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German Pages 162 [165] Year 1971
KLAUS LICHEM PHONETIK UND PHONOLOGIE D E S H E U T I G E N ITALIENISCH
SAMMLUNG AKADEMIE-VERLAG 8
SPRACHE
KLAUS LICHEM
PHONETIK UND PHONOLOGIE DES H E U T I G E N ITALIENISCH
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1970
Lizenzausgabe des Max Hueber Verlages, München Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3-4 Copyright der deutschen Ausgabe 1969 by Max Hueber Verlag, München Lizenznummer: 202 • 100/203/70 Karte: Nr. 610/70 Herstellung: Friedrich Pustet, Regensburg Bestellnummer: 7508 • ES 7 H / EDV Nr. 7 5 1 - 8 0 4 - 2 Preis: 11.80 M
VORWORT Der Titel «Phonetik und Phonologie des heutigen Italienisch» soll andeuten, daß ich im vorliegenden Werk mehr als nur eine Darstellung einiger Ausspracheregeln für das Italienische zu geben versuche. Über die reine Orthoepie hinaus soll, vornehmlich für den Lernenden, das Italienische auch in einigen grundlegenden phonologischen Aspekten behandelt werden. Es soll damit, abgesehen von der Tatsache, daß man über eine strukturalistische (funktionelle) Behandlung des Themas heute nicht mehr hinweggehen kann, auch erreicht werden, daß der Studierende neben der geschriebenen auch der gesprochenen Sprache den ihr gebührenden Platz in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dieser Sprache einräumt. Daß es auf dem Gebiet der Phonologie des Italienischen noch manches zu erforschen und zu erhellen gibt, ist mir bewußt, doch habe ich eine völlige Klärung dieses Problems hier nicht angestrebt. Es erschien mir unerläßlich, der eigentlichen Phonetik und Phonologie des Italienischen einige einleitende Betrachtungen zur allgemeinen Phonetik und Phonologie mitzugeben, einerseits um Klarheit über die verwendeten Termini zu schaffen und andererseits, um die praktische Verwendbarkeit des Buches nicht dadurch zu beeinträchtigen, daß sich der Lernende das unerläßliche theoretische Rüstzeug aus einer über das hier nötige Wesentliche natürlich weit hinausgehenden Darstellung der allgemeinen Phonetik und Phonologie beschaffen muß. Dem Unternehmen stellten sich zwei Schwierigkeiten entgegen. Es galt zunächst überhaupt den Begriff «Italienisch» oder gar das Abstraktum «das beste Italienisch» zu fixieren oder zumindest so einzuengen, daß eine einigermaßen konkrete Vorstellung davon entstehen konnte. Bekanntlich war ja «das beste Italienisch» bis vor nicht allzulanger Zeit in Italien selbst umstritten. Die zweite Schwierigkeit bestand darin, den richtigen Ausgangspunkt für die Beschreibung zu finden, also den Laut, das Phonem oder den Buchstaben zur Grundlage der Darstellung zu wählen. Die weitgehende Kongruenz zwischen Laut, Phonem und in den meisten Fällen auch dem Buchstaben hat diese Aufgabe (etwa im Vergleich zum Französischen oder Englischen) erleichtert. Ich habe mich schließlich für den Laut entschieden, mußte aber logischerweise in Anmerkungen und besonderen Paragraphen immer wieder auf phonologische und orthographische Eigenheiten eingehen. Was mich aber trotz mancher Schwierigkeiten bestimmte, eine Darstellung der Phonetik und Phonologie des heutigen Italienisch zu wagen, war
das Fehlen eines einschlägigen deutschsprachigen Werkes, das den Erfordernissen des Universitätslehrbetriebes entsprochen hätte. Neben diesem praktischen Ziel hoffe ich aber, auch einige Anregungen theoretischer Natur gegeben zu haben. Unter den Autoren, die bei der Niederschrift Pate standen und ohne die diese Darstellung wohl nicht entstanden wäre, möchte ich vor allem (in chronologischer Folge) MALAGOLI, CAMILLI, FIORELLI und JERNEJ nennen. Ihren Werken entstammen auch die vielen Zitate. Ich möchte ihnen auf diese Weise danken. Mein Dank gilt auch den Herren Professoren Hans-Wilhelm Klein (Gießen) Josip Jernej (Laibach) und Hans Joachim Simon Graz), die das Manuskript durchgesehen und mir zahlreiche wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben haben. Beim Erstellen des Manuskripts und beim Lesen der Korrekturen waren Ilse Maria Vollmost, Siegbert Himmelsbach und Eberhard Valentin vom Romanischen Institut der Universität Graz tatkräftige und unermüdliche Helfer. Auch ihnen gilt mein Dank. K. L.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
5
Einleitung (§ 1 - 2 7 )
11
Einführende Bemerkungen (§ 1-5) Einleitung (§ 1), Historisches (§ 2), Phonetik und Phonologie (§ 3, 4), Terminologisches (§5)
11
Die italienische Musteraussprache (§ 6-15) Die «beste» Sprechform (§ 6, 7), Das «beste» Italienisch (§ 8), Das «Italienische» (§ 9), Toskanisch=Italienisch (§ io), Einheitliches Italienisch (§ 1 1 - 1 3 ) , Normaussprache (§ 14), Soziale Schichtung (§ 15)
16
Sprachen und Dialekte in Italien - Die Verbreitung des Italienischen (§16-18) ! Dialekte in Italien (§ 16), Andere Sprachen in Italien (§ 17), Die italienische Sprache außerhalb Italiens (§ 18) Aussprache und Schreibung (§ 19-27) Allgemeines (§ 19), Die heutige Orthographie (§ 20-21), Die Entwicklung der heutigen Orthographie (§ 22-25), Die internationale Lautschrift (§ 26-27)
26
29
Allgemeine Phonetik und. Phonologie (§ 28-40)
38
Allgemeine Phonetik (§ 28-37) Die Entstehung der Laute (§ 28), Der Kehlkopf (§ 29), Der Stimmton (§ 30), Der Weg des Phonationsstroms (§ 31-33), Die Lautbeschreibung (§ 34-36), Vokal - Konsonant (§ 37)
38
Allgemeine Phonologie (§ 38-40) Beschreibung der wichtigsten Begriffe (§ 38, 39), Das Phoneminventar
47
(5 4o) Das Laut- und Phoneminventar des Normitalienischen (§ 4 1 - 6 4 ) Das Lautinventar (§ 41-56) Allgemeines (§ 41), Vokale, Beschreibungsmethoden (§ 42-46), Die
51 51
Vokale im einzelnen (§ 47), Halbvokale oder Halbkonsonanten (§ 48), Konsonanten, Beschreibungsmethoden (§ 49), Intensität (§ 50), Die Konsonanten im einzelnen (§ 51-56) Das Phoneminventar (§ 57-64) 66 Probleme (§ 57), Vokalphoneme (§ 58), Halbvokale (§ 59), Konsonantenphoneme (§ 60), Diphthonge (§ 61), Langkonsonanten (§ 62), Akzent (§ 63), Die Zahl der Phoneme im Italienischen (§ 64)
Regeln für die Aussprache der einzelnen Laute des Italienischen (§65-111) .. Allgemeine Vorbemerkungen (§ 65-67) Allgemeine Charakteristika der italienischen Aussprache (§ 65), Artikulationsbasis (§ 66), Ratschläge für Ausländer (§ 67)
75
Vokale (§ 68-77) 77 Der [a]-Laut (§ 68), Der [i]-Laut (§ 69), Der [u]-Laut (§ 70), Die e- und o-Laute: Allgemeines (§ 71), Der [e]-Laut (§ 72), Der [e]-Laut (§ 73), [e]:[e] (§ 74), Der [o]-Laut (§ 75), Der [o]-Laut (§ 76), [o]:[o] (§77) Vokalverbindungen (§ 78-83) 90 Zweigliedrige Vokalverbindungen (§ 78-82), Mehrgliedrige Vokalverbindungen (§ 83) Halbvokale (§84)
96
Konsonanten (§85-102) Nasale (§ 85-87), Die Liquide (§ 88-89), D i e Schwinglaute (§ 90), Die Engelaute (§ 91-95), Die Affrikaten (§ 96-99), Die Verschlußlaute (§ 100-102)
97
Gelängte Konsonanten («Geminaten») (§ 103-104)
105
Konsonantenverbindungen (§ 105-107) 113 Innerhalb des Wortes (§ 105), An der Wortfuge (§ 106), Zusammenfassung (§ 107) Assimilationserscheinungen (§ 108-109)
116
Orthographische Besonderheiten (§ 110-111) Der Buchstabe h (§ n o ) , Der Buchstabe x (§ I i i )
118
Der Wortak{ent
(§ 112-126)
120
Der Akzent (§ 112-114)
120
Die Tonsilbe im Wort (§ 115-116)
122
75
Sonderfälle des Akzents (§ 117-118)
123
Der Akzent im Ausspruch (§ 119-120)
.
Der Nebenakzent (§121)
124 124
Funktioneller Akzent (§ 122-123)
'
Der Intensitätsakzent im Satzzusammenhang (§ 124-126) Das Wort innerhalb des Ausspruchs (§ 127-139)
125 130 132
Möglichkeiten und Verhalten beim Zusammentreffen zweier Wörter (§ 127-131) 132 Lautliche Veränderungen (§ 132-139) 133 Allgemeines (§ 132, 133), Kürzung (§ 134), Elision (§ 135), Die euphonische Erweiterung (§ 136), Die syntaktische Verdoppelung (§ 137-139) Die Sprechmelodie (Intonation) (§ 140-149)
142
Die Sprechmelodie (§ 140-142) 142 Allgemeines (§ 140), Funktionelle Sprechmelodie (§ 141), Individuelle Varianten (§ 142) Typen der Tonführung (§ 143-149) 144 Allgemeines (§ 143), Die Intonation in den einzelnen Satztypen (§ 144), •Fallende Tonführung (§ 145), Fallend-steigende Tonführung (§ 146), Ebene Tonführung (§ 147), Steigend-fallende Tonführung (§ 148), Emphatische und emotionale Intonation (§ 149) Transkriptionsheispiel
150
Bibliographie
154
Sachregister
160
Verzeichnis der Abbildungen Abb. Abb. Abb. Abb.
1 : Sprachen und Dialekte in Italien 2: Schematische Darstellung der verschiedenen Stimmbandstellungen 3 : Die Sprechwerkzeuge 4: Vokalklotz
28 39 41 52
Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
5: 6: 7: 8: 9: 10: 11: 12: 13: 14: 15:
Vokaldreieck (italienisch) Vokaldreieck (neuhochdeutsch) Vokalviereck (italienisch) Vokalviereck (neuhochdeutsch) Palatogramm für [nj] bzw. [p] Sagittalschnitt für [p]) Palatogramm für [X] bzw. [lj] Sagittalschnitt für [X] Sagittalschnitt für [¿] Sagittalschnitt für [s] und [z] Die Position der italienischen [o]- und [o]-Laute im Vokalviereck
53 54 54 55 60 61 61 62 63 64 81
EINLEITUNG
EINFÜHRENDE BEMERKUNGEN
I
Wer heute eine fremde Sprache lernt, muß auf eine korrekte Aussprache großen Wert legen, wenn er seine Kenntnisse praktisch verwerten will. Wer eine fremde Sprache lehrt, muß sie unzweifelhaft korrekt aussprechen können, denn seine Fehler würden sich in seinen Schülern vervielfachen. Unsere Muttersprache, oder besser gesagt, unsere heimatliche und häusliche Sprechweise lernen wir ohne Schwierigkeiten, das Kind ahmt Schallempfindungen solange nach, bis es den Wörtern der Erwachsenen ähnliche Schallerscheinungen hervorbringen kann. Mit zunehmendem Alter des Kleinkindes werden diese immer vollkommener. Das Erlernen einer einwandfreien «Hochsprache» bedarf schon bedeutend größerer Anstrengungen und wird an phonetischen Erklärungen nicht vorübergehen dürfen. Umso mehr muß jeder, der eine Fremdsprache lehrt, in der Lage sein, seine Schüler genau in der richtigen Aussprache zu unterweisen. Daß dazu neben einer einwandfreien Aussprache auch gründliche theoretische Kenntnisse notwendig sind, liegt auf der Hand. Vorsprechen und Nachsprechen sind wichtige und erfolgreiche Lehrmethoden, aber oft wird eine theoretische Erklärung den Weg zum Ziel verkürzen. So soll in diesem Buch die als beste anerkannte italienische Aussprache in ihren phonetischen und phonologischen Gegebenheiten dargestellt werden, wobei auch auf die Orthographie, einzelne dialektische Eigenheiten u.a.m. Bezug genommen wird. Eine richtige Aussprache umfaßt selbstverständlich nicht nur das korrekte Hervorbringen der Einzellaute, sondern auch so schwierig zu beschreibende und zu erlernende charakteristische Eigenheiten, wie die Intonation eines Satzes. Anm.: Was von italienischer Seite zum Erlernen einer richtigen und einheitlichen Aussprache des Italienischen für Italiener, aber natürlich auch für Nichtitaliener zu sagen ist, lese man bei TAGLIAVINI Pronuncia VII-XX nach. Der Autor setzt die Fehler der Orthoepie den Fehlern der Orthographie gleich, nur daß jenen im allgemeinen viel geringeres Gewicht beigemessen wird als diesen. Vor allem ermangele es in Italien daran, daß die Schüler systematisch zu einer richtigen Aussprache angehalten werden wie etwa in Frankreich - ein Faktum, woran es wohl auch in den deutschsprachigen Gebieten mangelt (ohne daß hier die Ansicht vertreten wird, jedermann müsse bühnenreif sprechen).
2 Historisches
Einzelne Versuche, die italienische Aussprache darzustellen, finden wir bereits in der Zeit des Humanismus und der Renaissance. Genauer gesagt, es wird das Toskanische behandelt, denn solange es keinen italienischen Staat gab, gab es weder eine geschriebene noch eine gesprochene Staatssprache. Die Dialekte standen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander (siehe auch § 16). Man anerkannte zwar im allgemeinen die Vorzüge des Toskanischen, aber es fehlte ihm die Konsekrierung als italienische Staatssprache. Mit der Einigung Italiens und der Errichtung des italienischen Staates in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dann das Toskanische zum «Italienischen» erhoben, wiewohl auch Rom als neue Hauptstadt eine Vorrangstellung für das Römische beanspruchte1). Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Toskanischen als der Sprache des neuen italienischen Staates zeitigt auch zahlreiche Darstellungen der italienischen Aussprache, nicht nur in Italien sondern auch im Ausland. Die erste gültige und am besten fundierte Darstellung der italienischen Orthoepie ist die von G. MALAGOLI aus dem Jahre 1912. Erst 1941 veröffentlicht sein Schüler A . C A M I L L I seine schon früher konzipierte moderne Beschreibung der italienischen Aussprache und Orthographie. Das Buch erscheint 1947 in einer 2. Auflage, und nach dem Tode des Verfassers hat p.FioRELLi die 3. Auflage 1965 herausgegeben. Diese Darstellung ist heute, neben dem praktischen Handbüchlein von BUSNELLI-PITTOLA wohl die umfassendste und gründlichste Arbeit auf diesem Gebiet, FIORELLI hat auch einen Córso di pronùncia italiana ausgearbeitet, der zugleich eine theoretische Abhandlung und ein praktischer Vorsprech- und Lektürekurs mit Schallplatten ist und c. T A G L I A V I N I folgte den Spuren FIORELLIS in ähnlicher Art mit einem umfassenden Werk (Buch und Schallplatten) ha corretta pronuncia italiana. Wissenschaftliche Darstellungen in deutscher Sprache gibt es so gut wie keine, wenn man von den oft recht fragwürdigen einleitenden Hinweisen in Lehrbüchern absieht, o. HECKER hat um die Jahrhundertwende einige Vorarbeiten geleistet, doch war seine Arbeit ganz auf praktische Ziele gerichtet. R . L O V E R A hat 1898 eine kurze Darstellung der italienischen Aussprache versucht, doch bleibt sie fragmentarisch und subjektiv und trägt den allgemeinen Gegebenheiten kaum Rechnung. Am Anfang dieses JahrEine ausführliche Darstellung erfährt diese Zeit bei DE MAURO Storia.
§2
13
hunderts haben H.SABERSKI und G. SACERDOTE in den ersten Lehrbriefen der Methode Toussaint-Langenscheidt der italienischen Phonetik eine ausführliche Darstellung gewidmet, die zahlreiche ausgezeichnete Beobachtungen bringt, vor allem auch was die Bildung der Laute betrifft. In der Folgezeit erscheinen nurmehr einige kleine Arbeiten zur italienischen Aussprache, jedoch keine Gesamtdarstellung. Der Grund dafür mag vielleicht in der Tatsache zu suchen sein, daß sich selbst in Italien erst in den letzten Jahrzehnten die Einsicht durchzusetzen begonnen hat, daß das Toskanische die beste Eignung für eine italienische Staatssprache besitzt. Anm. : Einen historischen Überblick über die Werke, die sich mit der italienischen (toskanischen) Aussprache beschäftigen, bietet c. TRABALZA Storia della grammatica italiana (Milano 1908, Nachdruck Bologna 1963). Es sei nur auf folgende Autoren hingewiesen: [GIANFRANCESCO FORTUNIO], Regole grammaticali della volgar lingua di messer Francesco Fortunio, Ancona 1516. JOHN DAVID RHOESE, Perutilis extemis nationibus De italica pronunciatione et orthographia libellus, Patavii 1569. GIORGIO BARTOLI, Degli elementi del parlar toscano, Firenze 1 5 84. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. stammen: 1. TEDESCHI, Guida pratica per la retta pronuncia, Siena 1862. A. BUSCAINO-CAMPO, Regole per la pronuncia della lingua italiana, Trapani 1873, «1875. T. GRADI, Regole per la pronuncia della lingua italiana, Torino 2 I 8 7 4 . A. F. GAZZO, Compendio di ortoepia italiana, Genova 1878. Vgl. dazu auch die Fußnote auf S. 3ff.bei MALAGOLI Ortoepia. Von den Darstellungen aus unserem Jahrhundert sind zu nennen :
E. LEVI, Come si pronunciai Firenze 1904. 2 G. MALAGOLI, Ortoepia e ortografia italiana moderna, Milano 1905, i9i2. G. PANCONCELLI-CALZIA, Italiano, Leipzig, Berlin 1911. 2 A. e A MILLI, Pronuncia e grafia dell'italiano, Firenze 1941, i947, 31965. M.D.BUSNELLI, U.PITTOLA, Guida per l'insegnamento pratico della fonetica
italiana, Perugia 1931, 2 1940, 3 i96o. In jüngerer Vergangenheit sind in Italien mehrere Aussprachekurse auf Schallplatten herausgegeben worden. Diese enthalten neben praktischen Beispielen und Leseproben (in einem Fall auch Dialektproben) eine gesprochene Darstellung der Orthoepie und ihrer Probleme. Zu den Schallplatten gibt es jeweils ein Buch, meist mit dem vollständigen Text. Zu nennen sind: u. piTTOLA, La pronuncia italiana, Roma (Editrice italiana audiovisivi) o. J . (zwei Platten). Corso di Ortoepia, ed. Centro nazionale sussidi audiovisivi, Roma o. J . (sechs Platten). B. MIGLIORINI, Consigli per una buona pronuncia italiana. Cenni di ortoepia su dischi Cetra, Torino (Fonit Cetra) o. J . (zwei Platten).
14
§3 p.
FIORELLA
ten).
Córso di pronùncia italiana, Pàdova (Ràdar) 1964 (vierzehn Plat-
La corretta pronuncia italiana, Bologna (Casa Editrice Libraria Capitol Dischi C.E.B.) 1965 (26 Platten).
C. TAGLIAVINI,
Deutsche Darstellungen: Il piccolo Italiano, Karlsruhe 2 1 9 0 6 . -, «Zur Aussprache des Italienischen», ASNS 122 (1909), 70-94. R.LOVERA, «Die Aussprache des Schriftitalienischen», Die neueren Sprachen 5 (1898) [Phonetische Studien 1 1 ( N . F . 5)], 505-516. H. SABERSKY und G. SACERDOTE, in den Originallehrbriefen «Italienisch der Methode Toussaint-Langenscheidt-», Berlin (Langenscheidt) o. J . O. HECKER,
§ 3 Phonetik und Phonologie Die Phonetik ist eine Naturwissenschaft. Sie beschäftigt sich mit den Lauten einer Sprache und in ihrem weiteren Umfang mit allen Vorgängen, die das Atmen, die Lautbildung, die Lautübertragung und die Lautapperzeption betreffen; ihre Aufgabe ist es, all dies exakt zu beschreiben. Sprechen und Singen sind aber mehr als eine Abfolge physikalischphysiologischer Erscheinungen, sie sind Ausdruck eines psychischen Geschehens. Dem Zuhörer soll etwas mitgeteilt werden, nicht unbedingt nur ein Faktum, sondern vielleicht auch etwas, an dem der Sprecher starken Anteil nimmt oder durch das er den Zuhörer besonders beeindrucken will. Es wird ein bewußter psychischer Akt gesetzt, und alle damit verbundenen Erscheinungen, wie etwa das Erkennen und besser gesagt das Nacherleben des Gesprochenen durch den Hörenden, gehören in den Bereich der Geisteswissenschaften. Diese geisteswissenschaftliche Betrachtungsweise der Lauterscheinungen ist seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts durch N.TRUBETZKOY und R.JAKOBSON zu einer eigenen Wissenschaft erhoben worden, zur Phonologie. Die Phonologie untersucht die Laute in ihrem Kontrastwert zueinander, in ihrer Funktion. Sie untersucht Zeichen und Signale, die beim Sprechen verwendet werden, um beim Zuhörenden das Verstehen oder den vom Sprecher gewünschten Eindruck hervorzurufen. Anm. 1 : Ein einfaches Beispiel mag den Unterschied zwischen Phonetik und Phonologie illustrieren. Im Italienischen gleicht sich der Laut n in seiner lautlichen Realisierung dem jeweils folgenden Konsonanten an, also wird z. B. : in ancora ein Laut wie im Nhd. Klang gesprochen, während nono ein normales « hat. Phonetisch handelt es sich um zwei verschiedene Laute, das eine Mal um einen dorsal-velaren Nasal, das zweite Mal um einen koronaladdental oder koronal-alveolaren Nasal. Wir empfinden aber immer ein n,
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§§ 4 , 5 d.h. seiner Funktion nach - also phonologisch gesehen - handelt es sich in beiden Fällen um ein ». Anm. 2: In den folgenden Literaturangaben werden nur die Verfasser und das wichtigste Wort aus dem Titel des Buches oder Aufsatzes zitiert. Eine ausführliche Bibliographie mit vollständigem Verfasser-, Titel- und Erscheinungsvermerk findet sich im Literaturverzeichnis. Zur allgemeinen Phonetik : BATTISTI Fonetica; BELARDI Introduspone; BONFANTE Cenni; BRANDENSTEIN Einführung; DIETH Vademekum; V O N ESSEN Phonetik; FORCHHAMMER Grundlagen; FOUCHE Etude; G R A M M O N T Traité; JESPERSEN Grundlagen; ders. Elementarbuch; MALMBERG Phonétique; RICHTER Lautbildungslehre; SIEVERS Grundlage. Zur allgemeinen Phonologie : BELARDI Elementi; BONFANTE Cenni; BRANDENSTEIN Einführung; V O N ESSEN Phonetik; HJELMSLEV Beziehung; JAKOBSON Prinzipien; JONES The Phoneme; MARTINET Phonologj; TRUBETZKOY Anleitung; ders. Grund^üge; U L L M A N N Phonetik. §4
Es ist also nach dem bisher Gesagten Aufgabe der Phonetik, Sprachlaute und alle damit verbundenen Erscheinungen genau zu beschreiben. Dieser Aufgabenkreis ist sehr groß, was zur Folge hatte, daß sich mehrere Spezialdisziplinen herausbildeten, wie z. B. die Experimentalphonetik, die sich verschiedenartigster Apparate bedient, um möglichst exakte Messungen an Lauten und Versuchspersonen durchführen zu können. Anm. : Vgl. dazu die ausführliche, resümierende Beschreibung einzelner Apparate etwa bei V O N ESSEN Phonetik.
§ 5 Terminologisches
Der Begriff Phonetik wird häufig, besonders aber im Französischen und Italienischen, in einem viel umfassenderen Sinn gebraucht, als es im Deutschen üblich ist. Es wird daher durch Zusätze erklärt, welches Spezialgebiet des Oberbegriffes Phonetik gemeint ist. Im allgemeinen werden vier Arten von «Phonetik» unterschieden: 1) Allgemeine Phonetik {phonétique générale, fonetica generale, auch fonologid). 2) Beschreibende Phonetik (phonétique [descriptive], fonetica [descrittiva]). 3) Historische Phonetik (phonétique historique, fonetica storica) ; in der deutschen Terminologie wird dafür meist die Bezeichnung «Historische Lautlehre» verwendet. 4) Normative Phonetik oder Orthoepie (phonétique normative, fonetica normativa, ortoepia), d.i. die Lehre von der richtigen Aussprache.
i6
§§ 6 , 7
Die «Phonologie» wird französisch mit phonologie, italienisch mit fonematica bezeichnet, wobei die Begriffe auch für länger zurückliegende Epochen der Sprachentwicklung gebraucht werden können, BONFANTE (Cenrit 11 f.) unterscheidet (mit den amerikanischen Linguisten) zwischen fonetica ( = beschreibende Phonetik), fonematica ( = Phonologie) und fonologla ( = hist. Lautlehre). Hier wird, wie bereits erwähnt, neben kleineren Exkursen, die der allgemeinen Orientierung und Begriffsbestimmung dienen, die normative Phonetik, d.h. die korrekte Aussprache, des Italienischen behandelt.
D I E ITALIENISCHE MUSTERAUSSPRACHE
§ 6 Die «beste» Sprechform Spricht man von Orthoepie oder Normaussprache, dann erhebt sich automatisch die Frage: Welche Aussprache gilt als Normaussprache? - in unserem Falle «Was ist das beste Italienisch?» - «Welche ist die italienische Normaussprache?» (CAMILLI Pronuncia sagt «italiano normale» oder «pronuncia normale dell'italiano»). Es gibt in jeder Kultursprache eine Ausspracheform, die allgemein als die vorbildliche und beste anerkannt wird, z. B. das Bühnendeutsch (die Bühnenaussprache), King's English oder Received Pronunciation, la prononciation de la bonne société parisienne dans une conversation soignée. Der Sprachmittler wird sich selbstverständlich an diese Musteraussprache halten und sie lehren, und auch der Lernende muß bemüht sein diese nachzuahmen, denn eine dialektisch gefärbte, eine saloppe oder gar vulgäre Aussprache ist nur allzu oft nicht allgemein verständlich und auch häufig Ursache einer niedrigeren sozialen Einstufung des Sprechers durch den Zuhörer. Anm. : Für Österreich ist das Deutsch des Burgtheaters maßgebend. §7
Welche Anforderungen werden nun an eine solche Musteraussprache gestellt? Die wichtigste Forderung ist, daß sie überall verstanden werden muß, wo die betreffende Sprache gesprochen wird, JESPERSEN nennt diese Ausspracheform «Reichssprache» und definiert sie so (JESPERSEN Grundfragen §46, S. 39): «Die Reichssprache ist also die Sprache, die sich von allen Eigentümlichkeiten befreit hat, die dem Verstehen in den verschiedenen Gegenden störend entgegentreten; sie wird am besten von denjenigen gesprochen, deren
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§§ 8 . 9 Heimat man nicht an der Sprache erkennen kann; und diese Aussprache ist darum vollkommener als jede mundartliche Aussprache derselben Sprache, weil sie Mitteilungen in viel weiteren Kreisen und ein intensives Verstehen seitens einer viel größeren Anzahl von Menschen ermöglicht.» § 8 Das «beste» Italienisch Als bestes Italienisch wird im allgemeinen das florentiner Italienisch empfohlen, vielfach auch in der Formulierung lingua toscana in bocca romana. Damit wird bereits ein Problem angedeutet, das in Italien immer wieder auftaucht und immer wieder mit Argumenten heftiger und kampanilistischer Natur zumeist in Zeitungen diskutiert wird, nämlich ob das Florentinisch/Toskanische oder das Römische besseres und damit vorbildliches Italienisch sei. § 9 Das «Italienische» Die Frage nach der italienischen Sprache überhaupt ist beinahe so alt wie diese selbst. Schon Dante hat sich in seinem De vulgari eloquentia u.a. eingehend mit der Frage der vielen Dialekte auf italienischem Boden auseinandergesetzt und fordert für die neue, einheitliche Sprache vier Eigenschaften. Sie soll illustre (strahlend, hervorragend, einfach und klar im Aufbau, frei von bäuerlichen Derbheiten), cardinale (wie sich die Tür um die Angel dreht, sollen sich alle Regionen nach ihr richten), aulica (sie soll die Sprache des Hofes sein, falls es einen solchen einmal gibt) und curíale (sie soll als Gerichts- und Amtssprache an die Stelle des Lateinischen treten) sein. Er hatte dabei nicht unbedingt das Florentinische im Auge, denn noch zu nah war die Zeit, in der die sizilianische Dichterschule in sprachlichen Dingen tonangebend war. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts allerdings geht die literarische und sprachliche Vorherrschaft auf die Toskana über. Das Poetendreigestirn Dante, Petrarca und Boccaccio hat in meisterlicher Form gezeigt, daß die Volkssprache dem Lateinischen in allen Belangen durchaus ebenbürtig ist. Damit beginnt die Zeit der Vorherrschaft des Florentinisch/Toskanischen, die bis heute andauert. Pietro Bembo empfiehlt in seinen Prose nelle quali si ragiona deIIa volgar lingua (1525) Petrarca und Boccaccio als Vorbilder, und Lionardo Salviati tritt für die klassische Sprache des Boccaccio ein (Degli Avvertimenti della lingua italiana sopra 'l Decamerone, Venezia 1548). Im Jahre 1582 gründete
i8 Salviati zusammen mit Grazzini die Accademia della Crusca («um die Sprache zu reinigen, wie das Mehl von der Kleie [ital. crusca]»), die sprachnormierend wirken sollte. 1612 erschien dann die erste Auflage des Di^ionario della Crusca. Aber noch immer stand das Florentinisch/Toskanische, wohl als primus inter pares, gleichberechtigt neben den vielen anderen Dialekten auf italienischem Boden, denn noch gab es keinen italienischen Nationalstaat und somit auch keine lingua comune oder lingua nationale. Als das 19. Jahrhundert endlich die politische Einigung Italiens brachte, wurde damit auch die Frage nach einer einheitlichen Sprache (und damit Sprechform) akut. Entscheidenden Einfluß bei der Lösung dieser Frage übte der Dichter Alessandro Manzoni aus. Seine Promessi Sposi erschienen in der ersten Ausgabe (1821-27) zunächst in einem stark lombardisch gefärbten Italienisch, denn Manzoni war Mailänder. Nach einem längeren Aufenthalt in Florenz, während dem er die Schönheit des florentiner Italienisch kennen und schätzen lernte, entschloß er sich zu einer Neuausgabe in florentinischer Sprache (1840). Damit hat er nach den großen Trecentisti erneut dem Florentinisch/ Toskanischen zu einer Vorrangstellung unter den italienischen Dialekten verholfen und auf diese Art daran mitgewirkt, dem neuen Staat eine (Schriftsprache zu schenken. Italien hatte damit zwar eine Schriftsprache, aber noch keine lingua unitaria parlata (TAGLIAVINI Pronuncia XII). Es schien nur natürlich und selbstverständlich, sich in Fragen der Aussprache auch an das Toskanisch/ Florentinische anzupassen, wie man es für die Schriftsprache gemacht hatte und wie es bei den Schauspielern aus praktischen Gründen und ohne theoretische Untermauerung schon längere Zeit üblich war. Was aber für die Schriftsprache ohne weiteres akzeptiert wurde, setzte sich für die Aussprache erst langsam durch. Man fürchtete die Diktatur der Florentiner, und es schien lange Zeit, als ob der Geist der Kleinstaaten hier ein unheilvolles Erbe hinterlassen hätte. Die wohl auch im politischen begründete Entwicklung der Orthoepie hatte dann einen Antagonismus zwischen Florenz und Rom zur Folge, der schließlich im ersten Drittel dieses Jahrhunderts zu einer Art Pattstellung führte. Die Entwicklung war aber damit noch nicht abgeschlossen, denn die Hauptstadt des neuen Staates hieß Rom und nicht Florenz, und Rom forderte auch die Vorherrschaft in sprachlichen Dingen. Dieser zeitweilig sehr heftig geführte Disput erhält unter dem Faschismus einen autoritären Akzent, als in der 1. Auflage des im Auftrage der staatlichen Rundfunkgesellschaft E I A R herausgegebene Prontuario di pronun^ia e di ortografia von
§ IO und UGOLINI in der Einleitung die Hoffnung ausgedrückt wird, man werde jetzt, da Rom das Zentrum auch der sprachlichen Einigung sei, wohl die bella e calda pronuncia romana annehmen. In der 7. Auflage des Werkes wird zwar angekündigt, daß man die Behauptung über Roms Vorherrschaft zu extrem formuliert habe, im Werk selbst aber sind kaum Änderungen vorgenommen worden. Die politische Einigung Italiens ist heute vollzogen, die sprachliche ist auf dem Wege der Vollendung, MIGLIORINI (Lingua contemporánea passim) spricht von einer lingua usuale media, von einer lingua nationale, die über den Dialekten steht und als eine der Kultursprachen Europas zu gelten habe und die vor allem ein sfrumento per le comunica^ioni na^ionali sein müsse. CAMILLI und FIORELLI, wohl die beiden bedeutendsten italienischen Phonetiker der Gegenwart, betonen, daß dieses gemeinsame Italienisch überlokal und überregional und keiner Mode unterworfen sein soll. «La buona pronuncia quindi puo essere solo quella che é gradita, 0 appre^ata, 0 usata {in ogni caso considerata come buona) tra le persone colte, intelligenti e operose non della sola Firen^e 0 della sola Toscana, ma di tutta l'Italia» (CAMILLI Pronuncia 18). Der Gegensatz Rom - Florenz sollte heute überholt sein. Der Gebrauch, der buon gusto, die repubblica dei ben parlanti (FOLENA, in LN I J 31) sind die Kriterien, nach denen sich das Normalitalienische richtet oder zu richten hätte. TAGLIAVINI postuliert eine pronuncia nationale su base toscana, andere wiederum nennen die zu erstrebende Ausspracheform italiano «standard». Wie TAGLIAVINI {Pronuncia XVI Fußnote) ankündigt, ist unter der Redaktion von B. MIGLIORINI, p. FIORELLI und c. TAGLIAVINI ein Di^jonario di pronuncia e di ortografia im Entstehen begriffen, der auf einer base florentina temperata aufbaut und für das Italienische vermutlich das sein wird, was die Deutschsprachigen im SIEBS, die Franzosen im WARNANT und die Engländer im JONES haben: ein Aussprachewörterbuch, das nach einheitlichen und damit wohl auch verbindlichen Gesichtspunkten die Normaussprache registriert und dieses Abstraktem vielleicht ein wenig konkretisiert. BERTONI
Anm.: Der Geschichte der italienischen Nationalsprache hat H.-W. Klein in seinem Buch Latein und Volgare in Italien eine ausführliche Darstellung gewidmet. 10 Toskanisch = Italienisch
Wir müssen uns nun fragen, warum gerade die florentinisch/toskanische Aussprache sich als Normalaussprache durchgesetzt hat, und warum sie ihren einzigen ernstzunehmenden Rivalen, das Römische, aus dem Felde geschlagen hat.
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Die italienische Schriftsprache hatte sich im 19. Jh. soweit konsolidiert, daß man wirklich von einer italienischen Schriftsprache sprechen konnte. Doch diese Schriftsprache wurde natürlich - wie es ja in keinem Lande der Fall ist - nicht gesprochen, sondern jedermann sprach in seiner heimatlichen, ihm geläufigen Sprechweise, die je nach dem Bildungsgrad mehr oder weniger dialektisch gefärbt war. Von diesen Dialektaussprachen kamen das Florentinisch/Toskanische, das Römische und das Umbrische also die Dialekte Mittelitaliens - der Schriftsprache und ihrem Lautbestand und Lautsystem am nächsten. Zwischen diesen Dialekten gab es allerdings eine Reihe von Unterschieden, so etwa, wann [e/o] oder [e/o], [s] oder [z] gesprochen wurde; auch hinsichtlich der syntaktischen Verdoppelung {raddoppiamento sintattico) (vgl. § 137 f.) gab es Divergenzen. Rom begründete seine Führungsansprüche vor allem damit, daß es als politisches Zentrum auch in sprachlichen Dingen tonangebend sein müsse, während Florenz auf die jahrhundertealte, ununterbrochene Tradition als Heimat des Italienischen hinweisen konnte. Florenz ist darüber hinaus noch in seiner sprachlichen Struktur viel homogener als Rom, wo sich gegen Ende des 18. Jh. das Florentinische als Superstrat überlagert hat. In Florenz gibt es wohl eine soziale Schichtung der Sprechweisen, wobei besonders die Aussprache des florentinischen Volks von den gebildeten Kreisen abgelehnt wird, Rom hingegen ist als Zentrum des Staates einem ständigen Zustrom von Menschen aus allen Provinzen ausgesetzt, die selbstverständlich ihren heimatlichen Dialekt auch in Rom sprechen. Das Römische hat also eine starke Umstrukturierung erfahren, war zahlreichen Dialekteinflüssen ausgesetzt, die nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. Darüber hinaus gilt die Sprechweise der römischen Plebs als besonders vulgär. Einheitliches Italienisch Der Ruf nach einer einheitlichen Aussprache wurde besonders laut, als man im italienischen Rundfunk von schlecht ausgebildeten Sprechern immer wieder eine lokal gefärbte Aussprache zu hören bekam, was die Römer bzw. Florentiner empörte. Als Bühnenaussprache hatte sich seit dem 19. Jh. nach langen Mühen das Toskanische auf der Grundlage des gepflegten Florentinischen durchgesetzt (vgl. BERTONI/UGOLINI «Introduzione» zum Prontuario-, CAMILLI Pronuncia 18). Nachdem man den extremen Standpunkt: hie Rom - hie Florenz aufgegeben hatte, suchte vor allem BRUNO MIGLIORINI zunächst zu einer Syn-
§ 12 these, zu einer unità ortofonica zu gelangen. In seinem Buch Pronuncia fiorentina opronuncia romana? (1945) diskutiert er ausführlich alle Vor- und Nachteile der beiden Ausspracheformen. Es geht ihm dabei weniger darum, der einen oder der anderen Form den Vorzug zu geben, sondern er versucht das Problem statistisch-sachlich und wissenschaftlich zu lösen. So unterscheidet sich das Römische und Florentinisch/Toskanische bei rund 10000 Wörtern, die ein betontes e oder 0 haben in nur ca. 200 Fällen. Er untersucht nun, welche Aussprache den Lautgesetzen entspricht und kommt schließlich zu dem Schluß, daß bei vier Fällen im Durchschnitt zweimal Florenz und einmal Rom der Vorzug zu geben sei. Beim vierten Wort müsse man einfach diktatorisch entscheiden. Aber wie die meisten Lösungen eines Problems ex cathedra hat sich auch diese nicht durchgesetzt, und man hat sich heute weitgehend auf die im vorhergehenden Paragraphen beschriebenen Kriterien geeinigt. Anm. 1:
F I O R E L L I sagt dazu in der Anmerkung 242 zu C A M I L L I S Pronuncia: «Non si nega che considerazioni d'ordine estralinguistico possano essere applicate con profitto all' interpretatone di fatti di lingua in sede storica 0 alla loro regolazione in sede normativa. Ma bisogna che ricevano dai fatti stessi almeno un principio di conferma. Qui invece hanno ricevuto una smentita: segno che un sistema fonetico tradizionale e consolidato, come quello fiorentino, sentito come soprarregionale e quindi non legato alle diminuite fortune della città che gli ha dato origine e gli dà tuttora alimento, conserva in sé tanta forza da piegare alla propria norma le resistenze di divergenti usi locali.» Anm. 2: Literaturhinweise: A . C A M I L L I Lingua toscana in bocca romana 29; ders. La radio e la pronuncia 25 ; B. M I G L I O R I N I Pronunziafiorentina0 pronunzjaromanaì D E MAURO Storia App. 54.
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Es steht jedoch unzweifelhaft fest, daß das Florentinisch/Toskanische ohne die spezifisch florentinischen Eigenheiten in seinem ganzen phonetischen und phonologischen System sich in beinahe idealer Form mit der Musteraussprache deckt, P . F I O R E L L I hat dies so formuliert: «Il tipo di pronunzia accettato dall'Autore ( = A . C A M I L L I in seiner Pronuncia; der Verf.) come la pronunzia normale dall'italiano e rappresentato nelle trascrizioni fonetiche combaciafinnei particolari con quello che, sconcordemente presentato dai teorici della fonetica come la pronunzia tipo dell'italiano sen^aggettivinormale 15
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Setzungen, denn es fehlte vor allem an einer wirklich gut ausgebildeten und sprachlich einwandfrei vorgebildeten Lehrerschaft. Wie hart der Kampf der italienischen Schulbehörden sein muß, mag man daran erkennen, daß 1951 noch 13,2% der Bevölkerung Analphabeten waren. Dazu besonders DE MAURO Storia 43ff.; App. }8, 39. § 14 Normaussprache Wir verstehen also unter Normaussprache nicht die Form, die am geläufigsten ist, sondern jenen homogenen Gebrauch, wie ihn die Angehörigen einer Sprache als richtig anerkennen und den nachzuahmen sie bestrebt sind (CAMILLI). Für das Italienische handelt es sich dabei um den Typ des Toskanischen, wie er in einem gepflegten Milieu von Florenz gesprochen wird, also ohne die spezifisch florentinischen Eigenheiten zu haben (Spirantisierung von intervokalischen p, t, k). Anm. : Zum Normitalienischen vgl. B. MIGLIORINI Lingua contemporanea; Corso; CAMILLI Pronuncia; DE MAURO Storia; T A G L I A V I N I Pronuncia. Zur Aussprache des Rundfunks : A. CAMILLI La radio e la pronuncia; FRACASTORO Lingua; FIORELLI Corso.
FIORELLI
§ 1 5 Soziale Schichtung Während man z.B. im Französischen innerhalb der Normalaussprache ganz deutlich vier verschiedene Sprechstile, von «vulgär/familiär» bis zum «Französisch der Comédie Française», unterscheiden kann, ist im Italienischen der Unterschied zwischen der Aussprache in einer Unterhaltung und der beim Vortrag eines Gedichtes gering (CAMILLI Pronuncia 214). In seiner vertikalen Schichtung unterscheidet sich also das Italienische hinsichtlich der Aussprache kaum. Die pronuncia della poesia ist von der pronuncia della conversa^ione wohl im Ton und in der Tonführung verschieden, nicht aber in der Bildung der Laute. Auch unterscheidet sich die gesungene Sprache kaum von der gesprochenen. Das heißt aber nicht, daß es in Italien keinerlei sprachliche Abstufung gibt. Sie liegt lediglich auf einer anderen Ebene, nämlich im Verhältnis Dialekt - Nationalsprache. Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit wird in Italien das Florentinisch/Toskanische als Staats- und Nationalsprache anerkannt, und so ist es nur natürlich, daß die Dialekte, besonders bei der älteren Generation, noch stark verbreitet sind. Beinahe jeder, der einen italienischen Dialekt spricht, hat eine mehr oder minder ausgeprägte Kenntnis der Hochsprache, die sich ja nicht nur in einer anderen Aussprache ausdrückt, sondern auch in der Wortwahl, der Syntax usw. Gesprochen wird
*5
§ 15 aber meist in einer stärker oder schwächer dialektisch gefärbten Sprechweise, die auch nicht abgelegt wird, wenn man in der Fremde weilt. So steht Italien mitten im Widerstreit zwischen den alten dialektischen Sprechweisen und einer nationalen, einheitlichen Aussprache, die in den letzten Jahrzehnten allerdings große Fortschritte gemacht hat. MIGLIORINI hat gezeigt, daß man nicht nur zwischen Hochsprache und Dialekt unterscheiden muß, sondern daß man folgende Sprechstile deutlich isolieren kann: italiano come si scrive, italiano regionale, dialetto regionale und dialetto locale. Für die Gegend von Udine hieße das (nach MIGLIORINI) : italiano come si scrive, italiano approssimativo con numerosi tratti veneti e friulani, veneto di colorito udinese, friulano di Udine. DE MAURO {Storia 124) unterscheidet ähnlich zwischen italiano comune, italiano regionale, dialetto italianizzante, dialetto nelle sue forme più arcaiche e lontane dall'italiano. Im heutigen Italien beherrscht die ältere Generation ihren Dialekt und hat eine passive Kenntnis des Normitalienischen, die Jugend allerdings wird durch Schule, Rundfunk, Film, Fernsehen, Militär und Zeitungen in einem viel stärkeren Maße durch das Normitalienische beeinflußt. Zuhause sprechen sie aber meist auch noch Dialekt. Die lingua nationale dringt heute in immer stärkerem Maße vor und drängt die örtlichen Sprechweisen zurück. Umgekehrt kann man aber auch beobachten, daß diese lokalen Formen ganz bewußt bewahrt werden, aus Lokalpatriotismus (z.B. besonders in Rom), aus Tradition (besonders bei Ortsnamen, Straßenbezeichnungen etc.) oder auch in der Dialektliteratur, um Lokalkolorit zu erzielen, oder auch, wie boshaft bemerkt wurde, um Interesse zu erwecken. DE MAURO hebt als eines der auffälligsten Phänomene der jüngsten Sprachgeschichte die langsame Strukturerneuerung der Gemeinsprache hervor, die Hand in Hand geht mit einer raschen Italianisierung der Dialekte. Der Gebrauch der Dialekte gehe zwar stetig zurück, doch werden varietà regionali immer häufiger gebraucht und konsolidieren sich in ihrer Struktur. Anm. 1: DE MAURO (Storia 147) unterscheidet vier große Gruppen von varietà regionali, die südliche, die nördliche, die toskanische und die römische Aussprache des Italienischen. (Letztere wurde besonders durch Radio und Kino bekannt). Eine Zusammenfassung der Eigenheiten jeder dieser Regionalaussprachen gibt DE MAURO in den App. 59-62. Anm. 2: Literaturhinweise: MIGLIORINI Lingua contemporanea; ders. Lingua e dialetti; G. B.PELLEGRINI Tra lingua e dialetto in Italia; D E MAURO Storia 123, App. 57.
§ i6
26 S P R A C H E N UND D I A L E K T E IN I T A L I E N D I E V E R B R E I T U N G DES I T A L I E N I S C H E N
§ 16 Dialekte in Italien Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß die Dialekte in Italien auch heute noch eine große Rolle spielen, denn die Nationalsprache wird sich erst in einiger Zeit den Dialekten gegenüber so weit durchgesetzt haben, wie es z. B. beim Französischen der Fall ist. So ist es vielleicht durchaus angebracht, einen kurzen Überblick über die Gliederung der italienischen Dialekte und deren Verbreitung zu geben und die nichtitalienischen Sprachinseln im Bereich des heutigen politischen Italien bzw. des Verbreitungsgebiets des Italienischen zu beschreiben. Es würde über den Rahmen und die Intentionen dieses Buches hinausgehen, hier die verschiedenen Auffassungen und Möglichkeiten wiederzugeben, wie Italien sprachlich gegliedert werden kann. Das möge in den bekannten Werken, die in die Problematik der romanischen Philologie einführen, nachgelesen werden. Es sei nur soviel gesagt, daß die Linie La Spezia-Rimini (Pesaro) - also etwa die dem Apenninenhauptkamm folgende Trennungslinie zwischen Ost- und Westromania - die italienischen Dialekte in einen westromanischen und in einen ostromanischen Anteil trennt, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt der Gesamtheit der romanischen Sprachen betrachtet. Zur Westromania gehören die galloitalienischen Mundarten (gesprochen in der Lombardei, in Piemont, im Tessin und in vier Nebentälern des Kantons Graubünden, in Ligurien, in der Emilia und in der Romagna), sowie das Venezianische (gesprochen etwa zwischen Venedig und Trient) und das Istrische. Zur Ostromania gehören die mittelitalienischen Mundarten (und zwar zwei Gruppen: das Toskanische mit dem Korsischen und die Dialekte der Marken, Latiums und Umbriens) und die süditalienischen Mundarten (gesprochen in den Abruzzen, in Kampanien, Apulien, Lukanien, Kalabrien und Sizilien. Die Grenze zwischen mittel- und süditalienischen Mundarten liegt etwa auf der Linie Rom-Ancona. Diese Einteilung folgt der von LAUSBERG {Roman. Sprachwissenschaft I [2. Aufl.] 5 3 ff.) wiedergegebenen, gemeinhin gültigen Gliederung und auch im allgemeinen derjenigen bei TAGLIAVINI (Origini 3 34ff.) und dessen Vorgängern. Das Sardische ist eine selbständige romanische Sprache mit sehr archaischem Laut- und Formenbestand, verfügt aber über keine eigene Schriftsprache.
§§ 17. *8
27
I : Das Sizilianische, Neapolitanische, Römische, Venezianische und Mailändische (Lombardische) haben eigene bedeutende Dialektliteraturen entwickelt. Zentren besonderer Dialektpflege sind heute Venedig, Mailand, Neapel und Palermo. Anm. 2: Weitere Hinweise zu der Frage der italienischen Dialekte usw. finden sich bei DE MAURO Storia ziff.; App. 21-24. Ferner bei LAUSBERG loc. cit., T A G L I A V I N I loc. cit., KUHN Romanische Philologie 1165 ff. § 17 Andere Sprachen in Italien Innerhalb des heutigen italienischen Staatsgebietes gibt es eine Reihe von Orten und Gebieten, die einem anderen Sprachbereich als dem Italienischen angehören. Deutsche Sprachinseln finden sich in der Gegend des Monte Rosa, im Trentinischen, in dem Gebiet der Dreizehn und Sieben Gemeinden, im Friaulischen (Sappada, Sauris, Timau und im Kanaltal) und vor allem in Südtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause). Zu den slawischen Sprachen gehören die serbo-kroatische Sprachinsel im Molise und die slowenischen Gruppen im Val di Resia (bei Udine), in der Gegend um Triest und Görz, wie überhaupt längs der jugoslawisch-italienischen Grenze. Im Aostatal wird frankoprovenzalisch gesprochen, in der Gegend um Torre Pellice (in Piemont) provenzalisch. Zum Rätoromanischen gehören die ladinisch sprechenden Täler in den Dolomiten sowie die friaulisch sprechenden Gebiete um Udine. Eine ganze Reihe albanischer Sprachinseln zieht sich etwa bei Pescara beginnend durch Apulien und Kalabrien bis nach Sizilien (man vergleiche die Karte der Abb. 1); 1921 gab es noch etwa 80000 albanisch sprechende Menschen. Griechische Reste finden sich noch in der Terra d'Otranto und in der Gegend von Reggio di Calabria. In dem von zahlreichen nichtitalienischen Sprachinseln durchsetzten Süden sind noch zu nennen: eine frankoprovenzalische Gruppe bei Foggia, zwei provenzalische Inseln bei Cosenza und galloitalienische Dialekte sprechende Dörfer in Sizilien. Katalanisch wird in Alghero auf Sardinien gesprochen. Anm.: Vgl. dazu die Darstellungen bei DE MAURO Storia App. 16-19; Origini 334fr. (besonders Anm. 91).
TAGLIAVINI
§ 1 8 Die italienische Sprache außerhalb Italiens Außerhalb des heutigen Staatsgebietes Italiens wird, bzw. wurde Italienisch noch besonders an der dalmatinischen und istrischen Küste gesprochen, die 1918-1945 zu Italien gehörte, in den ehemaligen Kolonien (Somaliland und Äthiopien, Libyen), in Korsika, in der Schweiz (Tessin), in
28
§ i 8
ä» IpkJfi
HL
TOSKANISCH-KORSISCH MITTEL-ITALIENISCHE MUNDARTEN GALLO-ITAL. U. VENEZ. MUNDARTEN ( G l ) SÜDITALIENISCHE MUNDARTEN PROVENZALISCH (PR) FRANKOPROVENZALISCH (FPR) RAETOROMAN ISCH SARDISCH DEUTSCH . SLAWISCH (S) GRIECHISCH (G) ALBANISCH
H Staatsgrenze von Italien -
Sprachgrenzen Dialektgrenzen (Ital.)
A b b . 1 : Sprachen und Dialekte in Italien (nach TAGLIAVINI [MERLO])
§ San Marino, in Nizza und auf Malta (bis 1934 war Italienisch auf Malta Staatssprache). Weithin bekannt ist die Tatsache, daß in New York mehr Italiener leben als in Neapel und daß in einzelnen Bezirken dieser Stadt beinahe nur italienisch gesprochen wird. Außerdem erscheinen in New York Tageszeitungen in italienischer Sprache. Die Emigrantengruppen in den Vereinigten Staaten sind zahlenmäßig am stärksten. Viele emigrierte Italiener leben auch in Südamerika, in Frankreich, in Deutschland, usw. Anm. : Vgl. dazu auch
DE MAURO
Storia App. 20,44,45.
A U S S P R A C H E UND S C H R E I B U N G
§ 1 9 Allgemeines Bei keiner der traditionellen mitteleuropäischen Sprachen stimmt die Aussprache mit der Schreibung überein, bzw. geht aus der Schreibung die Aussprache eindeutig hervor. Die Unterschiede können wie z. B. im Englischen und Französischen sehr groß sein, können aber auch wie z.B. im Spanischen, Italienischen oder Serbokroatischen verhältnismäßig klein sein. Diese Unterschiede haben ihre Ursache darin, daß die Orthographie in der Zeit nach der Buchdruckerkunst festgeworden war, und daß man das lateinische Alphabet benutzte, dessen Buchstaben dem Lautbestand nicht mehr entsprachen. Diese Buchstabenreihe ist ursprünglich bereits eine Adaptierung des griechischen Alphabets an die lateinische Sprache und entsprach schon damals nicht der Forderung nach völliger Übereinstimmung zwischen Aussprache und Schreibung; dieser Zustand hat sich bis heute kaum verbessert. Das lateinische Alphabet verfügt herkömmlicherweise über 26 Zeichen. Diese Zahl kann man durch die Verwendung zweier oder mehrerer Zeichen für einen Laut erhöhen (z. B. nhd. sch für [J1], etc.). Die Zahl der Laute (Phoneme) in den einzelnen Sprachen liegt aber viel höher, so hat z. B. das Französische 42 Phoneme, das Italienische 26 (siehe § 64). Von den 26 Buchstaben des lateinischen Alphabets werden im Italienischen 21 Zeichen regelmäßig verwendet, j nur in einzelnen Fällen (siehe § 69 A) und k, w, x,j nur in Fremdwörtern.
20, 21
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20 Die heutige Orthographie Allein aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, daß zwischen der Orthographie, die in ihren wesentlichen Zügen aus dem 14. und 15. Jh. stammt, und der Aussprache keine klaren Beziehungen herrschen können. Man hat immer wieder versucht, diesem Umstand durch Änderung des orthographischen Systems abzuhelfen und ein ideales Verhältnis zu schaffen, in dem jedem Buchstaben ein Laut und jedem Sprachlaut ein Buchstabe entspricht, der dann den Funktionswert des Lautes wiedergäbe. Aber einschneidende Änderungen, wie sie notwendig wären, würden heute zu einer Kette von unübersehbaren Folgeerscheinungen führen, die das gesamte wirtschaftliche und kulturelle Leben des Landes zunächst gewiß schwer erschüttern würden. Begrenzte Änderungen wurden und werden immer wieder vorgeschlagen, aber bis eine solche Änderung beschlossen wird und bis sie sich dann auch durchgesetzt hat, vergehen lange Zeiträume. Oft findet eine solche Änderung auch gar nicht den richtigen Anklang, wie z. B. die von der Crusca tolerierte Schreibung -j für -ii am Wortende in Pluralformen (studj, principj)-, heute ist man längst dazu übergegangen, einfache -i zu schreiben {studi, principï) ohne Rücksicht darauf, daß man principi ( < principio) und principi ( < principe) im Schriftbild verwechseln könnte. Der Zusammenhang gibt genügend Aufschluß über die Bedeutung des Wortes, während beim Sprechen die Betonung ja ohnehin verschieden ist (vgl. auch § i22f.). Anm. : Der Idealzustand eines eindeutigen Verhältnisses zwischen Schreibung und Aussprache könnte nur durch ein neues Alphabet erreicht werden, wie es im Transkriptionssystem der Association Phonétique Internationale geschaffen wurde. In dem offiziellen Publikationsorgan der API, in der Zeitschrift Le Maître phonétique, werden die Beiträge der Autoren in diesem phonetischen Alphabet gedruckt. 21 Orthographische Eigentümlichkeiten Für das Italienische sei auf folgende orthographische Eigentümlichkeiten hingewiesen: Buchstaben als graphische Zeichen ohne Lautwert : i nach c, cc, g,gg, sc, vor a, 0, u; es kennzeichnet lediglich die palatale Aussprache [(t)tf, (d)d 3 , J]; h nach c, cc, g, gg, sc, vor e, i; es kennzeichnet lediglich die Aussprache als Verschlußlaut [(k)k, (g)g, sk]. Über weitere Fälle von h als graphisches Zeichen siehe §110.
§22 Mehrere Buchstaben ch, cch, gh, ggh sei + a, o,u ci, ccì + a, o, u gh ggi + a,o,u gl gn
für einen Laut: [k, kk, g, gg] M W, ttf] [d 3) dd 3 ] [X], fallweise auch [gl] [ji], fallweise auch [gn]
Ein Buchstabe für mehrere Laute : e [e] oder [e] o [o] oder [o] s [s] oder [z] Z, zz [ t s ] °der [dz] oder [tts] oder [ddz] i [i] oder [j] u [u] oder [w] n, m . [n] oder [m] oder [q] oder [rrj] 22 Die Entwicklung der heutigen Orthographie In diesem Zusammenhang sei ein Exkurs in die Geschichte der italienischen Orthographie und ein Uberblick über ihre Reformbestrebungen gestattet. Diese Reformbestrebungen sind heute aktueller denn je, denn in dem Maße, wie die Nationalsprache an Boden gewinnt, wird auch das Interesse an einer einheitlichen und konsequenten Orthographie größer. Ein großes Verdienst kommt dabei der von B. MIGLIORINI herausgegebenen Zeitschrift Lingua Nostra zu, die in ihrem normativen Teil ständig Möglichkeiten diskutiert, den Inkonsequenzen und Mängeln der italienischen Rechtschreibung beizukommen. Es handelt sich dabei vor allem um folgende Probleme: a) eindeutige Kennzeichnung, wann ejo offen oder geschlossen gesprochen werden; b) eindeutige Kennzeichnung, wann s/z stimmhaft oder stimmlos gesprochen werden; c) eindeutige Kennzeichnung der betonten Silbe im Wort; d) einheitliche Verwendung verschiedener diakritischer Zeichen, wie Akzente, Apostroph, Trema usw.; e) Schreibung poetischer Formen mit Elision ganzer Silben; f ) Inkonsequenz der Schreibung der Komposita, etwa soprattutto - sopratensione; einmal wird die syntaktische Verdoppelung sichtbar, das z. Mal nicht; g) Schreibung der Plurale auf -da und -gia.
23, 24
3*
23
Die italienische Orthographie bis zum 15. Jahrhundert basiert auf den Schreibgewohnheiten, wie sie aus der Tradition der sizilianischen Dichterschulen hervorgegangen sind, deren Sprache ein mit Provenzalismen durchsetztes Sizilianisch war. Darüber hinaus enthielt sie zahlreiche Siglen und Abkürzungsformen, die den lateinischen Schreibgewohnheiten entsprachen, ferner etymologisierende Züge, wie sie zur Zeit des Humanismus üblich wurden. Die wichtigsten Eigenheiten sind folgende: h erhalten im Anlaut und in griechischen Buchstaben, aber nicht gesprochen : havendo, philosophia c in Wörtern wie facto; auch falsch etymologisierend z. B. combactono t anstelle von ^ im Hiat: natione, iustitia J für s u als einziges Zeichen für u und v: uaso, uomo\ vielfach wurde ein h vor ein vokalisches u im Anlaut gesetzt, falls dieses im Hiat stand: huomo Keine Akzente, keine Majuskeln, kaum Interpunktion. ~ auf einem Vokal war die Abkürzung für ein folgendes n: quädo p Abkürzung für per: pfecto q Abkürzung für que: qsto e/ stand für é Artikel, unbetonte Pronomina und Präpositionen wurden mit dem Bezugswort verbunden: ilprimo, unuaso, fipoteva
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Sehr bald erkannte man, daß das lateinische Alphabet nur sehr mangelhaft die Laute der italienischen Sprache schriftlich symbolisierte. Unter den theoretischen Schriften, die sich mit den Problemen der Orthographie auseinandersetzen und auch eine Reform vorschlagen, sind vor allem zu nennen: Im 16. Jh. GIANG10RG10 TRissiNO, Epistula de le lettere nuovamente aggiunte ne la lingua italiana (Venedig 1524): (T. will durch neue Buchstaben [es, 0-0, s-%, ts-d%\ auseinanderhalten. Er hat auch DANTES De vulgari eloquentia ins Italienische übersetzt und verwendet bei dieser Übersetzung seine neue Orthographie), LIONARDO SALVIATI, Delle lettere e dell'ortografia (Florenz 1586): (S. verwendet anstelle der üblichen 21 Zeichen 32 Buchstaben bei seinen Reformvorschlägen). GIANFRANCESCO GIAMBULLARI versuchte den zweifachen Charakter der Buchstaben e, 0, s, £ durch Zeichen an den Buchstaben deutlich zu machen; für [j] wollte er i ohne i-Punkt setzen; v sollte für [w] stehen; die Betonung sollte durch Akzente geregelt werden. Die Genannten verfügten über erstaunliche Kenntnisse des Lautbestandes; so erkannte z.B. TRISSINO genau den halbvokalischen Charakter des u
§24
33
und j in gewissen Stellungen. Gegen die Reformvorschläge TRISSINOS haben sich vor allem die florentiner Gelehrten gewehrt - TRISSINO stammte aus Vicenza - , z. B. CLAUDIO TOLOMEI und später auch die Crusca. Florenz beanspruchte für sich allein das Recht, die Sprache zu verbessern und ihr Regeln zu geben. Aus dem 17. Jh. stammen die Reformversuche BENEDETTO BUONMATTEIS (Della lingua toscana, Florenz 1643), DANIELLO BARTOLIS grattato dell'ortografia italiana, Bologna 1670). Später sind noch RAFFAELLO FORNACIARI und RICARDO LOVERA zu nennen, die 31 bzw. 28 Laute unterschieden und eine brauchbare praktische Grundlage für die graphische Darstellung der Laute ausarbeiteten. Im 19. Jh. haben GIOVANNI GHERARDINI {Appendice, 1847 bis 1850) und vor allem GIUSEPPE RIGUTINI {L'unità ortografica della lingua italiana, Firenze 1885) versucht, das Problem einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Eine Zusammenfassung bietet F . Z A M B A L D I Delle teorie ortografiche in Italia (Venezia 1892). Mit den Bemühungen Rigutinis hatten die Reformbestrebungen ein vorläufiges Ende erreicht, was aber nicht heißt, daß alle Probleme gelöst waren. Es blieben praktisch alle Fragen nach wie vor offen. Einen ersten, entscheidenden Vorstoß in unserem Jahrhundert machte GIUSEPPE MALAGOLI, der mit der Einführung von Akzenten versuchte, Tonsilbe, offene oder geschlossene Qualität des e\o zu bezeichnen, und zwar bezeichnet er mit dem accento grave Q die Tonsilbe und bei e und 0 die offene Qualität, mit dem accento acuto (') bei e und 0 die geschlossene Qualität. Diese Vorschläge, zu denen auch zahlreiche Abänderungsvorschläge u.a. auch von CAMILLI und MIGLIORINI gemacht wurden, haben sich aber nicht als Norm durchgesetzt, vielleicht auch deshalb nicht, weil man sich eben lange Zeit nicht einig war, ob das Florentinisch/Toskanische oder das Römische als Normaussprache anzuwenden sei. Anm. 1: Literaturangaben:
G. MALAGOLI II Problema degli accenti nell'ortografia DERS. Intorno al problema degli accenti grafici ; A . CA MILLI Intorno al problema degli accenti grafici; DERS. Per un sistema d'accenti in italiano; DERS. Pronuncia § 7 7 - 7 9 ; MIGLIORINI Lingua contemporanea 62-63 ;
italiana;
spricht sich in seinem Wörterbuch auch für die Einführung der Akzente aus. Anm. 2: Nach CAMILLI (Pronuncia 1 1 7 ) gelten heute folgende Regeln: Der Akzent muß gesetzt werden: a) bei mehrsilbigen, auf der letzten Silbe betonten Wörtern (parole tronche) : virtù, parlò, perchè ; PANZINI
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b) bei einsilbigen Wörtern wie chiù, ciò, diè, giù, piè; c) bei den Wörtern: dèi (Götter), dì (Tag), fè (Glaube), fà (J = f), rè (J = d), tè (Tee), se (sich), dà (er gibt), dai (gib, du gibst), è (ist), là (dort), lì (hier), sì (ja, so), che (auch in poiché, giacché, affinché, né (nicht). Es handelt sich dabei also um Wörter, die man mit Hilfe des Akzentzeichens von anderen Wörtern unterscheidet, die gleich geschrieben werden. Solche Wörter nennt man Homographen: si = sich, man, sì = ja, so; là = dort, la = best. Artikel; usw. Vgl. auch DEI I (1955), 44 unter Accento. Fakultativ kann er als accento fonico gesetzt werden, um die Qualität des e oder 0, und die Stelle der Tonsilbe im Wort zu bezeichnen : paròla [D], sono [o], quésto [e], ripètere [e], principi, principi. Um die stimmhafte oder stimmlose Aussprache von s und % zu bezeichnen, wurden verschiedene Systeme verwendet, etwa die Kennzeichnung durch darüber- oder daruntergesetzte Punkte u. ä. m., durch den Gebrauch neuer Zeichen wie J für [z] und 3 für [dz]. Für -ii, das bei der Bildung der Pluralform von Wörtern, die auf -io enden, entsteht, wurde vorgeschlagen, in mehrsilbigen Wörtern -j oder i zu schreiben. Die ^'-Schreibung wurde zwar von der Crusca anerkannt, hat sich aber ebensowenig wie die Schreibung mit dem Zirkumflex durchgesetzt. In mehrsilbigen Wörtern schreibt man heute -i, z. B. notai (pi. von notaio), vari (pi. von vario). Anm. i : Über den Buchstabenj vgl. auch die Diskussion in LN1 und 2 ; ferner die Anmerkungen CAMILLIS in Pronuncia 59. Für die Plurale der weiblichen Hauptwörter auf -eia und -gia wurde noch keine endgültige Regelung getroffen. Anm. 2 : Vgl. dazu B. MIGLIORINI II plurale dei nomi in -eia, -gia; La grafia dei nessi palatali.
A. CA-
MILLI
Es hat bisher auch nicht an Versuchen gefehlt, Systeme einer reformierten Orthographie in die Praxis umzusetzen, so etwa hat L. POLACCO Dantes Divina Commedia in einem testo ortofonico herausgegeben, wobei er dem System Malagolis folgend die Tonstelle, die Qualität der e und 0 bezeichnet. In dem Buch zu dem schon mehrfach erwähnten Córso di pronùncia italiana verwendet P.FIORELLI eine Orthographie, die den Anforderungen einer exakten Kennzeichnung der Aussprache entspricht. Er bezeichnet die Qualität von e und 0 und die Tonsilbe durch Akzente, für [z] setzt er J und für [dz] das Zeichen 3. Außerdem wird die syntaktische Verdoppelung durch einen Bogen von Wort zu Wort unter der Zeile angedeutet. F. betont jedoch ausdrücklich, daß er damit die Orthographie nicht reformieren will, sondern er will lediglich dem besseren Verständnis dienen.
§§ 26, 27
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In der Poesie finden sich noch zahlreiche Sonderschreibungen. So wird * dafür verwendet, fehlende Silben in poetischen Formen zu bezeichnen, z. B. tä = tali, corre = cogliere, ferst = sifecero. Es sind also heute keineswegs alle Inkonsequenzen der italienischen Orthographie beseitigt und alle ihre Probleme gelöst, ja in mancher Hinsicht stehen wir genau dort, wo Trissino stand, als er seine Reformen vorschlug. Anm.: Zur Geschichte der ital. Orthographie:
GOTTFRIED HART MANN Zur Geschichte der ital. Orthographie (bis B. MIGLIORINI Le proposte trissiniane di riforma ortografica; p. FIORELLI Gianfrancesco Giambullari e la riforma dell'alfabeto.
etwa 1900);
Zu den allgemeinen Problemen der italienischen Orthographie: Pronuncia, passim (Dieses Werk bietet den jetzt gültigen Stand); ders. Ortografia poetica; ders. Uapostrofo ; ders. Ancora altri apostrofi; M. PORENA Per una piü esatta descri^ione det suoni consonantici italiani. Vgl. auch die allgemeinen Bemerkungen zur Orthographie in den Grammatiken von MIGLIORINI, REGULA-JERNEJ, u.a.
A.CAMILLI
§ 26 Die internationale Lautschrift Da in keiner Sprache die Aussprache eindeutig aus der herkömmlichen Schreibweise hervorgeht, werden in Lehr- und Wörterbüchern immer wieder Aussprachehinweise gegeben. Die Zahl der dabei verwendeten Systeme ist Legion und die Kennzeichnung der Aussprache variierte, besonders früher, beinahe von Buch zu Buch. Das heute wohl am weitesten verbreitete und anerkannte System ist das von Paul Passy entworfene Transkriptionssystem der Association phonetique internationale (API), bei dem im allgemeinen jeweils ein Zeichen für einen Laut (ein Phonem) steht, d.h. es wird die Realisierungsnorm (siehe § 36, 39) angegeben. Ausgenommen sind die Zeichen für die AfFrikäten, bei denen sich zwei Zeichen für einen Laut eingebürgert haben (vgl. § 55). Realisierungsvarianten werden im allgemeinen nicht bezeichnet. Bei der Transkription des Italienischen ist es allerdings üblich, bei den Phonemen /n/ und /m/ auch die beiden Realisierungsvarianten [rrj] und [q] anzugeben, doch geschieht dies immer mit dem besonderen Hinweis darauf, daß es sich dabei um keine eigenen Phoneme handelt. § 27
Das System der API, auch «Internationale Lautschrift» genannt, wird heute allgemein verwendet (so z.B. auch in den neuesten Auflagen der
36 Wörterbücher des Langenscheidt-Verlags, der ja lange Zeit hindurch sein eigenes System bewahrte). Auch im vorliegenden Buch finden die Zeichen der API Verwendung. Jede phonetische Transkription wird zur deutlichen Unterscheidung von der normalen Schreibung in eckige Klammern gesetzt. In der Folge wird eine Übersicht jener Zeichen der internationalen Lautschrift gegeben, die für das Italienische in Betracht kommen. Zeichen für Vokale: [i] [e] [e] [a] [D] [0] [u]
wie in cht [ki] wie in sede [se:de] wie in re [rs] wie in ma [ma] wie in nono [no:no] wie in corso [korso] wie in mulo [mu:lo]
Zeichen für Halbvokale [j] [1] [w] [u]
wie in piede [pjeide] wie in mal [ma:i] wie in quattro [kwattro] wie in causa [kau :2a]
Zeichen für Nasale [m] wie in mulo [mu:lo] [n] wie in nono [no:no] [ji] wie in campagna [kampajvpa] Realisierungsvarianten ohne Phonemcharakter im Italienischen: [q] in vor g, k) wie in anche [arjke] [rr)] (« vor v , f ) wie in ninfa [niirjfa] Zeichen für Laterale [1] [Ä]
wie in lama [la:ma] wie in gli [Äi]
Zeichen für r- (Schwing-)Laute [r]
wie in raro [rairo]
§27
Zeichen für Engelaute [f] [v] [s] [z] [J]
wie wie wie wie wie
in fatto [fatto] in vivo [vi:vo] in sasso [sasso] in rosa [ro:za] in scena [Jeina]
Zeichen für Affrikaten [ts] [dz] [tfl [d3]
wie in cal^o [kaltso] wie in %ero [dzs:ro] wie in ci [tfi] wie in agio [a:d3o]
Zeichen für Verschlußlaute [p] [b] [t] [d] [k] [g]
wie wie wie wie wie wie
in padre [paidre] in bene [beine] in tutto [tutto] in dato [da:to] in casa [ka:sa] in gatto [gatto]
Die Länge eines Vokals wird durch einen Doppelpunkt hinter dem Vokal bezeichnet, lange Konsonanten («Geminaten») durch Verdoppelung des Lautes (z. B. fatto [fatto]), bei Affrikaten wird nur der Verschlußlaut verdoppelt (z. B. oggi [Ddd3Ì]). Die Betonung wird durch 1 vor der zu betonenden Silbe angegeben (z. B. ancora ['aqkora] >Anker< oder [aq'ko:ra] >noch 3i
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§ 30 Der Stimmton Der zur Bildung der stimmhaften Laute nötige Stimmton entsteht dadurch, daß bei geschlossenen Stimmlippen der subglottale Druck zunächst mäßig verstärkt wird, wodurch der Verschluß gesprengt wird. Die dadurch entstandene Druckverminderung bewirkt aber, daß die Stimmlippen sich wieder schließen können. Dieses abwechselnde Sprengen und Schließen der Stimmlippen erfolgt in sehr raschen Abständen, und die vorbeiströmende Luft wird dadurch in Schwingungen versetzt. Der Stimmton ist also eine zunächst völlig neutrale Luftschwingung, die an den Stimmlippen erzeugt wird. Sie spielt auch bei der Intonation eine wichtige Rolle. Die sogenannte Flüsterritze besteht aus einem kleinen Spalt, durch den die Luft zur Lautbildung in das Ansatzrohr gelangen kann. Diese Ritze wird während des Flüsterns nicht verändert. Deshalb gibt es beim Flüstern auch keinen Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Lauten. Anm. 1: Die bezüglich des Entstehens des Stimmtons vertretene Ansicht entspricht den Darlegungen bei VON ESSEN. Andere Theorien sind: Die ausströmende Luft versetzt die Stimmlippen in Schwingungen (mechanische Theorie), bzw. das Vibrieren der Stimmlippen ist eine neuromotorische Erscheinung, die die Luft in Schwingungen versetzt. Vgl. dazu R.HUSSON Comment vibrent nos cordes vocales. Anm. 2: Von den Phonologen wurde die Frage aufgeworfen, ob die Phonetik angeben könne, in welchen Fällen ein Laut stimmlos oder stimmhaft sei. Denn vor allem müsse durch die Phonologie festgestellt werden, ob die Stimmhaftigkeit ein Kennzeichen des betreffenden Lautes, also ob sie phonologisch relevant sei. Umgekehrt allerdings muß sich die Phonologie erst durch die Phonetik bestätigen lassen, daß der betreffende Laut stimmhaft ist, was sich gewiß durch wiederholtes Beobachten und Aufzeichnen erkennen läßt. Dazu: VON ESSEN Phonetik 47t. Anm. 3: Wird ein Laut stimmhaft gesprochen, so kann man das sehr einfach auf zwei Arten nachprüfen. Wenn man einen Finger an den Kehlkopf legt, so spürt man beim Sprechen eines stimmhaften Lautes ganz deutlich das Vibrieren der Stimmlippen, das sich auf den ganzen Knorpelbau des Kehlkopfs überträgt. Die zweite Methode besteht darin, daß man sich die Ohren zuhält. Man kann dann sehr klar im Kopf Resonanzen der vibrierenden Stimmlippen wahrnehmen. Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man abwechselnd stimmhafte und stimmlose Laute spricht. § 3 1 Der Weg des Phonationsstroms Der Rachen-, Nasen- und Mundraum Hat der Phonationsstrom den Kehlkopf passiert - entweder mit oder ohne Erzeugung von Stimmton - so gelangt er in den Rachenraum. Auf
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§3i
seinem weiteren Wege stößt er zunächst auf das Gaumensegel (Velum) mit dem daranhängenden Gaumenzäpfchen (JJvulä). Ist das Gaumensegel gehoben - in dieser Stellung verschließt es den Eingang zum Nasenraum gelangt der Phonationsstrom nur in den Mundraum: es entstehen orale Laute. Ist das Gaumensegel gesenkt, gelangt der Phonationsstrom in den Mund und Nasenraum: es entstehen nasalierte Laute (z.B. die sog. Nasalvokale im Französischen). Wird bei gesenktem Gaumensegel im Mundraum ein Verschluß gebildet, d.h. entweicht der Phonationsstrom nur durch den Nasenraum, entstehen nasale Laute. Während der Nasenraum in seinem Volumen und in seiner Gestalt unveränderlich ist, kann der Mundraum durch die starke Wandlungsfähigkeit der Mundorgane theoretisch eine unendliche Zahl von Gestalten annehmen und damit unendlich viele Laute bilden. Anm.: Der hier beschriebene Vorgang gilt für Ejektive, d.h. Laute, die mit ausströmender Luft gesprochen werden, wie sie in den europäischen Sprachen beim normalen Sprechen üblich sind. Bei Injektiven kehrt sich der Vorgang um. Das Strömen der Luft wird durch einen Unterdruck im subglottalen Raum (d.h. durch Einatmen), die verschiedenen Laute durch Die Zahlen in diesem schematischen Längsschnitt bedeuten: i) Lippen (Labia) 2) Zähne (Dentes) 3) Zahndamm oder Zahntaschen (Alveoli) 4) Harter Gaumen (Palatum durum) 5) Weicher Gaumen und Gaumensegel (Palatum molle und Velum palatinum) 6) Zäpfchen (Uvula) 7) Zunge (Lingua oder Glossa) 8) Mundraum (Cavum oris) 9) Rachenraum (Pharynx) 10) Kehldeckel (Epiglottis) 1 1 ) Nasenraum (Cavum nasale) 12) Stimmlippen (oder Stimmbänder) mit der Stimmritze (Glottis) 13) Luftröhre (Trachea) 14) Speiseröhre (Oesophagus) 15) Passavantscher Wulst
Abb. 3: Die Sprechwerkzeuge (nach MARTENS)
§ § 32> 3 3
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eine Variation der Ansatzräume und der an der Lautung beteiligten Organe erzeugt. Vom Strömen der Luft unabhängig sind die sogenannten Schnalze oder Schnalzlaute, wie sie im Buschmännischen und Hottentottischen zu beobachten sind. §32 Einteilung und Beschreibung der Laute Der Einfachheit und der besseren Verständlichkeit halber pflegt man die Laute, deren Entstehen wir jetzt kennen, nach gewissen gemeinsamen Gesichtspunkten einzuteilen. Man kann sie akustisch, d.h. nach ihren physikalischen Eigenschaften beschreiben, doch wird es für Lehr- und Lernzwecke weniger bedeutend sein, über Frequenz, Amplitude, Oberschwingungen etc. eines Lautes genau Bescheid zu wissen. Wichtiger erscheint eine genaue Kenntnis der Art ihres Entstehens, ihrer Bildung, ihres Hervorbringens und auch ihrer Aufnahme (Apperzeption). Man gibt dazu genau an, wie, wo und womit ein Laut gebildet wird. Nach diesen Kriterien kann man die Laute dann auch in gewisse Gruppen einteilen, die gemeinsame Eigenschaften aufweisen. Ich folge dabei im wesentlichen den Angaben O. von Essens, weil seine Beschreibung mir als die derzeit beste und übersichtlichste Einteilung erscheint. Einige kleine Ergänzungen und Änderungen habe ich dort vorgenommen, wo es mir nötig erschien. Für die Vokale (Definition siehe § 37) gilt es bei der Beschreibung, die genaue Mund- ( = Kiefer)-, Lippen-, und Zungenstellung festzuhalten. Bei den Konsonanten muß man angeben, welche Organe in welcher Weise bei der Lautbildung beteiligt sind. Für beide Gruppen gelten die Angaben über die Dauer und Stärke (siehe § 46, 50). § 33
Aus dem Rachenraum gelangt der Phonationsström in den Mund- oder Nasenraum oder in beide. Während der Nasenraum, wie bereits erwähnt, unveränderlich ist, können im Mundraum mannigfache Veränderungen einen differenzierten Klangcharakter des Lautes bewirken, und zwar 1) durch Senken des Unterkiefers kann der Resonanzraum wesentlich vergrößert werden, 2) die zahlreichen Muskeln der Zunge können dieser die verschiedensten Formen geben, 3) die Lippen können auseinandergezogen, vorgestülpt, gerundet, an die Zahnschneiden angelegt oder geschlossen werden. Jede auch nur geringfügige Veränderung eines dieser Gestaltungsfaktoren ruft bereits eine Veränderung im Lautcharakter hervor. Es hängt dabei vom Sprachempfinden der Sprachgemeinschaft ab, wie groß diese Abweichung von der Norm sein darf, ohne daß bereits eine neue Lautempfindung entsteht, also ein anderer Laut gehört wird.
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§ 34 Die Lautbeschreibung Kriterien der Lautbeschreibung Um einen Laut exakt zu beschreiben, muß man fünf Angaben machen, und zwar: 1. die Artikulationsstelle: d.i. jene (eher feste) Stelle, an der der Laut artikuliert wird; 2. das artikulierende Organ: d.i. jenes (eher bewegliche) Organ, mit dem der Laut artikuliert wird; 3. den Artikulationsmodus: d.i. die Art und Weise, in der der Phonationsstrom durch ein, bzw. kein Hindernis ( - das von Artikulationsstelle und artikulierendem Organ gebildet wird - ) behindert wird; 4. den Überwindungsmodus: d.i. die Art und Weise, in der das Hindernis überwunden wird; 5. die Beteiligung (oder Nichtbeteiligung) des Stimmtons.
1) An Artikulationsstellen unterscheidet man: Artikulationsstelle:
lat. bzw. deutsche Bezeichnung des Lautes:
Labiale / Lippenlaute Oberlippe Schneidezähne Dentale (Post-, Ad-)/Zahnlaute Zahndamm der Schneidezähne Alveolare Harter Gaumen (vorderer, Palatale (Prae-, Medio-, Post-) / Gaumenlaute mittlerer, hinterer) Velare Weicher Gaumen (Gaumensegel) Gaumenzäpfchen Uvulare/Zäpfchenlaute Rachen Pharyngale/Rachenlaute Kehlkopf Laryngale/Kehl(kopf)laute
2) An artikulierenden Organen unterscheidet man: artikulierendes Organ: Unterlippe Zungenspitze (-saum) Zungenoberfläche (vordere, mittlere, hintere) Stimmlippen
Bezeichnung des Lautes: Labiale/Lippenlaute Koronale/Zungenspitzenlaute Dorsale (Prae-, Medio-, Post-)/ Zungenrückenlaute Laryngale/Kehlkopflaute
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3) An Artikulationsmodi unterscheidet man: Öffnung:
Oral - der Phonationsstrom streicht ohne wesentliche Behinderung durch den Mundraum aus. Nasal - der Phonationsstrom streicht bei gesenktem Gaumensegel und einem Verschluß im Mundraum nur durch die Nase aus. Nasaliert - der Phonationsstrom streicht bei gesenktem Gaumensegel durch Mund- und Nasenraum aus. Enge: Das artikulierende Organ bildet mit der Artikulationsstelle eine Enge, so daß der Phonationsstrom behindert und beim Durchstreichen ein Geräusch hörbar wird. Lateralenge: Die Zunge liegt in der Mittellinie des Gaumens an; an einem oder an beiden Rändern (uni- oder bilateral) bildet sie mit den Backenzähnen eine Enge. Verschluß: Das artikulierende Organ bildet mit der Artikulationsstelle einen Verschluß. Der Phonationsstrom kann erst nach Lösen (Sprengen) des Verschlusses passieren. Unterbrochener Verschluß: In rascher Folge wechseln Schließen und Öffnen (Sprengen), wobei entweder das artikulierende Organ (meist die Zungenspitze) oder die Artikulationsstelle (meist das Zäpfchen) in Flatter- oder Schwingbewegungen geraten. 4) Überwindungsmodi: Die unter 3) genannten Hindernisse - beim Artikulationsmodus Öffnung ist ja kein Hindernis zu überwinden - können entweder inspiratorisch (mit einströmender Luft), im Normalfall jedoch expiratorisch (mit ausströmender Luft) überwunden werden. Das kann auf folgende Weise geschehen: durch Reibung bei Enge und Lateralenge durch Sprengen bei Verschluß durch Flattern, Schwingen, Rollen bei unterbrochenem Verschluß. Meist allerdings erübrigt sich die Angabe des Überwindungsmodus, da aus der Angabe des Artikulationsmodus bereits hervorgeht, wie das Hindernis überwunden wird; also z.B. ein Verschluß durch Sprengen. Artikulations- und Überwindungsmodus stehen in sehr engem Zusammenhang und sind voneinander abhängig.
§35
45
5) Stimmtonbeteiligung: Jeder Laut kann mit oder ohne Beteiligung des Stimmtons gebildet werden, es entstehen stimmhafte oder stimmlose Laute. Öffnungslaute können nur mit Beteiligung des Stimmtons gebildet werden, denn die ausströmende Luft allein passiert bei einem Öffnungslaut ohne Behinderung, also auch ohne Geräusch, den Mundraum und kann, da sie keine Luftschwingung enthält, auch nicht geformt werden. Erst die zunächst neutrale Luftschwingung, die wir als Stimmton bezeichnen, ermöglicht es dem Zusammenwirken der verschiedenen Organe im Mund, diese Schwingung zu gestalten und so einen Laut mit einem bestimmten Klangcharakteristikum zu erzeugen. Anm.: Beispiele für Lautbeschreibung, [t] = stimmloser, oraler, addental-koronaler Sprenglaut [m] = stimmhafter Nasallaut mit bilabialem Verschluß [r] = (Italienisches r) alveolar-koronaler stimmhafter Schwinglaut ( = Zungenspitzen-r) [s] = alveolar (präpalatal)-prädorsaler stimmloser Engelaut. § 3 5 Physikalische Beschreibung der Laute Als physikalische Erscheinungen können die Laute auch nach ihrer Dauer, ihrer Lautstärke (Amplitude) und ihrer Tonhöhe (Frequenz) mit Hilfe elektroakustischer Apparate beschrieben werden. Auch die komplizierte Erscheinung der Klangfarbe (besonders wichtig bei Vokalen) kann auf diese Weise exakt erfaßt werden. Sprachlich sind exakte Daten über Dauer und Stärke eines Lautes nur von beschränkter Bedeutung. Diese Angaben gewinnen erst an Gewicht, wenn man sie in Beziehung zu den Nachbarlauten setzt. Es ist also nicht die absolute Länge oder Intensität eines Lautes ausschlaggebend, sondern nur das Verhältnis zu den Nachbarlauten oder zu Lauten in vergleichbarer Stellung. Anm. i: Man kann experimentalphonetisch beweisen, daß sogenannte «lange Laute» in ihrer absoluten Dauer gemessen in bestimmten Stellungen kürzer sind, als sogenannte «kurze Laute» (vgl. dazu VON ESSEN Phonetik 1 3 9 ff.). Anm. 2: Die Tonhöhe ist in den meisten europäischen Sprachen (mit Ausnahme des Schwedischen) nicht bedeutungsträchtig, sondern lediglich ein Stilmittel, wohl aber in den sogenannten Tonhöhesprachen (z.B. Chinesisch), wo dasselbe Wort in verschiedenen Tonhöhen gesprochen, verschiedene Bedeutung haben kann. Vgl. dazu VON ESSEN Phonetik 15 5 f.; BRANDENSTEIN Einführung 25 f.
§§ 36, 37
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A.nm. 3: Es wird von Sprache zu Sprache festzustellen sein, ob und inwieweit Dauer, Stärke und Tonhöhe phonologisch relevant sind. Für das Italienische siehe § 46, 50, 1 i2ff., i4of. § 3 6 Lautphasen Wenn man einen Laut bildet, kann man deutlich drei Phasen voneinander unterscheiden: eine Eingangs-, eine Mittel- und eine Ausgangsphase, auch als Anglitt, Mittelphase und Abglitt bezeichnet. Für das Verstehen entscheidend ist die Mittelphase, denn sie enthält alle charakteristischen Eigenschaften des Lautes. An- und Abglitt ändern sich häufig je nach den benachbarten Lauten. In ihnen klingt der vorhergehende Laut noch nach und der folgende bereits an. Sie sind die bei kontinuierlichem Ineinanderübergehen einzelner Laute während der sprecherischen Realisierung eines Wortes oder Satzes notwendigen Übergangsphasen. Entscheidend für die Bildung und Aufnahme eines Lautes ist immer die Mittelphase. Sie ist die sprecherische Norm (Realisierungsnorm), die wohl individuelle Unterschiede zuläßt, in ihren distinktiven Merkmalen aber gleichbleibt (vgl. auch die Definition des Phonems § 38). § 37 Vokal - Konsonant Die Laute einer Sprache teilt man in herkömmlicher Art in Vokale und Konsonanten ein. Eine Übersetzung und zugleich Definition wäre Stimmlaute oder Öffnungslaute und Geräuschlaute, doch ist diese Definition phonetisch nicht eindeutig, denn z. B. auch m, «, l sind reine Stimmlaute, aber keine Vokale. Sie können, wie z. B. in manchen slawischen Sprachen, Vokale nur ersetzen. Die Bezeichnung Öfihungslaut ist deshalb unzulänglich, weil z.B. das Palatogramm1) für i deutliche Berührungsflächen zwischen Gaumen und Zunge zeigt. In der 3. Auflage seines Buches gibt VON ESSEN folgende, wie er sagt endgültige, rein phonetische Definition eines Vokals (Phonetik 72): «Vokale sind Öffnungslaute, zu deren Klangfarbengestaltung die Resonanz der Ansatzräume wesentlich ist, ohne Berührungsfläche in der Mit*) Um ein Palatogramm anzufertigen, wird der Versuchsperson (Vp) eine mit Kreide bestäubte künstliche Gaumenplatte eingesetzt. Dann spricht die Vp einen Laut, und aus dem Kreiderest kann man auf die Berührungsfläche zwischen Zunge und Gaumen schließen.
§ 3«
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tellinie des Gaumens, sofern sie prosodische Wortmerkmale tragen (Hervorhebung, ausdrucks- oder bedeutungsträchtigen Ton).»1) Von der Phonologie her kann man von einem Vokal sagen, daß er immer «Träger eines phonologisch oder expressiv relevanten prosodischen Merkmals» ist (G. E. A R N O L D ) . Alle anderen Laute sind Konsonanten.
ALLGEMEINE PHONOLOGIE § 38 B e s c h r e i b u n g der wichtigsten Begriffe
Mit Hilfe der Phonetik und der zahlreichen ihr zur Verfügung stehenden Apparate und Beschreibungsmethoden kann man feststellen, was für Laute es in einer Sprache gibt. Die Phonologie hat nun die Aufgabe, herauszufinden, welche dieser Laute in der Sprache eine distinktive Funktion ausüben, d. h. welche Lautformen als Lautnormen anzusehen sind und kraft dieser Eigenschaften für ein Wort bedeutungskonstituierend werden. Diese Lautnormen bezeichnet man als Phoneme.
Um festzustellen, ob eine Lautform auch ein Phonem ist, muß man Wörter vergleichen, die einander ähnlich sind, ja die sich nach Möglichkeit nur in einem Laut voneinander unterscheiden. Vergleicht man und pesgo, so erkennt man ohne Schwierigkeit, daß es sich bei a und e nicht nur um zwei verschiedene Laute handelt, sondern, da die Bedeutung des Wortes sich mit dem neuen Laut ändert, auch um zwei Phoneme. In diesem Beispiel ist der Unterschied zwischen den Lauten relativ groß - sie unterscheiden sich in mehreren Merkmalen: Lippenstellung, Zungenstellung, Mundöffnung. Vergleicht man inferno und inverno, so fällt auf, daß sich die beiden Wörter, wie übrigens viele andere italienische Wörter auch, nur durch die Stimmhaftigkeit des labiodentalen Reibelauts auseinanderhalten lassen. Die beiden Laute [v] und [f] unterscheiden sich nur in einem Merkmal - der Beteiligung des Stimmtons. Da sich aber die Bedeutung des Wortes ändert, wenn man den einen Laut durch den anderen ersetzt, so kann man sagen, daß die beiden Laute auch Phoneme sind. Vergleicht man den [k]-Laut in collo und chilo oder in casa und chiesa, so x ) Prof. v. ESSEN hat in einer brieflichen Mitteilung den Begriff prosodische Wortmerkmale freundlicherweise dahingehend präzisiert, daß es sich dabei um Eigenschaften des Wortes (nicht des Phonems), handelt, wie z. B. Akzent (im sprachlichen Sinne), Quantität und in manchen Sprachen um relative Tonhöhen (vgl. auch § 38).
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§39
stellt man fest, daß es sich um zwei Laute handelt, denn im jeweils ersten Wort wird ein «velares h>, im zweiten Wort ein «palatales k» gesprochen. Die beiden Laute unterscheiden sich in zwei Merkmalen - der Artikulationsstelle und dem artikulierenden Organ, - aber sie gehören dennoch im Italienischen nur zu einem Phonem /k/, denn es würde sich an der Bedeutung des Wortes collo nichts ändern, wenn man es mit einem «palatalen h> spräche, und auch umgekehrt nicht. Es wäre aber durchaus denkbar, daß in irgendeiner anderen Sprache dieser Unterschied zwischen den beiden kLauten bedeutungskonstituierend ist, d. h. daß es ein Phonem /palatales k/ und ein Phonem /velares k/ gibt. Für das Italienische wie auch für das Neuhochdeutsche sind diese beiden Laute jedoch Varianten (vgl. auch § 39) des Phonems /k/. So wie das Lautsystem jeder Sprache eine gewisse Regelmäßigkeit, eben ein System, zeigt, zeigt auch das Phonemsystem Gemeinsamkeiten für einzelne Phoneme. Man stellt ähnliche Phoneme einander gegenüber - in Opposition - und untersucht, welches Merkmal des Phonems oppositionsbildend ist, z. B. ist zwischen /b/ - /p/, /d/ - /t/, /g/ - /k/ die Stimmhaftigkeit, zwischen /e/ - /e/ und /o/ - /o/ der Öffnungsgrad oppositionsbildend. Oppositionsreihen, die sich nur in einem Merkmal unterscheiden, befinden sich in Korrelation (also z. B. /p-t-k/ und /b-d-g/). Eine Opposition kann in gewissen Stellungen auch aufgegeben, neutralisiert, sein, wie z. B. die Stimmhaftigkeitsopposition der auslautenden Konsonanten im Deutschen: seid und seit werden gleich gesprochen. Uber Einzellaute als distinktive Elemente hinaus gehen Erscheinungen, die sich in einem Wortteil («Silbe») manifestieren. Man nennt sie prosodiscbe Phoneme, Prosodeme oder (vor allem in Amerika) suprasegmentale Phoneme. Man versteht darunter vor allem den Akzent (im sprachlichen, nicht im orthographischen Sinn), die Quantität und die Tonhöhe (Näheres dazu siehe § 62, 103, izzf., 141 ff). § 39 Varianten Da es bei einem Sprecher - ganz zu schweigen von zwei Sprechern kaum vorkommt, daß ein Laut zweimal in völlig identischer Weise gesprochen wird, aber trotzdem immer als ein bestimmter Laut (Phonem) empfunden wird, d. h. in seiner Funktion also gleich bleibt, spricht man von der Realisierungsbreite eines Phonems oder Lauts. Die darin enthaltenen geringfügigen Unterschiede sind also phonologisch und phonetisch nicht gültig. Größere phonetische Unterschiede ohne phonologische Relevanz nennt
§4°
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man Varianten. So ist es z. B. im Nhd. phonologisch irrelevant, ob man ein Zäpfchen-r oder ein Zungenspitzen-r spricht, die beiden [r] und [R] sind Varianten des Phonems /r/. Es ist aber durchaus denkbar, daß in einer Sprache diese beiden Varianten zu Phonemen gehoben - phonologisiert werden, dann gäbe es in dieser Sprache eben zwei r-Phoneme, die man ihrerseits einem Archiphonem //R// zuordnen kann. Im Italienischen kann man beobachten, daß sich die Verschlußstelle des » der Verschluß- oder Engenstelle des folgenden Konsonanten anpaßt; es entstehen auf diese Weise mehrere Laute [n, m, rq, q] - Varianten - , deren verschiedene Artikulation man deutlich wahrnehmen kann, die aber alle zu dem Phonem /n/ gehören. Im Engl, hingegen sind /n/ und /q/ eigene Phoneme (z. B. sin - sing). Wie man sieht, ist es also nötig, von Sprache zu Sprache festzustellen, welche Laute Varianten und welche Laute Phoneme sind. Positionsbedingte Varianten, wiez. B. die oben besprochenen [q, rq] nennt man kombinatorische Varianten. Als individuelle Varianten bezeichnet man Lautungen, die einem Menschen oder auch einer Gruppe eigen sind (also z.B. die dumpfe Aussprache [o] des /a/ im Süddeutschen). Dazu gehören auch pathologisch bedingte Varianten wie z.B. das Lispeln. § 40 Das Phoneminventar Wenn man weiß, welche Mittel der fremden und der eigenen Sprache zur Verfügung stehen, um Bedeutungsinhalte zu übermitteln - daß es sich dabei nicht nur um Laute, sondern auch um Erscheinungen handeln kann, die über das einzelne Phonem hinausgehen, wurde kurz im § 3 8 dargelegt - , dann wird man wertvolle Rückschlüsse auf die Struktur der Sprache ziehen können. Erst aus der Gesamtschau, eben aus dem systematischen Überblick, wird man zu der Erkenntnis gelangen, welche Oppositionsreihen (z.B. stimmhaft - stimmlos, offen - geschlossen, in welcher Position gültig, usw.) der jeweiligen Sprache das charakteristische Gepräge geben. Neben den Phonemen und Prosodemen sind aber auch noch andere Elemente in Betracht zu ziehen, die beim Verstehen von Geprochenem mitwirken. So hilft z. B. der Zusammenhang, der Kontext, entscheidend beim Verständnis mit, denn wie wollte man sonst z. B. jemanden verstehen, der einen Sprachfehler hat. Der Angesprochene korrigiert den Fehler automatisch, bzw. er setzt die richtigen Laute (Phonemwerte) ein. Das gilt auch für das Flüstern und Telefonieren, wo man gewisse Laute nicht voneinander unterscheiden kann (beim Flüstern gibt es ja bekanntlich keine stimmhaften Laute, vgl. § 30).
5°
Ferner hat u.a. auch GUBERINA (Etüde; Son) daraufhingewiesen, wie wichtig die Gestik des Sprechers für den Angesprochenen ist. Sie gibt ihm wertvolle Unterstützung beim Erkennen der Bedeutung eines Wortes oder eines Satzes.
5i
§§ 4i» 42 DAS LAUT- UND PHONEMINVENTAR DES NORMITALIENISCHEN DAS LAUTIVENTAR
§ 41 Allgemeines Die Laute einer Sprache teilt man in herkömmlicher Weise in Vokale, Halbvokale oder Halbkonsonanten und Konsonanten ein (für die Definitionen s. § 37,48). Mit Hilfe der in den § 28 ff. besprochenen Kriterien kann man jeden Laut seiner Bildung nach genau beschreiben. Selbstverständlich muß dabei auch auf Dauer und Stärke der Laute Rücksicht genommen werden, sofern sie ein für den Laut charakteristisches Merkmal sind. Bei der Beschreibung der Laute wird auch immer wieder, aus den bereits genannten Gründen, auf Unterschiede zur Bildung deutscher Laute hingewiesen werden. § 42 Vokale, Beschreibungsmethoden Für die Bildung der Vokale sind grundsätzlich neben der unabdingbaren Beteiligung des Stimmtons drei Komponenten maßgebend: 1. der Öffnungsgrad des Mundes (vongeschlossen bis offen)-, 2. die Stellung der Lippen (vongerundet bis ungerundet [gespreizt]); 3. die Stellung der Zunge (von hoch über mittel bis tief). Um alle theoretisch möglichen Vokale zu erfassen und übersichtlichsystematisch darzustellen, bedarf es demnach eines dreidimensionalen Koordinatenschemas. BRANDENSTEIN und später FORCHHAMMER haben die Vokale im Vokalklot% dargestellt, wobei die Schnittpunkte der Schichtenlinien mit den Quaderkanten - die Kardinalpunkte - den Ort der jeweils idealsten und reinsten Realisierung des Vokals angeben. In einer Sprache wird allerdings kaum je von allen gebotenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. So zählt das Französische z.B. 12 Oral- und 4 Nasalvokale1) (besser «nasalierte» Vokale), das Nhd. 14 vokalische Varianten (allerdings nur 7 Vokalphoneme) und drei Diphthonge. Das Italienische kennt sieben Vokale2). *) Neben dem Vokalklotz für Oralvokale gibt es selbstverständlich auch einen identischen Vokalklotz für Nasalvokale, denn es können alle Vokale oral oder nasaliert gebildet werden. a ) Da die Quantität im Ital. positionsbedingt ist und außerdem den Lautcharakter nicht ändert, bleibt sie in der Zählung unberücksichtigt.
52
§§ 43» 44
Der Realisierungspunkt des Vokals in einer Sprache deckt sich meist nicht mit dessen Kardinalpunkt, und die Realisierungspunkte der einzelnen Vokale wechseln von Sprache zu Sprache. Wie wichtig die Kenntnis dieser Unterschiede ist, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. § 43 Vokalklot% Die zur Gestaltung des Resonanzraums charakteristischen Positionen der Organe sind am Vökalklotz wie folgt abzulesen: Vertikal von oben nach unten: Mundstellung von geschlossen (besser: eng) bis offen Horizontal von links nach rechts: Lippenstellung von breit (gespreizt) bis gerundet Von vorne nach hinten: Zungenstellung von hoch bis tief In der Abb. 4 sind die Realisierungspunkte für das Italienische durch schwarze Quadrate angegeben.
Abb. 4: Vokalklotz (nach
BRANDENSTEIN)
§ 44 Vokaldreieck und Vokalviereck Andere Darstellungsarten der Vokale einer Sprache sind das Vokaldreieck und das Vokalviereck, die man sich allerdings nicht nur zweidimensional, sondern ebenfalls dreidimensional vorstellen muß, da z.B.
§44
53
der dritte Vokalstamm beim Vokaldreieck nicht in derselben Ebene verläuft wie die beiden anderen. Ausgehend vom a als Laut, bei dem alle Organe eine relative Mittel- oder Ruhestellung einnehmen, werden die Vokale auf zwei vom a ausstrahlenden Reihen eingetragen, wobei die Zungenhebung das Kriterium für die fortT schreitende Entfernung von a ist, je nachdem, ob sie mit der Vorder- oder der Hinterzunge gebildet werden, wobei mit zunehmender Entfernung von a in der einen Reihe die Lippen immer stärker gespreizt, in der anderen immer stärker gerundet werden. I ist also der Laut, bei dem die Vorderzunge, u der Laut, bei dem die Hinterzunge am stärksten gehoben ist. Für das Nhd. (und z. B. auch für das Französische) ist allerdings noch eine dritte Reihe notwendig, wo die Vokale eingetragen werden, die bei zunehmender Lippenrundung mit der Vorderzunge bebildet werden. Das Vokalviereck entsteht aus dem Vokaldreieck dadurch, daß man nicht nur von einem «-Laut ausgeht, sondern von einem «hellen» (oder «vorderen», «palatalen») und einem dunklen («hinteren», «velaren») «-Laut. Die folgenden Abbildungen zeigen das Vokaldreieck und das Vokalviereck für das Italienische und das Nhd. Beim Viereck sind neben den Kardinalpunkten, d.h. den Stellen der (abstrakten) «idealen Realisierung eines Lautes», auch die Punkte der Realisierung im Italienischen und Neuhochdeutschen angegeben. Anm.: Die Darstellung der italienischen Vokal/«»& entspricht, wie wir später noch sehen werden, auch der Darstellung der italienischen Vokalpboneme, während im Nhd. Vokal/«»/« und Vokalphoneme keineswegs identisch sind. Hinterzunge gerundet
Vorderzunge tingerundet
u
t
a Abb. 5: Vokaldreieck (ital.)
Vorderzunge ungerundet
Vorderzunge gerundet
Hinterzunge gerundet
Abb. 6: Vokaldreieck (nhd.)
o Kardinalpunkte ® Realisierungspunkte für das Nhd. • Realisierungspunkte fur das Ital.
55
§45
§ 45 Die ital. und nhd. Vokalreihe Wie aus den Abbildungen zu entnehmen ist, umfaßt das italienische Vokalsystem 7 Vokale, und zwar [i-e-e-a-o-o-u]. Das Nhd. weist ein weit ausgeprägteres System auf, wobei lange Aussprache mit geschlossener Qualität und kurze mit offener parallel geht, und zwar [i:-i-e:-e:-e-3-a(:)-D-o:-u-u:-y:-Y-0-ce]1); dazu kommen noch die drei Diphthonge [ae-ao-D0]. Während sich also im Nhd. mit der Länge eines Vokals auch dessen Öffnungscharakter ändert, bleibt im Italienischen ein Vokal, gleichgültig ob lang oder kurz, in seinen klanglichen Eigenschaften unverändert. Es ist also besonders von Deutsch- und Englischsprechenden auf diese Eigenheit speziell zu achten, wie überhaupt die italienischen Vokale sehr rein, d.h. ohne jegliche Nebenklänge gesprochen werden, C A M I L L I sagt (Pronuncia 45), daß die italienischen Vokale ihren typischen Klang haben, wenn sie lang gesprochen werden. Anm.: Im Gegensatz zum reinen Klang der Vokale der italienischen Hochsprache gibt es in den Dialekten viele Mischlaute (s. F I O R E L L I Córso passim). *) M A R T E N S (Phonetik 3 6 ff.) unterscheidet auch beim a-Laut genauer als einem «langen, hinteren» und einem «kurzen, vorderen» a-Laut.
SIEBS
zwischen
§§ 46, 47
56
§ 46 Vokaldauer Wie bereits erwähnt ist die Länge eines Lautes zwar objektiv meßbar, doch kommt in sprachlichen Belangen nur die relative Dauer eines Lautes im Vergleich zu seinen Nachbarlauten oder zu Lauten in vergleichbarer Stellung in Betracht. Italienische Vokale können kurz oder lang sein. Lang sind nur betonte Vokale in offener Silbe, wenn sie nicht im Wortauslaut stehen: /a/o, nono, furo; alle anderen Vokale sind kurz: fatto, normo, furo. Das Nhd. wie auch das Englische, hat lange und kurze Vokale, wobei die Länge nicht positionsbedingt ist wie im Italienischen: nhd. bieten-bitten, engl, beat-bit (s. auch die vorhergehenden §§). Anm.: Einige Gelehrte (MALAGOLI und mit ihm JERNEJ) unterscheiden bei den Vokalen zwischen langer, halblanger und kurzer Quantität, wobei betonte Vokale dann halblang sind, wenn sie vor mehreren Konsonanten außer Geminaten stehen: C&tla. In neueren Darstellungen wird diese Unterscheidung nicht mehr gemacht (z. B. bei CAMILLI, FIORELLI und TAGLIAVINI).
§ 47 Die Vokale im einzelnen (Beispiele siehe § 27) [i]. Das italienische [i] hat eine etwas niedrigere Zungenstellung als der Kardinalvokal. Die Vorderzunge ist dem harten Gaumen genähert, die Zungenspitze liegt an den Alveolen der unteren Schneidezähne. Die Lippen sind gespreizt. Das nhd. [i:] entspricht am ehesten dem italien. [i], denn es wird geschlossen gesprochen. Nhd. [1] ist offen. [e]. Das ital. [e] liegt im Vokalklotz etwas unter dem Kardinale-[e]. Die Zunge ist weniger hoch als bei [i], die Spitze berührt die Unterzähne, die Lippen sind weniger gespreizt und der Mund ist weiter geöffnet. Das nhd. [e:] ist dem ital. [e] ähnlich. [e]. Das ital. [e] liegt etwas unterhalb des Kardinal-[e]. Die Zunge ist mäßig gehoben und nach vorne gewölbt. Die Spitze berührt die unteren Schneidezähne. Der Mund ist mäßig geöffnet, die Lippen sind weniger weit gespreizt als bei [e]. Das Nhd. kennt [e:] und [s]; die Aussprache ist ähnlich der des ital. [e]. [a]. Das ital. [a] liegt zwischen den Kardinallauten [a] und [a]. Die Zunge ist in Ruhestellung, die Lippen und der Mund sind geöffnet. Das Nhd. unterscheidet ebenfalls nicht zwischen [a] und [a]. Ital. [a] und Nhd. [a] entsprechen einander ungefähr. [D]. Das ital. [D] wird ziemlich offen gesprochen, es liegt zwischen dem
§4»
57
Kardinal-[D] und dem Kardinal-[a]. Es ist ein Hinterzungenlaut. Die Zunge ist zurückgezogen und gegen den weichen Gaumen gewölbt. Die Spitze zeigt nach unten. Ohne vorgestülpt zu sein, haben die Lippen die Form einer vertikalen Ellipse. Im Nhd. gibt es nur [D], das dem ital. [o] ähnlich ist. [o]. Das ital. [o] steht ungefähr in der Mitte zwischen Kardinal-[o] und Kardinal-[o], wird also relativ offen realisiert. Die Zunge ist etwas zurückgezogen und gesenkt. Die Lippen sind vorgestülpt und gerundet. Das Nhd. kennt [o:]; dieser Laut wird stärker geschlossen und gerundet gesprochen als der ital. [o]-Laut. [u]. Das ital. [u] ist ein Hinterzungenvokal. Die Zunge ist gegenüber dem Kardinal-[u] stärker gesenkt, der hintere Zungenrücken ist zum weichen Gaumen gewölbt. Die Lippen sind gerundet und stark vorgestülpt. Die Öffnung ist kleiner als bei [oj. Das Nhd. kennt [u:] (geschlossen) und [u] (offen), wobei das [u:] dem ital. [u] eher entspricht. § 48 Halbvokale oder Halbkonsonanten «Als Halbvokale werden solche Lautbildungen bezeichnet, die genetisch und genematisch an der Grenze des vokalischen Charakters liegen. Sie werden z.T. schon so eng gebildet, daß sie kaum noch Öffnungslaute zu nennen sind. Sie sind in keinem Fall Akzentträger.» (VON ESSEN Phonetik 79f.). Halbvokale entstehen durch geschwächte oder flüchtige Aussprache eines Vokals (im Ital. meist i oder ü) vor oder nach einem anderen Vokal, wobei nicht selten ein mehr oder weniger starkes Reibegeräusch hörbar wird. Ihrer Bildung nach sind sie also Vokale, ihrer Funktion nach häufig Konsonanten. Es ist im Ital. interessant zu beobachten, daß [j] + Vokal am Anfang eines Substantivums den Artikel lo verlangt (lo iato, gli Iugoslavi), wohingegen [w] + Vokal den apostrophierten Artikel /' erfordert (l'uomo). Im Plural heißt es auch hier gli uomini. Schon daraus kann man den sehr zwiespältigen Charakter der italienischen Halbvokale erkennen (vgl. auch HALL LO suocero). [j]. Der italienische Halbvokal [j] wird mit der Organstellung des [i] gebildet, jedoch schneller und flüchtiger. Durch das raschere Ausstreichen des Phonationsstroms ergibt sich ein leichtes, keinesfalls zu starkes Reibegeräusch. Im Palatogramm kann man beobachten, daß sich die Zungenränder stärker als bei [i] an die Backenzähne und die daran anschließenden Gaumenpartien anlegen. Vor Vokalen wird der Laut stärker als [j], nach Vokalen eher als [i], d.h. unsilbisches i realisiert.
§§ 49» 5°
5«
Im Nhd. gibt es [i] in Fremdwörtern {Nation) und als unbetontes i vor Vokalen (Lilie, Linie). Diesen Laut darf man keinesfalls mit dem stimmhaften Reibelaut [j] verwechseln oder gleichsetzen. Bei [j] ist das Reibegeräusch viel stärker. [w]. Das ital. [w] ist ein gerundeter bilabialer Laut, der flüchtiger als ein u gesprochen wird. Vor Vokalen wird er als [w], nach Vokalen als [y], d.h. unsilbisches u realisiert, wobei der Unterschied zwischen den beiden Lauten kaum hörbar ist. Keinesfalls darf aber ein bilabialer ungerundeter Laut [ß] oder gar ein labiodentaler Laut [v] gesprochen werden, wozu Deutschsprachige durch das Transkriptionszeichen verleitet sein könnten1). Das Nhd. kennt diesen Laut nicht. § 49 Konsonanten, Beschreibungsmethoden Als Konsonanten bezeichnet man alle jene Laute, die nicht unter den Begriff «Vokal» fallen, wie er im § 37 definiert wurde. Eine Übersetzung mit Mitlaut ist nicht genau genug, da Konsonanten nicht notwendigerweise unselbständig sind, sie können die Funktion von Vokalen übernehmen, z.B. in Interjektionen: pst\ oder in slavischen Sprachen die Lnsel Krk oder in unbetonten Silben in einer leicht umgangssprachlich gefärbten Aussprache laden [la:dn]. Um einen Konsonanten exakt zu beschreiben, muß nach den in § 34 besprochenen Kriterien vorgegangen werden. Man teilt die Konsonanten in herkömmlicher Weise nach ihrem Artikulations- bzw. Überwindungsmodus ein in Nasale, Laterale, Schwinglaute, Engelaute, Affrikaten, die hinsichtlich ihrer Bildung eine Sonderstellung einnehmen, und Verschlußlaute. Stehen mehrere Konsonanten nebeneinander (nicht unbedingt nur innerhalb eines Wortes sondern auch innerhalb des Ausspruchs, der chaîne parlée), so können sie sich gegenseitig beeinflussen, d.h. gewisse Veränderungen im Lautbild des Einzelkonsonanten hervorrufen. Diese Erscheinung nennt man Assimilation (s. auch § 68 f.). § $0 Intensität Die Intensität der Konsonanten läßt sich an Hand von zwei Faktoren bestimmen: an der zum Hervorbringen des Lautes aufgewendeten Enerke und an der Dauer. *) [ß] gibt es z. B. im Süddeutschen in intervokalischer Stellung (2. B. [aße]. Das Nhd. w wird labiodental gesprochen und daher [v] transkribiert (wer [ve:r]). Auch in der Stellung nach [k] kennt das Nhd. nur den Labiodental, während im Ital. [w] gesprochen werden muß; vgl. nhd. Quelle [kvela]: ital. quelle [kwelle].
§ 5° Bei den italienischen Konsonanten unterscheidet man drei Intensitätsgrade der Realisierung: schwach, mittel, verstärkt. Schwache Intensität liegt dann v o r , wenn ein einfacher Konsonant zwischen zwei Vokalen steht (moto) oder zwischen V o k a l und l\r ([atleta, potrebbe). Für diesen Intensitätsgrad gibt die Orthographie allerdings keine eindeutige A u s k u n f t , da [Ä, ji, J, ts, dz] intervokalisch immer verstärkt gesprochen werden. A u c h die syntaktische Verdoppelung bewirkt in gewissen Fällen eine verstärkte und gelängte Aussprache, z . B . la boa [la bo:a] aber che boa [ke bbo:a] (vgl. § 137fr.). Mittlere Intensität findet sich am Wortanfang oder im Wortinneren nach einem anderen Konsonanten (morto, posto); bei [1, r, m, n, s, z] als Folgekonsonanten (qua&ro, almeno, mat^o); am Wortende (auch bei gekürzten Wörtern, v g l . § 134), z . B . quel, parlar, gas Verstärkte Intensität findet sich im Wortinneren und ist entweder aus der Schreibung ersichtlich (motto) oder bei [X, ji, J, ts, dz] in intervokalischer Stellung automatisch gegeben; ebenso am Wortanfang aus Gründen der syntaktischen Verdoppelung oder bei den Lauten [X, ji, J, ts, dz]nach einem vokalisch auslautenden Wort, weil sie dann satzphonetisch wieder in intervokalischer Stellung stehen. Besonders deutlich wird der verstärkte Intensitätsgrad v o r oder nach dem T o n v o k a l gesprochen (ero - etio). Ist die Tonsilbe weiter entfernt, ist er weniger deutlich hörbar ('polizza, 'semeile). D i e Intensität des Konsonanten steht auch in einem direkten Zusammenhang mit seiner Dauer. D i e schwachen und mittleren Konsonanten werden kurz, die verstärkten lang gesprochen (s. auch § 103); für die Langkonsonanten sind also phonetisch gesehen die stärkere Intensität und die längere Dauer charakteristisch. Das N h d . verfügt im Gegensatz zum Ital. über keine verstärkten K o n s o nanten in einfachen Wörtern, wenn es auch nach der Orthographie so scheinen mag {Quelle, offen). D e r Unterschied zwischen Ofen und offen liegt darin, daß ein kurzer V o k a l nie gedehnt werden kann und mit «festem A n schluß» an den folgenden Konsonant gebunden ist. In zusammengesetzten Wörtern {Stadtteil) oder in der Wortgruppe (ein Stück Kuchen) werden zwar nicht zwei Verschlußlaute gesprochen, aber es entsteht eine deutliche Z w e i gipfeligkeit des Konsonanten durch eine längere Pause vor der Verschlußlösung oder durch ein Absinken und Ansteigen des D r u c k s bei Reibelauten. D i e italienischen verstärkten Konsonanten werden mit gleichbleibender Intensität während der gesamten Verschluß- und Reibegeräuschphase gesprochen.
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§5i
Anm.: CASTELLANI (Fonotipi 445 ff.) unterscheidet vier Intensitätsgrade, besonders bei (m, n, r, 1, s, f, v), und zwar teilt er die mittlere Intensität in einen grado medio propriamente aetio (Konsonanten am Wortanfang) und in einen grado medio-forte (Konsonanten vor oder nach einem anderen Konsonanten). Die Ergebnisse exakter Messungen und experimenteller Untersuchungen führten CASTELLANI zu dieser weiteren Unterteilung, die wohl phonetisch, nicht aber phonologisch relevant ist. Die Konsonanten im einzelnen (Beispiele siehe § 27) §51 Nasale Nasale sind Laute, bei denen der Phonationsstrom bei gesenktem Gaumensegel nur durch den Nasenraum entweicht, wobei im Mundraum ein Verschluß gebildet wird, [m]. Der Verschluß wird bilabial gebildet. [n]. Der Verschluß wird addental-koronal oder alveolar-koronal gebildet, in gewissen Fällen (§ 86) auch dental-koronal. [rq]. Der Verschluß wird labio-dental gebildet, [q]. Der Verschluß wird velar-dorsal gebildet. Bei [iq] und [q] handelt es sich im Ital. um positionsbedingte Realisierungen des n (siehe § 86). [ji]. Der Verschluß wird mediopalatal-mediodorsal gebildet, die Zungenspitze ist gesenkt und kann an den Unterzähnen anliegen. Beim Übergang zum folgenden Vokal entsteht dann der j-Glitt («Mouillierung»), der dem Laut seinen charakteristischen Klang gibt. Dieser Laut darf keinesfalls als [nj] gesprochen werden. (Vergl. auch die Abb. 9 u. 10). Das Nhd. kennt [m], [n], und [q]; [ji] nur in Fremdwörtern.
Abb. 9: Palatogramm für (1) [nj]» (2) [nnj] bzw. [p], (nach PANCONCELLL)
Der im Palatogramm dunkel gehaltene Teil entspricht jenem Teil des Gaumens, der bei der Bildung des Lauts durch^die ZungeJjerührt^wird.
6i
§ 52
A b b . 10: Sagittalschnitt für [JI] (nach FIORELLI)
§ 5 2 Laterale Laterale sind Laute, bei denen der Phonationsström durch eine oder zwei Lateralengen, die von den Zungenrändern mit den Backenzähnen gebildet werden, oral entströmt. [1], Bei der Bildung des ital. / stützt sich die Zunge auf die Alveolen der oberen Schneidezähne, der Zungenrücken bleibt gesenkt. Das nhd. [1] entspricht diesem Laut. Unbedingt zu vermeiden ist die Bildung des l mit gewölbtem oder gehobenem Zungenrücken, das sogenannte «dunkle» l des Engl. (In bestimmten Stellungen wird der Laut auch denti-koronal gebildet, vgl. § 88). [Ä]. Das ital. [Ä] wird in mancher Hinsicht wie das [p] gebildet. Der Zungenrücken liegt am Gaumen an, die Zungenspitze befindet sich an oder hinter den Alveolen der unteren Schneidezähne. Der Phonationsstrom entweicht lateral. Beim Übergang zum folgenden Vokal entsteht dann der j-Glitt («Mouillierung»), der dem Laut seinen charakteristischen Klang gibt. Keinesfalls darf dieser Laut als [lj] gesprochen werden (vgl. dazu die Abbildungen 11 u. 12). Im Nhd. existiert dieser Laut nur in Fremdwörtern.
A b b . 11 : Palatogramm für [A] b z w . ( i ) [lj],( 2 ) [llj] (nach PANCONCELLI)
§53 Schwinglaute Das ital. r ist ein Zungenspitzen-r. Es entsteht durch ein drei- bis fünfmaliges Flattern (Schwingen) der Zungenspitze gegen die Alveolen der oberen Schneidezähne, wodurch der Phonationsstrom unterbrochen wird. Keinesfalls darf ein r mit zurückgebogener Zungenspitze («retroflexes» r) gesprochen werden, wie es im Engl, und auch im Sizilianischen vorkommt. Im Nhd. (wie auch im Franz.) wird im allgemeinen das Zäpfchen-r (uvular-postdorsales r) gesprochen, wiewohl etwa siebs (Hochsprache 61) für das Nhd. dem Zungenspitzen-r den Vorzug gibt. Anm.: Die Erlernung des Zungenspitzen-r bereitet oft größere Schwierigkeiten. Gute Hilfsmittel sind folgende Übungen: /, /, d, + r werden im Zusammenhang der Rede (il re, tre, dritto) sehr oft hintereinander gesprochen, zuerst langsam und dann immer rascher, wobei darauf zu achten ist, daß die Zungenspitze, die ja bei diesen Lauten an den Alveolen der oberen Schneidezähne liegt, auch dort bleibt. Es soll aber auch kein Gleitlaut zwischen l und r entstehen [ilsre]. § 54 Engelaute Bei den Enge- oder Reibelauten wird zwischen der Artikulationsstelle und dem artikulierenden Organ eine artikulatorische Enge gebildet, an der beim Durchstreichen des Phonationsstroms ein Reibegeräusch entsteht. Dieses Reibegeräusch kann vom Stimmton begleitet sein. Man spricht dann von sth. Engelauten, sonst von stl. Engelauten. Das Ital. kennt folgende Engelaute: [f, v, s, z, J, j] Das Nhd. kennt folgende Engelaute: [f, v, s, z, J, j, 5, %]
6}
§ 54
[3] kommt in beiden Sprachen nur in Fremdwörtern vor, im Ital. auch in der Affrikata [dj]. [f/v]. Beim ital. wie auch beim nhd. [f/v] wird die Enge zwischen der Unterlippe und den oberen Schneidezähnen gebildet. Der Phonationsstrom streicht bei [f] ohne, bei [v] mit Stimmton durch - ein sth./stl. (oraler) labio-dentaler Engelaut. [J]. Beim ital. [J] wird die Enge zwischen mittlerem harten Gaumen und mittlerem Zungenrücken gebildet. Die Zungenspitze liegt hinter den Alveolen der unteren Schneidezähne. Die Lippen sind etwas gerundet und vorgestülpt. Der Phonationsstrom trifft, durch die relativ breite Rille zwischen Zunge und Gaumen strömend, auf die Alveolen und streicht zwischen Zähnen und den etwas vorgestülpten Lippen durch, wobei das charakteristische zischende Rauschen entsteht. Dieser Laut wird nur stl. gebildet - ein stl. (oraler) mediopalataler-mediodorsaler Engelaut (vgl. Abb. 13). Beim nhd. [J] wird die Enge zwischen nach oben gebogener Zungenspitze und vorderem oder mittlerem hartem Gaumen gebildet - ein stl. (oraler) praepalatal/alveolar-koronaler Engelaut. [s/z]. Beim ital. [s/z] wird die Enge zwischen Vorderzunge und vorderem Palatum gebildet. Die Zungenspitze ist gesenkt und liegt an den unteren Schneidezähnen an. Die Rille zwischen Zunge und Gaumen ist schmaler als bei [J*], der Phonationsstrom streicht strahlartig durch und trifft auf die Kanten der Schneidezähne, wodurch das zischende Geräusch entsteht. Die Lippen sind kaum gespreizt, - ein sth./stl. praepalatal-praedorsaler Engelaut. (vgl. Abb. 14). Im Nhd. wird die Enge zwischen Zungenspitze und der Hinterwand oder den Alveolen der oberen Schneidezähne gebildet - ein sth./stl. (oraler) denti/alveolar-koronaler Engelaut.
Der dunkel gehaltene Teil des Sagittalschnitts zeigt die Zungenstellung für den Laut [J]; diese Stellung entspricht auch der zweiten Phase det Affrikate [tf], bei deren Verschlußphase [t] die Zunge die im Bild hell gezeichnete Stellung einnimmt.
Abb. 13: Sagittalschnitt für Lf] (nach fiorelli)
64 Der dunkel gehaltene Teil des Sagittalschnitts zeigt die Zungenstellung für die Laute [s] und [z]; diese Stellung entspricht auch der zweiten Phase der Affrikaten [ts] und [dz], bei deren Verschlußphase [t] und [d] die Zunge die im Bild hell gezeichnete Stellung einnimmt.
Abb. 14: Sagittalschnittfür [s, z] (nach FIORELLI)
[)]. Beim ital. und nhd. [)] wird die Enge - in diesem Fall kann man von einem Kanal sprechen - zwischen dem harten Gaumen und dem Zungenrücken gebildet. Die Zungenränder liegen seitlich an, so daß keine allzu große Rinne bleibt. Die Zungenspitze ist gesenkt. Ein sth. palatal-dorsaler Engelaut. Anm.: Uber die Trennung von [i] und [j] siehe § 69, 81. Affrikaten Wird bei einem Verschlußlaut der Verschluß nicht rasch genug gelöst und hält der Phonationsstrom an, so bildet sich eine Enge und es entsteht ein Reibegeräusch. Gewinnt diese Lautfolge den Charakter eines eigenen Lautes (Phonems), so spricht man von Affrikaten (VON ESSEN Phonetik 86). Eine Affrikata ist also die enge Verbindung eines Verschlußlautes mit einem an derselben Stelle gebildeten Reibelaut (homorganen Reibelaut), z. B. [ts]. Wird die Artikulationsstelle etwas verändert, so spricht man von unechten Affrikaten, z.B. [pf]. Das Ital. kennt als Affrikaten [tj, d3, ts, dz], das Nhd. [ts, pf]. Über die phonematische Wertung im Ital. siehe § 60. Anm.: Vgl. BATTISTI Fonetica 1 1 1 . VON ESSEN Phonetik 86 zitiert das Ital. nicht als Beispiel für eine Sprache mit Affrikaten. MARTENS Phonetik 212 nennt für das Nhd. noch folgende unechte Affrikaten: [ps, tf, ks, kv] und die seltene Verbindung [pj]. Beim ital. [ts/dz] wird nach der Verschlußbildung für das [t/d] (alveolarkoronal) die Zungenspitze wie bei der Bildung des [s/z] nach unten geschoben und der Verschluß soweit gelockert, daß eine Enge entsteht, durch die der Phonationsstrom entweicht.
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§56 Das Nhd. [ts] entspricht in seiner Verschlußphase dem ital. [t], da in diesem Fall ein nichtaspiriertes [t] artikuliert wird. Die zweite Phase ist ein nhd. ( = addental/alveolar-koronales) s. Beim ital. [tf/d3] wird nach der Verschlußphase des tjd die Zungenspitze nach unten geschoben wie bei der Bildung des [J/3]. Dann wird der Verschluß gelockert und es entsteht ein Reibegeräusch. Die Lippen sind gerundet und etwas vorgestülpt. Das Nhd. [tj] entspricht in seiner Bildung den Lauten [t] und [J1]. Durch die in einzelne Phasen getrennte Beschreibung der Laute darf aber nicht die falsche Ansicht entstehen, daß es sich um die Abfolge von zwei Einzellauten handelt. Die lautkonstituierenden Merkmale gehen vielmehr klanglich und auch artikulatorisch ineinander über, so daß der Eindruck eines einzelnen Lautes entsteht. Es wurde deshalb immer wieder gefordert, daß für diese Laute eigene, einfache Transkriptionszeichen gefunden werden müßten, die der Forderung «ein Zeichen für jedes Phonem» entsprächen. Doch haben sich die hier gebrauchten Zeichen schon so eingebürgert, daß es wohl zu keiner Änderung kommen dürfte.
§56 Verschlußlaute Bei der Bildung der Verschlußlaute wird zwischen der Artikulationsstelle und dem artikulierenden Organ ein Verschluß gebildet, den der Phonationsstrom - mit oder ohne Stimmton - durch Sprengen überwinden muß. Man unterscheidet nach der Intensität der Verschlußbildung zwei Arten von Verschlußlauten: Medien, bei denen der Verschluß mit weniger gespannten Organen und größerer Berührungsfläche gebildet wird, und Tenues, bei denen der Verschluß mit stärker gespannten Organen und kleinerer Berührungsfläche gebildet wird. Bei den Medien kann der Verschluß unter geringerem Druck mit oder ohne Stimmton gesprengt werden (sth. oder stl. Lenislösung), bei den Tenues unter größerem Druck mit oder ohne Aspiration (aspirierte oder nicht-aspirierte Fortislösung). Das Ital. kennt nur die sth. Media und die nicht-aspirierte Tenuis in seinen Verschlußlautreihen. Das Nhd. hingegen hat in der Regel eine aspirierte Tenuis (bei Konsonantenkombinationen in gewissen Stellungen auch nicht-aspiriert: [pf, ts, tf, ks, ps] oder im Wortinneren Mitleid, usw.). Die Medien sind im Silbenanlaut sth. (im Mittel- und Süddeutschen werden sie noch meist stl. gesprochen), im Silben- und Wortauslaut jedoch wie Tenues zu sprechen. Daraus ergibt sich, daß bei der Aussprache der Verschlußlaute, besonders von Süddeutschen, erhöhte Sorgfalt angewendet werden muß. Die Laute
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§57
[b, d, g ] müssen betont sth. gesprochen werden und [p, t, k] keinesfalls aspiriert 1 ). [p/b]. Beim ital. und nhd. [p/b] wird der Verschluß zwischen Ober- und Unterlippe gebildet. Die Sprengung kann mit oder ohne Beteiligung des Stimmtons erfolgen - ein bilabialer Verschlußlaut. Anm.: Um eine besonders sth. Aussprache des [b] zu erzielen, kann man zum Einüben vor dem [b] ein [m] sprechen, das ja dieselbe Organstellung hat und mit Stimmton gesprochen wird. [t/d]. Beim ital. und nhd. [t/d] wird der Verschluß zwischen Zahnhinterflächen oder Zahnscheiden der oberen Schneidezähne mit der Zungenspitze gebildet. Die Sprengung kann mit oder ohne Beteiligung des Stimmtons erfolgen - ein addental/alveolar-koronaler Verschlußlaut. Anm.: Um eine besonders sth. Aussprache des [d] zu erzielen, kann man zum Einüben vor dem [d] ein [n] sprechen, das ja dieselbe Organstellung hat und mit Stimmton gesprochen wird. [k/g]. Beim ital. und nhd. [k/g] wird der Verschluß zwischen hartem bzw. weichem Gaumen (je nach umgebendem Vokal) und dem entsprechenden Teil des Zungenrückens gebildet. Die Sprengung kann mit oder ohne Beteiligung des Stimmtons erfolgen - ein palatal/velar-dorsaler Verschlußlaut. Anm.: Um eine besonders sth. Aussprache des [g] zu erzielen, kann man zum Einüben vor dem [g] ein [q] sprechen, das ja dieselbe Organstellung hat und mit Stimmton gesprochen wird. DAS PHONEMINVENTAR
§ 57 Probleme Untersucht man das Phoneminventar einer Sprache, so gilt es festzustellen, welche der im Lautinventar beschriebenen Laute Phoneme sind. T R U B E T Z K O Y hat die dazu nötigen Verfahrensweisen in Regeln niedergelegt (Grundlage, Anleitung), die bei V O N ESSEN ( P h o n e t i k zoi) zusammengefaßt sind. Ferner wird zu entscheiden sein, ob Lautverbindungen als ein einziges 1 ) Nach CAMILLI {Reader IX) ist eine geringe Aspiration zulässig : «These sounds, in good pronunciation, always have a slight aspiration when they are simple or intervocalic as in epa, età, eco.
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§5« Phonem anzusehen sind oder ob es sich um Phonemverbindungen handelt, ob sie also monophonematisch oder biphonematisch zu werten sind. Der nächste Schritt wäre dann, die gefundenen Phoneme nach gemeinsamen Funktionseigenschaften zu ordnen und, soweit es möglich ist, in ein System zu bringen, d.h. das Phonemsystem zu erstellen. Man wird es auch nicht unterlassen dürfen, die Prosodeme zu beschreiben, da sie ja auch wichtige Funktionen beim Sprechen und Verstandenwerden erfüllen. Zur Unterscheidung von der phonetischen Transkription, die in eckige Klammer gesetzt wird, setzt man Phonemtranskriptionen zwischen Schrägstriche. Die Diskussion um das Phoneminventar des Italienischen geht im Hinblick auf die folgenden Probleme stark auseinander: 1) Sind die beiden Laute [s] und [z] auch zwei Phoneme oder kombinatorische Varianten eines Phonems? 2) Sind [ts] und [dz] monophonematisch oder biphonematisch zu werten? 3) Sind gedehnte Konsonanten («Geminaten») eigene Phoneme oder als Quantitätsstufen der einzelnen konsonantischen Phoneme aufzufassen? 4) Sind Halbvokale eigene Phoneme oder kombinatorische Varianten der dazugehörigen Vokalphoneme? Daraus ergibt sich auch 5) die Frage «Wie viele Phoneme gibt es überhaupt im Italienischen?», wobei es weniger um die Zahl als um grundsätzliche Feststellungen geht.
§58 Vokalphoneme Das Italienische hat ein in allen vier Öffhungsgraden wirksames Vokalsystem mit insgesamt 7 Vokalphonemen: /i/, /e/, /e/, /a/, /o/, /o/, /u/ in betonter Silbe. In unbetonter Silbe ist die Opposition /e/ : /s/ und ¡0/ : /o/ neutralisiert; in diesen Silben wird die Realisierung [e] und [o] der Archiphoneme //E// und I/O II gesprochen. Das Nhd. hat ein dreistufiges Vokalsystem mit 7 Vokalphonemen (gegenüber den 18 Lauten): /i/, /e/, /a/, /o/, /u/, /y/, ¡0/ und drei Diphthongen /ae/, /DO/, /ao/. Da die langen Vokale nur geschlossen und die kurzen Vokale nur offen gesprochen werden, kann man sagen, daß die offenen Vokale quantitäts- und positionsabhängig, d.h. phonetische Varianten der Vokalphoneme sind. Ob [e:] als eigenes Phonem zu werten ist, bleibt fraglich
68
§59
(vgl. VON ESSEN Phonetik 204;1)). [s] als «unbestimmter» Vokal (TRUBETZKOY Grundlage 105) bleibt unberücksichtigt. Nach gleicher Lokalisierung (Stelle der Bildung im Mundraum) und nach gleichem Öffnungsgrad in ein Maschensystem gebracht, ergeben die italienischen, bzw. deutschen Vokale folgendes Bild: > i e s
gleicher Öffnungsgrad u i y u o e 0 o 3 a
gleiche Lokalisierung
ital.
a
/ae/,
/ao/
M
nhd.
§ 59 Halbvokale Hier erhebt sich die Frage, ob [j] bzw. [i] und [w] bzw. [y] als eigene Phoneme gewertet werden können oder ob sie als kombinatorische Varianten der Vokalphoneme /i/ und /u/ anzusehen sind. Zahlreiche Forscher2) sind der Ansicht, daß es sich um selbständige Phoneme handelt. Nach den Regeln TRUBETZKOYS wäre es ein entscheidendes Kriterium, wenn man Wortpaare finden könnte, in denen in vergleichbarer Stellung einmal der Vokal und einmal der Halbvokal stünde, ARCE (Numero) nennt lediglich zwei Beispiele (Piano [von Pio] - piano, lacuale und la quäle), die dafür beweiskräftig wären. Hinzufügen kann man noch das Paar arcuata - Arquata. Um nun von einer tatsächlichen Opposition /i/ und /j/ zu sprechen, müßte man also immer Piano [piaino] und piano [pjaino], bzw. lacuale [lakuaile] und la quäle [la kwa:le] aussprechen, unabhängig von der Sprechgeschwindigkeit und von individuell bedingten sprecherischen Realisierungen (siehe auch weiter unten). Das heißt, im Sprachbewußtsein müßte unter allen Umständen zwischen den Wortpaaren eine Unterscheidung gemacht werden, die vom Kontext unabhängig ist und die lediglich aus der Aussprache die jeweilige Bedeutung erkennen ließe. Da es sich bei Halbvokalen aber immer um den Teil einer VokalverbinMan vergleiche aber Wortpaare wie Käthchen - Kettchen oder Städte - Stätte, in denen die [s:] und [e] einander gegenüberstehen. Vgl. dazu § 45. Bei allen anderenVokalen ist Länge mit offener und Kürze mit geschlossener Qualität gepaart. Im Wortpaar Ähre Ehre stehen einander [e:] und [e:] gegenüber. a ) So etwa in der Einleitung zum DE1\ ferner CASTELLANI und FIORELLI. Gegenteiliger Ansicht sind ARCE und BONFANTE.
69
§ 6o dung handelt, wäre zunächst zu klären, wie fest, bzw. wie lose diese Verbindungen sind (vgl. auch § 79) und ob diese Teile stabil sind, wie etwa in den nhd. Diphthongen, oder durchaus verschiedene Realisierungen zulassen. C A M I L L I (Pronuncia passim) und F I O R E L L I (Córso 35 FR. und in der Besprechung zu CAMiLLis Prosodìa) postulieren nun zu wiederholten Malen, daß die halbvokalische Aussprache in diesen Fällen keinesfalls als fest anzusehen sei. Es hänge vielmehr von äußerlichen Faktoren, wie Sprechgeschwindigkeit und individuellen Eigenheiten, aber auch von der lautlichen Umgebung im Nachbarwort ab, wie das i oder u realisiert wird. In der Poesie könne je nach Bedarf ein Wort wie Ariosto entweder dreisilbig [a-rjo-sto] oder viersilbig [a-ri-o-sto] gebraucht werden. In der Fügung bel viale wird [i], in der Fügung largo viale wird [j] bzw. [i] aus rhythmischen Gründen gesprochen; um den Zusammenprall zweier Starktonsilben, nämlich ['bei 'vja:le] zu vermeiden, wird [bei vi'aile] als korrekte Aussprache gefordert (siehe auch § 126). Diese Beispiele stehen für viele, und man sieht deutlich, daß [j] bzw. [i] und [i] in einem positionsbedingten Wechsel miteinander stehen. Analoges gilt für [u] und [w] bzw. [y]. Daraus ergibt sich wohl eindeutig, daß die italienischen Halbvokale kombinatorische Varianten der entsprechenden Vokalphoneme, also keine eigenen Phoneme sind (vgl. auch B O N F A N T E Cenni 68).
§ 60 Konsonantenphoneme Bei den Nasalen werden allgemein drei Phoneme unterschieden: /m/, /n/ und /ji/. Die unter den Nasallauten besprochenen [q] und [rq] sind kombinatorische Varianten von /n/ und /m/ (siehe auch §§ 85, 86)1). Das Nhd. kennt als eigene Phoneme /n/, /m/ und /q/. Bei den Lateralen werden allgemein zwei Phoneme unterschieden: /I/ und IAI. Das Nhd. kennt nur /I/. Bei den Schwinglauten kennt man im Ital. und im Nhd. nur ein Phonem, nämlich /r/. Bei den Engelauten werden einheitlich als Phoneme anerkannt: /£/, *) CASTELLANI (Fonotipi 448) zählt alle Aussprachetypen von n und m als Realisierungen des Phonems (Jonotipo) [rj]: «.. .pur atteggiandosi diversamente secondo il suono seguente, offre sempre un carattere di velarità (risonanza velare) che l'accosta alla [g] di vanga e Manin.» V g l . dazu auch CAMILLI Pronuncia 8} A 123 und hier § 109/1.
§ 6o
70 /v/, /s/, und /J/. Uneinigkeit herrscht teilweise darüber, ob [z] als eigenes Phonem zu betrachten sei, oder als kombinatorische Variante von /s/. Das Toskanische und mit ihm das Normitalienische kennt [s] und [z] in vergleichbarer Stellung, etwa intervokalisch [ro:za] und [ka:sa]. Das Norditalienische kennt intervokalisch nur [z], also [ro:za] und [ka:za], das Mittelund Süditalienische nur [s], also [ro:sa] und [ka:sa]. Im Nord- und Süditalienischen wird s vor stimmhaften Konsonanten am Wortanfang sth. gesprochen, sonst stl. Daraus muß man den Schluß ziehen, daß im Nordund Süditalienischen [z] eine positionsbedingte Realisierung von [s] - also kein eigenes Phonem - ist. Im Normitalienischen (Toskanischen) sind dagegen /s/ und /z/ zwei Phoneme. Die funktionelle Belastung der Opposition ist allerdings sehr gering. Die beiden häufig zitierten Beispiele sind [fu:zo] von fondere und [fu:so] (Hauptwort), bzw. [prezente] (Adj.) und [presente]
von presentire1).
Die Aussprache [z] vor sth. Konsonanten ist positionsbedingt und als Assimilationserscheinung zu werten, z.B. [zdepjicnre] und [sfidaire]. Die Ansicht, daß es sich bei [s] und [z] um zwei Phoneme handelt, vertreten MALMBERG (mit Vorbehalten), FIORELLI, ARCE und BONFANTE. PORRU hat die norditalienischen Verhältnisse im Auge, wenn sie sagt, daß es sich um kombinatorische Varianten handle. Das Nhd. kennt bei den Engelauten die Phoneme /s/, /z/, /f/, /v/, l y j und
m-
Bei den Affrikaten werden /tf/ und /d3/ allgemein als eigene Phoneme anerkannt2). Nicht einheitlich ist die Auffassung bei [ts] und [dz]. Untersucht man die Lautverbindung nach den Kriterien von TRUBETZKOY, SO ergibt sich folgendes (vgl. auch BONFANTE Cenni 63): [tf] und [d3] können verdoppeln (cacio-caccio, regia-reggia); [ts] und [dz] können nicht verdoppeln, denn sie werden intervokalisch immer als Langkonsonanten gesprochen ([vittsi] = 1. vi^t, pl. von vi^io, z. vitgt, pl. von visgo). Schon daraus folgt nach den Regeln von TRUBETZKOY (Grundlage 5off.), daß [ts] und [dz] als Phonemverbindungen und nicht monophonematisch zu werten sind. So sind bei den X ) CAMILLI (La radio 25) klassiert dieses Paar allerdings unter die bekannten florentiner Regionalismen wie [la ha:sa] für [la ka:sa], doch an anderen Stellen seiner Werke ist er durchaus für eine dem Gebrauch entsprechende Scheidung von [s] und [z]; ebenso FIORELLI (Utta sibilante). Eine neue Betrachtungsmöglichkeit des Problems [s] und [2], bzw. /s/ : /z/ schlägt HALL {Italian [z]) vor. 2 ) Die logische Folge der monophonematischen Wertung von [tj] und [dj] wäre es, ein einziges Zeichen zu verwenden. Die hier gebrauchten Zeichen haben sich aber bereits fest eingebürgert.
§6o
71
AfFrikaten also /tj/ und /(I3/ Phoneme, [ts] und [dz] hingegen Phonemverbindungen 1 ). Das Nhd. kennt /ts/ und /pf/ als Affrikatenphoneme. Bei den V e r s c h l u ß l a u t e n werden im Ital. und Nhd. einheitlich die Phoneme /p/, /b/, /t/, /d/, /k/, /g/ unterschieden. In das Maschensystem eingereiht (vertikal: gleiche Lokalisierung, horizontal: gleicher Überwindungsmodus), bieten die Konsonantenphoneme des Ital. und Nhd. folgendes Bild: v f p b m
t d n
k g Ital.
2 s
J tf d3 ji
p b m
t d n
x k g q
v f pf
z s ts
J
Nhd.
Außerhalb des Systems, d.h. ohne Gemeinsamkeiten mit anderen Phonemen sind für das Ital. noch /r/, /I/ und /X/ zu nennen, für das Nhd. /r/,/1/ und /h/ (vgl. auch T R U B E T Z K O Y Grundlage 65). Das System der italienischen Konsonantenphoneme zeigt eine ziemlich regelmäßige Gliederung, wobei besonders die proportionalen ( = Unterscheidungsmerkmale gelten für mehrere Oppositionen) Oppositionsreihen eine gleichmäßige Struktur zeigen: d.h. /p/ unterscheidet sich von /t/ durch die gleichen Merkmale wie /b/ von /d/. Das gilt auch für die horizontalen Oppositionsreihen, die sich jeweils durch ein Merkmal voneinander unterscheiden, z . B . p-b, t-d, k - g , usw. haben das Unterscheidungsmerkmal Stimmhafiigkeit, b-m, d-n, d3~ji haben die Merkmale Verschluß, bzw. Nasal. Diese Art der Opposition nennt man eindimensional (d.h. die gemeinsamen Merkmale gelten nur für dieses Paar) - privativ (d.h. sie unterscheiden sich nur durch ein Merkmal). Anm. 1: Die Reihe /J - t j - d3 - p/ hat als gemeinsames Merkmal: praepalatal-praedorsalen Verschluß (Enge) bei gesenkter Zungenspitze. ! ) B. RICHTER {Die italienischen...) meint, daß es sich bei [tf] und [d3], bzw. [ts] und [dz] um zusammengesetzte Laute handelt. Wie sie dann tatsächlich gesprochen werden,hängt von der Versuchsperson ab. Eine Stütze findet die hier vertretene Ansicht auch in der grammatischen Regel über die Verwendung der Artikel il und lo: il vor Hauptwörtern, die mit einem Phonem oder einer Phonemgruppe beginnen, deren zweiter Bestandteil [1] oder [r] ist; lo bei Hauptwörtern, die mit einer Phonemgruppe beginnen. Also il cielo aber lo %io. Eine gegenteilige Ansicht über die phonematische Wertung der AfFrikaten [ts] und [dz] vertritt F R A N C E S C H I {La scritturd).
§§ 6i, 62
72
Anm. 2: Die Lücken in der Nasalreihe füllt die Sprache durch die genau entsprechenden phonetischen Varianten [q], [irj] und [n] mit dentaler Verschlußbildung auf.
§ 61 Diphthonge Es gilt ferner festzustellen, ob die italienische Normaussprache Diphthonge kennt, die wie die nhd. Laute [ae, ao, 00] Phonemcharakter haben. Wenn ein Diphthong als Phonem gewertet werden soll, muß er, wie im Nhd., aus zwei untrennbar miteinander verbundenen vokalischen Komponenten bestehen. Das ist im Nhd. der Fall, nicht aber im Italienischen. Man kann z.B. niemals La-u-er sondern nur Lau-er sagen; der ital. Name Laura hingegen kann durchaus La-u-ra oder Lau-ra gesprochen werden, wobei die erste Form z. B. in der Poesie und überhaupt zu metrischen Zwecken verwendet werden kann. Die deutschen, «echten», Diphthonge lassen eine solche Trennung, auch nur zu metrischen Zwecken, nicht zu. Daraus kann man wohl schließen, daß zwar das Deutsche, nicht aber das Italienische Diphthonge kennt. Anm.: An Hand von Beispielen in metrisch gebundener Form läßt sich beweisen, daß die italienischen sogenannten Diphthonge keine festen Lautverbindungen, also eigentlich keine Diphthonge sind. Dazu siehe auch ELWERT Metrik § 3-10.
§ 62 Langkonsonanten Ähnliches gilt für die «Geminaten» (Langkonsonanten). Nach den Regeln (Gründl/ige 5off. u. 157ff.) wird eine Geminata dann monophonematisch gewertet, wenn sie wie ein einfacher Konsonant auch an jeder Stelle im Wort stehen kann und wenn die Silbengrenze nicht mitten durch die Geminata führt, wie z. B. im Span, pe-ro : pe-rro. Im Italienischen führt die Silbengrenze jedoch stets mitten durch die «Geminata», z . B . ca-sa : cas-sa, pe-na : pen-na. So sind die Geminaten also keine eigenen Phoneme, wenn auch die gegenteilige Ansicht sehr häufig vertreten wird 1 ). Das merkmalgebende Charakteristikum ist die Länge der Konsonanten. Folgerichtig müßte dann eigentlich nicht /pp/ sondern /p:/ transkribiert werden, so wie es PANCONCELLI-CALZIA (Jtaliano) auch durchgeführt hat. TRUBETZKOYS
!) So BELARDI (Introdu^ione), CASTELLANI (Fonotipi), ARCE, FIORELLI.
§§ 63. 64
73
Anm.: Daß die Langkonsonanten nicht als eigene Phoneme gewertet werden können, ändert aber nichts daran, daß es im Ital. zahlreiche Wortpaare gibt, die sich nur durch den gelängten Konsonanten unterscheiden, d.h., richtiger durch die Verbindung langer Vokal + einfacher Konsonant und kurzer Vokal + gelängter Konsonant, vgl. § 104.
§ 63 Akzent Eine wichtige Rolle als bedeutungskonstituierende Merkmale im Wort (nicht beim Einzellaut) spielen der Akzent, und im Satz die Intonation (siehe § 140fr.). In den Avverten^e zum DEIwitä eingehend auf die Wichtigkeit dieser Erscheinung hingewiesen. Darüber hinaus wirken der (sprachliche) Akzent und die Quantität (bei Konsonanten) als wortunterscheidendes Merkmal, TRUBETZKOY Grundlage 185ff. nennt jene Erscheinung «Betonungskorrektion als prosodische Differenzierungseigenschaft». Anm.: Bei den in § 62 beschriebenen Quantitätsstufen und den in § 63 beschriebenen Akzenten handelt es sich nicht um Phoneme, da sie weder «klein» noch «reduzierbar» sind. Auch «haben sie keine Eigenschaften, sondern sie sind Eigenschaften, und zwar des Wortes» (nicht des Phonems/ Lauts; der Verf.); diese «Eigenschaften» nennt man Prosodeme oder suprasegmentale Phoneme (vgl. § 38; Zitate aus dem S. 47 FN zit. Brief).
§ 64 Die Zahl der Phoneme im Italienischen Nach unserer Zählung hat das Italienische 26 Phoneme, und zwar sieben Vokale: /a/, /e/, /e/, /i/, /o/, /o/, /u/; in unbetonten Silben ist die Opposition l&l: /e/ und /o/: /o/ auf /e/ bzw. /o/ reduziert; 19 Konsonanten: /m/, /n/, /ji/, /I/, /X/, /r/, /f/, /v/, /J/, /s/, /z/, /tj/, /d3/, /p/, /b/, /t/, /d/, /k/, /g/. Hinzu kommen noch der Akzent und die Konsonantenlänge als «suprasegmentale Phoneme» (Prosodeme). Die zweite Quantitätsstufe der Konsonanten ist in folgenden Fällen wirksam: /m/, /n/, ßl, ¡Tj, /f/, /v/, /s/, /tj/, /d3/, /p/, /b/, /t/, /d/, /k/, ¡gl. Anm.: Zahlreiche Forscher gelangen zu Ergebnissen, die sich wesentlich von den hier vertretenen unterscheiden. Die Abweichungen gehen auf die unterschiedliche Wertung der Halbvokale [j, w], von [z], von [ts, dz] und der Geminaten zurück (vgl. auch §§ 103, 104). Im einzelnen wird wie folgt gezählt: MiGLioRiNi {Pronun^ia 70ff.): 28 bis 30 Phoneme: 7 Vokale, 21 Konsonanten (mit /ts/, /dz/), mit bzw. ohne 2 Halbvokale.
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(Phonemes 72-82; Grammar 7-17): 27 Phoneme: 7 Vokale, 20 Konsonanten (ohne /z/, mit /ts/ und /dz/). B E L A R D I (Introduzione 189): 47 Phoneme: 10 Vokale (5 betont, 5 unbetont), 30 Konsonanten (15 einfach, 15 geminiert), 5 Konsonanten (nur einfach: [p, L, J, ts, dz], ohne [z]), 2 Halbvokale. In Bezug auf [e - e], [o - D], [s - z] sagt er : «hanno importanza non tanto per l'essenziale distinzione semantica, quanto per l'eleganza della dizione.» Dizionario Enciclopedico Italiano (in den «Avvertenze», Bd. 1). : 45 Phoneme (7 Vokale, 2 Halbvokale, 21 Konsonanten, 15 Geminaten) + Intensitätsakzent. C A S T E L L A N I (Fonemi)-. 50 Phoneme: 7 betonte Vokale, 5 unbetonte Vokale, 2 Halbvokale, 21 einfache und 15 doppelte Konsonanten. A R C E (Numero 5 3 ) : 43 Phoneme: 7 Vokale, 21 Konsonanten (mit /s/, /z/, /ts/, /dz/), 15 Geminaten. F i o R E L L i (Córso 30): 50 Phoneme (wie C A S T E L L A N I ) , PORRU (Anmerkungen): 27 Phoneme und Intensitätsakzent: 20 Konsonanten ten (ohne /z/), 7 Vokale. B O N F A N T E (Cenni)-. 26 Phoneme: zählt wie der Verf.
HALL
§§ 6 5 , 66
75
REGELN FÜR DIE AUSSPRACHE DER EINZELNEN L A U T E DES ITALIENISCHEN
ALLGEMEINE VORBEMERKUNGEN § 65 Allgemeine Charakteristika der italienischen Aussprache
Als allgemeines Charakteristikum bei den Vokalen muß hervorgehoben werden, daß sie stets völlig rein und klar, d.h. ohne Abgleiten in einen Diphthong und ohne jede Nasalisierung gesprochen werden müssen. Bei den Konsonanten ist als Gemeinsamkeit zu bemerken, daß zahlreiche Laute [p, Ä, J", tj, d3, s, z] mit gesenkter Zungenspitze gebildet werden. Im Nhd. ist das nicht der Fall. Bei den sth. Lauten muß besonders darauf geachtet werden, daß sie wirklich sth. gebildet werden. Die stl. Verschlußlaute dürfen nicht aspiriert werden. Die Hauptphase eines Lautes wird von den Nachbarlauten kaum beeinflußt. Die Assimilationserscheinungen erstrecken sich zum größten Teil nur auf den Anglitt oder den Abglitt. Im Ital. gibt es keinen Knacklaut (coup de glotte, etc.) wie dies besonders im Norddeutschen der Fall ist (The-ater Ver-ein). Laute und Silben werden vielmehr immer verschliffen. Der Einsatz ist leise und nicht fest. § 66 Artikulationsbasis
Wertvolle Erkenntnisse über die Aussprache- und Sprecheigenheiten einer fremden Sprache gewinnt man auch aus einem Vergleich der Artikulationsbasis der eigenen mit der der fremden Sprache. Unter Artikulationsbasis verstehtw.STREITBERG (Zukunft)-. «Jede Sprachgemeinschaft hat eine ganz bestimmte Art und Weise die Laute zu bilden. Diese in frühester Jugend erworbene Gewohnheit erstarrt bei jedem Mitglied der Sprachgemeinschaft im Laufe der Jahre». Zu dieser rein organisch-artikulatorischen Definition bringt F.HÄUSLER ( B e g r i f f s b e stimmung auch einen phonologischen Gesichtspunkt: «Die Artikulationsbasis ist die in einem typischen Laut- und Hörbild manifestierte Summe der Gewohnheiten zur Bildung von Sprachlauten. Sie geht einerseits auf die Bevorzugung einer spezifischen Grundhaltung der Sprechorgane, andererseits auf die Verwendung bestimmter Artikulationen in bestimmten Positionen zurück, die sich aus der funktionellen Lautstruktur der betreffenden Sprache, aus den Kombinationsmöglichkeiten der vorhandenen Phoneme
76
§67
ergeben. Beide Faktoren beeinflussen sich gegenseitig». Rein organischartikulatorisch fällt auf, daß im Ital. zahlreiche Laute mit gesenkter Zungenspitze gesprochen werden, wo es im Nhd. nicht der Fall ist (siehe auch § 51 ff-)Auch die zahlreichen Lautangleichungen in Wörtern mit einem nicht typisch italienischen Lautbestand, ebenso wie die Gesetzmäßigkeiten bei Lautkombinationen, sind eine Folgeerscheinung der unter dem Begriff Artikulationsbasis zusammengefaßten Aussprachecharakteristika des Italienischen. Generell kann man sagen, daß im Ital. viel deutlicher, viel prägnanter artikuliert wird, als es im Nhd. gemeinhin der Fall ist. Das drückt sich einerseits im besonders reinen Klang der ital. Vokale aus und andererseits in einer stärkeren Muskelspannung der artikulierenden Organe, ja der ganzen Mundpartie überhaupt, bei der Aussprache der Konsonanten, besonders der gelängten Konsonanten. Ein außerordentlich wichtiges Charakteristikum ist die genaue Unterscheidung zwischen sth. und stl. Lauten, die ja eine der Grundlagen des ital. Lautsystems ist. CAMILLI faßt die Artikulationsgewohnheiten des Ital. so zusammen: «La base d'articola^ione italiana riposa proprio su distin^ioni nettissime sia tra l'una e l'altra vocale, sia tra consonanti sorde e sonore, occlusive e continue, tenui e raffor^ate. A. questo principalmente st deve, io penso, se la nostra pronuncia l stata sempre cosi straordinariamente conservatrice» (La radio 26). § 67 Ratschläge für Ausländer In seinen Consigli agli stranieri (Pronuncia 213 ff.) hebt CAMILLI besonders hervor, daß man als Ausländer immer die pronuncia normale lernen und sich keinerlei regionale Eigenheiten angewöhnen solle. Ein Italiener wird sich im allgemeinen ebensowenig wie ein Deutscher, Österreicher oder Schweizer ganz von regionalen Eigenheiten freihalten können. Deshalb lasse man sich auch nach Möglichkeit nur von phonetisch Vorgebildeten bei der Aussprache in Einzelheiten beraten, da man bei der großen Zahl der regionalen Unterschiede Gefahr läuft, Regionalismen als Musteraussprache angepriesen zu erhalten. Aus ähnlichen Gründen darf man sich auch nur mit großer Vorsicht auf sein eigenes Ohr verlassen, wenn man sich bei einem Italienaufenthalt eine «typisch italienische Aussprache» aneignen will. Denn man darf selbstverständlich nicht erwarten, daß alle Italiener Normitalienisch sprechen, denn auch unter den Deutschsprechenden ist die Zahl der Personen sehr gering, die eine sprecherische und phone-
§§ 68, 69
77
tische Vorbildung genossen haben. Deshalb sind die zahlreichen Hinweise auf die zu beachtenden Unterschiede zwischen Nhd. und Ital. mit der Maßgabe niedergeschrieben worden, daß es sich beim Leser um einen sozusagen «normalen» Deutschsprechenden handelt. VOKALE
§ 68 Der [a]-Laut [a:] mano, fama [a] fatto, basta, carta Anm.: In zahlreichen Dialekten wird [a] wie [e] gesprochen, in einigen wie [D] : Bari [be:ri], etc. § 69 Der [i]-Laut Das in der Orthographie als i geschriebene Zeichen kann drei phonetische Werte haben. x) silbisches [i]:
betont [i:] in vidi,giardino [i] in lisso, irto, libro unbetont in pintura, amai 2) unsilbisches [i] oder Halbvokal [j] 1 ): [i] in baita ['baita], ammaino [am'maino] [j] in ata [a:ja], viene [vjeine] 3) diakritisches2), d.h. (hier) die palatale Aussprache bewirkendes i nach c, cc, g, gg, sc, gl z. B. in cacio, caccio, regia, reggia, angoscia, figlia zu 1) Steht i vor einem Vokal und ist es nicht der dritten Gruppe zuzurechnen, so gilt es zu erkennen, ob es sich um ein silbisches [i] handelt oder ob es der Gruppe 2 angehört (vgl. auch § 8off.). Es handelt sich um silbisches [i], wenn es a) nach zwei derselben Silbe angehörenden Konsonanten steht: diente, trionfo; 1 ) Als unsilbisches [j] möchte ich ein nichtvokalisches [i] nach einem Vokal bezeichnen, als Halbvokal [j] ein nichtvokalisches [i] vor einem Vokal, jeweils ein- und derselben Silbe, C A M I L L I und C A S T E I X A N I nennen [i] auch «vocale asillabica». 2 ) diakritisch = unterscheidend, eine bestimmte Eigenschaft verleihend; 2. B. ein Häkchen unter den Buchstaben e und 0 heißt «offene Aussprache», e heißt «langes e», i heißt «unsEbisches /'»,« heißt «silbisches »», usw.
7«
§ 7°
b) nach Konsonant oder [w] steht und eine Vorsilbe, eine Wurzel oder den Teil eines Kompositums beschließt, der, isoliert betrachtet, das i als Tonvokal oder als absoluten Auslaut hätte: bi-enne, anti-aereo; di-agnost; vi-aggio (von via [vi:a]); c) zu der Lautfolge ri- und qui- gehört: riamare, quiete. zu 3) Nach den Palatallauten [tf, d3, J1, ji, Ä] ist i entweder nur graphisches Zeichen oder aber betonter oder nebentoniger Vokal: fuggiamo [fud'd3a:mo], regia [ ' r e ^ a ] aber regia [re^ha], sciatore [Jia'toire]. Bei den Pluralformen der Hauptwörter auf -gia und -cia fällt im heutigen Schreibgebrauch das i als graphisches Zeichen meist weg: camicia, pl. camice. Anm. 1: In zahlreichen Fällen ist ursprünglich gesprochenes lat. i im Ital. zu einem reinen graphischen Zeichen geworden (religionem > religione). Dieses i kann in der Poesie, wenn es etwa das Versmaß erfordert, wieder hörbar werden, z. B. regio, arciere, usw.; adagio >Sprichwort< (aus lat. adagium) kann auch adagio gesprochen werden, nicht so adagio >langsam vlt., ital. [e] > [e] > [o] > [d]
z.B. siccum > secco, velu > velo, poena > pena, cella > cella, caelum > cielo [tfeilo], hora > ora, cruce > croce, auru > oro [oiro], bonu > buono [bwaino]. Da es bisher nicht gelungen ist, ein System zu finden, in das sich, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die Aussprache der betonten e und 0 zwängen ließe, beschränken sich die Darstellungen der italienischen Aussprache und die Lehrbücher der italienischen Sprache darauf, Anhaltspunkte für die Fälle zu geben, in denen eine einheitliche Aussprache anerkannt wird. Breiten Raum nehmen dabei die im Ital. sehr häufigen Suffixe ein; genannt wird meist nur Mask. Sing., die Regel gilt aber auch für Feminin- und Pluralformen.
8o Im vorliegenden Buch wird versucht, die Angaben der verschiedenen Autoren zu sichten, zu koordinieren und als Hinweise darzustellen. In Zweifelsfällen, besonders bei Wörtern ohne charakteristische Endungen, wird man sich an gute Wörterbücher halten müssen, in denen die Aussprache angegeben wird. Anm. i: J . J E R N E J hat in seinem von der Universität Zagreb herausgegebenen Skriptum versucht, eine neue Darbietung dieser so schwierigen Materie zu geben. Er betrachtet den Gesamtwortschatz des Italienischen und unterscheidet (mit MAROUZEAU Lextque 123-124) «Hauptwörter» (mots principaux: Substantiva, Adjektiva, Verba) und «Hilfswörter» (mots accessoires: Artikel, Pronomina, Ädverbia, Präpositionen, Konjunktionen und Interjektionen). Wählt man das Wörterbuch (als Darstellung des Wortschatzes) als Grundlage für eine statistische Berechnung des Verhältnisses der beiden Gruppen zueinander, so ergibt sich als Resultat 98 Prozent «Hauptwörter» und 2 Prozent «Hilfswörter». Nimmt man allerdings einige Prosatexte als Grundlage, so ändert sich diese Relation grundlegend, und zwar so, daß rund 45-48 Prozent «Hauptwörter» einem Anteil von 55-52 Prozent «Hilfswörtern» gegenüberstehen. J E R N E J ist nun mit Recht der Ansicht, daß man ein beträchtliches Stück näher an eine korrekte Aussprache herankomme, wenn man sich den numerisch begrenzten Teil des Wortschatzes, bestehend aus den etwa 200 Hilfswörtern, den Zahlwörtern und den Hilfszeitwörtern, in richtiger Aussprache anlerne. Dies hätte für den Studierenden den Vorteil, daß er mit diesem Rüstzeug mindestens die Hälfte eines italienischen Textes korrekt lesen könne. Zählt man dazu noch die zahlreichen Gemeinsamkeiten des «numerisch unbegrenzten Teil» des Wortschatzes, nämlich die Endungsgruppen usw., so kommt man auf einen sehr hohen Prozentsatz eines Textes, den man mit verhältnismäßig einfach sich anzueignenden Mitteln phonetisch richtig lesen kann. Anm. 2: In abgeleiteten und zusammengesetzten Wörtern kann der Nebenakzent bewirken, daß ursprünglich offene e- und 0-Laute ihren offenen Charakter behalten, dies umso ausgeprägter, je stärker dieser Nebenakzent ist, z.B. [.benat'tjetto], [,S£rja'mente], [,nDtte'tempo]. Diese Regel gilt analog auch für Wörter, die durch den Satzakzent ihren Hauptton verlieren und in den Nebenton treten. Geht der Akzent völlig verloren, so neigen diese Laute dazu, geschlossene Qualität anzunehmen (siehe dazu auch § 121). J E R N E J (Fonetica 25) erkennt auch eine halboffene Qualität bei e und 0, wenn diese Laute in einer einem offenen Tonvokal folgenden Silbe stehen, z. B. bent [bens], semßre, porto [porto], popolo, Cerert usw. Anm. $: In der Poesie kann [e] und [o] durchaus mit [e] und [D] reimen. (CAMILLI Pronuncia 5 3). Anm. 4: JONES (The Phoneme 62 f., 176) stellt fest, daß unbetontes ejo am Wortende offener gesprochen wird als sonst. Dagegen wendet sich CASTELL A N I (Fonotipi 422), der sich auf E . B . D A V I S (Italiari) beruft.
§72
HO...
in ['dolve]
11 . . . in ['kwattro] Il 0 • - - in ['notte] Abb. 15 : Die Position det italienischen
[O]
und [ 0 ] Laute im Vokalviereck (nach
JONES)
§ 72 Der [e]-Laut [e] liegt vor in fede [fe:de], mese [me:se] quello [kwello], stesso [stesso] [e] wird gesprochen: 1) in der Adverbialendung -mente 2) -mento : parlamento, sentimento 3) in der Diminutivendung -etto: ometto Ausn. : wenn das Wort kein Diminutiv ist : tetto [tetto] 4) Adj. auf -evole: piacevole Ausn. [e] fievole 5) in einsilbigen Wörtern (ausgenommen Zeitwörtern): re, me, te, se, usw. 6) in mehrsilbigen Wörtern mit betontem e am Ende:perché,finché,trentatré 7) in folgenden Zeitwortformen: alle Konjugationsklassen: 2.Sg., i.2.Pl.Condiz.; i.2.Pl.Fut.: parleresti, parleremmo, parlereste, parleremo, parlerete usw. 2. Konjugationsklasse (-'ere): Infinitiv; 2. PL Praes. Ind.; Sg., 3. PL Imperi.; Pass. Rem. der regelmäßigen Zeitwörter; Conj. Imperi.: vedere, vedete, vedevo, -i, vedeva, vedevano, potei, potesti, potè, potemmo, poteste, poterono, vedesti 8) in folgenden Endungen b2w. Endungsgruppen: -ecco:
becco, stecco, secco, Cecco Ausn. : [e] in salamelecco, tecco
82
§73 -eccio,-a: -efice: -eggio:
villereccio, cicaleccio, treccia orefice, artefice arpeggio, correggia und alle anderen Substantive auf -eggio, -eggia, die aus Zeitwörtern entstanden sind. Ausn.: -eggio in der Stammsilbe wird mit [e] gesprochen : greggio, seggio, peggio -egno,-a: legno, disegno, rassegna -eno,-a: baleno, pena Ausn. : [e] in treno, ameno, osceno und gelehrte Wörter wie cancrena, quarantena -esco: dantesco, furbesco -ese: cortese, arnese, francese -esimo: nur die Substantive ! umanesimo, cristianesimo Anm. : Die Ordinalia haben [e] ventesimo -essa: studentessa, professoressa -eso,-a: illeso, offesa -eto: tappeto, aceto, oliveto Ausn. : [e] in alfabeto, veto, completo und in den meisten gelehrten Wörtern, wie z. B. poeta, profeta -e^a: belletta, certevga, sicurezza 9) in folgenden wichtigen Einzelwörtern (nach FIORELLI) : allegro, almeno, appena, capello, che, che, credere, crescere, davvero, dentro, egli, ella, esso, freddo, fresco, fretta, invece, meno, mente, mentre, mettere, nero, orecchio, perché, poiché, quello, questo, ricevere, scendere, se, sé, sedia, segno, spesso, stesso, tre, tredici, trenta, venti, vero. § 73 Der [e]-Laut
[e] liegt vor in bene [beine], premio [prsimjo] tempo [tempo], difendere [difendere] [e] wird gesprochen: 1) in der Lautverbindung -te- [je]:piede, Fiesole, Pier Ausn. : [e] in bietta, chierico, intiero und in den Endungen -ie^a, -ietto 2) in Wörtern auf -è: Mosi, Averroè, aloè, canapè, c a f f è Ausn. : [e] in scimpanzè, mercè, fé und allen Konjunktionen auf -ché: finché, benché
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§73 j) in folgenden Zeitwortformen : 2. Konjugation: Part.praes. vedente, Ger. vedendo alle Konjugationen: i.3.Sg., 3.PL Condizionale -rei, -rebbe, -rebbero; 1.3. Sg., 3. PL Pass. rem. -etti, -ette, -ettero: stetti, stette, stettero; ferner die Nebenformen der 2. Konjugation: temetti, temette, temettero 4) in Wörtern, die auf Konsonant enden: vademecum, neon Anm.: diese Regel gilt nicht für verkürzte Wörter: vedon [e] ( < vedono) 5) in Wörtern, die auf ein unbetontes Suffix oder Kompositionselement enden : generico, telefono, telegrafo 6) in Wörtern, bei denen auf das e noch ein anderer Vokal folgt: neutro, plebeo, costei, lei, sei Ausn. : [e] in den kontrahierten Formen (poetisch oder volkstümlich) des Imperi, -èva > -ea, -evano > -eano und in der Endung -ei des Pass. Rem. temei. 7) in Wörtern, bei denen e vor einfachem Konsonant und zwei geschriebenen Vokalen steht: assedio,genio, facezia, specie, egregio Ausn. : [e] in fregio, seguo usw. 8) in den Endungen: -eca: biblioteca -elio,-a: (in Diminutivformen) : fratello, favella, battello Anm. : aber [e] in capello, stella, quello -ema: (in Wörtern griechischen Ursprungs) : poema, emblema Anm. : [e] il tema, aber [e] la tema -endo: (alte Gerundivformen und daraus abgeleitete Wörter): faccenda, agendo, stupendo -enico: ellenico, igienico (siehe auch unter 5) -enne: ventenne -ennìo: biennio -ense: forense -enso: senso, intenso -ente: potente, accidente -ento: unguento, contento -en%a: partenza, innocenza -eo, -ea: liceo, spondeo, Matteo, contea -erto, -a: adulterio, miseria -errimo: integerrimo (hauptsächlich gelehrte Wörter) -esimo: (der Ordnungszahlwörter) ventesimo -estre: alpestre, silvestre -estro: maestro, Silvestro
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-etico: alfabetico, etica (siehe auch unter 5) -e%ìo,-a: trapezio, facezia 9) in folgenden wichtigen Einzelwörtern (nach FIORELLI) : accendere, bello, bene, breve, cento, certo, decimo, ecco, essere, festa, finestra, gente, guerra, leggere, lettera, letto, meglio, tnesgo ( = Hälfte, halb), perdere, petto, pesgo, prendere, presso, presto, rendere, resto, ripetere, riprendere, sempre, senso, sesto, sette, silenzio, stendere, tempo, terra, ter^o, testa, vecchio, vento, verso. Anm. : Für das Passato remoto der Zeitwörter der Klasse auf -ère ergibt sich folgendes Konjugationsschema (mit dem accento fonico wird die offene f l bzw. die geschlossene /'/ Aussprache bezeichnet): oder temetti Sg. temei temesti temesti temé temètte PI. tememmo temémmo temeste temeste temerono temèttero Der Condizionale lautet für alle Klassen (in der Endung) gleich: Sg. PL temerli temeremmo temeresti temereste temerebbero 4 [e] : [e]
Folgende Wörter unterscheiden sich nur durch die Aussprache des e. [e] und [e] befinden sich also in phonologisch relevanter Stellung. [e] accetta von accettare >annehmen< affetta, -i, -0, -ano von affettare >zeigenzur Schau tragen< affetto >Affekt< annetto von annettere >anfiigen< arena >Arena
Beil< affetta, -i, -0, -ano von affettare >aufschneiden
schon
beglùcken< = bevi von bere >trinken
Gesichtsfarbe
Haar< cenci von cencio >Lappen< cera >Wachs
aufschneiden< annetto von anno >Jahr< arena >Sand
antiker Kampfhandschuh< collega >Kollege< corregge von correggere >verbessem< corresse von correggere >verbessem< Credo >Credo< Creta >Kreta
Korb< collega von collegare >verbinden< corregge von corregia >Riemen< corresse von correre >laufen< credo von credere >glauben< creta >KreideTonerde
geben
sagen
Elmsfeuer< esca von uscire >hinausgehen< esse >s
Helm< esca >Kòder< esse >sie
lesen< lessi von leggere >lesen
Gesetz< lessi vón lesso >gekocht
Main< mele = miele >Honig< mento von mentire >liigen
traurig< meta >Ziel
weniger< mele von mela >Apfel< mento >Kinn< (nach Rigutini umgekehrt) mente, -i >Sinn< messe von messa >EinsatzMesse< und von mettere mesto von mestare >umrùhren< meta >Kuhmist
schwarz
Pfirsich< peste >Pest
Birne< pesca von pescare >fischen< peste >Spuren< premetti von premettere >voraussetzenvorausschicken
lùgen< messe >Ernte
driicken< re J = d reni plur. von rene >Nieren< ridette von ridare >zuriickgeben< te >Tee< tema >Thema
Kònig< reni >Lenden< ridette von ridire >wiederholen< te >dirdich< tema >Furchtfurchten
der Alte< vendette von vendere >verkaufen< venti von vento >Wind< Vera Eigenname Vigevano Eigenname
[e] veglio von vegliare >wachen< vendette von vendetta >Rache< venti >zwanzig< vera von vero >wahr< vigevano von vigere >gelten
Hälftehalb< me^o [mettso] >überreif< tesi [tszi] >TheseDissertation< tesi [tesi] von tendere >spannen< § 75 Der [o]-Laut [o:] dono, loro [o] somma, posto [o] wird gesprochen: i ) in folgenden Suffixen: -ione: nazione, riputazione,, -oce: atroce, feroce, veloce Ausn. : [D] in cuoce, nuoce, precoce -ogno, -ogna: vergogno, bisogno, Bologna Ausn. : [o] in cogno, Progne -ognolo: giallognolo, verdognolo -oto, -oia: scrittoio, rasoio, Pistoia, scappatoia Ausn. : [D] in cuoio, boia, noia, Savoia, annoio, muoio -ondo: rotondo, fecondo, moribondo, mondo -one, -ona: balcone, poltrone, poltrona, matrona -ono, -ona: abbandono, perdono, persona, corona Ausn. : [D] in colono, prono, nono, icona, patrona -onte, -onto: conte, fonte, monte, conto, pronto -ore, -ora: signore, autore, favore, signora, stiratore Ausn. : [D] in cuore, aurora, flora, dimora, suora -on^olo: medicandolo, predicandolo -oso: noioso, grandioso, virtuoso, amoroso z) in folgenden wichtigen Einzelwortern (nach FIORELLI) : allora, ancora, bisogno, bocca, calore, colpa, colpo, come, conoscere, conto, contro, correre, dodici, dolce, dove, fiore, forma, forse, fronte, giorno, giovane, interrompere,
§76
«7
intorno, maggiore, migliore, moglie, molto, nascondere, nipote, noi, nome, ogni, oltre, ombra, ora, porre, posto, pronto, quattordici, riconoscere, rispondere, rompere, rosso, signore, sogno, sole, solo, sopra, voce, voi § 76 Der [D]-Laut [d:] parola, poco [d] for^a, volta [d] wird gesprochen: 1) in allen Wörtern, die auf -ò enden: perciò, farò, amò, amerò 2) in der Verbindung -wo- : buono, scuola Ausn. : [o] in den Suffixen -uore, -uoso 3) in allen einsilbigen Wörtern : no, so, do 4) in otto, nove und allen Zusammensetzungen: trentotto 5) in Wörtern, die auf Konsonant enden (ausgenommen die verkürzten Wörter) : snob, golf, colon 6) in Wörtern, in denen auf o ein Konsonant und zwei geschriebene Vokale folgen : marmoreo, petrolio, manicomio, socio, orologio Ausn. : incrocio, vocio 7) in Wörtern, die auf ein unbetontes Suffix oder Kompositionsglied enden: -odromo: aerodromo -ogico: logico, filologico -ografo: idrografo, autografo -ologo: filologo, prologo . -ometro: geometra, manometro -olico: simbolico -ottico: armonico, sinfonico -orico: storico, allegorico -otico: caotico, nevrotico 8) in folgenden Endsilben : -occhio: ginocchio, ranocchio -occio: fantoccio, cartoccio, belloccio -occo: balocco, blocco -oide: mattoide -oldo: Leopoldo, Arnoldo -olfo: Adolfo -olo: spagnolo, fenolo, barcaiolo -orio: avorio, oratorio
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-orto:
conforto, scorto Ausn. : [o] torto, sorto -osi: diagnosi, tubercolosi -otto: giovanotto, chioggiotto Ausn. : gotta, ghiotto, acquedotto, trotto, rotto, sotto, -ottolo,-a: viottola -0^Ì0j-a: sacerdozio, Beozia abovgo, carroaga, maritozzo 9) in folgenden wichtigen Einzelwörtern (nach F I O R E L L I ) : accorgersi, cogliere, corpo, cosa, donna, forte, for^a, gioco, gioia, grosso, modo, morte, nono, nostro, nove, occhio, oggi, oh, opera, otto, parola, piuttosto, poco, poi, porta, povero, proprio, scorgere, solito, togliere, troppo, volgere, volta, vostro [o] : [D] Folgende Wörter unterscheiden sich nur durch die Aussprache des 0; [o] und [a] befinden sich also in phonologisch relevanter Stellung. M [°] accorre = poet. für accogliere accorre von accorrere >hinzulaufen< accorsi von accorgere aufnehmen, accorsi von accorrere bemerken< adulatoriaon. adulatorio >schmeichlerisch< adulatori von adulatoretàchmeìchìtn botte >SchlagPriigel
FaB
pfliicken< colla >Leim< colle >Hiigel< collo >Hals< colto von cogliere >pflucken< conservatori von conservatorio >Konservatorium< coppa >Becher< corre poet. fiir collere >pflucken< corso >korsisch
gebildet< conservatori von conservatore >Pfleger< coppa'1') >Pre6wurst< corre von correre >laufen< corso >Kurs< und von correre >laufen
gelehrt
Gang
Platz< fosse von fossa >Graben< importi von importo >Einfuhr< imposto von impostare >einwerfen< indotto >ungelehrt
Loch< fosse Konj. Imp. von essere >sein< importi = imporre a te imposto von imporre >auferlegen< indotto von indurre >einfuhren
griech. Bezirk
Namen
GoldGarten< ora poet. fiir aura >Windhauch< Onori Eigenname oratori von oratorio >Oratorium
Stunde< ora >Stundejetzt< onori von onore >Ehre< oratori von oratore >Redner
Schwein< porsi Part. Pass von porgere porti von porto >Hafen< und portare >tragen< pose von posa >Pose< posta >Post< provocatori voti provocatorio >aufreizend
setzen< posta von porre >setzen< provocatorivon provocatore > Aufhetzer
ausruhen< rocca >Burg< Rodano >Rhóne< Rodi >Insel Rhodos
zuriickstellen< rocca >Spinnrocken< rodano von rodere >nagen< rodi von rodere >nagen
ZielZweck< scorsi von scorgere >erblicken< sorta >Sorte
Besen< scopo von scopare >fegen< scorsi von scorrere >sich weiterbewegen< sorta von sorgere >sich erheben
Stiick< = poet. togliere >wegnehmen< — poet. togliere + si von torto >gewunden< — poet. fiir togliere + vi
volgo von volgere >drehen< volto von volgere >drehen< voto = vuoto >leer
Beriihren< >Turm< von torso >RumpfTorso< >Torte< von torvo >grimmig
PobelMenge< volto >Gesicht< voto >Geliibde
Radscheibe< rosa [ro:za] >Rose
Schiffsjunge< und mosgato >gekürzt< rosa [ro:sa] von rodere >nagen
librai; nicht obbli+iamo sondern obbliamo; Anm.: Ist das erste i jedoch betont, verschmilzt es nicht mit dem zweiten i: pio pl. pii. 3) die beiden Vokale bilden einen dittongo ( = eine stets einsilbige Verbindung) oder eine sineresi ( = eine gelegentliche einsilbige Verbindung): pausa, neutro; 4) die beiden Vokale bilden eine dieresi, einen iato, d.h. sie gehören verschiedenen Silben an: chiunque, Trieste, biennio, paura. CAMILLI und mit ihm viele andere verwenden die Bezeichnungen dittongo, sineresi und dieresi für die verschiedenen Möglichkeiten, eine Gruppe von
§79 zwei Vokalen 2u realisieren. Da dies nicht den deutschen Begriffen Diphthong, Synärese und Diärese entspricht, wurde zunächst auch auf eine Übersetzung der Begriffe verzichtet. Die Bezeichnungen sineresi und dieresi sind der italienischen Metrik entnommen (vgl. ELWERT Metrik 1 8 ) und bezeichnen dort die metrisch einsilbige, bzw. zweisilbige Wertung zweier im Hiat (d.h. nebeneinander im Schriftbild) stehender Vokale in einem Wort. Treffen zwei Vokale an der Wortfuge so zusammen, daß sie zwei verschiedenen Wörtern angehören, so wird in der italienischen Metrik die einsilbige Wertung sinalefe, die zweisilbige dialefe genannt. Dittongo nennt C A M I L L I zwar eine feste Verbindung zweier Vokale, aber im folgenden gewinnt man den Eindruck, daß er die Bezeichnung nicht nur im phonetischen, sondern auch im orthographischen Sinn verwendet. § 79 Was ist nun aber wirklich unter einem Diphthong zu verstehen und was ergibt sich, wenn man die Theorie auf das Italienische anwendet? V O N ESSEN, dem wir auch hier folgen, definiert so: «Unter Diphthong versteht man einen im phonetischen Sinn vokalischen Zweilaut, der die sprachliche Funktion eines einfachen Vokals hat, d.h. dessen einzelne in gewöhnlicher Rede auffaßbaren Bestandteile artikulatorisch und klanglich kontinuierlich ineinander übergehen, wobei einer der beiden Teile eindrucksmäßig das Übergewicht haben kann» (Phonetik 79). Diese in der Hauptsache rein phonetische Definition besagt schon, daß es sich bei den Diphthonggliedern um Vokale handeln muß. Die Gruppe Halbvokal + Vokal oder umgekehrt ist kein Diphthong. Richtige Diphthonge gibt es z . B . im Nhd. in heute [30], Haut [ao], -heit [ae]. Dabei muß auch noch auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den deutschen (echten) Diphthongen und den italienischen (sogenannten) Diphthongen hingewiesen werden. Der deutsche Diphthong ist ein Vorgang, bei dem eine kontinuierliche Verschiebung des Lautes von dem in dem Transkriptionszeichen an erster Stelle stehenden Laut zu dem in dem Transkriptionszeichen an zweiter Stelle stehenden Laut zu beobachten ist. Die Artikulationswerkzeuge durchlaufen dabei alle Stadien der Laute, die zwischen diesen beiden Lauten liegen (man vergleiche auch die Darstellung dieser Verschiebung bei MARTENS Abbildungen A 10). Bei den italienischen Vokalverbindungen handelt es sich hingegen, soweit sie als Diphthonge realisiert werden, um Lautverbindungen und nicht um Lautverschiebungen. Die Stellung der Artikulationswerkzeuge wird dabei nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft verändert. V O N ESSEN definiert weiter (a. a. O.): «Charakteristisch für alle sprachlich-
§79
92
phonologisch relevanten Diphthonge ist die Untrennbarkeit ihrer artikulatorischen Elemente, die Unzulässigkeit der Auflösung in verschiedene Silbenzugehörigkeit.» Auch MENZERATH sagt (Der Diphthong 12): «Der Diphthong ist unter allen Umständen einsilbig». Das graphische Nebeneinander zweier Vokale kann also eine rein äußerliche, orthographische Voraussetzung für einen Diphthong sein, ist aber keinesfalls mit ihm identisch. Vielfach wird auch für Buchstabenkombinationen, die einen Laut ausdrücken, die Bezeichnung digramma oder trigramma verwendet. Dadurch wird schon von der Bezeichnung her darauf hingewiesen, daß es sich um Buchstaben- und nicht um Lautkombinationen handelt. Denn es kann auch sein, daß mehrere Buchstaben in unserer historisch bedingten Orthographie nur einen einzigen Laut wiedergeben, z. B. ital. sei und nhd. sch = [f], frz. au = [o], usw. Es ist auch nicht zulässig, eine Gruppe von drei oder mehreren Vokalen als Triphthonge, Tetraphthonge oder Polyphthonge zu bezeichnen, da all diesen Gruppen das entscheidende Kriterium der Einsilbigkeit fehlt. Es können demnach nur solche Vokalverbindungen als Diphthonge bezeichnet werden, die unter keinen Umständen, wie etwa in der Poesie oder bei langsamem Sprechen oder in gehobener Sprechweise, in ihre Elemente aufzulösen sind. Das nhd. Haus kann nie als Ha-us gesprochen werden, beim ital. aura kann man a-u-ra oder au-ra sprechen (vgl. auch § 59). Feuer wird nie dreisilbig, Haus immer einsilbig sein, aura, Laura, neutro hingegen können zwei- oder dreisilbig realisiert werden. Bei den italienischen Vokalverbindungen kann man also wohl von einer Synärese sprechen, nicht aber von sprachlich relevanten Diphthongen. Natürlich können Diphthonge gesprochen werden, aber das sind dann eben Realisierungsvarianten und keine eigentlichen Diphthonge. CA MILLI hat als Beispiele für dittonghi vocalici Wörter genannt, die die aus dem Griechischen oder Lateinischen stammenden Vokalgruppen au oder eu enthalten. Diese Verbindungen würden keine Diärese zulassen und entsprächen also dem Gesetz der Unteilbarkeit der Diphthonge, FIORELLI tritt dieser Auffassung in zwei Äußerungen entgegen1) und sagt, daß es lediglich *) In der Besprechung von A . CAMILLIS I fondamenti della prosodia italiana (Firenze 1959), in Studi linguistici 1 (i960), 180-182 (S. 182: «Solo in un punto mi sembra eccessiva una certa rigidità, là dove dichiara senz'altro dittonghi l'aue /'eu d'origine greca 0 latina,... Ritengo all'opposto, che in italiano s'incontrano l'una e l'altra pronuncia e siano possibili allo stesso titolo e nella stessa misura tanto per i dittonghi discendenti d'origine latina 0 greca quanto per gli altri, tanto per 1'au di Laura quanto per /' ao di Paola; mi sembra che ¡e oscillazioni dell'uso poetico siano confermate dall'esperienza del parlare d' ogni giamo, nel senso che l'italiano non possiede dittonghi») und in der Anmerkung 143 zur dritten Auflage von CAMILLIS Pronuncia (S. 94: «La distinzione tra i
§8o vom Sprecher, von der Sprechgeschwindigkeit und vom Satzakzent und eventuell von metrischen Erfordernissen abhänge, ob au-ra oder a-u-ra, Eu-ro-pa oder E-u-ro-pa gesprochen wird. Man kann also ruhig behaupten, daß es im Ital. keine Diphthonge gibt, die der strengen sprachlichen Definition des Begriffs entsprächen. 80
Praktisch gilt es nun den Gebrauch festzustellen, wie die einzelnen Elemente einer Vokalverbindung realisiert werden, ob eines der beiden halbvokalisch zu sprechen ist, ob die beiden Laute in Synärese, d.h. diphthongartig ausgesprochen werden, oder ob es sich um eine Diärese handelt, also um eine Vokalverbindung, durch die die Silbengrenze geht. Es wird dabei von einer normalen Sprechweise ausgegangen, denn wie schon mehrfach erwähnt, können alle genannten und noch folgenden Regeln durch äußere Faktoren (siehe § 59, usw.) außer Kraft gesetzt werden. Nach CAMiLLi kann man sagen, daß die Verbindungen e, a, 0, u mit betontem Vokal als Diärese anzusehen sind. Ändern sich jedoch die Betonungsverhältnisse durch den Satzakzent etc., so kann einer der Vokale
unsilbischen Charakter annehmen. Beato, soave, aita, paura, cruento sind also normalerweise dreisilbig, können aber z.B. im Vers u.ä. ohne weiteres zweisilbig realisiert werden; in längeren Wörtern (meist Ableitungen) wird im allgemeinen Halbvokal + Vokal, bzw. Synärese gesprochen : beatissimo, soavità. Hier kann aber ohne weiteres, wenn die Betonungsverhältnisse es fordern, Vokal + Vokal gesprochen werden. Wörter, die ursprünglich aus zwei Teilen bestehen {chiunque, biennio) können ebenfalls, wenn es die Betonungsverhältnisse erfordern, zweisilbig statt dreisilbig gewertet werden (vgl. § 126). Anm. : u vor Vokal ist im allgemeinen Halbvokal [w] bzw. [y] :
a) vor [d]: vuoto [vwoto], uomo Ausn.: fluoro, luttuoso, innocuo, arcuato (d.h. es handelt sich um gelehrte Wörter lateinischen Ursprungs)
dittonghi a u e e u , che venendo pari pari dal Ialino e greco non dovrebbero ammettere la dieresi, e gli altri dittonghi discendenti, che risultando da sineresi di vocali originariamente in iato dovrebbero ammetter la dieresi come cosa normale, è una distinzione puramente teorica. Cosi nella tradizione poetica come nel parlar d'ogni giorno, non si può dire che l'italiano possieda dittonghi discendenti stabili ossia veri dittonghi: la dieresi i tanto possibile in L a u r a e n e u t r o quanto in P a o l a e s t o i c o ; e chi pone un freno a questa possibilità non è l'eventuale consapevolezza dell'origine latina 0 greca, ma ¡'eventuale mancanza d'un forte accento difrase 0 la rapidità del discorso.»).
94 b) c, g, q = [k] + u + Vokal: quattro [kwattro], cuoio [kwo:jo], guasto, acqua, quota Ausn. : taccuino, arguire. Als zweites (unbetontes) Element der Vokalgruppe au und eu wird u als [u] gesprochen: aura, causa, feudo.
Für Vokalgruppen, deren erster Vokal i ist gilt: 1) Für die Fälle, in denen [i] gesprochen wird, siehe § 69; 2) Es wird [j] gesprochen: a) am Wortanfang oder zwischen zwei silbenbildenden Vokalen: ieri [je:ri], aia [a:ja] ; Anm. : In der Poesie und bei Fremdwörtern aus dem Griechischen [i] oder [j] : iacinto, iodio, iato b) in den Endungen -iere, -iero: cavaliere, maniera; Anm. : Nach [tf, dj, p, Ä, J] wird [j] von diesen Lauten absorbiert und auch in der Schreibung häufig weggelassen: ingegnere, bersagliere, usciere [ujjeire], passeggero, Ruggero c) in den Verbalendungen -tanto, -tate: amiamo, amiate; Anm.: Nach den Palatallauten (siehe unter b) wird [j] absorbiert. Facciamo wird im Indikativ und Konjunktiv [fattfaimo] gesprochen; ähnlich sogniate, bagniate, wobei auch hier das [j] des Konjunktivs mit dem [P] verschmilzt, CAMILLI (Pronuncia 57 A 80) will zwischen sognate (Ind.) und sogniate (Konj.) auch in der Aussprache unterscheiden. Diese Unterscheidung ist nicht verbindlich und scheint sich auch, wahrscheinlich aus Gründen der Einheitlichkeit innerhalb des Paradigmas, nicht durchzusetzen. d) Auch die Herkunft der Vokalgruppe aus dem Lateinischen kann einen Hinweis auf die halbvokalische Aussprache des i geben: a) lat i, ae, Verschlußlaut + / in Erbwörtern: dice > dieci, faenu > fieno, claru > chiaro, auch ahd. blank > bianco; ß) lat. vorvokalisches t, Ì. Die beiden Laute hatten im klassischen Latein noch rein vokalischen Charakter; beim Übergang zum Vit. wurden sie zunächst zu Halbvokalen und bewirkten im Italienischen die Geminierung des Nachbarkonsonanten: apiu > appio, cavea > gabbia, fagiu > faggio, ericiu > riccio. In den beiden letzten Beispielen hat [i] außerdem die Palatalisierung von g und c bewirkt.
§§ 82, 8 3
95
Anm.: Die Schreibung j wurde früher im Italienischen für den Halbvokal am Wort- oder Silbenanfang gebraucht: jettatura,juta, Jugoslavia, Aja. Sie ist heute nurmehr in diesen Wörtern in Gebrauch (FIORELLI CorSO 36). Die Schreibung -j für den Plural der Wörter auf -io (vario, varj, studj, etc.) ist zwar von der Crusca gebilligt, aber CAMILLI Z . B . lehnt sie ab, da ihr Gebrauch nur Verwirrung stiften würde. Zudem wird der Buchstabe j auch beim Schreiben zahlreicher Dialekte benötigt. In der heutigen Orthographie gilt sie als ungebräuchlich und veraltet.
Zusammenfassend kann man sagen: 1) / und u werden vor einem Vokal, besonders bei nachlässigem und schnellem Sprechen, sehr leicht zu [j] und [w] ; 2) Ob die beiden Vokale in Synärese oder in Diärese zueinander stehen, hängt in weitem Maße vom Sprecher, von der Sprechschicht und von der Situation im Satz und im Vers ab. Eine genaue Trennung zwischen [i], [j] und [i], bzw. [u], [w] und [y] und die Forderung nach einer einzig richtigen Aussprache für Wörter, in denen Vokalverbindungen vorkommen, scheint allerdings mehr theoretischen denn praktischen Wert zu besitzen, denn es ist, wie auch CAMILLI und FIORELLI immer wieder bestätigen, oft gar nicht einfach, einen Unterschied herauszuhören. Zudem bestimmen die Aussprache viel weniger die Kriterien der Herkunft eines Wortes oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wortfamilie usw., als in weit stärkerem Maße die Sprechgeschwindigkeit, der Satzrhythmus. Wie fließend die Grenzen zwischen vokalischer und halbvokalischer Realisierung, zwischen Synärese und Diärese sind, mag man aus der Eintragung dieresi im DEI entnehmen. Dort heißt es : «In genere, però, nella pronuncia più lenta si può avere la dieresi in ogni caso in cui nella pronuncia corrente si dovrebbe avere un dittongo discendente» (z. B. aura, neutro, etc.). § 83 Mehrgliedrige Vokalverbindungen Stehen innerhalb eines Wortes drei oder mehr Vokale nebeneinander, so lösen sich diese Verbindungen beim Sprechen in Gruppen (Silben) auf, die im allgemeinen aus einem Halbvokal und einem Vokal bestehen. 1) dreigliedrige Verbindungen: a) Vokal + Halbvokal + Vokal aio, aia, aie paio [pa:jo], aia [a:ja] oia, oie gioia, noia oio frantoio, scappatolo
96
§84
eia eial, Aquileia eio Apuleio (nur in gelehrten Wörtern) uio, uia, uie buio, costituiamo iui chiuino [kiwi:no] >Zaunkönig< iuo mariuolo [mari'wolo], piuolo, oriuolo, viuola b) Halbvokal + V o k a l + Halbvokal/Vokal iei miei [mje:i] oder [mjei] uoi vuoi [vwo:i] oder [vwoi], tuoi, suot, buoi 2) viergüedrige Verbindungen: Diese Gruppen haben stets zwei Halbvokale, aiuo aiuola [aj 'wo :1a], aiuolo, paiuolo, armaiuolo uoio tnuoio [mwD:jo], muoiono, cuoio, cuoiame j ) fünfgliedrige Vokalverbindungen: Diese Gruppen gibt es im Einzelwort coiaio1) [koja:jo] und im Satzzusammenhang, z. B. in Fügungen wie Mario e Aurelio [ma:rjoeayre:ljo].
HALBVOKALE
§ 84
Es gibt im Italienischen zwei Halbvokale [j] und [w], die sich v o n [i] und [u] herleiten. In welchen Fällen Halbvokale gesprochen werden sollen, wurde bereits in den vorhergehenden Paragraphen (59, 69, 70, 80 ff.) aus praktischer Notwendigkeit dargelegt, so daß hier nur einige Ergänzungen vorzunehmen sind. Nach stimmlosen Konsonanten neigen [j] und [w] dazu, stimmlos realisiert zu werden, besonders bei nachlässigem Sprechen. Dieser Fehler ist unbedingt zu vermeiden. V g l . dazu CAMILLI Pronuncia 82; TERNI Note; JOSSELYN Etudes 104. A m Wortanfang werden die Halbvokale in der Morphologie wie Vokale behandelt, d.h. sie bewirken Elision, euphonisches d, usw. (CAMILLI Pronuncia 125 A 185). R.A.HALL ist teilweise anderer Ansicht (Lo suocero). E r weist darauf hin, daß man Halbvokale als eigene Phoneme und als Konsonanten auffassen könne, besonders auch unter Berücksichtigung der Aussprache in einigen Gegenden Italiens. Folgerichtig setzt er auch vor das Wort suocero den Artikel lo, d.h. er betrachtet suocero als mit «s impura» beginnend. Im Grande Di^ionario della lingua italiana (hrsg. von S.BATTAGLIA) wird diese Schreibung als veraltet bezeichnet und cuoiaio geschrieben, also eine sechsgliedrige Vokalverbindung I
§ § »5» 86
97
Anm. i: In Mittel- und Süditalien wird intervokalisches [j] häufig gelängt gesprochen: coiaio [koj'jajjo], aia [aj'ja], usw. Anm. 2: In der Emilia wird [w] und [u] häufig durch den dentilabialen Reibelaut ersetzt, der je nach dem folgenden Konsonant sth. oder stl. sein kann: flauto [flafto], uomo [vo:mo]. KONSONANTEN
Nasale § 85 Der [m]-Laut Der Laut kommt einfach und gelängt vor, außerdem kann er wortauslautend sein. [m] mala, tema, Emma, facciam Vor [v, f ] wir der Verschluß denti-labial gebildet: andiam via [andjarqvi:a] Vor [k] wird der Verschluß postdorsal-velar gebildet: facciam questo [fattjaqkwesto] (entspricht in der Aussprache faccian questo), poniam caso. § 86 Der [n]-Laut Der Laut kommt einfach und gelängt vor, außerdem kann er auslautend sein. [n] nono, normo, il suon Der Laut [n] zeigt bei der Bildung des Verschlusses starke Assimilationserscheinungen, d.h. der Verschluß, der normal alveolar-koronal gebildet wird, wird bereits an jenem Ort gebildet, wo der Folgekonsonant Verschluß oder Enge bilden wird. Diese Erscheinung ist nicht nur innerhalb des Wortes zu beobachten, sondern auch innerhalb des Ausspruchs. Vor [f, v] wird der Verschluß denti-labial gebildet: inverno [irqverno], inferno [injferno], in fretta [inj fretta], in viaggio [irr] vjadd3o], in vece [irr) ve:tfe]. Vor [g, k] wird der Verschluß velar-postdorsal gebildet: dunque [dugkwe], unguento [urjgwento], in casa [iq ka:sa], un gambero [uq gambero], van coperti [vag koperti]. Vor [p, b] wird n wie m gesprochen. Dieser Wandel ist graphisch in zahlreichen Komposita bereits durchgeführt, (imprudente < in-\-prudente), teilweise noch im Schwanken (sanpietrino und sampietrinö). Pho-
98
§»7
netisch besteht aber kein Unterschied mehr: in porto = importo, in barca = imbarca, in magasgtno = immagav^ino. Vor [t, d, ts, dz, s] wird der Verschluß denti-koronal gebildet (kein eigenes Transkriptionszeichen) : fondo, dente, an^i, vinse. Vor [tf, d3, J] müßte aus Gründen der Wahrscheinlichkeit [n] und [m] wie bei allen anderen Konsonanten auch an diese Laute angeglichen werden, also zu Qi] werden. Zahlreiche Phonetiker sind dieser Ansicht (BONFANTE Cenni 3 2 ) . In den Transkriptionsbeispielen von CAMILLI und FIORELLI (in Pronuncia und in der Zeitschrift Le maître phonétique) ist diese Variante nicht aufgenommen, obwohl es vom Graphischen keine Schwierigkeiten geben sollte und auch die Varianten [rq] und [q] angezeigt werden, TAGLIAVINI (Pronuncia 2 1 8 f.) meint, daß im allgemeinen vor [tf] und ^ 3 ] doch gewöhnliches [n] gesprochen wird. Vor [p, Â] wird [n] an diese Laute assimiliert, con gnocchi [koji'jiokki], congli occhi [koA'Äokki]. TAGLIAVINI (Pronuncia 2 1 8 ) sagt, daß [n] vor [X] als [p] realisiert wird und gibt als Beispiele congli stivali [kojiÄi sti'va:li]. § 87 Der [ji]-Laut In der Orthographie wird dieser Laut durch -gn-, -gni- wiedergegeben: gnocco [pokko], campagna [kampajijKi], sogniate [sojijia:te] In intervokalischer Stellung wird er immer [-jiji-] ausgesprochen. In Germanismen wie gneiss, Wagneriano und in der italienischen Aussprache des Griechischen wird -gn- [gn] gesprochen: [gnsiis, vagnerja:no], yvwcri? [gnoizis]. Die eingebürgerten Graezismen allerdings werden den italienischen Regeln entsprechend ausgesprochen \gnosi [pò:zi] (vgl. CAMILLI Pronuncia 43 A 5 3). Anm. 1 In Norditalien wird anstelle von [ji] die Lautgruppe [nj] gesprochen. Zusammen mit den anderen Längungsverhältnissen ergibt sich gegenüber dem Normitalienischen folgende Abweichung: Normital. Nordital. [laviinja] Lavinia [lavinja] [la vijipa] la vigna [la vi:nja] oder [la viyia] Aniello [anjello] [anjello] agnello [appello] [anjello] impenniamo [impennj a :mo] [impennja:mo] impeciamo [impejipaimo] [impenja:mo] Anio a:njo] [anjo] annjo] [annjo] Annio appo] Agno [anjo]
§§ 88, 8 9
99
Anm. 2: In Mittel- und Süditalien wird dagegen [nj, nnj] häufig als [ji,jip] gesprochen:patrimonio normital. [patrimoinjo], südital. [patrimopo]. Anm. 3 : [ji] als Realisierungsvariante von [n] siehe § 86. Anm. 4: In alten Texten findet man für den Laut [p] auch häufig die Schreibung -ngn- : songno. Die Liquide § 88 Der [1]-Laut Der Laut kommt einfach und gelängt vor. Außerdem kann er wortauslautend sein. [I] : legge, velo, il sol [II] : fallo, calle § 89 Der [Ä]-Laut Orthographisch wird dieser Laut mit gli wiedergegeben. Intervokalisch wird er nur [-ÄÄ-] gesprochen: gli [Äi], figlio [fiÄÄo]. Am Wortanfang kommt [X] außer in gli noch in glielo, gliela, gliene, gliele, glieli und gliommero vor. Die Gruppe gli wird [gli] ausgesprochen, besonders am Wortanfang und in gelehrten Wörtern: negligente, glicerina, glicine, anglicano, Anglia, siglare, ganglio, triglidi (Fischart), voglite (Mineral), cologli (Abkömmling der giannizzeri >Janitscharen figlio. Spätere Bildungen nach lat. Wörtern haben wieder [-lj-]: itali filiale, famiglia und familiare. Anm. 2: Im Nordital. wird [Ä] durch die Gruppe [-lj-] ersetzt, was zusammen mit den anderen Längeverhältnissen zu Unterschieden gegenüber der ital. Normaussprache führt. Normaussprache Nordital. Ultalia [lita:lja] [litalja] li taglia [li taÄÄa] [li tailja] [li ta:Äa] Anm. $ : Der Unterschied zwischen [ÄÄ] und [lj] ist von phonologischer Bedeutung z.B. in: vogliamo - voliamo abbagliate - aballiate sveliamo - sveltiamo - svegliamo olio - Olilo - Oglio Palieri — Pallieri - Pacieri
§ § 9°-93
100
Die Unterscheidung im Nordital. erfolgt nicht durch zwei verschiedene Laute sondern durch andere Längen- und Kürzenverhältnisse. Anm. 4: In der volkstümlichen Aussprache Roms und Umbriens wird anstelle von [Ä] einfaches [j] gesprochen; paglia klingt wie paia. Ahnliches gilt für das Venezianische. Die Schwinglaute § 90 Der [r]-Laut
Der Laut kommt einfach und gelängt vor, außerdem kann er wortauslautend sein, [r] raro,fero, andar [rr] ferro, carro Die Engelaute § 91 Die [fj- und [v]-Laute
[f, v]: Die beiden Laute kommen einfach und gelängt vor und können in phonologisch relevanter Opposition stehen: [f] fasto, fino, inferno, caffi [v] vasto, vino, inverno, ovvio
Anm.: Über die Aussprache des n vor f , v siehe § 86. § 92 Der [JJ-Laut
Orthographisch wird [J] durch sei oder sce wiedergegeben, wobei i vor a, 0, u in unbetonter Stellung nur graphisches Zeichen ist. Intervokalisch wird nur [-JJ1-] gesprochen, sei [Jl], scelta [jelta], ascia [afja], sciopero ['Jopero], asciutto [ a j j u t t o ] aber betontes i in scia [ j n a ]
Anm. 1: [3] kommt nur in Fremdwörtern zumeist französischen Ursprungs vor: journal, etc. Anm. 2: In einigen nördlichen Gegenden Italiens wird anstelle von [J] die Lautfolge [ssj] gesprochen; ascia [assja], Anm. 3: Uber [J] und [3] im Toskanischen siehe § 99. § 93 Die [s]- und [z]-Laute
Da aus der Schreibung s nicht hervorgeht, ob [s] oder [z] gesprochen wird, werden einige Regeln und Anhaltspunkte gegeben, [s] kommt einfach und gelängt vor, kann in nicht typisch italienischen Wörtern auch wortauslautend sein: casa [ka:sa], cassa [kassa], gas [gas], [z] kommt nur einfach vor: chiesa [kje:za].
101
§ 94 [s] wird gesprochen: 1) am Wortanfang vor Vokalen: sella, sole in 2usammengesetzten Wörtern, wenn die Zusammensetzung noch gut zu erkennen ist : bisillabo, riserva, diserto, disotto Anm. : [z] infilosofo,presente, esangue, bisestile, etc. 2) wenn -ss- geschrieben wird: asso,ffasso, sasso, lusso 3) am Wortende: gas, caos, lapis, bis, rebus Anm.: Innerhalb des Ausspruchs wird dieses [s] vor stimmhaften Lauten zu [z] bei rascher Aussprache: gas illuminante, gas liquido [gaz illuminante, gaz liikwido] 4) nach einem Konsonanten: forse, ansia Anm.: Folgt dem s ein sth. Konsonant in einem zusammengesetzten Wort oder an der Wortfuge, so wird [z] gesprochen: translunare [,tranzlu'na:re], non sbarrare [non zbarraire], 5) vor einem stl. Konsonanten: statua, spada, disfatta 6) in den Endungen -eso [eso], -ese [ese], -oso [oso] : acceso, ripreso, geloso, animoso, mese, inglese Anm.: [z] in paese, cortese, francese, lucchese, marchese, leso, chiesa, bleso, obeso, palese, borghese, Agnese 7) in den Endungen -osta, -osità: gelosìa, bramosia, gelosità, curiosità 8) in den Endungen des Pass.rem. -est, -ese, -esero; -osi, -ose, -osero: presi, prese, presero 9) in folgenden wichtigen Einzelwörtern: asino, casa, chiuso, cosa, così, desiderio, difesa, fuso >SpinnrockenLachenReis sacco, gallus > gallò), solche, die aus einer Assimilation entstanden sind (tectum > tettò), solche die durch eine Längung infolge der unmittelbaren Nachbarschaft des Tonvokals oder Halbvokals in der Folgesilbe entstanden sind (sedia > seggio), und vor allem auch solche, die dadurch entstanden sind, daß eine Präposition mit dem dazu-
i°7
§ 104 gehörigen Bezugswort zusammengetreten ist, wobei sich die heute noch als syntaktische Verdoppelung (§ 157ff.) bekannte Erscheinung beim Zusammentreten der Wörter auch orthographisch manifestiert hat (abbassare, prowedere). Im Ital. können 15 Konsonanten gelängt werden, und zwar [m, p, n, t, d, k, g, 1, r, s, f, v, tf, d3]; [z] bildet keinen Langkonsonanten und [p, A, J, ts, dz] werden im Inneren eines Wortes oder eines Ausspruchs zwischen zwei Vokalen nur gelängt gesprochen, [pp, bb, tt, dd, kk, gg, ff, w ] kommen zwischen Vokalen oder zwischen Vokal und l oder r vor, die übrigen nur intervokalisch. Unter den zahlreichen Wortpaaren, die sich nur durch den gelängten Konsonanten (mit der dazugehörigen positionsbedingten Quantität des vorhergehenden Vokals: also kurzer Vokal + gedehnter Konsonant oder langer Vokal + einfacher Konsonant) unterscheiden, sei noch auf jene Paare hingewiesen, wo der lange Konsonant eine grammatikalische Funktion erfüllt, in dem auf diese Weise zwischen Futur und Condizional (parleremo - parleremmo) und zwischen Präsens und Passato remoto (bevt bevvi, cade - cadde) unterschieden wird.
§ 104 Durch die Lautkombination langer Vokal + kurzer Konsonant und kurzer Vokal + gedehnter Konsonant unterscheiden sich folgende Wortpaare: abile >fähig< abaco >Abakus< acanto >Akanthus< acceso von accendere >anzünden< aceto >Essig< Ada Eigenname agio >Muße< ala >Flügel< alato >geflügelt< amicare >befreunden< amico >Freund< anelo von anelare >keuchen< ano, ani >After< anulare >Ringfinger< aprendo von aprire >öflnen< ara >Altar< aringa >Hering
Rechentafel< accanto >neben< accesso >Zugang< accetto von accettare >annehmen< Adda FluBname aggio >Vorteil< alla — a + la allato >neben< ammiccare >blinzeln< ammicco >Blinzeln< anello >Ring< anno, anni >Jahr< anntilare >annulieren< apprendo von apprendere >erfahren< arra >Pfand< arringa >Ansprache
Asyl< assetare >durstig machen< avito >vom Großvater
Stechfliege < assettare >ordnen< avvito von avvitare >anschrauben
Wurm< bara >Bahre< beco >Dummkopf< belo, bela von belare >blöken< bevi von bere >trinken< bora >BoraWind< bracare >klatschentratschen< bruto >wildes Tier
Bacchus< barra >Schranke< becco >Schnabel< bello, bella >schön< bevvi (pass, rem.) borra >Schafwolle< braccare >das Wild aufspüren< brutto >häßlich
Käse< cade von cadere >fallen< cale von calere >interessieren< . calo >Verringerung< camino >Kamin< cane >Hund< capello >Haar< capone >dicker Kopf< Carafa Eigenname caro >liebteuer< casa >Haus< cela von celare >verbergen< ceno von cenare >zu Abend essen< cero >Kerze< cola von colare >durchseihen< colo >Sieb< coma >Koma< contato von contare zählen< convito >Gastmahl< copia >Menge< coro >Chor< cose >Sache< dama >Dame< dico von dire >sagen
jagen< cadde (pass, rem.) calle >Pfad< callo >Schwiele< cammino von camminare >gehen< canne >Stock< cappello >Hut cappone >Hahn< caraffa >Karaffe< carro >Wagen< cassa >Kasse< cella >Zelle< cenno >Zeichen< cerro >Zirneiche< colla >LeimTorturHalsBeistrich< contatto >Kontakt< conterrà von contenire >enthalten< convitto >Konvikt< coppia >Paar< corro von correre >laufen< cosse von cuocere >kochen< damma >Damhirschkuh< dicco >Deich
Finger< dona von donare >schenken< dote >Mitgift
Firma< donna >Frau< dotte von dotto >gelehrt
Hebe< Ebro >Ebro< eco >Echo< era von essere >sein< ero von essere >sein
haben< ebbro >betrunken< ecco >hier ist< erra von errare >irren< erro von errare >irren
Fackel< faro >Leuchtturm< fata >Zaubetin< fate von fare >machen< und von fata >Zauberin< fato >Schicksal< fece von fare >machen< fero >stolzwild< fico >Feige< fioco >heiser< fola >PosseMarchen< fole von fola >Màrchen< fuga >VerjagenFlucht< fuga >Flucht< und vonfugare >verjagen< fumo >Rauch
machen< fecce >Bodensatz< ferro >Eisen< ficco von ficcare >einklammern< fiocco >Schleife< folla >Menge< folle >nàrrisch< fugga von fuggire >fliehen< fugga von fuggire >fliehen< fummo von essere >sein
Gala< Ga^a >Gaza< gema, geme von gemere >seufzen< gita >Ausflug< gota >Wange< gramo >traurig< g?ata >Gitter< und von grato >dankbar< grato >dankbar
Brandblase< g a ^ a >Elster< gemma, gemme >Juwel< gitta von gittare >werfen< gotta >Gicht< grammo >Gramm< gratta von ¡grattare >kratzen< gratto von grattare
immolare >opfern< inteso von intendere >verstehen< invito von invitare >einladen
erweichen< intesso von intessere >einweben< invitto >unbesiegt
Gesicht< >Spelz< von fare >machen< von fatto >gemacht
Lotus< lego, lega von legare >binden< libra >Waage< Luca Eigenname Lucio Eigenname
lotto > Lotto < leggo, legga von leggere >lesen< libbra >Pfund< Lucca >die Stadt Lucca< luccio >Hecht
List< mag von mago >Zauberer
Fleck< maggi von maggio >MaienzweigMailied< mali von male >schlecht< malli von mallo >NuBschale< mare >Meer< marre >Hacke< Martinica >Martinique< martinicca >Wagenbremse< meno >weniger< menno >bartlos< meta >Ziel< metta von mettere >legen< micia >Katze< miccia >Lunte< micio >Kater< miccio >Esel< mira >Visier < mirra >Myrrhe< mogio >kleinlaut< moggio >Scheffel< mola >Schleifstein< molla >Feder< mole > Bauwerk < und von mola >Schleifmolle >weich< stein< moto >Bewegung< motto >Motto< mughi von mugo >Name einer mugghi pi. von mugghio >Brùllen< Buschpflanze < mura von muro >Mauer< murra >FluCspat< nana von nano >zwerghaft< nanna Kinderausdruck fur >Schlaf< nari >Naseniöcher< narri von narrare >erzàhlen< nata von nato >geboren< natta >Balggeschwulst< nono >der Neunte< nonno >GroBvater< note von nota >Zeichen< notte >Nacht< pala >Schaufel< palio >Wettkampf< pani von pane >Brot< papa >Papst< peli von pelo >Haar< pena >Strafe< peto >Furz< piato >Prozeß
Kugel< pallio >Pallium< panni von panno >Tuch< pappa >Kinderspeise< pelli von pelle >Haut< penna >Feder< petto >Brust< piatto >Teller
Elster< pilo >Wurfspiefi< pina >Pinienzapfen< piove von piovere >regnen< politico >politisch< polo >Pol< poro >Pore< posa von posare >hinstellen< poso von posare >hinstellen< presa von prendere >nehmen< preso von prendere >nehmen< prete >Priester
Pike< pillo >Stößel< pinna >Flosse< piovve von piovere >regnen< polittico >Polyptychon< pollo >Huhn< porro >Porree< possa von potere >können< posso von potere >können< pressa >Presse< presso >bei< prette von pretto >rein
Harz< rapa >Rùbe< rata >Rate< rato >genehmigt< rege >Konig< regia von regio >koniglich< resa von rendere >2uriickgeben< rete >Netz< rida von ridere >lachen< risa von riso >Lachen< rito >Ritus< roca von roco >heiser< roco >heiser< roso von rodere >nagen< rota >Rad< rupe >Fels< ruta >Weinkrampf
strolchen< rappa >Dolde< ratta >geschwind< ratto >geschwind< regge von reggere >stiitzen< reggia >Palast< ressa >Gedränge< rette von retto >gerade< ridda >Kreistanz< rissa >Streit< ritto >aufrecht< rocca >RockenBurg< Rocco Eigenname rosso >rot< rotta >Bruch< ruppe von rompere >brechen< rutta von ruttare >rülpsen
gesund< scapato >kopflos< scapo >Stengel< seco = con + se sego >Rindstalg< seno >Brust< sera >Abend< seta >Seide
wissen< scappato von scappare >entwischen< scappo von scappare >entwischen< secco >trocken< seggo von sedere >sitzen< senno >Verstand< serra >Damm< setta >Sekte
Durst< sfera >Kugel
sieben< sferra von sferrare >Hufeisen abnehmen< sfrattare >fortjagen
vom Mönchsgelübde lossprechen< socio >Gefährte< soma >Last< sonetto >Sonett< sono von essere >sein< speso von spendere >ausgeben< stavi Imperf. von stare >stehen< stile >Stil< stima >Achtung< sugo >Saft
Teilverpachtung< somma >Addition< jometto Dim. von sonno >Schlaf< sonno >Schlaf< spesso >dicht< stavvi Imperativ sta + vi stille von stilla >Tropfen< stimma >Stigma< suggo von suggere >saugen
so beschaffen< tapino >unglücklich< tappeto >Teppich< topo >Maus< Tracia >Thrakien< tratterò von trattare >behandeln< tropo >Tropus< trota >Forelle< tufo >Tuffstein
SchoBling< tappino Dim. von tappo >Zapfen< tappetto Dim. von tappo toppo >Wurzelstock< traccia >Spur< tratterrò von trattenere >au£halten< troppo >zuviel< trotta von trottare >traben< tuffo >Untertauchen
eins
Hunne
leer sein< vale von valere >wert sein< vani von vano >eitel< vano >eitel< velo >Schleier< vene von vena >Vene< venero von venerare >verehren< vero >wahr< vile >feig< Vito Eigenname voli von volo >Flug
Kuh< valle >Tal< vanni >Fliigel< vanno von andare >gehen< vello >Vlies< venne von venire >kommen< vennero von venire >kommen< verro >Eber< ville von villa >Landhaus< vitto >Nahrung< volli von volere >wol!en
Spankorb
Fangzahn
ital. scritto admirare > ammirare in + pudens > impudens > impudente usw. Im Gegensatz zu diesen auch in der Schreibung sichtbaren (da historischen) Assimilationen gibt es im heutigen Ital. einige Fälle von Laut-
" 7
angleichung, die sich nicht in der Schreibung manifestieren, beim Sprechen aber ganz deutlich bemerkt werden können. § 109 1) m, n gleichen sich hinsichtlich ihrer Artikulationsstelle und ihres artikulierenden Organs an den folgenden Konsonanten an, siehe auch §§85, 86. Diese Regel gilt auch für die Wortfuge: un vero uomo [un] vero 'womo], non gli stessi [noÄÄ istessi]. Die beiden Laute bewirken auch eine leichte Nasalierung der vorhergehenden Vokale besonders am Wortende, die CASTELLANI (Fonotipi 448: n ist eine nasale a risonan^a velare ( = [q]; der Verf.) omorganica netto stacco alla consonante seguente e determinante la nasali^a^ione della vocale precedente) und TAGLIAVINI als dem Gebrauch, vor allem in Oberitalien, und den Regeln entsprechend ansehen, FIORELLI (Anm. 123 zur Pronuncia von CAMILLI) bestätigt dies mit Reserven als regionalen, nicht den Regeln entsprechenden Gebrauch besonders bei proklitischen Wörtern vor vokalisch anlautendem Folgewort. Der velare Charakter des n entstehe dadurch, daß der Laut silbenmäßig zum vorangehenden Vokal gezählt wird und nicht, wie es in der Normaussprache der Fall ist, zum folgenden Vokal. Con altri wird [koq-al-tri] und nicht [ko-nal-tri] gesprochen. Anm.: Bei den (meist archaischen) enklitischen Fügungen, die [mtj, mX, ml, mn, mt, mv, nX, nl, nm] an der Morphemfuge haben, wird in betont didaktischer Sprechweise [m] und [n] nicht an den Folgekonsonanten assimiliert: andiamci [an'djamtfi] und nicht [ön'djajitji], andiamvi [an'djamvi] und nicht [an'djamvi], vangli [vanXi] und nicht [vaiÄij. 2) / hat vor t, d, s eine andere Artikulationsstelle als sonst; die Zungenspitze legt sich addental an (siehe auch § 88). 3) s wird vor sth. Konsonanten immer sth. gesprochen, auch wenn es seiner Position nach (z.B. Wortanfang) stl. gesprochen werden sollte. Siehe auch § 93 f. 4) Zwischen /, n und s schiebt sich, besonders in einigen Gegenden der Toskana und Romagna sowie im Süden ein t als Gleitlaut ein, z. B.forse und for^e werden beide [fortse] gesprochen. Anm.: Über diese Erscheinung vom phonologisch-systemologischen Standpunkt siehe TEKAVCI6 Un problema. 5) Über die Angleichung nicht typisch italienischer Konsonantenfolgen in Dialektaussprachen siehe § 107. 6) Folgt einem Vokal die Gruppe Nasal + Konsonant, so hat das häufig zur
§110
n8 Folge, daß durch die artikulatorische Vorwegnahme des Nasals, d.h. durch das Senken des Gaumensegels, der Vokal leicht nasaliert gesprochen wird, CAMILLI {Pronuncia 65) weist besonders auf eine leichte Nasalierung der Vokale vor den Gruppen [rr)f, ns, nj, nÄ] hin: fanfara, senso, inscio, non gli. CASTELLANI sagt, daß vorkonsonantisches n auf alle Fälle eine Nasalierung des vorhergehenden Vokals bedingt und diese besonders ausgeprägt ist, wenn der dem Nasal folgende Konsonant ein Engelaut ist {Fonotipi 442); siehe auch unter § 109/1. 7) Stehen e bzw. 0 unmittelbar vor oder nach einem betonten [s] bzw. [D], so können sie halboffenen Charakter annehmen (siehe § 71 f.) : popolo, bene.
ORTHOGRAPHISCHE
BESONDERHEITEN
§ 1 1 0 Der Buchstabe h Der Buchstabe h wird im Ital. nur als graphisches Zeichen verwendet. Er hat keinen Lautwert. Man kann folgende Fälle unterscheiden: 1) In der Buchstabenfolge g, gg, c, cc + h kennzeichnet h vor e und i die Aussprache [g], [gg] bzw. [k], [kk]. 2) h wird in folgenden Interjektionen verwendet: ah, ahi, ahimé (aime), bah, beh (be'), deh, eh, ehm, ehi, ha, ballali, he, hi, bui (auch uhi), hurrà, mah, neh, òhe, ohi, oh, ohimè (auch oimé), peuh, poh, puah, puh, toh (auch to'), uh, uhi, uhm, veh (auch ve'). In einigen dieser Interjektionen hat h dem emotiven Charakter einer Interjektion entsprechend den Wert eines Kehlkopfreibelautes oder eines [x] (velar-postdorsaler Engelaut). Das kann besonders bei den Interjektionen ehm, ha, hi, peuh, poh, puah, puh beobachtet werden. Sonst zeigt der Buchstabe h in einer Interjektion die Länge des vorhergehenden Vokals an und verhindert im allgemeinen die syntaktische Verdoppelung (§ 137fr.). 3) In den Zeitwortformen ho, hai, ha, hanno wird h zur Unterscheidung von den Wörtern 0, ai, a, anno verwendet. Anm.: Der offizielle Gebrauch vermeidet die Schreibung der Zeitwortformen mit dem accento grave (ò, ài, à, ànno) wie es sonst zur Unterscheidung von Homographen üblich ist, z.B. da (Praep.) und dà (er gibt); vgl. auch § 24/A2. 4) In einigen Eigennamen : Theodoli, Thiene, Rio. Vgl. dazu auch
CAMILLI
Pronuncia 49f., A 66.
ii9
§ in
§ n i Der Buchstabe x Der Buchstabe x kommt nur in nichtitalienischen Wörtern vor. Er wird wie folgt ausgesprochen: [ks] in Wörtern, die in analogen ital. Wörtern nur [s] oder keine analogen ital. Wörter haben: monoxilo [monoksilo], ital. Entsprechung monosilo, xenofobia (auch senofobia) [ks] oder [gz] in Wörtern, die in analogen ital. Wörtern [z] haben: exequatur, ital. Entspr. eseguire Vgl. dazu CAMILLI Pronuncia 45 A 54. Häufig ist auch eine Stimmtonassimilation an den folgenden Konsonanten zu beobachten: [ks] in ex comandante, aber [gz] in ex governatore (vgl. TAGLIAVINI Pronuncia 2 3 9 ) .
112
120 D E R
DER
112
W O R T A K Z E N T
AKZENT
Beim Ubergang vom Einzellaut zum Wort, das die kleinste bedeutungstragende Sprecheinheit ist, stößt man auf den Begriff der Silbe, die BONFANTE {Cenni 35) definiert als »complesso di fonemi raggruppati intorno ad un centro (0 apice) sonoro«. Ohne auf die verschiedenen Silbentheorien - nachzulesen bei VON ESSEN Phonetik 105 ff. - eingehen zu wollen, seien aber doch einige wichtige Tatsachen vermerkt. Die Silbe ist ein Gestaltelement des Wortes (VON ESSEN Phonetik 105); sie hat entweder bedeutungstragende oder grammatikalische Funktion (Semantem oder Morphem). Für die Phonetik interessant ist aber die Tatsache, daß bei der sprecherischen Realisierung eines Wortes seine Teile nach verschiedenen Kriterien voneinander abgesetzt werden. Sie können höher oder tiefer, stärker oder schwächer, länger oder kürzer gesprochen werden, die Abstufung kann also nach Tonhöhe, Tonstärke (Dynamik, Intensität) und Dauer erfolgen und ist entscheidend an der Bedeutungskonstituierung des Wortes beteiligt. Wird diese Erscheinung stereotyp zur Norm, so nennt man sie Akzent. Dieser ist eine der entscheidenden Gestaltungshilfen für den Sprecher und eine wichtige Reintegrierungshilfe für den Zuhörer. Die sprecherische Realisierung dieser Erscheinung heißt Akzentuierung. Man unterscheidet zwischen offenen Silben, die auf einen Vokal enden, und geschlossenen Silben, die auf einen Konsonanten enden. Die Silbe ist eine prosodische Einheit, die dem Sprechakt entstammt. Besteht ein Wort aus mehr als einer prosodischen Einheit, so wird (im Ital.) eine dieser Silben durch stärkere Intensität hervorgehoben. Diese Silbe trägt den Hauptton und wird Tonsilbe genannt. Silben, die keinen Akzent tragen sind unbetont. In aus Vor- und Nachsilben, Wortteilen etc. zusammengesetzten Wörtern und Komposita können Silben einen mehr oder minder deutlichen Nebenton tragen (siehe § 121). Man unterscheidet also zwischen Hauptakzent, Nebenakzent und Akzentlosigkeit. Anm.: Je nach den Aufgaben, die der Akzent in den einzelnen Sprachen zu erfüllen hat, unterscheidet man: 1) Etymologischen Akzent: Hervorheben des wichtigsten Teiles eines Wortes. 2) Delimitativen Akzent oder rhythmischen Akzent: Bei dieser Art Akzent trägt in einer Sprache immer dieselbe Silbe eines Wortes den Hauptton und ist daher als Grenzsignal aufzufassen, z.B. im Tschechischen ist stets die erste Silbe die Tonsilbe, im Französischen die letzte.
121
§§ " 3 .
"4
j) Grammatikalischen Akzent: Diese Art Akzent dient zur Unterscheidung in grammatikalischen Belangen, z.B. im Russ. kann Einzahl und Mehrzahl auf diese Weise unterschieden werden. §113
Das Italienische ist eine Sprache mit freiem Akzent, d.h. einem Akzent, der nicht an eine bestimmte Silbe gebunden ist. Ansätze eines Akzents in grammatikalischer Funktion lassen sich in Wortpaaren wie parlo - parlo beobachten. TRUBETZKOY (Anleitung § 32 B) sagt: »Das Italienische ist eine Silbensprache mit bedeutungsdifferenzierender Gipfelbildung bei gebundener ( = positionsbedingter; der Verf.) Quantität«. Das Nhd. hat einen etymologischen und grammatikalischen Akzent: die Stammsilbe ist zumeist auch die Tonsilbe, doch kann der Hauptton sich in gewissen Fällen auch auf die Vorsilbe verlegen (siehe SIEBS Hochsprache 83 ff.). Anm.: Das Wort «Akzent» hat hier natürlich nichts mit den Akzentzeichen zu tun, sondern steht für das sprachliche Phänomen, für den Intensitätsakzent. Über die Akzentzeichen siehe § 24 A und über den sog. accento fonico siehe § 115 A .
§114
Jedes Wort, das aus mehreren prosodischen Einheiten besteht, ist ein kleines, in sich geschlossenes dynamisches System, dessen Abstufung dem Zuhörer das Verstehen erleichtert. Für das Ital. wie auch für das Nhd. gilt nur die dynamische Abstufung als Akzentcharakteristikum, da die Dauerverhältnisse positionsbedingt sind und die Tonhöhenunterschiede im Wort nur expressiven Charakter haben. Doch ist dieser Intensitätsakzent (auch expiratorischer Akzent genannt) im Ital. weniger stark ausgeprägt als im Nhd. Anm. 1: Unter den europäischen Sprachen kennt das Schwedische und, mit gewissen Einschränkungen, das Serbokroatische die Tonhöhe als unterscheidendes Akzentcharakteristikum. Eine besonders ausgeprägte Tonhöhensprache ist das Chinesische. Anm. 2: Die sprechrhythmisch notwendige Hervorhebung gewisser Wortteile (etwa im Vers) kann nicht in unserem Sinn als Akzent oder Akzentuierung bezeichnet werden. Anm. 3: Uber die Bedeutung des Tonhöhenakzents (auch «musikalischer Akzent» genannt) in der Satzbetonung siehe § 140 ff. Anm. 4: Mit der dynamischen Hervorhebung einer Silbe geht meist auch eine gewisse Steigerung der Tonhöhe Hand in Hand. Man kann auch eine funktionell unbedeutende Längung des Vokals feststellen.
§§ i i 5 , I I 6
122 D I E TONSILBE IM WORT
§ 115
Je nachdem, auf welcher Silbe ein ital. Wort betont wird, teilt man den Wortschatz ein in: parole tronche: virHà (auf der letzten Silbe betont) parole piane: paralare (auf der vorletzten Silbe betont; im Ital. der Normalfall, da die meisten Wörter auf der Paenultima betont werden) parole sdrucciole: onorevole (auf der drittletzten Silbe betont) parole bisdrucciole: dimenticano (auf der viertletzten Silbe betont) parole trisdrucciole: 1indicaglielo (auf der fünftletzten Silbe betont) parole quadrisdrucciole: addo'mesticamicelo1) (auf der sechstletzten Silbe betont). Anm.: Wird ein Wort auf der letzten Silbe betont, so wird dies durch einen accento grave, in gewissen Fällen auch durch einen accento acuto (siehe § 24 A 2), bezeichnet. Wird es auf der drittletzten Silbe betont, so neigt man heute gerne dazu, dies zur Verdeutlichung durch das Setzen von Betonungsakzenten (accento fonico) im Schriftbild anzuzeigen : áncora, principi. Trotz zahlreicher Bestrebungen, im Zuge einer Orthographiereform auch die Einführung von Betonungsakzenten zu erreichen, sind diese bis heute noch nicht als verbindlich erklärt worden (vgl. auch § 24).
§ 116
Die meisten italienischen Wörter werden auf der vorletzten Silbe betont (parole piane). Sehr selten sind die Wörter, die auf der fünft- und sechstletzten Silbe betont werden. Es sind dies immer Zeitwortformen, die mit Hilfe enklitischer Partikeln gebildet werden. Auf der letzten Silbe werden betont: 1) Hauptwörter: a) lat. Ursprungs: età, virtù b) fremden Ursprungs : caffè, canapi, ba^àr, elisir 2) Zeitwörter: a) 3. Sg. Pass, rem.: cantò,finì,temi (temi), dormì b) 1 . 3. Sg. Fut.: canterò, canterà Auf der drittletzten Silbe werden betont: 1) Hauptwörter auf -agine, -edine, -udine: indagine, acredine, abitudine 2) Adjektiva auf -aceo, -ático, -evole, -ibile, -istico, -ognolo: erbaceo, amichevole, visibile, umoristico, verdognolo 3) Superlative auf -issimo, -errimo, -imo: belHissimo, ceHerrimo, 1intimo, prossimo 4) Zusammengesetzte Substantive und Adjektive, deren zweiter Teil lateinischen oder griechischen Ursprungs ist: Sincrono, aerodromo, profugo, filo 'logico, fisiologo Bei Fügungen, die mi-1- ci enthalten, handelt es sich um künstliche Bildungen.
Zi
§§ 117,
118
5) Zeitwörter: a) 3. PI. Praes., Impeti., Pass. rem. der drei- oder mehrsilbigen Zeitwörter: 'cantano, cantavano, cannarono. Anm.: Ist die 3. Sg. bereits sdrucciolo, dann wird die 3. PI. bisdrucciolo: 3. Sg. 'abita, 3. PI. 'abitano. b) 1. PI. Imperi. Conj.: cantassimo c) Sg. Praes. Ind. und Conj. Imperi, der Zeitwörter auf Vokal + minare und auf Kons. + erare: esaminare, considerare d) Infinitiv auf -ere: 'cedere e) Formen mit angefügten Enklitika: 1datemi, 1dammelo, etc. Auf der viert- fünft- oder sechstletzten Silbe werden Zeitwortformen mit enklitischen Fügungen betont, je nach der Zahl der Enklitika und den Betonungsverhältnissen des Grundzeitwortes : 1 occupa - 'occupati - 'occupamelo
SONDERFÄLLE DES A K Z E N T S
117
Sehr schwierig ist es, für die sehr unterschiedlichen Betonungsverhältnisse der Latinismen und Graezismen ein einheitliches System zu finden, da die Betonung von so vielfältigen Faktoren abhängt, wie z. B. die Zeit der Entlehnung, die Sprechschichte, das Fachgebiet usw. So wird z.B. piroscafo betont, gleichzeitig aber ali'scafo, moto'scafo. Mit der gebührenden Reserve kann man sagen, daß diese Wörter meist der lateinischen Betonung folgen, doch ist es ratsam, sich im Zweifelsfall in einem guten Wörterbuch über die Betonung des Einzelworts zu informieren. Anm. : Ausführliche Behandlung erfährt dieses Problem bei Accentatone. Ferner siehe noch: L'accento dei grecismi nella lingua italiana (hier auch in der Anmerkung 1 ausführliche Literaturangaben); E. MALCOVATI Accentazione italiana di grecismi e latinismi; M. TREVES Le anomalìe d'accento delle parole italiane d'origine letteraria (hier auch in der Fußnote 1 ausführliche Literaturangaben); G. UGOLINI Accenti dotti e semidotti. G. MALAGOLI G.MALAGOLI
118
Über die Betonung gekürzter Komposita sagt NOBILE {Accento), daß sich die Tonstelle nach dem ursprünglichen Nebenakzent im ungekürzten Kompositum richtet: *) Diese Form ist kaum gebräuchlich, ja eigentlich «unitalienisch».
I2 4
§§ I I 9 - I 2 I
tele'foto < ,telejotogra'fia 'cinema < ,cinematogra'fia 1 auto < ¡auto* mobile {il)[radio < ,radio'gramma D E R A K Z E N T IM AUSSPRUCH
§119
Im Satzzusammenhang wird der Akzent der Einzelwörter verwischt und bleibt nur am Ende des Ausspruchs völlig erhalten. Diese Erscheinung wirkt sich auch auf die Längenverhältnisse der Vokale aus, da diese mit schwindendem Akzent kürzer werden; umgekehrt werden sie länger, wenn z. B. der Akzent durch eine emotional bedingte Aussprache verstärkt wird.
§ 1 2 0 ProkMtiscbe Wörter Stets unbetont sind Proklitika. Als proklitische Wörter bezeichnet man Partikel, artikulierte Präpositionen, Artikel, unbetonte Fürwörter, etc., die innerhalb des Ausspruchs immer nur im Zusammenhang mit einem den Starkton tragenden Wort vorkommen. Stets proklitisch sind: Pluralformen: bei, quei Artikel: il, lo, la, i, gli, le, un Fürwörter: ei, gli (für egli, eglino), la (für ella), le (für elleno), ci, gli, la, le, Ii, lo, mi, ne, si, ti, vi Relativpronomina: che, chi, cui Adverbien: ci, vi, non, si (für cosl) Präpositionen: a, con, da, di, fra, in, per, su, tra und die einsilbigen zusammengesetzten Formen Praeposition + Artikel («artikulierte Präposition») del, dal, etc. Konjunktionen: che, che, e, ma, ne, 0, se DER
§121
NEBENAKZENT
Man spricht vom Nebenakzent, wenn in einem mehrsilbigen Wort neben der Tonsilbe auch noch eine oder mehrere andere Silben dynamisch hervorgehoben werden, z.B. nhd. ,Hausaufgabe, ital. ditmostra\ione Im Ital. ist die Beziehung zwischen der Tonsilbe und der Nebentonsilbe durch ganz bestimmte rhythmische Gesetze geregelt, wobei ein Unterschied zwischen vortonigen und nachtonigen Nebentonsilben gemacht wird.
125
§ 122
i) Vortonige Nebentonsilben: V o n der Tonsilbe (H) zum Wortanfang rückwärtsschreitend wechseln sich unbetonte Silben (U) und nebentontragende Silben (N) ab. Da es sich in diesem Fall meist um abgeleitete Wörter handelt, z. B. Adverbien, kann dieser Rhythmus durch die Betonungsverhältnisse im ursprünglichen Wort gestört werden. Das normale Schema wäre: U N U N U H . . . ap^puntelHa-re, prex cipi, tevot lissi, mevoPmen-te. Ändert sich der Rhythmus, so wird N U N U > U N U U a,bondevol[men-te, muxnificenHissimo und U N U > N U U xvagabottxda-re, {sobria'men-te, ¡sereni'ta i) In nachtonigen Nebentonsilben wechseln U und N ab, jedoch mit der Maßgabe, daß die letzte Silbe einen Nebenton trägt, wodurch der regelmäßige Rhythmus unterbrochen werden kann. H farò HU 'faro 'ani, ma HUN 'fabbricalo HUUN 'fabbri, carne, lo HUNUN 'fabbrica, glice, lo HUUNUN Anm.: In den Nachtonsilben ist der Unterschied zwischen U und N geringer als in den Vortonsilben.
FUNKTIONELLER AKZENT
§ 122
Es gibt Wörter, die sich nur dadurch unterscheiden, daß sie auf verschiedenen Silben betont werden. In solchen Fällen übernimmt der Akzent bedeutungskonstituierende Funktion, und man spricht von «phonologisch relevantem Akzent» oder von «funktionellem Akzent». Die nhd. Lautfolge /umraesn/ oder /umjraebn/ ist semantisch noch nicht eindeutig, erst durch eine zusätzliche Akzentuierung wird klar, was gemeint ist, «(einen Baum) 'umreißen» oder «(ein Problem) um'reißen», «(einen Bericht) 'umschreiben» oder «(ein gesuchtes Wort) um'schreiben». Im Italienischen gibt es zahlreiche Wortdubletten und -tripletten, in denen der Akzent erst die Bedeutung konstituiert. Anm.: I.RUDNYCKYI (Ak^entdubletten) nennt im übrigen gleiche Lautformen, die durch funktionelle Betonung unterschieden werden, «funktionalisierte Akzentdubletten».
126
123 123
I n der Folge werden jene Wörter angegeben, die sich durch verschiedene Betonung in ihrer Bedeutung unterscheiden. In der Orthographie ist es üblich, bei Wörtern, die auf der letzten Silbe betont werden (parole tronche), dies durch das Setzen eines accento grave oder in einigen Fällen auch eines accento acuto (siehe § 24 A 2) anzuzeigen. Phonetisch unterscheiden sich diese Wörter jedoch nur durch den funktionellen Akzent, durch die verschiedene Betonung. Anm.: Bei der folgenden Liste wird der betonte Vokal im Wort durch halbfetten Druck kenntlich gemacht. abitino von abitare >bewohnen< abitino >kleines Kleid< abomini von abominare >verachten< abomini von abominio >Abscheu< adito >Zugang< adito von adire >anrufen< adulteri von adultero >Ehebrecher< adulteri von adulterio >Ehebruch< affascino etc. von affascinare affascino etc. von affascinare >Holz bùndeln< >bezaubern< agata >eingefàdelte Nadel< agata >Achatscharfen< aguzzino >Sklavenwàchter< alice >Sardine< Alice >Alice < altero >stolz< altero von alterare >veràndern< ambito >Umkreis< ambito von ambire >erstreben< ancora >Anker< ancora >noch< arbitri von arbitrio >freier Wille< arbitri von arbitro >Schiedsrichter< arista >Schweinsriicken< arista >Granne< armeggio von armeggiare >die Waffenarmeggio >Geschàftigkeit< fuhren< arpeggio >gebrochener Akkord< arpeggio >wiederholter Harfenklang< asfissia von asfissiare >ersticken< asfissia >Erstickung< austri von augure >Augur< auguri von augurio >Wunsch< auspici von auspice >Auspex< auspici von auspicio >AuspizienWahrsagung< avaria von avariare >havarieren< avaria >Havarie< Avari >Awaren< avari von avaro >geizig
kussen< bacio >Kuss< balia >Amme
Becken< bacio >nach Norden gelegen< balia >Herrschaft
kriegerisch< benefici von benefico >wohltatig< buchino von bucare >durchlòchern
Nabel< benefici von beneficio >Wohltat< buchino >kleines Loch
Magnet< calato >kleiner Korb< canone >Regel< canova >Weinausschank< capitano von capitare »zufàllig ankommen< capito von capitare cesarea von cesareo >kaiserlich< ciano >Kornblume< circuito >Kreislauf< colonia >Kolonie< compito >Aufgabe< condito >gegriindet< condomini von condomino »Mitherrscher< coniugi von coniuge >Ehegatte< consono >ùbereinstimmend< corniola >Kornelkirsche< erosolo von crogiolare >langsam abkùhlen< cupido >begierig
Unglück< calato von calare >senken< canone »großer Hund< Canova (Eigenname) capitano >Hauptmannführen< capito von capire >verstehen< Cesarèa Stadtname ciano >Mensch niedriger KIasse< circuito von circuire >umgehen< colonia > Kolonenvertrag< compito von compire >erfüllen< condito von condire >würzen< condomini von condominio »Mitherrschaft< coniugi von f coniugio >Ehestand< consono von consonare >harmonieren< corniola >Karneol< crogiolo >Schmelztiegel
Dekade< demoni von demone >Dàmon< (fig.) desideri von desiderare >wùnschen< destino von destare >wecken< devio von deviare >abweichen
verfallen< demoni von demonio >Teufel< desideri von desiderio >Wunsch< destino »Schicksal, auch von destinare »bestimmen < devio >irreführend
prùfen< esercito >Heerùben< esibita >Vorlegung< estimo >Schàtzung< etere >Himmel
vorzeigen< estimo von estimare >schätzen< etere von etera >Hetäre
Cupido
peitschen
Reitpeitsche
Helm
kurzes Gurgeln
Galeere< Giannina Frauenname Giulio Mannername giudici von giudicio >Urteil< gorgheggio >fortgesetztes Singen von TonIeitern< "" gorgoglio >anhaltendes Gurgeln
ungleich< indice >An2eige< f intento >Tod< intimo >innerlich< intuito >Anblick
lernen< indice von indicere >vorschreiben< intento >kerzengerade< intimo von intimare >vorschreiben< intuito von intuire >anschauen
lesen< linceo >luchsartig
leicht< Linceo (Mitglied der Accademia dei Lincei) lustrino >GlanzseideStiefelputzer
Stadt in Griechenland< giulìo (== giulivo) >heiter< giudici von giudice >Richter< gorgheggio >Singen von Tonleitern
polieren
verleumderisch< maledico von maledire >verfluchen< malefici von malefico >schàdlich< malefici von maleficio >Fluch< malvagia >Ruchlosigkeit, Malvasier- malvagia von malvagio >ruchlos< wein< mandola = mandorla >Mandel< mandola >Mandore< (Mus.) martiri von martire >Màrtyrer< martiri von martirio >Marter< mendico >Bettler< mendico von mendicare >betteln< merce >Ware< mercé >Gnade< meta >Ziel< metà >Hàlfte< mondano von mondare >von der Schalemondano >weltlich< reinigen< montano von montare >besteigen< montano >Berg . . .< mugolio >ein spezielles medizinisches mugolio >Gewinsel< Ol< nettare >Nektar< nocciolo >Kern
reinigen< nocciolo >NuBbaum
Schulter< onesta von onesto >ehrbar< ovvio >gebràuchlich
Homer< onestà >Ehrbarkeit< ovvio von ovviare >entgegentreten
zahlen< pagano >heidnisch< panico >Panik< panico >Hirse< papa >Papst< papà >Papa< pattino von pattinare >Schlittschuh- pattino >Schlittschuh< laufen< perdono >Vergebungverlieren< perdonare >vergeben< perito >erfahren< perito von peritarsi >zaudern< picciolo >klein< picciolo >OseHaken< predica >Predigtpre- predica von predire >vorhersagen< digen< predico von predicare predico von predire presidi von presidio >Besatzung< presidi von preside >Pràses< preterito von preterire >ùbergehen< preterito >Vergangenheit< principi von principio >Anfang< principi von principe >Fiirst< principino von principiare >anfangen< principino >j unger Prinz< puntino >kleiner Punkt< puntino von puntare >anstemmen< regia von regio >kòniglich< retina >Netzhaut< Romania >romanische Welt< rubino von rubare >stehlen
Regie< retina >Vogelnetz< Romania >Rumànien< rubino >Rubin
Gefolgefortsetzen< semino von seminare >sàen< Sofia >Sofia< Spalato >die Stadt Split < spiano von spiare >spionieren< subito >sofort
folgen
mischen< tendine >Sehne< tenere von tenero >zart
Intarsien< temperino >Federmesser< tendine von tendina >kleiner Vorhang< tenere >halten
kleiner Samen< Sofia Frauenname spalato von spalare >wegschau£eln< spiano >Ebene< subito von subire >erleiden
Termite< teste >Zeuge< turbine >Wirbelwind
Thermit< testé >kürzlich< turbine von turbina >Turbine
vereinigen
Einigkeit
Bauchredner< viola von violare >schànden< violino von violare vituperi von vituperare >tadeln< volano von volare >fliegen
Verzeihung< ventriloqui von ventriloquio >Bauchrednerei< viola >Viole, Nelke< violino >Geige< vitupèri von vituperio >Tadel< volano >Federball
besetztun amicò). V o m rein phonetischen Standpunkt aus handelt es sich in beiden Fällen um das Weglassen eines Vokals am Ende eines Wortes, das als Folge davon näher zum nächsten Wort rückt. Anm. : LEONE (Elisione) hat vorgeschlagen, die herkömmliche Terminologie abzuändern, da das Resultat ja in jedem Fall dasselbe ist - nämlich das phonetische Zusammenrücken zweier Wörter, wobei ein Vokal ausgelassen wird, und es daher unlogisch sei, dieselbe Erscheinung einmal mit Troncamento und einmal mit Elision zu bezeichnen. Er schlägt folgende neue Regelung vor : i) Troncamento ist das Weglassen eines Vokals vor einem Konsonanten: un giorno, gran caldo, i ) Elision ist das Weglassen eines Vokals vor einem Vokal: [unwomo, lwomo]. Der Apostroph wird bei der Elision gesetzt, um das zweite Wort v o m ersten zu trennen, wenn dieses nicht allein stehen kann: un uomo, l'uomo. § 133 Elision, Kürzung, Verdoppelung und Erweiterung werden verhindert: 1) vor einer Satz- und Sinnpause: Sant'Antonio aber Luigi è santo, Antonio è santo-, 2) vor einem deutlich fühlbaren Unterschied in der Tonhöhe innerhalb des Ausspruchs: Santo ¡¡Antonio non fu (= A. non fu santo)-, 3) wenn der Vokal des ersten Wortes verlängert gesprochen wird, wie es in dialektisch gefärbter Aussprache häufig vorkommt. V g l . auch CAMILLI Pronuncia 133. § 134 Kürzung (Troncamento) Unter Troncamento versteht man das in bestimmten Fällen mögliche Weglassen eines Vokals (unter gewissen Umständen auch das Weglassen einer Silbe), ohne daß dadurch eine unvollständige Silbe entstehen würde : uno amico>un amico, buono giorno>buongiorno. Man unterscheidet: x) fakultatives Troncamento unter der Voraussetzung, daß a) es sich um ein mehrsilbiges Wort handelt, b) die letzte Silbe unbetont ist, c) nach dem Troncamento das Wort auf /, r, m, n endet, d) das Folgewort nicht mit [ts, dz, ji, A, J], ps, x oder s + Konsonant beginnt z. B. cavai donato, Mar Nero, vogliam dire, saran tutti, andar via aber stare %itto, esser trovato aber essere scoperto. Ausn. : far stare (aus euphonischen Gründen).
135
§135 z) obligatorisches Troncamento bei a) uno, alcuno, nessuno, ciascuno vor Vokal und Konsonant außer s + Konsonant, ps, x [ts, dz, ji, Ä, J] : un amico, nessun lavoro, alcun caso, ciascun oggetto, aber uno schermo, uno %ero, uno gnomo, uno gnocco, uno psichiatra, uno xilografo; b) bello, buono, grande, santo, quello vor Konsonant außer vor den unter a) genannten Konsonanten : bel duomo, buon giorno, Gran Sasso, San Pietro, quel punto, aber un grande psichiatra, santo Spirito, quello xilografo; Anm. : grande bisweilen auch vor fem. Subst., seltener beim Plural dieser Subst. In letzter Zeit ist auch festzustellen, daß bei grande das Troncamento in geringerem Maße gebraucht wird. Es ist schon beinahe zur einer fakultativen Erscheinung geworden. c) frate, suora vor Eigennamen: Fra Diavolo, suor Teresa; d) tale und seltener quale vor Vokal und Konsonant außer der unter a) genannten Gruppe: qual errore, tal insulto, tal coraggio, aber tale %io, quale psicologo; e) gewissen festen Fügungen wie z.B. amor proprio, umor nero, dolce stil nuovo, cuor contento, can barbone, un pan tondo, a man salva, la man di Dio, lo stil gotico, Por Santa Maria (= Portò), Or San Michele (= orto), or ora, l'un l'altra, una sol volta. Anm. : In der Poesie, in literarischen Texten und in der Umgangssprache durch nachlässiges Sprechen ist das Troncamento, wenn auch aus verschiedenen Ursachen, häufiger als bei normaler korrekter Aussprache.
§135 Elision Unter Elision versteht man den Ausfall eines Vokals am Ende eines Wortes vor einem vokalisch anlautenden Folgewort, wobei eine unvollständige Silbe entsteht. Der Ausfall des Vokals wird durch einen Apostroph angezeigt. Man unterscheidet folgende Fälle : 1) Artikel lo, la, una vor Vokal: l'amico, l'aura, un'elisione gli kann vor i elidiert werden : gl'inscritti Anm. : In der Aussprache wird gli vor vokalisch anlautendem Folgewort immer elidiert: agli amici [aÄÄa'mhtfi], gli ospiti ['Aospiti] le wird in seltenen Fällen vor e elidiert: l'emissioni
§ 136
136 2) Präpositionen: di: die Elision ist durchaus üblich : il libro d'oro da: die Elision ist in einigen adverbialen Fügungen wie d'altra parte, d'ora innanzi, d'allora in poi, d'altronde üblich, wild aber sonst vermieden: casa da affitare. ferner: senz'altro 3) Pronominalpartikel mi, ti, st, vi, ne, lo werden meist, aber nicht immer elidiert: mi ama oder m'ama gli: die Elision wird nur vor i in der Schreibung angezeigt. Für die Aussprache gilt das unter 1) Gesagte. ci nur vor e und i: c'è, c'erano, aber ci ascoltano 4) bello, santo, grande, questo, quello werden vor vokalisch anlautendem Substantiv oder Adjektiv elidiert: bell'uomo, sant'Antonio, quest'ufficio, grand'onore, quell'affare 5) che und seine Zusammensetzungen: ch'eli, anch'io. 6) Eine andere Form der Elision kann man bei ai, /fei, ^m« beobachten; in diesen Wörtern wird häufig das i ausgelassen und dieser Ausfall durch Apostroph angezeigt: Lorenzo de' Medici. Ähnliches auch bei den verkürzten Imperativformen da', di', fa', sta', va'. In anderen Fällen deutet der Apostroph auf den Ausfall einer ganzen Silbe hin: po' — poco, to' = togli. Anm. 1: In gehobener Aussprache wird phonetisch ein i in Fällen wie amici onesti, agi eccessivi, esci ormai elidiert una sozusagen nur als graphisches Zeichen (wie z. B. in bacio) betrachtet, das die palatale Aussprache kennzeichnet: [ami :tfonesti, a:d3ettfessi:vi, ejjbrmad]. Anm. 2 : Die strengen Regeln der Elision befinden sich in einem Zustand des Abbröckeins, FIORELLI (Córso 143) bezeichnet Fälle wie è l'indovino, quell'usuraio, sen^ altro, un'ala als obligatorische Elision, Fälle wie io l'indovino, quest'usuraio, t'avverto, un'ambulanza als fakultative Elision, DE MAURO (Storia 416) führt dies auf das Bestreben zurück, ein Wort möglichst in seiner Ganzheit zu bewahren (autonomia accentuativa, forma canonica della parola), wobei diese Erscheinung besonders in der Zeit seit der Einigung Italiens zu bemerken ist.
§ 136 Die euphonische Erweiterung (Accrescimento eufonico) Unter der euphonischen Erweiterung gewisser Wörter versteht man das fakultative Anfügen eines Buchstabens aus Gründen des Wohlklangs und geschmeidigen Sprechens, wenn diese sinngemäß eng zusammengehören. Man unterscheidet folgende Fälle:
137 i) An die Präposition a und an die Konjunktion e und o wird vor vokalisch anlautenden Wörtern ein d angefügt, es sei denn, das zweite Wort beginnt mit ad- bei a, ed- bei e, od- bei o, da dies zu einer unschön empfundenen • Wiederholung derselben Lautgruppe führen würde: ad un amico, ed altri paesi, tu od ogni altro, z) Prothetisches i: Nach con, in, non, per kann vor Wörtern die mit s + Konsonant beginnen, ein / vorangestellt werden: in iscuola, per istrada, non ista bene, in Isvinerà. Völlig festgeworden im Gebrauch sind die Wendungen in iscritto, per iscritto. Anm. i: Man gebraucht das prothetische i häufiger beim Sprechen, als in der Schreibung. Anm. 2: Phonetisch und physiologisch läßt sich dieser /-Vorschlag als Gleitlaut zum s erklären : beide Laute sind organisch verwandt (vgl. auch lat. post, nos > ital. poi, noi). Dazu kommt noch, daß typisch italienische Gruppen aus drei Konsonanten an der dritten Stelle / oder r haben (siehe § 105). In scuola würde also eine nicht typische Konsonantengruppe enthalten, und durch den /-Vorschlag wird eine dem ital. Konsonantensystem entsprechende Lautfolge hergestellt. 3) Vor mit « anlautenden Wörtern wird su zu sur erweitert: sur una barca. Anm. : Die unter 1 und 3 genannten Erscheinungen findet man hauptsächlich in gehobener Sprache, in der Schriftsprache und in der Poesie. § 1 3 7 Die syntaktische Verdoppelung Unter syntaktischer Verdoppelung {raddoppiamento consonantico, raddoppiamento sintattico, rafforzamento sintattico) versteht man jene Erscheinung, bei der der anlautende Konsonant eines Wortes in bestimmten Fällen verdoppelt wird. Diese Erscheinung ist für das Italienische charakteristisch. Man nennt sie deshalb «syntaktisch», weil sie nur innerhalb des Ausspruchs auftritt. Sie wird in der Schreibung nicht bemerkbar, außer in jenen ursprünglich aus zwei Wörtern bestehenden, heute aber bereits festgewordenen Fügungen wie z. B. davvero, dappertutto, sissignore, macché, cosiddetto etc. Ihren historischen Ursprung hat diese Erscheinung in Assimilationen wie lat. admirare >ital. ammirare, die dann auch auf orthographisch getrennte, sinngemäß und im Satzton aber eng zusammengehörige Wörter ausgedehnt wurde: adme>a me [amme]. Proklitische Präpositionen hatten also dieselbe Wirkung, wie wenn sie direkt mit dem Wort verbunden waren. Zudem ist im ital. Lautsystem nach kurzen betonten Vokalen keine einfache Konso-
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3»
nanz gestattet, auch innerhalb des Ausspruchs nicht, was dazu führt, daß diese syntaktische Verdoppelung generalisiert wurde. In der Schreibung festgeworden ist die syntaktische Verdoppelung z. B. in: acciocché, cosicché, cosiddetto, cosiffatto, checché, checchessia, chicchessia, sicché, siccome, siffatto, lassù, tressette, fammi, dimmi, dasservi^i, appena usw. Sie schwankt in Fällen wie : chi sa und chissà, e poi und eppoi, si signore und sissignore etc. Zusammengesetzte Wörter, die erst in jüngerer Zeit entstanden sind, haben häufig keine Verdoppelung des anlautenden Konsonanten des Folgeworts an der Kompositionsfuge: sopraluogo neben sopralluogo, sopratensione aber soprattutto. Man vergleiche auch den Unterschied zwischen sopranominato (neben der getrennten Schreibung sopra nominato') >obengenannt< und soprannominato >mit dem Beinamen