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German Pages 491 [496] Year 1890
ELEMENTARE
MECHANIK ALS EINLEITUNG IN DAS STUDIUM
DER THEORETISCHEN PHYSIK. VON
DR. W O L D E M A l l
VOIGT,
O. Ö. l'ROFESSOH 1>KH PHYSIK AN DJOR UNIVERSITÄT GÖTTINGKN.
MIT 55 FKiUREN IM TKXT.
LEIPZIG, VERLAG
VON
VEIT
1889.
&
COMP.
Druck voD M e t z g e r à W i t t i g iu Leipzig.
Y orwort. Zu der Abfassung des vorliegendes Werkes bin ich veranlasst worden durch das mir in meinem Amte mehrfach entgegengetretene Bedürfniss nach einem Buche, welches geeignet ist, die Studirenden der Mathematik und Physik soweit in die Grundlehren und Methoden der allgemeinen Mechanik einzuführen, als diese in den Vorlesungen über die einzelnen Theile der theoretischen Physik zur Anwendung kommen und als bekannt vorausgesetzt werden müssen.
Ausserdem
habe ich gemeint, dass bei der immer wachsenden Bedeutung, welche theoretisch-physikalische, speciell mechanische Betrachtungen in den •verschiedensten Gebieten der Naturwissenschaft gewinnen, dem Chemiker, Mineralogen, Physiologen u. s. f. ein Buch willkommen sein möchte, welches die analytische Mechanik nicht nach ihren mathematischen, sondern nach ihren physikalischen Beziehungen behandelt, in knapper Form alles für das Yerständniss und die Anwendung Wesentliche bietet und doch nur geringe mathematische Vorkenntnisse des Lesers erfordert.
Denn, wie der Name „elementare Mechanik" andeuten soll,
wird in dem vorliegenden Werk nur der Inhalt der gewöhnlichen einleitenden
Vorlesungen
über
Infinitesimalrechnung
und
analytische
Geometrie vorausgesetzt, von der Theorie der Reihen, der Differentialgleichungen, der Potentialfunction, der elliptischen Functionen u. s. w. aber kein Gebrauch gemacht.
IV
Vorwort.
Der Zweck, durch die Entwickelung der Grundgesetze der Mechanik in das Studium der theoretischen Physik einzuführen, hat die Form des Buches bestimmt.
Yon der Vollständigkeit, welche ein Handbuch
der Mechanik zu zeigen hat, musste durchaus abgesehen und in jeder Hinsicht nur eine Auswahl geboten werden.
Die Ableitung der Grund-
gleichungen für die Bewegung von Massenpunkten, von starren und von nicht starren Körpern ist auf möglichst directe und anschauliche Weise vorgenommen und jede Auseinandersetzung
über andere
zu
ihnen führende Wege, wie über die hiermit im Zusammenhang stellenden allgemeinen mechanischen Principien, ist unterlassen. Von Anwendungen sind besonders solche bevorzugt, welche eine practische Bedeutung haben, z. B. die Theorie wichtiger physikalischer Messinstrumente liefern.
Bei allen ist ein grosser Werth auf die Discussion der theo-
retischen Resultate gelegt, um sowohl zu zeigen, welche Fragen an dieselben gestellt werden können, als auch, wie ihre Beantwortung zu linden ist.
Eine Reihe von Nebendingen, welche dem Anfänger leicht
Schwierigkeiten bieten, aber gemeinhin übergangen werden, wie das doppelte Vorzeichen
in Differential- und
Integralgleichungen,
das
Gültigkeitsbereich von Lösungen und dergl., sind mit Ausführlichkeit besprochen, um den Leser zu veranlassen, sich über jeden gethanen Schritt vollständige Klarheit zu verschaffen. Die Beschränkung hinsichtlich der Anwendung der Hülfsmittel der Mathemathik hat besonders im dritten Theil, der Mechanik nichtstarrer Körper, zu einer von der gebräuchlichen theilweise abweichenden Darstellung geführt. gleichungen
Da die Theorie der partiellen Differential-
nicht vorausgesetzt werden
sollte,
so war
es nöthig,
sowohl in der Dynamik idealer und reibender Flüssigkeiten, wie in der Statik der elastischen Körper von der Betrachtung u n e n d l i c h e r Körper auszugehen, für diese ein System von particulären Lösungen der bezüglichen Differentialgleichungen aufzustellen und den Uebergang zu e n d l i c h e n Körpern dadurch vorzunehmen, dass Oberflächen aufgesucht wurden, welche bei Annahme dieser Lösungen unter gewissen Umständen ihre Begrenzungen bilden können.
Wurde durch diese
Methode die Behandlung einiger wichtiger Probleme, z. B. der Biegung
Vorwort.
V
eines elastischen Stabes, unthunlich, so ergaben sich dafür andererseits interessante und lehrreiche Beziehungen zwischen gewissen Problemen der Elasticität und Hydrodynamik, die bei der gewöhnlichen Darstellung nicht so lebendig hervortreten. Von Quellenangaben bezüglich der behandelten Probleme oder der gewählten
Darstellung habe ich
vollkommen
abgesehen;
dieselben
hätten bei der so ausgedehnten Literatur über Mechanik das Buch unverhältnissmässig belastet und erschienen mir um so mehr überflüssig, als jeder Leser, der in dieses Gebiet tiefer eindringen will, zu einem der grossen Handbücher über Mechanik greifen wird, in denen sich ausführliche Literaturverzeichnisse linden. Hier will ich nur hervorheben, dass die „Einleitung in die theoretische Physik" betitelten Vorlesungen meines verehrten Lehrers F. E. N e u m a n n (Leipzig 1883), welche in einem engeren Bereich nahe dasselbe Ziel verfolgen, wie meine Arbeit, mir vielfache Anregungen und hinsichtlich der Anwendung der mechanischen Gleichungen auf die Theorie physikalischer Messinstrumente auch directe Vorbilder geliefert haben. 1
Andererseits habe ich die Vorzüge neuerer, theilweise verein-
fachter Darstellungsweisen, die sich in den Vorlesungen von A . C l e b s c h , ('. N e u m a n n , G. K i r c h h o f f und Anderen linden, möglichst auszunutzen gesucht.
Eigenes zu geben bot sich natürlich in einem so unendlich viel
angebauten Gebiete nur selten Gelegenheit, am meisten noch im letzten Theil, der, wie oben gesagt für die besonderen Ziele dieses Buches eine besondere Darstellung verlangte; vielleicht erweckt die Behandlung der elastischen Schwingungen unter consequenter Benutzung der von R i e m a n n in seiner Arbeit „Ueber die Fortpflanzung ebener Luftwellen von endlicher Schwingungsweite" (Abh. der Gütt. Ac. d. Wiss. VIII, 1860) zuerst mitgetheilten, äusserst anschaulichen Interesse auch des Fachmannes.
Integrationsmethode das
Im Uebrigen konnte meine Aufgabe
nur sein, aus der Fülle des Materiales Passendes auszuwählen
und
durch Anordnung und Darstellung das Interesse an dem Gegenstand
1
Leider sirul diese Vorlesungen in so fehlerhafter Gestalt herausgegeben worden, dass man Bedenken tragen muss, Anfänger auf sie zu verweisen.
Vorwort.
VI
zu wecken
und das Verstiindniss
der Entwickehingen
zu
erleichtern;
ich habe micli derselben mit grosser Liebe unterzogen und hoffe, das gesteckte Ziel nicht ganz verfehlt, zu haben. Den Herren Dr. P . D r u d e und Dr. F. F o c k e l s , der Correctur des Satzes treulich unterstützt haben, Hülfe herzlichsten
welche mich bei sage ich für ihre
Dank.
G ö t t i n g e n , im Juli
1889.
Vi. Voigt.
Inhalt, I. Theil. §
1.
§ § § § §
2. 3. 4. 5. 6.
§
7.
§
8.
§
9.
§10. §11. §12. § 13. § 14. § 15.
Mechanik materieller Punkte.
Materieller P u n k t , T r ä g h e i t ; Einheiten f ü r L ä n g e n und Zeiten; Sealaren und Vectoren Gleichförmige geradlinige Bewegung, Geschwindigkeit, Dimensionen Zusammensetzung und Zerlegung gleichförmiger Geschwindigkeiten. Plötzliche A e n d e r u n g der Geschwindigkeit; Impulse, Massen . . . Beliebige Bewegung; Beschleunigung, K r a f t Geradlinige B e w e g u n g ; constante K r a f t , freier F a l l , A t w o o d ' s c h e Fallmasehine; einfachste Fälle variabler K r ä f t e Bewegungen in der Ebene und im Räume, bestimmt durch gegebene W e r t h e der Geschwindigkeiten; Beispiele Bewegungen in der Ebene und im R ä u m e , bestimmt durch gegebene W e r t h e der K r ä f t e ; Beispiele Bedingte Bewegung; feste oder bewegte Oberflächen und Curven; Gleichgewichtsbedingungen. Beispiele Gleitende Reibung, Luftwiderstand Lebendige K r a f t , Arbeit, Potential, Energie Bewegung eines Massenpunktes unter der W i r k u n g eines ruhenden Attractionscentrums Die allgemeine Gravitation und ihr Zusammenhang mit der Schwerkraft Zwei freie Massenpunkte Vinter der W i r k u n g gegenseitiger Anziehung oder Abstossung; Massenmittelpunkt; Stoss zweier Massenpunkte. Bewegung von Punktsystemen; Satz über den Massenmittelpunkt, Flächensatz, Gleichung der Energie
II. Theil. §16. § 17.
§18. §19. § 20. § 21.
Seite
1 4 7 10 15 27 38 45 55 74 82 92 104 110 121
Mechanik starrer Körper.
Allgemeinste unendlich kleine Ijagenänderung eines starren Systemes; Verschiebungen und Drehungen Zusammensetzung und Zerlegung von Drehungsmomenten; Ersetzung beliebiger auf ein starres System wirkender K r ä f t e durch eine Resultirende und ein Drehungsmoment Theorie des S c h w e r p u n k t e s ; Beispiele f ü r seine Berechnung. Starre continuirliche K ö r p e r , Dichte u n d speeifisehes Gewicht . . . Theorie der Trägheitsmomente, Beispiele f ü r deren Berechnung. Die lebendige K r a f t eines starren K ö r p e r s Bedingungen des Gleichgewichts eines starren Körpers. D e r A n f a n g der Bewegung. Beispiele D r e h u n g eines starren Körpers um eine feste Axe; D r u c k auf die Axe; Beispiele
132
141 153 160 171 189
Inhalt.
Vili § 22. § 23. 24. § 25.
Theorie der Anwendung des Pendels zur Bestimmung der Beschleunigung durch die Schwerkraft Rotation eines Körpers um einen festen Punkt Bewegung eines freien starren Körpers unter der Wirkung äusserer Kräfte; ebene Bewegungen Anziehung und Potential räumlieh vertheilter Massen nach dem N e w t o n ' s c h e n Gesetz; Abhängigkeit der Schwerkraft vom Ort; Bestimmung der mittlem Dichte der Erde
I I I . Theil. S 26. § 27. § 28. § 29.
§ 30.
§ 31. S 32. ¡3 33. § 34. § 35. § 36. § 37. § 38.
§ 39.
§ 40.
207 226 246
258
Mechanik nichtstarrer Körper.
Unendlich kleine stetige Verrückungen in einem nicht starren Körper; Deformationen Druckkräfte in nichtstarren Körpern Mechanik idealer Flüssigkeiten; Gestalt und Druck einer ruhenden Flüssigkeit Mechanik idealer Flüssigkeiten; Gesammtdrucke ruhender Flüssigkeiten gegen starre Körper; Schwimmen unter der Wirkung der Schwere Mechanik idealer Flüssigkeiten; Potentialbewegungen. Eine Kugel oder ein Cylinder in einer unendlichen incomprcssibeln Flüssigkeit • . . Mechanik idealer Flüssigkeiten; Ausfluss aus einem Reservoir; Reaction und Stoss eines Strahles Mechanik idealer Flüssigkeiten; Wirbelbewegungen Mechanik idealer Flüssigkeiten; Potentialbewegungen in Folge von Wirbeln; combinirtc Bewegungen Mcchanik reibender Flüssigkeiten; Potential- und Wirbelbewegung; Strömung in Spalten und Röhren Mechanik reibender Flüssigkeiten; Beschränkung auf unendlich kleine Geschwindigkeiten Mechanik elastischer Körper; Gleichgewichtszustände, Potentialdeformationen; homogene Deformationen Mechanik elastischer Körper; Gleichgewichtszustände, Drillungsdeformationen; gleichförmige Drillung. Combinirte Deformationen . Mechanik elastischer Körper; ebene Wellen in einem unendlichen elastischen Medium; transversale Verrückungen eiues gespannten unendlichen Fadens Mechanik elastischer Körper; ebene Wellen in einem durch eine Ebene begrenzten elastischen Medium; der einseitig begrenzte Faden Mechanik elastischer Körper; ebene Wellen in einem nach zwei Seiten begrenzten Medium; Pfeifen und Saiten; Kugelwellen. .
Register
Seite
279 293 311
3211
340 359 371 381 3!U 101 410 431
441
454 462 475
Erster Theil.
Mechanik materieller Punkte. § 1. Materieller Funkt, Trägheit; Einheiten für Längen und Zeiten, Sealaren und Vectoren. Die Ableitung der allgemeinsten Gesetze für die Bewegung eines Körpers, welche das letzte Ziel unserer Entwickelungen bildet, ist ein sehr complicirtes Problem, das wir erst nach mannigfachen Vorbereitungen in Angriff nehmen können. Gemäss dem in allen Theilen der theoretischen Physik angewandten Verfahren, von speciellen einfachen Fällen auszugehen und aus diesen die complicirten zusammenzusetzen, vereinfachen wir uns ebenfalls die Aufgabe, indem wir die Betrachtung an einen speciell gewählten Körper anknüpfen, bei dem bis zu einem erst später scharf zu bestimmenden Grade die von der Form und Zusammensetzung der Körper herrührende Complication des Bewegungsproblemes in Wegfall kommt. Wir betrachten die Bewegung eines m a t e r i e l l e n P u n k t e s , d. h. e'iner Quantität Materie, die sich innerhalb eines so kleinen Baumes befindet, dass seine Dimensionen gegen alle bei der Aufgabe sonst in Betracht kommenden Längen — z. B. gegen die während der Bewegung in endlicher Zeit zurückgelegten Wege, gegen die Entfernungen von anderen Massenpunkten — v e r s c h w i n d e n d k l e i n sind. Es ist wegen der Anwendungen nützlich, diese Definition dessen, was wir unter einem Massenpunkt verstehen wollen, wohl zu beachten. Nicht die Kleinheit des Körpers für unsere Wahrnehmung (die sogenannte absolute Kleinheit), welche nirgends eine wesentliche Bedeutung in der Mechanik besitzt, lässt eine Vereinfachung des Bewegungsproblems zu, sondern eben nur das genannte Verhältniss zu andern bei der Bewegung in Betracht kommenden Längen. Indem wir also von Form und Zusammensetzung der betrachteten Körper absehen, bleibt zur Unterscheidung verschiedener nur Eines übrig, die Menge der in ihnen vereinigten Materie. Das Maass dieser Voigt,
Eiern. Mechanik.
1
2
Mechanik
materieller
Punkte.
Quantität werden wir gewinnen durch die Eigenschaft der T r ä g h e i t , die wir seit Galilei aller Materie beilegen gemäss folgender Definition: D i e M a t e r i e i s t t r ä g e , das h e i s s t s i e v e r l ä s s t den B e w e g u n g s z u s t a n d , in w e l c h e m sie s i c h b e f i n d e t , n i c h t o h n e äussere Ursache. Verschiedene Körper besitzen verschiedene T r ä g h e i t , das h e i s s t sie setzen dem U e b e r g a n g aus einem Z u s t a n d in d e n a n d e r n v e r s c h i e d e n g r o s s e n W i d e r s t a n d e n t gegen. Wir legen die Eigenschaft der Trägheit der Materie bei; damit ist ausgesagt, dass wir es hier mit einer Annahme zu thun haben, die, obwohl sie ein Fundament der ganzen theoretischen Mechanik bildet, eine directe experimentelle Prüfung nicht gestattet; in der That hat man im Alterthum die entgegengesetzte Ansicht vertreten und für richtig gehalten, dass ein einmal in Bewegung gesetzter Körper von selbst der Ruhe zustrebe; auch giebt es gewisse Erscheinungen, die sich durch die Annahme eines Mediums von verschwindend kleiner Trägheit am einfachsten erklären. Die Hypothese der Trägheit prüfen wir wie zahlreiche andere in der theoretischen Physik eingeführte i n d i r e c t , indem wir die Folgerungen, die sich aus denselben durch strenge Analyse ergeben, mit der Beobachtung vergleichen. Wir werden ein System von Hypothesen so lange für zulässig halten, als alle aus demselben mit Strenge folgenden Thatsachen mit der Wirklichkeit übereinstimmen und nicht durch eine kleinere Anzahl unabhängiger Annahmen zu erklären sind. Um die Eigenschaft der Trägheit zur Festsetzung einer Scala zu verwenden, welche die Messung der in einem Massenpunkt vereinigten Quantität Materie gestattet, wenden wir uns der Betrachtung der Bewegung unseres materiellen Punktes zu and werden durch dieselbe Mittel erhalten, zu erkennen, wann der in -dem Trägheitsgesetz eingeführte „Bewegungszustand" sich mit der Zeit ändert oder nicht ändert. Nach den getroffenen Festsetzungen ist die Lage eines als Massenpunkt bezeichneten Körpers vollständig bestimmt durch den Ort irgend eines in ihm beliebig angenommenen mathematischen Punktes, seine Bewegung durch die Ortsveränderung desselben mit der Zeit. Die bei der Bewegung von ihm beschriebene Curve nennen wir die B a h n des Massenpunktes. Den Ort bestimmen wir durch die Coordinaten, zumeist die rechtwinkligen x, y, des Punktes in Bezug auf ein ruhendes Coordinatensystem. Ist der Punkt in Bewegung, so ändert sich x, y, % mit der Zeit t, es ist z. B . die Bewegung
s = t), y = y(t), * = /(*); ist vollständig „beschrieben", d. h. ihre Gesetze sind
§ 1. Materieller Punkt, Trägheit; Einheiten für Längen etc.
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erschöpfend ausgesprochen, wenn für einen Massenpunkt diese drei Functionen der Zeit bekannt sind. Aus ihnen folgen unter Anderem die Gleichungen der Bahn, als des Inbegriffes aller zu irgend einer Zeit vom Punkt eingenommenen Orte, indem man aus den vorstehenden drei Formeln durch Elimination zwei von t freie bildet. Ist die Gestalt der Bahn gegeben oder sonst bekannt, so ist es unter Umständen vortheilhaft, den Ort des Massenpunktes in der Bahn zu bestimmen durch den längs der Bahn gemessenen Abstand s, den jener zur gegebenen Zeit t von einem auf der Bahncurve willkürlich angenommenen Nullpunkt besitzt. Indem man die Richtung der Bahn von jenem Punkte aus nach der einen Seite positiv, nach der andern negativ rechnet, kömmt man dazu, auch positive und negative Werthe der Entfernung s zu benutzen. Die Abhängigkeit der Länge s von der Zeit t, also eine Relation von der Form * = fif), bestimmt vollständig die Bewegung des Massenpunktes in der Bahn. Sollen Bewegungsphänomene der numerischen Berechnung unterworfen werden, so ist es nöthig, die Einheiten festzusetzen, in welchen die auftretenden physikalischen Grössen gemessen werden sollen. Bis jetzt sind uns nur zwei Arten derselben vorgekommen: L ä n g e n und Zeiten. Als Einheit der Länge benutzen wir zumeist das C e n t i m e t e r , beiläufig der tausendmillionste Theil des Erdmeridianquadranten, in präciserer Weise definirt als der hundertste Theil der Länge des in Paris aufbewahrten Normalmeters bei der Temperatur des schmelzenden Eises. Als Einheit der Zeit benutzen wir die S e c u n d e , beiläufig der 86 400. Theil der Dauer eines Sonnentages, genauer derselbe Bruchtheil derjenigen constanten Länge des Tages, die man erhalten würde, wenn die Erde sich während eines Jahres in einem Kreise so um die Sonne bewegte, dass sie in gleichen Zeiten stets gleiche Bogen beschriebe (Secunde des mittleren Sonnentages). In diesen Einheiten sind im Folgenden zunächst alle Angaben und Rechnungen gemacht zu denken. Die Gegenüberstellung von Längen- und Zeiteinheiten giebt Veranlassung, noch eine allgemeine Bemerkung anzuschliessen. Drücken wir den Abstand zwischen zwei Zeit- oder zwei Raumpunkten numerisch aus, so ist dadurch zwar die gegenseitige Lage der beiden Zeitpunkte vollständig bestimmt, nicht aber ebenso die der beiden R a u m punkte, denn dazu ist ausser der Länge ihres Abstandes auch noch die Richtung, in welche derselbe fällt, erforderlich. Dies weist uns darauf hin, dass wir es hier zunächst mit zwei verschiedenen Arten von Beziehungen zu thun haben werden, mit solchen, die durch eine Zahl erschöpfend ausgedrückt werden, und mit solchen, die hierzu ausserdem noch der Angabe einer Richtung, l*
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Mechanik materieller Punkte.
d. h. der Festsetzung von zwei Winkeln gegen zwei festgelegte Richtungen bedürfen. Die Grössen, welche Beziehungen der ersten Art ausdrücken, nennen wir Zahlgrössen oder Sealaren, die, welche solche der letzteren Art geben, Rieh tun gsgrössen oder Vectoren; von beiden werden wir im Folgenden eine grosse Zahl kennen lernen und benutzen. Dazu bemerken wir im Voraus, dass nicht stets die Yectorgrössen nach ihren allgemeinsten Eigenschaften zur Geltung kommen und unter Umständen scheinbar als reine Zahlgrössen auftreten, z. B. stets dann, wenn es sich um die Yergleichung von Vectoren handelt, die sich siimmtlich auf die gleiche Richtung beziehen. So sind Abscissen, obwohl Strecken, doch ebenso Sealaren wie die Zeiten; hingegen ist der Radius im Polarcoordinatensystem, als durch Länge und Richtungswinkel bestimmt, recht eigentlich ein Vector. § 2. Gleichförmige geradlinige Bewegung, Geschwindigkeit; Dimensionen. Die denkbar einfachste Bewegung wird ein Massenpunkt dann ausführen, wenn er sich längs einer geraden Linie so fortschiebt, dass er in gleichen Zeiten gleiche Wegstrecken zurücklegt. In diesem Falle wächst sein Abstand s von dem auf der Geraden willkürlich angenommenen Nullpunkt linear mit der Zeit, was sich ausdrückt durch die Formel: 8 = «„ +
Vt,
(1)
in welcher s„ und V Constanten sind. Hierin bedeutet s„ diejenige Entfernung die der Massenpunkt zur Zeit t = 0 besass, d. h. in dem Moment, von dem aus wir die Zeit in Zeiteinheiten zählen. Zu zwei andern Zeitpunkten ti und L, von denen L später fallen mag als t„ möge die Entfernung die Werthe s, und s, besitzen, dann ist s, — .