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German Pages 682 [688] Year 2022
W . H O L Z M Ü L L E R U N D K. A L T E N B U R G
PHYSIK
DER
KUNSTSTOFFE
Physik der Kunststoffe EINE E I N F Ü H R U N G IN DAS PHYSIKALISCHE VERHALTEN MAKROMOLEKULARER SUBSTANZEN
Herausgegeben von
Prof. Dr. WERNER HOLZMÜLLER und
Dr. habil. KURT ALTEN BURG
Bearbeitet von Dr. h a b i l . K. Altenburg • Dipl.-Phys. K. Bethge • Dr. M . Dietze Prof. Dr. W. Holzmüller • Dipl.-Phys. P. Jung • Dr. S. Kästner Dipl.-Phys. H. Krönert • Dr. habil. G . Langhammer • Dipl.-Phys. H. G . Pohl Dr. E. Schlosser • Dr. H. Tautz • Dipl.-Phys. G . W i l k e
M i t 3 7 3 A b b i l d u n g e n und 3 8 Tabellen
AKADEMIE-VERLAG ' BERLIN 1961
Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , Berlin W 8 , Leipziger Str. 3 — 4 Lizenz-Nr. 202 -100/509/61 C o p y r i g h t 1961 by Akademie-Verlag G m b H Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „ M a x i m G o r k i " , Altenburg Bestellnummer: 5406 Printed in Germany ES 18 B 1
VORWORT
Die stetig wachsende Bedeutung der synthetischen organischen Werkstoffe verlangt vom Physiker intensive Mitwirkung bei den Forschungsarbeiten und Kenntnisse bei dem Einsatz dieser Werkstoffe in Forschung und Technik. Auch die Arbeiten des Chemikers werden gefördert, wenn er nicht nur die Reaktionen bei der Darstellung dieser Stoffe kennt, sondern auch bestimmte Vorstellungen über den Aufbau, die molekularen Kräfte und das dynamische Verhalten der Hochpolymeren hat. Für den Ingenieur sind physikalische Grundkenntnisse auf diesem Gebiet beim Einsatz der Kunststoffe als Konstruktionselemente, als Isolierstoff usw. nützlich. Bisher existieren nur wenige zusammenfassende und keine einführenden Darstellungen dieses Gebietes. Auch in den zusammenfassenden Darstellungen werden oft viele Dinge als bekannt vorausgesetzt, die dem Physiker oder Chemiker, der noch nicht auf diesem Gebiet gearbeitet hat, nicht geläufig sind. In vielen Fällen sind die grundlegenden Beziehungen nur über die Originalveröffentlichungen zugängig. Aus diesem Grunde erweist sich ein Lehrbuch der Physik der Kunststoffe dringend erforderlich. Eine derartige Einführung kann natürlich keineswegs Vollständigkeit erstreben. Das Gebiet der Physik der Hochpolymeren ist dazu bereits viel zu umfangreich. Wesentlich erschien es, die grundlegenden Gedanken ausführlich darzustellen, so daß auch der Chemiker und der Ingenieur hierauf aufbauend die Originalliteratur verfolgen können. Neben der Behandlung der theoretischen Grundlagen werden auch die experimentellen Methoden und dieZusammenhänge mit technischen Problemen kurz gewürdigt. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis am Ende jedes Abschnittes gibt entsprechende Hinweise. In vielen Fällen wurden die gegenwärtigen Arbeitsrichtungen auf den einzelnen Gebieten durch Beispiele angedeutet. Es ist verständlich, daß die Auswahl hierbei oft recht subjektiv erfolgte. Darüber hinaus standen bei der Auswahl und der im einzelnen benutzten Darstellung pädagogische — und nicht geschichtliche — Gesichtspunkte im Vordergrund. Ferner ist zu bedenken, daß die Forschungsarbeiten auf den meisten Gebieten der Physik der Hochpolymeren in vollem Fluß sind und daß es deshalb auf manchen Gebieten noch keine allgemein anerkannte Deutung der physikalischen Sachverhalte gibt.
VI
Vorwort
Bei der Benutzung der Symbole waren wir bestrebt, die auf den einzelnen Teilgebieten üblichen zu benutzen. Es ließ sich dabei nicht umgehen, daß einige Symbole innerhalb des Buches verschiedene Bedeutung haben. Um Unklarheiten zu vermeiden, sind allen Abschnitten Zusammenstellungen der jeweils benutzten Symbole vorangestellt. Wir danken allen Mitarbeitern insbesondere für ihre Unterstützung bei der Koordinierung der einzelnen Beiträge, die für die Abschnitte 1, 4, 5 und 6 von Herrn Prof. HOLZMÜLLER und für die Abschnitte 2, 3, 7, 8 und 9 von Herrn Dr. ALTBNBTJRG besorgt wurde. Dem Akademie-Verlag danken wir für die gute Ausstattung des Buches und für die stete Bereitschaft, auf die Wünsche der Herausgeber einzugehen. Besonderer Dank gebührt Frau JANKE, die in selbstloser Arbeit die Redigierung des Manuskriptes übernommen hat und Herrn KIESSLING für die Mitarbeit beim Lesen der Korrekturen. Leipzig und Berlin, im August 1960
Die Herausgeber
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
1
11 Wirtschaftliche Bedeutung
1
12 Grundlegende Begriffe
1
13 Einteilung der makromolekularen Stoffe
2
14 Technischer Einsatz der Kunststoffe auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften
3
15 Wichtigste Aufgaben der Physik makromolekularer Substanzen
16
16 Wichtige Zeitschriften und Bücher aus dem Gebiet der Physik der Kunststoffe .
18
2 A u f b a u der M a k r o m o l e k ü l e (K. ALTENBUBO mit Beiträgen von H. KRÖNEST u n d P . JUNG)
21
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
21
211 Molekulargewichtsverteilung und Mittelwerte des Polymerisationsgrades und des Molekulargewichtes
23
212 Polymerisation 2121 Die Radikalkettenpolymerisation 2122 Die Ionenkettenpolymerisatiön 2123 Die praktische Durchführung der Polymerisation 2124 Die Molekulargewichtsverteilung von Polymerisationsprodukten . . .
28 31 33 35 36
213 Polykondensation 2131 Berechnung der mittleren Polymerisationsgrade bei der Polykondensation bifunktioneller Monomerer 2132 Molekulargewichtsverteilung von Polykondensationsprodukten. . . .
41 42 44
214 Polyaddition
47
215 Die Darstellung verzweigter und vernetzter Hochpolymerer 2151 Der mittlere Polymerisationsgrad verzweigter und vernetzter Hochpolymerer, der Gelpunkt
47 50
216 Einige spezielle Probleme des Aufbaues von Hochpolymeren 2161 Kopf-Schwanz- und Kopf-Kopf-Polymerisate 2162 Isotaktische Polymere 2163 Mischpolymerisation
52 52 52 54
217 Strahlungspolymerisation (H. KBÖNEBT)
2171 Die Polymerisationsanregung durch energiereiche Strahlung 2172 Einfluß von Lösungsmitteln und Verunreinigungen 2173 Der Einfluß der entstandenen Polymeren
56
57 58 59
VIII
Inhaltsverzeichnis 2174 2175 2176 2177 2178 2179
Einfluß der Temperatur und des Aggregatzustandes Strahlungsart und Strahlungsintensität Einfluß der Molekülstruktur auf die Radikalausbeute Ionenpolymerisation Pfropf- und Block-Mischpolymerisation Technische Anwendung
59 61 62 62 62 63
22 Der Abbau von Makromolekülen
64
23 Die Bestrahlung von Hochpolymeren (P. JUNG)
69
231 Physikalische Grundlagen 2311 Strahlvingsarten und Strahlungsquellen 2312 Dosiseinheiten und Dosismessung
70 70 71
232 Der Mechanismus der Strahlenwirkung 2321 Der Primäreffekt 2322 Abbau und Vernetzung 2323 Strahlungsbeständigkeit
71 72 72 75
233 Eigenschaftsänderungen an bestrahlten Hochpolymeren 2331 Änderung der mechanischen Eigenschaften 2332 Änderung der elektrischen Eigenschaften
75 75 76
24 Physikalische Methoden zur Bestimmung des Umsatzes bei der Polymerisation
.
77
241 Dilatometrische Methode
78
242 Änderung des Brechungsexponenten
80
243 Kerninduktion
80
244 Viskositätsmessungen 245 Dielektrische Messungen
81 i
82
3 H o c h p o l y m e r e L ö s u n g e n (K. ALTENBURG, G. LANGHAMMER u n d K . BETHGE) . .
31 Form der Makromoleküle (K. ALTENBURG)
87
87
311 Die modellmäßige Berechnung der Form der Makromoleküle
87
312 Das Segmentmodell 3121 Das eindimensionale Modell 3122 Das dreidimensionale Modell
90 90 94
313 Die Valenzwinkelkette 3131 Die kurze Valenzwinkelkette 3132 Die lange Valenzwinkelkette 3133 Der quadratische Mittelwert der Länge der Valenzwinkelkette . . . . 314 Weiterentwicklung der statistischen Theorie 3141 Die Valenzwinkelkette mit behinderter Drehbarkeit 3142 Die Berücksichtigung der Raumerfüllung 3143 Einfluß der innermolekularen und zwischenmolekularen Kräfte 315 Modelluntersuchung über die Förm der Makromoleküle
97 98 100 101
103 103 104 . . . 105 106
316 Experimentelle Ergebnisse der Bestimmung der Moleküldimensionen in Lösungen 107
Inhaltsverzeichnis 32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen (K.
I X
ALTENBURG)
109
321 Thermodynamische Eigenschaften (niedermolekularer) Flüssigkeitsgemische 110 3211 Mischbarkeit von Flüssigkeiten 110 3212 Thermodynamische Eigenschaften ideal verdünnter Lösungen . . . . 1 1 3 3213 Thermodynamisches Verhalten konzentrierter Lösungen 119 322 Thermodynamische Eigenschaften hochpolymerer Lösungen 3221 Die athermische Lösung 3222 Die irreguläre Lösung
122 123 131
323 Löslichkeit, Fällung und Quellung 134 3231 Zur Thermodynamik der Löslichkeit 135 3232 Der zweite Virialkoeffizient als Maß der „Güte" eines Lösungsmittels 136 3233 Zur Thermodynamik der Fällung 137 . . . . : 140 3234 Kohäsionsenergiedichte und Löslichkeit 3235 Quellung vernetzter Systeme 144 33 Transportvorgänge in Lösungen (G.
LANGHAMMER)
145
331 Allgemeines
147
332 Diffusion (in verdünnten Lösungen) 3321 Allgemeines 3322 Ermittlung des Diffusionskoeffizienten aus dem c-x- oder dcjdx-xDiagramm 3323 Konzentrationsabhängigkeit des DifFusionskoeffizienten 3324 Molgewichtsabhängigkeit des DifFusionskoeffizienten 3325 Einfluß der Polymolekularität auf den DifFusionskoeffizienten . . . . 3326 Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten
149 149 153 154 157 159 160
333 Sedimentation 3331 Allgemeines 3332 Sedimentationsgeschwindigkeit 3333 Sedimentationsgleichgewicht
161 161 162 167
334 ThermodifFusion von Makromolekülen
170
335 Viskosität 171 3351 Allgemeines 171 3352 Konzentrationsabhängigkeit der Viskosität 172 3353 Molgewichtsabhängigkeit der Grenzviskositätszahl 175 3354 Abhängigkeit der Grenzviskositätszahl von Temperatur und Lösungsmittel 186 3355 Beziehungen zwischen dem Viskositätsexponenten a und den Exponenten * I
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Grundsubstanz
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1
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Styroflex (verstreckt) Styrofol (verstreckt) Polystyrol EB K 217, Novodur D Gepolit Styropor Vinnapas, Mowilith
X
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Folien
Folien, Tafeln
Stäbe, Rohre, Platten
Saran
Mischpolymerisate Trolitul
Igurid
Tafeln, Folien
IV
III Vinoflex 300 L
Halbfabrikat
Bezeichnung (Handelsname)
+ Acrylsäurebutylester1) + Graphit2)
Zusatzsubstanz (Mischpolymerisate, Füllstoffe usw.) II
Klebstoffe, Mischpolymerisate, besonders mit PVC
Rohre, Filtertücher, säurefeste Taue, Imprägnierung Spritzgußteile, Haushaltgeräte, Elektroindustrie Isolierstoffe der Elektrotechnik „schlagfestes" Polystyrol Fußbodenbelag Schaumstoffe
V
Wichtigste Verwendungszwecke
1 Einleitung
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14.
Technischer Einsatz der Kunststoffe auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften
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bzw. [P|] =
- (1 + gy-f.
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(21.22)
Die Änderung der Zahl der Polymeren vom Polymerisationsgrad P j in der Zeiteinheit ist gleich der Zahl der desaktivierten Radikale; d. h., es ist ^
= kA[Pf][P*].
(21.23)
Integriert man diese Gleichung, so erhält man die Konzentration der bis zur Zeit t gebildeten Polymere vom Polymerisationsgrad P j [Pj] = kA[Pf][P*]-t.
(21.24)
Mit den Gin. (18), (19) und (22) folgt hieraus [P,] = / ( I ) f ( l + f H - t . Da bei dem hier angenommenen Reaktionsverlauf jedes erzeugte Radikal zur Bildung eines polymeren Moleküls führt, ist die Gesamtkonzentration der in der Zeit t erzeugten Moleküle gleich / ( / ) • t, d. h., es ist
bzw.
2/(/)f(i >=i
+
= /(/)•
•=1
+
j= 1
=
(für|—CH=CH, A b b . 2.13
Aufbauprinzip der ungesättigten Polyesterharze (schematisch). Polyester dargestellt aus Hexandiol H einerseits und Adipinsäure A und Maleinsäure M andererseits, vernetzt mit Styrol.
2151 Der m i t t l e r e P o l y m e r i s a t i o n s g r a d v e r z w e i g t e r u n d v e r n e t z t e r H o c h p o l y m e r e r , der G e l p u n k t Abschließend wollen wir noch den mittleren Polymerisationsgrad verzweigter Hochpolymerer an Hand eines einfachen Beispiels berechnen. Es soll hierbei nur die Polykondensation betrachtet werden; bei der Polymerisation ergeben sich ähnliche Verhältnisse. Wir betrachten ein Gemisch von Monomeren, das aus bifunktionellen und nT trifunktionellen Molekülen besteht. Die Konzentration der trifunktionelien Monomeren bezeichnen wir mit cT = nTlnD. Wir nehmen an, daß die Reaktionsfähig-
keit aller Gruppen gleich groß ist. 1 ) Von den
(2 nD + 3 nT) reaktionsfähigen
3 ) Dies ist zweifellos nur eine grobe Näherung. E s ist bekannt, daß z. B. beim Glycerin die beiden primären OH-Gruppen wesentlich reaktionsfähiger sind als die sekundäre OH-Gruppe. Eine Berücksichtigung dieser Tatsachen ändert nichts Prinzipielles an den Rechnungen. Die sich unter diesen Bedingungen ergebenden Molekulargewichtsverteilungen sind schon verschiedentlich berechnet worden [15].
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
51
Gruppen soll der Anteil p umgesetzt sein, d. h. die Zahl der umgesetzten Gruppen ist (2 nD + 3wr)p. Die Gesamtzahl der Monomeren ist (21.46)
N0 = nD + nT.
Bei jeder Reaktion verschwinden zwei reaktionsfähige Gruppen, und die Zahl der Teilchen nimmt um 1 ab. Die Zahl der Teilchen zur Zeit t ist also — falls (2nß + + 3 nT)p Gruppen reagiert haben — nt = (n B + n
T
) - ~ (2n D + 3wr) p .
(21.47)
Damit ergibt sich der mittlere Polymerisationsgrad zu P„ = ! > = 1
= (nD + nT) — — (2 nD + 3 nT) p
+C-3 . (21.48) 1 + cT — 11 + — cT\ p 1
Für Cy 0 geht diese Beziehung in die Gleichung (38) über. Bemerkenswert an Gleichung (48) ist, daß P„ oo geht, falls der Nenner dieser Gleichung gleich null wird. Dies tritt ein, sobald der Umsatz einen kritischen Wert VK=
1 + Cr 3
1 + 2"CT
(21.49)
erreicht hat. Ist die Kondensationsreaktion bis zu diesem Punkt fortgeschritten, so wächst der Polymerisationsgrad sehr schnell an. Die gesamte Substanz besteht dann im wesentlichen nur noch aus einem Molekül (Geleffekt bzw. Gelpunkt).1) Da es sich um einen statistischen Prozeß handelt ist es natürlich durchaus möglich, daß zunächst noch einige Moleküle isoliert bleiben. Am Gelpunkt ändern sich die physikalischen Eigenschaften wesentlich. Vernetzte Substanzen sind — falls keine Zerstörung der Hauptvalenzbindungen erfolgt — z. B. unlöslich; sie quellen höchstens noch. Anschaulich kann man sich den Geleffekt folgendermaßen verständlich machen. Man betrachtet zunächst eine rein bifunktionelle Substanz, die einen mittleren Polymerisationsgrad Pn aufweist. Der Zusammenhang mit der Zahl der umgesetzten Gruppen ist dann durch Gleichung (38) Pn = ^
(21.38)
gegeben. Wir wollen nun berechnen, wieviel trifunktionelle Gruppen eingebaut werden müssen, damit bei diesem Grad der Umsetzung der Gelpunkt erreicht wird, d. h., es soll p -*• pK werden. Zur Vereinfachung sei noch vorausgesetzt, daß die Umsetzung bereits weit fortgeschritten ist, d. h., es soll (1 — p) 1 sein. Dann ist die Zahl der erforderlichen trifunktiox) Diese Strukturen sind denen der anorganischen Silikatgläser analog; hier sind die Si04-Tetraeder über Sauerstoffatome über den ganzen Körper hin zu einem einzigen Molekül verbunden.
4*
52
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
nellen Gruppen klein, und man kann Gleichung (49) in eine Reihe entwickeln und die Entwicklung nach dem ersten Glied abbrechen; es ist dann
Aus den Gleichungen (38) und (50) folgt damit für die erforderliche Konzentration an trifunktionellen Monomeren 2 "Dies bedeutet, daß der Gelpunkt erreicht wird, wenn in jedes Makromolekül zwei weitere reaktionsfähige Gruppen eingebaut werden. Diese sind dann Ausgangspunkt bzw. Endpunkt weiterer Kettenstücke, die dann ebenfalls wieder Verzweigungspunkte enthalten.
216 Einige spezielle Probleme des Aufbaues von Hochpolymeren Nachdem wir in den vorangegangenen Abschnitten die grundsätzlichen Möglichkeiten des Aufbaues von Makromolekülen kennengelernt haben, sollen im folgenden noch einige Möglichkeiten der Variation des Aufbaues besprochen werden. Es sind dies einige Arten der Polymerisation (Kopf-Schwanz- bzw. Kopf-Kopf-Polymerisate und stereoisomere Polymerisation) sowie die Erzeugung von Mischpolymerisaten. 2161
Kopf-Schwanz- und Kopf-Kopf-Polymerisate
Ist die monomere Substanz unsymmetrisch gebaut, wie z. B. die meisten Vinylverbindungen CH 2 = CH, so bestehen bei der Polymerisation prinzipiell zwei R Möglichkeiten der Anlagerung der Monomeren. Auf Grund der in Kapitel 212 durchgeführten Überlegungen ist anzunehmen, daß die Polymerisation im allgemeinen derart erfolgt, daß jeweils das gleiche Ende des Monomeren an die bereits vorhandene Kette angelagert wird. Es entstehen dann „Kopf-SchwanzPolymerisate" (Abb. 2.14a). Es ist andererseits denkbar, daß sich die Monomeren wechselseitig anlagern, es würden sich dann „Kopf-Kopf-Polymerisate" (Abb. 2.14b) bilden. Auf Grund der in Kapitel 212 durchgeführten Überlegungen ist jedoch damit zu rechnen, daß derartige Polymerisate in reiner Form kaum auftreten werden. Dies wird auch durch die Praxis bestätigt. Es zeigt sich jedoch, daß bei vielen Polymerisaten einige Prozent der Monomeren in Art der KopfKopf-Polymerisate angelagert werden. Es entstehen dann unregelmäßige Strukturen (Abb. 2.14c). Inwieweit die verschiedenen Produkte gebildet werden, hängt im wesentlichen von den Polymerisationsbedingungen ab. 2162
Isotaktische Polymere
Befinden sich an einem Kohlenstoffatom vier verschiedene Atome oder Atomgruppen (asymmetrisches Kohlenstoffatom), so gibt es — wie aus der Chemie der niedermolekularen Substanzen seit langem bekannt ist — zwei Isomere. Ein Beispiel hierfür sind die Isomeren der Milchsäure (Abb. 2.15). Keines der beiden
53
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
Moleküle enthält eine Symmetrieebene; es ist nicht möglich, die beiden Moleküle durch Drehung ineinander überzuführen. Die beiden Moleküle sind spiegelbildlich. Vom physikalischen Standpunkt aus unterscheiden sich beide Molekülarten nur o) _ |
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b)
c)
Abb. 2.14 Schema der Kopf-Kopf- und Kopf-Schwanz-Polymerisation, a) Kopf-Schwanz-Polymerisation b) Kopf-Kopf-Polymerisation c) Gemischte Kopf-Kopf- und Kopf-Schwanz-Polymerisation.
dadurch, daß sie die Ebene des polarisierten Lichtes in verschiedener Richtung drehen. In allen anderen physikalischen Daten und auch in ihrem chemischen Verhalten stimmen beide Molekülarten überein. Analoge Isomeriefälle treten auch bei der Bildung hochpolymerer Substanzen auf. So entstehen bei der Polymerisation von VinylVerbindungen Makromoleküle, bei denen bestimmte sterische Konfigurationen isomerer Gruppen im allgemeinen regellos aufeinander folgen (ataktische Polymere). In letzter Zeit ist e s N A T T A [17,17 a] durch „stereospezifische Katalyse" (insbesondere durch anionische Polymerisation mit bestimmten Katalysatoren) gelungen, Makromoleküle (insbesondere Polystyrol und einige Poly-a-olefine) Abb. 2.15 bestimmter stereoisomerer Anordnung darzu- Zur Stereoisomerie der Milchsäure. stellen. Bei der stereospezifischen Polymerisation können folgende Strukturen entstehen (vgl. Abb. 2.16): 1. I s o t a k t i s c h e P o l y m e r e : Diese bestehen aus Kettenabschnitten, die eine regelmäßige Wiederholung von Monomeren-Einheiten mit tertiären Kohlenwasserstoffatomen gleicher sterischer Konfiguration aufweisen (Abb. 2.16a). 2. S y n d y o t a k t i s c h e P o l y m e r e : Diese bestehen aus regelmäßigen Folgen von Monomeren-Einheiten, bei denen jedes zweite Kohlenstoffatom der Kette entgegengesetzte sterische Konfiguration besitzt (Abb. 2.16b).
54
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
3. A t a k t i s c h e P o l y m e r e : Bei diesen Polymeren fehlen Regelmäßigkeiten in der Verteilung der sterischen Konfigurationen der Monomeren-Einheiten (Abb. 2.16e). Während sich niedermolekulare Verbindungen mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom nur im Vorzeichen des optischen Drehvermögens unterscheiden, unterscheiden sich stereoisomere Hochpolymere in vielen ihrer physikalischen Eigenschaften wesentlich. Ursache hierfür ist der unterschiedliche Ordnungszustand und die dadurch bedingte unterschiedliche Entropie der einzelnen stereoisomeren Polymeren. Während z. B. isotaktisches und syndyotaktisches Polypropylenoxyd ein hochkristallines und hochschmelzbares Produkt ist, sind die aus den gleichen Bausteinen aufgebauten ataktischen Polymeren amorphe Substanzen mit niedrigem Erweichungspunkt.
Abb. 2.16
Stereoisomerie bei Kettenmolekülen. a) Isotaktisches Polymeres
2163
b) Syndyotaktisches Polymeres
c) Ataktisches Polymeres.
Mischpolymerisation1)
Eine weitere Möglichkeit, die Eigenschaften Hochpolymerer in weiten Grenzen zu variieren, ist durch die Mischpolymerisation gegeben. Bei der Polymerisation 2 ) von Gemischen von zwei (oder mehreren) ungesättigten Verbindungen entstehen im allgemeinen Makromoleküle, die beide (oder mehrere) Monomere als aufbauende Grundmoleküle enthalten. Ein derartiges Mischpolymerisat ist von einem polymeren Gemisch zu unterscheiden, bei dem Makromoleküle, die entweder nur das eine oder nur das andere Monomere enthalten, eine Mischung oder Lösung bilden. 1
) [4, 18].
2
) Analoges gilt auch für die Polykondensation und Polyaddition.
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
55
Es ist vom chemischen Standpunkt aus bemerkenswert, daß die Tendenz der Monomeren in ein Mischpolymerisat einzutreten, sehr verschieden ist und daß sie keineswegs mit der Neigung der verschiedenen Monomeren zur Reinpolymerisation parallel geht. Insbesondere reagieren Verbindungen, die allein nicht oder nur schwer polymerisieren, bei der Mischpolymerisation oft sehr rasch. Ferner ist zu beachten, daß die Zusammensetzung des Mischpolymerisates, d. h. das Verhältnis der Monomeren im Polymeren, im allgemeinen anders ist als die Zusammensetzung des monomeren Ausgangsgemisches und wesentlich von der Art der Polymerisation abhängt. 1 ) Da man jedoch die Konzentration der Monomeren im Ausgangsgemisch weitgehend variieren und gegebenenfalls im Verlaufe der Polymerisation noch ändern kann, ist es möglich, den Aufbau der Mischpolymerisate in weiten Grenzen zu verändern. Bei der Mischpolymerisation kann die Anordnung der Grundmoleküle — je nach Art der benutzten Monomeren und den Reaktionsbedingungen — verschiedenartig sein. Folgende Fälle werden beobachtet: 1. Eine regelmäßige (oder beinahe regelmäßige) Abwechslung der Monomeren, d. h. es entstehen „geordnete" Mischpolymerisate (Abb. 2.17a). 2. Eine statistisch regellose Abwechslung der Monomeren, d. h. es entstehen „ungeordnete" oder „unregelmäßige" Mischpolymerisate (Abb. 2.17 b). Charakteristisch für Mischpolymerisate dieser beiden Arten ist, daß es äußerst unwahrscheinlich ist, daß längere Segmente der gleichen Art von Grundmolekülen im Mischpolymerisat auftreten. Wenn sich die reinen Polymeren in irgendwelchen Eigenschaften charakteristisch voneinander unterscheiden, so sind die aus den gleichen Monomeren entstehenden Mischpolymerisate im wesentlichen durch einen Mittelwert der entsprechenden Eigenschaften gekennzeichnet. In neuerer Zeit ist es — teils auf chemischen Weg, teils durch Anwendung von Ultraschall [20], durch mechanischen Abbau und durch Anwendung energiereicher Strahlen (s. 217) — gelungen, Mischpolymerisate herzustellen, bei denen längere Segmente der verschiedenen Sorten von Grundmolekülen abwechseln. Es sind dies: 3. Blockmischpolymerisate, in denen längere Segmente in einer einzigen Kette angeordnet sind (Abb. 2.17 c) und 4. „Pfropf"-, „Zweig"- oder „6?ra/£"-Mischpolymerisate) bei denen an einer langen „Rückgrat"-Kette der einen Sorte von Grundmolekülen Zweige einer anderen Art von Grundmolekülen in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen angefügt sind (Abb. 2.17d). Polymerisiert man eine Mischung aus gleichen Teilen Styrol und Methacryleäuremethylester mittels Peroxyden nach einem radikalischen Mechanismus, so erhält man ein Mischpolymerisat mit 51% Styrol. Polymerisiert man diese Mischung durch Zinntetrachlorid oder Borfluoridätherat nach einem kationischen Mechanismus, so erhält man ein Polymerisat, das zu 99% aus Styrol besteht. Die Polymerisation durch Natrium, also nach einem anionischen Mechanismus, liefert ein Polymerisat, das zu 99% aus Methacrylsäureester besteht [19].
56
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
Bei den Typen 3 und 4 sind die verschiedenen Eigenschaften (z. B. die Löslichkeit) nicht wie bei den normalen Mischpolymerisaten durch einen Mittelwert, sondern durch eine Überlagerung der entsprechenden Eigenschaften (Addition) der reinen Polymerisate gekennzeichnet. So sind z. B. Block- bzw. Zweig-Mischpolymerisate, die aus einer wasser- und einer öllöslichen Komponente bestehen, mit Lösungsmitteln beider Typen verträglich und zeigen charakteristisches oberflächenaktives und emulgierendes Verhalten. Einen Überblick über bisher dargestellte Block- und Zweig-Mischpolymerisate haben I M M E R G U T und M A R K [ 2 1 ] gegeben.
Abb. 2.17 Verschiedene Möglichkeiten der Mischpolymerisation, a) Geordnete Mischpolymerisate
b) Ungeordnete Mischpolymerisate d) Pfropf-Mischpolymerisate.
c) Block-Mischpolymerisate
217 Strahlungspolymerisation 1 ) 2 ) Die Strahlungspolymerisation ist ein Zweig der Strahlenchemie und gehört damit eigentlich in den Bereich der Chemie. Wenn sie trotzdem in einem physikalisch ausgerichteten Buch etwas ausführlicher behandelt wird, so, weil sie dem großen Komplex der Wechselwirkungen zwischen Strahlung und Materie zuzuordnen ist, der physikalisch außerordentliches Interesse besitzt. *) Von H. KRÖNERT.
2
) Zusammenfassende Darstellungen s. z. B. [22, 23, 24, 25, 26].
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
57
Zunächst kann festgestellt werden, daß es sich, bei der Strahlungspolymerisation — im Gegensatz zur Strahlungsvernetzung von Hochpolymeren — nicht um etwas grundsätzlich Neues handelt; vielmehr ist sie eine folgerichtige Erweiterung der Photopolymerisation. Die ersten Polymerisationsversuche mit Hilfe radioaktiver Strahlung wurden bereits im Jahre 1925 von L I N D und BARDWELL am Azetylen [ 2 7 ] durchgeführt. Weitere Veröffentlichungen, so u. a. von M U N D und KOCH [28], COOLIDGE [29], HOPWOOD und PHILLIPS [30] sowie von R E X E R [ 3 1 ] folgten in größeren Abständen. Eine intensive Forschung auf diesem Gebiet setzte erst in den letzten 10 Jahren ein, nachdem einerseits hinreichend starke Strahlungsquellen für derartige Versuche zur Verfügung standen und andererseits die zunehmende Zahl von Kernreaktoren dazu nötigte, nach einer wirtschaftlichen Verwertung der radioaktiven Abfallprodukte zu suchen. 2171 D i e P o l y m e r i s a t i o n s a n r e g u n g durch energiereiche Strahlung Wie wir in den vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, wird bei den herkömmlichen Polymerisationsverfahren die zur Einleitung der Polymerisation erforderliche Energie in Form von Wärme häufig in Verbindung mit der Anwendung von Druck, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme geeigneter PolymerisationsKatalysatoren zugeführt. Es liegt nahe, die Aktivierung geeigneter Moleküle und damit eine Polymerisationsanregung auch mit Hilfe radioaktiver Strahlung zu versuchen. Der Prozeß der Übertragung der Strahlungsenergie auf die umgebende Materie verläuft dabei über die Bildung von Sekundärelektronen, die ihrerseits Ionisation und/oder Anregung von Atomen oder Molekülen bewirken. 1 ) Die bei Rekombination von Ionen und Elektronen oder bei Rückkehr eines angeregten Systems in den 'Grundzustand freiwerdende Energie kann die Trennung von Einfachbindungen oder die Aufspaltung von Doppelbindungen bewirken. Im ersten Fall entstehen Molekülbruchstücke, von denen jedes eine freie Valenz aufweist (Radikale), im zweiten Falle Biradikale mit zwei freien Valenzen. Allerdings wurde nachgewiesen, daß sich auch diese Biradikale schnell in Monoradikale umwandeln, z. B. durch „intermolekulare Disproportionierung". Diese Radikale führen über eine Kettenreaktion zur Bildung von Makromolekülen. Der Nachweis, daß die Strahlungspolymerisation vorwiegend über einen Radikal-Mechanismus verläuft, läßt sich einmal dadurch führen, daß Verbindungen, die von der klassischen katalytischen Polymerisation her als „Radikalfänger" und damit als polymerisationsverhindernde Substanzen („Inhibitoren") bekannt sind, wie z. B. Benzochinon oder Sauerstoff, auch im Falle der Strahlungspolymerisation wirksam sind. Als weiterer Beweis ist anzusehen, daß in einem Bereich der Strahlungsintensität, der mehrere Zehnerpotenzen umfaßt, die Polymerisationsgeschwindigkeit vP der Wurzel aus der Intensität I proportional ist vP~I0'5, 1
) Ausführlicher wird hierauf noch in 23 eingegangen werden.
(21.51)
58
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
ebenso wie bei der katalytischen Polymerisation die Geschwindigkeit proportional der Wurzel aus der Katalysatorkonzentration ist. Schließlich lassen sich die gebildeten Radikale sowohl spektroskopisch wie auch magnetochemisch nachweisen.; Der weitere Verlauf der strahlungsangeregten Polymerisation unterscheidet sich im Prinzip nicht von dem für die Radikalkettenpolymerisation bekannten (s. Abschnitt 212 bzw. 2121). Der Kettenabbruch kann durch Reaktion eines Makroradikais mit einem Primärradikal, durch Reaktion zweier Makroradikale miteinander oder auch durch Radikalübertragung von einem Makroradikal auf ein Monomer-Molekül erfolgen; im letzteren Falle entsteht dann neben dem Makromolekül ein neues primäres Radikal. Gelegentlich wird auch eine Umlagerung innerhalb des Makroradikais als Abbruchreaktion angenommen. Neben diesen Reaktionen ist aber noch die Möglichkeit der Rekombination primärer Radikale in Betracht zu ziehen. Gerade diese Reaktion kann bei der Erzeugung von Radikalen durch Strahlung besondere Bedeutung erlangen, und zwar dann, wenn die Ionisierungsdichte der Strahlung zu hoch wird, wie das etwa bei schnellen Elektronen möglich ist. In diesem Falle wird die Radikalkonzentration entlang der Spur des ionisierenden Partikels so hoch, daß sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Radikale nicht mehr genügend aktivierbare Monomer-Moleküle befinden; andererseits ist die Lebensdauer der Radikale im allgemeinen zu gering, als daß sie in nennenswertem Umfang in Bereiche höherer Monomer-Konzentration diffundieren könnten. Die Folge ist, daß entweder gar keine Polymerisation stattfindet oder nur niedermolekulare Verbindungen entstehen. Man kann dieser Erscheinung entgegenwirken, indem man das Monomere z. B. durch Rühren in ständiger Bewegung hält.
Abb. 2.18 Relative Polymerisationsgeschwindigkeit von Methylmethacrylat in Lösung, als Funktion seines Molenbruches (w0 — Polymerisationsgeschwindigkeit bei Blockpolymerisation).
2172 E i n f l u ß v o n Lösungsmitteln und Verunreinigungen
Das oben angegebene Reaktionsschema wird komplizierter, wenn man von der Blockpolymerisation etwa zur Lösungspolymerisation übergeht, bei der das Monomere in einem geeigneten Medium, z. B. einem Alkohol, Ester oder Halogenkohlenwasserstoff, gelöst wird. Im Gegensatz zur katalytischen Polymerisation Kurve 1: in Tetrachlorkohlenstoff Kurve 3: in Benzol
Kurve 2: in Äthylacetat (Nach M E D W E D E W [32]).
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
59
und auch der Polymerisation, durch UV-Strahlung wirkt ionisierende Strahlung nicht selektiv und kann daher in gleicher Weise wie im Monomeren auch im Lösungsmittel Radikale erzeugen, die die Polymerisation einzuleiten vermögen. Man kann diesen Effekt ausnutzen und durch Auswahl geeigneter Lösungsmittel eine beträchtliche Umsatzsteigerung bei der Polymerisation erzielen, trotz der Verdünnung, die das Monomere durch das Lösungsmittel erfährt. Die Abbildung 2.18 zeigt ein entsprechendes Beispiel. Sensibilisatoren in diesem Sinne sind beispielsweise Halogenverbindungen und Alkohole. Es gibt aber auch Lösungsmittel, dazu gehören aromatische Verbindungen wie Benzol, Toluol, die zur Radikalbildung kaum beitragen. Sie wirken dann lediglich als Verdünnungsmittel des Monomeren, und es tritt infolgedessen ein verminderter Polymerisationsumsatz auf (Abb. 2.18). Verunreinigungen des Monomeren, als solche sind alle „Radikalfänger" (vgl. Abschnitt 2171) zu betrachten, können die Strahlungspolymerisation nur in sehr hohen Konzentrationen verhindern. Andernfalls verzögert sich der Polymerisationsbeginn lediglich, bis alle inhibierenden Moleküle mit Radikalen reagiert haben; man bezeichnet diesen Zeitraum als Induktionsperiode. 21 73 D e r E i n f l u ß d e r e n t s t a n d e n e n P o l y m e r e n So wie bei der Lösungspolymerisation die ionisierende Strahlung in gleicher Weise auf Lösungsmittel und das gelöste Monomere einwirkt, bleibt auch das im Verlauf der Polymerisation gebildete Polymere weiterhin an der Reaktion beteiligt. Dabei kann es sowohl zu einem Bruch der Hauptkette wie auch zu einer Abtrennung seitlicher Substituenten des Makromoleküls kommen. Im ersten Fall entstehen zwei Makroradikale, die eine erneute Kettenfortpflanzungsreaktion anregen können. Im zweiten Fall können seitliche Ketten auf das Makromolekül aufwachsen. Als Folge des seitlichen Kettenwachstums können sich Querverbindungen zwischen den Makromolekülen bilden, wodurch dann im Endeffekt bereits während der Polymerisation ein vernetztes Material entsteht. Der letztere Vorgang wurde beispielsweise bei Styrol, Methylmethacrylat und Vinylacetat beobachtet. Die Beteiligung des bereits gebildeten Polymeren am weiteren Polymerisationsverlauf ist naturgemäß am ausgeprägtesten, wenn es im Monomeren oder im verwendeten Lösungsmittel löslich ist. 21 74 E i n f l u ß d e r T e m p e r a t u r u n d des A g g r e g a t z u s t a n d e s Es ist ohne weiteres verständlich, daß die Erzeugung von Radikalen mittels ionisierender Strahlung von Temperatur und Aggregatzustand des bestrahlten Materials unabhängig ist. Als Standardbeispiel für die Möglichkeit, die Polymerisation geeigneter Verbindungen z. B. auch im festen Zustand zu erreichen, dient das Acrylamid. Es hat einen Schmelzpunkt von 84° C; bei Zimmertemperatur liegt es in kristalliner Form vor. Zwar läßt es sich katalytisch auch schon im festen Zustand polymerisieren, jedoch nur bei Temperaturen, die wenig unterhalb seines Schmelzpunktes liegen. Dagegen kann man z. B. mittels y-Strahlung die Polymerisation im festen Zustand bereits bei Zimmertemperatur erreichen. Das auf diese Weise erhaltene
60
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
Polyacrylamid besitzt noch die gleiche Kristallform wie das Monomere. Auch die Doppelbrechung findet sich noch fast unverändert. Einen Einfluß übt der Aggregatzustand auf die Polymerisationsgeschwindigkeit aus, wie am Beispiel ungesättigter Alkydharze gezeigt wurde. Beim Übergang des Monomeren aus dem flüssigen in den festen Zustand verringert sich der Polymerisationsumsatz sprunghaft. Die Polymerisation im gasförmigen Zustand hat praktisch nur begrenztes Interesse, da man aus Gründen der Energieabsorption eine bestimmte Materialdichte zweckmäßig nicht unterschreitet. Als Beispiel dafür, daß man eine Polymerisation mancher Verbindungen auch bei sehr tiefen Temperaturen einleiten kann, ist Tetraäthylenglykoldimethacrylat zu nennen, das mittels /^-Strahlung bei — 50°C polymerisiert wurde; Vinylchlorid polymerisiert unter Einwirkung von Röntgenstrahlung sogar bei etwa - 80° C noch. Allerdings gibt es, was sich u. a. am Beispiel des Acrylamids wie auch des Styrols zeigen läßt, eine Grenztemperatur, bei deren Unterschreiten zwar noch Radikale gebildet werden, jedoch keine Polymerisation mehr stattfindet. Erwärmt man dann aber nach beendeter Bestrahlung das Monomere allmählich wieder, so setzt die Polymerisation ein, die dann unter Umständen sehr stürmisch verlaufen kann. Bewahrt man das Monomere nach der Bestrahlung weiter bei tiefer Temperatur auf, so gelingt es, die Polymerisation sogar um Tage hinauszuschieben. Diese Möglichkeit einer „verzögerten" Polymerisation kann für manche Anwendungen von Interesse sein, wie beispielsweise bei der Pfropfpolymerisation (s. 2178). Das Vorhandensein einer unteren Grenztemperatur für das Einsetzen des Kettenwachstums zeigt, daß die Kettenfortpflanzungsgeschwindigkeit temperaturabhängig ist. Tatsächlich wird auch die Gesamt-Polymerisationsgeschwindigkeit bei Strahlungspolymerisation nur über diesen Prozeß von der Temperatur beeinflußt. Damit bietet sich — in Verbindung mit der Temperaturabhängigkeit der Auslösung primärer Radikale — ein einfacher Weg, mit Hilfe der Temperatur das Molekulargewicht des Endproduktes zu beeinflussen. Andererseits kann man, da auch die Geschwindigkeit von Übertragungsreaktionen von der Temperatur abhängt, durch Polymerisation bei niedriger Temperatur Moleküle mit geringerem Verzweigungsgrad erhalten. Beides ist bei katalytischer Polymerisation weit schwieriger zu erreichen, da dort die Zersetzung des Katalysators und damit die Bildungsgeschwindigkeit primärer Radikale sehr stark von der Temperatur abhängt. Schließlich ergibt sich auch noch folgender Vorteil für eine technische Anwendung der Strahlungspolymerisation: Polymerisations-Reaktionen verlaufen häufig exotherm; es ist daher bei Anwendung von Katalysatoren eine sehr sorgfältige Temperaturüberwachung notwendig, da schon ein geringer Temperaturanstieg die Zersetzungsgeschwindigkeit des Katalysators so steigern kann, daß die Reaktion „durchgeht". Diese Gefahr besteht bei der Strahlungs-Polymerisation nicht. Eine ähnliche Erscheinung spielt auch bei der Aushärtung der Polyesterharze eine Rolle, die unter Verwendung von Katalysatoren und „Beschleunigern" erfolgt. Bei Aushärtung größerer Harzvolumina entstehen im Material Spannungen, die zur Rißbildung Anlaß geben können, da die bei der stark exothermen Härtungs-
21
Die Verknüpfung der Grundmoleküle
61
reaktion entstehende Wärme infolge der niedrigen Wärmeleitfähigkeit des Materials nicht rasch genug abgeführt werden kann. Strahlungsanwendung bietet hier die Möglichkeit eines gemäßigten Reaktionsablaufes.
2175 S t r a h l u n g s a r t u n d S t r a h l u n g s i n t e n s i t ä t Aus dem Prozeß der Radikalbildung folgt ferner, daß prinzipiell alle Arten radioaktiver Strahlung zur Polymerisationsanregung verwendbar sind. Praktisch, vor allem aHch im Hinblick auf eine spätere industrielle Anwendung derartiger Verfahren, sind ß- und y-Strahlen von Interesse und daher bei den bisher bekanntgewordenen Untersuchungen meist angewandt worden. Dabei sind /^-Strahlen wegen ihrer geringen Durchdringungsfähigkeit nur auf speziellen Gebieten anwendbar, wie etwa zur Pfropfpolymerisation (vgl. Abschnitt 2173).
3[r/min] — Abb. 2.19 Polymerisationsgeschwindigkeit reiner Monomerer als Punktion der Strahlungsintensität (y-Strahlung) (nach Chapero [33]). Kurve 1: Vinylchlorid
Kurve 2: Methylmethacrylat
Kurve 3: Acrylnitril
Kurve 4\ Styrol.
Auf den Einfluß der Strahlungsintensität wurde ebenfalls in Abschnitt 2171 hingewiesen. Bei zu hohen Strahlungsintensitäten wird der Exponent von J in Gleichung (51) < 0,5; unter bestimmten Bedingungen kann er auch 0,5 überschreiten. Der Intensitätsbereich, in dem Gleichung (51) streng gültig ist, hängt sowohl von der Art des Monomeren ab (vgl. Abb. 2.19) wie auch davon, ob das
62
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
Monomere allein oder in Lösung polymerisiert wird, ob das Polymerisat in Lösung bleibt oder ausfällt und bis zu welchem Umsatz polymerisiert wird. In diesem Zusammenhang kann es bei technischer Anwendung z. B. von Vorteil sein, statt einer Strahlungsquelle mit sehr großer Aktivität mehrere Strahlungsquellen mit kleinerer Aktivität so anzuordnen, daß eine optimale Reaktionsausbeute erhalten wird. 21 76 E i n f l u ß der M o l e k ü l s t r u k t u r auf die R a d i k a l a u s b e u t e Wie sich im Abschnitt 2172 bereits für den Fall der Lösungsmittel zeigte, hängt die Radikalausbeute bei Strahlungseinwirkung von der Molekülstruktur der in Frage stehenden Verbindung ab. Aromatische Verbindungen sind bedeutend weniger strahlenempfindlich als aliphatische. Es spielen weiter Anzahl und Stellung von Doppelbindungen eine Rolle: Bifunktionelle Vinylmonomere haben beispielsweise größere Polymerisations-Neigung als Monomere, die nur eine Doppelbindung enthalten. Schließlich sind reine Kohlenwasserstoffe weniger strahlungsempfindlich als etwa sauerstoff- oder halogenhaltige Verbindungen. Anhaltspunkte für Vergleiche liefern u. a. die unterschiedlichen Bindungsenergien. 2177
Ionenpolymerisation
Wir haben hier ausschließlich die Strahlungspolymerisation in Verbindung mit der Erzeugung freier Radikale behandelt, da dieser Mechanismus dominiert. Tatsächlich war man anfangs der Ansicht, daß ein anderer Vorgang der Polymerisationsauslösung nicht in Frage kommen könne. Erst in den letzten Jahren ist nachgewiesen worden, daß unter bestimmten Bedingungen durch Strahlung auch Polymerisationen ausgelöst werden können, die über einen Ionen-Mechanismus verlaufen. Es würde jedoch in diesem Rahmen zu weit führen, darauf näher einzugehen. 2178 P f r o p f - und B l o c k - M i s c h p o l y m e r i s a t i o n Seit einigen Jahren widmet man sich in der Forschung sehr stark einer besonderen Polymerisationsart, der „Pfropfpolymerisation". Da die Besonderheiten der Strahlungspolymerisation gerade bei diesem Verfahren ein weites Anwendungsgebiet versprechen, sollen hier einige Beispiele gesondert behandelt werden. Das Grundsätzliche hierüber ist bereits in Abschnitt 2163 besprochen worden. Durch Aufpfropfung von Styrol konnte die Oberfläche von Polytetrafluoräthylen (Teflon) haftfähig für Klebeverbindungen gemacht werden; die Anfärbbarkeit synthetischer Fasern wurde durch Aufpfropfen hydrophiler Gruppen verbessert; Pfropfung von PVC mit Acrylnitril ergab eine höhere Wärmebeständigkeit des PVC, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Verfahrensmäßig kann man sowohl vorpolymerisierte Komponenten miteinander verbinden als auch Monomeres in Gegenwart des zu pfropfenden Polymeren zur Polymerisation anregen. Dafür sind die verschiedensten chemischen Methoden ausgearbeitet worden, zum Teil recht komplizierter Art. Einfacher und wirksamer kann man nach bisher vorliegenden Ergebnissen häufig mit ionisierender Strahlung arbeiten. Da die Strahlung reaktionsfähige
21 Die Verknüpfung der Grundmoleküle
63
Stellen, am Makromolekül erzeugt, lassen sich Halb- oder Fertigfabrikate ohne Temperatur-Erhöhung und somit ohne Gefahr der Formänderung pfropfen. Das einfachste Verfahren ist die gleichzeitige Bestrahlung von Polymerem und Monomerem, z. B. nach Quellung des Polymeren im Monomeren. Durch „verzögerte" Polymerisation, wie im Abschnitt 2174 beschrieben, kann man die bei Pfropfung unerwünschte Homopolymerisation des Monomeren ausschließen, indem man das zu pfropfende Material erst nach beendeter Bestrahlung bei tieferer Temperatur mit dem Monomeren zusammenbringt und durch allmähliches Wiedererwärmen die Reaktion einleitet. Eine weitere elegante Methode ist die folgende: Bestrahlt man einen hochpolymeren Stoff in Gegenwart von Sauerstoff, so entstehen an den Makromolekülen Peroxydgruppen. Bringt man das Material anschließend mit einem Monomeren zusammen, so kann man durch thermische Aktivierung der Peroxydgruppen die Pfropfung hervorrufen; ein besonderer Vorteil liegt auch hier darin, daß der Pfropf-Prozeß zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach der Bestrahlung stattfinden kann. Mischt man zwei Polymere, die bei Bestrahlung abbauen, miteinander und bestrahlt anschließend, so gelingt die Erzeugung von Blockmischpolymerisaten. Mit dem gleichen Ziel kann man ferner hochmolekulare Verbindungen, die bei Bestrahlung depolymerisieren, in Gegenwart des Monomeren bestrahlen. Wie man sieht, kommen bei der Pfropf-Polymerisation alle mit der strahlungsinduzierten Reaktionsauslösung verbundenen Vorteile voll zur Geltung, und man hat hier gewissermaßen eine Methode an der Hand, Polymere nach Maß herzustellen. Bis es allerdings tatsächlich so weit ist, dürfte noch viel Forschungsarbeit zu leisten sein. 2179 T e c h n i s c h e A n w e n d u n g Für die technische Anwendung neuer Verfahren ist letztlich ihre Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend. In dieser Hinsicht kann die Strahlungspolymerisation mit Rücksicht auf den Preis, zu dem z. Z. Strahlungsquellen zur Verfügung stehen, vorläufig nur dort konkurrenzfähig sein, wo sie Hochpolymere mit Eigenschaften liefert, die sich mit keinem bisher bekannten Polymerisationsverfahren erzielen lassen. Daher bestehen günstige Aussichten für eine Strahlungsanwendung am ehesten bei der Pfropf-Polymerisation. Sie könnte weiterhin interessant werden zur Polymerisation von Verbindungen, die sich bei erhöhter Temperatur leicht zersetzen, ferner zur Herstellung von Reinst-Polymerisaten, frei von Katalysatorresten, z. B. für spektroskopische oder medizinische Zwecke, sowie zur Anregung der Polymerisation von Verbindungen, die nach herkömmlichen Verfahren bisher nicht polymerisiert werden konnten, z. B. Perfluorverbindungen. Bei allen anderen Hochpolymeren nimmt man lieber einige Nachteile der Herstellung in Kauf, solange die gebräuchlichen Produktionsverfahren billiger sind als radioaktive Strahlung.
64
2 Aufbau der Makromoleküle
22
[Lit. S. 84]
Der Abbau von Makromolekülen 1 )
Bezeichnungen: aP a
= Wahrscheinlichkeit, daß ein Molekül vom Polymerisationsgrad P in der Zeiteinheit abgebaut wird
r; P =
kr.P=
+ kp-r; P
Wahrscheinlichkeit, daß die r-te Bindung eines Moleküls vom Polymerisationsgrad P in der Zeiteinheit zerfällt
nP
— Zahl der Moleküle vom Polymerisationsgrad P t = Zeit CP. Cm.n = Konstanten P = Polymerisationsgrad Der Index m bezeichnet den maximalen Polymerisationsgrad.
Im Rahmen des praktischen Einsatzes der Kunststoffe ist die Umkehrung der Polymerisation — der Abbau — von Bedeutung. Durch vielerlei Einflüsse können die Hauptvalenzbindungen der Makromoleküle zerstört werden. Dies bedingt eine Abnahme des Molekulargewichtes und damit eine Änderung der physikalischen und technischen Eigenschaften. Ursache dieses Abbaues können thermische, chemische und mechanische Wirkungen sein sowie die Einwirkung von Licht, ultravioletten, Röntgen- und Korpuskularstrahlen. Derartige Einflüsse, denen Kunststoffe bei ihrer Benutzung ausgesetzt sind, bewirken eine Alterung. Aber bereits bei der Verarbeitung t r i t t oft, insbesondere wenn diese bei höheren Temperaturen erfolgt, ein gewisser Abbau ein [36], Andererseits gibt es einige Fälle, in denen man Hochpolymere absichtlich abbaut, um diese Produkte leichter bearbeiten zu können. Diese Methode wird z. B. bei der Herstellung von Kautschukerzeugnissen angewandt. Durch Kneten bei erhöhter Temperatur und unter Einwirkung des Luftsauerstoffs werden hierbei die Makromoleküle teilweise abgebaut, so daß dadurch ein niedermolekulareres und damit leichter verarbeitbares P r o d u k t entsteht („Mastikation"). Auch beim Abbau interessieren — vom physikalischen Standpunkt aus — ebenso wie bei der Polymerisation nicht die chemischen und reaktionskinetischen Einzelheiten des Abbauprozesses, sondern im wesentlichen die Änderungen des Molekulargewichtes u n d der Molekulargewichtsverteilung, da diese unmittelbar mit den physikalischen Eigenschaften zusammenhängen. Aus diesem Grunde soll im folgenden nur auf die Punkte eingegangen werden, die mit diesen Fragen im engen Zusammenhang stehen. Von diesem Standpunkt aus gesehen, gibt es zwei Arten von Abbaureaktionen, entsprechend der Umkehrung der Polykondensation und der Polymerisation. Die erste Art des Abbaues verläuft als Stufenreaktion, und ihre mathematische Behandlung f ü h r t auf ein System linearer Differentialgleichungen, während die zweite Art als Kettenreaktion über Radikale im allgemeinen durch ein System nichtlinearer Differentialgleichungen beschrieben wird. Im folgenden sollen aus mathematischen Gründen nur Stufenreaktionen betrachtet werden. Die den Kettenreaktionen entsprechenden Gleichungssysteme sind im allgemeinen nicht in geschlossener Form lösbar. Es ist jedoch möglich, durch Einführung gewisser Näherungen diese auf lineare Differentialgleichungen zurückzuführen [37]. Für die folgenden Rechnungen 2 ) sei vorausgesetzt, daß jeder Bindung einer polydispersen Substanz eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zugeordnet wird, daß sie in der Zeiteinheit zerfällt. I m allgemeinen ist diese Wahrscheinlichkeit sowohl Vgl. z. B. [34, 35].
2
) Vgl. hierzu [38]. Dort findet man weitere Literaturangaben.
65
22 Der Abbau von Makromolekülen
innerhalb einer Kette als auch bei den Ketten verschiedener Länge verschieden. Es soll nunmehr der zeitliche Verlauf der Molekulargewichtsverteilung bei vorgegebener Anfangs Verteilung berechnet werden. In einem bestimmten Zeitpunkt seien nP Moleküle vom Polymerisationsgrad P vorhanden, wobei P sämtliche Werte von 1 bis zum maximalen Polymerisationsgrad Pm annehmen kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß die r-te Bindung eines Moleküls vom Polymerisationsgräd P in der Zeiteinheit zerfällt, sei kr;P. Hierbei werden die Bindungen längs einer Kette fortlaufend numeriert (Abb. 2.20). Da eine Kette vom Polymerisationsgrad P nur P—1 Bindungen besitzt, 7 2 3 i S 6 läuft r also von 1 bis P— 1. Es sei vorausgesetzt, daß die Zerfallswahrscheinlichkeiten in dem betrachteten ZeitinterAbb. 2.20 vall konstant sind und auch nicht von Bezifferung der Bindungen eines Moleküls. der Molekulargewichts Verteilung der übrigen Moleküle abhängen. 1 ) Die Abbauwahrscheinlichkeiten können für einen Teil der Bindungen den Wert null haben. Die Wahrscheinlichkeit aP, daß ein Molekül vom Polymerisationsgrad in der Zeiteinheit abgebaut wird, ist gleich der Summe der Abbauwahrscheinlichkeiten der einzelnen Bindungen dieses Moleküls, also
OOOOOOO
a
P
=
P
£ k r , r = 1
P
(22.1)
,
falls man voraussetzt, daß die Abbau Wahrscheinlichkeiten voneinander unabhängig sind. Nunmehr kann man das folgende System von Differentialgleichungen dieser unimolekularen Abbaureaktion aufstellen 2 ): dnm
_
dt d n
m
— _
^
a m
W m
x
—
K^m-l;
m "T
*i;
n
m)
a
m
m - l
n
m - l
(22.2) d n
2
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k •••
m
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_
2
n
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m
(kz- 3 -f- k
m-i i ;
3
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m - i )
n
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( ^ 1 ; m "1" ^ m - i ; m) ' "
n
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(^1; m - i ; 3 ) n3
H
-
"I- ^ m - 2 ; m - i ) (k±;
2
^1:2)
n
m - i
"I-
n
2-
!) Diese Bedingungen werden nicht immer erfüllt sein. Beim Ultrasehallabbau hängt z. B. die Abbauwahrscheinlichkeit von der Gelstruktur der gesamten Lösung und damit auch von deren Molekulargewichtsverteilung ab. Beim Abbau ändert sich nun jedoch die Gelstruktur, so daß dadurch die Abbauwahrscheinlichkeiten in gewissen Grenzen von der Molekulargewichtsverteilung und von der Zeit abhängig sind. 2 ) Die theoretische Behandlung des radioaktiven Zerfalls führt auf ein analog gebautes System von Differentialgleichungen. Vgl. hierzu z. B . H. BATEMANN ; Cambridge Phil. Soc. 15, 423 5
(1920). P h y s i k der K u n s t s t o f f e
66
2 Aufbau der Makromoleküle
[Lit. S. 84]
Diese Gleichungen, die zuerst von SIMHA [39] angegeben wurden, entstehen auf Grund folgender Überlegungen: a) Bei den längsten Ketten vom Polymerisationsgrad Pm wird die Änderung der Zahl der Moleküle ausschließlich durch den Abbau bedingt. Diese Änderung ist gleich dem Produkt aus der Abbauwahrscheinlichkeit des Moleküls und der Anzahl der vorhandenen Moleküle, also amnm. b) Die Änderung der Zahl der Moleküle vom Polymerisationsgrad 1 wird ausschließlich durch die Zunahme von Spaltstücken längerer Ketten bestimmt. Da an beiden Enden eines Moleküls ein Monomeres abbrechen kann, liefert hierbei ein Molekül vom Polymerisationsgrad P den Beitrag ( i 1 ; p + &p-i;p)wp. c) Bei allen dazwischenliegenden Polymerisationsgraden verringert sich die Zahl der Moleküle dadurch, daß Moleküle abgebaut werden. Ihre Zahl ist nach Definition wiederum gleich dem Produkt aPnP. Zum anderen wächst die Zahl der Moleküle durch Bruchstücke von abgebauten Molekülen mit größerem Polymerisationsgrad. Ihre Zahl ergibt sich entsprechend der unter b) durchgeführten Betrachtungen durch Summation über alle Moleküle, die größer als das augenblicklich betrachtete sind. Um die weitere Rechnung zu vereinfachen, setzt man zur Abkürzung k r . P + k P ^ T ,p = a T ,p.
Damit wird
ap =
(22.3)
¿«rip, 4 r=1
(22.4)
und das System von Differentialgleichungen lautet dnm dt dt
=
—am'"m mn.
— am — l,mnm
a
m — lnm — l (22.5)
dnt dnx U
= ®2-,mnm "T~ a2-,m-inm-i
+ "" + a2;3n3
= « 1 ; « ^ + «i;»-i»i»-i H
a n
22
+ ai;3 w 3 + ®i;2 w 2
oder in geschlossener Form ^ f at
=
Z ctp-itii-apUp i = p+1
1 < P < Pm.i)
(22.6)
Das Symbol 1 < P < Pm bedeutet, daß P in der nebenstehenden Gleichung sämtliche Werte zwischen 1 und Pm einschließlich der Grenzen annehmen kann, wobei selbstverständlich nur ganzzahlige Werte sinnvoll sind.
22 Der Abbau von Makromolekülen
67
Aus den Gleichungen (6) lassen sich zwei bekannte Erhaltungssätze gewinnen: 1. Summiert man den ersten Term der Gleichung (6) über P von 1 bis Pm, so erhält man den doppelten Wert wie bei der entsprechenden Summation über den zweiten Term, entsprechend der Tatsache, daß beim Zerbrechen eines Moleküls jeweils zwei neue gebildet werden. 2. Multipliziert man Gleichung (6) mit P und summiert anschließend über P von 1 bis Pm, so liefert die Summe den Wert p= i
(Lt
entsprechend dem Gesetz von der Erhaltung der Gesamtmasse. Nunmehr ist das Differentialgleichungssystem (6) zu lösen. Es soll im folgenden nicht auf Einzelheiten der (bekannten) Methoden zur Lösung derartiger Gleichungssysteme eingegangen werden. Man benutzt üblicherweise einen Ansatz der Form nP = CPe-at.
(22.7)
Geht man mit diesem Ansatz in das Differentialgleichungssystem ein, so erhält man ein System gewöhnlicher Gleichungen, aus deren Wurzeln, unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen, die Konstanten GP bestimmt werden können. Im allgemeinen Falle treten Pm Wurzeln auf, d. h. die allgemeine Lösung der Differentialgleichung ist eine Linearkombination von e-Funktionen. Die detaillierte Rechnung zeigt, daß ein Teil der Koeffizienten gleich null ist. Es ergibt sich schließlich ein System von Gleichungen der Art nm
=Cm;me-a"t
»m-1 = C , m -i;m-ie-°"- , i + Cm-i ; m er**1 :
(22.8)
m2
=C2;2e-°'iH
»l
= C1:ier**
b C 2;m e-«'»'
+ - + Ci^e-«--'
+ Cl:mer-m*,
wobei sich die Konstanten Cm; „ aus den Anfangsbedingungen und den Abbauwahrscheinlichkeiten berechnen lassen. Besonders einfache Verhältnisse ergeben sich beim statistischen Abbau, d. h. wenn man voraussetzt, daß die Abbauwahrscheinlichkeiten aller Bindungen gleich groß ( = a) sind. Setzt man darüber hinaus voraus, daß die Ausgangssubstanz monodispers ist, so geht das Gleichungssystem (8) in folgendes System über: = Nme- 1.
(31.35)
Für die C—C-Bindung beträgt der Valenzwinkel 109,5er. Damit wird cos a = 1 / 3 und ÄJ = 2 ct?Z.
(31.36)
Ein Vergleich mit Gl. (19) zeigt, daß die Valenzwinkelkette (bei einem Valenzwinkel von 109,5°) um den Faktor |/2~ länger ist als die Segmentkette gleicher Gliederzahl.
31 Form der Makromoleküle
103
314 Weiterentwicklung der statistischen Theorie Nachdem wir in. den letzten Abschnitten ausführlich die Grundlagen und die Methoden zur Berechnung der Form der Makromoleküle kennengelernt haben, wollen wir in den folgenden Abschnitten diese Theorien noch in einigen Richtungen qualitativ weiter verfolgen. In den letzten Jahren sind von verschiedener Seite Untersuchungen durchgeführt worden, in denen man sich bemüht hat, bei der Berechnung der Form der Makromoleküle den tatsächlich in einer Lösung (oder in einem kautschukelastischen Stoff) vorhandenen Bedingungen gerecht zu werden. Anlaß zu diesen Untersuchungen waren Diskrepanzen zwischen Theorie und Experiment, die sich bei der Anwendung der eingangs abgeleiteten einfachen Beziehungen auf reale Systeme ergaben. Die bei diesen Untersuchungen auftretenden mathematischen und rechnerischen Schwierigkeiten erlauben es nicht, auf Einzelheiten dieser Untersuchung einzugehen. Es sollen deshalb im folgenden die physikalischen Grundlagen kurz geschildert und die Ergebnisse qualitativ diskutiert werden. Betreifs Einzelheiten sei auf die zusammenfassenden Darstellungen [1, l a , 10] bzw. auf die Originalarbeiten verwiesen.
314-1 D i e V a l e n z w i n k e l k e t t e m i t b e h i n d e r t e r D r e h b a r k e i t Wir hatten bereits in den einleitenden Betrachtungen gesehen, daß, bedingt durch die Substituenten, die Drehung um eine Bindung nicht frei ist, sondern daß im allgemeinen energetisch ausgezeichnete Lagen existieren. Dies führt zur behinderten Drehbarkeit der makromolekularen Kette. Eine exakte Berücksichtigung dieser Effekte ist im allgemeinen nicht möglich, da hierfür eine genaue Kenntnis des Potentialverlaufs (in Abhängigkeit vom Drehwinkel) erforderlich wäre. Da man diese Potentialverläufe bisher jedoch nur näherungsweise kennt, benutzt man für die Behinderungspotentiale einfache Ansätze, die in erster Linie den Symmetrieverhältnissen gerecht werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Größe der Behinderungspotentiale auch von der Temperatur abhängt. Da die Schwierigkeiten bei der Berechnung der Verteilungsfunktion — auch für ein vorgegebenes Behinderungspotential — natürlich noch größer sind als bei der frei drehbaren Valenzwinkelkette, beschränken sich die Rechnungen im allgemeinen auf die Bestimmung der Mittelwerte der Längenquadrate. Es zeigt sich im übrigen, daß die Verteilungsfunktion bei beschränkter Drehbarkeit gegenüber der für freie Drehbarkeit nicht wesentlich geändert wird. Für den Mittelwert der Längenquadrate erhält man (für eine lange Kette) bei beschränkter Drehbarkeit folgenden Ausdruck: (31.37) Die Größe H ist hierbei ein Maß für die Behinderung der Drehbarkeit x ) (siehe Fußnote auf Seite 104). Für H - + 0 geht dieser Ausdruck in die oben abgeleitete Beziehung [Gleichung (35)] für die frei drehbare Valenzwinkelkette über. Das Ver-
104
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
hältnis der mittleren Länge der behinderten und der frei drehbaren Kette, also die Größe (31.38) bezeichnet man als die relative mittlere Länge. Diese kann, je nach dem Vorzeichen von H, sowohl größer als auch kleiner als eins werden. Ist die Trans-Form stabiler als die Cis-Form (vgl. Abb. 3.1), so sind die gestreckten Formen bevorzugt, und die mittlere Kettenlänge wird größer als die der entsprechenden frei drehbaren Kette, während umgekehrt bei energetischer Begünstigung der Cis-Form die Knäuelung stärker ist als bei der ungehinderten Drehbarkeit. Da, wie bereits eingangs erwähnt, H von der Temperatur abhängt, ändert sich die Länge einer derartigen Kette mit der Temperatur. Mit wachsender Temperatur wird die Behinderung der Drehbarkeit geringer, und die mittlere Länge geht für kT^> U(q>) gegen den temperaturunabhängigen Grenzwert der Kette mit freier Drehbarkeit. 3142 D i e B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r R a u m e r f ü l l u n g Bei den bisherigen Rechnungen hatten wir von der Raumerfüllung der Moleküle abgesehen, d. h. wir hatten bei den statistischen Betrachtungen nicht berücksichtigt, daß gewisse Konfigurationen tatsächlich nicht zulässig sind, da dann unter Umständen zwei oder mehrere Kettönstücke gleichzeitig im gleichen Raumelement vorhanden sein müßten. Dies ist natürlich unmöglich. Die Raumerfüllung bedingt daher eine Aufweitung des Knäuels gegenüber den ohne Berücksichtigung der Raumerfüllung berechneten Werten. Die exakte Durchrechnung [11] ergibt für den Mittelwert der Längenquadrate für ein Segmentmodell, das aus Z + 1 Kugeln vom Volumen vK besteht, die einen gegenseitigen Abstand a haben, (31.39) Man erhält also, ähnlich wie beim Übergang vom Segmentmodell zur Valenzwinkelkette (mit behinderter Drehbarkeit) einen Korrekturfaktor. Die Aufweitung des Knäuels wird verständlicherweise um so größer, je größer das Volumen der monomeren Einheiten im Verhältnis zu ihrem Abstand ist. Für extrem lange Ketten (Z -> oo) geht Gl. (39) in Gl. (19) über, d. h. man erhält keine Aufweitung des Knäuels. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, daß das (durchschnittliche) J
) Zwischen II und dem Behinderungspotential U(tp) besteht folgender Zusammenhang: + 7t f - EM I e kT cos qj dq> H = cos tp =
31 Form der Makromoleküle
105
Volumen mit Z'l', die Masse des Knäuels mit Z wächst und damit die mittlere Dichte q mit ö — ZjZ'l' = Z~l' abnimmt. Die mittlere Dichte wird mit wachsender Zahl der Kettenglieder immer kleiner, so daß bei extrem langen Ketten der Raumerfüllungseffekt vernachlässigt werden kann. Die relative Aufweitung ist bei kurzen Ketten am größten. Die Raumerfüllung bedingt eine Abweichung vom Gesetz A2 ~ M. 3143 E i n f l u ß d e r i n n e r m o l e k u l a r e n u n d zwischenmolekularen Kräfte In den bisherigen Betrachtungen hatten wir die innermolekularen Kräfte nur insofern berücksichtigt, als sie die Drehbarkeit der Makromoleküle einschränken; d. h. wir haben nur die Wechselwirkung unmittelbar benachbarter Teile der Kette berücksichtigt. Daneben ist jedoch auch eine Wechselwirkung weiter entfernter Molekülteile möglich, wenn diese, bedingt durch die Form der Makromoleküle, hinreichend dicht beieinander liegen. Wesentlicher als diese Art der Wechselwirkung ist für die Form der Makromoleküle jedoch die Wechselwirkung des Makromoleküls mit den Molekülen des Lösungsmittels. Sind die Kräfte zwischen den Molekülen des Lösungsmittels, zwischen Lösungsmittel und Makromolekül und zwischen verschiedenen Teilen des Makromoleküls gleich, so hebt sich die Wirkung der Kräfte auf, und die Kette hat die auf Grund der statistischen Berechnungen zu erwartende Form. Diese Voraussetzung ist im allgemeinen jedoch nicht erfüllt. Die Kräfte zwischen Lösungsmittelmolekülen bzw. den verschiedenen sich berührenden Teilen des Makromoleküls einerseits und zwischen Lösungsmittelmolekül und Makromolekül andererseits unterscheiden sich oft beträchtlich. Sind die Kräfte zwischen den Molekülen des Lösungsmittels und dem Makromolekül größer als die zwischen Lösungsmittelmolekülen bzw. verschiedenen Teilen des Makromoleküls, so werden sich bevorzugt Lösungsmittelmoleküle an dem Makromolekül anlagern (Solvatation) und eine zusätzliche Aufweitung der Kettenmoleküle bewirken. Sind andererseits die Kräfte zwischen den einzelnen Teilen des Makromoleküls größer als die Kräfte zwischen Makromolekül und Lösungsmittelmolekül (in diesem Fall handelt es sich um ein „schlechtes Lösungsmittel") 1 ), so wird eine stärkere Knäuelung des Makromoleküls erfolgen. Die Form eines realen Fadenmoleküls hängt also in einer Lösung in sehr komplizierter und mathematisch kaum erfaßbarer Weise von der Größe der innerund zwischenmolekularen Kräfte ab. Es ist deshalb bei unseren heutigen Kenntnissen über die zwischenmolekularen Kräfte noch nicht möglich, aus Molekülmodellen allein die Größe und die Form realer Makromoleküle zu berechnen, und es ist nicht verwunderlich, daß die aus Modellen berechneten Größen mit den experimentell bestimmten Daten (z. B. aus der Lichtstreuung) im allgemeinen nicht übereinstimmen, es sei denn, daß man gewisse Parameter, z. B. die Segmentlänge, auf Grund experimenteller Ergebnisse geeignet wählt. Auf einige Ergebnisse experimenteller Untersuchungen über die Form der Makromoleküle in Lösungen werden wir noch in 316 eingehen. Über die Definition von guten und schlechten Lösungsmitteln s. Abschnitt 3232.
106
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
315 Modelluntersuchung über die Form der Makromoleküle Die bisherigen mathematischen Betrachtungen ergaben im allgemeinen nur Aufschluß über die mittleren Dimensionen der Makromoleküle. Oft genügt die Kenntnis dieser Mittelwerte zur Berechnung der makroskopischen Eigenschaften der Lösung, wie z. B. der Viskosität, der Lichtstreuung usw. Interessiert man sich jedoch für die Form eines einzelnen Makromoleküls, so muß man in diesem Falle mit Hilfe irgendeines statistischen Prozesses ein derartiges Molekül nachbilden. Zur Erläuterung dieser Methode wollen wir ein zweidimensionales Modell betrachten. Wir wollen ferner voraussetzen, daß nur diskrete Winkeleinstellungen (60°, 120°, 180°, 240° und 300°) zwischen den Valenzrichtungen der Grundmoleküle möglich sind. Diese fünf möglichen Einstellungen sollen gleich wahrscheinlich sein; in welcher der fünf möglichen Richtungen die nächste Valenzrichtung liegt, ist also eine rein zufällige Größe. Um eine statistische Verteilung der Richtungen zu erhalten, ordnen wir den Richtungen die Zahlen „1" bis ,,5" eines Würfels zu (siehe Abb. 3.13). Wir können dann durch Würfeln ein zweidimensionales Modell einer Molekülkette aufbauen. Iii Abb. 3.13 ist ein auf diese Weise gewonnenes Modell dargestellt. (Es wurde hierbei von mehreren derartig gewonnenen Modellen
b) Abb. 3.13 Ebenes Modell eines Kettenmoleküls. a) Zuordnung der Richtungen
b) Beispiel für die Gestalt einer 50gliedrigen Kette.
eines ausgewählt, das in dieser oder ähnlicher Form besonders häufig auftrat.) Aus diesen Betrachtungen ersieht man nochmals, daß z.B. eine vollkommen gestreckte Form einer Molekülkette äußerst selten auftreten wird, denn dieses würde bedeuten, daß man bei der hier betrachteten Molekülgröße Z-mal hintereinander „3" würfeln müßte. Die hier an einem ganz einfachen Modell dargestellte Methode ist insbesondere von K U H N [ 1 2 ] auch für dreidimensionale Modelle angewandt worden. Einige der auf diese Weise gewonnenen makroskopischen Modelle sind in Abb. 3.14 dargestellt.
31 Form der Makromoleküle
107
316 Experimentelle Ergebnisse der Bestimmung der Moleküldimensionen in Lösungen Es gibt praktisch nur eine Methode, die voraussetzungsfrei die Bestimmung der Moleküldimensionen erlaubt, nämlich die Lichtstreuungsmethode. Gewisse Aussagen erlauben ferner noch die Messung der Transporterscheinungen. Auf die Einzelheiten dieser Methoden werden wir später noch eingehen (s. Abschnitt 33 und 34). Wir wollen hier vorgreifend einige Ergebnisse diskutieren, die auf Grund von Lichtstreuungsmessungen gewonnen worden sind.
Abb. 3.14 Makroskopische Modelle eines statistisch geknäuelten Fadenmoleküls [12]. Die Abbildungen a und b stellen das gleiche Modell dar; in Abb. 14a ist das Modell so abgebildet, daß die Papierebene parallel zu ff, und ff, ist, in Abb. 14b so, daß die Fapierebene parallel zu ff,, aber senkrecht zu ff, steht. Dasselbe gilt für die Modelle 14a' und 14b'.
1. Molekulargewichtsabhängigkeit In der Abb. 3.15 ist die Abhängigkeit der Fadenendabstände vom Molekulargewicht für Polymethacrylsäuremethylester gelöst in Aceton dargestellt. Die Ergebnisse lassen sich durch eine Beziehung der Form 1/ä« ~ M°-6ii darstellen. Der Exponent 0,58 entspricht etwa dem Wert, den man unter Berücksichtigung der Raumerfüllung erhält (vgl. 3142). 2. Einfluß des Lösungsmittels Weiterhin ist die „Güte" des Lösungsmittels von Einfluß auf die Form der Makromoleküle. Auf die Definition der „Güte" eines Lösungsmittels werden wir später (Abschnitt 3232) noch eingehen. Es wird sich dort zeigen, daß der zweite
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
108
Virialkoeffizient B* des osmotischen Druckes ein Maß für die Güte eines Lösungsmittels ist. I n einem guten Lösungsmittel werden sich bevorzugt Lösungsmittelmoleküle am Makromolekül anlagern, d. h. es tritt Solvatation ein. Dies bedingt eine Streckung des Moleküls und damit eine Vergrößerung des Fadenendpunktabstandes. Dies wird durch das Experiment bestätigt (vgl. Abb. 3.16).
Abb. 3.15
Abb. 3.16 Abhängigkeit der Fadenendabstände vom zweiten Virialkoeffizienten für Polymethacrylsäuremethylester nach Messungen von H . J . Cantow und O. Bodmann [14]. 1 -
Butylacetat;
2 - Aceton;
3 - Athylacetat;
4 - Tetrahydrofuran;
5 -
Dioxan;
6 -
Chloroform.
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen 3.
109
Temperaturabhängiglceit
Da mit steigender Temperatur die Rotationsbehinderung kleiner wird, ist mit wachsender Temperatur eine Aufweitung der Molekülknäuel zu erwarten. Außerdem wächst die „Güte" der Lösungsmittel mit steigender Temperatur. Auch hierdurch wird, in Übereinstimmung mit dem Experiment (vgl. Abb. 3.17) der Fadenendpunktsabstand vergrößert.
Temperaturabhängigkeit der mittleren Moleküllänge einer Polystyrolfraktion in verschiedenen Lösungsmitteln (Molekulargewicht 106) nach H . A. STUART und H. G. F E N D L E R [15]. 1 -
Cyclohexanon; 2 — Dekalin; 3 — Toluol-Butanol 62:38 Gew.-%; 4 — Dichlorbenzol; 5 — Methylcyelohexan; 6 - Toluol-Butanol 51:49 Gew.-%.
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen1) Bezeichnungen : freie Enthalpie g{ = Gaskonstante n = Entropie n,- = Temperatur p = Innere Energie g = Volumen ut = Gesamtvolumen v( = einer Lösung vt = ff = freie Enthalpie pro Mol
0 R S T U V V
= = = = = = =
!) V o n K . A L T E N B U R G .
partielle molare Enthalpie ¿Wj = Gesamtzahl der Mole Zahl der Mole der Sorte i Druck Umwandlungswärme partielle molare Energie partielles molares Volumen Volumenänderung bei einer Umwandlung
wi II
Wechselwi fkungsenergie .-t zwischen den Teilchen i und j osmotischer Druck Srii
^
= relative molare
Konzentration ; Molenbruch : chemisches Potential.
110
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
Im folgenden wollen wir kurz auf die thermodynamischen Eigenschaften hochpolymerer Lösungen eingehen. Es muß hierbei jedoch auf eine ausführliche Wiedergabe der thermodynamischen Theorie hochpolymerer Lösungen verzichtet werden, da diese den Rahmen des Buches weit überschreiten würde und da außerdem mehrere zusammenfassende Darstellungen der Thermodynamik makromolekularer Lösungen existieren [16, 17, 18]. Wir wollen dies auch insbesondere auf Grund der Tatsache tun, daß bisher thermodynamische Betrachtungen für die Behandlung praktischer Probleme von begrenzten Nutzen waren, da die in die thermodynamischen Beziehungen eingehenden Größen im allgemeinen nicht deduktiv aus molekularen Daten abgeleitet werden können. Ehe wir jedoch zur Behandlung hochpolymerer Lösungen übergehen, wollen wir einige Ergebnisse der Theorie niedermolekularer Lösungen rekapitulieren, und zwar wollen wir einige Probleme betrachten, die mit den Energie- und Entropieverhältnissen in Gemischen zusammenhängen. Dies interessiert im Zusammenhang mit Fragen der Löslichkeit, der Fällung und der Quellung hochpolymerer Substanzen. Zum anderen wollen wir auf den Dampfdruck der Lösungen und Gemische und einigen hiermit zusammenhängenden Problemen eingehen, da diese Dinge auch bei hochpolymeren Lösungen, insbesondere bei einigen Methoden der Molekulargewichtsbestimmung, wichtig sind. 321 Thermodynamische Eigenschaften (niedermolekularer) Flüssigkeitsgemische 3211 M i s c h b a r k e i t v o n F l ü s s i g k e i t e n Bringt man zwei Flüssigkeiten zusammen, so kann entweder eine vollständige, eine teilweise oder praktisch keine Mischung eintreten. Ob eine Vermischung zustande kommt, hängt vom thermodynamischen Standpunkt aus davon ab, ob die freie Energie bzw. freie Enthalpie der Mischung kleiner ist als die der reinen Komponenten. Die Änderung der freien Enthalpie beim Mischen (bei konstantem Druck und konstanter Temperatur) ergibt sich zu AG = AU + pAV - TAS,
(32.1)
wenn man mit A U die Änderung der inneren Energie, mit A S die Änderung der Entropie und mit A V die Änderung des Volumens beim Mischen bezeichnet. Eine Mischung tritt also ein, wenn A G 0 ist. Die Änderung der inneren Energie wird im wesentlichen durch die zwischenmolekularen Kräfte, die der Entropie durch die Änderung des Ordnungszustandes bedingt. Der Term pdV, der der Arbeit gegen den äußeren Druck entspricht, ist beim Mischen von Flüssigkeiten stets gegenüber den anderen Termen zu vernachlässigen. Es ist zweckmäßig, drei Fälle hinsichtlich der Verhältnisse der Wechselwirkungsenergien 1 ) w n und w22 zwischen gleichen Teilchen und der der Wechselwirkungsenergie w12 zwischen verschiedenen Teilchen zu unterscheiden: I
wu ca w12 — w22
II
m>u < w12 > w22
HI
wu > w12 < w22.
(32.2)
*) Unter Wechselwirkungsenergie versteht man die Energie, die erforderlich ist, um zwei isolierte Teilchen aus ihrem Gleichgewichtsabstand in unendliche Entfernung zu bringen.
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
111
Im ersten Fall ändert sich die innere Energie beim Mischen praktisch nicht, d. h. es ist A U »s 0, die einzelnen Partikel werden ebenso stark von den gleichartigen wie von den andersartigen angezogen. In diesem Fall wird das Verhalten des Systems praktisch nur durch das (negative) Entropieglied in Gleichung (1) bestimmt. Die Änderung der freien Enthalpie wird negativ, und es tritt vollständige Mischung ein. Im zweiten Fall sind die Kräfte zwischen verschiedenartigen Molekülen größer als zwischen gleichartigen. Die Lösungsmittelmoleküle lagern sich also bevorzugt an den gelösten Molekülen an; man spricht dann von Solvatation. Beim Mischen wird Energie frei, die Mischungsentropie wird also durch die Molekularkräfte noch verstärkt, und damit ergibt sich bei derartigen Systemen stets vollständige Mischbarkeit. Anders sind die Verhältnisse im dritten Fall, bei denen die Kräfte zwischen verschiedenen Molekülen kleiner sind als die zwischen gleichartigen Partikeln. In diesem Fall lagern sich bevorzugt gleichartige Moleküle aneinander. Es tritt Assoziation auf. Bei der Mischung ist 70 Arbeit zu leisten, das erste Glied in i Gleichung (1) wird damit positiv. Ob Vollstär iiige M/sc War/feit in diesem Falle eine Mischung eintritt, 60 OKf—^. hängt davon ab, welcher der beiden Terme überwiegt. Ist das EntropieI I glied größer, so tritt eine vollständige 50 Mischung ein; im anderen Falle erfolgt eine Trennung in zwei Phasen. Es überlagern sich hierbei also (vom W molekularkinetischen Standpunkt aus) M/sc) WngsWck ? zwei Effekte. Auf der einen Seite ergibt sich aus dem Bestreben, die potentielle 30 Energie zu vermindern, eine Tendenz zur Entmischung, da die potentielle Energie der reinen Komponenten I kleiner ist als die der Mischung. Auf der anderen Seite besteht das Bestreben, die Unordnung (also die Entropie) 20 40 60 zu vergrößern. Dieser Effekt fördert die Mischung, da in einem Gemisch Gew -% Hexan die Unordnung größer ist als in den Abb. 3.18 reinen Komponenten. Da die zwischenLöslichkeitsdiagramm des Systems molekularen Kräfte und insbesondere Hexan—Anilin. die Ordnung im allgemeinen mit I Lösung von Hexan in Anilin steigender Temperatur abnehmen, II Lösung von Anilin in Hexan. mischen sich Flüssigkeiten, die bei tiefen Temperaturen zwei getrennte Phasen bilden, bei höheren Temperaturen. x ) In Abb. 3.18 ist eine typische Mischungskurve dargestellt. In diesem Beispiel tritt oberhalb 60° bei allen Konzentrationen vollständige Mischung ein. Man
/
/
\
\
1
) Unter Umständen kann dieser Punkt oberhalb des Siedepunktes liegen, und er ist deshalb nicht ohne weiteres experimentell bestimmbar.
112
3
[Lit. S. 237]
Hochpolymere Lösungen
bezeichnet die Temperatur, bei der dies geschieht, als obere kritische Mischungstemperatur (OKT). Unterhalb dieser Temperatur zerfällt die Mischung in zwei Phasen, es entsteht eine Mischungslücke. Bezüglich der Entropieänderung beim Mischen sei noch folgendes bemerkt: Sind die Moleküle in der Lösung statistisch verteilt — wie es z. B. in einem idealen Gas der Fall ist —, so ist die Entropieänderung A S beim Mischen AS=-E^nilnyi,
(32.3)
i
th ' — die relative molare Konzentration der j-ten 2 X Komponente ist. Tritt eine zusätzliche Ordnung durch Solvatation bzw. Assoziation im Gemisch auf, so wird die Entropie, die ein Maß für die Unordnung ist, verringert. Es sei jedoch erwähnt, daß es einige Fälle gibt, in denen die Mischungsentropie größer wird, als es der statistischen Verteilung der Partikel entspricht. Dies geschieht, wenn bereits in den reinen Flüssigkeiten eine bestimmte Ordnung herrscht, die beim Mischen zerstört wird. Ein Beispiel hierfür ist das Gemisch Benzol—Cyclohexan, bei dem in den reinen Komponenten — durch Parallellagerung der Ringe — bereits eine gewisse Ordnung besteht. Aus diesen Überlegungen ersieht man, daß im allgemeinen Falle eine Mischungswärme auftreten wird und daß außerdem eine vom Idealwert verschiedene Entropieänderung vorhanden ist. Eine mathematische Behandlung eines derartigen realen Gemisches ist äußerst kompliziert, und man begnügt sich deshalb im allgemeinen mit der Untersuchung von Gemischen, bei denen entweder keine Mischungswärme auftritt oder bei denen die Entropieänderung den idealen Wert [s. Gleichung (3)] hat, bzw. bei denen diese beiden Bedingungen erfüllt sind. Die sich so formal ergebenden Mischungstypen sind in der Tabelle 3.1 zusammengestellt. wobei ns die Molzahl und vi —
Tabelle 3.1 Charakteristische Merkmale verschiedener Mischungstypen Mischungswärme
AU = 0 AU = 0 A U 4= 0 2) AU 4=0
Entropieänderung
AS AS AS AS
= -RSuiinyi 4= -BSriilnyi = -RSriikiyi 4= — BZiiilnyi
ideal 1 ) athermisch regulär irregulär (real)
Ideale Mischungen treten nur bei sehr ähnlichen Mischungspartnern auf, z. B. bei der Mischung benachbarter Glieder homologer Reihen. Athermische Mischungen sind in größerer Zahl bekannt. Im Gegensatz hierzu kennt man praktisch keine regulären Mischungen, dies ist verständlich, da beim Auftreten *) Meist setzt man zusätzlich voraus A V = 0. ) Hierbei ist noch vorauszusetzen, daß die Mischungswärme unabhängig von T ist, da andernfalls auf Grund thermodynamischer Beziehungen die geforderte Entropieänderung nicht zu verwirklichen ist. 2
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
113
einer Mischungswärme, die eine Folge von Solvatation bzw. Assoziation ist, auch stets eine zusätzliche Entropieänderung auftreten wird. Die Mehrzahl der Mischungen sind irregulär.
3212 Thermodynamische E i g e n s c h a f t e n ideal verdünnter Lösungen Im Hinblick auf die späteren Betrachtungen über einige Methoden zur Molekulargewichtsbestimmung (Gefrierpunktserniedrigung, Siedepunktserhöhung und osmotischer Druck) wollen wir im folgenden auf die thermodynamischen Eigenschaften ideal verdünnter Lösungen eingehen. Unter ideal verdünnten Lösungen versteht man im thermodynamischen Sinne Lösungen, bei denen sich bei weiterer Zugabe von Lösungsmittel die Volumina addieren und außerdem keine Wärmetönung auftritt. Vom molekularkinetischen Standpunkt aus bedeutet dies, daß eine energetische Wechselwirkung ausschließlich zwischen gelösten Molekülen und Lösungsmittelmolekülen vorhanden ist, während sich zwischen den gelösten Molekülen (infolge ihres großen Abstandes) keine Wechselwirkung bemerkbar macht. Eine Lösung wird sich um so besser wie die im folgenden behandelte ideal verdünnte Lösung verhalten, je verdünnter sie ist. Es sei erwähnt, daß es einige wenige Flüssigkeitsgemische gibt, die im ganzen Konzentrationsbereich den im folgenden abgeleiteten Beziehungen gehorchen. Man bezeichnet derartige Lösungen als „ideale Lösungen". Wir wollen im folgenden zunächst ganz allgemein die Gleichgewichtsbedingung für ein System aufstellen, das aus verschiedenen Phasen (die wir durch die Indizes ', " usw. kennzeichnen wollen) besteht, die neben n0 Molen Lösungsmitteln n{ Mole gelöster Substanzen enthalten.1) Dabei soll die Bedingung (32-4)
i
erfüllt sein. Wir wollen das Gleichgewicht der Phasen bei einer bestimmten Temperatur und bei einem bestimmten Druck bestimmen. Unter diesen Bedingungen hat die freie Enthalpie einen Extremwert, d. h. es ist ÖO = d(U -
TS
+ j>V) < 0 .
(32.5)
Um diese Größe für die verschiedenen Phasen des Gemisches zu berechnen, betrachten wir die Beiträge der einzelnen Terme der Gleichung (5). Die innere Energie U (in einer der Phasen) ist eine Funktion des Druckes, der Temperatur und der Zahl der Mole der verschiedenen Molekülarten: U =U(p,T,n0,nvn2,-).
(32.6)
Die die einzelnen Phasen charakterisierenden Indizes werden, solange nur eine der Phasen betrachtet wird, der Einfachheit halber weggelassen. 8
Physik der Kunststoffe
114
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
Unter den oben gemachten Voraussetzungen können wir Gleichung (6) in eine TAYLOB-Reihe f ü r die Zahl der Mole der gelösten Stoffe entwickeln und diese Reihenentwicklung nach dem ersten Glied abbrechen. Man erhält damit U = U0(p, T, n0) +
+ n2
%
on2
+ - .
(32.7)
Bezeichnet m a n das erste Glied, dessen Wert ausschließlich vom Lösungsmittel 3U
bestimmt wird, mit naua und die „partiellen molaren Energien" —— 1 ) mit «i, so erhält man aus Gleichung (7) ' U = n0u0 +
+ n2u2 + ••• .
(32.8)
Für das Volumen erhält man in analoger Weise, falls man das „partielle molare 8V
Volumen" - — M mit Vi bezeichnet diii
V = n0v0 + n
+
n2v2 ^
.
(32.9)
Für die Entropie ergibt sich, wie in den Lehrbüchern der theoretischen Physik (s. z.B. [19, 20]) gezeigt wird, folgender Ausdruck: 8 = n0s0 + nj«! + n2s2 + ••• — R
n, In — + Wo In — + • n
n
(32.10)
Die ersten Glieder dieser Beziehung entsprechen ganz denen der Gleichung (8) und (9). Die übrigen Glieder charakterisieren die Entropiezunahme beim Mischen. 2 ) Für die freie Enthalpie erhält man damit folgenden Ausdruck & = n09o +
n
i9i
+ n2g2
M
+
BT
i no n„ In n
,
U n. In
n
\ n
i n2 \- n» In — + • • • n
wobei zur Abkürzung
(32.11)
Ui — Ts{ + pvi = ¡fa und Eni = n (32.11a und b) gesetzt worden ist. Wir wollen jetzt die Gleichgewichtsbedingung f ü r ein derartiges aus verschiedenen Phasen bestehendes System aufstellen. Wir setzen voraus, daß in dem System eine isobare (dp = 0) und isotherme (dT = 0) Änderung möglich ist, bei der die Molzahlen n0, nv n2, ••• n'0, n[, n'v ••• n'0', n[', n2, ••• usw. sich gleichzeitig u m
ön0,
ö ö n
2
,
••• 8n'0, ön'v
dn2,
••• dn'0', dn'i,
dn2,
••• ä n d e r n .
Bei
dem untersuchten Prozeß können Moleküle aus einer Phase in eine andere übergehen, wobei jedoch die Gesamtzahl der Moleküle konstant bleibt, da wir von chemischen Reaktionen absehen wollen. Es ist also n0 + ni + n2 H 1
+ K + n{ + n2-\
+ K' + ni' + n2 -\
const. (32.11c)
) Diese Größen hängen für ideal verdünnte Lösungen nur vom Lösungsmittel, nicht jedoch von der Konzentration der anderen gelösten Stoffe ab. 2 ) Hierbei ist vorausgesetzt, daß die Moleküle (ungefähr) gleiche Größe haben. Ist dies nicht der Fall, so treten gewisse Korrekturen auf (vgl. 3221).
32 Thermodyna mische Eigenschaften von Lösungen
115
Hieraus folgt ön0 + 8nt + dn2 + ••• + dn'0 + 8n[ + dn'2 + ••• + ¿ < + ¿ < + ¿ < + •••=0.
(32.12)
Bei konstant gehaltenem p und T bestellt Gleichgewicht, falls für das ganze System ¿0 = 0 (32.13) ist. Setzt man Gleichung (11) in diese Beziehung ein, so folgt unter Berücksichtigung von Gl. ( I I b und c) ÖG = Zdni
[9i + BT In ^ | + ¿ X (dgi +
ön«j =
= Z ö n i g i + R T Z d n i \ n r ^ + Z n i ö g i + R T 2 ; d n i = 0,
(32.14)
wobei jeweils über alle Teilchenarten und alle Phasen zu summieren ist. Das dritte Glied in Gleichung (14) £ n ß g i verschwindet, da voraussetzungsgemäß g( nur vom Druck und der Temperatur abhängt. Der letzte Term verschwindet ebenfalls auf Grund der Beziehung (12). Es ist also 2 " (fc + R T In
«5«, = 2 / t t d n t = 0 .
(32.15)
7b ' Die Größe /j,( = gr4 + BT In —
ist identisch mit dem in der Theorie der
thermodynamischen Potentiale eingeführten Begriff des chemischen Potentials.2) ') Meist setzt man in dieser Beziehung g( = /i oi , da diese Größe das chemische Potential der reinen Komponente ist. 2 ) Die Änderung der inneren Energie bei einem reversiblen Prozeß zwischen zwei Mischphasen ist
AU = TdS - pdV + Hierbei ist
m Zßidni. i=l
— das chemische Potential — durch folgende partielle Ableitungen definiert
* = (—) Für die freie Enthalpie folgt durch elementare Umformungen
dO = -SdT
+ Vdp +
mit
Mi (vgl. z. B. F. 8*
HUND,
\dnjT; p;; «i;
—
Sßidrii i=l « 0, so wirkt der letzte Term in Gleichung (75) den beiden Entropietermen entgegen; überschreitet ^ einen bestimmten Wert, der noch vom Polymerisationsgrad abhängt, so überwiegen die entmischenden Tendenzen, und die Lösung zerfällt in zwei Phasen. Partiell kristalline Hochpolymere. Die bisherigen Überlegungen galten im wesentlichen für rein amorphe Polymere. Bei partiell kristallinen Verbindungen (siehe 444) sind die Verhältnisse wesentlich komplizierter. Die grundsätzliche Schwierigkeit bei der thermodynamischen Behandlung derartiger partiell kristalliner Polymerer besteht darin, daß — wie wir noch sehen werden — keine scharfen Grenzen zwischen den amorphen und den kristallinen Bereichen bestehen. Eine theoretische Behandlung mit den aus der Thermodynamik niedermolekularer Substanzen üblichen Begriffen ist deshalb nicht ohne weiteres möglich; aus diesem Grund steht die theoretische Behandlung der Löslichkeit partiell kristalliner Hochpolymerer noch in den Anfängen. Von experimenteller Seite ist zum Lösungsverhalten partiell kristalliner Hochpolymerer zu bemerken, daß insbesondere die Lösungsgeschwindigkeit wesentlich kleiner ist als die der rein amorphen Substanz. Dies ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die Diffusion der Lösungsmittelmoleküle in den kristallinen Bereichen weitgehend eingeschränkt ist. 3232 D e r z w e i t e V i r i a l k o e f f i z i e n t a l s M a ß d e r „ G ü t e " eines L ö s u n g s m i t t e l s Es soll hier noch auf eine andere Größe hingewiesen werden, die zur Charakterisierung der „Güte" 2 ) eines Lösungsmittels herangezogen worden ist, nämlich der zweite Virialkoeffizient des osmotischen Druckes B*.3) Es zeigt sich, daß die „Güte" eines Lösungsmittels symbath mit dem 2. Virialkoeffizienten wächst. Wird der 2. Virialkoeffizient negativ, so bestehen Entmischungstendenzen. Dieser Zusammenhang wird verständlich, wenn man unter Berücksichtigung des über Gesagten die Gleichung (78) betrachtet. Der 2. Virialkoeffizient ist durch diese Durch Reihenentwicklung der ersten beiden Terme der Gleichung (75) folgt
2
) Eine allgemein anerkannte Definition der „Güte" eines Lösungsmittels existiert noch nicht. Je nachdem, von welchem Gesichtspunkt aus man eine hochpolymere Lösung betrachtet, sind verschiedene Lösungsmittel verschieden zu bewerten. Lösungsmittel, die auf Grund der hier benutzten thermodynamischen Charakterisierung als gute Lösungsmittel bezeichnet werden, führen z. B. zu einer hohen spezifischen Viskosität und sind deshalb vom anstrichtechnischen Gesichtspunkt aus als schlechte Lösungsmittel zu bezeichnen und umgekehrt. 3 ) Vgl. hierzu [33],
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
137
Gleichung eng mit der HuGGiNSschen Konstante gekoppelt. Zur Veranschaulichung der Verhältnisse sind die Zusammenhänge zwischen Güte des Lösungsmittels, der HuGGiNSschen Konstanten und dem 2. Virialkoeffizienten in Abb. 3.25 dargestellt. Q5
0
I
-0.S
I
0
1
0.5
i
i
i
P/tasenfrerwung
scMec/ifes
i
n*
M2 "O ' firvj —-*•
gutes¿ösmgsm/ffe/
Abb. 3.25 Zweiter Virialkoeffizient B* und Huaanissche Konstante xi für „gute" und „schlechte" Lösungsmittel.
3233 Z u r T h e r m o d y n a m i k d e r F ä l l u n g 1 ) Im Hinblick auf das Problem der Fraktionierung wollen wir jetzt den Fall noch etwas näher betrachten, daß das betrachtete System (in gewissen Temperaturbereichen) in zwei Phasen zerfällt. Die Verhältnisse sind bei makromolekularen Lösungen ganz analog zu denen bei niedermolekularen Flüssigkeitsgemischen mit Mischungslücke. Zur Darstellung benutzt man ebenfalls ein Entmischungsdiagramm, das den Zusammenhang zwischen Konzentration der einzelnen Komponenten in den beiden Phasen und der Temperatur vermittelt (Entmischungskurve, vgl. Abb. 3.18). Eine Berechnung der Entmischungskurven stößt auf mathematische Schwierigkeiten, da die Rechnungen auf transzendente Gleichungen mit mehreren Unbekannten führen. Wir wollen uns deshalb im folgenden auf die Berechnung des Punktes, bei dem erstmalig Entmischimg eintritt, und der diesem Punkte entsprechenden Konzentration beschrän* ken. Abb. 3.26 In der Abb. 3.26 ist für ein spezielles Beispiel die Aktivität des Lösungsmittels Abhängigkeit der Aktivität vom Molenbruch !) Siehe z. B. [33b],
für verschiedene Werte der HuGGiNSschen Konstanten für P = 100 nach SCOTT [33a].
138
3
Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
als Funktion des Volumenbraches der hochpolymeren Substanz für verschiedene Werte der HuGGiNSschen Konstante dargestellt. Bei kleinen Werten der Konstanten Xi nimmt die Aktivität monoton mit der Konzentration ab. Mit steigendem Wert der HuGGiNSSchen Konstante erhält man Kurven, die bei einem bestimmten Wert von yx eine horizontale Wendetangente und bei noch größeren Werten von einen s-förmigen Verlauf haben. Auf Grund thermodynamischer Überlegungen folgt, daß eine Phase nur stabil ist, falls 8A fh 8V9
< 0
(32.80)
ist. J ) Ist diese Bedingung nicht erfüllt, so zerfällt die Lösung in zwei Phasen. Am kritischen Punkt, bei welchem erstmalig Phasentrennung auftritt, sind die ersten beiden Ableitungen gleich null, d. h. es ist
RT i r r
1 =
-
1
T = T
a
+
-
1
p
+
2
*
F
-
=
0
( 3 2
-
8 1 )
und RT
8VI
1
2 ^ = 0.
(1-F,)»
(32.82)
Aus diesem Gleichungssystem erhält man für den kritischen Punkt der Entmischung
M'+i/ii und für die diesem Punkte entsprechende Konzentration V2X =
1
I
+
—=.
(32.84)
Y P
Während bei niedermolekularen Gemischen der kritische Punkt bei V 2 ä ; 0,5 liegt, sind die Entmischungskurven hochmolekularer Lösungen, wie Gleichung (84) zeigt, extrem unsymmetrisch. Je nach dem Polymerisationsgrad liegt der kritische Entmischungspunkt bei Volumenkonzentrationen von 0,1 bis 0,01. Einige experimentell gewonnene Entmischungskurven sind in den Abbildungen 3.27 und 3.28 wiedergegeben. In der Abbildung 3.27 ist das Verhalten der gleichen hochpolymeren Substanz in verschiedenen Lösungsmitteln dargestellt. Diese Anschaulicher wird dies, wenn man anstelle der Aktivitäten gemäß Gleichung (41) die entsprechenden Partialdampfdrucke betrachtet. Tritt ein .s-förmiger Verlauf der DampfdruckKonzentrationsfunktion auf, so bedeutet dies, daß an der Stelle A (Abb. 3.26) mit steigender Konzentration der Partialdruck abnehmen müßte. Dies widerspricht den Stabilitätsbedingungen. (Ganz analoge Verhältnisse ergeben sich z. B. bei der Diskussion der VAN DER WAALSBchen Zustandsgieichung.)
139
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
Abbildung zeigt z. B., daß beim Abkühlen einer (homogenen) Lösung von Polystyrol (M = 62600) in Methylacetat von beispielsweise 60° C auf 40° C diese in zwei Phasen zerfällt, bei der eine etwa 1 Grund-Mol % Polystyrol und 99 Mol% Lösungsmittel enthält, also praktisch aus reinem Lösungsmittel besteht, während die andere Phase 26 Grund-Mol % Polystyrol und 74 Mol% Lösungsmittel enthält, also einen gelartigen Zustand aufweist. In der Abb. 3.28 ist die Molekulargewichtsabhängigkeit der Entmischung in dem gleichen Lösungsmittel dargestellt. Aus der Molekulargewichtsabhängigkeit der Entmischung ergibt sich die Möglichkeit der Fraktionierung
von
Hochpolymeren,
d. h.
der
Auftrennung eines polymeren Gemisches in mehr oder weniger scharfe Fraktionen verschiedenen Molekulargewichts. Geht man von einer homogenen Lösung aus, die Polymere verschiedenen Polymerisationsgrades enthält, und kühlt die Lösung ab, so fallen zunächst die Polymeren mit dem höchsten Polymerisationsgrad aus. Mit sinkender Temperatur gehen nach und nach immer kürzere Ketten in die Gelphase über. Eine andere Möglichkeit der Fraktionierung besteht darin, daß man die Lösungseigenschaften des Lösungsmittels durch Zugabe eines „Fällungsmittels", also z. B. eines Nichtlösers, verschlechtert. Formal bedeutet dies, daß man die H u G G i N S s c h e Konstante
T 20
-40 10
Grund-Mo/%
Abb. 3.27 Entmischungskurven von Polystyrol (M = 62600) in verschiedenen Lösungsmitteln nach E. J E N C K E L u. G . K E L L E R [34]. 1 — Ä t h y l a c e t a t ; 2 — Oxalsäure-Diäthylester; 3 — Vinylacetat; 4 — Malonsäure-Diäthylester; 5 — Methylacetat; 6 — B e r n s t e i n s ä u r e - D i m e t h y l e s t e r ; 7 — Octylen.
Abb. 3.28 Entmischungskurven von Fraktionen eines Polystyrols in Octadecylalkohol nach E. J E N C K E L U. G . K E L L E R [ 3 4 ] . Molekulargewichte der Fraktionen: 1 155
2 143
3 101
4 60
5 57
6 54
7 37
8 31 • 103.
20
8
Grund-Mo/% -
140
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
vergrößert. Auch auf diese Weise fallen, wie Gleichung (83) zeigt, zunächst die größten Moleküle und mit wachsender Zugabe des Fällungsmittels nach und nach immer kürzere Ketten aus. Auf einige mit der Fraktionierung zusammenhängende praktische Dinge wird später noch eingegangen (s. Abschnitt 357). 3234 K o h ä s i o n s e n e r g i e d i c h t e u n d L ö s l i c h k e i t Eine Vorhersage der Löslichkeitseigenschaften auf Grund der bisher durchgeführten Betrachtungen mittels der HuGGiNSSchen Konstanten bzw. dem zweiten Virialkoeffizienten ist nicht möglich, da diese Größen nicht aus den Daten der reinen Komponenten, sondern nur auf Grund von Messungen an dem betrachteten System berechnet werden können. Für derartige Vorhersagen hat sich eine andere Größe, die „Kohäsionsenergiedichte" bewährt. Die Kohäsionsenergiedichte, die definiert ist als das Verhältnis der inneren molaren Verdampfungswärme Lt zum Molvolumen V (32.85) steht in engem Zusammenhang mit der Wechselwirkungsenergie. Der Grundgedanke bei der Beurteilung der Löslichkeitseigenschaften mittels der Kohäsionsenergiedichte ist folgender: Quantenmechanische Rechnungen haben gezeigt, daß die Wechselwirkungsenergie zweier verschiedener (unpolarer und kugelförmiger) Moleküle gleich dem geometrischen Mittel der Wechselwirkungsenergie der gleichen Moleküle unter sich ist. Die Mischungswärme, die in die thermodynamischen Beziehungen eingeht, wird nun aber durch den arithmetischen Mittelwert der Wechselwirkungsenergien bestimmt. Nun ist der geometrische Mittelwert stets kleiner als der arithmetische, und die Differenz beider Mittelwerte ist um so größer, je mehr sich die Werte, aus denen die Mittelwerte gebildet werden, unterscheiden. Dies bedingt, daß die entmischenden Tendenzen in einer Lösung um so größer werden, je mehr sich die Lösungspartner in ihren Wechselwirkungsenergien unterscheiden. Die Wechselwirkungsenergien stehen nun mit der experimentell bestimmbaren Verdampfungswärme im Zusammenhang, denn die (innere) Verdampfungswärme eines Moleküls ist gleich der Energie, die erforderlich ist, um die sekundären Bindungen — also die Summe der Wechselwirkungsenergien — zu Die innere Verdampfungswärme Lt unterscheidet sich von der experimentell zugängigen äußeren Verdampfungswärme L um die beim Verdampfen gegen den äußeren Druck zu leistende Arbeit. In erster Näherung kann man die Gasphase als ideales Gas behandeln und erhält dann für diesen Energieanteil (auf ein Mol bezogen) AA = pV =
RT.
Damit erhält man folgenden Zusammenhang für die Kohäsionsenergiedichte: L6 = 2
BT V
) Bs sei erwähnt, daß man die Diskussion im allgemeinen nicht an Hand der Größe e, sondern an Hand der Größe j/e durchführt.
141
32 Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
den Nachbarmolekülen zu überwinden. Führt man diese Überlegungen quantitativ durch, so ergibt sich, daß bei niedermolekularen Flüssigkeiten eine Mischung eintritt, wenn beide Mischungspartner ähnliche Kohäsionsenergiedichten aufweisen. Es ist dies im wesentlichen eine exaktere Formulierung der. alten Erfahrungstatsache, daß sich „Ähnliches in Ähnlichem" löst. I n der Tabelle 3.3 ist die aus der Verdampfungswärme berechnete Kohäsionsenergiedichte f ü r eine größere Anzahl von Lösungsmitteln zusammengestellt. Kohäsionsenergiedichte Lösungsmittel Decafluorbutan Dodecafluorpentan Neopentan n-Butan Isopentan w-Pentan 1.3-Butadien n-Hexan Diäthyläther ra-Heptan n-Octan w-Nonan Methylcyclohexan ra-Hexadecan Cyclopentan Cyclohexan Trikresylphosphat Äthylchlorid Methylchlorid Tetrachlorkohlenstoff w-Propylbenzol p-Xylol Äthylbenzol Mesitylen Dimethyläther Toluol Äthylbromid Methylpropylketon o-Xylol trans-Dichloräthylen Äthylacetat cis-Dichloräthylen Benzol Essigsäure Styrol Chloroform
[cai 1 /, ein-'/.] 5,2 5,5 6,25 6,7 6,75 7,05 7,1 7,30 7,4 7,45 7,55 7,65 7,85 8,00 8,10 8,20 8,2 8,5 8,6 8,62 8,65 8,80 8,80 8,80 8,80 8,90 8,90 8,92 9,00 9,0 9,08 9,1 9,15 9,24 9,3 9,3
Tabelle 3.3 verschiedener Lösungsmittel
Quelle
Lösungsmittel
a a a a a a a a a a a a a a a a d a a b a a a a a a a b a a b a a b a a
Äthylmethylketon Methylbromid Tetrachloräthan Chlorbenzol Methylacetat Heptylalkohol Äthylformiat Methylenchlorid Acetonitril Acetaldehyd Äceton Methyljodid Cyclohexanon Hexylalkohol Schwefelkohlenstoff Nitrobenzol Dioxan Chlorcyan Anilin Bromoform n-Pentanol Pyridin Äthylenoxyd w-Butanol Cyclohexanol Acetonitril w-Propanol Dimethylformamid Nitromethan Äthanol Kresol Ameisensäure Phenol Methanol Wasser
a) HILDEBRAND, J. H. in SCOTT, R. L. [35]; b) MAGAT, M. [36];
[oal 1 /. c m - , / i ] 9,3 9,4 9,44 9,5 9,63 9,65 9,65 9,7 9,75 9,84 9,89 9,9 9,92 9,97 10,0 10,0 10,05 10,25 10,3 10,5 10,55 10,7 11,1 11,25 11,4 11,7 11,92 12,1 12,6 12,80 13,3 13,5 14,5 14,48 23,41
Quelle b a b a c b b a b b b a b b a a a b d a b a d b d d b d a b b b b b b
c) Aus der Verdampfungswärme berechnet.
142
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
Die Kohäsionsenergiedichte hochpolymerer Substanzen kann auf diese Weise nicht bestimmt werden, da die Verdampfungswärme infolge der thermischen Zersetzung nicht gemessen werden kann. In diesem Falle kann man die Kohäsionsenergiedichte entweder aus Quellungsmessungen bestimmen (s. u.) oder aus dem Löslichkeitsverhalten abschätzen. In der Tabelle 3.4 sind einige so gewonnene Werte zusammengestellt. Es läßt sich abschätzen, und die Erfahrung bestätigt dies in großen Zügen, daß Löslichkeit besteht, wenn der Unterschied in der Kohäsionsenergiedichte zwischen Lösungsmittel und Polymeren < « 1,2 ist. T a b e l l e 3.4
Kohäsionsenergiedichte einiger hochpolymerer Stoffe Hochpolymerer Stoff Teflon Silikonkautschuk Polyisobutylen Polyäthylen Naturkautschuk Synthesekautschuk GR-S Neopren GN Polystyrol Buna S Polybutadien Neopren Buna N Thiokol RD Polymethylmethacrylat Thiokol P Thiokol PA a) TOBOLSKY, A. V. [35 a];
Ve2 Quelle [cal'/s cm - s/i] 6,2 7,3 7,8-8,05 7,9 7,9-8,1
a a a,b a,b b,a
8,1 8,2 8,56-8,7 8,60 8,6 8,6-9,2 8,9-9,5 9,0
a b a,b b b a,b a,b b
9,08 9,4 9,4
a b b
b) MAGAT, M. [36];
Hochpolymerer Stoff' Polyvinylacetat Polyvinylchlorid Äthylcellulose Dinitrocellulose „Poudre CPI" Polymethacrylnitril Polyäthylenterephthalat Dinitrocellulose: 11,4% N Cellulosediacetat Epoxydharz Polyvinylidenchlorid 6,6-Nylon Polyacrylnitril Polyvinylalkohol
[caiVs cm -1 /']
Quelle
9,4 9,53-9,7 10,3
a a,b a
10,56 10,7
b a
10,7
a
10,72 10,9 10,9
b a a
12,2 13,6 15,4 23,4
a a a c
c) geschätzt.
Es ist bemerkenswert, daß diese Regel oft auch für Substanzen mit Wasserstoffbrückenbindungen gilt. Theoretisch begründet sind diese Zusammenhänge an sich nur für impolare Substanzen, bei denen ausschließlich Dispersionskräfte auftreten. Daß diese Regel auch noch bei Substanzen mit Wasserstoffbrückenbindungen gilt, ist wohl darauf zurückzuführen, daß zur Lösung derartiger Substanzen Lösungsmittel benutzt werden müssen, die die Wasserstoffbrücken sprengen können, die also selbst Wasserstoffbrückenbindungen enthalten. Alle derartigen Lösungsmittel weisen wegen dieser Wasserstoffbrückenbindungen große zwischenmolekulare Kräfte und damit große Verdampfungswärmen und folglich hohe Kohäsionsenergiedichten auf. Das gleiche gilt für die entsprechenden Polymeren. Es sei jedoch ausdrücklich erwähnt, daß es einige Fälle gibt, und zwar vor allem bei stark polaren Substanzen, bei denen Betrachtungen über die Kohäsionsenergiedichte zu unzutreffenden Aussagen über die Löslichkeit führen. Wenn man mittels
32
143
Thermodynamische Eigenschaften von Lösungen
der Kohäsionsenergiedichte zweifellos auch keine quantitativen Aussagen machen kann, so ist sie doch für die Praxis wichtig, da sie Anhaltspunkte geben kann, welche Lösungsmittel für bestimmte Hochpolymere voraussichtlich geeignet bzw. ungeeignet sind. Verhalten von Hochpolymeren in Lösungsmittelgemischen. Benutzt man Lösungsmittelgemische, so kann man näherungsweise mit einem Mittelwert der Kohäsionsenergiedichte rechnen. Dies macht folgenden eigentümlichen Effekt verständlich. Es gibt eine Reihe von Flüssigkeitsgemischen, die bestimmte hochpolymere Substanzen lösen, während die reinen Komponenten die betreffende hochpolymere Substanz nicht lösen. Es zeigt sich (s. Tabelle 3.5), daß bei derartigen Gemischen im allgemeinen die Kohäsionsenergiedichte der hochpolymeren Substanz zwischen denen der reinen Lösungsmittelkomponenten liegt und daß die mittlere Kohäsionsenergiedichte des Gemisches in der Nähe der der hochpolymeren Substanz liegt. Durch die Kohäsionsenergiedichte wird die molekulare Wechselwirkung notwendigerweise nur summarisch erfaßt. Bei einer genauen Diskussion des LöslichkeitsVerhaltens, insbesondere in Mehrstoff-Systemen, sind zweifellos noch eine Reihe anderer Effekte zu berücksichtigen, z. B. Assoziationserscheinungen einzelner Gruppen der Moleküle, die entassoziierende Wirkung einer zweiten Lösungsmittelkomponenten usw. Allgemeine Aussagen in dieser Richtung lassen sich jedoch nicht machen, und man muß jedes System individuell diskutieren. Aus diesem Grunde soll hier nicht näher auf dieses Problem eingegangen werden, und es sei auf entsprechende umfangreiche Darstellungen verwiesen (s. z. B. [37]). Tabelle 3.5 K o h ä s i o n s e n e r g i e d i c h t e n e i n i g e r D r e i s t o f f - S y s t e m e , b e i denen reinen K o m p o n e n t e n N i c h t l ö s e r sind Hochpolymerer Stoff
]/e2 [car/scm-3/*]
die
Nichtlöser I
Vi [cal'/z cm"''i]
Nichtlöser I I
Vi [cal'/j cm_s/a]
Diäthyläther Hexan Hexan Pentan Pentan
7,40 7,30 7,30 7,05 7,05
Äthylacetat Aceton Methylacetat Äthylacetat Methylacetat
9,08 9,89 9,63 9,08 9,63
Diäthyläther Aceton
7,40 9,89
6,6-Nylon
13,6
Phenol
Äthylalkohol Schwefelkohlenstoff Wasser
12,80
Polyvinylchlorid
10,56 — 10,72 9,7
Neopren G N
8,2
Buna S
8,60
Nitrocellulose
14,5
10,0 23,41
J) Es mag zunächst verwunderlich erscheinen, daß in den reinen Lösungsmitteln keine Lösung erfolgt, während die Lösungsmittel miteinander mischbar sind, obgleich die Differenz zwischen den Kohäsionsenergiedichten der Lösungsmittel wesentlich größer ist als die zwischen den reinen Lösungsmittelkomponenten und der hochpolymeren Substanz. Der Grund hierfür ist, daß der Gewinn an freier Enthalpie (durch die Entropieänderung) bei der Mischung niedermolekularer Substanzen wesentlich größer ist als bei der Lösung der hochpolymeren Substanzen (vgl. Kapitel 3221).
144
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
3235 Q u e l l u n g v e r n e t z t e r S y s t e m e 1 ) Vernetzte Hochpolymere sind, sofern keine Zerstörung der Hauptvalenzbindung erfolgt, prinzipiell unlöslich; sie können nur mehr oder weniger quellen. Der Grad der Quellung hängt einmal von der Dichte der Vernetzungspunkte und von der Wechselwirkung zwischen Hochpolymeren und Quellungsmittel ab. Auch bei der Quellung haben wir es mit einem thermodynamischen Gleichgewicht zu tun. 2 ) Die unterschiedliche Wirkung verschiedener Quellungsmittel ist folgendermaßen zu deuten; Quillt eine vernetzte hochpolymere 0 Substanz, so werden dadurch die \ A \ A N) Kettenstücke zwischen den Verne tzungspunkten gestreckt; dies bedingt thermodynamisch gesehen eine aV Abnahme der Entropie. Die Quellung kann deshalb nur so weit fortschreiten, bis der Enthalpiegewinn durch die Änderimg der inneren Energie (bedingt durch die Wechselwirkung der Makromoleküle und der Moleküle des Quellungsmittels) durch die Änderung der Entropie kompensiert wird. Die Quellung wird um so stärker sein, —2 Xdesto besser das Quellungsmittel ist. Auch die Quellungsmittel lassen sich S —h •durch die HüGGiNSSche Konstante bzw. durch die Kohäsionsenergiedichte charakterisieren. Gute Lösungsmittel S-iV3 für die unvernetzten Polymeren sind ebenfalls gute Quellungsmittel für die A b b . 3.29 entsprechenden vernetzten Produkte. Zusammenhang zwischen Quellungsgrad und Diese qualitativen Betrachtungen werVernetzungsgrad bei vulkanisiertem Naturden durch die thermodynamischen Bekautschuk für verschiedene Quellungsmittel.3) rechnungen und durch das Experiment 1 - Tetrachlorkohlenstoff; 2 — Benzol; 3 — Petrolbestätigt. äther; 4 — Äthylacetat; S — Aceton (nach GBE [40]).
\
!) Vgl. z. B. [38, 39]. ) Thermodynamisch ergibt sich auf Grund der Tatsache, daß sich in der Lösungsmittelphase infolge der hauptvalenzmäßigen Verkopplung des Hochpolymeren keine gelösten Makromoleküle befinden können, folgende Gleichgewichtsbedingung: A ^ — 0. 3 ) Die ausgezogenen Kurven sind auf Grund der thermodynamisch abgeleiteten Beziehung 2
in (i + m
1
— (Q + l)- - xaq
+1)-
= ' IT « +
1
)-,/'
berechnet, wobei Me das Molekulargewicht eines Kettenstückes zwischen zwei Vernetzungspunkten ist.
33 Transportvorgänge in Lösungen
145
I n Abb. 3.29 ist der Quellungsgrad tr Q = ~ F
(32.86) 2
v o n vulkanisiertem Naturkautschuk in verschiedenen Lösungsmitteln als Funktion des Molekulargewichts Mc der Kettenstücke zwischen zwei Vernetzungspunkten dargestellt. B e i sehr schlechten Lösungsmitteln findet auch bei sehr schwacher Vernetzung (M c oo) entsprechend dem in 3233 Gesagten nur eine beschränkte Quellung (infolge Entmischung) und keine Lösung statt. Mit wachsender Güte des Quellungsmittels und m i t schwächer werdender Vernetzung n i m m t der Quellungsgrad erwartungsgemäß zu.
33 Transportvorgänge in Lösungen1) Bezeichnungen: A = allgemeine Konstante A = Flächeninhalt (Abschnitt 332) a = Bindungslänge a' = effektive Bindungslänge a = Exponent in der [?7]-J/-Beziehung B = allgemeine Konstante B = zweiter Virialkoeffizient des osmotischen Druckes 6 C c cg cm D Da DÄ Dm Dn Dw E / fp fg /, g H f)i, h{
= Exponent in der -Beziehung = dritter Virialkoeffizient des osmotischen Druckes = Konzentration allgemein = Gewichtskonzentration (g/cm3, wenn nicht anders angegeben) = Volumenkonzentration (mol/1, wenn nicht anders angegeben) = Diffusionskoeffizient = „ bei unendlicher Verdünnung = „ nach der Flächenmethode — „ nach der Momentenmethode = Zahlenmittel des DifFusionskoeffizienten = Gewichtsmittel des Diffusionskoeffizienten = dissipierte mechanische Leistung = molarer Reibungsfaktor = molekularer Reibungsfaktor einer Monomereneinheit („Einzelperle") im Perlschnurmodell = molekularer Reibungsfaktor des gesamten Polymermoleküls = Aktivitätskoeffizient des Stoffes i = Schwerebeschleunigung = Gradient des Brechungsindex (dn/dx) in Abschnitt 3322 = Vektor und Betrag des Abstandes einer Monomereneinheit vom Kettenendpunkt eines Moleküls = mittlerer Fadenendabstand in einem Polymermolekül
V/to », j K x
10
= mittlerer Fadenendabstand des ungestörten Moleküls = Numerierungsindices = Konstante
) Von G. Langhammer. Physik der Kunststoffe
146
3
KV KV K3 KR, KD, Ks K ¥ H' KS M Mw Mn Mn
—
=
= = = = =
= =
TO
= =
NL n P r
= — =
= =
«
=
«0
=
M
=
S,-> «I
=
=
T t U u V V0 V Vi Viel Svjdy; y, 2
= =
= = = = = = =
dvjdy =
xB X
=
Z
=
Zr, a Vi 6 V VO Viel Vsp n'
=
Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
Konstanten in den -Beziehungen f ü r das voll-, un- und teilweise durchspülte Knäuel Kraftwirkung auf ein Polymermolekül unter dem Einfluß von Reibung, Diffusion und Sedimentation K-Wert nach FIKENTSCHER (Abschnitt 3352) HuGGiNSsche Konstante für jj s p -c-Beziehung (Abschnitt 3352) Steigungskonstante in den D—c- und 1/s-c-Beziehungen Molekulargewicht Gewichtsmittel des Molekulargewichtes Zahlenmittel des Molekulargewichtes viskosimetrisches Mittel des Molekulargewichtes Masse i-tes Moment einer K u r v e (Abschnitt 3322) LoscHMiDTsche Zahl Brechungsindex Druck Radius (Molekülradius) Äquivalentradius eines Moleküls Sedimentationskonstante Sedimentationskonstante bei unendlicher Verdünnung Sedimentationszahl Vektor und Betrag des Abstandes der Monomereneinheit („Perle") i vom Massenmittelpunkt des Polymermoleküls Vektor und Betrag des Abstandes eines Fadenendes vom Massenmittelpunkt des Polymermoleküls absolute Temperatur Zeit potentielle Energie Exponent in der s-Jlf-Beziehung Molvolumen Molvolumen des reinen Lösungsmittels spezifisches Volumen (cm 3 /g) partielles spezifisches Volumen (3 vi de) der Komponente i Relativgeschwindigkeit zwischen Monomereinheit und umgebender FlüssiglrAit iv(.' 1L Geschwindigkeitsgefälle und mittleres Geschwindigkeitsgefälle in einer Kapillarströmung räumliche Koordinaten Abstand des Zellenbodens von der Rotationsachse in der Ultrazentrifuge Argument in der KiBKWooD-RiSEMANschen Theorie der Grenzviskositätszahl (Abschnitt 3353 C) Anzahl der Monomereinheiten in einem Polymermolekül, entspricht dem Polymerisationsgrad Viskositätszahl linearer Ausdehnungsfaktor des Moleküls nach FLORY Molenbruch der Komponente i Exponent in der DA-M-Beziehung Viskositätskoeffizient Viskosität des reinen Lösungsmittels • relative Viskosität ; spezifische Viskosität scheinbare oder mittlere Viskosität bei Scherbeanspruchung in einer KapillarStrömung
33 Transportvorgänge in Lösungen
147
rj'0, rf oo
= Grenzwerte der mittleren Viskosität in einer Fließkurve
[rj]
= Grenzviskositätszahl (STAUDINOER-Index)
& & fx II g aD
= „©"- oder „FLOBY-Temperatur" (Temperatur, bei der sich eine Lösung „pseudoideal" verhält) = Orientierungswinkel der Teilchenachse gegen die Strömungsrichtung = chemisches Potential = osmotischer Druck = Dichte = Abschirmverhältnis nach DEBYE (Abschnitt 3353 C)
a aR 0 0 0
-+«•
^
Dabei sind x1 und z0 die Abstände des Meniskus (bzw. des Maximums des Konzentrationsgradienten) von der Rotationsachse zur Zeit t und zu Sedimentationsbeginn (i = i 0 ). Exakter ist die unmittelbare Anwendung der Gl. (48) nach einem Differenzenverfahren. Bei einer schiefen Sedimentationskurve wird ein Qewichtsmittel f ü r s nach der Beziehung sw =
s
[108]) berechnet. 2 Dabei entspricht s m a x der Abszisse des Maximums, sm der Abszisse x, deren Ordinate die Fläche unter der Kurve halbiert. Man trägt analog wie bei D die Werte s{ ti gegen f,- auf u n d erhält s als Neigung der Geraden. Die Zeit des effektiven Sedimentationsbeginns muß dabei besonders ermittelt werden [104]. U m «-Werte f ü r verschiedene Substanzen vergleichen zu können, definiert man eine „Sedimentationszahl" nach folgender Beziehung : W 0 = hm c
_0
W
——-—(JULLANDER
= lim Vt-Vt-St c-*0
U
—
V
QT • T)
1}
(33 52)
Dabei sind alle Messungen bei T° K durchzuführen u n d auf c = 0 zu extrapolieren. Die Sedimentationskonstante hat die Dimension einer Zeit, die Einheit ist 1 Svedberg = 10~13 sec. Bei Messungen in organischen Lösungsmitteln relativ hoher Kompressibilität muß vor der Extrapolation auf c = 0 eine Druckkorrektur durchgeführt werden [103]. Ferner tritt infolge der sektorförmigen Gestalt der Ultrazentrifugenzelle und durch die Änderung der Zentrifugalkraft mit dem Abstand von der Rotationsachse ein Verdünnungseffekt auf. Beide Effekte können bis zu 30% ausmachen. Sie kompensieren sich teilweise, müssen aber bei exakten Messungen berücksichtigt werden. Ein einfaches Verfahren, das keine Kenntnis spezieller Stoffkonstanten wie Kompressibilität voraussetzt, hat E L I A S [104] angegeben. B. Konzentrationsabhängigkeit
der
Sedimentationskonstanten
Die Konzentrationsabhängigkeit von s kann meist durch die Gl. - = — + k'cm 8 s0 ^
bzw. .
s =
^ 1 + k,-cm
y(33.53)
'
g u t wiedergegeben werden (Abb. 3.36). Dabei ist ks noch eine Funktion des Molgewichtes. Der Exponent m ist meist gleich 1 [96, 98,100], wurde aber auch kleiner gefunden [97]. *) Der Index T bedeutet, daß alle Messungen bei einer einheitlichen Temperatur T°K durchgeführt sind. 11*
164
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
Größere Meßgenauigkeit erlaubt vielfach eine Beziehung folgender Form zu benutzen
- = — + k'c + k"c*.
(33.54)
S„
8
Bei höheren Molgewichten (>100000) und in guten Lösungsmitteln (stark aufgeweitete Knäuel) sinkt die Sedimentationskonstante stark mit wachsender Konzentration und wird schon bei geringen Konzentrationen vom Molgewicht unabhängig (Abb. 3.37). Das Teilchen sedimentiert mitsamt dem eingeschlossenen Lösungsmittel, dessen Volumen das Hundertfache des Kettenmolekülvolumens ausmachen kann. Die Lösung ist dann hydrodynami sch eine,, Kugelsuspension'' V//5 von l - " 2 0 % . Bei noch höherer Konzentration wird s von dieser unabhängig. Die ganze Lösung bildet ein loses Maschenwerk, das vom Lösungsmittel gleichmäßig durchspült wird. Die mittlere Maschenweite des Netzes hängt nur noch von der Konzentration, nicht von der Kettenlänge der Einzelteilchen ab. In diesem Konzentrationsgebiet kann man aus s den mittleren Durchmesser der Molekülkette ermitteln [105, 106], gegebenenfalls auch die Bildung von Mizellen feststellen.
C.
Molgewichtsabhängigkeit
der
Sedimentationskonstante
Der Zusammenhang zwischen s 0 und M läßt sich häufig durch einen Ausdruck
s0 = a + b- M°' 5 Abb. 3.36 Abhängigkeit des reziproken Sedimentationskoeffizienten von der Konzentration (Polycarbonate in Tetrahydrofuran) [100].
(33.55)
beschreiben. Vielfach benutzt man auch eine einfache Potenzfunktion
SQ ~ const • M".
(33.56)
Dabei liegt u zwischen 0,5 und 0, bei biegsamen Fadenmolekülen meist näher an 0,5 (Abb. 3.33), bei Cellulosederivaten um 0,33. Der Exponent u hängt eng mit d in Gl. (39) zusammen, es gilt w + 1
(33.57)
165
33 Transportvorgänge in Lösungen
Damit ergibt sich
4r7iNL / 9
M
y/»
r,nsv
(33.58)
\2 1 — q • v)
Ist die Voraussetzung der Kugelgestalt nicht erfüllt, so gewinnt man einen unabhängigen Ausdruck für / aus einer Messung des Diffusionskoeffizienten. Aus RT
Gl. (33) folgt f = ——. Nimmt man an, daß der Reibungsfaktor für Diffusion und Sedimentation derselbe ist, so kann man dies in (50) einführen und erhält die fundamentale Beziehung von SvEDBEBG M = „
E T S
D( 1
,.
(33.59)
-q-V)
30
Die SvEDBEKGsche Formel ist ein Grenzgesetz für unendliche Verdünnung. Für endliche Verdünnung folgt n a c h HAASE [95] a u s
der
Thermo-
dynamik irreversibler Prozesse, ohne daß man besondere Annahmen über die Gleichheit der Reibungsfaktoren für Diffusion und Sedimentation machen muß, D
cg M( 1
^
dfi2 •v) 8cg
ZO
rv
RT
M(i-Q-v)
(1
\
X s «•if
Q-V)
1
Af- 75000
2BMcg
1
1, so weicht die Teilchenform von der Kugelgestalt ab. Zu einem Wert von f / f K sind verschiedene Gestalten denkbar (Ellipsoide, Stäbchen, Scheibchen), zwischen denen man durch Kombination mit anderen Methoden oder auf 6 r u n d theoretischer Überlegungen unterscheiden kann. I n dieser Ermittlung des Reibungsverhältnisses liegt ein großer Vorteil der Ultrazentrifugenmethode. E. Bestimmung
der Polymolekularität
aus der
Sedimentationsgeschwindigkeit
Das Sedimentationsdiagramm in der 6eschwindigkeitsultrazentrifuge erlaubt auch die Bestimmung der Polymolekularität [107]. I n Abb. 3.38 ist der Konzentrationsverlauf f ü r ein Polymeres dargestellt, das aus 9 scharfen Fraktionen aufgebaut sein soll, f ü r die s unabhängig von der Konzentration und die Diffusion vernachlässigt ist. Man würde ebenso viele, im Falle scharfer Fraktionen auch sehr
Abb. 3.38 Sedimentationsdiagramm (c—»-Diagramm) für ein Polymeres aus 9 Fraktionen. Rechteckzug: Ohne Einfluß der Diffusion; stetige Kurve: Mit Einfluß der Diffusion bzw. bei stetiger Verteilung der Molgewichte (schematisch). Die Zahlen geben die Massenanteile der Fraktionen an.
scharfe Maxima erhalten. Man sieht ohne weiteres, daß man bei feinerer Aufteilung in Fraktionen eine glatte Konzentrationskurve erhält, deren Ableitung dcjdx unmittelbar ein Maß f ü r die différentielle Massenverteilung (Abschn.21)gibt. Die wirkliche 6estalt der Sedimentationskurve wird durch die Diffusion und die Konzentrationsabhängigkeit der Sedimentationskonstanten beeinflußt. Die Diffusion fällt um so weniger ins 6ewicht, je rascher die Sedimentation erfolgt, daher
33 Transportvorgänge in Lösungen
167
strebt man zu immer größeren Umdrehungszahlen. Die bei Hochpolymeren meist vorliegende starke Konzentrationsabhängigkeit von s erfordert für die Übertragung der dc/d«-Kurve in eine Massenverteilungskurve zusätzliche, etwas umständliche Verfahren. Ein qualitatives Maß für die Verteilungsbreite erhält man, indem man die „Weite" der Sedimentationskurve, definiert als Quotient aus dem Flächeninhalt der Sedimentationskurve und ihrer Halbwertsbreite gegen die Abszisse xm des Maximums aufträgt [85]. Es ergeben sich Geraden, deren Steigung von der Konzentration abhängt und auf die Konzentration c = 0 extrapoliert wird. Diese Grenzsteigimg ist um so größer, je breiter die Molgewichtsverteilung ist. Unter bestimmten Voraussetzungen über die mathematische Form der wirklichen Verteilungsfunktion und bei Kenntnis des Zusammenhangs zwischen s und M kann hieraus die Molgewichtsverteilung quantitativ berechnet werden. Bei einer anderen, von KBAEMER und LAUSING [109] inaugurierten Methode werden verschiedene Mittelwerte des Molgewichts aus s„, sa und sz sowie Dn, Dw und Dz berechnet und diese Werte mit denen einer Verteilungsfunktion von vorgegebener mathematischer Form verglichen. Verfahren, die ohne die Voraussetzung einer bestimmten Verteilungsfunktion auskommen, sind von WILLIAMS [110] und von BALDWIN [111] angegeben worden.
I n jüngster Zeit teilte CANTOW eine sehr aussichtsreiche Methode mit [112, 113]. Sie beruht darauf, daß die Konzentrationsabhängigkeit des Dififusionskoeffizienten und der Sedimentationskonstante in idealen Lösungen ( 5 = 0 = 0) sehr gering ist. Da C im allgemeinen sehr klein ist, ist die Hauptbedingung für das Vorliegen einer idealen Lösung, daß B = 0 ist. In einer echt idealen Lösung ist dies bei allen Temperaturen der Fall. Es gibt aber auch Lösungen, für die B nur bei einer bestimmten Temperatur verschwindet (3332 D); solche Lösungen nennt man „pseudoideal". Ein solches pseudoideales Verhalten hegt am „©-Punkt" vor. Die ©-Temperatur liegt, grob gesprochen, knapp über der Temperatur, bei der das Gelöste gerade auszufallen beginnt, d. h. etwa beim kritischen Entmischungspunkt. Sie ist streng definiert als Entmischungstemperatur bei unendlich hohem Molgewicht. Für Polystyrol in Cyclohexan ist z. B. 0 = 34,2° C. Man kann pseudoideales Verhalten auch durch Zusatz eines Nichtlösungsmittels bewirken [114, 115, 116]. CANTOW zeigt, daß man durch Messung bei einer einzigen, genügend niedrigen Konzentration aus dem bei der 0-Temperatur aufgenommenen Sedimentationsdiagramm in verhältnismäßig einfacher Weise Molgewichtsverteilungen erhält, die mit den nach anderen, besonders nach der Fällungsmethode erhaltenen sehr gut übereinstimmen. In solchen Lösungsmitteln sind etwa die Voraussetzungen erfüllt, welche der Abb. 3.38 zugrunde liegen. Die Sedimentationsgeschwindiglceit von Makromolekülen, die aus der Lösung durch Fällungsmittelzusatz aussedimentieren, kann nach CANTOW [ 1 1 7 ] ebenfalls zur Bestimmung der Molgewichtsverteilung herangezogen werden. 3333 S e d i m e n t a t i o n s g l e i c h g e w i c h t Bei genügend langem Zentrifugieren stellt sich über dem Boden der Zelle ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Sedimentation und Diffusion ein. Dieses Gleichgewicht entspricht völlig der barometrischen Höhenverteilung mgh
Qi o
c
o
(33.63)
168
3
Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
Dabei ist ql die Dichte der Luft in der Höhe h, qLo die an der Erdoberfläche, c und c0 sind die entsprechenden Konzentrationen, m ist die Masse eines Gasmoleküls, g die Schwerebeschleunigung, k die BoLTZMANNsche Konstante und T die absolute Temperatur. Da die Größe mgh nichts anderes ist als die potentielle Energie U des Teilchens relativ zum Erdboden, so kann man auch schreiben c = c0-e
u .
kT
(33.64)
Dann entspricht Gl. (63) dem BoLTZMANNschen Energie Verteilungsgesetz. Im Falle der Zentrifuge tritt an Stelle der Schwerebeschleunigung g die Zentrifugalbeschleunigung oßx. Wir berechnen die potentielle Energie eines Teilchens der Masse m im Abstand x von der Rotationsachse relativ zum Zellenboden, der den Abstand xB von der Achse haben soll. Sie ist gegeben durch das Wegintegral von xB bis x über die K r a f t moßx, also, wenn man die positive x-Richtung in Zentrifugalrichtung wählt, X
ifl
/
XB
2
ma> x dx = — — (o2{x2 - x%).
(33.65)
Da das Teilchen in einer Flüssigkeit der Dichte q suspendiert ist, muß die Masse um den Auftrieb korrigiert werden. H a t das Teilchen das spezifische Volumen v (cm 3 /g), so beträgt f ü r ein Teilchen der Masse 1 die Korrektur — q) = (1 — q • v). Führen wir noch mittels M = NL • m das Molgewicht ein, so wird die potentielle Energie eines Teilchens im Rotationsabstand x relativ zum Zellenboden M U=-7^r{l-Q-v)oy*(x*-x'1B). (33.66) Als Konzentrationsverteilung
über dem Zellenboden ergibt sich
c = c0 • exp
'M( 1 - Q • v) (O2 (x2 — Xß) 2 RT
Differentiation liefert die erstmals von 1, so folgt
a•
(33,H5a)
Mit Gl. (106a) ergibt sich für die Grenzviskositätszahl
r«l WJ =
-
1 NLfv a? 2 ^ —Z
6 M o V o 12 * 72 MUo
= K{-M*.
(33, 117 d)
Ein solcher Zusammenhang zwischen \rj\ und M wurde z. B. für voll ionisierte, d. h. stark gestreckte Polyelektrolytmoleküle gefunden.
B. Das undurchspülte
Knäuel
Wird das Lösungsmittel im Grenzfall in dem Knäuel völlig immobilisiert, so stellt das Fadenmolekül ein Teilchen dar, dessen Abmessungen etwa gemäß den Gin. (31,22; 31,23) bestimmt werden können. Betrachten wir das Molekül vereinfachend als Kugel, so können wir nach Gl. (31,23) dessen Durchmesser ansetzen dK «i 1lh\ Das Volumen eines Teilchens wird dann -—- djc und das spezifische Volumen ^ dx • Haben wir eine Konzentration von cg g/cm 3 , so wird der Volumenanteil der Moleküle am Gesamtvolumen. -cg.
(33.118)
Setzen wir diesen Wert in die EiNSTBiNsche Beziehung (85) ein, so folgt nach einfacher Umformung * (33.119) Mit Gl. (31.19) erhalten wir [fj] = Ki-M°*,
(33.120a)
wobei für ein frei drehbares Kettenmolekül die Konstante K 2 den Wert ' • - ^ • t i ?
< m m
» besitzt. Beim undurchspülten Knäuel wächst also die Grenzviskositätszahl mit der Wurzel aus dem Molgewicht.
182
3 Hochpolymere Lösungen
C. Das teilweise durchspülte
[Lit. S. 237]
Knäuel
Brinkman [46] sowie D e b y e und B u e c h e [47] nehmen an, daß das Makromolekül durch eine Kugel vom Durchmesser dK ersetzt werden kann, in der die Monomereneinheiten gleichmäßig verteilt sind und innerhalb deren die Relativgeschwindigkeit der Strömung mit zunehmender Annäherung an den Massenmittelpunkt abnimmt (Abb. 3.43). Diese Abnahme wird durch eine „Abschirmlänge" l s gekennzeichnet, die angibt, innerhalb welcher Länge die Relativgeschwindigkeit auf den e-ten Teil (in einem unendlich großen Molekül gleicher Kugeldichte) absinkt. Den Quotienten aus Kugelradius und Abschirmlänge bezeichnet man als Abschirmverhältnis Abb. 3.43 Perlschnurmodell im Strömungsgefälle (Fall des teilweise durchspülten Knäuels). Die Pfeile haben die gleiche Bedeutung wie in Abb. 3.42 a.
Ob
dK 21/
(33.121a)
Berechnung der bei einer solchen Bewegung dissipierten Leistung f ü h r t in Analogie zu Gl. (120) zu M =
'
d
* ' 5
'
0{aD) =
K3
'M1'*0^-
(33.121b)
Die Funktion 0 (oD) wächst mit zunehmendem Molgewicht, das bedeutet, daß \rj\ stärker als mit der Wurzel aus M ansteigt. Doch wird mit wachsendem M ein Grenzwert erreicht; der relative Einfluß des Faktors 0 sinkt also mit wachsendem Molgewicht, bei hohen Molgewichten steigt [rj] mit Mofi an. Kerkwood und Riseman [48] versuchen, einen Mittelwert der Störung zu berechnen, die alle übrigen Perlen an der Stelle einer herausgegriffenen Kugel hervorrufen. Das Resultat kann in einer der Gl. (121) sehr ähnlichen Form geschrieben werden , ,„ • ^ • X . F ( X ) . (33.122) M = £ Dabei ist X gegeben durch X = fp • Z^'/rjaißn3)1^ • a . Die Funktion X • F(X) nimmt ebenfalls mit wachsendem Molgewicht zu und hat etwa den halben Wert wie die Funktion 0 bei gleichem Polymerisationsgrad. Ebenso wie in der Theorie von D e b y e - B u e c h e wird ein Grenzwert erreicht, oberhalb dessen [rj] dann mit I i 0 ' 5 ansteigt. Eine Erweiterung der Theorie stammt von P e t e r l i n [139]. D. Empirische
Gleichungen
Wir hatten in den vorhergehenden Abschnitten gesehen, daß man je nach dem Modell, das man zugrunde legt, zu verschiedenen Molekulargewichtsabhängigkeiten der Grenzviskositätszahl kommt, die in der folgenden Tabelle zusammengefaßt sind:
183
33 Transportvorgänge in Lösungen
Massive Kugel Undurchspültes Knäuel Teilweise durchspültes Knäuel Voll durchspültes Knäuel Starres Stäbchen
[)?] ~ [rj] ~ \rj] ~ [rj] ~ [??] ~
M° M0^ ••• M1 1
M M2.
Experimentell findet man vielfach eine Beziehung nach (33.123)
[rj] = K • Ma (Gl. v o n
KUHN-MABK-HOUWINK).
3
W 8 6
i +
S •4
•
l
,
i
/
"
W
W
W e n n wir von V«2 absehen, so t r i t t der spezifische Charakter des Polymeren lediglich in der Größe fvjrj0 in Erscheinung. FLOKY zeigt n u n , daß deren Einfluß sehr gering ist, wenn sie erst einmal einen gewissen W e r t erreicht h a t . Steigt nämlich fp an, so wird zwar die Reibung erhöht, aber zugleich wird die Eindringtiefe der Strömung verringert. Es erfahren also weniger Perlen eine Reibung, d a die Zahl der Perlen in der Randschicht n a c h außen hin a b n i m m t . Beide Einflüsse gleichen sich aus, und /9/ry0 wird von fpjrj0 praktisch unabhängig. D a n n b e s t i m m t allein den W e r t von /9/??0. Die chemische N a t u r des Polymeren m a c h t sich n u r über diese Größe geltend. F ü r genügend große Moleküle (Z > 1000) m u ß also F eine universelle K o n s t a n t e sein. Der Zahlen wert f ü r F wird aus der Theorie von KIRKWOOD-RISEMAN übern o m m e n , er b e t r ä g t 12,73. W i r erhalten somit ^=12,73 Vo
(33.137)
K o m b i n a t i o n m i t G. (133) ergibt Bä=
12,73 6ji
r
•
(33.138)
Analog G. (118) folgt weiterhin V=
4n „ N fX&Z£-c
:
(33-139)
g
und 2,5 - i n M = —3—
. Nl
(33.140)
Es ergibt sich [mit Gl. (138)] [>j] = 19,4 • 1023 { f e f = 0'
.
(33.141)
Mit Gl. (31.19) folgt daraus unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen diese Gleichung gültig ist, M =
(h?) 3 ' 1
=
(hA'u
(33.142)
Die Grenzviskositätszahl ist also für alle Polymere dem Quotienten aus effektivem Knäuelvolumen und Molgewicht proportional, die Proportionalitätskonstante ist unabhängig von der Natur des Polymeren und des Lösungsmittels. Bei der vorstehenden vereinfachten Rechnung ist vorausgesetzt, daß der Äquivalentradius für die Translation [Formel von S T O K E S Gl. ( 1 3 2 ) ] und für die Viskosität [Formel von E I N S T B I N Gl. ( 8 5 ) und ( 1 4 0 ) ] derselbe ist. Dies ist aber infolge des rein formal-modellmäßigen Charakters von R ä nicht ohne weiteres vorauszusetzen. Strengere Rechnungen ergeben für 0 die Werte 3,62 • 1023 bzw. 2,84 • 1023. Die experimentellen Werte von 0 liegen etwa bei 2,1 • 1023, sie nehmen etwas mit zunehmender Güte des Lösungsmittels ab.
33 Transportvorgänge in Lösungen
189
Nach SCHULZ [149] ist das Modell der äquivalenten Kugel bzw. des Knäuels mit einer Gaußschen Verteilung der Segmentdichte durch das realistischere eines „äquivalenten Zylinders" zu ersetzen. Die Gleichung (142) erhält dann die Form M
^
+ ^ . L j L , M
(33.143)
in der 2 eine universelle Konstante (2 = 1,3 • 1023) darstellt und fP1 ein Maß für die individuelle Durchspülbarkeit des Knäuels ist. x wird aus der lokalen Konzentration ciok an Fadenelementen am Ort eines herausgegriffenen Fadenelements berechnet zu = 2,5/ciok; die lokale Konzentration selbst, die von der mittleren Konzentration im Knäuel zu unterscheiden ist und im Gegensatz zu dieser mit dem Polymerisationsgrad wächst, wird nach dem Vorschlag von KUHN berechnet [150]. Die Abhängigkeit der Größe
1 ist, kann man (Z — 1) ~ Z usw. setzen und Z gegenüber Z 2 vernachlässigen. Man erhält 3
Ie
\
3
(34.26)
;
Würden keine Interferenzerscheinungen auftreten, so wäre die Intensität der Streustrahlung Iu der Z Partikel h
=
Damit erhält man
(34.27)
ZHe.
(34.28) Der Faktor 2 ergibt sich, wenn man berücksichtigt, daß in die Gleichungen (24) nur die Werte für j > i eingetragen sind. 2
) Es ist
X
X
I ( I - i ) = I » - I i = I
X=1
E *2 =
x= l
1
X=1
o
(2X + 1).
i
i
^
^
- - I ( I + l ) = - X(X - 1) ;
209
34 Die elektro-optischen Eigenschaften makromolekularer Lösungen
Die exakte Rechnung ergibt [179, 180] IIed(&)
=
|e~« -
(1 -
«)] = IUPKnäuel(i^j
X).
(34.29)
Unter Berücksichtigung der Gleichung (34,11) folgt hieraus Ited(§)
= HMCg^Knäuel(#V
•
(34.30)
mit P K näuei(#;A)
(1 - « ) ]
und
Durch Reihenentwicklung erhält man hieraus [181] (34.30 a) Dies stimmt in erster Näherung mit der oben abgeleiteten Beziehung (28) überein. Der Verlauf von PKnäuei ; A) als Funktion des Streuwinkels ist für verschiedene Werte von — in Abb. 3.57 dargestellt.
270°
Abb. 3.57 Winkelabhängigkeit der Streustrahlung für ein Knäuelmolekül gemäß Gl. (29)
/I Parameter . -n j 14
Physik der Kunststoffe
\
= 0; 0,2; 0,4; 0,6; 11 .
210
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
C. Die Streuung elektro-magnetischer Wellen an einer Kugel Insbesondere im Hinblick auf die Teilchengrößenbestimmung von kompakten Makromolekülen (z. B. Proteinen) mittels der Röntgenkleinwinkelstreuung wollen wir noch die Streuung elektro-magnetischer Wellen an einer Kugel, deren Durchmesser vergleichbar mit der eingestrahlten Wellenlänge ist, untersuchen. Die Problemstellung ist hierbei etwas anders als bei der Berechnung der mittleren Streuung zweier Partikel im festen Abstand. Im letzteren Falle berechnete man die Streuintensität f ü r eine bestimmte Lage und mittelte dann die Streuintensität über alle Lagen bzw. man ging von vielen derartigen Partikeln aus, die alle möglichen Lagen einnehmen können, und bestimmte dann die mittlere Streuintensität der Partikel, die sich — da keine Wechselwirkung stattfindet — durch Addition der Intensitäten ergab. Bei der Streuung an einer Kugel tritt gleichzeitig Streuung an allen Volumenelementen auf, wobei, bedingt durch die konstanten Abstände, Phasenbeziehungen zwischen den von den einzelnen Volumenelementen gestreuten Wellen bestehen. I n diesem Falle müssen wir die von den einzelnen Volumenelementen der Kugel ausgehenden Beiträge der Feldstärke unter Berücksichtigung der Phasenbeziehungen addieren. Die Streuintensität erhält man dann durch Quadrierung. Die Feldstärke der von einem Volumenelement im Mittelpunkt der Kugel ausgehenden Streustrahlung lasse sich in der Form ® = Ea cos 2nvt (34.31) darstellen. Die Streustrahlung von einer dünnen Schicht parallel zur Winkelhalbierenden zwischen einfallender und gestreuter Welle im Abstand« vom Mittelpunkt hat gegenüber dieser Welle einen Gangunterschied A (vgl. Abb. 3.58). Dieser Gangunterschied ergibt sich auf Grund der BRAGGschen Bedingung zu Abb. 3.58 Zur Berechnung der Lichtstreuung
A = ^AO + liO = 2z sin
.
(34.32)
Die Feldstärke der Streustrahlung eines Volumenelementes dieser Schicht ist also = EÄ cos (tnv
(i - ^ f j =
cos ( 2 n v t - fiz)
mit 47rj> .
#
4?r sin — 2
(34.33)
211
34 Die elektro-optischen Eigenschaften makromolekularer Lösungen
Da die Phasenverschiebung aller von einer derartigen Schicht der Dicke dz ausgehenden Streuwellen die gleiche ist, erhält man die gesamte von dieser Schicht ausgehende Feldstärke d(£z, indem man die Feldstärke pro Volumeinheit mit dem Volumen der Schicht multipliziert: dg,
=
Ea
2Tivt -
(COS
- z2) dz.
f i z ) • jt(R2
(34.34)
Die gesamte Feldstärke erhält man, wenn man über die gesamte Kugel integriert: @ = t i Eji J (R2 -R
=
— z 2 ) c o s (2nvt
ti E A J (R2 -R
— f i z ) dz
[cos 2nvt
— z2)
cos fiz + sin 2jcvt sin fiz\
(34.35)
dz.
Mit der Substitution fiz — x folgt ®=
nEA
c o s 2izvt
I R2 J
(
c o s xdx
-R
xdx
-R
+R
R2 - jj"i
x2 cos
^ J
,+ R
sin x
^y j -R
dx
si n
x
dx
1
Die Integration ergibt e =
7CEA
cos 2n
+ sin 2nvt
(
(
R2
vt
[i? 2 cos
sin uz
fiz
- -,j (2fiz
1
^ (2fiz
cos fiz + ( f i 2 z 2 — 2) sin f i z )
sin fiz +
(fi2z2
— 2) cos
fiz)
Führt man die Grenzen ein, so erhält man nEA
bzw.
Falls
cos
2nvt
—
R2
sinfiR
4
nEÄ j — c o s 2nvt
(4^-R cos fiR+2/i2R2
( s i n ¡iR
— fiR
ainfiR-
cos f i R ) .
4sin¿uR)Jj (34.36)
Interferenzerscheinungen auftreten würden, wäre die Feldstärke der / 4j|; \ Streustrahlung einer Kugel I mit dem Volumen F = — R3J keine
©„ =
14*
4 nR 3 —r—
• EÄ
cos
2nvt.
(34.37)
212
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
Es interessiert nun nicht die Feldstärke, sondern die Intensität der Streustrahlung bezogen auf die Intensität einer Streustrahlung für den Fall, daß keine Auslöschung durch Interferenz stattfinden würde. Aus den Gleichungen (36) und (37) erhält man L
_ ( I V
-
bzw.
(fiR)
(sin ¡j,R — /iR cos fiR) (34.38)
(sin w — w cos w)
=
IuP.Kugel
mit 4 7i R sin — W
=
¿t
2 n D sin— £
wobei noch D der Durchmesser der Kugel ist. Der Verlauf der Funktion P Kllge i (•&; A) ist für verschiedene Werte des Parameters ^ in Abb. 3.59 dargestellt. Auch die Streukurven anderer einfacher
270° Abb. 3.59 Winkelabhängigkeit der Streustrahlung für ein kugelförmiges Molekül gemäß Gl. (38) ^Parameter -y- = T); 0,2; 0,4; 0,6; t j .
213
34 Die elektro-optischen Eigenschaften makromolekularer Lösungen
Körper (z. B. Ellipsoide [182], Zylinder [183], verschiedene andere Körper s. [184, 185, 199]) sind berechnet worden. Unter der Voraussetzung, daß alle Teilchen gleiche Größe haben, kann man damit aus Lichtstreuungsmessungen bzw. Röntgen-Kleinwinkelaufnahmen Aufschluß über die Teilchenform erhalten. Kennt man andererseits die Teilchenform, so kann man aus derartigen Messungen die Größenverteilung der Partikel bestimmen. Ist weder die Teilchenform noch die Größenverteilungsform der Partikel bekannt, so- kann man keine eindeutigen Aussagen machen. Es kann also z. B. aus Lichtstreuungsmessungen und RöntgenKleinwinkelaufnahmen allein nicht entschieden werden, ob man Kugeln verschiedenen Durchmessers oder Ellipsoide gleicher Größe vor sich hat. 342 Lichtstreuung 1 ) Wir wollen nunmehr die bisherigen allgemeinen Ergebnisse über die Streuimg elektro-magnetischer Wellen auf die Lichtstreuung, insbesondere im Hinblick auf Molekulargewichts- und Teilchengrößenbestimmung anwenden. Konzentrationsabhängigkeit: Bei den bisherigen Betrachtungen waren wir davon ausgegangen, daß die Lösungen so stark verdünnt sind, daß keine Wechselwirkung der gelösten Partikel vorhanden ist und daß somit keine zwischenmolekularen Interferenzen auftreten. Aus experimentellen Gründen ist es jedoch nicht möglich, mit derartig kleinen Konzentrationen zu arbeiten, da dann die Intensität des gestreuten Lichtes zu klein wäre. Aus diesem Grunde führt man die Messungen bei höheren Konzentrationen durch und extrapoliert die Streuintensität mittels folgender Beziehung auf die Konzentration null: ffr
1
JredW
MP{&- X)
2 B*cg.
(34.39)
Hierbei ist B* der zweite Virialkoeffizient des osmotischen Druckes. 2 ) Für cg geht diese Beziehung in Gleichung (30) über.
0
Daß in diese Formel der zweite Virialkoeffizient eingeht, wird verständlich, wenn man von einer anderen Methode der Behandlung der Lichtstreuung, von der schwankungstheoretischen, ausgeht [188,190,192], Man betrachtet hierbei die in einer Flüssigkeit infolge der Temperaturbewegung auftretenden Dichte- und Konzentrationsschwankungen; sie werden nun um so größer, je geringer die mit einer Konzentrationsänderung verbundene osmotische Arbeit ist. Hieraus ergibt sich der Zusammenhang zwischen Lichtstreuung und osmotischem Druck und folglich mit dem zweiten Virialkoeffizienten. Betreffs Einzelheiten und Grenzen dieser Methode sei auf die Originalarbeiten [192] und die zusammenfassenden Darstellungen [186, 188] verwiesen.
Bestimmung des Molekulargewichts und der Moleküldimensionen: Zur Bestimmung des Molekulargewichts und der Molekülgröße ist es erforderlich, Messungen der Streuintensität bei verschiedenen Konzentrationen und bei verschiedenen Vgl. z. B. [186, 187, 188, 189, 190, 190a, 190b]; betreffs der experimentellen Methode sei auf Abschnitt 356 verwiesen. 2 ) Neuere Untersuchungen von A. MÜNSTER und H. DIENER [191] haben gezeigt, daß diese Beziehung exakt nur für einheitliche Teilchen gilt.
214
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
Streuwinkeln durchzuführen. Extrapoliert man auf die Konzentration und auf den Streuwinkel null, so kann man das Molekulargewicht berechnen, da alle anderen in Gleichung (39) eingehende Größen durch getrennte Messungen bestimmt werden können. (Vgl. Abschn. 356.) Die Abhängigkeit der Streuintensität vom Streuwinkel bei kleinen Streuwinkeln ergibt, sofern die Form der Moleküle bekannt ist, Aufschluß über die Dimensionen des Moleküls. Voraussetzung hierfür ist, wie man aus Abb. 3.57 u. 3.59 ersieht, daß |/ä« > 0,1A ist. Bei Knäuelmolekülen erhält man durch Reihenentwicklung von Gleichung (30) x ) für kleine Streuwinkel -
1 (
Hc„
= — l 1+ 1 M \
/red(#)
8nh*
.
4:ji2h2 sin2 —
0
¿i
— sin2 — 9P 2
Hc
•
(34.40)
Öl2 &
Trägt man also - — a l s Funktion von sin2 — auf, so erhält man näherungs•ired(if) 2 weise eine Gerade, aus deren Ordinatenabschnitt man das Molekulargewicht und / •& \ aus deren Neigung I für sin2 ——> 01 man den Fadenendpunktsabstand entnehmen kann. * ' Es sei erwähnt, daß man aus experimentellen Gründen vielfach nur bei festen Streuwinkeln mißt und das Verhältnis 7(45°)
r l W
= ^o / W )
P ( 4 5 ; A)
/red(45°) =
!To
=
P(135TÄ)
(34"41)
(Unsymmetriezahl) bestimmt. Auch aus diesen Werten kann man den Fadenendpunktsabstand des Knäuelmoleküls berechnen. Einige der auf diese Weise gewonnenen Meßergebnisse sind bereits in Abschnitt 316 wiedergegeben. Ganz analog liegen die Verhältnisse bei kompakten Molekülen. Auch hier kann man aus den auf die Konzentration null extrapolierten Streuintensitäten das Molekulargewicht und aus Messungen der Winkelabhängigkeit der Streuintensitäten den Durchmesser der Moleküle angeben. Die Rechnungen sind ganz analog zu denen über die Knäuelmoleküle, so daß hier nicht darauf eingegangen werden soll. 343 Röntgenkleinwinkelstreuung 2 ) Während bei der Lichtstreuung die Streustrahlung auf den gesamten Raum verteilt ist, wird bei der Benutzung von Röntgenstrahlen — wegen der über tausendfach kleineren Wellenlänge — die Streustrahlung auf einen sehr engen Bereich ( < « i 1°) in der Nähe des Primärstrahles zusammengedrängt. Geht man 1 P ( d ; X) ^
1
/u
1
u2 ^
1 +
\Y
u2\
u2
+
"9 / ~ T2
u v ?
+ "'' 12 2 ) Vgl. hierzu [193,194,195,196,197,198,199,200]; betreffs der experimentellen Methoden
u
+
""
=
1 +
T ~ 36
+
sei darüber hinaus auf die Arbeiten von KKATKY und Mitarbeitern [201, 202, 203, 204, 205]
hingewiesen.
34
Die elektro-optischen Eigenschaften makromolekularer Lösungen
215
etwa von einem Teilchendurchmesser von 200 Ä aus, so ergibt sich bei Benutzung der Cu-K„-Linie (Jt = 1,5 Ä) eine Streustrahlung in einem Winkelbereich bis etwa 0,1°- Werden die Teilchen kleiner, so wird der Streubereich entsprechend größer. Messungen der Kleinwinkelstreuung ergeben ebenso wie Lichtstreuungsmessungen Aufschluß über das Molekulargewicht und über die Teilchenform. Die Kleinwinkelstreuung ist insbesondere zur Bestimmung der Größe und der Form kompakter Moleküle benutzt worden. Wir wollen uns im folgenden auf die Behandlung stark verdünnter Lösungen beschränken, bei denen keine interpartikulären Interferenzen auftreten. Ausgangspunkt der Auswertung der Kleinwinkelstreuung ist die „GuiNiEBsche Näherung" der Intensitätsverteilung. Die Intensitätsverteilung läßt sich danach für Teilchen, die in allen Richtungen des Raumes vergleichbare Dimensionen haben, näherungsweise durch einen Ausdruck der Form I = Iue~KR^
mit
K =
¿>x0
(34.42)
darstellen. Hierbei ist Rs der „Streumassenradius". Der Streumassenradius ist für den Fall, daß die Elektronendichte konstant ist, definiert als die Wurzel aus dem mittleren Abstandsquadrat sämtlicher Volumenelemente vom Schwerpunkt des Teilchens: . r2dvr Rs=~ • (34.43) v Für eine Kugel vom Radius R ergibt sich speziell R%e = ^ R 2 5
(34.44)
Die GuiNiEESche Näherung stimmt in erster Näherung mit der exakten Streufunktion einer Kugel überein. Aus Gl. (42) folgt durch Reihenentwicklung für ^
« 1 -
KR%d* +
(34.45)
entsprechend folgt aus Gl. (38)
I ru
1 /2nlt&\* ) +-•
Beide Ausdrücke stimmen unter Berücksichtigung von Gl. (44) in erster Näherung überein.
B
Die GtrrsriEKsche Näherung ist anwendbar, solange — ft < 0,2 ist [198]. a ) x)
E s ist vielfach üblich, mit dem halben Streuwinkel zu rechnen. In diesem Falle hat K
16ji2
den Wert K ' = — — .
3Aa
2)
Die GuraiERsche Näherung entspricht exakt der Streuung eines kugelsymmetrischen Körpers, dessen Elektronendichte nach außen nach einer GAtrssschen Fehlerkurve abnimmt.
216
[Lit. S. 237]
3 Hochpolymere Lösungen
Logarithmiert man Gl. (42), so folgt In / = In / „ — K R s f t 2 .
(34.47)
Trägt man In I als Funktion von auf, so ergibt sich eine Gerade, deren Ordinatenabschnitt gleich In I u ist. Hieraus kann man (s. Gl. 11, 38 u. 39) x ) das Molekulargewicht berechnen. Aus der Neigung der Geraden erhält man den Streumassenradius, der Aufschluß über das Volumen und die Form der Teilchen gibt. Aus dem Molekulargewicht und der Dichte kann man den Streumassenradius berechnen,
©
A 0,5
/ogj
C)
Abb. 3.60 Volumengleiche Körper (Kugel und Ellipsoide) mit eingezeichneten Streumesserradien R (Abb. a), deren Streukurven (Abb. b) und deren Streukurven in der Auftragung nach Guinier (Abb. c) (schematisch).
den das Teilchen hätte, wenn es kugelförmig wäre. Stimmt der experimentell bestimmte mit dem so berechneten Streumassenradius nicht überein, so ist dies ein Zeichen dafür, daß die Teilchen nicht kugelförmig sind. Zur Erläuterung sind in Abb. 3.60 die Streukurven dreier volumengleicher Rotationsellipsoide und der innere Teil der Streukurven in der GuiNiERschen Darstellung wiedergegeben. I n derartigen Fällen ist es üblich, einen Formfaktor F =
Rs i TSK
(34.48)
einzuführen, der definiert ist als das Verhältnis des gemäß Gl. (44) aus experimentellen Daten berechneten Streumassenradius' zum Streumassenradius, der sich aus dem Molekulargewicht und der Dichte unter der Annahme der Kugelgestalt der Partikel ergibt. Der Formfaktor ist also ein Maß f ü r die Unsymmetrie der Partikel. x ) Die Röntgenkleinwinkelstreuung wird durch die Differenz der ElektronendicMen zwischen gelösten Partikeln und Lösungsmittel bestimmt. Es ist deshalb zweckmäßig, von Gleichung (IIb) auszugehen.
35 Methoden der Molekulargewichtsbestimmung und Fraktionierung
217
Untersuchungen an Fadenmolekülen sind bisher nur in geringer Zahl durchgeführt worden. Ursache hierfür ist, daß der f ü r die Streuintensität maßgebliche Unterschied der Elektronendichten im allgemeinen sehr gering ist. Aus diesem Grund muß man, um gut meßbare Streuintensitäten zu erhalten, entweder Substanzen, die schwere Atome enthalten (z. B. Polyvinylbromid [206, 207]), untersuchen, oder man muß die Messungen an relativ konzentrierten Lösungen [208] durchführen. I n diesem Falle ist jedoch mit dem Auftreten interpartikulärer Interferenzen zu rechnen. 35 M e t h o d e n der Molekulargewichtsbestimmung u n d F r a k t i o n i e r u n g 2 ) I n den vorangehenden Abschnitten haben wir einige physikalische Größen kennengelernt, die im Zusammenhang mit dem Molekulargewicht stehen. I m allgemeinen beschränkt man sich darauf, ein Molekulargewichtsmittel festzustellen, da die Aufnahme der vollständigen Verteilungskurve hochpolymerer Substanzen mit erheblichem Aufwand verbunden ist. Bei allen Methoden, die auf der Messung der Teilchenzahl beruhen, entweder direkt durch Elektronenmikroskopie oder indirekt über den Dampfdruck der Lösungen, wird die Zahl der Moleküle pro Volumeneinheit und damit das Zahlenmittel des Molekulargewichts erhalten, während sonst das Gewichtsmittel oder, bei der viskosimetrischen Bestimmung, ein physikalisch nicht einfach zu definierender Durchschnitt gebildet werden. Die Bestimmungen werden fast ausschließlich in Lösungen3) durchgeführt, und zwar in stark verdünnten; denn die in den vorhergehenden Abschnitten abgeleiteten Beziehungen gelten nur für ideale Lösungen. Um einen endlichen Meßeffekt zu erhalten, muß man bei höheren Konzentrationen arbeiten und die Werte auf die Konzentration c = 0 extrapolieren. Wenn man sich am ©-Punkt befindet, ist dieses nicht nötig. Eine tabellarische Übersicht der mit den einzelnen Methoden erzielten Ergebnisse ist in Tabelle 3.6 gegeben. Die letzte Spalte enthält Angaben über die Genauigkeit. Diese sind einem Bericht von FRANK und MABK [212, 213] entnommen, in welchem die Meßergebnisse einer Reihe von Forschern an dem gleichen Produkt mit Hilfe verschiedener Methoden zusammengefaßt sind. 351 Elektronenmikroskopische Molekulargewichtsbestimmung Die anschaulichste Methode der Molekulargewichtsbestimmung ist die elektronenmikroskopische. Sie beruht darauf, daß man eine extrem verdünnte Lösung bekannter Konzentration eindampft, die einzelnen Moleküle elektronenmikroskopisch sichtbar macht und auszählt (Abb. 3.61). Aus der Konzentration erhält man die Gesamtmasse, die — durch die Zahl der Moleküle geteilt — das Molekulargewicht ergibt. Bisher ist diese Methode nur f ü r Molekulargewichte M > 106 anwendbar [214], 2
Von K. BETHGE mit einem Beitrag von G. LANGHAMMER.
) Zusammenfassende Darstellungen s. z. B. [209—211a]. ') In gewissen Fällen kann man aus der Schmelze einer Substanz Angaben über ihr Molekulargewicht erhalten.
218
3 Hochpolymere Lösungen i
0) S1 '3 cS e 0)
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[Lit. S. 237]
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a) 2 - 4 , 5 ja (s. o.)
1
b) 2 - 4 , 5
ja (s. o.)
2
a) 2 - 4 , 5 b) 2 - 4 , 5
1 [231],
') R . H . W A G N E R in W E I S S B E R G E B , [231] S. 537. Vergleich hierzu auch [233].
35 Methoden der Molekulargewichtsbestimmung und Fraktionierung
3522 E b u l l i o s k o p i e
221
(Siedepunktserhöhung)
Die ebullioskopische Molekulargewichtsbestimmung erfolgt nach den gleichen thermodynamischen Gesetzen wie die kryoskopische, sie läuft also ebenfalls auf die Messung einer kleinen Temperaturdiiferenz hinaus. Da es sich hier aber um das thermische Gleichgewicht zwischen einer Gas- und einer flüssigen Phase handelt, unterscheiden sich die Meßapparaturen (Abb. 3.63) und die mit der Messung verbundenen Probleme von denen der Rryoskopie. Die Abhängigkeit des Siedepunktes vom Luftdruck muß beachtet und vor allem der Siedeverzug vermieden werden. Bei der Molekulargewichtsbestimmung von Polymeren tritt noch die Notwendigkeit hinzu, niedrig siedende Lösungsmittel zu verwenden, damit sich bei der Siedetemperatur die Substanz nicht zersetzt. Im allgemeinen wird die kryoskopische Methode der ebullioskopischen vorgezogen, da die Konstanten und damit die Temperaturdifferenzen größer sind, so daß die Temperaturmessung einfacher ist [223—228]. 353 Osmostische Molekulaxgewichtsbestimmung Zur Molekulargewichtsbestimmung mit Hilfe des osmotischen Druckes geht man von der VAN 'T Hoirschen Gleichung aus
n
BT
(35.2)
Sie ist eine Näherungsformel für kleine Konzentrationen und gilt ebenfalls nur für ideale Lösungen. Aus diesem Grund wird — bei c
g
verschiedenen Konzentrationen bestimmt und graphisch auf den Wert an der Stelle cg = 0 extrapoliert. Bei verschiedenen Lösungsmitteln ergibt sich ein Fächer von Kurven, die sich alle in dem BT einen Punkt ——r- auf der Ordinate schneiden (s. Abb. 3.20). M Das Osmometer besteht aus zwei, durch eine semipermeable Membran getrennten Zellen. In einer Zelle befindet sich reines Lösungsmittel, in der anderen die Lösung. Die Membran ist entweder horizontal oder vertikal angeordnet. Meistens wird die letztere Anordnimg benutzt, da durch ein vertikales Konzentrationsgefälle eine Konvektionsströmung der Lösung und damit eine schnellere Diffusion des Lösungsmittels bedingt ist (Tab. 3.7) [229—242], Der sich einstellende osmotische Druck wird mit Hilfe eines Steigröhrchens gemessen. Von der Gesamtsteighöhe ist noch die kapillare Steighöhe abzuziehen. Mißt man die Steighöhe gegen die einer Vergleichskapillare mit reinem Lösungsmittel, so muß eine Korrektur Abb. 3.63 Apparatur zur ebullioskopischen Molekulargewichtsbestimmung nach
MENZIES [228]. (T = Tenaionsthermometer (Differentialthermometer), L = lift purrip.)
222
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
wegen des Dichteunterschiedes zwischen Lösung und Lösungsmittel angebracht werden. Da der osmotische Druck von der Temperatur abhängt, ist diese konstant zu halten (AT ± 0,01°C). Theoretisch müßte sich der Druck nach unendlich langer Zeit einstellen. Er strebt aber schon nach endlichen Zeiten einem Grenzwert zu. Diese liegen in Größenordnung von einigen Stunden bis Tagen, deshalb sind dynamische Meßmethoden entwickelt worden, die eine schnellere Messung gestatten. Ein äußerer Druck wird vorgegeben, der einmal etwas oberhalb und einmal etwas unterhalb des Gleichgewichtes liegt. Aus der Geschwindigkeit der Druckänderungen wird der Gleichgewichtsdruck berechnet. Durch Änderung des äußeren Druckes läßt sich das erwähnte Intervall beliebig verkleinern.
Die größte Schwierigkeit bei osmotischen Untersuchungen besteht in der Herstellung von Membranen mit definierter unterer Durchlässigkeit bezüglich des Molekulargewichtes. Andere wesentliche Membranfehler sind Absorption und Sorption von gelösten Molekülen und plastisch-elastische Verformung der Membran. Der reduzierte osmotische Druck ist bei unfraktionierten Hochpolymeren mit einem Fehler bis zu 25% [212] behaftet, bei scharf fraktionierten Proben wird der Fehler wesentlich kleiner. Diese Unterschiede treten wegen der verschiedenen unteren Durchlässigkeitsgrenzen der Membranen und wegen der starken Beeinflussung des osmotischen Druckes durch die zahlenmäßig (nicht gewichtsmäßig) hohen niedermolekularen Anteile auf [243—252], Zur Wahl des Lösungsmittels wäre zu erwähnen, daß schlechte Lösungsmittel besser geeignet sind als gute, weil die schlechten einen kleinen zweiten Virialkoeffizienten B* besitzen, so daß die Extrapolation auf den Wert (77/cff)Ci_»o genauer wird. Die untere Grenze für die Molekulargewichtsbestimmung liegt etwa bei JkT = 104 wegen der großen Durchlässigkeit der Membran für kleinere Moleküle. Oberhalb von M = 5 • 10® werden die osmotischen Drucke so klein, daß sie z. B. durch Temperaturschwankungen relativ stark beeinflußt werden. Die osmotische Molekulargewichtsbestimmung ist eine Absolutmethode, die mit apparativ einfachen Mitteln durchgeführt werden kann.
354 Viskosimetrische Molekulargewichtsbestimmung1) 3541 A l l g e m e i n e s Bezeichnungen: rj0 = Viskosität des reinen Lösungsmittels rj = Viskosität der Lösung rjsp = spezifische Viskosität
[»¡] = Grenzviskositätszahl M — Molekulargewicht.
Die Viskosität einer Flüssigkeit ändert sich, sobald man einen Stoff darin löst. Diese Änderung hängt unter anderem vom Molekulargewicht des Gelösten ab. Da es noch keine exakte Theorie über die Zusammenhänge zwischen Viskosität 1
) Zusammenfassende Darstellung s. [253].
35 Methoden der Molekulargewichtsbestimmung und Fraktionierung
223
und Molekulargewicht gibt, müssen empirische Beziehungen benutzt werden. Eine solche ist die Gleichung von MARK und HOTTWINK [254, 255] [r¡] — K M " ,
(35.3)
die sehr häufig verwendet wird und mit» guter Näherung die experimentellen Ergebnisse beschreibt [256, 257]. Sie gilt nur für Moleküle mit gleicher Knäuelform. Ändert sich diese mit dem Molekulargewicht, so nehmen K und a andere Werte an [257]. Die Grenzviskositätszahl \r¡\ ist folgendermaßen definiert: , Vsp M = hm— c ,
n — Vo >sP = — •
r
r
c—>0 g
Vo
g-* 0
Dabei ist die Extrapolation von ^ ^ auf die Konzentration cg — 0 nötig, weil sich sonst keine c g eindeutigen Beziehungen zwischen Viskosität und Molekulargewicht herstellen lassen, g 0 bedeutet, daß bei sehr geringer Schubspannung gearbeitet werden muß, so daß keine Strukturviskosität auftritt. Diese Bedingung ist in der Regel für g < 103 sec -1 erfüllt, wobei das mittlere Geschwindigkeitsgefälle in einer Kapillare 8F
0), der gleich dem Verhältnis der Streufunktionen ist und nur noch von h2 abhängt, wird letzteres berechnet. Die Extrapolation auf den Streuwinkel Null erübrigt sich, wenn die Streufunktion bei einem Winkel (z. B. 90°) bekannt ist. Werte für die Streufunktion bei diesem speziellen Winkel kann man aus der Unsymmetriezahl 0
e,-*0 Jtred (135)
^(135, X)
bestimmen; denn P(•&, ).) hängt ebenso wie [Z] bei gegebener Molekülform und Wellenlänge nur noch von A2 ab. Es ist möglich, der Unsymmetriezahl ein bestimmtes P(&, X) zuzuordnen, wobei man d im allgemeinen gleich 90° wählt. Die Streufunktion P(90, X) ist im Zusammenhang mit [Z] tabuliert [285]. Ferner sei erwähnt, daß man aus der Unsymmetriezahl [Z] ebenfalls den Fadenendpunktsabstand h? ermitteln kann. Wir haben gesehen, daß aus Streulichtmessungen an Molekülen, deren Abmessungen vergleichbar mit der Wellenlänge sind, außer der Molekulargewichtsbestimmung noch Rückschlüsse auf die Molekülform und -große möglich sind. Letzteres ist bei kleineren Molekülen nicht der Fall. Meßmethodik: Da die gestreuten Lichtintensitäten sehr klein sind, ist eine empfindliche Apparatur zu ihrer Messung notwendig. Mit Hilfe eines Sekundärelektronenvervielfachers (S E V) wird die Lichtintensität unter einem bestimmten Winkel festgestellt. Abbildung 3.69 zeigt eine schematische Anordnung einer Lichtzerstreuungsapparatur. Die Meßküvette (K) wird mit einem parallel monochromatischen Lichtbündel durchstrahlt. Das seitliche Streulicht fällt auf die Photokathode des schwenkbaren Vervielfachers (8EV), wobei die Küvette auf der Photokathode abgebildet wird. Mit Hilfe der Photozelle (PZ) wird die Konstanz der Primärlichtquelle kontrolliert. Die Konstanz der Lichtquelle kann man auch durch Messung des Streulichtes unter einem festen Winkel prüfen. Weiterhin kann man das Streulicht unter dem Winkel & automatisch gegen das bei 90° kompensieren. Als Lichtquelle dient eine Hg-Hochdrucklampe (Q). Die in die Gleichungen (15) und (16) eingehende reduzierte Intensität ¿red W enthält das Verhältnis I (#)//„ der Streuintensität / ( # ) zur Primärintensität /„. Der Wert /(#)//„ kann dadurch erhalten werden, daß die beiden Intensitäten einzeln gemessen werden. Dies bereitet aber sehr große Schwierigkeiten, da sich die Intensitäten um ca. 6 Zehnerpotenzen unterscheiden. Der zweite Weg besteht darin, daß der Absolutwert der Streuintensität mit Hilfe einer Standardsubstanz, deren Streuwert R =
90S and
^
•M>
' bekannt ist, gefunden wird. Allerdings
ist zu beachten, daß der Streuwert der Standardsubstanz genau so schwer zu messen ist wie
35 Methoden der Molekulargewichtsbestimmung und Fraktionierung
233
derjenige anderer Substanzen, deshalb weichen die Werte der verschiedenen Autoren beträchtlich voneinander ab [286—290]. Die größte Genauigkeit erzielt man, wenn das Molekulargewicht einer scharfen Fraktion aus dem zu untersuchenden Molekulargewichtsbereich auf andere Weise bestimmt wird und daraus auf umgekehrtem Wege der Streuwert R berechnet bzw. diese Probe als Standardsubstanz verwendet wird. [286, 291, 292]. Es wird auch Trübglas als Standard benutzt, dieses gehorcht jedoch nicht genügend genau dem RAYLEiGHschen Gesetz und ist deshalb für Messungen bei verschiedenen Wellenlängen ungünstig.
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PS
Abb. 3.69 Schematische Darstellung einer Lichtstreuungsapparatur (nach [283]).
(0 — Hg-Hochdiucklampe; P — Polarisationsfilter; L — Linse; B — Blenden; S — stark durchlässiger Spiegel; F — Interferenzfllter; K — Küvette; T — Temperiermantel; PZ — Photozelle; S E r — Sekundärelektronenvervielfacher.)
Die Apparatur selbst birgt noch Fehlerquellen in sich, die zu beachten sind, wie Empfindlichkeitsschwankungen des Vervielfachers, Intensitätsschwankungen der Lichtquelle. Von geringerer Bedeutung sind Justierfehler, störendes Streulicht, konvergente oder divergente Primärlichtbündel oder Fluoreszenzlicht, da sich diese Einflüsse weitestgehend beseitigen oder rechnerisch berücksichtigen lassen. Außer der Intensität 7 r e d (§) gehen der Brechungsindex n und das Brechungs3?%
inkrement —- in die Gleichungen (15) und (16) ein. Letzteres wird mit Diffe3Cg
rentialrefraktometern, seltener mit Interferometern bestimmt, da die Empfindlichkeit gewöhnlicher Refraktometer nicht ausreicht. Die Empfindlichkeit der Differen7b liegt in der Größentialrefraktometer beträgt im Durchschnitt 3 • 10~6, und 3-— dCg
Ordnung von 0,2 cm3/g. A n muß auf ungefähr 5 • 10~6 genau gemessen werden, wenn c = 10-2 g/cm 3 ist. Die Temperatur ist bei allen Messungen auf mindestens 10~2 °C genau zu bestimmen. Die am schwersten auszuschaltenden Fehler werden durch optisch wirksame Verunreinigungen, wie Staub und kolloidale Teilchen, hervorgerufen, da die gestreute Intensität mit der 4. Potenz des Teilchendurchmessers wächst. Alle Substanzen sind deshalb sorgfältig zu reinigen. Lösungsmittel werden destilliert, während sich große Teilchen durch Filtration mit Glasfritten (G 4—G 5f) oder durch Zentrifugieren bei ca. 10000 g aus der Lösung beseitigen lassen. Um nach dem Zentrifugieren ein Aufwirbeln der Staubteilchen zu verhindern, kann man die Lösung mit einer schwereren Flüssigkeit Unterschichten, in die der Staub gedrückt wird [286]. Dabei ist jedoch immer mit einer Rückwirkung der Flüssigkeit
234
3 Hochpolymere Lösungen
[Lit. S. 237]
auf die Lösung zu rechnen [283]. Es ist auch ein besonderer Zentrifugenbecher konstruiert worden, der zugleich als Meßküvette dient. Und- zwar schließt ein Kegelventil beim Auslaufen der Zentrifuge den unteren Teil des Bechers, wo sich der Staub angesammelt hat [291]. Die Staubfreiheit untersucht man im Lichtstreuungsapparat. Aus dem Polarisationszustand beim Winkel = 90° kann man auf die Sauberkeit schließen, denn das Streulicht hochmolekularer Lösungen ist bei 90° wenig depolarisiert, während große anisotrope Teilchen eine starke Depolarisation hervorrufen. Um unnötige Manipulationen zu vermeiden, prüft man einmalig die Wirksamkeit einer Säuberungsmethode, indem ein Lösungsmittel sorgfältig gereinigt und anschließend die Unsymmetrie im Streulichtapparat festgestellt wird. Die Lichtstreuung ist bei sorgfältiger Handhabung eine zuverlässige, vielseitige Absolutmethode zur Bestimmung des Molekulargewichtes, der Molekülgröße und -form. 357 Fraktionierung 1 ) Will man genügend einheitliche hochmolekulare Substanzen für grundsätzliche Untersuchungen erhalten oder will man eine genaue Kenntnis der Molgewichtsverteilung haben, wie sie z. B. für reaktionskinetische Betrachtungen benötigt wird, so m u ß man fraktionieren [293]. Die zwei hauptsächlichen Methoden sind die fraktionierte Fällung und die fraktionierte Lösung (Extraktionsfraktionierung) [294, 295]. 3571 F r a k t i o n i e r t e F ä l l u n g Bei dieser Methode wird das Polymere vollständig aufgelöst und dann entweder durch Zusatz eines Nichtlösers — z. B. Methanol bei einer Lösung von Polystyrol in Benzol — oder durch schrittweise Temperaturerniedrigung oder durch Kombination beider Einwirkungen anteilsweise ausgefällt. 2 ) Man verwendet zweckmäßig einen Kolben, der in einem Thermostaten hängt und unten einen Ansatz in Form eines großen Reagenzglases trägt (Abb. 3.70). In diesem sammelt sich das ausgefällte Polymere in Form einer hochgequollenen dicken „Gelphase". Man hebert die überstehende Lösung (Solphase) ab, entnimmt die Fällung und verfährt mit der abgeheberten Lösung dann in der gleichen Weise. Um eine gleichmäßige Fällung zu erzielen, setzt man Fällungsmittel bis zur deutlichen Trübung zu, erwärmt, bis die Trübung verschwunden ist, und kühlt dann wieder auf die Ausgangstemperatur ab, die man gut konstant hält. Nach mehrstündigem Stehen, am besten über Nacht, hat sich die Fällung im Ansatz gesammelt. Günstig ist die Verwendung eines Ansatzkölbchens, das ausgewechselt werden kann [296]. Die Anfangskonzentration ist niedrig zu wählen, möglichst unter 0,5 %, um so niedriger, je höher das Molgewicht ist. Bei zu hoher Ausgangskonzentration hat oft die 1. Fraktion ein niedrigeres Molgewicht als die folgenden. Ferner soll das Mengenverhältnis Solphase zu Gelphase groß sein. Diese Forderung führt dazu, daß die zu bearbeitenden Flüssigkeitsmengen im Verlauf der Fraktionierung immer 1
2
)
V o n G. LANGHAMMER.
) Betreffs der Grundlagen vgl. Abschnitt 3233 sowie [293, 298, 303].
35 Methoden der Molekulargewichtsbestimmung und Fraktionierung
größer werden. Es ist daher günstig, ein Fällungsmittel zu wählen, das einen höheren Siedepunkt hat als das Lösungsmittel, dann kann durch Verdunsten von Lösungsmittel im Laufe der Fraktionierung die Volumenvermehrung verringert werden. Die erste Fraktion soll auf jeden Fall nochmals umgefällt werden, die Solphase dieser Zweitfällung wird zur Ausgangslösung zurückgegeben. Als günstig hat sich die Dreiecksfraktionierung [299] erwiesen, deren Schema in der leicht verständlichen Abb. 3.71 gezeigt ist. Welches Paar Löser—Nichtlöser eine gute Phasentrennung ergibt, kann man nur durch Probieren finden. Falls das Polymere kristallin ausfällt, was sich meist darin kundtut, daß ein flockiger Niederschlag statt eines Gels auftritt, ist die Fraktionierwirkung stark herabgesetzt. Manchmal kann man sich dadurch helfen, daß man bei erhöhter Temperatur arbeitet [297]. Die langwierige Prozedur läßt sich erheblich abkürzen, wenn man den Niederschlag bei guter Thermokonstanz zentrifugiert.
235
Abb. 3.70
Schema einer einfachen Fraktionieranordnung.
3572 F r a k t i o n i e r t e Lösung Bei der Methode der fraktionierten Lösung geht man umgekehrt vor: Man digeriert das Polymere zunächst mit einem schlechten Lösungsmittel, d. h. einem Gemisch A b b . 3.71 mit hohem Anteil an NichtSchema der Dreiecksfraktionierung. löser, das nur Anteile mit niedrigem Molgewicht herauslöst. Dann geht man zu einem besseren Lösungsmittel über usw. Auch hier kann man Temperaturveränderungen zu Hilfe nehmen. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, daß die Moleküle durch das feste gequollene Polymere diffundieren müssen, ehe sie in die Lösungsphase kommen. Man bringt deshalb nach F U C H S [ 2 9 4 ] das Polymere als dünnen Film von einigen ¡x Dicke auf eine Unterlage (Metallfolie), so daß die Diffusion rasch genug erfolgt. Die Lösungsfraktionierung kann in
236
3 Hochpolymere Lösungen
wesentlich kürzerer Zeit als die Fällungsfraktionierung durchgeführt werden. Vorsicht ist ebenfalls geboten, wenn kristalline Polymere vorliegen. Eine weitere Möglichkeit der Fraktionierung besteht in der Gegenstromverteilung zwischen zwei nicht mischbaren Lösungsmitteln. Dies bietet Vorteile bei Polymeren, die kristallin ausfallen, und ist vor allem im Bereich der Hemikolloide (M 1000-10000) angewandt worden [304, 305, 306]. Die Chromatographie von Hochpolymeren steht noch in den Anfängen, erscheint aber recht aussichtsreich (vgl. z. B. [307, 308, 309, 310, 311]). 3573 A u f s t e l l u n g d e r V e r t e i l u n g s k u r v e Man konstruiert die Verteilungskurve 1 ) aus den Massenanteilen m* der Frak-
171 • ^
tionen, indem man die Größen -¿r + 2
2
j^x
=^
mi
über dem zugehörigen Molgewicht
Mi oder dem Polymerisationsgrad T\ aufträgt. 2 ) Lediglich bei der höchstmolekularen Fraktion wird der gesamte Massenanteil vom Wert 1 abgezogen. Meist gehen bei der Fraktionierung einige Prozent der eingesetzten Substanzmenge verloren, man geht dann bei der Berechnung der integralen Verteilungsfunktion von zurückgewonnenen Mengen des Polymeren aus. Gewichts- und Zahlenmittel des Molgewichtes werden dann aus den Massenanteilen und den zugehörigen mittleren Molgewichten berechnet. Ein Beispiel ist in Tabelle 3.8 und Abb. 3.72 angegeben. Weitere Überlegungen zur Behandlung von Fraktionierdaten findet man in [300, 301]. Die Methode der sogenannten summativen Fraktionierung sei hier nur erwähnt [302, 303],
Abb. 3.72 Integrale I(M) und différentielle dl/dM Massenverteilungskurve eines technischen Polyvinylpyrrolidons (K-Wert ca. 90) entsprechend den Angaben in Tabelle 3.8 ( dl/dM weist zwei Gipfel auf. Dies beruht darauf, daß es sich um ein technisches Produkt handelt; jedoch ist dies nicht f ü r solche Produkte typisch). 3 ) !) Vgl. Abschnitt 211. ) Das Molgewicht der Fraktionen wird meist viskosimetrisch bestimmt. 3 ) (Messungen von Dr. QUITZSCH im Physikalisch-Chemischen Institut Leipzig.) 2
Literaturverzeichnis
237
Tabelle 3.8
E i n f a c h e F r a k t i o n i e r u n g , E r m i t t l u n g der i n t e g r a l e n V e r t e i l u n g s f u n k t i o n sowie des G e w i c h t s - und Z a h l e n m i t t e l s a u s den F r a k t i o n i e r d a t e n ( P o l y v i n y l p y r r o l i d o n K 90) Fraktion Nr.
Auswaage (g)
I II III IV V VI VII VIII IX X
2,63 3,18 3,15 4,72 4,23 3,52 4,49 5,11 6,49 5,70
% Anteil = 100 TO; 6,09 7,36 7,29 10,92 9,79 8,15 10,39 11,85 15,02 13,19
M
Mv 106
m-i • Mi • 104
93,91 90,76 83,04 74,43 63,57 54,60 45,31 34,18 20,71 6,60
2,85 2,42 2,15 1,45 1,85 1,63 1,32 1,02 0,79 0,10
14,5 11,47 9,65 8,43 7,82 6,52 4,75 3,33 2,32 0,88
8,83 8,44 7,04 9,20 7,65 5,32 4,94 3,95 3,49 1,16
4,20 6,42 7,55 12,97 12,54 12,50 20,19 35,77 64,80 150,50
60,02
327,44
43,2 Eingewogene Menge : 45,0 g Mw = Zm.-Mi Gesamt-Auswaage: 43,2g Mn / mi\ Jf„ =
m{ nr Mi
I(P)
= 602000 615000 direkte viskosimetrische Messung 1
= 306000
=
U
SL * sita ii
N )
•10-7
1 = 0,96
LITERATURVERZEICHNIS ZUM A B S C H N I T T 3
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4 DIE STRUKTUR DER MAKROMOLEKULAREN Von W.
KÖRPER
HOLZMÜLLEB1)
41 Voraussetzungen zur Bildung von Festkörpern Wir hatten in den ersten Abschnitten gesehen, wie sich durch Polymerisation, Polykondensation und Polyaddition monomere organische Verbindungen zu Makromolekülen zusammenschließen. Diese Makromoleküle existieren als Einzelindividuen in Lösungen, wobei niedermolekulare Substanzen bzw. der flüssige monomere Körper als Lösungsmittel dienen. Da die homöopolare Bindung eine Absättigung aufweist, ist ein Zusammenschluß mehrerer Makromoleküle zu größeren Einheiten nur durch Nebenvalenzbindungskräfte möglich. Besitzen die polymerisierenden Substanzen trifunktionelle Gruppen, so tritt von Anfang an eine dreidimensionale Vernetzung ein. Solche räumliche Riesenmoleküle sind charakteristisch für einige Kondensationsprodukte, z. B. Phenolformaldehydharze, aber auch für den Diamanten. Bei Metallen, bei Ionenkristallen und bei anorganischen Gläsern ist eine räumliche Vernetzung durch gleichstarke Bindungskräfte die Regel. In den Metallen sind es elektrostatische Kräfte zwischen Abb. 4.1 den vom Grundatom gelösten Struktur eines amorphen Glasea mit Si (•) Tetraedern Valenzelektronen, die im „Leit- und O (O) Brücken. (Es wurde die vierte Verknüpfähigkeitsband" frei beweglich fung mit einem Sauerstoffatom für jedes Siliziumsind und zwischen denen An- Atom in Richtung auf den Beschauer oder entgegengesetzt dazu nicht mit eingezeichnet.) ziehungskräfte mit den positiven Atomrümpfen bestehen. In den Ionenkristallen bedingen die CouLOMBschen Kräfte zwischen den positiv und negativ geladenen Ionen die Festigkeit des Kristalles. Man berücksichtigt bei der Berechnung der wahrscheinlichsten Anordnung der Gitterpunkte die CouLOMBsche Wechselwirkung zwischen allen Teilchen [1], Mit Beiträgen von M. DIETZE und
G . LANGHAMMER.
246
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
Auch bei den anorganischen Gläsern sind es Ionenkräfte, die die Struktur bestimmen. Diese sind von der gleichen Größenordnung und nicht absättigbar. Die Größe der als kugelförmig betrachteten Ionen bedingt die Zahl der nächsten Nachbarn und damit die Koordinationszahl. Es bilden sich nach ZACHARIASEN [2] mit den Siliziumtetraedern als Grundbaustein in den Silikatgläsern einzelne Ringe, die jeweils durch eine verschiedene Anzahl von Grundbausteinen gekennzeichnet sind (Abb. 4.1). Die Gläser haben mit den Kunststoffen ein breites Erweichungsgebiet bei der Erwärmung gemein. Da aber bei ihnen im wesentlichen nicht absättigbare primäre Bindungen wirksam sind, sind ihre Fließeigenschaften leichter zu verstehen. In den Kunststoffen sind die Kräfte, die zum Zusammenschluß des Körpers führen, komplizierter. Ihre Reichweite erstreckt sich — wenn diese mit einer niedrigen Potenz des gegenseitigen reziproken Abstandes abnehmen — auf vergleichsweise größere Abstände, während Kräfte, die von der 8. oder 9. Potenz des reziproken Abstands r abhängen, nur auf die allernächste Entfernung, vom Kraftzentrum aus gerechnet, wirksam sind. Ehe wir auf die Fragen der Vernetzung, auf die Struktur der Kunststoffe — insbesondere auf ihre Neigung zur Kristallisation — eingehen können, müssen wir uns einen Überblick über die möglichen Bindungskräfte verschaffen.
42 K r ä f t e in makromolekularen Körpern Bezeichnungen: r
= = e = =
= Potential; = Abstand der Atome im sieh bildenden Molekül).
Es gibt verschiedene Zustände der Elektronen im Atom. Auf Grund des PATJLIPrinzips dürfen sich im gleichen Atom oder Molekül nicht die gleichen Zustände wiederholen. Man kommt im einfachsten Fall zu den beiden s-Zuständen (zwei verschiedene Spin-Zustände) und zu den 6 p-Zuständen (drei verschiedene Werte der magnetischen Quantenzahl mit je zwei verschiedenen Spinorientierungen). I m Molekül, f ü r das ebenfalls das PAUXI-Prinzip und die elementare Quantenphysik die möglichen Zustände festlegt, heißen die analogen Elektronenkonfigurationen oBindung und n-Bindung. Dabei ist die Anordnung der Elektronen im Molekül bei der cr-Bindung symmetrisch zur Verbindungslinie der Kerne. Bei der jr-Bindung ergibt die Berechnung der ScHKÖDiNGER-Gleichung eine unsymmetrische Verteilung der Elektronen in drei aufeinander senkrecht stehenden Ebenen. I m Kohlenstoff verbinden sich zwei p-Elektronen benachbarter Atome unter Umwandlung in s-Elektronen zu einer cr-Bindung. K o m m t es zu einer C—CDoppelbindung, so muß wegen des PAULI-Prinzips die zweite Bindung zwischen den betrachteten Kohlenstoffatomen eine yr-Bmdung sein. Wegen der unsymme-
42 Kräfte in makromolekularen Körpern
249
trischen Ladungsverteilung dieser jr-Bindung besteht keine freie Drehbarkeit um die entstehende C=C-Doppelbindung. Da der Kohlenstoff vier Valenzelektronen besitzt, kommen außer den genannten Bindungen noch weitere a- bzw. jt-Bindungen mit anderen Atomen in Frage, wobei die vier mit dem Kohlenstoff verbundenen Atome einen Tetraeder bilden. Dabei treten die charakteristischen Tetraederwinkel von 109° zwischen den Valenzen benachbarter Kohlenstoffatome auf, die dann zusammen mit der freien Drehbarkeit die Struktur des Makromoleküls bedingen. Die so besprochene Valenzbindung ist maßgebend f ü r das sich bildende Makromolekül. Eine Verzerrung des Tetraederwinkels erfordert gleichfalls einen Energieaufwand gegenüber den Kovalenzbindungskräften. Um bei einer C—C-Bindung den 109°-Winkel um 10° zu verändern, ist je Mol ein Energieaufwand von 1 kcal erforderlich [5]. Wenn man also einen Stab aus Polyäthylen von 1 cm 2 Querschnitt bei vorausgesetzter Parallellagerung der Moleküle und einer Länge von etwa 10 cm um 1 cm verlängern will, so sind Zugkräfte von einigen Tonnen notwendig, um durch die WinkelVerzerrung innerhalb der Moleküle diese Verlängerung zu bestreiten. Die sich aus der quantentheoretischen Überlegung errechnende Energie f ü r die Bindung wird nach SLATEK [6] für r > 0 angenähert durch eine Beziehung der Form 2r r 10 annehmen kann, m ist der Koeffizient der anziehenden Kräfte, der je nach dem Charakter der Anziehungskraft 1 bis 7 beträgt. I m Gleichgewichtszustand sind anziehende u n d abstoßende Kräfte gleich. Demnach gilt a • n ß m rn + 1 'o (42.9) a •n ß = m Die Formel (9) stellt die Verhältnisse meist nur für einen kleinen Bereich der atomaren Abstände r dar. Deshalb kann man auch mehrere Kräfte, die durch niedrigere Exponenten des reziproken Abstandes gekennzeichnet sind, zusammenfassend in einem Teilbereich durch einen Ausdruck mit einem höheren Exponenten annähern. Man kann z. B. statt « _ £
A b b . 4.4 Potentialverlauf (U) bzw. anziehende und abstoßende Kräfte (P) zwischen zwei Teilchen (rr gilt für maximale Anziehung). in einem gewissen Bereich Ar um den mittleren Abstand r0 auch schreiben: (r0 + A r)«
ß (r0 + A rf
y
~ (r0 + Ar)K'
(42.10)
Ar Durch Reihenentwicklung und Einsetzen von — = x kann man in erster Näherung schreiben: £(!-»*> 'o
'o
U-»*) = 3 'o
(1-**).
Es folgt K =
(42.11)
Dabei wurde mit x = 0 eingesetzt.
V =
~
ßrf~m
Ist arf~" • so kann K hohe Werte annehmen. In schmalen, dem Experiment zugänglichen Bereichen können Abstoßungskräfte, die durch Zusammenwirken von COTTLOMBschen Kräften, Dipolkräften usw. entstehen, durch Ausdrücke der Form (10) mit einem großen Exponenten K angenähert dargestellt werden. Der große experimentell bestimmte Koeffizient K hat keine reale Bedeutung.
254
U Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
Meist verwendet man den Potenzansatz Gl. (8) für das Potential, woraus sich wie in allen anderen Fällen durch einfaches Differenzieren die Abstandsabhängigkeit der einwirkenden Kräfte errechnen läßt.
426 Sterische Behinderungen — Verschlaufungen Das Wachstum der Makromoleküle durch Polymerisation oder Polykondensation führt zur Bildung von Ketten, die mehr oder weniger verknäuelt sein können. Diese Ketten enthalten einesteils die zum Grundmolekül gehörigen Seitengruppen, die eine Verzahnung (sterische Behinderung) bedingen, zum anderen treten manchmal Verzweigungen und Verknüpfungen auf, die ein dreidimensionales Gerüst bilden. Die bei dem Wachstum der Moleküle sich bildenden Verschlaufungen und Verknotungen sind nachträglich ohne Zerreißen der Hauptketten nicht wieder zu lösen, so daß die Struktur des makromolekularen Körpers damit von Anfang an festliegt (Bindfadenstruktur). Bei einer Verstreckung werden sich die einzelnen Molekülschlingen nähern, die dann auftretenden stark abstoßenden Kräfte verhindern eine weitere Entknäuelung. Es tritt eine starke Festigkeitszunahme und das Aufhören von Fließvorgängen ein. Bei weiterer gewaltsamer Verformung werden die Abstoßungskräfte an den Schlingen so stark, daß homöopolare Bindungen zerreißen, so daß stärkere Verformungen solcher vernetzter Gebilde, z.B. beim Kautschuk, mit einem Molekülabbau verbunden sind (mastizierter Kautschuk). Es ist denkbar, daß zwei verhakte Moleküle getrennt werden unter kurzzeitigem Aufreißen einer G—CBindung des einen Moleküls und sofortiger Wiederbildung der kovalenten Bindung nach Durchtritt des anderen Moleküls. Da die Mastikation in Gegenwart von Sauerstoff wesentlich intensiver erfolgt, kann man vermuten, daß Sauerstoff eine solche Rückbildung der C—C-Bindung verhindert. Auch ohne andere Nebenvalenzbindungskräfte würden die molekularen Ketten wegen dieser Verzahnungen eine einem verfilzten Knäuel entsprechende Struktur aufweisen und nach einer Dehnung eine große Festigkeit besitzen.
427 Die experimentelle Bestimmung der Konstanten des Kraftgesetzes Durch Versuche, die nicht nur die Kraft, sondern auch deren Ableitung ergeben, kann man die Konstanten 87 +
dV v
=
na,
mp 1 dq>
n 0 ist
' ^
(mit8V =
3r
°8r)
f =
Im Gleichgewicht für r = r0 heben sich abstoßende und anziehende Kräfte auf, also wird m „
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266
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zweite Seitengruppe in der gleichen Lage relativ zum Fadenmolekül. Erfolgt die Drehung gleichsinnig, so entstehen spiralige Strukturen (Abb. 4.8). Dabei kann erst das vierte, sechste, achte usw. Gruppenmolekül in eine zum ersten Grundmolekül deckungsgleiche Lage kommen. Die durch den Abstand deckungsgleich liegender Grundmoleküle festgelegte Faserperiode ist dann entsprechend größer. Liegen die Grundmoleküle aller parallelen Kettenmoleküle in gleicher Höhe (von der x-y-Ebene aus gerechnet), so bilden sich tetragonale Strukturen. Finden Verzahnungen statt, so entstehen monokline oder trikline Kristalle. Häufig sind die seitlichen Abstände kristallisierter Fadenmoleküle durch Wasserstoffbrückenbindungen festgelegt. Treten diese Kräfte im wesentlichen in einer Ebene auf, so entstehen blättchenartige Gebilde (Rostebenen). Im Falle, daß entsprechende Seitengruppen nicht übereinander hegen, sondern verdreht sind, entstehen spiralig verdrillte Bänder. Die Ursache ist die Absättigbarkeit der Nebenvalenzbindungskräfte bei den Wasserstoffbrückenbildungen. Besonders bei den Polyamiden werden solche Rostebenen beobachtet. Die seitlichen Abstände der Moleküle betragen 4—15 Ä. In der Tabelle 4.3 werden eine Anzahl Identitätsperioden von verschiedenen synthetischen Hochpolymeren dargestellt. Durch Schichtlinienaufnahmen kann man die Gitterkonstanten bestimmen. Sehr häufig tritt die für Paraffinketten charakteristische Periode von 2,52 Ä oder Vielfache davon auf. Bei einem seitlichen Abstand von 7,40 Ä, z. B. bei den Polyamiden, tritt bei einer Verzahnung der Ketten (monokline Strukturen) der Winkel 65° auf. Als Beispiel wurde die Gitterzelle des Polyurethans nach J e n c k e l [21] gezeichnet (Abb. 4.9). 442 Kinetik der Kristallbildung in hochpolymeren Substanzen
Kristalle entstehen durch ungestörte Parallellagerung fadenförmiger Moleküle. Schon bei der Polymerisation wird die Tendenz zur Kristallbildung festgelegt. Sind die entstandenen Makromoleküle verknäuelt oder verfilzt, so wird auch bei der Lösung in beliebigen Lösungsmitteln und beim Schmelzen die Verknäuelung kaum verschwinden. Das Molekül schwimmt unter Einlagerung von Lösungsmittelteilen und scheidet sich dann als Ganzes beim Verdunsten oder der Extraktion des Lösungsmittels oder beim Abkühlen ab, wobei die ursprüngliche Gestalt nahezu erhalten bleibt. Kristallisierende Hochpolymere müssen deshalb von Anfang an langsam gewachsen sein, möglichst durch Polymerisation bei tiefen Temperaturen. Auch bei nicht vorhandener Verknäuelung muß man dem Molekül zur Parallellagerung genügend Zeit lassen. Eine solche Umlagerung ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn die Platzwechselvorgänge noch nicht eingefroren sind. Man erreicht Kristallisation durch langes Tempern bei mittleren Temperaturen. Im Gegensatz hierzu bedeutet Abschrecken die Erhaltung des bei höheren Temperaturen bestehenden rein amorphen Zustandes. Durch die allmähliche Abkühlung kommt es auf Grund von Untersuchungen von J e n c k e l [21] zur stufenweisen Kristallisation. Zuerst werden sich die durch homöopolare Bindungskräfte festgelegten Abstände gleicher Gruppen des Fadenmoleküls unter Streckung und Drehung einstellen. Dabei ist für die Streckung der geringste Kraftaufwand notwendig, während die Drehung, die oft zu einer
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267
spiraligen Struktur führt, unter Überschreitung von Potentialschwellen allmählich erfolgt. Damit bildet das gestreckte Molekül mit in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Seitenketten, die um jeweils den gleichen Winkel gegenüber der Molekülachse verdreht sind; schon eine geordnete Struktur. J E N C K E L [ 2 1 ] konnte zeigen, daß die wechselseitige Zuordnung der so geordneten Moleküle unter Bildung eines dreidimensionalen Kristalls bei mittleren Temperaturen erfolgt, wenn Wasserstoffbrücken vorhanden sind, jedoch bei tieferen Temperaturen bei dem Vorhandensein von Dispersionskräften. Es kommt dabei immer auf die Größe dieser Kräfte und die wechselseitige Energie der Seitengruppen an. Mit steigender Temperatur steigt auf Grund der Beziehung F = U — TS der Entropieanteil TS. Es müssen die Kristalle aufschmelzen, und zwar zunächst die durch die Dispersionskräfte festgelegten wechselseitigen Zuordnungen, dann die durch Wasserstoffbrücken und zuletzt die innerhalb des gleichen Moleküls gebildeten Ordnungszustände. Die Natur der Bindungskräfte legt den Betrag für die innere Energie U fest. Ausgeprägte Nebenvalenzbindungskräfte bedingen eine größere Neigung zur Kristallisation, selbst wenn der Entropieanteil größer ist. Die Kristallisationsgeschwindigkeit wird durch die Keimhildungsgeschmndigkeit und die Wachstumsgeschwindigkeit der so entstandenen 'Embryonen festgelegt. Nimmt man zur Vereinfachung an, daß die Keimzahl sehr groß ist, so kann man die von AVBAMI [ 2 2 ] schon 1 9 3 9 errechnete Wachstumsgeschwindigkeit für niedermolekulare Kristalle auf Kunststoffe übertragen. K A H L E und STUART [ 2 3 ] konnten das mit Erfolg für einige leicht kristallisierende hochmolekulare Körper tun. Danach ist der Anstieg des Anteils « der kristallisierenden Phase durch eine Formel der Form « = 1 - e-*»«" (44.2) gegeben. Der konstante Exponent n liegt im Bereich 3 bis 4, während die Größe K0 sehr stark von der Temperatur abhängig ist. Es gilt mit den konstanten Beiwerten C\ und C2
Im Gegensatz hierzu werden von OOKAWA [ 2 4 ] für die Wachstumsrate bei der Bildimg von Keimen der kritischen Größe und für das Wachstum der Keime' unter Bildung von Sphäroliten 1 ) zwei Exponentialformeln angegeben, die durch verschiedene Beiwerte Av Bl (Keimbildung), A2, Bt (Wachstum der Sphärolite) gekennzeichnet sind: kt = B1e~AllkT und k2 = B2e~A^T. (44.4) J E N C K E L [25] untersuchte, indem er auf Arbeiten von TAMMANN fußte, die Kinetik der Kristallbildung im einzelnen. Man muß unterscheiden zwischen der Bildung von Embryonen, das sind einzelne kurze parallel gelagerte Molekülsegmente, die wegen ihrer Kleinheit bei der thermischen Beanspruchung meist wieder zerfallen, aber zum Teil in Kerne übergehen, die dann zu Kristalliten wachsen. Das Kristall Wachstum erfolgt durch molekulare Umlagerungen über
!) s. Abschnitt 448.
268
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unwahrscheinliche, durch hohe potentielle Energie gekennzeichnete Lagen, ist also ein Platzwechselvorgang. Die Wahrscheinlichkeit Wp f ü r solche Umlagerungen ist durch einen Ausdruck der Form Wp = C • e-A u'kT
(44.5)
gegeben (s. Abschnitt 47). Ist mit einer Umlagerung durch Parallelorientierung eine Verkleinerung der inneren Energie verknüpft, so gilt _ (AU -dV) Wp=
0•e
kT
,
während der gleichzeitig stattfindende gegenläufige Prozeß eine kleine Änderung des Entropiegliedes um d(TS) bedingt. Im ganzen gilt Wp = Ce
_ ÉJL ( SJL \¿kT _
d(TS)\
e~icT~]
_
Nach Reihenentwicklung entsteht w Wp = ^G • e
kT
(ÓU - — Ö(TS)\j = C • e ^
™ — .
(44.6)
Die Konstante C enthält noch die Zahl der gebildeten Kerne, f ü r die sich durch eine analoge Rechnung ebenfalls ein Exponentialausdruck ergibt. Wp ist proportional der Kristallisationsgeschwindigkeit. Nach dem Schmelzen der Kristalle zeigt sich, daß beim Abkühlen Kristalle an den ursprünglichen Stellen entstehen, wie man das z. B. sehr leicht im Polarisationsmikroskop nachweisen kann (s. Abschnitt 448). Am Anfang von 442 wurde gezeigt, warum die Kristallkeime auch oberhalb des Schmelzpunktes der Kristalle erhalten bleiben. Dieser Schmelzpunkt liegt noch unter der Erweichungstemperatur der makromolekularen Substanz. Darüber hinaus beobachtet man jedoch eine wachsende Keimbildung mit sinkender Temperatur. Durch das Einschnappen der Kettenmoleküle in energetisch bevorzugte Lagen und durch das verschiedenen Temperaturen zugeordnete Aufschmelzen der lateralen Bindungen existieren in verschiedenen Temperaturbereichen verschiedene Kristallmodifikationen des gleichen Stoffes. Allerdings sind die Unterschiede im Kristallbau dieser einzelnen Modifikationen gering und beschränken sich meist auf das Verschwinden bestimmter geometrischer Zuordnungen in bezug auf die Seitenketten senkrecht zu den Molekülachsen. Beim Kautschuk schmelzen die kristallinen Bereiche zwischen 5° bis 15°, beim Polyäthylen zwischen 100° bis 120°.
443 Amorphe Strukturen Sind die Fadenmoleküle statistisch ungeordnet bzw. orientiert, ohne daß ihre gegenseitigen Abstände regelmäßig verteilt sind, dann kann man keine Netzebenen durch die Gitterpunkte legen. Es gibt keine primitive Elementarzelle, durch deren Translation man den Körper aufbauen könnte. Man beobachtet zwar, daß in jeder Flüssigkeit und auch in ungeordneten Molekülknäueln der
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269
wechselseitige Abstand zweier Atome um einen bestimmten Mittelwert streut. Durch die Interferenz der jeweils an benachbarten Teilchen gestreuten Röntgenstrahlen entsteht dann ein verwaschener, diffuser Ring, der im Röntgenbild für den amorphen Zustand charakteristisch ist. Für die Röntgenstreuung ist immer nur die Lage der streuenden Atome maßgebend. Ist diese im Körper ungeordnet, wobei eine Vorzugsrichtung der Valenzbindungen be, c c>r . f'G stehen kann, dann ist der Körper röntgenamorph, was im folgenden kurz mit amorph bezeichnet wird. Die Valenzrichtung spielt keine /V Rolle. In Abb. 4.10 wurde eine Reihe von Molekülen perspektivisch im orientierten Zustand unter Wahrung des Tetraederwinkels von 109° gezeichnet (Valenzstriche ausgezogen). Es ist denkbar, daß die gleiche Lage der Atome, ebenfalls wieder unter Berücksichtigung der Tetraederwinkel eintritt, ohne daß die Valenzbindung eine bevorzugte Richtung aufweist (in Abb. 4.10 punktiert gezeichnet). 1 ) Bei gleicher Lage der streuenden Atome haben wir zwei verschiedene KörAbb. 4.10 per vor uns, die z. B. in bezug Orientierte Struktur (Moleküle A B, CD, EF, OH auf Wärmeleitfähigkeit, Schall- usw.) und statistische Anordnung (reinamorph) geschwindigkeit und andere physi- (Moleküle A'B', C'D', E'F' usw.) bei gleicher Lage kalische Kenngrößen ein ganz verder Gitterpunkte. schiedenes Verhalten aufweisen. Sowohl der orientierte Körper als auch der durch beliebige Richtungen der Molekülachsen ausgezeichnete sind röntgenamorph. Wegen der Unterschiede in ihrem physikalischen Verhalten ist es jedoch zweckmäßig, daß man den orientierten Zustand vom völlig ungeordneten unterscheidet. Als Ursachen für den amorphen Zustand findet man die folgenden: Sind die Seitengruppen kompliziert aufgebaut oder sind Atome mit großem Radius an ihrem Aufbau beteiligt, so wird durch sterische Behinderung die Neigung zur Kristallisation eingeschränkt. So ist z. B. das Chloratom wesentlich größer als das Kohlenstoff- oder gar das Wasserstoffatom. Es bedingt deshalb, besonders wenn es sich im Makromolekül nicht im jeweils gleichen Abstand wiederholt, die Unmöglichkeit zum Aufbau kristalliner Bereiche. In vielen Polymerisaten gibt es bekanntlich eine Kopf-Kopf-, Schwanz-Schwanz- und Kopf-Schwanz-Aneinanderlagerung der Monomeren bei der Polymerisation, was die Unregelmäßigkeit der gebildeten Fadenmoleküle erklärt. Wasserstoffbrücken an „falschen" Stellen sind gleichfalls zu nennen. 1 ) Die Abb. 4.10 enthält also zwei verschiedene Bilder eines molekularen Bereiches. Die Lagen der Gitterpunkte decken sich, nicht aber die gerichteten Valenzen.
270'
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Das ungeordnete Wachstum der Ketten, die von Anfang an unlösbaren Verschlaufungen und das Entropieglied in der den Zustand bestimmenden Beziehung für die freie Energie dürfen nicht vergessen werden, insbesondere wenn sich die innere Energie U im amorphen Fall nicht sonderlich von der im kristallinen Festkörper unterscheidet. Amorph in dem so definierten Sinn sind alle eigentlichen Gläser (Abb. 4.1). Bei diesen handelt es sich um dreidimensionale Verknüpfung durch gleiche Bindungskräfte. Amorph sind deshalb auch die durch trifunktionelle Grundmoleküle gekennzeichneten Kondensationsprodukte. Hier erfolgt von Anfang an eine ungeordnete (statistische) unlösbare Verknüpfung. Solche Stoffe lassen sich dann auch nicht durch Wärmebehandlung oder mechanische Beeinflussung (Streckbehandlung) in den kristallinen Zustand überführen. Einige Beispiele amorpher bzw. vorwiegend amorpher Hochpolymerer finden wir in Tabelle 4.4. Tabelle 4.4
Vorwiegend amorphe polymere Substanzen Stoff 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Phenolformaldehydharze Rresolformaldehydharze Harnstoffharze Epoxydharze Polystyrol Polyvinylchlorid Polybutadien (Buna S)
8. Polyvinylacetat 9. Polymethacrylat 10. Mischpolymerisate
Ursache dreidimensionale unregelmäßige Verknüpfungen durch Hauptvalenzbindungen Seitenketten Größe der Cl-Atome Unregelmäßige Verdrehung längs der Kette, Seitenketten (Benzolringe) durch die Mischpolymerisation mit Styrol Seitenketten Unregelmäßige Anordnung der Grundmoleküle bei der Mischpolymerisation.
Der einphasige, amorphe Zustand vieler dieser StoiFe wird durch ihre Durchsichtigkeit bewiesen; da keine in der Größenordnung der Lichtwellenlänge vorhandenen unterschiedlichen Strukturen auftreten, gibt es auch keine Änderung des Brechungsindex innerhalb des Körpers und keine diffuse Streuung des Lichtes. Durchsichtige amorphe Hochpolymere sind mit anorganischen Gläsern vergleichbar. 444 Partiell kristalline makromolekulare Stoffe Die beiden bisher betrachteten Zustände kristallin und amorph treten in sehr vielen hochmolekularen Stoffen gemeinsam auf. Wir wollen uns an einem Beispiel den Vorgang der Kristallisation vergegenwärtigen, und wir werden dabei erkennen, daß sich mit Notwendigkeit auch ein amorpher Anteil bilden muß. Wir betrachten dazu die Abbildung 4.11. Das Molekül AB sei von Lösungsmittelmolekülen oder monomeren Grundbausteinen umgeben (z. B. während der Polymerisation), oder
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271
die Temperatur des betrachteten Körpers ist so groß, daß es gegenüber benachbarten Molekülen nahezu frei beweglich ist. Durch die zwischen den Segmenten a und b bestehenden sekundären Bindungskräfte wird eine Parallellagerung in diesem Gebiet begünstigt, gleichzeitig aber auch im Gebiet c eine übermäßige Verbiegung eintreten. Die durch die Parallellagerung von ab gewonnene innere Energie wird als entropieelastische und als energieelastische Verformung (Verzerrung der Valenzwinkel im Gebiet c in die Energiebilanz eingehen. Es gibt
r
A
C
Abb. 4.11 Parallellagerung von Kettenmolekülen.
einen maximalen kristallinen Bereich de und mit Notwendigkeit auch einen amorphen Bereich de. Der gleiche Vorgang wird sich bei einer Vielzahl von Molekülen wiederholen, wobei die verschiedene Länge der Schlaufen zwischen den kristallinen Bereichen und deren Verbiegungen den amorphen Bereich bilden. Es wird keine Einheitlichkeit in bezug auf die Länge der Segmente bestehen, die zwischen den sich aneinander lagernden Stücken bestehen. Bei Steigerung der Temperatur kommt es zu einem Aufschmelzen der durch Parallellagerung gebildeten kristallinen Bereiche unter Entropiezunahme. Die Struktur der Kunststoffe ist deshalb viel mehr als diejenige kristallisierter Festkörper von der Temperatur abhängig. Die durch Parallellagerung von Molekülteilen entstandenen zahlreichen kristallinen Bereiche, die durch amorphe Gebiete unterbrochen werden, bilden das Gerüst des makromolekularen Festkörpers. Es entsteht das in Abbildung 4.12 von H E R R M A N N , A B I T Z und G E B N G B O S S [26] vorgeschlagene Bild des teilweise kristallisierten hochpolymeren Körpers. Durch die Atome in den Kristalliten lassen sich Netzebenen legen, wobei jedoch wegen der Kleinheit der Kristallite eine Verbreiterung der Reflexe im Röntgenbild eintritt. Die amorphen Gebiete sind für das physikalische Verhalten von entscheidender Bedeutung. Hier greifen Lösungsmittel zuerst an, hier beginnen Quellungsvorgänge. Die für das plastisch-elastische Verhalten maßgebenden Platzwechselvorgänge spielen sich zumeist in den amorphen Bereichen ab. Es wird deshalb bei der Beschreibung
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des Fließverhaltens der Hochpolymeren auf die bestehenden Kristalle wenig Rücksicht genommen. Bei einer Verstreckung werden sich in den amorphen Gebieten die Moleküle in Streckrichtung einstellen, die Kriställchen werden dabei zum Teil noch wachsen oder sich verdrehen. Somit wird die Struktur nicht nur von der Temperatur, sondern auch vom äußeren Spannungszustand beeinflußt. Die statistische Verteilung kristalliner und amorpher Bereiche und deren Größe hat mit der Länge der Fadenmoleküle nichts zu tun. Ein einzelnes Molekül kann verschiedenen Bereichen angehören und wesentlich größer sein als ein Kristall. Es entsteht eine Fransenstruktur. Zuerst wurde diese Verknüpfung der einzelnen Kristallite durch Kettenmoleküle bei der Cellulose diskutiert. Dabei ist der Übergang zwischen kristallinen und amorph verknäuelten Gebieten ein fließender, so daß von einer genauen Größe nicht gesprochen werden kann. Es bestehen keine Korngrenzen. Beim spröden Bruch lassen sich keinerlei Kristallflächen nachweisen. Auch ist eine chemische oder physikalische Trennung der amorphen und Abb. 4.12 kristallinen Phase nicht möglich. Wegen der geringen Partiell-kristalline Struktur hochpolymerer Festkörper (kristalline Bereiche sind durch gestrichelte Kreise Energieunterschiede im krigekennzeichnet). stallinen und amorphen Bereich sind auch deren thermodynamische Unterschiede unerheblich. Die sonst für zweiphasige Stoffe kennzeichnenden thermodynamischen Merkmale sind bei den Kunststoffen wenig ausgeprägt. Es wird darauf im Abschnitt 46 näher eingegangen. Wegen des Unterschiedes in bezug auf den Brechungsindex erscheinen partiell kristalline Körper nur durchscheinend und reflektieren das Licht teilweise diffus. Sie ähneln in dieser Hinsicht keramischen Substanzen, besonders dem Porzellan, das auch aus Kristalliten besteht, die durch glasige Zonen verkittet sind. Diese Analogie ist nur sehr gering, da im Falle der keramischen Substanzen eine strenge Zweiphasigkeit besteht, scharfe Korngrenzen nachgewiesen werden und auch die chemische Zusammensetzung zwischen den glasigen und kristallinen Bereichen varüert. In den Kunststoffen läßt sich der kristallisierte Anteil durch drei Faktoren beeinflussen: a) die Versuchsdauer, b) die Temperatur und c) die mechanische Beanspruchung. Das lange Tempern unterhalb der Schmelztemperatur der Kristalle erhöht den kristallinen Anteil. Abschrecken der bis in den Erweichungsbereich erhitzten Substanzen läßt rein amorphe Körper entstehen. Durch eine mechanische Beanspruchung, insbesondere dehnende K r a f t (unterhalb der
44 Der strukturelle Aufbau fester makromolekularer Substanzen
273
T a b e l l e 4.5
S t r u k t u r und p h y s i k a l i s c h e s V e r h a l t e n Röntgenamorph orientiert (verstreckt)
amorph
partiell kristallin
kristallin
a) mechanische Eigenschaften: vergleichsweise kleine Zugfestigkeit keine Fließgrenze dehnbar
vergleichsweise größere Zugfestigkeit kaum dehnbar
Anisotropie der mechanischen Eigenschaften z. B. der Elastizität, Schallgeschwindigkeit u. Festigkeit
erhöhte Festigkeit Fließen in den amorphen Bereichen, dort auch Angriff von Lösungsmitteln und Aufnahme von Farbstoffen und Quellmitteln
Fließgrenze
Steifheit Sprödigkeit Anisotropie der elastischen Eigenschaften z. B. der Schallgeschwindigkeit
b) thermische Eigenschaften: kleine Wärmeleitfähigkeit
Anisotropie der Wärmeleitfähigkeit
keine Deformation bei der Erwärmung
Deformation bei der Erwärmung durch Übergang in den ungeordneten Zustand
Schmelzen der Kristallite unterhalb der Erweichungstemperatur, Vergrößerung der kristallinen Anteile durch Tempern und Strecken
vergleichsweise größere Wärmeleitfähigkeit vergrößerte spezifische Wärme beim Aufschmelzen der Kristalle Übergang in den amorphen Zustand durch Erhitzen und Abschrecken
c) elektrische Eigenschaften: dielektrische Verluste (soweit polar) und Leitfähigkeitsvorgänge
Anisotropie der dielektrischen Eigenschaften
behinderte Dipolorientierung
d) optische Eigenschaften: durchsichtig
18
Physik der Kunststoffe
doppelbrechend
durchscheinend, Inhomogenität des Brechungsindex
doppelbrechend
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U Die Struktur der makromolekularen Körper
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Schmelztemperatur der Kristalle), wird der kristalline Anteil in sehr vielen Fällen erhöht. Im Naturkautschuk wurde sogar die Kristallisation erst nach einer Dehnungsbeanspruchung nachgewiesen. In der Tabelle 4.5 wird auf die Beeinflussung der physikalischen Kenngrößen durch den mehr oder weniger großen kristallinen Anteil in solchen partiell kristallisierenden Stoffen noch besonders hingewiesen. 445 Bestimmung des kristallinen Anteiles Es gibt mehrere experimentelle Möglichkeiten zur Ermittlung des kristallinen Anteils in hochmolekularen Körpern. Am gebräuchlichsten ist die Ausmessung der Intensität des diffusen Ringes in Röntgenaufnahmen. J e größer der Anteil an kristalliner Phase und entsprechend geringer derjenige an nichtkristallinen Bereichen ist, um so schwächer wird die Intensität dieses Ringes. Ist der Anteil an kristallinem Material a, so wird bei einer Dicke ^ der Probe eine zu (1 — a) d x proportionale Streuung f ü r die maximale Schwärzung S1 des diffusen Ringes verantwortlich sein. Durch Vergleich der Intensität der Schwärzung St des diffusen Ringes einer völlig unkristallinen Probe der Dicke d2 (abgeschreckte Probe) mit der unbekannten Probe wird bei gleicher Schwärzung des Durchstoßungspunktes [27] (44,, Man kann die Vergleichsaufnahmen, die immer wieder unkontrollierbare Fehler aufweisen, umgehen durch gleichzeitige Aufnahme einer kristallisierten und einer nichtkristallisierten Probe (Abb. 4.13). Dabei weist der Röntgenstrahl einen spaltförmigen Querschnitt auf. Durch Anordnung eines Bleistreifens zur Trennung der beiden untereinander angeordneten Proben entstehen gleichzeitig auf dem gleichen Film zwei halbkreisförmige Streubilder. Man mißt bei dieser Anordnung die Schwärzung des diffusen Ringes der nichtkristallinen Vergleichsprobe und diejenige der teils kristallisierten, unbekannten Probe und ermittelt den Kristallanteil a auf Grund der Formel (7) zu die Dichte einer abgeschreckten, also amorphen Probe sei gam., während die durch Rechnung ermittelte Röntgendichte ökrist. beträgt. Mit dem Yolumenanteil a an kristalliner Phase gilt dann «i?krist. + (1 — a) (?am. = {?wirkl. • Daraus folgt {Avirkl. Qam. (44.8) OL = ^krist. ^am.
V n ' ^ W /
/
/
/ / / / / // / /
in 'z
Abb. 4.13 Gleichzeitige Aufnahme einer getemperten (partiell-kristallinen) Probe (a) (Strahl 1) und einer abgeschreckten (amorpheii) Probe (6) (Strahl 2) des gleichen Materials durch eine ZweistraMkamera (1, 2). (Trennung in zwei Halbebenen durch ein Bleiblech.)
Die Unsicherheit, ob die abgeschreckte Probe wirklich amorph ist, und die durch submikroskopische Einschlüsse, durch Spannungen usw. bestehenden Unterschiede in bezug auf die Dichte des amorphen Anteils der teilkristallinen Probe und der amorphen Probe schränken diese Methode ein. Es ist deshalb wichtig, daß durch andere physikalische Bestimmungen die durch Röntgen- und Dichteuntersuchungen gemessenen Anteile bestätigt werden können. Dazu dienen insbesondere kalorische Verfahren. Beträgt die Schmelzwärme der Kristalle s, so ermittelt man im Schmelzbereich eine vergrößerte spezifische Wärme Cwirki.- Bei einem Gewichtsanteil a gilt während des Schmelzens der Kristalle je Masseneinheit a • S = /(CwiM. — Camorph) AT. (44.9) Schmelzbereich 18*
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Notwendig ist die Kenntnis der Schmelzwärme des völlig kristallinen Zustandes s, die man eventuell an niederpolymeren Substanzen, also an der monomeren Substanz, ermittelt, wobei in etwas gewagter Weise daraus die Schmelzwärme des Kristalls durch Extrapolation gewonnen wird. Die spezifische Wärme cam. (also des amorphen Körpers) und c^ki. des teils kristallinen Körpers muß in empfindlichen Kalorimetern in Abhängigkeit von der Temperatur ermittelt werden. Auch aus den Lösungswärmen kann der kristalline Anteil bestimmt werden. Alle diese Methoden sind mit erheblichen Fehlerquellen behaftet. Die Kernresonanzmethode ist gleichfalls in der Lage, Aussagen über den kristallinen Anteil zu liefern. Die aus dem äußeren magnetischen Feld, dem Kernmoment und dem Drehimpuls errechnete Resonanzfrequenz ändert sich, wenn sich durch benachbarte Wasserstoffatome das Magnetfeld am Orte des betrachteten Protons verkleinert oder vergrößert. Es kommt zu einer Linienverbreiterung, wenn die gegenseitige Kopplung benachbarter Wasserstoffatome zunimmt. Eine schmale Linie tritt auf, wenn die Rotationsbewegung des Wasserstoffatoms angeregt ist, jedoch eine Linienverbreiterung im Falle der Festlegung der Beweglichkeit durch Kristallisation. Das Schmelzen der Kristallite, besonders der Sphärolite, kann in Dilatometern mit einer inerten Flüssigkeit, deren Steighöhe in der Kapillare messend verfolgt wird, ermittelt werden. Auch hier sind Vergleiche mit abgeschreckten, d. h. amorphen-Proben notwendig.
446 Der orientierte Zustand Polymere Substanzen, die aus Fadenmolekülen bestehen, lassen sich im Erweichungsgebiet und manchmal auch bei tieferen Temperaturen in einen orientierten Zustand überführen. Dabei weisen die Molekülachsen eine Vorzugsrichtung auf, ohne daß die C-Atome Netzebenen bilden. Selbstverständlich kommt es dabei auch zu einer Parallelorientierung der kristallinen Bereiche (Texturbildung) und unter Umständen zu einer Vergrößerung der Kristalle. Im Röntgenbild treten im letzteren Fall äquatoriale Reflexe und manchmal Sicheln auf. Die Parallellagerung ist keine vollständige. Auch vernetzte Fadenmoleküle, die durch in größeren Abständen bestehende Brücken gekennzeichnet sind, z. B. vulkanisierter Kautschuk, zeigen diese Erscheinungen. Der Vernetzungsgrad (prozentualer Anteil der Brücken) darf nicht sehr groß sein. Verstreckbar sind z. B. die durch Wasserstoffbrücken verbundenen Moleküle in einem Temperaturbereich, in dem die Beweglichkeit so groß ist, daß einzelne Wasserstoffbrücken aufspalten und sich sofort an anderen Stellen neu bilden. Bei tieferen Temperaturen kommt es bei starker Beanspruchung zu einer Zerreißung des Kettenmoleküls, da dann mehrere gleichzeitig beanspruchte Wasserstoffbrücken die Festigkeit der Hauptvalenzbindung übertreffen. Die Parallellagerung der Moleküle vergrößert den Ordnungszustand und verkleinert die Entropie. Auf Grund des GouGH-JouLE-Effektes wird bei der Orientierung Wärme erzeugt. Der gedehnte hochpolymere Körper besitzt eine etwas geringere spezifische Wärme als der ungedehnte. Die eingetretene entropieelastische Verformung wird im orientierten Körper die ursprüngliche Verknäuelung
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wieder herzustellen suchen. Haben sich jedoch neue Wasserstoffbrücken gebildet oder sind durch Dispersionskräfte die Moleküle fixiert, so bleibt der orientierte Zustand bestehen. Wir wollen einen solchen durch Fließbewegung und Abgleiten der Moleküle aneinander hergestellten Zustand Verstreckung nennen. Erst nach Erwärmung bis zu einer Temperatur, in der die Wärmebewegung die bestehenden Nebenvalenzbindungen überwindet, verschwindet der verstreckte Zustand. Spritzteile aus Polystyrol, Benzylcellulose usw., die eine solche Verstreckung aufweisen, zeigen eine sehr Starke Deformation bei Erwärmung. Die Verstreckung erfolgt in vielen Fällen schon bei Zimmertemperatur und wird dann Kaltverstreckung genannt. Der Anteil der äußeren Kräfte ist bei dieser Kaltverstreckung bei der De£ formation der Moleküle erAbb. 4.14 heblich. Die Verstreckung Zugdehnungsverlauf bei Gummi und Nylon bzw. Orientierung erfolgt (Verstreckung). entweder gleichzeitig längs der gesamten Probe (vulkanisierter Gummi) bei der Dehnung oder an einer Einschnürungsstelle, die sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit längs der Probe verschiebt. Es können auch mehrere solche Einschnürungen auftreten. Im Gegensatz zur Orientierung der Moleküle bei vulkanisiertem Kautschuk, die schon bei sehr kleinen Beanspruchungen beginnt, ist bei der Verstreckung eine Mindestspannung erforderlich, die aber an der Einschnürungsstelle sofort eine vollständige Parallellagerung der Moleküle verursacht. Der SpannungsDehnungs-Verlauf bei der Verstreckung ist in Abb. 4.14 gezeichnet. Es tritt eine erhebliche Querschnittsverminderung und eine Verlängerung bis zum sechsfachen Betrag der ursprünglichen Länge ein. Dieser Faktor wird bei dem gleichen Stoff, aber verschiedenen Querschnitten immer wieder beobachtet. Die Verfestigung ist beträchtlich, es ist fast keine weitere Dehnung nach der Verstreckung mehr möglich. Die Bildung einer Einschnürungsstelle hat zwei Ursachen. 1. Die bei der Verstreckung freiwerdende Wärme überträgt sich auf die Nachbarmoleküle, bei denen dann durch Zusammenwirken von Wärmebewegung und äußerer Beanspruchung leicht eine Überwindung der Nebenvalenzbindungskräfte erfolgt und es ebenfalls zur Parallellagerung kommt. In zahlreichen Versuchen, z. B. mit einem höchstempfindlichen Mikrokalorimeter, wurde von MÜLLER [28] dieser Wärmeeffekt nachgewiesen. Es tritt eine lokale Temperatursteigerung um über 50° ein. Die mit der Bildung der verstreckten Phase verbundene Fließbewegung wird in der längs der Probe wandernden Einschnürstelle (Schulter) stattfinden (Abb. 4.15).
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2. Fließvorgänge werden durch Scherkräfte ausgelöst. Wie Abb. 4.15 zeigt, treten im verstreckten (a) und im unverstreckten Bereich (c) bevorzugt Zugkräfte auf. Diese bedeuten für eine schrägliegende Fläche teils Scher-, teils Zugspannungen. Dabei ist für eine Fläche, die mit der Richtung der Zugkraft einen Winkel von 45° bildet, die Scherspannung maximal. An der Schulter wird sich deshalb auch ein Winkel von 45° einstellen. Wegen des verkleinerten Querschnittes sind diese Spannungen im verstreckten Teil a größer als im unverstreckten Teil c. Da in b bereits eine Orientierung und Verfestigung der Moleküle erfolgt, treten in a keine weiteren Fließvorgänge auf. In b sind die Spannungen größer als in Abb. 4.15 c (bereits Querschnittsverminderung). Spannungsverlauf und QuerschnittsDas Material kann aber in b noch fließen, änderung bei der Verstreckung (Pfeile geben da eine vollständige Orientierung dort Größe und Richtung der Spannung an). noch nicht erfolgte, wobei sich die Scherspannung, die zur Aufrechterhaltung des Fließvorganges notwendig ist, während der Verstreckung kaum erhöht (Abb. 4.15). Vorher bilden sich dort wegen des Überganges auf den größeren Querschnitt bevorzugt Scherspannungen aus. Die Orientierung der Moleküle beeinflußt nahezu alle physikalischen Eigenschaften. Daneben wird die Neigung zur Kristallisation in vielen Fällen sehr stark vergrößert, z. B. beim Terephthalsäureester und bei Polyäthylen. In der Tabelle 4.5 werden die Änderungen der physikalischen Größen durch die verschiedenartige Struktur der hochpolymeren Körper dargestellt. 447 Faltung Durch neuere Untersuchungen von K E L L E R [29], S T U A R T und Mitarbeitern [30, 31] wurde bei einer Reihe von makromolekularen Stoffen die Existenz der Fransenstruktur in Frage gestellt. Diese Autoren fanden vielmehr, daß eine Faltung der Fadenmoleküle in sich eintritt (Abb. 4.16), wobei bei Kettenlängen von 5000 bis 20000Ä-Einheiten mehrere hundert Schlingen parallel liegen und lamellenartige Strukturen mit einer Dicke von ca. 120 Ä entstehen. Diese Lamellen stellen Einkristalle dar, die im Elektronenmikroskop sichtbar werden (Abb. 4.17). Dabei hat eine Verknüpfung mit Nachbarlamellen durch Moleküle, die gleichzeitig mehreren Lamellen angehören, nur eine untergeordnete Bedeutung. Zwischen den Einkristallen bestehen Korngrenzen. Im Hinblick auf bestehende amorphe Bereiche liegt Zweiphasigkeit vor. Solche Struktureinheiten wurden z. B. bei der Ausscheidung von Polyäthylen aus heißer Xylollösung gefunden. Die Kettenachsen verlaufen senkrecht zur Oberfläche der Lamellen. Es ist noch nicht hinreichend begründet, warum die Dicke jeweils 100--120Ä beträgt. Man kann vermuten, daß bei der Ausscheidung aus der Lösung, die als molekulardispers aufzufassen ist, sich das freie Ende des Fadenmoleküls unter Bildung einer Schlinge (Abb. 4.11) zu sich selbst parallel legt und so allmählich eine Lamelle senkrecht zur Kettenrichting zu wachsen beginnt. Dabei spielt der Umstand eine Rolle,
Tafel 1
A b b . 4.16
Bildung von Lamellen durch Faltung.
A b b . 4.17
Wachstumsspiralen und Lamellen bei Marlex 50 (Polyäthylen) nach F I S C H E R [ 3 1 ] .
44 Der strukturelle Aufbau fester makromolekularer Substanzen
279
daß in Hochpolymeren mit Wasserstoffbrückenbindung diese eine bevorzugte Raumrichtung aufweist. Andere Moleküle schließen sich an den Keim an. Da die einzelne Kette wegen der Wärmebewegung im Lösungsmittel sich kaum frei erhalten wird, werden bei einer gelegentlichen thermischen Schwenkbewegung die Nebenvalenzbindungskräfte so groß, daß sich die Kette an die schon fertig ausgebildete Lamelle anlegt. Dabei begünstigen die am stärksten wirksamen Nebenvalenzbindungskräfte zunächst eine ebene Struktur {Fibrille), während in der dritten, noch freien Richtung eine Aneinanderlagerung von Fibrillen unter Bildung einer Lamelle eintritt. In stärker konzentrierten Lösungen — besonders bei rascher Verdampfung des Lösungsmittels oder bei schneller Abkühlung — kommt es zur gleichzeitigen Abscheidung vieler solcher kristalliner Bereiche, die sich stufenartig bzw. spiralisch übereinander anordnen. Wie F I S C H E E [31] zeigte, ergeben sich solche spiralische Strukturen als Folge von Schraubenversetzungen. Die in kristallisierenden, makromolekularen Stoffen — insbesondere bei dem Polyäthylen, den Polyamiden und dem Polyurethan — beobachtete Lamellenstruktur ist häufig mit gleichzeitig auftretenden Spärolithen (Abschn. 448) gekoppelt. Die Untersuchungen über den Mechanismus der Faltung sind noch nicht abgeschlossen. Insbesondere ist noch zu klären, inwieweit die speziellen Herstellungsbedingungen, z. B. Verdunstung des Lösungsmittels, Filmbildung usw., dabei von Einfluß sind. Es wurden in den Abschnitten 441 bis 447 Strukturen behandelt, die röntgenmäßig nachzuweisen sind und im Elektronenmikroskop sichtbar werden. Jetzt wollen wir Strukturen behandeln, die mit dem gewöhnlichen Mikroskop nachgewiesen werden können. 448 Sphärolithe Das Wachstum der Kristalle in Hochpolymeren geschieht in sehr vielen Fällen von einem Kern aus und setzt sich radial nach außen hin fort, besonders bei geringer Keimbildungsgeschwindigkeit. Es kommt dabei zu kugelförmig angeordneten Abb. 4.18 kristallinen Bereichen, die man Lage der Moleküle in einem Sphärolithen. Sphärolithe nennt. Dabei ergeben Röntgenuntersuchungen, daß die Sphärolithe in fast allen Fällen so gebildet sind, daß die Achsen der Fadenmoleküle tangential zu den Kugeln liegen. Verbindet man diese Vorstellung mit der Beobachtung der Aneinanderlagerung der Teile des gleichen Moleküls unter Faltung, so führt das zur Entstehung von Nadeln, die eine Dicke von 100 — 300 Ä haben und sternförmig von einem Zentrum aus wachsen (Abb. 4.18). Dabei verlaufen die in sich gefalteten Molekülachsen senkrecht zur Nadelrichtung. Auf Grund von Untersuchungen von K E L L E E [32] kann man auch vermuten, daß die
280
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
Moleküle in den radial nach außen verlaufenden Kristalliten schraubenartig (spiralig) angeordnet sind. Da die kristallinen Bereiche sich als doppelbrechend erweisen, tritt zwischen gekreuzten NiCOLschen Prismen in zwei aufeinander senkrechten Richtungen eine Auslöschung des Lichtes auf, während dazwischen vier helle Segmente entstehen. Damit k a n n man Sphärolithe durch polarisiertes Licht nachweisen, wobei das auftretende dunkle Achsenkreuz (Abb. 4.19, 4.20 und 4.21) Größe und Anordnung der Sphärolithe bestimmt. Die Kristalle hochpolymerer Körper sind optisch meist zweiachsig, wobei die Netzebenen die extremen Werte der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes festlegen. Diese Ebenen sind tangential, manchmal radial vom Zentrum des Sphärolithen aus gerechnet angeordnet (Abb. 4 . 1 9 ) . Ist das nicht der Fall, so braucht das charakteristische dunkle Kreuz nicht zu entstehen. Besonders bei der Ausbildung von Kristallskeletten (Dendrite) werden im polarisierten Licht die dunklen Kreuze oft vermißt. In vielen Fällen sind die Sphärolithe so klein, daß sie mit der Abb. 4.19 Wellenlänge des Lichtes zu verBildung eines Achsenkreuzes bei Betrachtung von Sphärolithen mit polarisiertem Licht (die Lage der gefalteten Molekülketten ist für einige Moleküle schematisch angedeutet).
g l i c h e n sind. Sie geben dann Veranlassung zu emer Trubung bzw. zum Auftreten von Opaleszenz. Manchmal sind sie ineinandergewachsen (Dendrite). Beim Erhitzen von teilweise kristallisierten Proben verschwinden die Sphärolithe im Kristallschmelzpunkt unterhalb der Erweichungstemperatur und erscheinen wieder bei langsamer Abkühlung, meist an den gleichen Stellen. Sphärolithe werden beobachtet bei leicht kristallisierenden makromolekularen Stoffen, insbesondere bei den Polyamiden, bei einigen Polyestern, bei Guttapercha, bei Polyäthylen usw. Ihr Einfluß auf die mechanischen und dielektrischen Eigenschaften ist noch nicht hinreichend untersucht. 449 Überstrukturen Bei der Besprechung der Kristallbildung hatten wir erkannt, daß amorphe und kristalline Bereiche statistisch ungeordnet den hochmolekularen Körper aufbauen, wobei deren Größe erhebliche Schwankungen aufweist. Durch die Messung der Linienverbreiterung des Röntgenbildes und der Kleinwinkelstreuung bekommt man die Größenordnung der als „parakristallin" (HOSEMANN [ 3 4 ] ) aufzufassenden
Abb. 4.20 Sphärolithe verschiedener Größe nebeneinander nach SCHUUR [33].
Abb. 4.21 Sphärolithe [33],
Tafel 3
Abb. 4.22 Weitvvinkelinterferenz u n d Langperiodeninterferenz von Perlon L nach H E S S u n d K I E S S I G [ 3 6 ] (letztere in der N ä h e des Durchstoßungspunktes).
Abb. 4.23 Faserdiagramm von gestrecktem Polybutadien nach Orientierung der kristallisierten Bereiche (Tieftemperaturpolymerisat).
45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
281
Kristallite, wobei auch Gitterstörungen und Gitteraufweitungen zu einer Linienverbreiterung Veranlassung geben. ' Neben dieser statistischen Größenverteilung der dem Molekül übergeordneten Einzelbereiche gibt es viele Fälle, in denen die auftretenden Kristallite, Lamellen usw. eine ganz bestimmte Größe aufweisen. Häufig gibt man diesen Zusammenschlüssen von Molekülen zu einer größeren Einheit den Namen Mizelle. Die regelmäßige Größe vieler Sphärolithe kann als eine solche Überstruktur aufgefaßt werden. Auch bei der Faltung der Moleküle zu Lamellen treten bevorzugt Dicken von 120 Ä auf. Weiterhin findet man in der lebenden Zelle einheitliche, aus vielen tausend Einzelmolekülen bestehende Gebilde von genau gleicher Größe. Als Beispiele denken wir an die Chromosomen in Zellkernen, an Nukleide und ähnliche Körper chen. Überstrukturen wurden besonders bei der Cellulose nachgewiesen [35]. Man nennt die bei nativer (natürlicher) ungefällter Cellulose gefundene Struktureinheit von 300 Ä Mikroiibrille. Diese besteht ihrerseits aus ca. 50 Ä dicken Mizellen. Man hat versucht, für das Auftreten der Mizellen im letzteren Fall die bandartige Struktur der Cellulose verantwortlich zu machen (die Glukoseketten liegen in einer Ebene). Durch H E S S und K I E S S I G [36] wurden an synthetischen und an natürlichen Faserstoffen solche Überstrukturen gefunden, und zwar als Langperioden bei der Kleinwinkelstreuung (Abb. 4.22). Bei Polyamiden ist diese Langperiode 74 Ä bzw. 115 Ä, beim Polyurethan 7 0 - - 8 0 Ä groß. Beim Polyäthylen deuten Regelmäßigkeiten in bezug auf die Größe kristalliner und amorpher Bereiche eine Überstruktur an. 45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen 1 ) Eine der physikalischen Methoden, die einen Einblick in die Molekülstruktur von Hochpolymeren gestatten, beruht auf der Streuung der Röntgenstrahlen. Großes Interesse wird außer den reinen Strukturfragen für die Grundlagenforschung solchen Aufgaben entgegengebracht, die mit der Bestimmung des kristallinen Anteils, der Größe der Kristallite sowie der Veränderung der Struktur von Hochpolymeren unter bestimmten Bedingungen (Strecken, Kühlen, Tempern, Druck, Bestrahlung usw.) und dem Einfluß von Zusatzstoffen zum Erzielen gewisser Eigenschaften des Materials (Weichmacher, Füllstoffe) in Zusammenhang stehen. In einigen Fällen genügt z. B. die Kenntnis der periodischen Abstände entlang der Streckrichtung, um über die chemische Struktur Klarheit zu gewinnen; in anderen Fällen müssen neben der ausführlichen Auswertung der Röntgendiagramme eine Bestimmung der Abmessung der Elementarzelle und der Lage der Atome in dieser vorgenommen werden. Eine quantitative Deutung der Röntgendiagramme im Hinblick auf die amorphen Bezirke ist im allgemeinen nicht möglich. Die Ordnung in einem kristallinen Bereich ist viel mangelhafter als bei niedermolekularen Kristallen, wobei alle Ordnungsstufen von einem ideal geordneten Gitter bis zu den flüssigkeitsähnlichen Strukturen vorkommen können. Der Übergang zwischen den Zuständen verschieden guter Ordnung ist fließend. V o n M. DIETZE.
282
4- Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
Die ersten makromolekularen Substanzen, die röntgenographisch geprüft wurden, waren der natürliche Kautschuk und die Cellulose [37, 38, 39, 40]. Dabei stellte man fest, daß außer der erwarteten und bekannten starken Untergrundschwärzung und den breiten, verwaschenen Ringen zusätzlich ziemlich scharfe Linien und Reflexe auf den Diagrammen auftraten. Durch solche Aufnahmen wurde von K A T Z [38] die teilweise Kristallstruktur von Naturkautschuk unter bestimmten Bedingungen gefunden. Aus ähnlichen Untersuchungen an nativer (natürlicher) Cellulose resultiert der Begriff „Fransen-Mizelle", der andeuten soll, daß die Moleküle fransenartig ungeordnet aus den Kristallbereichen herausragen. Es wird vorgeschlagen, den Begriff Mizelle nur für kristalline Bereiche in natürlichen Fasern zu verwenden, da dort noch einigermaßen definierte Grenzen zwischen geordneten und ungeordneten Bereichen auftreten. Der submikroskopischen Feinstruktur, d. h. dem kristallinen und nichtkristallinen Gefüge von Hochpolymeren, überlagern sich bei natürlichen Fasern und synthetischen Stoffen die als Textur bezeichneten übermolekularen Ordnungszustände. Man spricht z. B. von Fasertextur, wenn die Längsachsen der Mizellen parallel zur Faserachse liegen. Die Fasereigenschaften rühren von Kettenmolekülen her, deren Grundbausteine perlschnurartig aufgebaut sind. Im Röntgenbild ist die Faserstruktur durch äquatoriale Reflexe gekennzeichnet. Die Biegsamkeit der flexiblen Fadenmoleküle hängt vorwiegend ab von der Art der monomeren Reste, der Sperrigkeit und der Fähigkeit der seitlichen Gruppen intermolekulare Haftstellen auszubilden (lose Vernetzungen). Starke Vernetzungen jedoch verhindern die Faserbildung weitgehend (Hartgummi, Phenoplaste). Die Arbeiten, die erste Grundlagen für das Gebiet der Kristallorientierung bildeten, stammen von P O L A N Y I [ 4 1 ] und W E I S S E N B E E G [ 4 2 ] . Die röntgenographische Untersuchung der Kristallorientierung in hochpolymeren Substanzen, besonders in Fasern, dient zur Klärung folgender Punkte: 1. Aus dem Studium des Mechanismus von Verformungsvorgängen lassen sich Erkenntnisse über den molekularen Aufbau erschließen, wobei als Voraussetzung eine quantitative Vermessung der Struktur in den verschiedensten Deformationsstufen erforderlich ist. 2. Aus der Untersuchung folgt eine Vertiefung der Zusammenhänge zwischen Orientierung und den Eigenschaften einer Faser, so daß den Orientierungsbestimmungen eine große technische Bedeutung zukommt. 3. I n vielen Beziehungen stellen die natürlichen Fasern für uns noch unerreichte Vorbilder dar, so daß auch eine Vermessung der gewachsenen Kristallitanordnungen für die Chemiefaser äußerst wertvoll ist. Die Herstellung von Texturen erfolgt durch einfache Deformationsprozesse, wie Dehnen, Pressen und Walzen. Als wichtigste Orientierungstypen kennen wir die vollständige Faserstruktur (äquatoriale Reflexe), die vollständige Spiralfaserstruktur, die vollständige Ringfaserstruktur, die partielle Faserstruktur und die eine höhere Orientierung beinhaltende Folienstruktur. Viele der natürlichen Hochpolymeren, z. B. Cellulosefasern, die Arthropodensehnen aus Chitin, die Sehnen aus Kollagen usw., besitzen eine ausgesprochene Faser struktur. Derartig orientierte Präparate können bei vielen anderen Hochpolymeren durch eine
45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
283
mechanische Behandlung hergestellt werden, z. B. durch Dehnen von mercerisierter Cellulose oder durch Dehnen kautschukähnlicher Hochpolymerer. Abb. 4.23 zeigt beispielsweise äquatoriale Reflexe, die bei gedehnten Polybutadienpräparaten, die bei tiefen Temperaturen polymerisiert wurden, auftreten [43]. 451 Einige Erläuterungen zum Begriff Netzebene Eine anschauliche Vorstellung für das Auftreten von Untergrundschwärzung, amorphen Ringen und scharfen Reflexen erhält man unter Verwendung des Begriffes Netzebene. Das Raumgitter eines Kristalls, dessen kleinste Einheit die Elementarzelle ist, besteht aus lauter Gitterpunkten, durch die Netzebenen gelegt werden können. Anders ausgedrückt, die Netzebene beschreibt die zweidimensional angeordnete Lage der Gitterpunkte im Raumgitter. Die eindimensionale Ordnung wird durch die Punktreihe charakterisiert. Sie wird als eindimensionales Grundgitter oder lineares Gitter bezeichnet und besteht aus einer geraden, äquidistanten Punktreihe. Nach Abb. 4.24 wird diese durch einen Vektor a bestimmt, der eine unendlichfache Wiederholung des Punktes P0 in einer ganz bestimmten Richtung in ganz bestimmten Abständen bewirkt. Der Betrag des Vektors a wird Identitätsperiode, Identitätsabstand oder Gitterkonstante genannt. a Abb. 4.24 Eindimensionales Gitter (Punktreihe). Zwei Translationen a und 6 erzeugen nach Abb. 4.25 aus P 0 eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit identischer Punkte, die als Punktnetz, Netzebene oder zweidimensionales Gitter bezeichnet wird. Schließlich, entsteht aus P0 nach Abb. 4.26 durch die Translationen a, b, c ein dreidimensionales Punkt-, Translations- oder Raumgitter mit der Elementarzelle als kleinster Einheit. Die hier skizzierten einfachsten Vorsttellungen sind der Ausgangspunkt der Kristallographie [44].
Abb. 4.25 Zweidimensionales Gitter (Translation der Vektoren a und b).
Abb. 4.26 Dreidimensionales Gitter (Translation der nichtebenen Vektoren a, b und c).
Die für die mathematische Beschreibung der Netzebenen oft verwendeten Millerschen Indizes h, k und l sind die auf die Achseneinheiten bezogenen reziproken Achsenabschnitte einer Netzebene, wenn die Translationen a, 6, c als Bezugsachsen gewählt werden. Dabei können die Indizes, mit dem kleinstmöglichen Faktor g durchmultipliziert, dadurch bruchfrei gemacht werden und auf kleine ganze Zahlen reduziert werden. Dies sei an einem Beispiel erläutert (Abb. 4.27). Die Achsenabschnitte sind: 1 a; x/2 b; 1/3 c bzw. 2 a ; 16, a / 3 c.
4 Die S t r u k t u r der makromolekularen Körper
284
[Lit. S. 332]
Die MiLLERsehen Indizes ergeben sich laut Definition zu h= —
Id
= 1;
— =2; /- n 7s&
i = 1— = 3 /-A C r.
1
bzw. A
a
k
b
c
l
~2iT
7
=
=
3/a;
=
2)
u n d die in Abb. 4.27 gezeichneten Netzebenen werden charakterisiert durch ( 1 2 3) bzw. (i/„ 1, »/,) = (1 2 3). Parallele Netzebenen sind kristallographisch gleichwertig und haben die gleichen MiLLEBSchen Indizes.
Abb. 4.27 Netzebenen (1 2 3) i m tetragonalen Gitter.
Die Achsenabschnittsgleichung einer Ebene i m xyz-System l a u t e t x
y
z
m
n
p
— + — + — = 1.
(45.1)
Dabei sind m, n u n d p die Abschnitte der E b e n e auf den Achsen x, y u n d z. Schneidet die Ebene die x-Achse, die der Richtung der Translation entspricht, im P u n k t e m = m'a, so ist mit a 1 6 J_ c a
1
b
1
c
m
m'
n
n'
P
Daraus folgt f ü r g = 1 x • h
yk
zl
1
(g = 1,2, . . . g a n z ) .
45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
285
Analog erhält man mit g = 1,2,3 und h, k, l (ganz!) aus obiger Achsenabschnittsgleichung unter Verwendung der MiLLERschen Indizes für alle parallelen Netzebenen
xh a
yk zl + -TT" b + -c = *
(45.2)
Stellt man sich beliebig angeordnete Netzebenen-Systeme in dem hochpolymeren Material vor, so liegen in den einzelnen Netzebenen gehäuft gewisse Streuzentren. Liegt der Fall vor, daß keines der vielen möglichen Systeme eine erhöhte Besetzungszahl aufweist (Abb. 4.10), sondern daß alle nach einer statistischen Verteilung besetzt sind, so zeichnet sich kein System gegenüber einem anderen aus, und bei Bestrahlung würde eine gleichmäßige Schwärzung des Films erfolgen. Ist aber eine gewisse Nahordnung um die Streuzentren vorhanden, so können Ebenen gefunden werden, die erhöhte Besetzungszahlen aufweisen. Damit werden die zu diesen Ebenen gehörigen Streurichtungen bevorzugt, und auf e-t dem Diagramm entsteht der bekannte verwaschene Ring. Der Durchmesser dieses Ringes hängt ab von dem durchschnittlichen Abstand d m der nächsten Nachbarn und der Entfernung Präparat — Film. dm ist also der mittlere Abstand z. B. benachbarter C-Atome, die entweder demselben Molekül angehören oder aus Nachbarketten stammen, wobei gewisse Schwankungen um dm zulässig sind (Abb. 4.28). Die maximale Abweichung von dm läßt sich in erster Näherung zu A dm = ±dm A& ctan & angeben, wobei & und A& aus der Röntgenaufnahme und dm aus der BBAGGschen Gleichung (44.1) zu entnehmen sind. Es Präparat finden sich auch Systeme von Netzebenen, die gegenüber dm abweichende Abstände aufweisen und trotzdem Netzebene eine höhere Besetzungszahl aufweisen. Mit dieser Vorstellung läßt sich eine anschauliche Erklärung der verPrimärstrahl hältnismäßig starken Untergrundschwärzung geben, wobei jedoch der Lufteinfluß nicht vergessen werden darf. Abb. 4.28 Beim Dehnen eines Musters treten vorwiegend AusBildung eines amorphen Ringes richtungen parallel zur Dehnungsachse auf, so daß Sydurch Interferenz der Streusteme von Netzebenen mit erhöhten Besetzungszahlen strahlung benachbarter Teilchen. gefunden werden, die gleichfalls parallel zur Dehnungsachse liegen. Diese reflektieren mit großer Intensität auf den Äquator. Dabei entspricht der Abstand der beiden Reflexe dem Durchmesser des zusätzlich auftretenden verwaschenen Ringes, d. h. der Netzebenen-Abstand der für die Reflexe verantwortlichen Ebenen ist gleich dem für die Bildung des verwaschenen Ringes maßgebenden Abstand dm . Abb. 4.23 zeigt als Beispiel die Aufnahme eines Butadien-StyrolMischpolymerisates [43]. Das Muster wurde bei — 50° um ca. 250% gedehnt und anschließend auf — 70° C gebracht. Die azimutale Verbreiterung dieser Reflexe ist ein Maß für die Neigung der Netzebenen zur Dehnungsachse.
452 Die Verbreiterung der Interferenzen Ein Merkmal eines polykristallinen Systems ist die Verbreiterung der Interferenzen, die auf die Kleinheit der einzelnen kristallinen Bereiche und auf Gitter störungen zurückzuführen ist. Es gibt zwei scharf auseinanderzuhaltende Ursachen für die radiale Breite der Reflexe:
286
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
1. Die Größe der kristallinen Bereiche ergibt durch Überlagerung mit der an sich konstanten Entfernung der Netzebenen im Kristall eine verwaschene Linie im Debye-Scherrer-Diagramm. Das wirkt sich so aus, daß der Streuung nicht nur ein bestimmter Streuwinkel entspricht, sondern ein gewisser Winkelbereich, der mit abnehmender Größe der Kristallite immer mehr zunimmt [45]. 2. Die gleichen Wirkungen rufen auch Gitterstörungen hervor. Solche Störungen, die für eine Linienverbreiterung mit verantwortlich sind, sind z. B. elastische Spannungen, die eine Verrückung der Atome aus ihrer Normallage bedingen. Dies geschieht vor allem dann, wenn diese Spannungen sich im Gitter verändern, so daß an verschiedenen Stellen des vom Röntgenstrahl erfaßten Volumens unterschiedliche Gitterkonstanten auftreten oder wenn die Bereiche von inhomogenen Gitterverzerrungen nicht mehr groß gegen die Wellenlänge sind. Der Temperatureinfluß ruft eine steigende Untergrundschwärzung hervor, beeinflußt aber die Schärfe der Reflexe nicht. Treten im Gitter Leerstellen auf, die die Struktur an und für sich nicht beeinflussen, so bleibt die Lage und Schärfe der Interferenzen unverändert. Nach der Theorie besteht die Möglichkeit, zwischen der Verbreiterung der Linien, die durch Abnahme der Kristallitgrößen und der Verbreiterung, die durch Gitterverzerrung verursacht werden, zu unterscheiden. Treten beide Verbreiterungseffekte gleichzeitig auf, dann können die Anteile bestimmt werden, wenn die Linienbreite an möglichst weit auseinanderliegenden Winkeln im Diagramm ermittelt wird. Diese Bestimmungsmethode ist bei Hochpolymeren sehr in Frage gestellt, da diese nur sehr wenig Reflexe geben, wobei vor allem solche mit großen Ablenkungswinkeln fehlen. In einigen Fällen wurde das trotzdem unter Vernachlässigung von Verzerrungsverbreiterungen versucht, z. B. im Falle nativer Cellulose [46]. 453 Kleinwinkelstreuung Bei der Untersuchung kristalliner niedermolekularer Substanzen — besonders bei Einkristallen — findet man einen scharfen, sehr stark geschwärzten Durchstoßungspunkt des Primärstrahles und nur eine geringe Schwärzung in unmittelbarer Nähe dieses OOO-Reflexes (Primär- oder Zentralreflex). Bei der Untersuchung hochmolekularer Substanzen beobachtet man jedoch in der Nähe des Zentralfleckes, und zwar von diesem ausgehend, eine allmähliche Abnahme der Schwärzung, die auf die Streuung der Röntgenstrahlen an den Begrenzungsflächen größerer Gebilde, z. B. einzelner Kristallite, zurückzuführen ist. Aus der Schwärzung in der Nähe des zentralen Fleckes lassen sich unter Zugrundelegung einer begründeten Theorie Aussagen über die Größe kristalliner Bereiche machen. Wie der Name sagt, ist die Kleinwinkelstreuung bei sehr kleinen Abbeugungswinkeln zu beobachten. Sie tritt als diffuse Interferenz an Systemen auf, deren Teilchen groß gegen die verwendete Wellenlänge sind und die in einem Medium mit anderem Streuvermögen eingebettet liegen. Schon frühzeitig ist bei der Beugung von Röntgenstrahlen an kolloidalen Systemen ein diffuser Interferenzeffekt bei kleinen Abbeugungswinkeln beobachtet worden [47, 48], Die wichtigsten theoretischen Ansätze zur quantitativen Auswertung stammen von GUINIEB [49],
Tafel 4
Abb. 4.29 Langperiodeninterferenz von Rilsan 1 ) mit starker kontinuierlicher Kleinwinkelstreuung (Langperiode 84 Ä) nach H E S S und K L E S S I G [36],
Abb. 4.30 Faserdiagramm von 8-Nylon (monoklin entartet) nach S C H M I D T und S T U A R T .
*) Rilsan, französischer Handelsname f ü r ein Polyamid.
45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
287
und H O S E M A N N [ 5 1 ] . Guinier vergleicht die Kleinwinkelstreuung mit der FRESNEL-Beugung von Licht an einem im Vergleich zur Wellenlänge großen Teilchen, das eine Trübung hervorruft. Er betrachtet das einzelne Kolloidteilchen als beugendes Objekt, wobei das ein Mizell, ein Makromolekül, ein kristalliner Bereich oder ein Pulverkorn sein kann, und berücksichtigt nicht die Anordnung der Teilchen. Die Streuung an gelösten Makromolekülen wurde bereits in Abschnitt 3 4 behandelt. K R A T K Y [ 5 0 ] führt das Zustandekommen des Effektes auf die Anordnung der Mizellen zurück. Das BKAGQsche Gesetz (Formel 44.1) gestattet näherungsweise eine Angabe über die Größe der kristallinen Bereiche. K R A T K Y weist darauf hin, daß die Betrachtungsweise von GUINEER nur auf sehr verdünnte Systeme angewendet werden darf, da in solchen Systemen der Beugungseffekt hauptsächlich von der Form der Teilchen abhängt und die wechselseitige Anordnung derselben noch keine Rolle spielt. In dicht gepackten kolloiden Systemen (Pulver und feste Gele) und in den kristallinen Systemen der Faserstoffe sind die Abstände zwischen den Teilchen kleiner als diese selbst oder von derselben Größenordnung wie die Teilchendimensionen. In diesem Fall ist der Beugungseffekt infolge interpartikulärer Interferenzen in erster Linie von der Anordnung der Teilchen abhängig. Der Einfluß der Form ist von sekundärer Bedeutung. Die Theorie von G U I N I E R ist auf dichte Systeme nicht anwendbar, wobei allerdings nach H O S E M A N N [ 5 1 , 5 2 ] die Vernachlässigung der interferenzmäßigen Wechselwirkung bis zu um so größerer Dichte des Systems möglich ist, je mehr die Einzelteilchen in ihrer Größe schwanken. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Zusammenfassung auch nur einen Überblick über die theoretischen Behandlungsmethoden der Kleinwinkelstreuung zu geben, da über die anzuwendenden mathematischen Hilfsmittel und vor allem über die Analysierbarkeit der Kleinwinkelstreuung keine einheitliche Meinung besteht. Ein Beispiel zur Kleinwinkelstreuung stellt Abb. 4.29 dar. Es wurde einer Arbeit von H E S S und K I E S S I G [ 3 6 ] entnommen und zeigt neben der Kleinwinkelstreuung Langperiodeninterferenzen an Rilsan. Zur Frage nach der Verwendbarkeit der Kleinwinkelstreuung ist folgendes zu sagen: In vielen Fällen, in denen das Weitwinkeldiagramm durch mangelhaften Gitterbau versagt, kann bezüglich der Orientierungsbestimmung die Auswertung des Kleinwinkeldiagramms eine Lösung bringen. Ferner gestattet es Aussagen über Details, die das Weitwinkelbild nicht zu geben vermag. Die Verbindung beider Methoden liefert wichtige Ergänzungen zur Ermittlung des übermolekularen Baus der Stoffe. Tritt im Weitwinkelbild z. B. ein Zusammenlaufen der Interferenzen ein, so kann die Kleinwinkelstreuung eine Klärung bringen. Die Auswertung der diskontinuierlichen Kleinwinkelstreuung ist relativ einfach, so lange kein diffuser Untergrund auftritt. In diesem Fall sind die in der Nähe des Zentralpunktes auftretenden diskreten Reflexe (Ringe, Sicheln usw.) eindeutig einem bestimmten Abstand der streuenden Flächen zuzuordnen. Es sind Kristallitgrößenbestimmungen aus der Schärfe der Reflexe nur in einfachen Fällen möglich. KRATKY [50]
288
i
Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
454 Meridianreflexe und Schichtlinienstreifen HOSEMANN [51, 52] entwickelte in den letzten Jahren eine dreidimensionale Beugungstheorie, in der er die auffallende Abnahme der Schärfe von Reflexen höherer Ordnung bei Hochpolymeren mit der Reflexarmut der Diagramme und dem diffusen Streuuntergrund in Zusammenhang bringt. Gegenüber anderen Versuchen, z. B. von EWALD [53], die einzelne Erscheinungen auf den Röntgenbildern zu deuten versuchen, liefert die von HOSEMANN entwickelte Theorie an statistisch ungeordneten Gittern eine einheitliche Erklärung aller Erscheinungen. Wenn in hochpolymeren Faserstoffen bei DEBYE-ScHERRER-Aufnahmen Meridianreflexe (Abb. 4.30) auftreten, so sind diese insofern von Bedeutung, weil aus ihnen auf die Längen der Grundeinheit ihrer Moleküle geschlossen werden kann, jedoch nicht auf die Länge der Makromoleküle. 1 ) Überlagert sich der Nebeneinanderanordnung der Ketten eine Störung, so treten bei Schichtlinienaufnahmen Schichtlinienstreifen auf. Das sind Gebiete kontinuierlicher Schwärzung längs der Schichtlinie. Erstmalig wurde dieser Effekt von BERNAL und CBOWFOOT [54] beobachtet. Sie versuchten diese Erscheinung damit zu erklären, daß die Moleküle bezüglich ihrer Längsachse beweglich sind und die Elementarzellen dadurch eine veränderliche Form besitzen, die die Ursache für das Ausziehen der Schichtlinienreflexe zu Strichen sind (s. Abschn. 456). Auch die von HESS und KIESSIG [36] beobachteten Langperiodeninterferenzen bei synthetischen Polyamiden und Polyestern werden zur Strukturaufklärung herangezogen. Sie ordnen diese Interferenzen dem Schwerpunktsabstand zweier in der Faserrichtung hintereinanderliegenden kristallinen Gebieten zu. Sie erhielten bezüglich der Größe und Lagerung dieser Bereiche eine überraschende Gleichmäßigkeit, wobei dies aber nur für die axiale Ordnung gilt, sofern solche Interferenzen nur auf dem Meridian auftreten. Die Tatsache, daß die Langperiodeninterferenzen in einer Länge quer über den Meridian verlaufen, die größer ist, als es der Blendenabmessung entspricht, deuteten HESS und KIESSIG als Schichtlinienverbreiterung. Sie konnten nachweisen, daß die Striche nicht dem DEBYE-Kreis folgen, was der Fall wäre, wenn es sich um Orientierungseffekte handelte, sondern daß die Striche genau auf der Schichtlinie verbleiben. Darüber stellte SCHIEBOLD [55] bereits vor längerer Zeit einige theoretische Betrachtungen an. Die Langperiodenreflexe sind durch Hitze, Quellung und Dehnung beeinfluß-
bar. Derartige Untersuchungen wurden z. B. von ZAHN und WINTER [20] a n
Polyurethanfäden ausgeführt. Sie stellten fest, daß, im Gegensatz zu den Reflexen des normalen Röntgenogramms, die Langperiodenreflexe der in Luft bzw. Wasser erhitzten Präparate in ihrer Lage stark verändert werden. Auch beim Dehnen erfolgt eine Aufweitung der Langperioden. 455 Experimentelle Untersuchungsmethoden Für die röntgenographische Untersuchung von Hochpolymeren finden die gleichen Beobachtungsmethoden Anwendung, die zur Untersuchung von Kristallen benutzt werden. Das älteste Verfahren stammt von LAUE und liefert Durchstrahl1
) Meridianreflexe entstehen durch Beugung an Netzebenen senkrecht zur Faserrichtung.
Tafel 5
A b b . 4.31 a Röntgenkamera für DEBYE-SCHERRER-Aufnahmen.
A b b . 4.31 b DEBYE-ScHERRER-Kamera in zerlegtem Zustand.
Tafel 6
Abb. 4.32 DEBYE-ScHEKRER-Aufnahme von Polyäthylen (ungestreckt).
Abb. 4.33 DEBYE-ScHERREB-Aufnahmen von orientiertem Polyäthylen (Faserdiagramm).
45 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
289
aufnahmen. Man erzeugt ein kontinuierliches Spektrum, und die Vielzahl der Wellenlängen bewirkt, daß für jede Einfallsrichtung in der Probe bestimmte Netzebenen die BRAGGsche Gleichung erfüllen und auf der fotografischen Platte Interferenzstreifen entstehen. Der Vorteil des Verfahrens liegt in seiner experimentellen Einfachheit. Eine weitere Möglichkeit, die abgebeugten Strahlen zu erfassen, entsteht durch die Verwendung eines Zählrohrs, das die gestreute Röntgenintensität in einen Ionisationsstrom umwandelt. Bei der Untersuchung von polykristallinem Material kann nach der DEBYEScHERBER-Methode verfahren werden, die sich dadurch auszeichnet, daß monochromatische Strahlung verwendet und an solchen Netzebenen reflektiert wird, die dem BRAGGschen Gesetz genügen (Formel 44.1). Dieser Effekt wird durch eine Drehung des Präparates verstärkt, wobei im Pulver vorhandene größere Kristallite nun nicht mehr deutlich hervortreten und nicht zu Meßfehlern bei der Ermittlung der Schwärzung der Ringe Veranlassung geben können. Da die BRAGGsche Bedingung für alle Netzebenen, die zum Primärstrahl die gleiche Neigung haben, erfüllt ist, bildet die Gesamtheit der reflektierten Strahlen einen Kegel. Auf einem senkrecht zum Primärstrahl aufgestellten Film erscheinen Interferenzkreise, die den DEBYE-ScHERRER-Kreisen von Kristallpulver entsprechen. Ein polykristalliner Körper mit Faserstruktur, dessen Faserachse senkrecht zum Strahl liegt, zeigt im Interferenzbild zwei symmetrisch zur horizontalen Mittellinie, also auf dem Äquator liegende Sicheln (Abb. 4.23 und 4.33). Auch bei dem DEBYE-SCHEERERVerfahren erfolgt der Nachweis der Streustrahlen durch einen Film oder mittels Zählrohr. Für den Nachweis der reflektierten Strahlung durch den Film werden Röntgenkameras benutzt, während das Zählrohr der Bestandteil eines Röntgengoniometers ist. Die einfachste und bestens erprobte Röntgenkamera ist die DEBYE-SCHERRERKamera, die normalerweise bei Zimmertemperatur und Atmosphärendruck verwendet wird. Abb. 4.31a zeigt dieselbe in aufnahmebereitem und Abb. 4.31b in zerlegtem Zustand. Der Motor zum Drehen des Präparates greift in ein Zahnrad ein, das sich außen am Deckel der Kamera befindet und mit dem Präparathalter verbunden ist. Mit der DEBYE-ScHERRER-Kamera hergestellte Aufnahmen zeigen Abb. 4.32 und 4.33. Dabei wurde Abb. 4.33 durch Strecken von Polyäthylen gewonnen. Man sieht charakteristische äquatoriale Reflexe. Es entsteht ein Faserdiagramm. Treten Interferenzen nur bei sehr großen Winkeln auf oder sind aus bestimmten Gründen nur diese Interferenzen interessant, so kann eine sogenannte Bückstrahlkamera benutzt werden. Das Prinzip ist das gleiche wie oben geschildert. Es befindet sich jedoch der Film auf der Hälfte der Kamerawand, durch die der Primärstrahl in das Innere eintritt. In Abb. 4.341) ist eine Rückstrahlkamera schematisch gezeichnet, die von POPPEI [56] für einen größeren Temperaturbereich entwickelt wurde. Das Präparat befindet sich innen am Mantel der Kamera und hat eine Ausdehnung von mehreren Quadratzentimetern. Wie Abb. 4.34 zeigt, tritt an den Netzebenen des polykristallinen Materials Reflexion ein, und zwar an Netzebenen, welche die BRAGGsche Bedingung erfüllen. Die reflektierenDie Summe von Eintritts- und Austrittswinkel gibt sowohl für die Netzebene AB als auch für die Netzebene A'B' den gleichen Peripheriewinkel a. Auf Grund des Peripheriewinkelsatzes in bezug auf die Sehne RS ergibt sich die Fokussierungsbedingung. 19 Physik der Kunststoffe
290
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
Abb. 4.34 Prinzip der Rückstrahlkamera. (S = Eintrittsblende des Primärstrahls; R —- Reflex; AB bzw. A'B' = Netzebenen, die diesen Reflex erzeugen.)
[Lit. S. 332]
den Ebenen liegen auf der Peripherie, und man erkennt an Abb. 4.34 1 ), daß wegen der Gleichheit von Eintrittsund Austrittswinkel eine Fokussierung eintreten muß. Um eine Verstärkung der Untergrundschwärzung durch die Streustrahlung der Luft zu verhindern, ist die Evakuierung der D E B Y E - bzw. Rückstrahlkamera zweckmäßig. Eine bis zu tiefen Temperaturen brauchbare Kamera, die eine erhebliche Dehnung des Präparates erlaubt, wurde von D I E T Z E entwickelt [57], Ein Kupferstab taucht in ein Kühlmittel, das die Abkühlung des Präparates bewirkt, ein. Durch Veränderung der Eintauchtiefe kann eine behebige Temperatur bis nahe — 100° an der Präparathalterung eingeregelt und auf etwa 3° konstant gehalten werden, wobei die Evakuierung auch den Eisansatz verhindert. In Abb. 4.35 ist das Schema dieser Kamera gezeichnet, wobei eine Zahnstange zur meßbaren Dehnung des Präparates dient. Die Kamera ist lichtdicht, um eine Abdeckung des Filmes mit schwarzem Papier und damit eine zusätzliche Schwächung der Streustrahlen zu vermeiden. Das Eintrittsfenster für den Primärstrahl besteht aus 15 fi dicker AI-Folie. Gegenüber dieser Stelle befindet sich ein Schliff mit einem CdSKristall bzw. mit einem Spalt (Abbildung 4.35). Dieser Spalt wird zum Zentrieren des Präparates in der Kamera benutzt. Die Justierung der gesamten Abb. 4.35 Schema einer Tieftemperaturröntgenkamera. I — Durchführung des Kupferstabes; 2 — Bodenplatte; 3 — untere, 4 — obere Präparathalterung; 5 — Blende; 6 - Schliff mit CdS-Kristall; 7 - Thermoelement; 8 — Präparatjustierung; 9 — Film; 10 — Präparat; II — Kupferstangen zur Temperaturleitung; 12 — Plexiglashalterung; 13 — Zahnstange zum Dehnen des Präparates; 14 — Schliff.
*) Siehe Anmerkung vorige Seite.
291
4-5 Methoden der Strukturbestimmung mit Röntgenstrahlen
Kamera auf maximale Röntgenintensität erfolgt mit Hilfe des CdS-Kristalls. Eine mit dieser Kamera bei —70° hergestellte Aufnahme zeigt Abb. 4.23. Manchmal sind Röntgenuntersuchungen mit dem Zählrohrgoniometer der Auswertung von Filmaufnahmen vorzuziehen. Im Vergleich zu Filmaufnahmen erhält man kürzere AufnahmeZeiten, und außerdem ist normalerweise die Genauigkeit der Winkelbestimmung größer. Ein weiterer Vorteil des Goniometers ZäMrohr gegenüber dem Film ist die wesentlich größere Strahlungsempfindlichkeit des Zählrohrs. Abb. 4.36 Dadurch kann der Abstand Zählrohrgoniometer nach dem Prinzip zwischen Präparat und Zählrohr der Rückstrahlkamera. vergrößert werden, was einer Vergrößerung des Winkelauflösungsvermögens gleichkommt. Zusätzlich erfolgt infolge des größeren Luftweges der Röntgenstrahlung eine gewisse Schwächung der Untergrundschwärzung. Dieser Umstand erlaubt die Bestimmung von Reflexen, die auf einer Filmaufnahme so schwach sind, daß ihre Vermessung nur innerhalb großer Fehlergrenzen möglich ist. Notwendig ist eine äußerst konstante Intensität des Primärstrahls, die eine besondere Stabilisierung der Netzspannung erforderlich macht. Abb. 4.36 zeigt schematisch ein Zählrohrgoniometer z . B . nach B E H R E N S [58]. Der Primärstrahl passiert, von links kommend, mehrere Blenden und trifft anschließend das Prä—1—;
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1, kann man diese Korrektur durch eine fiktive niedrigere Temperatur Ina 2 Ttd T*= T —•— berücksichtigen. Die den Platzwechseln unterworfenen gekoppelten A Teilchen verhalten sich so, als ob sie eine niedrigere Temperatur T* besäßen. Nur ein Teil der Energie der Wärmewellen steht für Platzwechsel zur Verfügung. Je tiefer die Temperatur ist, desto länger wird die mittlere Wellenlänge X der Wärmewellen, und desto größer ist die Tendenz des Einfrierens in unwahrscheinlichen Lagen. (Beginn der Bildung der Nullpunktsentropie.) Durch diese statistischen Betrachtungen errechnet sich die Temperaturabhängigkeit des thermodynamischen Gleichgewichtes. Diese Überlegungen sind grundlegend für alle Fließvorgänge (Abschn. 53), für die Diffusion und die Geschwindigkeit des Kristallwachstums. Die Abweichungen von der BoLTZMANNschen Energieverteilung gelten bei beliebig langer Wartezeit. Während die dynamische Theorie behauptet [25], daß die Relaxationszeiten für das Einfrieren so groß geworden sind, daß der thermodynamische Gleichgewichtszustand unterhalb der Einfriertemperatur in meßbaren Zeiten nicht erreicht wird und z. T. sehr große Relaxationszeiten bestehen, in deren Verlauf sich die Verteilung auf die möglichen Lagen bis auf den e-ten Teil an den Endzustand nähert, zeigt die Statistik der Wärmewellen, daß unterhalb der Temperatur, in der die Wellenlänge der Wärmewellen mit den atomaren Abständen vergleichbar oder größer wird, sich die Körper bei allen durch Platzwechsel verursachten Erscheinungen so verhalten, als ob sie eine tiefere Temperatur besäßen. Daneben spielen natürlich auch dynamische, durch die endliche Länge der Meßzeit bedingte Nichtgleichgewichtszustände eine maßgebende Rolle. Der Beginn der Platzwechseltätigkeit erfolgt im gleichen Temperaturgebiet wie die Anregung der mikrobrownschen Bewegung. Es entstehen freie Plätze für Moleküle oder Molekülteile, die sich als vergrößerter Ausdehnungskoeffizient im Experiment kundtun.
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
318
[Lit. S. 332]
Die Platzwechseltheorie arbeitet zunächst mit mittleren Abständen der beweglichen Teilchen, mit mittleren Energieschwellen und mit Wärmestößen von lO 1 1 -' 10 14 /s. Der Ausbau der Theorie erfordert die Einführung diskreter Werte und die Kenntnis der Verteilungsfunktion f ü r diese Größen.
48 P e r m e a t i o n , Diffusion in festen Polymeren 1 ) 2 ) Bezeichnungen: a c
i> c n
c
i> c ii
D D d A F* I k lt k2
= mittlere Sprungweite eines diffundierenden Moleküls = Konzentration in der MembranOberfläche (linke und rechte Seite) = Volumenkonzentration im Gasräum (linke und rechte Seite) = Diffusionskoeffizient = mittlerer Diffusionskoeffizient = Foliendicke = freie Aktivierungsenergie = Diffusionsstrom = Löslichkeit ( H E N B Y s c h e Konstanten), bezogen auf c und p
m = Masse P, P' = Permeationskoeffizient pi, Pn = Druck im Gasraum links und rechts der Folie R = Gaskonstante AS* = Aktivierungsentropie T = absolute Temperatur ' = Zeit A u = Aktivierungsenergie ß = chemisches Potential v o = Schwingungsfrequenz des Moleküls ^ einer Potentialmulde,
481 Der Permeationskoeffizient Als Permeation bezeichnet man die Wanderung niedermolekularer Substanzen (Permanentgase, Lösungsmittel) durch feste Hochpolymere. Während man früher annahm, daß diese Wanderung auch bei makroskopisch porenfreien Stoffen durch submikroskopische Poren erfolgt, weiß man heute, daß deren Existenz dazu nicht nötig ist. Vielmehr erfolgt die Wanderung durch Platzwechselvorgänge zwischen den Molekülen des permeierenden Stoffes und den Segmenten des Polymermoleküls, also durch echte Diffusion ähnlich der Diffusion z. B. zweier Metalle ineinander. Da die Durchlässigkeit von Kunststoffolien f ü r Verpackungsoder Ummantelungszwecke von großer praktischer Bedeutung ist, haben Untersuchungen über Permeation und Diffusion nicht nur theoretisches Interesse. Wir betrachten eine Folie der Dicke d. Das permeierende Gas habe auf der einen Seite den Druck p{, auf der anderen den Druck p'sj-3) Zu Anfang des Versuches k a n n pii gleich Null sein, bei den späteren Betrachtungen wird vorausgesetzt, daß er auf einem konstanten Wert gehalten wird. Dann vollzieht sich der Permeationsvorgang folgendermaßen (Abb. 4.44): Die Gasmoleküle treffen auf die Folie auf und werden dort adsorbiert. Es bildet sich in der Membranoberfläche eine Konzentration C\ aus. Diese hängt von pi bzw. von der Volumenx
) V o n G . LANGHAMMEB.
2
) S. a. den zusammenfassenden Bericht in [87]. ) Die Größen, die sich auf die Gasphase beziehen, sollen m i t ' bezeichnet werden, solche, die sich auf die Folie oder Membran beziehen, bleiben unbezeichnet. s
319
48 Permeation, Diffusion in festen Polymeren
konzentration c{ im Gasraum ab. .Im einfachsten Fall, z. B. bei den Permanentgasen, ist sie dem (Partial)-Druck direkt proportional (ÜENBYsches Gesetz): ci =
fc2-pi;
c1 = k1-c{.
Die Größen kt bzw. k2 sind die Absorptionskoeffizienten
(48.1) (Löslichkeiten).
Sorptionsisothermen [77]. Kurve a — Benzol in Kautschuk (schematisch); Kurve b — Wasser in Celluloseacetat (schematisch).
Abb. UM Konzentrationsverlauf in einer Folie bei Permeation im stationären Zustand. Ausgezogen (ä): Konstanter Diffusionskoeffizient; gestrichelt (6): Diffusionskoeffizient mit Maximum bei mittlerer Konzentration.
Bei Dämpfen, die als Quellungs- oder Lösungsmittel für das Folienmaterial wirken, ist der Zusammenhang meist komplizierter. Wir schreiben ci = fi(Pi)
Cl
As(ci)
(48.2)
und bezeichnen diese Funktion als Sorptionsisotherme. Zwei Beispiele für die Gestalt von Sorptionsisothermen sind in Abb. 4.45 wiedergegeben. In diesen Fällen nimmt die aufgenommene Menge niedermolekularer Substanz, vor allem bei höherem Druck, stärker als dieser zu. Wir können auch von einer Löslichkeit des permeierenden Materials in der Folie sprechen. Die in das Folienmaterial aufgenommenen Moleküle des permeierenden Stoffes wandern nun, über Platzwechselvorgänge, durch die Folie und werden auf der anderen Seite desorbiert. Für die Desorption gelten die gleichen Gesetze wie für die Adsorption (Besonderheiten s. Abschn. 485). Unter der Voraussetzung, daß durch Rühren für eine gleichmäßige Konzentration im Gasraum gesorgt ist und daß die Drücke p{ und pii auch zeitlich konstant gehalten werden, wird die Permeationsgeschwindigkeit allein bestimmt durch die Geschwindigkeit der Adsorption und der Desorption sowie der Diffusion
320
4
Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
im Inneren. Im allgemeinen ist es nun so, daß die Ad- und Desorptionsgeschwindigkeiten groß sind gegen die Diffusionsgeschwindigkeiten, d. h. die Folienoberflächen sind während des ganzen Permeationsvorganges im Gleichgewicht mit ihrer Umgebung. Die Diffusionsgeschwindigkeit im Inneren wird bestimmt durch das Konzentrationsgefälle und durch den Diffusionskoeffizienten nach dem FiCKschen Gesetz (Abschn. 332). Im vorliegenden Fall kann der Diffusionskoeffizient erheblich konzentrationsabhängig sein (Abschn. 482). Das mittlere Konzentrationsgefälle in der Folie wird bestimmt durch die Konzentrationen in den Grenzflächen der Folie. Unter den genannten Voraussetzungen wird nach Ablauf einer Induktionsperiode schließlich ein stationärer Zustand konstanter Permeationsgeschwindigkeit erreicht. In diesem müssen die Stärke des Permeationsstromes und damit gleichbedeutend des Diffusionsstromes in allen Schichten der Folie sowie Sorptions- und Desorptionsgeschwindigkeit gleich sein. Es gilt also (vgl. Gl. 33.1) I., = const = D • — . dx
(48.3)
Bestimmen wir I a t als Menge des je Sekunde und Quadratzentimeter durch die Folie im stationären Zustand hindurchtretenden Stoffes experimentell, so haben wir damit den mittleren Diffusionskoeffizienten D im Folienmaterial, der definiert sei nach (48.4) Können wir in der Folie Schicht für Schicht Bcjdx sowie c messen, was natürlich nur bei dickeren pfropfenähnlichen Gebilden experimentell möglich ist, so können wir D als Funktion der Konzentration nach Gl. (3) berechnen. Da es im allgemeinen viel leichter ist, die Volumenkonzentration bzw. den Druck im angrenzenden Gasraum zu messen, statt der Konzentration in der Grenzfläche der Folie, so führt man erstere gemäß Gl. (1) und (2) ein und erhält - _ fct(c; - cii) . bzw. I = D • h(Pi — Pii) d
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Abb. 4.51 Permeabilitäten (a), DifiFusionskoeffizienten (6) und Löslichkeiten (c) von n-Paraffinen in Kautschuk mit verschiedenem Schwefelgehalt in Abhängigkeit von der Molekülgröße (Zahl der Kohlenstoffatome in der Kette) [78]. Die Löslichkeiten (Abb. e) sind angegeben in Normkubikzentimetern je cm 3 Kautschuk bei 1 Atm. Die oberste Kurve (a) entspricht 40°, die mittlere (6) 60°, die untere (c) 80° C. Der Kautschuk enthält 1 , 7 % S.
328
U Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
geringen Einfluß auf die Diffusionsgeschwindigkeit hat, solange die Größe des Moleküls unter einem bestimmten Betrag bleibt (Tab. 4.8), während bei harten Materialien (z. B. Hartgummi) sehr wohl ein solcher Einfluß festzustellen ist (Molekülsiebwirkung). Bei größeren Molekülen (z.B. Kohlenwasserstoffen: Abb. 4.51) zeigt sich ein deutlicher Einfluß der Molekülgröße auf den Diffusionskoeffizienten (Abb. 4.51b), der mit dem Vernetzungsgrad — in diesem Fall durch den Schwefelgehalt gekennzeichnet — abnimmt. Die Permeabilität wird wesentlich von der Löslichkeit mitbestimmt (Abb. 4.51a und c). Die Löslichkeit hängt kaum vom Vernetzungsgrad ab. Demgemäß wird die PO.O Permeabilität im ganzen mit steigendem Vernetzungsgrad herabgesetzt (Abb. 4.52). Die Abnahme des Diffusionskoeffizienten mit wachsendem Vernetzungsgrad ist auf die erhöhte Aktivierungsenergie und vor allem auf die verminderte Aktivierungsentropie zurückzuführen. Natürlich setzen auch kristalline Bereiche im Material ebenso wie massive Füllstoffe die Diffusionsgeschwindigkeit herab, da sie umwandert werden müssen. Ferner ist klar, daß die Diffusion in einem Polymeren oberhalb des Erweichungspunktes oder im weichgemachten Zustand schneller verläuft als im Glaszustand. Das kinetische Bild läßt auch das Maximum des Diffusionskoeffizienten bei mittleren Konzentrationen verstehen. Sind nur wenig diffundierende Moleküle vorhanden, so werden sie bevorzugt die tiefsten Potentialmulden besetzen, und Abb. 4.52 die Sprungwahrscheinlichkeit ist gering wegen Permeabilitätskonstante des Kauder hohen Aktivierungsenergie. Bei hohen Kontschuks für verschiedene Gase und zentrationen werden auch flachere Mulden beDämpfe in Abhängigkeit vom Versetzt. Die Sprungwahrscheinlichkeit ist aber netzungsgrad — gekennzeichnet trotz der niedrigen Aktivierungsenergie nicht durch den Schwefelgehalt. größer, weil jetzt ein großer Teil der Nachbar1 — B u t a n ; 2 — Propan; 3 — Äthylen; mulden bereits von anderen Molekülen der diffun4 — Methan; 5 — Stickstoff. dierenden Substanz besetzt ist. Es war oben darauf hingewiesen worden, daß der Diffusionskoeffizient auch explizit von der Zeit abhängen kann. Das ist qualitativ folgendermaßen zu erklären: Wenn die diffundierende Substanz in das Polymere eintritt, so werden zwischenmolekulare Bindungen gesprengt, das Polymere wird aufgelockert (Quellung). Dadurch werden die Ketten etwas gedehnt, sie streben danach, in ihre normale statistisch wahrscheinlichste Gestalt zurückzukehren. Dies führt dazu, daß die restlichen festeren Bindungen einer stärkeren Belastung ausgesetzt werden. Diese lokalen Spannungen lassen aber mit der Zeit nach, und diese Bindungen werden gelöst. Dies ist der Prozeß der Relaxation (Abschn. 46, 52, 53). Ist die Relaxationszeit vergleichbar mit der Zeit der Diffusionsmessung, so wird sich der genannte Einfluß bemerkbar machen. Ist die Relaxationszeit wesentlich größer (niedrige Temperatur), so wird ein kleiner Wert des Diffusionskoeffizienten auftreten. Ist die Relaxationszeit klein (hohe Temperatur), so wandert die Relaxationszone in gleicher Front wie die Diffusionszone, und man mißt einen höheren Wert für den Diffusionskoeffizienten, der dem höchsten Wert im stationären Zustand naheliegt. Es wird z. B. durch Verstrecken der Anteil an festeren zwischenmolekularen
48 Permeation, Diffusion in festen Polymeren
329
Bindungen in einem Polymermaterial erhöht, beim Eindringen von Lösungsmittel relaxiert diese Spannung, und der Diffusionskoeffizient kann dann in dem eben geschilderten Sinne zeitabhängig werden. Er hängt natürlich dann auch von der Vorgeschichte des Materials ab. Man strebt deshalb bei den Messungen von D immer einen stationären Zustand an, wird also die Meßzeit so wählen, daß sie groß gegenüber der Relaxationszeit ist, wenn nicht gerade die Untersuchung der Relaxation interessiert.
485 Anomale Diffusion (Diffusion im Eintrierbereich) M a n k a n n die Diffusion in einem P o l y m e r e n a u c h messen, i n d e m m a n die Folie in einen R a u m bringt, der beiderseits der Folie einen k o n s t a n t e n D a m p f d r u c k des zu u n t e r s u c h e n d e n Lösungsmittels aufweist. M a n v e r f o l g t die Gewichtsänderung der Folie m i t der Zeit. Z u r Zeit t b e t r a g e sie mt, zur Zeit t = oo sei sie m ^ . D a n n gilt to,
4
11D • t l48 21)
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D i e v o n d e r Folie a u f g e n o m m e n e Menge w ä c h s t also linear m i t der W u r z e l a u s der Zeit. Dies gilt a u c h bei konzentrationsabhängigem Diffusionskoeffizienten, solange sich die Konzentration in der Mitte der Folie nicht ändert [83].
ÜL.
400 min 625 Abb. 4.53 Zeitlicher Verlauf der Sorption (Kurve a und b) und Desorption (Kurve c) bei anomaler Diffusion (Toluol in Polystyrol). Bei sehr schnell verlaufender Sorption (hoher Dampfdruck p) kann es vorkommen, daß im Anschluß an die Sorption wieder Lösungsmittel abgegeben wird: Kurve 6 [83],
330
4 Die Struktur der makromolekularen Körper
[Lit. S. 332]
Vielfach wird dieses Gesetz aber nicht verfolgt. Dann spricht man von anomaler Diffusion. Diese gibt sich vor allem dadurch zu erkennen, daß Sorption (Quellung) und Desorption (Entquellung) in ihrem zeitlichen Verlauf nicht übereinstimmen (Abb. 4.53) [83]. Die Abweichung der beiden Kurven kann folgendermaßen erklärt werden. Normale Diffusion findet statt, wenn sich das System im Glaszustand (weit unterhalb der Einfriertemperatur) oder im Zustand der Schmelze (weit oberhalb der Einfriertemperatur) befindet. Zwischen beiden liegt die Einfriertemperatur bzw. der Einfrierbereich. Die Einfriertemperatur hängt wiederum von der Konzentration an Lösungsmitteln bzw. Weichmachern ab. Es gibt dementsprechend bei konstanter Temperatur eine sog. Einfrierkonzentration. Der
X Abb. UM Diffusionskoeffizient als Funktion des Abstandes von der Oberfläche bei anomaler Diffusion. Kurve a — Sorption, Kurve 6 — Desorption (schematisch).
Einfriertemperaturbereich ist für ein weichgemachtes breiter als für ein reines Polymeres, anomale Diffusion kann demnach in einem relativ großen Temperaturbereich stattfinden. Aus Abb. 4.48 sehen wir, daß die Konzentrationsabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten bei kleinen Konzentrationen und damit auch bei solchen unterhalb der Einfrierkonzentration sehr gering ist. Bei höheren Konzentrationen (oberhalb der Einfrierkonzentration) ist der Diffusionskoeffizient stark konzentrationsabhängig. Nimmt also die Folie Lösungsmittel oder Weichmacher in einer solchen Menge auf, daß die Einfrierkonzentration durchschritten wird, so wird der Verlauf des Diffusionskoeffizienten mit dem Abstand von der Oberfläche die Form der Kurve a in Abb. 4.54 haben. Dagegen wird bei Desorption der Diffusionskoeffizient der Kurve b entsprechen. Die Sorption erfolgt demnach zunächst langsam (kleiner Diffusionskoeffizient auch in der Randschicht) und nimmt dann zu, da am Rande eine „Schmelzzone" mit hohem Absolutwert und großer Konzentrationsabhängigkeit von D entsteht. Umgekehrt verläuft die Desorption zunächst rasch (großer Diffusionskoeffizient in der ganzen Folie) und sinkt dann ab, da eine Randzone mit Konzentrationen unterhalb der Einfrierkonzentration mit kleinem Absolutwert und geringer Konzentrationsabhängigkeit von D entsteht. Diese Vorstellung erklärt zwar die unterschiedliche Ge-
48 Permeation, Diffusion in festen Polymeren
331
schwindigkeit von Sorption und Desorption, jedoch nicht die S-förmige Gestalt der Quellungskurven (Abb. 4.53, Kurve a und b). Für diese sind Relaxationsvorgänge in der Einfrierzone verantwortlich zu machen, die zu einem formal zeitabhängigen Diffusionskoeffizienten (Abschn. 484) führen. 486 Weichmacherwanderung Für die technische Anwendung der Hochpolymeren ist es in vielen Fällen notwendig, einen Weichmacher zuzusetzen (Abschn. 44). Steht das Polymere längere Zeit mit der Luft in Berührung, so verliert es einen Teil des Weichmachers. Das gleiche kann eintreten, wenn es Kontakt mit einem anderen Polymeren hat. In beiden Fällen können Änderungen der technischen Eigenschaften (z. B. Versprödung) die Folge sein. Diese Wanderung des Weichmachers ist im wesentlichen ein Diffusionsvorgang und gehorcht den Gesetzen, wie sie in den vorangehenden Abschnitten umrissen wurden. Die Geschwindigkeit, mit der ein Weichmacher abgegeben wird, hängt von Konzentration, Dampfdruck und DifFusionsgeschwindigkeit ab. Je nach den Verhältnissen kann das eine oder das andere geschwindigkeitsbestimmend sein. Der Weichmacher diffundiert aus dem Inneren an die Oberfläche des Werkstückes und verdampft dort. Bei hochsiedenden Weichmachern wächst der Dampfdruck etwa proportional der Konzentration, der Diffusionskoeffizient hingegen nimmt exponentiell mit der Konzentration zu. Bei hohen Konzentrationen kann somit die Nachlieferung aus dem Inneren schneller erfolgen als die Verdampfung, die Geschwindigkeit der Weichmacherabgabe ist verdampfungsbestimmt. Es kann sich ein Film von flüssigem Weichmacher an der Oberfläche bilden. Bei niedrigen Konzentrationen erfolgt die Nachlieferung aus dem Phaseninneren langsam, die Geschwindigkeit der Weichmacherabgabe ist diffusionsbestimmt. Bei niedrigsiedenden Weichmachern gehen beide Faktoren etwa parallel, doch kann in diesem Fall der Diffusionskoeffizient mit wachsender Temperatur stärker zunehmen als die Verdampfungsgeschwindigkeit, so daß wiederum die letztere die Geschwindigkeit der Weichmacherabgabe reguliert. Die absolute Menge des abgegebenen Weichmachers nimmt natürlich um so mehr zu, je größer die Flüchtigkeit ist. Ferner spielen noch einige andere Faktoren, z. B. die sog. Verträglichkeit der Weichmacher, eine Rolle. Über die experimentelle Prüfmethode und die, besonders bei der Weichmacherwanderung aus Polymeren in andere Polymere, noch recht unübersichtlichen Verhältnisse kann hier nicht näher gesprochen werden (vgl. z. B. [84, 85, 86]).
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5 DAS M E C H A N I S C H E V E R H A L T E N DER KUNSTSTOFFE Von W.
HOLZMÜLLEB1)
51 Grundbegriffe des elastischen u n d viskosen Verhaltens makromolekularer Stoffe Bezeichnungen:
Spannung 2 ), dabei o„ Normalspannung, at (von Abschnitt 5.14 an a) Tangentialspannung 3: f , t], £ Vektor, der einer Deformation S — So> V — f — Co unterworfen wird e Dehnung 2 ) y Scherung 2 ) E Elastizitätsmodul (YouNG-Modul), E0 zeit- und temperaturunabhängiger ¿/-Modul (momentane, d. i. stahldrahtelastische Verformung), E1 zeit- und temperaturabhängiger .E-Modul, (insbesondere entropieelastische Verformung) x Kompressibilität G Schermodul rj Viskositätskonstante fi Poissonsche Zahl a
r F U 8 R Mff g NL k Z
r
Relaxationszeit freie Energie innere Energie Entropie Gaskonstante Molekulargewicht, bezogen auf ein Segment zwischen zwei Vernetzungspunkten Dichte LoscHMiDTSche Zahl BoLTZMAHN-Konstante Zahl der beweglichen Elemente der Länge a innerhalb eines Molekülstückes zwischen zwei Vernetzungsstellen Radiusvektor zwischen Anfang und Ende eines Molekülstückes.
511 Die Elastizitätstheorie isotroper Körper 3 ) Werden Festkörper plötzlichen, andauernden oder periodisch wechselnden Belastungen ausgesetzt, so bilden sich im Material Spannungen, die einesteils zu reinelastischen Verformungen, anderenteils zu plastischen Gestaltsänderungen oder auch spröden Bruchvorgängen führen. Ist die äußere Beanspruchung klein, so kann das verallgemeinerte HooKEsche Gesetz [siehe Gl. (3)] in ausreichender, linearer Näherung zur Berechnung der auftretenden Längenänderung und Querverkürzung dienen. Man versteht unter Spannung a die je Flächeneinheit wirkende Kraft. Diese wird im allgemeinen nicht senkrecht auf der zugehörigen Fläche F stehen (Abb. 5.1). Die drei Komponenten der Spannung ax, a y , a z , bezogen auf eine schräg liegende Fläche, durch einen Punkt P, hängen von den Richtungskosinussen cos a, cos ß, cos y, welche die Normale n dieser Fläche mit den Achsenrichtungen bildet, und von den Spannungen a v cr2, a3, die auf die das kartesische Koordinatensystem bildenden Flächen Ft (PABC), F2 (PADE), F3 (PCFE) einwirken, ab. Da die Spannungen ai der Fläche PABC, a2 der Fläche PADE und
I °3 I = I ° I
C0S
7•
Nach Multiplikation dieser Gleichungen jeweils mit cos tx, cos ß, cos y entsteht nach Addition unter Benutzung von cos2 tx + cos2 ß + cos2 y — 1 er = (jj cos ix + cr2 cos ß + cr3 cos y.
Abb. 5.1 Lage und Zuordnung der Spannung a zugeordnet zur Fläche F ABCP »i M ADEP CFEP.
Dabei haben die Spannungen at usw. die a;-Komponente an (Normalspannung), die ^/-Komponente cr12 und die z-Komponente = Kreisfrequenz Sie = Realteil e0(t) = Einheitssprung
'"eooi rO0, raoo = Konstanten der Grundfunktionen tne, a a = Relaxationsspektren T,
Tk,
Teic, t a t — Relaxationszeiten a, aelt , Amplituden der Relaxationsspektren N, Ne..> Na = Anzahl der Relaxationsterme Q* = komplexer Schermodul K* = komplexer Kompressionsmodul = komplexer YouNOscher Modul E* C* = komplexer Kompressionswellenmodul I* = komplexe Schernachgiebigkeit = isothermer komplexer KompresKT. sionsmodul = adiabatischer komplexer KomK*d pressionsmodul = komplexe spezifische Wärme bei c* konstantem Volumen = c* komplexe spezifische Wärme bei konstantem Druck
521 Einleitung Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, einen Einblick in das viskoelastische Verhalten der Kunststoffe zu geben, das auch als RelaxationsverhaUen bezeichnet wird. Dabei ist es zweckmäßig, daß wir zunächst von dem allgemein bekannten Verhalten reinelastischer bzw. reinviskoser Medien ausgehen. Wir untersuchen zu diesem Zweck das einfache Beispiel, das an einen Probekörper entsprechend Abb. 5.5 eine konstante Scherspannung a der Größe