65 Jahre. In: Nachrichten und Berichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ausgabe Oktober/November 1977, S. 25. 391. Über das engere Fach hinaus. Professor Hans Ulrich Scupin 80 Jahre. In: Nachrichten und Berichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ausgabe vom 4. Mai 1983, S. 19. 392. Glückwunschadresse zum 80. Geburtstag von Alois Troller. In: Nr. 20 Formalismus und Phänomenologie im Rechtsdenken der Gegenwart. 1987, S. V¢VIII. 393. Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung für Professor Georg Henrik von Wright: Recht und Rationalität. In: Rechtstheorie 18 (1987), S. 4¢6.
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Andreas Schemann, Petra Werner und Dieter Wyduckel
394. Juristische Logik im Dienste des Rechts ¢ Glückwunschadresse zum 75. Geburtstag von Ulrich Klug. In: Rechtstheorie 19 (1988), S. 273¢274. 395. Recht und Rationalität. Hommage à Georg Henrik von Wright. In: Georg Henrik von Wright, Wissenschaft und Vernunft. Münster: Regensberg & Biermann 1988, S. 11¢15. 396. Glückwunschadresse zum 90. Geburtstag von Karl Engisch. Juristische Logik und Methodenlehre als materiale Logik des Rechts? In: Rechtstheorie 20 (1989), S. 1¢2. 397. Aulis Aarnio – Analytische Jurisprudenz und Neue Hermeneutik im Dienste des Rechts. In: Aulis Aarnio. Theorie der Rechtsgemeinschaften und der Rechtserfahrung in Otto Brusiins Allgemeiner Rechtslehre. Münster: LIT 1999, S. 17¢24. Vorstellung des Preisträgers Prof. Dr. Dr. h. c. Aulis Aarnio bei der Verleihung des Alexander von Humboldt-Forschungspreises für ausländische Geisteswissenschaftler am 20.11. 1997 in Münster. 398. Hommage à Professor Aulis Aarnio to his 60th Birthday. In: Nr. 41 The Reasonable as Rational? 2000, S. V¢XI.
IV. Nachrufe 399. In memoriam Helmut Schelsky (1912¢1984). Soziologie als Theorie von Recht und Gesellschaft. In: Rechtstheorie 15 (1984), S. 133¢137. 400. Sein Vermächtnis wird fortwirken. Zum Tod von Prof. Dr. Helmut Schelsky. In: Westfälische Nachrichten. Ausgabe vom 28. Februar 1984. 401. Prof. Dr. Helmut Schelsky †. In: Nachrichten und Berichte der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Ausgabe vom 10. April 1984, S. 33. 402. Nachruf Norbert Achterberg. In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 7 (1988), S. 809¢810. 403. In memoriam Prof. Dr. Norbert Achterberg (1932¢1988). In: IVR-Newsletter 1988 (No. 9), S. 2. In englischer Sprache. 404. In memoriam Prof. Dr. Norbert Achterberg (1932¢1988). In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 74 (1988), S. 412¢414. 405. Allgemeine Rechtslehre als Rechtsverhältnistheorie ¢ Zum Gedenken an Norbert Achterberg. In: Rechtstheorie 19 (1988), S. 137¢140. 406. In memoriam Ulrich Klug (1913¢1993). Juristische Logik im Dienste von Recht und Rechtspolitik. In: Juristenzeitung 48 (1993), S. 945¢946. 407. Ulrich Klug (1913¢1993). In memoriam. In: Rivista internazionale di filosofia del diritto LXX (1993), S. 677¢680. In italienischer Sprache. Übersetzt von Amedeo G. Conte. 408. In memoriam H. L. A. Hart (1907¢1993). Analytische Jurisprudenz und Sprachphilosophie im modernen Rechtsdenken ¢ ein rechtstheoretisches Vermächtnis. In: Rechtstheorie 24 (1993), S. 393¢396. 409. Nachruf auf Sir Karl Raimund Popper (1902¢1994). Kritischer Rationalismus in Recht und Rechtswissenschaft. In: Rechtstheorie 25 (1994), S. 553¢558. 410. In memoriam Niklas Luhmann (1927¢1998). Soziologie als Theorie sozialer Systeme. In: Associations 3 (1999), S. 3¢10.
Verzeichnis der Mitarbeiter Aarnio, Aulis, Prof. Dr., Nuijamiehentie 4, 36270 Kangasala, Finnland Adeodato, Joao Mauricio, Prof. Dr., Pc. Fleming 117, 52050 – 180 Recife, Brasilien Antonov, Mikhail, Prof. Dr., Prospect Koroleva, 27 – 1 – 269, 197349 Sankt Petersburg, Russland Belvisi, Francesco, Prof. Dr., University of Modena and Reggio Emilia, Department of Legal Science, Faculty of Law, Via dell’Università 4, 41100 Modena, Italien Bergmann, Wilfried, Prof. Dr. h.c. mult., Mitglied des Vorstandes Petersburger Dialog und Deutsch-Russisches Forum, Schillerstraße 59, 10627 Berlin Broekman, Jan M., Prof. Dr., Katholieke Universiteit Leuven, Centrum voor Grondslagenondersoek van het Recht, Tiensestraat 41, 3000 Leuven, Belgien Bulygin, Eugenio, Prof. Dr., Arroyo 963, 1007 Buenos Aires, Argentinien Chanos, Antonis, Prof. Dr., Panteion Universität, Fachbereich Rechtswissenschaft, Syngrou 136, 17671 Athen, Griechenland Cˇyras, Vytautas, Prof. Dr., Vilnius University, Faculty of Mathematics and Informatics, Naugarduko 24, 03225 Vilnius, Litauen De Giorgi, Raffaele, Prof. Dr., Centro Di Studi Sul Rischio, Università Lecce, 73029 Lecce, Italien García Amado, Juan Antonio, Prof. Dr., Facultad de Derecho, Campus de Vegazana s/n, 24071 León, Spanien García Huidobro, Joaquin, Prof. Dr., Grupo de Investigación en Filosofia Práctica, Instituto de Filosofia, Universidad de los Andes, Av. San Carlos de Apoquindo 2.200, 7620001 Santiago, Chile García Salgado, María José, Prof. Dr., Universidad de Oviedo, Filosofia del Derecho, Campus El Cristo, 33006 Oviedo, Spanien Grafsky, Vladimir, Prof. Dr., Institut für Staat und Recht, Russische Akademie der Wissenschaften, Znamenka 10, 11991 Moskau, Gromitsaris, Athanasios, Lehrstuhlvertretung Technische Universität Dresden, PD Dr., 1160, Chemin du Vierayms, 59270 Meteren, Frankreich Gutmann, Thomas, Prof. Dr., Universität Münster, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtsphilosophie und Medizinrecht, Universitätsstraße 14 – 16, 48143 Münster Hasanbegovicˇ, Jasminka, Prof. Dr., Universität Belgrad, Pravi Fakultet, Bulevar kralja Aleksandra 67, 11000 Belgrad, Serbien
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Verzeichnis der Mitarbeiter
Hoeren, Thomas, Prof. Dr., Universität Münster, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Zivilrechtliche Abteilung, Leonardo-Campus 9, 48149 Münster Kantypenko, Elena, Dipl.-Phil., Dipl.-Jur., M.A., Aspirantur Moskau, c/o Professor Dr. Dr. Werner Krawietz, Universität Münster Kerger, Henry, Dr., Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Archivstraße 1, 01097 Dresden Kervegan, Jean-Francois, Prof. Dr., Université Paris 1/Panthéon-Sorbonne, UFR de Philosophie, 17 Rue de la Sorbonne, 75231 Paris Cedex 05, Frankreich Khamaneva, Natalia J., Prof. Dr., Institut für Staat und Recht, Russische Akademie der Wissenschaften, Znamenka 10, 119019 Moskau, Russland Kirste, Stephan, Prof. Dr., Universität Salzburg, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Churfürststraße 1, 5020 Salzburg, Österreich Korolev, Sergej, Prof. Dr., Akademische Rechtsuniversität, Institut für Staat und Recht, Znamenka 10, 119019 Moskau, Russland La Torre, Massimo, Prof. Dr., Universität Catanzaro, Contrada Mula, 34, 88100 Catanzaro, Italien Lachmayer, Friedrich, Prof. Dr., Tigergasse 12/12, 1080 Wien, Österreich Laffranque, Julia, Prof. Dr., Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte; University of Tartu, Faculty of Law, Näituse 20, 50409 Tartu, Estland Lisitsyn-Svetlanov, Andrey, Prof. Dr., Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, Direktor des Instituts für Staat und Recht, Znamenka 10, 119019 Moskau, Russland Longo, Gianfranco, Prof. Dr., Università degli Studi di Bari, Dipartimento di Scienze Politiche, Piazza Umberto I, 1, 70121 Bari, Italien Lukasheva, Elena A., Prof. Dr., Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, Leiterin des Sektors für Menschenrechte am Institut für Staat und Recht, Znamenka 10, 119019 Moskau, Russland Lundmark, Thomas, Prof. Dr., Universität Münster, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universitätsstraße 14 – 16, 48143 Münster Mamut, Leonid, Prof. Dr., Akademische Rechtsuniversität, Institut für Staat und Recht, Znamenka str. 10, 119841 Moskau, Russland Merusk, Kalle, Prof. Dr., University of Tartu, Faculty of Law, Näituse 20, 50409 Tartu, Estland Narits, Raul, Prof. Dr., University of Tartu, Faculty of Law, Näituse 20, 50409 Tartu, Estland Ollero, Andrés, Prof. Dr., Tribunal Constitucional de España, Domenico Scarlatti, n86, 28003 Madrid, Spanien Paulson, Stanley, L., Prof. Dr., Washington University, School of Law, St. Louis, MO 63130 – 4899, USA Polyakov, Andrey, Prof. Dr., Saint Petersburg State University, Faculty of Law, 7 – 9, Universitetskaya nab., 199034 St. Petersburg, Russland de Prada, Aurelio, Prof. Dr., Paseo de los Artilleros S/N, 28032 Madrid, Spanien
Verzeichnis der Mitarbeiter
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Preyer, Gerhard, Prof. Dr., Goethe-Universität Frankfurt, Fachbereich 03, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main Resta, Eligio, Prof. Dr., University of Roma Tre, Faculty of Law, Via Ostiense, 163, 00154 Roma, Italien Röhl, Klaus F., Prof. Dr., Universität Bochum, Juristische Fakultät, 44780 Bochum Sampaio Ferraz, jun., Tercio, Prof. Dr., Praca das Guianas, 92, 01428 – 30 Sao Paulo, Brasilien Schapp, Jan, Prof. Dr., Licher Straße 76, 35394 Gießen Schemann, Andreas, Rechtsanwalt, Redaktion Rechtstheorie, c/o Prof. Dr. Dr. Werner Krawietz, Universität Münster Schmidt, Volker H., Prof. Dr., Department of Sociology, National University of Singapore, 10 Kent Ridge Crescent, Singapore 119260 Schröder, Rainer, Prof. Dr., Horst-Menzel-Straße 34, 09112 Chemnitz Schulte, Martin, Prof. Dr., TU Dresden, Juristische Fakultät, Bergstraße 53, 01062 Dresden Veddeler, Klaus, Dr., Kompetenznetz Allgemeine Rechtstheorie [ART], Redderkamp 181, 24111 Kiel Völkel, Jonas, Universität Münster, Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Zivilrechtliche Abteilung, Leonardo-Campus 9, 48149 Münster Weber-Grellet, Heinrich, Prof. Dr., Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof München, Universität Münster, Institut für Steuerrecht, Universitätsstraße 14 – 16, 48143 Münster Welker, Michael, Prof. Dr., Universität Heidelberg, Wissenschaftlich-Theologisches Seminar, Kisselgasse 1, 69177 Heidelberg Werner, Petra, Dr., Rechtsanwältin, Redaktion Rechtstheorie, c/o Prof. Dr. Dr. Werner Krawietz, Universität Münster Wyduckel, Dieter, Prof. Dr., TU Dresden, Juristische Fakultät, Bergstraße 53, 01062 Dresden