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German Pages 186 [188] Year 1993
RHETORIK-FORSCHUNGEN Herausgegeben von Joachim Dyck, Walter Jens und Gert Ueding Band 6
j V l V E N T l S ·Ρ O T V I Τ · D V R E R . I VS · ORA PHI LIPPl A \ E N T E j W N O N · Ρ O T V I T P I N G E R E - D O CTA AVANYS
Μ
Joachim Knape
Philipp Melanchthons >Rhetorik
Rhetorik< / Joachim Knape. - Tübingen : Niemeyer, 1993 (Rhetorik-Forschungen; Bd. 6) NE: Melanchthon, Philipp: Rhetorik; GT ISBN 3-484-68006-7
ISSN 0939-6462
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitimg in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten/Allgäu
Walter Jens zum 70. Geburtstag am 8. März 1993
Inhalt
Einleitung 1.
MELANCHTHONS
1 Verhältnis zur Rhetorik
5
1.1. Rhetorik und Dialektik 1.2. Rhetorik, Sprache und Denken
5 10
1.3. Bildkunst als rhetorisches Analogon
16
2. Die überlieferten Versionen der 'Rhetorik' 2.1. Die Tübinger Rhetorik 'De rhetorica' (1519) 2.1.1. Drucke 2.1.2. Charakter der Tübinger Rhetorik 2.2. Das Lehrbuch 'Institutiones rhetoricae' (1521) 2.2.1. Drucke 2.2.2. Charakter des Lehrbuches 2 . 2 . 3 . Die 'Tabulae' des Petrus MOSELLANUS 2.3. Die Wittenberger Rhetorik 'Elementa rhetorices" (1531) 2.3.1. Drucke 2.3.2. Charakter der Wittenberger Rhetorik
23 24 24 25 29 29 29 32
36 36 36
3. Kapitelsynopse zu den drei Rhetorikversionen
41
4. Quellen
55
5. Zum Textabdruck der 'Elementa rhetorices'
60
5.1. Die deutsche Version 5.2. Der lateinische Text
60 60
VII
ELEMENTE DER RHETORIK
Erstes Buch 1. Anfangsgründe
63
1.1. Zur rhetorischen Kunstlehre 1.2. Beredsamkeit
63 64
1.3. Rhetorik 1.4. Über die Aufgaben des Redners 1.5. Unterschied zwischen Dialektik und Rhetorik
64 65 65
2. Über die drei Gattungen der Redegegenstände (genera causarum) 2.1. Wozu die Kenntnis der Redegattung dienlich ist
66 67
3. Über die Lehrrede (genus didaskalikon)
68
3.1. Von den einfachen Fragen 3.1.1. Ein Beispiel
69 70
3.2. Von komplexen Fragen
70
4. Über die Gerichtsrede (genus iudiciale) 4.1. Über die Sachlagen oder Streitstände (status) 4.1.1. Über den Vermutungsstatus (status coniecturalis) 4.1.1.1. Über die Redeteile (partes orationis) 4.1.1.1.1. Einleitung (exordium) 4.1.1.1.2. Darstellung des Sachverhalts (narratio) 4.1.1.1.3. Angabe des Beweiszieles (propositio) 4.1.1.1.4. Begründung (confirmatio) 4.1.1.1.5. Zurückweisung oder Widerlegung (confutatio) 4.1.1.1.6. Redeschluß (peroratio) 4.1.2. Über den Rechtsstatus (status iuridicialis) 4.1.2.1. Loci des Naturrechts 4.1.2.2. Loci des positiven Rechts 4.1.3. Über die Gesetzesstatus (status legales)
71 71 73 73 73 74 74 75 75 76 76 77 77 78
5. Über die Beratungsrede (genus deliberativum)
78
6. Über die Prunk- und Festrede (genus demonstrativum)
79
7. Über die allgemeinen Gesichtspunkte (loci communes)
81
VIII
8. Über die Affekte
84
9. Über die Textgliederung (dispositio)
85
Zweites Buch Von der sprachlichen Gestaltung (de elocutione)
1. Anfangsgründe
89
2. Die drei Teile der elocutio
91
3. Von den Figuren
93
4. Von Tropen und Figuren
93
4.1. Definition des Tropus 4.2. Definition der Figur (schema) 4.3. Die Tropen 4.3.1. Die Metapher 5. Allegorie
93 93 94 94 94
5.1. Vom vierfachen Schriftsinn in der Heiligen Schrift
95
5.2. Allegorische Subgenera
97
6. Figuren
98
6.1. Erste Figurengruppe 6.2. Zweite Figurengruppe 6.3. Dritte Figurengruppe 6.3.1. Figuren aus Einzelbegriffen (ex definitione) 6.3.2. Figuren aufgrund von Unterteilung (de divisione) 6.3.3. Figuren aufgrund von Ursachen (ex causis) 6.3.4. Figuren aus Gegensätzen (de contrariis) 6.3.5. Figuren aufgrund von Ähnlichkeit (ex similibus) 6.3.6. Figuren aus Oberbegriffen abgeleitet (a genere) 6.3.7. Figuren aufgrund von Umständen und Anzeichen (ex circumstantiis et signis) 7. Über das Nachahmungsprinzip (de imitatione)
99 99 100 103 103 104 104 105 105 106 107
8. Die drei Stilgattungen (genera dicendi)
114
IX
Text
PH. M E L . ELEMENTORUM RHETORICES LIBRI D U O
Liber Primus De Elementis Rhetorices Epistola nuncupatoria anno 1531
118
1. [Initia]
121
1.1. [De arte rhetorical
121
1.2. 1.3. 1.4. 1.5.
121 122 122 122
Eloquentia Rhetorica De officiis oratoris Discrimen dialecticae et rhetoricae
2. De tribus generibus causarum 2.1. Ad quid conducat nosse genus causae 3. De genere didascalico 3.1. [De simplicibus quaestionibus] 3.1.1. [Exemplum] 3.1.2. Aliud exemplum 3.1.3. Aliud exemplum 3.2. De coniunctis quaestionibus 4. De genere iudiciali 4.1. Destatibus 4.1.1. De statu coniecturali 4.1.1.1. De partibus orationis 4.1.1.1.1. [Exordium] 4.1.1.1.2. Denarratione 4.1.1.1.3. [Propositio] 4.1.1.1.4. De confirmatione 4.1.1.1.5. De confutatione 4.1.1.1.6. De peroratione 4.1.2. De iuridiciali statu 4.1.2.1. [Loci] a natura
123 123 124 124 124 125 125 126 127 127 128 128 128 128 128 129 129 130 130 131
4.1.2.2. [Loci] a lege scripta 4.1.2.3. [Loci] ab exemplis 4.1.2.4. Confutatio 4.1.3. De statibus legalibus 4.1.3.1. [Definitio] 4.1.3.2. [Contrariae leges] 4.1.3.3. Ex scripto et sententia 4.1.3.4. De ambiguo 4.1.3.5. Ratiocinatio 4.1.3.6. [Translatio]
131 131 131 132 132 133 133 134 134 135
5. De genere deliberativo
135
6. De genere demonstrative
136
7. De locis communibus
138
8. De affectibus
139
9. De dispositione
140
Liber Secundus De elocutione 1. [Initia]
142
2. Tres partes elocutionis
143
3. De
figuris
4. De tropis et schematibus
144 144
4.1. [Tropos] 4.2. Schema
144 144
4.3. Tropoi
144
5. Allegoria 5.1. De quatuor sensibus sacrarum literarum 5.2. [Subgenera]
145 145 148
XI
6. De schematibus 6.1. Primus ordo 6.2. Secundus ordo figurarum 6.3. Tertius ordo 6.3.1. Ex definitione 6.3.2. De divisione 6.3.3. Ex causis 6.3.4. De contrariis 6.3.5. Ex similibus 6.3.6. A genere 6.3.7. Ex circumstantiis et signis
149 figurarum figurarum
150 150 152 154 155 155 156 157 157 158
7. De imitatione
158
8. De tribus generibus dicendi
164
Literaturverzeichnis
167
XII
Res et verba Philippus, verba sine re Erasmus, res sine verbis Lutherus, nec res nec verba Carolostadius. (LUTHER: Tischreden 3, N r . 3 6 1 9 )
Einleitung
Walter JENS wies mich bei einem Gespräch im Frühjahr 1 9 9 0 , das unter anderem auch die Rolle der Frühneuzeitforschung für das Fach Rhetorik zum Gegenstand hatte, auf die herausragende rhetorikgeschichtliche Bedeutung Philipp MELANCHTHONS ( 1 4 9 7 - 1 5 6 0 ) hin. Ich habe das als Anregung aufgenommen und meine erste offizielle Tübinger Rhetorikvorlesung im Wintersemester 1 9 9 1 / 9 2 MELANCHTHON als Rhetoriker gewidmet. Damit sollte weniger dem Genius loci gehuldigt werden, obwohl dies angesichts der Tatsache nahelag, daß MELANCHTHON vor 1 5 1 8 einer der ersten Tübinger Rhetorikdozenten gewesen ist.1 Vielmehr war beabsichtigt, bei den Studierenden neues Interesse für ein Werk zu wecken, das für die Entwicklung sprachästhetischen Bewußtseins in Deutschland, für die europäische Rhetorikgeschichte und die Geschichte der Hermeneutik von erstrangiger Bedeutung ist. Bereits DILTHEY schenkte dem Rhetoriker MELANCHTHON Aufmerksamkeit.2 Dadurch angeregt stellte ihn Hans-Georg GADAMER in seinem viel beachteten Vortrag 'Rhetorik und Hermeneutik' aus dem Jahre 1976 an den Beginn der neueren Hermeneutiktradition. GADAMER geht es darum, "Elemente der Rhetorik als Grundsätze der späteren Hermeneutik zu identifizieren".3 MELANCHTHON ist ihm in dieser Hinsicht ein wichtiger auctor, denn bei ihm kommt, "auch wenn es sich wie eine bloße Anwendung der Lehren der alten Redekunst gibt, am Ende etwas Neues auf, eben die neue Hermeneutik, die über die Auslegung von Texten Rechenschaft gibt." Rhetorik und Hermeneutik werden hier als "zutiefst verwandt" angesehen, und es ist besonders charakteristisch, daß MELANCHTHON "den eigentlichen Nutzen der Rhetorik, der klassischen ars bene dicendi, geradezu darin sah, daß die jungen Leute die ars bene legendi, das heißt die Fähigkeit, Reden, längere Disputationen und vor allem Bücher und Texte aufzufassen und zu beurtei1 2 3
Ein anschauliches Bild der Tübinger universitären Verhältnisse, in denen Melanchthon stand, gibt Jens 1977, S.39ff.; vergl. auch Barner 1970, S.421ff. Dilthey 1921, S.162ff. Gadamer 1976, S. 10 1
len, nicht entbehren könnten. Das klingt bei ihm zwar aufs erste so, als handelte es sich dabei um eine bloße ergänzende Motivation für die Erlernung und Ausbildung der Beredsamkeit. Aber im Laufe der Melanchthonschen Darlegungen schiebt sich mehr und mehr das Lesen als solches und die Übermittlung und Aneignung der in den Texten zugänglichen religiösen Wahrheiten vor das humanistische Ideal der Imitation. So übten die Rhetorikvorlesungen Melanchthons eine bestimmende Wirkung auf die Gestaltung des neuen protestantischen Schulwesens aus."4 Hier deuten sich wesentliche Aspekte der Bedeutung von MELANCHTHONS 'Rhetorik' an. Schon die Zeitgenossen sahen in dem Weggefährten und Nachfolger LUTHERS als Kirchenführer den Praeceptor Germaniae. Vor allem mit Blick auf seine 'Dialektik', das sich zur 'Rhetorik' gesellende Zwillingswerk, nannte man ihn einen Artifex methodi.5 Seine 'Rhetorik' hat wesentlichen Anteil an der zunehmenden Bedeutung der Disziplin Rhetorik im protestantischen Deutschland, und sein Ansehen als Gelehrter verschaffte dem Werk gesamteuropäisches Renommee. GADAMER sieht völlig richtig, daß es MELANCHTHON neben dem Textverfassen besonders auch um das Lesen- und Verstehen-Können anspruchsvoller Texte geht. Sein besonderer Platz in der Geschichte der Hermeneutik steht ihm folglich zu. Allerdings ist zu betonen, daß Verstehen für MELANCHTHON nicht nur Verstehen von Inhalten, sondern auch immer Verstehen von sprachlichen Strukturen bedeutet. Im Verein mit der in der frühen Neuzeit gesamteuropäisch noch erfolgreicheren, erstmals 1512 erschienenen rhetorischen Stilistik 'De copia verborum ac rerum' des ERASMUS VON ROTTERDAM muß seine theoretische 'Rhetorik' darum gleichermaßen als wegbereitendes Werk im Prozeß frühneuzeitlicher Bemühung um sprachästhetische Sensibilisierung gesehen werden. 'Rhetorik' ist eine der ersten deutschen theoretischen Gesamtrhetoriken der frühen Neuzeit und steht für die humanistische Neubelebung der Rhetorik als Disziplin. Sie wie Heinz Otto BURGER nur als "ein Endglied der humanistischen Tradition" zu sehen, fällt schwer.6 Die 'Rhetorik' gehört vielmehr in den von GADAMER erörterten "größeren humanistischen Zusammenhang der Wiederentdeckung der Klassiker, die freilich insbesondere das klassische Latein eines Cicero meinte. Das aber war nicht nur eine theoretische Entdeckung, sondern stand zugleich unter dem Gesetz der Imitatio, der Erneuerung der klassischen Redekunst und Stilkunst, und so ist die Rhetorik allgegenwärtig." Die bis an den Anfang des 18. Jahrhunderts reichende letzte Hochblüte des Lateins als aktiv gehandhabte Wissenschafts- und Dichtersprache forderte die Präsenz der Rhetorik als traditionelle Stil-, Text- und Performanztheorie.7 "Allerdings war es eine seltsam deklamatorische Wiedergeburt. Wie sollte die klassische Redekunst ohne ihren klassischen Raum, die Polis, bzw. die res publica, wiedererweckt werden? Die Rhetorik hatte seit dem Ende der römischen Republik ihre politische Zentralstellung verloren und bildete im Mittelalter ein Element der von der Kirche gepflegten Schulkultur. Sie konnte eine Erneuerung, wie sie der Humanismus anstrebte, nicht erfahren, ohne einen noch viel drastischeren Funktionswandel zu durchlaufen. Denn die Wiederentdeckung des klassischen Altertums kam mit MELANCHTHONS
4 5
6 7
2
Gadamer 1976, S.7f. Gilbert 1960, S.125ff. "The rhetorical and pedagogical motivation of his dialectic placed him close to Ramus, and thus these two writers formed the standard fare of those who opposed the traditional Aristotelian-Galenic theory of scientific method, the self-styled 'Philippo-Ramists'." (ebd., S.127) Burger 1969, S.451. Fuhrmann (1983) weist überzeugend darauf hin, daß die stabile Position im Fächerkanon dementsprechend ins Wanken kam, als die Nationalsprachen im 18. Jahrhundert das Latein als Schulfach zurückdrängten.
zwei folgenschweren Dingen zusammen: der Erfindung der Buchdruckerkunst und, im Gefolge der Reformation, der gewaltigen Ausbreitung des Lesens und Schreibens, die mit der Lehre von dem allgemeinen Priestertum verknüpft war. Damit setzte ein Prozeß ein, der am Ende und über jahrhundertelange Vermittlung hinweg nicht nur zur Beseitigung des Analphabetentums führte, sondern ineins damit zu einer Kultur des stillen Lesens, die das Gesprochene und sogar das laut gelesene Wort und die wirklich gesprochene Rede auf den zweiten Platz verwies. - Ein ungeheuerer Vorgang der Verinnerlichung, der uns erst jetzt so recht bewußt wird, seit die Massenmedien einer neuen Mündlichkeit die Bahn geöffnet haben." 8 Die Wirkungsgeschichte der 'Rhetorik' MELANCHTHONS ist noch nicht geschrieben. Hier nur einige Hinweise zur frühen Neuzeit: Es besteht kein Zweifel, daß das Werk im 16. und 17. Jahrhundert von großem Einfluß auf die Bildungsbestrebungen und das Rhetorikverständnis in Europa war. Seine drei Versionen wurden jeweils umgehend in Frankreich nachgedruckt, und die erste englischsprachige Einzelrhetorik von Leonard Cox 9 aus der Zeit um 1530 verarbeitete wesentliche Teile aus den inventio-Kapiteln der zweiten Version ('Institutiones' 1521). 10 In Deutschland wurde MELANCHTHONS rhetorisches System in übersichtlicher Darstellung durch Kurzfassungen 11 oder durch Tafelwerke verbreitet, wie das des Leipziger Graecisten Petrus SCHADE (MOSELLANUS, gest. 1524). 12 MOSELLANS 'Tabulae' wurden nach seinem Tod in der von Georg MEIER (MAIOR) aus Nürnberg herausgegebenen Fassung mit mehr als 50 Ausgaben zu einem der erfolgreichsten Rhetoriklehrwerke des 16. Jahrhunderts. 13 Kaspar GOLDTWURM übernahm in seinen 1545 erschienenen deutschsprachigen 'Schemata rhetorica' die Figurenlehre MELANCHTHONS.14 MELANCHTHONS Einfluß läßt sich auch bei den später im Umfeld der Wittenberger Reformatoren entstandenen Rhetoriken nachweisen.! 5 Zeitgenössische Autoren, wie z.B. Johannes CAESARIUS (gest. 1550), berufen sich in ihren Rhetoriken auf MELANCHTHON als Autorität. 16 Bald setzte die Kommentartätigkeit ein. Hier ist an erster Stelle auf die große kommentierte Ausgabe des Tübinger Graecisten Martin CRUSIUS ZU verweisen. 17 CRUSIUS veröffentlichte später auch noch ein kurzes Lehrbuch zur MELANCHTHON-'Rhetorik'.18
8 9 10 11 12 13
14 15 16 17
18
Gadamer 1976, S.6f. Keen 1988, Nr.76.73. Carpenter 1899, S.29-31; vergl. Conley 1990, S.134ff.; Crane 1937, S.97. Z.B. Nikolaus Medier: Prima rudimenta rhetorices. Magdeburg 1548. Ex. Bamberg: Phil.o.803a. Tabulae de Schematibus Petri Mosellani. [...] In Rhetorica Philippi Melanchthonis. In Erasmi Roterodami libellum, de duplici Copia (= VD 16: S 2175-S 2203); vergl. Schmidt 1867, S.24f. VD 16: Μ 2060-M 2111. Georg Meier veröffentliche zudem ein kurzgefafltes Lehrbuch, das mit mindestens 18 Ausgaben bis zum Jahre 1600 ebenfalls sehr erfolgreich war und auch die Melanchthon'Rhetorik' referierte: Quaestiones rhetoricae ex libris M.T.Ciceronis, Quintiliani, et P.Melanchthonis (= VD 16: Μ 2138-M 2155). Kaspar Goldtwurm: Schemata rhetorica. Marburg 1545 (= VD 16: G 2600). Schian 1897; Hermann 1964. J.Caesarius: Rhetorica in Septem libros. Köln 1534 u.ö. (= VD 16: C 139-C 144); vergl. Maurer 1967, S.245 Anm.68. Philippi Melanchthonis Elementorum Rhetorices Libri duo: Martini Crusii Quaestionibus et Scholiis explicati in Academia Tybingensi. Basel 1563 u.ö.; vergl. Skura 1987, S.61 und Murphy 1981, Nr.575. Martini Crusii Quaestionum in Philippi Melanchthonis Elementorum Rhetorices libros duos Epitome. Tübingen 1581 ( = VD 16: C 6147). 3
Im protestantischen Deutschland blieb die 'Rhetorik' MELANCHTHONS bis in das 17. Jahrhundert noch aktuell. Sie wurde weiterhin nachgedruckt und in Einführungen vermittelt.19 Im 19. Jahrhundert schätzten BASSERMANN und HARTFELDER MELANCHTHONS Wirkung als Homiletiker noch gering ein;20 inzwischen sind die Fragmente seiner Homiletiken publiziert,21 und man ist zu einer Neubewertung des doch beträchtlichen Einflusses auf die protestantische Predigt gekommen.22 Das gilt auch für den theologischen Hermeneutiker MELANCHTHON. 23
Bei meiner Beschäftigung mit dem Rhetoriker MELANCHTHON stellte sich nicht nur heraus, daß noch viel Forschungsarbeit zu leisten ist, was zu erwarten war, sondern auch, daß dem Interesse der Studierenden selbst im elementaren Bereich ungünstige Bedingungen entgegen stehen. Vorderhand ist hier das Fehlen einer leicht zugänglichen Textausgabe der 'Rhetorik' zu nennen. Die einzige vollständige Edition jüngeren Datums besorgte BRETSCHNEIDER im Jahre 1846 (Corpus Reformatorum ΧΠΙ). Sie ist inzwischen nur noch selten in Bibliotheken ausleihbar. Um diesem Mangel fürs erste abzuhelfen, lege ich ein Faksimile der genannten Edition des lateinischen Textes vor. Die einleitenden Erörterungen sollen mit MELANCHTHONS Rhetorikauffassungen bekannt machen, das Werk vorstellen und historisch einordnen. Trotz seiner Bedeutung wurde es bislang noch nicht ins Deutsche übersetzt. Ich stelle daher dem lateinischen Text eine gekürzte deutsche Version voran, die die wesentlichen Teile leichter erschließbar machen soll. Für die Mitarbeit an der Schlußredaktion danke ich Olaf BERWALD, für EDV-technische Hilfe Armin SIEBER.
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4
H. Decimator: Annotationes in libros duos Elementorum rhetorices D. Phil. Melanchthonis. Leipzig 1610; siehe Skura 1987, S.28. J. Martinus: Institution« rhetoricae ex Phil. Melanchthone [...] Danzig 1614; siehe Skura 1987, S.58. W.Westhov: Introductio ad rhetoricam Melanchthonis. Leipzig 1607; vergl. Murphy 1981, Nr.851. Bassermann 1885, S.65; Hartfelder 1889, S.230f. Drews/Cohrs 1929. Schian 1897; Harms 1960; Schnell 1968; vergl.auch Beste 1860; Pröhl 1897; Weithase 1961, S.99f. Sick 1959; Schneider 1990.
1. MELANCHTHONS Verhältnis zur Rhetorik
hat sich im Lauf seines Lebens verschiedentlich in Deklamationen, Briefen und sonstigen Schriften zu Funktion und Bedeutung der Rhetorik geäußert. Er hat ihr im Lauf der Zeit immer größeres Gewicht eingeräumt. Das hängt mit seiner Auffassung zusammen, daß Sprache und Denken untrennbar verknüpft sind. Differenzierte und komplexe Denkvorgänge können seiner Meinung nach nur in differenzierter, komplexer und elaborierter sprachlicher Realisierung vermittelt werden. Vor diesem Hintergrund wird die Rhetorik als ein Fach verstanden, das sprachliche Kompetenz auf ein hohes Niveau führen kann. Es versteht sich, daß MELANCHTHON seine diesbezüglichen Überlegungen in erster Linie auf die zeitgenössische Schul- und Gelehrtensprache Latein bezieht.1 Auch die Betonung des humanistischen Postulats der Autorenlektüre zielt vornehmlich auf antike Literatur.2 Seine Grundeinsichten zum Verhältnis von Sprache und Denken aber, aus denen sich wiederum der besondere Stellenwert der Rhetorik erklären läßt, sind in ihrer Hellsichtigkeit universal gültig. Im folgenden können sie nur andeutungsweise dargestellt werden, denn eine detaillierte Erörterung der Positionen MELANCHTHONS erfordert eine gesonderte Untersuchung. MELANCHTHON
1.1. Rhetorik und Dialektik Am Anfang steht MELANCHTHONS früheste erhaltene Deklamation ('De artibus liberalibus'), die er am Ende des Sommersemesters 1517 in Tübingen vor einem akademischen Auditorium hielt.3 Sie behandelt mit Hilfe antik-mythologischer Allegorisierungen unter dem Oberbegriff der Philosophie den traditionellen Fächerkanon der Sieben Freien Künste.4 Die sieben Saiten der Lyra des Musengottes Apollo bedeuten die Septem artes. Die ersten drei sind die Künste des Wortes ("logicae artes"): Grammatik, Dialektik und Rhetorik, also das Trivium. Sie dienen zur Bildung der jugendlichen Geister und stellen die Anfangsgründe des Wissens dar. Symbolisiert werden sie zugleich durch die drei Musen Polyhymnia (die das sprachliche Material innehat), Euterpe (die die dialektisch-kognitiven Belange vertritt) und Melpomene (die für die den Hörern angenehme Rhetorik zuständig ist). Sie stimmen in einem Konzert miteinander aufs schönste zusammen. Aber zu den Worten müssen die Sachen hinzutreten. Damit beschäftigen sich die Fächer des Quadrivium: Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Ihre Musen sind Terpsichore, 1 2
3 4
Zu Melanchthons Verhältnis zu den Latein- und Griechischstudien siehe Dadelsen 1878, S.38ff. Hier verbindet sich das sprachliche Interesse an vorbildlichen Musterautoren mit einem inhaltlichen, das sich auf den moralischen Nutzen der Redner- und Dichterlektüre richtet. Vergl. Dadelsen 1878, S.16ff. Ein wissenschaftlich-antiquarisches Interesse im modernen Sinne wird dagegen nicht eigens artikuliert (ebd., S.20). CR XI, 5-14; Stupperich/Nürnberger 1961, S.17-28; vergl. Hartfelder 1889, S.161. Vergl. zu diesem und den im folgenden genannten Texten Scheible 1989.
5
Thalia, Erato und Urania. Die beiden verbleibenden Musen Klio und Kalliope sind die Vertreterinnen der unter den literarischen Gattungen und bei der Autorenlektüre herausragenden Formen narrativer Prosa und poetischer Versdichtung, und so gilt für sie der Satz: "omnis generis scripta usurpant historia et poema, nec alii maiori frage operave leguntur authores, quam Historici ac Poetae".5 Allerdings sind alle diese Wissenschaften nur Werkzeuge ("Organa, quasi praeludia"6) jener göttlichen und erhabenen Weisheit, der Theologie. Der Rhetorik wird in diesem Zusammenhang nicht nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt, sondern sie wird zudem der Dialektik untergeordnet. MELANCHTHON geht nur noch in einem weiteren Satz auf sie ein, indem er fragt: Was ist die Rhetorik? ("Quid vero illa?") und dann antwortet: Sie ist ein Teil der Dialektik und soll die Argumente gut faßlich vermitteln helfen ("Pars Dialecticae, quosdam argumentorum locos populariter instruens").7 MAURER meint, daß diese Haltung "völlig unhumanistisch" ist und MELANCHTHON sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit genug von seiner spätscholastischen Umgebung losgelöst hat.8 Mit seinem Wechsel nach Wittenberg und dem Erscheinen der Tübinger Rhetorik im Jahre 1519 änderte MELANCHTHON seine Auffassung. In der Wittenberger Antrittsvorlesung von 1518 setzt er sich nach Art eines historischen Beweisverfahrens, indem er die Etappen des Verfalls des Autorenstudiums zugunsten scholastisch-spekulativer Wissensaneignung darstellt, für eine neue Sprach-, Philologie-, und Literaturorientierung ein. Dialektik und Rhetorik sieht er jetzt nicht mehr in einem Dominanz- bzw. Subordinationsverhältnis, sondern sie sind für ihn in einer übergreifenden ars logica gleichberechtigte, untrennbar verbundene Zwillingsfächer. Diese ars bildet den Kern der sprachbezogenen Wissenschaften. Sie basiert auf Textkenntnis bzw. Autorenstudium, gewährt Einblicke in die Eigenarten sprachlicher Gestaltung, sei es durch Regeln oder durch den Figurenvorrat der Autoren, und sie zeigt, was sprachlich zu beachten ist. Auf der unteren Anwendungsstufe geht es um Fragen, die man mit dem Begriff Grammatik verbindet. Wenn man weiter fortgeschritten ist, geht es um gedankliche Urteile.9 Dialektik und Rhetorik arbeiten bei bestimmten Beschäftigungen des Studiums zusammen: Wenn ich einen Gegenstand wohl durchdacht habe, stellt MELANCHTHON fest, dann wird es für mich nicht schwer sein, ihn mit sprachlichen Farben ("colores") auszumalen ("pingere") und zu erklären ("declarare").10 Auch wenn die Bezeichnungen in der Literatur variieren, so handele es sich doch um dieselbe integrale Disziplin ("Haec partes illius sunt, quam nos dialecticam, alii rhetoricam vocant: Nominibus enim variant auctores, cum ars eadem sit").11 Mit der Herausgabe der Tübinger Rhetorik gewinnt die rhetorische Disziplin für MELANCHTHON dann offenbar eine größere Eigenständigkeit. Wenn er betont, man kenne ja inzwischen kaum noch den Namen der Rhetorik, geschweige denn ihren praktischen Gebrauch ("vix etiam rhetoricae nomen nedum usus agnoscitur"),12 so macht das deutlich, daß er die Notwendigkeit sieht, die Disziplin als solche wieder zu betreiben und neu zu beleben. Er befindet sich damit auf 5 6 7 8 9 10
"
12
6
CR XI, 12; vergl. zur Frage des Studiums von Historici und Poetae auch Dadelsen 1878, S.12f. CR XI, 13. CR XI, 9f. Maurer 1967, S.56. CR XI, 18; Stupperich/Nürnberger 1961, S.34. CR XI, 19; Stupperich/Nürnberger 1961, S.34f. CR XI, 18f.; Stupperich/Nürnberger 1961, S.34. De rhetorica, p.10.
der Linie vieler deutscher Universitäten, die zunehmend Poetik- und Rhetorikprofessuren einrichten. Nochmals legt er im Widmungsbrief an seinen alten Schüler M A U R U S ein Bekenntnis zur Dialektik ab. Er kritisiert das bisherige Dialektikstudium und bestätigt seine Neigung zur Dialektik.13 Niemand könne gebildet werden, der nicht auch sie studiert. Im Studium hänge alles von logisch korrekten Überlegungen, also von der Dialektik ab ("ex dialectica pendent omnia").14 Letztlich bildeten aber Dialektik und Rhetorik die Jugend mit gleichberechtigten, wenn auch verschiedenen Aufgaben ("cum paribus officiis Dialectica et Rhetorica iuventutem erudirent"). Die Fächer werden somit von MELANCHTHON gleich gewichtet. Eine gewisse Hierarchisierung wird nur noch dann deutlich, wenn es weiter heißt, die Dialektik diene als Werkzeug ("organon") auf dem Gebiet der Studien, während die Rhetorik mit sprachlichem Aufputz zur Steigerung der Darstellung von Sachverhalten beitrage ("augebit splendore rhetorica").15 Später findet sich auch noch die Trennung der beiden Disziplinen nach Wirkungsabsichten. Bei rein sachlich-informativen Texten soll die Dialektik auf die Darstellung durchschlagen. Gehe es aber um Beeinflussung, z.B. beim Hervorrufen moralischer Handlungen, dann komme die Rhetorik mit all ihrer Kunst zu vollem Recht. Auffassung des Verhältnisses von Dialektik und Rhetorik ist u.a. von MAURER, und jüngst von SCHNEIDER mit Blick auf die 'Elementa rhetorices' von 1531 erörtert worden.16 So bedarf es hier nur noch weniger weiterer Bemerkungen. Am Schluß der einleitenden Erläuterungs- und Definitionskapitel der 'Elementa' steht eine Abgrenzung von Dialektik und Rhetorik. Es ist eine Abgrenzung, die zugleich den seit der ersten Version der Rhetorik von 1519 immer wieder betonten Zusammenhang beider Disziplinen unterstreicht. In der Dedikationsepistel von 1 5 3 1 erinnert MELANCHTHON ausdrücklich nochmals an seine ursprüngliche Absicht einer Verbindung beider Fächer; dadurch, daß er die zweite Version seiner Dialektik und die 'Elementa' an die gleiche Adresse richte, wolle er erinnern, daß keines der beiden Werke ohne das andere vollkommen erfaßt werden könne.17 Denn Dialektik und Rhetorik sind als Disziplinen verwandt ("vicinae artes"18), wie er mit Bezug auf CICERO (Orator 3 2 , 1 1 3 ) feststellt. MELANCHTHONS VASOLI
Natürlich hat seine erstmals 1520 erschienene 'Dialektik' eine eigenständige Zwecksetzung und einen eigenständigen Charakter. Sie enthält im wesentlichen einen Grundkurs der Logik. 'Die Dialektik ist die genaue und fachgerechte Feststellung der gedanklichen Beschaffenheit eines jeden Problems' ("Est enim Dialectica cuiusque thematis propositi exacta et artificiosa pervestigatio").19 Daraus ergibt sich, daß sie 'eine Disziplin oder eine Methode ist, korrekt, nach Regeln und klar über einen Sachverhalt zu unterrichten' ("est ars seu via, recte, ordine et perspicue docendi"); dies wird durch vier dialektische Arbeitsbereiche ("partes") ermöglicht: durch richtiges Definieren, Untergliedern, Verknüpfen wahrer Argumente und Widerlegen von
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CR I, 63; MBW, Tl, Nr.40, S.101. CR I, 64; MBW, Tl, Nr.40, S.101. CR I, 66; MBW, Tl, Nr.40, S.103. Maurer 1967, S.192ff; Vasoli 1968, S.278-309; Schneider 1990, S.68ff. CR Π, 542ff.; vergl. unten den Abdruck S.131. Erotemata dialectices, CR ΧΠΙ, 515. De rhetorica, Widmung an Bernard Maurus, CR I, 65; MBW, Tl, Nr.40, S. 102. 7
fragwürdigen Verbindungen oder von Falschem ("Definire, dividere, argumenta vere connectere, et male cohaerentia seu falsa dissolvere").20 MELANCHTHON zitiert die mittelalterliche Autorität Petrus HISPANUS mit dem seiner Meinung nach immer noch beherzigenswerten Diktum, die Dialektik sei die Kunst aller Künste, die Wissenschaft aller Wissenschaften, sie biete für alle Methoden die Prinzipien ("ars artium, scientia scientiarum, ad omnium methodorum principia viam habens").21 Bei dieser Disziplin geht es nicht um den Aufweis simpler logischer Techniken, die die meisten Menschen von Natur aus beherrschen, sondern um wissenschaftliche Durchdringung des Denkens. Nur dadurch läßt sich Gewißheit als Ziel wissenschaftlicher Urteile herstellen. Begabte Menschen, so MELANCHTHON, bringen zwar auch ohne Unterricht etwas zustande, das der Kunstlehre entspricht, aber sie kennen nicht die Ursachen, warum es so und nicht anders gemacht wird ("Multa enim homines ingeniosi similia artificium facere possunt. Sed causas ignorant, cur si fabricari artium opera oporteat"); ihnen fehlt die Gewißheit, und deshalb sehen sie die Sachen nur aus der Ferne und nebelhaft. Gewißheit kann nur die Dialektik verleihen. Aber Unrecht ist es, diese Kunst an unwürdige, lächerliche Untersuchungen zu verschwenden, während die einzigen ihr angemessenen Gebiete die "verae et utiles causae" und der "communis recte loquentium usus" sind. Die höchste Zierde eines gebildeten Kopfes ist es, bei der Erklärung von guten und nützlichen Sachverhalten die methodischen Regeln einer Wissenschaft zu befolgen, damit Gewißheit ("certitudo") über Aussagen besteht, die als wahr anzuerkennen sind. Wie im Fall anderer Disziplinen, wird deshalb auch die Dialektik aus Gründen der Gewißheit angewandt ("Ut aliae artes, ita Dialectica certitudinis causa inquisita et constituta est").22 1 MELANCHTHONS 'Dialektik' ist, wie die 'Rhetorik , in verschiedenen Versionen herausgekommen, ihr Grundgerüst ist aber über die Jahre hinweg gleich geblieben. Im ersten der vier Bücher finden sich auf der Basis der 'Isagoge' des PORPHYRIUS eine Definitionslehre und eine aristotelische Kategorienlehre ("De praedicamentis", d.h. substantia, quantitas, qualitas und relatio). Im zweiten Buch folgt ein Überblick über die verschiedenen Aussageformen ("De propositione"), ihrer Entgegensetzung und Umkehrung ("De oppositione et de conversione") sowie ihrer Modalitäten ("De modalibus"). Das dritte Buch behandelt die Kunstregeln der Beweisführung ("De argumentatione"); spezielle Kapitel sind dem Syllogismus, dem Enthymem, dem Induktionsschluß, dem Exempel sowie dem Analogie- und Kettenschluß gewidmet. Das vierte abschließende Buch ("De locis argumentorum") behandelt im wesentlichen die Topik nach Rudolph AGRICOLA. MELANCHTHON betrachtet zunächst die drei von den Stoikern unterschiedenen Grundlagen aller sicheren Erkenntnis sowie als vierte die göttliche Offenbarung; dann geht er auf die philosophischen Schulen des Altertums ein, wobei er ARISTOTELES heraushebt; schließlich wird die Topik ausführlich abgehandelt; den letzten Abschnitt des Buches bildet eine Lehre von den Trugschlüssen und ihrer Auflösung.23
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Erotemata dialectices, CR ΧΠΙ, 513. Erotemata dialectices, CR ΧΙΠ, 515. Erotemata dialectices, CR XIII, 616. Ausgabe der dritten Version von 1547: CR ΧΠΙ, 513-752. Detaillierte Inhaltsangabe bei Richter 1870, S.487ff.; knapper dagegen Dadelsen 1878, S.26; ausführlicher Hartfelder 1889, S.212ff.; völlig unbrauchbar die auf Hartfelder fußende Inhaltsangabe und vor allem die aus der Luft gegriffenen schematischen Übersichten bei Ballauf/Schaller 1972, S.57ff.
bestimmt in den 'Elementa' ( 1 / 1 . 5 . ) den Unterschied zwischen den beiden Schwesterdisziplinen auf zweierlei Weise. Die erste Ansicht, der er selbst zuneigt, besagt, daß die Auffindung ("inventio") und Anordnung ("dispositio") des Stoffes oder aller loci Sache der Dialektik ist. Die Rhetorik fügt nur das sprachliche Gewand hinzu, ist also im wesentlichen als Stilistik aufzufassen. Eine rein dialektische Erörterung von Sachverhalten wäre demgegenüber nackt. Die hier und in der 'Dialektik'24 verwendete Anspielung auf die Kleidermetapher geht auf CICEROS 'De oratore' (1.142) zurück, der bezüglich der elocutionären Leistung des Redners von "vestire et ornare" spricht. Der Humanist Lorenzo VALLA aibeitet dies weiter aus, wenn er sagt: Der Dialektiker stellt die Sachen nackt hin, der Redner sprachlich eingekleidet ("Sed vide, quid interest: dialecticus utitur nudo, ut sic loquar, syllogismo, orator autem vestito").25 Hier geht es um die Trennung der kognitiven von den verbalen Prozessen. "Die Beschränkung der rednerischen Aufgabe auf die elocutio, die Zuweisung jeglicher inventio und dispositio an die Dialektik ist allein Agricolas radikal und konsequent durchgeführte Ansicht, die er im 2. Kapitel des Π. Buches seiner inventio dialectica vertritt." - "Ausdrücklich rechnet Agricola auch die Gedanken fürs movere, ja sogar für das delectare, das freilich zum größten Teil auf der rhetorischen Form beruht, zur Dialektik (ibid. 11,4). Im 25. Kapitel des II. Buches beweist er nochmals ausführlich, dass es keine gesonderten loci für die Rhetorik gibt, dass ihr [als Konsequenz aus 26 CICERO: Orator 1 9 , 6 1 ] die elocutio allein eigentümlich ist". Wie viele der philologisch orientierten Humanisten neigt MELANCHTHON dieser Auffassung zu, wenn auch nicht mit allen Konsequenzen, denn dann hätte er in der 'Rhetorik' nur die elocutio behandeln dürfen. Weitergehende Konsequenzen zog erst Petrus RAMUS in der zweiten Hälfte des 1 6 . Jahrhunderts mit beträchtlicher Wirkung. Er trennte wissenschaftstheoretisch begründet die gedankliche Erkenntnisarbeit (inventio, dispositio) als Teil der Dialektik von der Textarbeit, Versprachlichung sowie Performanz (elocutio, actio), als Proprium der Rhetorik. MELANCHTHON bezieht seine zweite Ansicht über die Differenz der Schwesterdisziplinen aus der Praxis und damit aus den gewöhnlichen Theorien des Altertums, die er dementsprechend auch erwähnt. "Infolge einer Abtrennung der forenses et suasoriae materiae von solchen, die bloss eine bestimmte Lehrmethode erfordern, bestimmen sie als eigentümliches Ziel der Dialektik das docere, als das der Rhetorik das permovere. Eine Ermahnung zur Tugend z.B. fügt zu den dialektischen loci vom Wesen und der Einteilung der Tugend noch besondere loci rhetorici." Da die Rhetoren aber immer wieder auch auf Beweisführungen angewiesen sind, müssen sie Anleihen bei der Dialektik machen. "Die hier vorgetragene Anschauung finden wir, freilich ohne Berücksichtigung der Dialektik, am deutlichsten wieder in der ciceromanischen Zeichnung eines eloquens nach dem Sinne des Antonius: Erit eloquens is, qui in foro causisque civilibus ita dicet, ut probet, ut delectet, ut flectat [der vollkommene Redner wird also der sein, der auf dem Forum und in Zivilprozessen so spricht, daß er beweist, daß er unterhält, daß er beeinflußt], wobei das flectere als wichtigste Aufgabe hervortritt."27 Wäre MELANCHTHON der Auffassung einer strikten Zuweisung des docere an die Dialektik gefolgt, hätte er sein eigentümliches genus didacticum nicht mit in die Rhetorik aufnehmen dürfen. MELANCHTHON
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Erotemata dialectices, CR ΧΙΠ, 515. Valla: Dialektik II, Praefatio; Zit. n. Prantl 1870, S.162, Anm.52; vergl. Dadelsen 1878, S.25; Hartfelder 1889, S.84; Bullemer 1902, S.26f. Bullemer 1902, S.27. Bullemer 1902, S.32. 9
Sein Schwanken zwischen den Standpunkten zeigt sich darin, daß er in seiner 'Dialektik' eine dritte, gleichsam vermittelnde Anschauung über die Fächerdifferenz zu entwickeln versucht:28 Wenn die Dialektik das Fach ist, das sich mit so gut wie allen Gegenstandsbereichen befaßt ("Dialectica circa omnes materias versatur"), dann gibt es vielleicht für die Rhetorik ein spezifisches Gebiet. Geht man vom unterschiedlichen Sprachverhalten aus, dann läßt sich ein passendes Stoffgebiet finden. Es ist das ein Gebiet, zu dem eben nur solche Gegenstände gehören, die mit rednerischer Fülle und sprachlichem Glanz ins Licht gesetzt und mannigfach gezeichnet werden können. In vielen Fällen, wo es auf reine Belehrung ankommt, würde rhetorischer Schmuck aufdringlich und lächerlich wirken, etwa wenn ein Geometer im hohen Stil deklamierte. Dagegen bevorzugt man bei vielen Gelegenheiten, vor allem wenn es auf Belehrung ankommt, die dialektische Knappheit gegenüber anspruchsvollem Redeschmuck. Bei Gegenständen der Moral jedoch herrschen jene sprachlich-stilistischen Glanzlichter ("illa verborum et figurarum lumina"), durch die der Zuhörer zu begeistern, beim Durchdenken eines Gedankens zu fesseln oder auch durch sprachliche Blitze ("fulminibus verborum") abzuschrecken und anzutreiben ist.29 Das moralische Gebiet kommt am häufigsten, aber natürlich nicht ausschließlich für die Rhetorik in Betracht, weil es hier um Anleitung zum Handeln geht.
1.2. Rhetorik, Sprache und Denken Im Jahre 1523 kam MELANCHTHONS programmatisches Lob der Beredsamkeit ('Encomion eloquentiae') als Druck heraus, das sich mit der Notwendigkeit rhetorischer Fähigkeiten für alle Studienfächer beschäftigt. MELANCHTHON äußert hier Gedanken, die er auch später immer wieder thematisiert, etwa wenn er sagt, keine Sache, keine Betätigung ziere den Menschen mehr als die angenehme Rede, als das kultivierte Sprachvermögen ("nulla res enim, nullus cultus magis omat hominem quam suavis oratio").30 MELANCHTHON hält es im 'Encomion' für geradezu lächerlich, bezüglich des Nutzens der Beredsamkeit überhaupt in eine Diskussion einzutreten. Zu offensichtlich sei es, daß die rechte Beurteilung eines Sachverhalts untrennbar mit den sprachlichen Vermittlungsweisen zusammenhänge.31 Deswegen seien obskure Scholastiker wie Duns Scotus und andere abzulehnen, denen man nicht darin folgen dürfe, den Ausdrucksformen ("structure orationis ac phrasis") Gewalt anzutun. Wie oft hätten diese doch ihre Texte mit ungeschickten, unpassenden, unbrauchbaren, ja läppischen Metaphorisierungen verdunkelt. Die wahre Beredsamkeit sei ganz und gar etwas anderes als solch ein rasch hingeworfenes Wortgemenge. In seinem Brief, in dem er die barbarisch schreibenden mittelalterlichen Philosophen in Schutz nimmt, trenne Pico DELLA MIRANDOLA mit einem paradoxen Argument die stilistische Schönheit von der Genauigkeit des Ausdrucks und vertrete die Ansicht, ein Gegenstand könne in jeder beliebigen Stilart erläutert werden.32 Demgegenüber will MELANCHTHON sich auf jene antiken Autoritäten stützen, die darin übereinstimmen, daß gute Ausdrucksfähigkeit und Urteilskraft von Natur 28 29 30 31 32
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Vergl. Bullemer 1902, S.33f. Erotemata dialectices, CR XIII, 515. Elemente rhetorices, CR XIII, 460; vergl. unten den Textabdruck S. 154. CR XI, 55; Stupperich/Nürnberger 1961, S.49. CR XI, 53; Stupperich/Nürnberger 1961, S.47.
aus zusammenhängen. Deshalb bezeichneten sie recht treffend die Rede als entfaltete Denkweise ("explicata animi ratio"). 33 Für MELANCHTHON entscheidet das Sprachvermögen darüber, ob Sachverhalte kommunikativ vermittelt werden können: 'Mag jemandem ein hilfreicher Rat zu geben oder etwas beizubringen sein, mag es darum gehen, ein Dogma abzusichern oder sich über rechtliche und ethische Fragen zu äußern, man dürfte kaum mehr bewirken als Stumme dies auf der Bühne können, wenn man nicht eine kunstvoll ausgearbeitete Rede vorbringt, welche dunkle Sachverhalte in hellem Licht erscheinen läßt. 134 Einer der Wege, sich das nötige Sprachvermögen anzueignen, ist die imitatio. Man müsse sich klar darüber sein, so MELANCHTHON, 'daß nur der sich treffend und deutlich äußern kann, der seine Redefähigkeit in der bei uns öffentlich gebrauchten Sprache kunstfertig und sorgfältig durch die Nachahmung der besten Schriftsteller ausgebildet hat'. 35 Der Rhetorik kommt die Rolle zu, das Bewußtsein für den untrennbaren Zusammenhang von sprachlicher Eleganz, korrekter Ausdrucksweise und inhaltlicher Genauigkeit zu schärfen. Alle Vorurteile, die darin gipfeln, Beredsamkeit für überflüssige Schminke zu halten, weist MELANCHTHON zurück: 'Wohl weiß ich, daß manche meinen, "elegantia" und Richtigkeit der Sprache ("recte loquendi ratio") ließen sich trennen und die Art des Sprachgebrauchs sei unwichtig, wenn nur zur Sache geredet werde. Wenn sie diese Frage genauer untersuchten, würden sie keineswegs der Ansicht sein, von den Lehrern der Beredsamkeit werde weit hergeholte und überflüssige Schminke verlangt. Die unverfälschte und ursprüngliche Gestalt der Sprache ist "elegantia". Wenn man sie nicht bewahrt, wird man sich nicht nur unfein und schlampig, sondern auch unpassend, unklar und albern ausdrücken. Und wie bei der plastischen Darstellung von Körpern sich Schönheit darin zeigt, daß alle Glieder im rechten Verhältnis untereinander zusammenstimmen, und bei Abweichungen davon Ungeheuer entstehen, so wird auch die Sprache monströs und albern, wenn man ihre ursprüngliche Gestalt durch neuartige Bildungen verformt.' 36 - 'Die Notwendigkeit hat die schöne Form entstehen lassen. Denn ungepflegte Ausdrucksweisen bleiben unklar. Wo dagegen die rhetorische Gestaltung schmückend hinzutritt, wird auch der Sinn deutlicher. Denn zu diesem Zweck werden nach Quintilian die rhetorischen Figuren eingesetzt. Seiner Ansicht nach sind Nutzen und rechte Form nicht zu trennen. Wozu bedarf man etwa in der Heiligen Schrift - von weltlichen Werken will ich einmal absehen - der rhetorischen Figuren? Die Propheten hätten sie, wie ich meine, nicht gebraucht, wenn sie nicht sachdienlich wären. So seht ihr nun, warum ich rhetorische Studien empfehle: Wenn wir nämlich gewisse Richtlinien des sprachlichen Ausdrucks nicht gründlich lernen, können wir weder unsere eigenen Gedanken darlegen, noch die Schriften aus früherer Zeit verstehen, die uns erhalten sind.' Es hängt sogar das Gelingen menschlicher Kommunikation davon ab: 'Mir ist unklar, wie einer anderen als Mensch begegnen wollte, der weder seine eigenen Gedanken entwickeln, noch die klaren Äußerungen anderer erfassen kann. 137
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CR XI, 55; Stupperich/Nürnberger 1961, S.49. Diese und die folgenden Übersetzungen aus dem 'Encomion' nach der zweisprachigen Ausgabe von Schmidt 1989 (hier S.155); vergl. Bauer 1986, S.66f. Zur Diskussion des Verhältnisses von Sprache und Denken sowie der Rolle der Rhetorik im Renaissance-Humanismus siehe Apel 1963; zur neueren Sicht des Problems vergl. Gipper 1987. CR XI, 52; Stupperich/Nürnberger 1961, S.46; vergl. Schmidt 1989, S.153. ebd. CR XI, 52f.; Stupperich/Nürnberger 1961, S.46f.; Schmidt 1989, S.153f. CR XI, 54; Stupperich/Nürnberger 1961, S.48; Schmidt 1989, S.155.
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Es gibt zwei Gründe, so MELANCHTHON, warum durch die Bemühung um rhetorische Fähigkeiten, um elaborierten Sprachgebrauch, das Denken und damit die Urteilsfähigkeit geschärft wird. Der erste Grund ist, daß sich diejenigen, die sich mit den Wissenschaften beschäftigen, mit literarisch verbürgten Mustern ("scriptorum exempla") ausrüsten können. Gerade für die Schulung der jugendlichen Köpfe sind nämlich Textbeispiele sehr geeignet, mit deren Hilfe sie Ausdrucksstärke bzw. Fragen des Wortgebrauchs, den Aufbau eines Textes und die Figurenlehre lernen ("et verborum vim et orationis structuram et figures").3' Der zweite Grund für Bemühungen um die Eloquenz besteht nach MELANCHTHON darin, daß sie generell eine lebhaftere Geistestätigkeit bewirken, so daß man richtiger erkennt, was in einer Angelegenheit das Beste ist. Die eingehende Beschäftigung mit bedeutenden literarischen Texten - vor allem der Antike ("bonorum scriptorum lectio") - bewirkt viel. Wer sich aber nicht mit der dort geübten Art zu schreiben und zu sprechen befaßt, der wird weder genügend von ihren Einsichten und Vorzügen auffassen, noch einen sicheren Maßstab für Urteil und Denken gewinnen. Daher steht fest: 'Zur Förderung der eigenen Sprach- und Denkfähigkeiten ist nichts so notwendig wie die Betätigung des (übenden) Schreibstiftes.' 39 Daß MELANCHTHON in einer Zeit der Zuspitzung theologischer, ideologischer und politischer Auseinandersetzungen derart deutliche Bekenntnisse zur intensiven Beschäftigung mit sprachlichen Feinheiten ablegt, ist keineswegs verwunderlich. Der neue Biblizismus der Reformationszeit war ja auch aus dem "Geist der Philologie" geboren, und die unendlich vielen und quälenden Disputationen über theologische Details während der vier Jahrzehnte in Wittenberg verlangten geradezu sophistische Formulierungs- und Interpretationskünste, um strittige dogmatische Fragen in vielseitig akzeptable Formeln und tragfahige Sprachregelungen zu bringen. MELANCHTHON erlebte im Verlauf der konfessionellen Debatten persönlich nur zu oft, daß der Theologenstreit letztlich nur um die Art der Versprachlichung bestimmter Sachverhalte ging. So verwundert es nicht, daß er immer wieder betont: Die Formulierungskunst ist unter den menschlichen Tätigkeiten die hervorragendste und schwierigste zugleich.40 Seine immer wieder ausgesprochene Grundauffassung, daß Sprache und Denken, Verbalisierung und Kognition in einem untrennbaren Verbund stehen, bestätigte sich für ihn in der Praxis. So erklärt sich, daß er der Rhetorik als Hort gehobener Versprachlichungs- und Vertextungsstudien einen derartigen Rang zuwies. Hinsichtlich der Verbindlichkeit antiker sprachlicher Muster nimmt MELANCHTHON bei aller Wertschätzung doch eine pragmatische Haltung ein. "In löblichem Gegensatze zu der Arroganz späterer Schulmeister und besonders der Jesuiten strebt Melanchthon überhaupt nicht nach einer perfecta eloquentia; vielleicht hatte er klarbewusste Gründe, sie für unerreichbar zu halten; sicher zeigte ihm wenigstens ein richtiges Gefühl die Eitelkeit solcher anmassenden Bestrebungen. Freilich verschmäht er nicht den cultus orationis, den nitor elocutionis, welcher das eigentliche Wesen der Rhetorik ist, doch nur weil und soweit derselbe für die Deutlichkeit des Ausdrucks unentbehrlich sei. Denn das ist das vernünftige Ziel, welches Melanchthon, geleitet von seinen klassischen Vorgängern, Cicero und Quintilian, erstrebt: Klarheit und Angemessenheit des Ausdrucks in der - sagen wir: herrschenden Sprache, ea lingua qua publice utimur. Diese Worte fassen Alles, was sich über die berechtigte Bevorzugung der Lateinischen Sprache in jenem Zeitalter sagen lässt, in der bündigsten Weise zusammen. Eitles Prunken mit tönenden Phrasen ist 38 39 40
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C R X I , 5 6 ; Stupperich/Nürnberger 1961, S . 5 0 . C R X I , 5 9 ; Stupperich/Nürnberger 1961, S . 5 4 ; Schmidt 1989, S . 1 6 9 . CR XI, 243; C R ΧΠΙ, 451.
dem Praeceptor Germaniae verhasst." - "Darum predigt er unaufhörlich: 'Bemüht euch klar und sachgemäss zu reden'."41 LUTHER hat sich MELANCHTHONS Sicht im wesentlichen angeschlossen. In seiner Schrift 'An die Ratherren aller Städte deutsches Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen' von 1524 schreibt er: "Niemant hat gewust, warumb Gott die sprachen erfür lies komen, bis das man nu allererst sihet, das es umb des Euangelio willen geschehen ist, wilchs er hernach hat wollen offinbam und da durch des Endchrists regiment auff decken und zu stören."42 LUTHER verlangt auch eine (gewissermaßen humanistisch motivierte) Lektüre antiker Texte. Unverzichtbar seien "solche bücher, die zu den sprachen zu lernen dienen, alls die Poeten und Oratores, nicht angesehen ob sie Heyden odder Christen weren, Kriechisch odder Lateinisch"43. MELANCHTHON hat diese Auffassung in seiner Nürnberger Schulordnung von 1526 in konkrete Vorschriften für den Rhetorikunterricht umgesetzt.44 In den höheren Klassen sollen Lehrer angestellt werden, 'von denen einer die Grundzüge der Dialektik und Rhetorik zu lehren hat, desgleichen die Copia Erasmi [d.h. die rhetorische Stilistik des ERASMUS VON ROTTERDAM]; ferner wird derselbe irgendeine Rede CICEROS erklären, damit es den Zuhörern nicht an Beispielen für die Theorie fehlt. Und wenn sie nun einige Fertigkeit erlangt haben, soll ihnen QUINTILIAN vermittelt werden'. 45
Seine Erfahrung, daß die im Rahmen des Rhetorikstudiums erreichbare hohe Sprachkompetenz von grundlegender Bedeutung ist, hat MELANCHTHON gegen Ende seines Lebens veranlaßt, eine weitere Apologie der Rhetorik und Eloquenz herauszubringen. Es handelt sich um einen fiktiven Humanistenbrief als Antwort an Pico DELLA MIRANDOLA zugunsten des ERMOLAO BARBARO ('Responsio Philippi Melanthonis ad Picum Mirandolam ,pro Hermolao') vom Jahre 1558. MELANCHTHON knüpft damit an eine lange zurückliegende literarische Kontroverse zwischen den italienischen Humanisten Pico DELLA MIRANDOLA (gestorben 1 4 9 4 ) und ERMOLAO BARBARO (gestorben 1 4 9 3 ) an.44 Es ging dabei um die Frage, wie scholastische Philosophen (THOMAS VON AQUIN, DUNS SCOTUS oder ALBERTUS MAGNUS) zu beurteilen seien. BARBARO kritisierte sie scharf wegen ihres literarisch-sprachlichen Barbarismus. Pico dagegen rühmte sie überschwenglich als unsterbliche Philosophen und gab bei dieser Gelegenheit auch seinem Affekt gegen die Eloquenz Ausdruck. MELANCHTHON ergreift in seinem Brief für BARBARO Partei. Dabei kann er die scholastische Theologie ebenso geißeln wie ihren sprachlichen Barbarismus kritisieren, Rhetorik und Eloquenz aber als Theorie und Praxis wirklich eleganten Sprachvermögens preisen. Seine literarischen und philologischen Erfahrungen führen ihn gleich zu der rhetorischen Frage, welcher Gegenstand denn überhaupt reichhaltiger sein könne als die Beschäftigung mit der Ehrwürdigkeit, mit dem Wert und dem Nutzen der Eloquenz. Seine vielfältigen Erfahrungen in den Gelehrten-, vor allem Theologen-Disputationen mit ihren Begriffszänkereien lassen ihn die 41 42 43 44 45 44
Dadelsen 1878, S.28f. Luther: Werke 15, S.37. Luther: Werke 15, S.52. Dadelsen 1878, S.46f¥. Heerwagen 1860, S.37; vergl. Dadelsen 1878, S.49. Die beiden kontroversen Briefe hatte Melanchthon bereits als Beigabe zu seiner Ausgabe der 'Elemente rhetorices' von 1542 mit eigenen Anmerkungen versdien herausgegeben. Zu den Briefen vergl. Breen 1952a u. Breen 1952b; vergl. z. Verhältnis von Philosophie und Rhetorik bei Melanchthon Breen 1952c sowie Breen 1959. 13
Frage stellen, wie viele Irrtümer in der Theologie und in anderen Wissenschaften ihren Ursprung allein darin haben, daB die Beschäftigung mit der Redekunst mißachtet und unterlassen wurde ("quod dicendi exercitationes neglectae atque intermissae sunt"). 47 Sodann wendet sich MELANCHTHON gegen Picos Auffassung, die Eloquenz sei für die Philosophen nicht erforderlich, ja, Weisheit und Eloquenz seien solche Gegensätze, daß es geradezu schändlich sei, sie zu verbinden. 48 Ganz im Gegenteil, so MELANCHTHON: Die beiden ureigensten und höchsten "virtutes hominis" seien es, im Denken die rechten Sachverhalte zu erkennen, zu durchschauen und es zu schaffen, sie dann im Kommunikationsprozeß anderen zu erklären und zu vermitteln ("easque dicendo explicare et ostendere aliis"). Picos Einstellung sei gegen die Natur. Denn es sei offensichtlich, daß es keinen Gebrauch der Weisheit geben kann, wenn wir nicht das mit Weisheit Erwogene und Durchdachte anderen kommunikativ vermitteln können ("nisi sapienter deliberate atque cogitata communicare aliis possimus"). Das kann aber nicht ohne eine Fülle und Variationsbreite des sprachlichen Ausdrucks ("copia et varietate orationis") bewirkt werden. Damit sind Befähigungen ("virtutes") angesprochen, die die Natur zum höchsten Nutzen zusammengefügt hat. Um dies zu unterstreichen, führt MELANCHTHON zunächst einen historischen Beweis, der in dem Vorwurf gipfelt,
P i c o verdamme HOMER, SOLON, PERICLES, DEMOSTHENES,
CICERO,
CAESAR und andere zur Narrheit ("stultitia"), wenn er bei ihnen die Verbindung von Weisheit und Eloquenz leugne. Dann folgt ein sachlicher Beweis, der sich gegen Picos alte Vorurteile auffrischende Meinung richtet, die Eloquenz bestehe in weit hergeholtem Schmuck bzw. einer Art Schminke ("esse accersitum omatum et fucum"), die allein aus Gründen des Vergnügens angebracht werde oder um Menschen zu täuschen. Und im übrigen seien die Rhetoren Lügner. 49 Gegen diese Auffassung sei die von PLATO und ARISTOTELES bezeugte Einsicht zu stellen, daß Eloquenz die Fähigkeit zu sachlich treffender und klarer Darstellung von Sinneseindrücken und Denkoperationen sei ("est facultas proprie ac dilucide explicandi animorum sensa ac cogitationes"). Wenn es um wichtige Dinge und um Fragen der Wahrheit gehe, z.B. hinsichtlich Religion, Natur, Recht und Gesetz sowie bei den sittlichen Pflichten, sei diese Fähigkeit besonders dienlich, weil man sich mit ihrer Hilfe angemessen und korrekt ausdrücken könne. MELANCHTHON hebt dann auf die sozialisierende Macht der Sprache ab und bemerkt: Alle verbindenden Elemente der menschlichen Gesellschaft ("societatis humanae vincula") werden durch die Eloquenz aufgerichtet und dann auch in den Gesellschaften durch menschliches Sprechen ("oratio") aufrechterhalten. Die principes philosophorum, denen er folgen wolle, geben zu bedenken, daß beim Erklären schwieriger und wichtiger Angelegenheiten ("in obscuris et gravibus causis explicandis") nicht nur große Klugheit vonnöten sei ("prudentia magna"), sondern auch eine Methode und ein Verfahren der Unterrichtung ("via et ratio docendi") sowie eine Ausdrucksweise, die die Redegegenstände klar erläutert und den Menschen vor Augen stellt ("genus sermonis, quod res, de quibus dicimus, plane exponere et subiicere oculis hominum possit"). Deshalb haben sie mit Dialektik und Rhetorik zwei in engem Verwandtschaftsverhältnis stehende Wissenschaften eingerichtet. Die eine zeigt die Methode des Unterrichts ("via docendi"), die andere lehrt, mit welchen sprachlichen Mitteln die Dinge auszudrücken sind ("quo verborum genere res exponendae sint"). Für MELANCHTHON ist es leicht einzusehen, daß diese beiden von der Natur zu Verwandten gemacht wurden. In der kommunikativen Praxis sei es natürlich so, daß es nicht nur eine Ausdrucksweise 47 48 49
14
CR IX, 688. CR IX, 689. CR IX, 690.
gebe, wenn wir unsere Denkergebnisse vermitteln wollten ("non est una orationis forma, tarnen si animorum nostrorum cogitationes aliis communicare voluerimus"). Es sei jeweils eine ganz bestimmte Art zu sprechen ("genus sermonis") verlangt, wenn wir über eine Sache in der angemessenen und rechten Weise reden wollten, und es müsse mit einem entsprechend erworbenen und korrekt benutzten Ausdrucksrepertoire geschehen ("verbis notis et recte iunctis").50 Das habe für jede Diskursform zu gelten, insbesondere für die höher formalisierten Wissenschaften wie Arithmetik und Geometrie, die gleichermaßen nur mit Hilfe der adäquaten Ausdrücke, mit Methode und System vermittelbar sind ("propriis verbis et via ac ratione quadam traduntur"). Die Gegenstände anderer Fächer, wie Physik, Ethik und Theologie, können in keiner Weise erforscht und erklärt werden ohne Eloquenz und ohne jene Künste, die die Eloquenz beinhaltet ("Caeterae vero partes, Physicae, Ethicae, et Theologiae materiae, erui atque illustrari sine Eloquentia, et sine iis artibus, quas Eloquentia continet, nullo modo possunt.").51 Natürlich kommen Fächer wie die Medizin, so MELANCHTHON, sachlich auch ohne große Eloquenz aus, dennoch aber sind sie durch eloquente Fachvertreter besser zu lehren ("tametsi doceri a disertis felicius queat").52 Aus den Erfahrungen seines Lebens schöpfend bezieht sich MELANCHTHON vor allem auf die Probleme, die die Klärung theologischer Fragen immer wieder mit sich bringen. Wenn die Menschen in Religionsdingen unterrichtet, wenn die unklaren und verdrießlichen theologischen Gegenstände ("res obscurae et intricatae") zur Beurteilung offengelegt werden sollen, wie ließe sich das realisieren, fragt MELANCHTHON, erstens ohne Lehrmethode und zweitens ohne sprachliche Fülle, Variationsbreite und Ausdrucksstärke ("sine magna copia, varietate ac luminibus orationis")?53 Was die scholastischen Theologen, die MELANCHTHON our Barbaren ("barbari") nennt, auf diesem Feld bieten, müsse als konfus, wie in einem Labyrinth, bezeichnet werden ("confusa sunt omnia, ut velut in labyrintho").54 Der Eloquenz werde das meiste durch die rhetorische Kunstlehre ("ab arte") vermittelt. Sie könne als Basiswissenschaft gelten, denn sie verlange die höchste Klugheit im Auffinden der Redegegenstände, die größte Fülle an Ausdrucksmöglichkeiten beim Aufsetzen des Textes sowie das scharfsinnigste Urteil bei der Auswahl sprachlicher Mittel. 55 MELANCHTHONS solchermaßen gefaßten Überzeugungen münden schließlich in seine Definition des Orators: 'Einen Mann, der über wertvolle und notwendige Sachverhalte richtig, klar und mit einer gewissen würdigen Haltung die Menschen unterrichtet, nennen wir einen Orator' ("virum, qui de bonis ac necessariis rebus recte, dilucide, et cum dignitate quadam docet homines, Oratorem nos vocamus").56 Daraus leitet sich die Definition des wahren Philosophen ab: 'Einen Philosophen nenne ich den Mann, der, wenn er sich wertvolle und nützliche Dinge im Interesse der Menschen angeeignet hat und sie beherrscht, seine Kenntnisse aus dem Schatten der Gelehrtenwelt in den öffentlichen Gebrauch überführt; er unterrichtet die Menschen über die Natur, die Religion oder die Regierung von Staaten' ("Philosophum voco eum virum, qui cum res bonas atque utiles humano 50 52 53 54 55 56
CR IX, 693. CR IX, 693. CR IX, 699. CR IX, 691f. CR IX, 692. CR IX, 694. CR IX, 692. 15
generi didicit ac tenet, doctrinam ex schola atque umbra ad usum et Rempublicam transfert, docet homines aut de natura rerum, aut de religionibus, aut de regendis civitatibus").57
1.3. Bildkunst als rhetorisches Analogon MELANCHTHON hat sehr differenzierte Vorstellungen über die Leistungsmöglichkeiten von Sprache und über die Bedeutung der Rhetorik entwickelt. Immer wieder sucht er dabei sprachliche Probleme oder Probleme der Textverfassung und verbalen Kommunikation durch Rekurs auf andere Zeichensysteme, speziell die bildende Kunst, aber auch die Musik, semiotisch zu verallgemeinern. Anläßlich seiner Abrechnung mit der scholastischen Sprachbarbarei des Mittelalters in dem fiktiven Brief an Pico DELLA MIRANDOLA rechtfertigt er den bei ihm so häufig vorkommenden Bezug der Eloquenz auf die Malerei. Die Scholastiker seien Sprachbarbaren gewesen, weil bei ihnen kein auf Klarheit angelegtes Sprachverhalten geherrscht habe. Hier sei es angebracht, den Vergleich mit der Malerei zu suchen. Weil es eine gewisse Ähnlichkeit ("similitudo") zwischen Malerei und Eloquenz gebe - denn wie ein Bild eine Gestalt nachahmt, so malt und bildet ein Text die Gedanken ab ("ut enim pictura imitatur corpus, ita oratio pingit ac reddit animi sententias") - könnte man zwanglos Beispiele von dieser Kunst entlehnen. MELANCHTHON fragt, ob man ein Bild ("pictura") gutheißen könne, auf dem die konfusen und monströs-widernatürlichen Formen keine sicheren Bedeutungen haben und dem Betrachter nichts gewisses zu erkennen geben ("in qua formae confusae ac monstrosae nihil certi significant aut ostendunt spectatori"). Wer wollte solch ein Gemälde ("tabula") mit ruhigem Mut betrachten? Diesem Bild vergleichbar ist der Sprachgebrauch bei den scholastischen Barbaren ("genus dicendi in Barbaris"). Und wie diese Art von monströsen Bildern keinen Nutzen hat, so fragt sich MELANCHTHON, welchen Nutzen diese obskure Art zu sprechen und zu schreiben ("obscura oratio") für das Gemeinwesen haben soll.58 In jeder einzelnen Disziplin ("in singulis artibus") gibt es eine ganz bestimmte Fachterminologie ("propria vocabula"). So sind den Philosophen und Theologen ihre eigenen Termini ("sua vocabula") ebenso einzuräumen wie den Architekten und Malern. Zugleich aber muß sich ihre sonstige Ausdrucksweise ("reliquus sermo") am üblichen Sprachstandard, z.B. der üblichen Wortwahl ("usitatis ac notis verbis") orientieren und den üblichen syntaktischen Regeln folgen. Das hätten, so MELANCHTHON, die barbarischen Scholastiker unterlassen.59 Texte zu verfassen ist für MELANCHTHON also in vielen Fällen dem Vorgang des Malens vergleichbar, allerdings nicht ausschließlich. Sprachliches 'Malen' bezieht sich nur auf eine von verschiedenen möglichen Sprachfunktionen. Er unterscheidet z.B. deutlich 'malen' ("pingere") und 'erklären, darlegen' ("declarare") voneinander:60 'Wenn ich einen Gegenstand wohl durchdacht
57 58 59 60
16
CR IX, 692. CR IX, 692. CR IX, 693. Das kann man ohne weiteres auf zwei der sechs von Roman Jakobson 1960 in seinem berühmten Beitrag 'Linguistics and Poetics' unterschiedenen Sprachfunktionen beziehen: Melanchthons 'malen' gilt demnach für die poetische Funktion, sein 'erklären' für die referentielle (inhaltsbezogene) Funktion.
habe, dann wird es für mich nicht schwer sein, ihn mit sprachlichen Farben, Figuren etc. ("colores") auszumalen ("pingere") und darzulegen ("declarare"). 61 Wenn die Arbeitsgänge der inventio und dispositio bezüglich des in Frage stehenden Sachverhalts abgeschlossen sind, dann muß zuerst überlegt werden, wo eine sprachliche Ausgestaltung anzubringen ist, damit die Sachverhalte durch die sprachlichen Mittel gleichsam mit Farbe versehen und verziert bedeutender werden 62 Ein wichtiges rhetorisches Prinzip ist das der Veranschaulichung. MELANCHTHON verweist hier auf ein Beispiel bei CICERO, der in der 'Oratio pro Milone' ( 2 8 - 2 9 ) sagt, 'wenn Ihr dies alles gemalt sehen könntet* ("si videretis haec picta"). 'Und', so MELANCHTHON weiter, 'er malt dann Milo im Reisegewand, mit Frau und Kindern auf dem Wagen'.63 Bei den bedeutendsten antiken Autoren und Rednern (HOMER, DEMOSTHENES, VERGIL, CICERO etc.) sowie deren Nachahmern sieht er in vorbildlicher Weise die Sprachhandlungen des Beschreibens ("describere"), des Malens ("pingere") und Empfehlens ("proponere") realisiert: Mit der größten Weisheit haben sie die Natur der Dinge ("naturam rerum") beschrieben; mit der höchsten Einsicht haben sie Bilder aller Verhältnisse gemalt, die im privaten und öffentlichen Leben auftreten können ("summo consilio pingunt imagines omnium rerum, quae vel in privata, vel in publica vita accidere possunt") und sie empfahlen und stellten die nützlichsten Regeln und Beispiele des Lebens und der Sitten vor ("praecepta, exempla vitae ac morum utilissima proponunt").64 Die Nachahmung solch ausgezeichneter sprachlich-literarischer Vorbilder gehört zum humanistischen Bildungsprogramm. MELANCHTHON hebt die imitatio unter Bezug auf die Malerei hervor. 'Bei der sprachlich-literarischen imitatio helfen die Versdichter einem Prosaisten genauso, wie etwa die Maler einem Bildhauer. Obwohl der Bildhauer ("statuarius") viel von der Malerei als Nachbarkunst zu seinem eigenen Gebrauch übertragen kann, wird er doch so auf ein Vorbild oder eine Vorstellung seiner eigenen Kunst ausgerichtet sein, daß er darauf achtet, was mit dieser Vorstellung übereinstimmt, damit er nicht zu weit von ihr abkommt. Und in der Tat kann deijenige nicht ein Nachahmer CICEROS genannt werden, der nur ausgewählte Gedanken und einzelne Zeilen wie ein Flickwerk zusammengestückelt hat. ' 65 Beim sprachlichen Formulieren ("dicendi ratio") ist die Nachahmung ebenso förderlich wie in allen anderen Disziplinen. 'Es ist unwahrscheinlich, daß der berühmte antike Maler Apelles die Malerei ("pingendi ars") um so viel reizvolle Anmut hätte bereichern können, wenn nicht lange vorher diejenigen die Technik der Darstellung und Linienführung ("fingendorum lineamentorum ratio") gezeigt hätten, die zuerst in einheitlicher Farbe und dann mit Tiefenschattierungen malten. So muß man auch den besten Schriftstellern ("optimis scriptoribus") eine sichere Ausdrucks- und Urteilsweise entnehmen ("certa et dicendi et iudicandi ratio"), ein Vorbild, dem man bei Äußerungen über ganz unterschiedliche Gegenstände nacheifert.166 Für die Bildkunst wie für die Sprachkunst spielt also die Nachahmung anspruchsvoller Vorbilder eine große Rolle. 'Dabei ist es wichtig, daß man lernt Texte zu erzeugen, die den Beispielmu61 62 63 64 65 66
De corrigendis CR XI, 19; Stupperich/Nürnberger 1961, S.34f. Elements, CR ΧΠΙ, 479; dt. Kap.II/6.3. Elemente, CR XIII, 491; dt. Kap.II/6.3.7. Ad Picum, CR DC, 699. Elements, CR ΧΙΠ, 497; dt. Kap.II/7. Encomion, CR XI, 56; Stupperich/Nürnberger 1961, S.50; vgl. Schmidt 1989, S.157f. 17
stern ähnlich sind. So wie ja auch die guten Maler nichts von anderen entlehnen, sondern die Gestalt und die Haltung menschlicher Körper naturgetreu nachahmen.167 Die eigene Vervollkommung wird dann in einem weiteren Schritt, dem der ständigen Übung, im Training der Fertigkeiten ("exercitatio") erreicht. Worin das Bildungsziel zu bestehen hat, erläutert er wie folgt: Die Aufgabe des Malers ("pictoris finis") ist es, Körper wahrhaftig und nach ihrer Eigenart abzubilden ("vere ac proprie imitari corpora") - die Kenner wissen, wie schwierig das zu erreichen ist dafür ist nicht nur große Kunstfertigkeit ("ars") vonnöten, sondern auch Vielfalt in den Farben und Abwechslungsreichtum ("magna colorum varietas atque distinctio"). So wie beim Maler, ist das Ziel des Rhetoren oder - wenn man will - der Eloquenz, die Gedanken ("animi cogitationes") in geeigneter und klarer Sprache sozusagen zu malen und abzubilden
("quasi pingere et
repraesentare proprio et perspicuo sermonis genere"). Wenn jemand sich dieser Mühe unterzogen hat, braucht er eine große Vielfalt an Farben ("magna varietas quasi colorum"), d.h. an Worten, inhaltsreichen Phrasierungen und Figuren ("verborum, sententiarum et figurarum"), und schließlich eine Kunstfertigkeit, die sehr viel größer ist, als diejenige eines vollkommen ausgebildeten und perfekten Malers j e sein kann.68 Souveränität im Umgang mit Sprache, Treffsicherheit, Genauigkeit und Differenzierungsvermögen zeichnen den geschulten und hervorragenden Verfasser eines Textes aus. Hier verhält es sich wie bei Bildwerken. Bei bildlich dargestellten Körpern herrscht erst dort Feinheit und Schönheit ("elegantia"), wo alle Glieder in der rechten Proportion untereinander übereinstimmen ("iusta proportione membra omnia inter se consentiunt"). Ansonsten entsteht etwas Unnatürliches ("monstrosum"). Und so wird auch die Sprache monströs und albern, wenn man ihre eigentliche Gestalt durch neuartige Bildungen verformt. 69 Nach MELANCHTHON ist zu fragen, ob die mit so geringem Sprachbewußtsein schreibenden Scholastiker wirklich wesentliche und treffende Gedanken äußern konnten. Kann denn ein Maler ("pictor") einen Körper richtig nachahmen, wenn er ohne Ausbildung, ohne Regeln ("nulla ratione") den Pinsel führt, wenn die Hand willkürlich bewegt und keine Linie mit der nötigen Kunstfertigkeit gezogen wird? Dementsprechend kann man anderen auch keinen Denkinhalt ("animi sententiam") vermitteln, ohne mit den treffenden und klaren Ausdrücken umzugehen ("propriis et illustribus verbis"), mit der angemessenen sprachlichen Gestaltung ("apta vocum compositione") und der rechten Anordnung der Sätze ("iusto sententiarum ordine"). Denn ebenso wie wir uns die Körper auf Bildern durch die Farben vergegenwärtigen, veranschaulichen wir durch Texte den Inhalt unseres Denkens ("nam perinde atque corpora coloribus, animi sententiam oratione repraesentamus"). Deshalb, so MELANCHTHON, ist es notwendig, bei der Textverfassung kunstvoll irgendein bestimmtes Bild ("certain aliquam imaginem") zu erzeugen, das man als Physiognomie oder als äußere Gestalt der Gedanken ("vultus sententiarum") einschätzt.70 Rhetorische Kompetenz ist für MELANCHTHON unabdingbare Voraussetzung für das Schaffen elaborierter Texte. Diese Kompetenz ist eine expressive auf der textuellen Kompetenz-Ebene. 71
67 68 69 70 71
18
Elements, CR XIII, 493; dt. Kap.II/7. Ad Picum, CR IX, 690f. Encomion, CR XI, 53; Stupperich/Nürnberger 1961, S.46f. ebd. Im Sinne von Coseriu 1988, der Chomskys "competence"-Begriff auf drei Ebenen entwickelt: 1. der "elokutionellen", d.h. der allgemeinsprachlichen, 2. der "idiomatischen", d.h. der einzelsprachlichen und 3. der "expressiven", d.h. der textuellen Kompetenz-Ebene.
Erst diese bei der Textverfassung gefragte Kompetenz im Umgang mit allen verfeinerten Möglichkeiten des Ausdrucks in einer Sprache (MELANCHTHON denkt vor allem ans Lateinische) ermöglicht es dem "Philosophen" bzw. Gelehrten, seinen Einsichten mittels adäquater Formulierungen Gestalt zu geben. Eine rhetorisch kultivierte Sprache ("elocutio") ist deshalb auch kein wertloser Schmuck ("non esse inanem cultum"), sondern notwendig für die richtige und sachgerechte Erklärung von Problemen jeglicher Art ("necessarium ad causas omnis generis vere ac proprie explicandas"). Die Aufgabe des Rhetoren ist es nicht, ein böses Spiel zu treiben und zu lügen, sondern die Menschen über die anspruchsvollsten Dinge zu unterrichten.72 Die sprachliche Kompetenz des rhetorisch Gebildeten befähigt ihn, je nach Lage die rechte Ausdrucksweise zu finden: Wenn jemand einfache Leute über Religion oder den Wert der Gesetze und der Regierung belehrt, wird er dies nicht mit hochtrabender Rede ("grandi sono orationis") tun, wenn er die einfachen Realitäten zeigen will. Maler schaffen es, daß einiges schlicht und einfach erscheint, anderes hervorstechender und auffallender ist ("pictores efficiunt, ut alia videantur humiliora, alia magis emineant, et sint excitatiora"). Wieviel mehr ist dies in der Rede zu tun, wo doch ein guter Teil des Lebens durch das Reden bestimmt wird und die Menschen oft über hochbedeutende Dinge zu unterrichten sind.73 MELANCHTHON ist nicht der Auffassung, daß im gelehrten Bereich ein hoher figurenreicher Stil gepflegt werden müsse. Im Gegenteil, sein Ideal für diesen Bereich ist der nach Einfachheit und Klarheit strebende Autor. Er unterscheidet hier zwei Stilebenen, eine eher einfache ("tenuior forma") und eine eher gehobene ("grandior forma"). Für die wahre Philosophie sollte die einfachere Stilebene mit klarer Sprache im Vordergrund stehen. Naive und Unkundige glauben, so MELANCHTHON, daß diese Art des Sprechens für jedermann leicht zu realisieren sei. Tatsächlich aber gelingt das nicht ohne die beste Ausbildung ("sine optima doctrina"), ohne die größten Studienbemühungen und ohne erfahrungsreiche Praxis. MELANCHTHON führt als Untermauerung dieser Auffassung die Erfahrungen eines Malers an, der für ihn der Apelles seiner Zeit ist ("nostrae aetatis Apellen"). Damit ist vermutlich DÜRER gemeint. Dieser habe ihm von den Studien seiner Jugend erzählt und davon, welches künstlerische Ziel ("scopus artis") er sich später setzte, für das er sozusagen seine Hand bestimmt sah. Er sagte, er habe als Jüngling in der Malerei ("in pictura") eine sonderbare und beinahe unnatürliche Vielfalt von Handlungen und Verzierungen aller Art geliebt ("mirificam quandam ac pene prodigiosam varietatem amasse gestuum atque ornamentum omnis generis"). Älter geworden, sei er aber dazu übergegangen, der Natur zu folgen ("se consulere naturam"), sich in sie zu versenken, um sich ganz genau in ihrer Beschaffenheit ausdrücken zu können, auch wenn er dieses Bedürfnis noch nicht recht begriffen hätte. Denn nichts ist schwieriger, als in dieser besonderen Art und Weise zu arbeiten. Für die Textverfassung gilt nun, daß es keineswegs leichter ist, Sachverhalte mit den genau auf sie zutreffenden Worten, wie mit Farben zu malen ("verbis propriis, quam naturam coloribus pingere").74
Die Rhetorik könne den Autoren helfen, sich auf allen Ebenen der Textverfassung zu vervollkommnen. Das gilt auch für die Dispositions- und Textkompositionsprinzipien, die nach MELANCHTHONS Ansicht der Formen- und Proportionslehre der bildenden Künste entsprechen. Ohne inhaltlichen Zusammenhang sind Texte genauso disparat wie jenes Bild bei Horaz, auf dem 72 73 74
Ad Picum, CR IX, 692 Elemente, CR ΧΠΙ, 460; dt. Kap.II/Einl. Ad Picum, CR IX, 694. 19
der Maler einem menschlichen Kopf einen Pferdenacken hinzufügt.75 'Denn es stimmt doch in höchstem Maße, was CICERO sagt: Wahrer Glanz und wahre Schönheit sind mit Nützlichkeit verbunden.76 Unendlich viele Beispiele lassen sich hierfür in der Natur, den Werken der menschlichen Künste und Wissenschaften, vor allem aber der Architektur aufweisen. Die angemessene Proportion der Teile hat nämlich bei Bauwerken nicht weniger Nutzen als sie Schmuckfunktion hat. Weshalb anzunehmen ist, daß man auch auf die Harmonie der Textbestandteile nicht nur weI gen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihres Nutzens achten sollte. 77 Auch das Aptum-Decorum-Postulat hat seine Entsprechung in der Malerei: 'So wie es in Bildwerken ("in picturis") bisweilen notwendig ist, bestimmte Dinge zu verlebendigen und hervorzuheben ("excitare"), und in anderen, sie zu verdecken ("occultare") und gewissermaßen aus der Ferne zu zeigen, so ist es bei der Rede eine Klugheitsregel zu beachten, was man herausstellen sollte oder wo man sich besser bedeckt hält und was man beiläufig in Kürze angibt.'78 Ein weiterer Aspekt ist der Sprachschmuck, dem die Farbgebung der Malerei entspricht. Für einen funktionslosen ornatus gibt es bei Sachtexten, die MELANCHTHON zumeist meint, keinen Platz. Den wirklich geeigneten Wortschmuck stellt die treffende Darlegung des Sachverhalts selbst dar, wie es in Bildern die genaue Umrißzeichnung der Körper ist ("Praecipuus ornatus est ipsa rerum propria explicatio, ut in picturis iusta corporum lineamenta").79 Dementsprechend gibt es kluge Autoren, die von der Philosophie bzw. Gelehrsamkeit nicht die Eloquenz, d.h. die wahre Farbgebung eines Textes ("verum colorem orationis"), sondern nur unpassenden Schmuck ("ineptum ornatum") fernhalten. MELANCHTHON akzeptiert nicht die Auffassung Picos, daß sich für einen tiefgründigen Text die Rhetorik so wenig zieme wie für eine Jungfrau die Schminke, denn ein abscheuliches Gesicht sei auch nicht das richtige ("Virginem non decet fucus: nec monstrosa facies decet"). Solch ein Gesicht haben die Texte der scholastischen Barbaren. Die natürliche Kolorierung der Gedanken ("nativus sententiae color") ist das Beste für einen Text. Ein fremdartiger, konfuser und verworrener Text deformiert und entstellt die Gedankeninhalte ("aliena, confusa et perturbata oratio deformat et corrumpit sententias") und bewirkt nicht, was eigentlich seine Aufgabe sein sollte. Natürlich ist beim wahren philosophischen bzw. gelehrten Diskurs auf funktionslosen Schmuck ("ornatus") zu verzichten, wie wir auch bei einer ehrbaren Frau eher einfache Kleidung billigen ("ut in matrona simplicem cultum probamus"). Hier verweist MELANCHTHON auf seinen auch sonst immer wieder herangezogenen Musterautor und Gewährsmann CICERO, der von den Philosophen nichts anderes als einfache Ausdrucksweise gefordert habe, in der die Sachverhalte angemessen und klar erörtert werden ("purum sermonem apte ac dilucide res explicantem"). Die Fähigkeit, sich so auszudrücken, sei ein wesentlicher Bestandteil der Eloquenz.80 Für verschiedene Diskursformen gelten aber natürlich unterschiedliche Regeln. Die Rhetoriktradition hielt dafür ein immer wieder variiertes Dreiermodell von Stilgattungen ("genera 75 76 77 78 79 80
20
Horaz: Ars Poetica 1-2; Melanchthon: Elemente, CR XIII, 430; dt. Kap.I/4.1. Cicero: De Oratore 3, 178-181. Elementa, CR ΧΙΠ, 501; dt. Kap.II/7. Elementa, CR XIII, 484; dt. Kap.n/7. Ad Picum, CR IX, 695. Ad Picum, CR IX, 693f.
dicendi") parat. MELANCHTHON hat auch hierzu einen bemerkenswerten Beitrag geliefert, der wiederum den Vergleich mit der Malerei, am Schluß sogar mit der Musik sucht. In diesem Fall werden konkret drei zeitgenössische Maler als exempla angeführt. Er schreibt im Schlußkapitel seiner 'Elementa rhetorices', die Verschiedenheit der Geister ("ingeniorum dissimilitudo") bringe verschiedene Formen oder, wie es bei den Griechen heiße, Charaktere der Werke hervor, nicht nur in der Rhetorik, sondern auch in den meisten anderen Disziplinen. Diese Formen lassen sich, so MELANCHTHON (gemäß der antiken Tradition), in drei Stufen ("gradus") einteilen: in die niedrige Gattung ("humile genus"), die mittlere ("mediocre genus") und die höhere ("genus grande"). Am Beispiel der Malerei könne man die Unterschiede zwischen den dreien leicht darstellen. Dürer z.B. malte alles im erhabensten Stil und durch reichstes Linienwerk variiert ("Durerus enim pingebat omnia grandiora et frequentissimis lineis variata"). Die Gemälde des Lucas Cranach sind zart und grazil ("Lucae picturae graciles sunt"). Wie sehr sie doch bei aller lieblichen Schönheit von den Werken Dürers verschieden sind, das zeigt die Gegenüberstellung ("quae et si blandae sunt, tarnen quantum distent a Dureri operibus, collatio ostendit"). Matthias Grünewald hielt gleichsam die Mitte ("Matthias quasi mediocritatem servabat").81 Diese Gattungen sind aber unter sich vermischt, so wie Musiker Töne mischen.*2
81
82
Melanchthon kannte zumindest das Hallenser Altarbild Grünewalds. Als Grunewald identifiziert den genannten Matthias auch Weniger 1932, S.21. Elementa, CR X m , 504; dt. Kap.D/8.
21
f
I
1 rr,lionem
orationis 1
partes quatuor
c)
ConteDtionem
^ d) Peroration«·»
ί
Bene volenti« Attentionis Docilitatis
ί
Rebus & Penonis
Sunt vero plurimi benevolentiae captandse loci, qui hie recenseri nequeunt. Ütimur nonnunqium Insinualione etiam, cum turpitudinem q u a in causa videtur ewe, excusamus. — Attentio, firmas te
cum afdicturum
esse de — Docilitas, firm as te
Novis Necessariis Utilibus rebus J Difficilibus [ Obscuris
cum
b) Narrationis sunt
af- ( Breviter 1 Dilucide
loci
) )
.. dlCtUnUD
Natales Pueritia, ubi de ingenio dicitur et educatione Adolescentia, ubi studia considerantur Juventus, ubi res publice aut privatim g e s t a considerantur Mors, quae illam secuta sunt
c) Contention« fere hoc genus caret, quia non agitur de dubiis rebus. d) Peroratlo constat
2.
DEMONSTRATIVUM
\ Enumeration« argumentorum I Affectu
FACTORUM.
Demonstrativum factorum habet parte· quinque
' a) b) c) d) e)
Exordium Narrationem Confirmationem Confutationem Perorationcm
a) Exordium ab iisdem locis petitur, k quibus superius. b) Narration« in hoc genera raro utimur, frequentius propositionibus.
33
Honettum Utile Facile
c) C o n f i r m a t i o n » loci
Difficile Pouibile ImpoMibile Qui· Quid Ubi Q u i b u s auxilits
- Circumstantie
Cur Quomodo L Quando d) Confutatio f e r t non incidit in laudes.
H u i u · autem loci sunt contrarii con-
firmation!. Kepetitione argumentorum
i
Affectu
f G r a t u l a t i o n « in laetis in ^ Commiseration!· Imitationis in laetis (. tristibus
J. D E M O N S T R A T I V UM HERUM.
a) Exordium b) Propoiitio. Demonatrativi
rerum I
•unt p a r t e · quinqne
N a m in hoc genera narratio nulla
est, sed vice narrationis propositio ponitur c) Confirmatio:
c u jj u .
loci
( U,ile j Facile ( Difficile Diffieili
d) Confutatio, quae l o c i · contreriis constat c) Peroratio, quae constat iisdem loci» quibus supra II.
DELIBERATIVUM.
Deliberativum cum suaderaus aut dissuademus, petimus, bortamur aut dehortamur. a) Exordium b) Narratio, q u e rara est. ponitur.
Nonnunquam
E j u s vice
propoaitio
incidunt b r e v e · n a n a -
tiones, sed statim sequitur propositio. Hujus parte· c) Confirmatio,
cujus
loci
f Honettum : Ε χ e m p l a plurimum valent I I hoc genere Utile Facile Difficile
d) Confutatio, quae k locis contrariis petitur. e ) Peroratio,
ut
supra, enumeratione
et affectu
constat III.
JUDICIALE.
Judiciale, quo controverslae ac lites continentur. est status. i . C o n j e c t u r a l ! · , A n sit
S
2. JuridicialU: Jure an injuria
34
3. Legitimus, Q u i d sit
H u j u s triplex
D ·
CONJECTUKALI STATU.
AN
SIT:
a) Exordium b) Narratio, quae est historic» facti commemoratio, Status Conjecturalii concum sequitur sUtim propositio stat quinque partibus,' c) Confinnatio quae sunt d) Comprobatio «) Fcroratio ( i Voluntas — c) Con6rmationis sunt hujus, loci duo sunt i) Voluntatis loci, cujus loci
f
,1
ii Potestas constat circnmstantiis
p ^ ^ ^
a) Qualitas persona ß) Causa inducens ad suscipiendum {acinus 7) Impulsio, q u a est effectua, ira, odium, araritia, ftc. >) Ratiocinatio, qua a spe commodoram ducitur a) Loco β) Tempore y) Viribus: lidem sunt loci defensoris I) Signis «) Antecedentibus l) Consequentibus
C Abftolutionem, cum docemus id signum quod factarnen ; tum est, misericordia et humanitate factum esse J Inversionem, qua docemus quod contra nos pro[ ducitur, pro nobis faceie
— Defensor addet
DI
j ..
J U K I D I C I A L I , J U R E AN
( Juridicialis partibus con- ; stat quatuor, scilicet j [
INJURIA.
Exordio Narratione Confirmatione, cujus proprii sunt loci Peroratione
— Est a u t m duplex status negotialis
i Cujus loci sunt
i Absolutus ii Assumptivus
' Natura L Consuetudo if£quum Bonum Judicatum l Pactum
μ
ii Assumptivus cum assumpta re extranea, defensio tractatur α) Concessio Translatio criminis 7) Remotio ( 7) Purgatio, cum fatemur nos pecasse, sed per impru· a) Concessionis partes dentiam aut casum Deprecatio
Ejus loci sunt
D E STATU LEGITIMO.
Q U I D SIT.
( Definitione Legitimus status constat j Contrariis legibus j Ambiguis scriptis partibus quatuor l. Ratiocinatione
2.3.
Die Wittenberger Rhetorik 'Elemente rhetorices' (1531)
2.3.1.
Drucke Editio princeps: ELEMEN | TORVM \ RHETORICES \ LIBRI | DVO. \ Autore Philippe | Melanchthone. \ Wittenberg, Georg Rhau, 1531. 119 BU. 8°. Keen: Nr.76.38; VD 16: Nr. Μ 3101.
verzeichnet bis zu MELANCHTHONS Tod im Jahre 1 5 6 0 neben der Editio princeps weitere Drucke.48 Davon erschienen neun in Antwerpen, Lyon und Paris. BRETSCHNEIDER und MURPHY führen für die Jahre 1 5 6 0 - 1 6 0 0 weitere neun Ausgaben an (Wittenberg 1 5 6 1 , 1 5 6 6 , 1 5 8 2 , 1 5 8 5 , 1 5 9 4 ; Basel 1 5 6 3 , 1 5 7 4 und o.O. 1 5 7 2 , 1 5 7 7 ) . 4 9 Damit kommt die Wittenberger Rhetorik im 16. Jahrhundert auf insgesamt 44 Druckausgaben. MELANCHTHON widmete seine 'Elementa' 1531 den studierenden Brüdern Albert und Johannes 50 51 REIFFENSTEIN aus Stolberg. Sie waren Zöglinge seiner Wittenberger Schola privata. An ihren Vater Wilhelm REIFFENSTEIN richtete sich bereits die Widmungsepistel des 'Dialektik'-Druckes vom Jahre 1 5 2 9 . " Im Jahre 1542 überarbeitete MELANCHTHON die 'Elementa' ein letztes Mal.53 Die folgenden Drucke erschienen deshalb zumeist mit dem Zusatz "recens recogniti ab autore". Das Werk wurde jetzt um folgende Beigaben ergänzt: - 'Epistola Senecae de ratione et ordine studii'; - 'Epistola Senecae de varietate lectionis'; - 'Plinii j unions epistola de exercitio stili ex libro VII.'; - 'Epistolae contrariae Pici pro barbaris philosophis, et Harmolai nova ac subditicia, quae respondet Pico'. KEEN 34
2.3.2. Charakter der Wittenberger Rhetorik In der Dedikation geht MELANCHTHON zunächst auf seine 'Dialektik' ein, betont ihren Charakter als Hinführung zum ARISTOTELES-Studium54 und empfiehlt die Dialektiken des Rudolf AGRICOLA und des Johannes CAESARIUS55 zum Studium. Die Dialektik und die Rhetorik sollen beide glei-
44 49 50 51 52 53
54 55
36
Keen 1988, Nr.76.39-72. Bretschneider (CR ΧΠΙ, 416f.); Murphy 1981, S.203. Siehe den Abdruck der Widmung unten S. 13lf.. Hartfelder 1889, S.494, 320 und 322; Bullemer 1902, S.15. CR I, 1979f. Elementorum Rhetorices libri duo. Wittenberg, Georg Rhau, 1542. Keen 1988, Nr.76.57. Vergl. CR XIII, 413ff. Vergl. zum folgenden unten S. 131. Unten S.132; zu Caesarius (ca. 1468-1550) siehe Grimm 1957, S.90f. Seine 'Dialektik' erschien erstmals 1520 in Köln. (Risse 1965, S.40.)
ELEMEN TORVM RHETORICES LIBRI DVO. Autore Phil/ppo Melanchthone,
Titelblatt des Erstdruckes der Wittenberger Rhetorik 'Elemente rhetorices', Wittenberg 1531. Abb. nach dem Exemplar Wolfenbüttel: "Li Sammelbd. 31(1)".
MENTORVM RHETORS CES LIBRI
DVO»
Recens rccogniti ab Autore PHILIP» Μ Ε LAN*
Titelblatt des Druckes der 'Elementa rhetorices', Wittenberg 1542. Abb. nach dem Exemplar Reutlingen: "3136".
chermaßen zur Kenntnis genommen werden, weil sie als sachliche Einheit zu sehen sind. Von den Rhetorikern hebt er CICERO und QUINTILIAN hervor, die seiner Meinung nach selbst noch die Griechen übertroffen haben. Ihr Verständnis sei für einen Schüler auch nicht zu schwer. Den Nutzen des CicERO-Studiums betont er besonders. MELANCHTHONS eigene 'Rhetorik' sei nicht zuletzt als Vorbereitung auf die Beschäftigung mit diesen Autoren gedacht. Die 'Elementa' sollen die vorbildlicheren klassischen Texte und deren Lektüre jedoch nicht entbehrlich machen.56 Nachdrücklich wird der soziale Nutzen von Rhetorik und Beredsamkeit zur Sprache gebracht. Manch einer halte sich schon für eloquent, wenn er ein paar Zeilen abzufassen gelernt habe, in denen sich zwei oder drei Halbverse oder Sprichwörter wie Mosaiksteinchen, "quasi emblemata", finden. Demgegenüber ist, so MELANCHTHON, die viel weiter reichende Bedeutung, ja Notwendigkeit der Beredsamkeit in allen großen und schwierigen Angelegenheiten herauszustellen. Erwähnt werden die Bewahrung der Religion, die Auslegung und Verteidigung der Gesetze, die Rechtspflege und die politische Entscheidungsfindung in bedrohlichen Staatskrisen. Der große öffentliche Nutzen von Rhetorik und Dialektik mache ihr gründliches Studium gerade für die Jugend unverzichtbar.57 Die Makrostruktur der Wittenberger 'Rhetorik' unterscheidet sich von den vorangehenden Versionen durch eine klare Aufteilung in zwei Bücher, wobei die beiden ersten officia oratoris (inventio, dispositio) im ersten Buch zusammengefaßt erscheinen werden. Da der dispositio-Teil nur sehr kurz ausfällt, lag diese Lösung nahe. Die elocutio bleibt der umfangreichste Bestandteil des Werkes, und so war es nur folgerichtig, ihr das ganze zweite Buch einzuräumen. In allen drei Versionen seiner 'Rhetorik' hat MELANCHTON, wie gesagt, an einem festen Grundinventar von Elementen festgehalten, die für ihn den Kern der rhetorischen Kunstlehre ausmachen. Ihre Auswahl und ihre Anordnung hat er selbständig vorgenommen.58 Für die Wittenberger 'Rhetorik' lassen sich diese Grundelemente nach folgenden Stichwörtern anordnen:59 I.Buch (inventio, dispositio) a) Eingangsdefinitionen (1.-1.5.) b) Genera causarum (2.- 6.) integriert: partes orationis und status-Lehre c) Topik (7.) d) Affekte (8.) e) Dispositio (9.) U.Buch (elocutio) a) Eingangsdefinitionen (1.- 4.2.) b) Tropen (4.3.) 56
Siehe unten S. 132. ebd. « Vergl. Bullemer 1902, S.19. 59 Vergl. auch die Synopse unten in Kapitel 3. 57
5
39
c) Allegorie und vierfacher Schriftsinn (5.-5.2.) d) Figuren (6.- 6.3.7) e) Imitatio (7.) f) Genera dicendi (8.) Im inventio-Teil hat sich eine neue Reihenfolge bei den genera causarum eingestellt. Das genus didacticum steht allerdings nach wie vor am Anfang. Diese schon in der ersten Version erkennbare Abgrenzung und Voranstellung eines genus didacticum entspringt MELANCHTHONS eigener Auffassung. Ursprünglich drückte sich in der Einführung dieser Gattung wohl auch die Vorstellung von einem gewissen Vorrang der Dialektik aus. Dann ging es um die vornehmlich an sie geknüpften kognitions- bzw. erkenntnisorientierten, erkenntnisvermittelnden Redeweisen, wie sie z.B. wissenschaftliche Texte darstellen (Kap.n/2.). Das genus demonstrativum erscheint jetzt völlig von diesem genus getrennt und steht ganz am Schluß der Vier-genera-Reihe (Kap.n/6.). Neu ist die Zweitstellung des genus iudiciale, wie es der AUTOR AD HERENNIUM und CICERO in 'De inventione' haben. Das ist eine deutliche konzeptionelle Umorientierung. Die Gerichtsrede bekommt damit ihren traditionell herausragenden Rang zurück und erhält zugleich neues Gewicht. Das drückt sich auch darin aus, daß jetzt 42% des inventio-Teils ihr gewidmet sind (gegenüber ca.8% im Jahre 1519 und 27% im Jahre 1521). Daß sich MELANCHTHON nunmehr der Topik und der Affektenlehre in eigenständigen längeren Kapitel zuwendet, ist oben schon gesagt worden. Auch das zweite Buch, das ganz der elocutio gewidmet ist, enhält einige Neuerungen. In das Allegorie-Kapitel (Kap.II/5.) wurden ausführliche Erörterungen über die Methode allegorischer Bibelinterpretation und den vierfachen Schriftsinn integriert. MELANCHTHON mahnt darin als hermeneutisches Prinzip das Bemühen um Eindeutigkeit an und rät zur Vorsicht bei allegorischen Deutungsverfahren.60 Das Gewicht der Figurenlehre wird nochmals erhöht. MELANCHTHON gibt QUINTILIANS Unterscheidung in grammatische und rhetorische Figuren, wie er sie in den 'Institutiones' von 1521 vorgenommen hatte, wieder auf. Alle Figuren werden in drei Funktions-Gruppen unterteilt (vergl. die Definitionen in Kap.n/6.). Als weitere Neuerungen stehen am Schluß zwei Kapitel zur imitatio (Kap.II/7.) und zu den genera dicendi, also zur klassischen Dreistillehre (Kap.n/8.). Vor allem im imitatio-Kapitel schließt sich MELANCHTHON bei der Erörterung von Stilmusterautoren der humanistischen Heraushebung CICEROS an.61 Er erörtert insgesamt den Vorrang des klassischen Lateins und bietet eine komprimierte Textkompositionslehre. Damit hat die 'Rhetorik' den Charakter eines umfassend angelegten Lehrbuches für Fragen der Textverfassung angenommen, in welchem den Aspekten sprachlicher Gestaltung Vorrang eingeräumt ist.
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Zur Debatte um die allegorische Interpretation vergl. Moldaenke 1936, S.236ff., besonders S.250f.; Maurer 1964, S.153ff. und Schneider 1990. Zum imitatio-Prinzip im Renaissance-Humanismus siehe Gmelin 1932; von Stackelberg 1956; Apel 1963, S.168f. Zum Ciceronianismus siehe Scott 1910; Rüegg 1982; Roloff 1984, S.204f.
3. Kapitelsynopse zu den drei Rhetorikversionen
Die folgende Übersicht bietet die in den drei 'Rhetorik'-Versionen auftauchenden Kapitelüberschriften und abschnittsgliedernden Lemmata. Dabei zeigt sich, daß MELANCHTHON einerseits ein gewisses Grundsystem rhetorischer Elemente beibehält, andererseits aber in den beiden späteren Fassungen neu ordnet, kürzt oder auch erweitert.
Ph. Melanchthon: De rhetorica (1519) Basel (ed. Froben).
Ph. Melanchthon: Institutiones (1521) Wittenberg (ed. hotter).
Ph. Melanchthon: Elementa rhetorices (1531). Hrsg.v. K. G.Bretschneider. Halle 1846 (= Corpus Reformatorum XIII).
[Dedikation an Bernhardus Maurus]
[Dedikation an Johannes Agricola]
[Dedikation an die Söhne des Wilhelm Reiffenstein]
Liberi p.9
Liberi Sp. 417 1. [Initia] Sp.417 1.1. [De arte rhetorica] Sp.417 1.2. Eloquentia Sp. 418
1. Rhetorica p.9
1. Elementa rhetorices fol. Aii·
1.3. Rhetorica Sp. 419
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De rhetorica
Institutiones
Elemente rhetorices
2. Genera causarum p.10 3. Oratoris officia p.ll
1.4. De offieiis oratoris Sp. 419 1.5. Discrimen dialecticae et rhetoricae Sp. 419 2. [Genera causarum] fol. Aii«
2. De tribus generibus causarum Sp. 421 2.1. Ad quid conducat nosse genus causae Sp. 422
4. Orationis partes p. 12 5. De genere demonstrative p. 12
5.1. De prima parte generis demonstrativi p.13
2.1. [Dialecticum genus] fol. Aii·
3. De genere didascalico Sp. 423
3.1. [De simplieibus quaestionibus] Sp.424 5.1.1. An sit. Quid sit. p. 16
5.1.2. Quibuscausis partibusve constet p.20 5.1.3. Unum, an multa p.21
42
De rhetorica
Institutiones
Elementa rhetorices
5.1.4. Officia p.23 5.1.5. Comparatio specierum p.24 5.1.6. Affinia, contraria p.26 5.1.6.1. Exemplum p.27
3.1.1. [Exemplum] Sp. 424 3.1.2. Aliud exemplum Sp. 425 3.1.3. Aliud exemplum Sp. 426
5.2. De enarratorio genere p.29 5.2.1. De commentandi ratione p.31 5.3. De demonstrativo complexi thematis, et dialecticis probationibus p.41
3.2. De coniunctis quaestionibus Sp. 428
5.4. De genere demonstrativo laudis aut vituperii p.47
2.2. De genere demonstrativo Aiii·
5.4.1. De laude personae p.48
2.2.1. De personarum laude Aiii"
5.4.1.1. [Exordium] p.48
2.2.1.1.
De exordio
Aiiib
43
De rhetorica
Institutiones
2.2.1.1.1. De insinuatione A4b 2.2.1.1.2. Deattentione A4b 2.2.1.1.3. Dedocilitate b* 5.4.1.2. Narratio p.50 5.4.1.3. Exemplum p.56 5.5. Demonstratio factorum p.58
2.2.2. Demonstratio factorum bb
5.6. Demonstratio rerum p.60
2.2.3. Demonstratio rerum biib
5.7. [Peroratio] p.64 5.8. Genus demonstrativum duplex est p.65 6. De circumstantiis p.68 7. De locis communibus p.69 8. De affectibus p.72 9. De genere deliberativo p.74
44
2.3. De genere deliberativo biii·
Elementa rhetorices
Institutiones
Elementa rhetorices
10. De genere iudiciali p.93
2.4. De genere iudiciali b4b
4. De genere iudiciali Sp. 429
10.1. De statu p.94
2.4.1. Status b4b
4.1. De statibus Sp.429
De rhetorica 9.1. De statu p.75 9.1.1. De statu in genere deliberative) p.78 9.2.1. Deexordiis generis deliberativi p.78 9.2.2. Narratio p.79 9.2.3. Confirmatio p.80 9.2.4. [Confutatio] p.82 9.2.5. [Peroratio] p.82 9.3.1. [Exempla] p.82 9.3.2. Aliud exemplum p.84
10.1.1. Exordium p.96 10.1.2. Narratio p.97
45
De rhetorica
Institutiones
Elemente rhetorices
2.4.1.1. [Status] Coniecturalis b4b
4.1.1. De statu coniecturali Sp.431
10.1.3. Confirmatio p.98
4.1.1.1. De partibus orationis Sp. 431 4.1.1.1.1. [Exordium] Sp. 431 4.1.1.1.2. De narratione Sp. 432 4.1.1.1.3. [Propositio] Sp. 432 10.1.3.1. Confirmatio coniecturalium accusatoris p.99 10.1.4. Loci defensoris in coniecturalibus p.100
4.1.1.1.4. De confirmatione Sp.433
2.4.1.1.1. Loci cb 4.1.1.1.5. De confutatione Sp. 434 4.1.1.1.6. De peroratione Sp. 435
10.1.5. Argumenta status finitivi p.101
46
Institutiones
Elementa rhetorices
2.4.1.2. Status negocialis vel iuridicialis cii·
4.1.2. De iuridiciali statu Sp. 436
4.1.2.1. [Loci] 4.1.2.2. Confutatio Sp. 438 2.4.1.3. Legitima constitutio ciib
4.1.3. De statibus legalibus Sp. 440
2.4.1.3.1. Definitione ciib
4.1.3.1. [Definitio] Sp. 440
2.4.1.3.2. Contrarium legum constitutio ciib
4.1.3.2. [Contrariae leges] Sp. 441
2.4.1.3.3. Ex scripta et sententia ciii·
4.1.3.3. Ex scripta et sententia Sp. 442
2.4.1.3.4. Ex ambiguo ciii·
4.1.3.4. De ambiguo Sp. 443
2.4.1.3.5. Ratiocinatio ciii·
4.1.3.5. Ratiocinatio Sp. 444
2.4.1.3.6. Tianslatio ciii·
4.1.3.6. Translatio Sp. 445 5. De genere deliberativo Sp. 445 6. De genere demonstrative Sp. 448
47
De rhetorica
Institutions
Elementa rhetorices
3. De locis communibus ciii·
7. De locis communibus Sp. 451
4. De affectibus c4b
8. De affectibus Sp. 454
5. De dispositione c4b
9. De dispositione Sp. 455
11. De sacris concionibus p.103
Liber Π p. 108
De dispositione p.108
Liber ΠΊ
Liber Π
p. 116
1. De elocutione p.116
6. De elocutione c4b
2. De amplificatione p. 118 6.1. [De tribus generibus dicendi] d«
48
Deelocutione 1. [Initia] Sp. 459
De rhetorica
Institutiones
Elemente rhetorices
2. Tres partes elocutioni Sp. 461 6.2. De exornationibus seu figuris db
3. De figuris Sp. 465
6.3. De grammaticis figuris diib 3. De tropis ac schematibus p. 120
6.4. De Tropis diii*
4. De tropis et schematibus Sp. 463 4.1. [Tropos] 4.2. Schema
Metaphora Synecdoche Metonymia Antonomasia Abusio Transsumptio Periphrasis Allegoria Aenigma Ironia Hypeibaton Hyperbole Similitudo
6.4.1. [Tropi dictionum] diii·
4.3. Tropoi
Metaphora Synecdoche Metonymia Antonomasia Onomatopoeia Catachresis Metalepsis
Metaphora Metalepsis Synecdoche Metonymia Atonomasia Onomatopoiia Katachresis
6.4.2. De Tropis orationis d4b 6.4.2.1. Allegoriae e·
5. Allegoria Sp.466
49
Institutions
Elementa rhetorices
5.1. De quatuor sensibus sacrarum literarum Sp. 466 5.2. [Subgenera] Sp.472 Ainigma Paroimia Eironeia Sarkasmos Asysmos Mykterismos Antiphrasis Charientismos Hyperbole Eikon Parabola Paradigma
Ainigma Eironeia Sarkasmos Mimesis Apologus Fabula
6.5. De schematibus eii"
6. De schematibus Sp. 474
6.5.1. Schemata grammatica eiii" Prolepsis Syllepsis Synthesis Synecdoche Antiplosis Hyperbaton 6.5.2. De rhetoricis schematibus eiiib 6.5.2.1. Primus ordo figurarum eiiib
6.1. Primus ordo figurarum Sp. 475
Institutiones
Elementa rhetorices
Repetitio Conversio Complexio Copulatio Traductio Asyndeton Polysyndeton Homoioptoton Homoioteleuton Hypallage Paronomasie Antanaklasis Ellipse Aposiopese
Repetitio Copulatio Traductio Asyndeton Polysyndeton Homoioptoton Homoioteleuton Hypallage Paronomasie Antanaklasis Ellipse Aposiopese
5. Figurae sententiarum p.124
6.5.2.2. [Secundus ordo] Figurae sententiarum P>
6.2. Secundus ordo figurarum Sp. 476
Interrogatio Subiectio Dubitatio Exclamatio Praesumptio Communicatio Paradoxon Permissio Licentia Prosopopoeia Aversio Subiectio Occupatio Transitio Correctio Interpretatio Commutatio Expeditio Distributio Extenuatio Frequentatio Expolitio
Interrogatio Subiectio Exclamatio Dubitatio Paradoxon Communicatio Permissio Licentia Aversio Prosopopoeia
Interrogatio Subiectio Exclamatio Dubitatio Paradoxon Communicatio Commemoratio Permissio Praeteritio Aversio Licentia
De rhetorica
51
De rhetorica
Institutiones
Elementa rhetorices
6.5.2.3. [Tertius ordo] De postremo genere schematum fiib
6.3. Tertius ordo figurarum Sp. 479
Commoratio Contentio Sententia Clausula
Interpretatio Incrementum Klimax Congeries Antithesis Metathesis Synoikeiosis Regressio Obiectio Praeteritio Praesumptio Transitio Correctio Parenthesis Reiectio Aitiologia Concessio Dikaiologia Finitio Suffiguratio Expolitio Distributio Prosopopoeia Comparatio Sententia Acclamatio Clausula Noema Pathopoeia
52
6.3.1. Ex definitione Sp. 483 Hyperbole Synonymia Expolitio Defuütio 6.3.2. De divisione Sp. 485 Distributio Dialysis Congeries Incrementum 6.3.3. Ex causis Sp. 486 Aitiologia Dikaiologia Anagkaion Translatio Color Calumnia Klimax
De rhetorica
lnstitutiones
Elementa rhetorices
6.3.4. De contrariis Sp. 488 Antithesis Metathesis Inversio Communicatio Correctio Reiectio Occupatio Concessio Paradiastole Anteisagoge 6.3.5. Ex similibus Sp. 490 Comparatio Prosopopoeia Sermocinatio 6.3.6. A genere Sp. 490 Sententia Epiphonema Noema 6.3.7. Ex circumstantiis et signis Sp. 491 Hypotyposis Pathopoeia Transitio Parenthesis
53
De rhetorica
Institutiones 6.6. Amplificatio giii*
Elemerua rhetorices
7. De imitatione Sp. 492 8. De tribus generibus dicendi Sp. 504
54
4. Quellen
'Rhetorik' ist zweifellos ein eigenständiges Werk. Dennoch steht sie, wie jede andere Rhetorik der Zeit, im breiten Strom rhetorischer Tradition. Da Karl BULLEMER mit seinen 'Quellenkritischen Untersuchungen zum I. Buche der Rhetorik Melanchthons' vom Jahre 1902 bereits eine detaillierte Quellenanalyse vorgelegt hat, bedarf es hier nur noch einiger zusammenfassender Bemerkungen. Im wesentlichen sind es fünf Gewährsleute, auf die sich MELANCHTHON faktisch und ausdrücklich bezieht: zum einen CICERO und QUINTILIAN als antike Autoritäten, zum anderen Georgius TRAPEZUNTIUS, Rudolph AGRICOLA und ERASMUS VON ROTTERDAM als zeitgenössische Autoren. Allen antiken Rhetorikem, auch den griechischen, werden CICERO und QUINTILIAN vorgezogen.1 Basiswerke sind die damals CICERO zugeschriebene 'Rhetorik ad Herennium' und CICEROS 'De inventione'. ARISTOTELES erscheint mit Bezug auf seine "dialectica" nur als Logiker.2 "Aber auch des Aristoteles Verknüpfung der Rhetorik mit der Politik hat er zwar zitiert,3 doch offenbar nicht nach eigener Einsicht in dessen Werk. Jene Stelle der aristotelischen Rhetorik finden wir nämlich vor ihm zweimal zitiert, bei Quintilian [2,17,14] und fast mit Melanchthons Worten bei Agricola [Π,25], zugleich aber benützt bei Cicero 'De inv.' 1,5,6; von letzterer Stelle dürfte dem Melanchthon speziell der Ausdruck 'facultas' in Erinnerung geblieben sein."4 CICERO steht insgesamt bei der Zitation und namentlichen Nennung an erster Stelle, gefolgt von QUINTILIAN5. BULLEMER kommentiert den Quellenbefund wie folgt: "Melanchthon kannte oder beachtete demnach die sog. Rhetores Latini minores nicht, weder den im frühen Mittelalter vielbenutzten Martianus Capeila, der 1499 zum 1. Male gedruckt war, noch die 1519 in Venedig gedruckten scriptores de figuris Rutilius Lupus und Aquila Romanus, noch auch die im Jahre 1521 bei Froben in Basel erschienene Sammlung von rhetorischen Schriften, Alcuin wird von ihm nur erwähnt als 'de divinis disserens' und Freund Karls des Grossen.6 Rhetorischen Werken in griechischer Sprache hat Melanchthon nach seinen eigenen Worten eine wenigstens flüchtige Beachtung geschenkt." - "Aber wie schon der Wortlaut in Melanchthons Widmungsepistel schliessen läßt, werden wir finden, dass diese Kenntnis nur eine sehr oberflächliche gewesen sein kann. Dies gilt besonders auch für die Rhetorik des Aristoteles; denn diese hätte Melanchthon bei besserer Kenntnis sicher neben Cicero und Quintilian als hervorragende Quelle genannt." "Überhaupt sind mir nur 2 Zeilen in den Werken Melanchthons bekannt geworden, wo Stellen MELANCHTHONS
1 2
3 4 5 6
Vergl. den Abdruck der Widmung von 1531, unten S. 132. "Womit er, vielleicht beeinfluBt durch Cicero 'De oratore' 11,36,152, ebensogut die Topik wie die Analytik meinen könnte". Bullemer 1902, S.16 Anm.5. De rhetorica, p.10 ("Aristoteles quidem civilem facultatem vocat [sc. rhetoricam]"). Bullemer 1902, S.31. De rhetorica, p.8, 12, 21 u.ö. Bullemer bezieht sich hier wohl auf 'De rhetorica', p.57. Gegen diesen Befund Bullemers ist allerdings festzuhalten, daß auf Rutilius und Aquila in den 'Institutiones' von 1521 durchaus Bezug genommen wird [fol. eiii(b), e4(a) und g(a)].
55
aus der aristotelischen Rhetorik erwähnt sind, beide in der 1. Ausgabe des melanchthonschen Lehrbuchs."7 Für die Beurteilung und historische Einordnung der melanchthonschen Rhetorik sind die drei genannten zeitgenössischen Gewährsmänner besonders wichtig.8 Zwar hat keiner von ihnen soviel Einfluß auf MELANCHTHON ausgeübt, daß die Originalität seiner Rhetorikkonzeption und der Einfluß der antiken Rhetoriken in Frage gestellt werden könnte. Dennoch aber repräsentieren sie spezifische zeitgenössische Rhetorikrichtungen, die Spuren bei ihm hinterlassen haben. Georgius TRAPEZUNTIUS (1395-1484) steht für das neue positive Verhältnis der Humanisten zu allen Bereichen der Rhetorik, zu ihrer umfassenden Erforschung und Tradierung. MONFASANI räumt TRAPEZUNTS 1433/34 veröffentlichter Rhetorik einen besonderen Rang ein, weil sie die erste, eigenständige und profane Gesamtrhetorik der humanistischen Bewegung sei.9 BULLEMER hat die 'Rhetoricorum libri quinque' dieses Italieners griechischer Herkunft hinsichtlich ihrer Quellen wie folgt charakterisiert: Unter Zugrundelegung der fünf officia oratoris als eines wesentlichen Gliederungsprinzips ist es "ein Mosaik aus den beiden sogenannten ciceronischen Rhetoriken ['Rhetorica ad Herennium' sowie 'De inventione'] und aus Hermogenes, mit reichlicher Beleuchtung einzelner Punkte durch Beispiele aus Ciceros Reden, während uns eine Spur von Benützung des Aristoteles nirgends entgegentritt".10 MONFASANI hat diesen Befund im wesentlichen bestätigt, weitere Nebenquellen aufgewiesen und TRAPEZUNTS Ablehnung QUINTILIANS hervorgehoben.11 Das Werk war im 16. Jahrhundert von größtem Einfluß auf die Rhetorikdiskussion, und man kann MONFASANIS Aufzählung der entsprechenden Belege noch diejenigen aus 12 MELANCHTHONS Rhetorik hinzufügen. TRAPEZUNTIUS ist für MELANCHTHON kein Basisautor, doch konnte BULLEMER in seinen Untersuchungen nachweisen, daß sich MELANCHTHON doch bei einer ganzen Reihe von Stellen auf ihn bezieht. Ausdrückliche Erwähnungen finden sich allerdings nur in der Tübinger Rhetorik von 1519. So im Kapitel "Laus personae", wo MELANCHTHON auf die anderen Rhetoriker verweist, von denen keiner nützlicher sein könne als TRAPEZUNTIUS ("e quibus nemo erit utilior Trapezuntio").13 Auch anläßlich der Statuslehre fügt MELANCHTHON einen Hinweis auf gründlichere Behandlung der Materie bei TRAPEZUNTIUS ein ("haec subtilius omnia Trapezuntius"), dem er eigentlich ganz und gar habe folgen wollen, jedoch sei er wegen der Kürze seines eigenen Werkes dazu nicht in der Lage gewesen.14 Der zweite wichtige Gewährsmann ist Rudolph AGRICOLA ( 1 4 4 4 - 1 4 8 5 ) . Seine als "ars inveniendi" konzipierten 'De dialectica inventione libri tres' erschienen erstmals 1515 im Druck.15 Das Werk 7 8 9 10 11 12
13 14 15
56
Bullemer 1902, S.15f. Die beiden genannten Stellen finden sich in 'De rhetorica' p.10 und 72. Vergl. Kennedy 1980, S.203ff. Monfasani 1976, S.261. Bullemer 1902, S.4 A 4. Monfasani 1976, S.268-289. Monfasani 1976, S.318ff.; er erwähnt Melanchthon nur im Zusammenhang mit der Rezeption von Trapezunts Dialektik (S.250 u. 336f.). De rhetorica, p.49. De rhetorica, p.78. Nach dem Kölner Druck von 1528 als Faksimile hrsg. v. Risse 1976; zur Einordnung des Werkes vergl. Mack 1983.
wurde 1992 in einer zweisprachigen Edition von MÜNDT neu herausgegeben. MELANCHTHON bekam das Buch kurze Zeit nach dem Erstdruck von seinem Tübinger Studienfreund 16 OEKOLAMPAD geschenkt; später verfaßte MELANCHTHON selbst zwei AGRicoLA-Viten (z.B. eine Oratio de vita Rudolphi Agricolae')· 17 AGRICOLAS inventive Dialektik ist der Technik des Auffindens von Beweismitteln gewidmet. "Das erste Buch stellt eine Tafel der einzelnen loci auf. Das zweite Buch zeigt, wie diese loci ihre Anwendung finden, insbesondere wie einzelne wahrscheinliche Sätze unter sie zu subsumieren und mittels dieser Subsumption auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen sind. Das dritte Buch enthält eine Affektenlehre, welche den durch das dialektische Verfahren in sich begründeten Sätzen auch die nötige Wirkungskraft bei den Zuhörern sichern soll."18 Für den Logik-Historiker Carl PRANTL war dieses Werk in erster Linie von der humanistischen "Einseitigkeit des Rhetorismus" geprägt. 19 Es stellte für ihn "lediglich eine ciceronisch-quintilianische Topik dar", wobei vor allem das dritte Buch "nur rhetorischen Inhaltes" sei.20 Inzwischen ist die außerordentliche Bedeutung dieses Werkes für die Logikgeschichte des 16. Jahrhunderts, vor allem für den Ramismus, erkannt worden. 21 BULLEMER sah bei MELANCHTHON die direkten Abhängigkeiten von AGRICOLA als eher gering an. 22 Man muß aber doch feststellen, daß MELANCHTHONS 'Tübinger Rhetorik' konzeptionell hinsichtlich der unverhältnismäßigen Überbetonung von inventio und Topik sowie hinsichtlich der dialektischen Aspekte durch AGRICOLA beeinflußt ist. Dies wird bestätigt durch die Bemerkung: "De locis elegantissime Cicero, copiosissime RODOLPHVS AGRICOLA scripserunt." 23 Im übrigen verweist MELANCHTHON nur noch einmal auf AGRICOLA, wenn es um seine Ratschläge zur Arbeit mit Kollektaneenhefiten geht. 24 Diese Nennung bleibt auch nach Änderung der Konzeption des Gesamtwerkes in den 'Institutiones' von 1521 und den 'Elementa rhetorices' von 1531 (hier Ende von Kap. 1/7.) stehen.25 Als dritter Gewährsmann muß schließlich ERASMUS VON ROTTERDAM ( 1 4 6 6 - 1 5 3 6 ) hervorgehoben werden, mit dessen Schriften sich MELANCHTHON schon früh auseinandersetzte.26 Im Hermeneutik-Kapitel verweist er auf ERASMUS als Exegeten, wenn er feststellt: "Summus ac optimus huius artificij magister Erasmvs habetur" 27 oder wenn er betont, eine der wirkungsvollsten Me16
Hartfelder 1889, S.44. CR XI, 438-446; vergl. Mündt 1992, S.XXII. 18 Faust 1922, S.119f. Zum Aufbau s. auch Maier 1909, S.73ff. " Prantl 1870, S. 172 20 ebd., S.167ff. 21 Ong 1958, S.95ff.; Mündt 1992, Einleitung. 22 Bullemer 1902, S. 14. 23 De rhetorica, p.45. 24 De rhetorica, p.70. Der Hinweis bezieht sich allerdings auf Agricolas erstmals 1511 veröffentlichten Traktat in Briefform an Jacobo Barbariano 'De ratione studii'oder 'De formando studio' (ed. Hauser 1910, S.48-59; dt. Dun 1893, S.52-64). 25 Vergl. den Text unten S.96. 26 Zusammenfassend zum Verhältnis der beiden Schenk 1967 und Scheible 1984. Melanchthon hebt Erasmus 1519 in der 'Rhetorik'-Widmung zusammen mit Reuchlin und Luther als bedeutende Geistesgrößen der Zeit hervor. Erasmus war es, schreibt er, der erstmals wieder die Theologie an ihre Quellen zurückrief ("qui primus [...] theologiam ad fontes revocavit"); Reuchlin bewahrte ganze Bibliotheken vor der Verbrennung und Luther weist den geistigen Weg, indem er sagt, was richtig ist ("quod recta moneat"). CR I, 63; MBW, Tl, Nr.40; vergl. auch Scheible 1984, S.161. 27 De rhetorica, p.35. 17
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thoden persuasive Texte zu interpretieren, habe ERASMUS in seiner Paraphrase des Römerbriefes geliefert.2* Verschiedentlich werden auch die 'Adagia' und das 'Moriae Encomion' als Fundus für Topoi oder Exempla empfohlen.29 Der zweiten Rhetorikversion gab MELANCHTHON als Anhang auch 'De ratione studii ex lucubrationibus Erasmi' bei.30 In der dritten Rhetorikversion findet sich zudem ein Hinweis auf des ERASMUS 'De conscribendis epistolis' (Kap. 1/2.).31 Von wesentlichem Einfluß war aber nur das von ERASMUS 1512 veröffentlichte rhetorische Schulbuch 'De duplici copia verborum ac renim'.32 Der erste seiner beiden Teile behandelt in lockerer Folge sprachliche und figurale Variationsmethoden ("rationes variandi"), z.B. Synonymie, Paraphrase, Metonymie etc., aber auch syntaktische und andere grammatische Fragen . 3 3 Der zweite Teil widmet sich komplexeren literarischen Gebilden und stellt eine Mischung aus Text- bzw. Stillehre und Topik dar. MELANCHTHON charakterisiert die beiden Bücher wie folgt: 'Das erste Buch dieses Werkes enthält Figuren sprachlicher Variation, das zweite Buch solche, die eine größere Variationsbreite im inhaltlichen Bereich ermöglichen.' ('Elementa' Kap. Π/6.3.)34 Das Werk wurde zum wichtigsten Schulbuch der Epoche und erlebte allein im 16. Jahrhundert mehr als 100 Ausgaben.35 Schon in der Einleitung zum elocutio-Teil der Tübinger Rhetorik hatte MELANCHTHON empfohlen, im Interesse der sprachlichen Eleganz stets die beiden Bücher der Erasmischen 'Copia' zur Hand zu haben ("Erasmi libellos de Copia semper in manibus habere"). Aus ihnen sei sowohl das sprachliche Repertoire als auch ein angemessener Sprachgebrauch zu entnehmen.36 Seit den 'Insütutiones' von 1521 wird ERASMUS noch stärker als Gewährsmann im Bereich der Figurenlehre hervorgehoben. So bemerkt MELANCHTHON etwa über den Gebrauch der allegorischen genera, daß er auch durch die erasmischen 'Copia' vermittelt werde ("etiam Erasmi Copia docebit").37 Und nach Einführung einer dritten Figurenart schreibt er, sie stelle den bei weitem wichtigsten Teil der elocutio dar ("estque haec elocutionis longe praestantissima pars"). Wer sich genauer damit beschäftigen wolle, der möge die 'Copia' des ERASMUS heranziehen.38 In den 'Elementa' von 1531 wird an dieser Stelle (Kap.II/6.3.) dann noch eindringlicher auf das Erasmische Werk verwiesen.39 Ganz zum Schluß der 'Insütutiones' heißt es, nun bleibe nur noch übrig, daß der Schüler die vielen Formen auch sprechend und schreibend übe. Für sprachliche Anleitung bei der Textverfassung ("ut habeas semper in manibus certam regulam dicendi") werden dann einerseits QUINTILIAN, andererseits ein weiteres Mal die 'Copia' des ERASMUS empfohlen."0 28 29 30 31 32 33
34 35 36 37 38 39 40
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De rhetorica, p.30. Vergl. zu Melanchthons Haltung gegenüber der Römerbriefparaphrase Scheible 1984 S.159f. De rhetorica, p.7, 27, 40f., 67f„ 70. Hartfelder 1889, S.229; Bullemer 1902, S.14. Vergl. den Text unten S.79. Ausgabe Knott 1988. Zu dem Werk siehe Sowards 1958. So werden beispielsweise im Kapitel 1/33 etwas mehr als 300 Varianten der Sätze 'Dein Brief gefiel mir sehr' ("tuae litterae me magnopere delectarunt") und 'Immmer, solange ich lebe, werde ich mich an Dich erinnern' ("semper dum vivam tui meminero") mitgeteilt. Vergl. den Text unten S. 112. Sowards 1958, S. 123. De rhetorica, ρ. 118. Institutiones. fol. eii(b). Institutiones, fol. fii(b)-fiii(a). Siehe unten den Text S. 112. Institutiones, fol. giii(b).
"In der Kölner Ausgabe von De copia a. d. J. 1542 sind erläuternde und zusammenfassende Bemerkungen des Melanchthonschfilers Feldkirch beigegeben, die die fortdauernde Bedeutung dieser Erasmusschrift für die Schule Melanchthons bezeugen. 1529 hat Melanchthon ihr Studium dringend empfohlen; die Tafel der Begriffe soll auswendig gelernt werden".41 Diese Tafel hatte in anschaulicher Form MOSELLANUS mit seinen (oben S.44ff.) bereits herangezogenen 'Tabulae de schematibus et tropis P. Mosellani, in Rhetorica Ph.Melanchthonis, in Erasmi liber de duplici copia' veröffentlicht. MELANCHTHON hatte das Tafelwerk des Petrus MOSELLANUS schon in den 'Institutiones' genannt. Man solle es für das Studium der grammatischen Figuren42 zusammen mit der traditionellen, schon im Mittelalter als Lehrbuch benutzten 'Ars maior' des DONAT heranziehen ("ex Donato, vel ex tabulis Petri Mosellani").43 Wilhelm MAURER erklärt MELANCHTHONS Großonkel Johannes REUCHLIN zum wichtigen Gewährsmann in Sachen Rhetoriktradition: "Wir können mit sehr wahrscheinlichen Gründen feststellen, auf welchem Weg - und zwar nicht über Agricola und Erasmus - ihn [MELANCHTHON] diese Tradition erreichte." Entscheidende Vermittlungsinstanz sei REUCHLINS 1504 erschienene schmale 'Ars praedicandi' gewesen,44 weil in ihr ebenfalls inventive Elemente, wie die genera causarum oder die Topik abgehandelt werden. Was MELANCHTHON über diese Rhetorik hinausgehend selbst hinzugefügt habe, so MAURER, stamme "weder aus Agricola noch aus Erasmus", sondern bringe "die bei Cicero noch ungeordnet vorkommenden und oft nur dunkel erkennbaren Elemente in schöner Harmonie zusammen".45 Diese Betonung REUCHLINS als Gewährsmann und die Ausschließung von AGRICOLA und ERASMUS läßt sich nicht aufrechterhalten. Am auffälligsten in REUCHLINS Prediger-Rhetorik ist seine drei-officia-Gliederung nach inventio, memoria und actio/pronuntiatio. Einen größeren Widerspruch zu MELANCHTHONS Konzeption kann es gar nicht geben. MELANCHTHON läßt ausdrücklich die Performanz-Teile (memoria, actio) heraus und schenkt den bei REUCHLIN fehlenden stilund texttheoretischen officia der dispositio und elocutio große Aufmerksamkeit. Gewisse Übereinstimmungen gibt es lediglich im inventio-Teil. Allerdings ist dieser bei REUCHLIN mit seiner Einteilung in die Redeteile anders geartet. Man wird also am ehesten noch MAURERS Bemerkung akzeptieren können, in REUCHLINS kleiner 'Ars praedicandi' stoße man "auf die Elemente einer ciceronianischen Rhetorik, wie sie Melanchthon selbst in seinen jungen Jahren gelehrt worden sein mag".46 MELANCHTHONS spezifisches Bewußtsein von der Bedeutung, dem Charakter und den wichtigsten Inhalten der Rhetorik ist aber weniger durch diese in eher konventionellen Bahnen verlaufenen Jugenderfahrungen geprägt, als vielmehr durch die Auseinandersetzung mit den genannten bedeutenden antiken und zeitgenössischen Rhetorikern bzw. Dialektikern.
41 42 43 44 45 44
Maurer 1967, S.242 Anm.30 mit Bezug auf CR I, 11 Iff. Mit Quintilian (9,3,2ff.) unterschieden von den eigentlichen rhetorischen Figuren. Institutiones, fol. dii(b). Liber congestorvm de arte predicandi Ioannis Revchlin Phorcensis .LL. Doctoris. Pforzheim 1504. Ex.Tübingen: Gi 20.4". Maurer 1967, S.202. ebd. 59
5. Zum Textabdruck der 'Elemente rhetorices'
5.1.
Die deutsche Version
Im folgenden werden die 'Elemente' zunächst in einer deutschen Fassung wiedergegeben, die rund zwei Drittel der Rhetorik umfaBt. Da es sich um eine freie Übersetzung handelt, ist es angebracht, bei dieser Version von einer Inhaltsparaphrase zu reden. Der Gesamttext wurde um ein Drittel gekürzt. Größere Auslassungen sind an den jeweiligen Stellen mit einem Kleeblatt ( 4 ) markiert. Hierbei handelt es sich vor allem um Abschnitte mit umfangreichem Beispielmaterial, ergänzenden Inhalten oder gängigen Definitionen. Um den Zusammenhang zu wahren, wird der Inhalt bei solchen Passagen vielfach kurz in Stichworten zusammengefaet. Solche Zusammenfassungen erscheinen kursiviert. Quellenverweise in eckigen Klammern [ ] sind Hinzufügungen.
5.2. Der lateinische Text Der lateinische Text stellt für die MELANCHTHON-Forschung eine noch zu bewältigende Editionsaufgabe dar. Eine kritische Ausgabe müßte im Idealfall die drei Hauptversionen der 'Rhetorik' bieten. Um den lateinischen Text überhaupt erst einmal wieder leichter zugänglich zu machen, wird im folgenden ein verkleinertes Faksimile der BRETSCHNEIDER-Ausgabe von 1846 (= Corpus Reformatorum ΧΙΠ, Sp.417-506) abgedruckt. Diese Ausgabe bietet den Text der erstmals 1531 unter dem Titel 'Elemente rhetorices' erschienenen Wittenberger Rhetorik MELANCHTHONS nach der Ausgabe "letzter Hand", die MELANCHTHON 1542 herausgehen ließ. Die Widmungsepistel des Druckes von 1531 edierte BRETSCHNEIDER 1835 an gesonderter Stelle (= Corpus Reformatorum Π, 542-544); ein Faksimile wird der Rhetorik vorangestellt.
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Philipp Melanchthon ELEMENTE DER RHETORIK
ELEMENTE DER RHETORIK
Erstes Buch
1.
Anfangsgründe
1.1.
Zur rhetorischen Kunstlehre
Junge Leute sollten gleich am Anfang ihrer Rhetorikausbildung darüber aufgeklärt werden, warum man gewöhnlich mit der Theorie der Rhetorik, ihren Regeln und Lehrsätzen (praecepta), beginnt. Sie werden eher bereit sein zu studieren, wenn sie wissen, wie nützlich die Theorie ist. Die klugen Männer, die die Rhetorik zuerst entwickelt haben, glaubten natürlich nicht, daß theoretisches rhetorisches Wissen als Basis der Eloquenz ausreicht. Denn die Beredsamkeit erfordert an erster Stelle eine große natürliche Befähigung zur Rede, verbunden mit vielfältiger Bildung. Sie bedient sich weiterer natürlicher oder auf dem Wege der Ausbildung erworbener Hilfsmittel. Rhetorische Regeln und Lehrsätze sind auf jeden Fall nützlich. Die Natur selbst lehrt einen gewissen Weg oder eine Methode für die Erklärung wichtiger und schwieriger Probleme, was hochintelligente Menschen teils aufgrund natürlicher Begabung, teils aufgrund ihrer Erfahrungen erkennen. So entsteht theoretisches Wissen bzw. eine Kunstlehre (ars). Wenn diese auch gewöhnlich nur die mit Reden und Schreiben befaßten Fachleute (artifices in dicendo) anleitet, so wird sie doch auch den Studierenden beim Studienbeginn vermittelt, nicht um Redner hervorzubringen, sondern um der Jugend bei der Lektüre von Texten bedeutender Autoren und im Urteil über komplizierte wissenschaftliche Streitfragen behilflich zu sein. Die Rhetoriker haben ihre praecepta nämlich nicht nur für die mit Streitfällen befaßten Juristen, sondern als Hilfe für alle aufgestellt. Auch die Nichtjuristen und die nicht schriftstellerisch Tätigen brauchen, wenn sie wichtige Sachverhalte zur Kenntnis nehmen und einschätzen wollen - wie z.B. im Fall religiöser oder rechtlicher Debatten -, eine Methode (via atque ratio) zur Beurteilung umfangreicher Kontroverstexte. Denn niemand ist in der Lage, längere Ausführungen und komplizierte Problemdiskussionen geistig zu erfassen, wenn er nicht durch eine Art Kunstlehre unterstützt wird, die ihm die Anordnung der Teile, die Gliederung des Textes und die Absichten der Sprecher sowie eine Methode vermittelt, schwierige Dinge auseinanderzulegen und aufzuklären. Aus diesem nützlichen Grund haben kluge Männer Lehren aufgestellt, um für alle eine Orientierung zu bieten und junge Leute weniger zur eigenen korrekten Ausdrucksweise, als vielmehr zum klugen Verständnis von Texten anderer anzuleiten. Sie haben zudem festgestellt, daß man über Nachahmung (imitatio) ebenso ein Redner wird wie ein Fachmann auf anderen Gebieten. So kommt es, daß die zur Rede begabten Studenten, nachdem sie eloquente Rede zu würdigen gelernt haben, ins öffentliche Leben hinausgeführt werden, um bedeutende Oratoren in Aktion zu 63
beobachten und von ihnen zu lernen. Wir vermitteln also die Rhetorik, um junge Leute bei der Lektüre guter Autoren zu unterstützen, die sie ansonsten nicht wirklich verstehen könnten. Insofern ist klar, daB die rhetorischen praecepta für alle nötig sind. Doch ist es für die natürlich Begabten dann um so leichter, ihre literarischen Vorbilder nachzuahmen, wenn sie sie verstanden haben. Denn niemand kann ohne Nachahmung ein wirklich guter Autor oder Redner werden, und Nachahmung gelingt nicht ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Regeln und Lehrsätze.
1.2. Beredsamkeit Beredsamkeit ist die Fähigkeit, inhaltlich ausgereift und im Ausdruck wohlgestaltet zu formulieren (eloquentia facultas est sapienter et omate dicendi). Zum wirklich guten Sprechen gehören erstklassige Kenntnisse über die behandelte Sache. Es ist nämlich keine Beredsamkeit, sondern Tollheit, über Dinge zu reden, von denen man nichts versteht. Wenn also Sachverstand für die Rede nötig ist, muß sich ein Autor in dem jeweiligen Wissensgebiet kundig machen. Wie kann denn jemand über theologische, naturwissenschaftliche bzw. juristische Fragen oder andere Bereiche des Lebens reden, wenn er keine Sachkenntnisse erworben hat?
1.3. Rhetorik Die Rhetorik ist die Kunstlehre, die die Methode korrekten und sprachlich anspruchsvollen Formulierens lehrt (rhetorica vero est ars, quae docet viam ac rationem recte et ornate dicendi). Deshalb sind unter Rhetorik diejenigen Lehren zu verstehen, die man jungen Leuten im Theorieunterricht vermittelt und deren Kenntnis für die Beredsamkeit auch dann notwendig sind, wenn man einräumt, daß die Beredsamkeit noch weiterer natürlicher und wissensmäßiger Hilfsmittel bedarf. Alle Gebildeten, wie weit fortgeschritten sie auch sein mögen, beachten diese rhetorischen Lehrsätze, denn sie sind im Bereich der Sprachkunst ebenso notwendig für die Urteilsbildung oder Gewinnung von Einsichten, wie die Dialektik allgemein für Erkenntnis oder logisches Urteilen nötig ist. Wie aber bei der Dialektik das Lernziel darin besteht, beurteilen zu können, ob bei einer Darlegung alles sachlich und methodisch richtig ist, so gelten bei der Rhetorik folgende Lernziele (rhetoricae fines): a) über einen komplexen Text urteilen zu lernen, d.h. über die Anordnung seiner Teile und darüber, welches die eigentümlichen und wichtigen Bestandteile sowie welches die sprachlichen Besonderheiten sind (iudicare de longa oratione, qualis sit partium series, quae sint praecipua membra, quae sint ornamenta); b) für die, die keine Sprachbegabung besitzen, eine Möglichkeit zu schaffen, so zu formulieren, daß der Text wenigstens gegliedert ist, daß das Wesentliche auch richtig herausgestellt und ein gewisses sprachliches Niveau erreicht wird.
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1.4. Über die Aufgaben des Redners Jeder Text hat eine inhaltliche und eine sprachliche Seite (res ac verba), und man sollte sich zunächst mit den Inhalten, erst dann mit der Sprache beschäftigen. Ein Redner bzw. ein Autor hat fünf Aufgaben (officia oratoris): das Finden der Gedanken (inventio), ihre Anordnung (dispositio), ihre sprachliche Gestaltung (elocutio), das Memorieren (memoria) und den Vortrag (actio/pronuntiatio). Am Anfang ist der Sachverhalt zu bestimmen. Inventio und dispositio beschäftigen sich deshalb mit inhaltlichen Aspekten, die elocutio mit sprachlichen. Was wir nämlich zunächst nur überlegt haben, muß später mit treffenden Worten erfaBt werden. Und beinahe die ganze rhetorische Kunstlehre erschöpft sich in diesen drei Bereichen (in his tribus partibus fere tota ars consumitur). Daher braucht über die beiden letzten Gebiete (memoria, actio) hier nicht gehandelt zu werden. Der memoria wird nämlich so gut wie gar nicht durch Theorie aufgeholfen und die actio ist inzwischen etwas ganz anderes, als sie in der Antike einmal war. Was beim Vortragen gestisch und stimmlich am wichtigsten ist, läßt sich im öffentlichen Leben durch Nachahmung erlernen. Es ist lediglich festzustellen, daß die Alten hinsichtlich der Vortragsweise große Zurückhaltung empfahlen. Deshalb lobte Aischines den Solon, weil er während einer Rede die Hand nicht vom Mantel nahm und damit zu verstehen gab, daß er eine gedämpfte und kaum wahrnehmbare Gestik für das Beste hielt. [Aisch. Tim. 25-26.]
1.5. Unterschied zwischen Dialektik und Rhetorik Die Verwandtschaft zwischen der auf logische Fragen konzentrierten Disziplin (dialectica) und der Rhetorik ist so groß, daß man kaum einen Unterschied zwischen ihnen machen kann. Es gibt einige Theoretiker, die meinen, daß inventio und dispositio beiden Disziplinen gemein seien und daß die Dialektik die argumentativen Gesichtspunkte oder Topoi (loci argumentorum) für die Rhetoriker aufbereite. Sie sehen den Unterschied zwischen beiden darin, daß die Dialektik die Sachverhalte sozusagen nackt vorstelle, während die Rhetorik mit der sprachlichen Gestaltung das Gewand hinzufüge. Manche lehnen diese Unterscheidung ab, doch man kann bei ihr bleiben, weil sie jungen Leuten das Eigentliche der Rhetorik verdeutlicht, also vor allem die sprachliche Gestaltung (elocutio), von der sich der Begriff Rhetorik herleitet. Bei genauer Überlegung also wird man die genannte Unterscheidung verteidigen. Wenn sich nämlich die Rhetorik nicht allein auf Forensik und Beratung beschränkt, sondern auf alle möglichen jeweils behandelten Sachgebiete anwendbar ist, dann kann man sie nicht gewaltsam von der Dialektik trennen, die die Methode perfekter Erörterung oder Unterrichtung in Sachfragen darstellt. Cicero gibt hierzu ein Beispiel im ersten Buch von 'De officiis' und an vielen anderen Stellen, wo er sich sowohl den dialektischen Grundsätzen der Erörterung als auch der rhetorischen Ausdruckslehre widmet. Heutigentags tun das gebildete und wortgewandte Leute ebenfalls, wenn sie andere in Religionsdingen unterrichten. Die Alten trafen folgende Unterscheidung: Sie sahen die Rhetorik als mit forensischen und beratenden Angelegenheiten befaßt, die Dialektik aber mit allen anderen Fragen, bei denen die Menschen auf Methodik und Systematik in der Darlegung angewiesen sind. Kurz gesagt besteht der Unterschied darin, daß die Aufgabe der Dialektik das Vermitteln von Einsicht und Kenntnissen (docere), die der Rhetorik das Anregen und Beeinflussen der Gemüter ist (permovere atque 65
impellere animos), um jemanden emotional zu erregen. Bei der Diskussion eines ethischen Problems ist die Dialektik für den Aufweis etwa des Wesens der Tugend, der Buße usw., ihrer Anwendungsfälle, Bestandteile und Wirkungen heranzuziehen. Wenn aber jemand zum konkreten ethischen Handeln bewegt werden soll, ist auf rhetorische Gesichtspunkte (loci) zurückzugreifen. Weil jedoch die Rhetoriker, besonders in forensischen Angelegenheiten, nicht auf eine Methode der Erörterung und Unterrichtung verzichten können, nehmen sie die Dialektik mit auf. Beispielsweise entlehnen sie den status der Wesensabgrenzung oder Definition (finitivus status), den sie unter den juristischen Gegenständen führen, von der Dialektik. Dieser status ist ein Verfahren zur Methodenbildung, das Aristoteles in seinen 'Analytiken' behandelt. ['Zweite Analytik'] Die Rhetoriker übernehmen aus der Dialektik aber nicht nur die Syllogistik, sondern auch andere Lehrsätze. Der Rhetorik ist so viel Dialektik beigemischt, daß die beiden Disziplinen nicht streng getrennt werden können, selbst wenn man der Rhetorik nur forensische, beratende und epideiktische Gegenstände zurechnet.
2. Über die drei Gattungen der Redegegenstände (genera causarum) Zunächst einmal erscheinen die Gattungen der Redegegenstände den Gesichtspunkten der inventio (loci inventionis) eingegliedert, und zwar wohlüberlegt. Angesichts der großen Vielfalt von Redegelegenheiten mußten verschiedene Abteilungen solcher loci eingerichtet werden. Denn unterschiedliche Sachverhalte verlangen unterschiedliche Gesichtspunkte (loci). Wenn all die verschiedenen loci auf einen Haufen aufgeschüttet worden wären, wäre die Auswahl schwierig gewesen. Deshalb war es geboten, nach Prüfung des Sachverhalts jeder Gattung ihre loci zuweisen zu können und zu wissen, in welchen Bereich die ganze Sache einzuordnen ist. Üblicherweise werden drei Redegattungen gezählt: das genus demonstrativum (Lob- oder Prunkrede), das Lob oder Kritik beinhaltet; das genus deliberativum (Beratungsrede), das sich mit Zuraten oder Abraten beschäftigt, und das genus iudiciale (Gerichtsrede), das juristische Streitfragen behandelt. Ich meine aber, das genus didaskalikon (die Lehrrede) hinzufügen zu müssen, das sich auch auf die Dialektik erstreckt. Denn, wo immer man sich mit ganz bestimmten Sachfragen auseinandersetzt, kann man auf diese Gattung nicht verzichten. Und das besonders heutzutage, wo sie im kirchlichen Leben oft gebraucht wird. Sie ist allerdings nicht so sehr eine Sache der Kanzelberedsamkeit, sondern zumeist dort im Gebrauch, wo Menschen nach Art logisch argumentierender Dialektiker (dialecticorum more) Kenntnisse in den religiösen Lehren vermitteln, damit man sie wirklich verstehen kann. Die Lehrrede ist also die Methode, so zu informieren, wie es die Dialektik lehrt. Bei den Rhetoren spielt dies noch im Zusammenhang mit dem status der Definition (status finitivus) eine Rolle. Das genus demonstrativum ist der Lehrrede benachbart. Das meiste besteht hier aus abstrakter Erörterung (definitio), aber die wohllautend steigernde sprachliche Ausgestaltung kann, wie im Fall der Malerei, von den Ungebildeten eher wahrgenommen werden. Wie etwa deijenige, der die Gesetze rühmt und von ihrer Bedeutung spricht, sie einerseits lediglich darlegen, andererseits die Sacherklärung aber auch mit rhetorischen Mitteln steigernd ausgestalten wird.
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Der Psalm 'Dixit dominus' [Ps 110] wird zu Recht in diese Gattung gerückt, weil er Christus preist. Und dieser Lobpreis ist durchaus auch eine Art bloßer Sacherklärung (definitio), weil er nämlich die Person Christi beschreibt, sein Wirken in Erinnerung ruft, erklärt, daß er der Herr ist, der zur Rechten Gottes sitzen, d.h. mit gleicher Macht wie Gott herrschen wird. Der Psalm sagt, wo Christus erscheinen wird, nämlich in Zion, und daß er seine Feinde besiegen wird. Es wird ein Priester auftreten, heißt es da, durch den Gott versöhnt wird. Dieser Priester wird ewig sein, nicht in der Priesterschaft des Leviticus, sondern ein Priester, der segnet und die Vergebung der Sünden verkündet. Der Psalm fährt fort mit der Beschreibung der Strafe der Ungläubigen, die dem Herrn widerstehen. Und am Schluß zeigt er, daß der Herr auch selbst den allgemeinen Nöten der Menschheit unterworfen sein, aber von ihnen auferstehen wird. Wenn jemand in dieser Weise den Psalm als Beschreibung Christi betrachtet und die einzelnen Bestandteile als rationale Erklärungen im Sinne der Dialektik auffaßt, wird er den Psalm besser verstehen, und wenn es nötig ist, wird er alles aufgrund der Erklärungen der Bestandteile leicht einsichtig machen und mit sprachlichen Mitteln steigernd ausgestalten können. Es gibt noch viele andere Arten innerhalb des genus demonstrativum, die hier aber nicht aufgezählt zu werden brauchen. Es ist leicht festzustellen, was zu welcher Art zählt. Zum genus demonstrativum zählt beispielsweise noch die Dankesrede, denn wir loben mit ihr ja eine Wohltat; von dieser Art ist etwa Ciceros 'Oratio pro M. Marcello'. Unter das genus deliberativum fallen Gesuche (petitiones), Empfehlungen (commendationes), Fürsprachen (deprecationes), Anfragen (consulationes), Tadel (obiurgationes) und viele andere Arten, die Erasmus von Rotterdam in seiner Brief- und Schreiblehre ['De conscribendis epistolis', cap.: 'Tres omnium generum fontes1] behandelt.
2.1. Wozu die Kenntnis der Redegattung dienlich ist Damit junge Leute wissen, wann sie die für die inventio relevanten Gesichtspunkte (loci inventionis) heranziehen müssen, sollten sie sich zuerst daran erinnern, daß die loci nicht für die Bestimmung der Sachlage oder Fragestellung zu gebrauchen sind. Die Umstände bestimmen nämlich, um welche Sachlage es sich handelt, wie etwa eine Prozeßpartei ihre Sache vorbringt. Für den Religionslehrer ist ein sicherer Sachverhalt in der Hl. Schrift festgelegt, den es zu erklären gilt. Die verschiedenen Gelegenheiten bieten beim Briefeschreiben Anlaß für unterschiedliche Argumente. Weder die allgemeine Kunstlehre (ars) noch die speziellen Regeln (praecepta) für die Bestimmung der Sachlage können dies vermitteln. Sie bieten sich tatsächlich jenseits dessen ganz von selbst an, und man kann sie für sich durchaus erreichen. Die Kunstlehre ist dabei zu berücksichtigen, nicht um spielerisch mit müßigen Dingen umzugehen, sondern um ernste, bedeutende und schwierige Sachverhalte, die uns im öffentlichen Leben entgegentreten, zu klären. Deshalb ist, wenn eine bestimmte Angelegenheit in Angriff genommen wird, zuerst die Kunstlehre zu befragen und am Anfang zu prüfen, zu welcher Redegattung der Gegenstand in Hinblick auf den Sachbereich gehört. Die Gattungen sind nämlich so unterschieden, daß die loci nicht unklar bleiben. Daher kommen einem sofort, wenn die Gattung festgestellt ist, bestimmte Hauptgesichtspunkte (certi loci) in den Sinn, die beim Offenlegen und Erörtern eines Gegenstandes (materia) nützlich sind. Es ist zudem nützlich, die Gattung zu erkennen und zu durchschauen, weil, wenn man die Gattung erkannt hat, der Redezweck klar wird, d.h. die Hauptabsicht, die Hauptargumente oder, um es anders zu sagen, das Redeziel (scopus orationis). Denn das wichtigste bei je67
dem Text in allen Angelegenheiten ist es, den Zweck zu kennen, d.h. zu wissen, welcher Nutzen zu erwarten ist. Jede Rede, jeder Text wird entweder zur Unterrichtung geboten, oder er hat außer der Vermittlung von Einsichten noch ein anderes Ziel, vor allem zu einer Tat anzuregen. Beratende Rede fordert zu irgendeiner Handlung auf, so etwa wenn jemand davon überzeugt wird, einen Türkenkrieg führen zu müssen. Diejenigen Psalmen gehören zum genus deliberativum, die entweder Lehren oder Tröstungen, Verurteilungen oder Aufforderungen zur Tat bieten. Der letzte Zweck des genus demonstrativum ist die Vermittlung von Einsicht, etwa wenn wir Alexander den Großen preisen, indem wir erzählen, wie er seine Vorhaben weise, tapfer und heiter vollbrachte. Auf diese Art unterweisen wir den Hörer. Das gilt auch, wenn Beispiele der Nachahmung wegen angeführt werden. Verlangen wir doch in einer derartigen Rede nichts direkt von den Rezipienten, außer daß sie die Weisheit, die Tapferkeit und Heiterkeit dieses Mannes bedenken und bewundern. Der Zweck des genus didaskalikon ist die Wissensvermittlung, z.B. wenn jemand lehrt, was das Evangelium ist, wie wir es erreichen, daß Gott uns als Gerechtfertigte einschätzt oder was der Glaube ist. So jemand muß im Interesse der Unterweisung seiner Hörer die Zielsetzung bedenken. Und wenn das Wissen genutzt werden soll, dann unterscheidet sich die unterweisend-darlegende Redegattung wieder von derjenigen, die später zur Umsetzung der Theorie in die Praxis auffordert. Die Griechen fragten am Beginn aller ihrer Bücher, was die Absicht des Werkes oder welches der scopus, wie sie sagten, also das Ziel oder der zentrale Gesichtspunkt sei. Die Rhetoriker tun dasselbe, wenn sie nach der Redegattung fragen und danach, was die Redeabsicht ist, was die Rede fordert, ob Erkenntnis das Ziel der Rede ist oder zusätzlich auch noch zur Tat aufgefordert wird. Deshalb ist es höchst nützlich, den gerade in Betracht genommenen Text genau zu prüfen, damit wir festellen, welchen Gewinn wir von ihm zu erwarten haben. Auch ist der Sinn des halbwegs geschulten Hörers zu Beginn nicht recht eingestellt, wenn er sich nicht wenigstens etwas mit dem Redeziel befaßt hat. Dies alles wird deshalb so ausführlich gesagt, um zu zeigen, daß die Theorie viel zur Formung und Schärfimg des Urteils beiträgt. Im übrigen sind junge Leute in dieser Frage immer wieder zu mahnen, weil sie zuweilen die Redegattungen durcheinanderbringen. Obwohl jede Angelegenheit hauptsächlich auf eine Gattung bezogen werden kann, entsteht oft eine andere oder entlehnt man etwas aus den loci einer anderen Gattung, wie in Ciceros Oratio pro Archia'. Fast die ganze Rede ist dem genus iudiciale zuzuordnen, vieles aber übernimmt Cicero aus den loci des genus demonstrativum, nicht bezüglich der Sache (de re), sondern bezüglich der Person (de persona), deren Lob er singt, um ein günstiges Urteil zu erreichen. Auch Demosthenes entlehnt, wenn er zu überzeugen sucht, aus dem genus demonstrativum, so etwa wenn er Philipp von Makedonien angreift.
3. Über die Lehrrede (genus didaskalikon) Wenn jemand bezüglich dieser Gattung ausführliche Lehrsätze wünscht, muß er zur Dialektik zurückkehren, die allein die vollkommene Methode der sachlichen Darlegung und Unterrichtung vermittelt. Denn die Dialektik ist eigentlich nur die Kunstlehre von der korrekten Art sachlicher Erörterung oder Unterweisung (ars recte docendi). Diese Gattung ist von größter Leistungsfähig68
keit (vis) und von größtem Nutzen. Oft nämlich müssen die Menschen über die Religion, das Recht und alle Arten von sonstigen Pflichten unterrichtet werden, wo ohne den Einsatz dieser Methode der Sachverhalt nicht vermittelt werden kann. Und auch wir selbst können niemals lernen und schwierige oder komplizierte Dinge korrekt erfassen, wenn wir nicht der Methode folgen, die für den wenigstens einigermaßen Geübten recht leicht ist. Es treten nun zweierlei Arten von Fragen auf. Die einen sind einfach, etwa wenn sie nur ein Wort betreffen: Was ist Tugend? Was ist Buße? Demgegenüber sind die anderen Fragen komplex, etwa wenn eine Aussage entweder zu bestätigen oder zu widerlegen ist; z.B. die, ob ein Christ von seinen eigenen Leistungen ablassen sollte oder nicht.
3.1. Von den einfachen Fragen Die Hauptgesichtspunkte (loci) sind bei der einfachen Frage: Was ist der Gegenstand (quid sit)? Welches sind seine Teile oder Arten (quae sint partes vel species)? Welches sind seine Ursachen (quae causae)? Was sind seine Folgen (qui effectus)? Was ist ähnlich, was entgegengesetzt (quae cognata et pugnantia)? Diese loci sind heranzuziehen, wenn wir jemanden über irgendetwas aufklären oder unterrichten wollen. Das Denken muß sich angewöhnen, daß es jede aufgeworfene Sachfrage sofort in solchen loci betrachtet, die besagen, wo der Gegenstand (materia) aufzufinden, was aus der großen Fülle auszuwählen und in welcher Anordnung es auseinanderzusetzen ist. Denn die beim ersten Arbeitsschritt des Autors, bei der inventio zu bedenkenden Gesichtspunkte (loci inventionis), sowohl die dialektischen als auch die rhetorischen, führen nicht so sehr zum Finden der Materie als vielmehr zur Auswahl aus der Fülle von Sachinformationen, die sich aufgetan haben. Am Anfang muß bei jedem Sachverhalt die Definition stehen. Sie verlangt den locus: Was ist der Gegenstand? Doch zunächst muß über die Begrifflichkeit (de appellatione) gesprochen und die Bedeutung des verwendeten Wortes (significatio vocabuli) festgelegt werden. Die unzähligen Terminologiedebatten sind ja bekannt. Am Anfang also muß die genaue Bedeutung der Termini festgelegt werden, damit kein Raum für irrtumstiftende Doppeldeutigkeiten der Rede bleibt. In diesem Zusammenhang sind natürlich die bei den Theologen auftauchenden Debatten über den Wortlaut der Hl. Schrift von Interesse, denn wir benutzen hebräische Redefiguren, die, wenn sie nicht korrekt übersetzt sind, viele Irrtümer nach sich ziehen. So etwa im Fall des Pelagius ['Expositiones ΧΠΙ Epistolarum Pauli'], der sagte, daß die Gnade allein aus der Beachtung von Gesetz und Glaubenslehre folge. Aber Paulus unterscheidet deutlich die Gnade vom Gesetz. [Rom 6,14] Er nennt nämlich die Gnade eine Versöhnung, d.h. die Vergebung der Sünden und die göttliche Annahme, womit eine Gabe des Heiligen Geistes verbunden ist. Pelagius verdarb folglich die Lehre des Paulus in übler Weise.
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3.1.1. Ein Beispiel Weil die Grundprinzipien dieser Methode in der 'Dialektik' vermittelt werden, kann es hier in aller Kürze bei einigen wenigen Beispielen bleiben. Ein Beispiel ist das folgende: Was ist Tugend (quid est virtus)? Sie ist ein Zustand, eine Befindlichkeit des Willens (habitus voluntatis), die mich veranlaßt, der rechten Einsicht zu gehorchen. Bezugspunkt ist hier die gebräuchliche Definition der Philosophen. Welches sind die Bestandteile der Tugend (quae partes)? Gemäß dialektischem Sprachgebrauch sind sie durch Gattung (genus) und Unterscheidungsmerkmale (differentia) definiert. Aber wenn man fragt: was existiert in der Seele, was sind ihre Antriebe, dann müssen die Arten (species) genannt werden. Unterschiedliche Arten haben unterschiedliche Befindlichkeiten. Man kann viele Arten aufzählen: Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigkeit usw. Welches sind die Ursachen (quae causae)? Anlässe sind häufige ehrenvolle Handlungen. Aber die Ursachen dieser Handlungen sind das richtige Urteil und der zustimmende Wille. Was sind die Folgen (qui effectus)? Von Gott ausgesetzte Belohnungen, wie etwa in folgender Stelle: "Ehre Vater und Mutter, auf daß Du lange lebst auf Erden". [2 Mos 20,12] Was ist ihr ähnlich (quae cognata)? Mit der Tugend als einer menschlichen Befindlichkeit ist die körperliche Tüchtigkeit eng verbunden, eine gute natürliche Veranlagung. Was steht ihr entgegen (quae pugnantia)? Die Vorspiegelung von Tugend und die Schändlichkeit, sich öffentlich der Tugend zu widersetzen, wie im Fall der Verbrechen Neros und anderer. So zeigt die Dialektik die Ziele und den Umfang eines Problembereichs, wodurch eine große Fülle von Sachaspekten für den Fall an die Hand gegeben wird, daß man einzelne Gesichtspunkte vernünftig erklären will. *
3.2. Von komplexen Fragen Die loci eines zusammengesetzten Themas sind ungefähr dieselben wie die, die schon behandelt wurden. Denn die Methode allen Erörterns und Unterrichtens besteht in Erklärungen sowie im Aufweis von Ursachen und Wirkungen. Folglich leitet man Argumente zum Bestätigen oder Widerlegen ab: von einer Definition (a definitione), von den Ursachen (a causis), von den Wirkungen (ab effectibus), von den Bestandteilen (a partibus), von den Gegensätzen (a pugnantibus). Diese Hauptgesichtspunkte sind in Ciceros 'Topik' genauer beschrieben, die übrigen allerdings beziehen sich nicht auf den Fall im engeren Sinne, sondern sind mehr für die steigernde Ausgestaltung als für die eigentliche sachliche Unterweisung geeignet. Wenn also etwa laut Thema bestätigt werden soll, daß die Rechtfertigung des Christen nicht aus seinen Leistungen entsteht, dann muß eine Definition der wesentlichen Bestandteile dieser Aussage gefunden werden, d.h. was christliche Rechtfertigung eigentlich ist. Daraus wird das Argument abgeleitet. *
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4. Über die Gerichtsrede (genus iudiciale) Die Alten ersannen die Rhetorik vor allem in Hinsicht auf die Praxis, also um junge Leute für ihr Auftreten in der Öffentlichkeit (ad forum) vorzubereiten. Deshalb befaßt sich fast die ganze Rhetorik mit Lehren für öffentliche Auseinandersetzungen, speziell im Rechtswesen Wenngleich heute nur noch ein Restbild dieser alten Redekunst bei den Gerichtsreden übrig geblieben ist und die Juristen sich auf ihr eigenes Fachwissen stützen, so haben die Autoren, die sie lesen, doch sehr viel aus der Rhetorik entlehnt. Wir aber vermitteln diese Lehren entweder zur Schaffung von Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Texte anderer Verfasser oder, wie wir die jungen Leute auch unterweisen, zum eigenen Abhandeln von Steitftagen in Episteln sowie zur Erledigung kirchlicher Angelegenheiten. Denn die theologischen Auseinandersetzungen (disputationes ecclesiasticae) haben über weite Strecken eine Ähnlichkeit mit Gerichtsreden. Man interpretiert dort nämlich Gesetze (leges), entkräftet Widersprüche (antinomias), d.h. Aussagen, die einander zu widersprechen scheinen, man erklärt Doppeldeutigkeiten (ambigua), argumentiert bisweilen de iure, bisweilen de facto und sucht nach Aufklärung von Tatsachen. Folglich wird diese Redegattung in unseren Verhältnissen oft gebraucht. Aber um loci sicher der Gerichtsrede zuweisen zu können, seien zunächst einmal die verschiedenen status vorgestellt.
4.1. Über die Sachlagen oder Streitstände (status) Kein Teil der rhetorischen Kunstlehre ist nötiger als die Lehrsätze über die status. Das erste und wichtigste bei ihnen ist, da£ wir in jeder Angelegenheit bzw. Streitsache überlegen, um welche Kategorie von Sachverhalten (status) es sich handelt. Dabei ist zu fragen, was die im Raum stehende Hauptfrage (principalis quaestio), oder die Hauptaussage (propositio) ist, die den Kern der Angelegenheit trifft, worauf sich wiederum alle Argumente beziehen, gleichsam wie auf die zentrale Schlußfolgerung (principalis conclusio). Keine Streitfrage kann durchschaut, nichts in rechter Ordnung erklärt, nichts erkannt werden, wenn nicht irgendeine Aussage formuliert wird, welche den Kern der Sache enthält. Und man kann oft in den Ausführungen ungeschulter Redner feststellen, welches Gewicht dieser Grundsatz hat, wenn, nachdem keine deutliche Kernthese als Debattenthema aufgestellt wurde, die Ausführungen keinen größeren Zusammenhang ergeben, als jenes Bild bei Horaz, auf dem der Maler einem menschlichen Kopf einen Pferdenacken hinzufügt ['Ars poetica' 1-2] etc. So irren jene Paulus-Interpreten himmelweit von den wahren Schriftinhalten ab, die niemals aus einer Diskussion eine sichere Aussage oder These (propositio) gewinnen können und nicht sehen, daß alle unter eine Hauptthese gestellten Argumente besser greifen. Bisweilen steht eine Auslegung auch mit dem Autor im Widerstreit, weshalb junge Leute mit Nachdruck daran gewöhnt werden müssen, Texte gelehrter Verfasser, vor allem sachlich diskutierende Texte, zu lesen. Dabei können sie lemen, den status herauszufinden und in ihren eigenen Schriften und Reden Thesen aufzustellen und so ihre Argumente zu stützen. Dieser Grundsatz scheint banal, aber er ist äußerst nützlich. Man wird wenige finden, die ihn beachten, die genau überlegen, was sie sagen wollen und was der Kern ihres Anliegens sein wird. Es ist, um es mit den Worten des
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Horaz zu sagen, als ob jemand eine Amphore schaffen will und dabei so an der Töpferscheibe rüttelt, daß am Ende nur ein Krug zustandekommt. ['Ars poetica' 21-22] Aber natürlich ist nicht allein der status zu beachten, sondern, weil tatsächlich jede Art von Kontroverse irgendeinen herausragenden Syllogismus enthält, der den status bestens stützt, ist dieser auch in dialektischer Manier kurz hervorzuheben, so daß wir ihn richtiger beurteilen können, indem wir nur seine nackten und knappen Elemente zur Kenntnis nehmen. Deshalb haben die Rhetoriker den Teilen eines Syllogismus Namen gegeben. Der status ist die conclusio, denn die conclusio ist die Hauptaussage, die nach dem Argumentationsgang wiederholt wird. An anderer Stelle nennt man den status kephalaion, also den zusammenfassenden Hauptpunkt, oder hypothesis bzw. hypokeimenon, also die Grundlage oder Voraussetzung einer Sache. Daher kommt das später in den Schulen weitervermittelte Nomen subiecti für die Materie und die Gesamtheit einer Angelegenheit. Die syllogistische Major und die Minor heißen auch aition, Ursache oder Grund. Dasjenige von beiden, das kontrovers ist und durch das die conclusio, wenn es bewiesen ist, klar wird, nennt man krinomenon, also Entscheidungs- oder Streitpunkt. So besteht z.B. in der 'Oratio pro Milone' die Sachlage (status) darin, daß Milo den Clodius tötete. Das aition nun lautet: Es ist erlaubt, Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten. Milo aber schlug Gewalt mit Gegengewalt zurück. In diesem Fall ist die Minor ungewiß, und wenn Cicero dies dem Richter beweisen kann, wird Milo gewinnen. Folglich ist im vorliegenden Syllogismus die Minor das krinomenon. Bisweilen ist aber auch die Major das krinomenon. Dazu folgender Syllogismus: - Das Evangelium lehnt nicht die politischen Einrichtungen des Gemeinwesens ab. Sein Eigentum zu behaupten, ist eine politische Sache. - Also verbietet das Evangelium nicht, sein Eigentum zu behaupten. Hier ist die Major das krinomenon. Für den einfachen Mann ist nämlich aufzuweisen, daß das Evangelium über das ewige Leben und die Rechtfertigung der Seele gegenüber Gott belehrt. Daneben gibt es uns gleichzeitg Anweisung, von den weltlich-politischen Einrichtungen Gebrauch zu machen, so wie von Essen und Trinken, der Luft und anderen Gütern, die Gott seinen Geschöpfen überlassen hat. Beim krinomenon heißt der Beweis synechon, also Zusammenschluß, weil es den ganzen Syllogismus zusammenknüpft. Es gibt drei status-Formen, welche aufgrund von Fragestellungen unterschieden werden: Der Vermutungsstatus (status coniecturalis) ergibt sich aus der Frage, ob ein Sachverhalt in der angegebenen Art überhaupt vorliegt, wie z.B. in Ciceros 'Oratio pro Roscio' die Frage auftritt, ob Roscio seinen Vater überhaupt getötet hat. Der Gesetzesstatus (status legitimus), bei dem die Definition im Vordergrund steht, hat seinen Ursprung in der Frage, was für ein Sachverhalt vorliegt, wie z.B. bei Paulus, wo es um die Frage geht: Was ist christliche Rechtfertigung? Wenn wir nicht durch den Glauben als gerechtfertigt angesehen werden, sind dann die guten Werke Rechtfertigung? [Rom 3,28] Der Rechtsstatus (status iudicialis) ergibt sich aus der Frage, wie die Tat beschaffen ist, d.h. ob die Tat rechtmäßig war, etwa, ob Caesar nicht rechtens getötet wurde.
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4.1.1. Über den Vermutungsstatus (status coniecturalis) Da die erste Frage lautet, ob ein bestimmter Sachverhalt überhaupt vorliegt, müssen wir zuerst über den Vermutungsstatus sprechen. Den einzelnen status gehören ganz bestimmte loci an. Da wir aber die argumentativen loci am meisten bei den Redeteilen des Beweises (confirmatio) und der Widerlegung (confutatio) gebrauchen, sollen zuerst die Redeteile (partes orationis) als solche betrachtet werden.
4.1.1.1. Über die Redeteile (partes orationis) Es gibt sechs Redeteile: Einleitung (exordium), Darstellung des Sachverhalts oder Ereignisbericht (narratio), Angabe des Beweiszieles in Form einer Hauptaussage oder Kernthese (propositio), Begründung (confirmatio), Zurückweisung oder Widerlegung (confutatio) und Schluß (peroratio).
4.1.1.1.1. Einleitung (exordium) Das exordium ist die Einleitung einer Rede, denn bevor wir zur Sache reden, müssen die Zuhörer vorbereitet werden. Gemeinhin wird geschrieben, es seien dabei die folgenden drei Punkte zu beachten: daß wir unsere Zuhörer geneigt, aufmerksam und interessiert machen. Am meisten werden hier personenbezogene loci angebracht, z.B. über unsere Pflichten oder die eines Richters, wie z.B. Cicero dies tut in seinen Reden 'contra Verrem', 'pro lege Manilia' oder 'pro Archia', wo er zu den Gründen für die Übernahme des Falles Stellung nimmt. Wir beginnen mit dem Lob dessen, dem der Text gewidmet ist, wie z.B. Paulus in der Einleitung zum 'Römerbrief den Glauben der römischen Gemeinde rühmt. [Rom 1,8] Wenn wir Gegnern antworten, ist es leichter, aus der Situation heraus zu beginnen. So beklagt sich etwa Demosthenes zu Beginn über Aischines, daß er eine sehr ungünstige Bedingung gewählt habe, indem er dem Gegner nicht gestatte, für sich selbst zu sprechen. ['Rede vom Kranz' 1-2] Solch eine Beschwerde fand ihren Platz am besten im exordium. Quintilian beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf den einen Gesichtspunkt des Wohlwollens (benevolentiae locus), der in der Tat der herausragende ist. ['Institutio oratoria' 4,1,6-32] So wie wir uns nämlich in täglichen Unterredungen mit Freunden zu Beginn des Gesprächs empfehlen oder entschuldigen, daß wir Mühe bereiten, so ist es bei wichtigen Redegelegenheiten angebracht, die Hörer in Vorreden zu erregen oder für sich einzunehmen. Es ist im übrigen ein gewisses Zeichen humaner Umgangsformen, zunächst über die uns gestellte Aufgabe zu reden und dann erst zur Sache zu kommen. So gewinnen wir das Wohlwollen bisweilen aus den Angelegenheiten selbst, wenn sie ehrenvoll und einsichtig sind. Aufmerksame Hörer schaffen wir uns, wenn wir zeigen, daß wir von bedeutenden und nützlichen Dingen sprechen, wie im 'Römerbrief, wo es heißt: "Ich schäme mich nicht des Evangeliums. Denn es ist die Kraft Gottes." [Rom 1,16] Interessierte Hörer gewinnen wir, wenn wir den Kern der Angelegenheit kurz darstellen, wie im 'Römerbrief, wo Paulus sagt, im Evangelium eröffne sich die Rechtfertigung des Glaubens. [Rom 4,13]
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Die Vielzahl der Einleitungsarten kann hier nicht dargestellt werden. Wir beginnen nämlich nicht nur mit diesen genannten loci, sondern bisweilen mit solchen der Zeit, bisweilen mit solchen des Orts und bisweilen auch mit sonstigen Umständen. Diese mögliche Vielfalt zeigen wiederum Beispiele aus Ciceros Schriften. Auf eine wichtige Sache sollten Studierende immer hingewiesen werden, darauf, daß die größte Gunst den zurückhaltenden und gemäßigten Einleitungen zufällt. Folglich sind ausladende und pompöse Anfänge zu meiden, wie wir sie etwa bei Statius finden, zumal, wenn sie der eigenen Position entgegenstehen. Sie zeigen Arroganz und Dreistigkeit an. Und so empfiehlt Horaz in kluger Weise, "nicht Rauch aus der Flamme, sondern Licht aus dem Rauch zu geben". ['Ars poetica' 143] Am Textanfang sind auch Zweifel (dubitatio), Bewunderung (admiratio), Unerwartetes (aprosdoketon), ein Versprechen (votum) und ähnliche Figuren, aber auch Floskeln wie "nichts habe ich weniger erwartet" usw. angebracht. Geeignet sind zudem mildere Affekte aller Art, wie z.B. in dem Ausdruck "Dein Brief hat mir viel Vergnügen bereitet". In wichtigen Fällen pflegte man bei den Alten nicht auf Einleitungen zu verzichten, nicht einmal bei den Attikern, die die Regel hatten, "ohne Vorrede und Leidenschaft" zu sprechen. In Briefen allerdings wird oft auf Einleitungen verzichtet.
4.1.1.1.2. Darstellung des Sachverhalts (narratio) Die direkt auf das exordium folgende narratio ist die Darstellung eines Geschehens. Die Angabe des Beweiszieles (propositio), die den Kern der Sache enthält, sollte sich daran anschließen. Bei der Diskussion von Sachfragen (disputatio) und in Beiatungsfallen (suasoria) gebrauchen wir die narratio nicht unbedingt, bisweilen unterlassen wir sie auch dann, wenn es um Urteile geht. Es ist folglich eine Frage des praktischen Wissens, wann eine narratio zu gebrauchen ist.
4.1.1.1.3. Angabe des Beweiszieles (propositio) Auf die propositio kann jedoch nie verzichtet werden. Sie ist der wichtigste Teil der ganzen Streitsache (certamen), und oft sind es sogar mehrere propositiones. Zu beachten ist, daß in Abstufung die früher anzubringende vor der späteren zu stehen kommt, wie im 'Römerbrief, wo es heißt, daß alle Sünder sind, Heiden und Juden. [Röm 3,9] Erst dann folgt die Hauptaussage (propositio principalis), daß wir durch Christus als gerechtfertigt gelten, wenn wir glauben, daß Gott sich wegen ihm mit uns versöhnt hat, und nicht wegen unserer guten Taten. Man kann über keine Diskussion ein Urteil fällen, wenn man nicht die Struktur der propositio beachtet. Auch in Reden an die Gemeinde kann man mit Recht Sorgfalt verlangen. Die Redner stellen oft nicht den Hauptpunkt ihres Redegegenstandes vor, was bewirkt, daß der verunsicherte Hörer nie weiß, was ihn erwartet. Die Rhetoriker weisen in diesem Zusammenhang auf die Stoffeinteilung (divisio seu partitio) hin. Damit ist gemeint, daß wir bei der Angabe der Kernaussage bzw. des Beweiszieles zugleich angeben, was wir auslassen wollen oder - wenn wir eine Reihung vorhaben - welche Gesichtspunkte wir behandeln wollen.
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4.1.1.1.4. Begründung (confirmatio) Die Begründung, d.h. die Absicherung der Aussagen ist das schwierigste Unterfangen des Redners, weil ihre Funktion darin besteht, den Richter so zu überzeugen, daß er den gemachten Ausführungen zustimmt. Und da die propositio nichts anderes ist als die SchluBfolgerung aus der Beweisführung, wird das Beweisziel nicht akzeptiert, wenn es nicht durch die dabei unternommenen Begründungen gestützt wird. Wie die Dialektiker sagen: wenn die Prämissen nicht stimmen, muß die conclusio fehlschlagen, weil sie als Obersatz eines Syllogismus betrachtet werden können. Die von der Rhetorik vermittelten loci sind nur Hinweise auf Sachverhalte, bei denen es darum geht, woher die Dinge in jedweder Redegattung zu beziehen sind oder eher, wenn eine große Fülle davon vorliegt, was man zum Thema passend auswählen soll. * Wenn auf diese Weise die materia argumentorum gefunden ist, hat man sich auf die forma argumentorum zu konzentrieren, und diese gründet sich auf die Dialektik. Alles was Cicero etwa zum Syllogismus sagt, stammt aus dieser Disziplin. Der Orator kleidet die Syllogismen allerdings sprachlich ein (vestit ea), und er kann sie frei handhaben. Im rhetorischen Plausibilitätsbeweis, dem Enthymem, das sehr rasch vonstatten geht, wird die logische Schlußfolgerung den Hörem überlassen. Die Natur der Sache verlangt, die Argumentationsformen aus der Dialektik zu beziehen, die Umgangssprache jedoch ist bisweilen weniger eng an die Dialektik gebunden. Der Vermutungsstatus hat zwei in diesem Zusammenhang relevante loci: Absicht und Möglichkeit (voluntas et facultas), die beide in Konkurrenz zueinander stehen. Die 'Absicht' hat zwei Aspekte, der eine wird Antrieb (impulsio) genannt und schließt den Affekt ein, der andere die vernünftige, von der Zielsetzung abgeleitete Überlegung (ratiocinatio). Die 'Möglichkeit' hat zwei andere Aspekte: Anzeichen und Bedingungen oder Umstände (signa et circumstantiae). Die 'Anzeichen' sind faktische Gegebenheiten oder Kennzeichen (facta aut notae) irgendeiner Sache, die jedermann wahrnehmen kann. Zu den 'Bedingungen' zählen Zeit, Ort oder technische Bedingungen, wie sie der folgende Vers erfragt: Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando [= Lasswell-Formel]. *
4.1.1.1.5. Zurückweisung oder Widerlegung (coniutatio) Die confutatio ist die Auflösung oder Widerlegung von gegnerischen Argumenten. Das entsprechende Verfahren ist weitgehend der Dialektik zu entlehnen, wo eine dreifache Methode (triplex ratio) angegeben wird. Die erste Methode liegt vor, wenn ein Fehler in der Form des Arguments (peccatum in forma argumenti) gefunden wird, weil dann die logische Folge nicht stimmt. * Die zweite Methode: Liegt der Fehler im Gegenstand des Arguments (peccatum in materia argumenti), dann ist er entweder durch eine Unterscheidung oder durch In-Abrede-Stellen bzw. Leugnen zu entkräften. * Die dritte Methode: Oft dreht sich die ganze Diskussion um Indizien. Geschickte und sprachgewandte Redner zeigen hier ihre Fähigkeiten, denn sie wissen, wie Indizien auf verschiedene 75
Weise zu deuten sind und welch unterschiedliche Arten von Indizien es gibt. Auf nichts trifft das Wort des Euripides "die Logiker spielen mit den Worten" mehr zu als auf diese Art der Widerlegung. Die Vernunft bringt hier die Vernunft zur Strecke, oder, wie man zu sagen pflegt, Gründe stehen gegen Gründe. * Zwei Hauptverfahren können die Indizien umdeuten: die inversio, die die Fakten zugunsten der eigenen Sache interpretiert (z.B. 'wenn ich ihn getötet hätte, hätte ich ihn dann begraben?') sowie die absolutio, die die Indizien oder den Fall nicht gegensätzlich, sondern auf eine andere originelle Weise deutet (z.B. 'ich habe ihn begraben, aber nur weil ich von Mitleid ergriffen wurde, als ich zufällig vorbeikam'). *
4.1.1.1.6. Redeschluß (peroratio) Die peroratio ist der Schluß der Rede, in der die Hauptaussage wiederholt wird. Wenn diese vor der confirmatio piaziert ist, nennen wir sie propositio, steht sie danach, heißt sie, wie bei den Syllogismen der Dialektiker, conclusio. Aber jede peroratio besteht aus zwei Dingen: zum einen aus der Wiederholung der propositio und der wichtigsten Argumente, zum anderen aus Elementen, die die Emotion anstacheln (affectus). Was sich an Affekten eignet, weiß man gewöhnlich auch ohne Schulung, also daß der Angeklagte Mitleid braucht, der Ankläger aber Haß. Um des weiteren festzulegen, aus welchen Quellen die affektiven Mittel bezogen werden sollen, ist die Natur der Sache zu bedenken, wobei es dem Redner für den Fall, daß er es mit rhetorisch Unbedarften zu tun hat, leicht erscheinen dürfte, festzustellen, mit welchen Mitteln man die Herzen der Menschen gewinnen oder erregen kann. Gibt es doch das von großem Einsichtsvermögen zeugende Diktum, daß die Rhetorik durchaus ein klein wenig von Schmeichelei in sich habe.
4.1.2. Über den Rechtsstatus (status iuridicialis) Wie sich der status coniecturalis aus der Frage ergibt, ob sich das Geschehnis tatsächlich ereignet hat, so der status iuridicialis aus der Frage, welche Art von Geschehnis vorliegt. Da hier geprüft wird, ob etwas in Einklang mit dem Recht oder auf andere Weise getan wurde, nennt ihn Quintilian den status der Beschaffenheit (status qualitatis). ['Institutio oratoria1 7,4] Die Griechen nannten ihn dikaiologikon, den jurilogischen status, weil es dabei um das Recht geht, wie in folgenden Äußerungen: 'Caesar wurde zu Unrecht getötet' oder 'Es ist rechtens, Diebe zu hängen'. In Fällen dieser Art gelten die genannten Textteile, also exordium, narratio, propositio, confirmatio, confutatio und peroratio. Für die meisten von ihnen bedarf es keiner weiteren Regeln. Neue loci enthalten nur confirmatio und confutatio (auf die sich das folgende in erster Linie bezieht). Für die verschiedenen status gibt es unterschiedliche loci. Da der hier behandelte status ganz mit dem Recht befaßt ist, werden die folgenden loci von den Juristen gebraucht:
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Naturrecht (natura), positives Recht, staatliche Gesetzgebung (lex), Gewohnheitsrecht (consuetudo). Was ist angemessen (aequum), was gut (bonum), was stimmt mit der Rechtsprechung überein (iudicatum), was mit dem Konsens der Allgemeinheit (pactum). Diese loci beziehen sich bei den Dialektikern auf die Wirkursache (causa efficiens). Denn das Recht ist das, was durch die Antriebskraft des Naturrechts oder des positiven Rechts aufrechterhalten wird. Was das Naturrecht, das positive und das Gewohnheitsrecht sind, kann man bei den Juristen nachlesen. Wir haben früher noch den Gesichtspunkt der Religion (locus religionis) hinzugefügt, doch der ist im geschriebenen positiven Recht enthalten, weil das göttliche und menschliche Recht die zwei Aspekte des positiven Rechts sind. *
4.1.2.1. Loci des Naturrechts In allen Sachbereichen, in denen nach dem Recht gefragt wird, müssen vor allem das Naturrecht (ius naturae) und das göttliche Recht (ius divinum) herangezogen werden. Bei der aufgeworfenen Frage kann dann ein festes und gewichtiges Argument aus dem Naturrecht abgeleitet werden. Dazu folgender Syllogismus - Naturrecht ist es, sich gegen ungerechte Grausamkeit, vor allem wenn sie offensichtlich ist, oder, wie man sagt, gegen notorische Ungerechtigkeit zu verteidigen. - Constantin unternahm solch eine Verteidigung. - Deshalb handelte er richtig. Dieser Syllogismus kann in folgender Weise sprachlich erweiternd durch eine Steigerung der Übeltaten des Licinius [Eusebius: Vita Const. 10,8,10-18] ausgestaltet werden: Es ist ein gräßlicheres Verbrechen, Priester und andere Fromme hinzuschlachten, als jede andere Übeltat, weil dabei gegen Gott besonders geweihte Menschen gewütet wird. Und dies Übel entsteht, weil Tyrannen solche bemitleidenswerten Menschen nicht nur aus ihrer Mitte entfernen, sondern vor allem den Namen Gottes, die wahre Religion und Lehre vernichten und beseitigen sowie die Ehre Gottes gänzlich unterdrücken wollen. Gegen diese außerordentlichen Verbrechen müssen Könige und Fürsten die Waffen ergreifen. Sie führen, wie Paulus sagt, das Schwert, um die Guten zu verteidigen und die Ungerechten zu bestrafen. [Rom 13,3]
4.1.2.2. Loci des positiven Rechts Die göttlichen und menschlichen Gesetze befehlen Königen und allen Regierungen, die Unschuldigen zu verteidigen, vor allem aber jene, die wegen ihrer Religion verfolgt werden. Um dies zu stützen, sind Sentenzen, die die Pflichten der Regierungen zum Gegenstand haben, aus Schriftstellern zu ziehen, wie etwa die folgenden aus Jesaia: "Helft dem Unterdrückten" oder "Schafft der Waise Recht" [Jes 1,17] und aus dem Psalm: "Befreit den Geplagten aus der Hand des Sünders". [Ps 71,4] *
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Weitere loci können aus geeigneten Fallbeispielen bezogen werden (loci ab exemplis). Was nun die confutatio betriffi, so gibt es eine ganze Reihe möglicher Einwendungen. Im Falle des oben erörterten Vorgehens Constantins gegen Licinius kommen in Betracht: Rückgriff auf das Evangelium (z.B. 'die Bibel untersagt Rache'), Rückgriff auf das Bündnisrecht (gestattet Vorgehen gegen Verbündete bei Rechtsbruch), Rückgriff auf das Naturrecht (Selbstverteidigung eines Rangniedrigeren ist im Falle von Unrecht erlaubt). Bei allen Argumentationen ist auf die sprachliche Ausgestaltung zu achten, weil sie die Wirkung erhöht. Wenn in anderen Fällen die Verteidigung auf schwachen Füßen steht, bleiben als Methoden: die concessio (Herunterspielen der Tat mit dem Ziel milder Beurteilung), die translatio criminis (Abwälzen der Schuld auf andere), und die deprecatio (Anrufung um Mitleid). *
4.1.3. Über die Gesetzesstatus (status legales) Diese status haben das meiste mit den gelehrten Auseinandersetzungen in Schulen und unter Gelehrten zu tun, und ein großer Teil von ihnen kann mit Hilfe der Dialektik erfaßt werden. Dabei geht es um folgende loci: strittige Interpretation einer Gesetzesstelle (definitio), widersprüchliche Gesetze (contrariae leges), Geist und Buchstabe eines Gesetzes (scriptum et sententia), zweifelhafter Gesetzestext (ambiguum), schlußfolgemde Beweisführung (ratiocinatio), Verschiebung der Zuständigkeit (translatio). *
5. Über die Beratungsrede (genus deliberativum) Das genus deliberativum bezieht sich auf das Zuraten und Abraten, Aufmuntern und Abmahnen, auf Bittgesuche, Anrufung, Tröstung und Ähnliches, wo das Ziel nicht Einsicht, sondern irgendeine darüber hinausgehende Handlung ist. Hierzu gibt es zahlreiche Beispiele, und in dieser Gattung werden heutigentags sehr viele Briefe verfaßt, in denen junge Leute von ihren Freunden etwas erbitten. Die Einleitungen werden bei dieser Gattung wie in anderen Fällen gestaltet. Wenn es die Sache verlangt, verwenden wir die narratio. Aber es ist in dieser Gattung häufig so, daß keine narratio nötig ist. Es folgt die propositio, und wenn nichts mittels einer narratio berichtet werden muß, steht die propositio allein, denn auf sie kann in keinem Fall verzichtet werden. Und um mehr Resonanz zu haben, wird die propositio oft steigernd ausgestaltet (cum amplificatione), etwa in folgender Art: "Ihr Fürsten könnt keinen notwendigeren oder wohltätigeren Krieg führen, keinen, der Eurer Würde mehr entspricht, als diesen Krieg gegen die Türken, die in den letzten Jahren die grausamsten Raubzüge bis an die Pforten Deutschlands unter Euren Augen unternommen haben, die Euch den Krieg erklärt haben und Tod und Zerstörung über ganz Deutschland brachten sowie den Untergang des Reiches und der christlichen Religion und die schlimmste Sklaverei für Eure Kinder und Frauen." 78
Es gibt für diese Gattung drei Gruppen argumentativer loci: das Ehrenvolle (honestum), das Nützliche (utile) und das Leichte und Gefällige (facile). In sie schließen wir auch das Notwendige (necessarium) und Mögliche (possibile) ein, die in den üblichen Theorien fortgelassen werden, weil man meint, daB sie keine besonderen Fachkenntnisse erfordern und keines Ratgebers bedürfen. * Honestum, utile und facile haben ihren Ursprung in den dialektischen loci von definitio und causa. Da aber das Ziel eine Handlung (actio), nicht eine Einsicht (cognitio) ist, haben sie ihre Bezeichnungen von den Zwecken, auf die sie die Handlung ausrichten. Wir wollen nämlich nur das Gute, Ehrenvolle und Nützliche, wenn wir es auch erreichen können. Die Ehre wird vom göttlichen und menschlichen Recht abgeleitet und von der Definition der verschiedenen Tugenden. Die Gesetze wiederum gehören zur Wirkursache (causa efficiens). Denn sie veranlassen den menschlichen Willen zur Tat. Und die Tugendlehren gehören ebenso hierher, weil sie eigentlich auch Gesetze sind. Wenn also die Ehre aus den Gesetzen und der Natur der Tugenden abgeleitet wird, ist es nötig, daB sich diejenigen, die sich damit angemessen auseinandersetzen wollen, gut mit den loci communes vertraut machen. Wenn sie z.B. die Fürsten zum Türkenkrieg bewegen wollen, müssen sie zuerst die Ehrenhaftigkeit einer solchen Tat darlegen und dabei Sentenzen der Hl. Schrift zitieren, die darüber belehren, daß die Regierungen ihre Untergebenen zu beschützen und Raubzüge abzuwehren haben. Es ist dabei notwendig, die abergläubische Überzeugung zurückzuweisen, die sich bei manchem finden läßt, daß es einem Christen nicht erlaubt sei, Kriegsdienst zu leisten. Eine Diskussion dieser Frage verlangt ein über das Normalmaß hinausgehendes Wissen. • Die loci der Nützlichkeit und Gefllligkeit bedürfen keiner besonderen Kenntnisse, denn sie werden auch von einfachen Leuten leicht erkannt. Beispiele sind in diesem genus von besonderer Bedeutung, weil sie die Affekte erregen können. Zur suasorischen Untergattung, also zur positiven Beratungsrede, gehören in der Hl. Schrift die Ermahnung (exhortatio), Tröstung (consolatio), Anrufung oder die Gebetsbitte (deprecatio). Dies gilt z.B. für den Psalm 'Miserere'. [Ps 51] Dort werden oft die Hauptaussage (propositio) und das Anliegen (petitio) wiederholt. Klagen (querelae) sind an verschiedenen Stellen eingefügt. *
6. Über die Prunk- und Festrede (genus demonstrativum) Das genus demonstrativum besteht aus Lob und Tadel, aber es ist wichtig, ob Personen (personae), Geschehnisse, Handlungen (facta) oder Sachfragen (res) behandelt werden. Für jeden dieser Bereiche sind eigene loci zu verwenden. Wenn wir eine Person lobpreisen, erzählen wir normalerweise seine Biographie in zeitlicher Abfolge (ordine narramus historiam) und halten dabei eine sachliche Reihenfolge ein. Die loci der Person sind die folgenden:
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Herkunftsland, Geschlecht, Geburt, Befähigung, Schulbildung, Beruf, Kenntnisse, Taten, Auszeichnungen, Lebensende, Nachleben. Diese Reihenfolge der Biographie ist in Laudationes besser geeignet als jene, mit der etwa Gelehrte in den Schulen die Vorzüge einer Person in drei Abteilungen einzuführen pflegen, nämlich nach den naturgegebenen Anlagen (bona naturae), den Geistesgaben (bona animi) und den hervorragenden Seiten der Lebensumstände (bona fortunae). Und wenn sie die einzelnen Teile einer Biographie diesen Rubriken unterordnen wollen, müssen sie die sachliche Reihenfolge durcheinanderbringen. Ansonsten verdienen diese loci insofern Beachtung, als man mit ihnen einflechten kann, wie sehr etwa die Geistesgaben die Lebensumstände übertreffen. Die exordia sind in dieser Gattung freigestellt, wie man am Hochzeitslied (epitalamium) und Grablied (epicedium) sieht. Manchmal beginnen diese Texte mit der Trauerzeremonie, manchmal mit irgendeiner anderen Handlung, manchmal mit Klagen, manchmal mit Glückwünschen. Die übrige Rede ist eine ununterbrochene historiae narratio, d.h. eine Biographie oder andere Erzählung, in der die besonderen Auszeichnungen steigernd ausgestaltet werden, um zur Bewunderung und Nachahmung anzuregen. Da aber Beispiele vorliegen, an Hand derer man die Gestaltungsregeln dieser Gattung studieren kann, bedarf es keiner weiteren Lehrsätze. * Obwohl die Texte dieser Gattung letztlich also in einer fortgesetzten narratio bestehen, tauchen dennoch hier und da Passagen mit sachlichen Erörterungen auf (disputationes), in denen wir das Mittel des Beweises (confirmatio) oder Gegenbeweises (confutatio) gebrauchen. Wenn beispielsweise jemand Caesar lobpreisen will, muß er ihn dafür entschuldigen, daß er einen Krieg gegen sein Vaterland unternahm, und sagen, daß Caesars Feinde, weil sie ihn vom Wohlwollen des Volkes abschneiden wollten, als erste den Krieg ausgerufen und begonnen hatten. Somit hat er nicht einen Krieg gegen sein Vaterland angefangen, sondern Unrechte Gewalt von ihm abgewehrt, während Pompeius jede Bedingung des Friedens ablehnte, wenn man ihm nicht Caesars Kopf bringe. Es bleiben noch andere Textarten, die zum genus demonstrativum zählen, z.B. wenn wir eine Tat bzw. ein Ereignis (factum) oder eine bestimmte Sache (res) preisen. Hier können alle Redeteile eingesetzt werden: exordium, narratio, confirmatio, confutatio und conclusio. Wir entlehnen loci vom genus deliberativum. Z.B. gebraucht man die loci des Ehrenhaften (honestum), Nützlichen (utile), wohlgefällig Leichten (facile) oder Schweren (difficile), wenn man die Tat Kaiser Lothars von Sachsen rühmen will, der das Römische Recht wiederbelebte, das, infolge der Eroberung Italiens durch die Goten, bis zu jener Zeit in den Bibliotheken verborgen lag, und der befahl, daß die Rechtsprechung wieder diesem Recht folgen solle. Zuerst haben wir den locus der Ehre zu verwenden, der angebracht ist, einen Fürsten zur Einrichtung der besten Gesetze im Gemeinwesen zu bewegen. Wir sollten die Argumente nicht allein von der 80
Person Lothars ableiten, d.h. von den Pflichten des Fürsten, sondern auch von der Sache, von der Würde des Römischen Rechts, das ein Hort der humanitas, Klugheit und Gerechtigkeit ist, denn kein Volk hatte je bessere Gesetze oder Gesetze, die mehr mit dem Naturrecht in Übereinstimmung standen, als das römische Volk. Beim Nützlichkeits-Topos wird das Argument lauten, daß sichere Gesetze den öffentlichen Frieden stärken. Lothar regierte so erfolgreich, daß er für alle nachkommenden Staaten einen größeren Rechts frieden schuf. Denn vor seiner Zeit gebrauchten die Staaten keine sicheren Gesetze, sondern die Regierung sprach Recht nach eigener Willkür. Dies ist, da es einer Tyrannei sehr nahekommt, für die Staaten gefährlich. Andernorts hatte man barbarische Gesetze, wie etwa die Salischen Gesetze, also die Fränkischen Hofgesetze, die viele Unmenschlichkeiten festlegten. Deshalb machte Lothar die Sitten und Gebräuche der Völker milder, indem er humanere Gesetze erließ. Denn die Verhaltensweisen und Meinungen der Menschen ahmen weitgehend die Gesetze nach. Hier nun kann Lothar mit den Gesetzgebern der Alten, wie Solon oder Justinian, verglichen werden. Auch die Schwierigkeit seines Unterfangens sollte rühmend gewürdigt werden, denn nur wenige Fürsten unternehmen es, selbst in Friedenszeiten, die Gesetze zu verbessern. Lothar aber tat dies trotz großer Kriegslasten. Hier können nun einige allgemeine Gesichtspunkte (loci communes) bezüglich der Talente unserer Fürsten hinzugefügt werden, etwa daß sie sich mit den berühmtesten Fürsten bei Griechen und Römern in Regierungskunst, Klugheit, Großzügigkeit, Treue und Gerechtigkeit als gleichrangig erwiesen haben und keinesfalls als Barbaren anzusehen sind. Zu dieser Art Rede gehören auch Dankesbezeigungen, in denen ihre Wohltaten in Erinnerung gerufen und herausgestrichen werden. Ciceros Reden zu seiner Rückkehr und 'pro M.Marcello' gehören in diese Kategorie. In dieser Weise werden auch Sachen gepriesen, also etwa die gelehrten Disziplinen, Philosophie, Beredsamkeit, die Gesetze, die Medizin oder der Friede unter den Menschen. Das Ehrenhafte kann dabei aus den Wirkursachen abgeleitet werden, d.h. in erster Linie aus dem Erfinder oder Urheber; im Fall der Philosophie etwa aus der Tatsache, daß sie eine Gabe Gottes ist. Wie nämlich das Licht die Augen nach Gottes Willen trifft, so die Wahrheit den menschlichen Geist; die wahre Einsicht ist ein Gottesgeschenk. Der Nutzen folgt aus den Ergebnissen. Die Philosophie stellt uns Hilfen für das Leben vor, die Grundsätze und Verhaltensregeln für die Bürger, die Gesetze, die Naturkunde (medicina), Zahlen und Maße. Alles Dinge, die wir für das ganze Leben brauchen. Bisweilen sind aber auch das Leichte oder das Schwere zu preisen, und es liegt im Abwägen des Redners, was gerade angemessen ist. Diese Angemessenheits-Regel sollte nicht nur im Leben, sondern vor allem im Bereich der Rede berücksichtigt werden. Nirgendwo nämlich tritt die Angemessenheit (decorum) so hervor wie in der Rede, deshalb ist sie die hervorstechendste, wichtigste und schwierigste unter allen menschlichen Leistungen.
7. Über die allgemeinen Gesichtspunkte (loci communes) Bis hierher wurden in aller Kürze die wichtigsten Grundsätze der inventio vorgestellt, über die die Griechen umfangreiche Bücher geschrieben haben. Es soll damit genug sein, denn wenn ein gewisses methodisches Bewußtsein geschaffen ist, braucht man die Dinge nicht mehr in rhetorischen Lehrbüchern zu suchen, sondern man bezieht sie aus der Alltagserfahrung oder Lebensklugheit (a communi prudentia) oder aus einem bestimmten Fachgebiet. Im übrigen führen die 81
genannten Grundsätze nicht so sehr zum Auffinden von irgendwelchen Gedanken, sondern zur Auswahl des Geeigneten aus dem Angebot der zur Verfügung stehenden anderen Wissensdisziplinen. Außerdem sei nochmals betont, daB, weil die Nachahmung (imitatio) mehr zur Beredsamkeit beiträgt als die Theorie (ars), die theoretischen Lehrsätze (praecepta) in erster Linie nur deshalb vermittelt werden, damit sie jungen Leuten bei der Lektüre herausragender Texte helfen. In diesem Alter kann man noch keine komplexen Texte erfassen, wenn man nicht vorher Kenntnisse in Form von eingeprägten Wissenseinheiten erworben hat. Zu den Lehrsätzen der inventio ist allerdings noch einer hinzuzufügen, der in Sachdebatten größte Wirkung zeitigt. Gemeint ist der Lehrsatz, der das Problem betrifft, wie man eine Hypothese (hypothesis) in eine These (thesis) überführt. Unter Hypothese ist dabei eine in Frage stehende, aus bestimmten Bedingungen resultierende Angelegenheit, somit eine begrenzte Fragestellung zu verstehen (negocium circumscriptum circumstantiis), also etwa die Frage, ob man Krieg gegen die Türken führen sollte. Mit These ist dann eine unbegrenzte Fragestellung, quasi ein allgemeiner Kern der Frage gemeint (thesin vocant generalem quaestionem), also etwa, ob es einem Christen überhaupt erlaubt ist, Kriege zu führen. Es ist leicht festzustellen, daß bei der Rede über den Türkenkrieg alles ausführlicher und ergiebiger wird, wenn man von der Art zur Gattung bzw. vom Speziellen zum Allgemeinen übergeht (a specie ad genus) und man, wenn von den Pflichten einer Regierung, vom Krieg im allgemeinen gesprochen werden soll, erörtert, welch fromme Tat Könige begehen, die ihr im Gottvertrauen lebendes Volk gegen die räuberischen Türken verteidigen. Antonius und Crassus in Ciceros 'De oratore' [3,106-107] lehren uns, daß stets zu überlegen ist, welche derartigen loci communes, d.h. Allgemeinplätze oder allgemeinen Gesichtspunkte jeder Fall enthält. Von diesen beziehen sich gewöhnlich einige auf den ganzen Fall, und das betrifft dann die These, während andere nur nebensächlich sind. Und wie die These bisweilen in einem Text eine Sonderstellung einnimmt, so kann sie auch in jedem einzelnen Redeteil besondere sprachliche und inhaltliche Akzente schaffen. Neben der These können weitere beiläufige loci angesprochen werden, wie es z.B. Cicero in seiner 'Oratio pro Milone' [85] tut, wenn er sagt, Clodius sei von Gott wegen seiner Verbrechen gegen die Religion bestraft worden und damit einerseits einen allgemeinen Gesichtspunkt anspricht, andererseits aber beiläufig feststellt, daß es einen Gott gibt und dieser die Welt regiert. Nun sollen einige Beispiele aus kirchlichen Texten vorgestellt werden, die ohne Wert wären, wenn sie sich nicht auf zentrale loci der christlichen Doktrin bezögen. Wenn etwa jemand die Geschichte Davids interpretiert, nämlich die Geschichte, in der erzählt wird, wie er wegen seines Ehebruchs gemaßregelt wurde [2 Sam 11-12], dann ist dasjenige unter die loci aufzunehmen, was der christlichen Lehre am meisten entspricht. Das heißt für die genannte Geschichte, daß die Gesichtspunkte der Buße zu schildern sind. Denn es ist dort nicht nur von der Maßregelung, sondern auch von der Vergebung die Rede, für die sich der fromme Geist bei biblischen Geschichten vor allem interessiert. Christus selbst lehrt uns diese Technik, indem er oft Hypothesen in Thesen überführt. Ein Beispiel dafür ist, daß er die Verletzung der pharisäischen Überlieferung durch die Apostel entschuldigt und dabei allgemein zu diesen Traditionen Stellung nimmt [Mk 7; Mt 15];· ein anderes, daß er den Bericht über die Grausamkeit des Pilatus erhält und dann - laut Lukas 13 - eine tiefgründige Predigt über die Buße hält. Herangezogen werden die loci communes sowohl für die sachliche Darlegung oder die Beweise (ad probandum) als auch für die sprachlich-steigernde Ausgestaltung (ad amplificandum). In beinahe jedem Beweisgang ergibt sich das meiste aus irgend einem locus communis. Und die 82
Studierenden sollten achtgeben, damit sie wissen, wo man diese allgemeinen Gesichtspunkte gebraucht. Wer sie klug auswählt, kann, wann immer er will, Gewöhnliches auf neue Weise und Ungewöhnliches auf übliche Weise behandeln. Unter loci communes sind nicht etwa nur Tugenden und Laster zu verstehen, sondern die herausragenden Bestandteile (praecipua capita) eines jeden Wissensbereiches, die die Quellen und den Kern der jeweiligen Disziplin enthalten (fontes et summa artis). Es ist also nicht immer alles zu gebrauchen. Aber jeder sollte wissen, daß seine Qualifikation darin besteht, sich auf die zentralen loci zu konzentrieren, die sich anbieten, wenn er über eine Sache zu sprechen hat. Manche glauben, sie verfügten über loci communes, wenn sie viele Sentenzen bezüglich verschiedener Sachverhalte aus Poeten und Oratoren exzerpiert haben. Und weil sie glauben, die Anhäufung bedeutender Aussprüche sei die beste Bildung, haben sie kein anderes Interesse am Lesen, als aus den Schriften, wie bei einer Blüte, Sprüche (dicta) zu pflücken. Währenddessen lernen sie keine Disziplin wirklich gut zu beherrschen, sie verstehen nichts und durchschauen an keiner Stelle die wirkliche Beschaffenheit eines Textes. Diese Art von Studium hat wenig Wert, und es ist schädlich, dafür diesen Begriff zu verwenden, denn bei Narren bewirkt er den Glauben an ihre Befähigung, und nichts ist schädlicher als dies. Man sollte also wissen, daß man die loci communes nur dann richtig erkennt, wenn man auch die Fachgebiete, auf die sie sich beziehen, wirklich versteht. Und um solche allgemeinen Gesichtspunkte in angemessener Weise in Texte einzubringen, muß man sie bestens begreifen. Es ist richtig, daß im öffentlichen Leben oft über Tugenden, Laster, Zufall oder Glück, Gesetze oder Sitten und Gebräuche diskutiert wird. Deshalb erwähnen die Rhetoren diese loci besonders gern. Aber sie können sie weder gut verstehen noch sprachgewandt und inhaltlich differenziert abhandeln, wenn sie mit diesen Fachgebieten nicht vertraut sind. Folglich ist es nötig, dem guten Reden und Schreiben ein Studium in den wichtigsten Fachdisziplinen hinzuzufügen, also in Philosophie, Theologie, Jura und Geschichtsschreibung. Aber natürlich hat das Sammeln von Aussprüchen oder interessanten Textstellen (dicta scriptorum) auch einen gewissen Nutzen, besonders für jüngere Leute. Solche Stellen enthalten nämlich viele Glanzlichter im Ausdruck (lumina verborum) und viele in stilistischer Hinsicht bemerkenswerte Figuren, wie etwa die gelungene Metapher in dem auf Erfahrung zurückgehenden Vers: 'Der nachkommende Tag lernt aus dem vorangegangenen.' [Vergl. WALTHER: Proverbia, 5946] Man zitiert diese Stellen nicht nur wegen ihrer Eleganz, sondern auch wegen ihrer Autorität, denn sie haben das Gewicht eines Zeugnisses, weil sie von bedeutenden Männern stammen, so wie Vergil beispielsweise Verse des Ennius in seine Dichtungen wegen ihrer Bedeutsamkeit einfügt und auch Cicero vieles zitiert usw. Viele dieser Sentenzen enthalten gewichtige Lehren, weshalb sie nicht nur zur Zierde vorgebracht werden, sondern wie Gesetze und Orakel zur Beweisführung. Von dieser Art ist eine Stelle bei Livius, die sich mit der Unveränderlichkeit der Staatsverfassung beschäftigt und in der es heißt, daß gegenwärtige Mißstände nicht überzubewerten sind, weil eine Änderung womöglich ein größeres Übel berge. Und er zitiert das Sprichwort der Griechen: "wecke keine schlafenden Hunde". [Vergl. WALTHER: Proverbia, 39633h-39634a] Bisweilen kann ein kurzes Diktum eine Sache besser definieren als ein Philosophendisput, wie z.B. die Gesetzesdefinition bei Demosthenes. ['Rede vom Kranz' 2] Aus diesem Grunde vergrößert das Bemühen, Textstellen zu sammeln, nicht nur die Ausdrucksfülle (copia verborum), sondern trägt gleichermaßen zum Verständnis von Sachverhalten bei. Wie wort- und variantenreich auch immer man die loci communes zu behandeln vermag, es muß prinzipiell das Wissen um den 83
jeweiligen Sachbereich hinzutreten. Im übrigen ist selbst beim Zitatensammeln eine gewisse Methodik vonnöten, weil das Memorieren durch eine reflektierte Anordnung in Gruppen unterstützt wird. Darin drückt sich ein methodischer Ordnungssinn aus. Es ist eben auch ein Teil der Bildung, die Struktur (ordo) sowie Anfang und Fortgang von Sachverhalten zu durchschauen. Die beste Aufteilung erreicht man, wenn man den Unterscheidungen der Fachdisziplinen folgt. Man muß nämlich achtgeben, daß man die Fachgebiete nicht vermischt und daß man unterscheidet, welches theologische loci und welches philosophische sind. Die philosophischen können aus den Merkmalen des Menschen abgeleitet werden: Vernunft (ratio), Kunst- und Wissensbereiche (artes), Klugheit (prudentia), Fähigkeiten und Tugenden (virtus), Emotionen (affectus), Sitten (consuetudo), Körperlichkeit (corpus), Gestalt (forma), Alter (aetas), Geschicke des Lebens (fortuna), Besitz (divitiae), Haushaltsführung (oeconomia), Heiratsverbindung (coniugium), Kindererziehung (educatio liberorum), Staatsverfassung (politia), Regierung (magistratus), Gesetz (lex), Krieg (bellum), Frieden (pax). Leicht ist es nun, die einzelnen Abteilungen zu unterscheiden und zu sehen, welche Sentenzen, welche Exempel und welche Vergleiche in welchen Bereich einzuordnen sind. Über diese Weise, sich Notizen für Kollektaneenhefte anzulegen, liegt eine Epistel des Rudolph Agricola vor, die der Jugend für die Ausbildung sprachlicher Fähigkeiten zu empfehlen ist. ['Epistola ad Jacobum Barbarianum > D e formando studio < ' ]
8. Über die Affekte Wie die loci communes an verschiedenen Stellen eines Textes Verwendung finden, so muß auch einiges an Affekten und Gemütsbewegungen hinzugefügt werden. Die Affekte aber entstehen aus den loci des Erstrebenswerten und des zu Vermeidenden. Davon war schon bei der beratenden und demonstrativen Gattung die Rede, d.h. konkret von Ehre und Schlechtigkeit, Nutzen und Nutzlosigkeit. Ehre und Nutzen verdienen Liebe, schlechte, widernatürliche Dinge, Ungerechtigkeit und Schädliches dagegen hassen die Menschen. Mitgefühl wird durch ein Mißgeschick bewirkt, durch Unglück des Alters, der Geburt oder der körperlichen Beschaffenheiten. Folglich ist es leicht einzusehen, daß bei jeder Rede in den Teilen Affekte auftreten, in denen loci communes der Tugend und des Lasters behandelt werden. Aber alle diese loci verlangen eine ganz bestimmte Art der Wortwahl. Einige Affekte, die man griechisch 'ethe' nennt, sind milder, werden durch gefällig-liebkosende Worte ausgedrückt und zeigen Menschlichkeit und Pflichterfüllung. Entsprechend ist bei Vergil davon die Rede, daß die ganze Fürsorge des geliebten Vaters Ascanius gilt. ['Aeneis' 1,646] Üblich ist es, am Textanfang an das Anliegen zu erinnern, wobei es angemessen ist, die milden Empfindungen und Neigungen auszudrücken, wie etwa in Ciceros Brief an Lentulus, wo es heißt: "Dein Brief hat mir gefallen, und ich konnte feststellen, daß Du meine tiefe Zuneigung zu Dir wahrnimmst." [Ad fam. 1,9,1] Anders sind die heftigen Affekte, die man griechisch 'pathe' nennt. Für sie müssen wir harte und dramatische Worte verwenden. Aus allen logischen loci (ex omnibus locis dialecticis) entwickeln wir dabei erweiternde sprachliche Gestaltungsweisen (amplificationes), um die Herzen mitzureißen, also durch Betonung von Würde oder Schande. Davon gibt Livius ein Beispiel in seiner Rede gegen Pleminius, wenn er sagt: "Von einem Mann hat er nichts als die Erscheinung und Kleidung sowie die lateinische Sprache; er ist ein Unglück und ein Untier, wie jenes, von 84
dem man sagt, daß es die Meerenge von Messina heimsuchte, um die Schiffer zu vernichten." [29,17,11-12] Vor allem aber hat das Vorbringen eines eindrucksvollen Bildes seinen Wert, indem es Charakteristika und Gesten (signa et gestus) ins Bewußtsein bringt. Dabei tritt eine bildliche Vorstellung vor das geistige Auge. Das wirkt nachdrücklich auf Wahrnehmung und Denken, z.B. wenn es bei Vergil über Mezentius heißt: "Er verband die Toten mit den Lebendigen." ['Aeneis' 8,485] Eine unendliche Zahl von Beispielen dieser Art findet sich bei den Poeten und Historiographien.
9. Über die Textgliederung (dispositio) Cicero schreibt, nichts führe mehr zum Erfolg einer Rede als eine gute Gliederung. Weil die rechte Anordnung von größter Wichtigkeit ist, macht es viel aus, an welcher Stelle einzelne Bemerkungen angebracht werden. Gewiß trägt die Struktur eines Textes sehr zur Verdeutlichung der Sachverhalte bei. Aus diesem Grunde nützt es den Zuhörern, wenn wir ihnen aus den Texten anderer vorlesen, um die dispositio klarzumachen, denn wenn sie durchschaut ist, läßt sich alles andere leichter begreifen. Da Unerfahrene keine ausführlichen und komplizierten Abhandlungen verstehen können, wenn sie den Text nur oberflächlich zur Kenntnis nehmen, ist es nötig, ihnen das Ganze des Textes (universum) und seine Bestandteile (regiones) zu zeigen, so daß sie fähig werden, die einzelnen Elemente in den Blick zu nehmen und zu prüfen, inwieweit Übereinstimmung herrscht. Und tatsächlich beweisen Beispiele, wie nützlich es ist, dies zu beachten. Wie erhellend ist es doch, wenn wir zum Verständnis des 'Römerbriefes' seine dispositio offenlegen. Diejenigen, die sie nicht wahrgenommen haben, konnten Paulus und die von ihm behandelten Sachverhalte nicht verstehen. Sie haben weder gesehen, wo er etwas in Angriff nimmt, noch wo er etwas diskutiert oder wo er es zu Ende bringt, so daß sie bei der Beschäftigung mit ihm orientierungslos wie in einem fremden Land blieben. Obwohl dieser Bereich der rhetorischen Kunstlehre äußerst nützlich ist, besteht er doch keineswegs aus besonders schwierigen Lehrsätzen. Diejenigen, die uns die Rhetoren an die Hand geben, sind kinderleicht. Etwa die Vorschrift, daß die Redeeinleitung (exordium) zuerst kommt, dann die narratio, auf die die propositio mit dem Kernproblem folgt, an die sich confirmatio und confutatio anschließen und zu denen dann an letzter Stelle der Schlußteil (peroratio) tritt. Angesichts dessen ist es verwunderlich, daß bisweilen gebildete Leute dieses Gliederungsschema in den Texten anderer Autoren nicht sehen, obwohl selbst Ungebildete diese allein schon aufgrund ihrer Naturanlagen wahrnehmen. Im übrigen sind diese Prinzipien nicht wie in Erz gegossene Gesetze zu beherzigen, sondern unterliegen Nützlichkeitserwägungen. So diskutiert Cicero im Fall des Milo vor der narratio zunächst gewisse Voraussetzungen des Falles (praeiudicia) ['pro Milone' 7-22], und in der 'Oratio pro Sulla' [36-68] geht die confutatio der confirmatio voran. Wie gekonnt ordnet doch Demosthenes in seiner Rede 'Über den Kranz' alle Teile in einen komplex untergliederten Text, wobei er seinem eigenen Konzept folgt, während sein Ankläger Aischines dieselbe Sache in eine andere, breitgegliederte Struktur brachte. Genau dies, nämlich die Ordnungsstruktur (oikonomia), ist bei der Lektüre anspruchsvoller Texte zu betrachten. Nicht nur um diese fremden Texte genauer zu verstehen, sondern um für unsere eigenen Fälle zu lernen, was an welcher Stelle am besten ist, also was für die Einleitung angemessen ist, was für die erste Kampflinie am nützlichsten scheint, was schädlich und besser im Mittelfeld aufgehoben ist. Diese Regeln können nicht Ge85
genstand der Theorie sein, denn niemand kann alle Zeitumstände und Gelegenheiten erfassen. Doch können Beispiele die Studierenden anregen, zu erkennen, was angemessen ist, und sich im Fall einer eigenen Rede in Hinsicht auf die Gliederung und andere Fragen selbst zu helfen. Wir sind nämlich in allen Debatten gezwungen, auf unseren eigenen Fundus zurückzugreifen, weswegen wir uns von früher Jugend an in Theorie und Praxis bilden sollten. Bei der Gliederung der narratio sollten wir generell dem Verlauf der Ereignisse folgen, wie das in Geschichtswerken geschieht. Und das ist schon fast alles, was uns die Rhetoriker hierüber die dispositio lehren, weil sie bei den anderen Teilen sehr viel schwieriger ist. Für das Textverfassen gilt eben nicht die Redensart, sich sprachlich dahin zu begeben, wohin die Füße tragen. Sondern stets ist ein klares Ziel wie ein Wegzeichen ins Auge zu fassen, das wir auf sicherem Weg erreichen können. Hier ist nur eine Grundregel, und zwar eine kurze, anzuführen. Sie zeigt die Methode, wie die Textbestandteile zu gliedern sind. Wenn junge Leute sich diese Methode aneignen, wird sie ihnen große Dienste beim Auffinden von Argumenten, beim Textgliedern und bei der Beurteilung anderer Texte leisten. Die Regel besteht darin, sich zu vergegenwärtigen, daß Argumentationsgänge Glieder (membra) enthalten müssen, wie sie die Dialektik behandelt. Um das zu verdeutlichen, sollen einige Beispiele angeführt werden. Bezüglich der Anfange sei festgehalten, daß in ihnen Syllogismen selten sind, Enthymeme dagegen - wie wir es heute nennen - sind üblich. Man stellt dabei irgendeine Sentenz an den Anfang, als eine Art Kernaussage oder These (propositio) der Einleitung, für die der Beweis erst später folgt. Damit ist das Enthymem fertig, aber es beginnt eben eigentlich mit der Schlußfolgerung. Meist stellt man nämlich bei Beweisführungen die propositio voran. Andererseits ist eigentlich der Beweis (probatio) das Vorangehende, die propositio das Nachfolgende. Ferner folgt bisweilen entweder ein anderer Beweis, oder eine sprachliche Ausgestaltung (amplificatio) oder eine zu widerlegende Gegenposition (adversativa). Deshalb lehrten die Griechen, die Einleitung habe aus vier inhaltlichen Elementen zu bestehen. Obwohl es oft mehr Bestandteile gibt, wollten sie damit verdeutlichen, daß die Elemente der Einleitung wie bei einem Argument in angemessener Weise kohärent sein sollten. Der erste Bestandteil ist demnach der Ausgangssatz oder die Prämisse (protasis); der zweite der Beweggrund (kataskeue); der dritte die Schlußfolgerung (apodosis); die vierte der Antrag oder das Anliegen (axiosis, lat. petitio). Auch wenn nicht alle Einleitungen (exordia) so angelegt sind, hat Cicero doch die meisten in dieser Weise aufgebaut. In seiner 'Oratio pro Archia' [1-2] stellt er die Prämisse oder Ausgangsthese an den Anfang: "Wenn ich irgend etwas durch meine Rede bewirken kann, dann muß ich Archias mit meiner Beredsamkeit schützen". Es folgt der Hinweis auf das der Prämisse zugrundeliegende Motiv (kataskeue): "weil mir Archias bei meinen diesbezüglichen Studien geholfen hat". Dann kommt die Schlußfolgerung (apodosis), die conclusio des Enthymems: "Wenn meine Beredsamkeit anderen zugute kam, um wieviel mehr muß ich dem helfen, der sie hervorbrachte". Hier fügt Cicero eine Gegenposition ein (adversativa), die davon ausgeht, daß sich jemand fragen könnte, wie einem Orator von einem Poeta geholfen werden kann. Die Frage wird wiederum mittels Enthymem gelöst, indem Cicero feststellt, daß beide Disziplinen eng verwandt sind. Schließlich kommt der Antrag, daß man doch ihm als Redner in dieser Sache Aufmerksamkeit schenken möge. Andere Redeeinleitungen unterscheiden sich nicht wesentlich von der gerade vorgestellten. Bisweilen wird der Ausgangsthese sofort eine zu widerlegende Gegenposition entgegengestellt. Bisweilen werden gewisse kurze Erläuterungen eingefügt (breves explicationes), wie im Fall der Prämisse von Ciceros 'Oratio pro Marcello' [1], wo es heißt: "Obwohl ich bis jetzt geschwiegen 86
habe, muß ich nun zu meiner alten Art zu sprechen zurückkehren"; der Beweggrund lautet: "weil ich nicht schweigend Caesars Wohltat übergehen kann"; und die Schlußfolgerung: "Während der Abwesenheit des Marcellus war ich meines Arbeitspartners beraubt. Jetzt, nachdem er wieder bei mir ist, kann ich zu meiner früheren Art zu reden zurückkehren". Als besondere steigernde Ausgestaltung (amplificatio) kommt noch ein Tropus hinzu, denn die genannte Wohltat Caesars bezieht sich auf den Staat, und der Ausdruck bedeutet, daB Caesar den Staat retten will. Auch Demosthenes gliedert die Einleitung zu seiner 'Rede vom Kranz' [1-2] nicht anders. Die Prämisse lautet: "Ich bitte, mir in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu gestatten, daß ich für mich selbst spreche und Ihr nicht meinem Gegner zustimmt". Es folgt eine Übertreibung der Gefahren und eine bestimmte kurze Aufgabenstellung, dann der Beweggrund: "die Sache betrifft mich" und die Schlußfolgerung: "ich bitte darum, daß Dir mir zuhört, wie es das Gesetz vorschreibt". Dann folgt eine Erweiterung (amplificatio) auf Grundlage einer Gesetzesinterpretation. Im 'Römerbrief des Apostels Paulus [1,8-16] lautet der Ausgangssatz sinngemäß: "Ich beglückwünsche Euch zur Annahme des Evangeliums, und ich wünschte mir, Gelegenheit zu haben, direkt unter Euch zu lehren". Dann eine zu widerlegende Gegenposition: "bislang war es mir noch nicht gestattet, ich hoffe aber, daß es mir irgendwann einmal möglich ist, zu Euch zu reisen". Der Beweggrund lautet: "weil ich Griechen und Nichtgriechen gleichermaßen verpflichtet bin". Es folgt noch eine andere Begründung (ratio), in der zugleich ein gewisser Auftrag liegt: "denn ich schäme mich des Evangeliums nicht". Nun zu den confirmationes und confutationes, die teils aus Syllogismen, teils aus Enthymemen bestehen. Aber natürlich ist eines zu beachten, nämlich daß ein Text, auch wenn er verschiedene klar unterscheidbare Teile (regiones) hat, dennoch freier und umfangreicher ist als die strengen und nackten Syllogismen der Dialektiker. Zumeist beginnt die Argumentation mit dem Untersatz, d.h. mit der logischen Minor (a minore), wie in Ciceros 'Oratio pro Caelio' [45ff.], wo es heißt: "Dir habt ihn gehört, wie er für sich sprach, Ihr habt früher gehört, wie er anklagte, Ihr habt seine Art zu reden wahrgenommen, seine Befähigung, die Fülle an Inhalt und Sprache, die Eurer Klugheit entspricht, und Ihr habt nicht nur sein Ingenium gesehen, das oft, wenn es der Fleiß nicht nährt, sich dennoch durch die eigenen Kräfte behauptet, aber in seinen Worten war, wenn er mich nicht wegen meines guten WiUens täuschte, eine Rede zu finden, die nach den Regeln der Kunstlehre vorbereitet und mit Sorgfalt und Eifer ausgearbeitet wurde". Soweit die Minor. Es folgt der Obersatz, d.h. die logische Major: "Und ich möchte, daß Ihr, seine Richter, wißt, daß die üblen Bestrebungen, wegen derer er angeklagt ist, und jene Bemühungen, von denen ich spreche, nicht leicht in einer Person vereint auftreten können". Bei diesem locus communis hält sich Cicero nun eine Weile auf. Der Schluß, d.h. die logische conclusio, wurde bereits im Ausgangssatz vorgebracht: "Bei Caelius finden sich keinerlei Zügellosigkeiten". Hier sind also die Glieder eines SyDogismus zusammengefügt, die zwar an sich nur für einen bestimmten Geltungsbereich festgelegt sind, doch nicht so eng gefaßt werden wie bei den dialektischen Syllogismen, die wegen ihrer formalen Strenge und Knappheit im Wortgefecht nicht genug Schlagkraft besitzen. Selten beginnt solch ein Syllogismus mit der Major, wie im Fall von Ciceros 'Oratio pro Milone' [43], wo es heißt, die größte Verführung zum Bösen sei die Hoffnung, nicht bestraft zu werden, wie bei Clodius, aber nicht bei Milo. Oder [ebd. 84], in uns gebe es eine gewisse Bewußtseinsinstanz, die den Körper antreibt und aufstachelt; um wieviel mehr werde dementsprechend jene ewige Bewegung der Natur von einer bestimmten ewigen Geistes87
kraft regiert. Von dieser Art gibt es noch mehr Enthymeme, wie auch das folgende: Clodius haßte Milo, also ist es glaubhaft, daß er ihm eine Falle stellen wollte. Die Studierenden sehen also leicht, wie die einzelnen Teile in den Einleitungen und übrigen Ausführungen anzubringen und zu verteilen sind, wenn sie sich die Regeln der Dialektik angeeignet haben sollten und darüber hinaus auch den Gewohnheiten der Oratoren für die Einkleidung und Zierung der Inhalte folgen. Demosthenes und Cicero scheinen diese Gebiete der Dialektik am hervorragendsten beachtet zu haben. Ihre Texte beweisen, wie sehr sie auf geordnete Strukturen achteten. Meist hilft es den Studierenden bei der inventio schon, wenn sie daran denken, daB es eine Ausgangsthese gibt. Von ihr braucht man sich nicht weit wegzubegeben, sondern man muß sich fragen, welches ihre Begründung ist, wie man sie sprachlich ausgestalten kann und was es für Gegenargumente gibt. Da diese aus benachbarten loci stammen, bieten sie sich jenen umstandslos an, die gelernt haben, die verschiedenen in Frage kommenden Gesichtspunkte im Geiste zu durchmustern. Ende
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Zweites Buch Von der sprachlichen Gestaltung (de elocutione)
1. Anfangsgründe In der rhetorischen Theorie folgt auf die inventio und die dispositio mit der elocutio eine Stiloder Ausdruckslehre. Als Erstes nämlich kommen beim Abfassen eines Textes die Überlegungen zum Sachverhalt, und wenn hier das Nötige bedacht und gefunden ist, dann ist als Zweites zu überlegen, in welcher Weise man es sprachlich faßt. Wenn die rechte Struktur (ordo) überall von großer Bedeutung ist, wie sehr dann erst in erörternden oder unterrichtenden Darlegungen. Xenophon schreibt in seiner 'Ökonomie' [8,3]: "Nichts ist prächtiger und angenehmer für die Menschen als die Ordnung". Dieser Grundsatz gilt besonders für Texte, denn sie machen bei fehlender Struktur den Eindruck der Sinnlosigkeit. Dennoch gibt es in fast jedem Wissensbereich viele solcher konfusen und unstrukturierten Schriften, und es ist bekannt, wie sie Lernende behindern. An dritter Stelle kommt das Nachdenken über die sprachliche Seite, also über die Wortwahl und die Textgattung, mit deren Hilfe wir die gefundenen Sachverhalte darstellen und beleuchten. Das sprachliche Gestaltungsvermögen (elocutio) also ist es, das die Gegenstände klar und deutlich in Form wohlgestalteter Texte präsentiert. Folglich muß in diesem Bereich nicht weniger Mühe aufgewendet werden als in den anderen. Man kann nichts einsehen, wenn es durch die Sprache verdunkelt wird. Deshalb muß gleich zu Beginn der Irrtum ausgeräumt werden, daß man sich mit der sprachlichen Seite, also mit der Art und Weise sich auszudrücken (ratio eloquendi), nicht aus Gründen sachlicher Notwendigkeit beschäftigen müsse, sondern dies eigentlich nur eitlem Aufputz diene. Diese fälschliche Meinung ist der Grund dafür, daß einst die Bemühungen um die Rede aufgegeben wurden und daß sie heute immer noch mißachtet werden. Das Resultat waren viele unzureichende Werke. Nachdem nämlich die Grundsätze anspruchsvoller Textverfassung (dicendi ratio) nicht mehr geachtet wurden, unterlag die Vermittlung aller Disziplinen der Konfusion und dem Obskurantismus, denn man kann Sachverhalte nicht verstehen, wenn sie z.B. nicht mit wohldefinierten und bekannten Wörtern erläutert werden. Da alle Dinge in der Natur zusammenhängen, verwundert es nicht, daß diejenigen, die die Sprachgestaltung (elocutio) mißachten, der Textstruktur (dispositio) noch weniger Aufmerksamkeit schenken. Und da sie sich nicht an die Prinzipien der rechten Textverfassung (ratio loquendi) halten, faseln sie auch beim Urteil in Sachfragen. Solch ein Urteil läßt sich nicht gewinnen, wenn man sich nicht über die sprachlichen Bedingungen der jeweiligen Textart im klaren ist. Dazu gibt es genug Beispiele bei den Theologen und Juristen. Es ist folglich zu beherzigen, daß die ratio eloquendi einfach notwendig ist, weil man eine klare Textform braucht, um seine Gedanken auszudrücken. Wer wollte daran zweifeln, daß Wörter Zeichen für Sachverhalte sind (verba notas esse rerum), die gewiß 89
sein müssen, um verstanden zu werden. Aber natürlich ist auch oft etwas zu steigern und sprachlich erweiternd auszugestalten, damit diejenigen, die wir erreichen wollen, begreifen, daß es von großer Bedeutung ist, etwas Bestimmtes zu tun. Wenn jemand einfache Leute über Fragen der Religion, der Gesetze oder der Regierung unterrichtet, wird er nicht versuchen, mit einer hochtönenden Rede die Sache anders darzustellen, als sie wirklich ist. Maler schaffen es, daß einiges schlicht und einfach erscheint, anderes hervorstechender und auffallender ist. Um wieviel mehr ist dies in der Rede zu tun, hängt doch ein guter Teil des Lebens von der Rede ab und sind die Menschen doch oft Ober äußerst wichtige Dinge zu unterrichten. Deshalb arbeiten diejenigen, die die Rhetorik am meisten mißachten, dennoch eifrig dem Ansehen dieser Disziplin zu. Die Lage der Dinge zwingt sie nämlich zu versuchen, mittels Sprache ihren Redegegenstand anschaulich zu machen oder steigernd auszugestalten (illustrare aut amplificare). Um wieviel erfolgreicher wären sie doch da, wo sie sich so ungeschickt rhetorisch abmühen, wenn sie auf die von Fachleuten vermittelte rhetorische Kunstlehre zurückgreifen könnten. Und selbst wenn sich aus einem einschlägigen Studium nur das reine Vergnügen ergäbe, es bliebe eine edle Sache (res liberalis), und die damit verbundene Pflege guter Ausdrucksweise wäre eine menschenwürdige Betätigung. Kein Gegenstand, kein Kleidungsstück ziert einen Menschen mehr als eine angenehme Ausdrucksweise. Und keine süßere und erfreulichere Musik kann des Menschen Ohr oder Geist aufnehmen als eine flüssige Rede, die aus der gelungenen Verbindung von Wort und Inhalt besteht. Deshalb ist der, bei dem solch eine Rede kein Wohlgefallen hervorruft, weit von der wahren menschlichen Natur entfernt. Das ist durchaus zutreffend und läßt sich durch Beispiele von Leuten nachweisen, die diese Studien verachten und deren viehisches Verhalten zeigt, wie weit sie von wahrer Humanität (ab humanitate) entfernt sind. Wäre es nicht ermüdend, ließe sich aufweisen, wie durch das sprachliche Bemühen die Verhaltensweisen unter den Menschen zivilisierter werden. Dennoch glauben einige, die Rhetorik werde in den Schulen mehr aus Gewohnheit denn aus sachlichen Gründen hochgehalten. In der Antike hat man aber das Lob der Rhetorik nicht unbedacht zu den ureigensten Angelegenheiten gezählt. Doch zurück zum Ausgangspunkt. Selbst wenn das Bemühen um die elocutio lediglich dem Vergnügen diente, sollte diese Art angenehmer Musik nicht mißachtet werden. Die übrigen Künste sind zwar wegen ihres Nutzens erfunden worden, doch ergab sich aus ihrem Gebrauch überall auch Vergnügen. Die Sachzwänge bestimmten am Anfang auch die rhetorische Kunst, denn es mußte zunächst im Interesse größerer Verständlichkeit eine sichere Art der Rede gewählt werden. Trotzdem ergab es sich schon früh, daß man einmal irgend etwas sprachlich kunstvoll erweitern und herausstreichen mußte. Später gestaltete man die Texte in Hinblick auf eine freundlichere Aufnahme speziell zum Vergnügen der Ohren. Einige Autoren diskutieren die Frage, ob eine besondere sprachliche Ausstattung, sogenannter Redeschmuck (ornatus), in gewichtigen Texten nicht ebenso unangebracht ist, wie Schminke bei einer ehrbaren Frau als abscheulich gelten muß. Dazu ist zu sagen, daß es falsch ist, die besondere sprachliche Gestaltung von Texten mit einer solchen Schminke gleichzusetzen, die sozusagen aus unnatürlichen Quellen stammt. Was hier theoretisch vermittelt wird, gehört durchaus zur natürlichen Beschaffenheit eines Textes. Diejenigen, die ein monströses Sprachgebilde schaffen, entstellen ihren Text, wie wenn Maler unnatürliche Gestalten malen. In solchen Fällen wird die Natur nicht in der rechten Weise nachgeahmt.
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2. Die drei Teile der elocutio Die ganze Methodik der Ausdruckslehre (ratio eloquendi) ruht auf drei Grundpfeilern. Der erste ist die grammatisch korrekte Sprache (sermo grammaticus), der zweite ist die figurative Rede (figurae), der dritte die übrige erweiternde und steigernde sprachliche Ausgestaltung (amplificatio). Crassus fordert im dritten Buch von Ciceros 'De oratore' [3,37] vier elokutionäre Elemente: Korrektheit in der jeweiligen Sprache (d.h. hier im Latein), Klarheit, kunstvolle sprachliche Gestaltung und Angemessenheit (ut latine, ut dilucide, ut ornate, ut apte dicatur). Dies soll etwas modifiziert werden, um Ciceros Gedanken besser einsichtig zu machen und um die enge Verbindung von Grammatik und Rhetorik mehr hervortreten zu lassen. Wie nämlich viele Grundsätze der inventio von der Dialektik entlehnt sind, so nimmt die elocutio vieles von der Grammatik auf. So werden etwa die Vorschriften sprachlicher Korrektheit und Klarheit ursprünglich von der Grammatik vermittelt. Sich mit Redeschmuck oder besonderen sprachlichen Mitteln auszudrücken beruht nach Cicero auf zwei Bestandteilen: den Figuren und den Amplifikationen. Angemessen zu reden heißt, die Schicklichkeit, d.h. die situative Akzeptanz zu beachten (apte loqui est decorum observare). Grammatisch korrekte Sprache ist somit das erste wesentliche Element der elocutio. Es besteht im Gebrauch üblicher, in ihrer Bedeutung genau passender Wörter, die in syntaktisch korrekter Konstruktion, d.h. nach den Regeln der Grammatik, verknüpft werden müssen. Wenn wir die Sachverhalte ausgewählt und in Gedanken geordnet haben, dann besteht der erste Schritt darin, sie grammatisch korrekt auszudrücken. Denn niemand kann einen Text verstehen, der aus unbekannten und einer fremden Sprachkonvention folgenden Wörtern besteht oder der auf fehlerhaften syntaktischen Konstruktionen beruht. Junge Leute sollten sich zunächst einmal um grammatische Kompetenz bemühen, denn es ist kein geringes Verdienst, die nackten Sachverhalte in ganz einfachen, treffenden Worten erläutern zu können. Man sieht dies vielfältig in den Komödien des Plautus und den Episteln des Apostels Paulus verwirklicht. Aber auch bei den alten Gerichtsrednern gab es viele, die ganz dieser Art zu reden verpflichtet waren, ebenfalls Lysias und andere, die nur einen gewissen feinen Faden bei einer Rede liebten. Heutzutage ist es allein schon lobenswert, die Fähigkeit grammatisch korrekten Ausdrucks zu pflegen. Denn unter den derzeitigen Verhältnissen und in einer anderen Sprache sind nur wenige in der Lage, auch noch die übrigen rhetorischen Gestaltungsvorzüge (virtutes elocutionis) bieten zu können, d.h. mit geeigneten und passenden Figuren umzugehen oder mit schwergewichtigen und besonders kräftigen Formen sprachlicher Steigerung. Es ist ja leicht festzustellen, wie mangelhaft die Beredsamkeit im Bereich der wichtigeren Elemente guten Stils (in gravioribus virtutibus) bei denen ist, die in unserer Zeit hochberühmt sind. Deshalb sind unsere jungen Leute zunächst einmal darin zu bestärken, daß sie es als einen großen Fortschritt ansehen, wenn sie eine weitgehende grammatische Korrektheit erreichen, selbst wenn sie dabei noch kein rhetorisch perfektes Werk schaffen. Grammatisch korrekt ist ein Text, der nicht allein aus lateinischen Wörtern besteht und der elementaren lateinischen Syntax gehorcht, sondern in dem auch ein Stil (phrasis et vocum coniunctio) nachgeahmt wird, wie er bei eleganten und guten Lateinern üblich ist, die sich einer gezwungenen Redeweise enthalten. Über diese Frage wird später bei der Erörterung des imitatio-Prinzips noch weiter zu sprechen sein. Weil der Klarheit (perspicuitas) beim Reden das höchste Lob zukommt, muß zuallererst ein Vorrat an eigentlichen Ausdrucksmöglichkeiten (copia proprii sermonis) vorhanden sein, mit des91
sen Hilfe ein Sachverhalt unmißverständlich ausgedrückt werden kann. In einem Text sollte übertriebener Gebrauch fremdartiger Ausdrücke (peregrinitas) vermieden werden, wie auch die in den Schulen zügellos betriebene Freiheit, neue Redeweisen zu kreieren. Natürlich sind immer wieder einmal solche im klassischen Sprachgebrauch unüblichen Wörter zu verwenden, denn inzwischen haben das Reich und auch die Religion eine andere Form angenommen als zu Ciceros Zeiten. Weil die Verhältnisse neu sind, sind neue Wörter angebracht. Diese entstammen dem Sprachgebrauch, der ja letztlich über die Sprachbedingungen, die Sprachwirksamkeit und die Sprachnorm entscheidet. Im wesentlichen aber sollte die Struktur und die Stilistik (structura et phrasis) nicht von der klassischen Norm abweichen, weil man den Text sonst nicht versteht. Wer eine völlig neue Art zu sprechen erfindet, muß viele Sachinformationen verloren geben. Denn so, wie er sich eine neue Ausdrucksweise ausdenkt, so erträumt er sich neue Sachverhalte und strebt dabei ungerechtfertigterweise doch nur nach einem Lob seiner Tiefsinnigkeit. Bei genauer Betrachtung erweisen sich die Dinge aber nur als leere Träume. Man kann eben alle empirischen Sachverhalte (notae res omnes) mittels bekannter und in ihrer Bedeutung durchaus definierter Wörter ausdrücken (verbis notis et significantibus). Zahllose Beispiele aus allen Disziplinen ließen sich anführen, wo oft in fragwürdiger Weise neue Ausdrücke erfunden werden, wie etwa die "realitas obiectiva" bzw. "subiectiva" bei den Scotisten. Einst haben die Platoniker, die Piaton nicht verstanden, sich reinen Unfug (meras nugas) über die Ideen, über reinigende Tugenden und wer weiß über was sonst noch ausgedacht. Als Dionysius von Halikarnass sie nachzuahmen suchte, ging er nicht weniger läppisch vor, als er den Leser über Nebensächlichkeiten unterrichtete. Damit ruft er allerdings bei den Ungebildeten eine erstaunliche Erwartung bezüglich seiner Person hervor, und zwar durch die ungewöhnliche Art seiner Sprache. Albern ist auch das von den Stoikern traktierte Problem der Voraussetzungen von Voraussetzungen. Die Häretiker liebten diese Art von Einlassungen ebenso, z.B. Valentinianus, der sich den Zeitenwagen ausdachte. Nicht weniger unbrauchbar sind die jüdischen Kabbalisten, die aufgrund der Erfindung neuer Ausdrücke wunderbare Mysterien versprechen, während sie doch nur reinen Unfug zum Besten geben. Heutigentags betrifft das die Wiedertäufer, die sich in monströs figurativer Rede ergehen. In solcher Art Rede liegt selten irgend etwas Wissenswertes oder Nützliches verborgen. Es ist also durchaus so, daß man aus der Art zu sprechen auch etwas über natürliche Gegebenheiten und Verhältnisse zu erkennen vermag. Denn es ist völlig klar: aus widernatürlichem oder falschem Denken folgt ein entsprechendes Sprachverhalten. Deshalb sollte man klugerweise unübliche Ausdrucksweisen meiden. Da nun die ganze lateinische Sprache nicht durch lebende Sprecher, sondern durch Bücher vermittelt ist, müssen Autoren eines bestimmten Zeitalters gewählt werden, deren Sprachgebrauch wir nachahmen, damit wir uns an eine sichere Art zu sprechen halten können, die wir immer verstehen, weil sie bekannte und bewährte Beispiele bietet. Weil aber die Sprache des Ciceronianischen Zeitalters am niveauvollsten und klarsten ist, lernen wir die Sprache der Autoren dieses Zeitalters oder jener, die wenig davor oder wenig danach lebten, wie z.B. Terenz, Cicero, Caesar und Livius. Dazu später mehr, wenn wir [unten Kap.II/7.] von der imitatio handeln.
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3. Von den Figuren Aufmerksamkeit ist vorrangig der eigentlichen Rede (proprius sermo), d.h. der normalen Ausdrucksweise zu schenken, woraus üblicherweise der größte Teil eines Textes bestehen sollte. Zuweilen aber sind Figuren unterzumischen, sei es aus Notwendigkeit, sei es der Zierde wegen. Denn wo es an eigentlichen Ausdrücken fehlt, zwingt der Mangel, andere verwandte Ausdrücke zu beleihen, wie etwa, wenn die Lateiner für bestimmte Blätterknospen im Weinbau "gemma" sagen, die Griechen "ophthalmos" und die Deutschen "Auge", weil ein eigentlicher Ausdruck fehlt. Die Notwendigkeit hat erst dann uneigentliche, figurative Ausdrücke hervorgebracht, als eigentliche gefehlt haben. Inzwischen ist es gang und gäbe, einen anderen Ausdruck zu nehmen, auch wenn ein eigentlicher zur Verfügung stehen sollte, falls der andere bedeutungsreicher ist, z.B. bei dem figurativen Ausdruck 'er war in Zorn entflammt' an Stelle von 'zornig', was flüssiger klingt. 'Sie erobern die unter Schlaf und Wein begrabene Stadt' ist bedeutungsreicher, als wenn man bloß sagte 'schlafend'. Im übrigen gilt: Wie angenehme und wohldosiert gebrauchte Figuren einem Gedankengang auch aufhelfen mögen, ein Text, in dem gar nichts einfach gesagt wird, ist übel und unangebracht. Seneca schreibt Portius die Bemerkung zu, es sei ein Verbrechen und die größte Verrücktheit, einen Text sprachlich zu verrenken, der genausogut geradeheraus formulierbar sei. Dies zeigt, wie sehr die Alten den unangebrachten Gebrauch von Figuren haßten.
4.
Von Tropen und Figuren
4.1. Definition des Tropus Die Griechen sprechen von tropos, wenn ein Ausdruck (vox) von seiner eigentlichen, auf eine ganz bestimmte Sache eingestellten Bezeichnungsrichtung (a propria significatione), auf eine ähnliche oder eng benachbarte Sache umgelenkt wird (vertitur), z.B. wenn Demosthenes sagt, daß Philipp von der Größe seiner Taten trunken sei. Hier erscheint nicht die eigentliche Bezeichnungsrichtung des Ausdrucks 'Betrunkenheit'.
4.2. Definition der Figur (schema) Die Griechen nennen schemata gewissermaßen die Sprach-Gesten, bei denen man nicht die Bezeichnungsrichtung der Ausdrücke ändern muß, wie etwa in der Frage 'Was bedeutet mir das Glück, wenn ich es nicht nutzen kann?'
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4.3. Die Tropen Zunächst werden die Tropen vorgestellt, die man nicht immer fein unterscheiden kann, weil der Begriff 'Metapher' oft auch für andere Arten von Tropen als die eigentlichen Metaphern Verwendung findet. Tropen sind: Metapher Metalepsis Synekdoche Metonymie Antonomasie Onomatopoesie Katachrese.
4.3.1. Die Metapher Eine Metapher liegt vor, wenn ein Begriff (vocabulum) aus Gründen der Ähnlichkeit von seiner eigentlichen Bezeichnungsrichtung auf eine außersprachliche Sache abgelenkt wird, wie z.B. der Ausdruck 'eiserne Brust' für jemand zu stehen kommt, der durch Schrecken nicht gebeugt werden kann. Cicero begegnet dieser Trope mit ungewöhnlichem Lob und nennt sie ein verkürztes Gleichnis (similitudo). ['De oratore' 3,157] Denn aufgrund der Ähnlichkeit wird eine Sache mittels Metapher bezeichnet. Jeder Vergleich macht die Sache klarer, zumal wenn das Gleichnis zur Veranschaulichung beiträgt. Was fügt Vergil doch den Bienen an Würde hinzu, wenn er sagt: "Sie versorgen ihren König und ihre Kleinen (parvos Quirites) eigenhändig". ['Georgica' 4,201202] Wenn er den Nachwuchs benennen will, wird der Name eines Volkes entlehnt, und zwar der des über alle Völker siegreichen Römischen Volkes (Quirites), um die Würde dieses kleinen Insekts zu erhöhen. Die Ähnlichkeit liegt nun darin, daß die Bienen eine Art eigenen Staat haben und der römische Staat von allen der bestverfaßte war. + Als weitere Tropen werden behandelt: Metalepsis, Synekdoche, Metonymie, Antonomasie, Onomatopoesie, Katachrese. Es schließt sich eine Definition der Hyperbel an.
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5. Allegorie Die Allegorie ist keine Wort-, sondern eine Gedankenfigur, weil irgendeine Sache mittels Gleichnis (similitudo) bezeichnet wird, wie etwa, wenn man sagt 'wirf keine Perlen vor die Säue'. Hier liegt bei keinem Einzelwort ein Tropus vor, sondern ein bestimmter Sachverhalt ('Perlen vor Säue werfen') hat verdeckt etwas anderes aufgrund von Ähnlichkeit bezeichnet ('seine Talente vergeuden'). Denn die Allegorie ist eine Art Vergleich, in dem jeweils das Ähnliche aufgewiesen, nicht aber die übrigen Vergleichselemente genannt werden. Oder anders gesagt, eine Allego94
rie ist ein vielseitiges Enthymem. Quintilian nennt die Allegorie eine entwickelte oder fortgesetzte Metapher. ['Institutio oratoria' 8,6,14 und 8,6,44-58 sowie 9,2,46] Sparsam eingesetzt, hat sie in Texten eine angenehme Wirkung, wie etwa bei folgendem Beispielsatz: 'Den Musen ist es nicht gegeben den bequemen Weg zu gehen*. Zu häufiger Gebrauch der Allegorie macht einen Text dunkel und wirr. Und deshalb sind diejenigen am wirrsten, die in der heiligen Schrift alles in Allegorien verwandeln.
5.1. Vom vierfachen Schriftsinn in der Heiligen Schrift Da zufällig die Rede auf diesen Gegenstand gekommen ist, sollen doch auch einige diesbezügliche bei den Theologen vorkommende Begriffe erläutert werden. So haben manche unsinnigerweise gelehrt, es gebe einen vierfachen Schriftsinn: den wörtlichen, den moralischen, den bildlichen und den jenseitigen (literalis, tropologicus, allegoricus et anagogicus). Und ohne Unterschied wurden dementsprechend alle Verse der Hl. Schrift vierfach interpretiert. Man kann aber leicht beweisen, daß so etwas falsch ist. Ein Text wird nämlich ungewiß, wenn man ihn in derart viele Inhalte aufteilt. Dennoch haben sich Dummköpfe (homines illiterati) mit diesem Unsinn (has nugas) eingehend beschäftigt. Sie verstanden nichts von Rhetorik und sahen die Hl. Schrift mit figurativer Rede angefüllt, obwohl sie doch eigentlich zu gar keinem Urteil über die Figurenproblematik befähigt waren. So waren sie gezwungen, sich eine neue Art von Rhetorik auszudenken. Um den Satz zu interpretieren "Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech" [Ps 110,4], mußten sie zuerst nach irgendeiner Geschichte (historia) suchen. Und es ist keineswegs angenehm zu lesen, welche absurden und unangebrachten Geschichten sie dem Wort hinzudichteten. So geht etwa der wahre Sinn verloren, wenn jemand sich ausdenkt, David habe als Priester darüber gewacht, daß das Priestertum in rechter Weise installiert, die Lehre gereinigt, der Kult eingerichtet, Psalmen geschaffen und die Aufgaben der Priester und Leviten verteilt wurden. Das sind zwar für einen Herrscher lobenswerte Taten, doch stimmt diese Interpretation des Psalms nicht. Denn David erscheint nicht deswegen als Priester, und im übrigen wird ausdrücklich das Priestertum des Melchisedech genannt, um zu bezeichnen, daß ein neues Amt entsteht, ungleich dem des Leviticus. Doch welche Geschichte sie auch immer hinzuerfanden, es folgte darauf eine Tropologie, die die Geschichte ins Moralische übertrug. So hieß es z.B.: Wie David den Melchisedech nachahmte, so ahmen wir seine Freigiebigkeit nach, indem wir Fremden und Armen helfen. Diese Übertragung auf die Moral nannten sie Tropologie, und sie haben sich hier auch im Begriff geirrt, denn "tropologia" bedeutet eigentlich etwas anderes, keine Beschäftigung mit Moral, sondern allgemein etwas figurativ Ausgedrücktes, wie z.B. 'Ich will den Becher des Heils annehmen', d.h. 'Ich muß Mühsal und Qualen annehmen'. Denn "tropos" bezieht sich in diesem Fall nicht auf die Sitten, sondern darauf, daß sich ein Ausdruck von seiner angestammten Bezeichungsrichtung in eine benachbarte wendet. An dritter Stelle folgt die Allegorie, die sich auf die Kirche bezieht, oder genauer gesagt, auf Christus, z.B. wenn man sagt: 'Oh Christ, sei ein Priester nach der Ordnung des Melchisedech' und dies nur auf das Abendmahl des Herrn bezieht. An vierter Stelle fügte man die Anagoge hinzu, die die Interpretation in Hinsicht auf das Jenseits darstellte (de coelesti statu). 'Du bist ein Priester' bedeutet hier, 'Der Fromme wird im 95
Himmel selig sein, und du wirst Gott wie ein Priester feiern'. Sie haben sich aber auch hier im Begriff "anagoge" geirrt, der eigentlich Wildheit der Sitten meint, abgeleitet von "anagogos", was unbändig und wild heißt. Den Namen Anagoge hat Dionysius von Halikarnass aufgebracht, dem zufolge man von nichts anderem als einfach einer Allegorie ausgehen sollte, die er selbst hoch preist. Unsere Theologen dagegen waren sehr viel närrischer, die, weit vom grammatischen Sinn entfernt, dem allegorischen noch einen anagogischen Sinn hinzudichteten, der die Sache in den Himmel verlegt. Jerusalem bedeutet dann historisch die Stadt gleichen Namens, tropologisch ein wohlgeordnetes Gemeinwesen, allegorisch die Kirche und anagogisch das ewige oder himmlische Leben. Und in dieser Weise werden alle Verse der Schrift vierfach und in abenteuerlicher Verwandlung interpretiert, wie sehr sie sich auch bisweilen dieser Verwandlung widersetzen mögen. Demgegenüber sollten wir uns daran erinnern, daß immer ein bestimmter, mit Gewißheit versehener und einfacher Sinn zu suchen ist, wie es Grammatik, Dialektik und Rhetorik vorschreiben. Denn ein Text, der nicht einen ursprünglichen und einfachen Sinn hat, teilt nichts Gewisses mit. Wenn Figuren erscheinen, müssen nicht auch zugleich viele Sinnebenen auftreten, sondern gemäß Sprachgebrauch irgendein deutlicher Sinn, der zum Kontext paßt. Um dies anwenden zu können, sollte schon in früher Jugend die rhetorische Figuren- und Texttheorie geübt werden, um Texte beurteilen und jeweils einen gesicherten Sinn erheben zu können. Ebenso ist in der Schrift jener Sinn festzustellen, der dem üblichen Sprachgebrauch entspricht. So werden die Gläubigen sicher über die biblische Überlieferung unterrichtet. Im Fall der bereits erwähnten Stelle 'Du bist Priester usw.' muß dementsprechend am Anfang der ganze Erzählkontext (tota narratio) betrachtet werden; dann ist nach den Umständen zu fragen, d.h. wer spricht und über wen gesprochen wird. Dabei zeigt sich, daß sich viele Stellen nicht auf David, sondern auf den ewigen König beziehen, der ein neues Priestertum an Stelle des Leviticus-Priestertums vertritt. Man kann also feststellen, daß hier der Psalm einzig und allein von Christus spricht und folglich auch im Literaloder historischen Sinn vom Priestertum Christi die Rede ist. Wer das nun erläutern will, der braucht keine Allegorien heranzuziehen, sondern kann den Fall dieses im Buchstabensinn gemeinten Priestertums Christi auf bestimmte loci communes beziehen und seinen Ausführungen nach den Regeln der Dialektik etwa folgende Reihenfolge zugrundelegen: Was ist das Priestertum? Was bewirkt das Priestertum Christi? Was ist unsere Rechtfertigung? Was bedeuten unsere Opfer, unser Kult? wir können Gott nicht gefällig sein, sondern Christi Opfer war gottgefällig, es hat uns Rechtfertigung verschafft, Frieden und ewiges Leben! Wenn man den Buchstabensinn auf diese Weise erläutert, also über eine Erklärung des Priestertums, nutzt es am meisten. Es muß eine sachliche Entsprechung bestehen zwischen den gewählten Elementen der loci communes und den Evangelien, dem Dekalog oder der Sittenlehre. Denn in jedem Einzelfall ereignet sich etwas anderes. Wer sich mit Schriftinterpretation beschäftigt, sollte bedenken, daß der Dekalog und die Evangelien die schwierigsten Schriftteile sind, mit denen man sich auseinanderzusetzen hat. Wenn nun aber jemand fragt, ob es überhaupt keine Schriftstelle mit anderen Sinnebenen gibt, so ist zu antworten: Wer alles ohne Unterschied in verschiedene Sinne überführen will, der hat am Ende keine Gewißheit mehr beim Schriftverständnis. Deshalb ist das Interpretationsverfahren des Origines zurückzuweisen, der alle auch einfach deutbaren Textteile in Allegorien überführte. Diese Interpretationsmethode erschüttert die Glaubwürdigkeit der Schrift fundamental. Aus diesem Grunde meinte Porphyrius die christliche Lehre verhöhnen zu können, indem er schrieb, sie biete nicht mehr Gewißheit als die Fiktionen der Dichter (fabulae poetarum), wenn man sie in
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einen anderen als den nach Sprachgebrauch und Grammatikerkonvention üblichen Sinn überführe. Deshalb gilt für uns, daß das meiste in dem einen grammatischen Sinn zu fassen ist, wie etwa bei den Vorschriften und Verheißungen Gottes. All das ist äußerst lächerlich, was man sich bei den Reden Christi und der Propheten sowie bei dogmatischen Erörterungen, z.B. in den Paulus-Briefen, an vierfachem Schriftsinn ausgedacht hat. * Herausragend sind Martin Luthers Kommentare zum Buch Deuteronomium und zu bestimmten Propheten, die zeigen, was bei der Methode mehrsinniger Interpretation am meisten angebracht ist. Da werden nicht bloße Allegorien vermittelt, sondern zunächst wird der Text selbst (historia ipsa) auf die theologischen Hauptsätze bezogen (ad locos communes fidei et operum), dann erst wachsen aus diesen Glaubenssätzen (ex locis illis) die Allegorien heraus. Aber natürlich kann nur jemand mit exzellenten Kenntnissen in der christlichen Dogmatik diese Methode befolgen. Und weil man sehr leicht bei dieser Art zu interpretieren vom Weg abirren kann, seien die Unkundigen 'ermahnt, Allegorien zu übergehen und sich um so intensiver mit anderen Schriftstellern zu befassen sowie mit Autoren, bei denen die wesentlichen christlichen Glaubenslehren direkt ohne figurative Rede vermittelt werden, und die keine gefahrlichen Irrtümer durch unnötig herangezogene Allegorien erzeugen. *
5.2. Allegorische
Subgenera
Unterarten der Allegorie sind: • Rätsel (ainigma), • Ironie (eironeia), • Sarkasmus (sarkasmos), • Nachahmung (mimesis), • Sprichwort (proverbium).
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Man kann zu den Untergattungen der Allegorie auch bestimmte Fabeln (apologi), so etwa die des Aesop zählen. Ebenso die Fiktionen der Dichter (fabulae poetarum), wie z.B. die Zyklopen bei Homer, die in der dort geschilderten Gegend Raubzüge unternahmen; sie sind allegorisch mit Barbaren gleichzusetzen. Ihre körperliche Monstrosität paßt zu ihren barbarischen und wilden Verhaltensweisen. Das eine Auge steht vermutlich für die Form eines Helms, welcher einst so beschaffen war, daß er vorn nur eine Öffnung hatte. Diese Art der Deutung heißt mythologia. Und es ist keineswegs unnütz, jungen Leuten bisweilen derartige fiktive Erzählungen zur Schärfung und Übung ihres Denkens vorzustellen. Zu solcher Art Gebrauch war wohl anfänglich das Bild des Christus auf seinem Arm tragenden Christopherus erfunden worden. Es versinnbildlicht den Schriftkundigen (doctor Evangelii); wie Christopherus trägt dieser nämlich Christus bei der Verkündigung. In so einem Mann muß notwendigerweise große Geisteskraft sein, deshalb stellt man einen Riesen im Bild dar. Zahllosen Gefahren sind die Verkünder des Evangeliums ausgesetzt; dementsprechend geht dieser Held auch durchs Meer und die Untiefen der Flüsse, und um ihn herum schwimmen verschiedene Untiere, durch die ihm der Untergang droht. Der Knabe, den er trägt, ist klein, denn die Macht Christi erscheint bisweilen sehr gering; seine Boten mühen sich und sind gefährdet, und sie 97
scheinen von Gott keine Unterstützung zu erfahren. Christopherus klagt, daß es sich um ein ungewöhnliches Gewicht handle. Der Knabe drückt den Lastträger zu Boden. Ähnlich scheint Gott oft selbst zu widerstreben und zu zürnen, auch ängstigt er die Frommen und bringt sie fast zur Verzweiflung. Unterdessen jedoch richtet sich jener Polyphem auf und stützt sich mit einem Baumstamm ab, d.h., die Heiligen stützen sich in ihrer Furcht und richten sich auf mit dem Wort Gottes. Und jener vorher trockene Baum beginnt zu blühen. Denn die rechte Lehre bringt viele gute Früchte hervor, dient sowohl den Gelehrten als auch der Kirche, obwohl die Oberflächlichen meinen, daß die Lehre vergeblich und nutzlos sei. Am Ufer geht ein Greis mit Lampe voran. Damit sind die Propheten gemeint, die Christus vor seiner Geburt vorausgesagt haben und ihn uns bestätigen. Und den Frommen fehlt es wahrhaftig nicht an Nahrung, auch wenn die Unfrommen überall danach trachten, daß sie untergehen, so wie Christopherus in seinem Ranzen Fisch und Brot mit sich trug. Man sieht, wie angemessen in diesem Bild darauf verwiesen wird, was ein Christ ist und worauf er sich stützt, vor allem was für einen Schriftkundigen ersprießlich ist. Das Gleichnis wird also völlig zu Recht gelobt und in allen Kirchen bildlich dargestellt, nicht, damit man den Aberglauben pflegt, sondern um uns an unsere Gefährdungen zu erinnern.
6. Figuren Die Schemata oder Figuren werden Tropen genannt, wenn die Bezeichungsrichtung eines Ausdrucks auf etwas Benachbartes (ad vicinum) gerichtet wird, beispielsweise wenn wir 'Kreuz' für ein Unglück sagen. Das griechische Wort schema ist demgegenüber der Ausdruck für eine Haltung (gestus), eine Struktur, die nicht verlangt, die Bezeichnungsrichtung eines Ausdrucks zu ändern. Ein Beispiel bietet das Dichterwort "Sicher und oft begangen wird der Weg, sich falschlich einen Freund zu nennen; sicher und oft mag es ein Weg sein, doch er ist verbrecherisch." [Ovid.'Ars Amatoria' 1,585-586] Hier ist überall die eigentliche Bezeichnungsrichtung der Wörter beibehalten. Man könnte den Sachverhalt auch ohne die Wiederholung ausdrücken, aber der Text wird wegen der Repetition wohlgefälliger. Die Rhetoren unterteilen die Figuren in Wort- und Gedankenfiguren, denn bisweilen beruht die genannte Struktur auf der Position der Wörter, bisweilen auf einer mehr gedanklichen als sprachlichen Konstruktion. Die Struktur ist gedanklich, wenn beispielsweise jemand zeigt, daß er zweifelt oder sich wundert. Wenn wir solche subtilen Unterscheidungen beiseite lassen, können wir drei Gruppen von Figuren unterscheiden. Die erste Gruppe betrifft die Grammatik, speziell Wortstellung oder Ausdruckskraft und stilistische Qualität von Wörtern. Zu dieser Gruppe gehören auch jene Tropen, die ausgesucht werden, um eine Sache mittels bildhafter Rede hervorzuheben. Die zweite Gruppe betrifft nicht eigentlich die verbale Ausdrucksebene, sondern die Gedanken oder Inhalte. Es gibt nämlich Figuren, die einem Text Dynamik und Affekt verleihen, wie die Frage, die Bewunderung, der Zweifel, Klagen usw. Die dritte Gruppe schließlich betrifft den Redner oder Autor selber, der die Methode sprachlich-erweiternder Ausgestaltung und Steigerung (ratio amplificandi) zu beherrschen hat. Es geht also um Figuren, die einen Text erhöhen, ihn erweitem und gewichtiger machen. 98
6.1. Erste Figurengrappe Die Grammatiker teilen die Figuren zuerst in solche der Aussprache ein, wie z.B. die Synkope "nummum" für "nummorum", dann in solche der Konstruktion, wie z.B. "turba raunt" statt "turba ruit". Eine auf Verwirrung angelegte Satzkonstruktion nennen sie Hyperbaton, wie bei dem Vergil-Beispiel "saxa vocant Itali, mediis quae in fluctibus, aras" ('Felsen mitten im Meer, italisch geheißen Altäre'). ['Aeneis' 1,109; cf. Quintilian 'Institutio oratoria' 8,2,14] Aber diese Art Figuren sollen nicht weiter beachtet werden, sie sind Gegenstand der Grammatiklehre. Daneben gibt es Figuren, die nur in der Rhetorik vermittelt werden, obwohl sie sich auch auf die Grammatik beziehen. Hier ist an erster Stelle die Wiederholung (repetitio) zu nennen. Es gibt sehr viele unterschiedlich bezeichnete Wiederholungsfiguren, denn bisweilen handelt es sich um ein Phänomen des Beginns, bisweilen um eines des Endes. Für alle soll der Ausdruck repetitio gelten. * Hierher gehören: • emphatische Wiederholung (copulatio, ploke), • Wiederholung desselben Wortes in unterschiedlichen Kasus (traductio mit dem Sonderfall der Tautologie), • konjunktionslose Aneinanderreihung (articulus, asyndeton, dialyton), • Aneinanderreihung mittels Konjunktionen (polysyndeton), • Wiederholung gleicher Kasusformen bzw. gleich ausklingender Kola (similiter cadens, homoioptoton; similiter desinens, homoioteleuton), • unpassende Fügungen (hypallage), • Wortspiel aufgrund von Klangähnlichkeiten (agnominatio, paronomasia), • klangähnliches Wortecho bei veränderten Bedeutungen (antanaklasis), • unvollständiger Satz (ekleipsis), • unvollständiger Gedankengang (reticentia, aposiopesis).
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6.2. Zweite Figurengrappe * Ohne übergreifende Definition werden hier angeführt: • rhetorische Frage (interrogatio), • Antwort auf eine selbstgestellte Frage (subiectio), • Ausrufe und Anrufungen (exclamatio mit den Varianten der imprecatio, obtestatio, ominatio), • Äußerung eines Zweifels (dubitatio, aporia), • Unerwartetes (paradoxen, inopinatum mit den Varianten admiratio und adynaton), • das Gegenüber um Rat fragen (commumcatio), • Vergegenwärtigung (commemoratio), • etwas der Vorstellung des Gegenüber anheimstellen (permissio), • Kundgabe der Absicht einer Auslassung (praeteritio, paraleipsis),
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• Wechsel des Ansprechpartners (aversio, apostrophe), • freimütige Äußerung gegenüber dem Publikum (licentia, parrhesia).
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6.3. Dritte Figurengruppe In der dritten Gruppe sind jene Figuren versammelt, die einen Text steigern, erhöhen und reicher machen. So wie es das höchste Ziel der Beredsamkeit ist, etwas ausgestaltend zu steigern (amplificare) oder auch zu vermindern (extenuare), so schwierig ist es für Unerfahrene zu sehen, auf welchem Wege man dies bewirkt. Sie wundem sich deshalb oft über gekonnt gemachte Texte und fragen sich, woher manchmal bei nur einem einzigen Gegenstand diese Fülle an Inhalts- und Ausdrucksmöglichkeiten kommt (sententiarum ac verborum copia). Und tatsächlich ist es so, daß die oben aufgeführten Figuren auch von weniger Gebildeten leicht erkannt werden können, während alles, was mit der amplificatio zusammenhängt, Kenntnisse in der rhetorischen Theorie und Praxis verlangt. Zu diesem Zweck ist das höchst nützliche Werk über die Vielfalt der rhetorischen Möglichkeiten in sprachlicher und sachlicher Hinsicht 'De duplici copia verborum ac rerum' des Erasmus von Rotterdam erschienen. Das erste Buch dieses Werkes enthält Figuren sprachlicher Variation, das zweite Buch solche, die eine größere Variationsbreite im inhaltlichen Bereich ermöglichen. Dementsprechend wird in dieser dritten Figurengruppe erläutert, wie ein Text kunstvoll gestaltet und teils sprachlich, teils inhaltlich weiterentwickelt wird. Dies kann in aller Kürze geschehen, da das genannte Buch des Erasmus überall verbreitet ist, und es gerade deshalb erwähnt wird, damit sich die Unkundigen darüber klar werden, in welchem rhetorischen Bereich die dort mitgeteilten Lehren Anwendung zu finden haben. Wenn nämlich die Aibeitsgänge der inventio und dispositio bezüglich des in Frage stehenden Sachverhalts abgeschlossen sind, dann muß erstens überlegt werden, wo eine sprachliche Ausgestaltung anzubringen ist, damit die Sachverhalte durch die sprachlichen Mittel gleichsam mit Farbe versehen und verziert bedeutender werden. Im Anschluß daran muß zweitens geprüft werden, an welcher Stelle weitere sachliche Informationen von Nutzen sind. Das eine hat Erasmus im ersten Buch seines Werkes, das andere im zweiten Buch dargelegt. Der geschulte Leser wird bemerken, daß alle Figuren, besonders jene, die einen Text sprachlich erhöhen, aus dialektischen loci hervorgehen. Wer das weiß, nimmt viele von ihnen in den entsprechenden Fällen mit Kennerblick wahr und sieht besser die Einzelaspekte der gerade behandelten Angelegenheit. Denn dieselben loci sind, wenn es in einem Text um die confirmatio oder confutatio geht, Argumente (argumenta) oder argumentative Stränge (nervi), wie man sagt. Werden sie aber vornehmlich zur Zierde herangezogen (illuminandi causa), heißen sie schmückende Stilfiguren (ornamenta). Tatsächlich wurden die meisten von ihnen nicht nur für Scheingefechte aufgestellt, sondern legen den Argumenten echtes Gewicht bei. Die erste und wichtigste Methode der Niveauanhebung und Bereicherung eines Textes besteht in der Überführung einer Hypothese in eine These, d.h. des konkreten Falles (causa) in einen locus communis, worüber Cicero oft spricht und wovon oben [Kap. 1/7.] schon die Rede war. Es ist jedoch leichter anhand praktischer Beispiele als mittels Theorie klarzumachen, wann dies angebracht ist, wenn der aufmerksam gewordene Leser nur weiß, daß er den Sachverhalt auf einen locus communis zu beziehen hat. Auf verschiedenste Weise können nämlich die Fälle mit solchen 100
Allgemeinplätzen verwoben werden. Einmal geschieht dies offen und reichlich, ein andermal kurz und versteckt. Theorie und Praxis lassen uns erkennen, was in einer gerade zu behandelnden Sache angebracht ist und wo der Text loci communes heranziehen sollte. Wenn vom Krieg gegen die Türken die Rede ist, treten zwei wesentliche loci communes auf, die an zwei bestimmten Stellen offen auszuführen sind und dann im weiteren Verlauf so eingestreut werden können, daB der Autor bei ihrer Erwähnung verstanden wird. Der erste dieser beiden loci ist, daß es die fromme und notwendige Pflicht eines christlichen Fürsten ist, seine Untertanen zu verteidigen und Verfassungsordnung, Religion und Gesetze zu bewahren. Der zweite locus betrifft die Wildheit und Gewalttätigkeit der Türken, den Unglauben, der in diesem barbarischen Land herrscht und die Grausamkeit gegen die Menschen. Aus diesen Quellen, wie man sie nennen könnte, werden nicht nur sprachlicher Schmuck (ornamenta), sondern auch argumentative Beweise bezogen. Denn der locus communis enthält die Major des für diesen Fall in Betracht kommenden Hauptsyllogismus. Und so ist in dem Textteil, der die Major ausführt, der locus communis offen abzuhandeln und sprachlich zu ornamentieren. Cicero hat dies oft getan, vor allem in seiner 'Oratio pro Milone' [10], wo er die Macht des Naturrechts herausstreicht, das gestattet, sich gegen Gewalt zu verteidigen. Und aus diesem Rechtsgrundsatz ist die Major des Beweisganges genommen. Auch bei Isokrates beschäftigt sich ein beträchtlicher Teil des Werkes mit loci communes. Das paßt bei ihm besonders gut, weil sich seine Lobreden etwas von der Wahrheit der Ereignisse entfernen. Vor Gericht und in öffentlichen Angelegenheiten sollte der bloße Redeschmuck mäßig verwendet werden. Demosthenes, und niemand hat mit mehr Mäßigung geredet, benutzt nicht selten echte loci communes, z.B. wenn er die folgende Major anführt, um die Ehrenhaftigkeit seines Ratschlags zu untermauern: "Immer haben die Athener Sklaverei nicht nur von sich selbst, sondern von ganz Griechenland abgeworfen, wenngleich unter großer Gefahr". Er verweilt lange bei diesem Satz und gestaltet ihn mit Beispielen und anderen Figuren aus. So erzählt er, daß Kyrsilos den Griechen den Vorteil des eigentlich unwürdigen Krieges auseinandersetzte, den Xerxes gegen sie erklärt hatte. Daraufhin steinigten die männlichen Bürger Kyrsilos und die Frauen seine Gemahlin. Demosthenes ergänzt als Grund der Geschehnisse, daß die Athener dieser Zeit nicht auf einen Redner oder Feldherren aus waren, dem sie sich zum eigenen Vorteil als Sklaven hingeben konnten. Sie erachteten ihr Leben nicht als lebenswert, wenn sie nicht in Freiheit leben konnten, denn es war eines jeden Überzeugung, nicht so sehr als Kind der Eltern als vielmehr des Vaterlandes geboren zu sein. ['Vom Kranz'] Das in diesem Fall geschilderte Problem entstand aus dem Konflikt von Vorteil und Ehre, aus dem Widerstreit der Pflichten des guten Staatsbürgers mit bestimmten, um es dialektisch zu formulieren, Zweckursachen oder Zielsetzungen. Denn die Menschen sind eher für das Ehrenhafte geschaffen als für das Schändliche. Bürger eines Gemeinwesens müssen vor allem ihre Freiheit bewahren, weil sie in Unterwerfung oder Sklaverei nicht ohne Schmach leben können, und weil Sklaverei nicht von Recht und Gesetz regiert wird, sondern aus der Willkür jener entspringt, die mit Unrecht regieren. Bei Livius [30,30,5] nimmt der bei Scipio um Frieden bittende Hannibal sein Argument aus dem locus communis der Unbeständigkeit der Glücksgöttin, denn Fortuna pflegt am Ende oft den zu enttäuschen, dem sie am Anfang zu sehr schmeichelte. Und er verteilt diesen locus in Anspielungen über den ganzen Text. In den anderen Textteilen, in denen er nicht offen angesprochen wird, ist der Hörer dennoch gehalten, ihn immer mitzudenken und zu überlegen, daß bestimmte Ausdrücke in Hinsicht auf diesen locus communis eingesetzt sind. Denn jede Art zu überzeugen
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und anzuregen wird aus den loci bezogen, die die Tugendpflichten und die Umstände des Lebens beinhalten. In rhetorischen Schlußsentenzen (epiphonema) bzw. Schlußreden (epilogi) werden loci communes offen wiederholt. Das findet sich z.B. bei Livius in der Rede des Fabius an den Konsul L. Aemilius [22,39,19-20]: "Man sagt, dem Recht mangele es allzuoft an Wahrheit. Diese kann aber nie ausgelöscht werden. Wer leeren Ruhm verachtet, wird wahren ernten. Mögen sie Dich furchtsam statt vorsichtig, träge statt überlegt, unkriegerisch statt kriegserfahren nennen! Mir ist lieber, wenn ein kluger Feind Dich fürchtet, als wenn dumme Mitbürger Dich loben." Viele loci communes derselben Sache tauchen aber auch aus Gründen der Vielfalt der Umstände wiederholt auf, und es ist schlecht, wenn man sie nicht wahrnimmt oder in seinen Handlungen beachtet. So werden die beiden oben bezüglich des Türkenkrieges aufgestellten loci für die deutschen Fürsten eine andere Handlungsanweisung darstellen als für andere Adressaten. Denn es ist zwar für alle Könige und Fürsten eine allgemeine Pflicht, Religion und öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, doch reicht es vielen, für das eigene Land zu sorgen. Die Deutschen aber müssen fühlen, daß ihnen die Obhut über die ganze Christenheit überantwortet ist, weil sie die höchste Herrschaftsgewalt innehaben. Und wie der Kaiser die höchste Autorität vor allen Königen ist, so muß er auch der Anführer und Gewährsmann der öffentlichen Meinung sein und die anderen zögernden Könige zur Teilnahme an dieser großen Sache mitreißen. Hier erzeugt, wie man sieht, die konkrete Person einen neuen locus communis, nämlich das, was dem Kaiser vor den Königen an Aufgaben zukommt. Hinzuzufügen sind nun noch auf Grundlage dessen, was sich hieraus ergibt, stärkere affektische Mittel wie die folgenden: 'Wie können sich die deutschen Fürsten beim letzten Gericht rechtfertigen, wenn Gott sie wegen Nichterfüllung ihrer Pflichten anklagt, falls sie es nicht unternehmen, Heidentum, Unheil und Sklaverei von sich und anderen abzuhalten?' So etwas kann je nach Wichtigkeit der Sachverhalte weiter verstärkt werden. Beispiele gibt es allerorten, und man braucht mit ihnen hier weiter keine Langeweile zu erzeugen. Es war deshalb davon die Rede, damit junge Leute in den ihnen zugänglichen Schriften auf ähnliche Phänomene achten und so ihre eigenen Fertigkeiten an gekonnten Vorbildern schulen. Cicero schreibt im 'Orator' [125f.], daß zwei Dinge in einer Rede besonders wirkungsvoll sind, thesis und auxesis. Die thesis ist, wie gesagt, der locus communis, mit dem der Hauptbeweis geführt wird. Die auxesis, obwohl aus demselben locus communis bezogen, betrifft doch mehr jenen Bestandteil, den wir im Syllogismus die Minor nennen. Das bedeutet für unser Beispiel, jene Dinge herauszuheben, die die Gemüter gegen die Türken entflammen, also Unglauben und Grausamkeit der Türken, die die Religion zu zerstören trachten: 'Sie sind im Siegesfall äußerst grausam, sie opfern von der Mutterbrust gerissene Kinder, achten weder Alter noch Geschlecht und rauben unglückliche Jungfrauen, Knaben und Frauen für die schändlichste Unzucht. Sie bringen den Unteijochten andauernde elende Sklaverei, das Christentum wird zerstört, es gibt keine ehrenhaften Gesetze mehr, jeden Tag wird man Augenzeuge der schändlichsten Begebenheiten, und es ist jedem einfachen Soldaten erlaubt, Frauen und Kinder ehrbarer Männer zur Schändung mit sich zu nehmen. Um wieviel besser ist es da, tapfer an vorderster Front zu sterben, als unter diesen Bedingungen zu leben.' All dies gehört, logisch gesehen, zur Minor eines Syllogismus. Allerdings hat die thesis, oder die Major, normalerweise ihre eigene auxesis und eigene sprachliche Steigerungsmöglichkeiten. Aber da die Minor sich auf den konkreten Fall und die Personen bezieht und die auxesis eigentlich hierin besteht, stammt sie teils von der thesis, teils aus anderen loci, die die Person betreffen. 102
Wie oben schon gesagt, entstehen die Gedankenfiguren aus dialektischen loci. Die sachlichen und die sprachlichen loci sind also identisch, und wir geben ihnen Bezeichnungen, damit man auf irgendeine Weise ihre Verwandtschaft wahrnehmen kann. Wir verwenden bei diesem Vergleich der dialektischen loci und der sprachlichen Figuren keine sonderlich subtile oder gar geheimnisvolle Methode. Es reicht eine gewisse mittlere Intelligenz, die Verwandtschaft darin zu sehen, daß die ornamentalen und die sachlichen Gebiete die Beachtung derselben Quellen verlangen. Übermäßige Genauigkeit behindert den Eifer der Schüler, und die Jugend ist ja noch nicht recht zum Urteil fähig.
6.3.1. Figuren aus Einzelbegriffen (ex definitione) Die erste Möglichkeit, einen Text entweder steigernd oder aber mindernd auszugestalten (amplificare aut extenuare), beruht auf dem Gebrauch von EinzelWörtern. Wir amplifizieren mittels Übertreibung, wenn wir etwa ein Wort gebrauchen, das die in Frage stehende Sache zu übertreffen scheint, also z.B. "debacchari" (rasen) für "conviciari" (lästern) oder "scelus" (Verbrechen, Ruchlosigkeit) statt "erratum" (Fehler). Hier dominieren Tropen, weil man das Gemeinte unter Zuhilfenahme von etwas Ähnlichem malt und dies in die Augen springende Bild sehr eingängig wirkt. Zum Beispiel, wenn wir "asinus" (Esel) für "stolidus" (Tölpel) sagen oder Vergil schreibt "sie drangen in die unter Schlaf und Wein begrabene Stadt ein" ['Aeneis' 2,265], statt des weniger reichen Ausdrucks 'bezwungen von Schlaf und Wein'. Man nennt es eine Hyperbel, wenn man die eigentliche Sache hochstilisiert, z.B. 'das Geschrei drang zum Himmel'. Wir mindern oder verringern eine Aussage mittels Untertreibung (diminutio, tapeinosis, meiosis), wenn wir z.B. "perstringere" (streifen) statt "vulnerare" (verletzen) sagen, "iracundia" (Jähzorn) für "saevitia" (tierisches Wüten), "erratum" (Fehler) für "scelus" (Verbrechen). Ein guter Autor muß die semantische Wertigkeit der Wörter (pondera verborum) kennen und genau darauf achten, was an den einzelnen Textstellen angebracht ist. Von Perikles wird berichtet, daß er immer, wenn er eine Rede halten mußte, wünschte, daß ihm kein Wort einfallen möge, das das Volk beleidigen könnte. Demgemäß ist es nach wie vor angebracht, genau abzuwägen, welches Wort im vorliegenden Fall gerade nützlich ist und welches schädlich. * In diese Abteilung gehören des weiteren: • Synonymie (interpretatio), • Ausmalung (expolitio), • Definition.
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6.3.2. Figuren aufgrund von Unterteilung (de divisione) Die Häufung (distributio) nennen die Griechen merismos. Sie tritt auf, wenn alles in Teile oder Glieder unterteilt wird, also z.B.: 'Das ganze Gemeinwesen ist in Gefahr, die Grundlagen der Autorität sind erschüttert, der Rat der Besten wird verschmäht, das Volk unterwirft sich nicht Recht und Gesetz.' * 103
Weitere Figuren sind: • Auflösung (dialysis, z.B.: 'die Richter sind korrupt, teils aus Wohlgefölligkeit, teils des Geldes wegen'), • koordinierende Häufung (congeries, synathroismos), • graduell aufsteigende Redeteile (incrementum).
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6.3.3. Figuren aufgrund von Ursachen (ex causis) Wir sprechen von Aitiologie, wenn von den Ursachen einer Angelegenheit die Rede ist. Das betrifft etwa folgende Cicero-Stelle, wo es heißt: "Oh ihr Richter, wenn in mir irgendeine Begabung liegt, dann kann Archias mit Recht die Früchte meiner Bemühungen fordern", ['pro Archia' 1] Im Anschluß daran wird als Grund angegeben: "weil er mich zu diesen Bemühungen veranlaßt hat". * Hierher gehören des weiteren: • Aufweis der Berechtigung des Tuns (dikaiologia), • Aufweis unumgänglicher Notwendigkeit (anagkaion), • Überfiihrung auf eine höhere Ebene (translatio, metastasis), • Color (d.h. eine erfundene Erzählung, die eine Meinung, einen Ausspruch oder eine Tat vorstellt), • Verdrehung eines Sachverhalts (calumnia), • Steigerung (gradatio, Klimax).
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6.3.4. Figuren aus Gegensätzen (de contrariis) Wenn wir etwas mittels Kontrast sprachlich gestalten, nennen wir es contentio oder Antithese. Die Zusammenstellung von Gegensätzen ist nämlich von großer erhellender Wirkung. Der Kontrast kann durch einzelne Wörter erfolgen (singulis verbis), z.B. wenn es heißt, der Menge zu gefallen sei kein wahrer, sondern ein falscher Ruhm. Man kann Gegensätze aber auch mittels längerer Texteinheiten ausdrücken (integris orationibus), z.B.: 'Im Krieg liegt kein Segen, darum bitten wir Dich alle um Frieden.' - 'Die Weisheit wurde aus unserer Mitte vertrieben, es herrschte Gewalt.'- 'Solange Du im Glück stehst, hast Du viele Freunde. Wenn sich das Blatt zum Üblen wendet, stehst Du allein.'- 'Wenn Du nur dem Fleisch lebst, stirbst Du. Wenn Du das Fleisch durch den Geist abtötest, lebst Du.' Obwohl sich Kontraste also auf sehr verschiedene Weise zusammenstellen lassen, subsumieren wir sie doch alle unter dem einen Begriff der Antithese. Eine weitere Unterteilung in kleinste Untergruppen würde nur Unklarheiten erzeugen. * Weitere Figuren dieser Gruppe sind: • Umkehrung eines Gedankens (commutatio, antimetabole, metathesis, z.B. 'Man muß essen um zu leben, man lebt nicht um zu essen'), 104
• Wendung eines Gedankens zum eigenen Vorteil (inversio), • Anwendung desselben Prädikats auf Gegensätzliches (commutatio, synoikeiosis, z.B. 'Übermäßige Härte und übermäßige Nachgiebigkeit sind bei einem Regenten gleich grausam'), • Ersatz eines Ausdrucks durch einen besseren (correctio, epanorthosis), • Zurückweisung einer Äußerung (reictio, apodioxis), • Vorwegnehmende Abwehr eines im Raum stehenden Gegenarguments (occupatio, prokatalepsis), • Zugestehen der Richtigkeit gegnerischer Argumente (concessio, paromologia), • taktisches Zugeständnis in einem Teilargument (paradiastole), • Ersetzung der eigentlichen Antwort durch ein anderes stärkeres Argument (anthypophora, anteisagoge, z.B. 'Dieser Stil ist zwar schwierig zu realisieren, aber er ist von vielföltigem und großem Nutzen' oder 'Die Änderung der Riten ist durchaus schädlich, noch schädlicher aber sind falsche Dogmen').
+ 6.3.5. Figuren aufgrund von Ähnlichkeit (ex similibus) Der Vergleich (comparatio) ist von größter Wirkung beim Amplifizieren. Jede Sache nimmt durch einen geschickten Vergleich im Wert ab oder zu. Hierher gehören die dialektischen loci, die aus der Äquivalenz, aus dem Weiteren oder dem Engeren bezogen werden (ex pari, ex maiore, ex minore). Hierher gehören aber auch Beispiele, Fabeln, Gleichnisse oder Bilder (exempla, apologi, parabolae, eikones), so z.B. wenn man 'Wolf' für einen schlechten Arzt sagt. Einschlägige Beispiele sind leicht zu erkennen, und man findet sie überall. Die loci selbst werden in der Dialektik zur Genüge abgehandelt, so daß sie hier nicht ausführlich erörtert zu werden brauchen. Wir nennen es prosopopoeia, wenn eine Person erfunden wird, wie bei Vergil die Fama ['Aeneis' 4,173-197], oder wenn wir einer toten Sache Leben zusprechen, etwa wenn einer die Albaner Hügel wie ein Lebewesen anspricht. Sermocinatio oder dialogismos liegt vor, wenn wir irgendeiner Person eine Rede in den Mund legen, z.B. wenn einer fingiert, daß Maximilian I. seinen Nachfolger Kaiser Karl V. ermähnt, die Spaltung der Kirche zu bereinigen. 6.3.6. Figuren aus Oberbegriffen abgeleitet (a genere) Die Sentenz oder gnome enthält eine sittliche Regel bzw. eine Aussage über irgendeinen Lebensumstand, wie bei Cicero, wo es heißt: "Durch Äußerliches wird die Frömmigkeit oft beleidigt". ['pro Roscio' 37] Oder: "Spätere Einsichten sind weisere". Diese Äußerungen werden von einem Gattungs- oder Oberbegriff (a genere), also einem locus communis abgeleitet, etwa von der Tugend, dem Glück, der Klugheit und Ähnlichem. An anderer Stelle war bereits davon die Rede, daß Beweise (probationes) aus derartigen loci bezogen werden sollen. Die Major eines Syllogismus ist meistens irgendeine allgemeine Sentenz (communis sententia). Folglich sind sprachliche Ausschmückungen (ornamenta) unbedingt auch daraus zu beziehen. Hierher gehören Gesetze, Sprichwörter und Aussprüche berühmter Männer (leges, proverbia et dicta clarorum virorum). Man gebraucht dafür den griechischen Ausdruck krisis, so auch für den Ausspruch 105
Catos: "Die Wurzeln der Tugenden sind bitter, aber ihre Früchte süß", [vergl. WALTHER: Proverbia, 6348] *
Des weiteren sind hier noch einzuordnen: • Hervorhebung von Eigenschaften wie Ehre, Würde, Nutzen, Befähigung, Schwierigkeit usw. (epiphonema), • Herausstellung einzelner Ausdrücke aus einer allgemeinen Sentenz (noema). *
6 . 3 . 7 . Figuren aufgrund von Umständen und Anzeichen (ex circumstantiis et signis) Hierunter fallen viele Amplifikationen auf der Basis von Ortsbeschreibungen, Beschreibungen von Zeitverhältnissen, Personen, Körperbeschaffenheit und Gestik. Es gibt vorausgehende und nachfolgende Anzeichen. Solcherart ist eine merkwürdige Verringerung oder Herabsetzung (extenuatio) bei Livius, wo Hannibal sagt, daß Scipio sein Heer dann nicht erkenne, wenn die Feldzeichen beiden Heeren weggenommen seien und er in Zweifel geraten müsse, wessen Befehlshaber er sei. Seine eigenen Truppen nicht zu kennen ist demnach ein Anzeichen für einen unkundigen Heerführer. [21,43,15-18] Aus den Umständen geht die Sinnfälligmachung (hypotyposis) hervor, bei der eine Sache so erzählt wird, daß sie einem gewissermaßen direkt vor Augen steht. Das geschieht, wenn wir gekonnt die Umstände beschreiben. Ein Beispiel liefert Cicero in der 'Oratio pro Milone' [28-29], in der er sagt, "wenn ihr dies alles gemalt sehen könntet etc.". Und er malt dann Milo im Reisegewand, mit Frau und Kindern auf dem Reisewagen. Clodius aber bewaffnet, auf dem Pferd sitzend, kämpft von einer erhöhten Position aus etc. Aus den Umständen ergibt sich auch die Erregung von Leidenschaften (pathopoeia), wie Ausrufe, Anrufungen, Schwüre, Drohungen, worüber in dem Buch 'de duplici copia' des Erasmus von Rotterdam ausführlich gehandelt wird, so daß hier nichts weiter gesagt zu werden braucht. Von den Affekten war oben (Kap. 1/8.) schon die Rede. Für die Anordnung der Redeteile ist die Figur der transitio wichtig, denn mit ihr geben wir Hinweise darüber, was schon gesagt wurde und was noch fehlt. Ein Beispiel dafür ist folgender Satz: 'Bislang habe ich davon gesprochen, welches Übel in der Trunkenheit liegt. Jetzt muß ich beschreiben, wie sie die Gesundheit schädigt.' Damit wird also knapp zusammengefaßt, was gesagt wurde, und dann angegeben, was im übrigen Text noch zu erwarten ist. Es gibt schließlich auch noch die Parenthese, ein kurzer Einschub zur näheren Erklärung, der den Grammatikern mit folgendem Beispiel vertraut ist: "So liebt Venus das Nichtstun. Wisse, der Du ein Ende der Liebe suchst (die Liebe weicht der Tätigkeit): Sei tätig, und Du wirst sicher sein". [Ovid, 'Remedia Amoris', 143-144]
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7. Über das Nachahmungsprinzip (de imitatione) Am Eingang dieses Werkes stand der Hinweis, daß die Beschäftigung mit der rhetorischen Theorie nicht dazu dient, Beredsamkeit zu erzeugen, sondern für die auszubildende Jugend ein methodisches Rüstzeug bereitzustellen, um elaborierte Texte kompetent zu beurteilen. Anders steht es mit der Nachahmung. Sie macht eloquent, wie sie auch in jeder anderen Disziplin zur Befähigung führt, wenn die natürlichen Veranlagungen im Einzelfall nicht dagegenstehen. Wenn sich also jemand mit der Theorie vertraut gemacht hat, dann sollte er sich mit niveauvollen Textbeispielen auseinandersetzen, indem er sich mit ganzer Seele und dem ganzen Denken in sie versenkt, so daß er sie nachzuahmen und nachzubilden lemt. Wenn aber jemand meint, die imitatio sei zwar von größter Bedeutung in den anderen Disziplinen, nicht aber im Bereich der Beredsamkeit, dann ist das ein Irrtum, den nicht nur die bedeutendsten Gelehrten, sondern auch das Durchschnittsdenken widerlegen. Unter den klügsten Köpfen wird nicht die Frage diskutiert, ob die imitatio unverzichtbar ist, sondern zu welchen Teilbereichen der Rhetorik das Nachahmungsprinzip notwendig gehört. Um also jungen Leuten klarzumachen, wie sie ihr Denken auf die Nachahmung guter Autoren einzustellen haben, soll im folgenden das ganze Problem in aller Kürze zum Nutzen der Studierenden erörtert werden. Wir haben oben schon oft betont, daß es die Beredsamkeit zum einen mit Sachverhalten und zum anderen mit Sprache zu tun hat (res et verba), wobei sich inventio und dispositio auf die Sachen und die elocutio auf die Sprache beziehen. Am Anfang ist darum festzustellen, daß es so etwas wie eine generelle sachliche imitatio gibt (generalis imitatio rerum), die wir deshalb so nennen, weil man alle guten Autoren hinsichtlich sachlicher inventio und dispositio nachahmen kann. Ein aufmerksamer Leser wird nämlich beobachten, aus welchen loci die guten Autoren ihre Einleitungen beziehen, woher sie ihre Gestaltungsmittel für Steigerungen (amplificationes) nehmen, wie sie die loci communes und Affekte behandeln, wie sie es schaffen, das Denken positiv zu stimmen oder aus der Fassung zu bringen, wie sie bestimmte Inhalte zeitlich genau passend und knapp einstreuen, wie aufmerksam sie das Angemessenheitspostulat beachten und mit welcher Umsicht sie die Textelemente in jedem Einzelfall disponieren. Mit Aufmerksamkeit sind solche Autoren zu verfolgen, wenn sie den Rezipienten einstimmen, wenn sie etwas erzählen, wenn sie etwas diskutieren, wenn sie auf den Gegner eingehen, und es gilt zu beachten, wie sie am Schluß ihren Ausführungen Bewegung und Emotion verleihen. Obwohl Cicero hinsichtlich dieser besonderen Fähigkeiten einzigartig hervorsticht, können auch andere Autoren, nicht nur Lateiner und Griechen, die Studierenden anregen und anspornen, wenn sie die Topik und die sonstige Vorgehensweisen bei inventio und dispositio nachahmen. Bisweilen ist es durchaus rühmlich, etwas von dort in angemessener Weise für den eigenen Fall zu übernehmen. Wir sehen, daß Cicero in dieser Weise vieles von Isokrates, Piaton und Demosthenes übernommen hat. Wichtig ist vor allem, daß man lernt Texte zu erzeugen, die den Beispielmustern nur ähnlich sind, so wie ja auch die guten Maler nichts von anderen einfach kopieren, sondern die Gestalt und die Haltung menschlicher Körper naturgetreu nachahmen. Es gibt aber auch eine Art allgemeiner sprachlicher imitatio (generalis imitatio elocutionis), die sich auf grammatisch korrekte Sprache erstreckt (grammaticus sermo) und nicht allein nach lateinischen Wörtern, sondern auch nach lateinischen Redewendungen fragt. Da man heutzutage Latein allein aus Büchern lernt, ist leicht einzusehen, daß die imitatio unabdingbar ist, um eine verbindliche Art das Sprechens festzulegen, die man überall und zu jeder Zeit versteht. Wer ver107
steht denn jene, die eine bestimmte völlig neue Art zu sprechen hervorgebracht haben, wie Thomas von Aquin, Duns Scotus und ähnliche. Deshalb müssen wir Autoren einer bestimmten Periode wählen, die einfach und korrekt gesprochen haben. Denn es ist so, daß diejenigen am klügsten reden, die auch am klarsten und schlichtesten reden. Von solchen Autoren können wir nicht nur das Sprechen, sondern bisweilen auch bedenkenswerte Sachinformationen beziehen. Allgemein anerkannt ist, daß im Zeitalter Ciceros die römische Eloquenz auf ihrer Höhe stand. Wir sollten folglich dieses ganze Zeitalter zum Gegenstand der Nachahmung machen, vor allem aber Cicero, Caesar, den etwas früher liegenden Terenz und den etwas später liegenden Livius. Gewiß ist kein Autor leichter als Plautus. Auch Sallust sollte gelesen werden. Wenn bei ihnen jedoch gewisse veraltete und abgenutzte Wörter auftauchen, ist zu prüfen, was Cicero davon akzeptiert, den wir ja als den Aristarch aller Schriftsteller ansehen. Plinius hat für uns viele Vokabeln bewahrt, auch wenn seine Art zu sprechen nicht mustergültig ist. Quintilian scheint sich am meisten um korrekte Sprache bemüht zu haben, und er verhehlt nicht, daß er versuchte, die Menschen auf den ursprünglichen Sprachgebrauch zurückzuführen, wenn sie eine verdorbene Ausdrucksweise bevorzugten. Von diesen Autoren müssen wir die Sprache lernen, und mit ihnen müssen wir umgehen. Wir haben aus dieser Zeit nicht so sehr einzelne Wörter aufzunehmen, als vielmehr Phrasen, d.h. Wortverbindungen, wie die folgenden: 'dare damnum', 'facere damnum', 'dare verba', 'dare in casum', 'rem publicam', 'capio dolorem'. Dagegen können wir 'cepit me dolor' und ähnliches nicht sagen, weil sich nicht alle Ausdrücke verbinden lassen. Anders gesagt: Bei Wortverbindungen ist der römische Sprachgebrauch nachzuahmen. Die griechische und die lateinische Sprache scheinen erst dann verdorben worden zu sein, als sie fremde Nationen mit der römischen Herrschaft übernahmen. Sie gebrauchten den Wortschatz korrekt, weil sie keine anderen kennengelernt hatten, doch bei den Wortverbindungen machten sie Fehler. Diese unüblichen Wortzusammenfügungen brachten nicht nur eine holprige und unverständliche Redeweise hervor, sondern eine völlig neue Sprache. Deshalb ist Caesar zu beherzigen, der sagte, ein ungebräuchliches Wort sei ebenso zu fliehen wie eine gefährliche Klippe. In gleicher Weise sollte man unübliche Wortverbindungen einschätzen. Ähnlich ist aber auch über Metaphern zu denken, deren Neuheit zwar bewundert wird, die aber einen Text unverständlich machen. Wir haben oben bereits gesagt, daß man diese Redeweise mäßig anwenden sollte, denn ein Text hat vor allem aus eigentlichen Ausdrücken zu bestehen. Wir weichen dementsprechend besser nicht vom Zeitalter Ciceros ab, wodurch der Text, wenn wir von dort Vokabular, Syntax und Figuren beziehen, deutlich, einheitlich und klar wird; nichts wird doppeldeutig oder affektheischerisch. Ein Fehler ist nicht nur im Text anstößig, sondern offenbart auch die Leere des Denkens. Folglich ist man zu Recht der Ansicht, daß bei der allgemeinen stilistischen imitatio (generalis imitatio phrasis) alle guten klassischen Autoren nachgeahmt werden sollten, weil wir das Sprechen nämlich besser durch Rückgriff auf viele Autoren lernen, wenn sie nur fehlerfrei schreiben. Zu den guten Autoren sind nämlich weder jene unfähigen der Alten zu zählen, denen diese gewisse schreckliche Schreibweise eigen ist, die man zu Ciceros Zeit natürlich nicht mehr akzeptierte, noch sind hier jene Autoren hinzuzuzählen, die nach Quintilian kamen und fälschlicherweise glaubten, der größte Geistesruhm bestehe darin, nichts einfach und eigentlich auszudrücken und die unnatürlichsten Figuren hervorzubringen; eine Schreibweise, an der sich Apuleius, Sidonius und viele andere berauschten. Demgegenüber kommt den Juristen das Verdienst eigentlicher Sprechweise zu, weshalb man sie, wenn nicht des Inhalts wegen, dann doch wegen ihres eigentlichen und korrekten Gebrauchs der lateinischen Sprache lesen sollte. 108
Aber neben dieser generellen imitatio in den Bereichen von inventio, dispositio, Lexik, Syntax und Stilistik bzw. figurativer Rede gibt es noch eine gewisse spezielle imitatio ciceronianischer Kompositionsmuster (specialis imitatio Ciceronianae compositionis). Es ist allerdings unter den Gelehrten umstritten, ob hier die Nachahmung von Wert ist. Es gibt bei Cicero eine eigentümliche Art der Aufteilung von Redeabschnitten, die nicht nur zu einem gleichmäßigeren Text, sondern auch zu mehr Klarheit zu führen scheint. Es ist davon auszugehen, daß diese Kompositionsmethode am Anfang aus Notwendigkeit oder aus Gründen besonderer Nützlichkeit in Betracht gezogen wurde. Erst in einem späteren Stadium, nachdem diese Methode eingeführt war, folgte auf die reinen Nützlichkeitserwägungen das Vergnügen an der Form. Viele schwer erträgliche Fehler findet man bei denen, die ohne Kompositionsüberlegungen schreiben. Zunächst verfolgen sie inkohärente Gedankengänge und dann schließt sich daran oft eine Verdrehung der rechten grammatischen Ordnung an. Ein Beispiel dafür findet sich bei Plinius in der Einleitung seiner Präfatio [zur 'Naturalis Historia'], deren Bestandteile hier in einer Paraphrase neu geordnet werden sollen, damit man den Hauptgedanken besser verstehen kann. Bei Sallust, um das einzuschieben, tauchen in den Texten äußerst schwerwiegende Inhalte auf, die sich mit zentralen politischen Problemen beschäftigen. Und obwohl dies mit der besten Wortwahl geschieht, ist seine Redeweise nicht genügend klar. Bei ihm fehlt es nicht an Kenntnissen und politischer Erfahrung, auch nicht an Urteilskraft oder Beherrschung der Muttersprache, sondern es fehlt an der nötigen Komposition. Ein Text büßt an Verständlichkeit ein, wenn die Gedanken wie verstümmelt oder unterbrochen vorgebracht werden. Folglich geschieht es oft, daß die, die ohne kompositionelles Konzept schreiben, unvollständige und nur rudimentäre Argumente bieten. Überall wird man da ein Vorausgehendes (antecedens) ohne das richtig konstruierte Nachfolgende (consequens) finden, um die allseits bekannten üblichen dialektischen Termini zu verwenden. Dies geschieht nun in der genannten Präfatio des Plinius immer wieder, wo ein solches Antecedens ist: "Was für einen Unterschied macht es, ob man einen Richter auslost oder ihn wählt?" oder "Welcher Unterschied besteht doch bei der Vorbereitung auf einen eingeladenen und einen aufgenötigten Gast?". [I,Praef.8] Wenn dann das Argument unvollständig bleibt, kann es nur von einem besonders aufmerksamen Leser verstanden werden. Dem letztgenannten Gedanken wären nämlich noch Folgerungen anzuschließen: "Weil der eingeladene Gast einen größeren Aufwand erfordert als der aufgenötigte, könnte ich mit Recht gerügt werden, daß ich Dich zum Lesen dieser Bücher eingeladen habe, ohne sicherzustellen, daß ich Dich auch zufriedenstelle". Es kostet mehr Mühe, die andere Analogie abzurunden. Warum? Weil der genannte Autor nicht nur die Argumente unvollständig läßt, sondern auch in der grammatischen Konstruktion gewisse anantapodota bietet (d.h. Perioden, bei denen das schlußfolgernde zweite Satzglied fehlt), was äußerst fehlerhaft ist. Es gibt noch viele weitere Probleme in einem Text mit solch mangelhafter Komposition, von denen aber nur die erwähnt werden sollen, die für junge Leute leichter faßlich sind, so daß sie über viele Dinge leichter sprechen können. Sorgfalt bei der Textkomposition trägt sehr zur Klarheit bei der Vermittlung von Sachverhalten bei. Obwohl die Natur bei der Vielfalt von Begabungen jeweils zu unterschiedlichen Arten des Ausdrucks führt und in der Gegenwart nicht auf eine hochstehende Beredsamkeit zu hoffen ist, sollen doch gewisse allgemeine Grundsätze vermittelt werden. Sie werden nicht nur jenen helfen, die die ciceronianische Kompositionsweise nachahmen wollen, sondern es sind Regeln, die letztlich für jede Art von Text gelten. Wer sie genau beachtet, versteht Ciceros Kompositionsweise leichter und, da sie bei weitem die beste ist, wird 109
denen die Könnerschaft zugesprochen, die sie mit größter Sorgfalt und Anstrengung nachzubilden suchen. Und obwohl der Verfasser dieser Zeilen sich selbst nicht intensiv genug mit diesen Dingen beschäftigt hat, weil ihn niemand in seiner Jugend darüber belehrt hat und später die schwierigen Lebensumstände keine weiteren diesbezüglichen Studien erlaubten, sieht er es trotz dieser eingeschränkten Kompetenz als seine Pflicht an, darzustellen, was das Beste ist. Politian ist zu restriktiv, wenn er meint, andere von der Nachahmung Ciceros mit Hinweis auf eine andere naturgegebene Art des Sprechens abhalten zu müssen; damit will er offensichtlich nur etwas mißbilligen, an das er sich selbst durchaus gehalten hat. Man kann sicher sein, daß die Kunst, einen Prosatext (oratio) zu schaffen, sich in wesentlichen Aspekten nicht von der Dichtkunst unterscheidet. Wie es nämlich Narretei wäre, jemandem, der eine Elegie dichten soll, bevorzugt Horazische Oden oder Satiren vorzulegen statt Ovid oder Tibull, so wäre es ein unbedachtes Urteil, beim Verfassen eines Prosatextes zu meinen, es mache keinen Unterschied, welchem Autorvorbild man folgt. Wie man die Elegien eines Elegiendichters äußerst sorgfältig lesen muß, und man sich sehr anstrengen müß, um ihrem Vorbild folgen zu können, so muß man auch in der Prosa die besten Vorbilder lesen, um dann einen eigenen Text mit ähnlich kunstvoll figuraüver Sprachgestaltung (color) hervorzubringen. Obwohl viele aufgrund mangelnder Begabung und aufgrund natürlicher Unterschiede wenig Erfolg bei der Nachahmung Ciceros haben, so profitieren sie doch mehr von einer Cicerolektüre, als wenn sie minderwertigeren Vorbildern folgten. Diese weniger Befähigten vermögen zwar nicht jene unvergleichliche Kompositionsweise nachzuahmen, zumal ja selbst in römischer Zeit niemand unter denen, die Cicero täglich hörten, sich in vergleichbarer Weise ausdrücken konnte, doch erreichen sie durch die Orientierung an ihm, daß ihre Texte sprachlich einheitlicher und reicher werden. Cicero sind zahllose andere Vorzüge eigen, deren schattenhafte Übernahme uns bereits hohes Lob einträgt, und ich ziehe selbst den nur schwachen Umriß Ciceros einem Original des Politian oder Gellius vor. Warum mahnt ein erfahrener Lehrer, der einen Schüler mit fruchtbarem und reichen Geist gefunden hat, diesen nicht und begeistert ihn dafür, sich Cicero zu widmen, sich mit Herz und Seele hinein zu versenken und sich ganz an diesem Vorbild zu orientieren, damit ihm dieser kluge Kopf mit Intelligenz und Leistungsfähigkeit nachfolgen kann, und zwar nicht nur in Wortwahl und Satzbau, sondern auch in der Nachahmung der Kompositionsprinzipien? In dieser Hinsicht brauchen auch die nur mittelmäßig Begabten nicht die Hoffnung auf Erfolg zu verlieren. Man soll einen solchen imitator natürlich nicht von anderen guten Autoren femhalten, denn sie helfen ihm genauso, wie die Versdichter einem Prosaisten helfen oder die Maler einem Bildhauer. Obwohl der Bildhauer viel von der Nachbarkunst zu seinem eigenen Gebrauch übertragen kann, wird er doch so auf ein Vorbild oder eine Vorstellung seiner eigenen Kunst ausgerichtet sein, daß er darauf achtet, was mit dieser Vorstellung übereinstimmt, damit er nicht zu weit von ihr abkommt. Und in der Tat kann deijenige nicht ein Nachahmer Ciceros genannt werden, der nur ausgewählte Gedanken und einzelne Zeilen wie ein Flickwerk zusammengestückelt hat. Jeder sollte sich hinsichtlich seiner Befähigungen eine bestimmte geistige Grundlage schaffen, damit er sich die ciceronianische Diktion leichter aneignet und er, wenn er soweit ist, seine Gegenstände entsprechend auszudrücken, auch noch die Anordnung und Reihenfolge der Textteile nach dem Vorbild Ciceros einzurichten vermag. Darüberhinaus ist es für uns durchaus schicklich, wie Vergil, der eine ganze Reihe von Versen aus Homer bezog, bisweilen einzelne Textabschnitte zu übernehmen, solange das Angemessenheitspostulat beachtet bleibt. Wie Vergil muß man sich nämlich auf die Orts- und Zeitverhältnisse einstellen. Wenngleich dieser auch sein ganzes Werk
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nach dem Vorbild Homers dichtete, so vermied er doch klugerweise alles, was nicht mit den römischen Verhältnissen (mores) übereinstimmte. Der imitator wird die Ausdrücke bestimmt nicht verschmähen, die der konkrete Fall verlangt, auch wenn sie bei Cicero nicht vorkommen, wie etwa in theologischen Kontroversen die Bezeichnungen "Christus" oder auch "ecclesia" (Kirche) sowie "fides" für "fiducia" (Glaube) und ähnliche zu verwenden sind. Wenn wir nämlich Sachverhalte aus der Hl. Schrift übernehmen, müssen wir deren Sprachgebrauch folgen, damit nicht der Eindruck entsteht, Sachverhalte würden ohne Übereinstimmung mit der Schrift vorgebracht. Deshalb werden diejenigen mit Recht nicht ernst genommen, die "persuasio" für "fides" und "coelestis philosophia" für "evangelium" oder ähnliches sagen; dabei geschieht es oft, daß sie die angestammte Bedeutung jener Ausdrücke nicht kennen, die sie verwerfen. So etwas hat keine Erhellung schwieriger Sachverhalte zur Folge, sondern diese Leute machen alles noch unklarer und verwirrter. Wie kommt es eigentlich, daß sie sich einbilden, die imitatio beziehe sich nicht auf den Stil und die Formen des rednerischen Ausdrucks (phrasis), auf den Textaufbau (collocatio), sondern auf Einzelwörter? Sie unterliegen damit einem Anfängerirrtum. Cicero benutzte zwar manchmal den Römern unbekannte Wörter, übernahm viele aus philosophischen Schriften und griechischen Geschichtswerken, doch er sprach insgesamt auf seine eigene Weise (Ciceroniano more). Der Textaufbau und das Textganze (universum corpus orationis) repräsentieren Cicero. Wenn sich also die Studenten der Beredsamkeit vor allem darum bemühen sollen, Cicero nachzuahmen und zu kopieren, dann ist es angebracht, jetzt noch gewisse Grundsätze hinzuzufügen, damit sie die Komposition leichter verstehen können. Sie werden Cicero lieber lesen und sich eher wie er ausdrücken, wenn sie seine besonderen Leistungen (virtutes) verstehen. Und da wir von der Nachahmung der loci bei der inventio, vom Vorbild bei der dispositio und ebenso in den Bereichen von Lexik, Syntax und Stilistik gesprochen haben, bleiben nur noch die Verfahren der Komposition darzustellen. Der erste Kompositions-Grundsatz bezieht sich auf den Inhalt und besteht darin, die rechte Gedankenfolge einzuhalten (ordo sententiarum), was im Fall einer Erzählung oder eines Berichts über Geschehnisse leicht ist. Schwieriger ist es, dies auch in der Einleitung oder bei den Beweisgängen einzuhalten. Es ist üblich, an den Anfang eines Textteils eine Hauptaussage (propositio) zu stellen. Dann ist die Begründung (ratio) anzuschließen, auf die die Erläuterung der Begründung folgt oder eine Erweiterung (amplificatio), bisweilen folgt auch ein Entsprechungs- oder Kontrastgleichnis (simile) oder eine Gegenthese (adversativa), die gewissermaßen der Anfang eines neuen Textteils ist. Jeder Cicero-Text besteht aus diesen Elementen. Andere häufen sehr unterschiedliche Gedanken an und bieten viele wie verstümmelt dar, ja, manche mischen gar völlig unpassende darunter. Cicero dagegen stellt all das in angemessener Weise zusammen, was zu einer Sache gehört, und er verknüpft die Gedanken so, daß zwischen den Gliedern der Gedankenkette weitgehende Kohärenz besteht, wie das bei den dialektischen Beweisen (probationes) der Fall ist. Und solange er den Text in diesen Schranken hält, läßt er nichts Sachfremdes in unangebrachter Weise einfließen und vollendet unvollendete Gedankengänge. Ein Beispiel dafür kann aus der bekanntesten seiner Reden, der "Oratio pro Archia' [1-2] bezogen werden, wo die erste These (propositio) der Einleitung lautet: "Ich habe Archias für meine Rednerfähigkeiten zu danken". Das ist die Hauptthese, die Cicero mit gewissen sprachlichen Ornamentierungen einkleidet, damit sie reicher klingt. Es folgt die Begründung (ratio): "weil Archias mich bei meinen Bemühungen um die Beredsamkeit unterstützt hat". Daran schließt sich die Schlußfolgerung (conclusio argument!) mittels Vergleich an: "Ergo, wenn meine Beredsamkeit anderen geholfen 111
hat, dann muß sie nun um so mehr jenem helfen, der ihr aufgeholfen hat". An dritter Stelle steht eine Gegenthese (adversativa), die einen neuen Gesichtspunkt (locus), eine neue These enthält: "Es ist nichts Ungewöhnliches, daß ein Orator von einem Poeta unterstützt wird". Die Begründung ist, daß alle Disziplinen miteinander verwandt sind, weshalb eine die andere unterstützt. Schließlich findet sich eine zweite Gegenthese. Obwohl es scheint, daß diese Struktur eines Gedankengangs eher den Bereichen der inventio und dispositio als dem der Komposition zuzuordnen ist, die aus einer sachgerechten sprachlichen Anordnung besteht, wird deijenige, der recht überlegt, verstehen, daß die Basis der gesamten Komposition die richtige Anordnung der Gedanken ist. Andernfalls wird keine Satzperiode kohärent, was aber in Hinsicht auf die Komposition vorrangig ist. Für das Verständnis Ciceros ist es besonders nützlich zu sehen, in welcher Weise er seine Gedanken über den Text verteilt, wo sie einsetzen und wie sie untereinander übereinstimmen. Wer dies berücksichtigt, wird auch selbst kohärenter schreiben. Der nächste Kompositionsgrundsatz besteht darin, die einzelnen Gedankenschritte mittels Satzperioden zu verknüpfen. Was Perioden, Kola oder Kommata sind, vermitteln die Grammatiker. Ein Kolon ist ein geschlossener Gedanke, wie etwa: 'Was die Menschen durchpflügen, durchsegeln, was sie erbauen, dies alles gehorcht ihrer Entschlossenheit'. Ein Komma ist ein Teil eines Kolon, wie 'durchsegeln und erbauen' in dem eben angeführten Beispiel. Eine Periode besteht mindestens aus zwei Kola. Im Lateinischen nennt man eine Periode "circuitus" oder "circumductio", weil sie mehrere Gedanken unter Zuhilfenahme von syllogistischen, kausalen, relativen, komparativen und adversativen Partikeln bzw. Konjunktionen vereint. * Die Struktur des Gedankengangs, von der oben die Rede war, macht die Sachverhalte klarer, die Form der Satzperioden nützt der Gedankenverknüpfung und trägt zum Ausdrucksreichtum des Textes bei. Deshalb ist der imitator gehalten, seine Aufmerksamkeit auf die Nachahmung ciceronianischer Perioden zu richten. Aber ein Text besteht nicht nur aus Perioden. Bisweilen sind nämlich Einzelkola wie Unterbrechungen zwischen die Perioden zu stellen. Einleitungen und Syllogismen vertragen Perioden besser als Erzählungen oder Berichte, die größtenteils aus einfachen Kola bestehen. Kontroverstexte aber und Diskussionen haben nur sehr selten Perioden. Sie bestehen nämlich nur aus kurzen Elementen. + Damit ist die Zahl der Kompositionsgrundsätze aber noch nicht erschöpft. Wenngleich die bisher erörterten aufs sorgfältigste bei Cicero ausgeführt sind, so finden sich auch noch andere gute Schriftsteller, die bezüglich der Gedankenabfolge beachtenswert sind und Perioden in anderer Weise formen. Im Gegensatz zu diesen hat Cicero allerdings zwei ihm ganz eigene Vorzüge: Er schmückt nämlich einzelne Abschnitte mit Worten aus, fast wie es in Dichtungen geschieht, und er bereichert durch diesen Sprachschmuck die Periode und macht sie kunstvoll und rhythmisch. Es ist heutzutage allerdings Narretei, diese Rhythmik zu lehren, weil der Klang der lateinischen Sprache in der Gegenwart nicht bodenständig ist. Anzumahnen ist jedoch, daß der imitator lernt, seine Inhalte sprachlich anspruchsvoll auszuschmücken, was viel Lob einträgt. Wenn man das tut, wird der Text reicher und angenehmer. Der Rhythmus stellt sich dann bei der Periode wie von selbst sein. Cicero konnte in seiner 'Oratio pro Archia' [1-2] einfach sagen: "Ich habe Archias zu danken für diese Befähigung zu reden". Wie hat er dies doch sprachlich ausgeschmückt und dabei seine eigenen Fähigkeiten untertrieben, indem er schreibt: "Was ich an Begabung besitze, und ich bin mir ihrer Schwäche bewußt" etc. Dann teilt er seine Fähigkeiten in drei Bestandteile auf: in 112
Talent, Übung und gelehrte Kenntnisse. Aus diesen drei Dingen bestehen nämlich die gelehrten Disziplinen. Der imitator sollte auch wissen, welche Wege man bei der sprachlichen Ausschmückung beschreiten darf. Denn nichts ist widerwärtiger als die Zurschaustellung von funktionslosem Zierat. Sprachlicher Schmuck darf niemals den Eindruck erwecken, unnütz herangezogen worden zu sein, sondern es muß deutlich werden, daß er aus der Notwendigkeit heraus gewählt wurde, um den Fall besser zu veranschaulichen. Wenn dies die Studenten bei der Cicero-Lektüre beachten, werden sie den besten Autor richtiger verstehen und seine Vorzüge klarer erkennen. Sein Nutzen ist auch dann nicht gering einzuschätzen, wenn die Nachahmung nicht gelingt. Wer sich bemühen will und von seinen natürlichen Anlagen darin begünstigt wird, der kann dessen gedanklich-konzeptionelle Vorzüge bis zu einem gewissen Grad nachahmen. Wenn eine daraus resultierende Sorgfalt der Textkomposition jedoch lediglich der puerilen Zurschaustellung des Talents dienen sollte, gibt es allerdings keinen wirklichen Grund für solche imitativen Mühen. Aber wenn etwas großen Nutzen bringt, dann ist es auch der Mühen wert. Dies gilt gerade für den, der nicht mit den größten Geistesgaben ausgestattet ist. Es macht nämlich einen Text sehr viel klarer, wenn die Gedankengänge in angemessener Weise kohärent gehalten, wenn keine unvollständigen Teile geboten werden, wenn die besonders lohnenswerten Abschnitte sofort auffallen und hervorgehoben sind, wenn der Sprachschmuck als angemessene Einkleidung gehandhabt wird, wenn die Längen der Perioden maßvoll sind, und wenn die Perioden nicht durch Änderungen in der üblichen Wortfolge zusammenhanglos werden. Denn es stimmt doch in höchstem Maße, was Cicero sagt: wahrer Glanz und wahre Schönheit sind mit Nützlichkeit verbunden. ['Deoratore' 3,178-181] Unendlich viele Beispiele lassen sich hierfür in der Natur, in den Werken menschlicher Künste und Wissenschaften, vor allem aber in der Architektur aufweisen. Die angemessene Proportion der Teile hat nämlich bei Bauwerken nicht weniger Nutzen als sie Schmuckfunktion hat. Deshalb ist anzunehmen, daß man auch auf die Harmonie der Textbestandteile nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihres Nutzens achten sollte. So wird klar, daß wir bisweilen kluge Männer sehen, die wenig von Rhetorik verstehen, aber mit größter Sorgfalt einen Text komponieren und konstruieren. Sie wissen, daß man dies nicht dem Genuß zuliebe, sondern aus Notwendigkeit tun muß, um nichts wirr, unverständlich, zur falschen Zeit oder am falschen Platz zu sagen, und womöglich verstümmelte und unklare Textbestandteile zu bieten. Und im übrigen wissen sie auch, daß man beim Schreiben nicht allein auf Klarheit (perspicuitas), sondern auch auf eine würdige Darbietungsform (dignitas) achten muß. Sie sind sich aufgrund ihrer intellektuellen Befähigung und aus praktischer Erfahrung, teils ganz ohne Theorie bewußt, daß in komplizierten und gewichtigen Fällen eine klare und durchaus auch würdige Darbietung verlangt ist. Wenn das so ist, und wenn die natürliche Begabung kluge Köpfe zur Beachtung der Kompositionsbedingungen eines Textes bringt, dann ist es für die Gebildeten angebracht, sich nach einem vollkommenen Vorbild hinsichtlich Fragen der Textstruktur umzusehen, auf das sie sich bei der Abfassung eines Textes beziehen können. Es ist für Gebildete beschämend, weder die Bedeutung dieses Sachverhalts einzusehen, noch sich um eine entsprechende Kenntnis zu bemühen, wenn selbst die Nichtrhetoriker die große Bedeutung der Komposition wahrnehmen und zu der Einschätzung kommen, daß man wichtige Dinge ohne diesbezügliche Sorgfalt nicht darstellen kann. Die Dreistigkeit dieses Denkens ist erstaunlich, die darin besteht, auf diesem schwierigen Feld Vorbilder weit von sich zu weisen und jegliche Nachahmung zu verschmähen, wo doch in anderen, leichteren Disziplinen die Menschen ohne Vorbilder und ohne Nachahmung wenig ausrichten. Der Volksmund pflegt hierzu zu sagen: 'Jeder ist, wie 113
schlecht auch immer, sein eigener Lehrer, denn wir lernen nicht nur in den gelehrten Disziplinen, sondern auch durch Sitten und Gebräuche sowie im ganzen übrigen Leben'. Wenn man sich also auf diesem Gebiet nicht wirklich ohne Vorbilder und ohne Nachahmung vervollkommnen kann, und wenn unter Kennern die Vollkommenheit der Kompositionsprinzipien Ciceros unstrittig ist, dann sind diejenigen als vortrefflich anzusehen, die sich diesen Autor zum Vorbild nehmen, um seine Vorzüge (virtutes) und hier besonders seine Art des Textaufbaus (collocatio) nachzuahmen. Da immer eine gewisse Methode der Komposition und sprachlichen Ausschmückung nötig ist, eine Tatsache, die auch Ungebildete in wichtigen Fällen kennenlernen, ist es ein Gebot der Klugheit, die besten Vorbilder zu wählen. Cicero scheint bessere Texte komponiert zu haben als andere, weil er ausgezeichnete Meister (artifices) nachgeahmt hat. Er folgte nämlich dem Beispiel des Isokrates, während andere, die mit einer bestimmten gewöhnlichen Textform zufrieden waren, nichts Besseres oder Vollkommeneres suchten. Diese Wertschätzung Ciceros gilt auch angesichts der Tatsache, daß es bedeutende Autoren gab, die ihre Texte nicht in der Weise Ciceros strukturierten, z.B. entspricht die Komposition des Lysias nicht der Ciceros. Natürlich unterscheiden sich die großen Autoren hinsichtlich ihrer Kompositonsprinzipien, und auch Cicero selbst hat nicht alles nach demselben Strukturschema angelegt. In der Tat haben alle herausragenden Autoren gemeinsam, daß sie ihre Gedanken in einer bestimmten Struktur (ordo) entfalten, ohne syntaktisch die Perioden nach demselben Schema zu konstruieren. Hinzu kommt, daß sie alle auch einige Abschnitte mit besonderen sprachlichen Mitteln hervorheben. In diesem Zusammenhang ragen die Autoren heraus, die dem Attizismus zuzurechnen sind. Sie schlossen kohärente Gedankengänge keineswegs durch Periodenbau zusammen. Unter den guten und hervorragenden Autoren war keiner so nachlässig, daß er einen Text ohne alle Rücksicht auf die Komposition verfaßte. Und obwohl Cicero die Perioden keineswegs perfekt konstruierte, denn in Briefen und philosophischen Büchern ist die Rede freier, so übertrifft er doch in dieser Hinsicht die anderen, die keine Rücksicht auf Kompositionsfiagen nahmen, denn er achtete darauf, daß keine weit auseinanderliegenden oder unpassenden Inhalte verknüpft und keine unvollkommenen Gedankengänge vermittelt wurden. +
8. Die drei Stilgattungen (genera dicendi) Für die Urteilsbildung ist es sehr zuträglich, die verschiedenen Stilgattungen zu kennen. Die Verschiedenheit der menschlichen Geister bringt nämlich unterschiedliche Formen oder, wie es die Griechen nennen, Charaktere der Werke hervor. Das betrifft nicht nur die Rhetorik, sondern auch die meisten anderen Disziplinen. Dabei sind gewisse Stufen (gradus) zu beachten, nach denen sich die Stile (formae) ordnen lassen, d.h. die niedrige Gattung (humile genus) und die ihr entgegengesetzte hohe Gattung (grande genus). Die dritte Gattung ist die mittlere (mediocre genus), die reicher als die erste Gattung ist, zugleich aber hinter der höchsten etwas zurücksteht. Man kann diese Unterschiede leicht bei Bildwerken (in picturis) feststellen. Dürer malte bzw. zeichnete (pingebat) alles im erhabensten Stil und durch reichstes Linienwerk variiert. Die Bilder des Lucas [Cranach] sind demgegenüber schlicht, und obwohl sie durchaus auch eine liebliche Schönheit haben, zeigt der
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Vergleich, wie sehr sie sich von den Werken Dürers unterscheiden. Matthias [Grünewald] hielt gleichsam die Mitte. Die genannten Stilgattungen sind aber unter sich vermischt, so wie Musiker Töne mischen, indem sie zwischen eigentlich leiseren Töne bisweilen etwas kräftigere hervorbringen. Zur gleichen Zeit sind also einige Stellen mehr herausgehoben, andere eher zurückgenommen, so wie es die Unterschiedlichkeit der Sachverhalte, von denen die Rede ist, gerade verlangt. Der niedrige Stil erhebt sich nicht über die alltäglichen Sprachgewohnheiten, wahrt die Eigentlichkeit der Rede mit erstaunlicher Sorgfalt und ist merklich bemüht, die Sachverhalte weitestgehend mit den normalen, eigentlichen Ausdrücken darzustellen. Er liebt keine wuchernden Figuren, geht unverkrampft mit Metaphern um, mit nicht weit hergeholten, sondern aus der Alltagssprache bezogenen. Nichts steigert er übermäßig mit sprachlichen Mitteln, sondern die ganze Pracht des Textes ist seine maßvolle, auf Zurückhaltung gründende Beschaffenheit, als ob er absichtlich den Sprachschmuck flieht. Mit einem Sachverhalt seitzt er sich klug und wohlstrukturiert auseinander, weicht in der Regel nicht von seinem Thema ab, und durch den Reiz dieser Einfachheit als solcher nimmt er den Hörer für sich ein. Syntaktisch anspruchsvolle Perioden kommen praktisch nicht vor, weil sich deren Geringschätzung in der Alltagssprache strukturell widerspiegelt. Unter den uns vertrauten Autoren gehört Terenz zu dieser Stilrichtung. In den 'Colloquia' des Erasmus von Rotterdam haben wir ebenfalls diesen Textcharakter. Und auch Cicero folgt dieser Stilgattung in der Regel in seinen philosophischen Erörterungen und Lehren. Für die Belehrung bzw. Unterrichtung ist sie nämlich ganz besonders geeignet. In der Literatur ist vom Attischen Stil die Rede, auch wenn Cicero behauptet, daß die Attiker eher einem höheren Stil zuzurechnen seien, als er in Komödientexten vorkommt. In der Tat kann man das nicht übersehen, denn Demosthenes und Aischines sind eher Vertreter des hohen Stils. Unter den bekannten Lateinern gehört wohl auch Caesar eher dazu, wird also mit Recht als Attiker eingeschätzt. Aber selbst wenn die Attiker bisweilen einen reicheren Tonfall gebrauchen, war ihnen die erste Stilrichtung doch eher eigen, weil sie im Vergleich zu den übrigen sehr normalsprachlich waren und mäßig beim sprachlichen Ausschmücken. Sie vermieden mit größter Sorgfalt alles, was ungeschickt und unangebracht war. Aber natürlich gibt es im Bereich der ersten Stilgattung auch gewisse fragwürdige Dinge, Seichtes und Dürftiges, Rohes und Unverständliches, was man in Sallust-Texten an manchen Stellen findet. Der hohe Stil hat, selbst wenn er über weite Strecken aus normaler, eigentlicher Rede bestehen soll, doch Metaphemhäufungen, auch weit hergeholte. Er schmückt und erweitert mit allen erdenklichen Figuren und kehrt die Ornamentierung wie absichtlich hervor. Livius folgte dieser Stilrichtung mit großem Lob, und Cicero gebrauchte sie in vielen Reden, wie etwa in den Reden 'in Verrinis', 'in Catilinam', 'in Pisonem' und 'pro Milone'. Cicero schuf gleichfalls die für diese Stilrichtung genau passenden Kompositionsprinzipien. Aber natürlich hat er diesen Stil nicht überall angewendet, wenngleich er sich in den gewichtigeren Fällen einen bedeutenderen Tonfall beilegte. Bei anderen leichtgewichtigeren Angelegenheiten wendete er den mittleren Stil, bisweilen auch den niedrigen an, wenn es um Belehrung ging. Den hohen Stil kann man leicht erkennen. Er gebraucht nämlich schreckliche und tragische Worte und zeichnet furchtbare Gebärden. Ein Beispiel dafür ist die Beschreibung des Todes der Dido bei Vergil. ['Aeneis' 4] Es gibt in dieser Stillage sehr negative Erscheinungen, Schwulst und Aufgeblasenheit, die Erhabenheit vorspiegeln sollen. Vertreter dieser Richtung bringen nichts auf normale und eigentliche Weise hervor, sondern ergehen sich ständig nur in Umschreibungen 115
und monströsen Metaphern. Das nannte man einst Asianismus. Denn in Asien pflegte man eine verdorbene und unnormale Redeweise. Man suchte ein Lob seiner Beredsamkeit zu erreichen, indem man unmäßigen Sprachschmuck zur Schau stellte. Vernünftige Köpfe schrecken immer zuerst vor dieser Stilgattung zurück. Der mittlere Stil läBt sich kaum vom höheren unterscheiden, denn es trennt ihn nicht viel von ihm. Er ist sprachlich reich, fließt über vor Figuren, bleibt aber bei den Formen sprachlicher Steigerung (amplificatio) doch etwas hinter dem hohen Stil zurück. Hierher gehören weite Teile Ovids sowie viele Briefe, Reden und philosophische Bücher Ciceros. Aber auch eine Reihe von Deklamationen des Erasmus von Rotterdam sind dazu zu rechnen. Am nützlichsten ist es, die zwei extremen Stile mittels Nachahmung kennenzulemen, so daß wir die Vorzüge (virtutes) der verschiedenen gelesenen Autoren besser wahrnehmen, um zu sehen, für welche Gattung wir die beste natürliche Begabung haben. Die weniger Begabten erweitem ihre eigenen Fähigkeiten, wenn sie reichhaltigere Schriften lesen. Die Aufgeblasenen und Ambitionierten mäßigen ihre Natur und gewöhnen sich an den Charakter des Attizismus, indem sie Attiker lesen, als deren ureigenstes Gebiet ja die Prosarede (oratio) gilt. Ende
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Philipp Melanchthon ELEMENTORUM RHETORICES LIBRI DUO
Epistola nuncupatoria anno 1531
Epitl, DvncupitorU p r a r m i u · libra Melantbonts: Elemeot o r u i p K b e t o r i c c s liLri I I . W h e t . « p a d G e o r g . R h . u . 15J1. 8 . —- I t e m ' l i p s . 1 M 8 . 8 . ex q u a e d i t i o n s e p b l o l a m d p · aeaipsit L a n z i t u . Kadern b a b e t u r i n o p p . M e l . Baail. T . v . p . 2 3 8 . , q a a m c o a i u l L E J i l i H e u t « η · ί 1531. »idere aon potai.
Philippus Melancklhttn studiosis scenlibus, Alberto el IoanniReiff enstein, Guilelmifiliis, S.D. C u m
ante biennium
Dialeetiten
adale-
ediderim,
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q u e v i t o optiitoo, patri vestro d e d i c a v e r i m , -at Vobis
et
commilitonibus
discendam iam
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Sed
ut ma-
elementa his,
ad -AriStotilem accessuri s u n t ,
ntilia
cognatas ar-
initio Dialecticen
istic praefattfs s u m .
locupletiores
vos
duxivo-
altetutrJi.
Q u o consilio atitem
Graeti
videretur,
q u a e ita c o p u l a t a e s u n t
u i rectiuS a m b a e simnl
quam seorsum
ul bus.
ita
intellexerim,
m i t t e n d a m esse, u t
tesconiungeretis,
perim,
si
cnmqne
artis etndio feliciter versari:
Rhetorieth
bis et
vestris,
proponeret:
ad
bonis
cbntroversiis
i u d i c f t l W i i , " Weriho q t l i d q t r a t n m o ' n e b ' a t .
Ddandum reipublieae in niaximis periculis. Diligenter et hoc monendi sunt studiosi, rem unam esse omnium humanorum opemm longe difficillimam, bene dicere. Etenim qui magnitudinem eloquentiae et rei difficultatem considerabit, int eil iget, expetenti hanc laudem, acerrimum stadium omnium roaximarum artjum adhibendum esse, ei statuet, ad magnarum et difficilinm causa mm tractationem in eedesia et republica non tantum hos Rhetoricos libellos, sed perfectam doctrinam, et magnam facultatem, longam exercitationem domesticam et acerrimum indicium afferendum esse. Has opipiones prode^t innrere antmis. iuvenum. Efficiunt enim, uthonyrific^ptius de iqaxin)is artibus sentiant, quod mul^pn referre existimo, et aeuunt discendi coram et diu detinent eos in studiis, ne ante tempus et imparati accedant ad rempublicam.i Porro haec etsimilia saepissime monet ipse Cicero in Oratories libris, Quamobrem et paulo antediximw, ees nonsoluro ad. eloquentiam, sed etiam ad sapientiam profuturos esse, ltaque hoc praeeipue efBcere cupimus his nostris libellis, ut praeparemus adolescent es ad illorum optimorum librorum lectionem. Vobis autera dedicare cojistitui, quoniam Dialecticen antea vobis piisi, ut hoc ipso exemplo admonerem studiosos, has artet coniungendas esse, nec alteram sine altera perfecte cognosci posse. Ac prius iUud munus imperfectum videri poterat, nisi Rhetorica aecessissent. Cum autem me semel vobis obligatsem .promissa Dialectica, verebar, ut vobis satisfactum esset, nisi munus integrum haberetis. Precor autem, ut Christus studia vestra gubernet et fortunet. Beneva lete.
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PH. MEL. E L E M E N T O R U M RHETORICES LIBHI
LIBER
De
Elementis
Inicio rnonendi sunt adolescentes, quem ad usum communia praecepta Rhetorices primura tradita sint. Legent enim li hen tins, ubi cognoverint, quam inde auferre debeant utilitatem. Homines acuti etperiti, qui primi hanc artem genuerunt, nequaquam hoc senserunt, haec praeccpta efficere lioinines eloquentes, aut ad eloquentiam comparandam sufficere. Nam eloquentia primura vim naturae maximam ad diceudum, deinde multarum bonarum rerum scienciam requirit. Multa igitur et magna adiumenta, tum a natura, tum a doctrina, praeter haec communia praecepta, sumit. Habent tarnen et suam utilitatem praecepta. Docet enim natura homines viam quandam atque rationem, magnas et obscuras causas explicandi, quam homines magna quadam vi ingenii praediti, partim beneficio naturae aniinadvertere, partim nsu deprehendere Solent. Hinc extitit ars, quae etiamsi regit artifices in dicendo, tame η in hoc, inicio traditur, non ut oratores efficiat, sed ut adiuvet adolescentes in legendis orationibus excellentiiim Oratorum, et in longis controversiis iudicandis. Neque enim tantum his, qui causas acturi sunt, praecepta proposita sunt, sed in commune voluernnt autores artis consulere omnibus. Nam etiam hi, qui non agnnt causas, qui nihil scribunt, sitamen velint legere aut iudicare res magnas, nt religionum controversies, aut fofensia iiegotia, via quadam alqne ratione opus habent, ad inlelligendas longas controversies. Nemo enim potest longas eontentiones et perplexas disputationes aniino complecti, nisi arte aliqua ad1IIL4>TH. O r i i . VOL. XDI.
DUO.
PRIMUS.
Rhetorices. invetur, quae ostendat Seriem partium, et intervalla, et dicentium consilia, et viam tradat, res obscuras explicandi ac patefaciendi. Haec utilitas movit homines prudentes, ad excogitanda praecepta, ut in commune consulerent omnibus, et adolescentes, non tarn ad recte dicendum, quam ad prndenter intelligeuda aliena scripta, praepararcnL Atque iidem videbant, ut aliarum rerum artifices, ita oratores imitatione fieri. Quare, si qui erant in turba discentium, quos natura ad dicendum idoneos finxerat, hos, postquam didicissent viam intelligendi et iudicandi disertorum orationes, in forum et ad causas deducebaut, et iubebant in agendo niagnos et excellentes oratores inlueri atque imitari. Quare et nos ad hunc usum trademus Rhetoricen, ut adolescentes idiuvent in bonis autoribus legendis, qui quidem sine hac via, nullo modo intelligt possunt. Quod cum ita sit, satis apparet, haec praecepta necessaria esse omnibus. l)einde autores iutellectos imitari, non difficile erit his, qui a natura ad dicendum adiuvantur. Etenim neque sine imitatione eftici oratores possuut, neque imitatio sine praeceptorum cognitione procedit. Eloquentia facultas est sapienter et ornate dicendi. Nam ad bene dicendum in primis requiritur perfecta earum rerum cognitio, de quibus oratio instituitur. lnsania est enim, non eloquentia, de rebus ignotis et incompertis dicere. Cum autem rerom coguitio ad dicendum necessaria sit, oportebit oratorem harum artium, quae rerum scientiam continent, non esse rudem. Quid «7
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SCRIPTA PH. MEL. AD H I S T . P R O F . E T PHILOS. SPECTANTIA.
enim de religione, de natura rerum, de iure, denique de ulla vitae parle dicit is, qui doctrina ilia noil instructus est, quae eas res continet? Rheiorica vero e s t a r s , quae docet viatn ac rationem recte et ornate dicendi. Voco enim Rhetoricen haec praecepta, quae pueris tradunt u r , quorum cognitio, etsi necessaria est ad eloquentiam, tarnen eloquentia praeter hanc artem, alia multa adiumenta, tum naturae, turn doctrinae requirit. Tenent enim praecepta docti omnes, in quibus multi sunt infantes, quibus tarnen opus est hac arte ad iudicandum, quemadmodum et Dialectica ad iudicandum opus habent omnes. Ut autem dialecticae finis est, iudicare, Utrum in docendo apte consentient omnia, item, in docendo sequi certam viam, ita et rhetoricae fines constituamus, iudicare de longa oratione, qualis sit partium series, quae sint praecipua membra, quae sint ornamenta, Item , in dicendo etiam, in his, qui non destituuntur a natura, efficere, ut oratio certas partes habeat, et res magnas non expouat breviter, ut dialectica, sed addat verborum lumen. De officii» οratoris. Cum oratio omnis rebus ac verbis constet, rerum prior esse cura debet, posterior verborum. Quinque igitur numerantur officia oratoris: Inventio, Dispositio, Elocutio, Memoria, Pronunciatio. Primum enim dicturo, res seu inveniendae, seu eligendae sunt, et cum sint inquisitae, ordine explicandae. Versantur igitur inventio et dispositio circa res, elocutio vero circa Ttrlia. Nam ea, quae excogitavimus, et ordine apud animum disposuimus, postremo verbis significantibus exponenda-sunt. Et in his tribus partilius fere tota art consumitur. Itaque nos de aliis duabus partibus nihil praecipiemus, quia memoria parnm admodum ab arte adiuvatur. Actio vero longe alia nunc est, quam qualis apud veteres fuit. Et quid maxime in agendo deceat, in foro discendum est imitatione. Videmus veteres maxime verecundiam in agendo probasse. Laudat enim Eschine» Solonem, quod inter dicendum ne quidem manus extra pallium protulerit, significans sedatam minimeque concitatam actionem maxime decere.
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inventionem ac dispositionem comma η era utrique arli putant esse, ideo in dialecticis tradi locos inveniendorum argument orum, quibus rhetores etiam uti solent. Verum hoc interesse dicunt, quod dialectica res nudas proponit. Rhetorica vero addit elocutionem quasi vestitum. Hoc discrimen etsi nonnulli reprehendunt, ego tamen non repudio, quia et ad captum adolescentium facit, et ostendit, quid rhetorica maxime proprium habeat, videlicet elocutionem, a qua ipsum rhetorices nomen factum est. Ac si quis subtiliter existimabit, intelliget hoc discrimen recte defend· posse. Si enim rhetorica non tantum versatur circa forenses et suasorias materias, sed in genere circa omnes materias, de quibus dicendum est, nullo modo poterit ab ea divelli dialectica, quae est ratio perfecte docendi. Saepe enim orator utetur hac via in docendo, ut Cicero in prfmo Officiorum, et in aliis multis disputationibus, praecepta dialectica sequitur in docendo, et addit elocutionem ex rhetorica. Et nostris temporibus idem faciunt homines eruditi et copiosi, cuin docent homines de religione. Veteres ita discernebant, rhetoricae tribuebant forenses et suasorias material, dialecticae vero omnes quaestiones alias, de quibus certa quadam methodo et ratione docendi sunt homines, luxta hoc discrimen proprius dialecticae finis est docere, rhetoricae autem permovere atque impellere animos, et ad adfectum aliquem traducere, ut cum de natura virtutis disputamus, dialectica consulenda erit, quae quid sit virtus, et quas habeat causas, partes, effectus, ostendat. Cum autem ad viriutem colendam homines adhortamnr, loci rhetoric! sequendi erunt. Cum de natura poenitentiae dicimus, cum que docemus homines, quid sit poenitentia, quas habeat partes, sequenda erunt praecepta dialectices. Adhortatio autem ad poenitentiam, adhibet locos rhetoricos.
Sed quia ratione docendi rhetores non poterant carere, praesertim in materiis forensibus, ideo dialecticen etiam admiscuerunt suo operi. Nam finitivum statum, quem in iudicialibus materiis recensent, a dialecticis mutuo sumpsernnt. Is status est ratio informandae method!, quam tradit Aristoteles in άναΐυτιχοΐς. Accersunt ex Discrimen dialecticae et rhetoricae. dialectica et formam syllogismorum, et pleraque Tanta est dialecticae et rhetoricae cognatio, alia praecepta. Ita admixta dialectica rhetoricae, vix ut discrimen reprehend! possit. Quidam enim non. potest ab ea prorsus divelli", etiam cum rhe122
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IV.
ELEMENTA RHETORICES.
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In fine subindicat etiam ipsum Dominum communes afflictiones subiturum esse, ex quibus tamen reviviscet. Si quis hoc modo animadverteritPsalDe tribue generibus causarum. mum esse descriptionem Christi, et singulas parIn locis inventionis priraum genera causa- tes ad definitionrs dialecticas sciat referendas esse, rum dislribuuntur, id hoc consilio fit. In tanta is plane intelliget Psalmum, et cum erit opus, ex varietate negociorum, diversae quasi classes loco- definitionibus partium facile illustrabit omnia, et rum faciendae fuerunt. Nam aliae materiae, alios amplificabit. Sunt autem aliae multae specics liorequirunt locos. Ideoque, ne, si omnes loci in rum genernm, quas enumerare non est opus. Faunura accrvum congest! essent, difficilis esset ele- cile enim est iudicare, quae species ad quod genus ctio, materiae discernuntur, tit cuilibet generi perlineant Ad demonstrativum pertinet gratiasui loci stibiici possint, et deprehenso genere cau- rum actio, laudamus enim beneficium. Talis sae, quasi regione, stalim sciat unusquisque, qui- est oratio pro M. Marcello. Sub deliberative pobus locis lota res includi debeat. Quas autem uti- nendae sunt petitiones, commendationes, deprelitatcs praeterea habeat haec negociorum partitio, cationes, consulationes, obiurgationes, et aliae multae species, quas recenset Erasmus in ratione paulo post ostendemus, propositi's exemplis. Vulgo tria numerant genera causarum. De- scribendarum Epistolarum. monstrativum, quo continetur laus et vituperaAd quid eonducat notee genttt causae. tio. Deliberativum, quod versatur in suadendo Ut sciant adolesceute·, qoando debeant conet dissuadendo. Iudiciale, quod tractat controversies forenses. Ego addendum censeo iiice- sulere locos inventionis, primum hoc meminerint, axahxoy genus, quod etsi ad dialecticam pertinet, locos non conferre ad inveniendum negocium, seu tarnen, ubinegociorum genera recensentur, non primam quaestionem. Tempora enim offerunt est praetermittendum, praesertim, cum hoc tem- negocium, ut litigator defert negocium ad causipore vel maximam usura in Ecclesiis habeat, ubi dicum. Docenti in Ecclesia, certa materia in sanon tantum suasoriae condones habendae sunt, cris literis praescripta est, quam explicare debet. sed multo saepius homines dialecticorum more, In Epistolis scribendis variae occasiones, varia de dogmatibus religionis docendi sunt, nt ea per- offerunt argumenta. Itaque non traditur ars, non fecte cognoscere possint. Est autem Stdaoxahxov traduntur praecepta de negotiis inveniendis, ilia genus, methodus ilia docendi, quae traditur in vera ultro se offerunt, ac fugientes etiam persedialectica, cuius particulam retinuerunt rhetores quuntur, et ad hoc ars tota excogitata est, non ut in statu finitivo. Est et demonstrativum genus, per ludum ociosas materias quaeramus, sed ut affine διδασχαΧιχω generi. Plaerumque enim est graves, maguas et obscuras causas, quas offert definitio, sed amplificata ornamentis oratoriis, nt nobis respublica, explicemus. Cum igitur negotanquam picture, ab imperitis magis conspici cium oblatum est, hie primum are consulenda posait, ut si quis landet leges, et de «utoritate est, el inicio cogitandum, ad quod genus causae legum dicat, is definiet leges, et definitionem am- res pcrtincat. Ideo enim distincta sunt genera plificabit. Psalmus, dixit dominus, recte in hoc causarum, ne loci in turba diu quaerendi essent. genere ponetur, laudat enim Christum. Alque Quare deprehenso genere causae, statim occurhaec laudatio simpliciter definitio quaedara est, rent certi loci ad patefaciendam et tractandam ma· describit enim personam Christi, commemorat teriam utiles. eiusofficia, exponit Dominum esse, qui a dextris Prodest autem ideo etiam intelligere genus Dei sedeat, hoc est, pari potentia cum Deo re- causae, quia genere cognito, prospicitur finis oragnet, addit ubi proditurus sit, videlicet in Sion, tionis, hoc est, praecipua intentio, et snmma quod superaturas sit hostes: Erit et sacerdos, in- consilii, seuutvocant, scopus oration is. Pluriquit, per quem placabjtdr nobis Deus, E t addit: mum autem refert in omni sermone, in omnibus qualis sit futuru· sacerdos, videlicet aeternns, negotiis, nosse finem, hoc est, qnae utilitas ex non Leviticus, sed qui benedicat, qui annunciet oratione expectanda sit. Omnia enim oratio, aut remissionem peccatorum. Deinde describit sup- ad docendum instituitur, aut praeter Cognitionen) plicia impioruro, qui huic Domino adversantur. habet aliuin finem, videlicet, quod aliquid fieri «7* toricae tanlum forensw et suasoriae niateriae, el laudationes tribuuntur.
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S C R I P T A PH. M E L . AD H I S T . P R O F . E T P H I L O S . iubet. Suasoriae orationes iubent aliquid fieri, ut si qui* suadeat suscipi bellum Turcicum. Tales sunt et Psalmi generis deliberativi, qui vel praecepta dant, vel consolantur, vel deprecantur, hi petunt aliquid fieri. Verum generis demonstrativ! finis est cognitio, ut cum Alexandrnm laudamus, et res eius sapienter, fortiter ac foeliciter gestas, narramus, tantum docemus auditorem. Etsi enim exempla imitationis causa proponuntur, tarnen in tali oratione nihil aperte postulamus ab audientibus, nisi ut huius viri sapientiam, virtlitem ac foelicitatem contemplentur alque admirentur. Ita generis didascalici finis est proprius cognitio, ut si quis doceat, quid sit Evangelium, quomodo consequamur ut Deus reputet ac pronunciet nos iustos, quid sit fides, hie dicenti proprius finis propositus est, ut auditores doceat, etsi cognitio postea ad usum transferri potest, diversnra tarnen orationis genus est, quod docet, ab illo, quod deinde doclrinam ad usum transferri iubet. Graeci in omnium librorum initiis quaeruntj quae sit operis intentio, seu quis sit Scopus, ut ipsi loquuDtur. Idem agunt rhetores, cum de genere causae quaernnt, quae sit orationis voluntas, quid postulet, Utrnm cognitio sit finis orationis, an praeter cognitionem aliquid fieri itabeat. Haec in oratione perspicere atque animadvertere maxime prodest, ut intelligamus, quae nobis ex oratione utilitas exspectanda sit. Nec prius acquiescit animus auditoris non stnlti, quam finem aliquem orationis animo prospexerit. Haec ideo plurihus verbi dixi, ut ostenderem, haec praecepla plurimum ad formanda amendaque indicia conferre. Caeterum adolescentes et hoc monendi sunt, interdum genera causarum rnisceri. Quanqtiam enim unumquodque negocium, ad unum aliquod genus causae principaliter referendum est, tarnen saepe aliud genus, aliquid a locis alterius generis mutuatur, ut pro Archia, quanqnam tota oratio principaliter ad genus iudiciale pertinet, multa tarnen sumit Cicero ex locis generis demonstrativ!, dum non de re, sed de persona dicit, cuius laudes in iudicio dignitatis exponi proderat. E t Demosthenes in suadendo multa sumit ex demonstrative genere, dum invehitur in Philippum Macedonem.
De genere didascalico. Si quis de hoc genere longiora praecepla desiderat, is ad dialeclicam redeat, quae sola tradit 124
SPECTANTIA.
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perfecte docendi rationem. Nam dialectica proprie ars est recte docendi. Maxima autem vis, maxima utilitas est huius generis. Saepe enim homines de religione, de iure, de omni officio docendi sunt, ubi sine hac ratione patefieri res non queunt. Ac ne discere quidem ipsi, et recte complecti animo res difficiles et intricatas possumus, nisi hanc methodum sequamur, quae perfacilis est, siquis mediocrem exercitationem adhibuerit Sunt autem quaestiones duplices. Quaedam sunt simplices, ut cum de una voce quaeritur: Quid sit virtus. Quid sit poenitentia. Quaedam coniunctae sunt, ut, cum propositio aliqua confirmanda aut confutanda est, ut, oporteatne Christianum abiieere suas facultates. Loci simplicis quaestionis sun). Quid sit. Quae sint partes vel species. Quae causae. Qui effcctus. Quae cognata et pugnantia. Hi loci consulendi sunt, cum docere de aliqua re homines volumus. E t assuefaciendi snnt animi, ut quaecunque res proposila fuerit, statim in bos locos intueantur, qui admonent, ubi quaerenda sit materia, aut certe quid ex magno acervo eligendum, et quo ordine distribuendnm sit. Nam loci inventionis, tum apud dialecticos, tum apud rhetores, non tam conducunt ad inveniendam materiam, quam ad eligendam, postquam acervus aliquis rerum, vel ex alia arte, vel ex ipais η ego ti is oblatus fuerit. Prima in omni re definitio esse debet. Hanc iubet quaerere locus, quid sit. Sed interdum de appellatione prius disputatur, et constituenda est significatio vocabuli, constat enim innumrrabiles esse λογομαχίας et rixas de vocabulis. Initio igitur, ne ambiguitas sermonis errorem pariat, certa vocabuli significatio constituenda est. Ac praesertim in disputationibns theologici· observanda est phrasis sacrarum literarum, quia multis utimur Ebraicis figuris, quae, si non recte reddantur, multi errores sequuntnr, ut Pelagius gratiam intelligebat tantum beneficium ostensae legis ad doctrinae. At Paulus longe discernit a lege gratiam. Vocat enim gratiam reconciliationem, hoc est, remissionem peccatorum et acceptationem divinam, cum quaconiuncta est donatio Spiritus saneti. Quare Pelagius turpiter cor-
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IV. ELEMENTA RHETORICES.
rumpebat aententia· Pauli. Sed quia copiosius traduntur praecepta de methodo, in nostril dialectic!· libellia, hie ero brevior, tanturn exemplam unam atquc alteram adacribam. Quid e*t virtua? Eat habitua voluntatis, inclinana ad obediendum iudicio rectae rationia. Recenaeo enim uaitatam Philosopborum definitionem. Quae parte«? Dialectice possunt paries dici genus et differentia in definitione. Sed ai qnaerit u r : Quae rea existant in anima, quales motus sint, species enumerandae sunt. Nam diversae species snnt diversi habitus. Species mnltae numerari posaunt: Pietas, Iustitia, Fortitudo, Modestia etc. Quae causae? Crebrae actiones honestae. Sed actionum causae aunt, rectum iudiciom mentis, et voluntas adsentiens. Qui effectus? Praemia a Deo proposita, iuxta illud: Honora patrem et matrem, ut ais longaevus super terrain. Quae cognata? Virtuti quae est habitua, cognata eat φνσιχή όρητ], bona indinatio in natura. Quae pugnantia? Simulatio virtutis, et turpitude palam pugnans cum virtute, ut Neronit et similium flagilia. Ita dialectica metas et summas oatendit, quae suppeditant maximam rerum copiam, si velia aingulos loco· integre explicare. Aliud extmplum. Quid est Poenitentia ? Prius de vocabulo dicatnr. In Ecdesia vocamua usitate poenitentiam, id quod dici posset, conversio voluntatis ad veram pietatem. Est igitur defioitio. Poenitentia est contritio et fides, qua credimus nobis remitti peccata propterChristum, quam fidem sequitor nova obedientia erga Deum. Quae partea? Conversio vera habet duas partes, tanquam duplices motus animi, contritionem, id est, agnitionem peccati, seu trrrores ac dolore·, propter peccatum. Altera par· est Fides, quae erigit et consolator perterrefactas mentea, com accipit remissionem peccatoram, donatam propter Christum. Recte additur et tertia pars, qnae tamen eat effectus prioram, scilicet nova obedientia.
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Quae causae? Diverse rum motuum diversae snnt causae. Conlritionis, id est, terrorum causae, sunt lex, arguens peccata, et Spiritus sanctus efficax per legem, et impellens voluntatem. Et voluntas adaentiena ac non repngnans Spiritui aancto, non ipsis peccatis indulgens, eaque repetens. Fidei causae, sunt Evangelium annuncians remissionein propter Christum, et Spiritus sanctua efficax per Evangelium, ac impellens voluntatem. Et voluntas adaentiena et non repugnana Spiritui aancto. Quaecognata? Contrition! cognata est virtus, quae vocatur timorDei. Fidei cognata, Spes, Dilectio. Quae pugnantia? Cum contritione pugnant securitas prophana, aeu contemptus iudicii Dei, ct aimulatio dolornra. Cum fide pugnant desperatio et aimulatio fidei, quae est prophana securitas et contemptus iudicii Dei. Qui sunt effectus verae poenitentiae? Nova et apiritualia vita, pia opera, et quia voco effectus, omnia quae certo sequuntur, etiam hie numero vitam aeternam. Aliud extmplum. Quid est Fides? Primum significatio vocabuli conaideranda est. Interdum fides significat noticiam historiae de Christo. Sed alias in Prophetis et Apostolis, fides significat fidnciam, qua Hssentimur promissionibus Dei, sic Paulus Roma. 4. palam affirmat ae de fide loqui, qua assenlimur promissioni, cum ait: Ideoexfide, gratis, ut sit firm· promissio. Est igitur fides asaentiri promissioni, in qua Dens pollicetur ae nobia propicium fore propter Chriatum. Complectitur ergo haec fides, noticiam historiae, et fiduciam assentientem promissioni , ad quam historia referenda est. Quae partes? Sicot oculorum motus non potest aecari in partea, sic nee mentis aut voluntatis motus secantur in partea, aed Umen fides complectitur noticiam in intellectu, et voluntatem, quae vult et accipit beneficium oblatum, id eat, asaentiri promissioni. Species fidei discerni posaunt, quia fides alia· versatur circa promissiones beneficiorum corporalium, alias circa promisaiones gratiae, et rerum aeternarum. Sed tamen promissiones beneficiorum corporalium, admo-
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SCRIPTA PH. M E L AD HIST. PROF. E T PHILOS. SPECTANTIA.
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nent no» de altera promissione, quae e»t praecipua. Ideo pii temper in promissionibus corporalium beneficiorum, complex· suut promUsionem gratiae, seu reconciliationis. Quae causae ? Obiectum fidei est Miserieordia promitsa propter Christum, qua Deus nos pronunciatiustos, non propter legem aut dignitatem nostram aut opera nostra, sed propter Christum, quem yoluit esse redemptorem nostrum. Et haec misericordia ostenditur nobis in Verbo, videlicet in Evangelio sen promissionibus, quae extant in Evangelio. Dixi de obiecto fidei, instrument um quo fit in nobis, est ipsum Verbum. Causa efficient, Spiritus sanctus, qui est efficax per Verbum, et impellit mentem et voluntatem hominis. Et voluntas adsentiens seu non repugnans. Subiectum, in quo haec geruntur, est ipsa hominis anima, mens et voluntas. Qui effectus? Voco effectus omnia, quae necessario veram fidem sequuntur. Comitatur autem fidem ex pacto Dei iustificatio, id est, reconciliatio seu imputatio iusticiae. Haec potest dici proprium fidei seu correlativum, quia est quiddam quod necessario ex pacto Dei, fidem comitatur, quia non possumus aliter assentiri promissioni, nisi fide. Contingit igitur promissa reconciliatio, non propter aliquod nostrum opus, aut nostram dignitatem, aut nostras .virtutes ullas, sed propter Christum, et tarnen aliquid esse oportet, quo id beneficium accipiamus. Fide igitur accipimus. Quare non effectus fidei, sed proprium seu correlativum est iuslificatio, id est, reconciliatio. Est etiam fides motus, quo accipitur spiritus.
Quare haec diligentia plurimum prodest, et ad iudicandas materia« obscuras, et ad explicandas atque illustrandas. Nec dubium est, quin illa innumerabilia encomia raethodi, quae sunt apud Platonem, banc ipsam exercitationem nobis commendent, ad has metas revocafidi quaestiones quas explicaturi sumus.
Effectus vero namerari possunt tranquillitas et gaudium conscientiae, quia fide vincuntur terrores. Hunc effectnm sequuntur invocatio et dilectio, quia invocamus et diligimus placatum. Et quia voco effectus, omnia certo sequentia, hic numero etiam vitam aeternam. Item omties eventus, ut Ezechiae fidem sequitur liberatio. Quaecognata? Spes expectans futuram liberationem, Invocatio, Dilectio. Pugnantia. Simulatio fidei, Desperatio, Payor iropius. Cum hoc modtf res includuntnr metis artis, certius comprehendi possunt. Et ainguli loci suppeditant ingentem copian) rerurn in explicando.
A causa, videlicet praeeepto. Evangelium, non abolet res politicas, sed multo magis confirmat et conservat. Tenere proprium necessaria res est in politia. Igitur Evangelium non praecipit discedere a facultatibus. Evangelium autem de iusticia Christiana praecepit, igitur non est iusticia Christiana discedere a facultatibus. Verum nihil opus est per omnes locos vagari, neque vero quaelibet causa recipit omnes locos. Totam autem hanc method! formam summa diligentia tradidimus in dialecticis. Quare hic breviter tanlum admoncndus fuit lector, ut in rhetoricis meminerit saepe ad dialecticen sibi respi-
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De coniuncli» quaestionibus. Loci coniuncti thematis fere sunt iidem, quos iam recensui. Nam omnis docendi ratio consistit in definitione, causis et effectibus. Ducuntur igitur argumenta in confirmando et confutando. A definitione. Α causis. Ab effectibus. A parti bus. A pugnantibus. Hi loci praecipui sunt in topicis, reliqui enim extra causam versantur, et magis amplificand i , quam docendi causa adhibenlur. Itaque si confirmandum erit thema, quod non sit Christi ini iusticia discedere a facultatibus, quaerenda est definitio praecipuae partis in hac propositione, videlicet, quid sit Christiana iusticia. Hinc ducetur argumentum. A genere. Christiana iusticia est res perpetna in spiritu, videlicet, nosse ac timere Deum, credere in Christum. Discedere autem a facultatibus, non est res aeterna, neque ad spiritualem vitam necessaria. Igitur Christiana iusticia non est discedere a facultatibus.
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IV. ELEMENTA
ciendum euc, praesertim cum de aliqaa re docere homines volet. Quo genere multum in Ecclesiis et in Scholia utendum est. Et auasoriee causae multa mutuentur a genere didascalico. Saepe enim in deliberando de aliqno communi loco prius disputatur, quam quid lit agendum constitutor. (Jt cum de bello Turcico deliberamus, initio docendi rant homines, quod Christiane liceat bella gerere, et Dens praeceperit magistratibus, ut latrocinia depellant, postea incitendi sunt principe· ad bellum suscipiendum. De genere iudiciali. Veteres praecipue propter hunc usum excogitaverunt rhetoricen, ut praepararent adolescentes ad forum. Ideo tota fere rhetorica consumitur in his praeceptis, de tractandis controversiis forensibus. Nunc etsi imago quaedam veteris artificii reliqua est in foro, tamen causes agunt Iurisconsulti, qui adhibent multum ex sua arte plaeraque tamen a rhetorica mutuati sunt illi ipsi scriptores, quos legunt Iurisconsulti. Sed nos tradimus haec praecepta, vel ad iudicandas aliorum oratione, vel ut etiam instruamus adolescentes ad controversies in Epistolis traclandas, et ad ecclesiastica negocia. Nam disputationes ecclesiasticae, magna ex parte similitudinem quandam habent forensium certaminum. Interpretantur enim leges, dissolvunt αντινομίας, videlicet sententias, quae in speciem pugnare videntur, explicant ambigua, interdum de iure, interdum de facto disputant, quaerunt factorum consilia. Ideo boc genus in bis nostris moribus, etiam magnum habet usum. Sed ut genere iudiciali certi loci assiguari possint, initio discernnntur status. De itatibu*. Nulla pars arti* magis necessaria est, quam praecepta de statibos, in quibus boc primum ac praecipunm est, ut in omni negocio, sen contro•ersia diligenter consideremus, qui» sit status, hoc est, quae sit principalis quaestio, seu propositio, quae continet summam negocii, ad quam omnia argumenta referenda sunt, velut ad principalem conclusionem. Nulla controversia intelligi, nihil ordine explicari, dici, ant percipi potest, nisi constituatur aliqua propositio, quae summam causae comprehendat. Ac saepe in concionibus indoctoram iudicari potest, quanta huius praecepti vis sit, obi, postqnam nulla certa propositio
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constitute est, de qua dicendum sit, oratio non magis cohaeret, quam ilia apud Horacium picture, in qua humano capiti cervicem pictor equinam addit etc. Ita interpretes Pauli, quia nusquem excerpebentexulle disputatione certam propositionem, nec videbant, quomodo ad unura eliquod ceput eccommodanda essent omnia argumenta, toto coelo a sententia aberrabanl. Interdam etiam enerretio pugnebet cum autore. Quare diligenter assuefaciendi sunt adolescent«, in legendi« disertorum orationibus ac disputationibus, ut statum quaerant, ut in scribendo ac dicendo propositiones constituant, et ad has argumenta accommodent. Praeceptum hoc lcve ac puerile videtur in speciem, sed utilitatem habet maximam. Ac paucos invenies, qui in dicendo observent, qui consulant seipsos quid dicturi sint, quae sit future negocii summa. Si quando amphoram institnunt, ut Horacii verbis ulamur, currente rota tamen urceus exit. Neque vero tantum status observandus est, sed quia vero quaelibet controversia, nnum aliqaera praecipunm syllogismum continet, qui maxime munit statum, is quoque dialectico more breviter excerpendus est, ut nuda ac brevia membra intuentes, rectius iudicare possimus, Quare rhetores indiderunt nomina partibus syllogismi. Status est conclusio. Nam conclusio est propositio principalis, post argumentationem - repetita. Et statum elias vocant χεφάίαιον, vocant et νπόθεσιν, seu vnoxtίμινον, unde mansit nomen subiecti in scholis, pro materie et summa operis. Maiorem et minorem vocant αίτιον. In his altera, de qua diroicalio est, et qua confirmata, conclusio fit plana, vocatnr χρινόμίνον, at pro Milone stetus est. Milo Clodium occidit, αίτιον est, vim vi repellere licet. Milo eutem vim vi repulit. In his minor est incerta, quam si iodic! probaverit Cicero, Milo vincet. Itaque in hoc syÜogismo, minor est χ^ινόμενον. Interdum maior est χφΐνόμενον. Evangelium non abolet polities. Tenere proprium, est res polilica. Igitur Evangelium non vetat tenere proprium. Hie maior est χφνόμεναν. Nam homini imperito ostendendum est, quod Evangelium doceat de vita aeterna, et iustitia cordis erga Deum. Interim foris iubeat nos uti politicis ordinationibus, sicut eibo, potu, aere, et alii» bonis Dei creatu-
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SCRIPTA PH. MEL. AD HIST. PROF. E T PHILOS. SPECTANTIA. ris. Probatio autem toO χρινομίτον, dicitur σνν»χον, qui» tolum syllogismum connectit. Sunt antem Ire· formae statuum, q a j i per qaMStionrs discernunt. Status coniecturalis oritur es quaestione, an *it, ut, pro Roscio qnaestio e»t, an Roscius occiderit patrem. Statu* legitimus, in quo praecipnaest definitio, oritur ex qnaeslione, quid sit, ut apud Paulum: Quid sit iusticia Christiana, Fide ne reputemur iusti, an {opera sint iusticia. Status iudiciaiis oritur es quaestione, quale sit factum, videlicet, iure ne factum sit, ut, iure ne Caesar interfectus sit. De etatu conieeturaIi. Cum autem prima sit quaestio, an sit, initio de statu coniecturali dicemus. Singulis enim statibus, certi loci subiecti sunt. .Sed qtioniam locis argumentorum in confirmatione et confutatione maxime uliraur, prius recensendae Stint partes orationis. De parlibus orationü. Orationis partes sunt sex: Exordium, Narratio, Propositio, Conßrmatio, Confutatio, Peroratio. Exordium est inhium orationis, priusquam enim de re dicimus, praeparandi sunt animi au· dientiuirt, ac vulgo ita scribunt faaec tria in exordio efficienda esse, ut reddamus anditores henevolos, attentos et dociles. Fabius haec ad unum benevoleutiae locum refert, qui profecto praecipuus est. Stellt eniin in quotidianis congressibus colloquentes cum amids, inicio nos cominendamus, aut excusamus, cur eis negocium faciamus, ita in magnis causis decet prooemiis quibusdam, vel excitare vel invitare auditores. Et est quaedam humanitatis significatio, prius de nostro officio dicere, quam ad cansam accedimut. Itaque benevolentiam alias a personis, alias ab ipsis negoeiis, si sint honesta et plausibilia, conciliamus. Sed locus usitatissiraus hie est a personis sumptus, dicere de officio, vel nostro, vel iudicis, ntCicero initio contra Verrem. Item, pro lege Manilla. Item, pro Archia, reddit rationem, quare has causas suseeperit. Ordimur a laudibus eius, ad quem habetur oratio, ut Paulus in exordio Epistolae ad Romanos, initio fidem coram praedicat. Cum respondemus adversariis, facilius est ordiri ex occasione, sicut Demosthenes queritur initio de Eschine, qnod rem iAiquissimam peti-
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visset, ne adversario concederetur, ut pro se diceret. Haec querela maxime decebat in exordio. Altenlos reddimus, cum significamus nos de magnis et utilibus rebus dicere, ut ad Romanos: Nun pudet me Evangelii. Est enim potentia Dei. Dociles, cum et summam negocii breviter ostendimus, ut ad Romanos: In Evangelio patefit iusticia fideL Sed non possunt numero comprehend! species exordiurum. Ordimur enim non tantum ab his locis, quos recensui, sed interduni a tempore, interdum a locis, interdum ab aliis circumstantiis. Hanc varietatem ostendent exempla Ciceroni». Ulud unnm preeipue iudieavi monendos esse studiosos, maxim.tm gratiam habere verecunda et summissa exordia, et proeul fugienda esse grandia et tumida prineipia, qualia sunt Stacii, praesertim, cum et existimationi efficient. Significant enim arrogantiam et confidentiam ingenii. Ideoque prudenter Horatius praeeipit: Non fumum ex fulgore, sed ex fumo dare lucem. Decent in initiis et dubitatio, admiratio, άπροοόόχτμον, votum, et similes figurae, ut nihil minus expectabaro. Maxime vellem iudices, nt Sylla dignitatem suam retinere potnisset. Decent et aflectus mitiorcs omni» generis, ut: Magnam mihi voluptatem attulerunt literae tuae. In magnis causis non solent exordia praetermitti, ne quidem ab Atticis, qui lege cogebantur, avtv προοιμίων xcu. ηα&ών dicere. Sed in Epistolis crebro praetermittuntur exordia. De narratione. Narratio est facti expositio, quae statim exordio subiieitur. Hanc sequi debet propositio, quae contineat summam rei. In disputationibus et suasoriis causis interdum non utimur narratione, nonnunquam et in iudieiis praetermittimus. Itaque prudentia est videre, quando postnlet res narraüonem. Propositio autem nunquam omitti potest. Haec praeeipua pars est totius certaminis, et interdum multae propositione» ponuntur, sed ubi gradus per priores ad unam quandam principalem faciendus est, nt ad Romanos, initio proponitomnes esse sub peccato, gentes et Iudaeos. Deinde pervenit ad propositionem principalem, quod propter Christum iusti reputemur, cum credimus nobis propter cum placatum esse Deum, non propter nostra benefacta. Neque de disputatione indicari potest, nisi hoc ordine propositionum animadverso. In Tnlgaribus concionibus
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iure desiderari potest diligentia, quia non saepe proponunt concionalore« summam eius rei de qua dicttiri sunt, ea re» facit, ut auditor incertus nusquam sciat, quid expectare debeat. Rhetores hoc loco, divisionis *eu partitionis mentionem faciunt, hanc dicunt HM, cum propositionem ita constituimus, ut siraul moneamns quae relinquere velimus, aut cum enumeramus, quam mullae partes nobis tractandae sunt. De confirmalione. Confirmatio difficillima pars est oratorii open s , baec enim persuadere iudici debet, ut proposition! essential nr. Elenim cum aliud nihil sit propositio, nisi conclusio confirmation·«, non merebitur fidem propositio, nisi confirmatioue propugnata fuerit. Nam ut Dialectic! tradunt, labefaclis'praemissis, ruere conclusionem necesse est, ut quae sit velut fastigium seu tectum syllogism!. At loci qui in Rhetorica traduntur, tantum admonent nos de rebus, unde sumendae sint res in qnolibet genere causae, seu potius magno rerum acervo proposito, quid elegi debeat, quod ad propositum quadret. Deprehensis autem rebus seu materia argumentorum, tenenda est et forma quaedam argumentorum, de hac non satis perspicue praecipiunt rhetores. Itaque monendi sunt adolescentes, ut dialecticen consulant de forma argumentorum. Etsi enim liberior est oratio popuiaris, quam illi exiles et nudi syllogism! diaiecticorum, tamen membra argumentorum eadem esse necesse est, quae in dialecticis traduntur. Ideoqne ea, quae Cicero de syllogismo tradit, a dialecticis mutuatus est omnia. Caeterum orator vestit ea quasi habitu verborum, et in disponendo liberior est, quam dialecticus. In syllogismo plaerumqne a minore inchoat argumentum, non saepe orditur a maiore. In enthymemate, dum interdnm properat, relinquit consequens auditorum cogitation!, etenim natura cogit sumere formas argumentorum a dialecticis, et sic communis sermo minus aliquante vinculis illis dialectic!· astrictus est. Coniecturalis status habet duos locos, vnluntatem et facultatem, qaoties igitur incides in orationem coniecturalis status, memineris earn totam in volnntatem et facultatem, tanqaam in duo praecipua membra parciendam esse. In tota Miloniana disputatur partim de volontate Glodii, MELAHTH. Orca. VOL. ΧΙΠ.
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! quod voluerit Milonem interficere, partim de faj cultate, quod Clodius potnerit insidias facere, Milo non potnerit. Hi loci sunt ex natura ducti, nam in omnibus hoininum factis necesse est voluntatem et facultatem concurrere. Itaque iidem loci inaximam vim apud lurisconsultos habent, qui multa ex praesumptionibus, id est, coniecturalibus argument!« iudicant. Voluntas hahet duas species. Altera vocatur imputsio, quae affectns continet, ut Clodius oderat Milonem, igitur cupiebat eum extmctum esse. Altera dicitur ratiocinatio, quae a final! causa suinilur, cum ducitur argumentum a spe commodi. Nam humanae raentes plurimum movenlur opinione ntilitatis, nt Clodio proderat Milonis interitus, Milont non proderat Clodii interitus, ergo verisiinile est, Clodium fecisse insidias. Ex hoc loco nata vox estCassii, cuius saepe facit mentionem Cicero, quaerendum in iudirio, cui bono fuerit. Facultas continet signa et circumstantias. Signa sunt facta aut notae alicuins rei, iudicantur autem etiam communi sent.u sine doctrina. Sunt enim vel causae vel effectus factorum. Facilis igitur est comparatio signi ad factum. Qoaedam sunt antecedentia, ut, Milo duxit uxorem et liberos secum in Rheda, erga non est consentaneuni, profectum eum esse ad pugnandnm, nam pugnaturi non adducunt liberos in discrimen. Quaedam sequuntur factum; ut fngit, expalluit, erubuit. Circumstantiae sunt tempus, locus, apparatus, iuxta versiculum: Quis, quid, ubi, qui bus auxiliis, cur, quomodo, quando. Et herum ratio a sensu communi petenda est, nt Cicero non fuit in urbe, cum Caesar interficeretnr, igitur non interfecit Caesarem. Praeter hos locos sunt στιχνα, quae propemodum ad signa pertinent, testes, chirographa, confessiones, de quii>us Iurisconsulti diligenter praecipiunt. De eonfutatioue. Confutatio est dissolutio argumentorum, quae obiiciuntur. Huius rei artificium magna ex parte sumendum est ex Dialecticis. Constat autem in dialectica triplicem rationem dissolvendorum argumentorum tradi. Prima est cum peccatnm in forma argument! deprehenditur, tunc enim reprehend itur consequentia. Indicium autem de consequenth tantum ex dialectica petendum est Nam et planiora sunt, et meliora, quae de consequentia tradunt dialectic!, quam quae scripsit «8 129
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Cicero de vicious ralionibu» iodicandis, ubi voluit complecli dialectics praecepta eius rei. Cum autem peccatum in materia argamenti est, diluitur aut per distinctionem, aut per inficiationeiD. Ambign» distinguendo explicantur. Inficiatio aulem habet eosdem locos, quos in confirmatione posuimus, voluntatem et facultatem, ut Cicero ostenditMiloni voluntatem et facultatem insidiandi Clodio defuissr. Negabimus igitur ilia, quae obiiciuntur, et opponemus rationes, quae reddant verisimilem inficiationem. Et quia coniecturalis status plaeromque habet probationes non necessarias, sed tantum probabiles, ideo homines ingeniosi facile reperire possunt ex iisdem locis argumenta in utramgue partem. Ac fere disputalio tota de signis est, hie valent homines callidi et copiosi, qui signa variae interpretari sciunt, et varias cansas signorum quaerere. Nusquam enira verius est, quod dixit Euripides, quam in hoc genere, αλί' oi loyoigrt xaranalaiovotv λόγους. Ratio rationem evertit, ut vulgo dicunt, rationes contra rationes. Et propter contrariam signorum Interpretationen! , duo peculiares loci adduntur defensor!. Inversio, cum docemus signum vel causam contra nos allatam, pro nobis facere, si occidissem non sepeliissem, Satius fuisset statim relicto cadavere fugere. Paulus in Galatis utitur hoc loco: Nunquid lex est adversus promissiones, siquidem äuget peccata? Paulus respondet: Imo tunc esset adversus promissiones lex, si iuslificaret. Nam si lex iustificaret, nihil esset opus nova promissione, quae gratis promittit iuslificationero. Graeci vocant anioxQttpov, Absolutio est, cum interpretamur signum aut causam aliter quam adversarius, seprlii, »ed misericordia commotus cum obiter praelerirem. Uterque locos oritur ex subtil· causarum interpretatione et animadversione. Nam unius eventus multae et variae causae excogitari possunt. De peroratlotie. Peroratio est conclusio orationis, in qua repetitur propositio principalis. Tunc enim vocatur propositio, com ante confirmationem collocatur. Conclusio vocatur, cum post confirmationem pouitur, ut fit in syllogismis apud dialectic cos. Omnis antem peroratio constat duabus rebus, partim repetitione proposition!» et polissimorum argumentorum, partim affectibus. Quäle» 130
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autem affectus deceant in unaquaque causa, sine praeceptis sciri potest, reo misericordia opus est, accusator studet odium inflammare. Porro ex quibus fontibus ducantur affectus, natura rerum consulenda est, quanquam, cum sine arte perspiciant assentatores, quibus rebus animi hominum capiantur aut irritentur, facile id quoque videbit orator. Nam urbanissime ac prudentissime dictum est, rhetoricam particular!) esse της χοΐαχιυτιχης. De iuridiciali statu. Sicut couiecturalis status ex quaestione, an sit factum*, nascitur, ila status iuridicialis ex quaestione, quale sit factum, oritur. Disputat enim, utrum iure aliquid sit factum, aut secus, itaque appellatur a Fabio qualitatis status. Graeci vocant άιχαιολόγιχον, quia de iure disputat, ut C. Caesar non est iure interfectus. Iustum est fures suspendere. Tales causae habent easdem partes orationis, quas supra recensui: Exordium, Narrationem, Propositionem, Confirmationem, Confutationem etPerorationem, ac caeterae partes non requirunt nova praecepta, tantum confirmatio ac confutatio habent novos locos. Sunt enim diversi loci diversorum statuum, quia vero hie status totus versatur circa iuris quaestionem. Ideo loci sumuntur a Iurisconsultis: Natura. Lex. Consuetude. Aequum, bonum, iudicatum, pactum. Hi loci pertinent ad causam efficientem apud dialecticos. lus est enim quod suscipitur impellente vel natural! iure, vel scripta lege. Quid sit i n · naturae, quid lex scripta, quae consuetude habet autoritatem, a Iureconsultis sumendum est. Nos olim addidimus locum religionis, sed in lege scripta comprehend! potest. Nam legis scriptae species sunt lex divina et lex humana. Sed addemus exemplum, in quo cerni poterit, quomodo propositione constituta, debeat se referre animus ad lios locos. Suntque ita exercenda ingenia, ut quacunque quaestione oblata, statim decurramus per omnes locos, et consideremus, ex quibus hauriri apta materia possit. Non enim seinper omnibus locis uti possumus. Sed idonei quaerendi et amplificandi sunt. Inicio, status negoc!! seu propositio constituenda «st, 11t Constantinus imperator recte fecit, quod bellum Licinio intulit, defendendorum
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Christianorum can«·, etiamsi cum Licinio foeTractandum et hoc est, quod ad principes pertineat cura relinendae verae relligionis, iuxta dere et adfinitati coniunftus erat. Iain loci inspiciendi aunt, et videndum, qui secundum praeceptum: Non assumes nomen Dei vane. Hoc praeceptum vetat tolerare blaspheconveniant huic causae. mies et impios cultus. Α natura. Confutatio. In omnibus materiis, in quibu* de iure quaeritur, praecipue ius naturae et ius divinum couSaepe confutatio plus suppeditat et disputasiderentur, et in hac quaestione a iure naturae lionum et amplificationum, ut in hac causa. Mulfirraum et illustre argumentum ducitur. ta enim obiiciuntur. Primum obiici potest, quod in Evangeliu Ius naturale est, suscipere defensionem contra iniustam crudelitatem, praesertiro si sit mani- prohibetur vindicta. Id explicandum est. Evanfeste, sen, ut vocant, notoria iniuria. Talem de- gelium confirmat et approbat munus magistrafensionem suscipit Constantinus, ergo recte fecit tuum. Ergo defensionem quae fit per magistraHie syllogismus amplificandus est exaggera- t e , praecipit. Nec abolet ius naturae, sed aptione sceleris Licinii. Atrocius scelus est, truci- probat. Tantum igitur privatam vindictam et sedare sacerdotes et alios pios, quam reliqua latro- ditiones prohibet. Secundo obiici potest de iure foedernm. cinia. Sevitur enim in homines peculiariter Deo An licuerit confoederato bellum inferre. Ad consecrates. Et accedit haec impietas, quod tyranni non tantum hos mfseros homines cupiunt e id respondendum est. In omnibus foederibus exmedio tollere, sed prorsus nomen Dei, verum re- ceptam esse defensionem adversus notoriam iniuligionem ad doctrinam delere et extinguere, ac riam. Fuisset scelerata societas Constantini et Licinii. Si Constantinus propter foedus, quasi papenitus obruere gloriam Dei. ctione quadam obligatus, passus esset grassari Ad versus baec tanta scelera praecipue arma collegam et iufinitam seviciam exercere. capere debent reges etprincipes, qui, ut Paulus Erant socii Lacedemoniorum Thebani, cum ait, gerunt gladium, ut defendant bonos, et puLacedemonii Athenas cepissent. E t tarnen Theniant iniustos. bani adiuverunt Thrasybulum, repetentem patriam armis, contra Lacedemouios. A lege scripta. Erat enim manifesta crudelitas praesldii LaLeges divinae et humanae praecipiunt regibus et omnibus magistralibus, ut defendant inno- conici. Ita et Constantinus abrumpere societatem centes, ac maxime eos, qui propter relligioneni quae cum Licinio fuerat, necessarlo debuit. adfliguntur. Cedunt iuri naturae caetera pacta, ut subdiHie sententiae ex scripturis colligendae sunt to adversus dominum concessa est defeosio, ad de officio magistratuum, quales sunt apud Esaiam: depellendam iniustam crudelitatem, si sit iniuria Subvenite oppresso, indicate pupillo. E t i n P s a l - notorii). Tertio obiici potest. At Constantinus alienos mo: Eripite adflictum de «nanu peccatoris. defendit, subditos Licinio. Quid ad eom pertineAb exempli*. nebat, quomodo ille suam ditionem gubernaret? Pertinent ad iudicatum exempla probata. Respondeo: Etiam subditis, si sit manifesla seHonestum fuit Atheniensibus, suscipere defen- vicia, licet fieri supplices, implorare auxilia ab sionem liberorum Herculis adversus Eurysthea, aliis, et suscipere eorum defensionem aliis regiquanto honestius est imperatori pio, suscipere bus licet, ut Athenienses susceperunt defensionem liberorum Herculis. defensionem sacerdotum. Deinde non sunt alien!, qui nobissocietate Accedant amplificationes a poenis idolalraram, Deus detestalur et odit idolatras. Ideo de- Ecclesiae coniuncti sunt. Praecipuam munus est fen sores impiorum cultuum, habebunt tragicos summorum regum ac principum, tueri Ecclesiam, exitus. Sicut in prirao praecepto minatur Deus quam ob causam Esaias vocat reges, Ecclesiae nuidolatris, et historiae suppeditant multa exempla. tritores, id est, defensores. 88* 131
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In ioreiurando civiam Atheniensium erant haec verba: Pugnabo pro sacris, et sola*, et una cum aliis. Id exemplum a pii* sumptum est. Atque ita debent »entire maxime principe* p i i , se arma gerere, a t veram doctrinam, qua gloria Dei ornatur, conservent. In Psalmo dicilur: Ego dixi dii estis. Hanc appellationem Deus ei* tribuit, ut re* divina* tuea n t a r , veram relligionern, iutliciam, et pacem. Ita vide* confutationem versari in explicatione quarundam iuris quaestionnm, in collatione iuris naturae et foederum. In collalione iuris naturae, et officii snbditorum. Proposui exemplum quaestionis iuridicialis, in quo apparet, ad causas non tantttm rhetoricos libellos adferendos esse. Sed etiam illins ipsius iuris Cognitionen!, in qao versatur questio. Fient autera omnia pleniora, cum accedent oroamenta et affectus. Defensor! adduntur alii quidam loci, ubi defensio per se infirma est. Vocant autem concessionem, cum reu* non excusat crimen, sed studet mitigare, et petit *ibi veniara dari. Tali* defensio sen concessio tres locos habet: Purgationem, translationem criminis, et deprecationem. Purgatio est, qua aliqua ex parte levatur culpa, videlicet , cum negamus dolo e**e factum, ut feci errore, feci iratu«, non feci animo ledendi. Haec sunt partim ex csmi« eificientibus, partim ex finalibu* dncta, et hahent excusationem etiam apud Iurisconsulto?. Trantlatio criminis aliquante probabilior est, qnam pnrgatio, cnm ctilpam confer! m us in alio·, ut feci iouu* ab alio, promisi coactu* metu, qui cadit in virum conttantem, Hic locu* magnam vim habet apnd Iurisconsultos. Deprecatio ad oratorem magis pertinet quam ad luriiconsultos. Haec misericordiam petit, et versatur in locis affectnum. Commovent misericordiam, ret aetas, dignitas, vita modelte acta. Snmnntnr argumenta et a dementia iudici*. Exempla extant apnd Ciceronem pro LSgario. Nam in huius defentione, com esset per se infirma, adhibendi fuerunt loci extranei, ut: Nulla de virtulibus tuis plurimis, nec gratior, nec admirabilior misericord!· est. Homines enim ad Deos nulla re propins acCedunt etc. Peroratio in hoc statn, ut supra, habet duas partes, repetitionem propositiouis et argnmentorum quornndam, et idoneos affectus.
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De ttatibu* legalibut. Hi maxime pertinent ad scholas et doctorum disputationes, ac magna ex parte ex dialectic· iudicari possunt Sunt antem: Definitio. Contrariae leges. Scriptum et senlentia. Ambiguum. R^tiocinatio. Trandatio. Definilio est, cum aut de vocabuli infcrpretatione contenditur, aut quid sit res declarandum est Magnus nsns est definitionum in omnibus materüs theologicis et forensibus. Quare »dolescentes diligenUr exercendi sunt in doctrina definitionum, et assuefxciendi, ut et ipsi proprie et perspicue definiant cum opus est, et ktatim videre definitionum vicia pouint. Id mediocri diligentia atque exercitatfone assequi po**unt, rede cogniti* praeceptis dialectic!*. Exempt a suppeditat non modo lectio., sed etiam nsns rerum. Magna hoc tempore quaestio est, an Missa seu Coena Domini •it sacrificinm. Hic exponepdnm est quid sit, Sacrificinm, qnod cum intelligitür esse opus, pro aliis faciendum, ut mereatur eis remissionem peccatorum, seqnitur sacerdotis opus, celebrantis coenam Domini, neqnaquam esse sacrißfityn. Nam solius Christi mors precium fuit, quod caeteris merebatur remissionem peccatorum. Est antem impietas, transferre gloriam Christi in opu* tacrificnli, «icut adEbreo* scriptum eit: Una oblatione consnmati sumus. Diipntatar in Eccletia, quid sit Poenitentia, hoc est, convertio homini* ad pietatem, quo* motu* continent. Nos per(picuam definitionem tradere solemus, poenitentiara Consta re. his partibns, Contritione et Fide, nt supra dictum est. Apud Ciceronem est exemplum in Norbani causa, quod sit crimen lesae maiestatis. In Epistola ad Romanos disputatur, quae res *it, propter quam iutli pronunciamnr, id est« accept! coram Deo, hoc est, sintne nostra benefacta, indicia, propter quani simus accept! Deo. Aut, an simus accept! propter aliud, scilicet propter Christum. Fide» hoc est, fidocia misericordiae propter Chri»tgnv promttMF. Ita Paulus definit iustificationem.
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E t banc definitioriem confirmat miilti* argo- ι scilicet primo mandate. Deus enim novo manmenüt, quae partim «unt teetimonia ex scriptum date iusserat spoliare Aegyptios. Hinc Theologi kvgiilain non ii)ulilem sumpserunt. Secunda tacitata, partim aont rationes ex cauii· lumptae. bula cedit primae. Abraham immolaturus filium, Testimonia sunt: Credidit Abraham, el imsolutus est secunda tabula per primaio, quae coputatum est ei ad iusticiam. Ergo fide consequigit Deo obedire, quidquid is iusserit. lehu camur, ut reputerour iusti. pieusarma adversus regem suum, solutus est leFides autem est fiducia promissae misericor- gibus secuudae tabulae per primam, Deus enim diae, cum quidem agnoscirous oos indignos esse. novo mandato iusserat lehu arma capere. ConAliud testimonium. Beati quorum remissae trariae leges videntur: Ne reddas malum pro inasunt iniquitates. Ergo, cum omnes oporteat acci- lo, et: Magistratus Dei minister est, etvindexad pere remissionem prccatorum, qui fiunt beati, iram. Hic altera sententia prohibet vindictam, necesse est fateri omnes, quod habeaat peccata. altera praecipit, sed dirimitur controversia per Non igitur sunt iusti propria dignitate, non satis- regulam: Generi derogatur per speciem, et illud faciunt legi. potissimum habetur, quod ad speciem directum est. Excipit autem scriptura magistratum a geDeinde a causa additur argumentum. Promissionem gratiae oportet esse certam. nerali regula, in qua vindicta prohibetur. Itaque Promissio fieret incerta, si penderet ex certum est, magistratui licere exercere vindictam, punire sontes, gerere bella. Consuetudo recipit conditione legis. Ergo promissio non pendet ex conditione in templis imagines, lex prohibet. Haec controlegis, sed gratis propter Christum fide versia dirimitur, quia nos non tenemur legeMoisi. Multa hoc modo iudicari possunt, quae loncontingit. gum esset recensere. Minorem confirmat, quia lex semper accusat, seu, ut ipse ait, iram operatur, quia nemo Ex tcripto et eententia. legi aatisfacit, quare non propter legem dantur, Frequentissime in foro, et in Ecclesiis, quaeremissio et iustificatio. stionessunt, script! et voluntatis, quae oriuntur Exordia et perorationes in hoc genere seex script! obscuritate, aut ambiguitate. Graeci quuntur communia praecepta, supra tradita. vocant hunc statum φητον xcu διανοίας· HuiusContrariarum legum status est, cum faciunt modi controversiae sunt de his locis: Vade, vende controversiara contrariae leges, quemadmodum omuia quae habes, et da pauperibus. 2.Corin. 8. saepe accidit, Graeci vocant hunc «latum Αντινο- ut sit aequalitas. Item: Non iurabis. Nam Anaμίας, nt, άντινομίαι sunt: Rfelios est nubere baptistae urgent verba, nec recipiunt ullam Interquam uri. Et Canon: Non liceat sacerdotibus pretationen!. Nos addimus Interpretationen!, ut nxores ducere. sententiam retineamus, Iurisconsultus vocat frauContrariae sunt: Non facies furtum, et man- dem cum defenditur fätor contra diavoiav. Loci datum, ut Hebraei spoliarent Aegyptios. huius status sumendi sunt ex dialectica: Definitio Confirmatiotiee et confutationes ducunlur ex patefacit obscura, Divido discernit ambigua, ad cauiis efficientibus. Lex enim habet autoritatem hos locos accedunt reliqui, ut loci causarum, effeab efficjente causa. Hinc sunt regulae. Lex in- ctunm. circumstantiarum et pugnantium. Tunc ferior cedit superior!. Lex specialis derogat ge- antem voluntas quaeritur, quando φητύν est, aut nerali. , Lex humana cedit divinae. Leges vete- obacurum, aut absurdum, ut in hia verb!*: Si res corriguntur aut abrogantur novis. Ducuutur quia castraverit se etc. voluntas quaerenda est. etiam confirmationes aut-confutatioues ex materia, Nam φητάν est absurdum. Sed in aacris Uteris hoc est, ex ipsis legibus, ai cum ratione consen- hoc observandum est, ut in dogmatibus et praetiant, aut pugntat cam ratione, si circumstantiae ceptis retineatur τό φητάν, nisi impingat absurdiexpendantur, qnibus latae sint, « t a n ad hos ca- tas in aliquem articulum fidei, seu manifestum sus recte detorqeeantur etc. Et ex Ulibus rega- scripturae locum. Tunc enim recipienda est volia dirimuntur pleraeque legum co'ntroversiae. luntas ex manifestis locia aliis collecta. Caeterum Lex inferior: Non facies furtum, cedit superior!, in dogmatibus ac praeceptis, non est diacedendom 133
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a verbis scripturae, cum absurditas tantum impingit in iudicium rationis. Confirmatione» et confutationes in ecclesia· slicis negociis ducuntur ex testimoniis scripturae clarioribus. Interim tarnen ex dialectica adhihenda est, quia saepe ex definilione, aut ex causis, quae sunt in scriptura, ratiocinari aliquid cogimur. Sed hic videndum est, ne connectantur male coherentia seu άνακάΐον&α, seu ut dialectic! loquuntur, ne malae consequentiae consuantur. Porro, quod ex daris testirnoniis efficitur bona consequentia, id quoque darum esse iudicatur. Ut scriptura manifeste probat magistratus, ergo probat etiam leges civiles, quamvis ab Ellinicis conditas, modo sint timori malo operi. Haec consequentia valet, quia lex nihil est nisi vox magistratus. Locus: Vade, vende omnia etc. non cogit discedere a facultatibus Christianos, quia alius locus aperte inquit: Praecipe divitibus etc. Hinc ex definilione argumentamur. Dives est, qui possidet proprium divilem esse licet, ergo et proprium possidere licet. Magna cum ludaeis de Scripte contentio est: Ipsi somniant regnutn Christi mundanutn, videlicet, quod recuperata patria, Hierosolymis regnaturi sint, nos defendimus sententiam, et opponimus darum testimonium scripturae: Regnum Christi erit aeternum, at mundana regna non possunt esse aeterna, igitur mundanum regnum non potest esse Christi regnum etc. Sed non est opus recensere plura exempla, cum usus rerum multa quotidie offerat. In foro et negociis, quae ratione iudicantur, absurditas est, si quid a ratione dissentit, aut recepto iure, et quia effici debet, ut adversarii opinio videatur absurda, lfges et rationes afferendae sunt, quae ostendant earn cum iure et natura pugnare. Hic iterum eundem est nobis ad locos dialecticos, nam ex causis et effectibus colligitur aequitas. Est autem generale praeceptum, cuius maxime usus est in hoc genere controversiarum; ut excuciantur circumstautiae, ex his enim saepe venamur sententiam, et iudicamus, utrum scriptum et voluntas consentiant aut dissentiant. Vera est enim vox Hilarii: Circumstanliae illuminant dicta. De ambiguo, Controversiae ex amhiguo sunt, cum verbum aliquod generale aut ambiguum, parit dissensionem, ut in Canone, Sacerdos ducens uxorero,
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suspendatur. Ibi intelligunt quidam, at ab arhore suspendatur. Alii mitius interpretantur, suspend i tantum esse feriari ab officio ad tempus. Hic status cognatus est superiori, habet jiutem hanc praecipuam regulam. Ambiguä alia iudicantur ex Grammatica seu φράσι et figuris, ut: Non cognoscebat earn, donee peperit filium primogenitum. Nam particula donec varium habet usutn in sermone. Alia iudicantur ex artibns, ex quibussumuntur, ut: Non reddas malum pro malo, generalis sententia est, quae ex scriptura iudicatur, ex qua constat tantum privatem vindictam prohiberi, publicam non prohiberi. Caeterum el ad hnnc statum adhibendi sunt loci dialectic!. Nam ambigua definilionibus et divisionibas explicantur. Batiocinaiio. Ad hunc statum pertinent casus, qui cum non habeant certam. legem, referuntur ad similia, aut ad cognata, cum quibus videntur connecti posse. Iurisconsulti multa iudicant ex similibus, quare huius status facile multa exempla invenias, ut: Non licet haeredibus pecuniam, civitati ad spectacula legatam, repetere, igitur nec legatum ad pios usus repetere licet. Reperiuntur huiusmodi controversiae et alias, ut si quis disputet, an liceat Christiano in foro causas agere, nullus locus est, qui expresse hoc concedat, sed ratiocinatione querendum est testimonium, sive ex cognatis, sive ex similibus. Evangelium approbat iudicia etiudices, ergo nec reliquos iudiciorum ministros improbat. Est autem causidicus iudicis minister, nam sine causidici diligentia, opera et voce, iudex non potest causam cognoscere. Ergo sicut iudicis officium, ita causidici funetiu probatur. Si quaeratur, an liceat Christiano litigare in iudieiis, nullus locus aperte concedit, sed ratiocinando quaeritur testimonium. Lirtt" uti aliis civilibus rebus, licet petere defensionem a magistratu armato adversus latrones, ergo multo roagis licet a iudice inermi, auxilium ad retinendas facilitates petere. Item, si magistr«tus est honori bonis, ergo iudex, cum defendit Christianum, non praebet ei occasionem peccandi, alioqui non esset ei honori, sed potius dedecori. In hoc statu plurimum valent loci communes. Nam ex his multa iudicantur et trahuntur. Pendet autem tota res a dialectica, cam ex causa, ex toto, ex genere
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IV.
ELEMElNTA
ducitur argumentum. Videndum est autem, ut sit in syllogismo bona consequentia. Cum similia afferuntur, videndum e s t , ut similitudinis eiusdem causae sint. Irenaeus eleganter dixit, haereticorum argumenta non magis cohaerere, quam si quis velit funem de arena nectere. T a l e s erunt in hoc genere ratiocinationes, si non fuerit adhibita dialectica, quae iudicat, utrum membra consentient, utrum aliud ex alio necessario sequatur, ut scriptum est: E c c e duo gladii hie. Igilur a pontifice necesse e s t , omnes reges accipere regna. > Haec non necessario coliaerent, sed iufinita exempla quotidie offeret usus. Translatio proprie e s t , quod lurisconsulti vocant exceptionem, cum non respondetur ad r e m , sed opponitur exceptio aliqüa, ut quod non oporteat me coram hoc iudice causam dicere, qnojd adversario non debeat dari actio. D e hac re nunc praecipiunt lurisconsulti, quando prosit respondere ad r e m , quando non prosit. Quanquam autem haec rhetorica non collegi praecipue ad usum forensem, tamen prodest huius status mentionem facere, ut admoneantur adolescentes, non semper de re respondendum esse. Sed ubicunque fieri potest, arte fugiendum esse iudicii periculum. Profecto eniin sapienter dictum est ab A l cibiade, nec immerito abiit in proverbium ίξον
(pvytiv, μηζηταδίχην.
De genere deliberative. Genus deliberativum versatur in suadendo ac dissuadendo, adhortando et dehortando, pet e n d o , precando, consolando, et similibus negociis, ubi finis est non cognitio, sed praeter Cognitionen! actio aliqua. Hnius generis plura exempla reperiuntur. E t plurimae scribuntur Epistolae quotidie pueris in hoc genere, cum ab amicis aliquid pelunt. Exordia fiunt in aliis causis. Narratione utimur, cum res poscit. Verum in h o c genere saepe accidit, ut nihil adhuc gesture s i t , quod narrare necesse sit. Propositio •equitur narrationem, et cum deest narratio, sola proposilione utimur. Non enim oraitti propositio ulla in causa potest. Ac pleromque, ut sit plenior sonus, propositio cum amplification recitat u r , u t : Nullum bellum aut magis necessarium, aut magis p i u m , aut magis e dignitate vestra, Principes suscipere potest)·, quam hoc bellum adversos Turcas, qui cradelissimum latrocinium his
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proximis annis in ipso Germaniae aditu, et in conspectu vestro exercuerunt, vobisque bellum denunciantes, exitium ac vastitatem universae Germaniae, huic imperio atque religion! Cliristianae interitum, vestris liberis atque coniugibus miserrimam servitutem minati sunt. L o c i argumentorum tres sunt: Honestum. Utile. Facile. In his comprehendimus etiam necessarium et possibile, qui ideo praetermittuntur in vulgaribus praeceptis, quia videntur esse axc/voi, nec indigere monitore. Nam impossibilia non veniunt in deliberationem. Necessitas autem non solum dubitantes hortatur, sed cogit etiam i n vito». Verum quia hi duo l o c i , interdum non conspiciuntur ab omnibus. Ideo in arte admonendi sunt studiosi, ut quaerant eos in causis, ac proferant in lucem, et dicendo illustrem, ut si quis de studiis literarum dicet, non tantum ostendet, quam sint honesta, quamque utilia, sed si recte considerabit res h u m a n a s , inveniet etiam necessarian) esse literarum scienliam, quia sine doctrina religionis et legum, non possunt tenevi respublicae, ueque haec civilis societas coli. Haec necessitas, quia non intelligitur ab indoctis, oratione patefacienda est. Nascuntur autem h i loci: honestum, utile, et facile, in locis dialecticis: definitionum et causarum. Sed quia finis est a c t i o , non cognitio, nomina habent a fine, ut animos ad agenduin i m pel lan t. Expetimus enim b o n a , vel honesta, vel utilia, si tamen consequi possumus, Honestas autem sumitur ex legibus divinis humanis, adeoque ex virtutum definitionibus. Pertinent autem leges ad causam efficienlem. M o vent enim hominum voluntates ad agendum. E o dem et virtutum defiuitiones pertinent, cum vere sint leges. Cum igitur honestas sumatur ex legibus et natura v i r t u t u m , oportet h o s , qui hoc genus apte tractare volent, locis communibua copiose iustractos esse, ut cum adhortabimur principes ad suscipiendum bellum contra Turcas. Primum de honestate docendi sunt, recitandae sententiae ex sacris Uteris, quae praecipiunt magistratibus tueri subditos, depellere latrocinia. Confutanda est superstitiosa quorundam persuasio, qui putant Christiane non licere militare, aut bella gerere. Haec disputatio non vulgarem do-
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exempla possint, et videre oeconomiam et ordinem omnium partium, et totius orationis formam animo complecti. Plena autem exempli· sunt Poemata, Historiae, Epistolae. Sed ego velim praeceplores ex Livio eligere exempla, quae com et propter reram magnitudinem, et propter sonum orationis illustriora et graviore eint, magnam verborum et sententiarum copiam snppeditant. Pertinent ad snasorium genus, et in sacris liter!», Adhortationes, Consolationes, Deprecetiones, ut in Psalrao, Miserere, saepe est repetita propositioac petitio. lnsertae snnt passim querelae. Argumentum dneitur ab honesto, quod misericordia Dei fiat illustrior, si ägnoscat. Simile est loco utilitatis, quod promittit se vicissim gratum fore, praedicalurnm hoc beneficium, reddjtorum vera eacrificia, scilicet spiritum contribulatum. Ita obiter alludit ad locum coramunetn de sacrificiis, quod ceremoniae tantum sint signa verorunj sacrificiorum. Semper autem finis qnaeLoci ab.utili et facili fere sunt ϋτεχνοι. Nam rendus est. Adhortationes iubeqt aliqnid agere. utilitas saepe cernitur ab iudoctis, quae cum est Consolationes iubent expectare auxilium a Deo. manifesta, exaggeranda erit oratione, at contra Deprecationes petunt aliquid nobis concedi. Turcas, amplificanda est eorura crudelitas, diDe genere demanetrativo. cendum, quantam carnificinam in victos exerceant, quam turpi» et misera servitus impendeat Demonstratfvum genus continet laudationem his, qui non sunt interfecti. Facultas autem po- et vituperationem, sed multum interest, ntrum sita est in circumstantiis, in c'omparatione virium, personae tractentur, an facta, aut res. Aliis temporum; locorum. enim locis utendum erit in laudatione personae, Dominantur in hoc genere exempla, ut si aliis in laude factorum et rerum. quis commemoret Carolum, Othonem, patriam Cum landamus personam, ordine narramus ad versus barbaros summa virtute defendisse, in- historiam, et rerum seriem in diceqdo sequimur. finitum Hunnoram multitudinem, quae in Ger- Suntigitur loci pertonarum: Patria, S^xns, Namaniam irruperat, delcvisse. Imperator Fride- tale», Ingenium, Educatio, Dispplina, Doctriricus Saracenos in ultimas terras, in Syriam us- na, Res gestae, Praemia Terum gestarum, V,itae que persecutus est. Nos repellere dubitamus ho- exitus, Opinio post mortem. Hie ordo historiae stes, qui tam procul ex Thracia profecti, Gerfria- magis decet in laudationibus, quam quod. initio niam ipsam populati sunt. Affectus etiam in his quidam, quasi in Kholis pbilosophantes, parcausis movendi sunt, qui cum in tota oratione ciuntur bona in tria genera, naturae, animi, et vaFie spargendi erunt, tum in pciroratione eligi fortunae bona. Et cum ad Haec capita, singula· debent hi, qui sunt acerrirtti, nec procul petitL partes historiae accomroodare volunt, rerum orNam perorationes, ut in aliis generibus, conti- diAem confundunt. Caeterom loci illi communent repetitionem quorundam argumentoram et ne», quare naturae bo^a, quare fortunae bona, laudem mereantur, quantum praestent animi bona affectus. dotibus fortunae prodepler historiae per occapjoPostquam banc, viam adolescent«· cognove- nem intertexi debent. runt, exempla proponenda snnt, quae longe claExordia in hoc genere liberiora pant, at in rius ostehdunt, quid in hoc genere deceat, quam praecepta. Quae quidem ad hoc unum excogitate Epithalamiis aut Epicediis apparel. Interdum e sunt, ut imperili· viam ostendant, ut intelligere pompa publica, interdom ab effectu aliquo, a que*
clrinam reqoirit. Ostendendum est enim., qaod Evangelium approbet magistratui, vindictam publkam, iudicia, bella, quod Evangelium «it doctrina de vita aetema et spiritual), nec dissipet poliliat, »ed multo magi* confirraet. lubet enim nos in hac vita corporal! atque civili, uti politic!« rebus omuibul, sicut hoc aire, cibo, potu utimur. Interpretanda sunt et dicta quaedam Christi , quae videntur prohibere vindictarn. Haec enim tantum privatam vindictam prohibent, non probibent vindictam publicaro, quae exercetur officio magistratuum. Alioqui enim dissentirent ab aliis locis, qui aperte approbant magistrate, et vindictam magistratuum. Ex hoc exemplo in· telligi "potest, locum honestatis maxime con&tare arte, quia hae disputationes magnam doctrinam optimarum rernm requirunU Et saepe hie dialecticis locis utendum est, cum videlicet prius docendas est auditor quam adhortandus, ut fit in hac quaestione de bello.
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rela vel gratulatione inchoantur. Reliqua oratio perpetua quaedam historiae narratio eft, in qua tarnen praecipua decora amplificantur, et ad admirationem atque imitationein proponantar. Sed quoniam extant exempla, in qnibus ratio huiua generis tractandi cerni potest, nihil ορα· e»t longioribus praecepti*. iiocratei reliquit laudationera Evagorae, Pliniu* Traiani. Extal et ab Erasmo scripta· Panegyricus, lectu dignissimus, de Philippe rege Hispaniae. Sunt Psalmi quidam generis demonstrativ·, qui detcribunt Christum, hi possnnt haberi pro brevibus panegyricis, ut Psal.: Dixit dominus. Item Psal. 67.: Exurgät Deus. Pingit enim veluti triumphalem pompara regis, orditur ab iroprecatione et gratulatione, nam hostibus Christi male prccatur, gratulatur aatem piis. Narratio continet pompam: Venit dominus, et ducit secum exerci'tus Evangelizantiam. Ex his sunt descripti Principes provinciarum, Apostoli et Episcopi, qui provincial afBictas et vexatas recreant Ascendit dominus in altum, ducit in triumpho captives distribuit dona militibus ac populis suis, minantur hostibus supplicia: Praecedit populus ac sequitur, qui canit triumphale carmen. Haec fere summa est Psalmi, quem si quia hoc modo ad artis praecepta conferet,- planius intelliget et animadvertet, qui loci proprie ad Christum accommodandi sint, qui tribuant ei divinam potentiam. Quamquam autem oratio iq hoc genere perpetua narratio est, tamen incidunt interdum loci, qui habent aliquam disputationem, ubi confirmatione et co'nfutatione ulimur, ut si quis laudabit C. Caesarem, excusabit eum, quod bellum adversus.patrUm movent, quia inirnici, cum ei beneficium populi eriperent, priores bellum indixerint ac moverint, Quare non intulit patriae bellum, sed iniustam vim a suo capite depulit, cum Pompeius negaret se ullas conditiones pacis admissurum esse nisi allato ad se Caesaris capite. Supersant aliae species, cum factum, ant rem certain laudamus. In hoc genere omnes partes existere possnnt: Exordium, Narratio, Confirmatio, Coufutatio, Conclusio. Locos mutuamur ex genere deliberative. Honestum, utile, facile, aut difficile, a t si quis laadet factum Iropera; Lotharii Saxonia, qui Romanes leget-, quae ad id tempos, post occapatam Italiam a Gotthis in bibliothecis latuerant, in forum revocavit, et
HiLirra. Or». Vol. ΧΙΠ.
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constitnit, at in imperio ias ex illis legibus dice· retur. Primum honestatis loco atemur, quod deceat principem efficere, at respublica leges ha· beat optimas. Sumemus argumenta, non solum a Lotharii persona, videlicet a principis officio, sed etiam a re, hoc est a dignitate legum Romanarum, quod plenae sint bumanitalis, prudentiae ac iusticiae, quodque nulla gens unquam meliores leges, et magis consentientes naturae habuerit quam jpopulns Romanos. Ab utili erit argumentum, quod certae leges muniant tranquil litatem publicain. Lotharius igitur ntiliter consuluit reipublicae, qood ad omnem posteritatem civitates tranquilliores reddidit. Mam antea nullo certo iure utebantar civitates, sed magiUratus pro suo arbitrio ius dicebat. Ea res, cum tyrannidi vicina sit, periculosa est civitatibus. Alibi habebant barbaricas leges, videlicet Sab'cas, hoc est aulicas leges Francorutn, quae multa contra humanitatem ^onstituebant. Quare etiam harum gentium mores reddidit mitiores Lotharius, propusitis legibus humanioribus. Nam mores atque opiniones hominum magna ex parte imitantur leges. Hie conferri potest Lotharius cum veteribus legumlatoribus, cum Solone, cum Instiniano. Habet hie laudem difficultas, quia pauci principes ociosi sascipiunt curam emendandarum legum, At Lotharius maximis. occupatis bellis hoc egit. Possnnt addi loci communes de nostrorum priucipum ingeniis, quod cum scientia reipublicae gerendae', prudentia, magnituiline animi, fide, ac iusticia, pares fuerint laudatissimis priucipibus ap'ud Graecos et Romanos, minime sunt existimandi barbaii. Ad hoc genus pertiqent gratiarum actiones, in qnibus beneficia commemorantur et amplificantnr. Tales sunt orationes Ciceroni« de suo reditu,, et pro Bf. Marcello. Eodem modo res laudantnr, ut artes, Philo« sophia, Eloquentia, Leges, Medicine, Pax. Honestas sumitur ex caasis efficientibus, videlicet, ab inventoribus, at Philosophie est donum Dei. Sicut enim divinitus ocalii lumen contingit, ita menti veritas, sed verum indirium divinitus donatum est. Utilitas sumitur ex finibus. Philo« sophia ostendit praesidia vitae, disciplinam de moribus civilibus, leges, medidnam, numeros, mensuras, quae res omnes in hae tota vita maxime necessaria sunt. Interdnm aatem facilitas, iuterdum difficultas landanda erit, idque ad consilium oratoris pertinet, considenre, quid deceat Quod 29 137
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quidem praeceptum, ut quid deceat aniraadverta- gubernari. Sed sumamus exempla ab ecclesiamus cum in tola vita, tum vero in dicendo vel sticis concionibus, quae prorsut ociosae erunt, maxime requiritur. Nusquam enim magis lucet nisi ad praecipuos locos doctrinae Christianae redecorum, quam in dicendo, cum id sit praeci- ferantur. Si quis enarret historiam Davidis, quopuum, ac maximum ac difficilliinum operum hu- modo propter admissum adulterium a Prophet« obiurgatus sit, locus communis erit de poenitenmanorura omnium. tia. Etsi enim et de adulterii turpitudine multa De loci* communibut. dici possunt, tamen delectus adhibendus est loBreviter complex! sumus communissima prae- corum, et excerpendus is, qui maxime propriui cepta de inventione, de quibus ingentia Volumina est doctrinae Christianae. Porro in hac historia, Graeci composuerunt. Verum ego non admodum omnes poenitentiae partes, egregie depictae sunt. opus esse longioribus praeceptis in hac parte iudi- Habet enim non solum obiurgationem, sed etiam cio. Nam via quadam cognita, postea res non in absolutionem, quam in sacris historiis praecipue libellis rlietoricis quaerendae erunt, sed tum a quaerunt piae mentes. Ac Christus ipse docet commnni prudenlia, tum ex aliis artibus sumen- nos hocartificium, qui saepe transfert hypotheses dae. Elcnim haec praecepta non tarn ad inve- ad theses, ut cum excusat Apostolos de violata niendum conducuot, quam ad eligendum idonea, traditione Pharisaeorum, incipit in genere de tracum res ex aliis artibus offerunlur. Deinde, cum ditionibus illis concionari. Cum adfertnr ad eum imitatio magis efliciat eloquentes quam ars, prae- historia de crudelitate Pilati, gravissiroam concepta traduntur adolescentibus ad hoc, ut adiu- cionem habet de poenitentia, Lucae IS. Adhivent eos in legendis orationibus disertorum, quia bentur autem'loci communes, et ad probandum aetas ilia non potest longas causas animo comple- et ad amplificandum. Etenim fere in omni probacti, nisi res et argumenta certis locis, quasi notis tione, maior nascitur ex aliquo communi loco. discernantur. Addemus autem ad inventionis Id que diligenter observent studiosi, ut sciant, ubi praecepta unum quod maximam vim habet in omni- sit usus Worum communium, quos qui prudenχαινώς, bus disputationibus, videlicet, ut hypothesin ter eligit, is demum poterit et τά xotva transferamus ad thesin. Vocant autem hypothe- cum volet, et quod difficilius est τά χαινά χοινώς sin , negocium de quo controversia est, circum- tractare. Ac voco locos communes, non tantum scriptum circumstantiis, u t , sitne bellum moven- virtutes et vicia, sed in omni doctrinae genere dum ad versus Turcas. Thesin vocant generalem praecipua capita, quae fontes et summam artis quaestionem, ut, liceatne Christiane bella gerere. continent. Neqne tamen omnibus ubiqne utimur. Facile autem iudicare potest, cum de Turcico Sed unusquisque sciat se debere suae artis, praebello dicendum est, omnia pleniora atque ube- cipuos locos tenere, ut cum aliqua de re dicendum riora fore, si a specie ad genus oratio transferatur, erit, statim offerant se idonei loci. Quidam puet de magistratus officio, de bello in genere dica- tant se locos communes tenere, cum de variis retnr, quam pium, quam sanctum officium reges bus coacervatas sententias habent, quas passim faciant, si has gentes divinitus ipsorum tutelae ex poetis et oratoribus excerpserunt. Et quia iucommissas, adversus Turcicum latrociniurn de- dicant hanc coacervationem insignium dictornm, fendant. Hoc praeeipiunt apud Ciceronem An- perfectam esse doctrinam, nihil habent consilii tonius et Crassus, ut consideremus, qui loci com- in legendis autoribus, nisi ut inde tanquam (lomunes haereant in causa, quorum alii totam cau- res, dicta quaedam decerpant. Interim nullam sam continent, in quibus thesis versatur, alii in- artem perfecte discunt, nullum scriptum totum cidunt obiter, Ac thesis ilia, cum habet peculia- intelligunt, nusquam totum orationis genus conrem interdum in oratione locum, tum verba et siderant. Hoc stadium exiguam habet utilitatem, sententias gignit in omnibus partibus orationis. et hoc nomine plurimum nocet, quia in stultis, Et praeter hanc varie alluditur ad alios locos, qui doctrinae persuasionem parit, qua nihil est perobiter incidnnt, u t , Cicero pro Milone, cum di- niciosius. Sciendum est igitur, ita locos comcit Clodium Deo propter violates religiones, poe- munes recte cognosci, si artes illae, in qnibus na! dedisse, alludit ad locum communem, et bre- versantur, perfecte cognitae fuerint. Et ut locos viler probat Dcum esse, et hunc mundum a DEO communes apte in causis intertexere possimus,
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opus erit perfecta coram cognitione. Verum quia in civilibus negociis saepe existunt disputationes de virtutibus, de viliis, de fortuna, de legibu», de consuetudine. Ideo rhetores horum locoram precipue mentionem faciunt, qui tamen neqne perfecte intelligi, neque copiote ac varie Iractari possunt, nisi cognitis illis artibus, in quibus versantur. Quare necesse est ad bene dicendum addere Studium omnium maximarum artium, philosophise, doctrinae religionis, iuris et historiarum. Interim tamen hoc Studium colligendi dicta scriptorum, habet aliquam utilitatem, praesertim in adolescentia. Habent enim multa lumina verborum et multas figura», ut elegans metaphora est in versu de experientia. Discipulus est prioris posterior dies. Neque solum propter venustatem citantur, sed etiam propter autoritatem, habent enim velut ponrius testimonii, quia a magnis viris proditae sunt, si cut Virgilius Ennianos versus suo poemati propter gravitatem inseruit.' Et Cicero multa citat, ut quomobrem Ιπιχαρμιίον illud teneto nervos atque arlus esse sapientiae, non temere credere. Ad haec plaeraque dicta continent gravissima praecepta, quare non solum ad ornandum, sed velut leges atque oracula ad confirmandum proferunlur, quale illud est apud Livium, de non mutanda forma reipnblicae, et quod praesentia incommoda dissimulanda sint, quia mutetio maiora mala paritura sit. Nota mala inquit optima, quod a Plauto sumptum est, et Graeci μη xivtiv xaxov ιν χύμινον. Interdum etiam breve aliquod dictum, ita rem definit, ut magis ostendat earn, quam prolixe disputationes Philosophorum, ut definilio legis apud Demosthenem, Quare haec diligentia colligendi sententias, non solum verborum copiam alit, sed nonnihil etiam ad rerum cognitionem conducit. Sed tamen ut copiose ac varie tractari loci communes possint, accedere oportet ex ipsis artibus perfectam doctrinam. Caeterum ad colligendas sententias etiam adhibenda est ratio quaedam. Nam et memoria adiuvabitur, cum ordine distribuerimus eas in certas classes, et haec distributio rerum inter se ordinem ostendet. Est autem et haec quaedam pars ernditionis, rerum ordinem, initia et progressiones videre. Optima autem in distribuendo oeconomia erit, si sequemur artium discrimina. Cavendum est enim, ne confundanturartes, sed observandum, qui loci sinttheolo-
RHETORICES.
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I gici, qui sint philosophic!. Ac philosophic! posI sunt peti ex partibus hominis, ratio, artes, prudentia, virtus, affectus, consnetudo, corpus, forma, aetas, fortuna, divitiae, oeconomia, coniugium, educatio liberorum, politia, magistratus, lex, bellum, pax. Facile est autem genera partiri, et videre, quae sententiae, quae exempla, quae similitudines, in qualibet specie ccllocari debeant. De hac ratione annotandi, extat Rodolphi Agricolae Epistola, quam velim adolescentibus proponi ad verbum ediscendum.
De
affeciibus.
Ut loci communes sparguntur in orationem, ita affectus oportet ac motus quosdam oration! addere. Affectus autem oriuntur ex locis expetendorum ac fugiendorum, quos in genere suasorio et demonstrative recensuimus, videlicet ex honesto, turpi, utili et inutili, Nam honesta atque nlilia merentur amorem. Turpia, abhorrentia natura, iniusta, damnosa, oderunt homines. Misericordiam movet calamitas seu fortuna indigna, aetate, genere, virtute. Hinc intelligi potest, in qualibet oratione affectus in iis partibus existere, in quibus tractantur loci communes de virtutibus et vitiis. Sed tamen illi ipsi loci, certum genus verborum requirunt. Nam alii affectus sunt leniores, qui vocantur ^fftj, qui blandis verbis efferuntur, quae significationem humanitatis atque officii praebent, quale hoc est apud Virgilium: Omnis in Ascanio cari stat cura parentis. Familiaris est exordiis epistolarum et orationum, commemoratio officii, in qua decet nos animorum sensus atque incliuationes, quae η&η vocanlnr, expo η ere, ut ad Lent ilium: Periucundae mihi fuerunt literae tuae, ex quibus intellexi te perspicere irieam in te pietatem. Alii sunt affectus vehementiores, qui dicuntur πάθη. In his utendum est alrocibus et tragicis verbis. Ducuntur autem ex omnibus locis dialecticis amplificationes, ad impellendos anirnos, exaggerata vel dignitate, vel turpitudine rei, ut ab cxemplo Livius in Pleminium. Nec hominis quitlquam est praeter figuram et speciem, neque Romani civis praeter habitum vrstitumque, et sonum latinae linguae, pestis ac bellua immanis, qualem fretum quondam, quo ab Sicilia dividimiir, ad perniciem navigantium circumsedisse, fabulae ferunt. Sed in primis valent hypotyposes, cum signa et gestus commemorantur, cumque imago aliqua in oculis incurrit, 29*
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S C R I P T A PH. M E L . AD H I S T . P R O F . E T PHILOS. SPECTANTIA.
quae vim oculis atque animo affert, ut apud Virgilium de Mezentio. Mortua quinetiam lugebat corpora vivis. E t hoe genus infinite exempla extant apud Poetas et Historicos.
De dispotitione. Cicero nullam partem scribit plus ad victoriam conducere, quam dispositionern. Cum eniin maxima vis sit opportunitatis, plurimum refert, quo loco singula dicantur. Illud certe constat ordinem orationis ad rerum perspicuitatem plurim u m conferre. Quare et in legendis aliorum orationibus magnopere prodest auditoribus, dispositiouem ostendere, quod hac animadversa, omnia facilius percipiantur. Cum enim imperiti non possint longas et difficiles disputationes intelliger e , si semel decurrant oculi per universum corpus orationis, necesse est ordinem, regionesque partium ostendere, ut singula membra considerari queant, et iudicari quomodo consentient. Atque haec diligentia quantam habeat utilitatem, exempla demonstrant. Quantum enim lucis attulimus Epistolae Pauli ad Romanos, ostensa dispositione, quam qui non animadverterunt, adeo non intellexerunt Paulum, u t q u a de re ageret, ne suspicari quidem potuerint. Ubi proponat, ubi disput e ! , ubi desinat, nonvidebant, itaque velut liospites in ignota regione errabant, si quando in eius disputationes inciderant. Porro haec pars artis, cum quidem sit utilissima, non perinde difficilia praecepta habet. Nam ea quae tradunt rhetores perquam levia et puerilia s u n t , ut primo loco dicatur exordium, deinde narratio, hanc sequitur prupositio, de qua dimicatio est. Deinde confirmstio, postea confutatio. Extremus locus tribuitur perorationi. Ac profecto mirum est, cum hunc ordinem in dicendo natura ostendat etiam indoctis, tarnen homines literarios interdum harum partium Seriem in scriptis aliorum iudicandis, non videre. Neque tarnen ita aeeipi debent haec praecepta, tanquam leges de rebus capitalibus in aes incisae. Cedunt enim interdum utilitati. Nam et Cicero quaedam praeiudicia tractat in causa Milonis ante narrationero. E t pro Sylla confutatio praecedit confirmationem. Quam prudenter distribnit Demosthenes Jttffl στέφανου, in longa et multiplici causa omnes partes, suo quodam usus consilio, cum iisdem de rebus acrusator Aeschines, longe alium ordinem instituisset. E t haec in legendis docto-
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rum orationibus, olxovouia consideranda est, non solum u t aliena scripta rectius intelligamns, sed ut nos quoque discamus videre in nostris cansis, quid quo loco plurimum valeat, quae deceant in aditu, quae res velut in prima acie plurimum profecturae videantur, quae debeant in turba latere noceant. Haec non possunt iu arte tradi, Nemo enim omnia tempora atque negocia complecti potest. Sed exempla admonere et acuere studiosos possunt, ut quid deceat observent, et cum ad causas accesserint, se ipsi consulant, cum de o r d i n e , tum de aliis multis rebus. Multa enim in omnibus contentionibus a nobis ipsis petere cogim u r , ad quae doctrina atque exercitalione praeparare nos statim a prima puericia debemus. In disponenda narratione rerum Seriem plaerumque sequimur, perinde, atque fit in historiis. Atque haec fere sunt quae docent rhetores de dispositione, cum quidem aliarum partium dispositio multo difficilior sit. Non enim temere in dicendo eundum est, utdici solet, quo pedes fecunt. Sed prospiciendus est finis aliquis quasi mela, quo certo itinere perveniamus. Tradam igitur unicum praeeeptum, id que breve, quod ostendet viam, quomodo partes in principiis atque in contentione disponantur, quam viam, si anima adverterint adolescentes, plurimum adiuvabuntur, et in inveniendo, et in disponendo, el in iudicandis aliorum scriptis. Est autem hoc praeeeptum, ut meminerint in principiis et in contentione argumentationes existere, quarum necesse est ea esse membra, quae traduntur in dialecticis, quod ut plane perspici possit, addemus exempla. Ac primum de exordiis sciendum est, raro in exordiis syllogismos esse, sed plaerumque ea constare enlbymematis, quae nunc ita appellantur. Initio ponitur aliqua sententia, tanquam exordii propositio, cui postea subiicitur ratio. Ita absolutum est Enthymema, sed inchoatum a consequente. Fere enim in sermone probation! anteponitur propositio. Porro antecedens probatio est, consequens propositio. Deinde interdum seq u i t u r , aut alia probatio, aut amplificatio, aut adversative. Quare et Graeci docuerunt, exordium quatuor sententiis contineri. Quanqnam enim saepe plura sunt membra, tamen significare voluerunt, exordii partes debere quasi argnmentationem apte cohaerere. Prima pars πρότασις est. Secunda χατασχινη. Tertia anödoots. Quar-
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IV. ELEMENTA RHETORICES.
ta άξίωσις. E u i autem non omnia exordia similia sunt, tamen pleraque Cicero hoc modo componit. Pro Archia initio ponit πρότααιν. Si quid in dicendo possum praecipue Archiam eloquentia mea tueri debeo. Sequitur χαταοχιυη, quae est ratio propositionis, quia Archias adiuvit haec mea studia. Deinde άπόδοσις, conclusio enthymematis. Si mea eloquenlia aliis profuit, quanto magis isti prodesse debet, a quo excitata est. Hieinseritur adversative, sed miretur aliquis, quomodo orator a poeta adiuvari possit. Hanc quoque absolvit uno enthymemate, quia artet inter se cognatae sunt. Deinde άξίωσις, petitio, ut se de causa dicentem, audiant. Nec h u ius formae valde dissimilia sunt alia exordia. Interdum proposition! statiin opponitur adversative. Interdum inseruntur quaedam breves explicationes, ut pro Marcello πρότασις. Cum hactcnus tacuerim, nunc redeundum est mihi ad veterem dicendi consuetudinem, χατασχητη quia beneficiom Caesaris non possum tacitus praeterire, όποioatg. Nam absente Marcello carebam socio huius laboris, nunc eo restitute libenter redeo ad pristinam dicendi consuetudinem. Hie accedit amplificatio per trenslationem. Hoc beneficium Caesaris ad rempub. pertinet. Significat enim Cnesarem velle rempublicam conservare. Neque multo aliter disposuit Demosthenes exordium jitQi στέφανου πρόταοιζ: Peto, ut mihi concedatis, secundum leges, ut pro me dicam, nec assentiamini adversario. Sequitur exaggeratio periculorum et quaedam brevis occupatio. Postea χαταaxtvrj res ad me pertinet. Deinde άηόδοαις: Peto, ut me audialjs sicut leges praecipiunt. E t accedit amplificatio ex interpretatione legis. Ad Roma. πρσταοις: Gralulor vobis cognitionem Evangelii, et optarim mihi contingere, ut coram vo· docere possim. Adversative, sed hactenus non licuit, verum opto, ut aliquando liceat mihi ad •os proficisci. χατασχενή, quia debitor sum Graecis et Barbarii. Alia ratio, in qua inest quaedam occupatio: Nec pudet me Evangel!·. Confirmationes et confutationes partim syllogismis, partim enthymematis constant Verum illud sciendum est, orationem et si habet certas regiones, tamen et liberiorem et pleniorem esse, quant sunt illi concisi ac nudi dialecticorum syllogism!. Plerumque autem a minore inchoatur ar-
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gumentatio, ut pro Celio. Audistis cum pro se diceret, audistis antea cum accusaret, genus oratiouis, facultatem, copia sententiarum atque verborum, quae vestra prudentia est, perspexistis, atque in eo non solum ingenium eius elucere videbatis, quod saepe etiam, si industria non alitur, valet tamen ipsum suis viribus, sed inerat, nisi me forte propter benevolentiam fallebat, oratio, et bonis artihus instituta, et cura et vigiliis elaborate. Haec minor est. Sequitur maior. Atque scitote iudices eas cupiditates, quae obiiciuntur Celio, atque haec studia de qiiibus disputo, non facile in eodem homine esse posse. Et in hoc communi loco Cicero aliquantisper commoratur. Conclusio vero in proponendo reciuta est. In Celio nulla reperietur luxuries. Comparent igitur syllogism! membra, quae etsi certa regione circumscripta sunt, tamen non tam angustis finibus inclusa cohercentur, ut dialecticorum syllogismi, qui propter brevitatem in ptigna non satis virium habent. Raro a maiore inchoatur syllogismus, ut pro Milone. Maxima illecebra peccandi impunitatis spes est, haec fuit in Clodio, non in Milone. Sed plus enthymematum est in omnibus orationibns, quae facile agnosci et iudicari possunt, ut pro Milone. In nobis est quaedam mens, quae ciet atque agitat corpus. Ergo multo magis ille perpetuus naturae motus, mente quadam aeterna regitur. Sunt et haec enthymeinata. Clodius oderat Milonem, igitur credibile est, eum fecisse insi^ias. Facile igitur intelligent studios!, quomodo in prooemiis et in contentione partes collocari atque distribui debeant, si dialectica praecepta animo intuebuntur, et tamen in vestiendis et ornandis sententiis, oratorum consuetudinem sequentur. Atque has quasi regiones dialecticorum, praecipue mihi videntur observare Demosthenes et Cicero, quos habuisse maximam ordinis curare, res ostendit ipsa. Plurimum autem et inveniendo adiuvabuntur studios!, si meminerint posita aliqua propositione, deinde non procul ab ea discedendum esse, sed qnaerendum esse eius propositionis vel rationem, vel amplificationem, vel adversativem. Nam hae cum in vicinis locis nascantor, nitro se efferent, praesertim his, qui mediocri exercitio styli ita se assuefecerunt, ut cum aliquid institnnnt, percurrere animo vicinos locos possint. Τέλος.
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De
SECUNDUS.
E l o c u t i o n
I n v e n t i o n « ! ! ac dispositionem Sequilar in arte Elocutio. Prima enim de rebus deliberatio est, quae cum excogitatae atque inventae sunt, deliberandum e s t , quo ordine sint explicandae. Magna enim vis est ordinis, cum in aliis rebus tum maxime in docendo, et quod i n Oeconomia Xeno-
phon scribit ovdev oihwg οντί ίνχ(τήατον oiht xaiov dy&Qumots tos ή τάξις, hoc in oratione
maxime cerni potest, quae, si rebus ordo desit, simpliciter est sine mente «onus. Neque vero non extant multa huiusmodi confuse et perturbate scrip t a , fere in omnibus artibus, quae quantum remorentur discentes, non est obscurum. Tertia deliberatio de verbis est, quo genere orationis res a nobis excogitatae, exponendae atque illustr«ndae sint. Est itaque elocutio, quae dilucida et perspicua oratione res exponit. Neque vero minus in hac parte, quam in caeteris elaborandnm est. Nam res sine lnmine verborum intelligi neq u e u n t , quare initio huius operis error illorum reprehendendus est, qui contemnunt elocutionis praecepta, et falso arbitrantur eloquendi rationem non necessitatis causa, sed ad inanem ostentationem excogitatam esse. Hic error in causa est, quare et olim dicendi studia intermissa sint, et nunc negligantur, qua ex r e infinite extiterunt incommoda. Postquam enim dicendi ratio neglecta est, artes omnes confuse et obscure tradi ceperunt, quia percipi res nequeunt, nisi verbis expositae significantibus ac nolis. Ad. haec ita coninncta haec sunt n a t u r a , ut qui in eloculione negligentes sunt, multo sint in dispositione negligent iores. Et quia rationem loquendi non attend u n t , saepe iu rebus iudicandis, quae non perspici possunt, nisi cognito genere orationis, hallucinantur. S i qnis volet, snmat exetnpla vel a Theologis vel a Iurisconsultis, sunt enim ubiqne obvia. Quare ita sentiendum est, totam eloquendi rationem necessitatis causa excogitatam esse, quia certo genere orationis opus est, ad explicandas animorum cogitationes. Quis enim dubitat verba notas eise r e r u m _ q t i a e ut semper intelligantur, debent esse certae? Saepe etiam necessitas postulat aliquid exaggerari et amplificari, ut illi quos docemus intelligant, rem esse maximi facien-
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e.
dam. An qni de religionibus aut de legum et m a gistratuum dignitate vulgus docet, non studebit efficere, grandi sono orationis, ut hae res tantae videantur aliis esse, quantae re ipsa sunt. Pictores efficiunt ut alia videantur humiliora, alia m a gi s emineant, et sint excitatiora, quanto magis i n dicendo idem faciendum est, cum bona pars vitae regatur oratione, et saepe de maximis rebus homines docendi sint. Q u i d , quod i l l i , qui m a xime contemnunt rhetoricen, tarnen affectant h u ius artis laudem. Cogit enim eos natura rerum, ut verbis illustrare aut amplificare e a , quae t r a ctant, conentur. Hic vero, quam inepte rhetoricantur, qnanto foelicius hoc facerent, si artem a prudentissimis hominibus ad eum usum traditam adhiberent. Ac si tantum voluptas captaretur ex hoc studio, tarnen esset res liberalis, ac m a xime digna homine bene dicendi cura. Nulla res enim, nullus cultus, magis ornat hominem, quam suavis oratio. Neque musica dulcior aut iucundior auribus, aut mente percipi ulla polest, quam aequabilis oratio, constans bonis verbis ac sententiis. Quare, si quem nulla voluplate talis oratio afficit, is longe a natura hominis degeneravit. Verissima sunt quae dico, et ostendere possem exempla hominum, qui haec studia contemnunt, quorum fcri mores ostendunt, quantum ab h u manitate absint. Ac nisi longnm esset, ostenderem pluribus verbis haec studia faciendae orationis, mores reddere mitiores. Sed haec encomia a r t i s , putant aliqni in scholis magis ex more dici, quam quod res ita se habeat. Verum olim inter ipsa negocia comperietis has laudes harum artium, non esse temere confictas. A c u t r e d e a m unde digressus s u m , S i tantum voluptati serviret elocutio, tarnen non esset negligenda tarn suavis musica. Nunc ut ceterae artes primum inventae sunt, propter necessarios usus, usum aotem secuta est alicubi voluptas. Ita hanc artem coegit initio qnaerere necessitas, erat enim certum sermonis genus eligendum quod intelligeretur. Erat interdum aliquid amplificandum et exaggerandum. Postea ut gratior usus esset, aliquid etiam voluptati aurium datum est. Quidam disputant in ι gravi oratione, indecorum esse ornatum, quem-
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IV.
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admodum in matrona honesta fucus detestabilis gravioribus virtutibus claudicet. Quare confirest. Sed hi falso pntant oratorium ornatum fu- mandi sunt adolescentes, ut sciant se multum procum esse praeter naturam accersitum. Nativa fecisse, cum hoc assecuti sunt, ut non destituat fades est orationis, de qua hie praecepta tradun- eos copia grainmatici sermonis, etiamsi perfectius tnr. Hanc qui corrumpunt, monstrosam efficiunt quidem efficere non possunt. Voco autem gramorationem, ut pictores monstrosas formas pin- maticum sermonem, qui non solum verbis latinis gnnt, cum naturam non recte irnilantur. constat, et Syntaxin habet consentientem puerilibus regulis. Sed etiam in quo phrasis et vocuni Tree parte* eloculionis. coniunctio imitatur consuetudinem eorum, qui Universa eloquendi ratio consislit in tribus eleganter et vere latine, et non moleste loculi rebus. Primum in sermone grammatico. Deinde sunt. Haec de re infra plura dicemus, cum de in figuris. Tertio in amplificationibus. Crassus imitatione disputabimus. Itaque cum summam apud Ciceronem libro tertio reqnirit in elocu- laudem in dicendo habeat perspicuitas, in primis tione quatuor partes, ut latine, ut dilucide, ut adsit copia proprii sermonis, qui res sine ambiornate, ut apte dicatur. Ego idem verbis nonni- guitate, signate exprimat. Fugienda est in serhil mutatis trado, et ut Ciceroni's sententia melius mone peregrinitas, et illam licenliam gignendi intelligi possit, et ut cognatio grammatices cum novum sermonem, nullo modo periniltamus norhetorica cerni queat. Ut enim praecepta de in- bis, qua in scholis immodice utuntur. Tametsi ventione multum a dialeclica mutuantur, ita elo- alicubi peregrinis vocabulis ulendum est, Alia cutio plurimum sumit a grammatica. Nam latine forma nunc est imperii, Religio alia est quam Ciet dilucide loquendi ratio in grammatica traditur. ceronis temporibus. Quare propter rerura noviOrnate vero loquendi duas habet partes apud tatem interdum verbis novis ut convenit, quae Ciceronem, Figuras etamplificationes. Apte loqui tarnen usus mollivit, quem penes arbitrium est, et vis et norma loquendi. Interim tamen tota oraest decorum observare. Est itaque prima elocutionis pars sermo gram- tionis structure et phrasis, non abhorreat a latina maticus, qui constat verbis usitatis, propriis et consuctudine, alioqui enim non poterit intelligi. signißeantibus, quae iuxta grammaticae praece- Plerunque etiam isti, qui novum sermonis genus pta, certa ratione coniungi et construi debent. fingunt, res amittunt. Ut enim novum sermonem Cum igitur res elegimus, et disposuimus in ani- excogitant, ita novas res somniant, dum ineple mo, prima erit cura, ut eas grammatico sermone affectant laudem subtilitatis. Et tamen res illae efferamus. Non enim potest intelligi oratio, si inspectae, nihil esse deprehenduntnr nisi inania constet verbis ignolis et alienis a consuetudine somnia. Quia notae res omnes verbis exponi nobene loquentium, aut si constructio viciosa sit. tis et significantibus possunt Exempla extant inPrimum igitur adolescentes praestare debent, ut finite in omnibus artibus, ubi saepe inepte fingunmagnam copiaro grammatici sermonis habeant in tur nova vocabula, ut realitas obiectiva, subiepromptu, neque enim exigua laus est, propriis cliva, apud Scotistas. Olim Platonici, non inverbis, etiam sine alio ornatn, nudas res expli- telligentes Platonem, meras nugas de ideis finxecare posse. Quemadmodum fit plerumque inCo- runt, finxerunt et virtutes purgalivas, et nescio moediis et Epistolis. Et multi oratores in foro quas praeterea. Hos imitatus Dionysius, non quondam hoc uno genere dicendi content! fuerunt, minus fuit ineptus, cum de nulla re gravi lectoquemadmodum Lysias, et alii, qui tenue quod- rem doceat, tamen illo innsitato genere orationis dam filum orationis amaverunt At nostris tempo- mirificam expectationem de se concitat apud imribus satis magna laus est, hanc facultatem gram- peritos. Inepta sunt el ilia a Stoicis conficta Amavemnt tale dimatice loquendi consequi. Nam in his moribus, προηγμένα ano προημίνα. et in alia lingua, pauci reliquas virtutes elocutio- cendi genus et haeretici, ut Valentinianus exconis addere possunt. Ut videlicet figuris utantur gitavit quadrigas αΐώνιον. Nec minus sunt inepti non ineptis aut tempestivis, aut magna com gra- Iudaeorum Cabalistae, quae novis verbis repertis, vitate, et magna vi aliquid amplificent. Facile mira mysteria promittunt, cum meras nugas doest enim iudicare, quantum eloquentia istorum, ceant, et nostro tempore Anabaptistae, prodiqui nostris temporibn* maxime clari sunt, in illis giosis figuris utuntur. Tali oration! vix unquam
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SCRIPTA PH. MEL. AD HIST. PROF. ET PHILOS. SPECTANTIA.
subsunt res ullae cognitione dignae aut utiles. Quid quod etiam de naturis et moribus ex genere orationis iudicari »ölet. Certissimum eniin iudicium est monstrosae mentis, oratio monstrosa, quare diligenler fugiendum est genus sermonis inusitatum. Quia vero tota nobis latina lingua, nunc non a populo, sed ex libris discenda est, certa aetas authorum eligenda est, cuius imitemur consuetudinem, ut certum sermonis genus, quod semper intelligi possit, quia habet exempla nota et probata, nobis comparemus. Cum autem optima et maxime perspicua sit oratio, qua Ciceronis aetas usa est, discemus linguam ab eius aetatis scriptoribus, aut qui non longe ante Ciceronem, aut postea extiterunt, ut a Terentio, Cicerone, Caesare, Livio. Sed de hac re iterum dicemus, cum nostram de imitationesentcnliamexponemus. De ftguri*. Prima enra debet esseproprii sermonis, quo maximam orationis partem constare oportet. Interdum tarnen aut necessitatis aut decoris causa aspergendae erunt figurae. Nam ubi desunt propria, cogit inopia ex vicino alias voces mutuari, ut in vitibns g e m m a m dicunt Latini, et Graeci δφ&αΐμον, quemadmodum et German!, quia proprium deest. Nam initio necessitas peperit figuris, ubi propria deerant. Tunc etiam aliud sumere decet, cum etsi habeas proprium, tarnen significantius est aliud, figurate dictum, ut inflammatus ira, pro irato, hoc enim levius est. Invadnnt urbem somno vinoque sepultam, significantius est, quam si dixisset sopitam. Porro, ut plurimum afferunt gratiae figurae in loco, et parce usurpatae, ita viciosissima et ineptissima oratio est, in qua bene nihil simpliciter dicitur. Seneca scribit Portium, latronem dixisse, Summam esse dementiain, detorquere orationem, cui rectam esse liceat. Haec vox significat quantopere immodicum figurarum usum veteres oderint De tropis et achematibut. Graeci vocant τρόπους, cum vox a propria significatione ad rem similem autvicinam vertitur,1 11t Demosthenes inquit, Philippam magnitudine rerum gestanim ebrium esse, hic apparet, non1 retineri propriam significationem ebrietatis. Σχήμα. Σχήματα vocant quasi gestus orationis, ini quibus non est necesse mutare significationem vo-•
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cum, ut in interrogatione. Quo mihi fortune, si non conceditur uli? Nos prius recensebimus tropos, quos tarnen non est necesse subtiliter discernere, sed metaphorae nomine saepe etiam in aliis speciebus utimor.' Τρόποι sunt: Μεταφορά. Meralrppis. Σννιχδοχη. Μεκονυμία. Άντωνομααία. 'Ονοματοποιία, Κατάχρηοις. Μεταφορά est, cum propter similitudinem transfertur vocabulum a propria significatione, ut ferreum pectus, pro eo, quod fleet! ante terreri non potest. Cicero miris laudibus vehit hoc genus, et vocat brevem similitudinem. Nam similitudiue declaratur ea res, quae per metaphoram significatur. Valet autem omnis collatio ad augendam perspicuitatem, praeserlim si admoveatur similitude ad sensum. Quantum dignitatis addit apibus Virgilius, cum ait: Ipsae regem parvosque Quirites sufficiunt. Nam ciim vellet sobolem dicere, mutuatur nomen populi, et quidem Romant omnium gentium victoris, ut dignitatem exigui insecti augeret. Similitudo autem est, quod apes habent suam quandam rempublicam. Et Romana respub. omnium optime constitute erat. Μιζάληψις dicitur, ubi non transfertur nomen a simili, ut supra, scd sumitur a causa aut' effectu, ut pallida mors, quia facit pallere corpora. Vitium calidum, quia calefacit corpora. Immoritur studiis et amore senescit habendi, id est, consumitur. Laetum Evangelium, quia parit laeticiam. Tristis lex, quia terret et tristiciam adfert Ego sum resurrectio et vita, id est, resuscitator et vivificator. Fortasse grammatici dixerint haec esse metonymias, sed non sunt superstitiose discernendae figurae. Ego nomina sumpta a causis aut effectibus, Graecorum more, in hac figura colloco, ac maius qaoddam intervallum et discrimen facio inter metalepsin et metonymiam, quam alii faciunt, ut facilius agnosci et discerni possint. Σννιχδοχή comprehensio dicitur, cum vel totum parte comprehendimus, ut mucronem dicimus pro gladio. Animam pro aniraante seu homine, ut Omnis anima subdita sit potestatibus,
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Tecta, pro aedificiis. Vel cam pro parte totum dicimas, at cam dicimus aliquid factum esse, quod fieri coepit, ut mortui peccato, qui coeperunt niori. Sic dicimus exercitum esse caesum, quia plurimi interfecti sunt. Sic dicimus populum Dei sanctum esse, quia aliqui sunt sancti. Vel cum continens pro contento sumitur, ut, epotos cados pro vino epoto. Vel materia pro toto, ut, ferrum pro gladio. Vel prius, aut posterius, ex quo caetera intelligi possunt, ut, concutere muros pro oppugnatione. Oculi Domini super iustos, id est, cura, quia diligenter consideramus, etintuemnrilla, quae curamu*. Vultus Domini super facientes mala, id est, ira, Nam irati vultu minantur. Hniusmodi figurae infiuitae sunt in sacris Uteris. Μηωννμία, partim metalepsi, partim synecdoche cognata, verum videtur mollior figura esse, quam illae. Nam vicinum nomen pro vicino sumitur, ut signum pro signato, ut sceptra pro regno, fasces pro imperio, claves pro officio vel potestate, toga pro pace. Hie est agnus Dei, id est, victima, est enim nomen specie! pro genere seil, victima. Et agnns peculiariter significabat Christum, qui erat futurus vera victima. Metonymiae dicuntur etiam, cum inventorum seu autorum nomina sumuntur pro rebus, ut Bachus pro vino, Ceres pro frugibus, Mars pro bello, Moses pro lege, Christus pro Evangelio. In sacris literis variae sunt metonymiae, et in his nonnullae ignotae aliis linguis, ut calix pro sua cuiusque portione, et deinde ulterius transfertur, ac pro afflictione accipitur, unctus pro rege. Nam hae minus durae sunt, virga pro castigatione, crux pro afflictione, iudicium pro poena. Άντονομααία. Cum definitionem aut etymologiam aut descriptionem, pro aliquo nomine ponimus, ut pro Homero Poetam, pro Christo Salvatorem, pro Aristotele Philosophum, pro ira bilem effervescentem. Pro ambitione dixit Ovidius, Nec levis ambitio perfusaque gloria fuco. Proavaricia, Magnarumve fames sollicitavit opum. Quanquam autem non idem decet in carmine et soluta oratione, tarnen et haec admittit interdum descriptions», ut cum Cicero pro coniuratione dicit: domesticum latrociniam, pro improbis civibus: pestem et strumam civitatis. Et Paulus ornatissime pro leg· dicit χπρόγραφοτ contra not scriptum. Milaith. OIII, Voi. ΧΙΠ.
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Κατάχρηβίς· Verbi abusne est, ut parricidam dicimus pro eo, qui propinquum occidit. Gr.iliam dicmit Theologi, non tantum pro favore, sed etiam Graeco aut Ebraico more pro beneficio aut munere. Sed in sacris literis multa similia exempla extant, quia iaterpretibus non licuit uhique Graecam aut Ebraicam phrasin mutare. Est et χατάχρησις quam singular! consilio interdum usurpainus, ut cum pro virtutibus vicina vicia, aut econtra tradimus, ut pro crudelitate severitatem, pro avaricia par'simoniaro. 'Ονοματοποιία nova confictio est nominis, ut bombarda. lure recensentur inter tropos vmgßoty et contraria extenuatro. Sed de his infra de amplificatione dicemus. 'Αλληγορία non est in verbo sed in sententia, cum aliqua res significatur similitudine quadam, ut, Ne obiicias margaritam porcis, hie in nulla voce tropus ullus est, sed tecte aliud quiddam hac similitudine significavit. Nam άΙΧηγοpt'a eiusmodi est collatio, in qua simile ostenditur, nec tamen additur expresse altera pars collationis, seu ut dicam alitrr, allegoria est mutilatum enthymema. Qnintilianus vocat perpetuam metaphoram, gratum in oratione usum habet, parce usurpata, ut, Non profecturis littora bobus arat, Non datur ad musas currere lata via, Virtutem posuere dii sudore parandam. Si crebra fuerit, reddet orationem obscuram et ineptant. Itaque sunt ineptissimi, qui in sacris litteris omnia transformant in allegoria*. De quatuor sentibus »acrarum Uterarum. Sed quoniam hnios rei mentio obiter incidit, duxi etiam adiiciendam esse quarundam vocum interpretationem, quae alicubi occurrunt in Theologis. Quidam enim inepte tradiderunt quatuor esse scriptarae sensus: Literalem, Tropologicum, Allegoricum et Anagogicum. Et sine discrimine omnes versus totius scripturae quadrifariam interpretati sunt Id autem quam sit viciosum facile iudicari potest. Fit enim incerta oratio, discerpta in tot sententias. Sed has nugas comment! sunt homines illiterati, qui cum nullam dicendi rationem tenerent, et tamen viderent scripturam plenam esse figurarum, non potuerunt aptae de figuris iudicare. Itaque coacti sunt novam quandam rhetoricam comminisci, ut cum interpreta90
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banlur hanc sententiam: Tu es Sacerdos in aeter- ! nura secundum ordinem Melchisedech. Primum historiam aliquam quaerebant. Nec libet recitare, quam absurdas et intempestivas interdum histories affinxerint, ut in hoc loco plane corrumpitur germana sententia: Si qui* finget Davidem habuisse sacerdotium, hoc est, pacato regno, perfecisse sicut bonos principes decet, ut etiam sacerdotium recte constiluerelur, doctrinam emendasse, et cultus ordinasse, Psalmos composuisse, distribuisse Sacerdotum et Levitarum officia. Haec sunt in principe digua laude, sed interpretatio ad liunc Psalmum non quadrat. No η cnim propterea David est sacerdos, Et nominatur Sacerdotium Melchisedech, ut significelur novum ministerium, dissimile Levitico, futurum esse. Sed quamcumque historiam affinxissent, deinde addebant τροπολογίαν, quae transferebat historiam ad mores, sicut David imitatus est Melchisedech, ita nos imitemur eius liberalitatem, iuvemus hospites, pauperes. Hanc translationem ad mores vocabant τροποίογίαν, cum quidem in hac voce errarent, aliud enim significat τροτιοΐογία, videlicet, non sermonem aut interpretation nem demoribus, sed in genere quidquid figurate effertur, ut: Calicem silutarem accipiam, id est, perferam adflictiones atque aerumnas. Nam τρόπος hoc loco significat mores, sed vocem versam a nativa significatione ad vicinam. Tertio loco allegoria sequebatur, quae pertinebat ad Ecclesiam, aut si quis dexterius tractabat ad Christum, ut: Tu Christe es sacerdos secundum ordinem Melchisedech, referebantque id tantum ad coenam Domini. Quartus locus addebat άνανογην, quae erat interpretatio de coelesti statu. Tu eris sacerdos, id est, pius erit beatus in coelo, Deum tanquam sacerdos celebrabis. Errant autem et in hac voce, cum dicunt αναγωγίαν pro αναγωγή, significat enim αναγωγία petulantiam, seu feritatem morum, ab αναγωγές, quod est intractabilis et petulans. Dionysius figuram nominat άναγωγην, neque tarnen a pud hunc aliud est, quam allegoria, quam quidem et ipse immodice praedicat. At nostri Theologi fuerunt ineptiores, qui, ut longius etiam a sententia grammatica discederent, ultra allegoriam finxerunt anagogen, quae transferret rem ad coelestia, ut lerusalem historice
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significet urbem eius nominis, Tropologlcae rempub. bene constitutam, AUegoricae Ecclesiam, Anagogice vitam aeternam seu coelestem, Et hoc modo omnes versus prodigiosa metamorphosi quadrifariam interpretabantur, quantumvis interdum dictum aliquod repugnaret illi metamorphosi. Caeterum nos meroinerimus unam quandam ac certam et simplicem sententiam ubique quaerendam esse iuxta praecepta grammaticae, dialecticae et rhetoricae. Nam oratio, quae non habet unam ac simplicem sententiam, nihil certi doceL Si quae figurae occurrent, hae non debeat raultos sensus parere, sed iuxta consuetudinem sermonis unam aliquam sententiam, quae ad caetera quadret, quae dicnntur. Et ad hunc usum haec pueris doctrina de figuris et omni ratione dicendi reperta est, ut discamus iudicare de sermone, et unam aliquam ac certam sententiam ex qualibet oratione colligere. Proinde in sacris literis illa sententia relinenda est, quam consuetude sermonis parit, haec certo docet conscientias de his rebus, quae ibi traduntur, Ut in isto loco quem citavimus: Tu es sacerdos etc. Initio tota narratio percurrenda est, et quaerendae circurostantiae, quis loquatur, de qua persona loquatur. Hie reperiemus pleraque membra nihil pertinere ad Davidem, sed ad quendam perpetuum regem, qui novo quodam sacerdotio fungetur, antiquato Levitico. Constituendum est igitur, quod hic Psalmus de nno ac solo Christo loquatur, et literalis sensus seu historicns in hoc venu erit de Christi sacerdotio. Nunc qui volet explicare, non accersat allegorias, sed hanc causam seu literalem sensum de sacerdotio Christi, referat ad locos communes, et de his ordine dicat, iuxta dialecticae praecepta: Quid sit sacerdotium, Quid effecerit Christi sacerdotium, Quod nostra iusticia, nostris victimis, nostra cultu, non possimus placare Deum sed Christi sacrificio placatus, donet nobis iusticiam, pacem, vitam aeternam. Hoc modo literalis sensus illustratus, per definitionem sacerdotii, magnopere iuvat bonas mentes, ac in locis communibus delectus adhibendus est, ubi ad Evangelium referenda res sit, ubi ad Decalogum seu praecepta de moribns. Nam aliud in alio argumento decet, Extrem! tarnen loci hi sunt, Lex seu Decalogus, et Evangelium, intra quos versari oportet hos, qui interprelantur scripturam.
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Verom hie inlerroget aliqnis, an nusquam »Iii» sensibus locus sit. Ad hoc respondeo: Si omnia sine discrimine velimus transformare in varies sensus, nihil habebit certi scriplura, Itaque iure reprehenditur Origenes, qui omnia quantumlibet simpliciter dicta, tarnen in allegories transformat. Haec interpretandi ratio maxime labefacit ratio autoritatem scriptnrae. Nam et Porphyrins hoc nomine icrisit Christianam doctrinam, et scripsit earn nihil habere certi, siquidem non aliler atque fabulae poetarum, in alios quosdara sensus, praeter grammaticum, omnia transformanda essent. Itaque plerumque uno sensa grammatico content! esse debemus, nt in praeceptis et promissionibus Dei. Illud vero maxime ridiculum est, quod in concionibtu vel 1'rophetarum, vel Christi, item in dispntationibus dogmatutn ut in Epistola Pauli quatuor sensus finxerunt. Caeterum, qnaedam facta extant in sacris literis, et ceremoniae quaedam, quae ad id institntae fnerunt, nt aliud quiddam significarent. In his est allegoriae locus. Quanquam ne hie quidem anxie quaerendae sunt, quia ut maxime eruamus aptas allegorias, tamen in controversiis non pariunt firmas probationes, tantum velut picturae reddunt illustrius, id quod ex aliis certis locis probatur. Sunt autem huius generis pleraque facta, ut historiae Ionae, qui post triduum revixit Mactatio agni in Paschate, Adoratio ad propiciatorium, et aliae ceremoniae. Porro hie non est abiiciendas literalis sensus, sunt enim inandata Dei, quae non licuit mutare sine autoritate divina, sed ipsa facta et mores conferuntur cum aliis rebus similibus, quae alibi «impliciter et sine figuris propositae sunt. Mam ea quae acciderunt ante patefactum Evangelium, aliquid de Evangelio significabant, quare in Evangelii sermone resistere not oportet, nec praeter grammaticum sensum, novam doctrinam quaerere. Itaque allegoria sequitur literalem sententiam, obi res similes ad literalem sensum, velut ad exemplum, aut imaginem comparare possumus, sicut in apologia enarrandis, mores tyrannorum ad luporum ingenia conferuntur, aut astuti ad vulpeculam.
nitentiam, ad gratiam, ad fidem in Christum, ad doctrinam de cruce, ad orationein, ad officia cliaritatis. Nam in his rebus acquiescit mens Christiana, neqne restat alia melior doctrina quaerenda. Quare nihil opus est allegoria, ubi Prophetae ciaras promissiones de Christo t radii η t, aut ciaras sententias de fide, de poenitentia, de cruce, de officiis charitatis, Neque vero cukisvis est artificis, dexlre tractare allegorias, aut videre ubi deceant. Nemo enim erit idoneus artifex huius rei, nisi perfectam Cognitionen! habeat istorum locorum, qui sunt in doctrina Christiana praecipui, quos paulo ante recitavi. Christus alicubi alludit ad historiam Ionae, inlerpretatur et serpentem exaltatum in deserto. Paulus in Corinthiis velum interpretat u r , quo facies Moisi tecta fuit. Hos videmus versari intra locos illos, quos nominavi, et maximas res quasi pictas imaginibus ostendere, Afferant enim in loco adhibitae, et gratiam et lucem oration!, ut si quia in commendatione linguarum et artium comparet ad cophinos, in quos colligebantur reliquiae quinque pannm, disciplinas humaniores. Cum enim panes significent verbum Dei, cophini significabunt linguas et artes, qnibus inter homines asservatur verbum Dei. Non igitur aspernandae erunt homini Christiane disciplinae humaniores, cum sint vasa, in quibus coelestis doctrina conservatur. Aut si quis dicturus de duplici iusticia, civil! et spiritual!, dicat tabulas'Moisi, intus etforis scriptas fuisse, ut significaretur, ea{ partim de iusticia cordis coram Deo praecipere, partim de externa ac civili iusticia. Aut ideo duas fuisse tabulas, quia prior iusliciam spiritualem, qua proprie cum Deo agimns, continet, altera praecepta de vita corporal! ac civili. Prior continet Theologian, senvitam spiritualem. Secunda Politica est Itaque hae tabulae complexae sunt totam hominis vitam. Extant Lutheri commentarii in Deuteronomiara, et in quosdam Prophetas, qui ostendunt, quid in hoc genere enarrandi maxime deceat. Hie non traduntur solae allegoriae, sed prius historia ipsa transfertur ad locos communes fidei et operant, deinde ex locis illis nascuntur allegoriae. Sed hanc rationem nemo imitari sine excellent! doctrina potest. E t cum proclive sit in hoc geSemper autem versabitur allegoria in sacris nere a via deerrare, monendi sunt imperil!, ut literis, inter t locos praecipnos doctrinae Christia- omissis allegoriis, versentnr sedulo in aliis locis nae, refertur enim ad regnum Christi, ad poe- scripturae, ut auloribus, ubi sine figuris plane 80»
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traditur summa doctrinae Christ ia η ae, Non allegoriae intempestive adhibitae perniciosos errores pariunt. Est autem alia qnaedam ratio ex scripturis, ratiocinandi aliquid, ut cum ex verbis Genesis tertio ratiocinamur, Christum vcnturura esse, qui diabolum superaturus sit, et regnum diaboli eversurus, abolito peccato et morte. Textns enim aperte dicit de regno diaboli, quod sit insidiatnras humani generi universe, Scd venturum sem e n , ut caput diaboli conculcet, ergo Christus regnum diaboli, peccatum et mortem abolebit. Item, Christus est venis sacerdos, igitur vere placabit patrem. Hoc ex definitione sacerdotis sumitur, nam hoc officium continet definitio sacerdotis, videlicet, placareDeum, Item , Davidi promittitor regnum aeternum, ergo Christi regnum erit regnum spirituale, non civile, quia res publicae corporales non possunt esse aeternae. Esaiae 53. scribitur, Christum moriturum esse, et eodem loco vaticinatur Propheta, futurum ut eripiatur a morte. Hinc ratiocinamur, Christum resurrecturum fuisse a morte. Christus approbat magistratum, igitur approbat iudicia, militiam, et omnia civilia officia. Haec ratio argumentandi lon£e praestat allegnriis, et ad docendum accommodate est, quia gignit plaerasque firmas probationes, ideo et Christus saepe ea utitur, disputat, se a Davide dici Domin u m , hinc gravissimam sententiarp vult effici. Nam si Christus tantum regnum corporate habiturus fuisset, non foisset Dominus Davidis, sed minor etiam isto, quia filius erat. Nunc non solum maior et clarior rex dicitur, sed Dominus divinitus missus, placaturus patrem, et liberaturus nos a peccato eta morte. Ergo Christus habebit non regnum mundanum, sed spirituale, reddet nobis vitam aeternam. Epistola ad Ebraeos plena est talium argumentorum, ut Ponlifex quotannis sacrificabal pro peccato, igitur pecratum non est abolitum oblatione Pontificis, quia qiiotannis recurrebat. Tales argumentations non sunt allegoriae, non enim abiicitur sensus grammaticus tanquam umbra, aut figura alterius rei, sed pariter antecedentis et consequentis sententias retinere necesse est, et argumentatione quasi per gradus a priore ad posteriorem pervrnimus. Neqne hie simile confertur ad simile, sed ducuntur
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argumenta excausis, ex effectibus, ex definitionibus, ex contrariis et aliis locis dialectic!·. Verum observandum est, nequid mala consequent!· attexatur scripturis, neve coniungamus membra άναχόΧου&α, et non necessario cohaerentia. Nam Indaei et haeretici, dum sententias non necessario cohaerentes mala consequentia conglutinant, xnultas impias opiniones gignunt, sicut Irenaeus inquit, haereticos restim nectere de arena, quia male cohaerentia membra in argumentando connectunt. Porro allegoria magis locum habet in factis enarrandis, at hac ratione argumentandi utendura est in dictis explicanda*, in prophetiis ac promissionibus. Verum et in factis valet argumentatio, cum exempli causa factum proponimus cum aliqua figur a , ut, Daniel obiectus est leonibus propter verbum Dei, ita et nos oportet propter verbum Dei perpeti acerbissima odia hostium. Hic quaedam similitude ostenditur, comparatur rabies hostium Evangelii ad leonum truculentiam. Hoc genus argumentorum vocabant olim τςοποΧογίαν abutentes vocabulo. Nos in tali collatione non dicimus novum esse sensum exempli, sed dicimus argumentationem esse, in qua iuxta dialecticae praecepta res inter se cognatae aut similes conferuntur. Hoc modo multa ratiocinatur Christus in Evangelio ex parabolis. Haec duxi hoc in loco, de quatuor sensüms dicenda esse, ut admonerem unam aliquam, ac simplicem, et certam sententiam in singulis locis quaerendam esse, quae cum perpetuo context!· oration is, et cum circumstantiis negocii conseotit. Nec ubique licet allegorias quaerere, nec teroere aliud ex grammatica sententia ratiocinandum est, sed videndum, quid in unoquoque loco deceat, nec pugnantia fingenda sunt cum articulis fidel. Numerantur allegoriae species αίνιγμα, quod quia est obscurius, non decet in oratione, Poetae alicubi utuntur, utHesiodus, dimidium plus toto. Item (Ιρωνιία, quae est dissimulatio quaedam, cum i d , quod reipsa detrahimus, prolix« concedimus in speciem, lit: Verres homo sanctus et diligens. Magna est autem varietas ironiarum, quae melius ex quotidiauae vitae consuetudine, quam ex praeceptis cognosci possunt. Interdum adrniratio, interdum querela, alicubi deprecatio, alicubi contemptus, ut, quid est Veritas? Deni-
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que vari! affectus ac gestus adhibenturad ironiam. Magnam autem in loco gratiam habet, delectat enim acumen in salse dictis, et tecta vituperatio temper venustior est quam apertnm convicium. Vocant σαρχασμον cum hostis calamitatem exprobrat hosti, ut, En agros, et quam bello Troiane petisti, Hesperiam metire iacens. Talia sunt: Ave rex Iudaeorum. Si filiusDeies, descende de cruce. Verbum σαρχάζαν signiGcat rictum irritati canis, hinc translatum est ad exprobrationem, ut significet irridere cum quadam irae significatione, qualis est rictus irritati canis. Vicina est ironiae μιχηαις, cum alterius gestum repraesentamus, aut recitamus verba. Talia •unt apnd Paulum in Colo«.: Ne attingite, ne gu•tate, ne contrectate. Est et proverbium allegoriae species, quia fere nata sunt proverbia ex similitudine, ut Catulae dominas imitantur. Qua similitudine significamus familiam abire in mores domini. In Salomone multa sunt huiusmodi: Qui dissipat sepem mordetur a colubro, id est, Qui veterem formam reipublicae labefacit ac dissolvit, is accersit sibi exitium. Sicut enim serpentes penetrant in hortum, rupto pariete, ila conceditur improbis licenlia grassandi in rebus pnblicis, postquam autoritas legum novo exemplo labefactata est. Possunt inter allegoriae species et Apologi numerari, cuiusmodi sunt Aesopi. Item fabulae poeUmm, at apud Homerum Cyclopes, qui significant allegorice homines barbaros, qui in illo littore exercebant latrocinium, Monströse corporis moles convenit barbaris etferismoribus. Oculus, opinor, significabat formam galeae, quae olim ita fiebat, ut unam in fronte tanquam fenestram liabereL Hoc genus interpretationis vocant μυΘ-οΧογίαν. Neque vero inutile fuerit, interdum proponere talia argumenta adolescmtibus, ad acuenda et exercenda ingcnia. Ad hunc usum arbitror initio, Christophori imaginem confictam esse, quae significat doctorem Evangelii, is enim Christum gerit, monstrandum aliis hominibus. Oportet autem in tali viro magnum animi robur esse, ideoque pingitur magna corporis moles. Nam infinita pericula snbeunda sunt decent! Evangelium, quare et iste he roe per mare ac medios fluctus incedit, et undique circum eum natant variae beluae, minantes ei exitium. Puer quem
gerit exignus est, nam potentia Christ! aliquando perexigua videtur, laborant et periditantur Apostoli, nec videntur adiuvari a Deo. Et queritur Christopherus, inusitahim pondus esse. Puer ipse opprirait baiulum. Saepe enim Deus ipse videtur adversari ac irasci, et tcrret pios, ac pene ad desperationero adigit. Interim tarnen erigit se Polyphemus iste, ac sustentat se quadam arbore, hoc est, sancti in terroribus sustentant et erigunt se verbo Dei. Et ilia arbor priroum arida, postea florere incipit. Nam doctrina parit multos bonos fructus, servat et doctorem et Ecclesiam, quanquam iropii iudicant doctrinani inanem et inutilem esse. Praeit autem in littore senex cum lychno. Is significat Prophetas, qui ante Christum natum de eo vaticinali sunt, et testimonio suo nos confirmant. Neque vero deest victus piis, tametsi impii ubique cupiant eos perditos esse, ideo secum in pera piscem ac panem gerit. Vides quam apte in hac pictura significatum sit, qualem esse, et quid sustinere Christianum ac praecipue doctorem Evangelii oporteat. Merito igitur laudata est imago, et in omnibus picta templis, non ut per superstilionem coleretur, sed ut nos admoneret nostrorum perieulorum. De
echemaiibut.
Supra dixi vocari Tropos, cum yocis significatio ad vicinum quiddam transfertur, ut cum vulgo dicimus crucem pro calamitate. Sed όχημα est gestus, in quo non est necesse vocis significationem mutari, ut cum dicitpoSta: Tula frequensque via est per amici fallere nomen, Tata frequensque licet sit via crimen habet. I)ic ubique retinetur propria verborum significatio, et cum res sine repetilione dici poluisset, tarnen plus gratiae habet oratio propter repetitionem. Rhetores partiuntur schemata in οχήματα ίίξ»ως et οχήματα διανοίας, Nam alias in positu verborum gestus est * alias gestus est mentis potius quam verborum. Gestus est in mente, ut cum significat aliquis se dubitare, se mirari. Nos omissa hac subtili ac tenui partilione, tres figurarum ordines faciemus. Primus omnino ad grammaticos pertinet, de situ verborum, aut de emphasi ac lace vocabuli. Et ad hunc ordinem tropi, quoque pertinent, qui excngitati sunt, ut res quasi picta similitudine quadam fieret illustrier.
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Secundu* ordo proprie non ad verba, ted ad plum apud Pallium ad Roma. 1. Cicero aliquando mentera teu senlentiam pertinet. Sunt enim figu- dissolutum vocat. Graeci nominant άσ&διτο?, rae quae addunt motum oration!, ut interrogatio, et diaXnov. admiratio, dubitatio, querela etc. ΠοΙυαννίΐτον dicilur conlrarium schema, Postremus ordo maxime ad oratorem perti- ubi oratio mollis coniunctionibus cohaeret, ut: tinet, qui continet rationem amplificandi, hoc Alhamasque Thoasque. est, figuras, quae augent orationem, et longioSimiliter cadens in nominihus dicitnr, cum rfm atque ampliorem efficiunt. »!mili lono casuum desinunt conimata aut cola, ut: Caesar Carolus, nullt superiorum imperatoPrimu» ordo figurarum. rum, secundus est alio in genere virtutis, plerosGrammatici recensent figuras, primuro pro- que autem vincit, magnitudine foelicitatis, nec nunciationis, ut Syncopen, numum pro numo- deest Uli laus eximia bonitatis. Graeci vocant rum, deinde Constructionis, ut: turba ruunt. ομοιόητωτον. Saxa vocant Itali, mediis quae in fluctibus aras. Similiter desinens, dicitnr in verbis aut aliis Hoc modo perturbatam constructionera vocant vocibus, cum simili sono desinunt commata, aut hyperbaton. Sed has figuras praetermittam, sunt cola, ut: audacter facere, contumeliose dicere. enim a grammaticis discendae. Aliae tantum in Graeci vocant ομοιοτίΧιντον. rhetorica traduntur, tametsi et ipsae ad grammaHypallage est, qnoties oratio ordine rerum ticos pertineant, ut Repetitio. Haec multas spe- converse efFertur, poetis familiarior, ut apud cies habet et varia nomina, quia alias repetitio fit Virgilium: Dare classibus austros, et apud Ciceinitio, alias in fine. Nos erimus conlenli nomine ronem: Non vidimus in urbe gladium vagina vageneris in omnibus speciebus. Constat Verrem cuum. rempublicam venalem habuisse, constat, (Jni uni Agnominatio, cum similitudine literarumdeodiisque viro. (Jtuntur autem repetilione non temere ubique. Sed cum aliquid vehementius ur- ilectimus vocem in contrarium, ut Inceptio est, gent et cupiunt efficere insignius, quod qnidem amentium non amantium. Magistratus est ill! oneri potius quam honor!. Graeci vocant ηαροvariis de causis accidit. νομααίαν, cuiusmodi sunt: ex oratore arator, Vicina est repetition!Copulatio, ut: ad ilium ex theologo mataeologus. diem, Memmius erat Memmius. In hac figura Vicina est huic άντανάχΧασις, cum idem posterius est descriptio prioris, nam in priore verbum non nihil mutatum aut mutata significatantum persona, in posteriore qualitas significa- tione repetitur, ut iucundum est amare, si curetur tur, at: in hoc tumultu consul erat consul, id ne quid insit amarL Fit et in talibus: Oppugnari est, erat (ortis et constans, qualem decet esse con- pecunia potest bonus vir, expngnari non potest. sulem. Graeci vocant πλοχην. "ΕχΙιιφις cum deest aliquis casus, ut: egone Traductio repetit eandem vocem alio casu. illam? quae me? quae non? Plaeraque istiusmodi Qui nihil habet in vita iucundius vita, is cum imperfecta membra Graeci vocant άνανταπ&ΰοτα, virtute non potest vitam colere. Apud Cicero- hoc est non reddita, ut inGalatis: Nelibertatem nem pro Murena: Sit denique in civitate ea pri- in occasionem carni, deest enim: detis. ma res, propter quam civitatis est omnium prinEst et cognata Retieentia, quam vocant anoceps, Magnum habet usum in enthymemalis, ex quorum natura oritur, Propter virtntem nobilitas οιώπησιν cum propter affectum aliqua sententiae in laude est, igitur virtus magis laudari meretur pars praeciditur, aut sermo interrumpitur, ut quam nobilitas. Cicero in Orat.: Cum gratiae cau- Virgilius: Quos ego? sed praestat motos composa nihil facias, tarnen omnia grata sunt. Estau- nere fluctus. tem ταυτολογία, cum eadem vox odiose sine singular! emphasi iteratur. Articalus, cum multa sine conjunction« cohaerent, ut: veni, vidi, vici. Ferte citi flammas, date tela, impellite remos. Est et exera-
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Secundus
ordo
figurarum.
Interrogatio notior figura est, quam ut opus sit earn prolixe describere. Virgilius: Quis novus hie nostris successit sedibus hospes? Hie per se
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quisqne observabit, quam multiplicem vim in- dam non explicamus, sed aestimanda iudicibus stand!, indignationis et similium affectuum habeat relinquimus, aut eliam adversariis. interrogatio. Praeteritio παράίαψις, cum simnlamns non Subiectio, cam ipsi respondemas nottrae aliquid relinquere, aut omittere, quod maxime interrogation!: Quid igitur, peccabimus, quia obiicimus, ut non dicam pro quantis beneficiis non sumus tub lege? non. Subiectio όν3-υπα'φο- talem mihi gratiam reddideris. f a y contiuet, de qua infra dicemus. Aversio αποστροφή multiplex est et maxiExdamatio, quale illud est: Ο tempore, ο mam vim habet, cum persona mutatur in oratione mores! Hei mihi qualis erat quantum mutatus ab veluti appellandi alicuius causa, ut: Vos enim illo. Hue pertinent imprecationes. Item obte- iam ego Albani tumuli atque luci. Virgil.: Ne •tationes: Per ego has lachrimas dextramque tuam pueri, ne tanta nimis assuescite bella, Neu pate. Item, ominationes, utVirg,: Turno tern pus triae validas in viscera vertite vires. erit magno cum optaverit eraptum, Intactum PalLicenlia παρησία, cum apud eos, quos velanta. reri debebamus, quasi liberiorem personam inDubitatio. Graeci vocant άπορίαν cum duduimus, aut in commonefaciendo, aut in obiurbitare et nescire nos aliquid significamus. Exemgando, ut Cicero pro Sexto Roscio queritur de plum est in exordio apud Ciceronem de perfecto licentia nobilitatis, in Syllae victoria. Idcirco ne Oratore. experrecta nobilitas armis atque ferro rempubliGognatum est παράδοξον sen inopinatum, cam recuperavit, ut ad libidinem suam liberti ut: Nunquam credidi fore iudices, ut reo Scauro, servulique nobilium bona, fortunes vestras, none quid in eius iudicio gratia valeret. Ac formae strasque vexare possent. Et in Verrem dicit de multae sunt huius generis. Est enim admiratio, publica infamia iudiciorum. In hoc genere creutmiror, quomodo tibi in suspicionem venerim. brae extant obiurgationes populi Atheniensis apud Item αδύνατον, quo (aepissime in omni sermone Demosthenem, ut: οράτε γαρ ώς ex τον προς /«utimur. Non possum verbis consequi, quantum ρινόημηγορΰν ίνίονς ύς it&v προιΧήλνΰε μοχ&ηliterae me tuae delectaverint. Pogtae abundant ρήας τά παρόντα πράγ^ιατα. Neque veto opus exemplis, ut: Non mihi si linguae centum sint, est multis exemplis, cum concionatores homm oraque centum, Ferrea vox, omnes scelerum com- tempo rum in templis sine modo utantur hoc prehendere format etc. schemate. Sed est quoddam genus cum quadam Communicatio, cum ad versarium ipsamcon- simulatione libertatis aut nostra, aut aliorum ersuliiqui, aut cum iudicibus deliberamns, ut: Cedo rata ita reprehendimus, ut figurate adulemur, si vos eo loco essetis, quid faceretis aliud ? Ita quale illud est pro Ligario: M. Cicero apud te deDemosthenes interrogat Aeschinem, interrogat et fendit alium in ea voluntate non fuisse, in qua iudices, quid faciendum fuerit cum Philippus seipsum confitetur fuisse. Item suseepto hello transisset in Atlicam cum exercitu, an fuerit ultro Caesar, gesto etiam ex magna parte, nulla vi eoproiicienda libertas, et urbs dedenda? Hie locus actus, iudicio meo, ac voluntate ad ea arma proplurimum ad victoriam prodest. Extorquet enim fectus sum, quae erant sumpta contra te. Haec quasi tacitam confessionem. Neque alibi vehe- ideo commemorantur, ut dementia collalione erroentius urget Aeschinem, quam in ea parte ora- rat! exaggeretur. Sed est venustissimum exemtionis, obiicit ei, quod tunc cum dandum esset plum apud Herodottim. Cum Cambyses vitnpeconsilium reipublicae non dissenserit, nunc post- ratus propter ebrietatem, Senatum Persici regni quam secus evenit, reprehendat. Id dicit esse convocasset, ac Principes iussisset palam dicere, non oratoris, sed sycophantae, non in tempore Siqnid in eo repreheudendura putarent, cum res inonere, sed post factum consilia repreliendere. tantss gessisset. Hic cum ordine singuli amplisEst vicina huic fignrae et commemoratio seu vera simis laudibus Cambysen propter metum ornasseu ficta tacitae opinionis iudicum, ut apud Cice- sent, ac patri Cyro praetnlissent, quia Argyptum ronem pro Milone: Eins igitur mortis sedetis nl- Cyri regno adiecisset. Tandem Croesus iussus tores, cuius vitam si pnteiis per vos restitui posse, dicere, reprehrndit aliorum oratione·, inquiens nolitis etc. Est et vicina permissio, cum quae- nondum esse parem Cyro Cambysen, quia Cam-
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byses nondum talem filium regno genui»jet, qualem reliquit Cyras. Haec figurata reprebensio plus habuit adulationis, quam aliorum magnifies encomia, Et inanem ridet barbarici tyranui vanitatem. Varie utuntur homines astuli, cum hac figura, tum »Iiis, eaque varietas cum arte comprehend! non possit, in quotidiana vitae consuetudine observanda erit, quam tarnen deprehendent facilius, si qui ab arte adiuvantur, ubi locus ostenditur, et unius atque alterins formae ex· empla traduntur, ex quibus iudicari vicina possum. Sicut enim nulla arte gestus omnes corporis comprehendi possent, ita nee orationis gestus ac niotus omnes namerare queunt.
Tertiue ordo figurarum. In tertio ordine collocavimus eas figuras, quae augeot orationein, et reddunt locupletiorem. Sicut autem hoc eloquentiae summum opus est, alia amplificare, alia extenuare, ita difficile est imperitis huius rei efficiendae viam atque rationem videre. Itaque cum legunt disertorum orationes, niirautur unde »umpserint una de re tantam sententiarum ac verborum copiam. Fignrae supra traditae, etiam ab indoctis facile iudicari possunt, sed amplificatio singularem requirit artem atque usum. Ad hanc rem scripti sunt utilissimi libri De copia Erasmi, quorum prior continet figuras, quibus verba variantur. Posterior continet figuras, quae maiorem rerum copiam suppeditant. Idem nos in hoc tertio figurarum ordine docebimus, quomodo crescat oratio, partim verbis, partim etiam rebus aueta. Sed nos breviores erimus, q u i a omnibus in manu sunt Erasmi libelli, quorum quidem mentionem et ob hanc causam hoc loco feeimus, ut obiter admon«remus imperitos, qua in parte rhetorices praeeipue usus sit illorum Erasmi praeeeptorum. Cum enim res inventae atque dispositae sunt, quae negotii substantiam continent, postea videndum est, ubi pluribus verbis in una re utendum sit, ut verbis tanquam pictae et illuminatae res fiant illustriores. Deinde ubi etiam prosit plus addere rerum. Horum alteram docet Erasmus efficere priore libello, alteram posteriore. Observetantemstadiosus lector figuras omnes, praesertim has, quae augent orationem ex locis dialectic!» oriri, ad quos si quis prudenter seiet eas referre, plaeraque in causis subtiliter et acute
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iudicare, et deftnitas negotii regiones melius v i · dere poterit. ^ fsam iidem loci cam confirmandt aut confut-mdi relinquant imperfecta et mutila argumenta. Alicubi antecedens reperias sine consequente, utar enim dialecticis appellationibu», quae sunt notae omnibus. Hoc in Pliniana praefatione fit aliquoties, nam ibi antecedens est. Quam plurimum interest, sortiatur aliquis iudicem an eligat, multumque apparatus interest apud invitatum hospitem et oblatum. Deinde relinquitur imperfectum argumentum , quare intelligi nisi ab attento lectore non potest. Erant enim addendae conclusiones in hanc sententiam. Cum invitatus hospes maiorem apparatum requirat quam casu oblatus, ego iure reprehendi queam, quod cum te ad hos libros legendos ultro invitavi, non praestiti ut tuo iudicio satisfacerent. Sed plus negocii fuerit alteram similitudinem absolvere. Quid? quod idem alitor non solum argumenta relinquit imperfecta, sed etiam in grammatica constructione quaedam relinquit &νανταηόδνια, quod viciosissimum est. Sunt et alia incompositae orationis incommoda, sed ego ilia recitare volui, quae adolescentes iudicare facile possent Multum igitur ad rerum perspicuitatem diligentia componendi conferL Quanquam autem in tanta varietate ingeniorum,
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alium natura ad aliud dicendi genus ducat, et bis nostris temporibus perfecta eloquentia sperari non possit, tarnen generalia quaedam praecepta traüemui, non tantum his, qui solam Ciceronis compositionem imitaturi sunt profutura, sed ut mihi quidem videtur necessaria, quocunque in genere dicendi versemur. Quae tarnen si quis observaverit, facilius intelliget Ciceronis compositionem, quae cum longe sit optima, praeclare facere iudicandi sunt, qui summa cura, summoque studio effingere earn conantur. Etsi enim ea in re ipse non elaboravi, nemo enim monebat aut norat ista, me adolescente, et postea meo quodam fato incidi in quaedam negocia, quae ad haec studia colenda non tantum mihi quantum vellem temporis concedunt, tarnen ad officium meum pertinere existimo, nt quae sunt optima pro virili demonstrem. Nam Politianus parum liberaliter facit, qui videtur ideo deterrere alios ab imitatione Ciceronis, quia cum se natura ad aliud dicendi genus deduci intelligent, iudicio videri voluit, id quod ipse consecutus non esset, iroprobare. Ego vero ita statuo, artificium faciendae orationis non valde dissimile esse Poeticae. Ut autem stultissimom fuerit ei, quem velis elegiam scribere, Horatii odas aut satyras potius proponere, quam Ovidium autTibullum, ita imprudenter iudicare arbitror istos, qui in facienda oratione nihil interesse putant, quos autores sequantur. Nam ut illi elegiae sludioso plurimum legendi erunt elegiaci poetae, et quidem praestantissimi, et elaborandum erit, ut aliquam illorum similitudinem consequatur, ita in soluta oratione legenda erunt optima exempla, et efßciendum, ut horum quasi colorem ducat oratio. Quanquam autem multi propter imbecillitatem ingeniorum et naturae dissimilitudinem in imitatione Ciceronis successus parum seenndos habeant, tarnen illi ipsi longe plus proficient in Cicerone legende, quam si deteriora exempla sequerentnr. Quamvis enim isti aridi non poternnt effingere divinam illam compositionem, quam etiam Romanis temporibus nemo aequalium Ciceronis, qui quotidie dicentem audiebant exprimere potuit, tarnen hoc assequentur, ut oratio sit aequabilior et uberior. Et sunt aliae virtotes infinitae Ciceronis, quarum vel umbram referre non exigua laus erit, atque ego vel obscura lineamenta Ciceronis malim, quam nativam Politiani aut Geiiii faciem. Cur autem prudens praeeeptor nactus ingenium foecundum et copiosum, non
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hortetur, non incitet, ut coraplecti Ciceronem et in cum tota mcnte, totoque animo intueri et ad ipsius exemplura, totum se componere ttudeat, ut, quantum ingenio, industriaque consequi poterit, non tantum ab eo verba ac phrasin sumat, sed etiam effingat compositionem. Qua in re successus non est desperandus his, qui mediocriter a natura adiuvantur. Neque ego ab aliis bonis autoribus hunc imitatorem arcendum puto, nam ab his quoque adiuvabitur, verum ut a poetis orator, aut a pictoribus statuarius. Quanquam eniro statuarius, multum ab arte vicina ad suum usum transferee poterit, tamen ita erit intentus in artis suae exemplum atque ideam, ut observet, quae cum ilia idea consentient, ne procul ab ea discedaU Neque vero is imitari Ciceronem dicendus est, qui excerptas ex illo sententias ac versus, quasi Centones consult, quemadmodum facere nonnullos videmus. Sed ΐςιν sibi quisque faciat, ut ultro se Ciceronis verba offerant, quae cum ita coniungimus, ut res nostras explicent, tamen collocatio et series partium debet habere quandam Ciceronis similitudinem. Caeterum ut Virgilius ab Homero multos versus sumpsit, ita decebit et nos interdam aliquod membrum aliunde mutuari, si tamen habeatur ratio decori. Serviendum est enim temporibus ac locis, quemadmodum Virgilius, etsi ad imaginem Homeri se totum composuit, tamen ilia prudenter vitavit, quae Romanis moribus non congruebant. Ac ne verba quidem repudiabit imitator, quantvis ignota Ciceroni, quae causa postulat, ut in controversiis theologicis utendum est appellationibus Christi, Ecclesiae, fidei pro fiducia, et aliis similibus, Quia enim res illas a sacris literis mutuamur, serraonem illarum eo nos sequi oportet, ne res dissentientes a scripturis afferre videamur. Quare roerito ridentur inepti quidam, qui pro fide persuasionem, pro Evangelio coelestem Philosophiam, et alia similia dicunt, in quibus saepe fit, ut Germanam significationem illarum vocum quas aspernantur non reddant. Id non est illustrare res difficiles dicendo, sed obscurare atque corrumpere. Quid quod isti somniant imitationem, non .phrasi et collocatione, sed in singulis verbis esse? qua in re pueriliter errant. Mam Cicero etiamsi internum verbis utebatur ignolit populo Romano, mulUenim a Philosophis et ex Graecis historiis sumit, t a m e n Ciceroniano more dicebat. Collocatio enim et Universum corpus orationis Ciceronem referebat. Milaitb. O u r . Vei. XIII.
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Cum igitui eloquentiae studios! praecipuc in hac parte elaborare debeant, ut Ciceronem imitentur atque effingant, praecrpta quaedam adscribemus, ut intelligere compositionem studiosi facilius possint. Legent enim Ciceronem libentius etpropius exprimeut, si virtutes intelligent. Et quoniam de iniitatione locorum inventionis, de similitudine dispositionis, item verborum et phrasis diximus, reliquum est, ut viam quandam componendi ostendamus. Primum in compositione praeceptum est, ut sit iustus ordo sententiarum, quem quidem in narratione seu expositione facti servare facile est. Verum in exordiis et in probationibus servare difficilius est. Primum autem poni solet aliqua propositio suae cuiusque partis in oratione. Deinde subiicitur ratio, postea sequitur rationis expositio, aut amplificatio, interdum sequitur simile aut dissimile, aut adversative, quae quasi novae orationis initium est. Et in his partibus perpetuo versatur Ciceronis oratio. Alii coacervant sententias longius inter se distantes, et plaerasque relinquunl quasi truncates, et nonnunquam admiscent alienas. At Cicero apte complectitur omnia, quae ad rem pertinent, eaque ita connectit, ut inter se membra proxime cohaereant, velut dialecticae probationes. Et dum inter haec septa cohercet orationem, nihil intempestive intertexit alienum, et inchoatas sententias absolvit et exaedificat. Exemphirn sumemus ex oratione notissima pro Archia, ubi prima exordii propositio est. Debeo Archiae reddere gratiam ex hac facilitate dicendi. Haec est enim summa proposilionis, quam vestivit Cicero quibusdam ornamentis, nt sonus esset plenior. Sequitur ratio, quia Archias adiuvit haec mea studia eloquentiae. Deinde sequitur conclusio argument· per comparationem. Ergo si aliis eloquentia mea opemtnlit, maxime debet isti opem ferre, a quo adiuta est. Postea sequitur adversative, continens novum locum, novam propositionem. Non est alienum, oratorem a poeta adiuvari. Ratio, quia omnes artes inter se cognatae sunt, qnare alia adiuvat aliain. Poslremo sequitur alia adversativa. Quanquam autem hie ordo sententiarum magis ad invent ionem aut dispositionem, quam compositionem pertinere videtur, quae est in quadam concinna collocatione verborum, tamen si quis recte considerabit, intelliget universae compositionis fundamentum esse, iustum sententiarum ordinem. Mam abs31
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detur e u e volubilior, et ut inquit D e m e t r i u s , eif e r n o r e rotundo et circumacta manu. H a s tarnen f o r m a s p r o p o s u i , ut varietatem periodorum studios! facilius agnoscerent. O r d o sententiarum, d e quo paulo ante dixi, res perspienas r e d d i t , at periodi forma prodest a d connectendas sententias, et addit pleniorem Proxiiiiurn autcm pracceptum e s t , ut sentensonum oration!. D a n d a igilur erit opera imitatiae illae in magna parte orationis illigentur pet o r ! , ut in period is faciendis Ciceronis exempla riod is. Q u i d autem sint periodi, quid χώλα effingat. N e q u e tarnen constat oratio tota perioquid κόμματα, tradunt grainmatici. χώλον en im di«. S n n t enim interdum singula c o l a , velut i n est nnjca integra seutentia, ut quae homines araut, : terval l a , inter periodos ponenda. E t exordia ac navigant, aedificant, omnia virtuti parent, χύμμα . syllogism! magis recipiunt periodos q u a m narrapars est coli, ut navigant, aedificant. Periodus tiones, quae magna ex parle habent cola. C o n autem constat minimum ex duobus colis. tentiones vero ac disputationes rarissimas habent Dicitur autem periodus seu latine circuitus periodos. Constant enim brevibus quibusdam aut circumductio, quia colligit plures sententias, membris quasi aculeis. In narrationibus facile particulis rationalibus, causa Ii bus, relativis, com- est agnoscere seiuncta χώΐ.α, ut Milo domum ver parativis, adversativis, interdum etiam copula- nit, calccos et vestimenta mutavit, paulisper dum tivis. Exempla sunt ubique obvia apud Cicero- se u x o r , ut fit, comparat, commoratus est, obnem. Q u a n q u a m mihi semper frequens conspectus viam fit ei Clodius expeditus in e q u o , nulla rhevester multo iueundissimus, hic autein locus ad d a , nullis impedimentis, nullis Graecis comitiagendum a m p l i s s i m u s , ad dicendum ornatissimus bus. P r o Cluentio: Frater mortuus e s t , haereest visus Q u i r i t e s , tarnen hoc aditu l a u d i s , qui demque Magium reliquit, postea Magia mortua semper optimo cuique maxime p a t u i t , non inea est. In talibus siquis χώία connecteret, rerum roe v o l u n t a s , sed meae vitae rationes, a b i n e u n t e seriein corrumperet. In contentionibus, ut pro aetate suseeptae prohibuerunt. T u r p e est Stoicis L i g a r i o : Q u i d enim T u b e r o tuus ille districtus ignorare Zenonis decreta, quanto turpius et in- in acie Pharsalica gladius a g e b a t , cuius latus ille dignius est Christi decreta nescire Christianos? mucro petebat, qui sensus erat a r m o r u m tuorum, P r o A r c h i a : E t i a m illud adiungo saepius ad lau- quae tua m e n s , o c u l i , manus, ardor animi, quid dem atque virtutem, naturam sine doctrina, quam cupiebas, quid optabas? Plenae sunt disputatiosine natura valuisse doctrinam. P r o Marcello: nes in p h i l o s o p h i e s libris, brevibus membris, u t : T a n t u s est enim splendor in laude v e r a , tanta in M i n i m e mirum id q u i d e m , N a m efficit hoc P h i magnitudine anirni et consilii dignitas, ut haec a l o s o p h i e , medetur a n i m i s , inanes sollicitudines virtute d o n a t a , caetera a fortuna commodata esse detrahit, enpiditatibus liberat, pellit timores. videantur. Haec exempla recito, ut adolesceutes N o n d u m absolvimns praecepta compositionis. discant, non illas tantum periodos d i c i , quae in- N a m quae hactenns tradidimus, etsi a Cicerone choantur a circumductionibus, sed etiam per ad- fiunt accuratissime, tarnen et alii boni scriptores versatives, per comparationes apte connect! plura reperiuntur, qui non omnino negligentes sunt in καίλα. E s t et simplicius quoddam genus, quod ordine sententiarum et qui aliquo m o d o periodos Demetrius vocat historienm, quale est hoc: In- faciunt. Verum ad haec addit Cicero duas res, ferimus b e l l u m , infestisque signis descendimus in quae snnt ipsius maxime propriae, scilicet, quod I t a l i a m , tanto audacius fortiusqne piignaturi, verbis ornat singula membra, pene ut fit in poequanto maior s p e s , maiorque animus inferentis matis. E t quia haec ornamenta periodum explent, est v i m , quam arcentis. Initium non habet par- efficiunt concinnum et numerosum quiddam. A t ticulam circnmdncentem, ideoque simplicior esse stultum est n u n c d e numeris praecipere, cum toforma videtur. Huins generis sunt et haec. S u s - nus linguae latinae hoc tempore non sit natives. cepit iniunetam legationem, ut prineipi quem- Illud tantum h o r t a b o r , in quo copiae laus est, ut admodum debere se iudicabat, morem gereret. ornare sententias verbis imitator discat. Q u o d Alia forma quae initio habet circumductioncs vi- cum faciet, oratio erit uberior ac mollior. Pe-
que eo nullae periodi cohaerebunt, quod incontponendo praecipue fieri oportet. Plurimum a litem prod est a d intelligendum Ciceronem, hoc modo distribuere sententias, et videre unde nascantur, et quomodo consentiant. Q u o d si quis animadvcrterit, scribet et ipse melius cohaerentia.
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riodum sponte sequunlur numrri. Pro Archia poterat Cicero simpliciler ilicere: Debeo Archiae reddere gratiam ex hac facilitate dicendi. Sed vide quomodo ornaverit, extenuat vires suas, si quid est ingenii quod sentio, quam sit exiguum etc. Deinde partitur facilitated! in tria membra, in ingenium, exercitationem, et doctrinam. Nam his tribus rebus artes continentur. lllud seiet etiam imitator, quod modus in ornando observandus sit. Nihil enim odiosins est inani ostentatione ornatus, qui nunquam debet videri ociose accersitus, sed ad illustrandam causam, necessario adhibit us esse. Haec si studiosi in lectione Ciceronis observabunt, meo quidem iudicio rectius intelligent autorem optimum, et virtutes omnes propius aspicient. Neque vero haec utilitas exigua iudicatida e s t , etiam si non procedat imitatio. E t tarnen si conniti volent isti, qui adiuvantnra natura, intellectas virtutes, aliqua ex parte effiogere poterunt Quod si haec diligentia componendi nihil nisi puerilem ostentationem ingenii haberet, non esset, cur huius partis imitationem valde requirendam putarem. Sed cum maximas afferat utilitates, digna mihi res videtur, in qua si qui non destiluuntur ingenii viribus, elaborent. Fit enim oratio magis dilucida, si apte cohaereant sententiae, si non relinquantur imperfecta membra, aut argumenta, si extent atque emineant ille partes, quas praecipue conspici prodest, si quis ornatus quasi vestitus accesserit, si mediorria lint periodorumspacia, ti non sint dissipatse periodi hyperhatis. Verissimum enim illud est, quod scribit Cicero, veram speciem ac pulchritudinem cum utilitate roniunctam esse, cuius rei tum in natura, tum in artium operibus, maximeqne in aedificii infinita exempla oitendi possunt. Nam ilia in aedifieiis apta partium proportio non minus habet utilitatis, quam decoris. Quare existimandum est et hanc harmoniam collocationis oratione, non solum propter venustatem, sed etiam propter certam iitilitatem animadversam esse, ldque ex eo intelligi potest quod videmus homines prudentes, sed rudes harum nostrarum artium, summa diligentia componere et struere orationem, qui id faciendum putant, non voluptat i s , sed necessitatis causa, videl : cet, nequid confuse, nequid obscure, nequid intempestive, aut alieno loco dicant, nequa relinquant mutila et
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pendentia membra. Denique non solum pcrspicuilatis, sed etiam dignitatis rationcm habendam esse in scribendo scntiunt. Atque hi partim usu cognoverunt, partim sine doctrina, vi ingenii perspiciunt, in magnis et gravibus causis, orationem perspicuam et in qua aliquid dignitatis sit requiri. Quod cum ita sit, cumque natura ducat homines prudenles ad coinponendam orationem, decet eruditos perfectum aliquod exemplum collocationis quaerere, ad quod se in facienda orationem referant. Turpe est enim eruditis, neque vim huius rei intelligere, neque rationein requirere, cum harum artium rudes perspiciant, et quanta vis sit compositionis, et iudicent res inagnas sine hac diligentia explicari non posse. Mira aulem ingenii fiducia est, in hac parte longe difficillima repudiarc exempla, atque aspemari imitationem, cum in aliis levioiibus artibns homines sine exemplis atque imitalione pariim proficient. E t vulgo ita dici solet: Silti quenque pessimum esse magistrum, quod non solum in artibus, sed in moribus et in omni vita cernimtis. Cum igitur haec ars sine exemplu atque imitatione perfici non possit, et inter perilos constet perfectissiinam esse Ciceronis compositionem, praeclare facere iudicandi sunt, qui hnnc autorem sibi proponunt, ut cum alias eius virtutes, tum etiam collocalionem effingant. Cum enim omnino aliqua collocandi atque ornandi ratio necessaria sit, id quod experiuntur in magnis causis etiam illiterali, prudentia est exemplum eligere optimum. Nam et Cicero propterea videtur melius composuisse quam caeteri, quia excellentcs artifices imitatns est. Secutus est enim exemplum lsocr.itis, cum alii content! vulgar! quadam forma orationis, nihil melius qnaererent, aut perfecting. Neque ab hac sententia eo deducor quod magni extiterint oratores, qui non composnerunt more Ciceronis. Neque enim sirnilis est Lysiae compositio Ciceronianae. Ego vero non ignoro dissimiles esse in componendo magnos autores. Ac ne Cicero quidem eodem modo coinpoiiit omnia. Vemm hoc hahent commune excellentes artifices omnes, quod sententias ordine distribuunt, etiamsi periodos non eodem modo faciunt. Deinde quod aliqua membra verbis illuminant. E l hac in re praecipue exrellunt h i , qui vocantur Atlici, quod efficinnt ut apte cohaereant sentenliae, etiamsi periodis non
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devinciunt. Nam ex bonis et praestantibus autoribus n'.mo tarn ignavus fuit, ut sine omni cura collocation!* orationem congereret. Ac Cicero etiam cum non admodum accurate texit periodos, est enim liberior oratio in Epistolis et philosophicis libris, tarnen hoc nomine superat alios, qui nullam adhibuerunt in componendo curam, quod cavet, ne concurrent sententiae longius distantes, aut male cohaerentes, aut nequid relinquatur imperfectum. Haec non cavent Salustius, Seneca, Plinius, et alii recentiores. Quare etiamsi non ο nines compositionis partes effingemus, tarnen illum sententiarum ordinem atque absolationem magis poterimus in Cicerone, quam in aliis cernere. Ac si quem omnino delectant incomposita, nullius oratio apud Latinos aequabilior est quam Ciceronis, etiam cum se eximit ex illis vinculis artis, de quibus ipse in perfecto oratore praecipit. Rectius igitur hunc imitabimur quam alios, aut tristes, horridos, concisos, aut supinos et longius iusto fluentes, et plenos hy perbat is, et qui temere sententias congerunt. Nos adolescentuli incidimus in Policianum et posteriorem Plinium, quorum nos inyitabant subtiles argutaeque sententiolae, quibus abundat uterque, delectabant in Iiis et alii quidam flosculi, habent enim dicta quaedam belle detorta, sed argutiae illae sententiarumetbelledictamirumin modum arnantur a iuvenibus et imperitis, et placentin schola ludentibus, sed in seriis negociis nihil est ineptius atque inanius illis affectatis argutiis. Quid autem assecuti suinus horum lectione? PriroLii aridiores facti sumus, cum natura parum uberes essemus, deinde illas inanes argutiolas, quas praecipue aufercbamos, postea intelleximus nobis abiiciendas ac dediscendas esse. Quanto melius consuluissent nobis praeceptores, si et ad Ciceronis lectionem discipulos assuefecissent et docuissent, non solum verba ex Cicerone excerpere^ sed etiam phrasin imitari, et totam oralionis formam, hoc est, sententiarum ordinem atque ornamenta effingere. Ego itaque non tantum in schola, sed magis usu rerum doctus comperi nullius generis imitationem, plus conducere his, quibu* res seriae et magnae tractandae sunt, quam orationis Ciceronianae. E t instruxit artifices cuiuslibet generis Cicero, quia non solum orationes et Epistolas reliquit, sed etiam disputationes. Nec difficile erit intelligere lectori non stulto, si in haec exempla intuebitur, quid in quolibet genere deceat,
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qualis oratio conveniat Epistolis, quas saepe de maximis rebus et ad summos principes scribimuJ, qualis oratio in narrationibus, laudationibus, in vituperationibus, qualis in disputationibus probelur. Quare studiosi omnes adhortandi sunt, ut quam plurimum legant Ciceronem, et ab eo primum verba ac phrasin mutuentur. Deinde consilia eius in inveniendo ac disponendo consid e r e d . Postremo totam orationis formam, hoc est, sententiarum ordinem, exornationum copiam, atque modum quantum ingenio ac studio consequi poterunt, imitari conentur. Ut enim Elegiacus ille, de quo supra dixi, sine controversia melior evadet exOvidii lectione, quam si legatOdas Horatii, et Heroicus scribet foelicius, si sequetur Virgilii proprietatem, et in ordinandis atque absolvendis membris oeconomiam, quam si Lacanum autStatium, qui sunt improprii, inflati et obscuri, imitetur. Ita dubitari non debet, quin ille noster imitator ex lectione Ciceronis melior quam ex aliis autoribus futurus sit. Cum enim in poetica maximam vim esse imitationis appareat, dubitari non debet, quin et in hac vicina arte plurimum polleat. Tanta est enim inter has cognatas artes similitude, ut plaerique illustriere} loci Ciceronis ac Li vii, si recte existimerous, poemata iure dici possinL
De tribus generibu* dicendi. Plurimum etiam conducit ad iudicandum, agnoscere diversa genera dicendi. Nam ingeniorum dissimilitude, diversas forroas, seuutGraeci nominant χαρακτήρας operum, non solum in hac arte, sed in plaerisque aliis peperit. E t tarnen certi quasi gradus animadversi sunt, intra quos hae formae consistunt, videlicet humile genus, et illi oppositum grande. Tertium est mediocre, quod primo genere plenius est, et tarnen aliquantulum a summo abest, in picturis facile deprehendi hae differentiae possunt. Durerus enim pingebat omnia grandiora, et frequentissimis lineis variata. Lucae picturae graciles sunt, quae et si blandae sunt, tarnen quantum distent a Düren" operibus, collatio ostendit. Matthias quasi inediocritatem servabat. Miscentur autem haec genera inter se, sicut musici tonos miscent. Nam et illi qui sunt tenuiores, interdum aliquid efficiunt plenius. E t in eodem tempore alii loci grandessunt, alii exiles, iuxta rerum varietatem, de quibus dicitur.
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IV.
ELEMENTA
RHETORICES.
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Humile genus non assurgit supra quotidia- secutus est Livius. E t Cicero utitur eo in plaenam loqoendi consuetudinem, proprietatem ser- risque orationibus, ut in Verrinis, et in Catilimonis mira sollicitudine custodit, et studet signate n a m , inPisonem, pro Milone. E t quidem addit res efferre verbis quam maxime propriis. Non accuratam compositionem, quae maxime in hoc araat crebras figures, libenter ulitur metaphoris, genere requiritur. Neque vero ubique usus est sed non procul accersitis, verum sumptis ex quo- hac forma Cicero, sed gravioribus causis addit sotidiano sermone. Nihil admodum amplificat, sed nnm maiorem. In aliis levioribus negociis metola orationis species verecunda est, et ad disfi- dium adhibet genus, interdum in docendo conraulationem composite, et quasi de Industrie fu- tentus est humili geaere. Facile autera agnosci gitans ornatum. De re prudenter et ordine dispu- grande genus potest. Utitur enim verbis atrocitat, nec fere a proposito disced it, et ipsa simpli- bus ac tragicis, terribiles gestus pingit, ut apud citatis specie insidiatur auditor!. Circumductio- Virgilium mors Didonis describitur. Viciosi sunt nes habet paucissimas, refert enim quolidiani in hoc genere, tumidi et inflati, qui nimis gransermonis negligentiam in collocatione verborum. de» videri cupiunt, qui nihil proprie efferunt, sed Artifex huius genus Terentius est apud nos. Hie perpetuas habent periphrases, et prodigiosas metaphoras. Hi vocabantur olim Asiatic·. Nam in character est orationis et in Erasrai colloquiis. Et Asia cum sermonis genus haberent corruptum et Cicero in philosophicis disputationibus et praeceimproprium, tamen affectabant eloquentiae lauptis fere sequitur hoc genus. E s t enim ad dodem ostentatione immodici ornatus. Ab hoc gecendum maxime accommodatum. Scriptores vonere semper in primis abhorrocrunt Sana ingenia. cant Atticum, et si Cicero contend it Atticos etiam Medium genus viz a grand! discern! potest. Non grandiores esse quam sit oratio in comoediis. Neenim multum ab illo distat, copiosum est, et abque id dissimulari potest, nam Demosthenes et undat figuris, sed in amplificando aliquantulum Aeschines sunt grandiores. E t apud nos Caesar resistit infra grande genus. Ovidius fere talis est. sublimior est, qui quidem vere Atticus iudican- E t pleraequeCiceronisEpistolae et orationes, quidus est. Etsi autem interdum pleniore sono utun- dam etiam libri philosophic! ad hanc formam pertur Attici, tamen haec prima forma horum pro- tinent. Pertinent ad earn et Erasmi pleraeque depria fuit, quia propriissime loquebantur, et ve- clamationes. Maxime vero prodest cognoscere recundiores erant in ornando reliquis gentibus, duo extrema genera in imitando, ut virtutes diset quidquid erat ineptum et intempestivum sum- similium autorum, quos legimus, melius perspima diligentia vitabant. Viciosi sunt, in primo ge- ciamus, et ut unusquisque observet ad quod genus nere breves quidam ac ieiuni, horridi et obscuri, natura magis appositns videatur, ut aridi uberioqualis est in oralionibus alicubi Saluslius. ra scripta legentes, adiiciant aliquid viribus suis Grande genus, et si magna ex parte proprio tumidi vero ac supini moderentur naluram, et sermone constare debet, tamen metaphoras habet assuefaciant se ad proprietatem lectione istorum, crebriores, ac longius petitas, copiose amplificat qui Attici vocanlnr, quorum maxime propria est adhibitis omnibus figuris, et quasi de industria oratio. ostentat ornatum. Hoc genus magna cum laude T( los.
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