Von der Physik zur Metaphysik: Physikalische Vereinheitlichung und Stringansatz 9783110323344, 9783110322880

Obwohl der Stringansatz als Versuch einer nomologisch vereinheitlichten Erfassung aller Wechselwirkungen, inklusive der

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German Pages 394 [400] Year 2007

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Table of contents :
Inhalt:
1. Das Vereinheitlichungsprogramm derPhysik und die Quantengravitation
2. Der Stringansatz
2.1. Perturbative Stringtheorien: Gravitation,Supersymmetrie und höhere Dimensionalität
2.2. Kompaktifizierung und Calabi-Yau-Räume
2.3. Dualitäten und M-Theorie
2.4. Dirichlet-Branen und Bran-Welten
3. Der Stringansatz im Spektrum derQuantengravitationstheorien
4. Theorienbildung, konzeptionelleAnforderungen und Empirie
4.1. Die Entwicklung der Stringtheorien
4.2. Konzeptionelle Randbedingungen
4.3. Das Problem der empirischen Kontrolle
4.4. Problemtypologie
5. Das Kontingenzproblem
5.1. Eindeutigkeit und Einzigartigkeit
5.2. Uneindeutigkeit und Kontingenz
5.3. Selektion und anthropische Argumente
6. Das Problem der Raumzeit in derQuantengravitation
6.1. Das Problem der Hintergrundraumzeit imStringansatz
6.2. Entropie Schwarzer Löcher, diskrete Raumzeitund holographisches Prinzip
7. Ontologische Implikationen desStringansatzes
8. Das Realismusproblem:Entitäten oder Strukturen ?
9. Von der Physik zur mathematischinspirierten Metaphysik der Natur
Nachwort
10. Literaturverzeichnis
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Von der Physik zur Metaphysik: Physikalische Vereinheitlichung und Stringansatz
 9783110323344, 9783110322880

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Reiner Hedrich Von der Physik zur Metaphysik Physikalische Vereinheitlichung und Stringansatz

EPISTEMISCHE STUDIEN Schriften zur Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie Herausgegeben von / Edited by Michael Esfeld • Stephan Hartmann • Albert Newen Band 12 / Volume 12

Reiner Hedrich

Von der Physik zur Metaphysik Physikalische Vereinheitlichung und Stringansatz

ontos verlag Frankfurt I Paris I Ebikon I Lancaster I New Brunswick

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Inhalt:

1.

Das Vereinheitlichungsprogramm der Physik und die Quantengravitation

7

Die Metaphysik der Vereinheitlichung – Gravitation und Quantenmechanik – Quantengeometrodynamik – Der quantenfeldtheoretische Ansatz – Eine Quantenfeldtheorie der Gravitation ? - Quantengravitation durch nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen ?

2.

Der Stringansatz

35

2.1. Perturbative Stringtheorien: Gravitation, Supersymmetrie und höhere Dimensionalität

35

Die formale Konzeption – Quantisierung und Stringzustände – Supersymmetrie - Wechselwirkungen – Festlegung der Raumzeitdimensionen – Fünf perturbative Superstringtheorien 2.2. Kompaktifizierung und Calabi-Yau-Räume

57

2.3. Dualitäten und M-Theorie

64

T-Dualität - S-Dualität - M-Theorie 2.4. Dirichlet-Branen und Bran-Welten

79

D-Branen - Bran-Welten - Kosmologische Szenarien

3.

Der Stringansatz im Spektrum der Quantengravitationstheorien

91

Das Spektrum der Alternativen - Kovariante Quantisierung Kanonische Quantisierung – Loop Quantum Gravity – Synthese aus Stringansatz und Loop Quantum Gravity ?

4.

Theorienbildung, konzeptionelle Anforderungen und Empirie

107

4.1. Die Entwicklung der Stringtheorien

112

Die Anfänge in der Hadronenphysik – Supersymmetrie und fermionische Zustände – Die entscheidende Entdeckung – Konzeptionelle Weiterentwicklung – Die erste Superstring-Revolution – Die zweite Superstring-Revolution - Das Pferd von hinten aufzäumen: Zufallsentdeckungen und tentative Mathematik 4.2. Konzeptionelle Randbedingungen

141

Fehlende empirische Randbedingungen für eine Theorie der Quantengravitation – Die grundlegende Motivation für den Stringansatz – Arten der Vereinheitlichung – Motivationen für eine Theorie der Quantengravitation – Motivationen für eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen – Die Vorteile der Supersymmetrie 4.3. Das Problem der empirischen Kontrolle

166

Die Ursachen - Das Problem der empirischen Kontrolle Exotica als Chance ? - Die Alibi-Vorhersage – Selbstimmunisierungstechniken – Wie konnte es so weit kommen ? 4.4. Problemtypologie Zwei Arten von Problemen - Externe Probleme Legitime Erklärungsansprüche an eine fundamentale Theorie - Interne Probleme - Fehlende fundamentale Prinzipien – Interne Aufräumarbeiten

185

5.

Das Kontingenzproblem

201

5.1. Eindeutigkeit und Einzigartigkeit

201

5.2. Uneindeutigkeit und Kontingenz

210

Gründe für die Uneindeutigkeit - Die String-Landscape 5.3. Selektion und anthropische Argumente

224

Das Selektionsproblem - Von der Kontingenz zum Ensemble der Welten - Tegmarks "Ultimate Ensemble Theory" – Anthropische Selektion ? - Dynamische Implementierung der anthropischen Selektivität Konsequenzen - Kritik an anthropischen Argumentationsweisen

6.

Das Problem der Raumzeit in der Quantengravitation

253

6.1. Das Problem der Hintergrundraumzeit im Stringansatz

253

Das Problem der Hintergrundraumzeit – Raumzeit als abgeleitete Grösse ? 6.2. Entropie Schwarzer Löcher, diskrete Raumzeit und holographisches Prinzip Die Entropie Schwarzer Löcher - Die holographische Informationsdichtegrenze - Diskrete Raumzeit – Das holographische Prinzip - AdS/CFT-Korrespondenz Das gesuchte fundamentale Prinzip der Quantengravitation ?

268

7.

Ontologische Implikationen des Stringansatzes

289

Sind Strings fundamentale Entitäten ? - Der String als Nachfolgebegriff des traditionellen Teilchenkonzepts ? – Ontische Interpretierbarkeit des String ? – Auflösung der objekthaften Ontologie 8.

Das Realismusproblem: Entitäten oder Strukturen ?

311

9.

Von der Physik zur mathematisch inspirierten Metaphysik der Natur

327

Nachwort

353

Literaturverzeichnis

355

10.

"Elegance requires that the number of defining equations be small. Five is better than ten, and one is better than five. On this score, one might facetiously say that String Theory is the ultimate epitome of elegance. With all the years that String Theory has been studied, no one has ever found even a single defining equation! The number at present count is zero. We know neither what the fundamental equations of the theory are nor even if it has any. Well then, what is the theory, if not a collection of defining equations? We really don't know." (Susskind (2005) 124)

1. Das Vereinheitlichungsprogramm der Physik und die Quantengravitation Der Stringansatz existiert inzwischen, über alle seine Metamorphosen hinweg, seit mehr als drei Jahrzehnten. Dies ist für einen vorgeblich empirisch-wissenschaftlichen Theorieansatz, dem es in der ganzen Zeit nicht gelungen ist, durch konkrete quantitative Vorhersagen eine Ankopplung an die Empirie zu erreichen, nicht weniger als erstaunlich. Will man den Stringansatz verstehen, so ist dies nicht zuletzt eine Frage der Mathematik und der Mechanismen mathematischer Modellbildung. Will man jedoch verstehen, was den Stringansatz - trotz seiner recht eigenwilligen Stellung zur herkömmlichen Methodologie der empirischwissenschaftlichen Forschung - für die Physik und die Physiker interessant macht, und es ihm überhaupt ermöglicht hat, solch lange Zeit zu überleben, so ist es unabdingbar, sich mit den philosophischen und metaphysischen Ideen und Konzepten hinter den methodologischen Strategien der Physik als empirischer Wissenschaft zu beschäftigen. Der Stringansatz ist, wenn nicht gar der Endpunkt, so immerhin das konsequente Resultat einer langwährenden, die gesamte Entwicklung der Physik mindestens seit Beginn ihrer Existenz als moderne wissenschaftliche Disziplin dominierenden Strategie, die in letzter Instanz auf einer sehr alten philosophischen Idee beruht: der von der Einheit der Natur. Diese Idee, die sich schon in der antiken Naturmetaphysik festmachen lässt, hat es schliesslich durch mehr oder minder ausgeprägte adaptive Variabilität, in ihrem Kern letztlich unberührt, bis ins Zentrum des methodologischen Arsenals der neuzeitlichen empirischen Wissenschaften geschafft. Mit dem Erfolg oder Misserfolg des Stringansatzes bzw. seiner Varianten und Mitanwärter auf den Status einer letztgültigen Theorie der Quantengravitation steht nicht zuletzt auch diese metaphysische Idee auf dem Prüfstand. Die Verbindungen zwischen Physik und Metaphysik sind immerhin stark genug, dass die Entwicklungen innerhalb der Physik die in ihrem Hintergrund stehende Metaphysik mehr oder weniger unmittelbar mitbetreffen.

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Andererseits droht die Physik im Rahmen dieser Entwicklung, mit dem Stringansatz als Speerspitze, zu etwas zu werden, das sie zu Beginn ihrer Ideengeschichte schon einmal war: Naturmetaphysik. Hier handelt es sich dann jedoch nicht um die originäre Metaphysik der Anfänge des Nachdenkens über die Natur, sondern um eine solche, die im fortschreitenden Alterungsprozess einer hochentwickelten wissenschaftlichen Disziplin deren empirisch-wissenschaftliche Wurzeln mittels eines komplexen Prozesses der Transzendierung hinter sich lässt. Als Katalysator bei diesem Prozess wirken möglicherweise nicht zuletzt gerade die Konsequenzen der Mathematisierung, mittels derer die modernen Wissenschaften im Rahmen der Etablierung der empirisch-wissenschaftlichen Methode bei Bacon und Galilei überhaupt erst hervorgebracht wurden.

Die Metaphysik der Vereinheitlichung

Seit ihren Anfängen in der Naturphilosophie der griechischen Antike bis in unsere Zeit gehört die Idee, dass die Natur eine Einheit bildet und in letzter Instanz nicht als die Vielheit disparater Phänomenbereiche anzusehen ist, als die sie vielleicht erst einmal in Erscheinung tritt, zu den dominanten metaphysischen Hintergrundannahmen der Physik bzw. ihrer historischen Vorläufer. Konkreter und gleichzeitig kontroverser als etwa im Aristotelischen organischen Kosmos wird diese Idee dort, wo als Grundlage der postulierten Einheit eine durchgängige Strukturierung der Natur angenommen wird, die letztlich auf eine basalste materiale und dynamische Ebene zurückgeht, ein ontisches Substrat, welches die Phänomene der verschiedenen Bereiche der Natur hervorbringt. Dieser ontologische Reduktionismus bestimmt schon die Arché-Konzepte der vorsokratischen Naturphilosophie ebenso wie den antiken Atomismus. Im Gewand einer konkreten mathematisierten, empirisch-wissenschaftlichen Umsetzung prägt die Einheitsidee im Verbund mit dem ontologischen Reduktionismus dann auch entscheidend die moderne Physik, und hier ganz besonders die theoretischen Entwürfe der heutigen Hochenergiephysik. Hinter der reduktionistischen Komponente dieses metaphysischen Hintergrunds physikalischen Denkens steckt dabei in letzter Konsequenz die Annahme, dass das ontische Substrat letztlich schon alle Informationen

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über die Natur enthält. Alle höheren Systemebenen sind dann informationstheoretisch durch das Substrat festgelegt. Und die basalste epistemologische Umsetzung dieser Annahme einer reduktionistischen Festlegung auf der ontischen Seite lautet dann konsequenterweise: Kennt man alle Eigenschaften des Substrats, so weiss man letztlich schon alles über die Welt, auch wenn dieses Wissen vielleicht in vielen Fällen ein implizites Wissen sein und bleiben mag, das sich nicht immer adäquat in Bezug setzen lässt zu den möglichen Fragen, die das Geschehen auf höheren Systemebenen betreffen mögen.1 In ihrer avanciertesten Form kommt die Idee der ontischen Einheit im Programm der nomologischen Vereinheitlichung zum Ausdruck.2 Diesem zufolge sollte die Einheit der strukturierten Natur - einer Natur, die, wie ebenfalls schon in der griechischen Antike angenommen wurde, einer durchgängigen Gesetzmässigkeit unterworfen ist - sich auch innerhalb ihrer naturwissenschaftlichen Erfassung in nomologischer und dynamischer Hinsicht widerspiegeln. Konsequenterweise ist die Vereinheitlichung in der nomologischen Erfassung der in der Natur wirksamen, grundlegenden Kräfte für die Physik seit langer Zeit eines der zentralen theorieleitenden Ziele und Forschungsprogramme. Mit ihr einher geht die Hoffnung, das ontische Substrat und die für dieses geltenden grundlegenden gesetzmässigen Zusammenhänge auszumachen. Das Ziel ist letztlich und im günstigsten Falle eine vollständige dynamische Theorie des Substrats. Im Rahmen dieser Strategie flankieren wiederum der epistemologische und der methodologische Reduktionismus die ursprüngliche metaphysische Einheitsidee: Wenn man die Natur nicht nur als Einheit, sondern als hierarchisch strukturierte und durch das Substrat (informationstheoretisch) vollständig bestimmte Einheit versteht, wird die letztgültige Substrattheorie zumindest formal zur "Theorie von Allem", auch wenn damit noch nicht unbedingt gewährleistet sein muss, dass man mit der Substrattheorie tatsächlich "Alles" angemessen beschreiben kann. Es könnten pragmatische oder komplexitätstheoretische Gründe sein, die dies verhindern.

1

Für eine differenziertere Darstellung und eine Erörterung der Probleme des Übergangs vom ontologischen zum epistemologischen Reduktionismus siehe Hedrich (1990). 2 Vgl. etwa Weinberg (1992).

10

Das regulative Ideal hinter dieser Strategie ist auch dann schon wirksam, wenn man es noch nicht mit dem ontischen Substrat selbst zu tun hat, sondern sich diesem nur schrittweise annähert. Die Etappen hin zum endgültigen Ziel bestehen erst einmal vor allem aus nomologischen Vereinigungsschritten von ursprünglich selbständigen Teiltheorien der Physik. Sollte sich die letztgültige nomologische Vereinigung und mithin eine vollständige Substratbeschreibung nicht verwirklichen lassen, aus welchen Gründen auch immer, so bleibt dieses Ziel am Horizont dennoch als regulatives Ideal bestehen, vor dessen Hintergrund die einzelnen Schritte einer nomologischen Vereinigung ihre Verbindung zur Einheitsidee in reduktionistischer Ausprägung zum Ausdruck bringen. Eine solche Vorgehensweise wäre nur dann unangemessen, wenn die vorausgesetzten metaphysischen Konzepte hinsichtlich Einheit und Reduzierbarkeit unserer Welt nicht gerecht würden. Der Verbund aus Einheitsidee, reduktionistischer Ausrichtung und nomologischem Vereinheitlichungsprogramm findet, wie sich unschwer erkennen lässt, seine natürliche Umgebung innerhalb einer realistischen Sichtweise hinsichtlich des Verhältnisses von Natur und Naturbeschreibung. Nur wenn die empirischen Wissenschaften die Beschreibung der Natur anstreben, wirkt sich die metaphysische Idee ihrer Einheit unmittelbar auf unsere wissenschaftlichen Bemühungen und die ihnen zugrundeliegenden Strategien aus. Instrumentalistische Ansätze können sich leicht mit weniger zufrieden geben. Spätestens, wenn den empirischen Wissenschaften nicht mehr eine vorrangig deskriptive Funktion zugeschrieben wird, sondern sie als Mittel zur Ökonomisierung der Empirie und als Instrument zur praktischen Naturbewältigung gesehen werden, spielen metaphysische Hintergrundannahmen, wie die einer ontischen Einheit der Natur, und die aus ihnen erwachsenden Strategien keine wesentliche Rolle mehr. Vielmehr lässt sich dann die Wissenschaft ebenso gut als funktionierender Flickenteppich "effektiver Theorien" betrachten, die für die ihnen zugewiesene Aufgabe in ihrer Pluralität vollends ausreichen. Auch wenn die Natur einheitlich wäre, müsste es eine instrumentalistisch verstandene Wissenschaft noch nicht unbedingt sein. Vielleicht, so könnte man annehmen, spiegelt der Flickenteppich der Wissenschaft aber auch einen ebenso uneinheitlichen Flickenteppich der natürlichen Phänomenbereiche wider, eine irreduzible Pluralität der Welt. Vielleicht ist also die Annahme einer Einheit der Welt letztendlich falsch.

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Vielleicht haben wir es mit einer "gesprenkelten Welt" zu tun, die schlichtweg disparate Phänomenbereiche aufweist, welche jeweils eine völlig eigenständige wissenschaftliche Vorgehensweise erfordern.3 Vielleicht gibt es sogar Bereiche der Welt, die sich jeder wissenschaftlichen Erschliessung versperren. - Aber auch diese Überlegungen stellen vor dem Hintergrund einer instrumentellen Funktionszuschreibung für unsere empirischen Wissenschaften eine unnötige metaphysische Abschweifung dar, die für eben diesen Funktionszusammenhang hochgradig irrelevant erscheinen mag. Vielleicht sollte man nicht nur der Metaphysik, sondern auch den Wissenschaften gegenüber skeptisch bleiben. Andererseits sollte man vielleicht aber auch nicht von vornherein mehr aufgeben als nötig. Durchaus mit weniger als einer ausgeprägt realistischen Position verträglich ist eine schwächere Variante des Vereinheitlichungsgedankens: die der konzeptionellen Vereinheitlichung. Hier geht es nicht notwendigerweise um die methodologische Umsetzung der metaphysischen Annahme einer ontischen Einheit der Natur, schon gar nicht unbedingt um die empirischwissenschaftliche Widerspiegelung der Annahme eines ontologischen Reduktionismus, der alle Phänomene als Ergebnis des Wirkens einer fundamentalen materialen und dynamischen Strukturebene ansieht, sondern vielmehr erst einmal nur um die minimalste Form einer Einheitlichkeit der wissenschaftlichen Erfassung der Natur. Diese konzeptionelle oder modelltheoretische Einheit der Wissenschaft, die nicht notwendigerweise eine ontische Einheit der Natur voraussetzt, besteht in ihrer basalsten Form im intendierten Ausschluss von logischen und konzeptionellen Widersprüchen innerhalb der Wissenschaft und ihrer diversen Bereiche, vor allem aber innerhalb ihrer Disziplinen und Subdisziplinen. Es geht also bei der konzeptionellen Vereinheitlichung darum, die verschiedenen theoretischen Entwürfe unserer intendierten Naturbeschreibung zumindest insofern miteinander in Einklang zu bringen, dass sie sich in ihren Voraussetzungen und in ihren Resultaten nicht widersprechen. Die auf diese Weise angestrebte grössere Einheitlichkeit der Wissenschaft, die hier nicht notwendigerweise um den Preis problematischer metaphysischer Annahmen errungen wird, könnte einerseits zu ihrer höheren Praktikabilität und effektiveren Funktionalität beitragen. Auch wenn man für theoretische Entwürfe, die keine Überschneidung in ihrem intendierten 3

Siehe etwa Cartwright (1994), (1999) sowie (1983) und (1989). Vgl. auch Morrison (2000).

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Gegenstandsbereich aufweisen, per se keine logischen Widersprüche antreffen wird, so könnten hier konzeptionelle Fragen der Einheitlichkeit für die Praktikabilität und Funktionalität der Wissenschaft eine Rolle spielen. Je nach epistemologischem und methodologischem Gusto könnte man, statt für die Angemessenheit des Flickenteppichs effektiver Modelle, für die traditionellen Einfachheits- und Schönheitsregulative hinsichtlich unserer empirisch-wissenschaftlichen Theorien plädieren. Andererseits besteht dieser Freiraum stilistischer Präferenzen nicht mehr, wenn es sich um theoretische Entwürfe handelt, deren intendierte Gegenstandsbereiche Überschneidungen aufweisen. Sollten hier Widersprüche zwischen etablierten Theorieentwürfen auftreten, so ist dies zumindest kaum mit dem Selbstverständnis einer empirischen Wissenschaft verträglich, die deskriptive und prognostizistische Ziele verfolgt. Widersprechen sich zwei etablierte Theorien, so ist dies ein deutliches Zeichen für Handlungsbedarf. Die naheliegendste therapeutische Indikation lautet dann: konzeptionelle Vereinheitlichung. Es ist dann zumindest ein logisch und mathematisch konsistentes Modell der materiellen Realität anzustreben, unabhängig davon, ob dies letztlich zu einer nomologischen Vereinigung führt oder nur zur konzeptionellen und logischen Vereinbarkeit verschiedener nomologisch eigenständiger Ansätze. Ein solches Modell könnte also immer noch aus semiautonomen Teilmodellen für nicht-überlappende Gegenstandsbereiche bestehen, die aber wenigstens miteinander verträglich sein müssten. Um diese Verträglichkeit jedoch überhaupt nachweisbar werden zu lassen, müssten sie in gewisser Weise modelltheoretisch vergleichbar sein. Diese Vergleichbarkeit ist im Rahmen der modernen empirischen Wissenschaften gemeinhin im Rahmen einer fortgeschrittenen Mathematisierung theoretischer Beschreibungsansätze gegeben. So hat wohl auch die basalste Form einer konzeptionellen oder modelltheoretischen Vereinheitlichung ihre minimalen metaphysischen Voraussetzungen. Zu diesen gehört nicht zuletzt die Idee, dass die Natur grundsätzlich im Rahmen einer mathematisierten Wissenschaft erfasst werden kann: die alte Galileische Idee also, dass das Buch der Natur in mathematischen Lettern geschrieben ist. Schon die Mathematisierung der empirischen Wissenschaften im Rahmen der Galileischen Methode schafft eine minimale modelltheoretische Form von Einheit der Wissenschaft.

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Wieviel mehr an Einheit der Wissenschaft innerhalb eines Forschungsprogramms wünschenswert erscheint und in die jeweilige Strategie eingebracht wird, hängt davon ab, welche Einschätzung seine Vertreter hinsichtlich der uns umgebenden und einschliessenden Welt hegen. Ob zusätzlich die metaphysische Idee einer ontischen Einheit der Natur, vielleicht sogar einer reduktionistisch durchstrukturierten Einheit der Natur, eine Rolle spielen sollte, entscheidet sich auf dieser Grundlage. Was sich dann schliesslich in der Forschungspraxis hinsichtlich der Umsetzung der gewählten Strategie erreichen lässt, ist eine andere Frage: Wieviele derer, denen eine konzeptionelle Vereinheitlichung gelingt, hätten nicht viel lieber eine nomologische Vereinigung erreichen wollen. Als interessant würde sich jedoch der Fall erweisen, für den sich zeigen sollte, dass eine minimale konzeptionelle und modelltheoretische Vereinheitlichung nur um den Preis einer mehr oder weniger umfassenden nomologischen Vereinigung erreicht werden kann. Hier würde die Metaphysik der Einheit post hoc aufgrund konzeptioneller Anforderungen ins Spiel gebracht, ohne schon von Beginn an vorausgesetzt werden zu müssen. Was könnte die Wirksamkeit der Verbindungen zwischen Physik und Metaphysik deutlicher hervorstreichen? In der Geschichte der neuzeitlichen Physik finden sich vielfältige Beispiele sowohl für die Umsetzung konzeptioneller als auch nomologischer Vereinheitlichungsbestrebungen.4 Sie können geradezu als Etappen ihrer Erfolgsgeschichte gelesen werden. Beide Formen konstituieren in ihrem Zusammenwirken das physikalische Vereinheitlichungsprogramm. Wichtige Entwicklungsschritte in seiner Verwirklichung bilden etwa die Newtonsche Physik, mit der die alte Trennung in irdische und Himmelsmechanik aufgehoben wird, die Maxwellsche Elektrodynamik, mit der die Zusammenführung von Elektrizität, Magnetismus und Optik gelingt, sowie die Einsteinschen Relativitätstheorien, mit denen nicht zuletzt die Kompatibilität von Mechanik, Gravitation und klassischer Elektrodynamik erreicht wird.

4

Eine differenziertere Erörterung der verschiedenen Vereinheitlichungsschritte innerhalb der Physik hinsichtlich dieser Unterscheidung erfolgt in Kap. 4.2., wenn schliesslich die aktuellen Beispiele hinzugekommen sein werden und es um die Bewertung des Stringansatzes hinsichtlich des Vereinheitlichungsprogramms gehen wird.

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Die Entwicklung der Newtonschen Mechanik ebenso wie die der Maxwellschen Elektrodynamik sind unzweifelhaft als nomologische Vereinigungen anzusehen. Die Relativitätstheorien hingegen stellen vor allem das Ergebnis einer konzeptionellen Vereinheitlichung dar. So führt die Modifikation der Newtonschen Mechanik zur Speziellen Relativitätstheorie, die im Gegensatz zu ihrem Vorläufer mit den Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik vereinbar ist. Hierbei wird die Galilei-Invarianz der Newtonschen Theorie durch die Lorentz-Invarianz der Speziellen Relativitätstheorie abgelöst. Raum und Zeit der Newtonschen Konzeption werden zur vierdimensionalen Minkowskischen Raumzeit zusammengeführt und verlieren ihre jeweilige Eigenständigkeit. Die Unvereinbarkeit der Speziellen Relativitätstheorie mit der Newtonschen Gravitationstheorie wird dann schliesslich in der Allgemeinen Relativitätstheorie überwunden. Eines der ihr zugrundeliegenden Prinzipien ist das der Äquivalenz zwischen schwerer Masse (der "Feldladung" der Gravitation) und träger Masse (Bewegungsgrösse, dynamische Beharrungstendenz). Die Raumzeit wird innerhalb der Allgemeinen Relativitätstheorie zu einer dynamischen Grösse. Dargestellt wird sie im Rahmen der Differentialgeometrie vierdimensionaler Riemannscher Mannigfaltigkeiten. Die Idee eines statischen Hintergrundraumes des physikalischen Geschehens verliert endgültig ihre Berechtigung. Die Raumzeit ist nicht mehr die Bühne des Geschehens, sondern Teil seiner dynamischen Entwicklung. Die Allgemeine Relativitätstheorie stellt heute gleichermassen unsere allgemeinste Theorie der Raumzeit wie auch jeglichen gravitativen Verhaltens dar. Gravitation wird als das Ergebnis bzw. der Ausdruck der dynamischen Raumzeit und ihrer differentialgeometrischen Eigenschaften verstanden. Die dynamischen Eigenschaften der Gravitation werden auf die dynamischen Eigenschaften der Raumzeit übertragen. Von der Gravitation bleibt in dieser Darstellung letztlich nichts übrig als dynamische Raumzeit. Die Beschreibung der Gravitation wird zur Geometrodynamik.

Gravitation und Quantenmechanik

Die Allgemeine Relativitätstheorie als Theorie der Gravitation und der Raumzeit ist jedoch das, was man in der Physik eine klassische Theorie nennt. D.h. sie ist keine Quantentheorie. Alle anderen Grundkräfte der

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Natur - die elektromagnetische, die schwache und die starke Wechselwirkung - werden, im Gegensatz zur Gravitation, inzwischen mittels der Quantenfeldtheorien in zumindest konzeptionell einheitlicher Form beschrieben. Die Quantenfeldtheorien als Ergebnis des Bestrebens, die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie in Einklang zu bringen, - einer weiteren konzeptionellen Vereinheitlichung also - werden zur Zeit als die allgemeinsten Theorien des dynamischen Verhaltens der Materie und ihrer Wechselwirkungen angesehen. Nur die Gravitation wurde in ihrem konzeptionellen Rahmen bisher nicht erfasst. Einer der Gründe dafür besteht nach weit verbreiteter Auffassung darin, dass die Quantenmechanik und die Quantenfeldtheorien konzeptionell nicht mit der Allgemeinen Relativitätstheorie vereinbar sind. Die Art und Weise, wie die heutige Physik die Gravitation beschreibt, ist mit der zur Zeit verwendeten physikalischen Beschreibung aller anderen Wechselwirkungen letztlich nicht kompatibel. "[...] QM [Quantum Mechanics] and GR [General Relativity] have destroyed the coherent picture of the world provided by prerelativistic classical physics: each is formulated in terms of assumptions contradicted by the other theory. QM was formulated using an external time variable (the t of the Schrödinger equation) or a fixed, nondynamical background spacetime (the spacetime on which quantum field theory is defined). But this external time variable and this fixed background spacetime are incompatible with GR. In turn, GR was formulated in terms of Riemannian geometry, assuming that the metric is a smooth and deterministic dynamical field. But QM requires that any dynamical field is quantized: at small scales it manifests itself in discrete quanta and is governed by probabilistic laws." (Rovelli (2004) 3) Die konkreten Konfliktpunkte, auf die später noch genauer einzugehen sein wird, betreffen in erster Linie einerseits die im Kontext der Einsichten der allgemein-relativistischen Gravitationstheorie deutlich werdende Unangemessenheit des von den Quantenfeldtheorien verwendeten statischen Hintergrundraumes. Andererseits erscheint das Konzept einer kontinuierlichen, unquantisierten Raumzeit, wie es innerhalb der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Anwendung kommt, vor dem Hintergrund der Einsichten der Quantenmechanik und der Quantenfeldtheorien sehr fragwürdig. Wollte man die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantenmechanik in Einklang bringen, indem man die Raumzeit als Ausdruck der Gravitation

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selbst quantenmechanisch erfasst, so wäre hier vermutlich eher mit einer Unschärfe der Metrik der Raumzeit zu rechnen, vielleicht sogar mit einer solchen der raumzeitlichen Topologie.5 Die konzeptionelle Unvereinbarkeit von Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie stellt ein fundamentales Problem dar, wenn wir - im Sinne einer konkreten Umsetzung der Idee einer einheitlichen Natur - davon ausgehen, dass alle natürlichen Systeme Quantensysteme sind, diese aber gleichzeitig ohne Einschränkung gravitativen Wechselwirkungen ausgesetzt sind.6 Unter dieser Voraussetzung ist es nicht ganz abwegig anzunehmen, dass die beiden fundamentalsten, aber miteinander unverträglichen Theorienkomplexe, über welche die Physik zur Zeit verfügt, Näherungen zu einer noch fundamentaleren Beschreibung sind, innerhalb derer die auftretenden konzeptionellen Unvereinbarkeiten auflösbar wären oder möglicherweise überhaupt nicht mehr in Erscheinung treten: "General relativity and quantum theory are among the greatest intellectual achievements of the 20th century. [...] And yet, they offer us strikingly different pictures of physical reality. [...] Everything in our past experience in physics tells us that the two pictures we currently use must be approximations, special cases that arise as appropriate limits of a single, universal theory. That theory must therefore represent a synthesis of general relativity and quantum mechanics. [...] this is the theory we invoke when faced with phenomena, such as the big bang and the final state of black holes, where the worlds of general relativity and quantum mechanics must unavoidably meet." (Ashtekar (2005) 2) Unabhängig von metaphysisch anmutenden Motivationen, die vielleicht eine nomologische Einheit in der Beschreibung der Wechselwirkungen erstrebenswert erscheinen lassen, gibt es zudem handfeste Gründe für eine zumindest konzeptionelle Vereinheitlichung der Beschreibung der in der Natur wirksamen Kräfte: Für viele mikroskopische ebenso wie für viele 5

Zudem ist im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie infolge der Nichtlinearität der Einsteinschen Feldgleichungen ein linearer nomologischer Zusammenhang wie etwa die Schrödinger-Gleichung der Quantenmechanik grundsätzlich nicht kovariant darstellbar. Beide Ansätze sind schon aus diesem Grunde inkompatibel. 6 Claus Kiefer (Kiefer (2004) Kap. 1.2.) zeigt etwa auf, welche gewichtigen Argumente es gegen ein hybrides Theoriekonstrukt aus einer klassischen und einer Quantenkomponente gibt.

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makroskopische Systeme lässt sich zwar vielleicht über die prinzipielle Unvereinbarkeit unserer fundamentalen physikalischen Theorien hinwegsehen. Für Elektronen und ihr dynamisches Verhalten etwa spielt die Gravitation im allgemeinen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Für Planeten kann man andererseits wahrscheinlich getrost Quanteneffekte ignorieren. Jedoch spätestens für Schwarze Löcher oder für den hochverdichteten Materiezustand, den wir für den Anfang unseres expandierenden Universums vermuten, wird das Problem virulent. Hier überlappen die Gegenstandsbereiche der beiden miteinander unverträglichen theoretischen Konstrukte, die das zur Zeit fundamentalste Instrumentarium der Physik darstellen. Gleichermassen gravitative wie Quanteneffekte spielen hier eine Rolle. Weder die Allgemeine Relativitätstheorie, noch die Quantenfeldtheorien sind einzeln betrachtet hinreichend für die Beschreibung der physikalischen Probleme in diesem Überlappungsbereich ihrer Zuständigkeit.7 Und ihre konzeptionelle Unverträglichkeit ist spätestens hier kaum hinnehmbar. Ohne eine Theorie der Quantengravitation, welche die Beschreibung der gravitativen Wechselwirkung mit der Quantenmechanik zumindest konzeptionell vereinbar und widerspruchsfrei macht, kommt man hier kaum weiter. - Wie aber könnte eine solche Theorie der Quantengravitation von der konzeptionellen Seite her aussehen? Auf welchem Wege und auf welcher modelltheoretischen Grundlage liesse sie sich entwickeln? Will man die konzeptionellen Konflikte der quantenfeldtheoretischen Beschreibung der elektromagnetischen, der schwachen und der starken Wechselwirkung mit der allgemein-relativistischen, geometrisierenden Be7

So ist beispielsweise die Entstehung Schwarzer Löcher im Kontext der Allgemeinen Relativitätstheorie verstehbar, aber die resultierenden Eigenschaften der Endprodukte des Gravitationskollaps sind in diesem Kontext nicht mehr vollständig beschreibbar, da für raumzeitliche Singularitäten das Äquivalenzprinzip seine Gültigkeit verliert - und damit die Allgemeine Relativitätstheorie ihre Zuständigkeit. Für den Urknall als postulierte Anfangssingularität gilt (in zeitlicher Umkehrung) letztendlich das gleiche. Die Quantenmechanik und die Quantenfeldtheorie stossen für diese Fälle ebenfalls an ihre Grenzen; sie haben Schwierigkeiten mit der Beschreibung von Prozessen bei hohen raumzeitlichen Krümmungen. Ab einem gewissen Krümmungsparameter - das Szenario betrifft die Planck-Ebene (hierzu später mehr) - wird die Gravitation genauso stark wie die übrigen Wechselwirkungen, so dass man in einer quantenfeldtheoretischen Beschreibung der anderen Wechselwirkungen über die Gravitation nicht mehr einfach hinwegsehen kann. Es fehlt also eine Theorie, die Phänomene wie den Gravitationskollaps oder den Urknall beschreiben könnte, oder eben erklären könnte, wieso es nicht zu ihnen kommt, obwohl es von seiten der Allgemeinen Relativitätstheorie danach aussieht. Details folgen in Kap. 4.2.

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schreibung der Gravitation überwinden, so bieten sich erst einmal zwei konzeptionelle Angleichungsstrategien an, die jeweils in die eine oder die andere Richtung zwischen den Konfliktpartnern gehen: Man kann einerseits versuchen, die Gravitation in den Apparat der Quantenfeldtheorien einzubeziehen - in der Hoffnung, dass sich deren Inkompatibilität doch noch überwinden lässt. Das angestrebte Ergebnis wäre eine Quantisierung der Gravitation analog zu den quantenfeldtheoretischen Beschreibungen aller anderen Wechselwirkungen, also eine Quantenfeldtheorie der Gravitation. Andererseits könnte man versuchen, die elektromagnetische, die starke und die schwache Wechselwirkung mit ihren entsprechenden Quanteneigenschaften in ein umfassendes Geometrisierungsprogramm einzubinden, analog zur Geometrisierung der Gravitation innerhalb der Allgemeinen Relativitätstheorie. Das angestrebte Ergebnis bestände in einer Geometrisierung aller Wechselwirkungen unter Einschluss ihrer Quanteneigenschaften. Die erstere Strategie liesse sich als Quantentheorie der Gravitation bzw. als "Quantengravitation", die letztere als Geometrodynamik mit Quanteneigenschaften bzw. als "Quantengeometrodynamik" bezeichnen.

Quantengeometrodynamik

Historisch betrachtet weist die Quantengeometrodynamik von beiden Strategien die älteren Wurzeln auf. Schon bald nach der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie, also der klassischen Geometrodynamik der Gravitation, versuchte Einstein im Rahmen einer "Einheitlichen Feldtheorie" die elektromagnetische Wechselwirkung - die zu dieser Zeit neben der Gravitation einzig bekannte fundamentale Kraft - in das Geometrisierungsprogramm der Allgemeinen Relativitätstheorie einzubinden. Auch das Wirken des Elektromagnetismus sollte als Ergebnis einer - mithin komplexeren - raumzeitlichen Dynamik erfasst werden. Ebenso wie schon die Gravitation in der Allgemeinen Relativitätstheorie, sollte nun auch die elektromagnetische Wechselwirkung als Eigenschaft der Raumzeit kodiert

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und verstanden werden. Übrig bleiben sollte am Ende nur noch ein metrisches Feld und seine dynamischen Eigenschaften. Einstein blieb mit diesem Programm, trotz etwa drei Jahrzehnten intensiver Bemühungen, bis zu seinem Tod erfolglos. Einen alternativen Versuch zur Einbeziehung der elektromagnetischen Wechselwirkung in das Geometrisierungsprogramm der Allgemeinen Relativitätstheorie unternahmen zudem in den zwanziger Jahren Theodor Kaluza und Oskar Klein.8 Grundlage dieser "Kaluza-Klein-Theorie" ist eine Ad-hoc-Erweiterung der Dimensionalität der Raumzeit. Zur Geometrisierung des klassischen Elektromagnetismus wurde eine zusätzliche fünfte Dimension postuliert, welche die Symmetrieeigenschaften der elektromagnetischen Wechselwirkung repräsentieren sollte.9 10 Warum ist diese fünfte Dimension aber nicht beobachtbar? Wie Oskar Klein 1926 zeigen konnte, wäre die zusätzliche Raumdimension, im Gegensatz zu den übrigen räumlichen Dimensionen, nicht als makroskopisch ausgedehnt zu verstehen, sondern als auf mikroskopischer Ebene eingerollt11 - "kompaktifiziert", wie dies heute heisst.12 Daher würde sie nicht makroskopisch in Erscheinung treten. Die Kaluza-Klein-Theorie wurde dann jedoch auftrund ihrer Inkompatibilität mit den Teilcheneigenschaften des Elektrons erst einmal vergessen.

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Siehe Kaluza (1921) und Klein (1926). Die fünfzehn fünfdimensionalen Feldgleichungen der Kaluza-Klein-Theorie zerfallen, wenn die metrischen Komponenten von den fünften Dimension unabhängig sind, in einen Satz von zehn Gleichungen, die ein Gravitationstensorfeld beschreiben und in einen Satz von vier Gleichungen, die ein elektromagnetische Vektorfeld beschreiben und den Maxwell-Gleichungen für das Vakuum entsprechen, wenn das Skalarfeld, das von der übrigbleibenden Wellengleichung beschrieben wird, konstant bleibt. Unter dieser Bedingung entsprechen die Gleichungen für das Gravitationstensorfeld zudem gerade den Einsteinschen Feldgleichungen. 10 Gunnar Nordstrom hatte schon 1914, also noch ohne die Allgemeine Relativitätstheorie, versucht, die Gravitation und den Elektromagnetismus gemeinsam auf einer fünfdimensionalen Raumzeit zu beschreiben. Nach der Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie wurde klar, dass dieser Ansatz die Gravitation nicht adäquat erfasst, sondern bestenfalls approximativ gültig sein kann. 11 Die Bedingung für eine eingerollte fünfte Dimension entspricht gerade der in der Kaluza-Klein-Theorie gewählten Voraussetzung, dass die metrischen Komponenten von den fünften Dimension unabhängig sind. 12 Siehe Kap. 2.2. 9

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Nach der Entdeckung der starken und der schwachen Wechselwirkung war es dann schliesslich nicht mehr nur die elektromagnetische Wechselwirkung, die im Rahmen eines umfassend gedachten Geometrisierungsprogramms zu erfassen war. Und unter Berücksichtigung der inzwischen deutlich gewordenen irreduziblen Quanteneigenschaften von Materie und Wechselwirkungen konnte die im Rahmen des Geometrisierungsprogramms intendierte umfassende Theorie auch keine klassische Theorie im Sinne der Allgemeinen Relativitätstheorie mehr sein. Unter diesen Randbedingungen wurde aus dem klassischen Geometrisierungsprogramm von Einstein und Kaluza/Klein in den fünfziger und sechziger Jahren die vor allem von John Wheeler propagierte "Quantengeometrodynamik".13 Ziel war es hierbei, immer noch auf der Grundlage der Riemannschen Differentialgeometrie respektive der quantenmechanischen Superposition Riemannscher Räume, alle Eigenschaften von Materie und Wechselwirkungen - d.h. unter Berücksichtigung ihrer inzwischen erschlossenen Quanteneigenschaften: von Materieteilchen und Wechselwirkungsquanten - als geometrische und topologische Eigenschaften einer dynamischen Raumzeit zu erfassen. Am Ende sollte - in völliger Umkehrung der Newtonschen Behälterauffassung des Raumes - nur noch die monistische Ontologie einer dynamischen Raumzeit übrig bleiben: leere Geometrie. Die einzige Substanz in der Welt wäre die Raumzeit. Alles andere liesse sich auf diese reduzieren. Unsere Welt wäre in dieser Darstellung eine quantenmechanische Überlagerung vierdimensionaler Riemannscher Mannigfaltigkeiten mit komplexen topologischen und metrischen Eigenschaften - nichts mehr. Alles andere, Materie und Kräfte, wären nur die diversen Ausdrucksformen des Verhaltens dieser dynamischen Raumzeit, des letztgültigen und umfassenden ontischen Substrats der Wirklichkeit. Materie(teilchen) und Wechselwirkung(squant)en entsprächen (mikroskopischen) geometrischen und topologischen Konstellationen bzw. den Komposita und Superpositionen dieser Konstellationen.14 So sollten beispielsweise elektromagnetische Ladungen als Einstein-Rosen-Brücken (Wurmlöcher) zwischen dem normalen Raumzeitkontinuum und einem Spiegelraum verstanden werden, also als mehrfach zusammenhängende Topologie der Raumzeit.15 Abhay 13

Siehe etwa Misner / Wheeler (1957) sowie Wheeler (1957) und (1962). Ein neuerer Ansatz zur Verwirklichung dieser Grundidee findet sich in BilsonThompson / Markopoulou / Smolin (2006). 15 Hierbei lassen sich Singularitäten, die in ihrer Erfassung das modelltheoretische Instrumentarium der Differentialgeometrie überschreiten, vermeiden. Mehrfach zusammenhängende Topologien stellen für dieses Instrumentarium kein Problem dar. 14

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Ashtekar sollte Wheelers Quantengeometrodynamik später als "Chemie der Geometrie" bezeichnen, auch wenn "Alchemie der Geometrie" sicherlich angemessener wäre: "Wheeler also launched an ambitious program in which the internal quantum numbers of elementary particles were to arise from nontrivial, microscopic topological configurations and particle physics was to be recast as 'chemistry of geometry'." (Ashtekar (2005) 4) Die Quantengeometrodynamik als Geometrisierung aller Wechselwirkungen ist dann aber letztlich aufgrund der Einsicht in die zu erwartenden Quantenfluktuationen der Raumzeit und ihrer Topologie gescheitert. Wenn beispielsweise Ladungen als topologische Zusammenhangsformen des Raumes verstanden werden, so legt spätestens unser Verständnis des quantenfeldtheoretischen Vakuums für eine intendierte umfassende quantengeometrodynamische Beschreibung die Notwendigkeit des Einschlusses topologischer Fluktuationen für die Raumzeit nahe. Differentialgeometrische Modellierungen sind jedoch mit Topologiewechseln unvereinbar. Zudem erwiesen sich Spinfreiheitsgrade und insbesondere masselose Fermionenfelder im Rahmen der Quantengeometrodynamik und ihrer modelltheoretischen Voraussetzungen als nicht darstellbar. Dies alles machte das Programm der Quantengeometrodynamik zu einer konzeptionellen Sackgasse. 16 17

Nach den Scheitern der Wheelerschen Quantengeometrodynamik blieb erst einmal nur die zweite Strategie übrig: die einer Quantengravitation im Sinne einer quantenfeldtheoretischen Behandlung der Gravitation.18 Um die Probleme, auf die diese Quantenfeldtheorie der Gravitation schliesslich gestossen ist, zu verstehen, ist es erforderlich, erst einmal einen Blick auf die physikalische und modelltheoretische Konzeption zu werfen, die den 16

Fortgeschrittenere Varianten, die sich vielleicht der Quantengeometrodynamik subsummieren liessen, werden in den Kapiteln 3. und 6. anzusprechen sein. 17 Wheeler hat dann schliesslich versucht, auf eine prägeometrische Beschreibungsebene auszuweichen. Diese sollte chaotische Quanteneigenschaften haben. Das raumzeitliche Geschehen sollte sich daraus als makroskopische statistische Mittelung ergeben. Er nannte dieses Konzept "Law-without-Law"-Physik (Wheeler 1979 und 1983). Von prägeometrischen Ansätzen soll in Kap. 6. die Rede sein. 18 Zur historischen Entwicklung der verschiedenen Ansätze zu einer Theorie der Quantengravitation, siehe Rovelli (2000).

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Quantenfeldtheorien und der Art und Weise, wie sie die übrigen Wechselwirkungen behandeln, zugrundeliegt:

Der quantenfeldtheoretische Ansatz Die Quantenfeldtheorien19 sind, was das ihnen zugrundeliegende Prinzip betrifft, Eichtheorien. Die konzeptionelle Grundlage von Eichtheorien besteht in der Forderung nach lokaler Eichinvarianz, also der Möglichkeit lokaler Eichtransformationen: "One of the major developments of twentieth-century physics has been the gradual recognition that a common feature of the known fundamental interactions is their gauge structure." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 1) Eichtransformationen sind Phasentransformationen einer freien Materiefeldgleichung; die Voraussetzung dafür ist die Formulierbarkeit eines Eichpotentials, auf das die Eichtransformationen angewandt werden. Das Eichpotential gehört zu dem jeweiligen Wechselwirkungsfeld. Das Eichprinzip in den Quantenfeldtheorien, das im wesentlichen in der Ausnutzung einer Redundanz in den möglichen Formulierungsweisen der Theorie besteht, liefert damit die Grundlage zur Beschreibung der Kopplung eines Materiefeldes und eines Wechselwirkungsfeldes. Formal lässt sich die lokale Eichfreiheit hinsichtlich des Eichpotentials - also die lokale Phaseninvarianz einer freien Materiefeldgleichung - durch Ersetzung der gewöhnlichen durch die kovariante Ableitung erreichen.20 Die Kovarianz unter einer lokalen Symmetrie ist formal identisch mit der Forderung nach lokaler Eichinvarianz. Mittels der kovarianten Ableitung lässt sich das Wechselwirkungsfeld einführen:

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Gute Einführungen in die konzeptionellen Grundlagen und die philosophischen Probleme der Quantenfeldtheorien sind etwa Auyang (1995), Redhead (1983), Teller (1995), Cao (1999) und (1999a), Lyre (2004) sowie Kuhlmann / Lyre / Wayne (2002). Siehe zum aktuellen Stand der Quantenfeldtheorien auch Fredenhagen / Rehren / Seiler (2006). 20 Vgl. etwa Lyre (2004).

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"In order to obtain a gauge-invariant current we introduce the following device. Replace d/dx by a new sort of derivative d/dx - i A(x) where A transforms according to A -> A + d/dx a(x). Then the modified current [...] is gauge-invariant. But this has been achieved by introducing a new field A(x) as a necessary concomitant of the original field φ(x). [...] The requirement of local gauge-invariance can be seen as requiring the introduction of a magnetic interaction for the φ field." (Redhead (2002) 290) Für die jeweiligen Modalitäten, unter denen das Eichprinzip im Sinne lokaler Eichinvarianzen bzw. lokaler Eichkovarianzen in den Quantenfeldtheorien die mathematische Basis für die Beschreibung der Kopplung eines Materiefeldes und eines Wechselwirkungsfeldes liefert, sind, je nach Typus der Wechselwirkung, entsprechende Symmetrien bzw. Symmetriegruppen bestimmend: "Symmetry is now taken as the primary guide into the structure of the elementary particle world, and the laws of change are derived from the requirement that particular symmetries, often of a highly abstract character, be preserved. Such theories are called 'gauge theories'. [...] These theories require the existence of the forces they govern in order to preserve the invariances upon which they are based. They are also able to dictate the character of the elementary particles of matter that they govern." (Barrow (1995) 41) So besteht das heutige "Standardmodell" der Elementarteilchenphysik aus der Glashow-Salam-Weinberg-Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung mit einer U(1) x SU(2)-Symmetrie und aus der Quantenchromodynamik der starken Wechselwirkung mit einer SU(3)-Symmetrie (Quarkmodell).21 Die Quantenchromodynamik ist durch den Nachweis der Quarks als Streuzentren in Hochenergieexperimenten empirisch gut untermauert, wenn auch noch nicht alle ihre Implikationen vollends verstanden sind. Das Glashow-Salam-Weinberg-Modell der elektroschwachen Wechselwirkung ist eines der besten Beispiele für den Erfolg des Konzeptes der nomologischen Vereinheitlichung. Alle Versuche einer Beschreibung der schwachen Wechselwirkung, die nicht zuletzt für den radioaktiven Betazerfall verantwortlich ist, sind gescheitert, bis man schliesslich den Ver21

Einen guten Überblick über diese beiden Theorien vermittelt etwa Becher / Böhm / Joos (1981).

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such unternahm, die schwache gemeinsam mit der elektromagnetischen Wechselwirkung im Rahmen eines einheitlichen quantenfeldtheoretischen Ansatzes zusammenzufassen. Mit dem Nachweis der W-Bosonen der schwachen Wechselwirkung (CERN, 1983) und der ebenso vorhergesagten "neutralen schwachen Ströme" (CERN, 1973) konnte dieses Konzept einer immerhin partiellen nomologischen Vereinigung dann auch empirisch bestätigt werden. Und mittels des Konzepts der spontanen Symmetriebrechung lässt sich schliesslich erklären, wieso die niederenergetische Phänomenologie der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung unterschiedlich ausfallen: "In elementary particle physics the standard model [...] is based on two key insights. The first is about unification of the fundamental forces. The second is about why that unification does not prevent the different particles and forces from have different properties. The unifying principle is that all forces are described in terms of gauge fields, based on making symmetries local. The second principle is about how the symmetries between particles and among forces can be broken naturally when those gauge fields are coupled to matter fields." (Smolin (2004) 7) Eine weitere nomologische Vereinigung der elektroschwachen GlashowSalam-Weinberg-Theorie mit der Quantenchromodynamik der starken Wechselwirkung im Rahmen einer "Grand Unified Theory" (GUT) hatte allerdings bisher keinen Erfolg. Alle GUT-Ansätze postulieren QuarkLepton-Übergänge; das gängigste Modell mit einer SU(5)-Symmetrie sagt diese mit Wahrscheinlichkeiten voraus, die zu einem Protonenzerfall mit einer Halbwertszeit unterhalb der experimentell nachweislichen Stabilität des Protons liegt. Alle weiteren GUT-Modelle zeigten sich bisher als ebenso erfolglos. Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik besteht also zur Zeit immer noch aus den Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung: keine vollständige nomologische Vereinheitlichung also, aber konzeptionelle Einheitlichkeit, was diese Wechselwirkungen betrifft. Eines der fundamentalen konzeptionellen Probleme der Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung besteht nun allerdings darin, dass die meisten physikalisch relevanten Fragestellungen, insbesondere alle, die mit Wechselwirkungen zu tun haben, im Rahmen der

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quantenfeldtheoretischen Ansätze nicht analytisch lösbar sind, obwohl diese, soweit es die freien Quantenfelder ohne Wechselwirkung betrifft, exakt und analytisch vorliegen: "So far we have only considered non-interacting fields, but clearly, in reality there is no such thing as a 'free field' (how could we ever observe it?). One therefore has to incorporate interacting fields, but then the field equations become non linear [...]. In order to solve the resulting equations one has to consult perturbation theory, where solutions are approximated in terms of infinite power series in the coupling constant. However, the higher order expansion will inevitably include divergent terms that are due to the integration over internal loops [...]. [...] In order to cope with the infinities an ingenious procedure, called renormalization, has been developed." (Kuhlmann / Lyre / Wayne (2002a) 15f) Sobald Wechselwirkungen ins Spiel kommen, kommt innerhalb der Quantenfeldtheorien ein störungstheoretischer Ansatz zur Anwendung, der die einzelnen Beiträge der für eine Wechselwirkung relevanten Einzelprozesse aufaddiert. Sie tragen mit unterschiedlichem Gewicht bzw. unterschiedlicher quantenmechanischer Wahrscheinlichkeit zur Gesamtamplitude des Wechselwirkungsprozesses bei. Die einzelnen Prozesse, welche die Gesamtwechselwirkung im Sinne einer quantenmechanischen Superposition konstituieren, lassen sich symbolisch durch Feynman-Diagramme repräsentieren. Die Zahl der inneren Wechselwirkungsschleifen im jeweiligen Feynman-Diagramm entscheidet über das Gewicht des entsprechenden Beitrags, und damit darüber, in welcher Ordnung innerhalb der perturbativen Entwicklung (nach der Kopplungskonstante der entsprechenden Wechselwirkung) der jeweilige Einzelprozess einbezogen wird. Die störungstheoretische Vorgehensweise funktioniert dann sehr gut, wenn die niedrigeren Ordnungen der Reihenentwicklung schon die wesentlichen Beiträge zur Gesamtamplitude liefern, und die höheren nur zu immer kleineren Korrekturen führen, d.h. wenn die Reihenentwicklung konvergiert. Wendet man die perturbative Prozedur innerhalb der Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung an, so ergeben sich aber unglücklicherweise divergente Reihenentwicklungen: also unendliche Werte für die zu berechnenden Gesamtamplituden. Man könnte nun meinen, dass dies das Aus für die propagierten quantenfeldtheoretischen Mo-

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delle der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung bedeutet. Mitnichten: Um die Divergenz des perturbativen Verfahrens zu beheben, wurde die Methode der Renormierung entwickelt. Renormierungsverfahren entsprechen formal der mathematisch konsistenten Transposition der perturbativen Divergenzen in die physikalischen Parameter der Theorie, die dann im Anschluss jedoch nicht mehr theoretisch vorhergesagt, sondern nur noch experimentell ermittelt werden können. Physikalisch entsprechen sie einem Übergang von den unendlichen Grössen der quantenfeldtheoretischen Selbstwechselwirkung von punktförmigen Entitäten auf eine ausschliessliche Behandlung effektiver Wechselwirkungsgrössen. Die Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung haben sich allesamt als renormierbar erwiesen, allerdings um den Preis, dass das quantenfeldtheoretische Standardmodell zirka 20 freie Parameter enthält, deren numerische Werte nicht von der Theorie vorhergesagt werden, sondern allesamt empirisch zu bestimmen sind.22 Die betroffenen Theorien können damit bestenfalls den Status effektiver Theorien für sich beanspruchen. Ob sich diese freien Parameter und ihre Werte im Rahmen einer fundamentaleren Theorie erklären lassen, zu der die Quantenfeldtheorien des Standardmodells nur Näherungen mit Gültigkeit für spezifische Parameterbereiche liefern, oder ob die freien Parameter des Standardmodells ein Zeichen für eine grundlegende, irreduzible Kontingenz sind, ist zur Zeit noch unklar. Ziel sollte es jedoch erst einmal sein, zu versuchen diese Parameter abzuleiten. Erst wenn dies nicht gelingt und deutlich wird, wieso es nicht gelingt, kommt die These irreduzibler Kontingenz ins Spiel. Die Existenz einer derart grossen Zahl freier Parameter ist jedenfalls zweifelsohne eine der besten Motivationen für die Suche nach einer fundamentaleren Theorie.23 Wünschenswert wäre es natürlich, wenn eine solche funda22

Zu diesen Parametern des Standardmodells gehören etwa die Massen der fermionischen Materieteilchen (Quarks und Leptonen), der bosonischen Wechselwirkungsteilchen (Photon, W-Bosonen, Gluonen) und der Skalarfeldquanten (Higgs-Teilchen), die jeweiligen Kopplungsparameter für die einzelnen Wechselwirkungen sowie die Mischungswinkel zwischen den verschiedenen Wechselwirkungen. Siehe auch Tegmark / Aguirre / Rees / Wilczek (2006). 23 Hierbei kann man sich angesichts der störungstheoretischen Prozeduren, der Divergenzen und der Notwendigkeit der Renormierung natürlich fragen, ob man mit den Quantenfeldtheorien eine geeignete modelltheoretische Grundlage gewählt hat, um die entsprechenden physikalischen Prozesse zu beschreiben. Vielleicht stellen die

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mentalere Theorie erst gar keine perturbativen Divergenzen hervorbringen würde, die eine Renormierung mit allen ihren Folgen notwendig werden liesse. Ebenso wünschenswert wäre es, wenn eine solche Theorie mit einer geringeren Zahl an Parametern auskäme als das Standardmodell. Wenn man Kontingenz gänzlich ausschliessen wollte, müsste man auf eine Theorie mit bestenfalls einem freien Parameter setzen, der einer Kalibrierung auf unser Einheitensystem entspräche und konsequenterweise empirisch zu bestimmen wäre. Neben dem Problem der freien Parameter gibt es eine ganze Reihe weiterer offener physikalischer Probleme des Standardmodells, für die man sich eine Antwort im Rahmen einer fundamentaleren Theorie erhofft. Zu diesen zählen etwa die Frage nach der Festlegung der Eichinvarianzen des Standardmodells und nach den physikalischen Ursachen für die jeweiligen Symmetriebrechungen. Ebenso wäre eine Erklärung für die Existenz und Zahl der Teilchengenerationen, für die Chiralität von Materieteilchen sowie für den Ursprung von Masse wünschenswert.24 Probleme das Resultat einer unangemessen Verwendung von Kontinuumsmodellen dar, die hier an ihre endgültige Grenze stossen. Vielleicht kommt man mit diskreten mathematischen Ansätzen weiter. Hierfür sprechen auch Argumente, die sich aufgrund der Konsequenzen der Bekenstein-Hawking-Entropie Schwarzer Löcher ergeben. Sie legen ein diskret strukturiertes Substrat und eine diskrete Raumzeit nahe; vgl. Kap. 6.2.. Gerard 't Hooft (1993) etwa argumentiert für Zelluläre Automaten als Modellgrundlage für den Bereich der Quantengravitation; Seth Lloyd schlägt dafür die Quantenversion zellulärer Automaten vor: "But which computation corresponds to the universe we see around us? What is the 'mother' computation? We do not yet know. Candidate computations must be investigated to determine the ones that are compatible with observation. [...] A quantum cellular automaton is a natural choice for the computational substrate [...]." (Lloyd (2005) 16) Lloyd streicht allerdings heraus, dass die Frage der konkreten Modellierung eines diskreten Substrats letztendlich nicht entscheidend ist, wenn dazu eine Universelle Quanten-Turing-Maschine verwendet wird: "In the end, the actual layout of the computation may not be so important. A key ability of a universal quantum computer is to simulate any other universal quantum computer. It may be that almost any universal computation will do for the computational universe." (Lloyd (2005) 17) Siehe hierzu auch Wolfram (2002) sowie Hedrich (2002c). 24 In Bezug auf letzteres bietet der Higgs-Mechanismus des Standardmodell keine wirkliche Lösung, sondern nur eine Problemverlagerung. Er erklärt zwar das Zustandekommen von Teilchenmassen im quantenfeldtheoretischen Rahmen in dynamischer Weise, trägt aber nichts dazu bei zu erklären, was Masse letztendlich ist und wie es

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Eine fundamentalere Theorie, innerhalb derer sich vielleicht die Erklärungsdesiderate des quantenfeldtheoretischen Standardmodells aufarbeiten liessen, wird sich aber vermutlich erst finden lassen, wenn das Problem der konzeptionellen Unverträglichkeit des quantenfeldtheoretischen Ansatzes mit der allgemein-relativistischen Gravitationstheorie gelöst ist. Die gesuchte Theorie der Quantengravitation könnte also ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer fundamentaleren Theorie sein, wenn es sich nicht sogar herausstellen sollte, dass das Ergebnis der Suche nach einer Quantengravitationstheorie schon die Lösung des allgemeineren Problems darstellt.

Eine Quantenfeldtheorie der Gravitation ?

Wenn - wie das Scheitern der Wheelerschen Quantengeometrodynamik zeigt - die umfassende Geometrisierung aller Wechselwirkungen nicht ohne weiteres erreicht werden kann, so bietet sich für die Entwicklung der gesuchten Theorie einer Quantengravitation erst einmal vor allem die Strategie an, zu versuchen die Gravitation in den Kontext der Quantenfeldtheorien einzubinden. Das Ziel wäre eine konzeptionelle, modelltheoretische Vereinheitlichung einer solchermassen zu entwickelnden Quantengravitationstheorie mit den schon bestehenden Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung. Gravitation würde dabei, im Sinne aller anderen Wechselwirkungen, als Folge des Austauschs von Wechselwirkungsquanten zwischen Materieteilchen verstanden. Auf der Grundlage der phänomenologisch erschlossenen, dynamischen Struktur der gravitativen Wechselwirkung (langreichweitig, ausschliesslich anziehend) ergibt sich, dass das Wechselwirkungsquant ein masseloses Spin-2Teilchen sein müsste: das sogenannte "Graviton". Die seit den sechziger Jahren unternommenen Versuche, eine Einbindung der Gravitation mittels der sogenannten "Kovarianten Quantisierung" und mithin auf der Grundlage der Methoden der perturbativen Quantenfeldetwa zur Äquivalenz von schwerer und träger Masse kommt - eine Tatsache, die auch von der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht erklärt wird, sondern gerade als phänomenologisches Faktum vorausgesetzt wird.

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theorien zu erreichen, haben bisher nur den Schluss zugelassen, dass eine abschliessende Einbeziehung der Gravitation in den Kontext der Quantenfeldtheorien im Sinne einer entsprechenden Quantisierung des Gravitationsfeldes aus konzeptionellen Gründen nur schwerlich realisierbar zu sein scheint.25 Die Gravitation ist offensichtlich mit dem Instrumentarium der Quantenmechanik und der Quantenfeldtheorien auf diese Weise nicht in Einklang zu bringen. Ein Symptom dieser Schwierigkeit besteht etwa in der Nicht-Renormierbarkeit der perturbativen quantenfeldtheoretischen Erfassung der Gravitation. Ursache hierfür ist wohl nicht zuletzt die Nichtlinearität der Gravitation, die schon in der Allgemeinen Relativitätstheorie zum Ausdruck kommt, respektive die Selbstwechselwirkung der Gravitonen. Die Gravitation koppelt an die Masse und, infolge der Masse-EnergieÄquivalenz, an die Energie an.26 So ergeben sich für kleiner werdende Abstände und steigende Energien immer höhere Selbstwechselwirkungsbeiträge zur Gravitation, da infolge der unter diesen Bedingungen zunehmenden Energie der virtuellen Vakuumteilchen die höheren Glieder der perturbativen Entwicklung eine immer wichtigere Rolle spielen. Dies führt im perturbativen Ansatz für steigende Energien zu immer weiter steigenden, divergenten Beiträgen in der Reihenentwicklung. Die Divergenz ist, im Gegensatz zu den für die anderen Wechselwirkungen und ihre perturbative Behandlung auftretenden Divergenzen, infolge der Kopplung der Gravitation an die Energie nicht mehr kontrollierbar.27 Gerade dies hat die Nicht-Renormierbarkeit der Gravitation in einem perturbativen quantenfeldtheoretischen Ansatz zur Folge: "[...] such non-renormalizable theories become pathological at short distances [...] - perhaps not too surprising a result for a theory which attempts in some sense to 'quantize distance'." (Callender / Huggett (2001 a) 5) Letztlich ist die in der Nicht-Renormierbarkeit des perturbativen quantenfeldtheoretischen Ansatzes zur Quantengravitation zum Ausdruck kommende konzeptionelle Unvereinbarkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie 25

Siehe Kap. 3. Einen Überblick über die Versuche, mit dieser Problematik umzugehen, geben auch Callender / Huggett (2001a), Rovelli (1998) und (2001) sowie Kiefer (1994). 26 Alle anderen Wechselwirkungen koppeln nur an ihre entsprechenden "Ladungen" an. 27 Siehe etwa Giddings (2005).

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mit den Quantenfeldtheorien bzw. der Quantenmechanik nicht sehr verwunderlich: Auf der Grundlage der Identität der Gravitation mit den metrischen Eigenschaften der Raumzeit innerhalb der Allgemeinen Relativitätstheorie lässt sich für eine quantenmechanische Behandlung der Gravitation, also eine Theorie der Quantengravitation, die Notwendigkeit einer Beschreibung ohne festen Hintergrundraum vermuten.28 Wenn Gravitation mit den metrischen Eigenschaften der dynamischen Raumzeit identisch ist, so kann man nicht die Gravitation wiederum als Wechselwirkungsgeschehen auf einer statischen Raumzeit beschreiben wollen. Genau dies tun aber die Quantenfeldtheorien, die auf der Grundlage ihrer modelltheoretischen Konzeption notwendigerweise mit einer klassischen, statischen, quasiabsoluten, nicht ins dynamische Geschehen einbezogenen Raumzeit arbeiten. Schliesslich entspricht dies dem Versuch, die dynamische Raumzeit der Gravitation auf einer statischen Raumzeit zu quantisieren. Dass dies nicht funktioniert, sollte niemanden verwundern. Wahrscheinlich müsste eine Beschreibung der Gravitation als Folge des Austauschs von Wechselwirkungsquanten zwischen Materieteilchen gänzlich ohne die Voraussetzung einer Raumzeit auskommen. Eine Quantisierung der Gravitation entspricht nämlich, wenn die fundamentalen Einsichten der Allgemeinen Relativitätstheorie hinsichtlich des Verhältnisses von Gravitation und Raumzeit zutreffen, letztlich gerade einer Quantisierung der metrischen Eigenschaften der Raumzeit, also einer "Quantengeometrie". Für den Bereich, für den die Gravitation etwa die gleiche Stärke wie die anderen Wechselwirkungen annimmt - die Planck-Ebene29 -, sind metrische und vielleicht 28

Siehe Kap. 6. Die Planck-Grössen, welche die raumzeitliche Grössenordnung und den Energiebereich kennzeichnen, für den die Gravitation etwa die gleiche Stärke wie die übrigen Wechselwirkungen aufweisen sollte, und für den erwartungsgemäss nicht mehr über die Quanteneffekte der Gravitation und der Raumzeit hinweggesehen werden kann, ergeben sich als Kombination grundlegender Naturkonstanten, indem man die Compton-Wellenlänge eines materiellen Objektes mit seinem allgemein-relativistischen Schwarzschildradius gleichsetzt: Planck-Länge: lP = ( +h G / c3 )1/2 = 1,62 10-35 m Planck-Zeit: tP = ( +h G / c5 )1/2 = 5,40 10-44 sec Planck-Masse bzw. -Energie: mP = ( +h c / G )1/2 = 2,17 10-5 g = 1,22 1019 GeV/c2

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(+h: Plancksches Wirkungsquantum, G: Gravitationskonstante, c: Lichtgeschwindigkeit)

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sogar topologische Fluktuationen und Unschärfen zu erwarten, die für die Beschreibung der Raumzeit und ihrer Eigenschaften eine "Theorie der Quantengeometrie" unabdinglich machen. Diese Theorie der Quantengeometrie kann aber ganz sicher nicht in einem perturbativen quantenfeldtheoretischen Ansatz erreicht werden. Vielleicht gibt es jedoch, wie zumindest einige Physiker vermuten, im Rahmen eines nicht-perturbativen Ansatzes zur Quantengravitation die Möglichkeit, das Problem des Hintergrundraumes zu überwinden. "[...] perturbative quantum [general relativity] leads to even worse divergences, due to its non-renormalizability, but a full non-perturbative framework without any divergences may exist." (Kiefer (2004) 3) Einiges spricht dafür, dass der auf dem noch zu erörternden nicht-perturbativen Programm einer "Kanonischen Quantengravitation" aufbauende Ansatz der "Loop Quantum Gravity" hierzu in der Lage sein könnte.30

Quantengravitation durch nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen ?

Eine andere Strategie basiert auf der Vermutung, dass sich die Gravitation vielleicht nur gemeinsam mit den anderen Wechselwirkungen adäquat innerhalb eines quantenfeldtheoretischen Ansatzes beschreiben lässt und sich die Probleme, auf die eine Quantisierung der Gravitation erst einmal stösst, dabei auf wundersame Weise beseitigen oder vermeiden lassen. Anlass für eine solche Hoffnung liefern die Erfahrungen mit der schwachen Wechselwirkung. Alle Versuche, diese in ihrem dynamischen Ver"Max Planck, discoverer of the quantum, first noticed that certain basic physical constants can be combined to produce a quantity with the dimension of length. He did not know what this length might represent, but he argued that it is a 'natural' length, more significant than any length based on the sizes of objects in our everyday world [...]. The constants that Planck combined were the gravitational constant G from gravitational theory, the speed of light c from electromagnetic theory, and his quantum constant h." (Wheeler / Ford (1998) 247) Zur Problematik der Planck-Ebene in der Quantengravitation siehe auch Meschini (2006). 30 Siehe Kap. 3.

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halten zu beschreiben, endeten erst einmal in nicht-renormierbaren Theorien. Den Erfolg bracht dann schliesslich die Glashow-Salam-WeinbergTheorie der elektroschwachen Wechselwirkung, in der die schwache mit der elektromagnetischen Wechselwirkung nomologisch vereinigt wird: "The success of the electroweak theory suggested a second line of attack. [...] The successful unification of electromagnetic and weak interactions suggested the possibility that a consistent theory would result only when gravity is coupled with suitably chosen matter." (Ashtekar (2005) 6) Vielleicht - so die Hoffnung - treten im Rahmen eines nomologisch vereinheitlichen Ansatzes, der gemeinsam mit allen anderen Wechselwirkungen auch die Gravitation einschliesst, die nicht-renormierbaren Divergenzen perturbativer Ansätze zur Quantisierung der Gravitation gar nicht mehr auf. Vielleicht heben sich die Divergenzen der gravitativen Wechselwirkung und die der anderen Wechselwirkungen gerade gegenseitig auf. Vielleicht macht die Einbeziehung der Gravitation also sogar die bisherigen, für die Quantenfeldtheorien der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung erforderlichen, problematischen Renormierungsverfahren obsolet, so dass die Parameter der resultierenden Theorie nicht mehr experimentell bestimmt werden müssen, sondern vorhergesagt werden können. Die für das Erreichen dieses Zieles einer umfassenden nomologischen Vereinigung naheliegende Strategie beruht, wenn man weiterhin auf Eichtheorien setzt, auf der Erfahrung, dass eine ausreichend grosse und angemessen ausgewählte Eichsymmetriegruppe der beste Weg ist, die Divergenzen zu beseitigen. Wählt man aber eine zu grosse Symmetriegruppe, so sind Bosonen mit Spin 3 oder mehr die Folge. Dies führt zu physikalischen Effekten, die mit der bekannten empirischen Phänomenologie unverträglich sind. Möglicherweise gibt es also nur wenige Theorien, welche die Symmetrien des Standardmodells als Untergruppen enthalten und gleichzeitig in der Lage sind, sowohl störungstheoretische Divergenzen als auch Bosonen mit höherem Spin als 2 zu vermeiden. Diese Strategie hat aber im Rahmen der Quantenfeldtheorien nie zum Erfolg geführt. Es liess sich keine Quantenfeldtheorie mit den erforderlichen Symmetrieeigenschaften finden. Die nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen scheint sich auf diesem Wege nicht realisieren zu las-

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sen.31 Stattdessen kann der Stringansatz, als Erweiterung der Quantenfeldtheorien, jedoch gerade als Versuch gesehen werden, diese Strategie zu Ende zu bringen: "Superstrings possess by far the largest set of gauge symmetries ever found in physics, perhaps even large enough to eliminate all divergences of quantum gravity. Not only does the superstring's symmetry include that of Einstein's theory of general relativity and the YangMills theory, it also includes supergravity and the Grand Unified Theories (GUTs) as subsets." (Kaku (1999) 4)

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Eine differenziertere Behandlung dieser Problematik findet sich in Kap. 3.

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2. Der Stringansatz 2.1. Perturbative Stringtheorien: Gravitation, Supersymmetrie und höhere Dimensionalität Der Stringansatz32, so unvollständig er in mancher Hinsicht bisher auch sein sollte, ist zur Zeit der am weitesten ausgearbeitete Versuch einer das Vereinheitlichungsprogramm der Physik abschliessenden gemeinsamen Beschreibung aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation. Er erweitert die perturbativen Prozeduren der Quantenfeldtheorien von punktförmigen Entitäten ("Punktteilchen" als den Feldquanten der entsprechenden Materie- und Wechselwirkungsfelder) zu eindimensional ausgedehnten Objekten - den Strings - und ihren quantenmechanischen (Schwingungsund Bewegungs-) Zuständen.33 Worin besteht aber der Vorteil dieses Übergangs? Wieso vollzieht man für eine Vereinigung aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation gerade einen Übergang zur Quantenmechanik eindimensional ausgedehnter Objekten? Dass eine Vereinigung aller Wechselwirkungen sich im Rahmen einer Quantenfeldtheorie, die von Punktobjekten als den Anregungszustän32

Systematische Einführungen in den Stringansatz bieten etwa Lüst / Theisen (1989), Hatfield (1992), Kaku (1999), Polchinski (1994) (1999) (2000) (2000a) sowie Zwiebach (2004). Einen Überblick über die Literatur zum Stringansatz gibt Marolf (2003). 33 Im klassischen Bild entspricht dies einem Übergang von der eindimensionalen Weltlinie (bzw. Trajektorie) eines Punktteilchens zum zweidimensionalen Weltblatt eines String. Die klassische Stringdynamik wird dann unter Berücksichtigung der Lorentz-Invarianz der Speziellen Relativitätstheorie quantisiert. So erhält man eine relativistische Quantentheorie der Dynamik eindimensional-ausgedehnter Objekte, um die es im folgenden erst einmal gehen wird. Im Rahmen einer zweiten Quantisierung sollte diese sich dann schliesslich zu einer Quantenfeldtheorie der Strings ("String Field Theory") erweitern lassen. Dass es hiermit letztendlich Probleme gibt und der formale Übergang von der Darstellung der Stringdynamik in der ersten Quantisierung zu der in der zweiten Quantisierung nicht ohne weiteres zu den gewünschten Ergebnissen führt, wird in Kap. 4.1. zu erörtern sein.

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den der entsprechenden Felder handelt, offensichtlich nicht erreichten lässt, zumindest wenn man störungstheoretische Prozeduren zum Einsatz bringt, haben die bisherigen Versuche in diese Richtung und die bei diesen auftretenden nicht-renormierbaren Divergenzen überzeugend gezeigt. Wieso geht man aber von eindimensionalen und nicht gleich von zwei-, drei- oder höherdimensionalen Grundentitäten und ihrer Dynamik aus? - Scheinbar aus gutem Grund: Höherdimensionale Grundelemente führen, zumindest im perturbativen Ansatz,34 wiederum zu unkontrollierbaren Divergenzen, die auf die inneren Freiheitsgrade dieser Grundelemente zurückgehen: "One natural question is, why one-dimensional objects and not twodimensional or higher? For this at least there is a simple answer. Extended objects have an infinite number of internal degrees of freedom (the Fourier modes describing their shape). Spreading out point particles into extended objects softens the spacetime divergences but introduces potential new divergences from the internal degrees of freedom. The latter grow worse as the dimension of the object increases, and the one-dimensional case is the only one for which both the spacetime and internal behavior is under control." (Polchinski (1996) 6f) Eindimensional ausgedehnte Grundelemente scheinen gerade den Vorteil zu haben, sowohl die raumzeitlichen Divergenzen von Theorien, die von punktförmigen Entitäten ausgehen, als auch die in den internen Freiheitsgraden begründeten Divergenzen von Theorien mit höherdimensionalen Grundelementen zu vermeiden. Sie scheinen diesbezüglich den idealen Kompromiss darzustellen. Im Stringansatz gibt es im Gegensatz zu den Quantenfeldtheorien keine Wechselwirkungspunkte. Da die Strings sich (im klassischen Bild) nicht auf eindimensionalen Weltlinien, sondern auf zweidimensionalen Weltblättern bewegen, treten gerade nicht die Wechselwirkungsvertices auf, die zu den Divergenzen innerhalb der Quantenfeldtheorien führen und den Singularitäten in den Feynman-Diagrammen entsprechen. Die Weltblätter der Stringdynamik verbinden sich vielmehr in der Darstellung der Feyn34

Die im Verlauf der Entwicklung des Stringansatzes zutagetretende Einsicht, dass auch höherdimensionale Entitäten eine Rolle spielen, ergibt sich dann auch konsequenterweise erst im nicht-störungstheoretisch erfassbaren Bereich der Stringdynamik. Vgl. Kap. 2.3. und 2.4.

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man-Diagramme zu räumlich ausgedehnten, singularitätsfreien Strukturen mit unterschiedlicher Topologie: "The string 'Feynman rules' are very different, and cannot even be approximated by particle QFT. String theory is therefore more than simply combining infinitely many particle fields, and it is this what makes a crucial difference." (Lerche (2000) 16) Die in den Quantenfeldtheorien für steigende Energien und kleiner werdende Abstände typischen Divergenzen35 werden, wie man annimmt, im Rahmen des Stringansatzes dadurch vermieden, dass es für den String eine minimale Ausdehnung gibt. Die Grösse des String wächst für steigende Energien und kleiner werdende Wechselwirkungsabstände infolge der Unbestimmtheitsrelation, so dass sich der räumliche Wechselwirkungsbereich ausdehnt.36 Anschaulich lassen sich die Wechselwirkungszonen der Strings als räumlich verschmiert betrachten. Die für die verschiedenen Wechselwirkungen im quantenfeldtheoretischen Ansatz auftretenden Divergenzen, die für den Fall der Gravitation sogar nicht-renormierbar sind, löschen sich, wie man vermutet, gerade gegenseitig aus, so dass am Ende ein finiter Wert übrigbleibt. Die resultierende Theorie müsste dann nicht einmal renormiert werden, was für eine fundamentale Theorie unabdingbar ist, da eine Renormierung immer empirisch zu bestimmende, freie Parameter ins Spiel bringt, die wiederum auf einer fundamentaleren Ebene zu erklären wären. Die Notwendigkeit der Renormierung zeigt also gerade, dass eine Theorie nicht fundamental sein kann. Insofern hat der Stringansatz, wenn er als fundamentale Theorie in Frage kommen soll, überhaupt nur die Perspektive, ohne Renormierung auszukommen. Er muss entweder zu einer finiten Theorie führen, die keiner Renormierung bedarf, oder er wäre als fundamentale Theorie ohne Erfolgsaussichten. Man weiss ohnehin inzwischen, dass eine Theorie der Quantengravitation notwendigerweise entweder finit oder nicht-renormierbar ist: "[...] it can be shown that theories which include gravity are either finite or non-renormalizable [...]." (Hawking (1980) 18f)

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Gerade für hohe Energien werden die Divergenzen im Rahmen einer quantenfeldtheoretischen Behandlung der Gravitation infolge der Selbstwechselwirkung der Gravitonen unkontrollierbar. 36 Besser verstehen lässt sich dies im Rahmen der T-Dualität. Siehe Kap. 2.3.

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Aber Nachweise für die Divergenzfreiheit der Stringtheorien gibt es bisher nur bis zur zweiten störungstheoretischen Ordnung.37 Es lässt sich jedoch immerhin plausibel machen, dass die Divergenzfreiheit auch für die höheren Ordnungen gilt, was sogar von Vertretern von Konkurrenzansätzen bestätigt wird: "[...] it is widely believed that the perturbation theory is finite to all orders; it does not even have to be renormalized." (Ashtekar (2005) 7) Ein weiterer Vorteil des Stringansatzes besteht nach Ansicht seiner Vertreter in der mit ihm einhergehenden Reduzierung von Kontingenz. Theorien, die von punktförmigen Entitäten ausgehen, lassen sich in beliebiger Weise, für beliebige Symmetriegruppen und eine beliebige Zahl von Raumzeitdimensionen, mit beliebigen freien Parametern formulieren. Für den Stringansatz hingegen haben sich die internen Festlegungen als so einschränkend erwiesen, dass es lange Zeit als sehr schwierig galt, überhaupt eine konsistente Theorie zu formulieren.38 Die Ursache dafür liegt darin begründet, dass sich für Punktentitäten mit ihren eindimensionalen Trajektorien (Weltlinien) beliebige Wechselwirkungen formulieren lassen. Die Weltblätter der Stringdynamik liefern als Riemannsche Mannigfaltigkeiten hingegen sehr restriktive Festlegungen für die möglichen Wechselwirkungen von Strings: "One of the crucial reasons why there are so many point particle actions (and so few string actions) is the difference between graphs and manifolds. The nontrivial restrictions placed on manifolds severely restrict the number of consistent string theories." (Kaku (1999) 53) Dies alles liefert aber noch nicht die Antwort auf die Frage, wieso der Stringansatz überhaupt als vielversprechender Anwärter für eine umfassende nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen gilt. Die Antwort auf diese Frage hat sich in höchst kurioser und zufälliger Weise im Rahmen eines nur wenig geradlinigen historischen Entdeckungs- und Entwicklungsganges ergeben. Von diesen historischen Irrwegen soll erst spä-

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Bis dahin sind sogar die alten Supergravity-Theorien divergenzfrei, von denen in Kap. 2.3. die Rede sein wird. 38 Die Kontingenzproblematik wird ausführlichst in Kap. 5. zu erörtern sein.

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ter die Rede sein.39 Die kurze Antwort lautet: Der Stringansatz schliesst in seiner Beschreibung notwendigerweise masselose Spin-2-Bosonen ein, die infolge ihres Verhaltens als Gravitonen interpretiert werden können. Der Stringansatz reproduziert damit nicht zuletzt die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung. Wie es dazu kommt, ist eine Frage, die eine Erörterung der formalen Konzeption des Stringansatzes erfordert.

Die formale Konzeption

Der klassische String ist ein eindimensional-ausgedehntes Objekt, dessen Dynamik auf einem d-dimensionalen Minkowski-Raum erfasst wird.40 Das zweidimensionale Weltblatt der klassischen Stringbewegung auf diesem ddimensionalen Minkowski-Raum wird durch die von 0 bis 2 π laufenden internen Stringkoordinaten σ und die Eigenzeit τ beschrieben. Die Einbettung des Weltblatts in den d-dimensionalen Minkowski-Raum wird durch d Koordinaten-Funktionen Xµ(σ,τ) erfasst. Diese d Funktionen lassen sich formal als Felder einer zweidimensionalen Quantenfeldtheorie ansehen. Unter Berücksichtigung der Stringspannung41 bzw. der Masse oder Energie pro Längeneinheit, lässt sich eine klassische Wirkungsfunktion42 für den String formulieren, die im wesentlichen der Fläche des Weltblattes des String entspricht. Nach einer geeigneten Transformation zeigt diese Wirkungsfunktion Symmetrieeigenschaften, die zu einer zweidimensionalen klassischen konformen Feldtheorie gehören. Die konforme Invarianz entspricht der Tatsache, dass eine Umbenennung der Koordinaten σ auf dem Weltblatt des String die physikalischen Zustände nicht verändert.

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Dieser historische Entwicklungsgang wird in Kap. 4.1. genauer zu beleuchten

sein. 40

Formal ist dieser "target space" auf gekrümmte Mannigfaltigkeiten erweiterbar. Siehe Sanchez (2003). 41 Die Stringspannung ist eine Konstante. Sie ist umgekehrt proportional zum Quadrat einer für die Stringtheorien grundlegenden Längeneinheit. 42 Für den einfachen bosonischen String ist dies die sogenannte Nambu-GotoWirkung.

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Es gibt zwei verschiedene Stringtopologien: offene und geschlossene Strings. Für geschlossene Strings gilt: Xµ(σ + 2π,τ) = Xµ(σ,τ). Kein Punkt des geschlossenen String ist topologisch ausgezeichnet. Daher gibt es auch keine Möglichkeit für fixierte Ladungen ohne Symmetriebrechung. Offene Strings hingegen können an ihren Enden Ladungen43 tragen, die als Quellen der entsprechenden Felder wirksam werden.44 Ebenso gibt es zwei verschiedene Bewegungsformen für den klassischen String, sowohl für den offenen, als auch für den geschlossenen: die Translationsbewegung und die Oszillation. Für letztere sind rechtsorientierte (holomorphe) und linksorientierte (antiholomorphe) Schwingungen zu berücksichtigen.

Quantisierung und Stringzustände

Für die Quantisierung des String geht man nach gewöhnlichen quantenmechanischen Prozeduren vor. Man definiert Operatoren für die klassischen Grössen, die Kommutatorrelationen gehorchen, und entwickelt nach holomorphen und antiholomorphen Schwingungsmodi.45 43

Diese Ladungen sind hier erst einmal als Verallgemeinerung elektrischer Ladungen zu verstehen. 44 Die Ladungen lassen sich formal per Chan-Paton-Verfahren an die Enden anfügen: "For the open superstring it is possible to introduce gauge symmetries using the Chan-Paton procedure: we attach charges to the endpoints of the string." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 111) "In the open string the gauge charges are carried by the Chan-Paton degrees of freedom at the endpoints. In the closed string the charges are carried by fields that move along the string." (Polchinski (2000a) 59) Die Anfügung von Ladungen im Chan-Paton-Verfahren lässt sich jedoch nicht aus der Theorie heraus dynamisch begründen, sondern entspricht einer Ad-hoc-Prozedur, um mathematische Anomalien zu vermeiden: "The Chan-Paton version of gauge string has the obvious disadvantage that the charged fields [...] are not an intrinsic part of the theory." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 17) 45 Für die Quantisierung gibt es, zumindest im Rahmen der alten bosonische Stringtheorie und der alten Neveu-Schwarz-Ramond-Formulierung des Superstringansatzes diverse Optionen. (Vgl. Kaku (1999), Kap. 2. und 3.5.) Diese unterscheiden

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"[...] string theory is easy to quantize because its Hamiltonian is quadratic in the string variables. Simple harmonic oscillators can be used to quantize the theory." (Kaku (1999) 99) Nach der Quantisierung eines klassischen relativistischen Strings ohne interne Struktur auf einer flachen Raumzeit ergeben sich Schwingungszustände mit unterschiedlicher Masse und Spin. Neben in erster Näherung masselosen Zuständen gibt es eine unendliche Serie von Zuständen mit

sich vor allem darin, inwiefern in ihnen die Lorentz-Invarianz, also die Kompatibilität mit der Speziellen Relativitätstheorie, und die quantenmechanische Unitarität der Dynamik direkt berücksichtigt werden oder erst im Nachhinein einfliessen: Die Gupta-Bleuler-Quantisierung (auch als "alte kovariante Quantisierung" bezeichnet) mit ihrer manifesten Lorentz-Invarianz infolge einer konformen Eichung bzw. der konformen Transformationsinvarianz führt zu einer Darstellung der Theorie in Form freier Felder. Dieser einfache Quantisierungsansatz ist jedoch nicht unitär; es treten "Geist"-Zustände mit negativer Wahrscheinlichkeit auf, die in einem aufwendigen Verfahren ausgeschlossen werden müssen. Dieses Ausschlussverfahren entspricht der noch zu erörternden Virasoro-Algebra und führt schliesslich zur ebenfalls noch zu erörternden Festlegung der Dimensionszahl: "The price we have to pay for this simplicity, however, is that we must impose the Virasoro constraints directly onto the Hilbert space to eliminate ghosts." (Kaku (1999) 90) Die Lichtkegel-Quantisierung verfügt über manifeste Unitarität, dafür aber nicht über eine manifeste Lorentz-Invarianz. Dies macht wiederum Einzelüberprüfungen erforderlich, die für Strings recht kompliziert ausfallen und ebenso zur Festlegung der Dimensionszahl führen: "The great advantage of the light cone gauge is that the Virasoro constraints have been explicitly solved, so there is no need to impose them on states. [...] However, the great disadvantage is that we must tediously check for Lorentz invariance at each step of the calculation." (Kaku (1999) 69) Die BRST-Quantisierung (auch als "neue kovariante Quantisierung" bezeichnet), eine Erweiterung des Fadeev-Popov-Verfahrens der Quantenfeldtheorien, stellt einen Kompromiss zwischen den vorangehend genannten Prozeduren dar. Sie verfügt über eine manifeste Unitarität wie über eine manifeste Lorentz-Invarianz, ist aber dafür komplizierter als die beiden Alternativen. Man hat also die Wahl zwischen Ansätzen, welche die erforderlichen konzeptionellen Randbedingungen und Symmetrien deutlicher machen, und solchen, die einfacher handhabbar sind. Innerhalb der Green-Schwarz-Formulierung des Superstringansatzes stellt die Lichtkegel-Quantisierung dann die einzige Möglichkeit dar; vgl. Kaku (1999), Kap. 3.7. und 3.8.

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Massen im Bereich von ganzzahligen Vielfachen der Planck-Masse.46 Alle diese Zustände sind als dynamische Erscheinungsformen des String anzusehen: "The basic idea is that the string has different states with the properties of different particles. Its internal vibrations are quantized, and depending on which oscillators are excited it can look like a scalar, a gauge boson, a graviton, or a fermion." (Polchinski (1999) 10) Wenn die Stringdynamik alle Wechselwirkungen erfassen soll, müssten alle unsere bekannten Wechselwirkungsquanten den in erster Näherung masselosen Oszillationszuständen des String entsprechen. Es müssten innerhalb des Spektrums masseloser Stringzustände gerade solche mit den entsprechenden Eigenschaften (Quantenzahlen) der bekannten Wechselwirkungsquanten existieren. Dies scheint grundsätzlich gewährleistet zu sein. Für den offenen String ergeben sich nach der Quantisierung als masselose Zustände gerade Spin-1-Vektor-Bosonen, die formal denen der starken und der elektroschwachen Wechselwirkung entsprechen. Die Eichinvarianzen der Quantenfeldtheorien und die zugehörigen Yang-MillsEichfelder ergeben sich von selbst aus der Dynamik quantisierter offener Strings: "[...] gauge covariance is not imposed from outside, but is an intrinsic property of the string." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 16) Die spezifischen Eichinvarianzen des Standardmodells (SU(3) x SU(2) x U(1)) bleiben allerdings in ihrem möglichen Zustandekommen erst einmal unklar.47 Es gibt sehr sehr viele Alternativen für die gebrochenen Symmetrien, die aus der Stringdynamik resultieren könnten, nicht nur die des Standardmodells. Interessanterweise führt die Quantisierung des geschlossenen String nicht zuletzt zur Vorhersage eines masselosen Spin-2-Teilchens, welches einem metrischen Feld entspricht. Dieses Spin-2-Tensor-Boson lässt sich infolge seines niederenergetischen Verhaltens mit dem Graviton identifizieren, dem postulierten Wechselwirkungsquant der Gravitation. Die simple 46

Dies gilt unter der Voraussetzung, dass sich die Stringdynamik auf der PlanckEbene abspielt. Siehe Kap. 4.1. 47 Siehe Dienes (1996).

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Quantisierung eines klassisch-relativistischen geschlossenen String führt also schon zur Einbeziehung der Gravitation. Die Allgemeine Relativitätstheorie lässt sich als Niederenergienäherung der Dynamik des String reproduzieren. Nur für sehr kleine Abstände treten Abweichungen von ihr auf - vielleicht genau die erhofften Korrekturen, die man für eine vereinheitlichte Theorie gegenüber ihrem geometrodynamischen Vorläufer erwarten sollte. Geschlossene Strings könnten also vielleicht als so etwas wie Anregungszustände einer Quanten-Raumzeit gesehen werden. "[...] the effective action typically contains [...] general relativity and non-abelian gauge theory, plus stringy corrections thereof." (Lerche (2000) 16f) Die Reproduktion des Gravitons und der Vektor-Bosonen der Eichtheorien ist das, was den Stringansatz überhaupt erst hinsichtlich der Vereinigung aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation ins Spiel gebracht hat.

Supersymmetrie Die alte bosonische Stringtheorie48, auf die sich die vorausgehende Darstellung vor allem bezog, hat allerdings den Nachteil, dass sich im Spektrum ihrer masselosen Zustände zwar die Vektor-Bosonen der Quantenfeldtheorien und das Tensor-Boson der Gravitation finden, nicht jedoch die fermionischen Materiebestandteile. Eine Theorie, die alle Wechselwirkungen als Resultat der Stringdynamik erfasst, aber von separat existierenden fermionischen Materiebestandteilen - vielleicht sogar im Sinne von Punktentitäten - ausgehen wollte, wäre infolge dieser Inkohärenz hinsichtlich ihrer grundlegenden Ontologie wenig überzeugend. Und es wäre auch nicht klar, wie eine Wechselwirkung zwischen diesen Komponenten auszusehen hätte. Schon die Quantenfeldtheorien und die ihnen zugrundeliegenden Eichprinzipien legen eine symmetrische Beschreibung zwischen Wechselwirkungsfeldern und Materiefeldern nahe. Wenn also die Stringdynamik schon die Eichfelder der Quantenfeldtheorien reproduziert, so wäre es nur konsequent zu versuchen, auch die fermionischen Materie48

Siehe auch Kap. 4.1.

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bestandteile als Zustände des String zu erfassen. Die bosonische Stringtheorie ist dazu jedoch nicht in der Lage. In ihrem Kontext lassen sich keine fermionischen Zustände reproduzieren. Sie ist ebensowenig mit Chiralität vereinbar.49 Zudem sagt die bosonische Theorie Spin-0-Teilchen mit negativem Massequadrat voraus, Tachyonen also, die zur Instabilität des Vakuums und der Raumzeit führen würden. Die Lösung sowohl des Tachyonen- als auch des Fermionen- und Chiralitätsproblems besteht in der Einbeziehung einer neuen Invarianz in den Stringansatz: der Supersymmetrie.50 Die Supersymmetrie ist eine Symmetrierelation hinsichtlich der Vertauschung von Bosonen und Fermionen. Sie hebt gerade den konzeptionellen Unterschied zwischen fermionischen Materiefeldern und bosonischen Wechselwirkungs-Eichfeldern auf. Eine Stringtheorie, die Fermionen einbezieht, muss, wie in einem aufwendigen historischen Prozess nach und nach entdeckt wurde,51 notwendigerweise hinsichtlich ihrer Lagrange-Funktion supersymmetrisch sein. Mittels einer solchen Theorie der "Superstrings", also der supersymmetrischen Strings, lässt sich eine Dynamik beschreiben, die bosonische und fermionische Stringzustände gleichermassen einschliesst, also auch fermionische Materieteilchen als Zustände des String zulässt. Um die Supersymmetrie und mithin fermionische Zustände einzubeziehen, ist es erforderlich, für jeden Punkt des Weltblattes der Stringentwicklung einen Spinor zu definieren. Zu den d bosonischen Koordinaten-Funktionen Xµ(σ,τ), die der Lokalisierung des Weltblatts im Hintergrundraum dienen,

kommen entsprechend d fermionische Majorana-Weyl-Spinoren Ψµ(σ,τ) hinzu. Die Wirkungsfunktion ist dann so zu formulieren, dass sie unter Supersymmetrie-Transformationen auf dem Weltblatt des String invariant bleibt. Dann ist zu quantisieren. Im Gegensatz zur bosonischen Theorie treten dabei aufgrund der Supersymmetrie keine Tachyonen mehr auf, dafür aber neben den bekannten bosonischen die gewünschten fermionischen

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Die Chiralität (Händigkeit) entspricht der Eigenschaft, dass sich rechts- und linkshändige (Orientierung des Spins zur Bewegungsrichtung) Fermionen hinsichtlich der schwachen Wechselwirkung unterschiedlich verhalten, was nicht zuletzt zur Verletzung der Parität führt. 50 Die Supersymmetrie verdankt ihre Entdeckung unter anderem den Entwicklungen im Bereich des Superstringansatzes. Siehe Kap. 4.1. Für die Argumente, die für die Supersymmetrie sprechen, siehe Kap. 4.2. 51 Siehe hierzu Kap. 4.1.

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Zustände.52 Materieteilchen und Wechselwirkungsquanten ergeben sich gleichermassen als in erster Näherung masselose Zustände des String.

Wechselwirkungen

Die von den Quantenfeldtheorien beschriebenen Wechselwirkungen stellen sich im Rahmen des Stringansatzes als die dynamische Auswirkung spezifischer Stringzustände dar. Auf der Stringebene selbst gibt es dann keine Wechselwirkung im Sinne der Quantenfeldtheorien mehr, also keine eichtheoretische Ankopplung von Wechselwirkungsfeldern an Materiefelder. Es gibt dort keinen Austausch von Wechselwirkungsquanten. Zwischen welchen Entitäten sollten diese auch ausgetauscht werden. Wechselwirkungsquanten wie Materieteilchen sind jeweils Strings in bestimmten Zuständen. Die einzig möglichen Wechselwirkungen auf der Stringebene betreffen die Strings selbst. Genauer gesagt: sie betreffen die Geometrie bzw. die Topologie der Strings. Die einzig möglichen Wechselwirkungen bestehen aus der Aufspaltung und der Fusion von Strings: 52

Für geschlossene Superstrings im Neveu-Schwarz-Ramond-Formalismus etwa sind - im Kontrast zur einfacheren bosonischen Theorie - die möglichen Randbedingungen für die fermionischen Felder zu beachten. Unter "Neveu-Schwarz-Randbedingungen" sind die fermionischen Felder auf dem Weltblatt antiperiodisch: Ψµ(σ + 2π,τ)

= - Ψµ(σ,τ). Unter "Ramond-Randbedingungen" sind sie periodisch: Ψµ(σ + 2π,τ) = Ψµ(σ,τ). Dies führt zu vier verschiedenen Möglichkeiten für die Kombination von

Neveu-Schwarz-Randbedingungen und Ramond-Randbedingungen für die linksdrehenden (antiholomorphen) und die rechtsdrehenden (holomorphen) Anteile des Schwingungszustandes des String. Nach der Quantisierung ergeben sich entsprechend vier verschiedene Hilbert-Räume für Stringzustände: Neveu-Schwarz-Neveu-Schwarz(NS-NS)-Zustände sind bosonische Stringzustände, deren links- (antiholomorphe) und rechtsdrehende (holomorphe) Anteile bosonisch sind. Beispiele hierfür sind etwa das skalare Dilaton (s.u.) und das Graviton als Tensorzustand. Ramond-Ramond-(R-R)Zustände sind bosonische Stringzustände, deren links- (antiholomorphe) und rechtsdrehende (holomorphe) Anteile fermionisch sind. Neveu-Schwarz-Ramond-(NS-R)Zustände und Ramond-Neveu-Schwarz-(R-NS)-Zustände sind fermionische Zustände. (Vgl. Polchinski (2000a), Kap. 10. sowie Kaku (1999), Kap. 3.) Für geschlossene Strings gibt es auch mit Supersymmetrie erst einmal keine Yang-Mills-Bosonen. (Anders sieht dies für die heterotischen Theorien aus, die gerade dadurch interessant werden. Siehe weiter unten.)

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"The basic string interaction is [...] one string splitting in two or the reverse. This one interaction, depending on the states of the strings involved, can look like any of the interactions in nature: gauge, gravitational, Yukawa." (Polchinski (1999) 10) Konsequenterweise haben die Stringtheorien keine Kopplungskonstante im Sinne der Quantenfeldtheorien mehr. Die effektive Wechselwirkungsstärke ist vielmehr abhängig vom Erwartungswert des Dilaton-Felds φ: gs = e. Das Dilaton, dem ein masseloses Spin-0-Skalarfeld entspricht, ist der basalste Schwingungszustand des String.53 Damit ergibt sich die effektive Wechselwirkungsstärke aus der Dynamik des String selbst.54 Sie ist das Resultat der zugrundeliegenden Dynamik und Geometrie: "We see here that a coupling constant is given by an apriori undetermined vacuum expectation value of some field, and this reflects a general principle of string theory." (Lerche (2000) 16)

Festlegung der Raumzeitdimensionen

Eines der überraschendsten Ergebnisse des Stringansatzes besteht darin, dass die Stringtheorien nicht mit jeder beliebigen Dimension der Raumzeit vereinbar sind. Konsistenzforderungen, die vor allem dazu dienen, mathematische Anomalien55 sowie Widersprüche der Theorie mit der Quanten53

Das Dilaton-Feld tritt schon in der Kaluza-Klein-Theorie auf. Im allgemeinen sagt der Stringansatz weitere masselose Skalarfelder voraus, etwa die Moduli-Felder als Auswirkungen der Raumzeitgeometrie und -topologie, zu denen es im Rahmen der Kompaktifizierung kommt. Siehe Kap. 2.2. und Kap. 5. In manchen Stringansätzen kommt noch ein Axion-Skalar hinzu: ein spezielles Goldstone-Boson. 54 Der Wert der effektiven Kopplungsstärke der Strings muss nicht unbedingt klein sein, so dass es fraglich ist, ob perturbative Ansätze, die genau dies voraussetzen, überhaupt zu realistischen Lösungen führen. Vgl. Kap. 2.3. 55 Anomalien liegen dann vor, wenn klassische Symmetrien bei der Quantisierung bzw. in der quantenmechanischen Darstellung gebrochen werden. Betrifft dies Symmetrien, deren Gültigkeit auch für den quantenmechanischen Fall zu fordern ist, so werden diese Anomalien zu einem Problem. Im Stringansatz gehören zu den unbedingt zu vermeidenden Anomalien vor allem die quantenmechanische Verletzung der Eich-

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mechanik und der Speziellen Relativitätstheorie zu vermeiden, führen zu einer eindeutigen Festlegung der Dimensionszahl der Raumzeit. "The elimination of the conformal anomaly fixes the dimension of space-time and also the fermion content of the theory, while the elimination of chiral anomalies will fix the gauge group of the theory." (Kaku (1999) 342) Die Superstringtheorien lassen sich überhaupt nur für eine zehndimensionale Raumzeit (neun Raumdimensionen und eine Zeitdimension) konsistent formulieren: "Consistent weakly-coupled string theories necessarily live in ten spacetime dimensions. The origin of this condition is difficult to explain in simple terms, but it can be understood in various ways. Calculation of quantum effects shows that they spoil essential symmetries unless the dimension is ten. Also, the properties of fermions depend in an essential way on the number of dimensions and ten is special here for a number of reasons related to supersymmetry." (Polchinski (1996) 18) Dabei sind die wichtigsten der zu berücksichtigenden Konsistenzforderungen (i) die Vermeidung von Zuständen mit negativer Energie, (ii) die Berücksichtigung der Unitarität, also der Erhaltung und Normierung der quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten sowie (iii) die Berücksichtigung der Lorentz-Invarianz, welche gerade die Vereinbarkeit mit der Speziellen Relativitätstheorie gewährleistet. Schon die bosonische Stringtheorie war nur auf 26 Dimensionen konsistent formulierbar. Für mehr als 26 Dimensionen ergaben sich Zustände negativer Norm, für weniger als 26 Dimensionen weitere verheerende mathematische Inkonsistenzen. Und nur für 26 Dimensionen gehörte das Graviton zu den Zuständen des geschlossenen Strings. Zur systematischen Erforschung des Möglichkeitsraums der Formulierungen des Stringansatzes wurden schon im bosonischen Modell die grundlegenden Konsistenzforderungen, vor allem Anomaliefreiheit, Unitarität und Lorentz-Invarianz, forinvarianzen und der Diffeomorphismus-Invarianz. Die Festlegung der Raumzeitdimensionen der Stringtheorien ergibt sich insbesondere aus der Forderung des Ausschlusses von Anomalien hinsichtlich der konformen Invarianz.

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mal im Rahmen der Virasoro-Algebra56 erfasst. Die Virasoro-Algebra ist eine unendlich-dimensionale Lie-Algebra der Fourier-Moden des EnergieImpuls-Tensors. In sie fliesst insbesondere die konforme Invarianz bezüglich der Weltblattkoordinaten des String ein. Für den Superstring lässt sich diese zur Super-Virasoro-Algebra57 erweitern. Und die Super-Virasoro-Algebra der Fourierentwicklung des perturbativen Ansatzes führt nur für 10 Dimensionen nicht zu Anomalien. Für alle Dimensionen ausser 10 treten negative quantenmechanische Wahrscheinlichkeiten auf, ein deutliches Zeichen für Inkonsistenz. Für alle Dimensionen ausser 10 ist das Zustandsspektrum des String zudem nicht Lorentz-invariant, und damit nicht mit der Speziellen Relativitätstheorie vereinbar. Und vor allem, wiederum: Nur für 10 Dimensionen gehört das Graviton zu den Zuständen des String. "In the case of fermionic strings the critical value is d = 10. Only in this case a graviton is found in the spectrum." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 102) Also ist die Theorie nur für diese Dimensionszahl überhaupt interessant, auch wenn sich konsistente Formulierungen für andere Dimensionalitäten konstruieren liessen. Genau diese Eigenschaft ist es, die sich über die konforme Invarianz in die Super-Virasoro-Algebra einschreibt.58 "That the lagrangian of general relativity, with all its complexity, just pops out from the air (arising from eg., a non interacting two dimensional field theory), may sound like a miracle. Of course this does not happen by accident, but is bound to come out. The important point here is that there is a special property that the relevant two dimensional theories must have for consistency, and this is conformal invariance. This is a quite powerful symmetry principle, which guarantees, via Ward identities, general coordinate and gauge invariance in space 56

Siehe Virasoro (1970). Diese ergibt sich notwendigerweise im Rahmen des Neveu-Schwarz-RamondFormalismus des Superstringansatzes. 58 Im Standardmodell der Teilchenphysik führen ähnliche Überlegungen dazu, dass, um Anomalien auszuschliessen, etwa die Zahl der Leptonentypen mit der Zahl der Quarktypen übereinstimmen muss. Aber die Zahl der Raumzeitdimensionen wird hier nicht berührt. 57

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time - however, only so if and only if formally D = 10." (Lerche (2000) 17) Die Stringtheorien sind wohl die ersten physikalischen Theorien, bei denen infolge innertheoretischer Konsistenzforderungen die Zahl der Raumzeitdimensionen festgelegt wird.59 Diese Reduzierung von Kontingenz mag zwar Probleme mit sich bringen,60 stellt aber für eine Theorie mit dem Anspruch, fundamental und umfassend zu sein, erst einmal einen erheblichen Überzeugungszugewinn dar.

Fünf perturbative Superstringtheorien

Aber die mit dem Stringansatz einhergehende Reduzierung von Kontingenz geht noch weiter: Es gibt über die Zahl der Raumzeitdimensionen hinaus weitere Festlegungen, die das Spektrum der konsistent formulierbaren Möglichkeiten einschränken. Für den perturbativen Superstring kommen aufgrund innertheoretischer Konsistenz nur wenige Theorieansätze in Frage. Die internen Festlegungen haben sich als so einschränkend erwiesen, dass es sehr schwierig ist, überhaupt eine konsistente Theorie zu formulieren. Die Ursache dafür liegt, wie zuvor schon angedeutet, darin begründet, dass sich zwar für Punktentitäten mit ihren eindimensionalen Weltlinien beliebige Wechselwirkungen formulieren lassen, die Weltblätter der Stringdynamik als Riemannsche Mannigfaltigkeiten hingegen schon vielfältige geometrische und topologische Festlegungen für die möglichen Wechselwirkungen von Strings liefern: "This world sheet, in turn, is a genuine manifold, a Riemann surface, so the set of interactions consistent with the propagator is severely li59

Es gibt inzwischen noch einen weiteren Ansatz, für den dies gilt, nämlich das Modell des computationalen Universums von Seth Lloyd, in dem sich die Quantengravitation und die Raumzeit auf der Basis elementarer Quantencomputationen konstituieren: "Because quantum logic gates have two inputs and two outputs, four dimensions arise naturally in the computational universe. [...] In the computational universe, the four dimensional structure of spacetime arises out of pairwise interactions between information-bearing degrees of freedom." (Lloyd (2005) 25) 60 Siehe Kap. 2.2.

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mited. Thus, we expect to find a very small number of string theories, in contrast to the infinite number of point particle theories we can write." (Kaku (1999) 51) Es scheint genau fünf perturbative Superstringtheorien zu geben, die frei von Anomalien sind. Diese werden als Typ I, Typ IIA, Typ IIB, Heterotisch-SO(32) sowie Heterotisch-E8xE8 bezeichnet: "The Type IIA and Type IIB strings differ in that in the latter theory [the] clockwise / counterclockwise vibrations are identical, while in the former, they are exactly opposite in form. Opposite has a precise mathematical meaning in this context, but it's easiest to think about in terms of the spin of the resulting vibrational patterns in each theory. In the Type IIB theory, it turns out that all particles spin in the same direction (they have the same chirality), whereas in the Type IIA theory, they spin in both directions (they have both chiralities). [...] The heterotic theories differ in a similar but more dramatic way. Each of their clockwise string vibrations looks like those of the Type II string (when focusing on just the clockwise vibrations, the Type IIA and Type IIB theories are the same), but their counterclockwise vibrations are those of the original bosonic string theory. Although the bosonic string has insurmountable problems when chosen for both clockwise and counterclockwise string vibrations, in 1985 David Gross, Jeffrey Harvey, Emil Martinec, and Ryan Rhom (all then at Princeton University and dubbed the 'Princeton String Quartet') showed that a perfectly sensible theory emerges if it is used in combination with the Type II string. The really odd feature of this union is that it has been known [...] that the bosonic string requires a 26dimensional spacetime, whereas the superstring [...] requires a 10dimensional one. So the heterotic string constructions are a strange hybrid - a heterosis - in which counterclockwise vibrational patterns live in 26 dimensions and clockwise patterns live in 10 dimensions! Before you get caught up in trying to make sense of this perplexing union, Gross and his collaborators showed that the extra 16 dimensions on the bosonic side must be curled up into one of two very special higher-dimensional doughnutlike shapes, giving rise to the Heterotic-O and Heterotic-E theories. Since the extra 16 dimensions on the bosonic side are rigidly curled up, each of these theories behaves as though it really has 10 dimensions, just as in the Type II case.

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Again, both heterotic theories incorporate a version of supersymmetry. Finally, the Type I theory is a close cousin of the Type IIB string except that, in addition to the closed loops of string [...] it also has strings with unconnected ends - so called open strings." (Greene (1999) 405f) Die Theorie vom Typ I ist die alte supersymmetrische Stringtheorie der siebziger und frühen achtziger Jahre.61 Diese Theorie beschrieb erst einmal nur geschlossene, unorientierte Strings mit chiralen Eigenschaften. Für die links- (antiholomorphen) und die rechtsdrehenden (holomorphen) Schwingungszustände gelten gleiche Supersymmetrietransformationseigenschaften.62 Es zeigte sich jedoch, dass die Theorie vom Typ I aus Konsistenzgründen um offene, unorientierte Strings erweitert werden muss. An den Enden des offenen Strings werden dabei, wiederum um Anomalien zu verhindern, Eichladungen als Chan-Paton-Faktoren angefügt. Das Resultat entspricht der Einführung einer Yang-Mills-Eichgruppe SO(32). "It turns out that the mathematically consistent theories of open strings also require that a charge label be associated with each end of the string." (Giddings (2005) 7) Die Theorie vom Typ IIA63 enthält ausschliesslich geschlossene, orientierte Strings mit unterschiedlichen Supersymmetrietransformationseigenschaften und gegensätzlicher Chiralität für die links- (antiholomorphen) und die rechtsdrehenden (holomorphen) Schwingungszustände.64 Die Theorie vom Typ IIB65 enthält ebenfalls ausschliesslich geschlossene, orientierte Strings mit unterschiedlichen Supersymmetrietransformationseigenschaften, aber gleicher Chiralität für die links- (antiholomorphen) und die rechtsdrehenden (holomorphen) Schwingungszustände.66

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Siehe Ramond (1971) und Neveu / Schwarz (1971). Heute lässt sich diese Theorie als Projektion der Typ-IIB-Theorie ansehen. 62 Die Supersymmetrie ist vom Typus N=1. N ist die Zahl der Generatoren innerhalb der Supersymmetrie. Siehe etwa Zumino (1979). 63 Siehe Green / Schwarz / Brink (1983). 64 Die Supersymmetrie ist vom Typus N=2. Die Eichgruppe der Stringzustände ist U(1). 65 Siehe Green / Schwarz / Brink (1983). 66 Die Supersymmetrie ist wiederum vom Typus N=2. Es gibt keine Eichgruppe.

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Da als Zustände geschlossener Strings im Rahmen der gängigen perturbativen Konzeptionen erst einmal keine Spin-1-Yang-Mills-Eichbosonen in Frage kommen, lassen diese sich in den Theorien vom Typus IIA und IIB nicht ohne weiteres unterbringen.67 In der Theorie vom Typus I lassen sie sich nur für offene Strings reproduzieren. Hier ist der Preis aber die Einführung problematischer Chan-Paton-Faktoren. Nicht zuletzt um eine Lösung dieses Problems zu erreichen, wurden die heterotischen Theorien entwickelt:68 "Until recently, the only known anomaly-free chiral superstring theory was that of orientable, type II, N=2 supersymmetric closed strings. This ten-dimensional theory does not contain Yang-Mills interactions; it is unlikely that they, together with the known fermions, could emerge upon compactification. The recent discovery that nonorientable, type I, open and closed superstrings with N=1 supersymmetry are finite and anomaly free if the gauge group is SO(32) has increased the phenomenological prospects of unified string theories. / The anomaly cancellation mechanism of Green and Schwarz can be understood in terms of the low-energy field theory that emerges from the superstring, which is a slightly modified version of D=10 supergravity. The dangerous Lorentz and Yang-Mills chiral anomalies cancel if and only if the gauge group of the theory is SO(32) or E8xE8. The ordinary superstring theory cannot incorporate E8xE8. However the apparent correspondence between the low-energy limit of anomaly-free superstring theories and anomaly-free supergravity theories suggests the existence of a new kind of string theory whose low-energy limit would contain an E8xE8 gauge group. This is the motivation that led to the construction of the heterotic string. It is of more than academic interest to construct such a theory, since the phenomenological prospects for an E8xE8 theory appear to be much brighter." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 254)

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Dies relativiert sich im Rahmen der Kompaktifizierung bzw. mit den Dualitätsbeziehungen zwischen den Stringtheorien und es verliert seine Relevanz mit den Entdeckung der Dirichlet-Branen. Siehe Kap. 2.2., 2.3. bzw. 2.4. 68 Siehe Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985).

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Die heterotischen Theorien erscheinen auf den ersten Blick als ein recht kurioses Mischkonstrukt, das sich allerdings bei genauerer Betrachtung als vielversprechend herausstellt. "The word 'heterosis' implies 'hybrid vigor'." (Kaku (1999) 374) Denn obwohl die heterotischen Theorien nur geschlossene Strings enthalten, lassen sich mit ihnen Zustände beschreiben, die Yang-Mills-Bosonen entsprechen. Dies erreichen sie dadurch, dass sie Eigenschaften der bosonischen Stringtheorien mit denen der Superstringtheorien mischen. "[...] the theory [...] is a fusion (heterosis) of the bosonic and type II strings." (Polchinski (2000a) 51) Für geschlossene Strings sind die rechtsorientierten (holomorphen) und die linksorientierten (antiholomorphen) Schwingungen grundsätzlich voneinander unabhängig. Die beiden Algebren kommutieren hinsichtlich ihrer jeweiligen Operatoren.69 Die heterotische Konzeption besteht nun gerade darin, für die linksorientierten (antiholomorphen) Schwingungen einen bosonischen String in 26 Dimensionen anzusetzen70 und für die rechtsorientierten (holomorphen) Schwingungen einen Superstring in 10 Dimensionen.71 Die gegenüber dem Superstring zusätzlichen 16 bosonischen Dimensionen müssen dabei nicht notwendigerweise raumzeitlich interpretiert werden,72 sondern können ebenso als formal geometrisiertes Muster zur

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Dies gilt nicht für offene Strings, so dass heterotische Konstruktionen für diese nicht möglich sind. 70 Das Tachyonen-Problem der bosonischen Theorie spielt hier schliesslich keine Rolle mehr: "The left-moving side, like the bosonic string, has a would-be tachyon, but there is no right-mover to pair it with so the theory is tachyon free." (Polchinski (2000a) 52) 71 Die Supersymmetrietransformationseigenschaften vom Typus N=1 gelten nur für die rechtsdrehenden (holomorphen) Schwingungszustände. 72 Ihr Status als interne Dimensionen lässt sich insofern stützten, als die Formulierung der heterotischen Theorie, im Rahmen einer Fermionisierung der inneren Koordinaten, auch ohne sie auskommt: "An alternate version of the heterotic string can be given in which these coordinates are replaced by 32 fermionic coordinates." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 256)

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Parametrisierung zusätzlicher interner, nur quasi-raumzeitlicher Freiheitsgrade angesehen werden:73 "The last 16 bosonic coordinates can be interpreted as parametrizing an internal manifold. Consistency of the resulting theory impose that this internal manifold has to be a 16-dimensional torus [...]." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 112)74 In der zehndimensionalen Raumzeit treten die (quasi-)raumzeitlichen Symmetrien der 16 zusätzlichen bosonischen Dimensionen als Skalarfelder in Erscheinung.75 Das Vektor-Bosonen-Multiplett hingegen, das sich ebenfalls als Ergebnis des formalen 26-zu-10-Übergangs einstellt, repräsentiert die eigentlichen inneren Symmetrien der bosonischen Dimensionen. Aus dem dimensionalen Übergang resultiert gerade die Symmetriegruppe der Theorie. Es gibt zwei Varianten der heterotischen Theorie: eine mit der Eichgruppe SO(32) und eine andere mit der Eichgruppe E8 x E8: "The heterotic string theory is a theory of closed strings, in which the compactification of sixteen internal dimensions produces the gauge group SO(32) or E8xE8." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 254)

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Man kann für den heterotischen String im Sinne der in Kap. 2.2. zu erörternden Kompaktifizierungsmodi gleichermassen von einer Kompaktifizierung in zwei Stufen ausgehen: 26 -> 10 -> 4. Die physikalische Bedeutung einer solchen Vorgehensweise ist jedoch alles andere als klar: "We could try to go further and combine the whole left-moving side of the bosonic string, with 26 flat dimensions, with the ten-dimensional right-moving side of the type II string. In fact this can be done, but since its physical meaning is not so clear we will for now keep the same number of dimensions on both sides." (Polchinski (2000a) 49) 74 "For consistent compactification of supersymmetric coordinates there is a strong evidence that it suffices for T to be Ricci flat. The only known consistent possibility for compactification of purely bosonic coordinates is for T to be a flat torus." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 260) 75 Auch eine geometrische Kompaktifizierung im Sinne von Kap. 2.2. hat gerade diese Skalarfelder zur Folge: "The compactification of a dimension creates a quantization of the momentum corresponding to the compactified coordinate." (Kaku (1999) 375)

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Das heterotische Konzept entspricht damit einerseits einer neuen Methode zur Implementierung von Ladung, die das Chan-Paton-Verfahren obsolet macht:76 "Heterotic strings are closed, so that there is no place to attach charges as one does in the case of open strings. Instead the gauge group arises via a Kaluza-Klein-type mechanism stemming from the compactification of 16 of the internal coordinates of the string." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 282) Bis zur Entwicklung der heterotischen Theorien ging man andererseits davon aus, dass man geschlossene Strings für die Darstellung von masselosen Spin-2-Tensor-Zuständen (Gravitonen) und offene Strings für die von masselosen Spin-1-Vektor-Zuständen (Yang-Mills-Bosonen) benötigt. Der Vorteil der heterotischen Theorien liegt nun darin begründet, dass sich alle diese Zustände für einen geschlossenen heterotischen String ergeben. Konsequenterweise wurde das heterotische Konzept lange Zeit als idealer Ansatz zur Reproduktion sowohl des quantenfeldtheoretischen Standardmodells und seiner Eichsymmetrien als auch der allgemein-relativistischen Gravitationsdynamik betrachtet: "[...] the Standard Model SU(3) x SU(2) x U(1) gauge symmetries must come from the left-moving gauge symmetries in heterotic string theory." (Polchinski (2000a) 340) Insbesondere die heterotische Theorie mit der Eichgruppe E8 x E8 wurde als Lösung hierfür ins Auge gefasst. Aus ihr sollten sich die Eichinvarianzen und die Yang-Mills-Eichfelder des Standardmodells ableiten lassen. Inzwischen hat sich diese Einschätzung aus Gründen, die noch zu erörtern sein werden, relativiert.77 Vor allem ist klar geworden, dass sich sehr viele spezifische Eichinvarianzen ableiten lassen, bei weitem nicht nur die des Standardmodells.

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Eine weitere Alternative hierzu entsteht dann schliesslich mit der Entdeckung der Möglichkeit, Dirichlet-Brane in die Stringtheorie einzubeziehen. Siehe Kap. 2.4. 77 Siehe hierzu vor allem Kap. 5. Andererseits weiss man inzwischen auch, dass sich Gravitonen sogar in Theorien mit offenen Strings integrieren lassen: als intermediäre Wechselwirkungszustände dieser offenen Strings.

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Aber grundsätzlich stellt sich immer noch die Frage, wieso es überhaupt fünf konsistente perturbative Theorien gibt - und nicht nur eine. Schliesslich ist der Anspruch des Superstringansatzes der, eine fundamentale Theorie zu liefern, die alle Wechselwirkungen vereinigt. Und die Reduzierung der Kontingenz durch Einengung der konsistenten Möglichkeiten war durchgängig eines der stärksten Argumente für diesen Anspruch. Wenn dieses Argument ernst genommen werden kann, warum sollten dann am Ende fünf Möglichkeiten und nicht nur eine übrig bleiben? "It's puzzling that there should be five perfectly finite, self-consistent field theories which combine gravity with other quantum forces." (Kaku (1999) 460) Eine Lösung für dieses Problem einer immer noch zu grossen Vielfalt an Möglichkeiten liefern nach Ansicht vieler Stringtheoretiker die noch zu erörternden Dualitäten, mit deren Hilfe sich Beziehungen zwischen den fünf bekannten perturbativen Superstringtheorien herstellen lassen.78 Andererseits ist es aber nicht einmal klar, ob es nicht vielleicht noch weitere perturbative Stringtheorien gibt: "It should be emphasized that the analysis [...] had many explicit and implicit assumptions, and one should be cautious in assuming that all string theories have been found." (Polchinski (2000a) 48)

78

Siehe Kap. 2.3.

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2.2. Kompaktifizierung und Calabi-Yau-Räume Die perturbative Dynamik supersymmetrischer Strings ist mathematisch konsistent nur auf zehn raumzeitlichen Dimensionen formulierbar. Unsere phänomenologische Raumzeit verfügt aber nur über vier Dimensionen: drei räumliche und eine zeitliche. Wie lässt sich mit dieser Diskrepanz umgehen? Zeigt sich in dieser Tatsache, dass die Stringtheorien falsch sind eine Sackgasse der physikalischen Theorienbildung? Oder zeigt sich vielmehr, dass wir nur einen Teil der tatsächlich vorhandenen raumzeitlichen Dimensionen wahrnehmen? - Die Stringtheoretiker gehen von letzterem aus. Es werden verschiedene Szenarien geltend gemacht, warum wir von den zehn raumzeitlichen Dimensionen nur vier wahrnehmen. Diese unterschiedlichen Szenarien könnten, wie sich vielleicht einmal herausstellen mag, wenn der Stringansatz sich erfolgreich ausformulieren lassen sollte, unterschiedliche Darstellungen ein und desselben Sachverhaltes sein. Sie könnten sich aber andererseits auch als distinkte physikalische Möglichkeiten herausstellen. Das gängigste dieser Szenarien79 des Übergangs von zehn zu vier raumzeitlichen Dimensionen ist das der Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen.80 Diese sollen auf mikroskopischer Ebene eingerollt sein. Die zehndimensionale Raumzeit der (perturbativen) Superstringtheorien stellt sich in diesem Szenario als Produkt aus einer vierdimensionalen Minkowski-Raumzeit und einer kompakten sechsdimensionalen Mannigfaltigkeit K dar: R4 x K. Meist geht man von einer Kompaktifizierung in der Grössenordnung der Planck-Länge aus. "Specifically, the simplest way to get down to four dimensions is to assume / postulate that the spacetime manifold is not simply R10, but R4 x X6, where X6 is some compact six-dimensional manifold." (Lerche (2000) 18)

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Eine Alternative bietet sich etwa mit dem Branwelt-Szenario. Siehe Kap. 2.4. Siehe etwa Greene (1997).

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Eine kompakte räumliche Dimension gab es schon im Kaluza-KleinAnsatz zur Vereinigung von elektromagnetischer und gravitativer Wechselwirkung. Die zum Zweck der Vereinigung der Wechselwirkungen postulierte fünfte Raumzeitdimension sollte in Form eines Torus eingerollt sein. Im Stringansatz geht es aber nun um alle Wechselwirkungen. Einerseits macht dies vielleicht plausibel, wieso es jetzt um sechs kompakte Dimensionen geht. Andererseits gibt es für die eingerollten, kompaktifizierten Dimensionen dann nicht mehr nur die simple Möglichkeit sechsdimensionaler Tori. Es sind vielmehr topologisch wesentlich kompliziertere Mannigfaltigkeiten für die Kompaktifizierung der sechs überzähligen Dimensionen denkbar.81 Und die kompakte Mannigfaltigkeit kann grundsätzlich wohl auch Singularitäten enthalten.82 Bei genauerer Betrachtung stellt sich schliesslich heraus, dass die Supersymmetrieanforderung der Strings nur für bestimmte Formen der Kompaktifizierung gewährleistet ist, da die geometrischen und topologischen Formen der kompakten Raumzeitdimensionen naheliegenderweise einen wesentlichen Einfluss auf die möglichen Schwingungszustände des String haben:83 "The most intuitive of these constructions are those in which six of the ten spatial dimensions [...] are 'compactified'. That is, they are replaced by a small compact six dimensional space, say M [...]. It is crucial to realize that most choices for M will not yield a consistent string theory [...]. These conditions together are referred to as the 'CalabiYau' conditions and manifolds M meeting them are known as CalabiYau three-folds [...]. A consistent string model, therefore, with four flat Minkowski space-time directions can be built using any CalabiYau three-fold as the internal target space [...]." (Greene (1997) 9) Mit der raumzeitlichen Supersymmetrie ist nur eine Kompaktifizierung vereinbar, bei der sich die zehndimensionale Raumzeit der (perturbativen) Superstringtheorien als Produkt aus einer vierdimensionalen Minkowski-

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Die komplexe Mannigfaltigkeit K sollte mit einer angemessenen HolonomieGruppe und Metrik versehen sein, was mathematisch bisher nur unzulänglich verstanden ist. 82 Siehe Kap. 2.4. Dirichlet-Brane kommen etwa als solche Singularitäten in Frage. 83 Siehe Candelas / Horowitz / Strominger / Witten (1985).

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Raumzeit und einem kompakten sechsdimensionalen Calabi-Yau-Raum darstellt.84 "The extra spatial dimensions of string theory cannot be 'crumpled' up any which way; the equations that emerge from the theory severely restrict the geometrical form that they can take. In 1984, Philip Candelas of the University of Texas at Austin, Gary Horowitz and Andrew Strominger of the University of California at Santa Barbara, and Edward Witten showed that a particular class of six-dimensional geometrical shapes can meet these conditions. They are known as CalabiYau spaces (or Calabi-Yau shapes) in honor of two mathematicians, Eugenio Calabi from the University of Pennsylvania and Shing-Tung Yau from Harvard University, whose research in a related context, but prior to string theory, plays a central role in understanding these spaces." (Greene (1999) 207) Calabi-Yau-Räume85 sind Kähler-Mannigfaltigkeiten mit verschwindender erster Chern-Klasse. Kähler-Mannigfaltigkeiten wiederum sind komplexe Mannigfaltigkeiten mit spezieller Hermitscher Metrik. Komplexe Mannigfaltigkeiten bzw. komplexe n-Faltigkeiten lassen sich durch n komplexe Koordinaten und damit d = 2n Dimensionen charakterisieren. Calabi-Yaun-Faltigkeiten haben insofern n komplexe und somit 2n reale Koordinaten. Die für die Kompaktifizierung in den supersymmetrischen Stringtheorien infragekommenden sechsdimensionalen Calabi-Yau-Räume sind also CY3-Faltigkeiten. Nach Yaus Theorem existiert für CY-n-Faltigkeiten eine Ricci-flache Metrik mit SU(n)-Holonomie. Dies ist gerade die Voraussetzung für die Supersymmetrie. Die Mathematik der Calabi-Yau-Räume ist bisher jedoch nur unzureichend erschlossen. "In practive, however, Calabi-Yau manifolds are quite difficult to construct and only a few of them are actually known." (Kaku (1999) 434)

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Die einzige für die Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen der supersymmetrischen Stringtheorien infragekommende Alternative zur Calabi-YauStruktur besteht darin, den zehndimensionalen Raum als Produkt aus einer vierdimensionalen Minkowski-Raumzeit, einem zweidimensionalen kompakten Torus und einer vierdimensionalen kompakten K3-Mannigfaltigkeit darzustellen. K3 ist das einzig bekannte vierdimensionale Analogon zu Calabi-Yau-Räumen. 85 Siehe Hübsch (1992).

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Nach heutiger Einschätzung gibt es etwa zehntausend topologisch unterschiedliche Typen von sechsdimensionalen Calabi-Yau-Räumen, die sich noch einmal in ihren weiteren geometrischen Parametern unterscheiden können. Die Geometrie und Topologie der kompakten Mannigfaltigkeit lässt sich durch die sogenannten Moduli charakterisieren.86 Moduli sind geometrische Parameter, welche die Grösse und Form der kompakten Mannigfaltigkeit erfassen, vor allem aber ihre Topologie. Jeder Punkt im Raum der Moduli-Varianten steht für eine spezifische sechsdimensionale kompakte Mannigfaltigkeit. Die Kompaktifizierung selbst ist infolge der postulierten Ausdehnung der kompakten Dimensionen letztlich unbeobachtbar. Sie macht sich aber dadurch bemerkbar, dass die Geometrie des kompakten Raumes die möglichen Schwingungsmuster des String auf der resultierenden Vierer-Raumzeit bestimmt:87 "At energies greater than the inverse of the small dimensions, one can excite particles moving in those directions. The states are quantized because of the finite size, and each state of motion looks, from the lower-dimensional point of view, like a different kind of particle. Thus the signature of passing such a threshold is a whole tower of new particles, with a spectrum characteristic of the shape of the extra dimension." (Polchinski (1999) 6) So lässt sich die Kompaktifizierung als geometrische Interpretation der Parametrisierung der möglichen Zustandsspektren des String verstehen.88 Die Moduli-Varianten sind den jeweils möglichen Unterklassen der konsistenten Lösungen des perturbativen Stringansatzes zugeordnet. Auf der vierdimensionalen nicht-kompakten Minkowski-Raumzeit manifestieren sich die Moduli selbst als skalare Moduli-Felder.89 Sie treten also nicht in geo86

Siehe Candelas / Ossa (1991). Hier klingt Einsteins und Wheelers Geometrisierungsprogramm zumindest wieder an, auch wenn der Kontext nun ein völlig anderer ist. 88 Man muss die kompakten Dimensionen also nicht notwendigerweise als tatsächlich raumzeitlich deuten. 89 Die Moduli treten in der vierdimensionalen Raumzeit als gravitativ gekoppelte Skalarfelder in Erscheinung. Solche Skalarfelder wurden bisher nicht nur noch nicht beobachtet, sondern sie sind in gewisser Hinsicht unphysikalisch, denn sie führen zu langreichweitigen Wechselwirkungen, die mit der Gravitation konkurrieren und das 87

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metrischer Form in Erscheinung, wirken sich aber direkt auf die möglichen Spektren der Stringzustände aus. Nicht zuletzt das für die effektive Wechselwirkungsstärke verantwortliche Dilaton-Feld, das dem Grundzustand des String entspricht, ist ein Modulus-Feld. Die inneren Symmetrien der kompakten Mannigfaltigkeit manifestieren sich darüberhinausgehend infolge der durch sie bestimmten Schwingungsmodi des String auf der vierdimensionalen Minkowski-Raumzeit als Eichfelder einer effektiven Theorie.90 "[...] the isometry group of the internal manifold appears as part of the gauge group of the low energy effective field theory." (AlvarezGaumé / Vázquez-Mozo (1992) 75) Die Erhaltungsgrössen der Dynamik innerhalb des kompakten Raumes erscheinen in der nicht-kompakten Vierer-Raumzeit als Ladungen (Wechselwirkungsgrössen). Dies macht im Rahmen der Kompaktifizierung das Chan-Paton-Verfahren und die Implementierung von Ladungen durch heterotische Konstruktionen letztlich obsolet. Und im Rahmen der Kompaktifizierung lassen sich Zustände beliebigen Spins dem gleichen Stringtypus zuordnen, etwa einem geschlossenen String vom Typ IIA. Die Idee, dass man geschlossene Strings für die Darstellung von masselosen Spin-2-Tensor-Zuständen und offene Strings für die von masselosen Spin-1-VektorZuständen benötigt oder aber zu heterotischen Konstruktionen greifen muss, verliert damit ihre Relevanz. "Physics is much the same in a spacetime with three large spatial dimensions and additional ones which are small and compact. In nature, the additional dimensions would be quite small, close to the Planck scale, so we would have seen only the very lowest modes. One reason this is attractive is that it unifies gravitational and gauge interactions. Depending on whether its polarization is aligned along the long or compact directions, a higher-dimensional graviton can look like a graviton, photon, or scalar from the lower-dimensional point of view." (Polchinski (1996) 18)

Äquivalenzprinzip verletzen. Man hofft, dass es sich nur um ein Artefakt der perturbativen Theorieansätze handelt. Siehe Candelas / Ossa (1991). 90 Vgl. den analogen Sachverhalt für die 16 bosonischen Dimensionen der heterotischen Theorien; Kap. 2.1.

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Infolge der vielfältigen Möglichkeiten für die Geometrie und Topologie der kompakten Mannigfaltigkeit und der spezifischen Konsequenzen jeder einzelnen diese Möglichkeiten gestaltet sich die Ableitung direkter Vorhersagen jedoch sehr schwierig. "Now, we would be more than glad if strings would remain in lower dimensions as simple as they are in D = 10. However, especially string theories in D = 4 turn out to be much more complicated." (Lerche (2000) 18) "No one really knows how to break a 10-dimensional theory down to four dimensions." (Kaku (1999) 18) Aber immerhin lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Kompaktifizierungsmodus bzw. seiner Topologie und der Zahl der für die vierdimensionale Physik zu erwartenden Zahl der Teilchenfamilien herstellen: Die Zahl der Teilchengenerationen ist gleich dem halben Absolutbetrag der charakteristischen Euler-Zahl des kompakten Raumes. Und es lässt sich vor allem motivieren, wieso es überhaupt Teilchenfamilien gibt. Sie entsprechen im Stringansatz den strukturellen Implikationen für die Schwingungsspektren, welche sich aus der spezifischen geometrischen Struktur einer kompakten Mannigfaltigkeit eines bestimmten topologischen Typus ergeben. "In the Standard Model, there are several notable patterns in the gauge quantum numbers of the quarks and leptons: replication of generations, chirality, quantization of the electric charge, and absence of large ('exotic') representations of SU(2) and SU(3). We have seen in the orbifold and the Calabi-Yau examples that multiple generations arise frequently in four-dimensional string theories. This is an attractive feature of higher-dimensional theories in general. The generations arise from massless excitations that differ in the compact dimensions but have the same spacetime quantum numbers." (Polchinski (2000a) 337)91 Lange Zeit hoffte man, dass sich im Rahmen der Erforschung der möglichen Kompaktifizierungsmodi supersymmetrischer Strings herausfinden 91

Zur Orbifold-Technik als Darstellungsalternative zur Calabi-Yau-Kompaktifizierung siehe Polchinski (2000a), Kap. 16. bzw. Kaku (1999), Kap. 10.

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lässt, wie es zum Standardmodell der Quantenfeldtheorien als effektiver Theorie im Niederenergiebereich kommt. Aber diese Hoffnungen haben sich inzwischen weitgehend zerschlagen. Die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Kompaktifizierung für die überzähligen Dimensionen treten innerhalb der Vierer-Raumzeit jeweils sehr unterschiedlich in Erscheinung. Unterschiedliche Kompaktifizierungsmodi führen zu unterschiedlicher Physik innerhalb der Vierer-Raumzeit. Und mit der Vielfalt an Optionen für die Geometrie des kompakten Raumes kommt es innerhalb des Stringansatzes zur Unbestimmtheit und Unvorhersagbarkeit hinsichtlich der physikalischen Implikationen für die Vierer-Raumzeit: "[...] there are many Calabi-Yau three-folds and each gives rise to different physics in M4. Having no means to choose which one is 'right', we lose predictive power." (Greene (1997) 9) Die Bedingungen, unter denen man etwa die Reproduktion des Standardmodells erwarten würde, hängen entscheidend vom jeweiligen Kompaktifizierungsmodus ab. Inzwischen steht aber fest, dass das Spektrum der Möglichkeiten für die Kompaktifizierung und entsprechend für das Spektrum ihrer möglichen physikalischen Implikationen immens ist. Die Zahl der möglichen String-Vakua wird heute auf 10100 bis 10500 geschätzt.92 Für diese unüberschaubare Alternativenlandschaft hat sich inzwischen die Bezeichnung "String-Landscape" eingebürgert. Und es sieht zudem danach aus, als ob sich kein innertheoretisch motivierbares Kriterium für die Auswahl einer der Alternativen bietet. Im Rahmen der Erforschung der möglichen Kompaktifizierungsmodi haben die Stringtheoretiker offensichtlich die Büchse der Pandora geöffnet. Aber davon soll später ausführlich die Rede sein.93

92

Siehe Kap. 5. sowie Banks et al. (2003), Dine (2004), Douglas (2003) und Susskind (2003). 93 Siehe Kap. 5.

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2.3. Dualitäten und M-Theorie Es gibt (mindestens) fünf konsistente perturbative Stringtheorien und nicht nur eine. Dies ist aber nur schwerlich mit dem Anspruch des Superstringansatzes zu vereinbaren, die fundamentale Theorie zu sein, die alle Wechselwirkungen vereinigt. Eine Lösung für dieses Problem findet sich vielleicht in den Dualitätsbeziehungen zwischen den bekannten fünf perturbativen Theorien. Diese weisen auf einen diesen Theorien zugrundeliegenden umfassenderen gemeinsamen konzeptionellen Rahmen hin, eine nichtperturbative Theorie, die bisher noch nicht in klar ausformulierbarer Weise existiert, aber dennoch schon einen Namen trägt: M-Theorie. Dualitätsbeziehungen bestehen darin, dass die Zustandsspektren zweier zueinander dualer Beschreibungen unter bestimmten, eindeutig zu spezifizierenden parametrischen Bedingungen identisch sind. Dies deutet auf die unter den jeweiligen spezifischen Bedingungen gegebene Äquivalenz der zueinander dualen Beschreibungen hin. Dualitätsbeziehungen sind nach Auffassung einiger Theoretiker ein spezifisches Charakteristikum des Stringansatzes:94 "Duality is a typical 'stringy' property without any counterpart in field theory, since it depends crucially on the extended nature of the string." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 77) Sie werden offensichtlich durch die Supersymmetrie begünstigt und lassen sich nach heutigem Ermessen vor allem auf die Tatsache zurückführen, dass es zu den für die herkömmlichen Quantenfeldtheorien typischen Divergenzen in supersymmetrischen Theorien infolge der gegenseitigen Auslöschung von bosonischen und fermionischen Anteilen oft erst gar nicht kommt: "Duality symmetries are most manifest in supersymmetric theories, because in such theories perturbative loop corrections tend to be suppressed, due to cancellations between bosonic and fermionic degrees of freedom." (Lerche (2000) 20) 94

Siehe Hull / Townsend (1995), Polchinski (1996).

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Die für den Stringansatz relevanten Dualitäten sind bisher jedoch nur für einige Spezialfälle nachgewiesen. Ein allgemeiner Beweis steht immer noch aus, so dass sie bestenfalls den Status plausibler Hypothesen haben. Dies gilt gleichermassen für alle auf ihnen aufbauenden Schlussfolgerungen.

T-Dualität

Der einfachste Typus der im Stringansatz auftretenden Dualitätsbeziehungen ist die T-Dualität ("target-space duality").95 Sie ergibt sich für geschlossene Strings, die sich um eine kompakte zylindrische Dimension winden, in der Form, dass das Zustandsspektrum einer Stringtheorie A bei einer zylindrischen Kompaktifizierung mit dem Radius RA = R lS (lS steht für die Stringlänge) identisch ist mit dem Zustandsspektrum einer Stringtheorie B bei einer zylindrischen Kompaktifizierung mit dem Radius RB = lS/R. Für RA RB = lS2 kommt es zu den gleichen Zustandsspektren für die beiden T-dualen Stringtheorien A und B. Die T-Dualität konnte bisher zwischen den beiden heterotischen Theorien E8 x E8 und SO(32) ebenso wie zwischen den Theorien vom Typ IIA und vom Typ IIB nachgewiesen werden. Im letzteren Fall bedeutet dies bei Kompaktifizierungsradiusinversion eine Äquivalenz hinsichtlich der Zustandsspektren einer chiralen und einer nicht-chiralen Theorie. "Simply put, T-duality is a spacetime parity operation on just one side of the world sheet, and so reverses the relative chiralities of the rightand left-moving ground states. If we begin with the IIA theory and take the compactification radius to be small, we obtain the IIB theory at large radius and vice versa." (Polchinski (2000a) 137) Anschaulich entspricht die T-Dualität dem Austausch von Windungs- und Oszillationszuständen beim Übergang von einer Beschreibung zur anderen. 95

Siehe etwa Giveon / Porrati / Rabinovici (1994).

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Eine ihrer Konsequenzen besteht nach gängiger Auffassung der Stringtheoretiker in der Etablierung einer kleinsten Länge für die Stringtheorien: Verkleinert man für eine Stringtheorie A den Kompaktifizierungsradius unter die Stringlänge lS, so entspricht das Resultat hinsichtlich der Stringzustände einer Beschreibung auf der Grundlage der zu A T-dualen Theorie B mit einem Kompaktifizierungsradius grösser als lS. Die T-Dualität spiegelt insofern Prozesse, die sich scheinbar im Längenbereich unterhalb von lS abspielen, grundsätzlich auf Prozesse im Längenbereich oberhalb von lS. Versucht man innerhalb des Stringansatzes Abstände zu beschreiben, die kleiner sind als die Stringlänge, so führt dies nur dazu, das ein Alternativkonstrukt, das von Abständen handelt, die grösser sind als die Stringlänge, qua Äquivalenz die Beschreibung genauso gut übernehmen kann. Das heisst, dass unterhalb von lS keine Prozesse stattfinden, die nicht auch schon oberhalb von lS existieren. Und genau dies lässt sich nun so lesen, dass für die Stringtheorien mittels der T-Dualität die Stringlänge lS als kleinster Abstand festgeschrieben wird. Eine Verallgemeinerung der T-Dualität von eindimensionalen zylindrischen Kompaktifizierungen auf sechsdimensionale Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten ist die Spiegelsymmetrie.96 Sie besteht in der Identität der Zustandsspektren des String für unterschiedliche Raumzeittopologien hinsichtlich der kompaktifizierten Dimensionen: "Mirror symmetry [...] is another well known example of a duality. In this case, two topologically distinct Calabi-Yau compactification of string theory give rise to identical physical models." (Greene (1997) 4)

96

Siehe etwa Aspinwall / Greene / Morrison (1994) oder Strominger / Yau / Zaslov (1996).

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S-Dualität

Wesentlich weitreichender in ihren Konsequenzen als die T-Dualität ist die S-Dualität ("strong-weak duality"), da sie es ermöglicht, Konsequenzen des Stringansatzes abzuleiten, die über den perturbativen Kontext hinausgehen.97 Die S-Dualität etabliert Äquivalenzen der Zustandsspektren zwischen Bereichen schwacher Kopplung bei einer Stringtheorie A und solchen starker Kopplung bei einer Theorie B. Die effektive Kopplungsstärke gs der Stringtheorien ist, wie schon erwähnt, durch den Erwartungswert des Dilaton-Feldes gegeben: gs = e. Dieser Erwartungswert muss nicht notwendigerweise klein sein. Der perturbative Stringansatz funktioniert aber nur bei schwacher Kopplung (kleinem gs). Ansonsten divergieren die störungstheoretischen Entwicklungen. Mit den perturbativen Stringtheorien lässt sich also für eine starke Kopplung (grosses gs) keine Beschreibung der Stringdynamik erreichen. Hier bringt nun die S-Dualität zumindest partielle Abhilfe. Da sie Äquivalenzen der Zustandsspektren zwischen Bereichen starker Kopplung bei einer Stringtheorie A und solchen schwacher Kopplung bei einer Theorie B etabliert, ist es, wenn die perturbativen Prozeduren für eine Theorie A infolge starker Kopplung nicht mehr zum Einsatz kommen können, mit ihrer Hilfe möglich, diese durch die perturbativen Prozeduren einer zu ihr S-dualen Theorie B bei schwacher Kopplung zu ersetzen. Beide führen unter der Bedingungen gsA = 1/gsB zu identischen Resultaten hinsichtlich der Zustandsspektren.98 Man kann also den nicht-perturbativen Bereich der einen Theorie mit Hilfe der S-Dualität durch den perturbativen Bereich einer zweiten Theorie erfassen. Wie lässt sich aber die für diese Ersetzung erforderliche S-Dualität selbst nachweisen, wenn der perturbative Stringansatz nur bei schwacher Kopp97

Die S-Dualität ist die ausschlaggebende Entdeckung, die zur zweiten Superstring-Revolution führte. Sie ist eine Verallgemeinerung der Montonen-Olive-Dualität und weiterer Dualitäten innerhalb der Elektrodynamik und der statistischen Mechanik. 98 Der für die S-Dualität relevante Übergang zwischen Theorie A mit starker Kopplung und Theorie B mit schwacher Kopplung entspricht also gerade dem Übergang zwischen und -.

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lung funktioniert? Der Nachweis der S-Dualität müsste dem Nachweis der Identität der Zustandsspektren für eine Theorie bei starker und eine andere Theorie bei schwacher Kopplung entsprechen. Wie lässt sich aber der Bereich starker Kopplung erschliessen, aus dem sich erst der Nachweis für die S-Dualität ergibt? - Es ist die Supersymmetrie, die hier entscheidend ist.99 Für supersymmetrische Theorien lässt sich der Bereich der starken Kopplung zumindest punktuell über die nicht-perturbativen BPS-(Bogomol'nyi-Prasad-Sommerfield)-Zustände erschliessen. Die Energie ist für diese Zustände infolge der Supersymmetrie vollständig durch die Ladung festgelegt, also ohne den Einsatz perturbativer Prozeduren ermittelbar. Sie ist eine Folge der Symmetrie und nicht von der Dynamik abhängig.100 Mit den BPS-Zuständen lässt sich der nicht-perturbative Bereich aber eben nur punktuell erschliessen. Tatsächlich ist die S-Dualität daher bisher nur eine für wenige Spezialfälle nachweisbare Vermutung. "[...] since duality typically relates a strongly coupled string theory to a weakly coupled string theory, and since at present there is no independent description of string theory at strong coupling, we cannot prove duality." (Sen (1998) 3) Es ist also zumindest Vorsicht geboten hinsichtlich der Verallgemeinerungen, die sich aus der S-Dualität ergeben könnten: "[...] although these duality relations are quite impressive, we may still challenge many of these results because of their lack of rigor. We have only established the S-duality transformations to lowest order in 99

Es ist damit jedoch bis zu einem gewissen Grade fragwürdig, ob die S-Dualität für die Beschreibung unserer Welt wirklich relevant ist. Denn sie gilt wie die BPSZustände, auf die sich ihre Ableitung beruft, eigentlich nur für Theorien mit ungebrochener Supersymmetrie: "In realistic theories the degeneracy is removed and the moduli made massive by supersymmetry breaking." (Polchinski (1996) 16) Für unsere Welt muss aber die Supersymmetrie notwendigerweise gebrochen sein, sonst würden wir supersymmetrische Partnerteilchen mit identischer Masse zu unseren bekannten Teilchen vorfinden. 100 Siehe Polchinski (1996) und (1999). Beispielsweise gilt für Theorien mit ungebrochener Supersymmetrie: Jeder BPS-Zustand mit Ladung Null hat auch die Energie Null. Alle BPS-Zustände mit Ladung Null sind also degeneriert. Jeder BPS-Zustand entspricht einem der skalaren Moduli-Felder. Aufgrund der Antikommutatorbeziehungen gibt es keinen Zustand mit geringerer Energie. BPS-Zustände mit Ladung und Energie Null sind notwendigerweise Grundzustände des Systems.

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the effective theories. Although this is still an unsolved problem, we have confidence in these results because of the number of self-consistency checks we can make, the most compelling being the analysis of BPS saturared states and p-branes." (Kaku (1999) 480) Einige Beispiele für die S-Dualität sind aber bereits einigermassen überzeugend etabliert: Für eine flache sechsdimensionale Raumzeit entspricht der Grenzwert der starken Kopplung der Typ-IIA-Theorie der schwachen Kopplung für die heterotische Theorie.101 Für eine flache zehndimensionale Raumzeit entspricht der Grenzwert der starken Kopplung der Typ-ITheorie (unorientierte offene Strings) der schwachen Kopplung für die heterotische SO(32)-Theorie (orientierte geschlossene Strings). Damit ergibt sich eine Dualität zwischen einer Theorie mit unorientierten offenen Strings und einer Theorie mit orientierten geschlossenen Strings. Ebenso für eine flache zehndimensionale Raumzeit ergibt sich eine Äquivalenz zwischen dem Grenzwert der starken Kopplung der Typ-IIB-Theorie und der schwachen Kopplung der selben Theorie. Für die Typ-IIB-Theorie ist also für gs und für 1/gs das Zustandsspektrum gleich. Als Überraschung mit weitreichenden Konsequenzen zeigte sich zudem:102 Für eine flache zehndimensionale Raumzeit und eine nun für den Fall starker Kopplung hinzutretende, kreisförmig aufgerollte, elfte Dimension ist sowohl der Grenzwert der starken Kopplung der Typ-IIA-Theorie, als auch der der heterotischen E8 x E8-Theorie identisch mit dem der schwachen Kopplung für die elfdimensionale "Supergravity"-Theorie,103 eine supersymmetrische Quantenfeldtheorie der Gravitation, welche in den siebziger und achtziger Jahren intensiv diskutiert wurde und zeitweise als Anwärter für eine Beschreibung der Quantengravitation galt. Sie hat sich jedoch als nicht renormierbar und nicht chiral herausgestellt.104 Obwohl sie, wie heute klar ist, nicht als fundamentale Theorie der Quantengravitation angesehen werden kann, kann sie jedoch unter Umständen als effektive Niederenergienäherung einer fundamentaleren Theorie infrage kommen. Immerhin verfügt die Supergravity über keine dimensionslosen Parameter. 101

Dies wurde 1994 von Christopher M. Hull und Paul K. Townsend entdeckt. Siehe Townsend (1995). 103 Siehe Cremmer / Julia / Scherk (1978). 104 Chiralität ist für punktförmige Entitäten - von solchen geht, ebenso wie die Quantenfeldtheorien, auch die Supergravity aus - in 11 Dimensionen nicht formulierbar. 102

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Widerspricht aber das Auftauchen einer elften Dimension im Rahmen der S-Dualität zwischen perturbativen Stringtheorien und der alten Supergravity-Theorie nicht der Festlegung des Stringansatzes auf zehn raumzeitliche Dimensionen? - Nicht, wenn man berücksichtigt, dass diese Festlegung erst einmal nur im Rahmen des perturbativen Ansatzes Gültigkeit hat und sich mit der S-Dualität gerade eine Erweiterung in den nichtperturbativen Bereich ergibt! "[...] the 10-dimensional Type IIA [...] is actually an 11-dimensional theory in disguise!" (Kaku (1999) 467)

M-Theorie

Die sich mit der S-Dualität abzeichnende elfte Dimension der Raumzeit wird von den Stringtheoretikern als eines der Anzeichen für eine - meist M-Theorie genannte - elfdimensionale nicht-perturbative Theorie hinter den zehndimensionalen perturbativen Stringtheorien angesehen.105 Man geht davon aus, dass die elfdimensionale Supergravity eine Niederenergienäherung dieser nicht-perturbativen Theorie ist.106 "We are led to postulate the existence of an entirely new 11-dimensional theory, called M-theory. Our conclusion is then as follows: there 105

Siehe etwa Duff (1996), Townsend (1995), (1996), Schwarz (1996), (1997), Green (1998), Sen (1998), (1998b), Mukhi (1997) sowie Lerche (2000). 106 Die Besonderheit einer elfdimensionalen Theorie besteht darin, dass elf Dimensionen gerade das Maximum sind, wenn man Zustände mit Spins über 2 vermeiden will: "Eleven dimensions is an interesting number. This is the maximum in which supersymmetry is possible - beyond eleven the massless multiplets would contain spins higher than two, something which seems to be impossible in a consistent theory." (Polchinski (1996) 24) Eine Dimensionszahl über elf scheint für supersymmetrische Theorien nicht möglich zu sein: "It is not possible to construct [supergravity] theories in dimensions d > 11 since there is no possibility of matching bosonic and fermionic degrees of freedom." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 9)

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exists a new 11-dimensional theory, called M-theory, containing 11dimensional supergravity as its low-energy limit, which reduces to Type IIA string theory (with Kaluza-Klein modes) when compactified on a circle. Specifically, the strong coupling limit of Type IIA is Mtheory." (Kaku (1999) 467f) Die M-Theorie ist jedoch bisher nicht mehr als Programm und Spekulation. Immerhin lässt sich plausibel machen, wieso die elfte Dimension gerade im Rahmen der S-Dualität in Erscheinung tritt. Sie wird nämlich erst beim Übergang in den nicht mehr perturbativ erschliessbaren Bereich der Stringtheorien wirksam. Für kleine Erwartungswerte des Dilatonfeldes, die gerade die Voraussetzung für die Anwendung perturbativer Prozeduren sind, spielt sie keine Rolle. Sie ist ein grundsätzlich nicht-perturbatives Phänomen und tritt erst für den Bereich starker Kopplung in Erscheinung. Das liegt darin begründet, dass die zusätzliche elfte Dimension sich als metrische Transformation der effektiven Kopplungskonstante der Stringtheorien, also des Erwartungswerts des Dilaton-Feldes, ansehen lässt. "The D = 10 dilaton, which governs the strength of the string coupling, is just a component of the D = 11 metric." (Duff (1996) 3) Daher gibt es in der elfdimensionalen Theorie auch kein Dilaton-Feld mehr. Es ist im Rahmen der dimensionalen Erweiterung in die Metrik eingegangen. Das Dilaton-Feld wird zum Teil der Metrik der Raumzeit. Die effektive Kopplungsstärke entspricht dann der Ausdehnung der eingerollten elften Dimension und ist selbst ein metrisches Phänomen. "We can [...] see why physicists missed this rather simple correspondence for many years. Because the coupling constant grows with the radius of compactification, perturbation theory will never reveal this eleventh dimension to any finite order in the expansion. This correspondence between 11- and 10-dimensional physics is inherently a nonperturbative one." (Kaku (1999) 469) Hier wird exemplarisch ein Problem hinsichtlich der Interpretation der Kompaktifizierungsmodi innerhalb des Stringansatzes deutlich: Welche masselosen Zustände des String tatsächlich als Felder und welche als interne Komponenten der Metrik und Topologie der Raumzeit zu sehen sind, ist im Stringansatz insofern oft Interpretationssache, als zum Teil völlig

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verschiedene Darstellungsweisen qua Dualitäten äquivalent sind.107 Man kann (i) die hinsichtlich des raumzeitlichen Geschehens realistische Perspektive einnehmen, dass die raumzeitliche Metrik und Topologie der kompakten Dimensionen die Zustände tatsächlich dynamisch festlegt, aber ebenso (ii) die strukturalistische Perspektive, dass sie nur eine geometrische Metapher für die Parametrisierung der Zustandsspektren liefert - oder schliesslich gar (iii) die geometrodynamische Auffassung, dass die Zustände nur Ausdruck der raumzeitlichen Metrik und Topologie der kompakten Dimensionen sind.108 Die sich in den S-Dualitäten zeigende elfte Dimension hat aber nach Auffassung der Stringtheoretiker noch weitere Konsequenzen. Vor allem betrifft dies die für die M-Theorie zu erwartenden basalen Konstituenten. In der elfdimensionalen M-Theorie sollten die Strings der perturbativen Stringtheorien, wie man vermutet, als zylindrisch eingerollte zweidimensionale Membrane auftreten,109 was für die mathematische Modellierung dieser Theorie, nach den Erfahrungen mit den alten Supergravity-Ansätzen, immerhin Schwierigkeiten bedeuten könnte: "There was at one time an effort to define eleven-dimensional supergravity as a theory of fundamental membranes; this was one of the roots of the name M-theory. This had many difficulties, the most immediate being that the world-sheet theory is nonrenormalizable." (Polchinski (2000a) 216) Insbesondere ist völlig unklar, wie sich die Dynamik dieser Membrane quantisieren lassen sollte.110 107

Siehe Schwarz (2000), insb. S. 39. Hier zeigt sich, dass es vom Stringansatz zur Wheelerschen Quantengeometrodynamik möglicherweise gar nicht so weit ist. 109 Dass die Membrane der M-Theorie innerhalb der zehndimensionalen perturbativen Stringtheorien als eindimensionale Objekte behandelt werden, ist nach gängiger Auffassung als Näherung für den Fall schwacher Kopplung bzw. niedriger Erwartungswerte des Dilatonfeldes anzusehen. Bei dieser Näherung lässt sich über die kompakte elfte Dimension hinwegsehen, da ihre Ausdehnung für den perturbativen Fall vernachlässigbar ist. Der perturbative Bereich kennzeichnet sich gerade durch kleine effektive Kopplungsparameter, also kleine Erwartungswerte des Dilatonfeldes, was innerhalb der elfdimensionalen Theorie nichts anderes bedeutet als eine geringe Ausdehnung für die kompakte elfte Dimension. 110 Siehe Kap. 4.1. 108

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"The fact that the string theory is so simple to quantize can be traced to the fundamental fact that the Hamiltonian is quadratic in the string variables; this means that is decomposes into an infinite series of free particles. A vast collection of vacuum solutions to string theory can be constructed because, in essence, it is a free theory. However, this simplicity breaks down completely when we analyze membranes in Mtheory. We will find that the Hamiltonian is now quartic, making the quantization intractable. In contrast to the simplicity of string theory, there is still no satisfactory method for quantizing free membranes." (Kaku (1999) 62) Wie man heute vermutet, ist mit der M-Theorie ein Übergang zu einem ganzen Spektrum von höherdimensionalen Grundelementen verbunden: nicht nur zu Membranen, sondern ebenso zu den noch zu erörternden pBranen und D-Branen.111 Dann stellt sich natürlich sofort die Frage nach den hinter diesen Grundelementen stehenden Prinzipien: "The ideal definition of string/M/F/...-theory would have a sort of 'manifest duality' in which every object which could become fundamental in any limit was included as a fundamental degree of freedom. However, there is a bewildering variety of candidate fundamental degrees of freedom, especially after compactification, and such a description might well require intractable constraints among them. / One might look for some general 'principle of construction' that builds up all possible extended objects as composite objects. Perhaps the appropriate constituent degrees of freedom have not even made their appearance yet!" (Douglas (1996) 26) Aber auch wenn hinsichtlich dieser Prinzipien vollkommene Unklarheit herrscht: Für die postulierte M-Theorie spricht, nach Auffassung der Stringtheoretiker, nicht nur das Auftreten einer zusätzlichen elften Dimension für den Fall starker Kopplung im Rahmen der S-Dualität, sondern das Auftreten der Dualitäten überhaupt. Dieses lässt sich, nach gängiger Auffassung, als Anzeichen für eine durchgängige Verbindung zwischen den perturbativen Stringtheorien werten - und mithin für eine nicht-perturbative Theorie hinter diesen perturbativen Ansätzen: 111

Siehe Kap. 2.4. sowie Townsend (1995a).

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"It can now be explicitly shown that by compactifying any one of the five theories on a suitable manifold, and then un-compactifying it in another manner, one can reach any other of the five theories in a continuous way." (Lerche (2000) 27) Das Netz der Dualitäten IIB IIA Supergravity E8 x E8 SO(32) I >S< und die mit ihm verbundene Einsicht in die letztendliche gemeinsame Grundlage der unterschiedlichen perturbativen Superstringtheorien deuten nach Ansicht der Stringtheoretiker gerade darauf hin, diese perturbativen Theorien als unterschiedliche Näherungen einer grundlegenderen nichtperturbativen Theorie zu verstehen. "For string theory the change in viewpoint is perhaps even wider and includes the discovery that there is only one theory. / For weak coupling the five string theories - and the wild card, eleven-dimensional supergravity - are all different. That is why they have been traditionally understood as different theories. Understanding them as different limits to one theory requires understanding what happens for strong coupling. / The novelty of the last couple of years, in a nutshell, is that we have learned that the strong-coupling behavior of supersymmetric string theories and field theories is governed by a web of dualities relating different theories. When one description breaks down because a coupling parameter becomes large, another description takes over. / [...] we learn that the different theories are all one. The different supertheories studied in different ways in the last generation are different manifestations of one underlying, and still mysterious, theory, sometimes called M-theory, where M stands for magic, mystery or membrane, according to taste. This theory is the candidate for superunification of the forces of nature. It has eleven-dimensional supergravity and all the traditionally studied string theories among its possible low-energy manifestations." (Witten (1997) 32) Alle perturbativen Stringtheorien entsprechen dieser Auffassung zufolge einer spezifischen "Koordinatenwahl" im Parameterraum dieser grund-

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legenderen, aber noch unbekannten M-Theorie, für die man sich eine einheitliche Beschreibung für die Zukunft erhofft. "Already, M-theory can unify the five different superstring theories into a single theory. Ultimately, there may be a single equation (perhaps no more than an inch long) which will unify the entire theory." (Kaku (1999) 5) Aber von einer Grundgleichung für die M-Theorie ist der Stringansatz noch weit entfernt: "The complete action of M-theory is unknown." (Kaku (1999) 458) "[...] the central defining principle of string theory is not known." (Polchinski (1996) 9) Man kennt bestenfalls Niederenergienäherungen und perturbative Grenzfälle dieser Theorie: "We know only its low-energy part, which is 11-dimensional supergravity. A present there is no known way to systematically derive the entire nonpolynomial theory. Also, we know very little about the quantization of these membranes and 5-branes in 11 dimensions, and hence cannot make definitive statements about their interactions." (Kaku (1999) 468) In ihren nicht-perturbativen Eigenschaften und hinsichtlich der Dynamik der vermuteten höherdimensionalen Konstituenten ist die M-Theorie noch völlig unbekannt. Und es ziemlich unklar wie sich die mit ihr anbahnenden konzeptionellen Probleme mathematisch meistern lassen sollen: "Unless M-theory is quantized, we will never understand its spectra and rigorously understand its properties. Unfortunately, even simple membrane actions cannot be quantized with known techniques." (Kaku (1999) 543) Angesichts des Anspruchs, mit der M-Theorie die fundamentalste physikalische Theorie zu entwickeln, zeichnet sich günstigerweise immerhin schon ab, dass diese vermutlich ohne parametrische Kopplungskonstante

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auskommen wird. Denn es gibt, wie schon erwähnt, in der M-Theorie kein Dilaton-Feld, welches die Wechselwirkungsstärke bestimmen würde, da dieses im Übergang vom perturbativen auf den nicht-perturbativen Bereich als elfte Dimension in die Metrik und Topologie der Raumzeit einfliesst. "What makes M-theory at once intriguing and yet difficult to analyse is that in D = 11 there is neither dilaton nor moduli and hence the theory is intrinsically non-perturbative." (Duff (1996) 1) Damit fallen jedoch vermutlich auch alle mathematischen Prozeduren, die gemeinhin zur Beschreibung von Wechselwirkungsprozessen eingesetzt werden, für die M-Theorie weg: "We know little about the eleven-dimensional theory. Its low energy physics must be described by d = 11 supergravity, but it has no dimensionless parameter in which to make a perturbation expansion. At energies of order M11 neither supergravity nor string theory is a useful description." (Polchinski (2000a) 199) Mit der sogenannten Matrix-Theorie liegt immerhin inzwischen vielleicht ein erster Schritt zur nicht-perturbativen Erschliessung der M-Theorie vor.112 "Matrix Theory is supposed to be the Discrete Light Cone Quantization (DLCQ) of M-theory. The spectrum of the DLCQ theory diverges more rapidly at large energy than that of the limiting, decompactified theory, for 9 or fewer asymptotically flat dimensions. At D = 5 the DLCQ spectrum blows up faster than an exponential of light cone energy and we don't know how to define it. It is of greatest interest to work out the form of the decompactified quantum theory." (Banks (2003) 29) Aber auch die Matrix-Theorie kann keine umfassende Gültigkeit für sich beanspruchen. Sie ist überhaupt nur unter spezifischen Bedingungen einsetzbar, und auch dann nicht ohne Probleme:

112

Siehe etwa Banks (1998) (2001a), Banks et al. (1997), Bigatti / Susskind (1997), Bilal (1999), Taylor (2001).

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"Not only is Matrix Theory awkward to use, but (more fundamentally) it seems to be applicable to only a limited class of quantum vacua. In particular, it does not seem able to describe realistic vacua in which all but four dimensions are compactified." (Schwarz (1998) 6) Insbesondere ist auch die Matrix-Theorie, wie schon die perturbativen Stringtheorien, keine hintergrundunabhängige Theorie.113 Dies steht jedoch im Widerstreit zur Annahme, dass die M-Theorie, wenn sie als abschliessende Theorie der Quantengravitation infrage kommen soll, eine nicht-perturbative Theorie ohne Hintergrundraumzeit sein sollte:114 "If M theory is to be a unification of all the different background dependent string theories, and hence treat them all on an equal footing, it cannot be formulated in terms of any single spacetime background. Hence, we expect that M theory must be a background independent theory." (Smolin (2005) 28) Das Hauptproblem bei der Formulierung der M-Theorie, ob als MatrixTheorie oder in anderer Form, besteht aber eindeutig vor allem in der Schwierigkeit, dass die der Theorie zugrundeliegenden Prinzipien schlichtweg unbekannt sind.115 Dieses Problem wird vor allem im Vergleich mit der Allgemeinen Relativitätstheorie und den Quantenfeldtheorien deutlich. Erstere liess sich auf der Grundlage des Äquivalenzprinzips bzw. des Prinzips der allgemeinen Kovarianz entwickeln, letztere basieren ausnahmslos auf Eichinvarianzen. "[...] both general relativity and Yang-Mills theory are mature theories: they both can be formulated from first principles, which stresses the geometry and the physical assumptions underlying the theory." (Kaku (1999) 6) Vielleicht werden sich diese Probleme irgendwann lösen lassen. Vielleicht gibt es aber auch gar keine einheitliche Theorie hinter den durch Dualitäten verbundenen Ansätzen:

113 114

Siehe Smolin (2003). Das Problem der Hintergrundraumzeit wird ausführlich in Kap. 6. zu erörtern

sein. 115

Siehe hierzu auch Kap. 6.

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"I believe that the most cogent summary of what was achieved by the String Duality Revolution is the statement that what we used to call String Theory is really just the collection of Supersymmetric Quantum Theories of Gravitation." (Banks (2003) 8) Das Interessanteste, was sich über die M-Theorie sagen lässt, ist, dass sie als regulatives Ideal den Stringansatz weiterträgt, obwohl es sie gar nicht als explizites Konstrukt gibt, sondern nur als Summe der diversen Kommentare, mit denen sich die Stringtheoretiker auf sie beziehen (und für die das folgende Zitat das vorerst letzte Beispiel liefern soll): "The remarkable thing about this kind of reasoning is that it works even though we don't understand how to formulate the M theory as a quantum theory." (Schwarz (1996) 1) Die M-Theorie wird als Anwärter auf die letzte fundamentale physikalische Theorie gehandelt, ohne tatsächlich zu existieren. Wenn sie in irgendeiner Hinsicht wirklich gut funktioniert, dann als Mythos.

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2.4. Dirichlet-Branen und Bran-Welten Schon im Rahmen der Erörterung der Kompaktifizierung der überzähligen Raumdimensionen war die Rede davon, dass die Raumzeit im Stringansatz grundsätzlich auch Singularitäten enthalten könnte. Bei der tentativen Erschliessung des Übergangs vom perturbativen zum nicht-perturbativen Bereich ist dann im Stringansatz zunehmend deutlich geworden, dass die Stringdynamik höherdimensionale Entitäten, topologische Defekte und solitonische Zustände einschliessen kann und diese den nicht-perturbativen Bereich wahrscheinlich sogar dominieren: "String compactifications on manifolds X are not only complex because of the large moduli spaces they generically have, but also because the spectrum of physical states becomes vastly more complicated. In fact, when going down in the dimension by compactification, there is a dramatic proliferation of non-perturbative states. / The reason is that string theory is not simply a theory of strings: there exist also higher dimensional extended objects, so called 'p-branes', which have p space and one time dimension [...]. In the light of duality [...] we know that there is no absolute distinction between elementary or solitonic objects." (Lerche (2000) 24) Der Stringansatz birgt also - spätestens wenn Zusammenhänge in Erscheinung treten, die über den rein perturbativen Kontext hinausweisen Entitäten, die das einfache Bild eines Zustandekommens aller dynamischen Zustände ausschliesslich auf der Basis von Strings und ihrer Dynamik deutlich überschreiten. Im Rahmen der Dualitäten zwischen verschiedenen Beschreibungsweisen etwa werden die fundamentalen Entitäten der einen Beschreibungsweise zu abgeleiteten Entitäten innerhalb der dazu dualen Beschreibungsweise, und umgekehrt. Es sind also nicht immer die basalen Strings der perturbativen Stringtheorien, die die Rolle der fundamentalen Entitäten innerhalb dieser unterschiedlichen Ansätze spielen. "In addition to the fundamental strings, various string theories have in their spectra one-dimensional objects which are either smooth solitons or D-branes. At weak coupling these are much heavier than the fundamental strings, but at strong coupling they are much lighter

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(again this guaranteed by the BPS formula). In this limit it is natural to reinterpret the theory with the soliton or D-brane being the fundamental string." (Polchinski (1996) 22) In dieser Hinsicht ist es zumindest fragwürdig, ob die Bezeichnung "Stringtheorie" noch vollends angemessen ist. "[...] since string theory contains degrees of freedom with more (or less) than one spatial dimension, and since in certain circumstances it is these degrees of freedom which dominate the low-energy dynamics [...], maybe the term 'string' theory is a historical misnomer." (Greene (1997) 7) Aber mit Bezeichnungen gehen nicht notwendigerweise ontologische Postulate einher. Es sind bei weitem noch nicht alle Entitäten bekannt, die im Rahmen der Stringtheorien und ihrer nicht-perturbativen Erweiterungen auftreten können. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der nicht-perturbative Bereich der Stringtheorien bisher nur ansatzweise erschlossen werden konnte und die zugrundeliegenden Prinzipien bisher völlig unbekannt sind. "[...] every indication is that the string description is useful only [...] [when] the string coupling becomes weak. In the center of the parameter space, not only do we not know the Hamiltonian but we do not know what degrees of freedom are supposed to appear in it. It is likely that they are not the one-dimensional objects that one usually thinks of in string theory; it is more likely that they are the coordinate matrices of the D-Branes." (Polchinski (1999) 21)116 Zu den wichtigsten der mittlerweile bekannten Entitäten, die für die Stringtheorien beim Übergang in den nicht-perturbativen Bereich auftreten, gehören p-Branen und D-Branen. p-Branen117 sind Lösungen des Stringansatzes, für welche die Energie auf eine p-dimensionale, räumliche Hy116

Man vermutet, dass die im vorausgehenden Abschnitt erwähnte Matrix-Theorie, mittels derer eine Annäherung an die mysteriöse M-Theorie erreicht werden soll, gerade die Dynamik von D-Branen, von denen sogleich die Rede sein wird, in Form von Koordinaten-Matrizen erfasst. Mathematische Grundlage ist eine nicht-kommutative Geometrie. 117 Siehe etwa Strominger (1996) und Witten (1996a).

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perfläche konzentriert ist. Sie lassen sich nicht aus ausschliesslich perturbativen Ansätzen ableiten, sondern erst im Rahmen einer zumindest ansatzweise nicht-perturbativen Beschreibung. p-Branen dehnen sich in p räumlichen Dimensionen (tangentiale Dimensionen) aus und können sich in allen anderen räumlichen Dimensionen (transversale Dimensionen) bewegen bzw. lokalisieren lassen. Sie sind invariant unter Translation entlang der tangentialen räumlichen Dimensionen und der Zeit. Bei Entfernung von der Bran in der transversalen Richtung nähern sich die Zustandswerte sehr schnell an die jeweilige Vakuumlösung an.118 Die zulässigen räumlichen Dimensionen p sind für die IIA-Theorie gerade und für die IIBTheorie ungerade. - Und manche p-Branen sind Dirichlet-Branen, kurz: DBranen.

D-Branen

D-Branen sind dynamische Raumzeit-Submannigfaltigkeiten, die sich dadurch charakterisieren lassen, dass offene Strings auf ihnen enden:119 "D-branes are topological defects on which the ends of a string can be trapped." (Polchinski (1996) 22) Die Anbindung an die D-Bran ist formal dadurch gegeben, dass für die Stringendpunkte transversal zur Bran sogenannte "Dirichlet-Randbedingungen" gelten. Diese entsprechen gerade einer Fixierung der Endpunkte der Strings auf der Bran. Tangential zur Bran können sich die Enden der Strings (entsprechend den hierfür geltenden "Neumann-Randbedingungen"120) frei bewegen, aber eben (gemäss den transversal wirksamen Dirichlet-Randbedingungen) nicht von ihr weg. 118

Sogenannte "Schwarze p-Branen" sind p-Branen mit Ereignishorizonten. Sie sind invariant unter Translation entlang der tangentialen Dimensionen und der Zeit. Entlang der transversalen Dimensionen haben sie die geometrische Struktur Schwarzer Löcher. 119 Siehe etwa Bachas (1996) und (1997), Polchinski (1995) und (1996a) sowie Polchinski et al. (1996). 120 Dirichlet- und Neumann-Randbedingungen erschöpfen die Möglichkeiten der Festlegung für die Stringendpunkte.

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"It was once thought that Dirichlet boundary conditions, where the derivative of the string variable is a nonzero constant, lead to unphysical strings, since the endpoints are now fixed in space and time, terminating on a stationary hyperplane. When we discuss M-theory, however, we will find that these hyperplanes can actually move in space and time, oscillating like membranes (called D-branes). These D-branes, we will see, are essential in understanding the solitonlike solutions of string theory." (Kaku (1999) 56) Die D-Bran definiert sich über die infolge der Dirichlet-Randbedingungen an ihr ankoppelnden offenen Strings. Die Integration der Dirichlet-Randbedingungen führt zur Spezifizierung der Raumzeitpunkte, an denen Strings ankoppeln. Sie führt zur Festlegung der D-Bran. Die Dynamik der D-Bran (Oszillationen, Translationen, Wechselwirkung mit anderen DBranen und Strings) wird durch die Strings, die auf ihr enden, vollständig bestimmt. D-Branen kommen, wie vermutet wird, infolge nicht-perturbativer Effekte zustande und treten in den Stringtheorien des Typs I, IIA und IIB als quasiklassische, dynamisch stabile Lösungen in Erscheinung. - Wie können aber D-Branen, die sich dadurch definieren, dass offene Strings auf ihnen enden, für die Theorien vom Typ IIA und IIB existieren, die im Gegensatz zur Theorie vom Typ I nur geschlossene Strings enthalten? Die überraschende Antwort lautet: In den Theorien vom Typ IIA und IIB gibt es, im Gegensatz zu dem Bild, das sich für den perturbativen Kontext einstellt, offene Strings - allerdings nur bei Anwesenheit von D-Branen, also nur für den nicht-perturbativen Fall. "In type IIA or type IIB superstring theories it is similarly natural to introduce D-branes on which open type I superstrings can end." (Bilal (1999) 7) D-Branen liefern insbesondere eine Methode zur Implementierung von Ladungen in den Stringansatz. Denn D-Branen tragen als BPS-Zustände Ladungen, die alleine durch die Supersymmetrie bestimmt werden.121 Und 121

Die Energie dieser Zustände ist, wie schon erwähnt, infolge der Supersymmetrie ausschliesslich durch die Ladung festgelegt, also ohne den Einsatz perturbativer Prozeduren ermittelbar. Sie ist eine Folge der Symmetrie und nicht von der Dynamik abhängig.

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diese Ladungen sind nicht zuletzt auch die Ursache der Ankopplung offener Strings an die D-Branen - und damit der Existenz der D-Branen.122 Die Ladung einer D-Bran ist mit den Ladungen gleichzusetzen, die sich an den Enden der ankoppelnden offenen Strings befinden, die sich aber im Rahmen des perturbativen Stringansatzes nicht überzeugend rekonstruieren liessen. Diese sogenannten "Ramond-Ramond-Ladungen", die sich als Verallgemeinerung elektrischer und magnetischer Ladungen ansehen lassen, sind die Quellen entsprechender Eichfelder.123 Ihre Implementierung innerhalb des Stringansatzes durch die Einführung von D-Branen löst nicht zuletzt das bis dahin ungeklärte Problem der Quellen der Eichfelder: "[...] there was the long-standing puzzle of what were the sources for the R-R fields. [...] out of the string variable [...] it was impossible to construct a source for the field." (Kaku (1999) 506) "The discovery that D-branes carry R-R charges neatly ties together two loose ends. [...] it was argued [...] that the ordinary string states do not have R-R charges, but now we see that string theory does have a source for every gauge field." (Polchinski (2000a) 142) Jede Dp-Bran, also jede D-Bran mit p räumlichen Dimensionen, ist die Quelle für ein (p+1)-Form-Ramond-Ramond-Eichfeld. 124 "D-p-branes are charged under p+1-form gauge potentials, in the same way that a 0-brane (particle) can be charged under a one-form gauge potential (as in electromagnetism)." (Aharony et al. (1999) 7) Die zulässigen räumlichen Dimensionalitäten p von Dp-Branen hängen vom Typus der entsprechenden Stringtheorie ab: Für den Typ IIA ist p gerade und kann die Werte 0, 2, 4, 6 und 8 annehmen. Für den Typ IIB ist p ungerade und kann die Werte -1, 1, 3, 5, 7 und 9 annehmen.125 Für den Typ 122

Siehe etwa Douglas (1996) und Giveon / Kutasov (1999). Ramond-Ramond-Ladungen sind innerhalb des Stringansatzes die einzigen Ladungstypen, die mit der Lorentz-Invarianz kompatibel sind. 124 Eine p-Form ist ein antisymmetrischer Tensor mit p Indizes. p-Form-Eichfelder sind das Ergebnis einer Verallgemeinerung Abelscher Eichtheorien mit p-Form-Potential, (p-1)-Form Eichparameter und (p+1)-Form Feldstärke. Eine 1-Form ist beispielsweise ein Vektorpotential. Für p = 0 ergeben sich masselose Skalarfelder. 125 D(-1)-Branen sind zeitliche Instantonen, denen formal die räumliche Dimensionszahl -1 zugewiesen wird: 123

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I sind es die Werte 1, 5 und 9. Eine D9-Bran ist raumfüllend und entspricht somit durchgängigen Neumann-Randbedingungen; offene Strings können sich für diesen Fall frei bewegen. Dies entspricht dem Spezialfall der Einführung von Ladungen im Chan-Paton-Verfahren, welches hiermit post hoc seine Motivation durch die Möglichkeit der Existenz von D9-Branen in der Stringtheorie von Typ I erfährt. "[...] it is natural to interpret each Chan-Paton degree of freedom in the fully Neumann theory as a 9-brane filling spacetime." (Polchinski (2000a) 141) Unter Berücksichtigung der Dualitätsbeziehungen zwischen den Theorietypen, für die sich D-Branen ergeben, verkompliziert sich die Sachlage noch einmal. Insbesondere verwandelt die T-Dualität Neumann-Randbedingungen in Dirichlet-Randbedingungen: "Notice that T-duality converts a Neumann boundary condition into a Dirichlet condition. This, in turn, can explain how T-duality changes the properties of D-branes in Type IIA and IIB theories. We saw earlier that Type IIA(B) theory has even (odd) Dirichlet p-branes. If we make a T-duality transformation, then even and odd p-branes must turn into each other." (Kaku (1999) 520) Die Grenzziehung zwischen Theorien mit offenen und solchen mit geschlossenen Strings wird mit den Dualitäten und der Einführung der DBranen irrelevant.126

"A (-1)-brane is a Dirichlet instanton, defined by Dirichlet conditions in the time direction as well as all spatial directions." (Polchinski / Chaudhuri / Johnson (1996) 27) 126 So lassen sich D-Branen möglicherweise auch als Pendants zu Schwarzen Löchern, respektive zu deren höherdimensionalen Verallgemeinerungen, interpretierten. Offene Strings liessen sich dann als geschlossene Strings deuten, von denen ein Teil in einer D-Bran verschwunden ist. Das könnte auch eine Erklärung dafür liefern, wieso es überhaupt offene und geschlossene Strings gibt. Geschlossene Strings liessen sich vielleicht als Quanten-Anregungen der Raumzeit auffassen; und offene Strings als geschlossene Strings, verbunden mit D-Branen. Siehe etwa Maldacena (1998).

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Bran-Welten

Wenn D-Branen die Quellen von Eichfeldern sind, so könnten, wie einige Stringtheoretiker vermuten, vielleicht auch die Eichfelder des Standardmodells ein Phänomen sein, das aus der Dynamik von D-Branen resultiert.127 Die Eichfelder würden dann an einer D-Bran ankoppeln und wären insofern nicht für die gesamte zehndimensionale Raumzeit präsent. Dies muss aber nicht nur für die Eichfelder gelten: D-Branen definieren sich gerade dadurch, dass offene Strings auf ihnen enden. Wenn unsere herkömmliche Materie und die Eichfelder der starken und der elektroschwachen Wechselwirkung aber als Zustände offener Strings anzusehen wären, so könnte dies bedeuten, dass die Materie und die Eichfelder unmittelbar an einer D-Bran ankoppeln und in ihrer Dynamik auf diese beschränkt sind. Nur die Gravitation, wenn sie durch die Zustände geschlossener Strings vermittelt würde, wäre ein Phänomen, welches die gesamte zehndimensionale Raumzeit beträfe.128 Vielleicht ist unser materielles Universum also eine (sich zeitlich entwickelnde) D3-Bran in einer zehndimensionalen Raumzeit. Die Materie und die Eichfelder wären an diese Bran gebunden. Nur die Gravitation würde sich im gesamten neundimensionalen Raum ausbreiten können. Und es könnte innerhalb der zehndimensionalen Raumzeit noch andere solche D-Branen unterschiedlicher Dimensionalität geben, vielleicht sogar weitere D3-Branen ähnlich der unseren.129

127

Einerseits ist jede Dp-Bran die Quelle für ein (p+1)-Form-Ramond-RamondEichfeld. Andererseits lässt sich zeigen, dass in dem Fall, in dem n Dp-Branen zusammentreffen oder parallel liegen und sich auf Entfernungen von weniger als der Stringlänge annähern, das entsprechende (p+1)-dimensionale Weltvolumen eine U(n)Eichsymmetrie aufweist. 128 Das könnte vielleicht auch Schwäche der Gravitation gegenüber den anderen Wechselwirkungen erklären. 129 Das sogenannte Horava-Witten-Szenario geht im Gegensatz zu dieser Idee von zwei zehndimensionalen Universen (bzw. zwei sich zeitlich entwickelnden 9-Branen) aus, die gemeinsam die elfdimensionale Raumzeit der M-Theorie aufspannen. Diese elfte Dimension zeigt sich, wie in Kap. 2.3. erörtert, erst für den Fall starker Kopplung, so dass der Übergang von schwacher zu starker Kopplung in diesem Bild einem Auseinanderdriften der zehndimensionalen Universen entspräche, welche die elfdimensionale Raumzeit der M-Theorie begrenzen.

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Das heisst aber auch, dass es vielleicht gar keine Kompaktifizierung gibt. Vielleicht sind alle neun räumlichen Dimensionen ausgedehnt und flach.130 "[...] in the E8 x E8 case one can visualize the space-time as an 11d space-time with two 10d faces, which are sometimes referred to as 'end-of-the-world 9branes', since they have nine spatial dimensions. One of the E8 gauge groups is associated to each face. In any case, at strong coupling the faces move apart and (away from the faces) the theory is described by the same 11d bulk theory that describes the IIA theory at strong coupling. This 11d theory is described in leading order in a low-energy expansion by 11d supergravity, a classical field theory that was discovered almost 20 years ago. It is not yet known what is the correct algorithm that determines all the higher-dimension terms of the lowenergy expansion of the effective action, but since we are confident that there is a consistent quantum theory, such an algorithm should exist. The unknown 11d quantum theory is referred to as M theory." (Schwarz (1997) 12) Die materierepräsentierenden offenen Strings koppeln, dem Horava-Witten-Szenario zufolge, nur an den beiden zehndimensionalen Universen (bzw. 9-Branen) an. Die Gravitonen können sich als Zustände geschlossener Strings frei bewegen. Es könnte also sein, dass eines der zehndimensionalen Universen unser gewöhnliches Materieuniversums ist, das zweite Universum hingegen die "Schattenwelt" der dunklen Materie, die mit unserem Universum nur über die Gravitation wechselwirkt. Siehe etwa Horava / Witten (1996) und Polchinski (1999). Ein älterer Vorläufer dieser Idee findet sich in Kolb et al. (1985). 130 Von einer ausgedehnten, flachen Raumzeit geht etwa das Antoniadis/ArkaniHamed/Dimopoulos/Dvali-Szenario aus. Siehe Antoniadis / Arkani-Hamed / Dimopoulos / Dvali (1998), Arkani-Hamed / Dimopoulos (2005), Arkani-Hamed / Dimopoulos / Dvali (1998) und (2000) sowie insbesondere Dvali (2004). Diesem Szenario zufolge verhält sich die Gravitation auf der materietragenden D3-Bran völlig anders als im materiefreien volldimensionalen Raum (wie Schall, der sich auf einer Metallplatte fortpflanzt) und bleibt deshalb tendenziell auf diese gebunden, ausser für sehr kleine und sehr grosse Distanzen. Wäre dem nicht so, so würde für die Gravitation nicht (für fast alle Grössenordnungen) das 1/r2-Gesetz gelten, sondern ein Gesetz mit einer sehr viel höheren inversen Potenz von r, was einerseits mit unserer Empirie nicht in Einklang zu bringen ist, andererseits aber auch dazu führen würde, dass die Energieund Längenskala, bei der die Gravitation die gleiche Stärke hat wie die anderen Wechselwirkungen, also die Planck-Skala, bei wesentlich geringeren Energie- und wesentlich grösseren Abstandswerten als für das geltende 1/r2-Gesetz läge: "In three-dimensional space, gravity gets so fierce that quantum effects are important only on scales as small as the Planck length, 10-33 cm. But if gravity depended more steeply on the radius, going as an inverse fourth power rather than an inverse square, then quantum effects would set in before one reached down to a radius as tiny as 10-33 cm. The effective Planck length would no longer be

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Oder die zusätzlichen Dimensionen sind zwar ausgedehnt, aber im Gegensatz zu unserer phänomenologischen Raumzeit stark gekrümmt.131 Oder es gibt zwar eine Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen, aber nicht auf der Planck-Ebene.

Kosmologische Szenarien

Auf der Grundlage der Branweltszenarien wurden inzwischen verschiedene kosmologische Modelle entwickelt, die den Urknall als dynamischen Übergang erklären, die Singularität vermeiden, als den ihn die Allgemeine Relativitätstheorie behandelt, und meist in ein zyklisches kosmologisches Geschehen einbetten. Das am weitesten entwickelte dieser Modelle ist das ekpyrotische Szenario von Paul Steinhardt und Neil Turok:132 133 quite so tiny, and the amount of compression needed to create a mini-black hole would be less extreme than in ordinary three-dimensional space." (Rees (2001) 150) "[...] with large or warped extra dimensions, one might encounter the fundamental Planck scale, and thus strong gravitational scattering, at the TeV scale." (Giddings (2005) 4) Für geringe Abstände würde sich aber auch im Antoniadis/Arkani-Hamed/Dimopoulos/Dvali-Szenario die Gravitation nicht nach dem 1/r2-Gesetz verhalten, sondern davon abweichen. Erste Ansätze zu einer empirischen Untersuchung dieser Möglichkeit laufen bereits. Eine solche Änderung hinsichtlich des 1/r2-Gesetzes für kleine Abstände könnte, wie manche vermuten, möglicherweise auch eine Erklärung für das Problem der beschleunigten kosmischen Expansion (siehe dazu Hedrich (2004)) liefern. 131 Von ausgedehnten, aber stark gekrümmten Zusatzdimensionen geht das Randall-Sundrum-Szenario (bzw. eine Variante davon) aus. Siehe etwa Randall / Sundrum (1999). Diesem Szenario zufolge wird die Gravitation durch die starke Krümmung der Zusatzdimensionen auf unsere phänomenologische vierdimensionale Raumzeit begrenzt. Dies gewährleistet wiederum die annähernde Gültigkeit des 1/r2-Gesetzes. 132

Siehe etwa Steinhardt / Turok (2002) und (2002a), Turok / Steinhardt (2002) und (2005), Khoury et al. (2001), Quevedo (2002) sowie Brax / Bruck (2003). 133 Ein weiterer Ansatz zur Erklärung des Urknalls ist Gabriele Venezianos PräUrknall-Modell. Dieses vermeidet die Singularität infolge der Stringdynamik und ihrer im Rahmen der T-Dualität deutlich werdenden minimalen Länge. Siehe etwa Veneziano (1998) und (2004) sowie Gasperini / Veneziano (2003).

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"We refer to our proposal as the 'ekpyrotic universe', a term drawn from the Stoic model of cosmic evolution in which the universe is consumed by fire at regular intervals and reconstituted out of this fire, a conflagration called ekpyrosis." (Khoury et al. (2001) 3f) Der Urknall wird im ekpyrotischen Szenario als Kollision parallel liegender Branen gedeutet.134 Die Flachheit der Raumzeit wird als Resultat des Zustandes der Branen vor der Kollision erklärt, so dass das ekpyrotische Szenario ohne eine inflationäre Expansionsphase auskommt und insofern als Alternative zum Inflationären Szenario in der Kosmologie angetreten ist:135 "[...] rather than introducing superluminal expansion to resolve the horizon and flatness problems, the ekpyrotic model relies on the assumption that the universe began in an empty, quasi-static BPS state which lasted an exponentially long time prior to the beginning of the hot big bang phase." (Khoury et al. (2001) 6) Die Festlegung der spezifischen Parameter, die unser Universum bestimmen, erfolgt im ekpyrotischen Szenario über Mechanismen der dynamischen Symmetriebrechung während der Brankollision: "This transition can change the gauge group on the visible brane. [...] Furthermore, the number of light families of quarks and leptons on the visible brane may change during the transition. [...] Hence, the brane collision is not only responsible for initiating the expansion of the universe, but also for spontaneously breaking symmetries and for producing all of the quarks and leptons." (Khoury et al. (2001) 8) Die Brankollision könnte, dem ekpyrotischen Szenario zufolge, ein zyklischer Prozess sein. Es wäre denkbar, dass sich die Branen nach der Kolli134

Weitere exotische kosmologische Modelle deuten den Urknall als Bran-Zerfall bzw. als Bran-Antibran-Annihilierung. 135 Hinsichtlich des Spektrums der Anisotropien in der Mikrowellenhintergrundstrahlung unterscheidet sich das ekpyrotische Szenario in seinen Vorhersagen von denen des Inflationären Szenarios (vgl. etwa Linde (1984) und (1990)), so dass sich in Zukunft mit steigender Genauigkeit der Messung dieser Anisotropien die Möglichkeit für empirische Tests ergeben sollte. Auch im Rahmen von Gravitationswellen-Detektorexperimenten sollten sich auf lange Sicht Überprüfungsinstanzen für die Vorhersagen des ekpyrotischen Szenarios ergeben.

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sion erst einmal gegenseitig abstossen, um sich dann schliesslich wieder anzunähern, so dass es zu einer weiteren Kollision kommt.136

136

Neben den kosmologischen Szenarien gibt es, verbunden mit dem Stringansatz, eine ganze Reihe von Detailvorschlägen mit kosmologischer Relevanz. So könnte sich beispielsweise die dunkle Energie, die für die beschleunigte Expansion des Kosmos verantwortlich gemacht wird, als Effekt des Dilaton-Feldes darstellen. Siehe hierzu Lu / Huang / Fang / Zhang (2004).

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3. Der Stringansatz im Spektrum der Quantengravitationstheorien Auch wenn der Stringansatz manchem seiner Verfechter vielleicht schon als ausgefeiltes Instrumentarium zur Verwirklichung des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms erscheinen mag, stellt er noch keine wirkliche physikalische Theorie dar.137 Es fehlt sowohl die Einsicht in die ihm zugrundeliegenden fundamentalen Prinzipien als auch, konsequenterweise, eine eindeutige nomologische Grundlage. Das zur Zeit als Stringansatz formierende polymorphe Konvolut besteht infolge dieses Mangels aus einer grossen Anzahl disparater Elemente, deren gegenseitige Bezüge nicht immer vollständig klar sind und die sich auch nicht notwendigerweise allesamt in einen gemeinsamen konzeptionellen Rahmen einbringen lassen. Es handelt sich nicht um eine physikalische Theorie, sondern vielmehr um eine nicht immer vollständig überschaubare, relationale Vernetzungsstruktur von physikalischen Konzepten und Ad-hoc-Annahmen, modelltheoretischen Ideen, mathematischen Prozeduren und mehr oder weniger im Verborgenen wirkenden metaphysischen Intuitionen. Der Stringansatz ist jedoch der bisher am weitesten ausformulierte der noch nicht gescheiterten oder ad acta gelegten Ansätze zu einer Theorie der Quantengravitation. Ihr einziger zur Zeit ernstzunehmender Konkurrent auf diesem Feld ist die "Loop Quantum Gravity", eine Weiterentwicklung der Kanonischen Quantengravitation.138 Die Loop Quantum Gravity kann im Bereich konzeptioneller Ideen und Entwicklungen ebenso wie der Stringansatz einige Erfolge verzeichnen. Aber hinsichtlich empirisch überprüfbarer Resultate steht es um sie nicht besser als um den Stringansatz. Das heisst, es gibt zur Zeit keine vollständig ausformulierte oder gar etablierte Theorie der Quantengravitation, mittels derer sich die Allgemeine 137

Seine recht labyrinthisch erscheinende Ausformulierung, die im Rahmen eines in mancher Hinsicht kuriosen Theorienbildungsprozesses erreicht wurde, wird in Kap. 4.1. im Einzelnen zu erörtern sein. 138 Einen Überblick über die verschiedenen zur Zeit existierenden Ansätze zu einer Theorie der Quantengravitation (auch die exotischeren) gibt etwa Rovelli (1998).

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Relativitätstheorie und die Quantenmechanik bzw. die Quantenfeldtheorien konzeptionell oder nomologisch zusammenführen liessen: "We should emphasize at the outset that currently there is no quantum theory of gravity in the sense that there is, say, a quantum theory of gauge fields. 'Quantum gravity' is merely a placeholder for whatever theory or theories eventually manage to bring together our theory of the very small, quantum mechanics, with our theory of the very large, general relativity. [...] However, there do exist many more-or-less developed approaches to the task - especially superstring theory and canonical quantum gravity." (Callender / Huggett (2001 a) 3) Um den Stringansatz in seinen Voraussetzungen und Konsequenzen besser beurteilen zu können und um seine konzeptionellen Unterschiede und Bezüge etwa zur Loop Quantum Gravity einschätzen zu können, ist es jedoch sinnvoll, einen Blick auf das Spektrum der grundsätzlichen konzeptionellen Möglichkeiten zu werfen, die sich für die Formulierung einer Theorie der Quantengravitation bieten könnten.

Das Spektrum der Alternativen

Die grundlegendste Motivation der Ansätze zu einer Theorie der Quantengravitation besteht, wie schon im einleitenden Kapitel erörtert, im Wunsch, die konzeptionellen Konflikte zwischen der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik bzw. den Quantenfeldtheorien zu beseitigen. Zur Realisierung dieses Ziels (bzw. um ihm abzuschwören) bieten sich grundsätzlich sehr unterschiedliche Strategien:139 1. Strategie: Quantisierung der Allgemeinen Relativitätstheorie. Bei der Quantisierung der Allgemeinen Relativitätstheorie geht es einzig und allein um die Herstellung ihrer konzeptionellen, modelltheoretischen Vereinbarkeit mit der Quantenmechanik bzw. den Quantenfeldtheorien. Dies impliziert nicht notwendigerweise eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen. 139

Vgl. auch Butterfield / Isham (2001) sowie Kiefer (1994).

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Es gibt für die Quantisierung der Allgemeinen Relativitätstheorie zwei verschiedene Ansätze: (i) die Kovariante Quantisierung, ein (erfolgloser) ausschliesslich perturbativer Ansatz, der versucht, die Methodologie der perturbativen Quantenfeldtheorien auf die Gravitation zu übertragen,140 (ii) die Kanonische Quantisierung, ein grundlegend nicht-perturbativer Ansatz zur Erfassung der Quantengravitation, der nach seiner Reformulierung zur Loop Quantum Gravity mutiert ist.141 2. Strategie: Suche nach einer Theorie der Quantengravitation, die gleichzeitig eine vereinheitlichte Quantentheorie aller Wechselwirkungen ist und sich durch Quantisierung einer anderen klassischen Theorie als der Allgemeinen Relativitätstheorie ergibt. Die diesem Ansatz zugrundeliegende Idee ist die, dass die Quantisierung der Gravitation nur im Rahmen einer nomologischen Vereinigung aller Wechselwirkungen erreicht werden kann - so wie die schwache Wechselwirkung sich erst gemeinsam mit der elektromagnetischen Wechselwirkung konsistent beschreiben liess. Die Anforderungen an einen solchen Ansatz bestehen nicht zuletzt darin, dass er die Allgemeine Relativitätstheorie und das quantenfeldtheoretische Standardmodell als niederenergetische Näherungen enthalten sollte. Die einzig bekannte Ausprägung dieser Strategie liegt mit den perturbativen Stringtheorien vor. Hier resultiert die Quantisierung der Gravitation gemeinsam mit der quantentheoretischen Erfassung aller anderen Wechselwirkungen aus der Quantisierung einer klassischrelativistischen Stringdynamik. 3. Strategie: Suche nach einer Theorie der Quantengravitation, die eine vereinheitlichte Quantentheorie aller Wechselwirkungen ist, aber nicht durch die Quantisierung einer klassischen Theorie zustandekommt. Die Idee, eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen im Rahmen einer Quantentheorie zu erreichen, die man nicht dadurch erhält, dass man eine klassische Theorie quantisiert, liegt etwa dem 140 141

Details folgen weiter unten. Details folgen weiter unten.

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"Computational Universe Model" von Seth Lloyd zugrunde.142 Hierbei soll sich die Gravitation - gemeinsam mit allen anderen Wechselwirkungen - aus fundamentalen Quantencomputationen und ihren relationalen Bezügen ableiten lassen. Die Raumzeit als Ausdruck der Gravitation wäre diesem Ansatz zufolge ein abgeleitetes Konzept. Auch eine nicht-perturbative Weiterentwicklung des Stringansatzes könnte in diese Richtung führen.143 4. Strategie: Entwicklung einer neuartigen Nicht-Quantentheorie zur Beschreibung des Substrats der physikalischen Wirklichkeit. Wenn alle Ansätze, welche die Quantenmechanik voraussetzen und die Quanteneigenschaften der Wirklichkeit auch auf ihrer fundamen142

Siehe Lloyd (2005). Lloyds Ansatz lässt sich als Weiterentwicklung von Wheelers "It from bit"-Konzeption (vgl. Kap. 1. und weiter unten) ansehen. "The theory proposed here differs from conventional approaches to quantum gravity such as string theory, canonical quantization, loop quantum gravity, and Euclidean quantum gravity in that it does not set out to quantize gravity directly. The only thing that is quantum here is information: gravity arises out of the underlying quantum computation. [...] Normally, quantization of a physical theory proceeds from the 'top down': one starts with a classical theory and applies established quantization procedures to derive a quantum mechanical version of the theory. By contrast, the theory proposed here is a 'bottom up' approach to quantum gravity: we start with an underlying quantum mechanical system, a quantum computation, in which the quantum dynamics are completely established. We then derive a geometry - or more precisely, a quantum superposition of geometries - from the computation, and show that each of the geometries in the superposition obeys a discretized version of General Relativity. The virtue of this approach is that all observed phenomena flow directly from the 'mother computation', whose underlying quantum dynamics is straightforward and easily analyzed." (Lloyd (2005) 2f) Die Struktur der gravitativen Wechselwirkung, wie sie sich in der Allgemeinen Relativitätstheorie darstellt, ergibt sich dabei geradezu von selbst: "Since the way that information is processed in a quantum computation is independent of the embedding in spacetime, any dynamical laws that can be derived from the computation are automatically generally covariant. Since general covariance [...] implies Einstein's equations, the geometry induced by the computational universe obeys Einstein's equations [...]." (Lloyd (2005) 7) Das gleiche gilt für die nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen: "The computational universe model is intrinsically a theory of quantum matter coupled to gravity, and not a theory of either quantum matter or quantum gravity on its own." (Lloyd (2005) 13) 143 Siehe Kap. 6.

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talsten Ebene als Grundgegebenheit ansehen, hartnäckig scheitern sollten, wäre zu überlegen, ob sich eine konzeptionelle oder eine nomologische Vereinheitlichung in der Beschreibung der Wechselwirkungen vielleicht nur mit einer Theorie erreichen lässt, die keine Quantentheorie im herkömmlichen Sinne mehr ist.144 5. Strategie: Alternative Auffassung (vermeintlicher) nomologischer Strukturen in der Natur. Hierbei handelt es sich nicht um eine Strategie zum Erreichen einer Theorie der Quantengravitation oder irgendeiner anderen fundamentalen physikalischen Beschreibung, sondern vielmehr um die Strategie zu einer Therapie, die helfen soll, Ambitionen auf eine fundamentale Beschreibung zu überwinden, indem sie zur Einsicht in ihre Vergeblichkeit führt. Die Grundidee: Vielleicht ist die scheinbare Nomologie der Natur eine Folge unserer wissenschaftlichen Methodologie, unserer epistemischen Perspektive oder unseres mesokosmischen Ausgangspunkt. Vielleicht gibt es in der Natur selbst keine exakte, sondern bestenfalls eine approximative nomologische Regularität, die möglicherweise das Ergebnis statistischer Effekte ist und nur für den Niederenergiebereich Relevanz besitzt. Diese statistisch bedingte oder konstruktiv gewonnene approximative Nomologizität würde uns nicht bis zu einer strukturierten Substratebene führen können. So etwas hatte beispielsweise John Wheelers mit seiner "Law-withoutLaw"-Physik im Sinn, deren Grundzüge sich auch noch in seinem späteren "It-from-Bit"-Konzept wiederfinden:145

144

Zu dieser Strategie gibt es nur (gescheiterte oder nicht zu Ende gebrachte) historische Vorläufer: Einstein hatte (wenngleich unter anderen Voraussetzungen) mit seiner Einheitlichen Feldtheorie ganz sicher so etwas im Sinn. Und auch John Wheelers frühe Ansätze zu einer umfassenden Geometrodynamik, einer konsequenten Umsetzung des Einsteinschen Programms einer Geometrisierung aller Wechselwirkungen, verkörperte Aspekte dieser Strategie. Nach dem Scheitern dieses umfassenden Geometrisierungsprogramms gibt es wohl keine konkrete und explizit ausformulierte Entwicklung in Richtung auf eine fundamentale Nicht-Quantentheorie. 145 Siehe Wheeler (1979), (1983) und (1989).

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"Four no's / No tower of turtles / No laws / No continuum / No space, no time." (Wheeler (1989) 354) Weiter ausgearbeitet wurde diese Idee, unabhängig von Wheeler, von Holger B. Nielsen im Rahmen seiner "Random Dynamics".146 Demnach gibt es auf der fundamentalen Ebene der Wirklichkeit keine Regularitäten. Das Substrat ist völlig chaotisch. Die Strukturen, die sich für den Niederenergiebereich herausfiltern lassen, sind das Ergebnis statistischer Interpolationen. Die Theorien, die diesen Niederenergiebereich und seine Strukturen beschreiben, besitzen bestenfalls den Status effektiver Theorien. Das chaotische Substrat selbst lässt keine strukturierte nomologische Erfassung zu. Jede formulierbare Nomologie bleibt eine Näherung und beruht auf einer spezifischen methodologischen Herangehensweise, welche die Modalitäten der jeweiligen Näherung festlegt. Sie bleibt insofern letztlich immer ein Konstrukt der Wissenschaft. Die Suche nach einer fundamentalen Theorie mit regulären nomologischen Strukturen wäre unter diesen Bedingungen zum Scheitern verurteilt. Jede Theorie mit dem Anspruch, reguläre Substratstrukturen auszuzeichnen, wäre bestenfalls eine Extrapolation von rein instrumentellem Wert und ohne deskriptive Implikationen.147 Werfen wir nach diesem Panorama einen etwas genaueren Blick auf die Ansätze zur Quantisierung der Allgemeinen Relativitätstheorie, also die 1. Strategie. Denn in diesem Kontext findet sich die Loop Quantum Gravity, der vorrangige und interessanteste Konkurrent des Stringansatzes.

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Siehe Nielsen (1983), Frogatt / Nielsen (1991) sowie Nielsen / Rugh / Surlykke (1994). 147 Eine solche Theorie könnte niemals realistisch interpretiert werden. Sie liesse sich bestenfalls als konstruktives mathematisches Schema verstehen, aus dem die Strukturen der Niederenergiephysik sich formal ableiten liessen, ohne dass diese Ableitung den Gegebenheiten in der Natur entspräche. Eine solche Theorie wäre also bestenfalls ein mathematisches Instrument zur Reproduktion der Niederenergiephysik, nicht aber eine Beschreibung des Substrats.

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Kovariante Quantisierung Das Programm der Kovarianten Quantisierung148 zielt auf eine perturbative Quantisierung der vierdimensionalen Raumzeit-Mannigfaltigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie ab. Die gekrümmte vierdimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit wird dabei als Summe aus einer rein kinematischen Hintergrundmetrik und einer dynamischen Störung dieser Hintergrundmetrik behandelt. Der Störungsanteil entspricht formal dem zu beschreibenden dynamischen Feld. Für dieses werden, im Sinne der perturbativen Quantenfeldtheorien, Operatorfelder definiert. Es bleibt innerhalb der Kovarianten Quantisierung bei dieser perturbativen Behandlung der Dynamik des Störungsanteils der Metrik. Die Kovariante Quantisierung liefert für die Dynamik der Gravitonen, der Anregungszustände des Gravitationsfeldes, ein Bild, das dem der Wechselwirkungsquanten innerhalb des Standardmodells der Quantenfeldtheorie entspricht: Die Gravitonen bewegen sich auf der gewählten festen Hintergrundmetrik. Feynmansche Gravitonengraphen liefern die Grundlage für eine Entwicklung nach Potenzen der Gravitationskonstanten. "Field-theoretic techniques are put at the forefront. The first step in this program is to split the space-time metric gmn in two parts, gmn = nmn + VG hmn, where nmn is to be a background, kinematical metric, often chosen to be flat, G is Newton's constant, and hmn, the deviation of the physical metric from the chosen background, the dynamical field. The two roles of the metric tensor are now split. The overall attitude is that this sacrifice of the fusion of gravity and geometry is a moderate price to pay for ushering-in the powerful machinery of perturbative quantum field theory. [...] it is only hmn that is quantized. Quanta of the field propagate on the classical background space-time with metric nmn. If the background is in fact chosen to be flat, one can use the Casimir operators of the Poincaré group and show that the quanta have spin two and rest mass zero. [...] Thus, in this program, quantum general relativity was first reduced to a quantum field theory in Minkowski space." (Ashtekar (2005) 5)

148

Siehe etwa DeWitt (1967a) und (1967b).

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Die kovariante Quantisierung als rein perturbativer Ansatz scheint jedoch unabwendbar mit dem Problem der Nicht-Renormierbarkeit belastet zu sein und hat, wie schon in der Einleitung erläutert, zu keinen Erfolgen geführt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass die Dynamik der Raumzeit sich nur schwerlich durch störungstheoretische Näherungen auf der Grundlage einer fixierten Hintergrundmetrik annähern lassen wird, und, dass die Identität von Gravitation und den metrischen Eigenschaften der Raumzeit, wie sie in der Allgemeinen Relativitätstheorie zum Ausdruck kommt, eine Quantisierung auf einer Hintergrundraumzeit ohnehin sehr fragwürdig macht.149

Kanonische Quantisierung

Eine Alternative zur perturbativen Kovarianten Quantisierung und ihren Problemen bietet vielleicht die Kanonische Quantengravitation, eine strikt nicht-perturbative Quantentheorie ausschliesslich des Gravitationsfeldes.150 Ausgangspunkt ist hierbei die Zerlegung der vierdimensionalen RaumzeitMannigfaltigkeit in dreidimensionale raumartige Hyperflächen und Zeitparameter. Die Auszeichnung des Zeitparameters ist in diesem Ansatz erforderlich zur Definition des kanonischen Impulses für die hamiltonsche Behandlung in der Quantisierung. Das Ergebnis dieser Quantisierung ist die Wheeler-DeWitt-Gleichung151, eine zeitlose Null-Energie-Schrödingergleichung. Diese ist grundsätzlich nicht störungstheoretisch behandelbar. Leider hat sich aber auch keine andere Methode finden lassen, so dass sie sich in ihrer ursprünglichen Form als mathematisch nicht ohne weiteres traktibel erwiesen hat. Man hatte das Programm der Kanonischen Quantengravitation schon für aussichtslos erachtet, als sich schliesslich doch noch eine Lösung abzeichnete. Diese beruhte auf der Einsicht, dass die Wahl geeigneter kanonischer Variabler in der zu quantisierenden klassischen Theorie für die kanonischen Vertauschungsrelationen in der Quantisierung entscheidend ist. Die 149

Vgl. Kap. 6. Wie schon in der Kovarianten Quantisierung wird mit der Kanonischen Quantisierung keine Vereinigung der Wechselwirkungen angestrebt. 151 Siehe DeWitt (1967). 150

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ursprüngliche, der Wheeler-DeWitt-Gleichung zugrundeliegende Formulierung der kanonischen Variablen hatte hier gerade in die Sackgasse geführt. 1986 gelang Abhay Ashtekar152 die Formulierung eines Satzes neuer kanonischer Variablen für die klassische Allgemeine Relativitätstheorie. Mit den Ashtekar-Variablen, die auf raumzeitlichen Konnektionen mit Spineigenschaften beruhen und auf deren Grundlage sich die Allgemeine Relativitätstheorie als Eichtheorie darstellt, liessen sich für deren Quantisierung schliesslich methodische Verfahren aus den Quantenfeldtheorien nutzbar machen. "On the relativity side, the third stage began with the following observation: the geometrodynamics program laid out by Dirac, Bergmann, Wheeler and others simplifies significantly if we regard a spatial connection - rather than the 3-metric - as the basis object. [...] these were 'spin-connections', required to parallel propagate spinors, and they turn out to simplify Einstein's equations considerably. [...] Perhaps the most important advantage of the passage from metrics to connections is that the phase-space of general relativity is now the same as that of gauge theories. [...] One could now import into general relativity techniques that have been highly successful in the quantization of gauge theories. [...] Since the canonical approach does not require the introduction of a background geometry or use of perturbative theory, and because one now has access to fresh, non-perturbative techniques from gauge theories, in relativity circles there is a hope that this approach may lead to well-defined, non-perturbative quantum general relativity [...]." (Ashtekar (2005) 8f) Die Einführung der Ashtekar-Variablen führte konsequenterweise zu einer Neuverhandlung der Kanonischen Quantengravitation und schliesslich zur Loop Quantum Gravity.

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Siehe Ashtekar (1986) und (1987). Siehe auch Sen (1982).

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Loop Quantum Gravity

Die vor allem von Abhay Ashtekar, Lee Smolin und Carlo Rovelli entwickelte Loop Quantum Gravity153 ist eine Form der Kanonischen Quantengravitation, die von einer Weiterentwicklung der Ashtekar-Variablen ausgeht. Sie beruht nicht auf einer unmittelbaren Quantisierung der Metrik der Raumzeit, sondern ist eine Quantentheorie raumzeitlicher Konnektionen bzw. eichtheoretischer Holonomien (Wilson-Loops).154 "More precisely, in this approach one begins by formulating general relativity in the mathematical language of connections, the basic variables of gauge theories of electro-weak and strong interactions. [...] the emphasis is shifted from distances and geodesics to holonomies and Wilson loops. Consequently, the basic kinematical structures are the same as those used in gauge theories. A key difference, however, is that while a background space-time metric is available and crucially used in gauge theories, there are no background fields whatsoever now. Their absence is forced upon us by the requirement of diffeomorphism invariance (or 'general covariance')." (Ashtekar (2005) 14) Die Loop Quantum Gravity greift also Prinzipien und Methoden aus den Quantenfeldtheorien auf, jedoch ohne deren problematischere Implikationen zu übernehmen. Sie arbeitet insbesondere ohne Hintergrundraum und behandelt die Raumzeit als dynamische Entität. "[...] LQG [Loop Quantum Gravity] is a straightforward quantization of GR [General Relativity] with its conventional matter couplings. [...] On the other hand, LQG has a radical and ambitious side: to merge the conceptual insight of GR into QM [Quantum Mechanics]. In order to achieve this, we have to give up the familiar notions of space and time. The space continuum 'on which' things are located and the time 'along which' evolution happens are semiclassical appro153

Siehe Ashtekar et al. (1992), Rovelli (1997), (1998), (2005), Thiemann (2001) sowie Smolin (2004b). 154 Ashtekar sieht die Traditionslinien folgendermassen: "The covariant approach has led to string theory and the canonical approach developed into loop quantum gravity." (Ashtekar (2005) 10) Die Loop Quantum Gravity bezieht zudem Ideen ein, die auf Penroses Twistor-Ansatz zurückgehen. Siehe Penrose (1967) und (2004).

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ximate notions in the theory. [...] The price of taking seriously the conceptual novelty of GR is that most of the traditional machinery of QFT [Quantum Field Theory] becomes inadequate. This machinery is based on the existence of background spacetime, and GR is the discovery that there is no background spacetime." (Rovelli (2004) 10) Die Loop Quantum Gravity ist ein topologischer und grundlegend nichtperturbativer Ansatz. Sie ist eine Theorie, in der sich die Raumzeit als auf grundlegender Ebene diskret darstellt: "[...] in quantum gravity the notion of spacetime disappears in the same manner in which the notion of trajectory disappears in the quantum theory of a particle." (Rovelli (2004) 21) Die Diskretheit der Raumzeit wird jedoch nicht als Voraussetzung in die Theorie hineingesteckt, sondern ist ihr Ergebnis: "Space itself turns out to have a discrete and combinatorial character. Notice that this is not imposed on the theory, or assumed. It is the result of a completely conventional quantum mechanical calculation of the spectrum of the physical quantities that describe the geometry of space." (Rovelli (2004) 14) Die quasi-kontinuierliche, klassische Raumzeit erweist sich als eine makroskopische Konsequenz der Konnektionen: "One finds that, at the Planck scale, geometry has a definite discrete structure. [...] space-time continuum arises only as a coarse-grained approximation." (Ashtekar (2005) 9) Auf der Planck-Ebene liegt sie in Form diskreter Konnektionen und Spinnetze vor: "In the quantum theory, the fundamental excitations of geometry are most conveniently expressed in terms of holonomies. They are thus one-dimensional, polymer-like and in analogy with gauge theories, can be thought of as 'flux lines' of electric fields/triads. More precisely, they turn out to be flux lines of area [...]. [...] if quantum geometry were to be excited along just a few flux lines, most surfaces would

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have zero area and the quantum state would not at all resemble a classical geometry. [...] semi-classical geometries can result only if a huge number of these elementary excitations are superposed in suitable dense configurations. The state of quantum geometry around you, for example, must have so many elementary excitations that approximately 1068 of them intersect the sheet of paper you are reading. Even in such states, the geometry is still distributional, concentrated on the underlying elementary flux lines. But if suitably coarsegrained, it can be approximated by a smooth metric. Thus, the continuum picture is only an approximation that arises from coarse graining of semi-classical states." (Ashtekar (2005) 16) Die Zeit ist in der Loop Quantum Gravity Ausdruck der Umgruppierung der Spinnetze, wobei die Zeittakte nur lokal wirksam sind: "The main novelty is that dynamics treats all physical variables (partial observables) on the same ground and predicts their correlations. It does not single out a special variable called 'time', to describe evolution with respect to it. Dynamics is not about time evolution, it is about relations between partial observables." (Rovelli (2004) 265) Die in die Loop Quantum Gravity einfliessende Diffeomorphismus-Invarianz der Allgemeinen Relativitätstheorie führt zur Koordinatenunabhängigkeit der Darstellung. In ihr wird, nach Ansicht der Vertreter der Loop Quantum Gravity, die Relationalität der Raumzeit deutlich: "Spacetime itself is formed by loop-like states. Therefore the position of a loop state is relevant only with respect to other loops, and not with respect to the background." (Rovelli (2004) 12) Materieteilchen werden im Kontext der Loop Quantum Gravity als Zustände des Spinnetzes behandelt. Sie entsprechen bestimmten Knotentypen. Felder sind ebenso Zustände des Spinnetzes. Sie entsprechen Graphenattributen. Die vordergründigen Probleme der Loop Quantum Gravity sind zumindest teilweise ähnlich gelagert wie die des Stringansatzes. Es gibt bisher keine konkreten numerischen Vorhersagen und mithin keine empirischen Überprüfungsmöglichkeiten; und die Theorie ist bisher alles andere als eindeu-

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tig formulierbar.155 Im Gegensatz zum Stringansatz ist mit der Loop Quantum Gravity jedoch keine nomologische Vereinigung der Wechselwirkungen intendiert. Es geht ausschliesslich um die konzeptionelle Vereinbarkeit unserer Beschreibung der Gravitation mit denen der anderen Wechselwirkungen. Einer der schwerwiegendsten konzeptionellen Kritikpunkte am Ansatz der Kanonischen Quantisierung - und damit an der Loop Quantum Gravity besteht darin, dass sie Raum und Zeit in ihrem Formalismus aufspaltet und damit wichtige Einsichten der Relativitätstheorie unberücksichtigt lässt: "[...] identifying the causal structure, is skirted in canonical quantum gravity by positing a split of spacetime into space and time at the outset. [...] the diffeomorphism group [...] is represented in a distorted way in the canonical theory, so that it is unclear that one is actually quantizing general relativity at all." (Weinstein (2001) 98) Das daraus resultierende Probleme ist zur Zeit noch ungelöst. "The most speculative, underdeveloped research cops up in the covariant extension of loop gravity. The natural extension gives a sumover-paths twist on loop gravity leading to a notion of a 'Quantum Spacetime', known as 'Spinfoam'. The full theory is then a sum-overspinfoames. The boundary of a spin-foam is a spin-network." (Rickles (2005) 27) Vielleicht lässt sich eine Lösung dieses Problems nur im Rahmen eines Ansatzes erreichen, der nicht von einer Quantisierung der Allgemeinen Relativitätstheorie, sondern von einer grundlegenderen Quantentheorie der Raumzeit ausgeht und die Raumzeit der Allgemeinen Relativitätstheorie als klassischen Grenzfall, nicht jedoch als Ausgangspunkt einer Quantisierung, enthält: "More generally, one might step outside the framework of canonical, loop quantum gravity, and ask why one should only quantize the metric. [...] it may well be that the extension of quantum theory to general relativity requires one to quantize, in some sense, not only the me155

Dies geht nicht zuletzt auf die Vieldeutigkeit in der Wahl des Hamilton-Operators zurück.

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tric but also the underlying differential structure and topology. This is somewhat unnatural from the standpoint where one begins with classical, canonical general relativity and proceeds to 'quantize' (since the topological structure, unlike the metric structure, is not represented by a classical variable). But one might well think that one should start with the more fundamental, quantum theory, and then investigate under which cirumstances one gets something that looks like a classical spacetime." (Weinstein (2005) 10)

Synthese aus Stringansatz und Loop Quantum Gravity ?

Stringansatz und Loop Quantum Gravity sind zur Zeit im wesentlichen vollständig getrennte Forschungsprogramme. Ersterer wird mit sehr grossem Personalaufwand vorangetrieben, letztere mit recht kleinem. Es gibt nur ganz wenige Theoretiker, die an beiden Strategien arbeiten. Zumindest einige Vertreter der Loop Quantum Gravity sehen in dieser strikten Trennung der Forschungsprogramme, die das gemeinsame Ziel einer Beschreibung der Quantengravitation verfolgen, ein Problem: "[...] it is still true that almost all work in quantum gravity nowadays is carried out strictly within the context of one research program or another. [...] I want to convey [...] that this is counterproductive, and that progress from this point on will be faster if more people can think in terms of a single, 'quantum theory of gravity under construction', which will have elements of more than one of these programs." (Smolin (2000a) 2) Da die beiden Forschungsprogramme, was ihre partiellen Erfolge betrifft, in mancher Hinsicht zueinander komplementär sind, läge es nahe, mögliche Synergieeffekte auszunutzen, die vielleicht in einer tendenziellen Zusammenführung der Programme erzielt werden könnten: "String theory and loop quantum gravity are remarkably complementary in their successes, and one may speculate that they could merge or that some technique could be transferred from one to the other. In particular, loop quantum gravity is successful in dealing with the

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nonperturbative background-independent description of quantum spacetime, which is precisely what is missing in string theory, and loops might provide some tool to string. A loop, of course, is not a very different object from a string. String theory can be formulated as a sum over world-sheets, and loop quantum gravity can be formulated as a sum over surfaces." (Rovelli (1998) 22) Erste Anzeichen für eine Konvergenz zeichnen sich vielleicht schon ab:156 "Finally, and extremely speculatively, we note that both superstring theory and the canonical programme have evolved greatly from their initial formulations, and, as far as we are aware, it is possible that they are converging in some way: for example, perhaps some descendent of the Ashtekar formulation will turn out to be a realization of MTheory. That is, the future may reveal an analogy between the historical developments of quantum gravity and the Schrödinger and Heisenberg formulations of quantum mechanics." (Callender / Huggett (2001 a) 20) * Nach diesem kleinen Exkurs in die Landschaft der strategischen Alternativen zum Erreichen einer Theorie der Quantengravitation, und nach der grundsätzlichen Ortsbestimmung des Stringansatzes innerhalb dieses Spektrums, kommen wir nun auf diesen selbst, seine Entwicklung, seine Implikationen und seine Probleme zurück:

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Siehe auch Kap. 6.

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4. Theorienbildung, konzeptionelle Anforderungen und Empirie Schon 1988, nach der ersten Welle von String-Enthusiasmus unter den theoretischen Physikern, die mit der Entwicklung konsistenter, anomaliefreier perturbativer Stringtheorien einherging und im Nachhinein als "Erste Superstring-Revolution" bezeichnet werden sollte, schrieb der Wissenschaftsphilosoph Robert Weingard in einem Artikel über den Stringansatz: "[...] there is, in a sense, no theory for the philosopher to analyse." (Weingard (1989) 138) An den Voraussetzungen für Weingards Einschätzung hat sich bis heute nur sehr wenig geändert. Der Stringansatz ist zwar der am weitesten ausformulierte Anwärter auf den Status einer Theorie der Quantengravitation. Aber er ist, ebenso wie sein inzwischen hinzugekommener Konkurrent, die Loop Quantum Gravity, keine ausformulierte physikalische Theorie, sondern bestenfalls eine in mancher Hinsicht unübersichtliche Sammlung von physikalischen Denkansätzen und mathematischen Prozeduren, die vielleicht irgendwann einmal zu einer physikalischen Theorie führen könnten oder eben auch nicht. Für eine vollentwickelte physikalische Theorien fehlen dem Stringansatz bisher vor allem eine eindeutige und einheitliche nomologische Basis und die Einsicht in die Prinzipien, die dieser Nomologie zugrundeliegen könnten. Und es ist immer noch nicht klar, ob dieser Mangel nicht vielleicht doch darauf zurückzuführen sein könnte, dass es sich beim Stringansatz möglicherweise um eine physikalische Sackgasse handelt, deren bisherige konzeptionelle Erfolge, für die es immer noch keine einzige empirische Stützung gibt, ein Artefakt einer bestimmten modelltheoretischen Vorgehensweise darstellen. Insofern kann man sich berechtigterweise fragen, ob es sinnvoll ist, sich mit einem solchen unabgeschlossenen Konstrukt wissenschaftstheoretisch auseinanderzusetzen, oder ob man damit nicht besser warten sollte, bis sich eine wirkliche, physikalische und empirisch verwurzelte Theorie der

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Quantengravitation konstituiert hat. Nicht nur, dass es für den Stringansatz - ebenso wie für seine möglichen Konkurrenten im Bereich der Quantengravitation - bisher nicht die geringsten quantitativen Vorhersagen gibt, die einer empirischen Überprüfung ausgesetzt werden könnten.157 Hinzu kommt, dass es für den Bereich der Quantengravitation, wie noch zu erörtern sein wird, bisher nicht die geringsten empirischen Indizien und Erfordernisse gibt, die eine Theorienbildung motivieren könnten.158 Es gibt nicht ein einziges empirisches Faktum, welches nicht mit den bestehenden Theorien wie dem Standardmodell der Quantenfeldtheorien und der Allgemeinen Relativitätstheorie in Einklang stände und insofern eine Theorie der Quantengravitation erforderlich machen würde. Alle Motivationen für eine Theorie der Quantengravitation bewegen sich bisher im Bereich konzeptioneller oder metaphysischer Ideen; sie wurzeln letztendlich alle im Programm konzeptioneller bzw. nomologischer Vereinheitlichung.159 Jeremy Butterfield und Christopher Isham beginnen konsequenterweise ihren Überblick über die Ansätze zu einer Quantengravitationstheorie und die diesen zugrundeliegenden Raumzeitkonzeptionen - erschienen in dem von Craig Callender und Nick Huggett 2001 herausgegebenen Sammelband Physics meets Philosophy at the Planck Scale, der sich mit den verschiedenen Facetten des Problems der Quantengravitation auseinandersetzt und in dem auch der eingangs zitierte Artikel von Weingard wiederabgedruckt wurde - mit den Worten: "No data, no theory, no philosophy?" (Butterfield / Isham (2001) 36) Aber diese vor allem rhetorisch gemeinten Einwände gegen eine wissenschaftsphilosophische Beschäftigung mit unfertigen theoretischen Konstrukten halten Butterfield und Isham nicht von einer solchen metatheoretischen Auseinandersetzung mit den Theorieansätzen zur Quantengravitation ab, ebensowenig wie Weingards oben zitierter Einwand diesen davon abgehalten hat, sich mit dem Stringansatz wissenschaftstheoretisch auseinanderzusetzen. Zugegebenermassen gibt es aber bisher nicht allzuviele weitere Beispiele einer wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Stringansatz. Die meisten Wissenschaftsphilosophen, die sich mit moderner Physik beschäftigen, beschränken diese Beschäftigung auf die 157 158 159

Siehe Kap. 4.3. Siehe Kap. 4.2. Siehe Kap. 4.2.

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Quantenmechanik und ihre Interpretationsprobleme. Darüberhinaus nimmt in den letzten Jahren die wissenschaftstheoretische Reflektion der offenen Probleme der Quantenfeldtheorien, insbesondere das ihrer ontologischen Implikationen, zumindest zu, ebenso wie die hinsichtlich der immer noch offenen Probleme in der Deutung der Allgemeinen Relativitätstheorie. Warum sollte man sich auch mit einer unfertigen Theorie beschäftigen, wenn es noch genug philosophische Probleme für die als abgeschlossen geltenden physikalischen Theorien zu bewältigen gibt? - Es sind zwei Faktoren, die trotz dieser Einwände, eine wissenschaftstheoretische Beschäftigung mit dem Stringansatz nahelegen könnten: 1. Der Stringansatz versucht als Ansatz zu einer Theorie der Quantengravitation nicht zuletzt die Probleme zu beheben, die zur konzeptionellen Unverträglichkeit unserer zur Zeit fundamentalsten physikalischen Theorien führen - der Quantenmechanik bzw. der Quantenfeldtheorien auf der einen Seite und der Allgemeinen Relativitätstheorie auf der anderen. Die Problemlagen dieser Theorien, die schon einige Zeit Gegenstand wissenschaftsphilosophischer Bemühungen sind, könnten im Rahmen eines solchen Ansatzes aus einer neuen, übergeordneten Perspektive beleuchtet werden, die sich auch für die schon bestehenden wissenschaftsphilosophischen Forschungsprogramme als relevant erweisen könnte. Möglicherweise sind bestimmte Fragen hinsichtlich unserer zur Zeit fundamentalsten physikalischen Theorien überhaupt erst im Rahmen einer Theorie der Quantengravitation adäquat behandelbar und vielleicht sogar beantwortbar. Ob die durch dieses erste Argument gegebene Motivation für eine wissenschaftstheoretische Beschäftigung mit dem Stringansatz wirklich schon hinreichend sein wird, ist immerhin fraglich. Dazu müssten vermutlich wesentlich konkretere Vorstellungen darüber existieren, welche wissenschaftstheoretischen Probleme hinsichtlich der Quantenmechanik, der Quantenfeldtheorien und der Allgemeinen Relativitätstheorie erst im Rahmen einer wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit einer Theorie der Quantengravitation in angemessener Weise behandelt werden können und warum sich dies so verhält. Hierzu gibt es aber bestenfalls recht unklare Spekulationen. - Eine wesentlich bessere Motivation für eine wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit dem Stringansatz liefert vermutlich das zweite Argument:

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2. Der Stringansatz existiert seit über dreissig Jahren und ist seit etwa zwanzig Jahren ein aufstrebendes Forschungsprogramm, an dem mittlerweile sehr viele Physiker arbeiten und das von noch viel mehr Physikern ernst genommen wird. Dies ist umso erstaunlicher als es während des gesamten Bestehens des Stringansatzes nie irgendwelche empirisch überprüfbaren Vorhersagen gegeben hat und insofern eine empirische Einbettung nicht stattgefunden hat. Was hält ein in seiner Selbstzuschreibung empirisch-wissenschaftliches Forschungsprogramm ohne empirische Ankopplung so lange am Leben? Handelt es sich vielleicht gar nicht um einen empirisch-wissenschaftlichen Ansatz? Hat die Physik mit ihrem Vereinheitlichungsprogramm unter strikter Verfolgung der Strategien, die ihr schon seit Jahrhunderten zugrundelagen, mit dem Stringansatz vielleicht den Bereich der empirischen Wissenschaften verlassen, um sich einer mathematisch inspirierten Naturmetaphysik zu verschreiben? - Eine Antwort auf diese Fragen wird ganz sicher nicht von der Physik selbst zu erwarten sein, denn diese verfügt überhaupt nicht über das dafür erforderliche Instrumentarium. Es handelt sich vielmehr um metatheoretische, originär wissenschaftsphilosophische Fragestellungen, deren Beantwortung von einer Philosophie der Physik zu leisten sein wird. Und es gibt sicherlich keinen guten Grund, die wissenschaftsphilosophische Auseinandersetzung mit diesen Fragen noch um einige Jahrzehnte aufzuschieben, in der Hoffnung, dass es dann eine vollständige, empirisch gestützte Theorie geben wird, oder sich das Problem von selbst erledigt haben wird. Denn diese Hoffnung muss sich nicht unbedingt erfüllen. Und dies könnte nicht zuletzt gerade an den Problemen liegen, die gerade im Rahmen einer wissenschaftsphilosophischen Auseinandersetzung mit dem Stringansatz zu klären gewesen wären. Zu beachten ist allerdings, dass eine wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit einer in grundlegender Weise unfertigen und empirisch unbestätigten Theorie bzw. einem noch vollständig unabgeschlossenen theoretischen Forschungsfeld gegenüber den traditionellen Vorgehensweisen der Wissenschaftstheorie in mancher Hinsicht offener und flexibler vorgehen muss: "'Quantum gravity' primarily refers to an area of research, rather than a particular theory of quantum gravity. Several approaches exist,

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none of them entirely successful to date. Thus the philosopher's task, if indeed she has one, is different from what it is when dealing with a more-or-less settled body of theory such as classical Newtonian mechanics, general relativity, or quantum mechanics. In such cases, one typically proceeds by assuming the validity of the theory or theoretical framework and drawing the ontological and perhaps epistemological consequences of the theory, trying to understand what it is that the theory is telling us about the nature of space, time, matter, causation, and so on. Theories of quantum gravity, on the other hand, are bedeviled by a host of technical and conceptual problems, questions, and issues which make them unsuited to this approach. However, philosophers who have a taste for a broader and more open-ended form of inquiry will find much to think about." (Weinstein (2005) 2) Auch wenn neuere Entwicklungen die heutigen physikalischen Einschätzungen entscheidend verändern werden, so sollte die Wissenschaftsphilosophie, kompliziert wie die Zusammenhänge heute schon sind, hier nicht den Anschluss verlieren, sondern rechtzeitig mit ihren Bemühungen beginnen, die schon erfolgten Entwicklungen aufzuarbeiten und gleichzeitig das aktuelle Geschehen und seine jeweiligen Zukunftsperspektiven im Auge zu behalten. Am Beginn steht dabei notwendigerweise ein Blick auf das, was den heutigen Stringansatz hinsichtlich seiner Randbedingungen, Ansprüche, Leistungen und Probleme auszeichnet, ebenso wie auf die Entwicklungen, die zum heutigen Stand der Dinge geführt haben - und die es verstehbar werden lassen sollten, wie ein solcher Ansatz ohne empirische Ankopplung überhaupt so lange überleben konnte. Dazu ist es nun erst einmal sinnvoll, die "Theorienbildung" hinsichtlich ihrer physikalischen, modelltheoretischen, konzeptionellen und philosophischen Anforderungen sowie in Bezug auf ihre empirischen Randbedingungen genauer zu durchleuchten.

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4.1. Die Entwicklung der Stringtheorien Sogar führende Stringtheoretiker verweisen auf das Bizarre an der Entwicklung ihres Ansatzes. Schon 1985 schrieb John Schwarz in der Einleitung zu seiner Anthologie Superstrings - The First 15 Years of Superstring Theory: "Superstring theory has a bizarre history." (Schwarz (1985) v) Bis heute hat sich nichts daran geändert. Und auch heute noch hängt die Frage nach den Determinanten dieser bizarren Entwicklung eng mit der Frage zusammen, was den Stringansatz inzwischen über dreissig Jahre am Leben erhalten hat bzw. wieso der Stringansatz überhaupt für die Physik von Interesse ist?

Die Anfänge in der Hadronenphysik

Der Stringansatz begann mit einem relativ exotischen mathematischen Zufallsfund im Kontext der Hadronenphysik: 1968 arbeitete Gabriele Veneziano an einer Theorie, die das Verhalten der starken Wechselwirkung erklären sollte. Dabei machte er die gleichermassen erstaunliche wie zufällige Entdeckung, dass die Streumatrix von Hadronenkollisionen sich mit der Eulerschen Betafunktion beschreiben liess. "Thumbing through old mathematics books, they stumbled by chance on the Beta function, written down in the last century by mathematician Leonhard Euler. To their amazement, they discovered that the Beta function satisfied almost all the stringent requirements of the scattering matrix describing particle interactions. Never in the history of physics has an important scientific discovery been made in quite this random fashion." (Kaku (1999) vii) Venezianos auf der Grundlage dieser Entdeckung entwickelter Ansatz zur Beschreibung von Hadronenkollisionen sollte bald unter dem Namen

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Dual-Theorie bzw. Dual Resonance Model formieren. Es war allerdings physikalisch vollkommen unklar, wieso die Eulersche Betafunktion der Streumatrix für Hadronenkollisionen entsprach. Erst einmal handelte es sich um eine mathematische Formel ohne eine wirkliche physikalische Idee, die ihre Anwendbarkeit in der Hadronenphysik erklärt hätte. 1970 fanden dann Leonard Susskind, Holger Nielsen, Yoichiro Nambu und T. Goto heraus, dass das mathematische Instrumentarium der Dual-Theorie als quantisierte Dynamik von oszillierenden, eindimensional ausgedehnten Entitäten gedeutet werden kann. Diese eindimensional ausgedehnten Entitäten nennt man heute Strings.160 "Nambu and Goto realized that lurking behind these scattering amplitudes was a classical relativistic string. In one sweep, they revolutionized the entire theory by revealing the unifying, classical picture behind the theory." (Kaku (1999) 15) Die Dual-Theorie entsprach damit formal der Erweiterung der perturbativen Quantenfeldtheorie von Punktentitäten zu eindimensionalen Strings. Und es gab schon bald danach zwei verschiedene mathematische Modelle, die für das quantenmechanische Verhalten solcher Strings standen: das Veneziano-Modell, das die Dynamik von offenen Strings beschrieb, und das Shapiro-Virasoro-Modell, dem geschlossene Strings zugrundelagen. Schon damals zeigte sich, dass sowohl das Veneziano- als auch das Shapiro-Virasoro-Modell nur für den Fall von 26 Dimensionen konsistent formulierbar waren. Die Bedeutung dieser Tatsache blieb jedoch erst einmal vollkommen im Unklaren, was die Popularität der Dual-Theorie in der Hadronenphysik nicht gerade steigerte.

Supersymmetrie und fermionische Zustände

Schon um 1970 wurde deutlich: Will man das durch die starke Wechselwirkung bestimmte Verhalten von Hadronen, also etwa den Austausch von bosonischen Mesonen zwischen fermionischen Nukleonen, im Rahmen der Dual-Theorie adäquat beschreiben, so benötigt man einen Ansatz, der so160

Man ging in der Dual-Theorie von einer Stringausdehnung in der der Hadronenphysik angemessenen Grössenordnung von 10-15 m aus.

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wohl bosonische als auch fermionische Zustände für den String zulässt. Aber sowohl das Veneziano- als auch das Shapiro-Virasoro-Modell beschrieben nur Bosonen, keine Fermionen. In beiden Ansätzen ergaben sich für die Strings ausschliesslich bosonische Oszillationszustände. Und der Theorieansatz war entsprechend auch nicht in der Lage, die Chiralität der Fermionen zu berücksichtigen, also die Tatsache, dass sich (hinsichtlich der Spinorientierung) rechts- und linkshändige Fermionen unterschiedlich verhalten. (Es ist die Chiralität der Fermionen, die nicht zuletzt zur Paritätsverletzung bei der schwachen Wechselwirkung führt.) Zudem sagten die rein bosonischen Stringtheorien Spin-0-Teilchen mit negativem Massequadrat vorher: Tachyonen. Diese führen, wie man wusste, zur Instabilität des Vakuums und der Raumzeit, waren also für einen ernstzunehmenden Theorieansatz nicht hinnehmbar. 1971 erweiterten Pierre Ramond, André Neveu und John Schwarz die Dual-Theorie schliesslich dahingehend, dass sich auch fermionische Zustände für die Strings ergaben.161 Um dies zu erreichen, definierten sie für jeden Punkt des Weltblattes der Stringentwicklung einen Majorana-WeylSpinor. J.L. Gervais und B. Sakita zeigten noch im selben Jahr, dass die im Ansatz von Ramond, Neveu und Schwarz für die Stringdynamik gewählte Wirkungsfunktion auf dem Weltblatt des String eine interessante, neuartige Invarianz aufweist, die später als Supersymmetrie bezeichnet werden sollte.162 Die Supersymmetrie ist eine Invarianz der Wirkungsfunktion gegenüber der Vertauschung von bosonischen und fermionischen Zuständen. Für jeden bosonischen Zustand gibt es einen entsprechenden fermionischen Zustand und umgekehrt. Es wurde bald klar, dass eine Stringtheorie, die Fermionen einbezieht, notwendigerweise genau diese Eigenschaft aufweisen muss. In der alten Neveu-Schwarz-Ramondschen Dual-Theorie bleibt die Supersymmetrie, die - wie man später herausfand - eigentlich für die gesamte Raumzeit, auf der sich die Stringdynamik abspielt, gelten muss, jedoch verdeckt. Eine manifeste Invarianz hinsichtlich des Austauschs von bosonischen und fermionischen Zuständen liegt bei diesem Ansatz erst einmal nur für das Weltblatt der Stringdynamik vor; und die Entdeckung dieser Weltblatt-Supersymmetrie durch Gervais und Sakita wurde nur von einigen Insidern beachtet, aber nicht mit der Aufmerksamkeit bedacht, die der Supersymmetrie aufgrund ihrer Bedeutung für den Stringansatz später 161 162

Siehe Ramond (1971) und Neveu / Schwarz (1971). Siehe Gervais / Sakita (1971).

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zukommen sollte.163 164 Denn es gab erst einmal dringlichere Probleme: Es zeigte sich nämlich sehr schnell, dass die von Ramond, Neveu und Schwarz entwickelte supersymmetrische Variante der Dual-Theorie - das was heute als Superstringtheorie bezeichnet wird - nur für zehn Raumzeitdimensionen konsistent formuliert werden kann. Die Bedeutung dieser Tatsache blieb - wie schon bei den 26 Dimensionen der bosonischen Stringtheorien, an denen zu dieser Zeit immer noch gearbeitet wurde vollkommen im Unklaren. Was sollte man mit zehn (oder 26) Dimensionen in der Hadronenphysik anfangen? Konsequenterweise gab es nach 1973, nach dem empirischen Erfolg des Quark-Modells und dem Siegeszug der Quantenchromodynamik, die inzwischen eindeutige empirische Indizien für sich ins Feld führen konnte, erst einmal nur noch wenig weiteres Interesse am Stringansatz. "[...] the rapid development of QCD as a theory of hadronic interactions seemingly put the last nail in the coffin of the superstring." (Kaku (1999) 16)

Die entscheidende Entdeckung

Wäre nach dem Siegeszug der Quantenchromodynamik und des QuarkModells nichts entscheidend und überraschend Neues mehr hinsichtlich des Stringansatzes passiert, würden heute sicherlich nur noch ein paar ältere Männer und ein paar Wissenschaftshistoriker auf Profilsuche in den 163

"Supersymmetry, as an invariance of an action, was first discovered in the string theory. Gervais and Sakita showed that an extension of the usual bosonic action possessed a symmetry that converted bosons into fermions. Unfortunately, it languished for many years because the supersymmetry of the early string model was a two-dimensional supersymmetry on the world sheet. It wasn't until relatively recently that it was finally proved that the string model possessed both twodimensional and 10-dimensional space-time supersymmetry." (Kaku (1999) 103) 164 Aber immerhin war es der Stringansatz, der auf den Nebenpfaden modelltheoretischer Bemühungen zu einer systematischen Beschäftigung mit der Supersymmetrie führte: So entwickelten Julius Wess und Bruno Zumino zwischen 1971 und 1974, angeregt durch deren vorauseilende physikalische Implementierung in der Dual-Theorie, eine angemessene mathematische Grundlage für die Supersymmetrie. Siehe Wess / Zumino (1974) und Zumino (1979).

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Nebengleisen der modernen Physik von Zeit zu Zeit vom Stringansatz reden (oder schreiben). Ihn hätte etwa das gleiche Schicksal ereilt wie den S-Matrix- oder den Bootstrap-Ansatz. Nur die grosse Überraschung, zu der es 1974 kam, konnte dies verhindern. Und es ist ausschliesslich diese Zufallsentdeckung, die dazu geführt hat, dass der Stringansatz heute noch existiert. Aber, ganz im Gegensatz zu dem, was man heute vielleicht annehmen könnte, wurde diese für den Stringansatz entscheidende Entdeckung damals nur von sehr wenigen Physikern überhaupt wahrgenommen, um erst zehn Jahre später grössere Kreise zu ziehen. Nun, um was handelt es sich bei dieser allesentscheidenden Entdeckung? Joel Scherk und John Schwarz fanden 1974 heraus, dass es für geschlossene bosonische Strings nach der Quantisierung grundsätzlich einen masselosen Spin-2-Stringzustand gibt und dass dessen Streuamplitude in der Niederenergienäherung zumindest formal den Streuamplituden für die Graviton-Graviton-Streuung entspricht.165 Schon die simple Quantisierung eines klassisch-relativistischen Strings und seiner Dynamik führt also zur Gravitation.166 Inzwischen ist klar, dass masselose Spin-2-Teilchen, die sich Lorentz-invariant verhalten, notwendigerweise gravitatives Verhalten gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie reproduzieren, auch wenn keine Einigkeit besteht, auf wen der Nachweis letztendlich zurückgeht.167

165

Siehe Scherk / Schwarz (1974). Die Allgemeine Relativitätstheorie und ihr Äquivalenzprinzip stellen sich, wie sich hier zeigt, als Niederenergienäherung der Dynamik des String dar. "The claim that string theory solves [Quantum Gravity] is based on two facts. First, the string perturbation expansion includes the graviton. More precisely, one of the string modes is a massless spin two, and helicity +-2 particle. Such a particle necessarily couples to the energy-momentum tensor of the rest of the fields and gives general relativity to a first approximation. Second, the perturbation expansion is consistent if the background geometry over which the theory is defined satisfies a certain consistency condition; this condition turns out to be a high energy modification of the Einstein's equation. The hope is that such a consistency condition for the perturbation expansion will emerge as a full-fledged dynamical equation from the yet-to-be-found nonperturbative theory." (Rovelli (1998) 4) 167 "Now we can use a general result that goes back to Feynman: any theory of an interacting spin two massless particle must describe gravity. So string theory must reproduce gravitational physics." (Giddings (2005) 6) "[...] with appropriate caveats, general relativity is necessarily recovered as the low-energy-limit of any interacting theory of massless spin-2 particles propaga166

117

"The only consistent interaction for massless spin two particles is that of gravity. Therefore, any string theory will contain gravity." (Aharony et al. (1999) 4) Die Entdeckung von Scherk und Schwarz erschien im ersten Moment als etwas, was man für die intendierten Ziele des Ansatzes überhaupt nicht gebrauchen konnte: Was macht man mit Gravitonen bzw. Spin-2-TensorZuständen in der Hadronenphysik und bei der starken Wechselwirkung? Schnell wurde aber klar: So etwas taugt eigentlich nur für die Beschreibung der gravitativen Wechselwirkung. Was ebenso dafür sprach, dass der Stringansatz nichts mit der Hadronenphysik zu tun hat, sondern vielmehr die Gravitation im Rahmen eines quantenmechanischen Ansatzes zu beschreiben in der Lage sein könnte, war die Tatsache, dass die Gravitation, wie sich sehr schnell zeigen liess, nur dann die richtige (nämlich die empirisch beobachtbare) Stärke annimmt, wenn sich die Stringdynamik auf der Planck-Ebene abspielt.168 Die Planck-Ebene ist aber gerade der Bereich, für den man aufgrund der Konvergenz der Kopplungskonstanten eine vereinheitlichte Beschreibung aller Wechselwirkungen erwartet. Es war also nicht allzu abwegig zu vermuten, dass eine Theorie, die notwendigerweise Spin-2-Zustände enthält und die zudem den dafür richtigen Energiebereich betrifft, als vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen in Frage kommen könnte. Noch weniger abwegig war dies, als man feststellte, dass Theorien mit geschlossenen Strings neben den Spin-2-Zuständen noch skalare Spin-0-Zustände enthalten und Theorien mit offenen Strings zu Spin-1-Tensor-Zuständen führen. Nicht nur die Allgemeine Relativitätsting on a Minkowski background, in which the energy and momentum are conserved (Boulware and Deser 1975)." (Butterfield / Isham (2001) 59) "Weinberg (1995), in his discussion of covariant quantum gravity, showed that, in the vacuum case, one can derive the equivalence principle and general relativity from the Lorentz-invariance of the spin-2 quantum field theory of the graviton: the spin-2 theory is equivalent to general relativity and follows from the quantum theory. The upshot of this is that any theory with gravitons is a theory that can accommodate general relativity (in some appropriate limit). This analysis forms the basis of string theory's claim that it is a candidate theory of quantum gravity: since there is a string vibration mode corresponding to a massless spin-2 particle, there is an account of general relativity [...]." (Rickles (2005) 9) 168 Dies ist eine Folge davon, dass die aus der Stringdynamik resultierenden Eigenschaften der Gravitonen-Zustände abhängig sind von der Stringspannung, also ihrer Energie bzw. Masse pro Längeneinheit.

118

theorie, sondern auch die Eichinvarianzen der Quantenfeldtheorien des Standardmodells würde man also unter den Niederenergienäherungen der Stringdynamik erwarten können. Es gab jedoch allen Grund, die Hoffnungen nicht auf die alten bosonischen Stringtheorien, für die die Entdeckung der Gravitonenzustände von Scherk und Schwarz ursprünglich gemacht wurde, zu setzen, sondern auf den supersymmetrischen Stringansatz, die Superstringtheorie also, in deren Kontext immerhin einige der grundlegenden Probleme der alten bosonischen Stringtheorien lösbar erschienen. Glücklicherweise liess sich sehr schnell aufzeigen, dass die ursprünglich für die bosonischen Stringtheorien nachgewiesene Existenz von Gravitonenzuständen für die Superstringtheorie ebenso gegeben ist, wenn geschlossene Strings vorliegen; nur dass sich im Superstringansatz dann auch noch fermionische Zustände beschreiben lassen: Materie und vielleicht alle Wechselwirkungen innerhalb eines einheitlichen Ansatzes also. Gegenüber den Erfahrungen mit den Quantenfeldtheorien, die für die starke und die elektroschwache Wechselwirkung jeweils autonome Ansätze bemühen mussten, und die im Hinblick auf die Einbeziehung der Gravitation bisher erfolglos geblieben waren, würde mit einem solchen Ansatz, so war man überzeugt, eine signifikante Kontingenzminderung und Einheitlichkeit einhergehen:169 "[...] gravitation and gauge theory [...] occur naturally in string theory [...] whereas in field theory they are optional extras that are introduced on phenomenological grounds [...]." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 15) Sehr schnell wurde den Beteiligten klar: Der Stringansatz, der nach den Entwicklungen in der Hadronenphysik so gut wie tot war, hatte entweder als vereinheitliche Beschreibung aller Wechselwirkungen Erfolg, oder eben gar nicht. Erst die Entdeckung der Spin-2-Zustände des String machte den Stringansatz, der für die Hadronenphysik faktisch aus dem Rennen war, überhaupt wieder interessant. 1974 begann auf diese Weise die Geschichte des Stringansatzes als intendierter vereinheitlichter Theorie aller Wechselwirkungen. Damit wurde für 169

Zudem deutete sich an, dass die Divergenzen einer quantenfeldtheoretischen Beschreibung der Gravitation für den Stringansatz aufgrund der Ausgedehntheit der Strings und ihrer Wechselwirkungszonen ausbleiben.

119

den Stringansatz aber auch ein völlig veränderter Motivationshintergrund wirksam: Es ging auf einmal um die Beseitigung von konzeptionellen Unverträglichkeiten innerhalb der Physik, insbesondere der Unvereinbarkeiten zwischen Quantenfeldtheorien und Allgemeiner Relativitätstheorie; es ging um die Vereinigung aller Wechselwirkungen und damit auch um die hinter dem Vereinigungsprogramm stehenden naturphilosophischen Grundannahmen wie etwa die einer Einheit der Natur.170 "To restate the situation, what was originally an attempt at a bottomup theory of hadrons, had a new incarnation as a top-down theory entirely motivated by theoretical concerns." (Schnitzer (2003) 4) Es kann gar nicht überbetont werden, dass dieser Wandel hinsichtlich des intendierten Bezugs des Stringansatzes und der Motivationen, die für diesen neuen Bezug geltend gemacht werden konnten, sich wiederum - wie schon die gesamte Vorgeschichte des Stringansatzes - ausschliesslich im Bereich des Konzeptionellen und seiner modelltheoretischen Ausformungen bewegte und keinesfalls etwa durch irgendwelche neuen empirischen Daten zustandegekommen ist.

Konzeptionelle Weiterentwicklung

Aber trotz der hochfliegenden neuen Perspektive, als Kandidat für eine vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen anzutreten, blieb der Stringansatz in der Folgezeit erst einmal weitgehend unbeachtet. Die damals zeitweise unter der Bezeichnung Spinning String Theory formierende Neveu-Schwarz-Ramond-Superstringtheorie hatte immer noch eine ganze Reihe von ungelösten innertheoretischen Inkonsistenzen und konzeptionellen Problemen, die den Ansatz wenig attraktiv machten und dazu führten, dass er zwischen 1977 und 1983 im Stillen von einer sehr geringen Zahl von Theoretikern weiterentwickelt wurde. Zu den vorrangigen innertheoretischen Problemen zählte nicht zuletzt die Tatsache, dass in der frühen Neveu-Schwarz-Ramond-Variante einer supersymmetrischen Stringtheorie immer noch tachyonische Zustände 170

Siehe hierzu Kap. 4.2.

120

auftraten - dieselben, die schon den alten bosonischen Theorien Schwierigkeiten bereitet hatten. Dieses Problem, das die Akzeptierbarkeit der Theorie entscheidend in Frage stellte, wurde schliesslich 1977 von Ferdinando Gliozzi, Joel Scherk und David Olive durch ein erst einmal rein formales Verfahren gelöst, das danach als GSO-Projektion bezeichnet wurde.171 Als Schlüssel zur Lösung des Problems tachyonischer Instabilitäten stellte sich die schon für die Einbeziehung von fermionischen Zuständen erforderliche Supersymmetrie heraus. Die GSO-Projektion nutzt diese im alten NeveuSchwarz-Ramond-Ansatz immerhin schon implizit enthaltene Supersymmetrie aus, um das Tachyon aus dem Spektrum der Stringzustände zu entfernen. "Historically, a projection was made onto a set of definite G-parity states thus eliminating the tachyon and also rendering the spectrum space-time supersymmetric." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 105) Die im Neveu-Schwarz-Ramond-Ansatz implizite Supersymmetrie, die nur für das String-Weltblatt manifest ist, wird in der Reparametrisierung der Dynamik durch die GSO-Projektion in eine manifeste Supersymmetrie der zehndimensionalen Raumzeit umgewandelt. "After the GSO projection, the spectrum of the fermionic string becomes supersymmetric. This is rather surprising because having started with a action that was supersymmetric only on the world-sheet and we obtain in the end supersymmetry in the target space." (AlvarezGaumé / Vázquez-Mozo (1992) 106) Die GSO-Projektion mag erst einmal vielleicht als physikalisch unmotiviertes, formal-mathematisches Verfahren erscheinen. Es gibt jedoch, wie sich allerdings erst nach ihrer Einführung zeigen liess, gute Argumente dafür, die GSO-Projektion nicht als Ad-hoc-Verfahren anzusehen: Sie ist vielmehr die notwendige Konsequenz grundlegender Invarianzbedingungen, die für die Konsistenz des Stringansatzes zu fordern sind, wenn globale Gravitationsanomalien vermieden werden sollen.172 Die GSO-Projektion ist nachweislich unabdingbar, wenn die raumzeitliche Supersymmetrie, die für die Einbeziehung fermionischer Zustände erforderlich ist, nicht 171 172

Siehe Gliozzi / Scherk / Olive (1977). Siehe Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992).

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schon manifest, sondern nur implizit im Ansatz enthalten ist. Die GSOProjektion beseitigt also gerade solche Probleme des Stringansatzes, die sich erst durch eine nur implizite Berücksichtigung der Supersymmetrie ergeben; diese erweisen sich im Rahmen der GSO-Projektion als Artefakte einer unangemessenen, nicht manifest supersymmetrischen Formulierung. "The tachyon that appears in the bosonic string model, for example, is eliminated because it violates supersymmetry." (Kaku (1999) 102) Insofern ist die GSO-Projektion die unabdingbare Therapie eines modelltheoretischen Problems, welches überhaupt erst durch das Beschreiten eines konzeptionellen Umweges entstanden ist, den der Stringansatz infolge seiner - mangels hinreichender physikalischer Intuitionen - oft recht planlosen Vorgehensweise bei der Modellbildung genommen hat. Ist dieser Umweg erst durch die GSO-Projektion als solcher entlarvt, wird dieses Verfahren hinfällig.173 Auch wenn sich konsequenterweise später Formulierungen der Superstringtheorien ergeben sollten, die keine GSO-Projektionen mehr nötig hatten, weil sie sich schon durch eine manifeste raumzeitliche Supersymmetrie auszeichneten,174 war die GSO-Projektion historisch von erheblicher 173

Die GSO-Projektion und die sie überhaupt erst erforderlich machende, planlose modelltheoretische Vorgehensweise könnten möglicherweise ein Bild im Kleinen für das liefern, was sich hinsichtlich des Stringansatzes in Bezug auf die eigentlich intendierte Theorie der Quantengravitation schliesslich herausstellen könnte: dass der Stringansatz vielleicht eine infolge mangelnder physikalischer Motivationen beschrittene Vorgehensweise darstellt, die ihre Relevanz und Daseinsberechtigung verliert, sobald sie zur tieferen Einsicht in die grundlegenden physikalischen Zusammenhänge und ihre adäquate theoretische Erfassung geführt hat, und sich dadurch selbst als wissenschaftshistorischen Umweg entlarvt. Dies würde aber auch bedeuten, dass man den Stringansatz, auch wenn er nicht schon die intendierte Theorie der Quantengravitation sein sollte, sehr ernst nehmen sollte, solange man keine besseren Konzepte vorweisen kann, die auf physikalischen Intuitionen, Ideen und Prinzipien beruhen, für die man eine unabhängige konzeptionelle oder gar empirische Motivation anführen kann. 174 In der späteren Green-Schwarz-Formulierung des Superstringansatzes ist dann eine GSO-Projektion schliesslich nicht mehr erforderlich (und auch gar nicht mehr möglich), da die Green-Schwarz-Formulierung schon eine manifeste raumzeitliche Supersymmetrie enthält. Dafür ist die Green-Schwarz-Formulierung recht umständlich zu handhaben und nur im Lichtkegel-Verfahren zu quantisieren, nicht aber mit kovarianten Verfahren. Die Green-Schwarz-Formulierung ist äquivalent zur Neveu-SchwarzRamond-Formulierung nach erfolgter GSO-Projektion.

122

Bedeutung: Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Wahl für die Projektionsoperatoren führte insbesondere zu der Einsicht, dass es neben dem ursprünglichen Neveu-Schwarz-Ramond-Ansatz, der später als Typ I bezeichnet werden sollte, noch weitere mögliche Formulierungen einer supersymmetrischen Stringdynamik gibt; diese wurden später als Typ IIA und IIB bezeichnet.175 Mit der GSO-Projektion zeigte sich aber vor allem, dass die ursprünglich für die Berücksichtigung von fermionischen Zuständen gewählte Strategie, nämlich die Einbeziehung der Supersymmetrie in den Stringansatz, grundsätzlich in die richtige Richtung führt. Dennoch litt der Stringansatz Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre immer noch an massiven innertheoretischen Problemen, die vor allem durch diverse resistente Anomalien ausgelöst wurden.176 Diese hingen nicht zuletzt mit den Modalitäten der Quantisierung des klassisch-relativistischen Strings zusammen.177 Sie machten deutlich, dass immer noch keine adäquate Prozedur für die Quantisierung der entsprechenden klassischen Dynamik, die als Ausgangspunkt diente, erreicht worden war. Dies sollte sich erst 1984 in einiger Hinsicht ändern.

Die erste Superstring-Revolution

1984 zeigten John Schwarz, Michael Green, André Neveu und Pierre Ramond, dass die Anomalien, mit denen der Superstringansatz immer noch zu kämpfen hatte und die seine innertheoretische Konsistenz ebenso wie seine Akzeptierbarkeit als physikalische Theorie grundlegend in Frage stellten, sich aufheben bzw. verhindern lassen, wenn die intendierten Symmetrien, insbesondere die Supersymmetrie, in der mathematischen 175

Siehe Kap. 2.1. sowie Green / Schwarz / Brink (1983). "By definition an anomaly is a breakdown of a classical symmetry by quantum corrections." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 26) "Simply, anomalies arise whenever the symmetries of the classical action do not carry over to the quantum level. The classical symmetries do not survive the process of regularizing the quantum theory." (Kaku (1999) 341) Diese Anomalien werden vor allem dann zum Problem, wenn sie Eichinvarianzen, die Diffeomorphismus-Invarianz oder die konforme Invarianz betreffen. 177 Siehe hierzu die ausführlicheren Erörterungen am Ende dieses Teilkapitels. 176

123

Formulierung der Theorie in spezifischer Weise berücksichtigt werden.178 Mit der Verhinderung der Anomalien sind spezifische Festlegungen für die Theorie und ihre inhärenten Symmetrien verbunden, die nur wenige konsistente Möglichkeiten lässt: "An interesting feature of string gauge theories is that the choice of gauge group is quite limited." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 15) Die Festlegungen hinsichtlich der zu erwartenden Symmetrien schürte zudem die Hoffnung, die im Standardmodell der Quantenfeldtheorien auftretenden Eichinvarianzen schliesslich als Konsequenz des Stringansatzes ableiten zu können. Insbesondere die E8 x E8-Eichgruppe, die schliesslich als konsistente Möglichkeit im Stringansatz auftauchte, war schon vorher im Gespräch für die Grosse Vereinheitlichung von starker und elektroschwacher Wechselwirkung, da sie die Eichinvarianzen des Standardmodells als Untergruppen enthält. "[...] the cancellation of anomalies in string theory places stringent conditions on which gauge groups may be allowed by the theory. Basically, the gauge group of a supersymmetric theory must contain exactly 496 generators, which restricts us to either SO(32) or E8 x E8." (Kaku (1999) 338) Alle damals bekannten relevanten Randbedingungen, ebenso wie die Erfahrungen mit früheren Ansätzen, die noch eine GSO-Projektion erforderlich machten, wurden innerhalb der Green-Schwarz-Formulierung des Stringansatzes berücksichtigt: einer Theorie mit manifester raumzeitlicher Supersymmetrie. Die Green-Schwarz-Superstringtheorie machte zudem plausibel, dass für die Stringdynamik keine Singularitäten in den FeynmanDiagrammen möglicher Wechselwirkungen zu erwarten sind - und damit höchstwahrscheinlich keine Divergenzen: "The discovery in 1984 by Green and Schwarz that the superstring theory is anomaly-free and probably finite to all orders of perturbation theory has revived the theory." (Kaku (1999) 16)

178

Siehe etwa Green / Schwarz (1984), Schwarz (1984), (1985) und (1987), Green (1985) sowie Green / Schwarz / Witten (1987).

124

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Versuch der perturbativen (kovarianten) Quantisierung der Gravitation, die nicht nur einfach zu Divergenzen, sondern zu nicht-renormierbaren Divergenzen führte, machte dies den Superstringansatz nun auf einmal zu einem vielversprechenden Programm. Die schon lange gehegte Vermutung, dass sich die Gravitation vielleicht nur gemeinsam mit den anderen Wechselwirkungen konsistent beschreiben lässt, gewann wieder an Boden. Vielleicht, so dachte man, hebt eine Einbeziehung der Gravitation in einem gemeinsamen Ansatz, der auch alle anderen Wechselwirkungen einbezieht, sogar die im Standardmodell der Quantenfeldtheorien auftretenden, renormierbaren Divergenzen gänzlich auf und macht damit problematische Renormierungsverfahren obsolet. Vielleicht, so vermuteten nun zunehmends immer mehr theoretische Physiker, ist der Superstringansatz der aussichtsreichste, wenn nicht der einzige Kandidat für eine Realisierung dieser Hoffnung. Eine divergenzfreie, konsistent formulierbare und offensichtlich konkurrenzlose Theorie, die quasi von selbst Vektor- und Tensorbosonen liefert, erschien jedenfalls in dieser Hinsicht vielversprechend. Und mit dieser Einschätzung stieg die Zahl der Stringtheoretiker - bis 1984 wohl einstellig - um ein Vielfaches an. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden die Entwicklungen im Jahre 1984 heute aus der historisch-mythologischen Perspektive heraus oft als "Erste Superstring-Revolution" bezeichnet. "Thus was string theory born. To my mind, this is the most amazing thing about string theory - that it exists at all." (Weingard (1989) 151) Die Theorie war jedoch - wie sich wohl fast alle Beteiligten eingestanden immer noch alles andere als vollständig, problemfrei und abgerundet. Die Entwicklungen in den achtziger und frühen neunziger Jahren dienten entsprechend vor allem der Systematisierung und dem Ausbau des Ansatzes sowie der Formulierung neuer Darstellungsmethoden (wie etwa der mittels konformer bzw. superkonformer Feldtheorien auf der Grundlage von KacMoody-Algebren).179 1985 wurden die beiden heterotischen Stringtheorien entwickelt,180 die das Spektrum der konsistent formulierbaren Varianten mit den schon bekannten Theorien den Typs I, IIA und IIB auf insgesamt fünf perturbative Stringtheorien erweiterten.181 Insbesondere die heteroti179

Vgl. Kaku (1999), Kap. 4. Kac-Moody-Algebren sind unendlich-dimensionale Verallgemeinerungen der Lie-Algebren. 180 Siehe Kap. 2.1. sowie Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985). 181 Siehe Kap. 2.1.

125

sche Theorie mit der E8 x E8-Eichgruppe wurde erst einmal als aussichtsreichster Kandidat für die Reproduktion des quantenfeldtheoretischen Standardmodells angesehen, da ihre Eichinvarianz die des Standardmodells als Untergruppen enthält. Die zu dieser Zeit intensiv diskutierten Probleme betrafen nicht zuletzt den Umgang und die Interpretation der für die Stringtheorien aus Konsistenzgründen erforderlichen höheren Dimensionalität. Die Idee der Kompaktifizierung182 und der Rekurs auf die alte Kaluza-Klein-Theorie,183 welche Gravitation und Elektromagnetismus gemeinsam auf einer fünfdimensionalen Raumzeit erfassen sollte, machte die höhere Dimensionalität des Stringansatzes und ihre Verbindung mit der Vereinheitlichungsidee zunehmend plausibler. Immerhin ging es jetzt nicht mehr um zwei, sondern um vier Wechselwirkungen. (Dass deren einheitliche Beschreibung nur mit deutlich mehr als fünf Dimensionen erreicht werden kann, erscheint nicht mehr ganz so exotisch, wenn man sich die Kaluza-Klein-Theorie in Erinnerung ruft.) Zudem hoffte man, im Rahmen der Untersuchung möglicher Kompaktifizierungsmodi einen Weg zu finden, die Symmetriebrechungen nachvollziehbar machen zu können, die wahrscheinlich erforderlich sind, um für den Niederenergiebereich die Eichgruppen des quantenfeldtheoretischen Standardmodells aus den Eichinvarianzen des Stringansatzes abzuleiten. Diese Bestrebungen führten jedoch zu nichts. Nahezu alle Versuche, aus dem Stringansatz eindeutige Resultate abzuleiten, scheiterten an der Komplexität der involvierten Mathematik. Und es wurde schliesslich immer deutlicher, dass die Ursache dafür in einem fundamentalen Problem des Stringansatzes begründet lag: Auch nach der Einbeziehung der Supersymmetrie hatte man immer noch nicht mehr als einen ausschliesslich perturbativen Ansatz zur Verfügung. Es war - und ist heute noch - vollkommen unklar, wie eine nicht-perturbative Stringtheorie aussehen könnte und welche physikalischen Prinzipien ihr zu Grunde liegen könnten bzw. müssten. Die "Zweite Superstring-Revolution", auch wenn mit ihr grundlegende konzeptionelle Einsichten verbunden waren, sollte hier nur graduelle Abhilfe schaffen:

182 183

Siehe Kap. 2.2. Siehe Kap. 1.

126

Die zweite Superstring-Revolution

Fünf perturbative Stringtheorien sind einerseits mindestens vier zuviel und andererseits genau eine, durch physikalisch motivierte Prinzipien gestützte, stringente, nicht-perturbative Theorie zu wenig. Dies war nicht zuletzt der Grund dafür, dass die Begeisterung für den Stringansatz Anfang der neunziger Jahre stagnierte. Um 1995 kam es dann aber zu entscheidenden neuen Entwicklungen. Diese begannen mit einem - aufgrund begrenzter modelltheoretischer Mittel - eher zaghaften extrapolativen Vorstoss in den nichtperturbativen Bereich der Stringdynamik, den Bereich jenseits der perturbativen Stringtheorien, und führten von da aus zur Einsicht in die Verbindung zwischen den vorliegenden fünf perturbativen Stringtheorien.184 Die Überraschung, welche die im Nachhinein als solche apostrophierte "Zweite Superstring-Revolution" auslöste, bestand in der Entdeckung diverser Dualitätsbeziehungen185 zwischen den fünf perturbativen Superstringtheorien - auch wenn das Vorliegen dieser Dualitäten manchen Stringtheoretikern im Nachhinein nicht mehr ganz so überraschend erscheinen mag: "Duality symmetries are most manifest in supersymmetric theories, because in such theories perturbative loop corrections tend to be suppressed, due to cancellations between bosonic and fermionic degrees of freedom." (Lerche (2000) 20) Die T-Dualität etwa lieferte eine Begründung dafür, weshalb innerhalb des Stringansatzes die Divergenzen scheinbar gänzlich ausbleiben, die im Rahmen einer quantenfeldtheoretischen Behandlung der Gravitation zu offensichtlich unlösbaren Problemen führten, weil sie wohl grundsätzlich nicht-renormierbar sind. Früher hatte man das Ausbleiben der Divergenzen anschaulich auf die Ausgedehntheit der Strings und ihrer Wechselwirkungszonen zurückgeführt. Mit der T-Dualität lag aber nun eine wesentlich stringentere Begründung dafür vor. Wiederum war es aber vor allem die Supersymmetrie, die für den Fortgang des Stringansatzes und für das Wiederaufleben des Stringenthusiasmus von 184 185

Siehe Kap. 2.3. Siehe Kap. 2.3.

127

entscheidender Bedeutung war. Denn erst die infolge der Einsicht in die Existenz supersymmetrischer BPS-Zustände erschliessbare S-Dualität ermöglichte einen zumindest punktuellen Vorstoss in den nicht-perturbativen Bereich der Stringdynamik. Sie machte Verbindungen zwischen den fünf perturbativen Superstringtheorien deutlich, lieferte Hinweise auf eine elfte Dimension und legte schliesslich die Existenz einer fundamentaleren, den perturbativen Stringtheorien zugrundeliegenden, allerdings bis heute unspezifizierten, nicht-perturbativen Theorie nahe: der M-Theorie. Heute geht man davon aus, dass die perturbativen Stringtheorien die für spezifische Parameterbereiche gültigen Näherungen zu dieser M-Theorie darstellen, also einer spezifischen Koordinatenwahl im Parameterraum dieser grundlegenderen Theorie entsprechen. Es bleibt aber weiterhin offen, wie eine solche fundamentalere Theorie formuliert werden könnte. Es ist unklar, wie die unterschiedlichen Parameter, für die die perturbativen Stringtheorien stehen, gedeutet werden können. Und es ist vor allem vollkommen ungeklärt, welche physikalisch motivierbaren Prinzipien der M-Theorie zugrundeliegen könnten. Auch die Entdeckung nicht-perturbativer Phänomene wie etwa der p- und D-Branen haben diesbezüglich keinen Aufschluss gebracht.186 Man vermutet zur Zeit, dass eine grundlegende nichtperturbative Theorie ohne Rekurs auf eine Hintergrundraumzeit zu formulieren wäre.187 Trotz aller Fortschritte: Der Stringansatz weist nach wie vor nicht die geringste Motivation aus bestehender Empirie188 und nicht die geringste auf quantitativen Vorhersagen beruhende empirische Testmöglichkeiten189 auf, sondern stützt sich bisher ausschliesslich auf rein mathematische Konsistenzforderungen, modifizierte und erweiterte quantenfeldtheoretische Prozeduren sowie Ad-hoc-Festlegungen hinsichtlich seiner modelltheoretischen Grundlage. Entsprechend ist auch die Reproduktion der phänomenologisch beobachtbaren Niederenergiephysik, die im Stringansatz, der sowohl Fermionen als auch Skalar-, Vektor- und Tensor-Bosonen als Zustände enthält, zumindest konzeptionell unproblematisch erscheint, bisher nicht über den Bereich des Konzeptionellen hinaus zu konkreten Vorhersagen gediehen.

186 187 188 189

Siehe Kap. 2.4. Vgl. Kap. 6. Siehe Kap. 4.2. Siehe Kap. 4.3.

128

"Sal - [...] Would you agree in saying that the theory is well understood perturbatively, where it does not look like the real world, and we have only glimpses on its nonperturbative regime, but not yet a clear relation with our world?" (Rovelli (2003) 9) Es gibt keine quantitativen und nur wenige qualitative Voraussagen. Nicht einmal die Ableitung der für den Niederenergiebereich zu erwartenden Eichinvarianzen ist bisher geglückt. "The gauge groups it produces are to big, and finally, while it predicts fermions, it is not clear how to get fermionic matter with the structure we see, for example generations." (Giddings (2005) 8)

Das Pferd von hinten aufzäumen: Zufallsentdeckungen und tentative Mathematik

Viele der an der Entwicklung des Stringansatzes massgeblich beteiligten Theoretiker, wie etwa Edward Witten, betonen den Zufallscharakter dieser Entwicklung und das mangelnde physikalische Verständnis ihrer bisherigen Ergebnisse: "Die Theorie wurde [...] von niemandem absichtlich geschaffen, sie verdankt ihre Entdeckung vielmehr einem glücklichen Zufall. Von Rechts wegen dürften die Physiker des 20. Jahrhunderts nicht das Privileg besitzen, diese Theorie zu untersuchen. Sie hätte nicht eher geschaffen werden dürfen, als unser Wissen auf einigen Gebieten, deren Kenntnis Voraussetzung für das Verständnis der Theorie ist, genügend weit entwickelt worden wäre, um uns die richtigen Vorstellungen darüber zu erlauben, was das alles zu bedeuten hat." (Witten in: Davies / Brown (1992) 129) Zufälle prägten die gesamte bisherige Entwicklung des Stringansatzes. Zuerst wurde eine mathematische Formel entdeckt, die Eulersche Betafunktion, welche die Streumatrix für Hadronenkollisionen reproduzierte, ohne dass man wusste, wie es dazu kam. Dann wurde entdeckt, dass das aus dieser Übereinstimmung abgeleitete theoretische Modell der quantisierten

129

Dynamik von klassisch-relativistischen Strings entsprach. Schliesslich fand man heraus, wie sich mittels der Supersymmetrie Fermionen in den Ansatz implementieren liessen. Als der Stringansatz in der Hadronenphysik dann schon erledigt war, entdeckte man die Gravitonenzustände der Stringoszillation. Damit kam es zu einem Strategiewechsel: Wenn der Stringansatz sich überhaupt für irgendetwas eignen sollte, dann nur als vereinheitlichte Beschreibung aller Wechselwirkungen. Auch nach diesem Strategiewechsel waren es immer wieder mehr oder weniger zufällige Entdeckungen, die den Stringansatz am Leben hielten und vorantrieben: die Entdeckung der Dualitätsbeziehungen, die der elften Dimension bei starker Kopplung sowie schliesslich die der Branen. Diese Entdeckungen waren nun jedoch, im Gegensatz zum Strategiewechsel von der Hadronenphysik zur vereinheitlichten Theorie, ausschliesslich auf den Ansatz selbst und seine internen konzeptionellen Probleme bezogen, Sie betrafen nicht mehr die externe Frage, was durch den Ansatz überhaupt zu modellieren sei.190 Parallel dazu wurden gezielt Lösungsansätze für theorieintern auftretende Probleme erwogen, wie etwa auf die Frage, wie man mit den aus Konsistenzgründen zu fordernden zehn Raumzeitdimensionen umgehen könnte. Hier kam die Kompaktifizierungsidee ins Spiel. Aber auch die Entdeckung der Branen spielte hier schliesslich eine Rolle. Der Stringansatz ist das Ergebnis einer ausschliesslich konzeptionell bestimmten Entwicklung, die bis heute ohne fundamentale Prinzipien als Ausgangspunkt auskommen muss, also nicht von diesen ausgehend eine adäquate modelltheoretische Basis wählen konnte. Für ein von modellinternen Anforderungen unabhängiges, physikalisch motiviertes, fundamentales Prinzip hätte man vermutlich eine empirische Basis benötigt, die es für den Stringansatz nie gegeben hat.191 Vor allem, weil der Stringansatz nicht von irgendeiner physikalischen Intuition oder Idee ausgehend entwickelt wurde, konnte der Zufall bei seiner Ausformung eine solch entscheidende Rolle spielen. "[...] why does superstring theory work at all - where does it come from? Unlike other quantum field theories, it is not based on some profound physical understanding. Rather, it has been 'plucked out of the air'." (Matthews (1994) 31) 190 191

Zu der Unterscheidung in interne und externe Probleme vgl. Kap. 4.4. Siehe Kap. 4.2. und 4.3.

130

Das Fehlen eines von modellinternen Anforderungen unabhängigen, physikalisch motivierten, fundamentalen Prinzips, auf dem eine wirkliche physikalische Theorie der Quantengravitation aufbauen könnte, ist das grundlegende Charakteristikum, welches die Entwicklung des Stringansatzes bestimmten und prägten. Anders als die Allgemeine Relativitätstheorie, die vom Äquivalenzprinzip bzw. vom Prinzip der allgemeinen Kovarianz ausgehend motiviert werden kann, und anders als die Quantenfeldtheorien, denen Eichprinzipien192 zugrundegelegt werden können, ist der Stringansatz eben keine Theorie, die aus irgendeinem, unabhängig motivierten physikalischen Prinzip abgeleitet wurde oder im Nachhinein auf dieses bezogen werden könnte. "In gauge theory and in general relativity, one starts with a spacetime symmetry principle. In string theory, too, it would seem that we should first figure out what the full spacetime symmetry is, and use this to define the theory. There are various attempts in this direction, but a complete picture has not yet emerged." (Polchinski (2000) 28) Anstatt mit einer grundlegenden physikalischen Idee zu starten, aus der sich ein modelltheoretischer Entwurf entwickeln liesse, beginnt die Entwicklung des Stringansatzes mit einem - aus dem Rückblick - völlig willkürlichen modelltheoretischen Ansatz, der ursprünglich nicht einmal für den Bereich der Quantengravitation formuliert wurde, für den er dann nach dem durch die Entdeckung der Gravitonenzustände eingeleiteten Strategiewechsel schliesslich eingesetzt werden sollen. Das gewählte modelltheoretische Instrumentarium musste dazu über diverse Entdeckungen und Überraschungen hinweg, jeweils infolge innertheoretischer Konsistenzforderungen ad hoc modifiziert werden. Die Suche nach einem ihm zugrundeliegenden physikalischen Prinzip hält immer noch an. Ohne grundlegendes physikalisches Prinzip und auf einer insofern auch nicht physikalisch motivierten modelltheoretischen Grundlage versucht der Stringansatz, sich über die schrittweise Modifikation und Erweiterung des modelltheoretischen Instrumentariums seiner erhofften physikalischen Prinzipienbasis anzunähern - sozusagen in einer konzeptionellen Rückwärtsbewegung. Diese konzeptionelle Rückwärtsbewegung und der aus ihr resultierende zum Teil skurrile und bizarre Charakter des Stringansatzes 192

Zu dem möglicherweise hinter der formalen Eichinvarianz stehenden physikalischen Prinzip siehe Lyre (2004).

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wird nicht nur von seinen Kritikern betont; auch etwa der Stringtheoretiker Michio Kaku weist darauf in einem seiner Lehrbücher zur Stringtheorie in drastischen Worten hin: "Ironically, although superstring theory is supposed to provide a unified field theory of the Universe, the theory itself often seems like a confused jumble of folklore, random rules of thumb, and intuitions. This is because the development of superstring theory has been unlike that of any other theory [...]. Superstring theory [...] has been evolving backward for the past 30 years. It has a bizarre history [...]. [...] physicists have ever since been trying to work backward to fathom the physical principles and symmetries that underlie the theory. [...] the fundamental physical and geometrical principles that lie at the foundation of superstring theory are still unknown." (Kaku (1999) vii f) Es ist während des gesamten Verlaufs der Entwicklung des Stringansatzes nicht gelungen, diese von einer zufällig als Ausgangspunkt gewählten modelltheoretischen Basis ausgehende, konzeptionelle Rückwärtsbewegung hin zu den unbekannten basalen physikalischen Prinzipien, die man hinter der Theorie vermutet, umzukehren. Es kam bisher an keiner Stelle der Entwicklung zur Entdeckung grundlegender physikalischer Prinzipien, die dann zumindest post hoc zu einer Umkehrung der Argumentationsrichtung hätten führen können, zu einer "konzeptionellen Vorwärtsbewegung", innerhalb derer das modelltheoretische Instrumentarium in seiner Ausformung schliesslich einem physikalisch motivierten Ausgangspunkt unterworfen worden wäre, welcher dann die weitere Modifikation und Differenzierung in der Theorienentwicklung bestimmt hätte. Und es ist die den gesamten bisherigen Entwicklungsgang des Stringansatzes bestimmende konzeptionelle Rückwärtsbewegung, die vorrangig dafür verantwortlich ist, dass diese Entwicklung sich in vieler Hinsicht von der anderer physikalischer Theorien unterscheidet. Keine andere physikalische Theorie hat sich bisher in dem Masze wie der Stringansatz durch die Vorgehensweise hervorgetan, die diesen vor allem auszeichnet. Diese Vorgehensweise könnte man als "tentative Mathematik" bezeichnen - ein möglichst umfassendes Ausloten des modelltheoretischen Möglichkeitsraums. Was bleibt einem rein modelltheoretischen Ansatz mit physikalischen Ambitionen auch anderes übrig, wenn er weder über entscheidende physikali-

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sche Intuitionen, noch über eine empirische Basis193 verfügt, als die Möglichkeiten auszuloten, die in seinem Instrumentarium begründet sind? Die tentative Mathematik des Stringansatzes besteht einerseits im mehr oder weniger systematischen Durchspielen aller mathematischen Möglichkeiten innerhalb des jeweilig gewählten konzeptionellen und modelltheoretischen Kontextes sowie andererseits im Ausloten der sich anbietenden konzeptionellen Modifikationen dieses Kontextes. Die erste dieser Strategien dient vor allem dazu, die konsistenten Formulierungen zu sondieren. Aber erst mittels der zweiten Strategie lässt sich eine Annäherung an das gesuchte physikalische Prinzip erhoffen. Die Begrenzung der Möglichkeiten erfolgt in beiden Fällen vor allem durch mathematische Konsistenzforderungen und erst in zweiter Linie durch physikalische Plausibilitätsüberlegungen. Ziemlich schnell stellt sich jedoch heraus, dass das vollständige Durchspielen aller Möglichkeiten innerhalb des gewählten modelltheoretischen Ansatzes und erst recht über diesen hinaus, sich nicht vollends systematisch bewältigen lässt. Konsequenterweise wird das Systematische der tentativen Mathematik in ihrer schieren und unüberschaubaren Fülle im Stringansatz oft durch konzeptionelle Intuitionen kanalisiert: "Unfortunately, we have no guiding principle for the construction of the interacting theory except for intuition." (Kaku (1999) 111) Die dabei verwendeten Intuitionen sind wiederum vor allem modelltheoretischer Natur. Schon die Erfassung der den Stringwechselwirkungen zugrundeliegenden Invarianzen im frühen Neveu-Schwarz-Ramond-Formalismus, der ersten Formulierung einer Superstringtheorie, ist beispielhaft für dieses Vorgehen im Stringansatz. Mögliche physikalisch relevante Implikationen, wie etwa die der Supersymmetrie, ergeben sich, wenn überhaupt, nur als Konsequenzen modelltheoretischer Bemühungen, nicht aber etwa aufgrund empirischer Randbedingungen oder unabhängiger physikalischer Überlegungen; sie fliessen im Sinne der Ökonomisierung der Modellbildung erst post hoc in diese ein. Ob man mit dem Ergebnis dieser Rückbindung, dem Green-Schwarz-Formalismus, der schliesslich über eine manifeste Supersymmetrie verfügt, dann viel anfangen kann, ist eine ganz andere Frage: 193

Siehe Kap. 4.2. und 4.3.

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"The reader may feel that the [...] Ramond-Neveu-Schwarz (RNS) form of the superstring [...] is somewhat ad hoc. In particular one might expect that the spacetime supersymmetry should be manifest at the start. There is certainly truth to that, but the existing supersymmetric formulation (the Green-Schwarz superstring) seems to be even more unwieldy." (Polchinski (2000a) 29) Bei der konkreten Ausformulierung und dem "Durchrechnen" der modelltheoretischen Ansätze ergeben sich oft hochkomplexe byzantinische Rechenlabyrinthe, die nicht nur den Leser von Lehrbüchern zur Stringtheorie, sondern ebenso deren Autoren, nach vielen Seiten mathematischer Ableitungen, Näherungen, Ad-hoc-Annahmen und Plausibilitätsüberlegungen, mit Ratlosigkeit zurücklassen, weil sich kein definitives, verwertbares Ergebnis einstellt.194 Insbesondere die Umsetzung der Konsistenzforderungen hinsichtlich der zulässigen Symmetriegruppen erinnert in ihrer konkreten mathematischen Ausformulierung oft an Zahlenmagie: Hauptsache, man kommt an Ende auf die 496 Generatoren der Symmetriegruppe, egal aus welchen unterschiedlichen Klassen diese nun auch zusammenaddiert werden müssen.195 Es sind bizarre, heterogene Konstrukte wie etwa die heterotischen Theorien, denen zumindest zeitweise die höchste Plausibilität zugeschrieben wurde, das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ableitbar werden zu lassen. "You have to go, say, to the heterotic string, with gauge groups, superfields ..., a different behavior of the two halves of the theory ... I wouldn't call this an extremely simple picture." (Rovelli (2003) 4) Und dies, obwohl schon bei der Entwicklung der heterotischen Theorien den Beteiligten eigentlich klar war, dass ihre spezifische Ausformulierung nicht das letzte Wort sein würde, sondern eben eine tentative Annäherung, die vor allem durch das gerade verwendete modelltheoretische Instrumentarium bestimmt ist: 194

Siehe etwa die einschlägigen Lehrbücher zur Stringtheorie: Polchinski (2000) und (2000a) sowie Kaku (1999). 195 Siehe wiederum die einschlägigen Lehrbücher zur Stringtheorie: Polchinski (2000) und (2000a) sowie Kaku (1999).

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"It is certainly true that the formulation of the heterotic string appears somewhat awkward and contrived. This is not a shortcoming of our theory; rather it is indicative of the present level of understanding of all quantum string theories, which leaves much to be desired. Many of the most remarkable features of these theories emerge without a full comprehension of their origin. Most mysterious are the general coordinate invariance and local gauge symmetries of string theories, whose appearance lacks a geometrical explanation. This suggests that there exists a more profound formulation of string theory, in which these features would be manifest. In such a formulation the heterotic theory might appear more natural." (Gross / Harvey / Martinec / Rohm (1985) 282) Und richtig: Nach der nächsten Überraschungswelle - mit der Entdeckung der Dualitätsbeziehungen und der Einsicht, dass alle perturbativen Stringtheorien ineinander überführbar sind, - sind die heterotischen Theorien dann auch als Anwärter für die Reproduktion des Standardmodells weitgehend überholt. Die Präferenz für einen spezifischen perturbativen Ansatz ergibt unter diesen Bedingungen keinen rechten Sinn mehr. Und spätestens mit dem Landscape-Szenario und der Analyse der Statistik von Stringvakua hat sich die Frage, ob die heterotischen Theorien die besten Aussichten für die Reproduktion des Standardmodells liefern, dann vollständig erledigt.196 Man kann sich nun fragen: Was ist eigentlich die Ursache für die bisherige weitgehende Erfolglosigkeit der tentativen Mathematik, des möglichst umfassenden Durchrechnens des modelltheoretischen Möglichkeitsraums und der Auslotung seiner möglichen Erweiterungen und Modifikationen, für das Bizarre der sich auf der jeweils gewählten modelltheoretischen Grundlage ergebenden Formulierungen des Stringansatzes, für die Umwege und Sackgassen in seiner Entwicklung? - Vielleicht verwendet der Stringansatz schlichtweg eine wenig angemessene und wenig geeignete mathematische Grundlage, um den Bereich der Quantengravitation und der nomologischen Vereinheitlichung aller Wechselwirkungen angemessen zu erfassen. Vielleicht arbeitet er mit der falschen modelltheoretischen Grundlage. Vielleicht verwendet er die falsche Mathematik. 196

Siehe Kap. 5.

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Solange für den Bereich der Quantengravitation keine empirische Basis und kein wirklich überzeugendes, unabhängig von den Labyrinthen der Modelltheorie motivierbares, physikalisches Prinzip vorliegt, wird es sehr schwierig sein, eine adäquate modelltheoretische Grundlage für eine Theorie der Quantengravitation zu finden bzw. die Adäquatheit einer einmal gewählten modelltheoretischen Grundlage tatsächlich einschätzbar werden zu lassen. Letztlich sollten physikalische Prinzipien, die eine empirische Fundierung aufweisen, die modelltheoretische Basis einer Theorie festlegen. Es ist aber wahrscheinlich nicht möglich, für einen Wirklichkeitsbereich zutreffende physikalische Prinzipien aus labyrinthischen Manövern im Bereich modelltheoretischer Selbstläufer zu erraten oder gar abzuleiten. Diese Einsicht kommt aber im Stringansatz nur unzureichend zum tragen. Michio Kaku etwa vermutet in seinem Lehrbuch zur Stringtheorie, dass das Problem der falschen Mathematik zwar existiert, aber auf den Kontext der anzuwendenden Quantisierungsvorschriften begrenzt ist.197 Er geht davon aus, dass die entscheidenden modelltheoretischen Probleme des Stringansatzes und das Bizarre seiner Ausformulierung darauf zurückzuführen sind, dass dieser im wesentlichen in erster Quantisierung, also als Quantentheorie klassischer Strings, und nur ansatzweise in zweiter Quantisierung, also als Feldquantisierung der Stringdynamik198 im Sinne der Quantenfeldtheorien, vorliegt: "The great irony of string theory, however, is that the theory itself is not unified. To someone learning the theory for the first time, it is often a frustrating collection of folklore, rules of thumb, and intuition. At times, there seems to be no rhyme or reason for many of the conventions of the model. For a theory that makes the claim of providing a unifying framework for all physical laws, it is the supreme irony that the theory itself appears so disunited! The secrets of the model, at its most fundamental level, are still being pried loose. / Usually when we write down a quantum theory, we start from the geometry or symmetry of the theory and then write down the action. From the action, in turn, we derive all the predictions of the model, including the unitary Smatrix. Thus, a second quantized action is the proper way in which to 197

Siehe Kaku (1999). Einen Überblick über die Stringtheorie in der zweiten Quantisierung, die sogenannte "String Field Theory", und ihre Probleme geben etwa Siegel (1989) und Taylor (2006).

198

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formulate a quantum field theory. The fundamental reason why superstring theory seems, at times, to be a loose collection of apparently random conventions is that it is usually formulated as a first quantized theory." (Kaku (1999) 5) Ob dies nun die Ursache der Probleme ist oder nicht: Die Nachteile einer Darstellung in der ersten Quantisierung sind nicht von der Hand zu weisen. Die Theorie bleibt notwendigerweise immer perturbativ und die Wechselwirkungen müssen ad hoc zusätzlich eingefügt werden. "[...] a first quantized theory requires additional assumptions. In particular, the vertices, the choice of interactions, and the weights of these perturbation diagrams must be postulated by hand and checked to be unitary later." (Kaku (1999) 49) Von der Theorie zu erwartende, relevante Vorhersagen, etwa hinsichtlich der dynamischen Symmetriebrechungen, sind im Rahmen einer Formulierung in erster Quantisierung nicht ohne weiteres erreichbar: "Most important, the first quantized string theory is unsuitable for a calculation of dynamical symmetry breaking." (Kaku (1999) 247) Eine Darstellung in der zweiten Quantisierung hätte demgegenüber, wie Kaku herausstreicht, entscheidende Vorteile: Die Mechanismen der dynamischen Symmetriebrechung liessen sich zumindest im Prinzip berechnen. Die Motivation für die Existenz von Wechselwirkungen beruhte auf gruppentheoretischen Argumenten. Diesen läge das Postulat zugrunde, dass die einzigen zugelassenen Wechselwirkungen solche sind, die instantan die lokale Topologie der beteiligten Strings ändern.199 199

Die einzig möglichen Wechselwirkungstypen wären die, die durch Öffnung, Schliessung, Aufspaltung und Fusion von Strings zustandekommen: 1. offener String zwei offene Strings (Aufspaltung / Anbindung) 2. zwei offene Strings zwei offene Strings überkreuz (Aufspaltung und Anbindung) 3. geschlossener String zwei geschlossene Strings (Abnabelung / Einbindung) 4. offener String offener String und geschlossener String (Abnabelung / Einbindung) 5. geschlossener String offener String (Öffnung / Schliessung) Siehe etwa die Abbildung auf Seite 262 in Kaku (1999).

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"Because all the symmetries have been extracted out in the light cone gauge, there is no overall guiding priniciple for the theory. We will, therefore, simply postulate the following prinicple: / The only interacting string configurations that are allowed in the action are those that instantaneously change the local topology of strings. / Although this principle is defined only in the light cone gauge, we will find that it is sufficient to determine all the possible interactions of the field theory." (Kaku (1999) 262) Kakus eigene Darstellung des Stringansatzes in zweiter Quantisierung lässt jedoch nicht deutlich werden, dass hierbei weniger Ad-hoc-Elemente verwendet werden als in der Darstellung in erster Quantisierung. So schreibt er selbst hinsichtlich der Einbeziehung der Supersymmetrie in die Darstellung des Stringansatzes in zweiter Quantisierung: "We have now assembled a formidable apparatus, mostly constructed by guesswork and analogies from the bosonic case." (Kaku (1999) 285) Und am Ende von Kakus Ausführungen haben sich dann die Hoffnungen auf eine nicht-perturbative Superstringtheorie in zweiter Quantisierung, die sogenannte "String Field Theory", als nicht einlösbar erwiesen: "String field theory, although it is defined independently of perturbation theory, is currently too difficult to solve for the nonperturbative region." (Kaku (1999) 457) Diese Feststellung wiederholt sich fast wortgleich mehrere Male, fast wie ein Mantra: "String field theory, although it is defined independent of perturbation theory, has proven too difficult to formulate and solve." (Kaku (1999) 543) Bleibt nur, auf zukünftige Durchbrüche zu hoffen:200

200

Bis heute haben sich diese noch nicht eingestellt, wie etwa Taylor (2006) deutlich macht, obwohl er sicherlich mit seiner Darstellung ganz andere Ziele verfolgt.

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"[...] string field theory is still an evolving subject. As a result, it has not yet lived up to its promise of yielding nonperturbative information about string theory. Although string field theory is defined independent of perturbation theory, it is still too difficult to perform nonperturbative calculations." (Kaku (1999) 328) Ob das grundlegende Problem des Stringansatzes aber wirklich in seiner Darstellung in erster Quantisierung zu sehen ist, ist fraglich. Die im Glossar zu Joseph Polchinskis zweibändigem Lehrbuch zur Stringtheorie vorzufindenden Ausführungen zur ersten, zweiten und dritten Quantisierung in den Quantenfeldtheorien und im Stringansatz lassen Kakus Argumentation hinsichtlich der Ursachen der Probleme in ihrer letztendlichen Relevanz zumindest fragwürdig erscheinen: "[A] first-quantized description [is] the representation of a quantized particle theory as a sum over particle paths, or of a string theory as a sum over world-sheets. Second-quantized refers to the representation in terms of a functional integral over ordinary or string fields. The term second-quantized implies the reinterpretation of the first-quantized wavefunction as a field operator. This terminology is in common usage, but it has been argued that it is unsatisfactory, in that it implies a deep principle where none may exist. / Since the sum over worldsheets is itself a quantum field theory, one can equally well call it second-quantized, in which case string field theory is third-quantized. Third quantization of an ordinary field theory would describe operators that create and destroy universes, a concept which may or may not be useful." (Polchinski (2000a) 497f) Und schliesslich könnte es ganz andere Probleme geben, die einen Erfolg des Stringansatzes verhindern könnten, als die aus seiner Darstellung in erster Quantisierung resultierenden - solche etwa, die auch im Rahmen einer "String Field Theory" nicht überwindbar wären: "[...] if strings are the wrong degrees of freedom for writing down the full Hamiltonian, no bookkeeping device like string field theory will give a satisfactory description." (Polchinski (2000a) 210) Spätestens hinsichtlicher der M-Theorie ist Kakus Einschätzung, dass die Lösung des grundlegenden Problems des Stringansatzes in einer Darstel-

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lung in zweiter Quantisierung zu sehen ist, ohnehin schon nach seiner eigenen Feststellung hinfällig: "We should point out, however, that second quantization has been developed only for string theory, not M-theory. In fact, it is not known how to formulate M-theory in a satisfactory first quantized formalism, let alone a second quantized one." (Kaku (1999) 248) Ob also eine Darstellung des Stringansatzes in zweiter Quantisierung etwas am oben konstatierten Zustand der konzeptionellen Rückentwicklung ohne fundamentale Prinzipien ändern könnte, ist sehr zweifelhaft. Hinsichtlich dieser konzeptionellen Rückentwicklung hat sich jedenfalls bis heute nichts Entscheidendes geändert. "Currently, string theorists are in a position analogous to an Einstein bereft of the equivalence principle. Since Veneziano's insightful guess in 1968, the theory has been pieced together, discovery by discovery, revolution by revolution. But a central organizing principle that embraces these discoveries and all other features of the theory within one overarching and systematic framework - a framework that makes the existence of each individual ingredient absolutely inevitable - is still missing. [...] There is, of course, no guarantee that such a fundamental principle exists, but the evolution of physics during the last hundred years encourages string theorists to have high hopes that is does." (Greene (1999) 375f) Es bleibt letztlich völlig unklar, ob der Stringansatz überhaupt zu irgendwelchen für den Bereich der Quantengravitation und der Vereinigung aller Wechselwirkungen relevanten physikalischen Prinzipien hinführen wird oder ob dazu ein anderer Weg beschritten werden müsste. Was hält aber den Stringansatz am Leben? Wieso wird er mit höchster Intensität weiterverfolgt, trotz seiner völlig untypischen Entwicklung ohne empirische Anbindung, trotz seiner geradezu bizarren Ausformungen, trotz der Bedeutung von Zufallsentdeckungen als vorantreibendem Element, trotz seines Einsatzes tentativer Mathematik, trotz fehlender empirischer Überprüfbarkeit und trotz mangelnder physikalischer Prinzipien, die diesem allem zugrundeliegend könnten? - Die Antwort ist im Grunde einfach: Weil der Stringansatz die besten zur Zeit verfügbaren Aussichten einerseits

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auf die Lösung konzeptioneller Probleme der Physik und andererseits auf die Realisierung eines ihrer ältesten metaphysischen Programme bietet! Davon - und von der Fokussierung auf das Konzeptionelle aufgrund fehlender empirischer Ankopplung - soll nun detaillierter die Rede sein.

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4.2. Konzeptionelle Randbedingungen Bei der gesamten Entwicklung des Stringansatzes spielten nur mathematisch-modelltheoretische Konsistenzüberlegungen und einige wenige physikalische Plausibilitätsüberlegungen eine Rolle, nie jedoch Erfordernisse oder Ergebnisse einer direkten Ankopplung an die Empirie. Dies unterscheidet den Stringansatz von fast allen früheren Theorieentwicklungen in der Physik. Fast immer waren es empirische Daten, die mit den bestehenden Theorien nicht erklärbar waren, die zur Entwicklung neuer Theorien führten oder zumindest nach deren Entwicklung für diese geltend gemacht werden konnten. Zur Quantenmechanik etwa kam es überhaupt erst aufgrund empirischer Befunde, die im Kontext der klassischen Physik nicht erklärbar waren: die Strahlung schwarzer Körper, die Atomspektren, die Interferenzmuster in Streuexperimenten am Doppelspalt oder der Photoeffekt. Die Spezielle Relativitätstheorie konnte sich, auch wenn bei ihrer Entwicklung vor allem konzeptionelle Randbedingungen eine Rolle spielten, zumindest post hoc auf die im Michelson-Morley-Experiment deutlich werdende Konstanz der Lichtgeschwindigkeit berufen. Diese entsprach den Vorhersagen der klassischen Maxwellschen Elektrodynamik, war aber mit der klassischen Newtonschen Physik unverträglich. Die Spezielle Relativitätstheorie korrigierte die Newtonsche Physik, um die Verträglichkeit mit der Elektrodynamik und den empirischen Befunden wiederherzustellen. Die Glashow-Salam-Weinberg-Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung schliesslich beruhte einerseits auf den die schwache Wechselwirkung betreffenden empirischen Befunden, die etwa beim radioaktiven Zerfall zutage treten, und andererseits auf der Tatsache, dass es nicht möglich war, eine autonome Quantenfeldtheorie der schwachen Wechselwirkung konsistent zu formulieren, ohne auf nicht-renormierbare Divergenzen zu stossen. In der Glashow-Salam-Weinberg-Theorie wurde dieses Problem dann durch die nomologische Vereinigung von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung in einer Weise gelöst, die mit den schon bestehenden und den bald nach ihrer Entwicklung hinzukommenden empirischen Befunden in Einklang stand. Die Vereinigung von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung wurde im Zusammenspiel von empirischen und konzeptionellen Randbedingungen unabdingbar. Die neu entstandene Theorie gelangte insbesondere sehr schnell zu empirischen Vor-

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hersagen, die sich ziemlich schnell experimentell bestätigen liessen. - Beim Stringansatz ist dies grundlegend anders.

Fehlende empirische Randbedingungen für eine Theorie der Quantengravitation

Es gibt nicht die geringsten empirischen Befunde, welche den Stringansatz oder irgendeine andere Form einer Quantengravitationstheorie erforderlich machen würden. Alle vorhandenen empirischen Daten stehen im Einklang mit dem Standardmodell der Quantenfeldtheorien bzw. mit der Allgemeinen Relativitätstheorie. "We have today a group of fundamental laws, the standard model and [general relativity], [...] there aren't today experimental facts that openly challenge or escape this set of fundamental laws." (Rovelli (1998) 2) Es gibt keine positive empirische Instanz, die für die Notwendigkeit des Stringansatzes oder irgendeiner anderen Form einer Quantengravitationstheorie spräche. "Therefore, we have no direct empirical guidance for searching for quantum gravity - as, say, atomic spectra guided the discovery of quantum theory." (Rovelli (2004) 4) Alle Argumente, die für den Stringansatz als Motivationen bemüht werden können oder im Rahmen seiner Entwicklung eine Rolle spielen konnten, beruhen auf ausschliesslich konzeptionellen Überlegungen. Die Allgemeine Relativitätstheorie ist eine der wenigen Theorien, die hinsichtlich dieser Problemlage zumindest Parallelen mit dem Stringansatz aufweist. Hier war es vor allem die Idee der konzeptionellen Vereinheitlichung, die für Einsteins Ansatz in seiner Entwicklung bestimmend war. Allerdings, ganz im Gegensatz zum Stringansatz, liessen sich bald nach Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie Vorhersagen machen, die empirisch überprüft werden konnten und kurz darauf zur Bestätigung der Theorie beitrugen. Für den Stringansatz sind es aber nach über dreissig Jahren im-

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mer noch ausschliesslich die konzeptionellen Randbedingungen, die seine Entwicklung und Ausformung bestimmen, mittlerweile über viele konzeptionelle Modifikationsstufen hinweg. "If it succeeds in providing a description of nature it will be one more example of a 'top down' theory, i.e. one which is driven by theoretical issues, and not by experiment, at least not in its formative stages. [...] There are well recognized 'top-down' theories in our own subject; 1) general relativity; 2) the Dirac theory of the electron; and 3) the non abelian gauge theories, (i.e. Yang-Mills theory) are prime examples. Each of these were also theories in search of experiments, and they are with us today because eventual confirming experimental results became available." (Schnitzer (2003) 2) Die maximale Form der empirischen Ankopplung, die der Stringansatz aufweist, besteht in der indirekt und implizit einbezogenen Phänomenologie, die schon in die ihm vorausgehende Physik Eingang gefunden hat und sich nun im Rahmen seiner Entwicklung über die für ihn wirksam werdenden konzeptionellen Randbedingungen partiell auf ihn überträgt: eine sehr indirekte, partielle und selektive Berücksichtigung von empirischen Daten also, die von seinen Vorgängertheorien schon umfassend reproduziert werden. Und es ist wirklich nur ein Teil der schon in die Vorgängertheorien eingeflossenen Phänomenologie, der inhaltlich in die sukzessive Differenzierung des Stringansatzes eingeht. Einige der entscheidendsten Komponenten, die sich - aus der Phänomenologie kommend - für eine Theorie der Quantengravitation als interessant erweisen könnten, werden nämlich schon im Rahmen der "Theorienselektion", aus der der Stringansatz als bedenkenswerte physikalische Konzeption hervorgeht, aufgebraucht. So lässt sich vor allem die Phänomenologie der Gravitation eigentlich schon nicht mehr zur empirischen Ausgangsbasis für den Stringansatz zählen, da erst die Tatsache, dass der Stringansatz in der Lage ist, die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung zu reproduzieren, ihn überhaupt wieder ins Rennen gebracht hat. Hätte der Stringansatz nicht diese Eigenschaft, würde niemand mehr von ihm reden. Ähnlich steht es um die grundsätzliche, phänomenologisch motivierbare Struktur der anderen Wechselwirkungen, die nicht etwa in konkreter Form

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in den Stringansatz eingeht, sondern vielmehr - wie die Gravitation - zufällig und unerwartet von ihm reproduziert wird. Der Stringansatz erweist sich als mit dem Prinzip der Eichsymmetrie verträglich und scheint damit grundsätzlich in der Lage zu sein, die Eichinvarianzen des Standardmodells, aber auch ziemlich viele andere, zu reproduzieren. Erst die Reproduktion der Gravitation und der Eichinvarianzen führten jedoch dazu, dass der Stringansatz als vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen auftreten kann, also dazu, dass man sich überhaupt für ihn interessiert. Über die schon in dieser "Theorienselektion" aufgebrauchten phänomenologischen Randbedingungen hinaus gibt es jedoch immerhin noch eine Reihe von Voraussetzungen, die den indirekten empirischen Gehalt des Stringansatzes und seiner Ausformulierungen ausmachen. Es sind theoretische Konzepte, die aus den Vorläufertheorien stammen und schon für diese durch die vorliegende Empirie hinreichend motiviert sind: Die LorentzInvarianz der Speziellen Relativitätstheorie und die Unitarität der Quantenmechanik etwa fliessen über die Virasoro- bzw. die Super-VirasoroAlgebren direkt in den Stringansatz und die internen Konsistenzforderungen, die seine explizite Formulierung bestimmen, ein. Sie führen nicht zuletzt zur Festlegung der Raumzeitdimensionen im Stringansatz. Die phänomenologisch erschliessbare Existenz von fermionischen (dem Paulischen Ausschlussprinzip genügenden) und bosonischen Feldern, Materie und Wechselwirkungen also, und insbesondere die Chiralität der fermionischen Felder haben den Stringansatz in der Weise beeinflusst, dass supersymmetrische Formulierungen gesucht und gefunden wurden, und dass mit der Einbeziehung der Supersymmetrie - durch hinzukommende modelltheoretische Konsistenzforderungen - zusätzliche Festlegungen hinsichtlich der Theorienstruktur getroffen wurden. Die Vierer-Raumzeit, die sich uns in der Phänomenologie als solche darstellt, ist mit dem Stringansatz aufgrund seiner internen Festlegungen, die zu einer zehn bzw. elfdimensionalen Raumzeit führen, erst einmal nicht vereinbar; sie führte aber dazu, dass nach theorieinternen Lösungen für diese anscheinende Unvereinbarkeit gesucht wurde: für das Problem also, wie die Vierer-Raumzeit mit der Zehner-Raumzeit der Stringtheorien und der Elfer-Raumzeit der M-Theorie zu vereinbaren sein könnte. Kompaktifizierungsmodelle und Branwelt-Szenarien bieten hierzu Lösungen an. Insgesamt gilt: Relevante empirische Randbedingungen haben sich als solche, die schon in die Vorgängertheorien Eingang gefunden haben, in die Theorienbildung des Stringansatzes über dessen konzeptionelle Randbedingungen eingeschrieben.

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Aber eigentlich sollte eine umfassende Theorie diese Phänomenologie nicht einfach nur voraussetzen, sondern zumindest zum Teil erklärbar werden lassen. Beim Stringansatz ist dies bisher nicht der Fall. Er kommt überhaupt nur als physikalische Theorie in Frage, weil es (i) so aussieht, als ob er die Phänomenologie, die schon in die Vorläufertheorien Eingang gefunden hat, grundsätzlich zu reproduzieren in der Lage sein könnte, und weil er (ii) gleichzeitig das regulative Ideal des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms in formaler Hinsicht erfolgreich umsetzt.

Die grundlegende Motivation für den Stringansatz

Der entscheidende Faktor, durch den der Stringansatz interessant erscheinen könnte, ist, dass er eine konsistente Realisierung des physikalischen Vereinheitlichungsgedankens verspricht. - Das basalste Ziel des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms ist das Erreichen der konzeptionellen Vereinbarkeit der verschiedenen Bereiche der Physik. "Many of the most striking advances in theoretical physics have derived from the effort of finding a common theoretical framework for two basic and apparently conflicting discoveries." (Rovelli (2004) 5) Für den Stringansatz manifestiert sich dieses Ziel im Versuch der Überwindung der Konflikte zwischen Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aber seine Ziele gehen weit darüber hinaus. Es geht nicht nur um die konsistente Formulierung einer Theorie, mittels derer die Unvereinbarkeit von Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie überwunden werden kann, sondern es geht beim Stringansatz um eine nomologisch vereinheitlichte Theorie, mittels derer alle Wechselwirkungen in einem einheitlichen Wurf zusammenfinden. Dass es sowohl hinsichtlich der konzeptionellen Vereinheitlichung als auch in Bezug auf die nomologische Vereinigung nur konzeptionelle Motivationen gibt, nicht aber empirische Daten, die mit den bestehenden Theorien unvereinbar wären, wurde soeben schon betont. Wie gut sind aber die konzeptionellen Motivationen? - Vor einer Erörterung dieser Frage ist es sinn-

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voll, noch einmal etwas dezidierter auf die Unterschiede zwischen den Projekten der konzeptionellen Vereinheitlichung und der nomologischen Vereinigung einzugehen, und diese durch einige Beispiele zu veranschaulichen.201

Arten der Vereinheitlichung

Eine konzeptionelle Vereinheitlichung hat vor allem das Ziel, Unvereinbarkeiten zwischen unterschiedlichen physikalischen Theorien aufzuheben. Dies ist spätestens da unabdingbar, wo sich Überschneidungen im Gegenstandsbereich miteinander unvereinbarer Theorien ergeben. Die im Rahmen der konzeptionellen Vereinheitlichung angestrebte Einheit der Wissenschaft besteht in ihrer grundlegendsten Form in der Vermeidung von logischen und konzeptionellen Widersprüchen zwischen wissenschaftlichen Theorien. Es geht also darum, die verschiedenen theoretischen Konzeptionen zumindest insofern miteinander in Einklang zu bringen, dass sie sich in ihren Voraussetzungen und in ihren Ergebnissen nicht widersprechen. Dies macht im Falle eines Konfliktes die Modifikation mindestens einer der betroffenen theoretischen Ansätze erforderlich. Um aber nach einer solchen Modifikationen die erreichte Verträglichkeit der betroffenen Theorien überhaupt nachweisbar werden zu lassen, müssten diese spätestens nach der Modifikation in gewisser Weise modelltheoretisch vergleichbar sein. Die konzeptionelle Vereinheitlichung ist als gleichzeitig notwendigerweise eine modelltheoretische Vereinheitlichung. Die konzeptionelle Vereinheitlichung lässt sich nur auf der Grundlage einer modelltheoretischen Einheit erreichen. Ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche konzeptionelle Vereinheitlichung liefert die Spezielle Relativitätstheorie: Sie stellt das Ergebnis der Modifikation der Newtonschen Mechanik dar, die aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit der klassischen Elektrodynamik erforderlich wurde. Die Maxwellschen Gleichungen der klassischen Elektrodynamik sagen für elektromagnetische Wellen eine konstante und isotrope Ausbreitungsgeschwindigkeit vorher, nämlich die Lichtgeschwindigkeit. Dies widerspricht der Galilei-Invarianz der Newtonschen Mechanik, nach der für elektromagnetische Wellen, die 201

Vgl. Kap. 1 und 3.

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von einem bewegten Objekt ausgehen, eine Addition der Geschwindigkeiten und damit unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Wellen für unterschiedliche Richtungen zu erwarten wären. Mit dem Übergang von der Galilei-Invarianz der Newtonschen Mechanik zur Lorentz-Invarianz der Speziellen Relativitätstheorie wird dieses Problem gelöst. Die konstante und isotrope Ausbreitungsgeschwindigkeit elektromagnetischer Wellen ergibt sich mit der Lorentz-Invarianz der Speziellen Relativitätstheorie problemlos. Im Minkowski-Raum, der speziell-relativistischen Raumzeit, nehmen die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik zudem eine sehr einfache Form an. Die Unvereinbarkeit der Newtonschen Gravitationstheorie mit der auf diese Weise zustandegekommenen Speziellen Relativitätstheorie wurde dann schliesslich in der Allgemeinen Relativitätstheorie überwunden. Auf der Grundlage der Einsicht in die Äquivalenz von schwerer Masse und träger Masse wird die Raumzeit hier zu einer dynamischen Grösse, die mittels der Differentialgeometrie vierdimensionaler Riemannscher Mannigfaltigkeiten erfasst werden kann. Die Gravitation wird im Sinne einer Geometrodynamik mit der dynamischen Raumzeit und ihren differentialgeometrischen Eigenschaften identifiziert. Eine weitere erfolgreiche konzeptionelle Vereinheitlichung stellt die (speziell-)relativistische Quantenmechanik dar. Sie wurde erforderlich aufgrund einer Behandlung von Raum und Zeit in der Quantenmechanik, die mit der speziellen Relativitätstheorie und ihrer Lorentz-Invarianz nicht vereinbar ist. Die Modifikation der Quantenmechanik in Form der Ersetzung der Schrödinger-Gleichung durch die entsprechenden relativistischen Gleichungen, die Klein-Gordon-Gleichung und Dirac-Gleichung, räumten dieses Problem aus. Gleichzeitig lieferte die relativistische Quantenmechanik die Basis für die Quantenstatistiken der Bosonen und Fermionen. Die Quantenfeldtheorien brachten dann die Quantenmechanik, die klassische Feldtheorie und die Spezielle Relativitätstheorie durch eine Erweiterung der relativistischen Quantenmechanik auf Felder in Einklang. In der Feldquantisierung, auch als zweite Quantisierung bezeichnet, werden jedem Punkt der Raumzeit quantenmechanische Feldoperatoren zugeordnet. Die für die Erwartungswerte des Feldes im Rahmen perturbativer Rechenverfahren auftretenden Divergenzen werden im Rahmen der Renormierung mathematisch traktibel gemacht. Der konzeptionelle Preis dafür sind die

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nach der Renormierung nur noch empirisch fixierbaren freien Parameter. Das heutige Standardmodell der Quantenfeldtheorien verfügt zwar über voneinander unabhängige Theorien für die elektroschwache und für die starke Wechselwirkung. Diese sind jedoch aufgrund der analogen Vorgehensweise problemlos miteinander verträglich. Das Eichprinzip liefert für die Quantenfeldtheorien des Standardmodells eine gemeinsame Basis. Ein Beispiel für eine zur Zeit vorangetriebene konzeptionelle Vereinheitlichung bietet die Kanonische Quantengravitation bzw. ihre neuere Variante, die Loop Quantum Gravity.202 Mit ihr sollen die Unvereinbarkeiten zwischen der Quantenmechanik und der Allgemeinen Relativitätstheorie überwunden werden. Die Konsequenz einer Quantisierung der Gravitation, wie sie von der Loop Quantum Gravity unternommen wird, wäre eine Theorie ohne Hintergrundraum. Die quantenmechanische Diskretisierung der Raumzeit soll diese als abgeleitete Grösse mit den entsprechenden dynamischen und relationalen Eigenschaften in ihrem Zustandekommen verständlich machen. Der Erfolg dieses Programms ist noch nicht abzusehen. (Aber immerhin ist die Loop Quantum Gravity ein Ansatz, der zielgerichtet auf der Grundlage physikalischer Prinzipien entwickelt wird und nicht etwa, wie der Stringansatz, zufällig sein Thema gefunden hat.) Wesentlich ambitionierter als die konzeptionelle Vereinheitlichung ist das Programm der nomologischen Vereinigung. Hier geht es nicht einfach nur um die konzeptionelle und modelltheoretische Verträglichkeit unserer theoretischen Entwürfe, sondern darüber hinaus vor allem um die Gleichsetzung von Phänomenbereichen der Wirklichkeit bzw. um die Gleichsetzung von den diesen Phänomenbereichen zugrundeliegenden Prozessarten, die schliesslich innerhalb unserer naturwissenschaftlichen Erfassung der Wirklichkeit ihren Niederschlag finden sollte. Hinter dem Programm der nomologischen Vereinigung steht die Idee einer Einheit der strukturierten Natur, die einer durchgängigen Gesetzmässigkeit unterworfen ist. Und diese Gesetzmässigkeit basiert auf den fundamentalen Prozessarten, die die Wirklichkeit bestimmen. Bei adäquater Vorgehensweise, so das Programm der nomologischen Vereinigung, sollte sich die gesetzesartige Grundlage bzw. die fundamentalen Prozessarten, deren Auswirkung die dynamischen Strukturen sind, die wir als Wirklichkeit bezeichnen, innerhalb ihrer naturwissenschaftlichen Erfassung widerspiegeln. 202

Siehe Kap. 3.

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Möglichst umfassende Phänomenbereiche - in letzter Instanz: die gesamte Wirklichkeit - sollen mittels einer einheitlichen nomologischen Erfassung auf das Wirken fundamentaler Prozessarten zurückgeführt werden. Wenn die Idee der Einheit der Natur zutrifft, sollte sich herausstellen, dass die fundamentalen Prozessarten, die die Welt bestimmen, alle zusammenhängen, sich vielleicht sogar auf eine einzige Prozessart reduzieren lassen, aus der alle anderen hervorgehen oder von der alle anderen Erscheinungsformen darstellen. Das regulative Ideal hinter diesem Ansatz entspricht dem Bestreben, das prozessuale Substrat und die für dieses geltenden grundlegenden gesetzmässigen Zusammenhänge auszumachen. Das Ziel ist letztlich und im günstigsten Falle also eine vollständige dynamische Theorie des Substrats. Die fundamentalen Prozessarten sind nach unserem heutigen Verständnis die fundamentalen Wechselwirkungen. Und wenn die Idee der Einheit der Natur zutrifft, wäre zu erwarten, dass zwischen diesen Wechselwirkungen eine Verbindung hergestellt werden kann, sie vielleicht sogar auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt werden können. Die nomologische Einheit der Wirklichkeit - als das Resultat dieser fundamentalen Wechselwirkungen verstanden - wird also im heutigen physikalischen Vereinigungsprogramm so gedeutet, dass die phänomenologisch verschiedenen fundamentalen Wechselwirkungen einen gemeinsamen Ursprung haben, ihnen eine gemeinsame prozessuale Basis zugrundeliegt, es also letztlich nur eine basale Prozessart, nur eine Wechselwirkung, gibt, die in unterschiedlicher Weise in den Phänomenen zum Ausdruck kommt. Die Einheit der Wirklichkeit, die als nomologische Einheit verstanden wird, stellt sich in diesem Rahmen als Einheit der Prozesse dar, als Einheit der Wechselwirkungen. Wenn diese Idee einer Einheit der Wirklichkeit als Einheit der Wechselwirkungen zutrifft, so hätte der Versuch, die Gravitation gemeinsam mit allen anderen Wechselwirkungen in einen einheitlichen Ansatz einzubeziehen, vielleicht gute Erfolgsaussichten. Genau dies versucht der Stringansatz. Genau dies macht ihn überhaupt für die Physik interessant. Eine solche Vorgehensweise wäre nur dann unangemessen, wenn die Einheitsidee schlichtweg auf unsere Welt nicht zuträfe. Wir könnten es etwa mit einer Welt zu tun haben, die eben nicht einheitlich durchstrukturiert ist, sondern vielmehr einem Flickenteppich der Strukturen und Phänomene

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ähnelt. Wir könnten es mit einem pluralistischen Universum zu tun haben, mit einer irreduziblen Pluralität natürlicher Phänomenbereiche, die jeweils eine völlig eigenständige wissenschaftliche Vorgehensweise erfordern.203 Man benötigt also zumindest empirisch fundierte Anzeichen, die für die Einheit der Wechselwirkungen sprechen. Ohne solche empirisch fundierten Anzeichen bleibt das physikalische Vereinheitlichungsprogramm lediglich Ausdruck einer metaphysischen Idee. Dass es solche Anzeichen gibt, soll sogleich verdeutlicht werden.204 Was aber ebenso für die Idee einer nomologischen Einheit der Natur spricht, sind die Beispiele erfolgreicher nomologischer Vereinheitlichungen: Paradefälle in dieser Hinsicht sind die Newtonsche Physik, mit der die alte Trennung in irdische und Himmelsmechanik aufgehoben wurde, sowie die Maxwellsche Elektrodynamik, mit der die Zusammenführung von Elektrizität, Magnetismus und Optik gelang. Eines der besten neueren Beispiele für eine erfolgreiche nomologische Vereinigung ist das GlashowSalam-Weinberg-Modell der elektroschwachen Wechselwirkung. Das Glashow-Salam-Weinberg-Modell ist für den Stringansatz insbesondere deshalb interessant und - wie man hofft - paradigmatisch, weil es ein Beispiel dafür liefert, dass man eine konzeptionelle Vereinheitlichung manchmal nur um den Preis einer nomologischen Vereinigung erzielen kann. Nach der Entdeckung der schwachen Wechselwirkung versuchte man zuerst, im wesentlichen von den vierziger bis in die sechziger Jahre, diese mit den gleichen konzeptionellen Mitteln zu beschreiben, die schon beim Elektromagnetismus erfolgreich waren, nämlich denen der Quantenfeldtheorie. Das Ziel war eine Quantenfeldtheorie der schwachen Wechselwirkung analog zur Quantenelektrodynamik. Man kannte zwar die Phänomenologie der schwachen Wechselwirkung, aber alle Versuche, wie etwa das Fermi-Modell, diese im Rahmen einer Quantenfeldtheorie zu erfassen, scheiterten. Immer wieder stiess man auf nicht-renormierbare Divergenzen. Dann unternahmen Sheldon Glashow, Abdus Salam und Steven Weinberg Ende der sechziger Jahre schliesslich den Versuch, die schwache Wechselwirkung gemeinsam mit der elektromagnetischen Wechselwirkung im Rahmen eines einheitlichen quantenfeldtheoretischen Ansatzes zusam203

Siehe etwa Cartwright (1994), (1999) sowie (1983) und (1989). Vgl. auch Morrison (2000). 204 Siehe weiter unten in diesem Teilkapitel die Abschnitte "Motivationen für eine Theorie der Quantengravitation" und "Motivationen für eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen".

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menzufassen. 1971 konnte dann Gerard 't Hooft nachweisen, dass die auf diese Weise zustandekommende Glashow-Salam-Weinberg-Theorie nicht nur konsistent formulierbar, sondern auch renormierbar ist. Bald darauf liess sich nachweisen, dass sie mit den empirischen Befunden in Einklang steht.205 Und es liess sich schliesslich mittels des Konzepts der spontanen Symmetriebrechung erklären, wieso die niederenergetische Phänomenologie der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung unterschiedlich ausfallen. Neben den Beispielen erfolgreicher nomologischer Vereinheitlichungen gibt es jedoch auch eine ganze Reihe von Versuchen einer nomologischen Vereinheitlichung, die ohne Erfolg blieben:206 Über dreissig Jahre lang, bis zu seinem Tode im Jahre 1955, versuchte Einstein mit seiner "Einheitlichen Feldtheorie" erfolglos die nomologische Einbeziehung der klassischen Elektrodynamik in das Geometrisierungsprogramm der Allgemeinen Relativitätstheorie. Auch das Wirken des Elektromagnetismus sollte als Ergebnis der raumzeitlichen Dynamik verstanden werden. Übrig bleiben sollte am Ende nur noch ein metrisches Feld und seine dynamischen Eigenschaften. Die mit der Speziellen Relativitätstheorie erreichte konzeptionelle Vereinbarkeit zwischen Elektrodynamik und Mechanik genügte Einstein nicht. Die von ihm angezielte Einheit der Physik sollte eine nomologische Einheit sein, welche die grundlegende strukturelle Einheit der Natur zum Ausdruck brächte. Der Versuch einer nomologischen Zusammenführung von Elektromagnetismus und Gravitation innerhalb des Geometrisierungsprogramms scheiterte jedoch. John Wheeler unternahm dann schliesslich eine neuen, umfassenderen Versuch in diese Richtung: In Wheelers Quantengeometrodynamik sollten alle Materie und alle Wechselwirkungen als Ausdrucksformen dynamischer Geometrie und Topologie erfasst werden. Alle Phänomene sollten sich im Rahmen einer Geometrisierung, wie sie schon hinsichtlich der Gravitation innerhalb der Allgemeine Relativitätstheorie unternommen worden war, auf die Raumzeit abbilden lassen. Aber auch dieses ambitionierteste aller Geometrisierungsprogramme, innerhalb dessen sich die Welt 205

Mit dem Nachweis der W-Bosonen der schwachen Wechselwirkung (CERN, 1983) und der ebenso vorhergesagten "neutralen schwachen Ströme" (CERN, 1973) in Hochenergieexperimenten konnte die Glashow-Salam-Weinberg-Theorie empirisch bestätigt werden. 206 Vgl. für die ersten beiden Beispiele Kap. 1.

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in monistischer Weise als dynamische Geometrie darstellen sollte, blieb erfolglos. Die Quantengeometrodynamik scheiterte an den spätestens für die Planck-Ebene zu erwartenden Fluktuationen der Raumzeit. Deren Folge wären topologische Risse in der Raumzeit, die mit den Mitteln der Differentialgeometrie, wie sie der Wheelerschen Quantengeometrodynamik zugrunde lagen, nicht vereinbar sind. Ein wesentlich jüngeres Beispiel für einen erfolglosen Versuch einer nomologischen Vereinigung, diesmal aus dem Kontext der zwischenzeitlich erfolgverwöhnten Quantenfeldtheorien, stellt die "Grand Unification" dar. Trotz der grossen Erwartungen nach dem Erfolg des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms mit der Glashow-Salam-Weinberg-Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung und trotz des Entwicklungspotentials, das die Quantenfeldtheorien nach der Formulierung der Quantenchromodynamik zur Beschreibung der starken Wechselwirkung vorzuweisen hatten, scheiterte die nomologische Vereinigung der elektroschwachen mit der starken Wechselwirkung, die beide als Ausdrucksformen einer fundamentaleren Kraft etablieren sollte. Es gab verschiedene Formulierungen für die intendierte "Grand Unified Theory" mit unterschiedlichen Symmetrien und unterschiedlichen Mechanismen der spontanen Symmetriebrechung hin zur "Niederenergiephysik" der Quantenchromodynamik und der GlashowSalam-Weinberg-Theorie. Aber alle postulierten notwendigerweise QuarkLepton-Übergänge. Deren Konsequenzen erwiesen sich jedoch als mit den empirischen Daten nicht verträglich.207 Und so blieb es beim Standardmodell, das sich in konzeptioneller Einheit additiv aus Quantenchromodynamik und Glashow-Salam-Weinberg-Theorie zusammensetzt, die sich bisher einer nomologischen Vereinigung verschlossen haben. Der Stringansatz geht nun in seinen Ambitionen deutlich über die mit den Grand Unified Theories angestrebte nomologische Vereinigung der elektroschwachen mit der starken Wechselwirkung hinaus. Noch deutlicher geht er über eine rein konzeptionelle Vereinheitlichung unserer Beschreibung der Gravitation mit den für alle anderen Wechselwirkungen bestehenden quantenfeltheoretischen Beschreibungen hinaus. Sein Ziel ist also nicht einfach nur die Formulierung einer Theorie der Quantengravitation. 207

Das gängigste Modell mit einer SU(5)-Symmetrie beispielsweise sagte die Quark-Lepton-Übergänge mit Wahrscheinlichkeiten voraus, die zu einem Protonenzerfall mit einer Halbwertszeit unterhalb der experimentell nachweislichen Stabilität des Protons liegt.

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Vielmehr setzt er auf die vollständige nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen. Und dies tut er in der Einschätzung, dass sich sowohl die Probleme, die sich im Rahmen der Versuche, eine Grand Unified Theory zu formulieren, zeigten, als auch die Probleme, die eine konzeptionelle Vereinheitlichung zwischen Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie nahelegen, möglicherweise nur lösen lassen, wenn man alle Wechselwirkungen in einem einheitlichen Ansatz erfasst. Wenn sich der Stringansatz als erfolgreich erweisen sollte, so würde dies nahelegen, dass eine minimale konzeptionelle und modelltheoretische Vereinheitlichung, deren Ziel die Etablierung einer Theorie der Quantengravitation ist, nur um den Preis einer umfassenden nomologischen Vereinigung hinsichtlich aller Wechselwirkungen erreicht werden kann. Mit dem Stringansatz würde sich dann für die Gravitation und alle anderen Wechselwirkungen das wiederholen, was mit der Glashow-Salam-WeinbergTheorie schon für die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung festgestellt werden musste.208 Wenn das Ausräumen von konzeptionellen Unverträglichkeiten zwischen etablierten Theorien nur mittels einer nomologischer Vereinigung erreicht werden kann, ist dies natürlich der beste Grund für eine solche nomologische Vereinigung und mithin für die hinter diesem Programm stehenden metaphysischen Grundannahmen. Die Einheit der Natur brächte sich in den Darstellungen, die unsere bestehenden Theorien von ihr entwerfen, in Form konzeptioneller Unverträglichkeiten zum Ausdruck, die mit einer simplen konzeptionellen Vereinheitlichung nicht behebbar wären, sondern geradezu die nomologische Vereinigung erzwingen würden. Auf diesem Wege wären wir geradezu zur Einsicht in die Einheit der Natur gezwungen. Sind die bestehenden konzeptionellen Unverträglichkeiten aber tatsächlich von dieser Art? Ein etwas genauerer Blick auf die möglichen physikalischen Motivationen für unsere Bemühungen um eine vereinheitliche Theorie aller Wechselwirkungen bzw. um eine Theorie der Quantengravitation ist die notwendige Voraussetzung zur Erörterung dieser Frage. Aber ob 208

Der entscheidendste Unterschied zwischen dem Stringansatz und der GlashowSalam-Weinberg-Theorie besteht aber immer noch darin, dass letztere sehr schnell nach ihrer Formulierung empirische Bestätigungsinstanzen für sich geltend machen konnte, ersterer jedoch während der gesamten über drei Jahrzehnte seines Bestehens nicht einmal empirisch überprüfbare Vorhersagen zustandegebracht hat. Die Gründe dafür werden uns noch beschäftigen. Siehe Kap. 4.3.

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sich diese Frage überhaupt als beantwortbar erweisen kann, wird erst wenn überhaupt - die zukünftige Entwicklung der Physik zeigen können. Dennoch: Warum brauchen wir überhaupt eine Theorie der Quantengravitation oder gar eine vereinheitliche Theorie aller Wechselwirkungen? Worin bestehen die Unvereinbarkeiten der Bilder, die unsere besten etablierten Theorien von der Wirklichkeit entwerfen? Wenn, wie oben festgestellt, für eine Theorie der Quantengravitation schon keine empirischen Erfordernisse vorliegen, was sind dann also die konzeptionellen Probleme, die eine solche Theorie nahelegen? Worin genau bestehen die Konflikte zwischen Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik bzw. Quantenfeldtheorien?

Motivationen für eine Theorie der Quantengravitation

Die Sachlage stellt sich heute folgendermassen dar: Elementarteilchen sind, je nachdem welche "Quantenzahlen" sie besitzen, selektiv bestimmten der in den Quantenfeldtheorien beschriebenen Wechselwirkungen unterworfen. Sie wechselwirken aber grundsätzlich auch gravitativ. Wir verfügen jedoch über keine Quantenfeldtheorie der Gravitation, die uns eine konzeptionell einheitliche Beschreibung aller Wechselwirkungen, denen materielle Objekte unterworfen sind, ermöglichen würde. "According to classical General Relativity, the metric behaves deterministically, but of course this is inconsistent with the stochastic, quantum behavior of the matter to which the metric couples via the Einstein equation." (Sorkin (1997) 3) Nun könnte man sagen: Hier liegt zwar eine grundsätzliche konzeptionelle Uneinheitlichkeit vor. Das ist aber noch nicht wirklich spektakulär, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Vorhersagen, die unsere besten bestehenden Theorien liefern, bisher immer mit den empirischen Daten übereinstimmten. Meistens kann man eben getrost darüber hinwegsehen, dass Elementarteilchen auch gravitativ wechselwirken. Oder man hat soviel Materie zusammen, dass zwar die gravitative Wechselwirkung wichtig ist, dafür aber die Quanteneigenschaften der Materie keine wirkliche Rolle mehr spielen.

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Spektakulärer - und äusserst problematisch - wird es aber zum Teil da, wo sich motivieren lässt, dass dies nicht mehr der Fall ist. Und dies betrifft nicht zuletzt die im Rahmen der Kosmologie und auf der Grundlage der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Raumzeitsingularitäten: also die für den Gravitationskollaps schwerer Sterne postulierten Schwarzen Löcher und die für den Anfang der Expansion des Universums postulierte Urknallsingularität. "[...] the simple structure of a black hole, can be used to probe and learn about the quantum structure of gravitation. As such, a black hole is considered by many as the gravitational equivalent of the hydrogen atom in mechanics [...]." (Lemos (2005) 2) Schwarze Löcher etwa machen, wie sich leicht einsehen lässt, eine Berücksichtigung der Allgemeinen Relativitätstheorie wie der Quantenmechanik bzw. der Quantenfeldtheorien erforderlich: Sie kommen auf der Grundlage sehr starker Gravitationswirkungen zustande. Gemäss den Extrapolationen der Allgemeinen Relativitätstheorie werden sie durch eine Singularität beherrscht. Aber die Allgemeine Relativitätstheorie versagt bei Singularitäten, auch wenn sie sie in ihrem Zustandekommen vorhersagt. Sie beschreibt zwar die Bedingungen der Entstehung von Schwarzen Löchern, ist aber nicht mehr in der Lage, diese selbst in ihren Eigenschaften umfassend zu beschreiben, da das Äquivalenzprinzip für die Singularität selbst ungültig wird, so dass die Allgemeine Relativitätstheorie nicht mehr anwendbar ist.209 Singularitäten sind aber sicherlich auch kaum mit den Unschärfen innerhalb der Quantenmechanik in Einklang bringen. Dennoch spielt die Quantenmechanik in diesem Kontext eine entscheidende Rolle. Denn Schwarze Löcher weisen physikalische Bedingungen auf, für die eine quantenfeldtheoretische Berücksichtigung der Gravitation - und damit ihre quantenmechanische Behandlung - unabdingbar wird.210 Dies wird insbesondere deutlich, wenn man versucht, die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenfeldtheorien gleichzeitig bei der Beschrei209

Das gleiche gilt im wesentlichen auch für die postulierte Urknall-Singularität, nur dass hier mittels der Allgemeinen Relativitätstheorie auf diese zurückextrapoliert wird, sie selbst aber nicht mehr durch die Theorie beschrieben werden kann, weil hier wiederum das Äquivalenzprinzip nicht mehr gilt. 210 Vgl. Kap. 1.

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bung Schwarzer Löcher zum Einsatz zu bringen; es kommt zu kuriosen Widersprüchen: Schwarze Löcher sind gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie von einem Ereignishorizont umgeben, durch den materielle Objekte und Strahlung in das Schwarze Loch eindringen können. Aber nichts kann das Schwarze Loch verlassen, da die gravitative Anziehung so gross ist, dass nicht einmal Strahlung die Gravitationsanziehung überwindet, da die Fluchtgeschwindigkeit unterhalb des Ereignishorizontes grösser als die Lichtgeschwindigkeit ist. Schwarze Löcher haben auf jeden Fall eine Masse und in manchen Fällen darüberhinausgehend eine elektrische Ladung und einen Drehimpuls.211 Darin erschöpfen sich nach heutiger Auffassung ihre Eigenschaften.212 Die Ladung eines Schwarzen Loches etwa führt dazu, dass - im Bild der klassischen Physik - auf elektrisch geladene Probekörper ausserhalb des Ereignishorizontes eine Kraft ausgeübt wird. Im einfachsten, vielleicht etwas naiven Bild der Quantenfeldtheorien stellt sich diese Kraftwirkung als Ergebnis des Austausches von (virtuellen) Feldquanten dar. Diese Feldquanten der elektromagnetischen Wechselwirkung sind Photonen. - Wie können aber Photonen zwischen dem Schwarzen Loch und dem elektrisch geladenen Probekörper ausserhalb des Ereignishorizontes ausgetauscht werden, wenn kein Photon in der Lage ist - und dies ist gerade die Definition für ein Schwarzes Loch - die Gravitationsanziehung des Schwarzen Lochs zu überwinden, da die Fluchtgeschwindigkeit unterhalb des Ereignishorizontes grösser als die Lichtgeschwindigkeit ist? Vielleicht, so könnte man denken, können die virtuellen Photonen, die die elektrische Wechselwirkung vermitteln, gerade das Schwarze Loch verlassen, nicht aber die realen Photonen, die elektromagnetischer Strahlung entsprechen. Sicherlich sind virtuelle Photonen etwas gänzlich anderes als reale Strahlungsphotonen. Aber, auch wenn das Bild virtueller Photonen, die zwischen Ladungen ausgetauscht werden, den Quantenfeldtheorien nicht in vollem Masze angemessen sein mag: an dem Problem ändert dies letztlich nichts. Die Frage bleibt: Wie kommt irgendeine physikalische Wirkung aus dem Schwarzen Loch. Vielleicht durch irgendwelche 211

Schwarze Löcher mit einer Schwarzschild-Metrik haben ausschliesslich eine Masse. Für Schwarze Löcher mit einer Reissner-Nordström-Metrik kommt zur Masse eine Ladung hinzu. Schwarze Löcher mit einer Kerr-Metrik haben eine Masse und einen Drehimpuls und solche mit Kerr-Newman-Metrik verfügen schliesslich über das gesamte Spektrum der für Schwarze Löcher möglichen Eigenschaften: Masse, Ladung und Drehimpuls. 212 Im folgenden soll der Drehimpuls erst einmal unberücksichtigt bleiben, in der Hoffnung, dass dies am Argument nichts ändert. Dies entspricht einer Beschränkung auf Schwarze Löcher mit einer Reissner-Nordström-Metrik.

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nicht-lokalen Quanteneffekte? Sicherlich lässt sich hier spekulieren, aber die bestehenden Theorien bieten hierfür bisher keine überzeugende Erklärung. - Was sich über die Wirkung der elektrischen Ladung eines Schwarzen Loches sagen lässt, gilt natürlich auch für die gravitative Wirkung der Masse des Schwarzen Lochs auf Masseobjekte ausserhalb seines Ereignishorizontes.213 Es gibt eine ganze Reihe weiterer Problemlagen, die durch die Unvereinbarkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zustandekommen und sich erst innerhalb einer Theorie der Quantengravitation klären lassen werden: So postulierte Stephen Hawking 1974, dass 213

Als mögliche Reaktion auf diese Unvereinbarkeit unserer allgemein-relativistischen Vorstellungen von den Eigenschaften eines Schwarzen Lochs und dem Bild, das die Quantenfeldtheorien von den Wechselwirkungen liefern, sind grundsätzlich drei spekulative und mindestens zum Teil, wenn nicht gänzlich, kontrafaktische Szenarien denkbar: 1. Es gibt keine Schwarzen Löcher. Diese sind ein Artefakt der asymptotischen Unangemessenheit der Allgemeinen Relativitätstheorie und ihrer modelltheoretischen Grundlage. In der Natur kommen sie nicht vor. Dann wäre - etwa im Rahmen einer Theorie der Quantengravitation - zu erklären, weshalb ihre Vorhersage im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie falsch ist. 2. Es gibt Schwarze Löcher, so wie dies die Allgemeine Relativitätstheorie vorsieht, und ihre Masse und ihre Ladung sind von ausserhalb feststellbar, indem sie dort Wirkungen erzeugen. Dann wäre zu zeigen, wie diese Wirkungen auf der Quantenebene zustandekommen. Vielleicht sind die dem Schwarzen Loch zugeschriebenen Eigenschaften, also Masse, elektrische Ladung und Drehimpuls, solche, die sich bei seiner Entstehung in die Raumzeit um das Schwarze Loch herum oder in seinen Horizont eingeschrieben haben. Dann wären die vermeintlichen Wechselwirkungen zwischen dem Schwarzen Loch und seiner Umwelt eigentlich solche zwischen dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs und der Umwelt, oder sie sind Effekte, die von der das Schwarze Loch umgebenden Raumzeit ausgehen, nicht jedoch vom Schwarzen Loch selbst. Wie es dazu kommt, lässt sich mit den bestehenden Theorien nicht verständlich machen. 3. Es gibt Schwarze Löcher, aber - so die verrückteste der denkbaren Varianten - sie haben nach aussen hin keine gravitative und keine elektromagnetische Wirkung. Dann haben Schwarze Löcher - im Gegensatz zum Bild, welches die Allgemeine Relativitätstheorie von ihnen liefert - keine (durch Wirkungen bemerkbare) Masse und Ladung. Mit dem Eindringen von masse- oder ladungsbehafteten Objekten in den Ereignishorizont des Schwarzen Loches würden sie komplett aus unserem Universum verschwinden. Schwarze Löcher würden dann aber auch keine masse- oder ladungsbehafteten Objekte mehr aus ihrem Umfeld anziehen. Ihre Ereignishorizonte würden vielmehr Raumregionen auszeichnen, in denen Dinge, die man hineinwirft, völlig spurlos verschwinden.

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Schwarze Löcher, wenn man die quantenfeldtheoretischen Eigenschaften des Vakuums in der Nähe ihres Ereignishorizontes berücksichtigt, nicht völlig schwarz sein können, sondern Strahlung absondern müssten.214 "The intense gravitational field near the black hole causes the creation of pairs of particles and antiparticles, one of which falls into the black hole and the other of which escapes to infinity. The particle that escapes appears to have been emitted by the black hole." (Hawking (1980) 19f) Mit dieser "Hawking-Strahlung" Schwarzer Löcher, die aufgrund der zu erwartenden Eigenschaften des quantenfeldtheoretischen Vakuums und aufgrund der Tatsache, dass es völlig zufällig ist, welches virtuelle Teilchen nun ins Schwarze Loch fällt, bestenfalls statistisch vorhersagbar und thermodynamisch charakterisierbar ist, geht jedoch eine Unvorhersagbarkeit einher, die noch die auf der Grundlage der Quantenmechanik und der Heisenbergschen Unschärfen gegebene Unvorhersagbarkeit übertrifft: "An observer at a distance from the black hole can measure only the outgoing particles and he cannot correlate them with those that fell into the hole because he cannot observe them. This means that the outgoing particles have an extra degree of randomness or unpredictability over and above that usually associated with the Uncertainty Principle." (Hawking (1980) 19f) Was aber noch viel gravierender ist, ist das mit der Hawking-Strahlung und der aus ihr resultierenden Unvorhersagbarkeit verbundene Informationsparadoxon Schwarzer Löcher:215 Bildet sich ein Schwarzes Loch etwa aus einem Materiesystem, das sich in einem reinen quantenmechanischen Zustand befindet, so wird die vom Schwarzen Loch nach und nach abgestrahlte thermische Hawking-Strahlung kaum diesen reinen Zustand reproduzieren. "If we imagine a matter system in a pure state which collapse to form a black hole, and if we consider the complete evaporation process assuming the radiation to be exactly thermal, at the end we are left with 214

Siehe Hawking (1974) und (1975). Siehe Hawking (1976), (1982) und (2005) sowie Belot / Earman / Ruetsche (1999).

215

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a mixed state. In other words, although we know the initial state of the system we cannot predict what the final state would be. This clearly violates the laws of Quantum Mechanics." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 17) Die Unitarität der Schrödinger-Gleichung wird offensichtlich durch Schwarze Löcher verletzt. Der mit den von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Schwarzen Löchern einhergehende Informationsverlust ist mit der Quantenmechanik und ihrer unitären Dynamik völlig unverträglich. Der tatsächlich vorliegende Sachverhalt lässt sich mittels der bestehenden Theorien nicht erschliessen. Eine Theorie der Quantengravitation müsste - im Verbund mit empirischen Belegen - klären können, ob es wirklich zum Informationsparadoxon Schwarzer Löcher kommt. Ebenso erst im Rahmen einer Theorie der Quantengravitation wird sich das Zustandekommen der von Jacob Bekenstein Anfang der siebziger Jahre postulierten Entropie Schwarzer Löcher klären lassen.216 Welche Mikrozustände diese finite, aber sehr grosse Entropie bestimmen, ist im Rahmen der bestehenden Theorien völlig unklar. Klärungen durch eine Theorie der Quantengravitation erhofft man sich zudem für die Fragen der Kosmologie und der Physik des frühen Universums: Wie hat die heutige Expansion des Universums begonnen? Wie entwickelt sich das Universum? Was ist das im Inflationären Szenario postulierte Inflatonfeld und wodurch kommt es zustande?217 Wie gross ist die kosmologische Konstante und wie kommt sie zustande? Warum liegt die quantenfeldtheoretische Berechnung der Vakuumenergiedichte um etwa 120 Zehnerpotenzen über dem empirisch

216

Eine Erörterung der Bekenstein-Hawking-Entropie folgt im Kap. 6.2., wenn es um die Probleme der Raumzeitkonzeption des Stringansatzes und die Perspektiven für die Konzeption der Raumzeit in der Quantengravitation gehen wird. 217 Siehe zum Inflationären Szenario etwa Linde (1984) und (1990) sowie Guth (2000). Das Inflatonfeld soll die Ursache einer inflationären Expansionsphase des Universums sein. Die Argumente für das Inflationäre Szenario beruhen vor allem auf der Homogenität und Isotropie der Hintergrundstrahlung. Diese ist ohne die Annahme einer inflationären Expansion nicht zu erklären, denn es hätte seit dem Urknall keinen kausalen Kontakt zwischen weit voneinander entfernten Regionen des beobachtbaren Universums gegeben, wenn diese nicht im Rahmen einer inflationären Expansion aus einem anfänglich sehr kleinen Raumbereich hervorgegangen sein sollten. Dies ist das Horizontproblem der Kosmologie. Auch die Flachheit der Raumzeit findet im Inflationären Szenario ihre Erklärung.

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erschliessbaren Wert?218 Eine Lösung dieser offenen Fragen könnte im Rahmen einer Theorie der Quantengravitation vielleicht erreichbar sein. Auf jeden Fall sollten sich jedoch die zwischen der Allgemeinen Relativitätstheorie und den Quantenfeldtheorien auftretenden Unverträglichkeiten im Rahmen einer solchen Theorie auflösen lassen.

Motivationen für eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen

Was spricht aber über eine konzeptionelle Vereinheitlichung hinaus für eine nomologische Vereinigung? Was legt über eine Theorie der Quantengravitation hinaus eine vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen als Ziel nahe? - Das deutlichste und konkreteste Argument dafür besteht in der sich mit den bestehenden Ansätzen und ihrer empirischen Fundierung abzeichnenden Konvergenz der energieabhängigen effektiven Kopplungskonstanten der Quantenfeldtheorien kurz vor der Planck-Ebene, gemeinsam mit der effektiven Kopplungskonstante der Gravitation.219 218

Träfen die quantenfeldtheoretischen Abschätzungen zur kosmologischen Konstante (bzw. Vakuumenergiedichte) zu, so müssten die Galaxien durch die resultierende abstossende Wirkung auseinanderfliegen und der Kosmos müsste eine immense Raumkrümmung mit Krümmungsradien im Meterbereich aufweisen, was die Existenz von Galaxien, aber auch die von Beobachtern, von vornherein ausschliesst. Diese massive Abweichung zwischen theoretischen Berechnungen und empirischen Befunden ist als "Problem der Kosmologischen Konstante" bekannt. Siehe Weinberg (1989). Die kosmologische Konstante liegt nach den neuesten Messungen der Beschleunigung der Expansion des Kosmos etwa in der Grössenordnung der Materiedichte im Universum. Vgl. auch Kap. 5. 219 Als Grundlage für eine Theorie, welche die nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen realisiert, die sich in der Konvergenz der effektiven Kopplungskonstanten abzeichnet, bietet sich erst einmal die Wahl einer Symmetriegruppe an, welche die Symmetriegruppen der bekannten Wechselwirkungen als Untergruppen umfasst und so deren Zustandekommen im Rahmen spontaner Symmetriebrechungen verständlich machen könnte. Eine ausreichend grosse und angemessen ausgewählte Eichsymmetriegruppe ist zudem nach den bestehenden Erfahrungen wohl der beste Weg, die in den bisherigen quantenfeldtheoretischen Ansätzen auftretenden Divergenzen zu beseitigen. Wählt man jedoch eine zu grosse Symmetriegruppe, so sind Bosonen mit Spin 3 oder mehr die Folge. Dies führt wiederum zu Inkonsistenzen. "[...] an interacting spin-3 theory is probably not consistent." (Kaku (1999) 12)

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Da die unmittelbare Quantisierung der Gravitation im Sinne der Quantenfeldtheorien bisher immer mit dem Problem der Nicht-Renormierbarkeit zu kämpfen hatte und offensichtlich auch keine Aussicht auf eine Lösung dieses Problems besteht, solange man sich ausschliesslich auf die Gravitation bezieht, kommt als weitere Motivation für eine nomologische Vereinigung die Annahme hinzu, dass sich die Gravitation vielleicht nur gemeinsam mit allen anderen Wechselwirkungen adäquat beschreiben lässt, so wie sich schon die schwache Wechselwirkung, wie das Glashow-Salam-WeinbergModell zeigte, nur gemeinsam mit der elektromagnetischen Wechselwirkung in einem konsistenten, renormierbaren Ansatz erfassen liess. Vielleicht, so die weitergehende Hoffnung, hebt eine Einbeziehung der Gravitation sogar die Divergenzen, die eine Renormierung erforderlich machen, gänzlich auf. Dies würde problematische Renormierungsverfahren obsolet werden lassen, so dass die Parameter der resultierenden Theorie nicht mehr experimentell bestimmt werden müssen, sondern von der Theorie vorhergesagt werden können. Dies zeichnet sich für den Stringansatz zumindest schon ab. Die Divergenzfreiheit ist jedoch, wie zuvor schon erwähnt,220 eigentlich nicht nur eine Hoffnung, sondern vielmehr die einzige Chance für eine Einbindung der Gravitation in eine vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen: Denn eine Theorie der Quantengravitation ist, wie sich zeigen lässt, notwendigerweise entweder finit oder nicht-renormierbar. Also ist die angestrebte vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen entweder eine finite Theorie, die keiner Renormierung bedarf, oder die eventuell auftretenden Divergenzen sind ohnehin nicht-renormierbarer Natur, so dass die Theorie ohne deskriptiven oder prognostizistischen Nutzen wäre. Neben den Indizien, die für eine nomologische Vereinheitlichung sprechen, gibt es eine ganze Reihe offener Fragen und offener Probleme des quantenfeldtheoretischen Standardmodells, deren Klärung man sich innerhalb einer abschliessenden vereinheitlichten Theorie aller Wechselwirkun-

Möglicherweise, so die Annahme, gibt es also nur wenige Theorien, die in der Lage sind, störungstheoretische Divergenzen und gleichzeitig Bosonen mit höherem Spin als 2 zu vermeiden (und die zudem die Symmetrien des Standardmodells als Untergruppen ihrer Symmetrien enthalten). 220 Vgl. Kap. 2.1.

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gen erhofft.221 Hierbei könnte man etwa an eine Erklärung für die Zahl der Teilchenfamilien denken. Ein anderer wichtiger Punkt betrifft die vielen freien Parameter des Standardmodells. Da eine vereinheitlichte Theorie, wenn sie überhaupt formulierbar sein sollte, notwendigerweise finit ist und keiner Renormierung bedarf, wären ihre Parameter nicht mehr experimentell zu bestimmen, sondern würden von der Theorie vorhergesagt werden. Damit wäre einerseits die Vielzahl freier Parameter, wie sie das Standardmodell auszeichnen, vermeidbar, andererseits wäre zu hoffen, dass die Parameter des Standardmodells von einer solchen Theorie in ihrem Zustandekommen erklärbar werden.

Die Vorteile der Supersymmetrie

Der Stringansatz bemüht sich, im Gegensatz zum Standardmodell, mit welchem nur eine konzeptionelle Vereinheitlichung erreicht wird, um eine nomologische Vereinigung. Hierbei spielt die Supersymmetrie eine entscheidende Rolle. Denn der Stringansatz ist ohne die Supersymmetrie gar nicht denkbar; ohne sie können die Stringtheorien nicht konsistent formuliert werden. Das ist aber kein Nachteil, sondern stellt sich bei genauerer Betrachtung als ein erheblicher Vorteil heraus. Denn - unabhängig von modelltheoretisch-formalen und innertheoretischen Überlegungen - verleiht die Supersymmetrie aufgrund der mit ihr einhergehenden strukturellen und phänomenologischen Implikationen sowohl dem Stringansatz als auch dem nomologischen Vereinheitlichungsprogramm einen erheblichen Plausibilitätsgewinn. Die Supersymmetrie ist vordergründig eine Symmetrierelation hinsichtlich der Vertauschung von Bosonen und Fermionen. Sie hebt den Unterschied zwischen den Zuständen der fermionischen Materiefelder und den Zuständen der bosonischen Wechselwirkungseichfelder, wie er für Eichtheorien charakteristisch ist, auf. Mit der Supersymmetrie bietet sich aber vor allem eine einzigartige Verbindung zwischen den durch Eichfelder beschriebenen Wechselwirkungen des quantenfeldtheoretischen Standardmodells und der 221

Die verschiedenen offenen Probleme des Standardmodells, deren Klärung man sich im Rahmen einer vereinheitlichten Theorie erhofft, werden in Kap. 4.4. zu diskutieren sein.

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im geometrodynamisch ausgerichteten Ansatz der Allgemeinen Relativitätstheorie vorliegenden Beschreibung der Gravitation. Denn die Supersymmetrie verbindet raumzeitliche mit internen Invarianzen. Interne Symmetrien sind solche, die Felder an Raumzeitpunkten betreffen. Zu ihnen zählen insbesondere die Eichsymmetrien der Quantenfeldtheorien, die darin zum Ausdruck kommen, dass die mit den entsprechenden bosonischen Wechselwirkungseichfeldern gekoppelten Fermionenfelder der Materie hinsichtlich ihrer Lagrange-Dichte gegenüber lokalen Phasentransformationen invariant bleiben. Raumzeit-Symmetrien hingegen sind solche, welche die Translation von Feldern zwischen Raumzeitpunkten bewirken. Das wichtigste Beispiel ist die Poincaré-Invarianz, die als Invarianz-Gruppe der flachen Metrik Translationen und Lorentz-Transformationen umfasst. Die Supersymmetrie, erst einmal als Invarianz der Vertauschung von Bosonen und Fermionen, also als interne Symmetrie, formuliert, stellt sich nun ebenso als raumzeitliche Invarianz heraus. Sie ist mit der raumzeitlichen Translationsinvarianz in der Weise verbunden, dass zwei Supersymmetrie-Transformationen (Rotationen im Supersymmetrieraum) eine raumzeitliche Translationsbewegung ergeben, also einer Poincaré-Transformation entsprechen. Die Supersymmetrie ist die einzig bekannte Erweiterung der Poincaré-Gruppe. "Initially interest in this concept was motivated mainly by the abstract mathematical question whether any generalisation of the classical symmetry groups was possible. It turned out that supersymmetry is the maximal consistent solution in this respect. Soon after the construction of the first supersymmetric toy model it became clear that a formulation of supersymmetry as a gauge-symmetry (= local supersymmetry or supergravity) had an exciting potential to provide a fuller understanding of the particle character of gravity." (Dawid (2004) 7) Damit ist die Verbindung der Supersymmetrie mit der Gravitation naheliegend: "Lastly, when supersymmetry is elevated into a local gauge theory, it naturally reduces the divergences of quantum gravity. This is because local supersymmetry can be defined only in the presence of gravitons [...]. Local supersymmetry is thus intimately tied up with general relativity." (Kaku (1999) 102)

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Die Supersymmetrie bietet die beste Möglichkeit einer Verbindung zwischen den Eichsymmetrien der Quantenfeldtheorien und der PoincaréInvarianz. Dies ist neben der durch sie erreichten Lösung des Tachyonenund des Chiralitätsproblems der alten bosonischen Stringtheorie ein wichtiges Motivationselement für die Einbeziehung der Supersymmetrie in den Stringansatz. Zudem scheint gerade die Supersymmetrie die Ursache dafür zu sein, dass aufgrund der Vorzeichen der entsprechenden Beiträge die divergenten, nicht-renormierbaren Beiträge der Gravitonenwechselwirkung durch hinzukommende fermionische Anteile aufgehoben werden. "Supersymmetry generates super-Ward-Takahashi identities that cancel many normally divergent Feynman graphs." (Kaku (1999) 101) Vor allem aber: Die schon oben als Argument für eine nomologische Vereinigung angeführte, annähernde Konvergenz der effektiven energieabhängigen Kopplungskonstanten der bekannten Quantenfeldtheorien kurz vor der Planck-Ebene, wird erst unter Berücksichtigung der Supersymmetrie gemeinsam mit der supersymmetrisch korrigierten effektiven Kopplungskonstante der Gravitation - zu einer, wie es aussieht, exakten Konvergenz. Dies ist einerseits ein weiterer deutlicher Hinweis auf die Relevanz der Supersymmetrie. Es legt nahe, dass eine fundamentale Theorie, so sie sich formulieren lassen sollte, wahrscheinlich supersymmetrisch sein wird. Damit führt die Einbeziehung der Supersymmetrie zu einem weiteren, von der Theorieentwicklung des Stringansatzes unabhängigen Argument dafür, den Stringansatz als Anwärter für eine nomologische Vereinigung ernst zu nehmen. Andererseits stützt die Konvergenz der supersymmetrisch korrigierten Kopplungskonstanten aber insbesondere auch die Motivationslage für das nomologische Vereinheitlichungsprogramm. Dass die Kopplungsparameter für alle Wechselwirkungen unter bestimmten energetischen Bedingungen identisch werden, ist eines der wesentlichen Kennzeichen einer erfolgreichen vereinheitlichten Beschreibung.222 Darüberhinaus liefert die supersymmetrisch korrigierte Konvergenz der effektiven Kopplungskonstanten einen weiteren Hinweis dafür, dass die Stringdynamik sich, wenn sie zu einer nomologischen Vereinigung führen soll, auf der Planck-Ebene abspielen muss. Möglicherweise aufkommender Enthusiasmus wird allerdings ein wenig dadurch gebremst, dass die Aufstellung einer Theorie, deren Dynamik sich auf der Planck-Ebene abspielt, hinsichtlich unserer bestehenden Theorien und hinsichtlich der verfügbaren empirischen Daten 222

Siehe etwa Polchinski (2000a) Kap. 18.3.

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eine gewagte Extrapolation über 16 bis 18 Zehnerpotenzen hinweg darstellt. "It is presumptuous to assume that there will be no surprises in the 'desert' between 100 and 1019 GeV. New, totally unexpected phenomena have always cropped up when we have pushed the energy scale of our accelerators. Superstring theory, however, makes predictions over the next 17 orders of magnitude, which is unheard of in the history of science." (Kaku (1999) 17) Und empirische Anzeichen für die Supersymmetrie liegen, trotz ihrer immensen konzeptionellen Vorteile, in keiner Weise vor. "Supersymmetry is one of the most elegant of all symmetries [...] However, the irony is that there is not a single shred of experimental evidence in its favor." (Kaku (1999) 101) Solange aber keine empirischen Anzeichen für die Supersymmetrie vorliegen, bleibt unklar, ob sie in der Natur wirklich realisiert ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie eine ideale Verbindung aus internen und externen, raumzeitlichen Symmetrien darstellt und damit auf die Gravitation hinweist, dass ihre Einbeziehung zur Konvergenz der Kopplungskonstanten führt, und dass sie die Hoffnung schürt, dass die perturbativen Entwicklungen möglicherweise, was immer noch nicht definitiv nachgewiesen ist, finit bleiben und die Theorie erst gar keiner Renormierung bedarf. Denn konzeptionelle Vorteile allein sind letztendlich nicht ausschlaggebend für die Frage, ob eine bestimmte Eigenschaft der Natur tatsächlich zukommt. Hierüber entscheidet, wenn überhaupt, die Empirie.

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4.3. Das Problem der empirischen Kontrolle Der Stringansatz verfügt, genauso wie alle anderen Ansätze zu einer Quantengravitationstheorie, über keine empirischen Bestätigungen: "So far, no approach to quantum gravity can claim even a single piece of experimental evidence." (Rovelli (1998) 2) Aber das Problem des Stringansatzes besteht nicht einfach darin, dass er noch keine empirischen Bestätigungen aufweisen kann, diese aber für die Zukunft zu erwarten wären, vielleicht bei verbesserter experimenteller Ausstattung. Das Problem besteht vielmehr darin, dass es nicht die geringsten quantitativen, grundsätzlich (vielleicht bei Weiterentwicklung der experimentellen Technik) empirisch testbaren Vorhersagen gibt, noch eine vielversprechende Idee, wie man zu solchen empirisch überprüfbaren Resultaten gelangen könnte. "The experimental situation is best described with Pauli's phrase 'it's not even wrong'. [...] String theory not only makes no predictions about physical phenomena at experimentally accessible energies, it makes no predictions whatsoever." (Woit (2001) 2) Damit wird das Problem mit der Empirie letztlich vor allem zu einem konzeptionellen Problem: "[...] the fundamental problem facing superstrings is not necessarily an experimental one. It is mainly theoretical. The outstanding problem of the theory is to calculate dynamical symmetry breaking, so that its predictions can be compared with experimental data at ordinary energies. / A fundamental theory at Planck energies is also a fundamental theory at ordinary energies. Thus, the main stumbling block to the development of the theory is an understanding of its nonperturbative behavior." (Kaku (1999) 18) Was sind aber die Ursachen dafür?

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Die Ursachen

Der Stringansatz, wie er sich zur Zeit darstellt, ist in grundlegender Hinsicht unvollständig. Es handelt sich, wie schon verdeutlicht, nicht im strengen Sinne um eine physikalische Theorie, sondern um eine Vielzahl von mathematisch anformulierten Ideen und Ansätzen zu einer vielleicht in Entstehung befindlichen Theorie. Die gesamte Entwicklung der Superstringtheorien erfolgte, was auch führende Stringtheoretiker unumwunden zugestehen, bisher auf der Grundlage konzeptioneller Anforderungen und Ideen - und nicht etwa auf der empirischer Randbedingungen.223 "[...] with absolutely no experimental basis, string theorists constructed a monumental mathematical edifice." (Susskind (2005) 270) Dass sich aus dem Stringansatz keine quantitativen Vorhersagen ableiten lassen, hängt vorrangig mit mehreren konzeptionellen Problemen zusammen, die noch keine Lösung erfahren haben: So ist es insbesondere bisher nicht klar, wie - und vor allem wieso - man von den aus internen Konsistenzgründen (Gewährleistung der Anomaliefreiheit, der Unitarität und der Lorentz-Invarianz) postulierten zehn Dimensionen der Superstringtheorien zu den vier Dimensionen der phänomenologischen Raumzeit kommt. Grundsätzlich gibt es, wie erwähnt, wohl zwei Möglichkeiten: zum einen die mikroskopische Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen auf der Planck-Ebene,224 zum anderen die Anbindung der Materie an Dirichlet-Brane.225 Vielleicht kommt aber auch eine Kombination beider Varianten in Frage.226 Für die erste Variante stellt sich das Problem folgendermassen dar: Die Modalitäten der Zusammenfaltung der kompaktifizierten, überzähligen Raumdimensionen sind unbekannt, ebenso wie die möglichen Gründe für eine solche Zusammenfaltung bzw. für den nicht-kompakten Zustand der phänomenologischen Raumzeit. Es kommt für die Kompaktifizierung 223 224 225 226

Siehe Kap. 4.1. und 4.2. Siehe Kap. 2.2. Siehe Kap. 2.4. Siehe Kap. 2.4.

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grundsätzlich eine sehr grosse Zahl von (sechsdimensionalen) Calabi-YauRäumen mit zum Teil sehr komplexer Topologie in Frage. Diese mathematisch unterschiedlichen und schliesslich physikalisch zu interpretierenden Kompaktifizierungsmodi führen jedoch, soweit man dies heute abschätzen kann, im allgemeinen zu grundlegend verschiedenen physikalischen Resultaten. Sie beschreiben völlig verschiedene Welten mit unterschiedlichen Teilchenspektren und unterschiedlicher Kosmologie. Die für die Superstringtheorien erhofften Ergebnisse - etwa bezüglich der Zahl und der Beschaffenheit der zu erwartenden Elementarteilchen, der zu erwartenden Teilchenfamilien227 sowie schliesslich der jeweiligen Teilchenmassen hängen ganz entscheidend vom jeweiligen Kompaktifizierungsmodus ab, dessen Festlegung durch die Theorie zur Zeit erst einmal vollkommen unklar erscheint. Und es geht, wie schon angedeutet, nicht etwa um drei oder fünf Alternativen, die man durchrechnen könnte. "Despite all the progress in gauge theories, quantum gravity, string theory etc. not one of these problems have been solved. Not one mass or coupling constant of any particle considered now to be elementary has ever been explained by fundamental theory." (Smolin (2004) 7) Ein anderes grundlegendes konzeptionelles Problem des Stringansatzes, das quantitative Vorhersagen bisher verhindert hat, besteht darin, dass die von ihm angestrebten nicht-perturbativen Grundgleichungen, die gleichermassen die Dynamik der basalen schwingungsfähigen Konstituenten wie auch die Dynamik der Raumzeitstrukturen und -topologien beschreiben sollten, bisher schlichtweg unbekannt sind.228 Es gibt nicht einmal eine Vorstellung davon, welche fundamentalen Prinzipien den bisher bekann-

227

Eines der bisher nur wenigen analytischen Ergebnisse besteht im Nachweis einer Korrelation zwischen den zu erwartenden Teilchenfamilien bzw. -generationen und den Löchern innerhalb der Topologie der kompakten Calabi-Yau-Räume. Vgl. Kap. 2.2. Die Zahl der Teilchengenerationen ist gleich dem halben Absolutbetrag der Euler-Zahl des kompakten Raumes. Aber zum einen ist eben der Kompaktifizierungsmodus und mithin die zu erwartende Topologie noch völlig unklar. Zum anderen wäre auch eine korrekte Vorhersage (bzw. Nachhersage) der drei bekannten Teilchengenerationen durch die Superstringtheorien, wenn diese sich auf einen eindeutigen Kompaktifizierungsmodus festlegen liessen, viel zu unspezifisch, um als reliabler experimenteller Nachweis herhalten zu können. Es könnte grundsätzlich ganz andere Theorien geben, die zu diesem Ergebnis kommen. 228 Siehe v.a. Kap. 2.3.

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ten, ausschliesslich perturbativen Prozeduren zugrundeliegen könnten.229 Und das nach über dreissig Jahren Entwicklung im Stringansatz! Zudem sind die beiden geschilderten Probleme nicht voneinander unabhängig. Das Problem der immer noch unbekannten nicht-perturbativen Dynamik hängt konzeptionell mit dem Kompaktifizierungsproblem und dem Problem der intendierten Ableitung der niederenergetischen Dynamik für die Vierer-Raumzeit zusammen: "The problem, however, is that dimensional breaking from a 10-dimensional theory down to four dimensions can occur only nonperturbatively. To any finite order in the perturbation theory, the dimension of space-time seems perfectly stable. [...] Unfortunately, we do not yet understand how to perform realistic nonperturbative calculations in string theory [...]. Thus, physicists have not been able to calculate the stability of any classical vacuum solution." (Kaku (1999) 337) Manche Theoretiker, wie etwa Edward Witten, vermuten, dass wir vielleicht noch nicht einmal über die geeigneten mathematischen Instrumentarien verfügen, um diese für die Theorie vorauseilend in ihrer Existenz postulierten Grundgleichungen überhaupt zu formulieren.230 Manchmal war sogar die Rede von der Mathematik des einundzwanzigsten Jahrhunderts, die im Stringansatz schon im zwanzigsten zum Einsatz kommt. Dies klang jedoch im zwanzigsten Jahrhundert wesentlich besser, als es heute klingen mag, wie etwa Lee Smolin bemerkt: "The story of string theory is not easy to tell, because even now we do not really know what string theory is. We know a great deal about it, enough to know that it is something really marvellous. We know much about how to carry out certain kinds of calculations in string theory. Those calculations suggest that, at the very least, string theory may be part of the ultimate quantum theory of gravity. But we do not have a good definition of it, nor do we know what its fundamental principles are. (It used to be said that string theory was part of twenty-first century mathematics that had fallen by luck into our hands in the twentieth century. This does not sound quite as good now as it used to.) The problem is that we do not yet have string theory expressed in any 229 230

Siehe Kap. 2.3. und 4.1. Vgl. das Interview mit Witten in Davies / Brown (1992).

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form that could be that of a fundamental theory. What we have on paper cannot be considered to be the theory itself. What we have is no more than a long list of examples of solutions of the theory; what we do not yet have is the theory they are solutions of. It is as if we had a long list of solutions to the Einstein equations, without knowing the basic principles of general relativity or having any way to write down the actual equation that defines the theory. / Or, to take a simpler example, string theory in its present form most likely has the same relationsship to its ultimate form as Kepler's astronomy had to Newton's physics." (Smolin (2000) 149f) Dennoch sprechen manche Stringtheoretiker mutig von ihrem Ansatz als einer "Theory of Everything". Bisher existiert aber, von ganz wenigen tentativen Vorstössen in den nicht-perturbativen Bereich (supersymmetrische BPS-Zustände)231 abgesehen, im wesentlichen nur ein perturbativer Ansatz, für den lediglich die ersten störungstheoretischen Glieder berücksichtigt wurden. "[...] after many years there are only proofs of consistency and finiteness of perturbative string theory to second non-trivial order in perturbation theory, and attempts to go further have not so far succeeded." (Smolin (2004) 10) Und die zur Zeit verwendeten störungstheoretischen Ansätze und Methoden sind weit entfernt von der Möglichkeit der Ableitbarkeit von testbaren Resultaten, was sogar führende Stringtheoretiker unumwunden zugeben: "The approximate equations that string theorists currently use are not powerful enough to work out the resulting physics fully for any choice of Calabi-Yau shape. [...] precise and definitive physical conclusions, such as the mass of the electron or the strength of the weak force, require equations that are far more exact than the present approximate framework. [...] the 'natural' energy scale of string theory is the Planck energy, and it is only through extremely delicate cancellations that string theory yields vibrational patterns with masses in the vicinity of those of the known matter and force particles." (Greene (1999) 220) 231

Siehe Kap. 2.3.

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Aber auch wenn alle konzeptionellen Probleme des Stringansatzes gelöst wären, bestände immer noch die Schwierigkeit, dass dieser eine Dynamik erfassen soll, die sich nach heutigem Ermessen eben auf der Planck-Ebene abspielt. Zwischen dem Energiebereich, dessen Dynamik die Theorie beschreiben soll, und dem, der unseren Experimenten zur Zeit zugänglich ist, liegen damit mindestens sechzehn Zehnerpotenzen. Und daran wird sich vielleicht auch nie etwas Entscheidendes ändern - ausser, es sollte sich überraschenderweise herausstellen, dass die Vereinigung der Wechselwirkungskräfte nicht auf der Planck-Ebene stattfindet, sondern in einem wesentlich niedrigeren Energiebereich.232 Ist dem nicht so, so müssten wir, um uns den Energiebereich, auf den sich die Superstringtheorien originär beziehen, experimentell zugänglich zu machen, so etwas wie einen künstlichen Urknall erzeugen. "It is impossible experimentally to reach the tremendous energies found at the Planck scale. Therefore, the theory is in some sense untestable. A theory that is untestable is not an acceptable physical theory." (Kaku (1999) 17)

Das Problem der empirischen Kontrolle

Eigentlich ist es auch für die Vertreter des Stringansatzes unkontrovers, für empirisch-wissenschaftliche Theorien eine Ankopplung an die Empirie zu fordern. Eine Theorie ohne eine solche empirische Ankopplung ist eigentlich keine empirisch-wissenschaftliche Theorie, auch wenn sie sich aus einer Tradition empirisch-wissenschaftlicher Theorien ableitet: "Unless we can make contact with the known empirical data, then the theory, no matter how elegant, must be discarded." (Kaku (1999) 337) Insofern ist es nicht erstaunlich, wenn einige Stimmen für die Untragbarkeit des Stringansatzes votieren. Erstaunlicher ist es hingegen, dass angesichts des Mangels an empirischen Überprüfungsmöglichkeiten interne Konsistenztests nicht nur immer mehr an Bedeutung für den Stringansatz 232

Siehe Kap. 2.4.

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gewannen, sondern manchmal geradezu als Ersatz für die mangelnde empirische Ankopplung gehandelt werden: "Clearly, all what we can do for the foreseeable future to test these ideas are consistency checks. Such checks can be highly non-trivial, from a formal as well as from a physical point of view." (Lerche (2000) 30) Diese Strategie hat ihre Verankerung in der Idee der Einzigartigkeit und Eindeutigkeit des Stringansatzes, die im nächsten Kapitel zu erörtern sein wird.233 Aber auch wenn diese Idee nicht an den tatsächlichen innertheoretischen Gegebenheiten gescheitert wäre,234 so würde sie ohnehin eine empirische Überprüfung der Theorie nicht ersetzen. Die Gründe dafür lassen sich in zwei fiktiven Problemszenarien fokussieren: 1. Nehmen wir an, es gäbe eine erwiesenermassen konsistente Theorie der Quantengravitation, auf die sich zwar über die konzeptionellen Randbedingungen ihrer Entstehung die empirischen Randbedingungen ihrer Vorläufertheorien indirekt und partiell übertragen hätten, die aber keine eigenen, unabhängigen empirischen Überprüfungsinstanzen aufwiese. - Diese Theorie könnte dann zwar vielleicht als konzeptionelles, mathematisches Konstrukt betrachtet werden, in dem die vorliegenden konzeptionellen Unverträglichkeiten ihrer Vorgängertheorien überwunden würden. Sie wäre insofern eine konsistente strukturelle Weiterspinnung dieser Vorgängertheorien. Aber es liesse sich kaum für eine realistische Deutbarkeit der von ihr postulierten Szenarien und Entitäten plädieren. Diese Theorie müsste nicht unbedingt unsere Welt beschreiben. Es könnte immer noch andere konsistente Theorien geben, welche die gleiche konzeptionelle Leistung im Hinblick auf die Vorgängertheorien und die in sie eingeflossene Empirie erbringen. 2. Nehmen wir nun an, die Existenz anderer Theorien, welche die gleiche Leistung im Hinblick auf die Vorgängertheorien und die in sie eingeflossene Empirie erbrächten, liesse sich, wie auch immer, ausschliessen. Es gäbe also mithin eine eindeutige, einzigartige konsistente Theorie der Quantengravitation, auf die sich über die konzep233 234

Siehe Kap. 5.1. und 5.2. Siehe Kap. 5.2.

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tionellen Randbedingungen ihrer Entstehung die empirischen Randbedingungen ihrer Vorläufertheorien indirekt übertragen hätten. Aber auch diese Theorie wiese keine eigenen, unabhängigen empirischen Überprüfungsinstanzen auf. - Was würde sich gegenüber dem ersten Szenario ändern? Nur wenig: Die Theorie müsste zwar als das einzige konzeptionelle, mathematische Konstrukt betrachtet werden, in dem die konzeptionellen Unverträglichkeiten ihrer Vorgängertheorie überwunden würden. Sie wäre in dieser Hinsicht die einzige konsistente strukturelle Weiterspinnung dieser Vorgängertheorien. Aber es liesse sich damit immer noch nicht für die realistische Deutbarkeit der von ihr postulierten Szenarien und Entitäten plädieren. Die Theorie müsste nicht notwendigerweise unsere Welt beschreiben. Denn auch die nachweislich einzig mögliche konzeptionelle Weiterspinnung bestehender Theorien muss noch kein Gegenstück in der Realität aufweisen. Wir könnten es mit einer Patchwork-Welt235 zu tun haben, einem irreduziblen Flickenteppich der Phänomenbereiche. Wir könnten dann zwar vielleicht auf der Seite unserer theoretischen Beschreibungsansätze mutwillig konzeptionell vereinheitlichen. Das Ergebnis dieser konzeptionellen Vereinheitlichung müsste aber nicht notwendigerweise ein Gegenstück in der Realität aufweisen, weil diese sich vielleicht bestenfalls im Rahmen eines ganzen Arsenals von jeweils streckenweise mehr oder weniger adäquaten effektiven Theorien erfassen liesse, deren Wert sich im Rahmen einer jeweils engen empirischen Ankopplung ergäbe und nicht etwa auf der Grundlage irgendwelcher metaphysischer Überzeugungen. Ein in der Welt vorzufindendes Gegenstück unserer theoretischen Bemühungen im Rahmen des Vereinheitlichungsprogramms müsste schon über unabhängige empirische Belege motiviert werden. Auch dann liesse sich zwar das Patchwork-Szenario immer noch nicht gänzlich ausschliessen, aber es würde sich damit zumindest als unplausibler erweisen. Jede weitere empirische Stützung würde diese Unplausibilität steigern und die Resultate der Vereinheitlichungsstrategie an Glaubwürdigkeit gewinnen lassen. Ohne empirische Kontrolle kommt also nicht einmal eine einzigartige Theorie, eine als fundamental postulierte, letztgültige Realisierung des Vereinheitlichungsprogramms, aus. Auf innertheoretische Konsistenz alleine kann man sich ganz sicher nicht verlassen. Dies ist nicht erst nur vor 235

Siehe etwa Cartwright (1994), (1999) sowie (1983) und (1989).

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dem Hintergrund der Bedrohung durch das Patchwork-Szenario, sondern vor allem deshalb schon nicht ratsam, weil das Problem der Interpretation der Theorieaussagen hin auf ihre Korrelate in der Natur ohne empirische Ankopplung vollständig ausser Kontrolle gerät. "When we look around us we do not observe the laws of nature; rather, we see the outcomes of those laws." (Barrow (1995) 44) Für die Superstringtheorien etwa, wie sie sich heute darstellen, bleibt weitgehend unklar, welche ihrer theoretischen Aussagen und welche ihrer Implikationen - wenn überhaupt - wir in realistischer Weise als Beschreibung von tatsächlichen Tatbeständen interpretieren sollen und welche eben nicht.236 Beschreibt die Theorie tatsächliche Strukturen der Welt, genügt sie also den originären deskriptiven Anliegen physikalischer Naturbeschreibung, oder erfasst sie mathematische oder kognitive Substrukturen, aus denen sich zwar vielleicht partiell zutreffende Aussagen über die Wirklichkeit gewinnen lassen, die aber selbst - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die innerhalb dieser Substrukturen postulierten Entitäten - über kein Korrelat in der Natur verfügen? Oder stellen die Superstringtheorien eine noch ungeklärte Mischung aus diesen beiden Möglichkeiten dar? Wenn ja, welche Aussagen gehören dann zur realistischen und welche zur instrumentalistischen Seite? Wie weit handelt es sich also tatsächlich noch um Physik? "String theory began as a search for a conjectured unique theory that would unify all of nature. [...] To realize this hope, string theory relies on several mathematical conjectures which remain unproven, in spite of intense effort, and several physical hypotheses, which may turn out to be right or wrong. While the idea of duality, that gauge and other degrees of freedom may be described in terms of stringlike excitation, is attractive, the cost of realizing it as a fundamental, rather than an effective theory, appears high. Either there are or are not extra dimensions, and supersymmetry is either part of the laws of nature or not. In the end only experiment can tell, but there appears to be no near term experimental program which could falsify these hypotheses. What is so frustrating about string theory is that it could easily be wrong, in whole or in part, but there appear to be few realistic ways to find out." (Smolin (2003) 69) 236

Siehe Kap. 7.

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Exotica als Chance ?

Solange es im wesentlichen nur perturbative Prozeduren in Stringansatz gibt und solange das Kompaktifizierungsproblem und die mit ihm auftretende Vieldeutigkeit der physikalischen Szenarien237 keine Lösung erfahren hat, wird sich an den Problemen mit der empirischen Überprüfbarkeit wahrscheinlich erst etwas ändern, wenn sich überraschende neue Bestätigungs- bzw. Falsifikationsinstanzen ergeben sollten, die zur Zeit noch nicht absehbar sind. So könnte es aussichtsreich sein, nach kosmologischen Implikationen der Superstringtheorien zu suchen, um hiermit schliesslich doch noch zu relevanten empirischen Daten zu gelangen.238 Eine andere Option besteht in der Hoffnung, dass sich spezifische Vorhersagen hinsichtlich völlig unerwarteter Teilchencharakteristika ergeben könnten. So gibt es im Stringansatz möglicherweise Szenarien, die Teilchen mit gebrochener Ladung zu Folge hätten: "Thus there will be isolated fractional charges if there are twisted sectors [...]. In fact there must be such sectors. [...] The lightest fractionally charged particle must be stable due to charge conservation. The number of fractional charges in ordinary matter is known to be less than 10-20 per nucleon. If fractionally charged particles of mass m were in thermal equilibrium in the early universe at temperatures T > m, it is estimated that annihilation would only reduce their present abundance to approximately 10-9 per nucleon. Whether this is a problem depends critically on the masses of the fractionally charged states, whether all are near the string scale or whether some are near the weak scale. If all the fractional charges are superheavy then the situation is very similar to that with magnetic monopoles in grand 237

Siehe Kap. 5. Siehe hierzu Kap. 2.4. Zu denken wäre vielleicht an Voraussagen der Superstringtheorien, die sich im Hinblick auf das Problem der Dunklen Materie und Dunklen Energie im Kosmos eindeutig interpretieren liessen. Hier sei etwa an das HoravaWitten-Szenario (Horava / Witten (1996), siehe auch Kolb / Seckel / Turner (1985)) mit seiner Schattenwelt erinnert, sowie an die Vorschläge von Lu, Huang, Fang und Zhang (2004), die dunkle Energie, die für die beschleunigte Expansion des Kosmos verantwortlich gemacht wird, als Effekt des Dilaton-Feldes darzustellen.

238

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unified theories. [...] It may also be the case that the universe was never hot enough to produce string-scale states thermally. Fractionally charged particles with masses near the weak scale are a potentially severe problem, unless they are charged under a new strongly coupled gauge symmetry and so confined." (Polchinski (2000a) 353)239 Bei solchen Szenarien und ihrer potentiellen empirischen Überprüfung wäre jedoch immer noch genau zu untersuchen, was eigentlich getestet wird: die Theorie selbst oder irgendwelche Konsequenzen, die auch mit völlig anderen konzeptionellen und theoretischen Kontexten vereinbar sein könnten.

Die Alibi-Vorhersage

Einige Stringtheoretiker kokettieren damit, dass ihr Ansatz immerhin eine eindeutige, empirisch bestätigbare Vorhersage macht, nämlich die der Existenz der Gravitation: "Moreover, these theories have [...] the remarkable property of predicting gravity [...]." (Witten (1996) 25) Diese sogenannte "Vorhersage", die bestenfalls als Nachhersage bezeichnet werden könnte, lässt sich jedoch nicht ernsthaft für den Stringansatz als empirische Bestätigung geltend machen. Denn es ist einzig und allein die Eigenschaft des Stringansatzes, die Gravitation in seine Beschreibung einzuschliessen und die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung zu reproduzieren, die ihn überhaupt erst für die Physik interes239

Die Entdeckung magnetischer Monopole würde jedoch unter Umständen die Möglichkeit gebrochener elektrischer Ladungen eingrenzen: "If unconfined fractional charges do exist, electric charge is quantized in a unit e/n smaller than the electron charge. The Dirac quantization condition implies that any magnetic monopole must have a magnetic charge which is an integer multiple of 2πn/e. [...] Discovery of a monopole with charge 2π/e would imply the nonexistence of fractional charges, and so have implications for string theory through the above theorems." (Polchinski (2000a) 355)

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sant macht und als mögliche Theorie der Quantengravitation ins Spiel bringt:240 "Claiming, as it is sometimes done, that a successful physical prediction of string theory is GR [general relativity] is a nonsense for various reasons. First, by the same token on could claim that the SU(5) grand unified theory (an extremely beautiful theoretical idea, sadly falsified by the proton decay experiments) is confirmed by the fact that it predicts electromagnetism. Second, GR did not emerge as a surprise from string theory: it is because string theory could describe gravity that is was taken seriously as a unified theory. Third, if GR was not known, nobody would have thought of replacing the flat spacetime metric in the string action with a curved and dynamical metric. 'Predicting' a spin-two particle is no big deal in a theory that predicts any sort of still unobserved other particles. The fact that string theory includes GR is a necessary condition for taking it seriously as a promising tentative theory of quantum gravity, not an argument in support of its physical correctness." (Rovelli (1998) 5) Würde der Stringansatz nicht die Gravitation einschliessen, käme er überhaupt nicht als vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen einschliesslich der Quantengravitation in Frage. Der Einschluss der Gravitation ist das, was den Stringansatz überhaupt als relevant erscheinen lässt. Nur dann, wenn es davon völlig unabhängige Motivationen gäbe, und nur dann, wenn der entsprechende Ansatz schon über unabhängige empirische Bestätigungen verfügen würde, nur dann, wenn der Ansatz auch schon ohne dieses Indiz Existenzberechtigung besässe, liesse sich die "Vorhersage" der Gravitation als Argument für ihn ins Feld führen. Die "Vorhersage" der Gravitation könnte also bestenfalls für einen Ansatz, der seine Relevanz völlig anderen Zusammenhängen verdanken würde, die schon zu unabhängigen und schliesslich empirisch bestätigbaren Vorhersagen geführt hätten, als Kontrollinstanz ins Feld geführt werden. Wenn ein solcher Ansatz dann schliesslich auch noch überraschend zu einer weiteren Implikation - der Gravitation - führen würde, wäre dies ein interessantes Indiz, das zusätzlich für ihn spräche. Die vermeintliche "Vorhersage" der Gravitation durch den Stringansatz ist aber insbesondere ganz und gar nicht unabhängig von den bestehenden etablierten Theorien, die gerade vom Stringansatz zusammengeführt und letztlich als fundamentale physikali240

Siehe Kap. 4.1. und 4.2.

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sche Beschreibungen abgelöst werden sollen. Der Stringansatz reproduziert mit der Gravitation ein Phänomen, welches grundsätzlich schon von der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben wird und sich bisher in dieser Beschreibung als empirisch adäquat erwiesen hat. Nur etwa eine empirische Bestätigung einer vom Stringansatz vorgenommenen Korrektur gegenüber der Allgemeinen Relativitätstheorie könnte hier eine Änderung bringen. Aber die zu erwartenden Stringkorrekturen zur Gravitation, wie sie von der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben wird, lassen sich bisher genausowenig berechnen wie etwa die zu erwartenden Massen der supersymmetrischen Partnerteilchen oder auch einfach nur die Teilchenmassen des Standardmodells.

Selbstimmunisierungstechniken

Was passiert aber mit dem Stringansatz, wenn die empirische Kontrolle weiterhin ausbleibt? Wie gehen die Stringtheoretiker mit dem Ausbleiben empirischer Kontrollmöglichkeiten und folglich empirischer Bestätigungen um? Dies lässt sich an einer paradigmatischen Implikation des Stringansatzes verdeutlichen: Die Superstringtheorien sagen, wie alle supersymmetrischen Theorien, Superpartner zu den uns bekannten Materieteilchen und Wechselwirkungsquanten voraus. Wie schon erwähnt, gibt es bisher aber nicht die geringsten empirischen Anzeichen für die Supersymmetrie.241 "Not one shred of experimental evidence has been found to confirm the existence of supersymmetry, let alone superstrings." (Kaku (1999) 17) Dennoch erhofft man sich von der nächsten Beschleunigergeneration, insbesondere vom Large Hadron Collider bei CERN, einen Nachweis zumindest des leichtesten der supersymmetrischen Teilchen. Leider macht der Stringansatz jedoch keine quantitativen Vorhersagen hinsichtlich der zu erwartenden Massen dieser Teilchen. Sollten sich diese in Zukunft mit Hilfe von Beschleunigern nachweisen lassen, so wäre dies also noch nicht 241

Siehe Kap. 2.1., 4.1. und 4.2.

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notwendigerweise als eindeutige Bestätigung des Stringansatzes zu werten, sondern erst einmal nur als Bestätigung des Konzeptes der Supersymmetrie - und mithin aller supersymmetrischen Theorien. Etwas daran ändern könnte lediglich eine numerische Vorhersage der zu erwartenden Massen der supersymmetrischen Teilchen und ihr anschliessender experimenteller Nachweis. Aber von einer solchen numerischen Vorhersage sind die Stringtheorien weit entfernt. Was passiert jedoch, wenn sich auch mit den neuen Beschleunigern keine supersymmetrischen Teilchen finden lassen? Würden die Stringtheoretiker ihren Ansatz dann aufgeben? - Offensichtlich nicht: "So we are inclined to call supersymmetry a generic prediction. Suppose that the LHC rules this out. Will we still believe in this approach? I can only speak for myself, though I suspect that most others working in this field would agree. I believe that we have found the unique mathematical structure that consistently combines quantum mechanics and general relativity. So it must almost certainly be correct. For this reason, even though I do expect supersymmetry to be found, I would not abandon this theory if supersymmetry turns out to be absent." (Schwarz (1998) 2) Die Strategie ist ziemlich einfach: Sollten die supersymmetrischen Partner der bekannten Elementarteilchen mit unseren technischen Mitteln auf absehbare Zeit nicht nachweisbar sein, so kann man, solange keine quantitativen Vorhersagen vorliegen, immer noch behaupten, dass sie dann eben eine höhere Masse haben müssen als die, welche mit unseren experimentellen Verfahren erreicht werden kann: "[...] even if superpartner particles are not found by the Large Hadron Collider, this fact alone will not rule out string theory. since it might be that the superpartners are so heavy that they are beyond the reach of this machine as well." (Greene (1999) 222) Eine solche Argumentationsweise ist natürlich für eine physikalische Theorie letztendlich nicht hinnehmbar. Sie entspricht geradezu einer Selbstimmunisierung der Theorie gegenüber fehlender empirischer Kontrolle.

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"Sal - So which experiment could kill string theory, in principle? Simp - Nothing I could think of. The theory is very strong. Sal - Seems to me is very weak. A good scientific theory is a theory that can be falsified. Simp - I am not a philosopher ... ." (Rovelli (2003) 2) Besonders pikant ist diese Selbstimmunisierungsstrategie insofern, als hier die Unmöglichkeit der Ableitung quantitativer Vorhersagen strategisch eingesetzt wird. Ein Manko der Theorie wird in einen strategischen Vorteil umgemünzt. Für die Physik ist dies zumindest etwas Neues.

Wie konnte es so weit kommen ?

Der Stringansatz existiert nun seit über drei Jahrzehnten, ohne dass es irgendwelche empirischen Bestätigungen oder nur irgendeine quantitative Vorhersage, die als Voraussetzung für eine empirische Kontrolle dienen könnte, gegeben hätte. Und der Stringansatz führt kein Schattendasein, sondern bewegt sich in der Einschätzung aller Beteiligten - deren Zahl nicht gering ist - an der vordersten Front der intensiv vorangetriebenen Bemühungen um eine Theorie der Quantengravitation. "For nearly 30 years by now a considerable segment of particle physicists deals with a theory that has never witnessed any direct experimental corroboration at all and is unlikely to do so in the foreseeable future." (Dawid (2003) 5) Inzwischen sind, wenn überhaupt, nur wenige Involvierte noch bereit, ihren Ansatz aufgrund dieser anhaltenden Situation mangelnder empirischer Kontrolle aufzugeben. Vielmehr werden konzeptionelle Überlegungen und metaphysische Voreinstellungen geltend gemacht, die motivieren sollen, wieso die empirische Kontrolle, obgleich sie als wünschenswert erachtet wird, bei ihrem Ausbleiben nicht zu einer Aufgabe des Theorieansatzes führen sollte. Die konzeptionellen Erwägungen haben gegenüber empirischen Belangen die Oberhand gewonnen. Empirisch-wissenschaftliche Vorgehensweisen werden von konzeptionellen, mathematischen Pro-

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zeduren abgelöst, die inzwischen geradezu im Sinne einer mathematisierten Naturmetaphysik ein Eigenleben führen. Dass es soweit kommen konnte, ist aber nicht dem Stringansatz alleine anzulasten. Vielmehr ist er das konsequente Resultat einer Entwicklung, die im bisher erfolgreichen physikalischen Vereinheitlichungsprogramm fusst. Spätestens mit den Quantenfeldtheorien hat diese Entwicklung nach und nach zu Ausprägungen geführt, für die die empirische Kontrolle eine immer grössere Indirektheit angenommen hat und erst post hoc, nach der Formulierung des theoretischen Ansatzes, zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zur Quantenmechanik, die überhaupt erst aufgrund empirischer Befunde, die mit den zuvor etablierten klassischen Theorien nicht in Einklang zu bringen waren, entwickelt wurde, waren es schon für die Quantenfeldtheorien vorrangig konzeptionelle Auslöser, die zu ihrer Entwicklung führten. Oft wurden erst im Nachhinein in grösserem Masze empirische Instanzen zur Kontrolle der Theorien herangezogen. Diese Strategie wurde bei den Quantenfeldtheorien, wenn man einmal von der "Grossen Vereinheitlichten Theorie" und dem Scheitern ihrer Vorhersagen am ausbleibenden Protonenzerfall absieht, fast durchgängig von Erfolg gekrönt. Diese Erfolgsgeschichte der Quantenfeldtheorien hat das Vertrauen in die Methodologie einer vor allem formal-mathematischen, konzeptionellen Fortführung des Vereinheitlichungsgedankens in der Theorienbildung mit anschliessender empirischer Überprüfung geschürt. "For the last 30 years particle experiment has lost its role to present new and unexplained data to the theoreticians and mostly serves as a mere testing device for existing theoretical schemes. [...] The fact that a theoretical argument has proved capable of determining the course of experimental progress for decades, predicting the discovery of W and Z bosons, new quark types and lepton generations without ever going wrong dramatically increased the trust in pure theorising. The feeling grew that a theory, even if experimentally totally unsupported, can be just too good to be wrong." (Dawid (2003) 12) Der Stringansatz stellt nun eine konsequente Fortspinnung dieser Vorgehensweise dar und setzt entsprechend auf das durch die Erfolgsgeschichte der Quantenfeldtheorien geschürte Vertrauen in erst einmal ausschliesslich konzeptionelle und theoretische Weiterentwicklungen ohne vorausgehende empirische Auslöser (und ohne sofortige empirische Kontrolle). Nur dass

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hier nun die für die Quantenfeldtheorien im Nachhinein immer auffindbaren empirischen Kontrollinstanzen ausbleiben und vieles dafür spricht, dass es bei diesem Ausbleiben bleiben könnte. - Wer hätte aber etwa den Glashow-Salam-Weinberg-Ansatz zur Beschreibung der elektroschwachen Wechselwirkung einfach so akzeptiert, wenn dieser keine empirisch nachweisbaren Vorhersagen gemacht hätte - vielleicht sogar über Jahrzehnte hinweg? Für den Stringansatz sah es hinsichtlich seines Status erst einmal so aus, als wäre er den Bedingungen unterworfen, die innerhalb der empirischen Wissenschaften für unbestätigte, spekulative Theorien gelten und die auch innerhalb der Quantenfeldtheorien noch uneingeschränkte Geltung besass. Erst die empirische Bestätigung machte eine tentative theoretische Fortentwicklung im Kontext der Quantenfeldtheorien nach und nach zu einer etablierten Theorie, die Teil eines "Standardmodells" werden konnte. Im Stringansatz wurden aber diese Bedingungen für die Behandlung einer spekulativen Theorie immer irrelevanter: Trotz mangelnder empirischer Bestätigungsinstanzen verlor der Stringansatz in der Einschätzung der immer weiter steigenden Zahl seiner Vertreter weitgehend den Status des nur Spekulativen. "String theory like many other theories underwent a first phase during which it was considered a mere speculation, before it acquired the status of a well-established research field. Remarkably however, this change of status was not brought about by experimental confirmation but by the solution of some crucial theoretical problems." (Dawid (2004) 2) Die Grundlage für diesen Wandel in der Einschätzung hinsichtlich des Status des theoretischen Entwurfs lieferten die Eindeutigkeits- und Einzigartigkeitsargumente, die schon relativ früh ins Spiel kamen und schliesslich eine immer stärkere Bedeutung gewannen:242 "There is only one possible motivation to accept string theory as a plausible candidate for a description of nature: The principle of underdetermination must be undermined by good arguments that string theory is the only consistent way to build a theory in its regime. [...] The claim that such a revolutionary novel concept still seems to be the 242

Siehe Kap. 5.1. und 5.2.

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only choice must be based on even more fundamental physical principles. It is a tedious and tricky task to try to list those principles in detail but they will encompass the principle of least action, basic quantum principles, the principles of special relativity, the existence of a gravitational force and probably a few more. The authority of string theory is inherently based on the claim: If you start from these principles and try to build an overall consistent theory, you will be forced to develop string theory." (Dawid (2003) 15) Für Richard Dawid, einen der ganz wenigen, die sich von der Seite der Wissenschaftstheorie mit dem Stringansatz und seinen Implikationen beschäftigen, besteht die Konsequenz für die Stringtheorien darin, die Eindeutigkeits- und Einzigartigkeitsargumente als gültigen Ersatz für die ausbleibende empirische Kontrolle anzusehen. Für ihn tritt die Physik mit dem Stringansatz in eine Phase ein, für die andere methodologische Maximen gelten als bisher. Die empirische Kontrolle ist, seiner Auffassung nach, für eine empirisch-wissenschaftliche Theorie nicht mehr notwendigerweise konstitutiv, wenn sich zeigen lässt, dass eine konsequente theoretische Fortspinnung erfolgreicher Theorien zu einer eindeutigen und einzigartigen Konsequenz führt: "For the first time in history of science it might be justified to see scientific progress pre-eminently and consistently characterised by a new principle, which I want to call the principle of theoretical uniqueness: Fully viable theoretical solutions to complex consistency problems tend to be theoretically unique in the sense that there is no alternative that is equally consistent but would predict different future observational scenarios in the disputed regime." (Dawid (2003) 12) Die oben243 angeführten Argumente für den unausräumbaren Zweifel am deskriptiven Wert empirisch unbestätigter Resultate des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms, wenn dieses in ausschliesslich konzeptioneller Fortspinnung bestehender, etablierter theoretischer Konstrukte und in Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten womöglich auf eine Patchwork-Welt, einen irreduziblen Flickenteppich disparater Bereiche, losgelassen wird, lässt diese Einschätzung sehr fraglich erscheinen. Im Falle des Vorliegens einer Patchwork-Welt, das sich mit unseren empi243

Siehe das Szenario 2 im Abschnitt "Das Problem der empirischen Kontrolle" des vorliegenden Teilkapitels.

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risch-wissenschaftlichen Mitteln nie ausschliessen lassen wird, lassen sich theoretische Konstrukte, die im Vereinheitlichungsprogramm motiviert erscheinen, zwar vielleicht im Sinne einer mathematisch-modelltheoretischen Extrapolation formulieren, aber sie müssen nicht notwendigerweise etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben. Eine empirische Stützung könnte diese Gefahr allerdings relativieren. Auch wenn die Eindeutigkeit und Einzigartigkeit des Stringansatzes (oder irgendeines anderen theoretischen Entwurfs) auf irgendeine Weise nachgewiesen werden könnte, müsste man diesen also dennoch zumindest solange nur als konzeptionelles Konstrukt ansehen, bis er empirische Belege aufweist. Kann er dies nicht, bleibt er nichts mehr als dieses Konstrukt, dem nicht ohne weiteres deskriptive Eigenschaften zugeschrieben werden können. - Aber inzwischen haben sich die Eindeutigkeits- und Einzigartigkeitsargumente ohnehin als unhaltbar erwiesen, und dies nicht etwa aufgrund von Überlegungen, die an den Stringansatz von aussen herangetragen worden wären, sondern vielmehr aufgrund von innertheoretischen Entwicklungen.244 Diese Entwicklungen lassen es darüberhinaus als höchst fraglich erscheinen, dass es jemals eine direkte empirische Bestätigung für den Stringansatz geben wird.245

244 245

Siehe Kap. 5. Siehe Kap. 5.3.

185

4.4. Problemtypologie

Zwei Arten von Problemen

Die Probleme, die theoretische Neuentwicklungen im Rahmen der empirischen Wissenschaften zu lösen bzw. mit denen sie sich zu beschäftigen haben, lassen sich in grundsätzlichster Weise in zwei Gruppen einteilen: Externe Probleme: Empirisch-wissenschaftliche Problemstellungen, zu deren Lösung eine Theorie entwickelt wurde oder deren in Aussicht gestellte Lösung eine Theorie überhaupt erst interessant machen. Interne Probleme: Konzeptionelle und mathematisch-modelltheoretische Probleme, die überhaupt erst bei der Entwicklung einer Theorie auftreten und nun von dieser zu lösen sind. Diese Unterscheidung lässt, wie im Folgenden gezeigt werden soll, ein wesentlich deutlicheres Licht auf den Status fallen, den der Stringansatz zur Zeit für sich beanspruchen kann.

Externe Probleme

Es gibt, wie bei der Erörterung seiner Entwicklung deutlich geworden sein dürfte, keine externen Probleme, zu deren Lösung der Stringansatz überhaupt erst entwickelt worden wäre.246 Es gibt für den Stringansatz jedoch in der Weise externe Probleme, als die Inaussichtstellung ihrer Lösung den Stringansatz als physikalische Theorie interessant machen. Indem der Stringansatz die erfolgreiche und empirisch adäquate Einbeziehung der Gravitation in eine vereinheitlichte Quantentheorie aller Wechselwirkungen verspricht, ist er, wenn er auch ursprünglich nicht zu diesem Zweck 246

Siehe Kap. 4.1.

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entwickelt wurde, als Theorieansatz relevant geworden. In dieser Hinsicht lässt sich das Problem einer nomologischen Vereinigung aller Wechselwirkungen unter Einschluss der Gravitation und mithin die Etablierung einer Theorie der Quantengravitation unter der Randbedingung der Reproduktion der bestehenden Phänomenologie als das entscheidende externe Problem ansehen, das der Stringansatz zu lösen vorgibt. Dass der Stringansatz eine Lösung dieses externen Problems in Aussicht stellt, ist die primäre Motivation für seine Weiterentwicklung.247

Legitime Erklärungsansprüche an eine fundamentale Theorie

Mit dieser primären externen Motivation gehen weitere Erklärungsdesiderate einher, die an einen Ansatz herangetragen werden müssen, der sich anschickt, als fundamentale physikalische Theorie aller Wechselwirkungen aufzutreten. Diese Erklärungsdesiderate gehören insofern ebenso in den Kontext der externen Problemstellungen, die der Stringansatz zu lösen hat, wenn er als fundamentale Theorie erfolgreich sein will. So sollte eine fundamentale, vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation ohne freie Parameter auskommen, da die Erklärung dieser freien Parameter ansonsten anschliessend im Rahmen einer fundamentaleren Theorie anzustreben wäre - was wiederum hiesse, dass die vorliegende vereinheitlichte Theorie nicht die fundamentale Theorie sein kann, die man gerade erreicht zu haben vermutete. Oder die fundamentale Theorie müsste verdeutlichen, wieso die auch in ihrem Kontext immer noch vorliegenden freien Parameter als grundlegend kontingent angesehen werden müssen, also in den Kontext einer mit theoretischen Mitteln nicht erklärbaren irreduziblen Kontingenz gehören. Der Stringansatz als angehende fundamentale Theorie sollte also entweder das Zustandekommen der Parameter des Standardmodells der Quantenfeldtheorien erklären können; oder er müsste verdeutlichen, wieso diese Parameter einer grundlegenden Kontingenz entsprechen und insofern nicht weiter erklärt werden können.

247

Siehe vor allem Kap. 4.2.

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"A really fundamental theory should have such a rigid structure that all phenomena in the low-energy regime, such as particle masses or coupling constants, can be predicted in an unique way." (Kiefer (2004) 20) Jedoch sollte der Stringansatz, wenn er den Status einer fundamentalen Theorie für sich geltend macht, nicht nur diese Parameter in ihrem Zustandekommen erklärbar werden lassen. Er sollte vielmehr in möglichst umfassender Weise die offenen Probleme des Standardmodells lösen. Hierzu zählen insbesondere die Fragen, wie es zur Festlegung hinsichtlich der Eichinvarianzen bzw. Symmetrien des Standardmodells kommt, wie und warum bestimmte Symmetriebrechungsmechanismen in unserer Welt realisiert sind, wie sich die Zahl der beobachtbaren Teilchengenerationen erklären lässt, wieso Materieteilchen chiral sein können - und vielleicht auch, warum quantenfeldtheoretische Berechnungen zu vollkommen falschen Werten hinsichtlich der kosmologischen Konstante führen, wenn diese mit der Energiedichte des quantenfeldtheoretischen Vakuums identifiziert wird. - Bisher zeichnet sich jedoch für diese offenen Fragen des Standardmodells im Stringansatz nur in den wenigstens Fällen eine Lösung ab; und dann auch meist keine eindeutige Lösung. "Sal - [...] There are other open problems of the standard model [...]. Like understanding why there are three families. Does string theory solve that? Simp - ... no ... Sal - why the cosmological constant is small ? Simp - ... no ... Sal - giving a better account of symmetry breaking ? Simp - ... no ... ." (Rovelli (2003) 4) Immerhin erklärt der Stringansatz, im Gegensatz zu allen Vorgängertheorien, grundsätzlich das Zustandekommen der Zahl der Teilchengenerationen. Diese Zahl wird in den Stringtheorien durch die Topologie der kompakten Raumdimensionen determiniert, die sich dynamisch in der Struktur der zulässigen Oszillationsspektren des String niederschlägt. Die Zahl der Teilchengenerationen ist gleich dem halben Absolutbetrag der Euler-Zahl des kompakten Raumes.248 Dennoch führt der Stringansatz damit noch nicht zu einer Vorhersage hinsichtlich der Zahl der Teilchengenerationen, 248

Siehe Kaku (1999), Kap. 10.6.

188

weil die Topologie der kompakten Raumdimensionen völlig unklar bleibt und es eine Vielzahl von Varianten gibt, die offensichtlich zu Generationszahlen zwischen drei und 480 führen. Für die meisten Kompaktifizierungsszenarien im Stringansatz - und vor allem für alle explizit formulierten Modelle - zeichnen sich Generationszahlen ab, die deutlich grösser als drei sind. Generationszahlen über drei scheinen jedoch, wenn man den Berechnungen der Quantenfeldtheorien vertraut, nicht mit der beobachtbaren Phänomenologie und ihren Konsequenzen verträglich zu sein. Das Problem der Teilchengenerationszahl scheint in fundamentaler Weise an das noch explizit zu erörternde Kontingenz- und Selektionsproblem des Stringansatzes gekoppelt zu sein, zu dem es aufgrund der Vielzahl der möglichen Stringszenarien kommt.249 Dies trifft jedoch ebenso auf die Festlegung der Eichinvarianzen und der Parameter des Standardmodells, auf die Frage nach dem Zustandekommen einer gebrochenen Supersymmetrie sowie auf das Problem der Vorhersage der Energiedichte des Vakuums bzw. der kosmologischen Konstante zu. Aufgrund seiner zentralen Stellung innerhalb der Problemlandschaft des Stringansatzes, seiner relativ komplexen Argumentationslage und den mit dieser einhergehenden philosophischen Implikationen und Alternativen wird das Kontingenzproblem separat in allen seinen Ausprägungen und Konsequenzen im folgenden Kapitel zu behandeln sein.250 Neben der Erklärung der offenen Fragen des Standardmodells der Quantenfeldtheorien, die fast durchgängig in den Sog des Kontingenzproblems geraten, gehören zu den von einer fundamentalen Theorie zu erwartenden Erklärungsleistungen einige weitere grundsätzliche Fragestellungen, die in den Kontext der externen Problemstellungen des Stringansatzes gehören. Zu diesen zählen nicht zuletzt etwa die von einer Theorie der Quantengravitation - und damit der "Quantengeometrie" - zu erwartenden Lösungen auf die Fragen, was überhaupt die Natur von Raum und Zeit ausmacht, was über die Dimensionalität der (unkompakten) Raumzeit entscheidet251 und 249

Siehe Kap. 5.3. Siehe Kap. 5. 251 Die Frage der Dimensionalität der Raumzeit lässt sich gleichermassen als internes Problem des Stringansatzes und seiner Kompaktifizierungs- und Branweltmodelle ansehen - wie als externes Problem, welches von einer fundamentalen Theorie zu lösen wäre, wenn man die Phänomenologie der 3+1er-Raumzeit nicht einfach als Faktum hinnehmen will. 250

189

wie Masse als entscheidende gravitative und damit geometrisierende Grösse zustandekommt. Die Äquivalenz von träger und schwerer Masse ist eine der Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie wird von dieser als letztlich empirisch stützbarer Befund vorausgesetzt und spielt eine zentrale Rolle bei der Festlegung der Theoriestruktur. Die Allgemeine Relativitätstheorie erklärt jedoch diese Äquivalenz nicht, sondern nimmt sie eben als Gegebenheit hin. Von einer fundamentalen Theorie sollte man sich daher eine Erklärung dafür erhoffen, wieso die träge Masse als Bewegungsgrösse mit der schweren Masse als gravitativer "Ladung" gleichzusetzen ist. Im Gegensatz etwa zur elektrischen Ladung, die, abhängig von ihrem Wert, jeweils zu unterschiedlichen dynamischen Entwicklungen - im klassischen Bild: unterschiedlichen Trajektorien - führt, folgen Objekte mit beliebiger Masse gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie identischen Trajektorien: Geodäten. Gerade dies hat zur Folge, dass sich die Gravitation im Gegensatz zum Elektromagnetismus geometrisieren lässt. Zudem führt die speziellrelativistische Äquivalenz von Masse und Energie zur Kopplung der Gravitation mit allen anderen Wechselwirkungskräften. Die anderen Wechselwirkungen sind untereinander nicht auf diese Weise verbunden. Die Gravitation steht aufgrund ihrer Wechselwirkungsstruktur und ihrer Identität mit der Metrik der Raumzeit in einem asymmetrischen Verhältnis zu den anderen Wechselwirkungen. (Dies zeigt sich nicht zuletzt auch in den Schwierigkeiten einer gleichartigen quantenfeldtheoretischen Behandlung aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation.252) Von einer fundamentalen Theorie sollte man sich nun aber nicht nur die Reproduktion dieser dynamischen Asymmetrie zwischen der Masse und den Feldladungen aller anderen Wechselwirkungen erhoffen, sondern vielmehr eine Erklärung, wie diese Asymmetrie zwischen der Gravitation und den anderen Wechselwirkungen zustandekommt und was Masse letztendlich ist. Es gibt bisher weder im Stringansatz, noch im Rahmen irgendeiner konkurrierenden Theorie eine angemessene Antwort auf diese Frage. Die Masse eines "Teilchens" entspricht im Stringansatz der Energie der entsprechenden Stringoszillation. Dies erklärt zwar grundsätzlich die Determinierung bestimmter Massewerte, wenn man vom bisher ungelösten Problem der Ableitung quantitativer Ergebnisse einmal absieht. Aber es erklärt nicht, was Masse ist. Der Stringansatz geht in dieser Hinsicht letztlich nicht weiter als das Standardmodell der Quantenfeldtheorien, in dem das Zustandekommen 252

Siehe vor allem Kap. 1. und 3.

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von Masse über den Higgs-Mechanismus und die spontane Symmetriebrechung erklärt werden soll. Das noch weitaus komplexere Problem der Raumzeit wird - aus ähnlichen Gründen wie sie schon für das Kontingenzproblem geltend gemacht wurden - separat im übernächsten Kapitel zu behandeln sein. Die damit verbundenen Detailprobleme und Konsequenzen sind einfach zu vielgestaltig und differenziert, um sie pauschal im Rahmen einer Typologisierung der Problemlandschaft des Stringansatzes abzuhandeln.

Interne Probleme

Trotz der vielfältigen externen Problemstellungen, mit denen sich der Stringansatz auseinandersetzen müsste, spielten die internen Probleme im Entwicklungsgang des Stringansatzes die dominante Rolle. Die Entwicklung war durchgängig und in geradezu selbstbezüglicher Weise bestimmt von theoretischen und konzeptionellen Problemen, die überhaupt erst im Rahmen dieser Entwicklung aufgetreten sind.253 "Sal - [...] the different ingredients of the theory are not solutions of problems of the standard model, or solutions of problems we have in understanding of the world: they are solutions to problems raised by other ingredients of the same theory. According to the Catholic doctrine there are two miracles happening in a Mass: the first miracle is that wine becomes truly blood. The second miracle is that the blood looks and smells like wine... it is just a miracle added to patch up the inconsistency created by the first ... ." (Rovelli (2003) 6) Der Stringansatz ist viel stärker mit sich selbst als mit der Lösung externer Problemstellungen beschäftigt. Allerdings hat er dabei noch nicht den Erfolgsstatus der katholischen Messe erreicht. Lange Zeit herrschte zwar die Auffassung oder zumindest Hoffnung vor, dass sich die internen Probleme 253

Zu diesen internen Problemen zählt nicht zuletzt auch das in Kap. 4.3. erörterte Problem der empirischen Kontrolle. Externe Probleme mit der Empirie lägen nur vor, wenn es, was nicht der Fall ist, für den Bereich der Quantengravitation empirische Daten gäbe, die von einer entsprechenden Theorie zu reproduzieren wären.

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im Rahmen eines eindeutigen, konsistenten Lösungsansatzes gleichsam auf einen Schlag lösen lassen.254 Diese Hoffnungen haben sich jedoch, wie noch zu erörtern sein wird, schliesslich zerschlagen.255 Die Behandlung der internen Probleme stellt noch immer das primäre Betätigungsfeld der Stringtheoretiker dar.

Fehlende fundamentale Prinzipien

Das zentrale interne Problem des Stringansatzes betrifft die fundamentalen Prinzipien. Wie im Rahmen der Erörterung ihrer Entstehungsgeschichte schon verdeutlicht,256 verfügen die Stringtheorien über kein fundamentales physikalisches Prinzip, aus dem sich die Dynamik und ihre nomologische Grundlage ableiten liesse. "[...] the central defining principle of string theory is not known." (Polchinski (1996) 9) Es liegen ausschliesslich perturbative Formulierungen vor. "A key difficulty in string theory is the lack of a complete nonperturbative formulation." (Rovelli (1998) 4) Die Suche nach einer nicht-perturbativen Formulierung der Theorie hat, trotz intensiver Bemühungen, bisher zu keinem Resultat geführt. "All that exists at the moment is a divergent series that is conjectured to be an asymptotic perturbation series for some as yet undefined nonperturbative string theory." (Woit (2001) 1)257 254

Siehe Kap. 5.1. Wiederum sei hier auf das Kontingenzproblem verwiesen. Siehe Kap. 5.2. 256 Siehe vor allem Kap. 4.1. 257 Gegenüber der Einschätzung des Mathematikers und entschiedenen Stringkritikers Peter Woit, der zur Zeit an einem Buch mit dem Titel Not Even Wrong - The Failure of String Theory and the Continuing Challenge to Unify the Laws of Physics schreibt, ist die (allerdings kurz nach dem Aufwind der Zweiten Superstring-Revolution verfasste) Kommentierung von Carlo Rovelli, einem der Begründer der Loop Quantum Gravity, erstaunlich moderat: 255

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Und es ist nicht zuletzt258 die Anwendung fast ausschliesslich perturbativer Prozeduren, die quantitative Vorhersagen im Stringansatz bisher verhindert hat und damit zum Problem der empirischen Kontrolle führt.259 Sogar manche Stringtheoretiker hegen inzwischen Zweifel, ob jemals ein fundamentales Prinzip gefunden werden wird, aus dem sich die Stringdynamik ableiten liesse. "At the moment it [...] seems very hard to go beyond this point and derive the numerical details of the standard model from first principles; perhaps it will never be possible, because there might simply be no such first principles." (Lerche (2000) 12) Jedenfalls sind das fehlende fundamentale Prinzip der Stringtheorien und ihre nahezu ausschliessliche Verwendung perturbativer Vorgehensweisen die Ursache dafür, dass sich der Stringansatz weitgehend im Bereich tentativer Mathematik bewegt.260 "Thus the research program called 'string theory' can be taken to be a set of activities in search of the definition of a theory to be called 'STRING THEORY'. What exists so far is only a collection of results concerning many different 'string theories'. These are conjectured to be each an approximate description of some sector of the so far undefined STRING THEORY." (Smolin (2003) 32f) Diese tentative Mathematik kennzeichnet die gesamte bisherige Entwicklungsgeschichte des Stringansatzes und deren zum Teil bizarren Charak-

"String theory presently exists at two levels. First there is a well developed set of techniques that define the string perturbation expansion over a given metric background. Second, the understanding of the nonperturbative aspects of the theory has much increased in recent years and in the string community there is a widespread faith, supported by numerous indications, in the existence of a yet-tobe-found full non-perturbative theory, capable of generating the perturbation expansion." (Rovelli (1998) 4) Siehe für eine frühe Kritik am Stringansatz auch Ginsparg / Glashow (1986). 258 Neben dem noch zu besprechenden Kontingenzproblem: Siehe Kap. 5. 259 Siehe Kap. 4.3. 260 Siehe Kap. 4.1.

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ter.261 Es gibt trotz der Entdeckung der Dualitätsbeziehungen keine wirkliche physikalische Theorie, schon gar keine fundamentale Theorie, sondern eher eine lange Liste von paradigmatischen Lösungsansätzen und tentativen Ad-hoc-Prozeduren, die bisher in den meisten Fällen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben. Das inhomogene Konvolut namens Stringtheorie kennzeichnet sich immer noch durch eine erhebliche Beliebigkeit. "Of course we have no nonperturbative definition of string theory and anything can happen." (Polchinski (2000a) 180) Ohne fundamentales physikalisches Prinzip ist der Rahmen für Spekulationsmöglichkeiten im Stringansatz weit gefasst: "Is string theory itself an inevitable consequence of some broader principle - possibly but not necessarily a symmetry principle - in much the same way that the equivalence principle inexorably leads to general relativity or that gauge symmetries lead to the nongravitational forces? As of this writing, no one has any insight into the answer to this question. To appreciate its importance, we need only imagine Einstein trying to formulate general relativity without having had the happy thought he experienced in the Bern patent office in 1907 that led him to the principle of equivalence. It would not have been impossible to formulate general relativity without first having this key insight, but it certainly would have been extremely difficult." (Greene (1999) 375)

Interne Aufräumarbeiten

Die meisten der weiteren internen Probleme des Stringansatzes manifestieren sich in den vielfältigen innertheoretischen Aufräumarbeiten: Hierbei geht es vor allem um die Suche nach angemessenen Verfahrensweisen beim Auftreten von Inkonsistenzen, Anomalien und Besonderheiten bei der Theorienbildung und um Strategien des Umgangs mit Konsequenzen 261

Siehe Kap. 4.1.

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der Theorienbildung, die erst einmal nicht mit der Phänomenologie in Einklang stehen. So führte die Erfordernis der Einbeziehung von Fermionen und Chiralität in den Stringansatz zur konzeptionell erfolgreichen Implementierung der Supersymmetrie.262 Diese wirft jedoch wiederum Folgeprobleme auf: Die Supersymmetrie ist, wie uns die Empirie zeigt, notwendigerweise gebrochen, denn die zu erwartenden supersymmetrischen Partner zu den bekannten Materieteilchen und Wechselwirkungsquanten haben ganz sicher nicht die gleiche Masse bzw. Energie wie diese, sonst hätten wir sie längst gefunden. Zudem hängt die Supersymmetrie mit dem Problem der kosmologischen Konstante zusammen und bietet damit ein Beispiel für die unmittelbaren kosmologischen Implikationen des Stringansatzes: Eine ungebrochene Supersymmetrie führt, wie sich zeigen lässt, notwendigerweise immer zu einer verschwindenden kosmologischen Konstante.263 Eine verschwindende kosmologische Konstante ist jedoch mit den heutigen astrophysikalischen Daten nicht vereinbar. Eine gebrochene Supersymmetrie führt aber zu nicht unerheblichen Problemen im Stringansatz. Wie lässt sich also die Erfordernis der Supersymmetrie im Stringansatz damit vereinbaren, dass diese, wie die Phänomenologie zeigt, offensichtlich gebrochen sein muss? - Die Supersymmetriebrechung könnte eine Folge der Kompaktifizierung sein. Auf der flachen zehndimensionalen Raumzeit der perturbativen Stringtheorien gilt die Supersymmetrie notwendigerweise. Dass sie für unsere Vierer-Raumzeit offensichtlich gebrochen ist und wir keine Supersymmetrie-Multipletts beobachten, sollte sich aus dem Kompaktifizierungsszenarien in irgendeiner Weise ergeben. Die genauen Umstände sind jedoch bisher noch völlig unklar. "So far, no convincing method has been proposed to yield supersymmetry breaking." (Kaku (1999) 543) Das ändert sich auch nicht mit den Ergebnissen aus den zaghaften Vorstössen in den nicht-perturbativen Bereich der Stringtheorien.

262

Ebenso führte die Vermeidung von Tachyonen-Zuständen in den frühen Stringtheorien zur sogenannten GSO-Projektion, die ihre Rechtfertigung wiederum post hoc im Kontext der Einbeziehung der Supersymmetrie erhielt. Siehe Kap. 4.1. 263 Siehe Kap. 5.2. und 5.3.

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"M-theory still cannot explain why supersymmetry is broken, or give us insight into the cosmological constant." (Kaku (1999) 543) In der Idee, dass die Brechung der Supersymmetrie mit der Kompaktifizierung zu tun haben könnte, manifestiert sich die Kopplung des Problems der gebrochenen Supersymmetrie mit einem weiteren zentralen Problemkomplex des Stringansatzes, der - auch schon völlig unabhängig von dieser Kopplung - zu umfänglichen Aufräumarbeiten Anlass gibt. Es handelt sich um die möglichen Konsequenzen, die sich aus der innertheoretischen Festlegung der Dimensionalität der Raumzeit im Stringansatz ergeben: Die Anforderung der Vermeidung von Anomalien bzw. der Berücksichtigung der Lorentz-Invarianz und der Unitarität hat zur Folge, dass die perturbativen Superstringtheorien nur auf zehn Raumzeitdimensionen konsistent formulierbar sind. Formal geht diese Anforderungsstruktur in die Super-Virasoro-Algebra der Fourierentwicklung des perturbativen Ansatzes ein.264 Für einen Ansatz, der vier Wechselwirkungen einheitlich beschreiben soll, ist dies grundsätzlich nicht so abwegig - vor allem nach der Erfahrung mit der Kaluza-Klein-Theorie, die mittels einer fünften Dimension versuchte, den klassischen Elektromagnetismus dynamisch in die Allgemeine Relativitätstheorie einzubeziehen.265 "[...] the main idea of Kaluza-Klein theories is to represent gauge invariance in four-dimensional space-time as resulting from the group of isometries of an internal n-dimensional manifold, a beautiful geometrical idea." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 10) Der Stringansatz ist die erste Theorie, die eine Festlegung hinsichtlich der Dimensionalität der Raumzeit zwingend macht - und diese nicht etwa, wie die Kaluza-Klein-Theorien, ad hoc einführt. "String theory is actually a natural setting not only for gravitation and gauge fields but also for the Kaluza-Klein mechanism. [...] in contrast to field theory, string theory points to the existence of extra dimensions and even specifies their number." (O'Raifeartaigh / Straumann (2000) 15) 264 265

Siehe Kap. 2.1. und 4.1. Siehe vor allem Kap. 1., 2.2. und 4.2.

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Die Frage der Dimensionszahl der Raumzeit ist damit im Stringansatz zwar innertheoretisch gelöst, die Dimensionszahl und ihr Zustandekommen bleibt aber letztlich physikalisch unverstanden. "[...] why does string theory require the particular number of nine space dimensions to avoid nonsensical probability values? This is probably the hardest question in string theory to answer without appealing to mathematical formalism. A straightforward string theory calculation reveals this answer, but no one has an intuitive, nontechnical explanation for the particular number that emerges. The physicist Ernest Rutherford once said, in essence, that if you can't explain a result in simple, nontechnical terms, then you don't really understand it." (Greene (1999) 203) Vor allem aber: Auch wenn die Stringtheorien notwendigerweise mit zehn Dimensionen arbeiten, so hat unsere phänomenologische Raumzeit offensichtlich nur vier Dimensionen. Was tun? Wie kommen wir von den zehn Dimensionen des Stringansatzes zu unserer phänomenologischen ViererRaumzeit? - Es gibt, wie zuvor schon erläutert, zwei Erklärungsszenarien: zum einen die Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen,266 zum anderen die Anbindung der Materie und Felder an Dirichlet-Branen,267 vielleicht aber auch eine Kombination beider Möglichkeiten.268 Hinsichtlich der ersten Variante stellt sich erst einmal die Frage, in welcher Form die Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen erfolgen könnte. Dieses Problem ist im Rahmen des Stringansatzes zwar nicht dynamisch verstanden,269 aber zumindest konzeptionell grundsätzlich gelöst. Für eine Kompaktifizierung kommt im Rahmen der perturbativen Stringtheorien nur eine komplexe Mannigfaltigkeit mit angemessener Holonomie-Gruppe und Metrik in Frage. Die entsprechenden Bedingungen sind 266

Siehe Kap. 2.2. Siehe Kap. 2.4. 268 Siehe Kap. 2.4. 269 "The problem, however, is that dimensional breaking from a 10-dimensional theory down to four dimensions can occur only nonperturbatively. To any finite order in the perturbation theory, the dimension of space-time seems perfectly stable. [...] Unfortunately, we do not yet understand how to perform realistic nonperturbative calculations in string theory [...]. Thus, physicists have not been able to calculate the stability of any classical vacuum solution." (Kaku (1999) 337) 267

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gerade für sechsdimensionale Calabi-Yau-Räume gegeben.270 - Interessanter ist das Problem der physikalischen Konsequenzen einer solchen Kompaktifizierung. Denn der jeweilige Kompaktifizierungsmodus bestimmt die Niederenergiephysik im vierdimensionalen Raum: "According to string theory, the universe is made up of tiny strings whose resonant patterns of vibration are the microscopic origin of particle masses and force charges. String theory also requires extra space dimensions that must be curled up to a very small size to be consistent with our never having seen them. But a tiny string can probe a tiny space. As a string moves about, oscillating as it travels, the geometrical form of the extra dimensions plays a critical role in determining resonant patterns of vibration. Because the patterns of string vibrations appear to us as the masses and charges of the elementary particles, we conclude that these fundamental properties of the universe are determined, in large measure, by the geometrical size and shape of the extra dimensions. That's one of the most far-reaching insights of string theory." (Greene (1999) 206) Die geometrischen und topologischen Symmetrien des kompakten sechsdimensionalen Raumes erscheinen als Eichfelder einer effektiven Theorie auf der verbleibenden ausgedehnten Vierer-Raumzeit. Die Erhaltungsgrössen innerhalb des kompakten Raumes treten als "Ladungen" in der nicht-kompakten Vierer-Raumzeit in Erscheinung. Die starke, die schwache und die elektromagnetische Wechselwirkung sollten sich als Konsequenz des jeweiligen Kompaktifizierungsmodus ergeben. Damit kommt das Kompaktifizierungsszenario des Stringansatzes dem Geometrisierungsprogramm von Einstein, Kaluza, Klein und Wheeler schon sehr nahe. In gewisser Weise bietet gerade die Kompaktifizierung eine Grundlage für die Geometrisierung aller Wechselwirkungen entsprechend der Geometrisierung der Gravitation innerhalb der Allgemeine Relativitätstheorie. Leider ergibt sich jedoch keine eindeutige Lösung für die Kompaktifizierung. Es gibt sehr viele Möglichkeiten für die Kompaktifizierungsmodi innerhalb der Stringtheorien. Und diese Vielzahl der möglichen Kompaktifizierungsmodi tritt innerhalb der Vierer-Raumzeit physikalisch sehr unterschiedlich in Erscheinung. Der Stringansatz legt kein eindeutiges physikalisches Ergebnis nahe, sondern vielmehr eine Vielzahl physikalisch unter270

Siehe Kap. 2.2.

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schiedlicher Möglichkeiten. Neuere Abschätzungen gehen von 10100 bis 10500 möglichen Szenarien mit jeweils unterschiedlichen Niederenergieimplikationen innerhalb des perturbativen Stringansatzes aus. Der Kompaktifizierungsansatz zur Lösung des Problems der überzähligen Dimensionen mündet also unmittelbar im Kontingenzproblem.271 Unabhängig von dieser Problematik kann man sich natürlich fragen, wieso eine Kompaktifizierung gerade von zehn zu vier Raumzeitdimensionen führt. "[...] if the equations of string theory [...] show that the universe has nine space dimensions and one time dimension, why is it that the three space (and one time) dimensions are large and extended while all the others are tiny and curled up? Why aren't they all extended, or all curled up, or some other possibility in between? At present no one knows the answer to this question." (Greene (1999) 204) Tentative Versuche, die Kompaktifizierung dynamisch zu erfassen, also die dynamische Entwicklung einer Raumzeit mit anfänglich zehn gleichwertigen Dimensionen und den entsprechenden Stringzuständen zu berechnen, um vielleicht nachweisen zu können, wie es gerade zu einer vierdimensionalen phänomenologischen Raumzeit kommt, haben gezeigt, dass sich im Rahmen der Kompaktifizierung bzw. Dekompaktifizierung beliebige Dimensionalitäten ergeben können, ohne jegliche statistische Signifikanz für eine vierdimensionale Raumzeit.272 Auch hier schimmert das Kontingenzproblem wieder auf. "At present, our arsenal of techniques is still to primitive to answer the question of whether the theory undergoes spontaneous dimensional breaking." (Kaku (1999) 404) Muss der Stringansatz jedoch überhaupt eine Kompaktifizierung der über unsere phänomenologische Vierer-Raumzeit hinausgehenden Dimensionen als Gegebenheit annehmen? Vielleicht kann man von einer ausgedehnten, unkompakten Zehner-Raumzeit ausgehen und auf andere Weise erklären, wieso es zur phänomenologischen Vierer-Raumzeit kommt. Vielleicht gibt 271 272

Siehe Kap. 5. Siehe Easther / Greene / Jackson / Kabat (2005).

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es überhaupt keine Kompaktifizierung. Warum nehmen wir aber dann nur vier Raumzeitdimensionen wahr? Eine mögliche Antwort auf diese Frage und damit eine alternative Lösung zum Problem der Diskrepanz zwischen den zehn Dimensionen der perturbativen Superstringtheorien und den vier Dimensionen unserer phänomenologischen Raumzeit liefern gerade die Branwelt-Szenarien.273 Diese gehen von einer Anbindung der Materie und Felder an Dirichlet-Branen aus. Dass wir nur vier Raumzeitdimensionen wahrnehmen, könnte daran liegen, dass die kosmische Materie an eine dreidimensionale Dirichlet-Bran gebunden ist. Vielleicht ist unser Universum also eine (sich zeitlich entwickelnde) D3-Bran in einer zehndimensionalen Raumzeit. Es könnte innerhalb der Raumzeit noch andere solche Branen geben. - Aber auch wenn die Branweltszenarien eine interessante Idee in den Stringansatz einbringen, so ist diese bisher bestenfalls Spekulation. Dies gilt gleichermassen für die diversen Kompaktifizierungsszenarien und erst recht für Szenarien, die eine Kombination beider Möglichkeiten vorsehen.274 Es ist letztendlich nicht einmal auszuschliessen, dass die vom Stringansatz postulierte Dimensionalität der Raumzeit ein Artefakt ist, welches auf einer unangemessenen modelltheoretischen Grundlage im Stringansatz beruht. Dann wären alle Aufräumarbeiten und die ingeniösen Ideen in ihrem Kontext müssig. Damit ist es nun höchste Zeit für eine Beschäftigung mit den beiden besonders virulenten Problemzonen des Stringansatzes, die schon im Vorausgehenden immer wieder aufschimmerten und heute zu seinen zentralen konzeptionellen Baustellen zählen. Dies ist zum einen das im folgenden Kapitel zu erörternde Kontingenz- und Selektionsproblem, zum anderen das im übernächsten Kapitel zu behandelnde Problem der (Hintergrund-) Raumzeit. Das Problem der Raumzeit ist ein originär externes Problem, das seinen Ausgang darin nimmt, dass der Stringansatz eine der grundsätzlicheren Anforderungen an eine Quantengravitationstheorie nicht einlöst: nämlich nicht ohne guten Grund hinter die empirisch untermauerten, fundamentaleren Einsichten der Allgemeinen Relativitätstheorie hinsichtlich unseres Verständnisses von Raum und Zeit zurückzufallen, sondern sich vielmehr, vielleich auf diesen Einsichten aufbauend, um eine weitergehende Klärung der Frage nach der Natur von Raum und Zeit zu bemühen. Was jedoch als 273 274

Siehe Kap. 2.4. Siehe Kap. 2.4. sowie Aspinwall (2004).

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externes Problem startet, führt mit seinen Lösungsansätzen und Konsequenzen sehr schnell zu diversen internen Problemabkopplungen, die teilweise ein Eigenleben annehmen. Das Kontingenz- und Selektionsproblem hingegen startet als internes Problem und wächst dann mit seinen Konsequenzen schliesslich in eine externe Problemlandschaft hinein, in der es nicht zuletzt um die Fragen geht, welches Mass an Kontingenz eine fundamentale Theorie verträgt, wie sich nomologische Möglichkeiten zur faktischen Realität verhalten, welche Selektionsmechanismen vom Möglichen zum Faktischen führen könnten, ob angesichts der Beschaffenheit unserer Welt ("Feinabstimmung") der angemessene Weg zur Erklärung kontingenter Faktizität und Phänomenologie wenn man nicht auf unerklärliche kosmische Koinzidenzen oder gar auf die Idee eines absichtlich geschaffenen Designer-Universums zurückgreifen möchte - vielleicht im anthropischen Prinzip zu suchen wäre und was dies schliesslich für die Physik als (ursprünglich) empirische Wissenschaft bedeutet.

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5. Das Kontingenzproblem 5.1. Eindeutigkeit und Einzigartigkeit Obwohl das dem Stringansatz zugrundeliegende, physikalisch motivierbare Prinzip auch nach mehr als drei Jahrzehnten der Entwicklung immer noch unbekannt ist und es nicht einmal klar ist, ob es ein solches physikalisches Prinzip wirklich gibt, wurde von den an dieser Entwicklung Beteiligten immer wieder auf seine innere Kohärenz und mathematische Geschlossenheit hingewiesen. Die postulierte innere Kohärenz wurde dann als Argument für die Eindeutigkeit und die Einzigartigkeit des theoretischen Entwurfs geltend gemacht. Diese manifestiert sich nach Auffassung der Stringtheoretiker vor allem in der Tatsache, dass sich viele erst einmal eingeschlagenen Wege der Theorienentwicklung als nicht anomaliefrei formulierbar erwiesen haben. So findet sich etwa schon in einem während der ersten Welle des Superstring-Enthusiasmus geschriebenen Artikel von Michael B. Green, der den Stringansatz entscheidend mitentwickelt hat, die Feststellung: "[...] the unification of the forces is accomplished in a way determined almost uniquely by the logical requirement that the theory be internally consistent." (Green (1986) 44) Der wesentliche Schritt in dieser Argumentationsfolge besteht aber dann schliesslich darin, dass die innere Kohärenz, die nach Ansicht einiger Beteiligter vor allem in der logischen und konzeptionellen Widerspruchsfreiheit des Ansatzes deutlich wird - eine letztlich für jede Theorie zu berücksichtigende Grundanforderung innertheoretischer Kohärenz -, teilweise schon als ausreichendes Kriterium erachtet wird, um die Angemessenheit der verwendeten Theoriestruktur in der Naturbeschreibung zu begründen. Belange der empirischen Überprüfbarkeit bleiben bei dieser Argumentationsweise erst einmal aussen vor, was für einen Ansatz, der nach über drei Jahrzehnten immer noch über keine empirischen Überprüfungsinstanzen verfügt und sie auch nicht in konkreter Weise in Aussicht stellen kann,

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zumindest in strategischer Hinsicht leicht nachvollziehbar erscheint, wenngleich dies natürlich in keiner Weise als methodologische Rechtfertigung verstanden werden kann. - Teilweise wird die Einzigartigkeitsthese sogar explizit als Argument dafür geltend gemacht, dass eine empirische Überprüfung unter Umständen gar nicht mehr notwendig sei: "Eine letztgültige, ideale [Allumfassende Theorie] würde jeden Rückgriff auf ein Experiment überhaupt überflüssig machen. Alles und jedes liesse sich auf das jeweils Verbleibende zurückführen. [...] Eine solche Theorie würde auf einem einzigen Prinzip beruhen, das die Quelle für alles Wissen über die Natur wäre. Voraussichtlich würde sich dieses Prinzip als ein knapper mathematischer Ausdruck erweisen, der die gesamte fundamentale Physik in sich einschliesst. Um mit Leon Lederman, dem Direktor von 'Fermilab', [...] zu sprechen: Es wäre eine Formel, die man 'auf seinem T-Shirt tragen könnte'." (Davies / Brown (1992) 18) Nach der Entdeckung der Dualitäten zwischen den perturbativen Stringtheorien um 1995 erhält die Einzigartigkeitsthese - implizit geradezu als Ersatz für die empirische Überprüfung verstanden - noch weiteren Auftrieb, so dass John Schwarz 1998 konstatiert: "I believe that we have found the unique mathematical structure that consistently combines quantum mechanics and general relativity. So it must almost certainly be correct." (Schwarz (1998) 2) Eine solche Aussage erscheint im Kontext der empirischen Wissenschaften erst einmal nicht weniger als erstaunlich. Vor allem macht sie, wenn es einer solchen Motivation noch bedurft haben sollte, noch einmal deutlich, wieso eine metatheoretische Reflektion des Stringansatzes im Rahmen der Wissenschaftsphilosophie unbedingt geboten erscheint. Aber auch die Wissenschaftsphilosophie scheint gegenüber dem Zauber der Einzigartigkeitsmetaphysik des Stringansatzes nicht völlig immun zu sein. Im Rahmen einer wissenschaftsphilosophischen Sublimierung werden nämlich dann von Richard Dawid sogar Versuche unternommen, die Einzigartigkeitsthese und ihre vermeintlich zentrale Relevanz für die Physik methodologisch zu rechtfertigen und aus ihrem Auftreten im Stringansatz

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Motivationen für eine Neuausrichtung hinsichtlich der Mechanismen empirisch-wissenschaftlicher Theoriebildung abzuleiten: "There is only one possible motivation to accept string theory as a plausible candidate for a description of nature: The principle of underdetermination must be undermined by good arguments that string theory is the only consistent way to build a theory in its regime. [...] The claim that such a revolutionary novel concept still seems to be the only choice must be based on even more fundamental physical principles. [...] The authority of string theory is inherently based on the claim: If you start from these principles and try to build an overall consistent theory, you will be forced to develop string theory." (Dawid (2003) 15) Tritt nun mit dem Stringansatz tatsächlich eine neue methodologische Grundlage für die Physik in Kraft? Zeigt der Stringansatz, wie sich die empirischen Wissenschaften von der Empirie abkoppeln und trotzdem zu einer angemessenen Naturbeschreibung gelangen können? Ist der Stringansatz die erste Ausprägung einer postmodernen Physik? - Wenn dies wirklich so wäre, dann hätte sich diese postmoderne Physik schon seit einiger Zeit angekündigt. Die Tendenz, dass die empirische Kontrolle gegenüber Argumenten, die sich auf die Kohärenz des theoretischen Ansatzes stützen, an Gewicht verlieren könnte, ist nämlich, auch wenn man bei oberflächlicher Betrachtung diesen Eindruck gewinnen könnte, keine Idee, die erst mit dem Stringansatz den Boden der Physik betreten hat. Sie deutete sich vielmehr schon, lange bevor der Stringansatz seine heutige Bedeutung erreichte, im Rahmen des Vereinheitlichungsprogramms der Physik an. So konstatierte James T. Cushing schon 1985, ohne sich dabei in irgendeiner Weise auf den Stringansatz zu beziehen: "Although this contingency of physical laws has been the point of view adopted by most modern scientists, there have been some attempts even in the present century to show that physical laws are unique and necessary or that certain apparently contingent general features of the world are in fact necessary." (Cushing (1985) 33) Dies macht deutlich, dass dieser vermeintlich postmoderne Trend nicht etwa auf die Einflussnahme der aufkommenden Stringtheorien zurückgeführt werden kann, sondern diese vielmehr einem schon bestehenden Trend

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zum Durchbruch verholfen haben. Cushing sah in dieser schon vor dem Aufkommen des Stringansatzes feststellbaren Entwicklung zumindest erste Anzeichen für einen Wandel in unserem Verständnis der naturwissenschaftlichen Methodologie und hinsichtlich der Kriterien der Rechtfertigung wissenschaftlichen Wissens: "The general scheme remains hypothetico-deductive, but the coherence constraint becomes much tighter." (Cushing (1985) 32) Im Stringansatz hat die auf innertheoretischer Kohärenz und logischer Konsistenz beruhende Argumentationsweise nun den Höhepunkt ihrer methodologischen und strategischen Bedeutung erreicht. Dabei wird allerdings nicht nur die logische Konsistenz und die Anomaliefreiheit der Stringtheorien als Argument für ihre postulierte Einzigartigkeit geltend gemacht, sondern darüber hinaus ein gewichtiges Konvolut an metaphysischen Hintergrundannahmen in den Einsatz geschickt, die für unser Verständnis des Verhältnisses von Natur und Naturbeschreibung eindeutige Festlegungen mit sich bringen: Vielleicht - so die hinter der Einzigartigkeitsthese im Stringansatz stehende zentrale Intuition - ist, aufgrund strukturaler Festlegungen im Naturgeschehen, die zur Folge haben, dass die Welt gar nicht anders beschaffen sein kann, als sie es tatsächlich ist, ohnehin nur eine mathematisch konsistente und gleichzeitig umfassende Beschreibung der Welt möglich.275 275

Auch diese metaphysische Intuition ist natürlich wesentlich älter als der Stringansatz: "A goal of science, and indeed of much of human knowledge, is to account for the world as we find it. If it could be argued that the world were either a priori necessary or the only one possible consistent with some general principle, then an important advance would have been made in accounting for the structure of the world." (Cushing (1985) 33) Eine radikalisierte Variante der Idee, Kohärenz als Kennzeichen für die Eindeutigkeit und Einzigartigkeit unserer Naturbeschreibung anzusehen, findet sich etwa im Bootstrap-Konzept, welches in den sechziger Jahren im Kontext der Hadronenphysik von Geoffrey Chew vertreten, aber auch darüber hinaus diskutiert wurde. Siehe etwa Chew (1968), (1970) und (1983) sowie Gale (1974) und (1975). Die einzige Forderung, die innerhalb des Bootstrap-Konzeptes für unsere Naturbeschreibung gefordert wird, ist die der Selbstkonsistenz. Hintergrund dafür ist die Annahme, dass die Natur selbst durch ihre interne Kohärenz vollständig und eindeutig festgelegt wird: "In the broadest sense, bootstrap philosophy asserts that nature is as it is because this is the only possible nature consistent with itself." (Chew (1968) 762)

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"In his long search for a unified theory, Einstein reflected on whether 'God could have made the Universe in a different way; that is, whether the necessity of logical simplicity leaves any freedom at all.' With this remark, Einstein articulated the nascent form of a view that is currently shared by many physicists: If there is a final theory of nature, one of the most convincing arguments in support of its particular form would be that the theory couldn't be otherwise. The ultimate theory should take the form that it does because it is the unique explanatory framework capable of describing the universe without running up against any internal inconsistencies or logical absurdities. Such a theory would declare that things are the way they are because they have to be that way. Any and all variations, no matter how small, lead to a theory that - like the phrase 'This sentence is a lie' - sows the seeds of its own destruction. / Establishing such inevitability in the structure of the universe would take us a long way toward coming to grips with some of the deepest questions of the ages. These questions emphasize the mystery surrounding who or what made the unnumerable choices apparently required to design our universe. Inevitability answers these questions by erasing the options. Inevitability means that, in actuality, there are no choices. Inevitability declares that the universe could not have been different. [...] the pursuit of such rigidity in the laws of nature lies at the heart of the unification program in modern physics." (Greene (1999) 283f) Wenn die Annahme einer qua interner struktureller Festlegungen notwendigerweise eindeutigen Beschaffenheit der Welt richtig sein sollte, brauchte man hinsichtlich der Anforderungen an eine Fundamentaltheorie vielleicht nur die der Widerspruchsfreiheit - der logischen und konzeptionellen Konsistenz - und die der grössten Allgemeinheit in ihren Aussagen, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen: der Eindeutigkeit und Angemessenheit hinsichtlich der theoretischen Beschreibung der Natur. Dann wäre die erste vollständig vereinheitlichte Theorie, die man findet, schon die richtige. Und um die Empirie müsste man sich dann vielleicht gar nicht mehr kümmern. "If this hope is realized. then it suffices to find that one unified theory. The first fully consistent unified theory to be found will be the only one that can be found and it will thus have to be the true theory of nature. It has even been said that, because of this, physics no longer needs

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experimental input to progress. At the advent of string theory, this kind of talk was very common. The transition from physics as an experimental science to physics based on finding the single unified theory was even called the passage from modern to postmodern physics." (Smolin (2005) 26f) In konkreter Hinsicht hat die im Stringansatz zum Einsatz kommende Einzigartigkeitsthese die Hoffnung zur Folge, innerhalb eines durch seine mathematische Konsistenz bzw. seine innertheoretische Kohärenz sich als einzigartig erweisenden Ansatzes eine eindeutige nomologische Beschreibung der Natur zu erreichen, welche nicht zuletzt ohne freie Parameter auskommt. Dies steht im Einklang mit der schon im letzten Kapitel angesprochenen Überlegung, dass eine fundamentale, vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation ohne freie Parameter auskommen sollte, da die Erklärung dieser freien Parameter ansonsten im Rahmen einer noch fundamentaleren Theorie anzustreben wäre, was wiederum hiesse, dass die vorliegende vereinheitlichte Theorie nicht die fundamentale Theorie sein kann, die man gerade erreicht zu haben glaubte. Dazu gäbe es spätestens dann keine Alternative mehr, wenn die fundamentale Theorie nicht nur fundamental, sondern darüberhinausgehend auch noch einzigartig wäre: Denn die Möglichkeit, dass eine fundamentale Theorie etwa verdeutlichen könnte, wieso die auch in ihrem Kontext immer noch vorliegenden freien Parameter als grundlegend kontingent angesehen werden müssten, also in den Kontext einer mit theoretischen Mitteln nicht erklärbaren irreduziblen Kontingenz gehörten, wird gerade im Rahmen der Einzigartigkeitsthese ausgeschlossen. "For many decades there has been a consensus on how to solve the problems of the undetermined parameters: unify the different forces and particles by increasing the symmetry of the theory and the number of parameters will decrease. The expectation that unification reduces the number of parameters in a theory is due both to historical experience and to philosophical argument. The former is easy to understand: [...] Newton [...] Maxwell [...]. The philosophical argument is along the lines of the following: reductionism will lead to a fundamental theory, a fundamental theory will answer all possible questions and so can't have free parameters, and unification operates in the service of greater reductionism. Or perhaps: the theory that unifies everything should be able to answer all questions. So it had better be

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unique, otherwise there would be unanswerable questions, having to do with choosing which unified theory corresponds to nature." (Smolin (2004) 8) Gäbe es Kontingenz auf der fundamentalen Beschreibungsebene, so wären andere fundamentale Theorien möglich, auch wenn sie nicht unsere Welt beschrieben. Die fundamentale Theorie, die unsere Welt beschreiben würde, wäre jedenfalls nicht durch Konsistenzforderungen eindeutig festlegbar. Sie wäre in keiner Weise einzigartig. Auch die Unterscheidung in Theorie und kontingente Anfangs- bzw. Randbedingungen wäre für eine einzigartige fundamentale Theorie letztlich nicht mehr hinnehmbar. Denn gäbe es über eine fundamentale Theorie hinausgehend noch kontingente Anfangsbedingungen oder Randbedingungen, so widerspräche dies unmittelbar ihrer Einzigartigkeit. Entweder müsste es eine noch fundamentalere Theorie geben, die diese Anfangsbedingungen oder Randbedingungen in ihrem Zustandekommen erklärte oder sie wären tatsächlich kontingent. Und hier gilt dann wiederum: Gäbe es Kontingenz auf der fundamentalen Beschreibungsebene, so wären andere fundamentale Beschreibungen möglich, auch wenn diese sich nicht unsere Welt bezögen. Die fundamentale Theorie, die unsere Welt beschreiben würde, wäre durch Konsistenzforderungen nicht eindeutig festlegbar. Sie wäre in keiner Weise einzigartig. Dennoch, so könnte man erst einmal vermuten, bleibt auch im Falle ihrer Einzigartigkeit immer noch die Unterscheidung zwischen der fundamentalen Theorie selbst und ihren Lösungen bestehen. Erst die Lösungen liessen sich mit der Phänomenologie in Beziehung setzen, so dass die Theorie selbst mit der Phänomenologie nur in einer indirekten Beziehung stände. Aber, man kann natürlich so weit gehen zu behaupten, eine einzigartige fundamentale Theorie müsse entweder über nur eine konsistente Lösung verfügen oder aber erklären, welche ihrer Lösungen die ist, die realisiert ist, und aus welchen Gründen dies der Fall ist. Dies bedeutete dann die vollständige Ausschaltung von Kontingenz im Rahmen einer einzigartigen fundamentalen Theorie. Aber die mit der Einzigartigkeitsthese einhergehenden Intuitionen, Hoffnungen und metaphysischen Hintergrundannahmen könnten sich als überzogen herausstellen: Einerseits gibt es kein zwingendes Argument dafür, dass es nicht mehr als eine konsistente umfassende Theorie mit grösster Allgemeinheit geben

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kann. Die Gründe dafür könnten in der Natur und ihrer Beschaffenheit oder auch in den Mechanismen unserer empirisch-wissenschaftlichen Modellund Theorienbildung zu suchen sein. Erst eine empirische Überprüfung könnte zwischen solchen Theorien eine Entscheidung treffen. Aber auch dafür gäbe es keine Gewähr, wenn Quines These der empirischen Unterbestimmtheit zutreffen sollte.276 Andererseits gibt es vielleicht aber auch gar keine konsistente Theorie mit grösster Allgemeinheit, die als Naturbeschreibung geeignet wäre. Unter Umständen ist eine umfassende Beschreibung der Natur auf der Grundlage der von uns formulierbaren Konzepte, auch der allgemeinsten, nicht erreichbar. Vielleicht sind wir mit den uns zur Verfügung stehenden epistemischen Mitteln grundsätzlich nicht in der Lage, die Natur in vollem Masze zu erfassen und zu verstehen. Vielleicht bleibt immer ein uns unzugängliches Residuum zurück, so dass eine "Allumfassende Theorie" schon aus diesem Grunde für uns unerreichbar wäre. - Wir müssten die Gründe für unsere epistemische Begrenztheit und ihre Konsequenzen auch nicht einmal unmittelbar verstehen und nachvollziehen können.277 Wir würden sie vielleicht nur indirekt im Scheitern unserer wissenschaftlichen Beschreibungsversuche der Natur bemerken. Wie auch immer es um die innertheoretische Kohärenz steht: Auf die Einzigartigkeitsthese ist kein Verlass, solange für sie keine besseren Gründe als die soeben angeführten vorgebracht werden können. Um eine empirische Kontrolle kommt eine empirisch-wissenschaftliche Theorie nicht herum. Die zentrale Schwierigkeit mit mathematischen Konzeptionen, die sich, ohne Verbindungen zur Empirie aufzuweisen oder zumindest in Aussicht zu stellen, als physikalische Theorien ausgeben, besteht vor allem darin, dass die Problematik der Interpretation von Theorieaussagen hin auf ihre Korrelate in der Natur ausser Kontrolle gerät. Für den Stringansatz etwa, wie er sich heute darstellt, bleibt weitgehend unklar, welche seiner theoretischen Aussagen und welche seiner Implikationen wir in realistischer Weise als Komponenten der Beschreibung von tatsächlichen Gegebenheiten interpretieren sollen und welche eben nicht.278

276 277 278

Siehe Quine (1953). Siehe Hedrich (1995), (1998), (1999), (2001) sowie (2002b). Siehe Kap. 7.

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Aber aufgrund der neueren Entwicklungen innerhalb des Stringansatzes bedarf es dieser Kritik eigentlich gar nicht mehr. Denn in den letzten Jahren hat hier ein Prozess der sukzessiven Entmythologisierung der Idee der Einzigartigkeit und Eindeutigkeit stattgefunden, der im folgenden zu erörtern sein wird.

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5.2. Uneindeutigkeit und Kontingenz Den Prozess der Entmythologisierung, den der Stringansatz hinsichtlich der Eindeutigkeits- und Einzigartigkeitsthese inzwischen durchlaufen hat, umreisst Leonard Susskinds in höchst treffender Weise: "The world view shared by most physicists is that the laws of nature are uniquely described by some special action principle that completely determines the vacuum, the spectrum of elementary particles, the forces and the symmetries. Experience with quantum electrodynamics and quantum chromodynamics suggests a world with a small number of parameters and a unique ground state. For the most part, string theorists bought into this paradigm. At first it was hoped that string theory would be unique and explain the various parameters that quantum field theory left unexplained. When this turned out to be false, the belief developed that there were exactly five string theories with names like type-2a and Heterotic. This also turned out to be wrong. Instead, a continuum of theories were discovered that smoothly interpolated between the five and also included a theory called M-Theory. The language changed a little. One no longer spoke of different theories, but rather different solutions of some master theory. The space of these solutions is called The Moduli Space of Supersymmetric Vacua. I will call it the supermoduli-space. Moving around on this supermoduli-space is accomplished by varying certain dynamical moduli." (Susskind (2003) 1) Deutlich ironischer klingt dies bei Lee Smolin: "[...] the number of string theories for which there is some evidence for has been growing exponentially as string theorists developed better techniques to construct them." (Smolin (2004) 10) Interessanterweise war es gerade die Entdeckung der Dualitäten zwischen den perturbativen Stringtheorien, die erst einmal der Einzigartigkeitsthese Vorschub leistete, um dann schliesslich doch der Einsicht in die unkontrollierbare Vielfalt von physikalisch unterschiedlichen Stringszenarien Tor und Tür zu öffnen und damit die Einzigartigkeitsthese zu Fall zu bringen.

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"String Theory has always been plagued by a plethora of solutions which do not describe the real world. Early hopes that some of the highly supersymmetric moduli spaces of solutions would prove inconsistent once nonperturbative physics was understood, were dashed in a definitive manner by the second superstring revolution." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 2) Eines der grundsätzlichen Probleme hinsichtlich dieser Vielheit von Stringszenarien besteht darin, diese in Beziehung zur beobachtbaren Phänomenologie zu setzen, also beispielsweise die vom quantenfeldtheoretischen Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschriebenen Wechselwirkungen und Symmetrien zumindest als niederenergetische Näherung innerhalb des Spektrums der Stringszenarien wiederzufinden und ihr Auftreten zu erklären. Hierbei wären dann auch die Parameter des Standardmodells durch ein angemessenes theoretisches Szenario zu reproduzieren, das selbst gerade ohne diese Parameter auskommt. Ein solches Szenario müsste also gerade das Zustandekommen dieser Parameter des Standardmodells erklären können. Die eindeutige und begründete Reproduktion des Standardmodells als Niederenergienäherung und die Ableitung seiner Parameter scheitert jedoch offensichtlich gerade an der Vielheit möglicher theoretischer und nomologischer Szenarien im Stringansatz. "All currently accepted physical theories require some phenomenological input. Our recent enthusiasm for string theory as the theory of everything has given rise to the hope that the only necessary inputs are the basic dimensionful parameters which define the conversion between socially defined scales of measurement and the fundamental units of mass, length, time and action. This is not necessarily the case, and the existence of mathematically consistent, disconnected, models of quantum gravity suggests that it is not the case." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 21) Wenn aber die grundsätzliche Reproduktion des Standardmodells als Niederenergienäherung schon nicht gelingt, wie sollte der Stringansatz dann zu eindeutigen, physikalisch angemessenen, phänomenologisch relevanten und empirisch überprüfbaren Vorhersagen gelangen? Die erforderliche Vorhersagekraft des Stringansatzes wäre durch die Vielheit der in ihm enthaltenen theoretischen Szenarien von vornherein ausgebremst.

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"We even argued that depending on what comes out, we might find that string/M theory has much less predictive power than we thought, perhaps none. At present it is reasonable to think that string/M theory will have predictive power, but we should admit that we do not really know, and try to find out." (Douglas (2003) 69)

Gründe für die Uneindeutigkeit

Wie genau kommt es jedoch zu diesen Problemen? Wie kommt es zu dieser Vielheit von physikalisch unterschiedlichen Stringszenarien? Was hat es mit dem Supermoduli-Raum der String-Vakua auf sich? - Konzeptionell stellt die Reproduktion der Eichinvarianzen des Standardmodells für den Stringansatz grundsätzlich kein Problem dar, da sowohl Eichbosonen als auch fermionische Zustände im Rahmen der Superstringtheorien per se zum Spektrum der Stringzustände gehören. "[...] the effective action typically contains (besides matter fields) general relativity and non-abelian gauge theory, plus stringy corrections thereof." (Lerche (2000) 16f) Das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, dass sich nicht nur die Wechselwirkungen und Eichinvarianzen des Standardmodells ergeben, sondern beliebige andere. Es gibt sehr sehr viele Alternativen für die gebrochenen Symmetrien im Energiebereich des Standardmodells. Diese Uneindeutigkeit der resultierenden Symmetrien ist vordergründig vor allem eine Folge der Uneindeutigkeit, die dadurch entsteht, dass es sehr viele Möglichkeiten für einen Übergang der Stringtheorien von der aus innertheoretischen Konsistenzgründen zu fordernden zehndimensionalen Beschreibung auf die Konsequenzen innerhalb einer vierdimensionalen, phänomenologisch deutbaren Beschreibung gibt. "Now, we would be more than glad if strings would remain in lower dimensions as simple as they are in D = 10. However, especially string theories in D = 4 turn out to be much more complicated." (Lerche (2000) 18)

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Im geometrisierenden Bild des Kompaktifizierungskonzepts entspricht die Uneindeutigkeit dieses Übergangs der Vielheit der Antworten auf die Frage, wie die Kompaktifizierung der sechs überzähligen Dimensionen in Form von Calabi-Yau-Räumen zu erfolgen hat. Es gibt grundsätzlich sehr viele Möglichkeiten für diese Kompaktifizierung. Keine davon weist gegenüber den anderen eine grössere Berechtigung auf, als physikalisch angemessen angesehen zu werden. "There is no known reason why a ten dimensional theory wants at all to compactify down to D = 4; many choices of space-time background vacua of the form R10-n x Xn appear to be on equal footing." (Lerche (2000) 19) Für die Kompaktifizierung stehen (i) sehr viele diskrete topologische Möglichkeiten zur Verfügung, wobei (ii) innerhalb einer jeden spezifischen Topologie noch einmal ein Kontinuum an geometrischen Parameterwerten in Frage kommt, die (iii) noch dazu auf der nach der Kompaktifizierung resultierenden vierdimensionalen unkompakten Raumzeit von einem Punkt zum anderen variieren können. "First, there are many topologies of Calabi-Yau manifolds, which represent discrete choices for the configurations of the extra six dimensions. [...] But even worse, there are continuous families of CalabiYau manifolds, where the shape and size of the manifold varies continuously. Moreover, these parameters may vary as a function of fourdimensional coordinate x. [...] This variation is parametrized by a four-dimensional field R(x) giving the characteristic size as a function of position." (Giddings (2005) 10) Die Eigenschaften der jeweiligen kompakten raumzeitlichen Struktur und Topologie lassen sich in Form geometrischer und topologischer Parameter erfassen, die zum Teil ein kontinuierliches, zum Teil ein diskretes Spektrum aufweisen. Es sind diese hinsichtlich der resultierenden ViererRaumzeit orts- und zeitabhängigen geometrischen und topologischen Parameter der kompakten Mannigfaltigkeit, die als "Moduli" bezeichnet werden.

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"Examples of moduli are the size and shape parameters of the compact internal space that 4-dimensional string theory always needs. [...] In a low energy approximation the moduli appear as massless scalar fields." (Susskind (2003) 1)279 Die Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten dieser Parameter ist immens. Vor allem aber tritt diese Vielzahl der durch die Moduli charakterisierbaren Kompaktifizierungsszenarien innerhalb der resultierenden, unkompakten Vierer-Raumzeit physikalisch sehr unterschiedlich in Erscheinung. Unterschiedliche Kompaktifizierungsmodi führen fast immer zu gänzlich unterschiedlicher Physik innerhalb der resultierenden Vierer-Raumzeit: unterschiedliche Symmetrien, unterschiedliche Teilchenmassen und Teilchenspektren, unterschiedliche Parameterwerte. "[...] there are many Calabi-Yau three-folds and each gives rise to different physics in M4. Having no means to choose which one is 'right', we lose predictive power." (Greene (1997) 9) So treten etwa die topologisch und geometrisch determinierten Erhaltungsgrössen des Calabi-Yau-Raumes, die auf dessen Symmetrien zurückgehen, innerhalb der nicht-kompakten Vierer-Raumzeit als "Ladungen" (Quantenzahlen) in Erscheinung. Die für die Vierer-Raumzeit resultierenden Wechselwirkungen stellen sich in diesem Bild also als Konsequenz des jeweiligen Kompaktifizierungsmodus dar. Hierbei ergibt sich aufgrund der Vielzahl von Kompaktifizierungsvarianten für die Vierer-Raumzeit ein reichhaltiges Spektrum an Möglichkeiten hinsichtlich der resultierenden Wechselwirkungen und Eichsymmetrien. - Und diese unmittelbare physikalische und phänomenologische Variabilität ist unabhängig davon, ob man die überzähligen sechs Dimensionen der Superstringtheorien tatsächlich raum279

Diese masselosen und bisher unbeobachteten Skalarfelder sind in gewisser Hinsicht unphysikalisch, denn sie führen zu langreichweitigen Wechselwirkungen, die mit der Gravitation konkurrieren und das Äquivalenzprinzip verletzen. Vielleicht sind sie ein Artefakt der perturbativen Theorie. "These massless fields are all called moduli fields, and they are a desaster. [...] parameters in the four-dimensional lagrangian, such as fermion masses and coupling constants will all vary with the moduli. Worse still, the modulus fields interact with the other fields of the theory with gravitational strength. Massless scalars with such interactions lead to fifth forces, time-dependent coupling constants, and/or extra light matter, none of which are seen experimentally." (Giddings (2005) 10)

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zeitlich-geometrisch und -topologisch oder vielmehr als interne dynamische Parametrisierungen versteht. Sie ist unabhängig davon, ob man die Kompaktifizierung im realistischen Sinne als tatsächliches, die Raumzeit betreffendes Phänomen ansieht, oder vielmehr als strukturelle Metapher für die parametrisierbare Vielgestaltigkeit der Expressionsmodi der Niederenergiephänomenologie einer noch unbekannten, vielleicht sogar raumzeitunabhängigen Fundamentaltheorie, als deren Näherungen die verschiedenen Ausprägungen des Stringansatzes dann angesehen werden könnten. Um das Ausmass des Problems besser einschätzen zu können, lohnt es sich, einen etwas genaueren Blick auf das Spektrum der Möglichkeiten und auf die Parametrisierung dieses Spektrums im Kontext des Kompaktifizierungsbildes des Stringansatzes zu werfen: Jeder Punkt im Konfigurationsraum der möglichen Moduli-Varianten der Superstringtheorien, dem sogenannten "Supermoduli-Raum", steht für einen spezifischen kompakten sechsdimensionalen Calabi-Yau-Raum. Ihm entspricht auf der durch die Kompaktifizierung resultierenden Vierer-Raumzeit und infolge der sich im Rahmen der Kompaktifizierung ergebenden Festlegung der physikalischen Parameter und Symmetrien jeweils ein spezifisches (supersymmetrisches) String-Vakuum.280 Aber für jeden dieser Punkte im Supermoduli-Raum der Parameter der kompakten Topologien ergibt sich erst einmal dass Problem, dass es nicht so ohne weiteres möglich ist, die entsprechenden Implikationen für die Niederenergiephysik tatsächlich abzuleiten, also etwa die entsprechenden Parameter für die resultierenden effektiven Quantenfeldtheorien zu berechnen:281 "While the couplings at the GUT scale are probably the most computable numbers we can get from string/M theory, they would be expected to depend on moduli [...], so it is not completely obvious that one can hope to compute even these uniquely." (Douglas (2003) 61) Aber auch wenn diese Berechnung für jede einzelne der möglichen Moduli-Kombinationen möglich wäre, so bestände immer noch das Problem, 280

Für eine erste Annäherung an die Phänomenologie kann man sich nach heutiger Einschätzung getrost auf diese String-Vakua beschränken, da mit ihnen schon die wesentlichen Festlegungen für die Niederenergiephysik gegeben sind. "[...] most of the physics that is observable at low energies seems to be governed by the vacuum (zero mode) structure and not by the microscopic theory, at least as far as we can see today." (Lerche (2000) 19) 281 Die grundsätzlichen Ursachen dafür wurden schon in Kap. 4.3. erörtert.

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dass aus der Kompaktifizierung sehr viele String-Vakua resultieren können, unter denen wir anschliessend nach den Symmetrien und Kopplungsparametern des Standardmodells suchen müssten, um dann vielleicht auch noch zu erklären, was das als physikalisch angemessen identifizierte String-Vakuum vor den anderen auszeichnet, wieso also gerade dieses in unserer Welt realisiert ist und nicht vielmehr ein anderes. Und von sehr vielen Möglichkeiten zu sprechen ist wohl immer noch eine Untertreibung: Die neuesten Abschätzungen gehen von 10100 bis 10500 String-Vakua aus.282 Für diese Alternativenlandschaft der effektiven vierdimensionalen Vakua hat sich inzwischen der Begriff "String-Landscape"283 eingebürgert.284 "I will from now on call the space of all such string theory vacua the landscape." (Susskind (2003) 2)

Die String-Landscape

Die String-Landscape lässt sich (unabhängig von der Frage nach der geometrisch-realistischen Interpretation der Kompaktifizierung) vielleicht am besten als multidimensionaler Konfigurationsraum aller aus dem Stringansatz resultierenden effektiven physikalischen Szenarien verstehen. Diese zeichnen sich durch unterschiedliche Symmetrien, unterschiedliche Teilchenmassen und Teilchenspektren, unterschiedliche Parameterwerte sowie letztendlich vielleicht auch durch unterschiedlich viele unkompakte Raumzeitdimensionen aus:

282

Die Erschliessung der String-Vakua erfolgt weitgehend implizit über Näherungen und deren kombinatorisch-statistische Extrapolation. Siehe etwa Douglas (2003) sowie Kumar (2006). 283 Siehe Susskind (2003) und (2005). 284 Inwiefern die String-Landscape über den Supermoduli-Raum, also den ModuliRaum der supersymmetrischen String-Vakua, hinausgehende Bereiche enthält, wird weiter unten zu erörtern sein, ebenso wie die grundsätzlichen Probleme, auf die die Landscape-Hypothese stösst.

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"For practical purposes, the landscape gives us a large set of alternative effective Lagrangians for describing the physics we have observed in our universe. These are parametrized by a collection of numbers, which include the dimensions of space-time, the name, rank and representation content of the low energy gauge theory, the value of the cosmological constant, and the values of all the coupling constants and masses of fields in the Lagrangian. These numbers can be collected together and viewed as a multidimensional probability space." (Banks (2004) 16) Die Verbindungsstruktur innerhalb der Landscape, insbesondere die zulässigen Kombinationsmöglichkeiten zwischen diskreten und kontinuierlichen Parametern, ist jedoch zur Zeit noch weitgehend unklar. "[...] the notion of connectedness in this landscape is, at best, obscure." (Dine (2004a) 3) Insbesondere Thomas Banks weist immer wieder hin auf den: "[...] disconnected moduli space [...]." (Banks (2003) 18) Und er meldet darüberhinaus grundsätzliche Bedenken am gängigen Verständnis der Landscape an, da diese sich im Rahmen einer Abschätzung auf der Grundlage effektiver Feldtheorien ergibt, was Banks hinsichtlich des Stringansatzes für unangemessen und für grundsätzlich fragwürdig hält.285 "[...] the landscape of string theory is far from an established fact. [...] my personal bottom line on this subject is that the Landscape probably does not exist." (Banks (2004) 2) Banks weist darauf hin, dass es für die Stringszenarien innerhalb der Landscape keine gemeinsame Wirkungsfunktion im Sinne der Quantenfeldtheorien gibt. Das Bild verschiedener Lösungen einer gemeinsamen Theorie, welches etwa die Grundlage dafür liefern würde, dass man von einer zur anderen Lösung durch Parameterveränderungen übergehen könnte, ist nach seiner Einschätzung hier nicht anwendbar. 285

Siehe ausser Banks (2004) auch Banks (2003) sowie Banks / Dine / Gorbatov (2004).

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"Banks has argued cogently that one cannot use effective field theory to study multiple vacua in theories of gravity. For example, in many circumstances there are no transitions between the different states, and an observer in one can not do experiments which will indicate the existence of others. So it is not clear that the multiplicity of states has any meaning." (Dine (2004) 7) Dass es sich bei den String-Vakua, welche die Landscape konstituieren sollen, um die Lösungen zu einer Theorie handelt, ist nach Banks' Einschätzung eine Illusion. Unterschiedliche Moduli-Werte gehören seiner Meinung nach grundsätzlich zu unterschiedlichen Hamilton-Funktionen. "The notion of different vacua of the same theory, in any of the senses that this is meant in quantum field theory, is simply not applicable to theories of quantum gravity, beyond the very limited context of continuous moduli spaces of Super-Poincaré invariant S-matrices." (Banks (2004) 3f) Daraus kann man einerseits den Schluss ziehen, dass die Landscape vielleicht gar nicht existiert. "Still, the possibility that the landscape may not exist should be kept in mind." (Dine (2004a) 3) Andererseits kann man aber Banks' Argumente auch so lesen, dass die Landscape eben nicht die verschiedenen Lösungen einer Theorie, sondern eine überwältigende Anzahl per se autonomer theoretischer Szenarien und Nomologien erfasst, die zwar in gewisser Hinsicht der gleichen Theorienfamilie angehören, zwischen denen es jedoch keinen Übergang durch Variation der Parameterwerte geben kann. Aber unabhängig von der Frage, ob sich das Bild der Landscape im Stringansatz besser fundieren lassen wird, steht jetzt schon fest, dass sich zumindest unter den Vakua, die auf den Supermoduli-Raum zurückgehen, mit Sicherheit kein solches befinden wird, das unserer Welt entspricht. Der Dreh- und Angelpunkt dieser Problematik ist die Supersymmetrie. Diese ist für die Stringtheorien konstitutiv.286 Alle innerhalb des Supermoduli286

Siehe Kap. 2.1. und 4.1.

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Raums erfassten theoretischen Szenarien teilen nicht zuletzt die Familieneigenschaft, supersymmetrisch zu sein. Damit sind einerseits, wie sich zeigen lässt, erst einmal notwendigerweise alle String-Vakua, die sich auf den Supermoduli-Raum zurückführen lassen, energetisch gleichwertig.287 Dies ist gerade eine Folge der Supersymmetrie: "In these cases, the supersymmetry forbids any potential on the moduli space." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 19) Andererseits haben alle String-Vakua, die auf den Supermoduli-Raum zurückgehen, infolge der Supersymmetrie die Eigenschaft, dass die kosmologische Konstante gleich Null ist. "On the supermoduli-space the cosmological constant is also exactly zero. Roughly speaking, the supermoduli-space is a perfectly flat plain at exactly zero altitude." (Susskind (2003) 2f)288 287

Es gibt also insbesondere keine Energieunterschiede, die innerhalb des durch den Supermoduli-Raum festgelegten Spektrums der String-Vakua vielleicht ein Minimum auszeichnen würden, das naheliegenderweise als physikalisch realisiert angesehen werden könnte, was die Identifizierung des phänomenologisch angemessenen Szenarios leichter machen würde. (Siehe Kap. 5.4.) Solche energetisch degenerierten, aber physikalisch (etwa hinsichtlich der Symmetrien und Kopplungskonstanten) unterschiedlichen Vakua sind ein Phänomen, welches typisch ist für Theorien mit ungebrochener Supersymmetrie. 288 Der etwas umfassendere Zitatkontext lautet: "The supermoduli-space is parameterized by the moduli which we can think of as a collection of scalar fields φn. Unlike the case of Goldstone bosons, points in the moduli space are not related by a symmetry of the theory. Generically, in a quantum field theory, changing the value of a non-Goldstone scalar involves a change of potential energy. In other words there is a non-zero field potential V(φn). Local minima of V are what we call vacua. If the local minimum is an absolute minimum the vacuum is stable. Otherwise it is only metastable. The value of the potential energy at the minimum is the cosmological constant for the vacuum. [...] The supermoduli-space is a special part of the landscape where the vacua are supersymmetric and the potential V(φn) is exactly zero. [...] On the supermoduli-space the cosmological constant is also exactly zero. Roughly speaking, the supermoduli-space is a perfectly flat plain at exactly zero altitude." (Susskind (2003) 2f) Susskind deutet hiermit an, dass der Supermoduli-Raum nur ein Teil der Landscape darstellt. Siehe dazu weiter unten.

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Eine verschwindende kosmologische Konstante ist jedoch nicht vereinbar mit den neuesten astrophysikalischen Daten und kosmologischen Einsichten,289 so dass unsere Welt schon aus diesem Grund nicht als Folge einer vollständig supersymmetrischen Theorie angesehen werden kann: "A key problem has been constructing string theories that agree with the astronomical evidence that the vacuum energy (or cosmological constant) is positive. The problem is that a positive cosmological constant is not consistent with supersymmetry. But supersymmetry appears to be necessary to cancel dramatic instabilities having to do with the existence of tachyons in the spectrum of string theories." (Smolin (2004) 10) Aber ein theoretisches Szenario mit ungebrochener Supersymmetrie lässt sich ohnehin nicht zur Reproduktion der beobachtbaren Phänomenologie einsetzen, da die Supersymmetrie in unserer Welt, wenn sie überhaupt vorliegen sollte, bestenfalls in gebrochener Form in Erscheinung tritt, denn die zu erwartenden supersymmetrischen Partner zu den bekannten Materieteilchen und Wechselwirkungsquanten haben ganz sicher nicht die gleiche Masse bzw. Energie wie diese, sonst hätten wir sie längst gefunden. Offensichtlich kann also keines der supersymmetrischen String-Vakua innerhalb der String-Landscape einer Beschreibung unserer Welt entsprechen. "So far, no string theory background is known which is consistent with all features of the observed universe. They all have one or more of the following features, which each disagree with observation: no positive cosmological constant, unbroken supersymmetry, massless scalar fields." (Smolin (2003) 48) Entweder ist der Stringansatz also als Beschreibung unserer Welt unangemessen und damit als vereinheitlichte Theorie aus dem Rennen, oder der Supermoduli-Raum und die aus ihm hervorgehenden String-Vakua können nicht alles sein, was der Stringansatz zu bieten hat. Die String-Landscape müsste mehr umfassen als die auf den Supermoduli-Raum zurückführbaren String-Vakua. Es müsste innerhalb der String-Landscape, innerhalb des Spektrums der aus den Stringtheorien resultierenden Szenarien, nichtsupersymmetrische Vakua geben, parametrische Bereiche also, die hin289

Siehe etwa Hedrich (2004).

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sichtlich ihrer effektiven Dynamik einer gebrochenen Supersymmetrie entsprächen. "[...] the continuum of solutions in the supermoduli-space are all supersymmetric with exact super-particle degeneracy and vanishing cosmological constant. Furthermore they all have massless scalar particles, the moduli themselves. Obviously none of these vacua can possibly be our world. Therefore the string theorist must believe that there are other discrete islands lying off the coast of the supermodulispace." (Susskind (2003) 1) String-Vakua mit gebrochener Supersymmetrie sind aber nur dann denkbar, wenn sich diese im Rahmen der Kompaktifizierung aus der vollständig supersymmetrischen zehndimensionalen Theorie ableiten lassen. Die Supersymmetriebrechung müsste eine Folge der Kompaktifizierung sein. Denn auf der flachen zehndimensionalen Raumzeit der perturbativen Stringtheorien gilt die Supersymmetrie notwendigerweise. Dass sie für unsere Vierer-Raumzeit offensichtlich gebrochen ist und wir keine Supersymmetrie-Multipletts beobachten, müsste sich aus den Kompaktifizierungsszenarien in irgendeiner Weise ergeben. Man hätte, wenn eine solche Ableitung gelingen sollte, eine für die zehndimensionale Theorie intakte und für die vierdimensionale Raumzeit in nachvollziehbarer Weise gebrochene Supersymmetrie. - Und neuere Abschätzungen deuten tatsächlich an, dass es Vakua mit diesen Eigenschaften geben könnte.290 Das hiesse, dass sich die Landscape als Spektrum aller möglichen String-Szenarien nicht auf den Supermoduli-Raum der supersymmetrischen String-Vakua beschränkt und der Stringansatz zumindest grundsätzlich mit der Phänomenologie verträglich sein könnte.291

290

Vorläufig bleibt allerdings einerseits der Zweifel: "Recently Susskind and others have proposed that there will be a huge number of consistent non-supersymmetric string vacua (although still not one stable nonsupersymmetric string vacua [sic!] has so far been written down) [...]" (Smolin (2003) 69) Und es bleibt andererseits die Zuversicht und die Entschlossenheit zu weiterer Forschung: "Progress can certainly be made in exploring the landscape. The project is in its infancy but in time we should know just how rich it is." (Susskind (2003) 17) 291 Banks bezweifelt, dass die Formulierung von Stringtheorien mit gebrochener Supersymmetrie konzeptionell möglich ist.

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"More recently there have been claims that there is a large set of additional solutions of string theory, both [supersymmetric] and [supersymmetry] violating, with a discretuum of values of the cosmological constant." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 2) Für den Bereich ausserhalb des Supermoduli-Raums liesse sich, wie manche Stringtheoretiker hoffen, dann vielleicht auch ein Potential definieren, das von Null verschieden ist und eine nicht-verschwindende kosmologische Konstante implizieren würde.292 "There are many disconnected continuous families of Poincaré invariant solution to string theory. They have various dimensions, low energy fields, and topologies, but they all share the property of exact [supersymmetry]. The program of string phenomenology is to find a [supersymmetry] violating, Poincaré invariant solution of the theory, which describes low energy scattering in the real world. In [Banks (2001)] I expressed the opinion that no such solution exists." (Banks (2003) 2) Und er weist darauf hin, dass es bisher keine konkrete Theorie mit diesen Eigenschaften gibt, sondern ausschliesslich Vermutungen und Postulate hinsichtlich ihrer Existenz. "There are no known asymptotically flat string vacua with broken [supersymmetry]." (Banks (2003) 30) "As of this date, we know of no example of a controllable approximation to a theory of quantum gravity that leads to a nonsupersymmetric theory in asymptotically flat, Poincaré invariant spacetime. [...] This failure [...] leads me to conjecture that there are no [supersymmetry] violating, Poincaré invariant theories of quantum gravity." (Banks (2003) 7f) Siehe Banks (2001) und (2003). 292 Auch dies bezweifelt Banks: "In my opinion, the concept of an effective potential on moduli space as a tool for finding string models of gravity, is a snare and a delusion, fostered by wishful thinking, and without regard to the actual evidence in front of us. There is no evidence for this concept in solid string theory calculations, and lots of evidence against it." (Banks (2004) 4) "The notions of vacuum, effective potential, and vacuum decay from field theory, are not correct ones in quantum gravity." (Banks (2003) 24) Die Gründe für seine Zweifel sind in Banks‘ Auffassung zu suchen, dass die verschiedenen Szenarien innerhalb der Landscape in keiner Weise als Lösungen zu einer gemeinsamen Theorie zu sehen sind. "[...] it is clear that quantum gravity in asymptotically flat spacetimes is a different kind of beast from quantum field theory, with a high energy density of states unlike any quantum theory we have dealt with before. [...] Much of the conventional framework of quantum mechanics is lost." (Banks (2003) 27)

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"[...] the supermoduli-space is a perfectly flat plain at exactly zero altitude. Once we move off the plain, supersymmetry is broken and a non-zero potential developes [...] Thus beyond the flat plain we encounter hills and valleys. We are particularly interested in the valleys where we find local minima of V." (Susskind (2003) 2f) Aber auch für dieses Potential, wenn es sich denn definieren lassen sollte, gäbe es angesichts der Vielfalt der String-Szenarien in der Landscape mit ziemlicher Sicherheit eine grosse Zahl von lokalen Minima und damit keine Eindeutigkeit hinsichtlich eines ausgezeichneten einzigartigen String-Vakuums, welches dem in unserer Welt realisierten entspräche.293 Und mathematisch zuverlässige Prozeduren gibt es für die Vakua mit gebrochener Supersymmetrie und für die Etablierung eines solchen Potentials ohnehin noch nicht. "No perfectly precise definition exists in string theory for the moduli fields or their potential when we go away from the supermodulispace." (Susskind (2003) 17)

Handelt es sich bei den Stringszenarien jedoch nicht um Lösungen zu einer und derselben Theorie, so kann es auch keine Parameterübergänge zwischen den Szenarien geben und die Auszeichnung eines Minimums wäre ohnehin dynamisch irrelevant. "Unless one rejects the AdS/CFT prescription for quantum gravity in Anti de Sitter space, it is difficult to defend the idea that there is a unique theory of quantum gravity, with different realizations of it corresponding to minima of an effective potential. This field theory inspired picture is based on a separation between UV and IR physics which is simply not there in theories of quantum gravity. I have tried to investigate both real and virtual transitions between vacua with different values of the cosmological constant, or isolated vacua with the same values of the cosmological constant and found that they do not occur black holes get in the way." (Banks (2003) 76) Siehe Banks (2003) und (2004). 293 Wenn Banks‘ Argumente hinsichtlich der Diskretheit der Verbindungsstruktur innerhalb der Landscape zutreffen sollten und es keine dynamischen Übergänge zwischen den Vakua geben sollte, wäre, auch wenn sich formal eine Potentialfunktion für mögliche Vakua ausserhalb des Supermoduli-Raums definieren liesse, diese Potentialfunktion (und ihre lokalen Minima) letztendlich für die Problematik der Selektion der Vakua irrelevant.

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5.3. Selektion und anthropische Argumente Lange Zeit mutmassten die Stringtheoretiker, dass ihr Ansatz zu einer eindeutigen, konsistenten, fundamentalen Theorie führt, die unsere Welt (und keine andere) beschreibt. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es im Stringansatz wohl eine sehr grosse Zahl von gleichberechtigten theoretischen Szenarien gibt, die allesamt mögliche physikalische Welten beschreiben: "For low energy observers, physics is different in each of these states. Gauge groups, coupling constants and the like all vary. The cosmological constant, in particular, is a random variable in these 101000 (?!) states." (Dine (2004a) 6) Von diesen theoretischen Szenarien, die sich in ihren physikalischen Konsequenzen im allgemeinen grundlegend unterscheiden, beschreibt - wenn überhaupt - bestenfalls eines unsere Welt. "We believe that there are many mathematically consistent models of quantum gravity, at most one of which describes the real world." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 5) Aber welches der theoretischen Szenarien bzw. welches der im Spektrum der Möglichkeiten enthaltenen String-Vakua entspricht unserer Welt? Gibt es angesichts der Vielzahl der Theorien bzw. Szenarien überhaupt eine Möglichkeit dieses Problem zu lösen? "Despite the unity of the theory, string/M theory appears to describe a very large number of four dimensional (and other) vacua with inequivalent physics, most of which clearly do not describe our universe. At present we have no clue which one is relevant, or how to find it." (Douglas (2003) 1) Die Ankopplung an die bestehende Niederenergie-Phänomenologie steht weiterhin aus und es nicht einmal klar, ob sie je erreicht werden kann. Einerseits kann es sein, dass sich der Stringansatz als grundsätzlich unverträglich mit der beobachtbaren Niederenergie-Phänomenologie erweist und

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keines der String-Szenarien in der Lage ist, unsere Welt zu beschreiben. Dies wäre immerhin ein eindeutiges Ergebnis, das den Stringansatz falsifizieren würde: "String theory could fail if there turn out to be no consistent and stable string vacua consistent with all the observed features of our universe including complete supersymmetry breaking, the absence of massless scalar fields and a positive cosmological constant." (Smolin (2003) 52) Andererseits kann es aber ebenso gut sein, dass es, auch wenn man das Spektrum der Möglichkeiten um alle die Fälle reduzieren könnte, die mit bestehender Empirie nicht verträglich sind294 und ohnehin für eine Beschreibung unserer Welt nicht in Frage kommen, immer noch eine solch grosse Anzahl von nomologisch unterschiedlichen Stringszenarien gäbe, die in ihren Konsequenzen der erschliessbaren Niederenergie-Phänomenologie so sehr ähneln, dass wir mit noch so ausgefeilten empirischen Mitteln nicht entscheiden könnten, welches der theoretischen Szenarien unsere Welt beschreibt: "Conversely, string theory could fail if it turns out that there are so many consistent and stable string vacua consistent with all observations to date that they populate the space of post-standard model physics densely enough that the theory makes no predictions for future experiments." (Smolin (2003) 52) Man käme in einem solchen Fall nie an die hinter der Phänomenologie steckende Nomologie heran. Es gäbe einfach viel zu viele unterschiedliche Nomologien, die mit der Phänomenologie verträglich wären. Auch wenn sich umfassende und definitive empirische Vorhersagen aus jeder dieser Nomologien ableiten liessen, könnte eine empirische Überprüfung nicht zwischen ihnen unterscheiden. Der Stringansatz und die von ihm postulierten Nomologien wären grundsätzlich nicht falsifizierbar: "However, if one takes the possibility of the existence of these theories seriously, there is a disturbing consequence. For the number of di294

Dies setzt natürlich voraus, dass sich die empirisch relevanten Konsequenzen der einzelnen Szenarien auch berechnen lassen, was heute in weiter Ferne steht und woran sich im schlimmsten Fall vielleicht niemals etwas ändert.

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stinct theories that the evidence points to is vast, estimates have been made on the order of 10100 to 10500. Each of these theories is consistent with the macroscopic world being four dimensional, and the existence of a positive and small vacuum energy. But they disagree about everything else, in particular, they imply different versions of elementary particle physics, with different gauge groups, spectra of fermions and scalars and different parameters. / That is, if the string theorists are right, there are on the order of 10100 or more different ways to consistently unify gauge fields, fermions and gravity. This makes it likely that string theory will never make any new, testable predictions concerning the elementary particles. / Of course, a very small proportion of these theories will be consistent with the data we have, to date, about particle physics. Suppose this is only one in 1050. There will still be 1050 different theories, which will differ on what we will see in future experiments at higher energy. This number is so vast, it appears likely that whatever is found, there will be many versions of string theory that agree with it." (Smolin (2004) 11) Aber wahrscheinlich dringt man im Stringansatz nicht einmal bis zur Gewissheit hinsichtlich dieser fundamentalen Alternative zwischen gar keinem und viel zu vielen mit der Phänomenologie verträglichen StringSzenarien vor. Denn bisher kann man im Rahmen des Stringansatzes und seiner Szenarien keine wirklichen Berechnungen anstellen. Einerseits ist für beliebige einzelne String-Szenarien die Ableitung konkreter, quantitativer Vorhersagen, die sich empirisch überprüfen liessen, bisher immer aussichtslos geblieben. Andererseits stände, auch wenn diese Berechnung für jedes einzelne Szenario grundsätzlich möglich wäre, einer umfassenden Ableitung der Konsequenzen der String-Landscape und einer anschliessenden Identifizierung des unserer Welt entsprechenden StringVakuums immer noch die unglaubliche Vielzahl der in ihr enthaltenen, nomologisch unterschiedlichen Szenarien entgegen.295

295

Wie Denef und Douglas (2006) zeigen, spricht vieles dafür, dass die Identifizierung des unsere Welt beschreibenden String-Vakuums (vorausgesetzt es gibt ein solches String-Vakuum) aus dem Spektrum der in der Landscape enthaltenen Vakua (vorausgesetzt die Landscape-Hypothese stellt sich als richtig heraus) ein informationstheoretisch grundlegend intraktibles Problem ist.

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"It is clear that at a certain point in this process, if we don't falsify the landscape easily, we will run into the problem that current technology does not allow one to calculate the low energy parameters with any degree of precision. Indeed, the error estimates are only guesses because we don't even know in principle how to calculate the next term in the expansion in large fluxes." (Banks (2004) 19) Wenn sich daran nichts ändert, besteht keine Möglichkeit für eine Falsifizierung des Stringansatzes.

Das Selektionsproblem

Aber auch wenn sich, wider alle Erwartungen, tatsächlich feststellen liesse, welches String-Szenario unsere Welt beschreibt, wäre, wenn man dies nicht einem nicht weiter erklärlichen Zufall zuschreiben möchte, immer noch zu fragen, was dieses Szenario, diese Theorie bzw. dieses StringVakuum, abgesehen davon, dass es unsere Welt beschreibt, vor den anderen auszeichnet: Welche nomologische Bedingtheit wählt das mit unserer Welt realisierte Szenario aus dem Spektrum der Möglichkeiten aus? Oder welcher dynamische Prozess führt zum vorliegenden Weltszenario? Gibt es eine inhärente Notwendigkeit, die gerade unsere Welt zur Folge haben muss? Oder bleibt nur der unerklärliche Zufall? Diese Frage nach den Ursachen der Auswahl gerade des mit unserer Welt realisierten Szenarios aus dem Spektrum der Möglichkeiten, die der Stringansatz bietet, wird als "Vakuumselektionsproblem" bezeichnet. An dieses Vakuumselektionsproblem gekoppelt sind eine ganze Reihe von offenen Fragestellungen und Einzelproblemen:296 die Festlegung der Eichinvarianzen und der Parameter des Standardmodells, die der Zahl der Teilchengenerationen, die Problematik der gebrochenen Supersymmetrie sowie letztendlich die Ursachen für die Dimensionalität der phänomenologischen Raumzeit. - Lösen liesse sich das Vakuumselektionsproblem nur durch ein entsprechendes Selektionsprinzip.

296

Siehe Kap. 4.4. und 5.2.

228

"Even if a string theory background is found which is [...] consistent with everything that is observed, does this tell us anything, given that there is an infinite space of possible string backgrounds to search? [...] So, we should ask, even if there is a unique string theory background consistent with what is observed, how could nature pick it out? One might hope that there were a principle of stability or lowest energy that would pick out a unique string theory background. However this is unfortunately unlikely." (Smolin (2003) 48) Sogar führende Stringtheoretiker wie Michael Douglas, der sich intensiv mit der Statistik der String-Vakua beschäftigt hat, sehen hier nur wenige Erfolgsaussichten: "[...] there is a widespread feeling that a 'theory of everything' should make unique predictions for the physics we observe. String/M theory as we understand it now does not do this, and it is this lack which is often cited as the reason why a 'Vacuum Selection Principle' should exist. Of course, this argument in itself is simply wishful thinking." (Douglas (2003) 5) Bisher zeichnet sich keine überzeugende Antwort auf die Frage ab, aus welchen spezifischen Gründen ein bestimmtes Szenario aus dem Spektrum der Landscape realisiert sein könnte.297 Es gibt kein Kriterium, welches eine solche Auswahl erklären würde. "The recent progress in non-perturbative string theory does not solve the problem of the choice of vacuum state either. The progress is rather conceptual [...]." (Lerche (2000) 20) Wenn sich aber weder ein Selektionsprinzip ausmachen lässt, welches die Realisierung eines bestimmten Szenarios nahelegt, noch die Möglichkeit besteht, die String-Szenarien über ihre niederenergetischen Konsequenzen an der Phänomenologie zu messen, so ist die Identifizierung des unsere Welt repräsentierenden String-Szenarios aussichtslos.

297

Erste, wenngleich nicht unproblematische Ideen zu einer dynamischen Selektion auf der Grundlage quantenkosmologischer Prozesse finden sich in MersiniHoughton (2005).

229

"Accepting, at least provisionally, the existence of the landscape, the nature and goals of string theory (fundamental physics) are different than we previously imagined. In this vast 'landscape', one can't hope to find 'the state' which describes our universe. Nor can our goal be to predict all of the features of nature with arbitrary precision." (Dine (2004a) 3f) Was dann erst einmal bleibt, ist lediglich die weitere Sondierung des Spektrums der String-Szenarien mit dem Ziel der zumindest ansatzweisen Erschliessung des Spektrums physikalischer Möglichkeiten, um vielleicht wenigstens die in unserer Welt realisierte Möglichkeit an diesem Spektrum messen zu können. "So, again, the problem is not to find 'the state' which describes our universe; this is hopeless. Instead, one needs to study statistics of these states, and learn the gauge groups, matter content, couplings, cosmological constant, etc." (Dine (2004a) 7) Dies ist aber eigentlich nur dann sinnvoll, wenn sich die Hoffnung in irgendeiner Weise bestätigen lassen sollte, dass die String-Szenarien - und damit der Stringansatz als solcher - zumindest insofern physikalisch relevant sind, als sie die in unserer Welt realisierte Möglichkeit überhaupt in ihrem Spektrum enthalten. Aber wie sollte sich diese Hoffnung angesichts der geschilderten Probleme bestätigen lassen? - Mit der Landscape-Hypothese scheint der Stringansatz erst einmal bis auf weiteres im Sumpf der Spekulationen festzusitzen. Aber dieser Sumpf hat, wie im folgenden zu verdeutlichen sein wird, immerhin einige überraschende neue Perspektiven zu bieten, auch wenn noch nicht klar ist, ob ein Weg zurück in den Bereich der empirischen Wissenschaft und ihrer methodologischen Standards führen wird.

Von der Kontingenz zum Ensemble der Welten

Die grundsätzliche Frage, die sich angesichts der aus dem Stringansatz hervorgegangenen Landscape-Hypothese mit vermehrter Brisanz stellt, ist, ob wir vielleicht irgendwann einmal alle Eigenschaften der Welt aus einer

230

grundlegenden Naturbeschreibung werden ableiten können oder ob wir, kontingenzbehaftet wie unsere Welt nun einmal sein könnte, damit keinen Erfolg haben werden.298 Führt der Weg hin zu einer vereinheitlichten und umfassenden Beschreibung der Natur299 also zur Eliminierung von Kontingenz oder stellt unser Universum nur eine der prinzipiellen Möglichkeiten dar, also mithin eine kontingente Auswahl aus einem ganzen Spektrum konsistenter Realisierungsmöglichkeiten? Die nomologische Extrapolation ist innerhalb der Superstringtheorien so weit getrieben wie nur irgend möglich. Dass man im Rahmen ihrer Ausformulierung in Bezug auf die Eliminierung von Kontingenz erfolgreich sein wird, ist jedoch inzwischen mit der Landscape-Hypothese, wenn sich kein Selektionsprinzip finden lassen sollte, sehr zweifelhaft. Die von den Vertretern des Stringansatzes vorgebrachte Einzigartigkeitsthese hinsichtlich ihrer Theorie und die hinter ihr stehende Annahme nur einer konsistent möglichen Welt, nämlich der unseren, haben sich damit in dramatischer Weise als problematisch erwiesen.300 Es gibt, wenn der Stringansatz physikalisch angemessen sein sollte und die Landscape-Hypothese zutreffen sollte, offensichtlich nicht nur eine konsistente Struktur, welche die einzige konsistente Welt beschreibt, nämlich die unsere, sondern eine immense Vielzahl solcher Strukturen. Es bleibt also offensichtlich, soweit es den Stringansatz und seine Konsequenzen betrifft, erst einmal nichts anderes übrig, als von der Einzigartigkeitsthese zur Kontingenzhypothese überzugehen: Unsere Welt ist hinsichtlich ihrer Beschaffenheit kontingent. Viele Welten (bzw. konsistente Strukturen) unterschiedlicher Beschaffenheit sind möglich. Unsere ist nur eine davon und insofern in ihrer Beschaffenheit kontingent. Wenn die Kontingenzhypothese zutreffen sollte, ist zu erwarten, dass sich eine fundamentale, vereinheitlichte Theorie auf das gesamte Spektrum der 298

Das Vorhaben könnte natürlich auch aus ganz anderen Gründen scheitern, etwa solchen, die mit der empirisch-wissenschaftlichen Methode oder unseren epistemischen Fähigkeiten zusammenhängen. 299 Die Angemessenheit einer solchen Strategie setzt natürlich schon die nomologische Regularität und Einheitlichkeit der Welt voraus. Diese muss nicht notwendigerweise gegeben sein. Vgl. Kap. 1. und 4.2. 300 Die Einzigartigkeitsthese lässt sich jedenfalls nicht durch den Stringansatz und seine Konsequenzen oder durch irgendeine andere Version einer Quantengravitationstheorie stützen. Und offensichtlich gibt es auch keinen davon unabhängigen guten Grund für sie.

231

Möglichkeiten bezieht und nicht etwa spezifisch auf unsere Welt. Unsere Welt würde - in der Sprechweise der in der Physik dominanten Modellierung durch Differentialgleichungssysteme - vielleicht durch eine der "Lösungen" der von der vereinheitlichten Theorie zu erwartenden "Grundgleichung" repräsentiert. Die "Grundgleichung" selbst stände für das Spektrum möglicher Welten.301 Unter diesen Bedingungen könnte die vereinheitlichte Theorie einige Eigenschaften unserer Welt nicht ohne die Spezifizierung freier Parameter erfassen, die erst über die Empirie bestimmt werden müssten. Die freien Parameter wären ein konstitutiver Teil der aus der "Grundgleichung" der Theorie ableitbaren "Lösung", die gerade unsere Welt repräsentierte. Sie wären im Hinblick auf die "Grundgleichung" selbst als kontingente Rand- oder Anfangsbedingungen zu sehen.302 Von der Kontingenzhypothese ist es nun nicht weit zur Ensemblehypothese:303 Der gedankliche Übergang besteht in der Annahme, dass die physikalisch möglichen Szenarien schliesslich nicht mehr nur als möglich, sondern als physikalisch real angesehen werden sollten: so wie unsere Welt. Dies hiesse, dass es keine Selektion aus dem Kontext möglicher Szenarien auf ein einziges realisiertes Szenario gibt, also auch kein Selektionsprinzip wirksam wird, was wiederum die Erfolglosigkeit der Suche nach einem solchen Selektionsprinzip plausibel machen würde. Nach dem Übergang von der Kontingenzhypothese zur Ensemblehypothese hat man es nun mit einem ganzen Ensembles von real existierenden Welten zu tun, 301

Angesichts der oben erwähnten Kritik von Banks am Landscape-Konzept sollte man vielleicht besser von einem Spektrum von theoretischen Szenarien innerhalb einer durch bestimmten Familieneigenschaften charakterisierbaren Theorienlandschaft sprechen. Dies würde der Möglichkeit, dass es - im Gegensatz zu dem, was man von den Lösungen zu einer Grundgleichung erwarten könnte - vielleicht keine parametrischen Übergänge zwischen den Szenarien gibt, eher entsprechen. 302 Das ist genau das, was man ursprünglich im Rahmen der angestrebten fundamentalsten physikalischen Theorie vermeiden wollte. Die Einzigartigkeitsthese entspricht gerade der Hoffnung, dass mit der fundamentalsten Beschreibungsebene eine einheitliche Erfassung nomologischer Strukturen und ihrer Anfangs- und Randbedingungen einhergeht, dass sich also die Kontingenz auf der fundamentalsten Ebene vollkommen ausschliessen lässt. Genau dies ist, wenn man den neuesten Entwicklungen im Stringansatz vertraut, nicht der Fall. Die Stringtheorien legen vielmehr nahe, dass unsere Welt der kontingenten Auswahl eines Szenarios aus einem riesigen Spektrum möglicher Szenarien entspricht. 303 Eine von theoretischen Konstrukten wie dem Stringansatz unabhängige Motivation der Ensemblethese ergibt sich aus der Feinabstimmung der in unserem Universum vorliegenden Parameter. Siehe weiter unten.

232

einem sogenannten "Multiversum".304 Die Welten innerhalb eines solchen Ensembles wären erst einmal als kausal unverbunden (und damit auch nicht in irgendeiner Weise als "zeitlich parallel" existierend) zu verstehen.305 Sie würden einem gemeinsamen Konfigurationsraum (realisierter) struktureller und nomologischer Alternativen angehören.306 Von einem solchen Ensemble kausal unverbundener, real existierender Welten zu reden, heisst natürlich, einen sehr stabilen metaphysischen Realismus zu vertreten, der die Bereitschaft einschliesst, Entitäten, die prinzipiell nicht empirisch zugänglich sind, ontischen Realstatus zuzusprechen. Wenn man einen solchen Realismus vertritt und damit nicht beabsichtigt, endgültig zu einem ausserwissenschaftlichen Mystizismus überzuwechseln, so heisst dies in letzter Konsequenz, metaphysische Szenarien zu entwerfen, um zu sehen, ob diese nicht vielleicht ein neues Licht auf die physikalischen Problemstellungen werfen können. - Wie weit kann man aber das Spiel mit einer metaphysischen Hypothese wie der der Existenz eines Ensembles physikalisch realer, aber kausal unverbundener Welten treiben, ohne den Rückweg in den Bereich der empirischen Wissenschaften unmöglich werden zu lassen?

304

Zu den Ausprägungen und Abgründen des Konzepts des "Multiversums" siehe etwa Jung (2005). Eine explizite Formulierung der Ensemblethese im Hinblick auf die Quantengravitation findet sich in Smolin (2004): "A There exists (in the same sense that our chairs, tables and our universe exists) a very large ensemble of 'universes', M which are completely or almost completely causally disjoint regions of spacetime, within which the parameters of the standard models of physics and cosmology differ. To the extent that they are causally disjoint, we have no ability to make observations in other universe than our own. The parameters of the standard models of particle physics and cosmology vary over the ensemble of universes." (Smolin (2004) 4) "C There are many different possible consistent phenomenological descriptions of physics, relevant for the possible description of elementary particle physics at scales less than Planck energies. These may correspond to different phases of the vacuum, or different theories altogether." (Smolin (2004) 12) "Multiverse hypothesis. Assuming A and C, the whole of reality - which we call the multiverse - consists of many different regions of spacetime, within which phenomena are governed by different of these phenomenological descriptions. For simplicity, we call these universes." (Smolin (2004) 12) 305 Alternativen hierzu werden weiter unten zu diskutieren sein. 306 Eine Typologie "paralleler" Welten und ihrer jeweiligen konzeptionellen Einbettbarkeiten findet sich etwa in Tegmark (2004).

233

Für den Übergang von der Kontingenzhypothese zur Ensemblehypothese sind vor allem die Antworten auf die folgenden Fragen entscheidend: Was genau heisst es, dass eine Welt nicht nur möglich, sondern auch real ist, oder vielleicht sogar möglich, aber eben nicht real? Warum ist unsere Welt nicht nur möglich, sondern auch faktisch existent? Sind andere mögliche Welten auch faktisch existent? Was bedeutet es faktisch existent zu sein?

Tegmarks "Ultimate Ensemble Theory"

Eine extreme Antwort auf diese Fragen liefert etwa Max Tegmark mit seiner Ultimate Ensemble Theory307, die in idealer Weise als Kontrastfolie zu den geschilderten Problemen des Stringansatzes herangezogen werden kann.308 - Tegmark vertritt die Auffassung: Jede mathematisch konsistente Struktur, also jede mögliche Struktur, existiert auch physisch:309 "Physical existence is equivalent to mathematical existence. [...] Mathematical existence is merely freedom from contradiction." (Tegmark (1998) 7) Er selbst bezeichnet seine Ultimate Ensemble Theory als eine Form des radikalen Platonismus:

307

Tegmark (1998). Sowohl für die Kontingenzthese als auch für die Ensemblethese, vor allem aber für letztere, ist das Spektrum des Möglichen relevant. Gibt es originär physikalische Gründe, welche dieses Spektrum etwa auf die konsistenten Szenarien des Stringansatzes beschränken? Oder erschöpfen diese vielleicht schon alles mathematisch Konsistente, so dass keine weiteren physikalischen Einschränkungen zur Wirkung kämen? Dann fiele der Stringansatz mit den Voraussetzungen für Tegmarks Ultimate Ensemble Theory zusammen. 309 Damit beantwortet er die folgenden Fragen und umgeht die Probleme, die bei anderslautender Antwort aufgeworfen werden könnten: "Why this multiverse with these properties rather than others? What endows these with existence and with this particular type of overall order? What are the ultimate boundaries of possibility - what makes something possible, even though it may never be realised?" (Stoeger / Ellis / Kirchner (2004) 20) 308

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"[...] a form of radical Platonism, asserting that the mathematical structures in Plato's realm of ideas, the Mindscape of Rucker, exist 'out there' in a physical sense, akin to what Barrow refers to as 'pi in the sky'." (Tegmark (1998) 4) Das Spektrum der konsistenten Möglichkeiten, so macht Tegmark deutlich, ist aber vielleicht gar nicht so riesig, wie man erst einmal vermuten könnte: "Although a rich variety of structures enjoys mathematical existence, the variety is limited by the requirement of self-consistency and by the identification of isomorphic ones." (Tegmark (1998) 8) Entscheidend hinsichtlich der Tegmarkschen Ultimate Ensemble Theory ist die Frage, was er eigentlich meint, wenn er sagt, dass eine konsistente mathematische Struktur physisch existiert. Für Tegmark heisst physisch existieren: für erfahrungsfähige Substrukturen innerhalb der entsprechenden Struktur als physisch existent in Erscheinung zu treten. Eigentlich benötigt man dann, wie er herausstreicht, auch die Konsistenzforderung nicht mehr, da inkonsistente Strukturen sicherlich keine erfahrungsfähigen Substrukturen, keine Substrukturen mit epistemischem Potential, zulassen: "Our definition of a mathematical structure having [physical existence] was that if it contained a [self-aware substructure], then this [self-aware substructure] would subjectively perceive itself as existing. This means that Hilbert's definition of mathematical existence as self-consistency does not matter for our purposes, since inconsistent systems are too trivial to contain [self-aware substructures] anyway." (Tegmark (1998) 9) Aber nicht einmal jede konsistente Struktur ist so beschaffen, dass sie Subsysteme enthält, die sie wahrnehmen können. Und wenn es keine erfahrungsfähigen Substrukturen innerhalb einer Struktur gibt, ist es, wie Tegmark konstatiert, müssig, nach der physischen Existenz dieser Struktur zu fragen: "For the many other mathematical structures that correspond to dead worlds with no [self-aware substructures] there to behold them [...], who cares whether they have [physical existence] or not? [...] The answer to Hawking's question, 'What is it that breathes fire into the

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equations and makes a Universe for them to describe?' would then be 'you, the [self-aware substructure]'." (Tegmark (1998) 46) So lässt sich schliesslich die Frage nach physischer Existenz auf die Frage nach der Existenz wahrnehmungsfähiger Substrukturen bzw. epistemischen Potentials reduzieren: "We could eliminate the whole notion of [physical existence] from our [theory of everything] by simply rephrasing it as if a mathematical structure contains a [self-aware substructure], it will perceive itself as existing in a physically real world." (Tegmark (1998) 46) Um innerhalb der Tegmarkschen Ultimate Ensemble Theory zu physikalisch relevanten Ergebnissen zu gelangen, kann man nun einerseits die globale Perspektive des Spektrums konsistenter Strukturen ("Top Down") heranziehen, andererseits die partikulare Perspektive erfahrungsfähiger Substrukturen, die sich selbst in einer spezifischen der Strukturen dieses Spektrums wiederfinden ("Bottom Up").310 311 "The picture is that some of these mathematical structures contain 'self-aware substructures' (SASs) [...]. To calculate the physical predictions of the theory, we therefore need to address the following questions: 1. Which structures contain SASs? 2. How do these SASs perceive the structures that they are part of? 3. Given what we perceive, which mathematical structures are most likely to be the ones that we inhabit?" (Tegmark (1998) 39)

310

Die globale Perspektive entspricht im Stringansatz der Erörterung des Spektrums der Vakua innerhalb der String-Landscape und ihrer Statistik; die partikulare Perspektive entspricht dem Versuch, aus vorliegender Phänomenologie auf das in unserer Welt realisierte String-Vakuum zu schliessen. 311 Tegmark weist darauf hin, dass die Ultimate Ensemble Theory im Rahmen statistische Vorhersagen, vergleichbar mit der statistischen Überprüfbarkeit der Quantenmechanik, grundsätzlich falsifizierbar ist. Der Frage, ob dies wirklich zutrifft, soll hier nicht nachgegangen werden, da die Ultimate Ensemble Theory im vorliegenden Kontext ausschliesslich als Kontrastfolie zum Stringansatz und als Veranschaulichung anthropischer Argumentationsweisen dient.

236

Aus der globalen Perspektive wäre zu klären, wie das gesamte Spektrum aussieht und welche Strukturen erfahrungsfähige Substrukturen zulassen und damit physisch existent sind.312 "[...] we are asking how large the 'cognizable' part of the grand ensemble is." (Tegmark (1998) 39) Dazu müsste man den gesamten Parameterraum der strukturellen Möglichkeiten daraufhin untersuchen, welche Konstellationen adäquate Bedingungen für selbsterfahrungsfähige Substrukturen bereitstellen. "[...] explore the parameter space [...] map out the archipelago of potential habitable islands [...]." (Tegmark (1998) 48) Tegmark stellt immerhin schon Vermutungen hinsichtlich des Ergebnisses an: "However, since the number of constraints for our own particular existence is much greater than the number of free parameters, we argued that it is likely that there is an archipelago of many such small islands, corresponding to different nuclear reaction chains in stellar burning and different chemical compositions of the [self-aware substructures]. The presence of a smaller number of much more severe constraints indicates that this archipelago also has an end, so that large regions on parameter space are likely to be completely devoid of [self-aware substructures], and it is likely that the total number of islands is finite." (Tegmark (1998) 40) "[...] islands of habitability are small and rare [...] it might even be possible to catalogue all of them." (Tegmark (1998) 40) Im Kontext des Bottom-Up-Ansatzes wäre schliesslich vor allem zu klären, welche Möglichkeiten aus einer partikularen Perspektive heraus bestehen, die nomologische Struktur zu ermitteln, zu der die jeweilige erfahrungsfähige Substruktur, die diese Perspektive einnimmt, - der Beobachter und 312

Weiterhin wäre im Rahmen des Top-Down-Ansatzes zu erörtern, wie die Strukturen, die im Tegmarkschen Sinne physisch existent sind, jeweils für die sie enthaltenden erfahrungsfähigen Substrukturen, von "innen" also, aussehen, wie sich also die erfahrbare Phänomenologie innerhalb einer Struktur zu dieser selbst verhält.

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Experimentator also - gehört. Denn es ist für erfahrungsfähige Substrukturen sicherlich nicht ohne weiteres schon aus der vorliegenden Phänomenologie heraus unmittelbar ersichtlich, in welcher Struktur sie existieren, Teil welcher Struktur sie also sind. Das genau ist die Situation, aus der heraus empirisch-wissenschaftliche Forschung und Theoriebildung betrieben wird und erforderlich ist. Es könnten sich nach Tegmarks begründeter Auffassung hierbei jedoch prinzipielle Grenzen für unsere empirisch-wissenschaftlichen Erschliessungsweisen auftun. Die Uneindeutigkeit, die dadurch entstehen könnte, dass sich mehrere mögliche nomologische Strukturen aufzeigen lassen, die zur vorfindlichen Phänomenologie führen, liesse sich vielleicht noch dadurch bewältigen, dass man die einfachste mögliche Erklärung und die einfachste Nomologie, welche die Phänomenologie reproduziert, als relevantes Ergebnis behandelt: "Since some aspects of complex mathematical structures can often be approximated by simpler ones, we might never be able to determine precisely which one we are part of. However, if this should turn out to be the case, it clearly will not matter, since we can then obtain all possible physical predictions by just assuming that our structure is the simplest of the candidates." (Tegmark (1998) 42) Ein gravierenderes Problem, auf das der Bottom-Up-Ansatz stossen könnte, besteht darin, dass nicht nur der Fall denkbar ist, in dem die Phänomenologie mit mehreren nomologischen Strukturen vereinbar ist, sondern ebenso die Möglichkeit besteht, dass wir überhaupt keine Struktur benennen können, welche die beobachtbare Phänomenologie hervorbringt. "The fact of the matter is that we to date have found no self-consistent mathematical structure that can demonstrably describe both quantum and general relativistic phenomena." (Tegmark (1998) 48) Die interessanteste Eigenschaft der Ultimate Ensemble Theory ist die, dass sie in radikalster Weise genau die Anforderungen erfüllt, die immer wieder als Zielvorgaben für eine fundamentale Theorie benannt wurden: sie enthält keine kontingente Information und keine freien Parameter.

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"[...] an entire ensemble is often much simpler than one of its members, which can be stated more formally using the notion of algorithmic information theory [...]. In this sense, our 'ultimate ensemble' of all mathematical structures has virtually no algorithmic complexity at all." (Tegmark (1998) 44) "Our [theory of everything] takes this ensemble enlargement to its extreme, and postulates that all structures that exist in the mathematical sense [...] exist in the physical sense as well. The elegance of this theory lies in its extreme simplicity, since it contains neither any free parameters nor any arbitrary assumptions about which of all mathematical equations are assumed to be 'the real ones'." (Tegmark (1998) 38) Die Ultimate Ensemble Theory hebt auf der globalen Ebene des Ensembles jegliche Kontingenz auf. Kontingenz tritt nur für erfahrungsfähige Substrukturen innerhalb spezifischer Strukturen in Erscheinung. Jede andere Theorie muss ein bestimmtes Mass an Kontingenz in Kauf nehmen, wenn sie nicht zeigen kann, dass sie schon alle mathematisch konsistenten Szenarien enthält und damit mit der Ultimate Ensemble Theory zusammenfällt.

Anthropische Selektion ?

Für den Stringansatz ist die Tegmarksche Ultimate Ensemble Theory vor allem deshalb interessant, weil in ihr, wenn auch weitgehend implizit, so doch in Reinkultur, eine Argumentationsweise anklingt, derer sich in jüngster Zeit auch die Vertreter des Stringansatzes bedient haben: die des sogenannten "schwachen anthropischen Prinzips".313 Das schwache anthropische Prinzip macht uns - ohne damit schon eine Erklärungsleistung zu erbringen - erst einmal nur darauf aufmerksam, dass die Welt, in der wir uns vorfinden, notwendigerweise so beschaffen sein muss, dass sie uns und unsere epistemische Perspektive zulässt. 313

Siehe etwa Barrow / Tipler (1986), Bertola / Curi (1993), Bostrom (2002), Hartle (2004), Smolin (2004), Bettini (2005).

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"This rather tautological (but often overlooked) statement that we have no right to be surprised about things necessary for our existence has been termed the weak anthropic principle." (Tegmark (1998) 6) Interessant wird das schwache anthropische Prinzip jedoch erst, wenn man es mit der folgenden Überlegung in Verbindung bringt: In Welten, die gänzlich anders beschaffen wären, würden komplexe Lebensformen mit epistemischem Potential - wie wir - vielleicht gar nicht existieren können und insofern diese andere Beschaffenheit auch gar nicht als die ihrer Welt feststellen können. "In other words, the 'island' in parameter space that supports human life appears to be quite small." (Tegmark (1998) 6) Daraus lässt sich dann die Konsequenz ziehen, dass, auch wenn eine Vielzahl von unterschiedlich beschaffenen Welten existierte, dennoch immer noch feststände: Die Welt, in der wir uns als mit epistemischen Fähigkeiten ausgestattete Strukturen wiederfinden, ist notwendigerweise so beschaffen, dass diese Beschaffenheit unsere Existenz zulässt. Dies ist kein Zufall, sondern eben gerade Voraussetzung unserer Existenz. Nicht die grundsätzlichen ontologischen Möglichkeiten für die Beschaffenheiten von Welten wären es, die das Spektrum dessen einschränken, was wir als uns umgebende und enthaltende Welt vorfinden könnten, sondern die Möglichkeit, eine bestimmte Welt als Lebewesen (oder Struktur) mit kognitiven und epistemischen Fähigkeiten bewohnen und erleben zu können. Die ontischen Festlegungen, die es vielleicht für Welten überhaupt oder auch für unsere Welt im speziellen geben mag, sind also in unserem epistemischen Zugang, mittels dessen wir diese zu erschliessen hoffen, immer schon von einer im vorhinein wirksamen epistemischen Selektivität überlagert, die über die Voraussetzungen unserer Existenz als epistemisch Befähigte auf das, was von uns vorgefunden werden kann, Einfluss nimmt. Das schwache anthropische Prinzip steht (als zugegebenermassen ziemlich unglücklicher Begriff) für nichts anderes als diese epistemische Selektivität. Ihr Selektivitätskriterium ist nicht etwa die menschliche Existenz, das "Anthropische", sondern vielmehr die Existenz von Systemen mit ausreichenden epistemischen Fähigkeiten, um als "Beobachter" in Frage zu kommen. "Beobachter" werden sich nur in Welten vorfinden, die sie auch hervorbringen können. Das Selektivitätskriterium des schwachen anthropi-

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schen Prinzips ist damit letztlich das im epistemischen Sinne Selbstreflexivwerden einer Welt.314 Welche Rolle spielt nun die epistemische Selektivität des schwachen anthropischen Prinzips für den Stringansatz? - Die anthropische Argumentationsweise liesse sich sicherlich kaum in glaubwürdiger Weise im Stringansatz zum Einsatz bringen, wenn sie sich ausschliesslich durch die in ihm vorfindlichen Pfade der Theorienbildung, die mit der Landscape-Hypothese schliesslich ein Ensemble an nomologischen und strukturellen Möglichkeiten nahelegen, motivieren liesse. Vielmehr gibt es etablierte, weitgehend theorieunspezifische (und vor allem vom Stringansatz völlig unabhängige) Motivationen für eine anthropische Argumentationsweise. Die entscheidende dieser von spezifischen theoretischen Szenarien und vor allem vom Stringansatz unabhängigen Motivationen für eine anthropische Argumentationsweise stellt die sogenannte "Feinabstimmung" unseres Universums dar. Diese Feinabstimmung besteht darin, dass es begründete Anzeichen dafür gibt, dass eine nur geringe Variation der in unserer Welt vorliegenden "Naturkonstanten" die Bedingungen in unserem Universum auf eine Weise verändern würde, die unsere Existenz unmöglich und andersgeartete Strukturen mit epistemischem Potential sehr unwahrscheinlich machen würde.315 So lässt sich etwa unter Einsatz ausschliesslich etablierter und empirisch gut gestützter physikalischer Theorien plausibel machen, dass eine nur geringe Veränderung der in unserem Universum vorliegenden kosmologischen Konstante die Entstehung der grossräumigen Strukturen im Kosmos unmöglich macht. Ebenso führt eine nur geringe Variation der Parameter des Standardmodells der Elementarteilchenphysik (Teilchenmassen, Kopplungskonstanten etc.) dazu, dass sich keine atomaren Strukturen, wie wir sie kennen, bilden können. Wenn Leben, zumal komplexe Lebensformen mit kognitiven und epistemischen Fähigkeiten, von halbwegs stabilen und ziemlich komplexen Strukturen abhängt, ist es nur mit einer sehr geringen Variation der in unserem Universum vorliegenden parametrischen Bedingungen vereinbar. Unser Universum scheint also gera314

Damit ist natürlich noch lange nicht gesagt, welches die physikalischen Bedingungen für ein solches epistemisches Selbstreflexivwerden einer Welt sind. Die Unklarheit bezüglich dieser Frage ist eines der Hauptprobleme bei der Implementierung des anthropischen Selektionsgedankens in physikalische Theorien. Siehe weiter unten. 315 Siehe etwa Rees (2000) und Barrow / Tipler (1986).

241

dezu für Leben bzw. für epistemisch befähigte Strukturen massgeschneidert zu sein. - Wie konnte es dazu kommen? Grundsätzlich bieten sich drei verschiedene Alternativen an: Einerseits könnte unser für Leben und für epistemische befähigte Strukturen massgeschneidertes Universum das Ergebnis eines wahrhaft kosmischen Zufalls sein. Dies ist, angesichts des offensichtlich sehr engen Spielraums den die Parametervariation für anthropisch adäquate Bedingungen lässt, nicht nur extrem unwahrscheinlich, sondern lässt auch keine weiteren wissenschaftlichen Erklärungsversuche mehr zu. Die Zufallshypothese entspricht gerade dem Verzicht auf weitere Erklärungsambitionen. Andererseits könnten wir es mit einem absichtsvoll geschaffenen DesignerUniversum zu tun haben. Diese Hypothese ist, wenn man gute Absichten unterstellt, Gegenstand theologischer Erwägungen. Lässt man die Frage hinsichtlich der Absichten unbeantwortet, so passt dieses Szenario auch etwa in der Kontext der Gnosis316, oder geeignet erweiterter Varianten des Simulationsarguments317 sowie diverser weiterer Gedankenkonstrukte, die vor allem die Science Fiction318 bereichert haben. So bleibt für die Wissenschaften vielleicht nur die dritte Alternative, die Feinabstimmung plausibel zu machen: Dass unser Universum offensichtlich für Leben bzw. für epistemisch befähigte Strukturen geradezu massgeschneidert zu sein scheint, wäre kein Wunder, wenn es ein ausreichend grosses Ensemble von real existierenden319 Welten unterschiedlicher Beschaffenheit gäbe. Wir würden uns ganz sicher in einem "feinabgestimmten" Universum vorfinden, das für uns geeignet ist. In einem Universum, in dem wir nicht existieren können, würden wir uns jedenfalls nicht wieder316

Siehe etwa Sloterdijk / Macho (1991). Siehe etwa Barrow (o.J.), Bostrom (2003), Dainton (2002), Hanson (2001), Schmidhuber (1997) sowie Tipler (1994). 318 Siehe etwa Egan (1994) und vor allem den Klassiker aller Simulationsszenarien, Galouye (1964), sowie R.W. Fassbinders Verfilmung von Galouyes Roman unter dem Titel Welt am Draht (1973), ferner das US-Remake The Thirteenth Floor und schliesslich (zumindest nominell unabhängig, aber vielleicht dennoch inspiriert von Galouyes Vorlage) den Film The Matrix der Wachowski Brothers. Siehe zu letzterem auch Chalmers (o.J.). 319 Wenn man nicht ohnehin schon die Tegmarksche Begrifflichkeit verwendet, müssen die Welten innerhalb dieses Ensembles wirklich existieren. Es genügt nicht, dass sie einfach nur möglich sind. Siehe weiter unten. 317

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finden. Gibt es ein Ensemble von Welten, so ist die anthropische Auswahl des "feinabgestimmten" Universums, in dem wir uns vorfinden, tautologisch. Ob ein solches Szenario, das - wie es aussieht320 - auf einen Realismus hinsichtlich empirisch grundsätzlich nicht zugänglicher, kausal voneinander (und vor allem von unserer Welt) unabhängiger Welten zurückgreifen muss, letztlich wirklich noch wissenschaftlich ist, ist natürlich sehr fraglich. Empirisch-wissenschaftlich im strengen Sinne ist es ganz sicher nicht! Aber wenn man sich nicht mit einem kosmischen Zufall zufriedengeben oder ein Designer-Universum annehmen möchte, so bleibt nur die Ensemblehypothese zur Plausibilisierung der Feinabstimmung. Hier kommen dann die theoretischen Modelle wieder zum Einsatz, die in nachvollziehbarer Weise ein solches Ensemble von Welten nahelegen oder für möglich erachten. Und genau hier kommt dann auch der Stringansatz wieder ins Rennen (und erfährt durch die Feinabstimmung, wenn er denn die Ensemblehypothese wirklich plausibel und stringent machen kann, nebenbei auch noch eine von seiner innertheoretischen Entwicklung unabhängige Motivation).321 Angesichts (i) der Feinabstimmung unseres Universums, (ii) der Vielzahl möglicher konsistenter Szenarien oder Vakua innerhalb des Stringansatzes sowie (iii) des Fehlens eines tragfähigen innertheoretisch begründbaren Vakuumselektionsprinzips liegt es nun nicht mehr fern, die Auswahl des unsere Welt repräsentierenden String-Vakuums als anthropisches Phänomen und damit als Ergebnis einer epistemischen Selektion zu verstehen: "Vacua come in two varieties, supersymmetric and otherwise. Most likely the non-supersymmetric vacua do not have vanishing cosmological constant but it is plausible that there are so many of them that they practically form a continuum. Some tiny fraction have cosmological constant in the observed range. With nothing preferring one vacuum over another, the anthropic principle comes to the fore whether or not we like the idea." (Susskind (2003) 17) 320

Hierzu weiter unten mehr! Weitere Ansätze, welche möglicherweise ein Ensemble von Welten nahelegen, sind das Inflationäre Szenario in der Kosmologie (Linde (1984), (1990) und (2004)) und die Everettsche Interpretation der Quantenmechanik. 321

243

Das würde aber heissen, dass die unterschiedlichen String-Szenarien im Spektrum der Landscape tatsächlich realisiert sein müssten.322 Nur dann kann eine anthropische Auswahl wirksam werden. Erst eine über die Kontingenzhypothese hinausgehende Ensemblehypothese ermöglicht die Argumentationsweise des schwachen anthropischen Prinzips. Die Kontingenzhypothese allein genügt nicht. Der Realismus hinsichtlich empirisch unerschliesslicher Welten ist offensichtlich erst einmal nicht vermeidbar. Dabei ist es zudem ziemlich sicher, dass nicht einmal die anthropische Selektion zur Eindeutigkeit hinsichtlich der tatsächlichen Beschaffenheit unseres Universums und zur Identifizierung des entsprechenden StringVakuums führen wird. Die Frage ist nämlich die, was genau Gegenstand der anthropischen Selektion ist.323 Wahrscheinlich werden die Eichsymmetrien im Niederenergiebereich, die Parameterwerte in der LagrangeFunktion für den Niederenergiebereich, der Materiegehalt des Universums (Art und Menge) und vor allem die Dimensionalität von Raum und Zeit anthropisch entscheidend sein und nur geringe Spielräume zulassen.324 Ähnliches gilt vermutlich vor allem auch für die jeweils mit der Nomologie verträgliche systemische Komplexität: "Fully linear equations (where all fields are uncoupled) presumably lack the complexity necessary for [self-aware substructures], whereas nonlinearity is notorious for introducing instability and unpredictability (chaos). In other words, it is not implausible that there exists only a small number of possible systems of [partial differential equations] that balance between violating the complexity constraint on one hand

322

Eine solche Realisierung vieler bzw. aller Szenarien innerhalb der Landscape könnte etwa die Konsequenz einer ewigen chaotischen Inflation des Universums sein. 323 Es gibt inzwischen eine ausgefeilte Methodologie des Umgangs mit anthropischen Argumenten. Hierbei wird vor allem der Versuch unternommen, Wahrscheinlichkeiten für die unterschiedlichen Selektivitäten zu berechnen. Siehe etwa Aguirre (2005), Aguirre / Tegmark (2005) und Tegmark / Aguirre / Rees / Wilczek (2006). 324 Es ist umstritten, ob die schwache Wechselwirkung hinsichtlich verschiedener spezifischer Ausprägungen ihres Auftretens (Eichgruppe etc.) anthropisch relevant ist. Dine etwa bezweifelt dies: "The weak gauge group may be hard to understand anthropically." (Dine (2004) 13) Dagegen argumentiert Tegmark (1998).

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and violating the predictability and stability constraints on the other hand." (Tegmark (1998) 38)

Dynamische Implementierung der anthropischen Selektivität

Vielversprechend erscheint einigen Stringtheoretikern vor allem eine dynamische, kosmologische Implementierung der anthropischen Selektion, wie sie etwa Leonard Susskind vorschlägt: "To make use of the enormous diversity of environments that string theory is likely to bring with it, we need a dynamical cosmology which, with high probability, will populate one or more regions of space with an anthropically favorable vacuum." (Susskind (2003) 11) Konstitutiv hierbei ist die Idee, dass als Ausgangspunkt für die anthropische Selektion nicht notwendigerweise ein Ensemble kausal voneinander unabhängiger, "paralleler" Welten angenommen werden muss, die sich bestenfalls in einem gemeinsamen abstrakten Konfigurationsraum der nomologischen und parametrischen Möglichkeiten verorten liessen. Vielmehr würden ausreichend viele verschiedene, sukzessiv auseinander hervorgehende Szenarien mit unterschiedlicher "effektiver Nomologie" hierfür genügen. Auf kausal unverbundene Szenarien zu verzichten, würde möglicherweise gerade bedeuten, den Realismus hinsichtlich empirisch grundsätzlich unzugänglicher Welten zu vermeiden. Ob die Hypothese sukzessiver Szenarien, an denen die anthropische Selektion ansetzt, an der Frage der empirischen Zugänglichkeit aber wirklich etwas ändert, liesse sich jedoch erst beantworten, wenn die konkreten Mechanismen der Szenariensukzession physikalisch geklärt wären. Zur Zeit gehen manche Autoren davon aus, dass der Mechanismus, der dieser Szenarienfolge und damit dem Ausgangspunkt einer dynamischen Implementierung der anthropischen Selektivität zugrundeliegt, der des Vakuumtunnelns innerhalb der String-Landscape sein könnte: "[...] vacuum tunnelling between solutions with different values of the cosmological constant [...] is often assumed to be the mechanism which dynamically implements the anthropic principle. The universe

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jumps around between vacua until it finds itself in an anthropically allowed one, at which time we observe it." (Banks / Dine / Gorbatov (2004) 13) Diese Tunnelprozesse, durch die die Dynamik der Übergänge zwischen diesen Szenarien erfolgt, sind nach Auffassung einiger Stringtheoretiker gar nicht vermeidbar, denn: "The vacua in string theory with lambda > 0 are not stable and decay on a time scale smaller than the recurrence time." (Susskind (2003) 17) Sollte der Stringansatz unsere Wirklichkeit beschreiben, sollten zudem die zehn bzw. elf Dimensionen der Superstringtheorien bzw. der M-Theorie tatsächlich raumzeitlich zu interpretieren sein, sollte weiterhin die Landscape-Hypothese zutreffen und sollte es tatsächlich zwischen den in ihr vorfindlichen Szenarien dynamische Übergänge geben, so könnte dies recht stürmische Folgen auch für unser Universum nach sich ziehen: "If an observer starts with a large value of the cosmological constant there will be many ways for the causal patch to descend to the supermoduli-space." (Susskind (2003) 12) "The potential on the supermoduli-space is zero and so it is always possible to lower the energy by tunneling to a point on the supermoduli-space." (Susskind (2003) 9) "The instability also allows the universe to sample all or a large part of the landscape by means of bubble formation." (Susskind (2003) 17) "[...] it always ends in an infinite expanding supersymmetric open Fr[i]edman universe." (Susskind (2003) 15) "The final and initial states do not have to be four dimensional." (Susskind (2003) 20) "In short [...] if 1) there are extra dimensions of space and 2) the Universe is undergoing accelerated expansion, then the present fourdimensional state of the Universe is not a stable state. The Universe is catastrophically unstable either to decompactification of extra dimensions, to gravitational collapse to a big crunch, or in special cases, possibly to decay to a four-dimensional supersymmetric universe." (Giddings (2003) 3)

246

Ob es nach einer Dekompaktifizierung oder einer Supersymmetrisierung noch Leben irgendeiner Form geben kann, bleibt pure Spekulation. "We can seek solace both in the relatively long life of our present four-dimensional Universe, and in the prospect that its decay produces a state capable of sustaining interesting structures, perhaps even life, albeit of a character very different from our own." (Giddings (2003) 15) Aber einerseits bestehen offensichtlich immerhin noch dynamisch motivierbare Hoffnungen für unsere Zukunftsaussichten. "The obvious way to avoid the generic instability is if there are nongeometric solutions of string theory that are totally isolated from geometrical solutions." (Giddings (2003) 13) Und andererseits gibt es für alle, die an dieser Welt hängen sollten, hoffnungsvolle Argumente, die sich auf die grundsätzliche Unmöglichkeit dynamischer Übergänge zwischen den String-Szenarien der Landscape stützen. Dass es zwischen den verschiedenen Szenarien innerhalb der Landscape dynamische Übergänge gibt, setzt nämlich voraus, dass sich die Szenarien der Landscape als Lösungen zu einer gemeinsamen Theorie verstehen und in einem gemeinsamen Parameterraum verorten lassen, so dass ein dynamischer Übergang einer Parametervariation entspräche. Wie schon oben erörtert,325 bezweifelt Banks gerade die Angemessenheit dieser Annahme für die String-Landscape. Wenn es jedoch keine dynamischen Übergänge zwischen den Szenarien innerhalb der String-Landscape geben sollte, wie sie die von Susskind vorgeschlagene kosmologische Implementierung der anthropischen Selektion voraussetzt, dann macht dies jedoch auch den Ausweg zunichte, mit dem sich vielleicht gerade der Realismus hinsichtlich empirisch unzugänglicher Welten hätte vermeiden lassen.

325

Siehe Kap. 5.2.

247

Konsequenzen

Wie auch immer es um die konkreten Bedingungen der Implementierung anthropischer Selektivität und ihre jeweiligen Voraussetzungen stehen mag: Mit der Einbeziehung anthropischer Argumentationsweisen in die Physik kommt es zu dramatischen Veränderungen in unserer physikalischen Weltsicht und hinsichtlich der regulativen Ideale, die wir bisher mit unseren fundamentalsten Theorien in Verbindung gebracht haben. "[...] in an anthropic theory simplicity and elegance are not considerations. The only criteria for choosing a vacuum is utility, i.e. does it have the necessary elements such as galaxy formation and complex chemistry that are needed for life." (Susskind (2003) 5f) Die veränderte Argumentationslage betrifft vor allem ein zentrales Anliegen der Physik und ihrer Erklärungsansprüche. Wie Steven Weinberg schon vor langer Zeit einmal schrieb: "After all, we do not want merely to describe the world as we find it, but to explain to the greatest possible extent why it has to be the way it is." (Weinberg (1977) 34)326 Wenn sich ein physikalisches Szenario mit anthropischer Selektivität als unabwendbar herausstellen sollte, so würde dies das Ende der Hoffnung auf eine rein physikalische Erklärung dafür sein, warum die Welt gerade so beschaffen ist wie sie es ist. Wir würden vielleicht noch zu einen gewissen Masze herausfinden können, wie sie beschaffen ist. Diese Beschaffenheit selbst wäre jedoch nicht mehr Gegenstand einer physikalischen, sondern einer anthropischen oder kosmologisch-evolutionären Erklärung. Und diese Beschaffenheit wäre bis zu einem gewissen Grade kontingent. Aber vielleicht trifft dies eben gerade zu.

326

Vgl. zum Kontrast Weinberg (2005).

248

Kritik an anthropischen Argumentationsweisen

Mit der Kontingenz unserer Welt liesse sich vielleicht noch konstruktiv umgehen, wenn man nicht allzu sehr an den metaphysischen Idealen der Eindeutigkeit und Einzigartigkeit hängt und bereit ist, sich auf einen metaphysisch ausufernden Realismus hinsichtlich empirisch grundsätzlich unzugänglicher Welten einzulassen. Aber hilft uns eine anthropische Argumentationsweise, die unumgänglich zu sein scheint, wenn sich kein Vakuumselektionsprinzip finden lassen sollte und sich die Landscape-Hypothese des Stringansatzes auch nicht als Artefakt einer von empirischen Überprüfungsmöglichkeiten vollständig losgelösten Theorienbildung erweisen sollte, in wissenschaftlicher Hinsicht wirklich weiter? Manche der involvierten Physiker bezweifeln dies inzwischen. Einerseits ist es, solange man aus einem theoretischen Szenario nicht ohne weiteres die konkreten Implikationen für die Niederenergiephysik ableiten kann, ohnehin unentscheidbar, ob sich dieses Szenario als anthropisch geeignet erweisen könnte. "It is likely that the low energy dynamics of any theory satisfying our criteria would be sufficiently complicated that we would have little chance of deciding whether complex, intelligent organisms could evolve in these alternative universes." (Banks (2003) 55) Andererseits wäre es aber, auch wenn sich die entsprechende Niederenergiephysik für alle möglicherweise relevanten Szenarien ableiten liesse, trotzdem noch lange nicht klar, welche der Szenarien komplexe Strukturen mit epistemischem Potential tatsächlich zulassen, da man die dafür erforderlichen Bedingungen nur sehr unzureichend einschätzen kann. "[...] I do not know how to implement the anthropic principle. It is nearly impossible to say: the weak anthropic principle (the requirement that we find ourselves in an environment or neighborhood which can support life) requires the cosmological constant to be..., the fine structure constant to be..., the strength of inflationary flucturation to be... The problem is simply too complicated." (Dine (2004a) 8)

249

Die Verwendung des anthropischen Prinzips als Selektionskriterium führt, wie sich leicht einsehen lässt, zu einer nur geringen Vorhersagekraft. Eindeutigkeit könnte es nur in einer Hinsicht geben: wenn sich zeigen liesse, dass keines der aus dem Stringansatz ableitbaren Szenarien anthropisch geeignet ist, etwa indem alle Szenarien notwendigerweise eine ungebrochene Supersymmetrie aufweisen. Der Stringansatz liesse sich falsifizieren, sobald gezeigt werden könnte, dass seine generell mit anthropischen Bedingungen unvereinbaren Konsequenzen aus innertheoretischen Gründen unabwendbar sind. Es wäre unter diesen Bedingungen unsere Existenz, die den Stringansatz widerlegen würde. Führt der Einsatz anthropischer Argumente jedoch nicht auf genau diese Weise zur Falsifikation des Stringansatzes, so könnte es um seine grundsätzliche Falsifizierbarkeit schlecht bestellt sein. Wenn die Ankopplung einer fundamentalen Theorie an die Phänomenologie nämlich ausschliesslich über die Vermittlung einer anthropischen Selektion stattfindet, so kommt man ausgehend von der Phänomenologie an die von der Theorie postulierte fundamentale Nomologie mit empirisch-wissenschaftlichen Mitteln (aus der Bottom-Up-Perspektive der empirischen Wissenschaften) eigentlich nicht mehr heran. Auch wenn die (für das Ensemble) postulierte Nomologie tatsächlich der in unserer Welt vorliegenden Phänomenologie zugrundeläge, liesse sich dies unter solchen epistemisch restriktiven Bedingungen nie feststellen. Und im gegenteiligen Falle liesse sich die von der Theorie postulierte Nomologie nicht falsifizieren, solange sie grundsätzlich mit der in unserer Welt vorfindlichen Phänomenologie kompatibel ist. Ensembletheorien, welche die Ankopplung an die Phänomenologie ausschliesslich über anthropische Selektivität herstellen (und darüberhinaus grundsätzlich anthropisch geeignete Szenarien enthalten, die mit der erschliessbaren Phänomenologie grundsätzlich vereinbar wären), sind in letzter Konsequenz nicht falsifizierbar - und daher letztlich unwissenschaftlich. Lässt man die anthropische Selektivität die gesamte empirische Ankopplung beherrschen, muss man nur noch wenig über die zugrundeliegende fundamentale Theorie wissen, ausser, dass diese grundsätzlich anthropisch geeignete Szenarien zulässt und unsere anthropisch geeignete Welt mit einer Wahrscheinlichkeit über Null im Spektrum ihrer Szenarien enthält.

250

"Perhaps the most attractive feature of the anthropic argument is that it does not require us to know much about the Meta-theory, which determines the probability distribution of the cosmological constant. One requires only that such a theory exists and that the probability distribution in the vicinity of the anthropic bound is nonzero, and reasonably smooth. The lack of dependence on details of the Metatheory is important, because it is unlikely that any of those details could be checked by experiment. If we needed to understand an elaborate mathematical theory, most of whose structure could never be tested, in order to believe in the anthropic bound, then that bound would appear much less plausible." (Banks (2003) 46f) Hat man erst einmal eine solche Theorie, die über die geeigneten anthropischen Konsequenzen verfügt und insofern die fundamentale Nomologie der Welt beschreiben könnte, bleibt, solange es keine unabhängigen Testinstanzen gibt, immer noch der Zweifel: Es könnte ganz andere Theorien geben, die ganz andere fundamentale Nomologien postulieren, aber genau die gleiche partikulare Eigenschaft haben, unsere als einzige uns epistemisch zugängliche, anthropisch geeignete Welt einzuschliessen. (Und die Genauigkeit dieser Bedingungen wäre noch einmal durch die Differenzierungsfähigkeit unserer empirisch-wissenschaftlichen Erschliessungsverfahren hinsichtlich der vorliegenden Phänomenologie aufgeweicht.) "I must admit to a great deal of unease in talking about these arguments. Consider the following model of a Meta-theory: A supreme being plays dice with himself, and on the basis of each throw, decides to construct a universe with a finite number of quantum states obeying the famous, yet to be constructed, rules for quantum cosmology in such a universe. Only the number of spins n is decided by the throw of the dice. We then apply the anthropic argument. As theoretical physicists, we would certainly find an elegant mathematical model of a Meta-theory more satisfying than the supreme being model. but our inability to perform experiments for the values of n that are ruled out by the anthropic argument, leaves us with no experimental proof that the supreme being model is any less right than the mathematical one. We must ask ourselves whether we are really doing science. So must anyone who indulges in anthropic speculation." (Banks (2003) 48)

251

Welche der in Frage kommenden Nomologien, die wir wahrscheinlich zum grössten Teil nie im Rahmen unserer theoretischen Bemühungen erschliessen werden, unserer Welt zugrundeliegt, ist jedenfalls nicht mehr entscheidbar, wenn die entsprechenden Theorien nur indirekt an ihren anthropisch selektierten Konsequenzen und an dem, was wir über unsere Welt wissen, gemessen werden. Eine theoretisch postulierte fundamentale Nomologie ist, wenn sie nur über den Filter einer anthropischen Selektion mit der Phänomenologie in Verbindung gebracht wird und damit Erfolg hat, zwangsweise selbst nicht mehr empirisch überprüfbar. Ensemblekonzeptionen, wie sie mit der String-Landscape vorliegen, laufen grundsätzlich Gefahr, infolge unseres auf ein Element des Ensembles - unsere Welt begrenzten epistemischen Zugangs zu folgender wissenschaftlich völlig inakzeptablen Selbstimmunisierungsstrategie für die postulierte Theorie zu führen: "'Our theory has many solutions Si. One of them, S1 gives rise to a prediction X. If X is found that will confirm the combination of our theory and the particular solution S1. But if X is not found belief in the theory is not diminished, for there are a large number of solutions that don't predict X.'" (Smolin (2004) 5) Man kann sich fragen, ob für den Stringansatz das Stadium einer solchen Selbstimmunisierung mit der Landscape-Hypothese und dem Verständnis der Szenarienselektion als anthropischem Phänomen schon erreicht ist: "It is indeed plausible that this is already the case with string theory [...]." (Smolin (2004) 5) Bleibt nur der Schluss, dass das (schwache) anthropische Prinzip und die Idee einer epistemischen Selektivität zwar bei ihrer ersten Vergegenwärtigung vielleicht berechtigterweise als erhellend erscheinen mögen - wie alle Tautologien, derer man sich mehr oder weniger überraschend bewusst wird. Letztendlich sind anthropische Argumentationsweisen aber spätestens dann fatal für unsere Erkenntnisabsichten, wenn sich keine von ihnen unabhängigen Testinstanzen für die postulierte fundamentale Nomologie mehr benennen und realisieren lassen.

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"The simple reason is that once a non-falsifiable theory is preferred to falsifiable alternatives, the process of science stops and further increases in knowledge are ruled out." (Smolin (2004) 5) Aber noch besteht die Hoffnung, dass sich entweder herausstellt, dass es sich bei der Landscape-Hypothese um ein Artefakt der Theorienbildung handelt, oder, dass sich zeigt, dass die String-Landscape keine anthropisch geeigneten, theoretischen Szenarien enthält, was, wenn sich die LandscapeHypothese als unabdingliche Konsequenz des Stringansatzes erweisen würde, seiner Falsifizierung entspräche - vielleicht der einzig denkbaren.

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6. Das Problem der Raumzeit in der Quantengravitation Gemeinsam mit dem Problem des fehlenden physikalisch motivierbaren, fundamentalen Prinzips und dem im vorausgehenden Kapitel erörterten Kontingenzproblem bildet das Problem der (Hintergrund-) Raumzeit das Dreigestirn der fundamentalen konzeptionellen Probleme des Stringansatzes, an dem nahezu alle Detailprobleme ankoppeln und von dem sie teilweise sogar ursächlich ihren Ausgang nehmen.

6.1. Das Problem der Hintergrundraumzeit im Stringansatz Eine der besten Motivationen sowohl für eine konzeptionelle Vereinheitlichung wie für eine nomologische Vereinigung, und damit für eine Theorie der Quantengravitation in der ersten wie auch der zweiten Ausprägung, besteht in der Unverträglichkeit zwischen Allgemeiner Relativitätstheorie und den Quantenfeldtheorien bzw. der Quantenmechanik.327 Will man diese Unverträglichkeit im Rahmen einer Theorie der Quantengravitation durch eine (direkte oder auch indirekte) Quantisierung der Gravitation überwinden, wie es nicht zuletzt auch der Stringansatz versucht, so betrifft diese Quantisierung nicht zuletzt auch unmittelbar die Raumzeit. Denn eine Quantisierung der Gravitation entspricht, wenn die fundamentalen Einsichten der Allgemeinen Relativitätstheorie hinsichtlich des Verhältnisses von Gravitation und Raumzeit zutreffen, letztlich gerade einer Quantisierung der Raumzeit bzw. ihrer Metrik: also einer "Quantengeometrie". "[...] general relativity is not just a theory of gravity - in an appropriate sense, it is also a theory of spacetime itself; and hence a theory of quantum gravity must have something to say about the quantum nature of space and time." (Butterfield / Isham (2001) 34) 327

Siehe Kap. 4.2.

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Trifft die Annahme zu, dass sich die grundlegenden Eigenschaften der Realität nur im Rahmen eines quantenphysikalischen Ansatzes erfassen lassen, so sind spätestens für den Bereich, für den die Gravitation etwa die gleiche Stärke wie die anderen Wechselwirkungen annimmt - die PlanckEbene -, metrische und vielleicht sogar topologische Fluktuationen und Unschärfen zu erwarten, die für die Beschreibung der Raumzeit und ihrer metrischen und topologischen Eigenschaften eine "Theorie der Quantengeometrie" erforderlich machen. Eine solche Theorie der Quantengravitation sollte in der Lage sein, die Eigenschaften und das Verhalten der Raumzeit auf dieser Ebene zu beschreiben. Das heisst aber letztlich, dass sie in der Lage sein sollte zu erklären, was Raum und Zeit überhaupt sind und wie sie sich etwa zur Materie verhalten.328 "The search for a quantum theory of gravity raises questions such as: What is space? What is time? What is the meaning of 'being somewhere'? What is the meaning of 'moving'? Is motion to be defined with respect to objects or with respect to space? Can we formulate physics without referring to time or to spacetime? And also: What is matter? What is causality? What is the role of the observer in physics? / Questions of this kind have played a central role in periods of major advances in physics. [...] Today, this manner of posing problems is often regarded as 'too philosophical' by many physicists. [...] To understand quantum spacetime, we have to return, once more, to those foundational issues. [...] The problem of quantum gravity will not be solved unless we reconsider these questions." (Rovelli (2004) 20) Diese Fragen nach der Natur von Raum und Zeit und nach dem Verhältnis von Raum und Zeit zur Materie, deren anzustrebende Antworten zu den vorrangigen Desiderata einer zukünftigen Theorie der Quantengravitation gehören, erfahren jedoch im Stringansatz, der schliesslich nicht zuletzt eine nomologisch vereinheitlichte Beschreibung aller Wechselwirkungen ein328

Das spezifische Problem der Zeit in den Quantengravitationstheorien wird im folgenden nicht behandelt - im Gegensatz zum Problem der problematischen Raumzeitkonzeption des Stringansatzes bzw. im Gegensatz zum Problemfeld der Erfordernisse, die Quantengravitationstheorien hinsichtlich ihrer Raumzeitkonzeptionen mutmasslich erfüllen müssen, wenn unsere grundlegenden Einsichten über die Raumzeit, wie sie von der Allgemeinen Relativitätstheorie geliefert werden, zumindest grundsätzlich richtig sind. Zum spezifischen Problem der Zeit in der Quantengravitation bzw. im Stringansatz, siehe etwa Seiberg (2006), Abschnitt 6.

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schliesslich der Gravitation zu leisten beansprucht, keine Klärung. Der Stringansatz trägt (über die bisher empirisch völlig unbestätigte und immerhin problematische Festlegung der Dimensionalität hinaus) in seiner bisherigen Form nicht ernsthaft etwas zum Verständnis der Raumzeit und ihrer Dynamik bei. Was aber noch viel gravierender ist: Es gelingt ihm nicht einmal ohne weiteres, Raum und Zeit im Hinblick auf den schon in der Allgemeinen Relativitätstheorie erreichten Standard angemessen zu behandeln. Dies stellt seinen Status als angemessenen Ansatz zur Überwindung der Unvereinbarkeiten zwischen Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik bzw. Quantenfeldtheorien nicht unwesentlich in Frage. Das entscheidende Problem in dieser Hinsicht lässt sich an der Verwendung einer statischen Hintergrundraumzeit im Stringansatz festmachen.

Das Problem der Hintergrundraumzeit

Von einer Theorie der Quantengravitation sollte man erwarten, dass sie, soweit sich keine ausreichend motivierten Gründe für eine gegenteilige Annahme vorbringen lassen, zumindest nicht hinter die fundamentaleren Einsichten ihrer Vorgängertheorien zurückfällt. Das Problem der Raumzeit im Stringansatz resultiert jedoch gerade daraus, dass dieser die grundsätzlichen Einsichten der Allgemeinen Relativitätstheorie hinsichtlich unserer Auffassung von Raum und Zeit grundlegend ignoriert und mit einer modelltheoretischen Grundlage arbeitet, die mit der von der Allgemeinen Relativitätstheorie einhergehenden Konzeption der Raumzeit vollständig unverträglich ist. Eine der grundlegenden Einsichten aus der Allgemeinen Relativitätstheorie besteht darin, dass das Gravitationsfeld letztlich der Raumzeit bzw. ihrer Metrik entspricht. "The gravitational field is not located in spacetime: it is with respect to it that things are localized." (Rovelli (1998) 19)

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Dies lässt sich in einer extremen Deutung vielleicht sogar so lesen, dass es in der Darstellung der Allgemeinen Relativitätstheorie eigentlich gar keine Gravitation mehr gibt, und dass das, was vormals als Gravitation bezeichnet wurde, eigentlich nur metrische Eigenschaften der Raumzeit sind. "Einstein's major discovery is that spacetime and gravitational field are the same object. A common reading of this discovery is that there is no gravitational field: just a dynamical spacetime. In view of quantum theory, it is more illuminating and more useful to say that there is no spacetime, just the gravitational field." (Rovelli (2004) 266) Wenn das Gravitationsfeld aber der Raumzeit bzw. ihren metrischen Eigenschaften entspricht, lässt es sich konsequenterweise nicht als Quantenphänomen beschreiben, welches wiederum auf einer vorgegebenen, schon mit einer Metrik ausgestatteten Raumzeit stattfindet. Eine Theorie der Quantengravitation müsste vielmehr das Zustandekommen der Gravitation, und damit konsequenterweise das Zustandekommen der metrischen Eigenschaften der Raumzeit, vielleicht sogar der Raumzeit selbst, beschreiben, ohne dass diese Raumzeit mit allen ihren Eigenschaften schon vorausgesetzt wird. Wenn Gravitation mit der Raumzeit bzw. ihren metrischen Eigenschaften gleichzusetzen ist, so kann man nicht die Gravitation wiederum als Quantenphänomen auf einer vorgegebenen Hintergrundmetrik beschreiben wollen. Für eine quantenmechanische Behandlung der Gravitation, also eine Theorie der Quantengravitation, die gleichzeitig eine Beschreibung der "Quantengeometrie" leisten sollte, lässt sich vielmehr die Notwendigkeit einer Beschreibung ohne vorgegebenen Hintergrundraum erwarten. "[...] gravity is geometry whence, in a fundamental theory, there should be no background metric. In quantum gravity, geometry and matter should both be 'born quantum mechanically'." (Ashtekar (2005) 12) Eine weitere Einsicht aus der Allgemeinen Relativitätstheorie - eng verbunden mit der soeben geschilderten - besteht darin, dass die Raumzeit selbst, infolge der Identität ihrer metrischen Eigenschaften mit dem Gravitationsfeld, dynamisch ist. Die Raumzeit und ihre metrischen Eigenschaften sind Teil der Dynamik und nicht etwa ihr Schauplatz. Auch dies spricht ganz entschieden für die Unangemessenheit eines fest vorgegebenen, stati-

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schen Hintergrundraumes für eine angemessene Theorie der Quantengravitation. "But the world is not formed by a fixed background over which things happen. The background itself is dynamical. [...] The absence of a fixed background in nature (or active diffeomorphism invariance) is the key general lesson we have learned from gravitational theories." (Rovelli (1998) 5) Ein deutliches Indiz für die Dynamizität der Raumzeit und für die Hintergrundunabhängigkeit des kosmischen Geschehens liefert nicht zuletzt die Diffeomorphismus-Invarianz329 der Allgemeinen Relativitätstheorie. Die Diffeomorphismus-Invarianz kommt vor allem im Einsteinschen LochArgument und seinen moderneren Varianten330 zum Ausdruck. Deutlich wird sie zudem in der von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Zahl der Freiheitsgrade von Gravitationswellen und in den indirekten empirischen Belegen, die es für diese inzwischen immerhin gibt: "The observations that show that gravitational radiation carries energy away from binary pulsars in two degrees of freedom of radiation, exactly as predicted by Einstein's theory, may be considered the experimental death blow to the absolute point of view. The fact that two, and not five, degrees of freedom are observed means that the gauge invariance of the laws of nature includes spacetime diffeomorphism invariance. This means that the metric is a completely dynamical entity, and no component of the metric is fixed and non-dynamical. / As argued by Einstein and many others since, the diffeomorphism invariance is tied directly to the background independence of the theory. This is shown by the hole argument [...]. / Thus, classical general relativity is background independent. The arena for its dynamics is no spacetime, instead the arena is the configuration space of all the degrees of freedom of the gravitational field, which is the metric modulo diffeomorphisms." (Smolin (2003) 12)

329

Ein Diffeomorphismus ist eine stetige, umkehrbare Abbildung einer Mannigfaltigkeit auf sich selbst oder eine andere Mannigfaltigkeit. 330 Siehe etwa Norton (1988), (2004), Earman / Norton (1987), Earman (1989), Butterfield (1989) sowie Rynasiewicz (1994).

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Infolge der Diffeomorphismus-Invarianz entspricht eine physikalische Raumzeit gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht einer bestimmten Mannigfaltigkeit mit einer Metrik, sondern einer Äquivalenzklasse solcher Mannigfaltigkeiten unter der Transformationsgruppe des Diffeomorphismus. Die in einer solchen Äquivalenzklasse enthaltende Information lässt sich nicht mittels der Qualifizierung von Feldwerten an Raumzeitpunkten darstellen. Das bedeutet aber: Wenn die Darstellung der Allgemeinen Relativitätstheorie in dieser Hinsicht den Verhältnissen in der Natur gerecht wird, wofür ihre empirischen Bestätigungen sprechen, ist jede Theorie, die ihre entsprechenden Feldwerte oder dynamischen Grössen den Punkten einer vorgegebenen Hintergrundraumzeit zuordnet, für eine Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse letztlich unangemessen. Dass sich gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie die in einer infolge der Diffeomorphismus-Invarianz zustandekommenden Äquivalenzklasse enthaltende Information nicht mittels der Qualifizierung von Feldwerten an Raumzeitpunkten darstellen lässt, ist eine der Ursachen dafür, dass die Diffeomorphismus-Invarianz von manchen Physikern, vor allem von den Vertretern der Loop Quantum Gravity, als Anzeichen für die Relationalität der Raumzeit angesehen wird. "But we have learned another more general lesson from GR: that spacetime location is relational only. This is a distinct idea from the fact that the metric is dynamical. Mathematically, this physical idea is captured by the active diff invariance of the Einstein equations." (Rovelli (1998) 18) Dieser Auffassung zufolge ist schon die Allgemeine Relativitätstheorie eine letztendlich relationale Theorie. "[...] apart from the specification of topology, differential structure and dimension, general relativity is a relational physical theory." (Smolin (2005) 12) Diese Einsicht sollte sich, jedenfalls nach Auffassung der Vertreter des Raumzeitrelationalismus, auch in einer Quantengravitationstheorie niederschlagen. Sie gehört immerhin zu den Grundüberzeugungen, auf denen etwa die Loop Quantum Gravity beruht.

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"Therefore, what we need in quantum gravity is a relational notion of a quantum spacetime." (Rovelli (1998) 19) Über diesen engeren Kontext hinaus, ist die Relationalität der allgemeinrelativistischen Raumzeit jedoch innerhalb der Physik wie der Wissenschaftstheorie immer noch umstritten. Der Streit zwischen den Substantivalisten und den Relationalisten ist noch lange nicht ausgefochten.331 Unumstritten ist jedoch die Dynamizität der allgemein-relativistischen Raumzeit: Wenn eine Theorie der Quantengravitation nicht hinter diese Einsicht der Allgemeinen Relativitätstheorie zurückfallen will, so kann eine solche Theorie nicht auf einer (direkten oder indirekten) Quantisierung der Gravitation auf einer fest vorgegebenen, statischen Hintergrundraumzeit beruhen. Aber nicht nur die erfolglosen Ansätze zur Einbeziehung der Gravitation in den methodologischen Rahmen der Quantenfeldtheorien ("Kovariante Quantisierung") gingen von einer solchen fest vorgegebenen, statischen Hintergrundraumzeit aus, auf der die Gravitation und ihre Dynamik beschrieben werden sollte. Das gleiche Problem stellt sich für den Stringansatz. Dieser arbeitet, wie schon die Quantenfeldtheorien, auf einer modelltheoretischen Grundlage, die vom konzeptionellen Ansatz her eine fixierte Raumzeit, meist eine klassische, statische Minkowski-Raumzeit, voraussetzt.332 Die Dynamik des String wird auf einer einmal festgelegten, nicht in die Dynamik einbezogenen Hintergrundraumzeit beschrieben, wie sie schon die Quantenfeldtheorien verwenden. Dies entspricht letztlich dem Versuch, die dynamische Raumzeit - deren Metrik gemäss der Allgemeinen Relativitätstheorie der Gravitation entspricht, die dann im Bild der Quantenfeldtheorien als durch den Austausch von Gravitonen (den Feldquanten des quantisierten Gravitationsfeldes bzw. des quantisierten metrischen Feldes) zustandekommendes Phänomen aufgefasst wird und die schliesslich im Stringansatz als Ergebnis der Wechselwirkung von Strings im Spin-2-Oszillationszustand verstanden wird - auf einer fest vorgegebenen, statischen Hintergrundraumzeit zu quantisieren. 331

Siehe etwa Earman (1986) (1989), Maudlin (1993), Bartels (1994), (1996), (1999) sowie Belot (1996). 332 Es gibt zwar vielversprechende Versuche, den Stringansatz auf gekrümmte Metriken zu erweitern. Siehe etwa Sanchez (2003). Diese gekrümmten Metriken werden jedoch immer noch als fest vorgegeben behandelt; sie können im Rahmen der durch das modelltheoretische Instrumentarium der Stringtheorien vorgezeichneten Möglichkeiten nicht als dynamisch ins Geschehen einbezogen behandelt werden.

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Ein solches Vorgehen impliziert gleich zwei Probleme: Zum einen wird die Dynamizität der Raumzeit ignoriert, zum anderen die Tatsache, dass sich die Gravitation im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie als metrische Eigenschaft der Raumzeit darstellt, also als solche kaum auf einer schon vorgegebenen Hintergrundraumzeit erfasst werden kann. Für die frühen Ansätze zur Einbeziehung der Gravitation in den methodologischen Rahmen der Quantenfeldtheorien ("Kovariante Quantisierung") endete diese Vorgehensweise in der Nicht-Renormierbarkeit und bedeutete ihr Aus. Für den Stringansatz scheint sich zwar das Problem der NichtRenormierbarkeit vermeiden zu lassen; durch die Einbeziehung der Supersymmetrie scheint die Theorie finit zu bleiben und nicht einmal einer Renormierung zu bedürfen, auch wenn dies immer noch nicht definitiv bewiesen worden ist. An der Unverträglichkeit der konzeptionellen Voraussetzungen des Stringansatzes mit den Einsichten aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ändert dies jedoch nichts: Eine Beschreibung der Gravitation müsste, wenn man die Einsichten der Allgemeinen Relativitätstheorie ernst nimmt, ohne einen vorgegebenen Hintergrundraum auskommen. Eine solche Beschreibung kann jedoch nicht im Kontext eines perturbativen Ansatzes erreicht werden, der (wie die Quantenfeldtheorien) notwendigerweise mit einem fest vorgegebenen Hintergrundraum arbeitet.333 Diese konzeptionellen Unzulänglichkeiten stellen nicht zuletzt auch in Frage, dass sich der Stringansatz im Hinblick auf seine theoretischen Implikationen (Dimensionalität, Kompaktifizierung, aber auch Stringdynamik und -Oszillationen) überhaupt realistisch interpretieren lässt.334 "It is most likely irrelevant whether these extra dimensions exist in any literal sense. If one is drawn to a picture of our three-dimensional 'reality' embedded in some higher-dimensional realm, then one can believe in the extra dimensions, at least as long as one is working in this background dependent picture. But these extra dimensions can also be seen as purely theoretical devices which are useful for under333

Gerade für den Bereich sehr hoher Energien und sehr kleiner Abstände, für den eine Erfassung der Quanteneigenschaften der Geometrie unabdingbar ist, brechen ohnehin die Voraussetzungen für eine perturbative quantenfeldtheoretische Behandlung zusammen. 334 Von diesem Problemen einer realistischen Deutung des vom Stringansatz gezeichneten Bildes des dynamischen Geschehens auf der Planck-Ebene wird später noch ausführlicher die Rede sein. Siehe Kap. 7.

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standing the list of consistent string theories in three dimensions. As long as we stay on the background dependent level, it does not really matter." (Smolin (2000) 160) Das Problem der fest vorgegebenen Hintergrundraumzeit existiert als konzeptionelles Problem zwar grundsätzlich auch schon für die Quantenfeldtheorien.335 Es nimmt aber hier nicht die sich für den Stringansatz abzeichnende Brisanz an, da mit letzterem, im Gegensatz zu den Quantenfeldtheorien, gerade die dynamische Erfassung der Gravitation geleistet werden soll. Dass die Raumzeitkonzeption der Quantenfeldtheorien nicht mit der der Allgemeinen Relativitätstheorie vereinbar ist, ist letztendlich nur eines der Anzeichen für deren wechselseitige Inkompatibilität, die gerade eine wichtige Motivation für die Entwicklung einer Theorie der Quantengravitation liefert. Wenn sich der Stringansatz jedoch mit grundlegenderen Auffassungen hinsichtlich der Raumzeit als in jeder Hinsicht unverträglich erweisen sollte, so liefert dies im Gegensatz zu dem für die Quantenfeldtheorien diesbezüglich vorliegenden Problem keine weiteren Motivationselemente mehr, die über den Kontext des theoretischen Ansatzes hinausdeuten, sondern bedeutet lediglich sein Ende. Gerade eine Theorie der Quantengravitation kann die Problematik der Raumzeit als konzeptionelles Problem nicht ignorieren.

Raumzeit als abgeleitete Grösse ?

Das Problem der Hintergrundraumzeit und seine Brisanz werden von den Stringtheoretikern ohne Umschweife als solche erkannt.336 "Finding the correct mathematical apparatus for formulating string theory without recourse to a pre-existing notion of space and time is one of the most important issues facing string theorists. An understan335

Es gibt, wenn man die von den Quantenfeldtheorien beschriebenen Zustände im Energie-Impuls-Tensor der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigt, eine Rückwirkung dieser Zustände auf die Raumzeit, die nur in einem iterativen Näherungsprozess, beginnend mit einer Testmetrik, erfasst werden kann. Dies setzt voraus, dass der Iterationsprozess der Berechnung konvergiert. Dafür gibt es aber keine Garantien. 336 Siehe vor allem auch Seiberg (2006).

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ding of how space and time emerge would take us a huge step closer to answering the crucial question of which geometrical form actually does emerge." (Greene (1999) 380) Die zur Zeit angedachten, aber bisher allesamt nicht konkret ausformulierten Lösungsansätze, die konzeptionelle Unverträglichkeit des Stringansatzes mit den sich aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ergebenden Einsichten hinsichtlich der Raumzeit zu überwinden, gehen nahezu einmütig in die Richtung, eine Beschreibung der Stringdynamik anzustreben, in der sich die Raumzeit schliesslich als abgeleitete Grösse ergibt und eben nicht schon vorausgesetzt wird. Die Umstände, unter denen sich die Raumzeit als abgeleitete Grösse ergeben könnte, lassen sich dabei unschwer in drei Varianten unterteilen: - Eine als dynamische Entität zu verstehende Raumzeit ergibt sich auf der Grundlage einer prägeometrisch zu erfassenden Stringdynamik. - Raumzeit und Stringdynamik ergeben sich aus einer basaleren prägeometrischen (stringunabhängigen) Dynamik. - Raumzeit und Stringdynamik werden im Rahmen einer "holographischen" Theorie, die eine Dynamik auf den "Rändern" der Raumzeit beschreibt (bzw. auf einem niederdimensionalen Konfigurationsraum, der nicht mit der Raumzeit der Stringdynamik identisch ist), als quasi "von aussen" erzeugt und determiniert verstanden. Von diesen drei Varianten bedarf die letzte noch mehr als die beiden vorausgehenden einer detaillierteren Erläuterung, die allerdings, nach einer Erörterung ihrer konzeptionellen Voraussetzungen, erst im Rahmen des nachfolgenden Teilkapitels erfolgen wird. Bisher sind die im folgenden anzusprechenden Ideen als ausschliesslich programmatische Spekulationen ohne formale, modelltheoretische Stützung zu sehen - und dies gemessen am Standard der ohnehin schon hochgradig spekulativen Stringtheorie.

263

1. Raumzeit als Ergebnis einer prägeometrischen Stringdynamik Die grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung der Idee, dass die Raumzeit durch eine prägeometrische Stringdynamik zustandekommt, ist die Formulierung einer "Stringtheorie", die im Gegensatz zu den bisher vorhandenen perturbativen Stringtheorien ohne einen statischen Hintergrundraum auskommt. Die Raumzeit sollte sich im Rahmen eines solchen Ansatzes als Näherungsergebnis aus der prägeometrischen Stringdynamik für die phänomenologische Ebene darstellen. Für die modelltheoretische Umsetzung dieser Intuition gibt es jedoch bisher bestenfalls punktuelle Ansätze. Dies hält Edward Witten337 aber nicht davon ab, das Problem als eigentlich schon im Wesentlichen gelöst darzustellen. Er behauptet, dass die Einbettung der Stringdynamik in eine zehndimensionale Hintergrundraumzeit schon für die bestehenden perturbativen Stringtheorien lediglich als formales Instrumentarium anzusehen ist, diese Hintergrundraumzeit jedoch letztlich obsolet ist, da sich die Stringdynamik vollständig durch eine zweidimensionale Feldtheorie ersetzen lässt, die auf dem Weltblatt des String definiert ist. Nach Witten ist es nicht erforderlich, eine Hintergrundraumzeit anzunehmen, auf der diese Dynamik stattfindet. Die eigentliche Raumzeit geht nach Wittens Auffassung aus dieser zweidimensionalen Feldtheorie auf dem Weltblatt hervor, ist also schon eine abgeleitete Grösse: ein Näherungsresultat für den klassischen Grenzfall. "[...] as Witten describes, it is simple to generalize from the assumption of a flat background by inserting your metric of choice into the Lagrangian for the string field. This observation, plus the fact that conformal invariance for the field on the string demands that the Einstein equation be satisfied by the spacetime metric, leads Witten to propose that we should not see spacetime as an absolute background in string theory after all." (Callender / Huggett (2001a) 16) Das Instrumentarium der perturbativen Stringtheorien spiegelt jedoch Wittens Auffassung in keiner Weise wider. Es ist bisher völlig unklar, wie die Raumzeit aus der zweidimensionalen konformen Feldtheorie auf dem Weltblatt des Strings hervorgehen soll und wie die Interaktionen von 337

Siehe Witten (1993), (1996) sowie Smolin (1998), (2000b), Horowitz (2005).

264

Strings beschrieben werden sollen, wenn nicht auf einer schon fest vorgegebenen Hintergrundraumzeit.338 Die Vorstellung, dass zumindest die metrischen Eigenschaften der Raumzeit - in einer angemessenen Stringtheorie, wenn es sie schliesslich einmal geben sollte - erst durch die Stringdynamik zustandekommen, ist zwar naheliegend; aber im Stringansatz in seinen bisherigen Formulierungen ist diese Idee kaum umsetzbar. Es gibt bisher bestenfalls wortreiche Intuitionen hinsichtlich des Zustandekommens der Raumzeit auf der Grundlage einer prägeometrischen Stringdynamik:339 "[...] we can still ask whether the geometrical model of spacetime that plays such a pivotal role in general relativity and in string theory is solely a convenient shorthand for the spatial and temporal relations between various locations, or whether we should view ourselves as truly being embedded in something when we refer to our immersion within the spacetime fabric. / Although we are heading into speculative territory, string theory does suggest an answer to this question. The graviton, the smallest bundle of gravitational force, is one particular pattern of string vibration. And just as an electromagnetic field such as visible light is composed of an enormous number of photons, a gravitational field is composed of an enormous number of gravitons that is, an enormous number of strings executing the graviton vibra338

Auch Michio Kaku weist in seinem Lehrbuch (Kaku (1999) 325f), allerdings in sehr kurzen Andeutungen, auf einen prägeometrischen Ansatz zu einer String Field Theory hin, für den sich gerade die metrischen Eigenschaften des Hintergrundraums erst als Teil der jeweiligen Lösung der Theorie ergeben sollen. "The novel feature of this approach is that nowhere have we made any mention of the background space-time metric. The background occurs only in the kinetic term, not in the interacting term. In fact, the choice of the background metric emerges when we expand about a classical solution to the equations of motion. This is why this approach is called the 'pregeometrical' theory. In principle, the geometric of space-time should emerge as one among many possible vacua. [...] So far, it can be shown that flat space is a consistent solution [...]. It remains to be seen, however, what other kinds of classical backgrounds can be found as solutions to the equation of motion." (Kaku (1999) 326) Aber auch dieser prägeometrische Ansatz ist bisher nichts mehr als eine - wenn man seine Hoffnungen auf den Stringansatz setzen möchte - konzeptionell vielleicht sehr angemessene Idee, die allerdings noch keine hinreichend konkrete Ausformulierung erfahren hat. 339 Siehe Greene (1999) 377f.

265

tional pattern. Gravitational fields, in turn, are encoded in the warping of the spacetime fabric, and hence we are led to identify the fabric of spacetime itself with a colossal number of strings all undergoing the same, orderly, graviton pattern of vibration. In the language of the field, such an enormous, organized array of similarly vibrating strings is known as a coherent state of string. It's a rather poetic image - the strings of string theory as the threads of the spacetime fabric - but we should note that its rigorous meaning has yet to be worked out completely. / Nevertheless, describing the spacetime fabric in this string-stitched form does lead us to contemplate the following question. [...] we can ask ourselves whether there is a raw precursor to the fabric of spacetime - a configuration of the strings of the cosmic fabric in which they have not yet coalesced into the organized form that we recognize as spacetime. Notice that it is somewhat inaccurate to picture this state as a jumbled mass of individual vibrating strings that have yet to stitch themselves together into an ordered whole because, in our usual way of thinking, this presupposes a notion of both space and time - the space in which a string vibrates and the progression of time that allows us to follow its changes in shape from one moment to the next. But in the raw state, before the strings that make up the cosmic fabric engage in the orderly, coherent vibrational dance we are discussing, there is no realization of space and time. [...] In a sense, it's as if individual strings are 'shards' of space and time, and only when they appropriately undergo sympathetic vibrations do the conventional notions of space and time emerge." (Greene (1999) 377f) Die Grundintuition Brian Greenes ist also: Wenn sich die Raumzeit bzw. ihre metrischen Eigenschaften im Sinne der Allgemeinen Relativitätstheorie auf Gravitationsfelder zurückführen lassen, und wenn Gravitationsfelder im Sinne der Quantenfeldtheorien durch Gravitonen, die Feldquanten des quantisierten Gravitationsfeldes, realisiert werden, und wenn Gravitonen im Sinne des Stringansatzes Oszillationszustände von Strings sind, so sollte sich die Raumzeit bzw. mindestens ihre metrischen Eigenschaften konsequenterweise auf Strings und ihre Dynamik zurückführen lassen, so dass diese Dynamik ohne eine vorauszusetzende Raumzeit mit festgelegten metrischen Eigenschaften auskommen müsste. Die metrischen Eigenschaften der Raumzeit, wenn nicht diese selbst, sollten erst durch die Stringdynamik konstituiert werden. - Das klingt zwar als konzeptionelle Idee sehr vernünftig, aber es ist die Frage, ob sich diese Intuition formal im

266

Stringansatz umsetzen lassen wird, oder vielleicht doch eher in den Kontext der Loop Quantum Gravity oder den einer Synthese zwischen beiden Ansätzen gehört.340

2. Raumzeit und Strings als Ergebnis einer (stringunabhängigen) prägeometrischen Dynamik Eine solche Synthese von Ideen aus dem Stringansatz und aus der Loop Quantum Gravity klingt auch in einer Alternative zu den vorausgehend geschilderten Intuitionen an. Diese beruht auf der Vorstellung, dass sowohl die Raumzeit als auch die Dynamik der Strings als abgeleitete Grössen aus einer basaleren prägeometrischen Dynamik resultieren könnten. Abhay Ashtekar zufolge könnte es eine stringunabhängige Prägeometrie im Sinne der Loop Quantum Gravity sein, die Raumzeit und Strings hervorbringt: "In loop quantum gravity, the micro-state representing Minkowski space-time will have a highly non-trivial Planck-scale structure. The basic entities will be 1-dimensional and polymer-like. Even in absence of a detailed theory, one can tell that the fluctuations of these 1dimensional entities will correspond not only to gravitons but also to other particles, including a spin-1 particle, a scalar and an anti-symmetric tensor. These 'emergent states' are likely to play an important role in Minkowskian physics derived from loop quantum gravity. A detailed study of these excitations may well lead to interesting dynamics that includes not only gravity but also a select family of nongravitational fields. It may also serve as a bridge between loop quantum gravity and string theory. For, string theory has two apriori elements: unexcited strings which carry no quantum numbers and a background space-time. Loop quantum gravity suggests that both could arise from the quantum state of geometry, peaked at Minkowski (or, de Sitter) space. The polymer-like quantum threads which must be woven to create the classical ground state geometries could be interpreted as unexcited strings. Excitations of these strings, in turn, may provide interesting matter couplings for loop quantum gravity." (Ashtekar (2005) 32)

340

Siehe den letzten Abschnitt von Kap. 3.

267

Eine solche Quanten-Prägeometrodynamik im Sinne einer erweiterten Loop Quantum Gravity könnte vielleicht gerade die Konkretisierung der oben angesprochenen Intuition von Brian Greene liefern, bleibt aber bisher ebenfalls im Rahmen des ausschliesslich Programmatischen.

3. Raumzeit und Strings als Ergebnis einer Festlegung des raumzeitlichen Geschehens "von aussen" - im Sinne des holographischen Prinzips Die letzte der hier anzuführenden Ideen für eine Generierung von Raumzeit (und Strings) aus einer basaleren prägeometrischen Dynamik ist wesentlich radikaler. Sie geht von einer holographischen Generierung des gesamten raumzeitlichen Geschehens durch eine Dynamik aus, die auf einer im Infiniten anzusiedelnden Grenzfläche definiert ist und in deren Kontext es weder Strings noch Gravitation gibt: "If space and time are not fundamental, what replaces them? Here the answer is that there is an auxiliary spacetime metric which is fixed by the boundary conditions at infinity. The CFT uses this metric, but the physical spacetime metric is a derived quantity. It is important to emphasize that the spacetime is not emerging from the 'strings'. In this approach, the so-called fundamental strings of string theory are also derived quantities. Both the strings and spacetime are constructed from the CFT." (Horowitz (2005) 15)341 Diese Idee und das ihr zugrundeliegende holographische Prinzip - sowie schliesslich deren Umsetzung im Rahmen der AdS/CFT-Korrespondenz des Stringansatzes - werden im nun folgenden zweiten Teilkapitel auszuführen und in ihrer möglichen Relevanz zu erörtern sein.

341

6.2.

"CFT" steht für konforme Feldtheorie; siehe den vorletzten Abschnitt von Kap.

268

6.2. Entropie Schwarzer Löcher, diskrete Raumzeit und holographisches Prinzip Angesichts der vorausgehend geschilderten Ideen hinsichtlich des Zustandekommens von Raumzeit im Kontext der Quantengravitation, aber ebenso auch gänzlich unabhängig von diesen, stellt sich die Frage, ob die Raumzeit - als abgeleitete oder auch als basale Entität - tatsächlich ein Kontinuum darstellt, wie es nicht zuletzt unsere am besten etablierte Theorie über die Beschaffenheit und das Verhalten der Raumzeit, die Allgemeine Relativitätstheorie, annimmt. Die zur Zeit eindeutigsten Indizien für eine in letzter Instanz diskrete Raumzeit gehen - unabhängig von allen spekulativen Szenarien, die sich im Rahmen der labyrinthischen Verzweigungen in der Entwicklung einer Theorie der Quantengravitation ergeben haben oder ergeben könnten - auf die im folgenden zu erörternden Überlegungen zur Entropie Schwarzer Löcher und auf das durch diese Überlegungen motivierte holographische Prinzip zurück. Diese Überlegungen könnten sich nach heutiger Einschätzung für eine Theorie der Quantengravitation ohne weiteres als hochgradig relevant herausstellen und wären damit wohl die ersten konzeptionellen Randbedingungen dieser zu entwickelnden Theorie, die sich nicht unmittelbar aus den Vorgängertheorien ergeben würden. Erste Anzeichen für die Relevanz der Entropie Schwarzer Löcher und des holographischen Prinzips finden sich, wie zu erläutern sein wird, tatsächlich auch schon im Stringansatz.342

Die Entropie Schwarzer Löcher

1972 kam Jacob Bekenstein zu der Auffassung, dass Schwarze Löcher eine Entropie besitzen müssen, wenn nicht der Entropiesatz der Thermodynamik grundlegend falsch sein sollte; hätten sie nämlich keine Entropie, so 342

Auch in der Loop Quantum Gravity finden sie Eingang, was hier jedoch nicht weitergehend zu erörtern sein wird.

269

würde die Entropie insgesamt abnehmen, wenn Materie in ein Schwarzes Loch fällt.343 Bekensteins Ziel war die Entwicklung eines verallgemeinerten Entropiesatzes der Thermodynamik, der auch für Schwarze Löcher seine Gültigkeit behält. Die Frage, die sich ihm diesbezüglich stellte, war, wie gross die Entropie Schwarzer Löcher wohl sein mag und von welchen Determinanten sie abhängt. Hier kam ihm schliesslich eine parallel verlaufende Entwicklung zugute: James Bardeen, Brandon Carter und Stephen Hawking fanden etwa zur gleichen Zeit, zu der Bekenstein über den verallgemeinerten Entropiesatz nachdachte, heraus, dass Schwarze Löcher im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie basalen Gesetzen gehorchen, die denen der gewöhnlichen Thermodynamik formal analog sind, wenn man annimmt, dass die Entropie Schwarzer Löcher proportional zur Fläche ihres Ereignishorizontes ist, und wenn man die Oberflächenschwerkraft als proportional zur Temperatur setzt.344 Bekenstein kam zu der Überzeugung, dass die sich in dieser formalen Analogie ergebende Entropie nicht nur das Resultat einer Gedankenspielerei ist, sondern Schwarzen Löchern im Rahmen eines verallgemeinerten Entropiesatzes tatsächlich zugeschrieben werden muss. Wenn die "Bekenstein-Hawking-Entropie", die Schwarzen Löchern mit Hilfe von Analogien, die sich aus dem Kontext der Allgemeinen Relativitätstheorie motivieren lassen, und unter der Annahme der umfassenden Gültigkeit des Entropiesatzes der Thermodynamik zugeschrieben werden kann, proportional zur Fläche ihres Ereignishorizontes ist, bleibt immer noch die Frage nach dem Proportionalitätsfaktor. Eine Antwort auf diese Frage ergab sich schon 1974, als Hawking die Idee entwickelte und ausformulierte, dass Schwarze Löcher infolge von Quanteneffekten an ihrem Ereignishorizont nicht gänzlich schwarz sind, sondern eine thermische Schwarzkörperstrahlung aussenden: die "Hawking-Strahlung".345 Diese Hawking-Strahlung liefert den Proportionalitätsfaktor zwischen der Oberflächengravitation des Schwarzen Lochs und seiner Temperatur und schliesslich ebenso den zwischen seiner Entropie und der Fläche seines Ereignishorizontes:

343

Siehe etwa Bekenstein (1973), (1974), (2000), (2001) (2003), Wald (2001), Bousso (2002). 344 Siehe Bardeen / Carter / Hawking (19734). 345 Siehe Hawking (1974) und (1975). Siehe ebenso Kap. 4.2.

270

"Aus der Hawking-Strahlung lässt sich die Proportionalitätskonstante zwischen der Entropie Schwarzer Löcher und der Fläche ihres Ereignishorizontes bestimmen: Die Entropie eines Schwarzen Lochs ist exakt gleich einem Viertel seiner Horizontfläche, gemessen in PlanckFlächen." (Bekenstein (2003) 38) Wenn die Entropie Schwarzer Löcher proportional zur Fläche des Ereignishorizontes ist und (bis auf die Boltzmann-Konstante der Thermodynamik) einem Viertel der Planck-Quadrate innerhalb dieser Fläche entspricht, so bedeutet dies, dass jeweils vier Planck-Quadrate auf dem Ereignishorizont einem Freiheitsgrad des zugrundeliegenden Systems entsprechen. Damit führt die Entropie Schwarzer Löcher sehr schnell zu Werten, die um viele Grössenordnungen über den Entropiewerten gewöhnlicher (aber auch ungewöhnlicherer) Materieansammlungen liegen: "Note that black hole entropy is large. A neutron star with one solar mass has entropy of the order of S ~ 1057 (in units where kB = 1) in a region within a radius of about 10 Km. A solar mass black hole has an entropy of 1079 in a region within a radius of 3 Km. There is a huge difference in entropy for these two objects of about the same size [...]." (Lemos (2005) 8) Es stellt sich dann sofort die Frage, wie die Bekenstein-Hawking-Entropie Schwarzer Löcher zustandekommt. - Gewöhnlich ist die Entropie eine statistische Grösse, die auf die Mikrozustände des entsprechenden Systems zurückgeht. Auf welche Mikrozustände geht aber die BekensteinHawking-Entropie Schwarzer Löcher zurück? Im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie kommen Schwarzen Löchern nur drei physikalische Eigenschaften zu: Masse, elektrische Ladung und Drehimpuls. Die Bekenstein-Hawking-Entropie kann kaum auf diese Eigenschaften zurückgehen. Wenn sie dem Schwarzen Loch zugeschrieben werden kann, dann ist ein Schwarzes Loch etwas grundlegend anderes als das, was die Allgemeine Relativitätstheorie darunter versteht. Worin könnten aber die von der Allgemeinen Relativitätstheorie offensichtlich nicht erfassten Mikrozustände bestehen, auf die die BekensteinHawking-Entropie Schwarzer Löcher zurückzuführen ist?

271

"What is the statistical mechanical origin of the black hole entropy SBH = ahor/4lPl2? What are the microscopic degrees of freedom that account for this entropy? [...] Where do all these states reside? To answer these questions, in the early nineties John Wheeler suggested the following heuristic picture, which he christened 'It from Bit'. Divide the black hole horizon in to elementary cells, each with one Planck unit, lPl2, of area and assign to each cell two microstates, or one 'bit'." (Ashtekar (2002) 11) Die Unterteilung des Ereignishorizontes eines Schwarzen Lochs in PlanckZellen erklärt noch keineswegs das tatsächliche quantenphysikalische Zustandekommen der Bekenstein-Hawking-Entropie, sondern lediglich die Grössenordnung auf der man die entsprechenden Mikrozustände erwarten kann.346 Es gibt zwar inzwischen ein ganzes Spektrum an Spekulationen,347 nicht zuletzt aus dem Kontext der Loop Quantum Gravity,348 aber keine eindeutige Lösung für dieses Problem.349 346

Dass sich die Ableitung der Bekenstein-Hawking-Entropie als Kombination aus Komponenten, welche die Allgemeine Relativitätstheorie, die Quantenmechanik bzw. Quantenfeldtheorie und die Thermodynamik einbeziehen, darstellt, insbesondere aber auch die Entropieabzählung durch Planck-Flächen, deutet schon auf den Kontext der Quantengravitation hin: "Also correct, it seems, is to understand that this is a manifestation of quantum gravity, so that one should divide the area by the Planck area, and multiply by the Boltzmann constant to convert from the usual area units into the usual entropy units." (Lemos (2005) 6) 347 Siehe etwa Lemos (2005). 348 Rafael Sorkin bezweifelt jedoch, dass die Loop Quantum Gravity überhaupt in der Lage sein könnte, eine angemessene Lösung dieses Problems zu liefern: "[...] an approach like canonical quantum gravity, which formulates its dynamics in terms of data on a purely spatial 3-manifold, cannot do justice to black hole thermodynamics, and in particular to the generalized second law." (Sorkin (2005) 9) 349 Es ist schon strittig, ob die Bekenstein-Hawking-Entropie überhaupt dem Schwarzen Loch selbst zuzuschreiben ist oder vielmehr, wie etwa Sorkin (Sorkin (2005)) behauptet, die Freiheitsgrade auf dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erfasst. "[...] it is sometimes maintained that the entropy of a black hole refers to degrees of freedom of the interior region [...] If this were so, however, it is difficult to see how one could ever hope to account for the generalized second law." (Sorkin (2005) 4)

272

"What is the microscopic, statistical origin of black hole entropy? We have learned that a black hole, viewed from the outside, is unique classically. The Bekenstein-Hawking formula, however, suggests that it is compatible with eSBH independent quantum states. The nature of these quantum states remains largely mysterious." (Bousso (2002) 7)

Die holographische Informationsdichtegrenze

Was die Bekenstein-Hawking-Entropie interessant macht, auch wenn die Frage nach den tatsächlichen physikalischen Mikrozuständen, auf deren Grundlage sie zustandekommt, bisher noch ungeklärt ist, ist, dass sie immerhin schon zu einer konkreten Antwort auf die Frage führt, wieviel Komplexität, wieviel Differenziertheit, wieviel Information, wieviel Struktur und Strukturiertheit auf der fundamentalsten Ebene der Natur maximal anzutreffen sein wird. "How much complexity [...] lies at the deepest level of nature? How much information is required to specify any physical configuration completely, as long as it is contained in a prescribed region." (Bousso (2002) 12) Die formale Antwort der gesamten bisherigen Kontinuumsphysik, einschliesslich der Quantenfeldtheorien und der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie, auf die Frage nach dem in einem Raumvolumen maxiAber auch wenn Sorkins Auffassung zuträfe, bleibt immer noch unklar, welche Mikrozustände zu den Freiheitsgraden auf der Horizontfläche gehören? "Similarly, it might be that fluctuations in horizon shape could be taken to be the main source of the entropy of a black hole." (Sorkin (2005) 3) Unabhängig von dieser offenen Frage kommt Sorkin zu dem Schluss, dass die Entropie Schwarzer Löcher mit ihrer Finitheit ein klares Anzeichen für eine diskrete Raumzeitstruktur ist. - Eine interessante Diskussion dieser Problematik findet sich in Jacobson / Marolf / Rovelli (2005). Die Frage, ob die Bekenstein-Hawking-Entropie dem Schwarzen Loch selbst zuzuschreiben ist oder die Freiheitsgrade auf dem Ereignishorizont Lochs erfasst, relativiert sich jedoch im Rahmen des weiter unten zu besprechenden holographischen Prinzips.

273

mal möglichen Informationsgehalt ist immer: unendlich. Die Kontinuumsphysik kennt keine inhärente Grenze für Informationsdichten. "A quantum field theory consists of one or more oscillators at every point in space. Even a single harmonic oscillator has an infinitedimensional Hilbert space. Moreover, there are infinitely many points in any volume of space, no matter how small." (Bousso (2002) 12) Die Bekenstein-Hawking-Entropie liefert hingegen, wenn man ihre Implikationen weiter durchleuchtet, eine völlig andere, neue Antwort auf diese Frage. Denn die Entropie Schwarzer Löcher ist, wie sich (unter sehr allgemeinen Voraussetzungen) motivieren lässt, die maximale Entropie, die für ein Raumvolumen erreichbar ist. Sie liefert eine Informationsdichtegrenze, den Wert für eine maximale Informationsmenge, die innerhalb eines definierten Raumvolumens erreicht werden kann. Infolge der Abhängigkeit des entsprechenden Wertes vom Ereignishorizont, also von einer das Raumvolumen einschliessenden Fläche, wird diese Informationsdichtegrenze (aus Gründen, die noch zu erörtern sein werden) als "holographische Grenze" bezeichnet. Dass die holographische Grenze gerade die maximale Informationsdichte erfasst, die innerhalb eines Raumvolumens erreicht werden kann, macht Bekenstein anhand eines einfachen Gedankenexperiments plausibel: "Die holographische Grenze gibt an, wie viel Information in einem gegebenen Raumgebiet enthalten sein kann. Man betrachtet eine Materieansammlung, die in eine Kugel der Oberfläche A passt und zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Die Horizont-Oberfläche des Schwarzen Loches muss kleiner als A sein, seine Entropie somit kleiner als A/4. Da die Entropie nicht abnehmen kann, muss auch die ursprüngliche Materieverteilung weniger als A/4 Entropie- oder Informationseinheiten enthalten haben. Das bedeutet, dass der maximale Informationsgehalt eines Raumgebietes durch dessen Oberfläche festgelegt wird - entgegen der nahe liegenden Annahme, die Speicherkapazität eines Gebiets hänge von seinem Volumen ab." (Bekenstein (2003) 38) Eine alternative Argumentation für die holographische Grenze beruht auf der Unitarität quantenphysikalischer Prozesse: Formt sich aus einer ausreichend grossen Materieansammlung ein Schwarzes Loch, so kann der In-

274

formationsgehalt des die Materie enthaltenden Volumens nicht vorher proportional zum Volumen und hinterher proportional zur umgebenden Fläche sein, wenn die Gesamtinformation erhalten bleiben soll. Genau diese Informationserhaltung kommt in der Unitarität quantenphysikalischer Prozesse zum Ausdruck:350 "A more compelling consideration is based on unitarity. Quantummechanical evolution preserves information; it takes a pure state to a pure state. But suppose a region was described by a Hilbert space of dimension eV, and suppose that region was converted to a black hole. According to the Bekenstein entropy of a black hole, the region is now described by a Hilbert space of dimension eA/4. The number of states would have decreased, and it would be impossible to recover the initial state from the final state. Thus, unitarity would be violated. Hence, the Hilbert space must have had dimension eA/4 to start with." (Bousso (2002) 14) Zu den formalen Voraussetzungen für die Ableitung der holographische Grenze zählt neben dem verallgemeinerten Entropiesatz der Thermodynamik die Annahme nur schwacher Gravitationswirkungen.351 Inzwischen wurde von Raphael Bousso, um eine universelle Gültigkeit zu erreichen, eine Verallgemeinerung der holographischen Grenze entwickelt, die ohne letztere Annahme auskommt: die "kovariante Entropiegrenze".352 Sollte die kovariante Entropiegrenze, zu der sich noch keine Gegenbeispiele haben finden lassen, universelle Gültigkeit beanspruchen können, so gibt es eine finite maximale Entropie, die für ein Raumvolumen erreichbar ist. Diese finite Entropie entspricht einer finiten maximalen Zahl von Freiheitsgraden, die für dieses Raumvolumen zu berücksichtigen sind: "Since it involves no assumptions about the microscopic properties of matter, it places a fundamental limit on the number of degrees of freedom in nature." (Bousso (2002) 36)

350

Es ist aber immerhin fraglich, ob die Unitarität auf der Ebene der Quantengravitation noch eine Rolle spielt. Siehe etwa Sorkin (2005). 351 Siehe Bousso (2002). 352 Siehe Bousso (2002).

275

Auch wenn die Frage, auf welche Mikrozustände und welche Freiheitsgrade die Bekenstein-Hawking-Entropie Schwarzer Löcher zurückgeht, vorerst ungeklärt bleibt, macht die kovariante Entropiegrenze schon deutlich, dass innerhalb eines Raumvolumens immer nur eine finite maximale Information kodiert werden kann. Es gibt in der Natur offensichtlich eine maximale Informationsdichte.353 Dies spricht für ein basales, diskretes Substrat, das sich, den numerischen Werten zufolge, auf der Planck-Ebene festmachen lässt.354 Die nomologische Erfassung der dort anzutreffenden Strukturen ist aber gerade das Anliegen der Theorieansätze zur Quantengravitation. Die Frage nach den Mikrozuständen, die für die BekensteinHawking-Entropie Schwarzer Löcher und die holographische Grenze (bzw. die kovariante Entropiegrenze) verantwortlich sind, wäre also gerade von einer solchen Theorie der Quantengravitation zu beantworten. "The covariant entropy bound is a law of physics which must be manifest in an underlying theory. This theory must be a unified quantum theory of matter and space-time. From it, Lorentzian geometries and their matter content must emerge in such a way that the number of independent quantum states describing the light-sheets of any surface B is manifestly bounded by the exponential of the surface area." (Bousso (2002) 37) - "We conclude that the fundamental theory responsible for the [holographic] bound unifies matter, gravity, and quantum mechanics." (Bousso (2002) 37) Innerhalb einer Theorie der Quantengravitation müsste sich das explizite Zustandekommen der Informationsdichtegrenze klären lassen. Sie müsste sich als Folge der fundamentalen Strukturebene und ihrer Beschaffenheit ergeben. Soweit sind die bestehenden Ansätze zu einer solchen Theorie der Quantengravitation aber noch lange nicht. Immerhin lässt sich jedoch schon die Bekenstein-Hawking-Entropie innerhalb des Stringansatzes formal reproduzieren, allerdings nur für den Spezialfall extremaler (und teilweise höherdimensionaler) Schwarzer Löcher ohne Oberflächentemperatur, die als spezifische String-D-Bran-Konstellationen erfasst werden. Die Modellierung erfolgt auf der allgemein-relativistisch betrachtet vollkom353

Dies lässt sich vielleicht auch als Anzeichen für ein computationales Universum lesen. Siehe Lloyd (2005). Lloyds Ansatz lässt sich als Weiterentwicklung von Wheelers "It from bit"-Konzeption ansehen. 354 Dies impliziert nicht zuletzt auch eine diskrete Raumzeitstruktur. Siehe weiter unten.

276

men unrealistischen, flachen Raumzeit des Stringansatzes, so dass es eigentlich gar keinen Ereignishorizont gibt und kein Schwarzes Loch im allgemein-relativistischen Sinne.355 Dieser relativ zweifelhafte Erfolg lässt sich aber vielleicht immerhin schon als Anzeichen dafür werten, dass der Stringansatz sich auf die fundamentalste nomologische Ebene bezieht. Ob er dies in konzeptionell angemessener oder in parametrisch geschickter Weise tut, ist eine andere Frage.

Diskrete Raumzeit

Die Bekenstein-Hawking-Entropie Schwarzer Löcher und die holographische Informationsdichtegrenze (bzw. die kovariante Entropiegrenze) lassen es, indem sie auf eine diskrete Substratstruktur hinweisen, insbesondere auch als höchst fragwürdig erscheinen, die Raumzeit als kontinuierliche Grösse anzusehen, wie sie sich im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie darstellt, aber ebenso auch im Rahmen der Quantenfeldtheorien und mithin im Stringansatzes unreflektiert behandelt wird. So wie die Informationsdichtegrenze auf eine tiefste Strukturebene hindeutet, impliziert sie gleichzeitig auch eine diskrete Raumzeitstruktur. Das heisst aber, dass der perturbative Stringansatz, auch wenn sich die Bekenstein-HawkingEntropie auf der Grundlage einiger zaghafter nicht-perturbativer Erweiterungen unter sehr spezifischen Bedingungen reproduzieren lässt, für eine Erfassung der diskreten Substratstruktur, die den Bereich der Quantengravitation mutmasslich auszeichnet, letztlich unangemessen ist. Denn perturbative, feldtheoretische Methoden setzen notwendigerweise ein Raumzeitkontinuum voraus. "Perturbative treatments pre-suppose that the space-time can be assumed to be a continuum at all scales of interest to physics under consideration." (Ashtekar (2005) 13)

355

Siehe etwa Strominger / Vafa (1996), Das / Mathur (2001), Peet (1998) (2001), Maldacena (1996), Bigatti / Susskind (2001a), David / Mandal / Wadia (2002) und Horowitz (1997).

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Sowohl die Quantenfeldtheorien als auch der Stringansatz implizieren infinite Informationsdichten, die der kovarianten Entropiegrenze eklatant widersprechen.356 "Ein Feld wie das elektromagnetische variiert kontinuierlich von Punkt zu Punkt und enthält darum unendlich viele Freiheitsgrade. Auch in Superstring-Theorien ist die Zahl der Freiheitsgrade unendlich. Doch die Holographie beschränkt die Freiheitsgrade innerhalb einer Grenzfläche auf eine endliche Anzahl; folglich kann die Feldtheorie mit ihren Unendlichkeiten nicht das letzte Wort sein." (Bekenstein (2003) 41) Perturbative, feldtheoretische Methoden sind zur Erfassung der Ebene der Quantengravitation wahrscheinlich letztendlich vollkommen ungeeignet. Sie lassen sich vermutlich bestenfalls als effektive Theorien für einen niedrigeren Energiebereich als den der Quantengravitation ansehen. 356

Für die Unangemessenheit der Kontinuumshypothese in der Quantengravitation gibt es immerhin schon Anzeichen im Kontext der neueren Entwicklungen innerhalb des Stringansatzes, insbesondere und in ziemlich konkreter Form im Matrixansatz zur M-Theorie. "Moreover, there is a sense in which the spacetime coordinates for D-Branes are elevated from numbers to matrices [...]; only at low energy the matrices are diagonal and an ordinary spacetime picture holds." (Polchinski (1996) 35) Der Matrixansatz scheint auf eine nicht-kommutative Geometrie hinauszulaufen, wie sie etwa von Alain Connes zur Zeit entwickelt wird. (Siehe etwa Connes (1998).) "[...] in the Matrix-theory nonperturbative formulation, the space-time coordinates of the string xi are replaced by the matrices (Xi)mn. This can perhaps be viewed as a new interpretation of the space-time structure. The continuous space-time manifold emerges only in the long distance region, where these matrices are diagonal and commute; while the space-time appears to have a noncommutative discretized structure in the short distance regime." (Rovelli (1998) 4) Auch die sich im Stringansatz im Rahmen der T-Dualität abzeichnenden kleinsten raumzeitlichen Distanzen sprechen für eine diskrete Struktur, die hier aus dem im Rahmen der Kontinuumsmathematik formulierten Konstrukt hervorschimmert. (Weitere Argumente für eine diskrete Raumzeitstruktur und eine kleinste Länge im Stringansatz finden sich etwa in Calmet / Graesser / Hsu (2005).) Aber der Stringansatz ist noch weit von einer Einbeziehung aller dieser Einsichten in einen einheitlichen mathematischen Formalismus entfernt. Der bestehende, vorrangig perturbative Formalismus der Stringtheorien geht immer noch von einem Raumzeitkontinuum aus, auf dem sich die Strings bewegen.

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"The holographic principle implies a radical reduction in the number of degrees of freedom we use to describe nature. It exposes quantum field theory, which has degrees of freedom at every point in space, as a highly redundant effective description, in which the true number of degrees is obscured." (Bousso (2002) 37) Und diese effektiven Kontinuumstheorien arbeiten, gemessen an der für den Bereich der Quantengravitation anzunehmenden diskreten Struktur, mit viel zu vielen Freiheitsgraden. "The holographic principle [...] is roughly speaking the statement that quantum field theory overestimates the number of possible states in nature and that in a theory of quantum gravity, this number should be much lower." (Fabinger (2001) 13) Konsequenterweise sind für effektive Theorien, die auf der Kontinuumsannahme beruhen, nicht zuletzt eine Vielzahl von modelltheoretisch erzeugten Artefakten zu erwarten, die kein Gegenstück in der Natur aufweisen. Das heisst aber letztlich, dass man vermutlich weder aus den Quantenfeldtheorien, noch aus dem perturbativen Stringansatz allzuviel, wenn überhaupt irgendetwas, über die Natur von Raum und Zeit lernen kann. Spätestens für den Bereich der Quantengravitation, der mutmasslich eine diskrete Struktur aufweist, führen diese effektiven Kontinuumstheorien wahrscheinlich zu völlig abstrusen Resultaten. "The first three stages of developments in quantum gravity taught us many valuable lessons. Perhaps the most important among them is the realization that perturbative, field theoretic methods which have been so successful in other branches of physics are simply inadequate in quantum gravity. The assumption that space-time can be replaced by a smooth continuum at arbitrarily small scales leads to inconsistencies. We can neither ignore the microstructure of space-time nor presuppose its nature. We must let quantum gravity itself reveal this structure to us." (Ashtekar (2005) 10)

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Das holographische Prinzip

Dass die holographische Grenze bzw. die kovariante Entropiegrenze als Informationsdichtegrenzen eine tiefste strukturelle Ebene der Natur und mithin eine diskrete raumzeitliche Struktur nahelegen, ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Kontinuumsmodellen, welche die gesamte Physik bisher weitgehend bestimmt haben, schon erstaunlich genug. Um vieles erstaunlicher und überraschender mag jedoch auf den ersten Blick der "holographische" Aspekt dieser Informationsdichtegrenzen wirken. Dieser holographische Aspekt kommt darin zum Ausdruck, dass die maximale einem Volumen zukommende Entropie, die maximale in einem Volumen enthaltene Informationsmenge und die grundsätzlich finite Zahl der Freiheitsgrade, durch die sich die in einem Volumen anzutreffenden physikalischen Zustände (welcher Art diese auch immer sein mögen) kennzeichnen lassen, nicht etwa proportional zu diesem Volumen sind. Vielmehr sind sie proportional zur umschliessenden Fläche bzw. - im Sinne der kovarianten Entropiegrenze - zu einer für die betreffende Raumzeit definierbaren, idealisierten Grenzfläche. Gemessen an dem, was man im Rahmen bisheriger Physik vermuten würde, erscheint diese Proportionalität zwischen der für ein Raumvolumen zulässigen maximalen Information bzw. Strukturiertheit und der für dieses Raumvolumen definierbaren Grenzfläche nicht weniger als völlig kontraintuitiv: "Naively one would expect the maximal entropy to grow with the volume of spatial regions. Instead, it is set by the area of surfaces." (Bousso (2002) 36) Solange man annimmt, dass es die Mikrozustände in einem Volumen sind, die dessen Entropie und die in ihm enthaltene Information bestimmen ebenso wie die Zahl der Freiheitsgrade, die zu ihrer Beschreibung nötig sind - bleibt es völlig unverständlich, wieso die maximale Entropie und die maximale Information, die diesem Raumvolumen zugesprochen werden kann, sich proportional zu einer Fläche verhalten sollen, und nicht zu diesem Raumvolumen selbst. Die Proportionalität zwischen dem maximalen Informationsgehalt eines Raumvolumens und dem Flächeninhalt der entsprechenden Grenzfläche bleibt völlig rätselhaft, wenn man annimmt, dass es die Freiheitsgrade im Volumen selbst sind - die Strukturiertheit des physikalischen Geschehens in diesem Raumvolumen -, welche dessen Entro-

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pie und dessen Informationsgehalt festlegen. Anders wäre es, wenn etwa die auf der einschliessenden Oberfläche (bzw. auf einer adäquat zu bestimmenden Grenzfläche) definierbaren Freiheitsgrade die für ein Volumen relevanten Freiheitsgrade schon vollständig festlegten. Die Freiheitsgrade im Volumen wären dann vielleicht nur vermeintliche Freiheitsgrade; sie wären so etwas wie holographische Projektionen von Freiheitsgraden, die auf der Grenzfläche definiert wären. Die eigentlichen Freiheitsgrade des Systems wären, ebenso wie die Dynamik dieses Systems, durch die Freiheitsgrade und die Dynamik auf der entsprechenden Grenzfläche schon festgelegt. Die Zahl der Freiheitsgrade, die einem Raumvolumen zugesprochen werden kann, wäre vollständig erschöpft durch die Freiheitsgrade, die sich für die einschliessende Oberfläche bzw. die Grenzfläche ergeben. Es gäbe keine Information, die das Raumvolumen beträfe, die über die auf der Grenzfläche kodierbare finite Information hinausginge. Die finite maximale Information, die in Bezug auf ein Raumvolumen kodiert werden könnte, wäre deswegen proportional zur Fläche, weil diese Information letztlich gar nicht im Volumen selbst, sondern auf der Fläche kodiert wäre. Das Geschehen im Raumvolumen wäre durch das Geschehen auf der Fläche vollständig festgelegt. Eigentlich gäbe es nur das Geschehen auf dieser Fläche; das Geschehen im Raumvolumen wäre nur ein vermeintliches Geschehen; es wäre eine holographische Projektion des Geschehens auf der Grenzfläche. Dies ist die Idee, die als "Holographisches Prinzip" bezeichnet wird. "The holographic principle [...] implies that the number of fundamental degrees of freedom is related to the area of surfaces in spacetime." (Bousso (2002) 2) Treffen die Überlegungen zur Bekenstein-Hawking-Entropie Schwarzer Löcher und zur holographischen Grenze bzw. zur kovarianten Entropiegrenze zu - manifestiert sich diese Grenze also auf der Planck-Ebene, die gerade Gegenstand der in Entwicklung befindlichen Theorien zur Quantengravitation ist -, so sollte sich das holographische Prinzip spätestens in diesem Kontext als relevant erweisen. Genau für diesen Bereich wurde das holographische Prinzip auch Anfang der neunziger Jahre von Gerard 't Hooft und Leonard Susskind formuliert:357 Wenn für die fundamentalste Strukturebene gilt, dass die für ein Raumsegment relevanten Freiheitsgrade sich in den Freiheitsgraden erschöpfen, die auf der Grenz357

Siehe 't Hooft (1993), Susskind (1995), Bousso (2002), Bekenstein (2003).

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fläche dieses Raumsegments definiert werden können, so sollte es im Rahmen einer adäquaten Theorie der Quantengravitation möglich sein, das raumzeitliche Geschehen vollständig im Rahmen einer Beschreibung zu erfassen, die sich auf das komplementäre Geschehen auf der entsprechenden (idealisierten) Grenzfläche dieser Raumzeit bezieht. Die Freiheitsgrade auf der Grenzfläche würden die Freiheitsgrade in einem Raumvolumen vollständig festlegen.358 Eine vollständige Grenzflächen-Theorie würde notwendigerweise auch die Beschreibung aller Prozesse im eingeschlossenen Raumsegment umfassen. Eine vollständige fundamentale Theorie müsste also nur die Freiheitsgrade auf der Grenzfläche berücksichtigen, um alles zu beschreiben, was es zu beschreiben gibt.359 360 Dies könnte sich vor allem dann als interessant herausstellen, wenn die Erfassung der Flächendynamik viel einfacher ausfällt, als die der Volumendynamik.

AdS/CFT-Korrespondenz

Interessanterweise findet sich im Stringansatz inzwischen eine konkrete, wenn auch nur für einen Spezialfall motivierbare Umsetzung des holographischen Prinzips. Es ist die sogenannte AdS/CFT-Korrespondenz.361 Sie hat den Status einer gut untermauerten Vermutung. 358

Wenn die hinter dem holographischen Prinzip stehenden Überlegungen richtig sind, so entspricht jedes Planck-Quadrat auf der Grenzfläche genau einem Freiheitsgrad. 359 Hierin kommen Anzeichen für ein computationales Universum zum Ausdruck, die noch entscheidend über das entsprechende Argument auf der Grundlage der Diskretheit der Raumzeitstruktur hinausgehen. Zudem stellt das holographische Prinzip das Konzept der raumzeitlichen Lokalität grundlegend in Frage. "[...] the holographic principle calls into question [...] the very notion of locality." (Bousso (2002) 2) 360 Rafael Sorkin (Sorkin (2005)) kritisiert das holographische Prinzip und konstatiert, dass die Freiheitsgrade auf der Oberfläche nicht den Zustand im eingeschlossenen Volumen festlegen, aber immerhin ein Indiz für eine diskrete Raumzeitstruktur sind. Siehe auch die Diskussion in Jacobson / Marolf / Rovelli (2005). 361 Die AdS/CFT-Korrespondenz wird, nach ihrem Entdecker Juan Maldacena, auch als "Maldacena Conjecture" bezeichnet. Siehe etwa Maldacena (2003), (2004), Aharony et al. (1999), Klebanov (2001).

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"One cannot prove the AdS/CFT correspondence since we do not have an independent nonperturbative definition of string theory to compare it to." (Horowitz (2005) 11) Die AdS/CFT-Korrespondenz ist eine Dualitätsbeziehung zwischen einer herkömmlichen Stringtheorie, die auf dem Produkt aus einer fünfdimensionalen Anti-de-Sitter-Raumzeit (AdS) und einem kompakten fünfdimensionalen Raum definiert ist, und einer auf der (idealisierten) Grenzfläche dieser AdS-Raumzeit (plus kompakter fünfdimensionaler Raum) definierten, konform-invarianten Eichtheorie (CFT), die gänzlich ohne Strings auskommt und, abgesehen von ihrer konformen Invarianz, als gewöhnliche Quantenfeldtheorie daherkommt. "The basic idea of AdS/CFT duality is to identify a conformally invariant field theory (CFT) on the n-dimensional boundary with a suitable quantum gravity theory in the (n+1)-dimensional AdS bulk." (Schwarz (1998) 8f) Konform-invariante Quantenfeldtheorien zeichnen sich nicht zuletzt dadurch aus, dass ihre Kopplungskonstante energieunabhängig ist. Die Quantenfeldtheorien des Standardmodells etwa sind nicht konform-invariant, da sie über energieabhängige Kopplungskonstanten verfügen. Die Stringtheorien hingegen verfügen notwendigerweise über eine konforme Invarianz auf dem Weltblatt der Stringdynamik. Aber im Rahmen der AdS/CFT-Korrespondenz handelt es sich bei der Flächentheorie nun nicht um eine Stringtheorie, der diese Eigenschaft zugesprochen wird, sondern um ein gewöhnliche Feldtheorie. "AdS/CFT Correspondence: String theory on spacetimes which asymptotically approach the product of anti de Sitter (AdS) and a compact space, is completely described by a conformal field theory 'living on the boundary at infinity'. [...] At first sight this conjecture seems unbelievable. How could an ordinary field theory describe all of string theory?" (Horowitz (2005) 10) Die auf der Grenzfläche der AdS-Raumzeit definierte konform-invariante Feldtheorie enthält alle Informationen, die sich für die AdS-Raumzeit auf der Grundlage der entsprechenden Stringtheorie ergeben.

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"[...] N = 4 U(N) Yang-Mills theory could be the same as ten dimensional superstring theory on AdS5 x S5." (Aharony et al. (1999) 6) Bisher liess sich diese Form von holographischer Korrespondenz jedoch nicht ohne guten Grund nur für den Spezialfall der AdS-Raumzeit motivieren. Die AdS-Raumzeit ist in spezifischer Hinsicht das Gegenstück zur deSitter-Raumzeit, die 1917 von Willem de Sitter als Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen gefunden wurde. Die de-Sitter-Raumzeit ist eine maximal-symmetrische Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen mit positiver kosmologischer Konstante und leerem Raum; die positive kosmologische Konstante führt hierbei zu einer beschleunigten Ausdehnung. Die Anti-de-Sitter-Raumzeit (AdS) hingegen ist eine maximal-symmetrische Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen mit negativer kosmologischer Konstante und leerem Raum. Die negative kosmologische Konstante der AdS-Raumzeit hat eine beschleunigte Kontraktion zur Folge. Gerade dies macht es möglich, räumliche Grenzflächen im Unendlichen zu definieren, die entscheidend sind für die Umsetzung des holographischen Prinzips in der AdS/CFT-Korrespondenz. Die AdS/CFT-Korrespondenz ist nicht nur deshalb interessant, weil mit ihr im Kontext der Theorieansätze zur Quantengravitation eine erste Umsetzung des holographischen Prinzips gelingt, sondern nicht zuletzt auch, weil sie die Verbindung zwischen einer Gravitationstheorie innerhalb einer ndimensionalen Raumzeit und einer relativ simplen Feldtheorie herstellt, die auf der (n-1)-dimensionalen Grenzfläche dieser Raumzeit definiert ist und die Gravitation überhaupt nicht mehr enthält.362 "The theory in AdS includes gravity, since any string theory includes gravity. So in the end we claim that there is an equivalence between a gravitational theory and a field theory. However, the mapping between the gravitational and field theory degrees of freedom is quite 362

Wie sieht nun aber im Fall der AdS/CFT-Korrespondenz die holographische Festlegung im Detail aus? Wie werden die Zustände der vollen Raumzeit auf dem Flächen-Hologramm repräsentiert? Welche Zustände und Dynamiken auf dem Hologramm entsprechen welchen Zuständen und Dynamiken innerhalb der Raumzeit? Ein Beispiel mag der Veranschaulichung dienen: "A string stretched across the bulk is represented by a point charge in the dual CFT." (Bousso (2002) 40) Ein weiteres Beispiel findet sich etwa in Trivedi (2001). Siehe auch Maldacena (2004).

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non-trivial since the field theory lives in a lower dimension. In some sense the field theory (or at least the set of local observables in the field theory) lives on the boundary of spacetime. One could argue that in general any quantum gravity theory in AdS defines a conformal field theory (CFT) 'on the boundary'." (Aharony et al. (1999) 8) Eine holographische Festlegung des Geschehens innerhalb der Raumzeit, wie sie in der AdS/CFT-Korrespondenz zum Ausdruck kommt, hat einschneidende Konsequenzen im Hinblick auf unser Verständnis von Raum, Zeit und Naturgeschehen. Insbesondere macht sie die Annahme des Lokalitätsprinzips innerhalb der Physik zumindest fragwürdig: "Physics appears to be local to a good approximation. The number of degrees of freedom in any local theory is extensive in the volume. Yet, the holographic principle dictates that the information content is in correspondence with the area of surfaces. How can this tension be resolved? [...] One type of approach aims to retain locality. [...] leaving only as many physical degrees of freedom as dictated by the covariant entropy bound. [...] A second type of approach regards locality as an emergent phenomenon without fundamental significance. [...] One must also explain how to translate underlying data, in a suitable regime, into a classical spacetime inhabited by local quantum fields. [...] The AdS/CFT correspondence lends credence to the second type of approach." (Bousso (2002) 37) Dies gilt letztlich für jegliche Form einer holographischen Festlegung. Wenn sich die Freiheitsgrade, die scheinbar das lokale Geschehen innerhalb der Raumzeit betreffen, im Rahmen ihrer holographischen Festlegung auf einer Grenzfläche erheblich reduzieren lassen, so deutet dies darauf hin, dass die vermeintlichen Freiheitsgrade des lokalen raumzeitlichen Geschehens vielleicht gar keine echten Freiheitsgrade sind. Was jedoch hinsichtlich der Umsetzung des holographischen Prinzips im Rahmen der AdS/CFT-Korrespondenz immer noch als problematisch angesehen werden kann, ist die Tatsache, dass die Grenzflächentheorie als konform-invariante Feldtheorie eine Kontinuumstheorie ist, die den vorausgehend erörterten Argumenten für eine diskrete Struktur auf der PlanckEbene in keiner Weise Genüge tut und immer noch mit infiniten Informationsdichten und einer grundsätzlich infiniten Zahl von Freiheitsgraden ar-

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beitet. - Wie könnte jedoch eine Umsetzung des holographischen Prinzips im Bereich der Quantengravitation unter Berücksichtigung der Argumente für eine diskrete Substrat- wie Raumzeitstruktur, finite Informationsdichten und eine finite Zahl von relevanten Freiheitsgraden aussehen?

Das gesuchte fundamentale Prinzip der Quantengravitation ?

Es erscheint vielleicht nicht völlig abwegig zu vermuten, dass gerade das holographische Prinzip gemeinsam mit der Einsicht in die Diskretheit der Raumzeit und der fundamentalen Substratstruktur einen wesentlichen Beitrag zur Formulierung basaler physikalischer Prinzipien für eine noch zu entwickelnde Quantengravitationstheorie liefern könnte. "[...] the holographic principle [...] should be an important part of the framework of a Planck-scale, background independent quantum theory." (Markopoulou / Smolin (1999) 2) In ihrer verallgemeinerten Form als kovariante Entropiegrenze setzt die holographische Informationsdichtegrenze, Boussos Auffassung zufolge, in ihrer Ableitung nur wenig an schon bekanntem theoretischem Instrumentarium voraus, was auf eine sehr allgemeine Gültigkeit hinweisen könnte: "The [holographic] bound is not explained by other laws of physics that are presently known. [...] We conclude that the bound is an imprint of a more fundamental theory." (Bousso (2002) 36) Mit der AdS/CFT-Korrespondenz im Stringansatz deutet sich die Relevanz des holographischen Prinzips für eine schliesslich anzustrebende nichtperturbative und hoffentlich auch hintergrundunabhängige Verallgemeinerung der bisherigen perturbativen Stringtheorien vielleicht schon an. "The holographic principle may not only aid the search for other nonperturbative definitions of string theory. It could also contribute to a background-independent formulation that would illuminate the conceptual foundations of string theory." (Bousso (2002) 39)

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Allerdings bleibt, wie erwähnt, bei der AdS/CFT-Korrespondenz die Diskretheitsanforderung immer noch unberücksichtigt. Unabhängig von den Stringtheorien, haben nun vor einiger Zeit Fotini Markopoulou und Lee Smolin einen Ansatz zur Implementierung des holographischen Prinzips innerhalb einer hintergrundunabhängigen Quantengravitationstheorie entwickelt, bei dem sich die Diskretheitsanforderung ohne weiteres einlösen lassen sollte.363 Die Grundidee besteht hierbei darin, die Substratdynamik als eine Dynamik von diskreten Quanteninformationen aufzufassen. Ausgangspunkt ist in diesem Ansatz die Definition holographischer Schirme und ihrer quantenmechanischen Eigenschaften. Die Fläche der Schirme definiert sich dabei erst auf der Grundlage ihrer quantisierten Informationsdurchflusskapazität und nicht etwa umgekehrt. Dies entspricht in gewisser Weise einer Umkehrung des ursprünglichen holographischen Gedankens: "This leads us to suggest that the Bekenstein bound may be inverted and area be defined to be a measure of the capacity of a screen for the transmission of quantum information." (Markopoulou / Smolin (1999) 3) Nicht die Fläche definiert den maximal möglichen Informationsdurchfluss; sie ist vielmehr selbst das Ergebnis des jeweiligen quantisierten Informationsdurchflusses. Fläche steht für die Durchflusskapazität von Quanteninformation. Die raumzeitliche Geometrie und die Kausalstruktur werden schliesslich als gegenüber den holographischen Schirmen und ihren jeweiligen quantisierten Informationsflüssen sekundär verstanden; sie erweisen sich als das abgeleitete Resultat des diskreten, quantenmechanischen Informationsdurchflusses durch ein relationales Netzwerk holographischer Schirme. Die Geometrie der Raumzeit wird durch diskrete Quanteninformation und ihren Fluss realisiert. - Eine unmittelbarere Umsetzung von Wheelers Konzept des "It from bit" ist kaum vorstellbar.364 Schon in Wheelers Agenda von 1989 für eine zukünftige Theorie, mittels derer die Unvereinbarkeit von Quantenmechanik und Einsteinscher Gravitationstheorie schliesslich überwunden werden soll, findet sich die Empfehlung:

363 364

Siehe Markopoulou / Smolin (1999). Vgl. Wheeler (1989).

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"Translate the quantum versions of string theory and of Einstein's geometrodynamics from the language of continuum to the language of bits." (Wheeler (1989) 362)

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7. Ontologische Implikationen des Stringansatzes Einer wissenschaftsphilosophischen Auseinandersetzung mit dem Stringansatz kommt, wie zuvor schon erörtert,365 notwendigerweise bis zu einem gewissen Grade der Status der Vorläufigkeit zu. Dieser wird jedoch angesichts der Bedeutung und der langanhaltenden, über diverse Metamorphosen hinweg fortschreitenden Entwicklungsgeschichte des Stringansatzes nicht dahingehend wirksam, eine solche wissenschaftsphilo-sophische Auseinandersetzung bis auf irgendeinen zukünftigen Tag des Hervortretens einer endgültigen, abgeschlossenen Theorie zu verschieben. Aber dieser Status der Vorläufigkeit trifft vermutlich keinen Bereich einer wissenschaftsphilosophischen Auseinandersetzung mit dem Stringansatz stärker, als die Frage nach seinen ontologischen Implikationen und die nach seiner Stellung zur Realismusproblematik. "Ultimately, the biggest barrier to the construction of a theory of quantum gravity may not be the mathematics, but the interpretation of the mathematics."(Matthews (1994) 32) Auch wenn es angesichts der Tatsache, dass es eigentlich keine Theorie und keine fundamentalen Prinzipien gibt - und erst recht keine empirischen Belege -, sicherlich noch erheblich verfrüht sein dürfte, über die ontologischen Implikationen des Stringansatzes zu entscheiden, so ist es vielleicht dennoch nicht zu früh, zumindest einmal über die diesbezüglichen Möglichkeiten nachzudenken.

Sind Strings fundamentale Entitäten ?

Hinsichtlich der Erörterung des ontischen Status bzw. der realistischen Deutbarkeit theoretisch postulierter Entitäten stellt sich erst einmal die 365

Siehe die Einleitung zu Kap. 4.

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Frage, welche fundamentalen Entitäten der Stringansatz überhaupt postuliert. Für die perturbativen Stringtheorien sind dies zwar recht unzweifelhaft die Strings selbst, die sich auf einer statischen zehndimensionalen Hintergrundraumzeit bewegen und schwingen. Aber beim Übergang vom perturbativen in den nicht-perturbativen Bereich der von den Stringtheorien beschriebenen Dynamik, für den es immerhin schon tentative Ansätze gibt, wird dieses Bild in erheblicher Weise in Frage gestellt. Es sind nicht zuletzt die Dualitäten zwischen den verschiedenen perturbativen Stringtheorien und die in diesen Dualitäten aufschimmernden Einsichten in den nicht-perturbativen Bereich, welche die Festlegung der fundamentalen Entitäten uneindeutig werden lassen. "Often under the duality map, an elementary particle in one theory gets mapped to a composite particle in a dual theory and vice versa. Thus classification of particles into elementary and composite loses significance as it depends on which particular theory we use to describe the system." (Sen (1998) 2) Theorien, deren fundamentale dynamische Entitäten, entsprechend dem perturbativen Ansatz, offensichtlich Strings sind, erweisen sich für bestimmte Parameterbereiche als dual, und damit als hinsichtlich ihrer phänomenologisch relevanten Ergebnisse äquivalent, zu Theorien, deren fundamentale Entitäten scheinbar Branen und weitere solitonische Zustände sind. "In addition to the fundamental strings, various string theories have in their spectra one-dimensional objects which are either smooth solitons or D-branes. At weak coupling these are much heavier than the fundamental strings, but at strong coupling they are much lighter (again this guaranteed by the BPS formula). In this limit it is natural to reinterpret the theory with the soliton or D-brane being the fundamental string." (Polchinski (1996) 22) In verschiedenen Parameterbereichen und unter verschiedenen Kompaktifizierungsbedingungen für die überzähligen Dimensionen können die unterschiedlichsten Objekte (bzw. mathematischen Konstrukte) die Rolle der fundamentalen dynamischen Entitäten spielen.366 Die Frage nach den fun366

Es ist nicht zuletzt unklar, welcher Parameterbereich und welches Kompaktifizierungsszenario etwa für die Reproduktion des Standardmodells Relevanz besitzen

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damentalen Entitäten des Stringansatzes findet keine eindeutige Antwort, sobald man den perturbativen Bereich der Stringtheorien überschreitet. "The ideal definition of string/M/F/...-theory would have a sort of 'manifest duality' in which every object which could become fundamental in any limit was included as a fundamental degree of freedom. However, there is a bewildering variety of candidate fundamental degrees of freedom, especially after compactification, and such a description might well require intractable constraints among them. / One might look for some general 'principle of construction' that builds up all possible extended objects as composite objects. Perhaps the appropriate constituent degrees of freedom have not even made their appearance yet!" (Douglas (1996) 26) Die Vielzahl der zur Disposition stehenden Kandidaten leistet konsequenterweise Spekulationen Vorschub, ob es im Rahmen des Stringansatzes (oder einer noch unrealisierten Verallgemeinerung oder Erweiterung) vielleicht fundamentalere Entitäten als Strings oder Branen gibt. "It is likely, though, that the resolution lies in a different direction, that strings and membranes will turn out to be composites of something else. This has long been suspected in the case of string theory." (Polchinski (1996) 26) Aufgrund der Uneindeutigkeit hinsichtlich der fundamentalen Entitäten, ist es für den Stringansatz letztlich völlig unklar, welche Strukturelemente ontisch gedeutet werden können und welche als mathematische Überschussstruktur anzusehen sind. Dies könnte einerseits als schlichte Folge der Situation zu werten sein, dass es letztlich noch nicht einmal eine ausgereifte Theorie gibt und sich die ontische Deutbarkeit in keiner Weise auf irgendeine empirische Instanz der Überprüfung dieser Theorie stützen kann. Es könnte aber, wie die zaghafte Erschliessung des nicht-perturbativen Bereichs der Stringtheorien zumindest andeutet, auch für eine vollaus-

könnten. Das heisst aber auch, dass nicht klar ist, auf der Grundlage welcher fundamentalen Entitäten die Physik des Standardmodells nach Auffassung des Stringansatzes zustandekommt: "One might also wonder whether some or all of the Standard Model states can originate not as strings but as D-branes." (Polchinski (2000a) 343)

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gebildete Theorie bei der weiter unten zu diskutierenden Auflösung der objekthaften Ontologie bleiben. Angesichts dieser offenen Problemlage ist es vielleicht nicht ganz abwegig, an einem Punkt zu starten, der die relevanten Fragen hinsichtlich der ontologischen Implikationen des Stringansatzes erst einmal in einer Begrenzung auf die perturbativen Stringtheorien und ihre Konzeptionen stellt, um dann, wenn es schliesslich um die Frage nach der möglichen Auflösung der objekthaften Ontologie im Stringansatz gehen wird, diesen Bereich wieder zu überschreiten.

Der String als Nachfolgebegriff des traditionellen Teilchenkonzepts ?

Nehmen wir einmal an, wir hätten es mit den Strings als fundamentalen Entitäten des Stringansatzes zu tun: Kann der String unter diesen Voraussetzungen als Nachfolgebegriff des traditionellen Teilchenkonzepts verstanden werden? - Diese Frage ist nicht zuletzt schon deswegen wesentlich weniger harmlos, als sie vielleicht erst einmal klingen mag, da der Teilchenbegriff schon im Übergang von der klassischen Physik zur Quantenmechanik hinsichtlich seiner traditionellen Konnotationen erheblich relativiert wird und spätestens im Kontext der Quantenfeldtheorien kein zentraler Begriff mehr ist.367 Schon die Entwicklung der Physik vor dem Aufkommen des Stringansatzes hat den Teilchenbegriff nahezu aller klassischen Eigenschaftszuschreibungen und Substanz-Konnotationen beraubt. "Die theoretischen Entwicklungen von der Quantenmechanik des Wasserstoffatoms bis hin zu den heutigen Quantenfeldtheorien, in denen die Beschreibung von Materiebestandteilen und Strahlungsphänomenen vereinheitlicht ist, nötigen zu immer radikaleren Abstrichen bezüglich der Prädikate, die man den Teilchen ursprünglich auf der Grundlage der klassischen Punktmechanik zuschrieb [...]." (Falkenburg (1995) 211f)

367

Die einschlägige Monographie zu den Ausprägungen und den Wandlungen des Teilchenbegriffs ist Falkenburg (1995). Siehe auch Falkenburg (1993), (1993a), (1993b), (1996), (2002b).

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Der traditionelle Teilchenbegriff umfasst im wesentlichen zwei, sich ergänzende, aber auch autonom einsetzbare Aspekte:368 Teilchen werden einerseits - im Sinne des mereologischen Teilchenbegriffs - als mikroskopische Materiebestandteile aufgefasst. Andererseits werden Teilchen - im Sinne einer kausalen Sichtweise - als mikroskopische Ursachen lokaler Wirkungen verstanden. Beginnen wir mit einem Blick auf den kausalen Teilchenbegriff und seine Relativierungen im Rahmen der modernen Physik. Dem kausalen Teilchenbegriff liegt gleichermassen das traditionelle Kausalprinzip wie die klassische Substanzauffassung zugrunde. Die mikroskopischen Ursachen lokaler Wirkungen in einer makroskopischen Umgebung werden als substantielle Entitäten verstanden, denen als permanente Eigenschaften vor allem Masse und Ladung zugesprochen werden. Diese permanenten Eigenschaften (zu denen im Rahmen der Quantenmechanik etwa noch der Spin hinzukommt) dienen nicht zuletzt der Reidentifizierbarkeit des Teilchens. Die Dynamik des Teilchens hingegen wird auf der Grundlage seiner Dispositions- und seiner Wechselwirkungseigenschaften erfasst. Die Dispositionseigenschaften eines Teilchens schliessen insbesondere seine räumliche und zeitliche Lokalisierbarkeit sowie die Bestimmbarkeit von Impuls und Energie ein. Seine Wechselwirkungseigenschaften manifestieren sich in den Modalitäten der Ausbreitung von Wirkungen auf quasi-klassischen Raum-Zeit-Bahnen und in den jeweiligen Erhaltungssätzen, durch die sich die entsprechende Wechselwirkung kennzeichnen lässt.369 Dieser kausale Teilchenbegriff erfährt seine erste Relativierung schon in der Quantenmechanik, in deren Kontext die raumzeitliche Lokalisierbarkeit der mikroskopischen Ursachen lokaler Wirkungen in einer makroskopischen Umgebung und die vollständige Separierbarkeit ihrer als substantiell gedachten Träger in Frage gestellt werden. Eine wichtige Rolle spielen hierbei nicht zuletzt der Welle-Teilchen-Dualismus sowie die Heisenbergschen Unschärfebeziehungen. "Bei der vollen quantentheoretischen Beschreibung von Wechselwirkungen versagt das verallgemeinerte Teilchenkonzept, das noch für die Charakterisierung der Bewegung quantenmechanischer Objekte 368

Siehe Falkenburg (1995). Diese Erhaltungssätze liefern eine weitere Grundlage für die Reidentifikation des Teilchens.

369

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unter dem Einfluss klassischer Kräfte brauchbar ist, auf der ganzen Linie. (i) Die auf der klassischen Punktmechanik beruhende Annahme einer vollständigen raumzeitlichen Determination alles dynamischen Geschehens, (ii) die dem generalisierten Teilchenkonzept zugrundeliegende vortheoretische Annahme, dass die Ursache einer lokalen Wirkung ein lokalisierbarer phänomenaler Träger permanenter Eigenschaften sein muss, und (iii) die den Gegensatz von klassischer Punktmechanik und Feldtheorie übergreifende Annahme, dass wechselwirkende Entitäten zur Beschreibung ihrer Wechselwirkung mindestens idealiter als separierbar gedacht werden können - alle diese Annahmen sind in bezug auf die Entitäten einer relativistischen Quantentheorie nicht mehr haltbar." (Falkenburg (1995) 253) Das Kausalprinzip wird im Rahmen der durch die Schrödinger-Gleichung beschriebenen Dynamik der Quantenmechanik zwar weiterhin grundsätzlich als gültig angesehen, aber die postulierten mikroskopischen Ursachen lokaler Wirkungen in einer makroskopischen Umgebung lassen sich hier nicht mehr in irgendeiner Weise als raumzeitlich lokalisierbare und separierbare Substanzen im klassischen Sinne auffassen. "Es gibt eine Verursachung von Teilchenspuren [...]. [Die] Ursache ist jedoch kein Teilchen im Sinne eines raumzeitlich oder dynamisch isolierten Mikroobjektes, sondern eine Entität vom Typus Prozess." (Falkenburg (1995) 260) Wenn die Entwicklungen im Rahmen der Quantenmechanik hinsichtlich der Substantialität der mikroskopischen Ursachen lokaler Wirkungen noch Zweifel gelassen haben sollten: Im Kontext der Quantenfeldtheorien versagt der traditionelle kausale Teilchenbegriff schliesslich vollends. "Der Teilchenbegriff kann nicht so generalisiert werden, dass er die heutigen Quantenfeldtheorien und ihre empirische Basis, die mittels der Messtheorie eines klassischen Teilchens näherungsweise erfassbar ist, zugleich abdeckt. [...] Damit zeichnet sich ab, dass man ein Teilchen nicht als etwas betrachten sollte, das lokale Wirkungen hat sondern vielmehr als etwas, das die lokale Wirkung von etwas ganz anderem als einem Teilchen ist." (Falkenburg (1995) 253)

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Die Substantialität der "Teilchen" wird nicht zuletzt durch ihre Erzeugung und Vernichtung in den Quantenfeldtheorien untergraben. Teilchen werden als Feldquanten eines fermionischen Materiefeldes aufgefasst und stehen auf der gleichen Stufe mit den bosonischen Feldquanten der Wechselwirkungsfelder. "Wenn man ein Teilchen als eine phänomenale Substanz im Lockeschen Sinne betrachten möchte, d.h. als ein Kollektiv permanent zusammen auftretender Eigenschaften, so steht man angesichts der durch die heutigen Quantenfeldtheorien beschriebenen Phänomene vor dem Sachverhalt, dass sich Eigenschaftskollektive 'auflösen' und zu neuen Eigenschaftskollektiven 'umgruppieren' lassen [...]." (Falkenburg (1995) 252) Aber nicht die erzeugten und wieder vernichteten Teilchen bzw. Feldquanten sind die fundamentalen Entitäten, von denen die Quantenfeldtheorien handeln; dies sind vielmehr die quantisierten Felder selbst. "Die Teilchen, mit denen man die durch Messgeräte lokalisierbaren Feldquanten einer Quantenfeldtheorie identifiziert, stellen nicht die fundamentalen Entitäten dieser Theorie dar, sondern nur die unter bestimmten experimentellen Bedingungen realisierten nicht-permanenten Zustände einer theoretischen Entität, die als ein quantisiertes Feld mit fluktuierender Besetzungszahl konzipiert ist - was immer auch man unter einer solchen Entität genau verstehen mag. / Eine Quantenfeldtheorie ist darum keine Teilchentheorie, d.h. keine Theorie, deren Entitäten sich in irgendeinem nachvollziehbaren Sinn als lokalisierte oder lokalisierbare Teilchen auffassen lassen." (Falkenburg (1995) 249) Vor diesem Hintergrund ist es dann auch nicht mehr so erstaunlich, dass sich im Rahmen einer quantenfeldtheoretischen Beschreibung des Vakuums für gekrümmte Raumzeiten bzw. starke Gravitationsfelder der Teilchenbegriff bzw. das Auftreten von Teilchen als beobachterabhängig herausstellt. "Many properties of QFT which hold in Minkowski space either do not apply, or change radically on a curved background. [...] strong or rapidly varying gravitational fields can produce particles. It is easy to

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see that this makes the concept of particle ambiguous (observerdependent). [...] what the free-falling observer sees as the vacuum state of his QFT is not a vacuum state for the static observer." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 12) Die Beobachterabhängigkeit manifestiert sich nicht zuletzt darin, dass ein beschleunigt bewegter Beobachter ein thermisches Teilchenbad wahrnimmt, wo ein Beobachter in einem Inertialsystem nur den Vakuumzustand des Quantenfeldes feststellen kann. Dieses Phänomen wird als "Unruh-Effekt" bezeichnet, die sich für beschleunigt bewegte Beobachter manifestierenden Teilchen als "Rindler-Quanten". "[...] a uniformly accelerated observer will see a flux of particles as if he were in a thermal bath of scalar particles [...] while the inertial observer will see the field [...] in its vacuum state [...] and consequently will not see any particle at all. This shows that when we depart from Minkowski space the concepts of vacuum and particles become observer-dependent." (Alvarez-Gaumé / Vázquez-Mozo (1992) 15) Spätestens diese Beobachterabhängigkeit des Auftretens von Teilchen macht deutlich, dass diesen im Rahmen der Quantenfeldtheorien nur ein ephemerer Charakter zukommt. Der zentrale Begriff bzw. die fundamentale Entität in den Quantenfeldtheorien ist eben das quantisierte Feld selbst, und nicht etwa die Teilchen. "Wenn man [...] unter Teilchen die Referenzobjekte einer Fundamentaltheorie der Physik verstehen möchte, die sich als so etwas wie selbständige 'Bausteine' der Wirklichkeit konzipieren lassen, so gibt es keine Teilchen, denn die fundamentalen Entitäten einer Quanten(feld)theorie der Elementarteilchen sind nie und nimmer Teilchen, sondern 'Quantenfelder', die über probabilistische Grössen mit raumzeitlichen Phänomenen verknüpft sind." (Falkenburg (1995) 256) Letztlich gibt es in den Quantenfeldtheorien, wenn man die Entwicklungen innerhalb ihrer algebraischen Formulierung ernst nimmt, wohl überhaupt keine lokalisierbaren Objekte im strengen Sinne mehr.370 Das Fazit kann dann nur lauten: 370

Vgl. Rovelli (1999) sowie die entsprechenden Beiträge in Kuhlmann / Lyre / Wayne (2002).

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"Nach heutigem Wissen bleibt vom kausalen Teilchenkonzept letztendlich nicht mehr viel übrig [...]." (Falkenburg (1995) 212) Nicht viel besser ergeht es dem mereologischen Teilchenbegriff, der in noch stärkerem Masze im traditionellen Substanzbegriff verankert ist und demzufolge Teilchen als mikroskopische Materiebestandteile betrachtet werden. Konzeptionelle Grundlage des mereologischen Teilchenbegriffs ist die Teil-Ganzes-Beziehung. Dies bietet erst einmal den Vorteil, dass sich der Realstatus makroskopischer Substanzen auf ihre (im Rahmen empirisch bestätigter Theorien) postulierten mikroskopischen Konstituenten, welche auch immer dies sein mögen, zu übertragen scheint. "Wenn ein materielles Ganzes, etwa ein Gesteinsbrocken, empirisch gegeben ist, so können seine experimentell unterscheidbaren Teile, wie gross oder klein sie auch sein mögen, nicht minder real sein: dies ist das mereologische Argument für die Existenz mikroskopischer Materiebestandteile." (Falkenburg (1995) 292f) Existiert das makroskopische Objekt, so existieren auch seine mikroskopischen Bestandteile, soweit diese sich ausmachen lassen. "Die Teile-Ganzes-Beziehung gestattet [...] einen bedingten Schluss von der Existenz eines Ganzen auf die Existenz seiner Teile [...]." (Falkenburg (1995) 290) Wenn ein materielles Objekt aus mikroskopischen Konstituenten zusammengesetzt ist, so heisst dies jedoch noch nicht notwendigerweise, dass es auch in diese mikroskopischen Konstituenten zerlegbar ist und dass diese mikroskopischen Konstituenten isolierbar sein müssen. "Die Unterstellung, Zusammengesetztsein impliziere immer auch die Teilbarkeit des Ganzen, so dass die Bestandteile eines Ganzen im Prinzip räumlich isolierbar sein müssen, hat sich jedoch als zu speziell erwiesen, um den Konstituentenmodellen der heutigen Physik standzuhalten. Auch diese Unterstellung gehört zu den bis heute nicht aus unserem Sprachgebrauch ausgerotteten Restbeständen der Substanz-Metaphysik." (Falkenburg (1995) 271)

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Die Unrichtigkeit der Annahme, dass Zusammengesetztsein notwendigerweise auch Teilbarkeit impliziert, hat sich spätestens mit dem QuarkConfinement herausgestellt. Jeder Versuch, Quarks durch Energiezufuhr aus einem Verbund zu lösen und somit zu isolieren, führt nur zu neuen gebundenen Quarkkonstellationen, nicht aber zu isolierten Quarks. "Die Materie ist nicht beliebig separierbar in immer kleinere Bestandteile, weil im Mikroskopischen die aus dem makroskopischen Bereich vertrauten Kriterien für die Wohlunterschiedenheit oder Disjunktheit der Teile eines Ganzen zunehmend versagen." (Falkenburg (1995) 289) Wenn aber Zusammengesetztsein nicht notwendigerweise Teilbarkeit impliziert, so zeichnet sich die Ebene der Mikrokonstituenten erst einmal nur durch eine relationale Struktur aus, welche zur Charakterisierung der Eigenschaften des zusammengesetzten Objektes beiträgt, aber nicht unbedingt dafür ausreicht, den einzelnen Mikrokonstituenten substantiellen Charakter im Sinne makroskopischer materieller Objekte zuzusprechen. "Der Witz an der mereologischen Explikation des Teilchenbegriffs ist, dass Teilchen danach nicht als die von 'Rest der Welt' isolierten Entitäten einer fundamentalen Theorie aufgefasst werden müssen [...]. Nach der Bestehensrelation sind Teilchen soviel wie mikroskopische Bestandteile eines makroskopischen Ganzen. [...] Der Teilchenbegriff wird dadurch relational verstanden, so dass es strenggenommen sinnlos ist, von 'einzelnen' Teilchen zu sprechen. Teilchen sind [...] also keine entia per se im Sinne der traditionellen Metaphysik." (Falkenburg (1995) 284) Im Sinne des mereologischen Teilchenbegriffs, der auf der Teil-GanzesBeziehung beruht, hängt die Zuschreibung eines ontischen Status für die postulierten Mikrokonstituenten notwendigerweise an ihrer experimentellen Erschliessbarkeit. Die experimentelle Erschliessung führt aber schon im Rahmen der Quantenmechanik nicht mehr zur vollständigen raumzeitlichen Lokalisierbarkeit der als "Teilchen" deklarierten Mikrokonstituenten der Materie. Die Komponenten eines Quantensystems sind zudem unter bestimmten Bedingungen durch EPR-Korrelationen verschränkt. Sie bilden eine korrelativ verbundene Einheit. Bestimmte quantenmechanische Eigenschaften sind nur dem gesamten System zuzuschreiben, nicht aber irgend-

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welchen Teilen des Systems. Letztlich sind es oft nicht die postulierten teilchenartigen Mikrokonstituenten selbst, die empirisch erschlossen werden können, sondern vielmehr die quantenmechanischen Systeme, in welche diese postulierten Mikrokonstituenten eingebunden sind. Ist das Kriterium das der empirischen Erschliessbarkeit, so gibt es in diesen Fällen nur die quantenmechanischen Systeme, nicht aber die postulierten Mikrokonstituenten, aus denen diese sich angeblich zusammensetzen. Und die experimentelle Erschliessbarkeit der jeweiligen Mikrokonstituenten wird im Kontext der Quantenfeldtheorien noch problematischer. Einerseits verliert die klassische Unterscheidung in Teilchen und Felder spätestens in den Quantenfeldtheorien jegliche Bedeutung. Materieteilchen lassen sich als die Feldquanten fermionischer Materiefelder ansehen. Die Unterscheidung in fermionische Materiefelder und bosonische Wechselwirkungsfelder ist nur noch eine Frage der jeweiligen Quantenstatistik. "Auf der untersten heute bekannten Konstituentenebene der Materie gibt es keinen willkürfreien Unterschied mehr zwischen Teilchen und Feldern, und es zeichnet sich ab, dass beim Versuch, durch Streuexperimente noch einmal kleinere diskrete Strukturen innerhalb der Materie aufzulösen, womöglich sämtliche bislang denkbaren Kriterien für Disjunktheit versagen." (Falkenburg (1995) 290) Andererseits kommt in den Quantenfeldtheorien gegenüber der Quantenmechanik noch die Schwierigkeit hinzu, dass nicht in jeder Hinsicht klar ist, was gerade zur Konstituentenebene eines Systems zählt. Die möglichen Konstituentenkonstellationen, die nicht zuletzt vielfältige Konstellationen von virtuellen Anregungszuständen diverser Felder enthalten können, befinden sich selbst im Zustand einer quantenmechanischen Superposition. "Ein Fermionensystem kann partiell aus Strahlungsfeldern bestehen etwa das Proton oder Neutron, das, wie die experimentelle Überprüfung der Summenregel für die Quark-Impulse zeigt, nicht nur aus drei dynamisch disjunkten Quarks besteht, sondern darüberhinaus einen Feldanteil hat, der experimentell nicht in disjunkte Komponenten separierbar ist und der erheblich zum Nukleonenimpuls beiträgt; er wird erklärt durch die Strahlungsquanten der starken Wechselwirkung, Gluonen mit Spin 1, und einen 'See' virtueller Quark-AntiquarkPaare [...]." (Falkenburg (1995) 288)

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Konsequenterweise lässt sich auch der traditionelle mereologische Teilchenbegriff hier kaum noch als angemessene Begrifflichkeit hinsichtlich einer postulierten Mikrostruktur der Materie ansehen. "Auch der mereologische Teilchenbegriff wird [...] unscharf, wo die Kriterien für die Wohlunterschiedenheit versagen und sich der Teilchenbegriff nicht mehr gegen den Feldbegriff der Physik abgrenzen lässt." (Falkenburg (1995) 295) Der klassische Teilchenbegriff, sowohl in seiner kausalen wie in seiner mereologischen Ausprägung, verliert also spätestens im Rahmen der Quantenfeldtheorien seine Bedeutung. "Damit erweisen sich beide traditionellen Bedeutungen des Teilchenbegriffs, die kausale und die mereologische, letztlich als untauglich, um ein generalisiertes Teilchenkonzept zu begründen." (Falkenburg (1995) 302) Das heisst natürlich noch nicht, dass der Teilchenbegriff im Kontext der Physik nicht mehr verwendet würde. Er wird heute gleichermassen auf die postulierten Mikrokonstituenten der Materie wie auf die Feldquanten der Wechselwirkungsfelder angewandt. Und er bleibt dabei ein schillernder, mehrdeutiger Begriff, unter dem sehr uneinheitliche, teilweise empirisch zugängliche, teilweise theoretisch postulierte Entitäten zusammengefasst werden, die in nahezu allen Fällen keine der Eigenschaften aufweisen, die Teilchen im traditionellen Verständnis zugesprochen wurden. "Es gelang bisher nicht, ein einheitliches theoretisches Konzept der Entität 'Teilchen' zu formulieren, das hinreichend dafür wäre, alle experimentellen Befunde der Atom-, Kern- und Teilchenphysik empirisch adäquat zu beschreiben." (Falkenburg (1995) 211) Wenn in der Physik also von "Teilchen" die Rede ist, so sind dies im allgemeinen nicht etwa raumzeitlich eindeutig lokalisierbare, mit klassischem Substanzcharakter ausgestattete, autonome oder gar isolierbare Bestandteile der Materie. - Unter diesen Vorbehalten, die sich aus der Entwicklung unseres Verständnisses der mikroskopischen Konstituentenebene der Materie (und aus der des Feldbegriffs) ergeben, kann man nun die Frage stellen,

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ob der String, zumindest im perturbativen Stringansatz, als Nachfolgebegriff zum "Teilchen" anzusehen ist? Innerhalb des perturbativen Stringansatzes sind die "Teilchen" der Teilchenphysik die Erscheinungsformen des String. Die im Rahmen der Quantenfeldtheorien formal als punktförmig behandelten Entitäten sind dem Stringansatz zufolge eindimensional ausgedehnte Strings, die sich in einem bestimmten Oszillationszustand befinden, der sich jeweils durch bestimmte Eigenschaften (Energie bzw. Masse, Ladungen, Spin) kennzeichnen lässt.371 Mit dem Stringansatz wird also nicht etwa die bisherige, auf dem mereologischen Konstituentenbegriff beruhende Tieferlegungsstrategie atomistischer Konzeptionen weiterverfolgt, durch die sich etwa auch der Übergang von der Hadronenphysik zum Quarkmodell auszeichnete. "Teilchen" setzen sich dem perturbativen Stringansatz zufolge nicht etwa aus Strings zusammen, sondern sie sind die Erscheinungsformen des String.372 Die im Stringansatz vorgenommene strukturelle Tieferlegung ist insofern keine mereologische, sondern vielmehr eine nomologische und dynamische. Wenn man Strings gemäss den perturbativen Stringtheorien als basale Entitäten behandelt, so sind diese genau in dieser nomologisch und dynamisch verstandenen Weise als Nachfolgekonzept zum "Teilchen" zu sehen. Der hierbei als Bezugspunkt dienende Teilchenbegriff ist aber, wie betont werden muss, der schon nicht mehr zentrale Teilchenbegriff der Quantenfeldtheorien.373 Die Strings des perturbativen Stringansatzes bringen als 371

Hierbei kommen als Oszillationszustände des String gegenüber dem Spektrum der im Rahmen der Quantenfeldtheorien erfassten Entitäten neue "Teilchen" hinzu: nicht zuletzt etwa die supersymmetrischen Partner zu den bekannten Teilchen sowie die gesamte, infinite Sequenz von Teilchen mit Massen im Spektrum von jeweils Vielfachen der Planck-Masse. 372 Das Verhältnis zwischen dem String und den "Teilchen", sowohl den bekannten als auch den neu hinzukommenden, theoretisch postulierten, lässt sich in gewisser Weise als analog zu dem zwischen einer Violinsaite und den Tönen, die mit ihr hervorgebracht werden können, charakterisieren. "Superstring theory, crudely speaking, unites the various forces and particles in the same way that a violin string provides a unifying description of the musical tones. [...] one physical object can explain the varieties of musical notes and even the harmonies we can construct from them." (Kaku (1999) 17) 373 Die ontologischen Probleme der Quantenfeldtheorien sind jedoch noch weitgehend ungeklärt. Siehe etwa Cao (1999), Kuhlmann / Lyre / Wayne (2002) sowie Stöckler (1987).

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Zustände gleichermassen fermionische "Materieteilchen" wie bosonische "Wechselwirkungsfeldquanten" hervor. Die Strings sind damit einerseits die konzeptionellen Nachfolger der "Materieteilchen" (und indirekt somit auch des klassischen Teilchenbegriffs). Andererseits sind sie in gleicher Weise die konzeptionellen Nachfolger der Feldquanten der Quantenfeldtheorien. Schon innerhalb der Quantenfeldtheorien besteht ein Unterschied zwischen Feldern und Materie lediglich in Bezug auf die jeweilige Quantenstatistik, nicht jedoch in konzeptioneller Hinsicht. Materieteilchen und Feldquanten sind jedoch schon in den Quantenfeldtheorien nur noch - gegenüber den quantisierten Feldern - sekundäre, abgeleitete Entitäten. Sie sind gleichermassen Anregungszustände quantisierter Felder. Nun, im Stringansatz, sind sie die Anregungszustände des String. Das Verhältnis zwischen den Strings und den quantisierten Feldern als zentraler Entität der Quantenfeldtheorien bleibt jedoch im bisherigen Stringansatz weitgehend im Unklaren. Dies wird sich, wenn überhaupt, erst im Rahmen einer noch ausstehenden Weiterentwicklung klären lassen. Die schon in den Quantenfeldtheorien bestehende symmetrische Behandlung von Materieteilchen und Wechselwirkungsfeldquanten als jeweilige Ausprägung der als basal angesehenen Materie- und Wechselwirkungsfelder, wird allerdings im Stringansatz noch einmal durch die Einbeziehung der Supersymmetrie verstärkt. Es gibt den perturbativen Stringtheorien zufolge nicht mehr die (hinsichtlich der Quantenstatistik) unterschiedlich gearteten Typen quantisierter Felder, die entweder fermionische Materieteilchen oder bosonische Feldquanten hervorbringen, sondern es gibt nur noch den String, der gleichermassen fermionische wie bosonische Zustände aufweist. Materie und Felder werden nicht nur, wie in den Quantenfeldtheorien, konzeptionell gleich behandelt, sondern sie sind dynamische Ausprägungen einer Basisentität, gehen also auf den gleichen nomologischen Ursprung zurück. Damit verliert die traditionelle Trennung von Materie und Feldern ihre Bedeutung. Die perturbativen Stringtheorien vollziehen, zumindest formal, eine gleichermassen ontologische wie nomologische Vereinigung von Materie und Feldern.374 374

Die im Stringansatz vorgenommene ontologische wie nomologische Vereinigung geht jedoch letztlich womöglich noch über Materie und Felder hinaus. Schliesslich geht es dem Stringansatz um eine nomologisch vereinheitlichte Erfassung aller Wechselwirkungen inklusive der Gravitation. Und wenn die auf die Allgemeine Relativitätstheorie zurückgehenden Einsichten hinsichtlich der Dynamizität der Raumzeit und der Identität der metrischen Eigenschaften der Raumzeit mit dem Gravitationsfeld sich schliesslich im Stringansatz niederschlagen sollten, wenn also die im Kontext der

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Ontische Interpretierbarkeit des String ?

Man sollte aus der im perturbativen Stringansatz vorliegenden, nicht nur konzeptionellen, sondern ebenso dynamisch-nomologischen Zusammenführung von Materie und Feldern jedoch ganz sicher nicht darauf schliessen, dass sich der String selbst in irgendeiner Weise realistisch deuten liesse, etwa als eindimensional ausgedehnte, in ihrer Bewegung und Schwingung raumzeitlich veranschaulichbare Entität. Der String lässt sich vielmehr, wie im folgenden motiviert werden soll, bestenfalls als so etwas wie eine mathematische Metapher für die relevanten dynamischen Freiheitsgrade ansehen, aus denen gleichermassen fermionische wie bosonische Zustände einheitlich hervorgehen bzw. als einheitlich hervorgehend rekonstruiert werden können. Denn es gibt gute Gründe, die gegen eine realistische Interpretierbarkeit des String sprechen. Würde man den String in realistischer Weise als raumzeitlich ausgedehnte, schwingende Entität verstehen wollen, so hätte dies gravierende Probleme zur Folge. Eine realistische Interpretation der Schwingungen des String müsste etwa sich bewegende Stringabschnitte ins Feld führen, also verdeutlichen, aus was der ausgedehnte, schwingende String besteht, was da also schwingt. Diese Stringabschnitte müssten zwar ganz sicher nicht isolierbar sein, aber immerhin als Konstituenten des String charakterisierbar. Es müsste, wenn der String als reale, raumzeitlich ausgedehnte Entität verstanden werden sollte, eine Beziehung zwischen dem dynamischen Zusammenhalt der Stringabschnitte und den Modalitäten der Schwingung bestehen. Die Annahme der Existenz von Stringabschnitten oder Stringteilen widerspricht jedoch der Konzeption der perturbativen Stringtheorien, inErörterung des Problems der Raumzeit (siehe Kap. 6.) angesprochenen Perspektiven einer Stringtheorie ohne Voraussetzung einer Hintergrundraumzeit sich schliesslich realisieren lassen sollten, so wäre der String dann vielleicht sogar als Nachfolgekonzept zur Raumzeit selbst zu sehen. Dies wäre für eine Theorie der Quantengravitation nur konsequent. Denn, wenn man das Gravitationsfeld mit den metrischen Eigenschaften der Raumzeit identifiziert, wenn sich diese also auf Gravitationsfelder zurückführen lassen, und wenn Gravitationsfelder durch Gravitonen realisiert werden, und wenn Gravitonen Oszillationszustände von Strings sind, so müssten sich die metrischen Eigenschaften der Raumzeit - wenn nicht die Raumzeit selbst - konsequenterweise auf Strings zurückführen lassen.

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nerhalb derer der String als basale, irreduzible Entität behandelt wird. Als basale, irreduzible Entität kann der String per se nicht als im raumzeitlichen, realistischen Sinne ausgedehnt verstanden werden, sondern nur als ein dynamisches Etwas mit bestimmten Eigenschaften, die sich in gewisser Weise so verhalten wie eine quantisierte Variante einer klassischen ausgedehnten Saite. Zudem: Wie sollten realistisch, im raumzeitlichen Sinne, verstandene Stringoszillationen auch empirisch erschlossen werden und damit ihre realistische Deutbarkeit erhärtet werden? Wie sollte eine räumliche Stringauslenkung empirisch festgestellt werden? Etwas, was die räumlichen Teile eines String in ihrem dynamischen Verhalten untersuchbar werden liesse, müsste kleiner und energiereicher als der String selbst sein. Zumindest im Rahmen der perturbativen Stringtheorien gehören Strings aber per se dem Bereich kleinster räumlicher Abstände an. Es gibt für die perturbativen Stringtheorien eine kleinste räumliche Distanz, die sich an der Stringlänge orientiert.375 Für diese kleinste räumliche Distanz spricht nicht zuletzt auch die T-Dualität.376 Eine empirische Erschliessungsmöglichkeit, auf die sich eine realistische Interpretation der Stringdynamik stützten könnte, müsste diese kleinste Länge unterlaufen. Damit ist eine solche Untersuchungsmethode und somit eine realistische Interpretation des String als schwingendes Objekt mit der Konzeption der Stringtheorien inkompatibel. Letztlich benötigt man diese Inkompatibilität einer realistischen, raumzeitlichen, objekthaften Interpretatation des Strings mit der Konzeption der perturbativen Stringtheorien jedoch gar nicht, um für den Verzicht auf erstere zu plädieren. Denn es gibt ein weiteres durchschlagendes Argument, das - völlig unabhängig vom Stringansatz und seinen spezifischen Konstruktionen - eine Erschliessung von Längenintervallen unterhalb der Planck-Länge unmöglich erscheinen lässt: "If we want to explore space with resolution of order r, the uncertainty principle tells us that we need to use energy E > 1/r. This energy has to be concentrated in a region of the size r. But in the presence of gravitational interactions, this concentration of energy creates a black 375

Gedankenexperimente, die auf die Unmöglichkeit der Erschliessung von Grössenordnungen unterhalb der Stringlänge hinweisen, finden sich etwa in Amati / Ciafaloni / Veneziano (1989) sowie in Calmet / Graesser / Hsu (2005). 376 Siehe Kap. 2.3.

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hole unless r > lP. Therefore, we cannot explore distances smaller than the Planck length." (Seiberg (2006) 5f) Alles, was sich in der Grössenordnung der Planck-Länge abspielt (die im Sinne der perturbativen Stringtheorien mit der Stringlänge in etwa identisch ist), mag zwar basal sein, ist aber nicht mehr realistisch deutbar im Sinne eines Verhaltens und Interagierens von raumzeitlich ausgedehnten und raumzeitlich charakterisierbaren Entitäten. Es kann für diesen Bereich keinen Objektbegriff mit raumzeitlichen Konnotationen mehr geben. Der Stringansatz handelt also bestenfalls von einer mathematischen Struktur, auf deren Grundlage sich zwar vielleicht raumzeitliche Objekthaftigkeit und vielleicht sogar Raumzeit konstituieren könnten, der aber selbst diese Eigenschaften ganz sicher nicht zukommen. Strings können keinesfalls als räumlich strukturierte und ausgedehnte Entitäten verstanden werden. Sie stehen vielmehr - zumindest, wenn man die perturbativen Stringtheorien konzeptionell ernst nimmt - als strukturelle Metapher für ein dynamisches Etwas, das auf der Grundlage seiner Freiheitsgrade durch seine verschiedenen dynamischen Zustände auf spezifische Art und Weise kausal wirksam wird, ohne dass ihm selbst in irgendeiner Weise schon Objekthaftigkeit zugesprochen werden könnte.

Auflösung der objekthaften Ontologie

Nachdem das Konzept objekthafter Mikrokonstituenten des materiellen Geschehens schon mit der Quantenmechanik und erst recht mit den Quantenfeldtheorien nahezu alle traditionellen, klassischen Konnotationen verloren hat, erfolgt im Stringansatz der endgültige Schritt zu einer Auflösung jeglicher objekthaften Ontologie. "I think that the full dissolution of ontology is a characteristic process of particle physics whose unfolding starts with quantum mechanics and gains momentum in gauge field theory until, in string theory, the ontological object has simply vanished." (Dawid (2003) 23)

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Insbesondere mit dem Übergang von den perturbativen Stringtheorien zu ihren nicht-perturbativen Erweiterungen wird die schon für den perturbativen String zu konstatierende (und vorausgehend beschriebene) Auflösung der objekthaften Ontologie noch ausgeprägter. Hier gibt es nun auf einmal völlig unterschiedliche Beschreibungsweisen, die z.T. gänzlich verschiedene (basale?) Entitäten postulieren, die aber hinsichtlich ihrer physikalisch relevanten Implikationen äquivalent sind. Dies wird vor allem in den diversen Dualitäten deutlich - den Identitäten der Zustandsspektren für völlig unterschiedliche theoretische Szenarien mit gänzlich unterschiedlicher, vermeintlich ontologischer Festlegung.377 So führt die T-Dualität zwischen den Theorien vom Typ IIA und vom Typ IIB zu einer Äquivalenz zwischen einer chiralen und einer nicht-chiralen Theorie. Die Spiegelsymmetrie impliziert eine Äquivalenz von theoretischen Szenarien, die sich auf der Grundlage unterschiedlicher Raumzeittopologien ergeben. Im Rahmen der S-Dualität kommt es schliesslich für bestimmte Parameterbereiche zur Äquivalenz zwischen theoretischen Szenarien mit offenen und solchen mit geschlossenen Strings.378 Ebenso stellt die S-Dualität Äquivalenzen zwischen theoretischen Konstrukten her, die mit unterschiedlicher Dimensionalität der Raumzeit arbeiten.379 Letzten Endes bleiben nicht einmal die Begrifflichkeiten der "starken" und der "schwachen" Kopplung eindeutig: "The lesson is that one and the same physical theory can have many perturbative descriptions. These may look completely different, and can involve different gauge groups and matter fields. There is in general no absolute notion of what would be weak or strong coupling; rather what we call weak coupling or strong coupling, or an elementary or a solitonic field, depends to some extent on the specific description that we use. Which description is most suitable, and which physical degrees of freedom will be light or weakly coupled (if any at 377

Siehe Kap. 2.3. So entspricht der Bereich der starken Kopplung der Typ-I-Theorie, welche die Dynamik von unorientierten offenen Strings erfasst, der schwachen Kopplung für die heterotische SO(32)-Theorie, die ausschliesslich das Verhalten von orientierten geschlossenen Strings beschreibt. 379 So entspricht der Bereich der starken Kopplung sowohl der zehndimensionalen Typ-IIA-Stringtheorie als auch der (ebenso zehndimensionalen) heterotischen E8 x 378

E8-Stringtheorie gleichermassen dem Bereich der schwachen Kopplung der elfdimensionalen Supergravity.

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all), depends on the region of the parameter space we are looking at." (Lerche (2000) 23) Die sogenannte "Ladungs-Ausdehnungs-Dualität" impliziert schliesslich die Abhängigkeit der Wechselwirkungsgrössen ("Ladungen") von der Grösse der kompakten Dimensionen. Die auch als "Dualitätsdualität" bezeichnete U-Dualität führt auf einer höheren strukturellen Abstraktionsebene zur wechselseitigen Übersetzbarkeit zwischen der T-Dualität für solitonische Strings und der S-Dualität für die gewöhnlichen fundamentalen Strings der perturbativen Stringtheorien.380 Die Dualitäten zwischen unterschiedlichen theoretischen Szenarien lassen sich, wie sich hier zeigt, als Austausch der als fundamental behandelten Entitäten zwischen jeweils zwei Beschreibungsweisen interpretieren. "There is some confusion, however, over which extended objects are 'fundamental' and which ones are 'solitonic', which differ by whether they are divergent at the origin. Under a duality transformation, in fact, we can turn one into the other." (Kaku (1999) 517). Spätestens diese weitgehende Flexibilität (wenn nicht gar Beliebigkeit) in der Wahl der Basisentitäten macht die Zuschreibung eines ontisch reliablen Status für die jeweils gerade postulierten Basisentitäten völlig unglaubwürdig. "[...] what is fundamental and what is solitonic is a matter of taste." (Kaku (1999) 517). Die in den diversen Szenarien postulierten Entitäten (Strings, Branen diverser Dimensionalität) können - genausowenig wie die ihnen zugesprochenen dynamischen Eigenschaften und die jeweils zugrundegelegten raumzeitlichen Kontexte (Kompaktifizierungsmodi) - realistisch gedeutet werden. Sie können nicht als objektartig verstanden werden, sondern lediglich als unter verschiedenen parametrischen Bedingungen austauschbare strukturelle Metaphern, die - den empirisch untermauerbaren Erfolg des theoretischen Ansatzes einmal angenommen - das Auftreten einer Typologie physikalisch relevanter, kausaler Wirkungsmöglichkeiten erfassbar werden lassen könnten. Die Festlegung auf bestimmte Basisentitäten lässt sich jedoch bestimmt nicht als ontologische Festlegung des Stringansatzes 380

Siehe Schwarz (1997) und Duff (1998).

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deuten; die basalen Entitäten der jeweiligen theoretischen Szenarien haben lediglich den Status einer für das jeweilige Szenario (und den von ihm erfassten Parameterbereich) relevanten, basalen mathematischen Struktur. "String theory simply is no theory about invisible external objects." (Dawid (2003) 28) Nicht einmal die Festlegung dessen, was über die spezifischen theoretischen Szenarien hinweg als Materie, als Wechselwirkung und als Komponente der Raumzeit angesehen wird, bleibt im Kontext der Dualitätsbeziehungen eindeutig: "[...] which fields are 'matter' and which ones are 'geometrical' is subjective, depending on whether you adopt an M theory or IIB theory viewpoint. Both viewpoints are valid, and neither is preferable to the other. So how many compact dimensions there are is just a matter of how the fields are labelled!" (Schwarz (1997) 27) Felder, die innerhalb eines theoretischen Konstrukts als metrische Komponenten in Erscheinung treten, entsprechen Materiefeldern in dem zu ihm dualen Konstrukt. Welche Felder als interne Komponenten des metrischen Tensors zu sehen sind und welche als Materiefelder, ist also offensichtlich reine Interpretationssache. - Aber die raumzeitlichen Szenarien sind im Stringansatz ohnehin auch schon unabhängig von dieser Problematik in ihrer Festlegung uneindeutig, da die Beziehung zwischen der zehndimensionalen Beschreibung der perturbativen Stringtheorien und der ViererRaumzeit der Phänomenologie sich grundsätzlich gleichermassen im Rahmen des Kompaktifizierungskonzepts wie in dem des Bran-Ansatzes herstellen lässt. "[...] there are currently two main approaches (related by duality) for obtaining standard and non-standard field theories from string theory [...]. One can either study the singular geometry of Calabi-Yau or other compactification manifolds, and consider the effect of wrapped branes [...]. / Alternatively, on can model the relevant string geometry in terms of parallel D-branes, with open strings and other branes running between them [...]." (Lerche (1997) 14)

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Auch wenn man sich auf das Kompaktifizierungskonzept beschränkt, ist immer noch unklar, ob die als kompaktifiziert angesehenen Dimensionen tatsächlich als raumzeitlich oder als intrinsische Freiheitsgrade der Dynamik zu deuten sind. "It is most likely irrelevant whether these extra dimensions exist in any literal sense. If one is drawn to a picture of our three-dimensional 'reality' embedded in some higher-dimensional realm, then one can believe in the extra dimensions, at least as long as one is working in this background dependent picture. But these extra dimensions can also be seen as purely theoretical devices which are useful for understanding the list of consistent string theories in three dimensions." (Smolin (2000) 160) Schon für die heterotischen Stringtheorien werden die über die zehn Dimensionen des perturbativen Superstringansatzes hinausgehenden 16 bosonischen Dimensionen gemeinhin nicht mehr raumzeitlich gedeutet, sondern als intrinsische Freiheitsgrade. Sie werden also nicht als physikalisch real behandelt, sondern als modelltheoretisches Instrumentarium zur Implementierung der dynamischen Freiheitsgrade des heterotischen String. Und für die sechs bzw. sieben zusätzlichen Dimensionen der perturbativen Superstringtheorien bzw. der angezielten nicht-perturbativen M-Theorie könnte das gleiche gelten. Oder es wäre denkbar - wie einige Stringtheoretiker spekulieren -, dass es sich bei diesen zusätzlichen Dimensionen weder um räumliche noch um zeitliche handelt, sondern um irgendeine bisher noch nicht in Erscheinung getretene dritte Kategorie von "geometrischer" Dimension. Die Stringtheorien selbst legen keine eindeutige Interpretation hinsichtlich dieser Problematik nahe. Und spätestens angesichts des virulenten Problems der Hintergrundraumzeit381 ist die realistische Deutung des Bildes der Raumzeit, wie es sich innerhalb des Stringansatzes darstellt, ohnehin äusserst fragwürdig. "In its current stage of development, string theory unfortunately provides little indication of the more fundamental nature of space, time, and matter. Despite the consideration of ever more exotic objects strings, p-branes, D-branes, etc. - these objects are still understood as propagating in a background spacetime. Since string theory is suppo381

Siehe Kap. 6.

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sed to describe the emergence of classical spacetime from some underlying quantum structure, these objects are not to be regarded as truly fundamental. [...] Thus although string theory purports to be a fundamental theory, the ontological implications of the theory are still obscure." (Weinstein (2005) 8) Ob jedoch die für den Stringansatz zu konstatierende Auflösung einer objekthaften und raumzeitlich deutbaren Ontologie als notwendige Konsequenz einer der Naturbeschreibung angemessenen Entwicklung der Physik anzusehen ist, oder vielmehr als Artefakt einer fehlgeleiteten Theorienbildung, bleibt vor dem Hintergrund des ungeklärten Status des Stringansatzes reine Spekulation. Die Verhandlung hinsichtlich der ontologischen Implikationen des Stringansatzes kann schon deswegen zu keinem endgültigen Ergebnis führen, als nicht klar ist, ob dieser schliesslich an seinen Problemen (fehlendes physikalisch motivierbares Prinzip, Problem der Hintergrundraumzeit, Kontingenzproblem etc.) scheitern wird, oder, ob er weitere Metamorphosen durchlaufen wird und entsprechende konzeptionelle Verschiebungen erfahren wird, in deren Kontext seine momentanen Problemlagen sich als lösbar erweisen.

311

8. Das Realismusproblem: Entitäten oder Strukturen ? Wie im vorausgehenden Kapitel deutlich geworden sein dürfte, ist es nicht ohne weiteres möglich, die vom Stringansatz in seinen diversen Erscheinungsformen jeweils als basal angesetzten Entitäten in realistischer Weise als objekthafte Komponenten eines raumzeitlichen Geschehens zu deuten. Gibt es aber vielleicht andere Komponenten innerhalb der theoretischen Konstrukte, die sich im Gegensatz zu den jeweils postulierten basalen oder auch weniger basalen Entitäten in irgendeiner Weise realistisch deuten lassen? Gibt es irgendetwas im Stringansatz, dem realer ontischer Status zugesprochen werden kann? Allgemeiner gefragt: Wie steht der Stringansatz zum Realismus? Inwieweit leistet er ihm Vorschub? Und in welcher Weise setzt er ihn vielleicht sogar voraus? Was wäre, wenn er zwar den Realismus voraussetzt, letztlich aber nicht oder nur eingeschränkt mit ihm verträglich ist? - Für mögliche Antworten auf diese Fragen gelten gleichermassen die schon im vorausgehenden Kapitel vorgebrachten Vorbehalte hinsichtlich ihrer unabwendbaren Vorläufigkeit angesichts des aktuellen Standes der Theorieentwicklung im Stringansatz. Dennoch lassen sich vielleicht immerhin schon einige tentative Überlegungen hinsichtlich der Stellung des Stringansatzes zum Realismus anstellen: Für eine grundsätzlich realistische Interpretation hinsichtlich der Aussagen empirisch bestätigter, erfolgreicher Theorien, den sogenannten "wissenschaftlichen Realismus",382 wird immer wieder ein zentrales Argument ins Feld geführt: das sogenannte "Erfolgsargument" bzw. "No-miraclesArgument". Dieses Argument besagt, dass der Erfolg einer Theorie, der vor allem in einer umfangreichen empirischen Bestätigung ihrer Vorhersagen zu sehen ist, aber längerfristig auch etwa technische Umsetzungsmöglichkeiten umfassen kann, nur dann nicht zum unerklärlichen Wunder wird, wenn die Aussagen dieser Theorie im wesentlichen wahr sind und wenn die von der Theorie beschriebene Dynamik und die von ihr postulierten Entitäten in irgendeiner Weise über ein Gegenstück in der Realität verfügen. 382

Siehe etwa Leplin (1984), Laudan (1981), Psillos (1999).

312

"It would be a mircale, a coincidence on a near cosmic scale, if a theory made as many correct empirical predictions as, say, the general theory of relativity or the photon theory of light without what that theory says about the fundamental structure of the universe being correct or 'essentially' or 'basically' correct." (Worrall (1989) 101) Ausser der Allgemeinen Relativitätstheorie, deren in mancher Hinsicht überraschende theoretische Vorhersagen zum Teil schon kurz nach ihrer Aufstellung empirisch bestätigt werden konnten, wird hier als Beispiel gerne die Quantenmechanik angeführt, die nicht nur über die vielfältigsten empirischen Bestätigungen verfügt und sich bisher als mit allen empirischen Daten in vollem Umfang verträglich erwiesen hat, sondern inzwischen sogar diverse technische Umsetzungen erfahren hat; und alles sieht danach aus, als ob diese Quantentechnologien in der Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Aus dem empirischen und zum Teil technologischen Erfolg solcher Theorien wird im Sinne des No-miracles-Arguments auf die Wahrheit (im korrespondenztheoretischen Sinne) oder zumindest die annähernde Wahrheit der von ihnen vorgebrachten, die Wirklichkeit betreffenden Aussagen geschlossen. Für den Stringansatz könnte das No-miracles-Argument als Stützung seiner realistischen Interpretierbarkeit jedoch erst dann ins Feld geführt werden, wenn er sich insofern als erfolgreich erweisen sollte, dass er unabhängige empirische Bestätigungsinstanzen erhält: Bestätigungsinstanzen also, die unabhängig sind von dem empirischen Gehalt, der in den Stringansatz aus seinen Vorgängertheorien eingeflossen ist. Hier genügt die vermeintliche "Vorhersage" der Gravitation in gar keiner Weise.383 Aber auch eine empirisch und vielleicht sogar technologisch erfolgreiche Theorie ist hinsichtlich einer realistischen Interpretierbarkeit ihrer Aussagen immer noch erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt: Dem No-miraclesArgument als Hauptstützpfeiler einer realistischen Interpretation unserer erfolgreichen Theorien stehen nämlich unsere Erfahrung mit der Wissenschaftsgeschichte entgegen. Immer wieder wurden recht erfolgreiche, zu ihrer Zeit in ausreichendem Masze empirisch bestätigte Theorien von Nachfolgern abgelöst, die zu überraschenden, mit den Implikationen ihrer Vorgänger unverträglichen, neuen Vorhersagen führten, welche in der 383

Vgl. Kap. 4.3.

313

Folge schliesslich empirisch bestätigt werden konnten und somit die Vorgängertheorien als nicht empirisch adäquat herausstellten. Über diese Wissenschaftsumbrüche hinweg blieb zwar der empirische Gehalt der jeweiligen Vorgängertheorien weitgehend erhalten und wurde durch den mit den jeweils neuen Theorien hinzukommenden empirischen Gehalt erweitert. Was jedoch nicht erhalten blieb, waren oftmals die nomologischen und dynamischen Implikationen der jeweiligen Vorgängertheorien und insbesondere die von diesen Theorien postulierten Entitäten. Wissenschaftsumbrüche brachten also oft nicht zuletzt Ontologieumbrüche mit sich. Angesichts dieser Erfahrungen mit der Wissenschaftsgeschichte ist es dann nicht fernliegend, auch für unsere aktuell als erfolgreich angesehenen und damit zumindest im Sinne des No-miracles-Arguments realistisch interpretierbaren Theorien einen Problemhorizont zu eröffnen, der gemeinhin als "pessimistische Metainduktion" bezeichnet wird. Diese pessimistische Metainduktion, eine Übertragung der kritischen Erfahrungen aus der Wissenschaftsgeschichte auf die heutige Situation der Wissenschaft, besteht in der ernstzunehmenden Befürchtung, dass sich die heutige Situation hinsichtlich der Naturbeschreibung aufgrund neuer Entwicklungen innerhalb der Wissenschaft sehr schnell in der gleichen Weise wie frühere, zu ihrer Zeit gültige und für richtig angesehene Beschreibungsvarianten als Luftschloss herausstellen könnte. Hilary Putnam hat die pessimistische Metainduktion einmal als "Alptraum des Realisten" bezeichnet und folgendermassen charakterisiert: "What if all the theoretical entities postulated by one generation (molecules, genes, etc. as well as electrons) invariably 'don't exist' from the standpoint of later science? [...] One reason this is a serious worry is that eventually the following metainduction becomes compelling: just as no term used in the science of more than 50 (or whatever) years ago referred, so will turn out that no term used now (except maybe observation-terms if there are such) refers." (Putnam (1984) 145) Die pessimistische Metainduktion hat nicht zuletzt einem ganzen Spektrum anti-realistischer Positionen Vorschub geleistet. So machen etwa die instrumentalistischen Sichtweisen hinsichtlich unserer empirischen Wissenschaft - neben der schon von David Hume hervorgehobenen, grundsätzlichen induktiven Unterbestimmtheit empirisch-wissenschaftlicher Theorien

314

- vor allem die Erfahrungen mit der Wissenschaftsgeschichte und die aus den stattgefundenen Wissenschaftsumbrüchen heraus motivierbare pessimistische Metainduktion für sich geltend. Spätestens unsere Erfahrung mit Wissenschaftsumbrüchen haben uns, dem Instrumentalismus zufolge, gelehrt, die von einer Theorie beschriebenen Szenarien nicht wortwörtlich zu nehmen und als deskriptive Widerspiegelung realer Gegebenheit zu werten. Die Erfahrungen mit der Wissenschaftsgeschichte sind für den Instrumentalisten auch gar nicht erstaunlich, da unsere empirisch-wissenschaftlichen Theorien auf der Grundlage der immer nur finiten, unvollständigen empirischen Daten, über die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügen, grundsätzlich induktiv unterbestimmt sind. Es können immer wieder neue empirische Daten hinzukommen, die uns gänzlich andere Theorien nahelegen. Dem Instrumentalismus zufolge sind unsere wissenschaftlichen Theorien nichts mehr als Instrumente zur ökonomischen Zusammenfassung der beobachtbaren Phänomenologie, die, wenn sie ausreichend effektiv sind, uns vielleicht sogar streckenweise in die Lage versetzen, Vorhersagen zu treffen, die sich schliesslich empirisch bestätigen lassen. Die von einer Theorie postulierten Entitäten sind nur als Teil einer instrumentellen Struktur zu sehen, deren Bezug ausschliesslich durch die zugängliche Phänomenologie definiert ist. Es gibt nach Auffassung des Instrumentalismus keinen Grund davon auszugehen, dass diese Entitäten tatsächlich Gegenstücke in der Realität aufweisen. Insofern machen empirisch-wissenschaftliche Theorien keine wahren Aussagen über die von ihnen postulierten Entitäten. Diese Auffassung deckt jedoch das Spektrum der anti-realistischen Reaktionen auf die pessimistische Metainduktion keineswegs ab. Bas Van Fraassen etwa kommt in seinem "Konstruktiven Empirismus"384 zu einem etwas anderen Bild hinsichtlich unserer erfolgreichen empirisch-wissenschaftlichen Theorien als der Instrumentalismus, obwohl er in gleicher Weise die pessimistische Metainduktion und die induktive Unterbestimmtheit unserer empirisch-wissenschaftlichen Theorien als argumentative Ausgangsbasis wählt. Nach Van Fraassens Auffassung haben theoretische Entitäten unter Umständen vielleicht sogar eine Referenz in der Welt und Aussagen über theoretische Entitäten kommt vielleicht sogar ein Wahrheitswert zu. Aber dieser Wahrheitswert ist, ebenso wie die Referenz der theoretischen Terme, grundsätzlich nicht epistemisch zugänglich. Er ist auf der Grundlage empirischer Daten nicht erschliessbar. Van Fraassen zufolge 384

Siehe Van Fraassen (1980).

315

sind unsere besten Theorien folglich nicht notwendigerweise wahr. Unsere besten Theorien können bestenfalls empirisch adäquat sein. Wollte man nun annehmen, der Stringansatz sei, wenn er sich erst einmal durch unabhängige empirische Bestätigungen als erfolgreich erwiesen haben sollte, aufgrund der sich jetzt schon mit ihm abzeichnenden Auflösung jeglicher objekthafter Ontologie385 vielleicht ohne weiteres mit anti-realistischen Positionen, wie dem Instrumentalismus oder dem Konstruktiven Empirismus, verträglich, so stehen dem gewichtige Einwände entgegen: Der Stringansatz bemüht sich, im Gegensatz zum Standardmodell, mit dem nur eine konzeptionelle, nicht aber eine nomologische Vereinheitlichung hinsichtlich der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung erreicht wird, um eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen einschliesslich der Gravitation. Dass er diese nomologische Vereinigung von seiner formalen Konzeption her grundsätzlich leistet, ist, wie schon wiederholt betont, nicht etwa eine von vielen Eigenschaften, die der Stringansatz für sich geltend machen könnte, sondern es ist die zentrale Tatsache, die ihn überhaupt als mathematisches Konstrukt mit physikalischen Ambitionen ins Spiel gebracht hat und dort hält. Der Stringansatz weist somit als seine zentrale und wesentlichste Motivation die Einbettung in das Programm einer nomologischen Vereinigung auf. Die Realisierung des nomologischen Vereinigungsprogramms ist aber letztlich nur vor dem Hintergrund einer realistischen Sichtweise ein erstrebenswertes Ziel. Der Instrumentalismus kommt sehr gut ohne nomologische Vereinigung aus und bietet für eine solche bestenfalls die unzureichende Motivation einer Ökonomisierung theoretischer Instrumentarien, die genauso gut im Kontext weniger ambitionierter und weniger metaphysisch beladener Zielsetzungen angestrebt werden kann. Wenn sich eine nomologische Vereinigung schliesslich erreichen lassen sollte, wäre sie dem Instrumentalismus vermutlich höchst suspekt. Das Programm der nomologischen Vereinheitlichung wird - ebenso wie die vor seinem Hintergrund erzielten Resultate in der physikalischen Theorienbildung - nie über seine metaphysischen Konnotationen und seine Verankerung im Realismus hinwegtäuschen können.

385

Vgl. Kap. 7.

316

Auch eine unabhängige empirische Bestätigung würde nichts daran ändern, dass der Stringansatz seine zentralen und massivsten Motivationen weiterhin aus diesem Programm schöpft. Hier ist es gerade die gerne vom Instrumentalismus ins Feld geführte, grundsätzliche empirische Unterbestimmtheit physikalischer Theorien, die nicht zuletzt zur Folge hat, dass eine empirische Bestätigung des Stringansatzes nicht etwa zu einer völligen Umkehrung dieses Motivationsverhältnisses führen kann. Das Programm einer nomologischen Vereinigung würde sich mit dem Erfolg des Stringansatz, vor allem mit seiner empirischen Bestätigung, nicht etwa definitiv als für die Naturbeschreibung angemessen beweisen lassen; es wäre vielmehr weiterhin ein von empirischen Belangen wenig tangiertes, metaphysisches Programm, das für den Stringansatz die entscheidende Motivation liefert und diesen aus einem Spektrum von möglichen theoretischen Szenarien auswählt und auszeichnet. Zu den grundsätzlichen Alternativen innerhalb dieses Spektrums zählen etwa auch stückweise anwendbare, empirisch adäquate, effektive Theorien, die für sich nicht den nomologischen Vereinheitlichungsgedanken geltend machen. Irgendein Flickenteppich effektiver Theorien wäre als Alternative zur umfassenden nomologischen Vereinigung sicherlich immer erreichbar. Für den Instrumentalismus und den konstruktiven Empirismus wäre ein solcher Flickenteppich effektiver Theorien ohne weiteres akzeptabel, solange er empirisch adäquat ist. Vielleicht würden Instrumentalisten und konstruktive Empiristen zwecks Ökonomisierung ihrer theoretischen Instrumentarien nach konzeptionell einheitlicheren Theorien suchen; aber erst der Realismus bietet eine ausreichende Motivation, eine umfassende, nomologisch einheitliche Alternative für erstrebenswert zu erachten. Der nomologische Vereinheitlichungsgedanke als metaphysisches Konzept, welches den Stringansatz erst als physikalisch interessantes Konstrukt ausweist, ist letztlich nur vor dem Hintergrund einer realistischen Sichtweise hinsichtlich des Verhältnisses von Natur und Naturbeschreibung ausreichend motiviert. Aber auch unabhängig davon dürfte es ohnehin ziemlich schwierig sein, den Stringansatz instrumentalistisch zu deuten. Er könnte nur in einem hochtheoretischen Sinne als Instrument zur Ökonomisierung der Phänomenologie gesehen werden. Eine solche theoretische Hochrüstung ist im Rahmen des Instrumentalismus kaum motivierbar. Ein einfacher handhabbares Instrumentarium aus effektiven Theorien mit einer grösseren Nähe

317

zur Empirie ist für den Instrumentalismus nicht nur völlig ausreichend, sondern naheliegender. Eine aus dem Programm einer nomologischen Vereinheitlichung heraus motivierte theoretische Struktur mit maximaler Entfernung von der Phänomenologie, die hier gerade effektiv zusammengefasst werden soll, erscheint vor dem Hintergrund des Instrumentalismus kaum plausibel. Und solange der Stringansatz noch über keinen von seinen Vorgängertheorien unabhängigen empirischen Gehalt verfügt, ist er für den Instrumentalismus ohnehin völlig uninteressant. Wenn also die angezielte nomologische Vereinigung die zentrale, wenn nicht gar die einzige Motivation dafür ist, den Stringansatz als physikalisches Programm überhaupt ernst zu nehmen, und wenn das Konzept der nomologischen Vereinigung wiederum nur im Rahmen einer realistischen Konzeption hinreichend motivierbar ist und den Realismus letztlich schon voraussetzt, so setzt auch der Stringansatz implizit schon den Realismus voraus, um überhaupt seinen Anspruch, ein physikalisch relevantes Theorienkonstrukt zu sein, geltend machen zu können. Offensichtlich gibt es also keinen Ausweg: Der Stringansatz kann aufgrund seiner Motivation durch den nomologischen Vereinheitlichungsgedanken, wenn überhaupt, nur vor dem Hintergrund eines realistischen Verständnisses des Verhältnisses von Natur und Naturbeschreibung gesehen werden. Wenn der Stringansatz den Realismus voraussetzt, heisst dies aber noch nicht notwendigerweise, dass er problemlos mit dem Realismus auskommt. Dies macht spätestens die sich mit ihm abzeichnende Auflösung einer objekthaften Ontologie deutlich. Schon die Vorläufertheorien des Stringansatzes haben ein zum Teil ambivalentes Verhältnis zur Realismusfrage. Insbesondere die Quantenmechanik lässt im Spektrum der epistemischen und nicht-epistemischen Interpretationen ihres Formalismus gleichermassen Anklänge an den Realismus wie den Instrumentalismus aufscheinen.386 Für die Allgemeine Relativitätstheorie ist die Frage nach der realistischen Interpretationsmöglichkeit von Raumzeitpunkten angesichts der Translationsinvarianz der Minkowski-Raumzeit und des Loch-Arguments immer noch ungeklärt.387

386

Die Literatur zu dieser Problematik ist inzwischen unüberschaubar. Siehe etwa Norton (1988), (2004), Earman / Norton (1987), Earman (1989), Butterfield (1989) sowie Rynasiewicz (1994).

387

318

Der Stringansatz trägt nun einerseits diese Ambivalenz in Bezug auf die Realismusfrage, ursächlich insbesondere aus der Quantenmechanik transferiert, in sich weiter, andererseits verliert er vor dem Hintergrund nicht-realistischer Sichtweisen sehr schnell seine Existenzberechtigung, die im wesentlichen einzig und allein auf dem nomologischen Vereinheitlichungsgedanken beruht, der den Realismus schon als Motivationskontext voraussetzt. Hierin unterscheidet sich der Stringansatz von seinen Vorläufertheorien; letztere können es sich leisten, eine wesentlich ambivalentere Position zum Realismus einzunehmen, da sie über unabhängige Motivationen verfügen, die zu einem erheblichen Grade in empirischen Bestätigungsinstanzen fussen und nicht etwa ausschliesslich in metaphysischen Programmen, die nur vor dem Hintergrund des Realismus sinnvoll erscheinen. Wenn aber der Stringansatz eine grundsätzlich realistische Auffassung aufgrund seiner Motivation durch den nomologischen Vereinheitlichungsgedanken voraussetzt, andererseits jedoch die Ambivalenz der Quantenmechanik zum Realismusproblem geerbt hat, mit welcher Form von Realismus ist der Stringansatz dann kompatibel? Und liefert diese auch schon eine ausreichende Basis für den nomologischen Vereinheitlichungsgedanken? Ein Realismus hinsichtlich der vom Stringansatz postulierten Entitäten kommt aufgrund der mit ihm einhergehenden Auflösung jeglicher objekthafter Ontologie wohl kaum in Frage. Das muss aber nicht unbedingt ein Problem sein. Denn schon die pessimistische Metainduktion, die sich aus der Tatsache heraus motivieren lässt, dass Wissenschaftsumbrüche oft gerade mit Umbrüchen hinsichtlich der von den betroffenen Theorien postulierten Entitäten einhergehen, lässt gerade einen Realismus hinsichtlich dieser Entitäten ohnehin problematisch erscheinen. Aber welchen Elementen innerhalb eines theoretischen Entwurfs lässt sich ontischer Status zusprechen - zumindest unter der Voraussetzung, dass dieser Entwurf sich in unabhängiger Weise empirisch bestätigen lässt? Welche theoretischen Elemente lassen sich dann als solche mit einem direkten Gegenstück in der Realität auffassen?

319

John Worrall hat mit dem "Strukturenrealismus" eine Sichtweise entwickelt, die vielleicht gerade eine Antwort auf diese Frage liefert.388 "According to Worrall, we should not accept full-blown scientific realism, which asserts that the nature of things is correctly described by the metaphysical and physical content of our best theories. Rather we should adopt the structural realist emphasis on the mathematical or structural content of our theories. [...] structural realism both (a) avoids the force of the pessimistic meta-induction (by not committing us to belief in the theory's description of the furniture or the world), and (b) does not make the success of science (especially the novel predictions of mature physical theories) seem miraculous (by committing us to the claim that the theory's structure, over and above its empirical content, describes the world)." (Ladyman (1998) 409f) Der Strukturenrealismus ist ein Realismus hinsichtlich der von empirisch erfolgreichen Theorien postulierten Strukturen, ohne eine realistische Sichtweise hinsichtlich der theoretisch postulierten Entitäten zu implizieren. Er ist also ein Realismus ohne Festlegung auf eine objekthafte Ontologie. "This would seem to entail a corresponding shift from a metaphysics of objects, properties, and relations, to one that takes structure as primitive." (Ladyman (1998) 418) Der Strukturenrealismus lässt sich somit als Reaktion auf die Gefährdung des Realismus durch die pessimistische Metainduktion verstehen. Er besteht gerade im Versuch der Vereinbarung des für den Realismus sprechenden No-miracles-Arguments mit unserer Erfahrung aus der Wissenschaftsgeschichte, dass Wissenschaftsumbrüche oft mit Umbrüchen hinsichtlich der objekthaften Ontologie einhergehen - der Erfahrung, die gerade die pessimistische Metainduktion evoziert und einen Entitätenrealismus fragwürdig werden lässt. "In the debate about scientific realism, arguably the two most compelling arguments around are the 'no miracles' argument, and the 388

Siehe Worrall (1989) und Ladyman (1998). Eine Kritik findet sich in Psillos (1995), (1996) und (1999). Worrall selbst führt die Grundidee seines "Strukturenrealismus" auf Henri Poincaré zurück.

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'pessimistic meta-induction'. Unfortunately these pull in opposite directions (towards realism and antirealism respectively). In an attempt to break this impasse, and have 'the best of both worlds', John Worrall introduced structural realism (although he attributes its original formulation to Poincaré." (Ladyman (1998) 409) Als Argument für seinen Strukturenrealismus führt Worrall die These ins Feld, dass die wesentlichsten mathematischen Strukturen, die von empirisch-wissenschaftlichen Ansätzen zur Beschreibung der Wirklichkeit zur Anwendung gebracht werden, sich über Wissenschaftsumbrüche hinweg wesentlich stabiler verhalten als die von den jeweilig betroffenen Theorien postulierten Entitäten. Die Strukturen verändern sich nach Worralls Auffassung über Wissenschaftsumbrüche hinweg eher kumulativ im Sinne einer struktureller Erweiterung anstatt einer strukturellen Ablösung. "[...] the continuity in science is in the intension not the extension of its concepts." (Ladyman (1998) 418) Diese Aufrechterhaltung und Erweiterung der Strukturen, an der die wissenschaftshistorische Kontinuität der Naturbeschreibung festgemacht wird, wird nicht zuletzt als Zeichen für die Konvergenz der physikalischen Theorienbildung hinsichtlich dieser Strukturen gewertet. Demzufolge kommt diesen Strukturen eine zumindest approximative Wahrheit zu. "[...] from the perspective of the semantic approach we do not expect the high-theoretical structure to be a law-like description of the world, rather we envisage a complex hierarchy of models or structures employed by the theory. [...] abstract theoretical structure plays an important role in the development of low-level models of the phenomena, and some of the most profound novel predictions of science are directly obtained from highly theoretical models. [...] Hence, the most theoretical parts of a theory, the abstract mathematical structures it employs at the greatest level of generality, must have some grip on reality. It is clear that the 'grip on reality' in question must go beyond a correct description of the actual phenomena to the representation of modal relations between them." (Ladyman (1998) 418) Das No-miracles-Argument als entscheidende Komponente des Strukturenrealismus wird aber per se erst wirksam, wenn eine ausreichende empiri-

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sche Bestätigung für die entsprechende Theorie vorliegt. Und diese empirische Bestätigung muss gegenüber der in die Theorienbildung eingeflossenen Empirie, insbesondere dem schon für die Vorläufertheorien feststellbaren empirischen Gehalt, autonom sein. "Notice, by the way, that the argument requires the empirical success of a theory to be understood in a particular way. Not every empirical consequence that a theory has and which happens to be correct will give intuitive support for the idea that the theory must somehow or other have latched onto the 'universal blueprint'. Specifically, any empirical consequence which was written into the theory post hoc must be excluded. Clearly it is no miracle if a theory gets right a fact which has already known to hold and which the theory had been engineered to yield." (Worrall (1989) 101) Es reicht also nicht, wenn eine neue Theorie für sich einen empirischen Gehalt geltend machen kann, der schon mit ihren Vorläufertheorien gegeben war. Es reicht also nicht, wenn der Stringansatz glaubwürdig machen kann, dass er die Allgemeine Relativitätstheorie und die von den Quantenfeldtheorien beschriebene Dynamik - und mithin die in diese schon eingeflossene Empirie - reproduzieren kann. Erst eine davon unabhängige empirische Bestätigung stellt eine Verbindung zwischen der neuen Theorie und der Wirklichkeit, die zu beschreiben sie vorgibt, her. "Sal - I am reading a book, written long ago, where I just found this phrase: '... perchè i nostri discorsi hanno essere sopra un mondo sensibile, e non sopra un mondi di carta.' Roughly: '... our arguments have to be about the world we experience, not about a world made of paper'. None of those theories is connected to the world, as far as we know." (Rovelli (2003) 5) Erst, wenn eine unabhängige empirische Bestätigung vorliegt, kann das No-miracles-Argument im Sinne des Strukturenrealismus wirksam werden. Und erst dann lässt sich die fundamentale Frage des Strukturenrealismus stellen, welche Strukturen ernst zu nehmen sind. Eine Antwort auf diese Frage wird dann eine genaue Analyse der entsprechenden, nun in unabhängiger Weise empirisch bestätigten Theorie und ihrer Form der Ankopplung an die Empirie erfordern.

322

Die Frage nach den diesbezüglich relevanten Strukturen ist also für den Stringansatz zum heutigen Stand sicherlich nicht adäquat beantwortbar. Nach dem, was im vorausgehenden Kapitel hinsichtlich der Uneindeutigkeit der von den diversen Theorieszenarien entworfenen strukturellen Gegebenheiten zu konstatieren war, bleibt es erst einmal völlig unklar, welche Strukturelemente ontisch gedeutet werden können und welche als formale, mathematische Überschussstruktur zu sehen sind. Die Frage der ontischen Deutbarkeit theoretischer Strukturen kann sich im Falle des Stringansatzes nicht nur in keiner Weise auf irgendeine empirische Instanz der Überprüfung einer spezifischen Theorie stützen; vielmehr gibt es letztlich noch nicht einmal eine solche ausgereifte, spezifische Theorie. Und es ist immerhin fraglich, ob der Strukturenrealismus mit multiplen (alternativen) Strukturen zurechtkommt, wie sie augenblicklich für den Stringansatz vorliegen. Es müsste sich auf einer vielleicht noch auszumachenden Darstellungsebene schon die durchgängige (und nicht nur parameterbereichsspezifische) Äquivalenz der entsprechenden theoretischen Szenarien hinsichtlich ihrer strukturellen Implikationen nachweisen lassen, um diese Schwierigkeit zu beheben. Aber im Stringansatz sieht es bisher eher danach aus, als ob sich im Rahmen der Dualitätsbeziehungen gerade phänomenologische Äquivalenzen zwischen Szenarien aufzeigen lässt, die sich in Hinsicht auf ihre struktureller Festlegungen und Gegebenheiten völlig unterschiedlich gestalten.389 Die phänomenologische Äquivalenz 389

Richard Dawid hat hinsichtlich des Stringansatzes und der Entwicklungen innerhalb der modernen Physik, die zu ihm hingeführt haben, einen (vor diesem Hintergrund multipler Strukturen sehr problematischen) "Consistent Structure Realism" geltend gemacht. Siehe Dawid (2003) und (2004). Dawid zufolge zeichnet die Einzigartigkeit einer durch Konsistenz erzwungenen theoretischen Struktur diese Struktur als einzig mögliche Struktur der Welt aus. "In a conventional theoretical setting hypothetical theoretical models must be distinguished from the one theoretical model that is actually realised in our world. Real existence thus represents a quality that has to be attributed to a certain scenario based on observation. Once the physical description has become theoretically unique however, consistence becomes synonymous with real existence. No additional quality has to be awarded to the consistent scheme in order to show its distinction." (Dawid (2003) 30) Die empirische Bestätigung eines sich durch Konsistenz auszeichnenden theoretischen Konstrukts wird nach Dawids Einschätzung irrelevant, sobald sich zeigen lässt, dass dieses Konstrukt das Möglichkeitsspektrum vollständig abdeckt. Dies sieht Dawid für den Stringansatz als vollständiger Erfassung aller strukturellen Möglichkeiten auf der Ebene einer fundamentalen Weltbeschreibung gegeben.

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zwischen strukturell verschiedenen Szenarien widerspricht letztlich dem Grundgedanken des Strukturenrealismus. Sie könnte sich jedoch schliesslich als ein Artefakt der zur Zeit verwendeten perturbativen Prozeduren herausstellen, das sich vielleicht im Rahmen weiterer Metamorphosen des Stringansatzes überwinden lässt. Solange keine Verbindung des Stringansatzes mit der Empirie erreicht wird, ist die Problematik der konkreten Vereinbarkeit des Stringansatzes mit dem Strukturenrealismus aber ohnehin noch nicht akut. Was sich aber jetzt schon für den Fall abzeichnet, dass der Stringansatz irgendwann einmal über unabhängige empirische Bestätigungen verfügen sollte, ist folgendes: Da der Stringansatz aufgrund seiner nomologischen Vereinheitlichungsabsicht nur sinnvoll im Rahmen einer realistischen Konzeption gesehen werden kann, der Entitätenrealismus aber infolge der mit der Entwicklung der Stringtheorien einhergehenden Auflösung jeglicher objekthafter Ontologie kaum in Frage kommt, kann es, wenn überhaupt, nur irgendeine Form von Strukturenrealismus sein, vor dessen Hintergrund der Stringansatz hinsichtlich der Deutung seiner Aussagen gesehen werden muss.

"If you knock at all doors you can think of and precisely one of them opens, chances are good that you are on the right track if you enter. Scientists working on quantum gravity have thought about all currently conceivable options, including those which drop fundamental physical principles." (Dawid (2004) 6) Die für eine solche Beschreibungsebene relevanten empirischen Komponenten haben sich nach Dawids Einschätzung schon in früheren Entwicklungsschritten der Theorienbildung in Form von physikalischen Prinzipien in die Theorienkonstrukte eingeschrieben. Über diese Prinzipien lässt sich nun, Dawid zufolge, auf der einmal erreichten fundamentalsten Beschreibungsebene die vollständige Abdeckung des Möglichkeitsspektrums begründen. "Theoretical physics might be seen as the science that finds out which structural features are impossible. The impossibility of an ever increasing number of simple structural solutions leads to more elaborate solutions, enforces the modification of foundational postulates and thereby reveals the complexity of reality." (Dawid (2003) 31) Ob jedoch der sich in die Theorienbildung über die jeweiligen Vorläufer einschreibende empirische Gehalt zu einer ausreichenden und eindeutigen Fixierung relevanter Prinzipien führt, ist sehr fraglich. Ob der Stringansatz das konsequente und einzig mögliche Ergebnis eines solchen Prozesses ist, ist noch fraglicher. Das in Kapitel 5. erörterte Kontingenzproblem lässt die Idee einer unmittelbaren Kopplung von Konsistenz, Einzigartigkeit und empirischer Adäquatheit als höchst zweifelhaft erscheinen.

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Das hierbei grundlegendste (und von den zur Zeit für den Stringansatz vorliegenden multiplen Strukturen im wesentlichen unabhängige) Argument für die Unvereinbarkeit mit einem Entitätenrealismus ist in der Tatsache zu sehen, dass sich, der Konzeption des Stringansatzes als intendierter fundamentalster physikalischer Theorie zufolge, alles, was sich auf der von ihm als basal ausgezeichneten dynamischen Ebene abspielt, nicht mehr realistisch im Sinne eines raumzeitlichen Agierens und Interagierens von objekthaften Entitäten interpretieren lässt. Strings können keinesfalls als räumlich strukturierte und räumlich ausgedehnte Entitäten verstanden werden. Sie stellen, wenn sie tatsächlich die basalen Einheiten sein sollten, nur eine mathematische Metapher für ein Etwas dar, das auf der Grundlage seiner Freiheitsgrade und mittels seiner Wirkungen auf spezifische Art und Weise dynamisch in Erscheinung treten kann. Wenn die fundamentalste Ebene des Stringansatzes mit der Planck-Ebene zusammenfällt, so sprechen auch die zuvor390 schon diskutierten Argumente für eine fundamentale Diskretheit der Raumzeit und der physikalischen Strukturen auf der Planck-Ebene (Entropie Schwarzer Löcher, holographisches Prinzip) gerade für diese Tatsache. Es kann für diesen Bereich keinen Objektbegriff mit raumzeitlichen Konnotationen mehr geben. Es ist bestenfalls an eine mathematische Struktur zu denken, auf deren Grundlage sich erst Raumzeit und Objekthaftigkeit konstituieren. Diese Argumente sprächen für den Fall, dass der Stringansatz sich in weiteren Metamorphosen tatsächlich einmal auf eine eindeutige Struktur festlegen lassen sollte und es gelingen sollte, aus dieser Struktur unabhängige, empirisch relevante Vorhersagen abzuleiten und diese empirisch zu bestätigen, gleichzeitig für eine ontische und gegen eine rein epistemische Deutung des Strukturenrealismus. Im Sinne einer solchen ontischen Deutung des Strukturenrealismus sind es die Strukturen selbst (und nicht etwa irgendwelche Entitäten, die vielleicht unerschliessbar hinter den empirisch-wissenschaftlich erschliessbaren Strukturen stehen), die letztendlich die Realität ausmachen. Dies würde mit Sicht auf den Stringansatz bedeuten, dass die zunehmende Auflösung einer entitätenorientierten, objekthaften Ontologie im Rahmen der Entwicklung der modernen Physik, die im Stringansatz vielleicht zu ihrem Abschluss kommt, einer Annäherung unserer physikalischen Naturbeschreibung an 390

Siehe Kap. 6.

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die tatsächlichen Gegebenheiten einer Realität entspricht, die sich in letzter Instanz durch Strukturen und nicht durch Entitäten auszeichnet. Im Rahmen einer nur epistemischen Deutung des Strukturenrealismus wären die Strukturen unserer fundamentalsten, empirisch bestätigten Theorien das, was uns von der Natur im Rahmen unserer epistemischen Bemühungen (augenblicklich oder grundsätzlich) zugänglich ist. Ob es irgendwelche fundamentalen Entitäten hinter diesen Strukturen gibt, ist im Sinne der epistemischen Variante des Strukturenrealismus nicht entscheidbar, da uns zur Beantwortung dieser Frage die epistemischen Erschliessungsmöglichkeiten fehlen. Im Sinne einer solchen epistemischen Variante des Strukturenrealismus könnte die zunehmende Auflösung einer entitätenorientierten, objekthaften Ontologie im Rahmen der Entwicklung der modernen Physik ohne weiteres ein Artefakt sein, das aus einer auf bestimmte konzeptionelle Modalitäten oder auf eine spezifische modelltheoretische Grundlage festgelegten Theorienbildung resultiert. Die Auflösung der objekthaften Ontologie müsste aber noch nicht notwendigerweise als Konsequenz einer Annäherung unserer physikalischen Naturbeschreibung an die tatsächlichen Gegebenheiten der Realität gesehen werden. Alle diese Überlegungen besitzen jedoch angesichts der heutigen Theoriensituation im Bereich der Quantengravitation bestenfalls Vorläufigkeitsstatus. Eine abschliessende Entscheidung hinsichtlich der Stellung des Stringansatzes zum Realismus ist zur Zeit noch in keiner Weise möglich.

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9. Von der Physik zur mathematisch inspirierten Metaphysik der Natur Böse Stimmen behaupten über die Stringtheorie: "The theory has been spectacularly successful on one front, that of public relations." (Woit (2001) 1)391 Was ist der Stringansatz aber wirklich? - Es gibt sicherlich gute Gründe zu behaupten, dass diese Frage, wenn nicht verfrüht, so doch zumindest zur Zeit nicht abschliessend zu beantworten ist. Es ist nicht ganz ohne Gefahren, sich im Rahmen einer wissenschaftsphilosophischen Analyse mit einer unfertigen Theorie, einem unfertigen Forschungsprogramm, auseinanderzusetzen. Sehr leicht können dabei Beurteilungen zustandekommen, die dem Ansatz nicht gerecht werden. Oder man setzt sich mit einem Gegenstand auseinander, der sich als letztlich der Mühe nicht wert erweist. Hätte man bis zur Konsolidierung des entsprechenden Forschungsprogramms gewartet, wären vielleicht wesentlich angemessenere Beurteilungsgrundlagen gegeben gewesen. Oder es hätte sich eben herausgestellt, dass man sich die Mühe sparen kann, weil der ehemalige Theorieansatz bestenfalls noch Stoff für Wissenschaftshistoriker liefert, die sich mit dem Phänomen gescheiterter Forschungsprojekte beschäftigen.392 Solchen Abwartestrategien steht jedoch alles das entgegen, was zuvor schon393 für eine wissenschaftsphilosophische Auseinandersetzung mit dem auch nach über dreissig Jahren unabgeschlossenen und empirisch unbestätigten, aber noch immer lebendigen Forschungsprogramm "Stringtheorien" vorgebracht wurde. Schliesslich könnte sich die Rückwirkung von metawissenschaftlichen Einsichten - über das Kontinuum zwischen innerphysikalischen und wissenschaftsphilosophischen Auseinanderset391

Vgl. auch Schroer (2006). Für Wissenschaftshistoriker, insbesondere aber auch für Wissenschaftssoziologen, dürfte der Stringansatz ohnehin eine reichhaltige Fundgrube an erstaunlichem Material liefern, egal wie es mit der Verwirklichung seiner Ambitionen ausgehen mag. 393 Siehe die Einleitung zu Kap. 4. 392

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zungen mit dem Bereich der Quantengravitation hinweg - immerhin auch positiv auf die in Entwicklung befindliche Theorienlandschaft auswirken. Was ist also der Stringansatz, so wie er sich zur Zeit darstellt? Eine physikalische Theorie? Oder ein physikalisch motivierter modelltheoretischer Ansatz auf dem Weg zu einer physikalischen Theorie? Oder nur eine mathematische Spielerei mit bisher unbegründetem und vielleicht gänzlich ungerechtfertigtem physikalischen Anspruch? - Die diesbezüglichen Einschätzungen, die sich in den beiden prominentesten Lehrbüchern zur Stringtheorie finden, sind erstaunlich klarsichtig und unprätentiös. So gesteht etwa Michio Kaku den immer noch rein formal-mathematischen Status des Stringansatzes unumwunden ein: "[...] the developments we have presented in string theory have been purely formal." (Kaku (1999) 337) Und Joseph Polchinski stellt den Stringansatz als mathematische Konzeption dar, in die zwar vielfältige physikalische Motivationen eingeflossen sind, die aber bei weitem noch nicht den Status einer physikalischen Theorie erreicht hat: "String theory is a rich structure, whose full form is not yet understood. It is a mathematical structure, but deeply grounded in physics. It incorporates and unifies the central principles of physics: quantum mechanics, gauge symmetry, and general relativity, as well as anticipated new principles: supersymmetry, grand unification, and KaluzaKlein theory. Undoubtedly there are many remarkable discoveries still to be made." (Polchinski (2000a) 429) Warum reicht es aber nicht zur physikalischen Theorie? Und wie sind die Aussichten des Stringansatzes, dies zu ändern? - Der Stringansatz ist, wie hoffentlich deutlich geworden ist, nicht das Ergebnis einer absichtlichen und planvollen Theoriebildung, die etwa ausgehend von klaren physikalischen Problemen oder empirischen Daten, die von den etablierten Theorien nicht reproduziert werden können und somit als Auslöser für die Entwicklung einer neuen Theorie dienen könnten, zu einer klaren und eindeutigen modelltheoretischen Umsetzung basaler physikalischer Einsichten führt. Der Stringansatz ist vielmehr das Ergebnis einer ganzen Sequenz von Zu-

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fällen und sich an diese anschliessende mathematische Strategien und Prozeduren. Die zentrale Zufallsentdeckung des Stringansatzes ist die, dass quantisierte Strings neben Spin-0-, Spin-1/2- und Spin-1-Zuständen auch Spin-2Zustände aufweisen. Diese Entdeckung und die Interpretation der Spin-2Zustände als Gravitonen führte dazu, dass der Stringansatz - zuvor aufgrund zufälliger Koinzidenzen im Kontext der Hadronenphysik zustandegekommen und für diesen Kontext mit dem aufkommenden Quark-Modell sowie aufgrund theorieinterner Probleme schon so gut wie am Ende - unter Verschiebung der relevanten Energieskala um etwa 15 Zehnerpotenzen in den Kontext der Quantengravitation und den des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms umverortet wird. Erst die Entdeckung der Gravitonenzustände hat den Motivationshintergrund geschaffen, aus dem heraus der Stringansatz im Rahmen dieser Umverortung seine Bedeutung erhält. Er soll nun, indem er gleichermassen die als Gravitonen interpretierbaren Spin-2-Zustände, die als Repräsentanten der Eichfelder interpretierbaren Spin-1-Zustände sowie skalare und fermionische Zustände enthält, eine vereinheitlichte Beschreibung von Materie und allen Wechselwirkungen inklusive der Gravitation liefern. Erst, dass es die Spin-2-Zustände des String gibt, die nur sinnvoll als Gravitonenzustände interpretiert werden können und insofern im Rahmen der Hadronenphysik vollkommen unmotiviert erscheinen, legte den Strategieund Kontextwechsel von der Hadronenphysik zur Quantengravitation nahe. Der Stringansatz wurde also nicht als Ansatz zu einer vereinheitlichten Beschreibung aller Wechselwirkungen geschaffen, sondern ist durch eine Zufallsentdeckung in diese Rolle geraten. Er ist nicht das Ergebnis einer zielgerichteten Theorienbildung zur Beschreibung eines bestimmten Gegenstandsbereichs oder zur Lösung spezifischer physikalischer Probleme, sondern das einer zufälligen Theorienfindung: ein mathematisches Konstrukt, das, nachdem es seine ursprünglich intendierte physikalische Relevanz eingebüsst hatte, nicht einmal mehr auf der Suche nach einem möglichen physikalischen Thema war, dieses dann aber trotzdem zufällig gefunden hat, um schon bald festzustellen, dass in diesem zufällig gefundenen physikalischen Thema seine einzige mögliche Existenzberechtigung liegt. Zusätzliche motiviert wurde der Kontextwechsel von der Hadronenphysik zur nomologischen Vereinheitlichung schliesslich durch die Entdeckung,

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dass der Stringansatz nicht nur grundsätzlich (auch wenn die Details immer noch nicht klar sind) in der Lage ist, Eichinvarianzen im Sinne des quantenfeldtheoretischen Standardmodells zu reproduzieren, sondern dass er ebenso die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung enthält394 und noch dazu gerade dann zu den phänomenologisch richtigen Parameterwerten führt, wenn man für die Stringlänge und -spannung Werte in den Grössenordnung der Planck-Grössen annimmt, was wiederum originär für den Kontext der Quantengravitation spricht. Erst in dieser neuen Rolle einer möglichen Realisierung einer umfassenden nomologischen Vereinheitlichung konnten dann für den Stringansatz alle die Motivationen geltend gemacht werden, die sich gerade für das physikalische Vereinheitlichungsprogramm anführen lassen. Einerseits sind dies die Probleme der konzeptionellen Unvereinbarkeit zwischen den etablierten fundamentalsten Theorien der Physik: Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenfeldtheorien bzw. Quantenmechanik. Andererseits verspricht der Stringansatz die Umsetzung einer alten naturphilosophischen Grundintuition: der von der Einheit der Natur. Und letztlich ist es erst diese Grundintuition, welche die bestehenden Unverträglichkeiten zwischen den fundamentalsten physikalischen Theorien als nicht hinnehmbar erscheinen lässt. So wurde der Stringansatz im Programm der nomologischen Vereinheitlichung mit allen seinen (teilweise impliziten) metaphysischen Hintergrundannahmen verortet. Der Stringansatz hatte, wenn er überleben wollte, letztlich keine andere Wahl, als diese Strategie zu verfolgen. Das Auftreten von Gravitonenzuständen (gemeinsam mit den übrigen Stringoszillationszuständen) ist für den Stringansatz nur dann eine vielversprechende Eigenschaft, wenn er als Theorie antritt, mit der eine umfassende nomologische Vereinheitlichung erreicht werden soll. Entweder spielt er diese Rolle, oder aber gar keine. Aber hat der Stringansatz diese Rolle schliesslich erfolgreich gespielt? Das ist, so wie es zur Zeit aussieht, immerhin zweifelhaft. Was hat der Stringansatz letztlich schon zu bieten, ausser, dass er ein mathematisches 394

Zum Zeitpunkt dieser Entdeckung war den Stringtheoretikern wohl noch nicht präsent, dass die Dynamik von Spin-2-Zuständen grundsätzlich die bekannte Phänomenologie der gravitativen Wechselwirkung bzw. die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung reproduziert.

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Schema liefert, welches als Gravitonen interpretierbare Spin-2-Zustände gemeinsam mit den herkömmlichen Spin-1-Wechselwirkungsquanten, fermionischen Materiebestandteilen und skalaren Teilchen als Ergebnis eines einheitlichen dynamischen und vielleicht nomologisch deutbaren Ansatzes reproduziert? Dass er die Phänomenologie der gravitativen Wechselwirkung bzw. die Allgemeine Relativitätstheorie als Niederenergienäherung enthält, ist, wie inzwischen auch die Stringtheoretiker wissen, eine direkte Implikation des Auftretens der Spin-2-Stringzustände, zählt also nicht als zusätzlicher Pluspunkt. Ansonsten besteht der Stringansatz aus einem teilweise verblüffenden und teilweise mathematisch hochinteressanten Labyrinth modelltheoretischer Konstrukte auf der Suche nach einem physikalisch motivierbaren Grundprinzip. Und es gibt eine grosse Menge theorieinterner Probleme und eine mindestens ebenso grosse Menge offener Fragen. Der Stringansatz gibt insbesondere keinen Aufschluss hinsichtlich der Frage nach der Natur der Raumzeit. Und er trägt auch nicht wesentlich zum Verständnis dessen bei, was die klassischen und die Quanteneigenschaften der Gravitation ausmacht und wie etwa die Äquivalenz von träger und schwerer Masse zustandekommt. Solche Fragen an eine Theorie der Quantengravitation heranzutragen, die noch dazu eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen verspricht, kann wohl kaum als abwegig angesehen werden. Auch die angestrebten Lösungen für die sich aus dem Kontext des Standardmodells der Quantenfeldtheorien ergebenden Erklärungsdesiderate sind weitgehend ausgeblieben. Der Stringansatz hat alle Hände voll zu tun, sich mit seinen internen Problemen auseinanderzusetzen - Problemen also, die er überhaupt erst in seinem Versuch, eine nomologisch vereinheitlichte Beschreibung aller Wechselwirkungen zu realisieren, erzeugt hat. Ausser der Reproduktion des Gravitons, die nicht etwa im Rahmen des Versuchs der Lösung externer physikalischer Probleme erreicht wurde und insofern auch nicht als Teil einer originären Theoriebildung angesehen werden kann, sondern eben gerade zufällig entdeckt wurde und damit überhaupt erst das Thema definiert hat, um das es im Stringansatz gehen soll, sind alle weiteren qualitativen Implikationen des Stringansatzes (eindeutige quantitative Vorhersagen gibt es schliesslich nicht) solche, die bisher nicht die geringste empirische Bestätigung aufweisen und ohne die - in fast allen Fällen - die Physik grundsätzlich sehr gut auskommen könnte: Nicht die Tatsache, dass wir in einer zehn- oder elfdimensionalen Welt le-

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ben, zwingt den Stringansatz zur Annahme einer zehn- bzw. elfdimensionalen Raumzeit. Vielmehr sind es theorieinterne Anforderungen, die diese Annahme erforderlich machen. Die Loop Quantum Gravity etwa, ein nicht ganz unvernünftiger Ansatz zur Beschreibung der Quanteneigenschaften der Gravitation bzw. der Raumzeit, kommt problemlos mit den drei räumlichen und der einen zeitlichen Dimension aus, mit denen uns die Phänomenologie konfrontiert. - Und nicht die Tatsache, dass empirische Befunde für das Vorliegen der Supersymmetrie in unserer Welt sprächen, nötigt die Stringtheoretiker dazu, die Supersymmetrie einzubeziehen. Vielmehr ermöglicht erst die Supersymmetrie die Einbeziehung von Fermionen in das Spektrum der Stringoszillationen und die Berücksichtigung ihrer chiralen Eigenschaften. Und sie erweist sich zudem als günstig, indem sie, zumindest nach heutigen Ermessen, offensichtlich zur Finitheit des Ansatzes beiträgt und damit die Hoffnungen schürt, dass man ohne eine Renormierung auskommt, so dass die Gefahr der Nicht-Renormierbarkeit, die gerade eine erfolgreiche quantenfeldtheoretische Behandlung der Gravitation verhindert hat, schliesslich doch noch für den Bereich der Quantengravitation gebannt werden kann. Die zehn bzw. elf Dimensionen des Stringansatzes und seine Einbeziehung der Supersymmetrie tragen, so verlockend letztere manchen theoretischen Physikern erscheinen mag, in mancher Hinsicht den deutlichen Charakter von Ad-hoc-Lösungen zur Herstellung konzeptioneller, innertheoretischer Konsistenz. Ansonsten verlässt sich der Stringansatz weitgehend auf die vorsichtige Erweiterung und Anpassung der mathematischen Prozeduren der perturbativen Quantenfeldtheorien und schliesslich auf die zaghafte Ausdehnung auf den nicht-perturbativen Bereich, für den die Absichtserklärungen die Erfolge bei weitem überwiegen. Aber all dies genügt nicht, die fundamentalen Probleme des Stringansatzes zu bannen, und erst recht nicht, ihn als Theorie der Quantengravitation angemessen erscheinen zu lassen. Dass noch kein physikalisch motivierbares Grundprinzip ausgemacht werden konnte, welches die modelltheoretische Vorgehensweise des Stringansatzes motivieren könnte, lässt sich vielleicht noch als in zukünftigen Entwicklungen überwindbare Problemlage ansehen. Wie sieht es aber hinsichtlich der Verwendung einer, gemessen an den aus der Allgemeinen Relativitätstheorie gewonnenen Einsichten, vollkommen inakzeptablen statischen Hintergrundraumzeit aus, die in den an den Quantenfeldtheorien geschulten, perturbativen Formulierungen des

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Stringansatzes als Arena für die Stringdynamik herhält? Und ist es nicht so, dass das Kontingenzproblem des Stringansatzes nicht nur auf grundsätzliche Schwierigkeiten mit der eindeutigen Reproduktion der Eichinvarianzen des quantenfeldtheoretischen Standardmodells und der ihm zugrundeliegenden Phänomenologie hindeutet, sondern auf wesentlich gravierendere Probleme? Fast alle internen und externen Probleme des Stringansatzes stehen mit dem Kontingenzproblem in direkter oder indirekter Verbindung. Und spätestens die Tatsache, dass der Stringansatz nicht die geringste empirische Ankopplung aufweist, erscheint für einen Ansatz, der schon mehr als dreissig Jahre existiert, sehr erstaunlich. Es ist letztlich klar, dass der Stringansatz, solange sich daran nichts ändert, nicht als physikalische Theorie angesehen werden kann. Ein noch so interessantes mathematisches Konstrukt kann, solange keine spezifischen empirischen Anhaltspunkte dafür geltend gemacht werden können - und zwar solche, die nicht genauso gut oder besser im Kontext etablierter Theorien erklärbar sind -, kaum als Beschreibung der Natur angesehen werden. Es gibt bisher nicht die geringsten experimentellen Befunde, die eine vereinheitlichte Theorie erforderlich machen würden. Die einzige konkrete Motivation für eine Vereinheitlichung, die sich (über metaphysische Intuitionen hinausgehend) benennen lässt, besteht in der konzeptionellen Inkompatibilität unserer etablierten fundamentalsten physikalischen Theorien. Und der Wunsch der Überwindung dieser Inkompatibilität reicht erst einmal bestenfalls als Motivation für eine konzeptionelle Vereinheitlichung, also eine Theorie der Quantengravitation oder der Quantengeometrie, wie sie etwa von der Loop Quantum Gravity angestrebt wird. Sie macht aber nicht notwendigerweise eine nomologische Vereinigung aller Wechselwirkungen im Sinne des Stringansatzes und seiner nach der Kontextwende als solcher definierten Bestrebungen erforderlich. Ohne spezifische empirische Daten, die über den Kontext der etablierten Theorien hinausweisen, bleibt dem Stringansatz nur die minimale Einbeziehung der Phänomenologie, die schon in seine Vorgängertheorien eingeflossen ist. Und ein Teil dieser Phänomenologie, nämlich die der Gravitation, wird - indem sie über die Charakterisierung des Gravitons in den Stringansatz einfliesst - zum Hauptbestandteil seines Motivationshintergrundes und definiert überhaupt erst sein Thema. Zu einer adäquaten Be-

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handlung der Raumzeit reicht es dann schon nicht mehr; es bleibt beim statischen Hintergrundraum der Quantenfeldtheorien. Die Frage, wie es auf der phänomenologischen Ebene zur Vierer-Raumzeit kommt, führt zu weiteren internen Problemabkopplungen. Der Stringansatz bringt die Idee der Kompaktifizierung der überzähligen Dimensionen und - als Alternative oder Ergänzung - die diversen Branweltszenarien ins Spiel. Die Existenz von Materie und Wechselwirkungen, von Fermionen und Bosonen, ebenso wie die Chiralität der ersteren, führt zur Einbeziehung der Supersymmetrie. Spezifischere empirische und phänomenologische Ankopplungen liessen sich bisher nicht erreichen. Aber so wenig es empirische Daten gibt, die über die Vorgängertheorien hinausweisen würden, so wenig führt der mathematische Apparat des Stringansatzes zu spezifischen, quantitativen, an der Empirie überprüfbaren Vorhersagen. Ohne diese Vorhersagen kann es natürlich auch keine experimentellen Befunde geben, die den Stringansatz stützen (oder falsifizieren) könnten. Und es gibt keine vielversprechende Aussicht auf Abhilfe für diese Problemsituation. Darauf deuten auch die Immunisierungsstrategien hin, die sich in den unbedachten Äusserungen einiger Stringtheoretiker schon abzeichnen, die aber letztlich nicht zum Schutz ihres Ansatzes dienen können, sondern diesen vielmehr in Misskredit bringen. Aber ohne eine Abhilfe hinsichtlich des Problems der fehlenden empirischen Kontrolle wird der Stringansatz auch nicht zur physikalischen Theorie mutieren können. Spätestens seit dem Strategiewechsel von der Hadronenphysik zur Quantengravitation besteht die Entwicklung des Stringansatzes nahezu ausschliesslich im Reagieren auf interne Probleme, deren Lösung in vielen Fällen weitere interne Probleme zur Folge hatte - und so fort. Das Ergebnis dieser sukzessive gesteigerten Selbstbezüglichkeit ist eine immer weiter gehende Entkopplung von phänomenologischen Randbedingungen und Erfordernissen. Die Abkopplung von der empirischen Kontrolle wird nicht etwa gemildert, sondern immer stärker. Das Ergebnis ist schliesslich eine labyrinthische Theorienstruktur mit weitgehend unklaren Relevanzen. Oft ist es nicht einmal klar, ob bestimmte Theorienkomponenten sich ergänzen oder vielmehr sich ausschliessende Alternativen darstellen. Als mathematisches Konstrukt ohne empirische Kontrolle wird der Stringansatz immer mehr zu einer mit ausschliesslich mathematischen Mitteln

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fortgesponnenen "ehemaligen Physik", die sich konsequent und selbstimmunisierend zur vor allem mathematisch inspirierten Naturmetaphysik wandelt. Vieles gemahnt an eine mit hochkomplexem mathematischem Instrumentarium ausgestattete Rückkehr zu den Modalitäten des antiken oder gar vorsokratischen Nachdenkens über die Natur. Hier lohnt es, sich in Erinnerung zu rufen, dass die geradezu empiriefeindliche Ausrichtung des antiken naturphilosophischen Ansatzes vor allem durch zwei sich ergänzende Komponenten gekennzeichnet war: zum einen die Annahme, dass der Verstand uns in eigenständiger Weise dazu befähigt, die Natur durch blosses Nachdenken zu verstehen, zum anderen die Annahme, dass gezielte Experimente nicht die Natur ("physis") erschliessen, so wie sie "an sich" ist, sondern vielmehr Artefakte produzieren, die selbst nicht mit der Natur zu identifizieren sind, sondern letztlich "gegen die Natur" ausfallen. Zu ersten über dieses "physis"-Konzept hinausgehenden Ansätzen kam es erst im Hellenismus bei Archimedes, dessen "mechanike techne" schon von der Wortbedeutung her auf eine Form von erfinderischem Überlisten der Natur hinweist. Das konstruktive "techne"-Konzept schloss die empirische Kontrollierbarkeit der Erfassung der durch gezielte Eingriffe veränderten, "überlisteten" Natur ein und wurde mit seinem Wiederaufleben in der Neuzeit, vor allem bei Galileo Galilei, schliesslich zu einer der Wurzeln der modernen empirischen Wissenschaften. Die im Stringansatz manifest werdende metaphysische Wende kann nun geradezu als (mit immensem mathematischem Aufwand betriebener) Rückschritt hinter die von Archimedes vorgedachten und praktizierten und schliesslich von Galilei und seinen Zeitgenossen und Nachfolgern auch programmatisch vollzogenen Innovationen einer gleichermassen empirisch wie mathematisch ausgerichteten Wissenschaft angesehen werden. Sie setzt erstmals wieder nahezu vollständig auf das antike Ideal der Durchdringung der Natur mit unserem Geist, zugegebenermassen einem mathematisch äusserst geschulten Geist, ohne Zuhilfenahme von Experimentiervorrichtungen - oder höchstens unter heuristischer Einbeziehung von empirischen Daten aus der nunmehr vielleicht vergehenden Glanzzeit der Wissenschaft, in der diese sich als Annäherung an die Natur unter empirischer Kontrolle verstand. Dem Ergebnis dieser metaphysischen Rückwende nur eine massive empirische Unterbestimmtheit zuzusprechen, wäre bei weitem untertrieben. Diesem Ergebnis haftet vielmehr, zumindest soweit es die intendierte physikalische Seite anbetrifft, ein gehöriges Mass an Beliebigkeit an, das sich gleichermassen aus mathematisch-modelltheoretischen Prädispositionen und

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den sich aus diesen ergebenden labyrinthischen Verzweigungen sowie aus metaphysischen Motivationsmomenten, Verortungen und Vorentscheidungen speist. Nur eine empirische Kontrolle könnte diese Beliebigkeit aufheben. Jeremy Butterfield und Christopher Isham etwa machen diese Problematik für den gesamten Bereich der Quantengravitationsansätze geltend und führen die in diesem Bereich anzutreffende Selbstbezüglichkeit in der Theorienbildung gleichermassen auf das Fehlen empirischer Daten, die als Motivation und als Kontrollinstanz dieser Theoriebildung dienen könnten, wie auf die vorrangige Bedeutung (meist stillschweigend vorausgesetzter) metaphysischer Voreinstellungen und einmal gewählter modelltheoretischer Instrumentarien zurück: "[...] theory-construction inevitably becomes much more strongly influenced by broad theoretical considerations, than in mainstream areas of physics. More precisely, it tends to be based on various prima facie views about what the theory should look like - these being grounded partly on the philosophical prejudices of the researcher concerned, and partly on the existence of mathematical techniques that have been successful in what are deemed (perhaps erroneously) to be closely related areas of theoretical physics, such as non-abelian gauge theories. In such circumstances, the goal of a research programme tends towards the construction of abstract theoretical schemes that are compatible with some preconceived conceptual framework, and are internally consistent in a mathematical sense. / This situation does not just result in an extreme 'underdetermination of theory by data', in which many theories or schemes, not just a unique one, are presented for philosophical assessment. More problematically, it tends to produce schemes based on a wide range of philosophical motivations, which (since they are rarely articulated) might be presumed to be unconscious projections of the chthonic psyche of the individual researcher - and might be dismissed as such!" (Butterfield / Isham (2001) 38) Für den Stringansatz ist diese Selbstbezüglichkeit sicherlich schon sehr weit fortgeschritten. Man kann ihm zwar nicht vorwerfen, dass die mit dem Strategiewechsel von der Hadronenphysik zum Vereinheitlichungsprogramm als Motivationshintergrund gewählten metaphysischen Vorentscheidungen stillschweigend behandelt würden oder besonders idiosynkratisch genannt werden müssten. Aber die im wesentlichen von den Quanten-

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feldtheorien übernommene mathematisch-modelltheoretische Ausgangsbasis ist während der gesamten Entwicklung in mancher Hinsicht immer die gleiche geblieben. Die Entwicklung gestaltete sich nahezu ausschliesslich unter den jeweiligen Randbedingungen der Gangbarkeit einmal gewählter mathematischer Prozeduren. Man erfährt durch einen solchen theoretischen Ansatz wahrscheinlich mehr über die Theoretiker als über die Natur, zumindest solange ein solcher Theorieansatz über keine empirische Kontrolle verfügt, oder sobald er sich durch strategische Schachzüge von der Notwendigkeit einer empirischen Kontrolle freispricht, etwa im Hinweis auf interne Konsistenzansprüche, die sich dann letztlich zwar als nicht einlösbar erweisen bzw. nicht die gewünschten und entscheidenden Implikationen aufweisen, was aber zu keinem Überdenken der Berechtigtheit der einmal vorgebrachten Ansprüche führt. In einer solchen Situation helfen dann auch die oft bemühten und in noch grösserem Zwielicht operierenden Begrifflichkeiten der "Schönheit" und der "Eleganz" von Theorien noch viel weniger weiter als die metaphysischen Vorentscheidungen, auf denen diese Theorienansätze fussen. Ausschliesslich konzeptionelle Randbedingungen reichen kaum als Motivation für eine physikalische Theorie. An die Natur und ihre Beschreibung kommt man auf diese Weise nicht heran. Sie könnte sich, wie Carlo Rovelli anmerkt, schlichtweg anders entschieden haben, als eine noch so faszinierende, schöne und elegante, aber empirisch abgekoppelte Theorie dies nahelegt: "Contrary to what sometimes claimed, the theoretical developments that have followed the standard model, such as for example supersymmetry, are only fascinating but non-confirmed hypotheses. As far we really know, nature may very well have chosen otherwise." (Rovelli (1998) 5) Angesichts dessen drängt sich nun die Frage auf, ob die Idee einer nomologischen Vereinheitlichung und die sich aus dieser ergebenden Motivationen für die Theorienbildung (oder zufällige Theorienfindung) im Bereich der Quantengravitation tatsächlich einen Vorteil mit sich bringen. Reicht also die Motivation durch den Vereinheitlichungsgedanken aus, den Stringansatz immerhin als Schritt auf dem Weg zu einer physikalisch angemessenen Theorie ernst zu nehmen?

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Robert Weingard widersprach schon in der ersten Blütezeit des Stringansatzes in den achtziger Jahren der Auffassung, dass der Vereinheitlichungsgedanke allein notwendigerweise eine adäquate Basis und eine gute Aussicht auf Erfolg für die Theorienbildung liefert, mit dem Hinweis auf eine ganze Reihe gescheiterter Vereinheitlichungsversuche. "But one thing we have learned from the many attempts at unified theories in this century, I would argue, is that unification, in itself, is not a guide to a successful theory. / Consider the attempts by Einstein, Schrödinger, Misner and Wheeler, and others to fashion a unified geometrical theory of gravity and electromagnetism. All of these were essentially mathematical investigations, [...] there were no empirical or theoretical clues as to how such a unification should take place." (Weingard (1989) 150) Einsteins vergeblicher Versuch zur Formulierung einer Vereinheitlichten Feldtheorie zählt sicherlich zu den prominentesten Beispielen gescheiterter Umsetzungen des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms. In diesen Kontext gehört ebenso Wheelers umfassendes Geometrisierungsprogramm, vor allem aber auch die Grand Unified Theories (GUTs), mit denen eine nomologische Vereinigung von elektroschwacher und starker Wechselwirkung erreicht werden sollte, die über die im Standardmodell erreichte konzeptionelle, modelltheoretische Vereinheitlichung hinausgeht. Die Stringtheorien, wenn sie schliesslich scheitern sollten, wären also nicht der erste Vereinheitlichungsansatz, der diesem Schicksal erlegen wäre: "[...] history is full of beautiful hypotheses later contradicted by Nature." (Rovelli (1998) 2) Aber vielleicht können die Stringtheorien überhaupt nicht scheitern. Die entscheidende Frage ist nämlich, ob wir, wenn die Stringtheorien die Natur nicht angemessen beschreiben, dies nach ihrem erfolgreichen Vollzug einer metaphysischen Wende und der mit dieser einhergehenden Immunisierung gegenüber empirischer Kontrolle überhaupt noch herausfinden können. Auch wenn das physikalische Vereinheitlichungsprogramm selbst der Natur unangemessen sein sollte, müssten seine konkreten theoretischen Ausarbeitungen, wie etwa der Stringansatz, noch nicht unbedingt an dieser Scheitern. Die Natur könnte schlichtweg ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung den empirischen Kontakt verweigern.

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Mit den auch in empirischer Hinsicht erfolgreichen Realisierungen des Vereinheitlichungskonzeptes, wie etwa dem Glashow-Salam-Weinberg(GSW)-Modell der elektroschwachen Wechselwirkung, lässt sich der Stringansatz jedenfalls nur schwerlich vergleichen oder gar auf eine Stufe stellen. Wenn das GSW-Modell, das die Notwendigkeit einer nomologischen Vereinigung von elektromagnetischer und schwacher Wechselwirkung zur renormierbaren Beschreibung letzterer aufzeigte, von einigen Stringtheoretikern nicht nur als Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms, sondern vor allem auch als Vorbild für den Stringansatz und als Rechtfertigung für die Angemessenheit der Strategie der nomologischen Vereinheitlichung herangezogen wird, so muss man sich dabei relativierend vor Augen führen, dass das GSW-Modell letztlich nicht deshalb wissenschaftlich erfolgreich war, weil mit ihm eine nomologische Vereinigung zwischen schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung erreicht wurde; vielmehr erwies es seinen Erfolg erst, indem es in überzeugender Weise empirisch gestützt werden konnte. Niemand, nicht einmal einer seiner geistigen Väter, hat das GSWModell ernst genommen, weil es als vereinheitlichte Theorie auftrat, sondern weil es sich in vielfacher Weise durch sehr spezifische empirische Daten stützten liess. Die unabdingbare Grundlage für diese empirische Stützung waren jedoch die konkreten, quantitativen, numerischen Vorhersagen des GSW-Modells. Warum sollte man aber den Stringansatz ernst nehmen, der im Gegensatz zum GSW-Modell nicht die geringsten quantitativen Vorhersagen zustandebringt, die einer unabhängigen empirischen Überprüfung unterworfen werden könnten? Solange sich an dem Problem der empirischen Kontrolle nichts ändert, wird auch der Vereinheitlichungsgedanke und sein Erfolg im GSW-Modell kaum als ausreichende Motivation für die Angemessenheit des Stringansatzes herhalten können.395 Die durch den Vereinheitlichungs395

Schliesslich sollte man sich auch noch einmal deutlich machen, dass es bei einer nomologischen Vereinheitlichung, die durch das metaphysische Konzept einer Einheit der Natur angetrieben wird, auf alles ankommt. Man kann es sich nicht leisten, irgendetwas entscheidendes zu übersehen, wie etwa eine weitere unbekannte, weil ganz ganz schwache Wechselwirkung: "[...] at present four fundamental forces are known, of which the weakest is gravitation. There might exist other far weaker forces of Nature that are too weak for us to detect (perhaps ever) but whose existence is necessary to fix the logical necessity of that single Theory of Everything." (Barrow (1995) 44)

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gedanken gegebenen Randbedingungen reichen offensichtlich, entgegen den ursprünglichen Hoffnungen, nicht einmal aus, um zur Eindeutigkeit in der Theoriestruktur und ihren Implikationen zu gelangen - und das obwohl man sich schon auf ein spezifisches modelltheoretisches Instrumentarium festgelegt hat. "At least up till now, the hope that unification would lead to a unique theory has failed, and it has failed dramatically. So it seems unlikely that the problem of accounting for the values of the parameters of the standard models of particle physics and cosmology will be solved by restrictions coming from the consistency of a unified theory." (Smolin (2004) 11) Letztlich ist dies, wie Lee Smolin deutlich macht, aber nicht wirklich sonderlich überraschend: "But is unification enough of a criteria to pick out the right theory? By itself it cannot be, for there are an infinite number of symmetry algebras which have the observed symmetries as a subalgebra." (Smolin (2005) 26) Wenn aber die Idee einer Einheit der Natur überhaupt grundsätzlich fehlgeleitet ist? - Immerhin gibt es nicht einmal einen Konsens hinsichtlich der Frage, worin diese Einheit der Natur letztendlich bestehen soll, und erst recht nicht, wenn es darum geht, ob sich eine wie auch immer geartete Einheit der Natur in unseren theoretischen Beschreibungen der Natur vollständig niederschlagen kann oder sollte. Auch eine ontische Einheit der Natur müsste nicht notwendigerweise im Rahmen unserer epistemischen Bemühungen um eine vollständige und angemessene Beschreibung der Natur ausnutzbar sein. Epistemische Grenzen, denen wir vielleicht unterworfen sind, könnten unter Umständen genau dies verhindern. Sie könnten gleichermassen auch verhindern, dass unsere epistemischen Bemühungen überhaupt zu einer vollständigen Erfassung der Natur führen. Die Idee einer Einheit der Natur bleibt notwendigerweise immer eine metaphysische Hypothese. Konsequenterweise ist die grundsätzliche wissenschaftstheoretische Skepsis hinsichtlich der philosophischen Motivationselemente für die Idee einer ontischen Einheit der Natur recht weit verbreitet, ebenso wie die hinsicht-

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lich ihrer Erfassung und Umsetzung im Rahmen unserer wissenschaftlichen Versuche der Naturbeschreibung - eben in Form des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms der Physik. Nancy Cartwright etwa bezweifelt, dass die Wirklichkeit sich innerhalb einer fundamentalen und nomologisch einheitlichen Theorie in ihren wesentlichen Determinanten angemessen erfassen und beschreiben lässt. Ihrer Auffassung zufolge ist die Wirklichkeit so beschaffen, dass nur ein Flickenteppich von effektiven Theorien diese stückweise einigermassen angemessen erfassen kann. Diese effektiven Theorien müssten auch nicht notwendigerweise vollständig miteinander kompatibel sein, so dass schon eine konzeptionelle, modelltheoretische Einheitlichkeit möglicherweise eine zu starke Forderung darstellt. Und Margaret Morrison gibt - im Einklang mit Weingards oben zitierter Auffassung - immerhin zu bedenken, dass ein mit ihm erreichtes Mass an nomologischer oder konzeptioneller Einheitlichkeit einen theoretischen Entwurf noch nicht notwendigerweise plausibler oder angemessener macht: "[...] unity should not be linked to truth or increased likelihood of truth; unification cannot function as an inference ticket." (Morrison (2000) 232) Muss es aber notwendigerweise die einerseits nicht weiter motivierte - und daher letztlich immer kontroverse -, andererseits aber auch recht unspezifische metaphysische Idee einer ontischen Einheit der Natur sein, welche die Grundlage für die Einschätzung liefert, dass gerade ein solcher theoretischer Ansatz gute Erfolgsaussichten haben könnte, der auf eine nomologisch einheitlich strukturierte Substratebene Bezug nimmt, aus der heraus alle weiteren Ebenen der Wirklichkeit im Sinne des ontologischen Reduktionismus konstituiert werden? Neben dieser Idee einer ontischen Einheit der Natur, die gewöhnlich als originäres Motivationselement für eine nomologische Vereinheitlichung im Kontext unserer epistemischen Bemühungen um eine vollständige und angemessene Naturbeschreibung herhalten muss, gibt es mindestens ein Szenario, das - wenngleich es ebenso metaphysisch und kontrovers ist - hinsichtlich seiner hypothetischen Ursächlichkeiten wesentlich konkreter ausfällt als die recht diffuse Einheitsidee, und das ebenfalls die Eigenschaft aufweist, dass in seinem Kontext für die Bestrebungen zur Realisierung des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms gute Erfolgsaussichten garantiert wären. Und dieses Szenario bringt - und zwar als Konsequenz

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und nicht als Voraussetzung - eine ganz eigene Ausprägung der Idee von der Einheit der Natur mit sich: Es ist das metaphysische Szenario der Gnosis. In seinem Kontext ergibt sich die Beschaffenheit der Wirklichkeit aus spezifischen instrumentellen Zielen und ihrer Realisierung: als Ergebnis einer intendierten und gezielten Erzeugung oder Manipulation. Und diese Beschaffenheit zeichnet sich naheliegenderweise durch Einfachheit aus, die eine Folge der Effizienz in der Umsetzung der zugrundeliegenden instrumentellen Ziele ist.396 Ein anschauliches Beispiel mag die Grundintuition hinter diesem Szenario verdeutlichen: Wollte ein ambitionierter Kleindemiurg, aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken auch immer, mit möglichst einfachen und gleichzeitig effizienten Mittel eine Welt realisieren, die möglichst vielgestaltig und abwechslungsreich ausfällt, so wäre vermutlich der beste Weg der, ein in gewisser Weise einfach strukturiertes, basales Substrat von Regeln oder Konstituenten festzulegen, welches dennoch zu möglichst vielfältigen Konsequenzen, vielleicht sogar gleich zu einem "Multiversum", führt. Die Konstituierung der intendierten vielgestaltigen systemischen Konsequenzen, die aus dem basalen Substrat - ob als materielle Trägerebene oder als computationales Regelwerk verstanden - hervorgingen, bliebe Selbstorganisationsprozessen überlassen, welche die aufeinander aufbauenden systemischen Ebenen der Wirklichkeit und ihre jeweilige Komplexität hervorbrächten.397 Ein solches Szenario würde naheliegenderweise eine grundlegende nomologische und (zumindest was ontologische Belange betrifft) reduktionistische Einheit der Natur und aller ihrer systemischen Ebene implizieren. Dies würde nicht notwendigerweise heissen, dass der ontologische Reduktionismus für die Absichten des epistemologischen und des methodologischen Reduktionismus tatsächlich ausnutzbar wäre. Dem könnten hierarchisch gestufte, sich durch asymmetrische ontologische Abhängigkeiten auszeichnende und dynamisch entkoppelte Systemebenen sowie diverse Komplexitätsschranken entgegenwirken.398 396

Eine zeitgemässe Variante dieser gnostischen Idee liefern die diversen "Simulationsszenarien". Vgl. Kap. 5.3. Siehe auch etwa Barrow (o.J.), Bostrom (2003), Dainton (2002), Hanson (2001), Schmidhuber (1997) sowie Tipler (1994). 397 Vgl. Hedrich (1994). 398 Vgl. Hedrich (1990).

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In einem solchen Szenario hätten die Versuche einer einheitlichen nomologischen Beschreibung der Natur, also die Suche nach dem basalen Substrat der Wirklichkeit, aber vielleicht immerhin gute Aussichten auf Erfolg eine angemessene modelltheoretische Grundlage und eine durchgängige epistemische und empirische Zugänglichkeit vorausgesetzt.399 Andererseits würde sich ein durchgängiger Erfolg des physikalischen Vereinheitlichungsprogramms, so er sich denn einstellen sollte, vielleicht gerade als Argument für ein solches Szenario lesen lassen - angenommen man stellt überhaupt die Frage, wieso denn die Natur offensichtlich eine nomologische Einheitlichkeit aufweist, und lässt es nicht bei der diffusen Idee einer Einheit der Natur, wie auch immer es dazu gekommen sein könnte, bewenden. Jedenfalls wäre der Erfolg des nomologischen Vereinheitlichungsprogramms, ein solches gnostisches Szenario vorausgesetzt, kein Wunder mehr. Alles würde zu einem kohärenten, wenngleich unabwendbar metaphysischen Bild finden. Wenn man sich jedoch weder auf die metaphysische Idee einer nomologischen Einheit der Natur, noch auf gnostische oder simulative Szenarien verlassen möchte, bleibt der Zweifel hinsichtlich unserer Bemühungen um eine vollständig nomologisch vereinheitlichte, fundamentale physikalische Theorie notwendigerweise bestehen: Nehmen wir einmal an, es gäbe eine konsistente Theorie der Quantengravitation, die gleichzeitig eine nomologische Vereinheitlichung aller Wechselwirkungen mit sich bringt. Nehmen wir ferner an, die Existenz anderer Theorien, welche die gleiche Leistung im Hinblick auf ihren Gegenstandsbereich wie auch auf ihre Vorgängertheorien und die schon in diese eingeflossene Empirie erbringen, liesse sich definitiv ausschliessen. Es gäbe also nicht die Option einer konzeptionellen Vereinheitlichung ohne nomologische Vereinigung.400 Diese Theo399

Wahrscheinlich würde ein solcher Erfolg auch die partielle Einsicht in die tatsächlichen Eigenschaften des Substrats einschliessen. Vieles deutet im Rahmen unserer empirisch-wissenschaftlichen Erschliessung der Natur inzwischen auf eine wahrscheinlich diskrete Struktur auf ihrer basalsten Ebene hin, manches darauf, dass die Substratebene selbst nicht mehr raumzeitlich ist und vielleicht über holographische Festlegungen determiniert wird. (Vgl. Kap. 6.) Es wäre vor dem Hintergrund des gnostischen Szenarios gar nicht abwegig, für die Ebene des Substrats eine computationale Struktur, ein algorithmisches Regelwerk, anzunehmen. 400 Die nomologische Vereinheitlichung würde sich als notwendige Implikation der ursprünglich angezielten konzeptionellen Vereinheitlichung, also der Überwindung

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rie wäre also die einzige konsistente Realisierung des Programms einer vollständigen gleichermassen konzeptionellen wie nomologischen Vereinheitlichung. Es gäbe mithin eine eindeutige, einzigartige konsistente Theorie der Quantengravitation, in die sich die empirischen Randbedingungen ihrer Vorläufertheorien über die konzeptionellen Randbedingungen ihrer Entstehung zum Teil übertragen hätten. Aber diese Theorie wiese keine eigenen, unabhängigen empirischen Überprüfungsinstanzen auf. - Eine solche Theorie könnte zwar als das einzige mathematische Konstrukt betrachtet werden, in dem die konzeptionellen Unverträglichkeiten ihrer Vorgängertheorien überwunden würden. Sie wäre also die einzige konsistente strukturelle Weiterspinnung dieser Vorgängertheorien. Damit liesse sich jedoch immer noch nicht für eine realistische Deutbarkeit ihrer Aussagen und der von ihr postulierten Entitäten plädieren. Diese Theorie müsste nicht unbedingt unsere Welt beschreiben. Sie müsste nicht unbedingt deskriptive Eigenschaften aufweisen. Eine eindeutige konzeptionelle Weiterspinnung bestehender Theorien muss noch kein Gegenstück in der Realität aufweisen. Denn wir könnten es mit einer Welt zu tun haben, auf welche die Idee einer Einheit der Natur schlichtweg nicht zutrifft. Die Wirklichkeit könnte ein letztlich nicht in vollem Masze kohärenter Flickenteppich von Phänomenbereichen sein, in Bezug auf den wir zwar mutwillig konzeptionell oder gar nomologisch vereinheitlichen könnten; das Resultat dieser Vereinheitlichung müsste aber nicht notwendigerweise ein Gegenstück in der Realität aufweisen. Vielleicht lässt sich die Welt bestenfalls durch ein ganzen Arsenal von effektiven Theorien erfassen. Der Wert dieser einzelnen effektiven Theorien würde sich im Rahmen einer jeweils engen empirischen Ankopplung ergeben und nicht etwa auf der Grundlage irgendwelcher metaphysischer Überzeugungen. Das Postulat eines in der Welt vorzufindenden Gegenstücks der Resultate unserer in konzeptioneller Hinsicht erfolgreichen theoretischen Bemühungen im Rahmen des Vereinheitlichungsprogramms müsste also schon über unabhängige empirische Belege motiviert werden. - Aber auch dann liesse sich das Flickenteppich-Szenario immer noch nicht endgültig ausschliessen. Auch ein empirisch gestütztes nomologisch vereinheitlichtes

bestehender Unverträglichkeiten zwischen den vormals fundamentalsten Theorien, ergeben.

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Szenario bleibt auf der Grundlage von egal wie viel empirischen Daten immer noch induktiv unterbestimmt.401 Von den Stringtheoretikern wird der problematische Status des Vereinheitlichungskonzeptes und der Idee einer ontischen und nomologischen Einheit der Natur, der dominanten, wenn nicht einzigen Motivation für den Stringansatz, im allgemeinen grundweg ignoriert. Es geht, sogar bei den Einwänden seiner innerphysikalischen Kritiker, oft nur darum, ob der Stringansatz der richtige Ansatz ist, um zur erfolgreichen nomologischen Vereinigung zu führen, oder bestenfalls noch um die Frage, ob man vielleicht auch mit einer konzeptionellen Vereinheitlichung auskäme, um die Probleme der Unverträglichkeit von Allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenfeldtheorien zu lösen. Weitverbreitet unter den Stringtheoretikern ist ein unverbrüchlicher, von den grundlegenden Problemen des Vereinheitlichungsprogramms unbeeinträchtigter Optimismus hinsichtlich ihres Forschungsansatzes und die Hoffnung, dass dieser, vielleicht über weitere Metamorphosen hinweg, schon zum avisierten Ziel führen sollte: "Although we are still feeling the aftershocks of the second superstring revolution and absorbing the panoply of new insights that it has engendered, most string theorists agree that it will likely take a third and maybe a fourth such theoretical upheaval before the full power of string theory is unleashed and its possible role as the final theory assessed. [...] there are significant hurdles and loose ends that will no doubt be the primary focus of string theorists in the twenty-first century." (Greene (1999) 374) Der Stringansatz hat durch seine Metamorphosen immerhin schon einige Male seinen Kritikern den argumentativen Boden unter den Füssen weggezogen. Aber letztlich scheinen die Alternativen hinsichtlich des Stringansatzes eindeutig vorgezeichnet: Es bleibt nur der Erfolg als nomologisch vereinheitlichte Theorie aller Wechselwirkungen oder die gänzliche Irrelevanz für die Naturbeschreibung. 401

Zudem würde uns, auch wenn die Hypothese einer ontischen Einheit der Natur richtig wäre (was sich nie definitiv herausfinden lassen wird), eine eindeutige und die Wirklichkeit auf ihrer Substratebene adäquat erfassende Theorie der Quantengravitation noch nicht unbedingt in erfolgreicher Weise als reduktionistische Basistheorie dienlich sein müssen. Dem könnten systemische Bedingtheiten entgegenwirken, die unseren epistemischen Bemühungen Grenzen setzen. Vgl. Hedrich (1990).

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"Either this theory turns out to be a dead end without any relation to the physical world [...] or it constitutes a final theory in the sense that it describes all possible experimental data based on a set of foundational principles without any adjustable fundamental parameters." (Dawid (2003) 21) Diese Alternativen decken jedoch nur die möglichen Ausgänge des schwebenden Verfahrens ab. Was aber, wenn es überhaupt nicht zum Ausgang kommt, sondern der Stringansatz seinen jetzigen Status im Fegefeuer zwischen unerreichter empirischer Widerlegung und ebenso unerreichter empirischer Bestätigung erfolgreich aufrechterhalten kann? Vielleicht gelingt ihm gerade dies durch weitere konzeptionelle und modelltheoretische Metamorphosen. "In spite of the tremendous mental power of the people working in it, in spite of the string revolutions and the excitement and the hype, years go by and the theory isn't delivering physics. All the key problems remain wide open. The connection with reality becomes more and more remote." (Rovelli (2003) 20) Die wundersame dynamische Aufrechterhaltung dieser Unentschiedenheit entspräche einer zunehmenden Festschreibung der oben schon charakterisierten metaphysischen Wende. Die wachsende Dominanz mathematischer anstatt physikalischer Motivationen auf der fundamentalsten Ebene einer vorgeblichen Naturbeschreibung würde eine über empirische Kontrolle herstellbare Verbindung zwischen unseren theoretischen Bemühungen und der mit diesen zu erfassenden Natur immer weiter in den Hintergrund drängen, zugunsten metaphysischer Konzepte, über die schon im Vorhinein weitgehend entschieden wäre, und zugunsten mathematischer Konsistenzfragen, unabhängig von möglichen empirischen Randbedingungen. Hier ist es dann natürlich naheliegend zu fragen, ob nicht vielleicht irgendwo in der Theorienentwicklung auf dem Weg zur Quantengravitation die falsche Abzweigung genommen worden sein könnte: "Simp - It is not the fault of the theoretical physicist if the path of the natural evolution of the research has lead to a theory which is very complicated.

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Sal - And if it was the fault of the theoretical physicist? I suppose when you say 'the path of the natural evolution of the research' you mean the line that goes along Fermi theory, QED, SU(2) x U(1), QCD, the standard model, and then grand unified theories, the revival of Kaluza-Klein, supersymmetry, supergravity, ... strings... Simp - Yes. Sal - But what if this 'path of natural evolution' has taken a wrong turn at some point." (Rovelli (2003) 6) Der Stringansatz verfolgt zweifelsohne eine Strategie weiter, der schon seit langer Zeit mit dem Vereinheitlichungsprogramm der Physik und insbesondere mit seiner Umsetzung im Kontext der Quantenfeldtheorien vorgezeichnet ist. Einerseits könnte nun dieser auf der Grundlage des Vereinheitlichungsprogramms eingeschlagene Weg zur Erfassung der Natur grundweg unangemessen sein, weil die hinter dem Vereinheitlichungsprogramm stehenden Annahmen auf die Natur nicht zutreffen oder für unsere epistemischen Bemühungen aus irgendeinem Grund nicht nutzbar gemacht werden können. Andererseits könnte, auch wenn der mit dem Vereinheitlichungsprogramm beschrittene Weg nicht gänzlich unangemessen ist, immerhin irgendwo die falsche Abzweigung genommen worden sein. Letzteres müsste nicht notwendigerweise erst im Kontext des Stringansatzes geschehen sein. Es könnte schon wesentlich früher passiert sein, etwa mit den Quantenfeldtheorien und ihren zum Teil problematischen modelltheoretischen Voraussetzungen. Hier sei an das Problem der statischen Hintergrundraumzeit402 erinnert, vor allem aber auch an die Problematizität der die modelltheoretische Grundlage nahezu der gesamten Physik dominierenden Kontinuumsannahme403 und ihrer Implikationen, zu denen vor allem die Annahme infiniter Informationsdichten und der Mythos der reellen Zahlen in der Natur zählen. Auch könnte man spekulieren, dass eine Theorie, die erst eine Renormierung benötigt, um zu finiten, physikalisch interpretierbaren Werten zu führen, vielleicht nicht die ideale Theorie ist oder zumindest eine Theorie, die nicht die ideale modelltheoretische Grundlage verwendet. Vielleicht haben sich die schon in den Quantenfeldtheorien angelegten modelltheoretischen Unangemessenheiten schliesslich mit dem String402 403

Vgl. Kap. 6.1. Vgl. Kap. 6.2.

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ansatz zu fatalen und vielleicht letztlich unüberwindlichen Problemen entwickelt. Diese wären dann nicht dem Stringansatz alleine anzulasten, sondern führten für diesen nur erstmals zu unübersehbaren Symptomen, weil er sich mit der Quantengravitation Problemen zuwendet, die mit dem (nur vorsichtig erweiterten) modelltheoretischen Instrumentarium der Quantenfeldtheorien einfach nicht mehr gemeistert werden können, und weil er sich, im Gegensatz zu den Quantenfeldtheorien, nicht mehr über empirische Randbedingungen und die von diesen ausgeübte Kontrolle, die vielleicht einige modelltheoretische Schwierigkeiten ausgleichen kann, notdürftig weiterzuhelfen vermag. Die Hinwendung zur Quantengravitation und der Mangel an empirischer Kontrolle hätten die falsche Abzweigung, die schon vorher genommen wurde, also nur als Sackgasse manifest gemacht. Dabei lässt sich die zunehmende Entfernung der Theorie von den empirischen Ankopplungsmöglichkeiten vielleicht sogar wiederum als Konsequenz der schon vorher genommenen falschen Abzweigung - der hier nun für die hinzukommenden Ansprüche der Quantengravitation vollends unangemessenen modelltheoretischen Grundlage - ansehen. Vielleicht ist das Problem, das zu den Schwierigkeiten mit der empirischen Kontrolle und zum Abgleiten fundamentaler Physik in den Bereich nahezu ausschliesslich mathematisch inspirierter Naturmetaphysik führt, aber eben auch nicht nur modelltheoretischer Natur, sondern wesentlich grundlegender. Vielleicht ist es tatsächlich das schlichte Ignorieren der Problematizität der hinter dem Stringansatz stehenden philosophischen und metaphysischen Motivationen, das zu den geschilderten Problemen führt. Vielleicht hat man also nicht einfach nur die falsche Abzweigung auf einem an sich richtigen Weg genommen, sondern vielleicht ist der Weg, den das Vereinheitlichungsprogamm der Physik vorzeichnet, schlicht der falsche Weg. Vielleicht bildet die Natur schlichtweg keine Einheit - nicht einmal auf ihrer fundamentalsten Ebene. Vielleicht ist aber auch schon die Idee einer fundamentalsten Ebene der Natur schlichtweg unangemessen. Ein Bewusstsein für diese Problemlage existiert jedenfalls im Stringansatz kaum. Und dies wiederum leistet seinen Kritikern erheblichen Vorschub. Carlo Rovelli etwa nimmt das Ignorieren der Problematizität der dem Stringansatz als Ausgangspunkt dienenden philosophischen und metaphysischen Motivationen zum Anlass, das Charakterbild des "pragmatischen" Theoretikers zu skizzieren:

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"[...] the 'pragmatic' scientist ignores conceptual questions and physical insights, and only cares about developing a theory. [...] Today theoreticians have no new data. The 'pragmatic' theoretician does not care. He does not trust the insights of the old theories. He focuses only on the development of the novel theory. [...] He is even excited that the theory looks so different from the world, thinking that this is evidence of how much ahead he has advanced in knowledge, which is a complete nonsense. Theoretical physics becomes a mental game closed in itself and the connection with reality is lost." (Rovelli (2004) 208) Aber auch wenn die Stringtheorien sich - als Konsequenz dieses "pragmatischen" Vorgehens in der vermeintlichen Erfassung der Natur auf ihrer fundamentalsten Ebene - als letztlich physikalisch und methodologisch unangemessen herausstellen sollten, und wenn sie sich selbst oder sogar das physikalische Vereinheitlichungsprogramm in eine Sackgasse manövrieren sollten: Vielleicht stellen sie auch dann noch nicht unbedingt eine durchweg verlorene Mühe dar, sondern liefern so etwas wie eine effektive perturbative Theorie, mit der sich zumindest bestimmte Aspekte der Quantengravitation schon erfassen lassen: "Whatever quantum gravity is, if it succeeds it must have a classical limit. If it is to reproduce ordinary quantum field theory it must also have a sensible expansion around the classical limit, which is by definition a perturbative theory of quantum gravity. The only good perturbative quantum theories of gravity we know of are perturbative string theories. In fact, there seem to be a large number of these, but what is important is that no successful perturbative quantum theory of gravity has ever been found that was not a string theory." (Smolin (2000a) 6) Wie weit über den Bereich des perturbativ erfassbaren Grenzfalls hinaus sich die Stringtheorien als geeignet erweisen könnten, bleibt jedoch ziemlich unklar. Wolfgang Lerche etwa behauptet, dass der Stringansatz einer vollständigen Parametrisierung des Möglichkeitsraums der Quantengravitation entspricht, nicht ohne dies mit überschwenglichen Worten über die Einzigartigkeit und die Konsistenz des Stringansatzes zu verbinden: "It is this clearly visible, convergent evolution of a priori seperate physical concepts, besides overwhelming 'experimental' evidence,

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what gives the string theorists confidence in the validity of their ideas. / Indeed every time a new mosaic stone is found, it happens to fit perfectly to the other mosaic stones! That [th]is process seems to continue all the time and a clearer and clearer picture emerges, is so nontrivial that there cannot be any doubt that the whole building of physical ideas and concepts is completely self-consistent and makes sense as a physical model. In view of the many non-trivial consistency constraints that are fulfilled, it is most likely that there is simply no room for a 'different' consistent theory; in other words, it is likely that what we have found is the complete space of all possible consistent quantum theories that include gravity, and string theory may perhaps be viewed as one way of efficiently parametrizing it (in certain regions of its parameter space). Whether this selfconsistent model, or rather one particular point in its huge parameter space, does actually describe our world, is another question, a question that we may not be able to decide for a long time." (Lerche (2000) 33) Wenn dies so wäre, würde es immerhin plausibel machen, wieso man noch keine perturbative Theorie der Quantengravitation gefunden hat, die nicht einer Stringtheorie entspräche. Wenn der Stringansatz tatsächlich einer vollständigen Parametrisierung des Möglichkeitsraums der Quantengravitation gleichkäme, so wäre dies aber zumindest nicht die überzeugendste, durchsichtigste und effizienteste Parametrisierung. Vielleicht entsprechen die Stringtheorien tatsächlich dem Versuch einer vollständigen Parametrisierung des für den Bereich der Quantengravitation relevanten Möglichkeitsraums nomologisch-struktureller Alternativen, nur leider auf der falschen modelltheoretischen Grundlage - unter Verwendung der falschen Mathematik. Vielleicht entsprechen sie gerade einer gewaltsamen Parametrisierung von letztendlich raumzeitlich und strukturell diskreten Phänomenen mit den dafür unangemessenen Mitteln der Kontinuumsmathematik, dem Erbe der Quantenfeldtheorien, wenn nicht der gesamten bisherigen Physik. Vielleicht würde das immer noch fehlende Grundprinzip des Stringansatzes gerade diesen Sachverhalt aufdecken und zu einer adäquaten modelltheoretischen Grundlage führen. Hier könnten die Hintergrundunabhängigkeit der Dynamik, die Diskretheit der Raumzeit und vielleicht sogar das holographische Prinzip eine Rolle spielen.

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Möglicherweise gibt es aber auch gar kein fundamentales nomologisches Prinzip, wie dies etwa John Wheeler mit seiner "Law-without-Law"-Idee und Holger B. Nielsen mit seiner "Random Dynamics" nahelegen. Diesen Ansätzen zufolge ergeben sich die Strukturen im Niederenergiebereich, die Gegenstand effektiver Theorien sind, durch statistische Mittelung aus einem strukturlosen bzw. stochastischen "Chaos" auf der fundamentalen Ebene. - Und es gibt wahrscheinlich eine ganze Reihe weiterer denkbarer Möglichkeiten hinsichtlich der Physik auf der Planck-Ebene, von denen bisher nur die wenigstens überhaupt als solche erkannt wurden. "[...] nature is much more crazy at the Planck scale than even string theorists could have imagined." ('t Hooft (1993) 2) Die bisher anformulierten Alternativen404 zum Stringansatz verfügen, ausser vielleicht der Loop Quantum Gravity, allesamt nicht über ein solch hochgerüstetes, hochkomplexes formales Instrumentarium wie dieser; und sie können nicht auf jahrzehntelange Bemühungen vieler beteiligter Forscher zurückblicken. Aber diese Situation eines massiven Ungleichgewichts zwischen den Bemühungen, die den verschiedenen Ansätzen im Bereich der Quantengravitation zukommen, könnte sich immerhin noch ändern, wenn man die zentralen Problemlagen des Stringansatzes und ihre Implikationen als Motivation für alternative Ansätze ernst nimmt. Eine wissenschaftliche Monokultur scheint der augenblicklichen Forschungslage und den vielfältigen Unklarheiten im Bereich der Bemühungen um eine Theorie der Quantengravitation kaum angemessen. Dafür weisen die bestehenden Ansätze, und nicht zuletzt der Stringansatz, viel zu viele gravierende Probleme auf, als dass man sich auf ihren zukünftigen Erfolg verlassen sollte. Von einer "Allumfassenden Theorie" oder einem baldigen Abschluss der Physik zu reden, wie manche Stringtheoretiker dies suggerieren, ist sicherlich sehr verfrüht. Einige der Vertreter der Loop Quantum Gravity, die ihren Ansatz immerhin zielgerichtet auf der Grundlage physikalischer Prinzipien vorantreiben, scheinen dies klarer zu sehen als die Stringtheoretiker, deren Ansatz eher einer Folge von mehr oder weniger überraschenden Zufallsfunden entspricht: 404

Einen Überblick über die verschiedenen zur Zeit existierenden Ansätze zu einer Theorie der Quantengravitation gibt etwa Rovelli (1998).

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"I think we are still very far from the end of physics!" (Rovelli (2003) 15) Auch in der langsam ansetzenden wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit den Entwicklungen im Bereich der Quantengravitation setzt sich diese Einsicht wohl langsam durch: "[...] it is unlikely that a final theory of quantum gravity - if indeed there is one - will look much like any of the current candidate theories, be they string theory, canonical gravity, or other approaches." (Weinstein (2005) 10) Das einzige Ende, das der Physik zur Zeit droht, wenn sie weiterhin ausschliesslich auf rein konzeptionelle Ideen, metaphysische Ideale und modelltheoretische Vorentscheidungen vertraut - noch dazu vielleicht auf die falschen - und wenn sie letztendlich vollends auf eine theoretische Monokultur setzt, ist das Ende als empirisch-wissenschaftliche Disziplin.

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Nachwort Die vorliegende Untersuchung wurde dankenswerterweise über zwei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Projektes "Vereinheitlichung in der Physik durch den Superstring-Ansatz: Wissenschaftstheoretische und naturphilosophische Analyse" (FA 261/7-1) gefördert. Dass es überhaupt zu diesem Projekt kam, ist der Initiative, dem Engagement und dem Enthusiasmus von Brigitte Falkenburg zu verdanken, die mir als Projektnehmerin ideale Arbeitsbedingungen für die Realisierung der projektierten Untersuchung ermöglichte. Brigitte Falkenburg, ihrer Arbeitsgruppe und allen weiteren Kollegen am Institut für Philosophie der Universität Dortmund danke ich darüberhinausgehend für eine immer offene Diskussionsbereitschaft, vielfältigste Anregungen und ein stets angenehmes Arbeitsumfeld. Vorarbeiten für die vorliegende Untersuchung gehen auf meinen Aufenthalt als Visiting Fellow am Center for Philosophy of Science der University of Pittsburgh im Jahre 2002 zurück. Ich danke dem Center for Philosophy of Science sowohl für die finanzielle Förderung als auch insbesondere für die Gelegenheit, eine Zeit lang an der dortigen hochverdichteten Atmosphäre vielfältigster Anregungen und wissenschaftsphilosophischer Sachkompetenz Anteil nehmen zu können. Willi Göbel danke ich für das gründliche Korrekturlesen des Manuskripts. Für die hocheffiziente Transformation meines Manuskriptes in ein Buch danke ich Rafael Hüntelmann und dem ONTOS-Verlag; den Herausgebern der Epistemischen Studien danke ich für die Bereitschaft, das Buch in ihrer Reihe erscheinen zu lassen. R. H.

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10. Literaturverzeichnis Bei Quellen, die gleichermassen in einer Druckversion und elektronisch im ArXiv (http://arXiv.org) verfügbar sind, beziehen sich die Seitenangaben der Zitate im allgemeinen auf die Seitenzählung der PDF-Formatierung des elektronischen Archiveintrags.

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