Melanchthons Rechts- und Soziallehre [Reprint 2018 ed.] 9783110820126, 9783110012743


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German Pages 307 [320] Year 1967

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Literatur zur Melanchthon-Ikonographie
Abgekürzt angeführte Werke
Erklärung von Abkürzungen
ERSTER TEIL. MELANCHTHON UND DIE JURISPRUDENZ
ZWEITER TEIL. MELANCHTHONS THEOKRATISCHE RECHTS- UND SOZIALLEHRE
ANHANG. AUSGEWÄHLTE REDEN MELANCHTHONS ÜBER RECHT, STAAT UND RECHTSWISSENSCHAFT
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Melanchthons Rechts- und Soziallehre [Reprint 2018 ed.]
 9783110820126, 9783110012743

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i. Philipp Melanchthon Porträt von Hans Holbein dem Jüngeren, 1529/30

Melanchthons Rechts- und Soziallehre

Von

Guido Kisch

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

Berlin 1967

Archiv-Nr. 32 30 671

© 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung * Georg Reimer * Karl J . Trübner ' Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikroskopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: H. Heenemann K G • Berlin 31

MEINEN

KINDERN

G EWIDMET

Vorwort Je weiter man in der Wissenschaft fortschreitet, desto mehr findet man zu tun, und je mehr man in die Tiefe dringt und in Regionen, die kaum je betreten, desto schwieriger werden die Probleme.

Rudolf von Jhering

I m Vorwort zu meinem im Frühjahr i960 veröffentlichten Werke Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit hatte ich die Absicht geäußert, „in einem weiteren Bande die Geschichte der Billigkeitsidee in der Gestaltung des Rechts und die Auffassung seiner grundlegenden Gedanken in der italienischen, spanischen und englischen Jurisprudenz zur Darstellung zu bringen". Bevor an die Verwirklichung dieses Planes, für welche das Quellenmaterial gesammelt ist und bereits umfangreiche Vorarbeiten vorliegen, herangegangen werden konnte, erwiesen sich zur Ergänzung jener ersten weitere Studien über das Epieikeiaproblem in der Sicht der Reformatoren als notwendig. Melanchthons Epieikeialehre, die sich als geeignetste Forschungsaufgabe darbot, konnte jedoch nicht dargestellt werden, ohne daß vorher als Grundlage die Rechts- und Staatsauffassung des neben Luther hervoragendsten Reformators klargelegt wurde. Aus diesen Arbeiten ist die vorliegende Studie erwachsen, die in ihrer Problemstellung und Ausführung für sich selbst sprechen möge. Nur auf ein Wort in der nachmals zitierten Abhandlung von Hans Liermann sei hingewiesen: „Über die Einstellung der Reformatoren zu den Grundproblemen des Rechtsdenkens ist unendlich viel geschrieben worden, ohne daß wirkliche Klarheit gewonnen werden konnte". Wenn die nachfolgend mitgeteilten Forschungsergebnisse den Weg zur Klarheit ein wenig erleuchtet haben sollten, wird der Verfasser auf seine Arbeit mit Befriedigung zurückblicken dürfen. Lediglich einige kurze Bemerkungen über die äußere Gestaltung des Buches seien vorausgeschickt. Sie sind vor allem durch den gegen-

6

Vorwort

wärtigen Stand der Melanchthonforschung veranlaßt. Diese ist trotz mancher anerkennenswerter Ansätze und verheißungsvoller Fortschritte in der Bereitstellung des Quellenmaterials immer noch hauptsächlich auf die achtundzwanzigbändige Ausgabe der Werke des Praeceptor Germaniae im Corpus Reformatorum angewiesen, die bereits bald nach ihrem Erscheinen vor mehr als hundert Jahren berechtigter wissenschaftlicher Kritik ausgesetzt war. Zur Gewinnung einer zuverlässigen Arbeitsbasis wurde es so unvermeidlich, quellenkritische Studien zu unternehmen, die vor allem den „juristischen" Reden Melanchthons gelten mußten, auf welche sich die Darstellung im wesentlichen stützt. Über die Ergebnisse dieser Vorarbeiten berichtet erläuternd der zweite Abschnitt des ersten Kapitels. An dieser Stelle sind nur einige Bemerkungen technischer Art zu ergänzen. Während der erste Teil so konzis als irgend möglich gefaßt werden konnte, ließ sich bei der Darstellung im zweiten Teil bisweilen eine gewisse Breite nicht vermeiden, die hie und da durch Wiederholungen beim Referieren Melanchthonscher Gedankengänge und Beweisführungen verursacht ist. Solchen konnte jedoch nicht aus dem Wege gegangen werden, da das Bestreben bestand, zunächst den Reformator selbst zu Worte kommen zu lassen. Die Erläuterungen und Schlußfolgerungen, die an seine in den Schriften und Reden oft wortgetreu in gleicher Fassung wiederkehrenden Darlegungen zu knüpfen waren, sind so dem Leser plastischer vor Augen geführt. Sie können von ihm besser verfolgt und auf ihre Richtigkeit oder Stichhaltigkeit zuverlässig überprüft werden. Der Erreichung dieses Zieles dient auch die Wiedergabe des lateinischen Wortlauts maßgeblicher Stellen aus dem nicht leicht zugänglichen Opus Melanchthonianum in den Anmerkungen, obwohl er im Kontext der im Anhang abgedruckten Reden ebenfalls zu finden ist. Dem Leser sollte jedoch das mühsame Suchen nach den betreffenden Belegstellen erspart werden. So hofft der Verfasser, möglichste Vollständigkeit und Deutlichkeit der Quellenangaben sowie erreichbarste Zugänglichkeit derselben erlangt und die Anforderungen an den Leser auf ein Mindestmaß herabgesetzt zu haben. Größere Ausführlichkeit in den reformationsgeschichtlichen und humanistischen Literaturangaben und Hinweisen soll den Rechtshistorikern den Zugang zu Wissenschaftsgebieten erleichtern, die den meisten von ihnen bisher wohl weniger vertraut oder gar fremd

Vorwort

7

geblieben sind. Das für den rechtsgeschichtlichen Bereich angewendete gleiche Verfahren will dem Nichtrechtshistoriker einen Einblick in ihm fernerliegende Quellen und Darstellungen vermitteln. Für diese Literaturangaben wurde bei gebotener Kürze möglichste Deutlichkeit angestrebt unter Vermeidung der heutzutage vielfach geübten Einführung zahlreicher Abkürzungen und Siglen, welche den Leser immer wieder zwingen, in den oft sehr umfangreichen Abkürzungsverzeichnissen Auskunft zu suchen, ohne daß durch eine solche unbequeme Zitierweise erhebliche Raumersparnis gewonnen würde. Trotzdem ließ sich aus den angeführten Gründen das Anschwellen des Umfangs der Anmerkungen bisweilen nicht vermeiden, um nicht nur Melanchthons Gedankengänge, sondern auch seine Arbeitsweise zu beleuchten. Schließlich erübrigt es noch, dem aufrichtigen Dank für die mannigfache Förderung Ausdruck zu geben, die der Verfasser während seiner mehr als sechsjährigen Arbeit an dem vorliegenden Werke erfahren durfte. E r gilt vor allem den zahlreichen Bibliotheken, die ihm ihre Bücherschätze zur Verfügung gestellt haben, ebenso einigen Gelehrten, die bereitwilligst Auskünfte erteilten. Letztere sind an den betreffenden Stellen namentlich erwähnt. Wie schon sein Erasmusbuch, so durfte sich auch das vorliegende bei seiner Entstehung wertvoller Unterstützung durch die American Philosophical Society erfreuen. Solche wurde dem Verfasser ferner seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft zuteil, welche ihm eine Hilfskraft für seine Studien über Humanismus und Jurisprudenz zur Verfügung stellte. Diese konnte jedoch nur noch in der letzten Phase der technischen Entstehung des Buches für das Mitlesen der Druckkorrekturen eingesetzt werden. Basel, im Spätherbst 1966

Guido Kisch

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen Literatur zur Melanchthon-Ikonographie Abgekürzt angeführte Werke Erklärung von Abkürzungen

5 9 11 12 14 16

Erster Teil Melanchthon und die Jurisprudenz I. Geschichte und Stand des Problems. Quellen der Untersuchung II. Melanchthon und die Rechtswissenschaft III. Melanchthon und die Juristen seiner Zeit 1. Zur Einführung 2. Persönliche und literarische Beziehungen 3. Anregungen und Vorbilder 4. Einflüsse und Nachwirkungen

19 44 51 51 52 60 67

Zweiter Teil Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre I. II. III. IV.

Zur Einführung Melanchthons Rechtsanschauung (1523—1525) Recht und Staat als göttliche Ordnungen Abkehr vom mosaischen Recht

77 80 91 102

V. Bekenntnis zum römischen Recht VI. Würdigung der Interpreten des römischen Rechts 1. Melanchthon über die Rechtsgelehrsamkeit 2. Mos italicus und Mos galücus 3. Die Rede De Irnerio et Bartolo

116 127 127 130 136

Inhaltsverzeichnis

IO

4. Melanchthons Quellen 140 5. Hieronymus Schürpfs Einfluß und Melanchthons Motive seines Eintretens für die Interpreten des römischen Rechts 149 Anhang : Aus Johann Carions Chronica

157

VII. Förderung der Pandektenausgabe Gregor Haloanders . . . . 160 VIII. Melanchthons Epieikeia-Aequitaslehre 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Melanchthons Epieikeialehre Epieikeia als Milderung des Gesetzes Kritik der Epieikeialehre Melanchthons Aequitas und ius scriptum Kritik der Aequitaslehre Melanchthons Über Melanchthons Quellen und Vorbilder

168 168 170 172 175 177 184

Anhang Melanchthons Reden über Recht, Staat und Rechtswissenschaft 185 Vorbemerkung

187

1. Oratio de legibus. 1523—1525 189 2. Oratio : Res non iudicandas secundum arbitrium iudicis, sed secundum scriptum ius. 1532 210 3. De Irnerio et Bartolo iurisconsultis oratio. 1537? 4. De dignitate legum oratio. 1538 5. Oratio de scripto iure et dignitate veterum interpretum iuris. 1539 6. Oratio de dignitate legum. 1543 7. Oratio de legibus. 1550 8. Oratio de dignitate doctrinae legum etiurisconsultorum. 15 53 9. Oratio de veris legum fontibus et causis ; explicans simul et hanc quaestionem : an Romano iure et scriptis eorum, qui id interpretati sunt, utendum sit. 1550?

214 221

234 241

260

Verzeichnis der Abbildungen

II

10. De aequitate et iure stricto ex 1. Placuit, C. de iudiciis (3.1.8.). 1542 269 11. Oratio de stricto iure et aequitate ex 1. Placuit, Codice de iudiciis (3.1.8.). 1544 274 12. Oratio de lege Placuit, Cod. de iudiciis (3.1.8.). 1554 281 13. Oratio de vita clarissimi viri Hieronymi Schurffi, I. V. Doctoris. 1554 288 14. Oratio de dignitate studii iuris. 1556 298 Register Personen- und Sachverzeichnis Verzeichnis moderner Autoren

301 306

Verzeichnis der Abbildungen 1. Philipp Melanchthon Hans Holbein der Jüngere • um 15 29— 15 30 Niedersächsische Landesgalerie Hannover 2. Philipp Melanchthon Lucas Cranach der Ältere -1543 Kurpfälzisches Museum Heidelberg 3. Hieronymus Schürpf Kupferstich, Künstler unbekannt • Ende 16. Jahrhundert Stadtbibliothek Nürnberg 4. Irnerius von Luigi Serra • 1886 Fresko im Kommunalpalast zu Bologna 5. Bartolus de Saxo Ferrato Portrait unbekannten Meisters • Ende 16. Jahrhundert Öffentliche Kunstsammlung Basel Titelblatt des Erstdruckes der Oratio de dignitate doctrinae legum et iurisconsultorum Wittenberg, Johannes Crato -1553 Stadtbibliothek Nürnberg

Literatur zur Melanchthon-Ikonographie

Johannes Fkker, Die Eigenart des Augsburgischen Bekenntnisses (Hallische Universitätsreden, Heft 47) Halle 1930, S. 9: „Drei Größte haben Melanchthons Bild geschaffen : Dürer, der die innere geistige Bewegtheit, Holbein, der in seinem miniaturmäßigen Werke die ruhige Überlegenheit, und Cranach, der die zerfurchende unablässige Arbeit des Gelehrten und seine Sorgen in die Züge eingezeichnet hat" ; S. 3 2—3 3 : „Das kleine bedeutende Rundbild in Hannover, das Holbein geschaffen hat, muß um 1529/30 entstanden sein. Paul Ganz, der mir das ausdrücklich bestätigt, rückt es an die gewiß in Freiburg gemalten Erasmusporträts dieser Zeit hinan. Bei welcher Gelegenheit es gemalt ist, bleibt unsicher. Melanchthon war auch im Frühjahr 1529 in Süddeutschland (in Speyer). Es hat Züge, die nur nach dem Leben erfaßt sein können". Ficker hat den Reformatorenbildnissen große Aufmerksamkeit und sorgfältiges Studium zugewendet. Neuestens hat die verschiedenen Melanchthonporträts gründlich untersucht Oskar Thulin, Melanchthons Bildnis und Werk in zeitgenössischer Kunst, in: Philipp Melanchthon, Forschungsbeiträge zur vierhundertsten Wiederkehr seines Todestages dargeboten in Wittenberg i960, herausgegeben von Walter Elliger, Göttingen 1961, S. 180—193, mit 33 Porträts auf 16 Bildtafeln und 3 Textabbildungen; vgl. dazu Peter Fraenkel, Melanchthoniana Jubilaria II, Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance, X X V I , Genf 1964, S. 204. Gute Bebilderung zeigen auch : Georg Urban, Philipp Melanchthon 1497— 15 60. Gedenkschrift zum 400. Todestage des Reformators, 19. April 1560/1960, Bretten i960; darin S. 127—158: Werner Zimmermann, Melanchthon im Bildnis; ferner [mehrere Mitarbeiter], Philipp Melanchthon 1560—1960, 's-Gravenzande 1961.

Literatur zur Melanchthon-Ikonographie

15

Die umfassendste und gründlichste Studie über Melanchthons Bildnisse vom kunstgeschichtlichen Standpunkt aus ist die mit einer guten bis i960 reichenden Auswahl von Porträts illustrierte Abhandlung von Sybille Harksen, Bildnisse Philipp Melanchthons, in: [Leo Stern], Philipp Melanchthon, Humanist, Reformator, Praeceptor Germaniae, Berlin 1963, S. 270—287. Beigefügt ist eine ausführliche ikonographische Bibliographie.

Abgekürzt angeführte Werke Folgende Werke werden bloß mit den Namen der Verfasser oder mit den in eckiger Klammer angegebenen Abkürzungen angeführt.

Carol. Gottl. Bretschneider et Henricus Ernestus Bindseil, Corpus Reformatorum. Darin: Philippi Melanthonis Opera, quae supersunt omnia. 28 Bände. Halis Saxonum 1834—1860 [CR., mit Angabe der Bandzahl]. Wilhelm Dilthey, Melanchthonund die erste Ausbildung des natürlichen Systems in Deutschland. In: Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften, II. Band: Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation. Leipzig und Berlin 1914; 2. Auf 1., daselbst 1921. Albert Haenel, Melanchthon, der Jurist. Zeitschrift für Rechtsgeschichte, VIII, 1869, S. 249—270. Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae (Monumenta Germaniae Paedagogica, Band VII). Berlin 1889 [.Hartfelder, Melanchthon]. Karl

Hartfelder, Melanchthoniana \Hartfelder, Melanchthoniana].

Paedagogica.

Leipzig 1892

Karl Hartfelder, Philippus Melanchthon Declamationes (Lateinische Literaturdenkmäler des X V . und XVI. Jahrhunderts, herausgegeben von Max Herrmann und Siegfried Szamatölski, Heft 4). Berlin 1891 [Hartfelder, Declamationes]. Guido Kisch, Humanismus und Jurisprudenz. Der Kampf zwischen mos italicus und mos galücus an der Universität Basel (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 42). Basel 1955 [Kisch, Humanismus]. Guido Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit. Studien zum humanistischen Rechtsdenken (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Band 56). Basel i960 {Kisch oder Kisch, Erasmus].

Abgekürzt angeführte Werke

15

Guido Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät der Universität Basel 1459—1529 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel, Band XV). Basel 1962 [Kisch, Fakultät]. Karl Köhler, Luther und die Juristen. Gotha 1873. Hans hiermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche. Eine rechts- und geistesgeschichtliche Studie (Festschrift Alfred Bertholet zum 80. Geburtstag). Tübingen 1950. Heinrich Maier, Philipp Melanchthon als Philosoph. In: Heinrich Maier, An der Grenze der Philosophie: Melanchthon—Lavater— David Friedrich Strauss. Tübingen 1909. Philippi Melanthonis Opera, quae supersunt omnia. Edidit Carolus Gottlieb Bretschneider (Corpus Reformatorum, Bände 1—28). Halle 1834—1860 [CR., mit Angabe der Bandzahl]. Melanchthons Werke in Auswahl (Studienausgabe). Herausgegeben von Robert Stupperich. Bände II und III. Gütersloh 1952—1961 [MWA., mit Angabe der Bandzahl]. Nikolaus Müller, Zur Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons (1545 —1560) (Beiträge zur Reformationsgeschichte, Herrn Oberkonsistorialrat Professor D. Köstlin bei der Feier seines siebzigsten Geburtstages gewidmet.) Gotha 1896. Theodor Muther, Philippi Melanthonis De legibus oratio. Editio secunda. Weimar 1869 [Muther, De legibus]. Theodor Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation. Erlangen 1866 [Muther oder Muther, Universitätsleben]. Theodor Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland. Jena 1876 [Muther, Rechtswissenschaft]. Wilhelm H. Neuser, Der Ansatz der Theologie Philipp Melanchthons (Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche). Neukirchen Kreis Moers 19 j 7.

i6

Erklärung von Abkürzungen

Roderich Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft. Erste Abteilung (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, 18. Band). München und Leipzig 1880 [Stintzing, I]. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische, Kanonistische, Romanistische Abteilung [ZRG. (G), (K), (R)]-

Erklärung von Abkürzungen M W A Melanchthons Werke in Auswahl (Studienausgabe). Orig.

Erstdruck, Originaldruck.

SB.

Sitzungsberichte [mit Angabe des Sitzes der betreffenden Akademie].

UB.

Universitätsbibliothek.

WA.

Weimarer Ausgabe der Werke Luthers.

ERSTER TEIL

MELANCHTHON UND DIE JURISPRUDENZ

ERSTES K A P I T E L

Geschichte und Stand des Problems Quellen der Untersuchung I D as Jubiläumsjahr des Praeceptor Germaniae hat dem großen Strom der Melanchthon-Literatur der letzten anderthalb Jahrzehnte weitere wissenschaftliche Zuflüsse in großer Zahl zugeführt 1 . Es gibt wohl kaum ein Kapitel aus dem reichen Repertoire der reformations1

An die Spitze jeder bibliographischen Übersicht ist das für die Melanchthonforschung unentbehrliche Standardwerk zu stellen: Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae (Monumenta Germaniae Paedagogica, Bd. VII), Berlin 1889; ergänzt durch ein Verzeichnis der bis 1897 erschienenen Schriften bei Ferdinand Cobrs, Philipp Melanchthon, Deutschlands Lehrer (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, XIV. Jahrg., Heft 55), Halle 1897, S. 73—76. Einen guten allgemeinen Überblick bietet Richard Nürnberger, in Melanchthons Werke in Auswahl, hg. von Robert Stupperich, III : Humanistische Schriften, hg. von Richard Nürnberger, Gütersloh 1961, S. 7f.; über die Literatur der letzten Jahrzehnte und die neuere Forschung siehe Adolf Sperl, Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation, München 1959, S. 200 — 204; Peter Fraenkel, Fünfzehn Jahre Melanchthonforschung, Versuch eines Literaturberichtes, Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance,XXII, i960, S. 582—624; Fraenkel, Complementulum Melanchthonianum, daselbst, X X I I I , 1961, S. 593—602; Wilhelm Maurer, Artikel „Melanchthon", in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, IV, Tübingen i960, S. 841 ; Peter Meinhold, Philipp Melanchthon, der Lehrer der Kirche, Berlin i960, S. 153 — 155; Ernst Wolf, Philipp Melanchthon: Evangelischer Humanismus (Göttinger Universitätsreden, Heft 30), Göttingen 1961, S. 23, Anm. 5. Über die Publikationen anläßlich des letzten Melanchthonjubiiäums: Irmgard Höß, Archiv für Reformationsgeschichte, LI, 1961, S. 248f.; Bernd Moeller, Historische Zeitschrift, CXCIV, 1962, S. 500—502; Gottfried Buttler, Neues Interesse an Melanchthon, ein Literaturbericht, Monatschrift für Pastoraltheologie, LUI, 1964, S. 109 — 120; und vor allem die umfassende Bibliographie von Peter Fraenkel, Melanchthoniana Jubilaria I und II, Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance,XXIV, 1962, S. 443—478; X X V I , 1964,8. 191 —241; ergänzt durch Martin Greschat, Melanchthoniana nova, daselbst, X X I X , 1967, S. 189 — 219.

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Melanchthon und die Jurisprudenz

geschichtlichen Thematik, das sich erneuter Behandlung ent2ogen hätte. Eine einzige Ausnahme ist zu verzeichnen, soweit sich sehen läßt. Das Problem „Melanchthon als Jurist" oder besser gefaßt „Melanchthon und die Jurisprudenz" hat in dieser umfassenden Formulierung und Fragestellung in neuerer Zeit weder bei Theologen noch bei Religionshistorikern noch auch bei Vertretern der Rechtsgeschichte oder Jurisprudenz Aufmerksamkeit und Bearbeitung gefunden. Nur ein Segment dieses Fragenkomplexes, Melanchthons Naturrechtslehre, hat Clemens Bauer bereits vor anderthalb Jahrzehnten zu wertvollen theologiegeschichtlichen sowie ergo- und biographischen Studien veranlaßt. Ihr Ziel war jedoch nicht, des Reformators Verhältnis zum weltlichen Recht oder zur Rechtswissenschaft aufzudecken, noch das Problem aufzuwerfen, ob der Wittenberger Professor vielleicht auch für die humanistische Jurisprudenz reklamiert werden darf. Eine frühere Abhandlung hatte Bauer den Naturrechtsanschauungen des jüngeren Melanchthon gewidmet, seiner „neuen Theologie", welche vom Theologieideal des Erasmus von Rotterdam stark mitgeformt wurde und in der Urfassung der Loci communes verkörpert ist 2 . An diese Ergebnisse anknüpfend zeigte derselbe Verfasser in seiner späteren Arbeit, wie bereits am Ende der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts sich Melanchthons neue Haltung zur wesentlich als Ethik gefaßten Philosophie manifestiert, vorbereitet durch eindringende Beschäftigung mit Ciceros De officiis und Durcharbeitung der aristotelischen Ethik und Politik 3 . „Der systematische Theologe Melanchthon und der Humanist wachsen gleichzeitig miteinander, und nicht nur im Vorhof der Theologie, sondern als echte und fundamentale Hilfswissenschaften für die Theologie erhalten neben der philosophischen Propädeutik von Rhetorik und 2 Clemens Bauer, Die Naturrechtsvorstellungen des jüngeren Melanchthon, Festschrift für Gerhard Ritter zu seinem 60. Geburtstag, Tübingen 1 9 5 0 , S. 2 4 4 — 2 5 5 ; wiederabgedruckt in Bauer, Gesammelte Aufsätze zur Wirtschaftsund Sozialgeschichte, Freiburg 1 9 6 5 , S. 266 — 276. 3 Clement Bauer, Melanchthons Naturrechtslehre, A r c h i v für Reformationsgeschichte, X L I I , 1 9 5 1 , S. 6 4 — 1 0 0 ; v o n dort, S. 97, folgt weiter unten (nach A n m . 17) ein ausführliches Zitat über die Epikie. Die Wiedergabe der Melanchthonzitate bei Bauer, S. 97, A n m . 80 und 8 i , ist nicht genau. — A u c h diese Abhandlung ist wiederabgedruckt in Bauer, Gesammelte Aufsätze, S. 2 7 7 — 304.

Geschichte und Stand des Problems • Quellen der Untersuchung

21

Dialektik nun Ethik und Physik, ja die gesamte Philosophie ihren Platz, ganz über dem Grundriß der Theologia Erasmiana. Und wie in deren Kern, der ,Philosophia Christi' des Erasmus, sich mehr eine Ethik und Lebenslehre des Christen als eine Dogmatik findet, so gewinnt auch in Melanchthons theologischem Denken mehr und mehr der Ethiker Platz und mit dem Ethiker bis zu einem gewissen Grad der Rationalist". „Die Auswirkung des Cicero- und Aristotelesstudiums auf Melanchthons theologische und ethische Entwicklung dauert in den dreißiger und zu Beginn der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts fort . . . und bringt den Ethiker Melanchthon, ganz im Sinne der erasmischen ,Philosophia Christi', gegenüber dem Theologen zur Entfaltung" 4 . Es bedarf an dieser Stelle nicht näheren Eingehens auf Bauers Untersuchungen über Melanchthons Lehre von der lex naturae als Wissen um Gottes Dasein und um Gut und Böse, sowie als Inbegriff von Normen und Verpflichtungen, die sich aus diesem Wissen für den Menschen als Individuum und Gattungswesen ergeben. Auch ein anderer Gelehrter, diesmal ein Rechtshistoriker, Hans Liermann, hat sich zur selben Zeit im Rahmen einer weiter ausgreifenden, tiefgründigen Untersuchung — freilich nicht ebenso ausführlich, gleichwohl aber grundlegend — mit dem gleichen Problem befaßt 5 . Es wird sich später zeigen, wie seine und Bauers Resultate auch für die Problematik der vorliegenden Studie in Betracht kommen. Deshalb erfolgte ihre — wenngleich nur summarische — Wiedergabe hier mit größerer Ausführlichkeit, als einer zweiten Arbeit eingeräumt wird, welche einem anderen juristisch interessanten Aspekt in Melanchthons Werk gewidmet ist. Johannes Heckel, der in seinem umfassenden Werk Lex charitatis den vielfältigen Beziehungen Luthers zu den Problemen von Recht und Gerechtigkeit nachgegangen ist 6 , hat sich in einer Spezialstudie 4

Daselbst, S. 79; und S. 86, 68. Hans Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche: Eine rechts- und geistesgeschichtliche Studie, Festschrift Alfred Bertholet zum 80. Geburtstag, Tübingen 1950, S. 294—324. — Von dort, S. 296, stammt das Zitat im Vorwort. 6 Johannes Heckel, Lex charitatis. Eine juristische Untersuchung über das Recht in der Theologie Martin Luthers (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Neue Folge, Heft 36), München 1953. Melanchthons ist daselbst nur in einer ausführlicheren An5

22

Melanchthon und die Jurisprudenz

„Melanchthon und das heutige deutsche Staatskirchenrecht" mit der Frage beschäftigt, wieweit sich die Grundzüge des geltenden deutschen Staatskirchenrechts, soweit es die großen christlichen Religionsgemeinschaften betrifft, bereits bei Melanchthon vorgebildet finden 7 . Es handelt sich mehr um ähnliche oder parallele Bildungen von rechtlichen Gedanken und Formulierungen als um eine entwicklungsgeschichtliche Beeinflussung. Die Arbeit findet an dieser Stelle nur deshalb Erwähnung, weil sie neben Liermanns Studie als einzige in neuerer Zeit aus der Beschäftigung eines Rechtshistorikers mit Melanchthon hervorgegangen ist 8 . merkung (S. 1 8 1 , Anm. 1433a) gedacht, lediglich zwecks Auseinandersetzung mit Bauers oben, Anm. 2, erwähnter Abhandlung. Heckel stellt fest: „Melanchthons Rechtslehre deckt sich im theologischen Ansatz mit derjenigen Luthers und erhält von da aus ihre innere Einheit. Auch die einzelnen von Bauer erwähnten Aussagen Melanchthons über das Naturgesetz finden sich fast alle bei dem andern Reformator. Wie weit Melanchthon seinerseits auf Luther zurückgewirkt hat oder beide unabhängig von einander aus älteren Quellen schöpfen, ist ein Problem für sich, das hier dahingestellt bleiben muß." Vgl. noch Joseph Bidinger, Zur Hermeneutik der Rechtslehre Martin Luthers, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, LI, 1965, S. 337 — 360. 7 „ U m Recht und Gerechtigkeit", Festgabe für Erich Kaufmann zu seinem 70. Geburtstage, Stuttgart und Köln 1950, S. 83 —102; jetzt auch in: Johannes Heckel, Das blinde, undeutliche Wort „Kirche". Gesammelte Aufsätze, hg. von Siegfried Grundmann, Köln 1964, S. 307 — 327. 8 Als negatives Beispiel aus der neuesten, nach dem Melanchthon-Jubiläum von i960 erschienenen Literatur sei hervorgehoben das Werk „Philipp Melanchthon — Humanist, Reformator, Praeceptor Germaniae" (ohne Angabe des Herausgebers, der vermutlich Leo Stern ist), Berlin 1963, mit zahlreichen, zum Teil wichtigen Abhandlungen, deren wissenschaftlicher Wert jedoch vielfach durch starkes Hervortreten marxistischer Einstellung der Verfasser beeinträchtigt wird. In seiner gleich betitelten Abhandlung daselbst (S. 5 5) schildert Leo Stern ausführlich die „schier unfaßbar gewaltige wissenschaftliche Schaffenskraft Melanchthons und den Umfang seiner wissenschaftlichen Interessen". Bei seiner Aufzählung der verschiedenen Gebiete wird die Jurisprudenz nur mit diesem einen Worte erwähnt. Dagegen bemerkt er an anderem Orte (S. 59) immerhin: „ V o n der Idee des universalen Theismus Melanchthons, die sich auf das natürliche Licht der Vernunft und die vernünftige Ubereinstimmung unter den Völkern gründete, sind auch direkte Beziehungen zur Naturrechtsideologie vieler Rechtslehrer des 17. und 18. Jahrhunderts, wie Christian Thomasius und Samuel Pufendorf, nachweisbar." Ferner fallen einige Seitenlichter auf die Wirkung der Zuwendung Melanchthons zum römischen Recht bei Gerhard Zschäbitz, Die Auswirkungen der Lehren Philipp Melanchthons auf die fürstenstaatliche Politik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, im selben Bande, S. 202. Das Thema wäre in einer so umfassenden Jubiläumsschrift ausführlicher Behandlung wert

Geschichte und Stand des Problems • Quellen der Untersuchung

23

Das Thema „Melanchthon und die Rechtswissenschaft" stellt jedoch quellenmäßig und gegenständlich weit größere Anforderungen. Es könnte nur auf Grund einer vollständigen, sorgfältigen Durcharbeitung des gesamten Opus Melanchthonianum, soweit darin Probleme von Recht, Gerechtigkeit und Rechtswissenschaft berührt sind — und solche Erörterungen sind recht zahlreich —, behandelt und müßte von allen sich darbietenden Seiten beleuchtet werden. Dies zu erreichen, hat sich die vorliegende Untersuchung jedoch nicht zum Ziele gesetzt. Dem von ihr verfolgten Plan sind viel bescheidenere Grenzen gezogen. Hatte schon Cicero die Parömie „summum ius summa iniuria" als „abgedroschenes Sprichwort" (tritum sermoneproverbium) bezeichnet9, so hat diese Kennzeichnung noch nach mehr als anderthalb Jahrtausenden ihre Richtigkeit behalten, indem sich seiner die Theologen des 16. Jahrhunderts, allen voran Luther, häufig und gerne bedienten und ihm den gerade von ihnen beliebten Sinn unterlegten oder die ihnen eben dienliche Deutung gaben. Der dem Sinnspruch zugrunde liegende Kerngedanke der Epieikeia und Aequitas spielt auch im Rechtsdenken Melanchthons eine bedeutende Rolle. In verschiedenen seiner philosophischen Abhandlungen und Kommentarwerke sowie in einer ganzen Anzahl seiner juristischen Themen gewidmeten Reden hat er sich sehr eingehend mit der ihm zugrunde liegenden Problematik beschäftigt. Kein anderer unter den Reformatoren hat den Gegenstand so ausführlich und tiefgründig von der juristischen, theogewesen. — Das Fehlen einer neueren Untersuchung über Melanchthons Rechtsund Staatslehre, bedauerlich an sich schon, macht sich auch für ähnliche, mehr beachtete Studien über die anderen Reformatoren nachteilig geltend. So hatte Jürgen Baur (Gott, Recht und weltliches Regiment im Werke Calvins, Bonn 1965), der für sein Thema gern die Anschauungen von Luther und Melanchthon heranzieht bzw. heranzuziehen wünscht, für letzteren keine Spezialliteratur als Vergleichsmaterial zur Verfügung. Daher konnte er sich nur auf gelegentliche Bemerkungen im theologischen Schrifttum oder höchstens auf Melanchthons Loci commmes beziehen. — Alfred

Voigt, Die juristische Hermeneutik und ihr

Abbild in Melanchthons Universitätsreden, in: Festgabe für Ernst von Hippel zu seinem 70. Geburtstag, Bonn 1965, S. 265—277, ist mir erst während der Korrektur bekannt und zugänglich geworden. Daher ist nur dieser Hinweis möglich. 9 De officiis, 1 , 1 0 , 3 3 ; Guido Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, Studien zum humanistischen Rechtsdenken (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Bd. 56), S. 3, Anm. 3.

Melanchthon und die Jurisprudenz

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logischen und moralphilosophischen Seite her beleuchtet. Kein anderer ist auf solch solider Grundlage zu einer wohlbegründeten Stellungnahme vorgedrungen. Es scheint daher lohnend, Melanchthons „Rechtsdenken", sofern man von einem solchen bei seiner stets hervortretenden theologischen und moralphilosophischen Grundeinstellung überhaupt sprechen kann, in seinen verschiedenen Ausdrucksformen und Phasen genauerer Betrachtung zu unterziehen. Die Untersuchung wird sich die Ergebnisse der neuesten Melanchthonforschung zunutze machen und ihrerseits vielleicht einen — sei es noch so bescheidenen — Beitrag zu ihr liefern können. Sie wird sich nicht damit bescheiden dürfen, zu zeigen, wie Melanchthons Auffassung der Epieikeia und seine Aequitaslehre aus seiner humanistischen, theologischen und philosophischen Entwicklung und Geistesentfaltung hervorgewachsen ist, sondern wird auch der Frage nachgehen müssen, ob, und bejahendenfalls, welche juristischen Einwirkungen auf ihn aufgedeckt werden können, ferner ob solche vielleicht von ihm auf gleichzeitige oder spätere Rechtsdenker ausgegangen sind. Um systematisch zu Melanchthons Lehre von Recht und Billigkeit vordringen zu können, wird es notwendig sein, zwei Vor- beziehungsweise Nebenfragen zu klären. Die eine betrifft Melanchthons Einstellung zum weltlichen, speziell zum römischen Recht; die andere hat es mit der katholisch-theologischen Diskussion des Epikieproblems zu tun, welche der reformatorischen Auseinandersetzung vorausging. Diese Betrachtungen führen wieder notwendig zu der weiteren Frage, ob sich etwa persönliche oder literarische Beziehungen Melanchthons zu bestimmten Lehrern der Theologie der alten Kirche und zu zeitgenössischen Juristen nachweisen lassen, die auf sein Rechtsund Aequitasdenken unmittelbar Einfluß geübt haben könnten. Für einen „fast verschollenen Aufsatz" hatte vor nicht ganz hundert Jahren der Kieler Rechtslehrer Albert Haenel das Thema gewählt: „Melanchthon, der Jurist" 10 . Es war nicht die erste Studie, 10

Zeitschrift für Rechtsgeschichte, VIII, 1869, S. 249 — 270. Die oben im Text unter Anführungsstriche gesetzte Bezeichnung stammt von Walter Jellinek, Albert Hänel. Drei akademische Reden zu seinem Gedächtnis, Kiel 1919, S. 30, Anm. zu S. 23. Die ältere, schon damals überholte Literatur zum Thema wurde von Haenel, a. a. O., S. 250 (mit ungünstiger Kritik) verzeichnet. Vgl. aber seit Haenel Karl Köhler, Luther und die Juristen, Gotha 1873, S. iooff.

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die „Melanchthons ausgezeichneten Verdiensten um die Jurisprudenz" gewidmet war. Aber im Gegensatz zu Christian Gottlieb Haubold, der mit diesem Titel seine akademische Rede vom Jahre 1 8 1 7 versehen hatte 1 wurden von Haenel auf Grund eingehenden Studiums der Schriften und Reden Melanchthons seine Verdienste um die Rechtswissenschaft nicht in gleichem Maße positiv gewertet. E r faßte das Resultat seiner Forschungen wie folgt zusammen: „ I n allen diesen Untersuchungen liegt der Darstellung eine juristische Methode durchaus ferne. E s handelt sich überall nur um eine populäre, oberflächliche

11 Christian Gottlieb Haubold, Oratio de Philippi Melanchthonis in iurisprudentiam insignibus meritis, in Haubold, Opuscula academica, ed. Car. Frid. Christian Wenck, I, Leipzig 1825, S. 701—717. Es handelt sich um eine keineswegs tiefer dringende Lobrede auf Melanchthon mit seitenlangen Zitaten aus seinen Schriften und Reden über juristische Gegenstände. Als besonders rühmenswert sind hervorgehoben Melanchthons Mahnungen an die studierende Jugend, sein Eintreten für das römische Recht, seine gutachtliche Fürsprache für Gregor Haloanders Pandektenausgabe, seine Verdienste um das Kirchenrecht und die Beilegung des Streites um die clandestina sponsalia, seine Reden auf Irnerius, Bartolus und Hieronymus Schürpf. Schon im 18. Jahrhundert ging dieser eine vermutlich ähnliche Schrift voraus: Gottfried Daniel Hoffmann, Abhandlung von Philipp Melanchthons Verdiensten um die teutsche Reichs- und Staatsgeschichte, Tübingen 1760, die mir leider nicht zugänglich war, da sich in den befragten schweizer, deutschen und amerikanischen Bibliotheken kein Exemplar befindet. — Erst während der Drucklegung ist mir der Inhalt dieser Schrift bekannt geworden, welche auf meine Anregung von der Universitätsbibliothek Basel aus einem holländischen Antiquariatskatalog erworben worden ist. In der ersten Hälfte enthält sie eine unzusammenhängend weitschweifige, reichlich mit Zitaten aus der Literatur des 16. Jahrhunderts belegte Lebensbeschreibung Melanchthons. In ihrem zweiten Teil gibt sie eine stark bibliographisch orientierte Würdigung des Gelehrten als Historiker des Deutschen Reiches. Diese wird eingeleitet durch eine Aufzählung seiner Orationes über deutsche Kaiser und Fürsten, denen sich eine Betrachtung seiner literarischen Verdienste um die Chroniken Nauclers und Carions (vgl. weiter unten Teil II, Kap. VI, Anm. 23, 24 dieser Arbeit) sowie um andere historische Werke anschließt. Interessant ist folgende Bemerkung Hoffmanns (S. 17, Anm.): „Man könnte Melanchthon zwar auch als einen Rechtsgelehrten vorstellen, und dahin sowohl seine Rede und Briefe von denen Gesetzen, seine collationem legum Atticarum et Romanarum, seine vocabula ponderum et mensurarum, seine Lehre de consanguinitate et affinitate und anderes mehr rechnen, ja es erforderte solches vielleicht die Dankbarkeit gegen das große Lob, welches er dem römischen Recht beigeleget; allein es ist solches nicht meine Absicht, und ich überlasse es gerne anderen." Erst nach einem Jahrhundert wurde diese ihm unbekannt gebliebene Anregung von Haenel aufgenommen und nach weiteren hundert Jahren wird im vorliegenden Werke die Aufgabe zur Ausführung gebracht.

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Erläuterung einiger juristischer Begriffe und um die Entwicklung der einschlagenden Regeln auf Grund der Bibel, in durchaus theologischem Gedankengange, zur Beruhigung der Gewissen. . . . Melanchthons Standpunkt ist trotz aller Abneigung gegen dieselbe der der Scholastik, und was ihn in seinen philosophischen Schriften von dieser unterscheidet, ist weder eine größere Präzision der Begriffsbestimmungen, noch eine selbständigere, freiere Methode, weder neue, befruchtende Gedanken, noch auch nur eine vertieftere Benutzung des Aristoteles, sondern lediglich die Popularisierung der Darstellung, der Versuch, die philosophische Betrachtung dem praktischen Leben näher zu bringen und selbstverständlich vor allem die veränderte theologische Grundlage und damit die veränderte Anschauung über das Verhältnis von Staat und Kirche." 1 2 Letzteres, in Melanchthons Sicht, ist neuerdings von Johannes Heckel in moderne Beleuchtung gerückt worden. Weniger kritisch als Haenel hat sich der Geschichtsschreiber der deutschen Rechtswissenschaft in der Reformationszeit, Roderich Stintzing, mit Melanchthons Rolle „in den Prinzipienkämpfen" beschäftigt, „welche im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Jurisprudenz begannen und in denen Wittenberg eine hervorragende Stellung einnimmt". Er schildert Melanchthons Stand im „Kampf um das positive Recht", worunter das römische Recht gemeint ist, zu dessen Verteidigung gegen Angriffe seiner Gegner er verschiedene Reden hielt. Auf ihren uns im Wortlaut erhaltenen Inhalt wird später zurückzukommen sein. Stintzing gibt einen knappen Überblick über Melanchthons Gedankengänge in seiner Oratio de legibus, die — 1525 veröffentlicht — eine Lobrede auf den Wert des römischen Rechts und die Bedeutung seiner Einführung und Geltung in Deutschland darstellt. Melanchthon hat sich mit diesem so nicht nur literarisch beschäftigt, sondern soll selbst Vorlesungen über die Institutionen gehalten haben, was Stintzing jedoch dokumentarisch nicht belegt hat. Eingehender kommt er noch auf Melanchthons 12 Haenel, S. 268 f. Ähnlich ungünstig schon Carl von Kaltenborn, Die Vorläufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des Ius naturae et gentium sowie der Politik im Reformationszeitalter, Leipzig 1848, S. 215 f. „Das treffende Urteil" Haenels hat sich zu eigen gemacht Ernst Troeltsch, Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen, 3. Aufl., Tübingen 1923, S. 541, Anm. 252.

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Charakteristik des positiven Rechts im Gegensatz zum Naturrecht zu sprechen und hebt aus den vom Reformator erörterten einzelnen Rechtsfragen das Widerstandsrecht hervor, ohne jedoch seiner Epieikeialehre zu gedenken 13 . Mit feiner Intuition ist das Problem „Melanchthon und das weltliche Recht" von Wilhelm Dilthey in seiner profunden Analyse der Geisteshaltung des Reformators berührt worden. Dilthey leitet seine Betrachtungen wie folgt ein: „Melanchthon gehört zu den von der Nachwelt meist unterschätzten Personen, welche ohne schöpferisches Vermögen doch eine unermeßliche Wirksamkeit zu entfalten vermocht haben. . . . Die Bahnen der Gestirne, der grammatische Bau der drei Sprachen der Alten, die Finessen der Dialektik, die Dornenhecken der Theologie, die Probleme des römischen Rechts: das ganze Wissen der Zeit umspannte der Geist dieses bleichen, zarten Jünglings. Und unter seiner Hand wurden alle Fragen einfach und plan. . . . Dieser universale Kopf hat auch dem römischen Recht ein eindringendes Studium gewidmet. . . . Ich versuche doch die Beziehungen zwischen Sittengesetz, Recht und Staat, wie Melanchthon sie begriffen hat, hinzustellen, wie unfähig er sich auch zu durchgreifenden Gedanken an diesem Punkte erweist." 14 Dies geschieht vorwiegend im Anschluß an Haenel und Stintzing. Eine eingehendere Analyse des Problems „Melanchthon und die Rechtslehre" hat Dilthey jedoch nicht geplant. Noch ein anderes philosophisches Werk verdient Erwähnung. In einem umfangreichen Essai „Philipp Melanchthon als Philosoph" referiert und analysiert Heinrich Maier die juristischen Gedankengänge des Reformators, die er in den vornehmlich in Betracht kom13 Roderich Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, München und Leipzig 1880, S. 260271—273, 284—287. Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, S. 2 1 1 , hat Melanchthons gelehrte Leistungen auf dem Gebiete der Jurisprudenz von seiner Darstellung ausgeschlossen. Mit einem einzigen Worte sind die „Fragen juristischer Art behandelnden Reden und Deklamationen" Melanchthons berührt von Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 218, während daselbst die Wittenberger Juristen ausführlich behandelt werden. 14 Wilhelm Dilthey, Melanchthon und die erste Ausbildung des natürlichen Systems in Deutschland, Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften, II. Band: Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation, Leipzig und Berlin 1914, 2. Aufl., 1921, S. 162f., 196—198.

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menden Schriften studiert hat 1 5 . Seine Darlegungen sind jedoch größtenteils durch das Kapitel „Die Funktion der Billigkeit" in der fleißigen und sorgfältigen theologischen Dissertation Justitia bei Melanchthon von Horst Fild überholt, welche sich bei der Behandlung des Problems im Rahmen theologischer und philosophischer Untersuchungen über Melanchthons „Theorie der Gesellschaftsgerechtigkeit" hält. Auch ihr Verfasser hat den rechtshistorisch-dogmengeschichtlichen Aspekt nicht mit in Betracht zu ziehen unternommen 1 6 . Die folgenden Darlegungen werden zeigen, inwieweit Haenels und Stintzings Analyse der Rechtslehre Melanchthons zutrifft oder korrekturbedürftig ist. Dasselbe gilt für die auf jene folgenden Würdigungen späterer Autoren, unter denen der auf dem Gebiete der Calvin- und Budeforschung bedeutende Theologe Josef Bohatec am selbständigsten vorgegangen ist. In einem Exkurs zu seiner Studie über „Naturrecht und positives Recht" bei Calvin hat er sich mit Melanchthons Epieikeialehre befaßt 17 . In seiner erwähnten Studie über Melanchthons Naturrechtslehre hat auch Clemens Bauer diesem Problem eine kurze Betrachtung 15 Heinrich Maier, An der Grenze der Philosophie, Tübingen 190g, S. 1 — 139, besonders S. 1 1 1 —123. Eine mehr philosophisch-theologische als juristische Untersuchung ist Hellmuth Mayer, Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, in: „Rechtsidee und Staatsgedanke", Beiträge zur Rechtsphilosophie und zur politischen Ideengeschichte, Festgabe für Julius Binder, Berlin 1930, S. 7 7 - 1 0 5 . 16 Horst Alfred Fild, Justitia bei Melanchthon, theol. Diss. Erlangen 1953, nur maschinenschriftlich. Die Arbeit würde Veröffentlichung durch den Druck verdienen. Durch die Güte des Verfassers konnte ich sein eigenes Exemplar benützen. 17 Josef Bohatec, Calvin und das Recht, Graz 1934, S. i o i f f . ; vgl. auch H 7 f f . , 143 ff. E r glaubte, seine Darstellung als „mangels einer diesbezüglichen Monographie unumgänglich" entschuldigen zu sollen. — Die Werke von Bohatec, unter denen noch sein Buch Bude und Calvin, Studien zur Gedankenwelt des französischen Frühhumanismus (Graz 1950) erwähnt sei, haben rechtsgeschichtlich bisher nicht die gebührende Beachtung gefunden. Sie sind in keiner der oben besprochenen neueren Abhandlungen auch nur zitiert, geschweige denn zur Erörterung herangezogen. Dasselbe gilt von den freilich nur verstreuten Ausführungen über Melanchthon bei Erik Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 3. Aufl., Tübingen 1 9 5 1 ; 4. Aufl., 1963. Über Bohatecs Bude und Calvin siehe neuestens anerkennend allein Robert Stupperich, Die Zwingli- und Calvin-Forschung der letzten zwei Jahrzehnte, Archiv für Kulturgeschichte, X L I I , i960, S. 1 2 1 .

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gewidmet: „Nicht in den Bereich der lex naturae bezieht Melanchthon die Epikie ein. Sie präsentiert sich ihm lediglich bei der Erörterung der Anwendung des positiven Rechtes durch den Richter und bedeutet den im Grunde immer notwendigen Ermessensspielraum für den Richter, da ein Gesetz unmöglich eine vollständige Kasuistik enthalten kann, und sie ist gleichbedeutend mit einer sinngemäßen Auslegung und Anwendung der einzelnen Gesetze. Sie dient als Regel für den Fall von Lücken innerhalb des einzelnen Gesetzes, die naturgemäß entstehen, insofern das Gesetz ja immer regula generalis sein muß. Aber Melanchthon denkt nicht daran, in der Epikie eine Ersatznorm für Lücken im Recht beziehungsweise der Rechtsordnung im ganzen zu sehen, eine naturrechtliche Norm für den Notstand, wie dies in der Rechtslehre des späten Mittelalters vielfach geschieht. Er sieht in ihr auch nicht eine ,naturalis aequitas1 objektiver Art, denn Urteilen nach aequitas ist ihm gleichbedeutend mit Urteilen nach der ratio privata des Richters. Die Eingrenzung der Epikie und die Abwertung der ¿^»¿/«.r-Rechtsprechung gründet in der Bewunderung des Humanisten Melanchthon für das römische Recht als ein ideales Rechtssystem, das für alle Zeit den Primat des geschriebenen Rechts verkörpert und in dem er eine schlechthin vollkommene Verwirklichung der lex naturae, sozusagen ihre Inkarnierung in einer konkreten Rechtsordnung, sieht. Und in der humanistischen Neigung schwingt zugleich mit ein Reagieren gegen die in Bauernkrieg und Täuferbewegung offen werdende radikale Ablehnung des römischen Rechtes." Noch flüchtiger ist Melanchthons Epieikeialehre von John T. McNeill in einem Zeitschriftenaufsatz über das Naturrecht in der Lehre der Reformatoren erwähnt, dessen Inhalt in deutscher Übersetzung hier folgt: „Melanchthon stellt seine Epieikeialehre in Gegensatz zum summum ius, der Grenze des Rechts. ,Das Evangelium bietet eine wunderbare Milderung des göttlichen Rechts (ejueixeia) und in ihr erglänzt die Majestät der göttlichen Gnade.' . . . Melanchthon behandelt unter Anführung zahlreicher Zitate aus klassischen Schriftstellern die Frage, ob Billigkeit [Epieikeia] allein auf ungeschriebenes Recht zu beziehen sei oder ebenso auf geschriebenes; er beschränkt die Anwendung allein auf das erstere [?], jedoch nur wenn die in Frage stehenden Verstöße [Rechtsverletzungen] solche sind, die im

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geschriebenen Recht hauptsächlich behandelt sind, und wenn jenes Recht auf Grund ernster E r w ä g u n g geschaffen wurde, um der Billigkeit [Epieikeia] Ausdruck zu geben. Das ist so zu verstehen, daß nach Melanchthon Billigkeit [Epieikeia] dann anzuwenden ist, wenn das geschriebene Recht nicht in angemessener Weise sorgfältig ausgearbeitet i s t . " 1 8 Dieser Überblick über die bisher vorliegende literarische Behandlung unseres Problemkreises, deren Kritik sich aus der folgenden Darstellung von selbst ergeben wird, sei mit einer Übersicht über die hauptsächlichsten

Quellen abgeschlossen,

auf

welchen

diese

beruht 1 9 . II E s sind vor allem seine ethisch-philosophischen Schriften, in denen sich Melanchthon der juristischen Problematik zuwendet. A n 18

John T. McNeill, Natural Law in the Teaching of the Reformers, Journal of Religion, X X V I , 1946, S. 175. 19 Ausgeschlossen von der Darstellung bleibt die neuerdings öfter behandelte Lehre vom Widerstandsrecht. Uber das Widerstandsproblem: Haenel, S. 265ff.; Karl Köhler, Luther und die Juristen, S. 63 ff.; Stintzing, I, S. 277ff., 286; Karl Müller, Luthers Äußerungen über das Recht des bewaffneten Widerstands gegen den Kaiser, SB. München, philos.-hist. Kl., Jgg. 1915, 8. Abh., München 1915, S. 65 ff., über Melanchthons Gutachten; Hans Lüthje, Melanchthons Anschauung über das Recht des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Zeitschrift für Kirchengeschichte, X L V I I , N. F. io, 1928, S. 512 — 542, auch juristisch beachtlich; Josef Bohatec, Calvin und das Recht, S. i j 1—206, mit Berücksichtigung Melanchthons; Richard Nürnberger, Kirche und weltliche Obrigkeit bei Melanchthon, phil. Diss. Freiburg i. Br. 1937, S. 2Öff.; Erik Wolf, Die Sozialtheologie Zwingiis, Festschrift Guido Kisch, Stuttgart 1955, S. 185 und Anm. 74; Gottfried Weber, Grundlagen und Normen politischer Ethik bei Melanchthon (Theologische Existenz heute, N. F. Nr. 96), München 1962. (Leider hat Kurt Wolzendorff, Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt, Breslau 1916, die Widerstandslehre des 16. Jahrhunderts nicht behandelt und nur flüchtig Calvin und Hotmann erwähnt.) — Das Verhältnis von Kirche und weltlicher Obrigkeit bei Melanchthon sowie die durch seine Konzeption bewirkte Verbindung von evangelischer Kirche, landesfürstlicher Gewalt und humanistischem Bildungsideal steht hier ebenfalls nicht zur Untersuchung; darüber ausführlich Nürnbergers erwähnte Dissertation. — Auch andere von Melanchthon gelegentlich behandelte kasuistische Rechtsprobleme, so die über Eigentum, Zinsverbot und Eherecht, sollen nicht erörtert werden. Sie müssen Spezialstudien überlassen bleiben.

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erster Stelle zu nennen ist das Kompendium der Ethik, das in zwei Bearbeitungen vorliegt. Die erste erschien unter dem Titel Pbilosophiae moralis epitomes libri duo zuerst im Jahre 1538m Straßburg, in weiteren Auflagen daselbst 1539, 154°> 1542, 1546; die zweite, betitelt Ethicae doctrinae elementorum libri duo, zuerst in Wittenberg 1550, sodann daselbst 1554, 1557, 1560, ferner in Straßburg 1556 und 1559 20 . Schon der moderne Herausgeber Heinrich Ernst Bindseil und ebenso Haenel bemerkten, daß beim Vergleich der Bearbeitungen bald Verkürzungen, bald Erweiterungen der einen gegenüber der anderen festzustellen sind, daß ferner die zweite gegenüber der ersten eine stärkere theologische Färbung aufweist. Für die folgenden Betrachtungen kommen namentlich aus dem „De iustitia" überschriebenen zweiten Buch die folgenden zwei Kapitel in Betracht: „Quid interest Ínter summum ius et éitieíxEiav" und „Estne iudicandum iuxta scriptum ius an secundum aequitatem ? " 2 1 Natürlich wird neben anderen Schriften auch Melanchthons berühmtes Hauptwerk, das Lehrbuch der Dogmatik, die Loci communes rerum theologicarum („Grundbegriffe der Theologie", erste Fassung Wittenberg 15 21, zweite bereits von Melanchthon erweiterte und verbesserte 1522, dann Wittenberg 1535, letzte Wittenberg und Leipzig 1543, 1559), das gerade während der letzten Jahre mit Recht in den Mittelpunkt aller neueren wissenschaftlichen Erörterungen um Melanchthon getreten ist, nicht bei Seite gelassen werden dürfen22. Denn in ihnen 20 Corpus Reformatorum, X V I , Halis Saxonum 1850, S. 21 ff. und 1 6 5 f f . ; jetzt neu abgedruckt bei Richard Nürnberger, Melanchthons Werke, III. Bd.: Humanistische Schriften, in Melanchthons Werke in Auswahl, hg. von R. Stupperich, Gütersloh 1 9 6 1 , S. 15 7 ff. 21 CR., X V I , S. 7 3 - 8 1 ; M W A . , III, S. 2 1 1 - 2 x 8 . In der zweiten Bearbeitung lauten die betreffenden Kapitelüberschriften: „Discrimen Ínter summum ius et ¿jueíjceiav" und „ A n iudicandum sit ex scripto iure, an vero aequitas extra scriptum quaerenda s i t " ; C R . , X V I , S. 2 3 1 — 2 3 7 . 22 CR., X X I , S. 1 - 1 1 0 6 ; G. L. Plitt und Th. Kolde, Die Loci Communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt, 3. A u f l . , Leipzig 1900; 4. Aufl., 1 9 2 5 ; dazu Haenel, S. 2 5 2 ; vor allem Walter Sohm, Die Soziallehren Melanchthons, Historische Zeitschrift, C X V , 1 9 1 5 , S. 64—76. Neue kritische Ausgabe der Loci bei Robert Stupperich, Melanchthons Werke in Auswahl, II, 1 — 2 , Gütersloh 1 9 5 2 , 1 9 5 3 . A u s der neuesten Literatur über die Loci communes seien folgende Abhandlungen hervorgehoben seit Paul Joachimsen, Loci communes: Eine Untersuchung zur Geistesgeschichte des Humanismus und der Reformation, LutherJahrbuch, V I I I , 1926, S. 2 7 — 9 7 : Wilhelm H. Neuser, Der Ansatz der Theologie

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mündet die in seiner Lehre vom natürlichen und göttlichen Sittengesetz gegründete Auffassung der weltlichen Ordnung ein in sein theologisches System. Für Entwicklungsgeschichte und Verständnis seiner Rechts- und Epieikeialehre werden natürlich Melanchthons Kommentare, Paraphrasen und Einleitungen zu Aristoteles' Nikomachischer Ethik und zu Ciceros Werk De ojficiis von Wichtigkeit sein: Enarrationes aliquot librorum ethicorum Aristotelis, von denen der Kommentar zum fünften Buch der Nikomachischen Ethik zuerst 1 5 3 2 m Wittenberg und 1535 in Straßburg erschien, 1545 in Wittenberg, 1546 in Straßburg, zuletzt zu Melanchthons Lebzeiten in Wittenberg 1560 wieder aufgelegt wurde; darin das Kapitel „ D e discrimine summi iuris et aequitatis" 2 3 ; aus den Commentarii in aliquot politicos libros Aristotelis, zuerst 1530 in Wittenberg erschienen, kommt das Kapitel „ D e legibus" in Betracht 2 4 ; schließlich aus den Prolegomena in Officia Ciceronis, zuerst 15 30 in Hagenau erschienen, das Kapitel „Discrimen severae iustitiae et emeixeiag"25. Hinzu kommen einige „Scholia in Ciceronis orationem pro A . Caecina", welche in die Basler Ausgabe von 1553 aufgenommen sind und auch in den Drucken von Lyon 1 5 5 4 und von Leipzig 1568 erscheinen 26 . Philipp Melanchthons (Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche, 9. Bd., 1. Teil), Neukirchen 1957, besonders S. 45 ff., 49f., Anm. 42, 9 3 ff., 114 ff.; Wilhelm Maurer, Zur Komposition der Loci Melanchthons von 1521, ein Beitrag zur Frage Melanchthon und Luther, Luther-Jahrbuch, X X V , 1958, S. 146—180; Maurer, Melanchthons Anteil am Streit zwischen Luther und Erasmus, Archiv für Reformationsgeschichte, IL, 1958, S. 89 — 1 1 5 ; Maurer, Melanchthons Loci communes von 1521 als wissenschaftliche Frogrammschrift, ein Beitrag zur Hermeneutik der Reformationszeit, Luther-Jahrbuch, X X V I I , i960, S. 1 — 50 (von diesen Studien Maurers ist nur die an zweiter Stelle genannte in seinen Melanchthon-Studien — Gütersloh 1964 — wieder abgedruckt). Ferner die beiden oben, Anm. 2 und 3, angeführten Abhandlungen von Clemens Bauer sowie weitere ¿(¡«'-Literatur besprochen bei Peter Fraenkel, Fünfzehn Jahre Melanchthonforschung (oben, Anm. i), S. 601 f., 604—609, ebenso in Fraenkels anderen daselbst aufgezählten Bibliographien. Neuestens: Melanchthon on Christian Doctrine: Loci communes, 1555, ins Englische übersetzt und hg. von Clyde L. Manschreck, New York 1965; dazu Lewis W. Spitz, Renaissance News, X I X , 1966, S. i 3 8 f . 23 CR., XVI, S. 399—411; Text der Wittenberger Ausgabe von 1560. 24 CR., XVI, S. 443-452. 2 5 CR., XVI, S. 562-565. 26 CR., XVI, S. 1 1 8 7 - 1 1 9 4 .

2. Philipp Mclanchthon Porträt von Lucas Cranach dem Älteren, 1543

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Abgesehen von einzelnen gelegentlichen Äußerungen, welche nur mittelbar in Betracht kommen, enthalten eine Anzahl von Reden, „Declamationes", Gelegenheitsreden zu akademischen Feiern, die juristischen Themen gewidmet sind, wichtiges Quellenmaterial. Bald nach seiner Berufung nach Wittenberg hat sich Melanchthon nämlich darum bemüht, den Brauch der „Deklamationen" daselbst als regelmäßige Einrichtung einzuführen, welche schon seit den Rhetorenschulen der hellenistischen Zeit ihren festen Platz im Studiengang hatten. E s handelt sich teils um Übungsreden in lateinischer Sprache, teils um ebensolche Gelegenheitsreden zur Eröffnung der V o r lesungen oder zu akademischen Feiern und sonstigen Anlässen. Sie sind von Melanchthon verfaßt, nicht nur für eigene Vortragsverpflichtungen, sondern viele Male auch für andere. Manche von ihnen sind nicht von ihm selbst, sondern von anderen Gelehrten und Doktoren vorgetragen worden 2 7 . „ Z u seinem Ruhm als humanistischer Wissen27 CR., XI, S. 1 - 2 ; XII, S. 1 - 2 . Allgemein über Melanchthons Declamationes Georg Theodor Strobel, Miscellaneen literarischen Inhalts, V, Nürnberg 1781, S. 131 — 180: „Literarische Nachricht von Melanchthons Declamationen" (Strobel, S. 138, hat den Wert der Erstausgaben klar erkannt); dazu Georg Veesenmeyer, Nachlese zu Strobels Nachricht von Melanchthons Declamationes, in desselben Verfassers Sammlung von Aufsätzen zur Erläuterung der Kirchen-, Litteratur-, Münz- und Sittengeschichte, Ulm 1827, S. 63—73; Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, Berlin 1889, S. 449ff.; Hartfelder, Philippus Melanchthon Declamationes (Lateinische Literaturdenkmäler, hg. von Max Herrmann und Siegfried Szamatolski, Heft 4), Berlin 1891, S. V—XVII; X X I X ff., daselbst übersichtliches Verzeichnis der im 16. Jahrhundert erschienenen Sammlungen Melanchthonscher Deklamationen; Nikolaus Müller, Zur Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons (1545 — 1560) in: Festschrift für D. Köstlin: Beiträge zur Reformationsgeschichte, Gotha 1896, S. 116 — 157; daselbst, S. U9f., wichtige Kritik an der Ausgabe der Declamationes durch Bretschneider im CR.; Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica, Leipzig 1892, S. 88 ff.; Gustav Bauch, Die Einführung der Melanchthonischen Declamationen und andere gleichzeitige Reformen an der Universität zu Wittenberg, Breslau 1900 (über die inhaltliche Vielseitigkeit und die akademischen Ziele der Deklamationen Melanchthons); fohannes Haussleiter, Aus der Schule Melanchthons: Theologische Disputationen und Promotionen zu Wittenberg in den Jahren 1546 — 1560, Greifswald 1897; ferner Richard Nürnberger, in Melanchthons Werke in Auswahl, III, S. 15 f.; vgl. auch Ernst Wolf, Zur wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung der Disputationen an der Wittenberger Universität im 16. Jahrhundert, in: 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, I, Halle 1952, S- 335—344Immer wieder warb Melanchthon für Belebung und Lebendigerhaltung der Institution der Declamationes in Wittenberg. So begann er seine erste Rede

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schaftler gehörten nicht zuletzt seine akademischen Reden" (Nürnberger). In ihnen sind verschiedenartige Themen behandelt, unter welchen den juristischen Gegenständen gewidmeten anscheinend eine gewisse Vorliebe Melanchthons galt. Ihnen kommt für die rechtshistorische Betrachtung besonderes Interesse zu. Sie erscheinen als Grundlagen für die vorliegende Darstellung besonders geeignet, da in ihnen die Gedankengänge des Verfassers übersichtlich zusammengestellt sind. Es folgen die Titel der Orationes, welche für die folgenden Untersuchungen ausgewertet worden sind. Der Verfasser war bemüht, von den nachstehend aufgezählten, sämtlich im Anhang abgedruckten Reden Melanchthons über Gesetz, Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit die Erstdrucke aufzuspüren, um auf ihrer Grundlage einen zuverlässigeren Text herstellen zu können, als er im Corpus Reformatorum geboten ist. Seinen persönlich und durch Korrespondenz ausgeführten Nachforschungen in den wichtigsten europäischen und amerikanischen Bibliotheken war jedoch nur geringer Erfolg beschieden28. Von den hier verzeichneten vierDe legibus (siehe unten das Verzeichnis, Nr. i) mit einer öffentlichen Einladung zur Abhaltung solcher: „Deinde, ut eruditos omnes publica voce rogitem, ut in hanc arenam et ipsi aliquando descendant cum pueris collusuri". Nach Veesenmeyer (S. 64) wurde die Einrichtung der Declamationes in Wittenberg erst im Jahre 1536 offiziell eingeführt. Luthers Äußerungen über die Wittenberger Disputationen sind zusammengestellt bei Johannes Ficker, Luther als Professor (Hallische Universitätsreden, Heft 34), Halle 1928, S. 49, zu S. 22 Z . 23. Ficker irrt jedoch, wenn er (S. 5) ihre Wiedereinführung Luther zuschreibt. Dagegen spricht Melanchthons briefliche Äußerung an Camerarius vom 16. April 1525, CR., I, S. 737: „ N a m legem tulimus, ut singulis mensibus declametur." — In seiner Schätzung des pädagogischen Wertes der Disputationen ist anderthalb Jahrhunderte später Thomasius in Melanchthons Fußstapfen getreten; vgl. Gertrud Scbubart-Fikentscher, Christian Thomasius und die Hochschule seiner Zeit, Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, V I , 1, 1956, S. 15. 28 Von den im folgenden aufgezählten Reden Melanchthons ist kein Erstdruck in den Katalogen der Bibliotheken des Reichsgerichts in Leipzig (von K . Schulz, Leipzig 1882, 1890, 1918) und des Kammergerichts in Berlin (Berlin 1913) ausgewiesen. Dasselbe gilt für den Short-Title Catalogue of Books Printed in the German-Speaking Countries and German Books Printed in Other Countries from 1455 to 1600, Now in the British Museum, London 1962; ebenfalls für einen gedruckten Auktionskatalog aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „Catalogue of the Library of Dr. [George] Kloss of Franckfort a. M., Professor; including many original and unpublished manuscripts and printed books with

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zehn Reden konnten bloß fünf Originalausgaben ermittelt werden. Dieses magere Ergebnis zwingt zur Annahme, daß sich von den übrigen die Erstdrucke nicht erhalten haben. Die Möglichkeit, daß ein glücklicher Zufall den einen oder anderen doch noch einmal ans Tageslicht bringen könnte, besteht freilich, doch muß sie sehr gering erscheinen. Aus dieser Sachlage folgt die unvermeidliche Notwendigkeit, sich beim Neuabdruck dieser Stücke, der sich auf einen Urdruck nicht stützen kann, die traditionelle Überlieferung in frühen Sammlungen Melanchthonscher Reden zugrunde zu legen und sich mit der vorsichtigen Emendation offenbarer Druckfehler oder schlechter Lesarten sowie der Einfügung sinngemäßer Interpunktion zu begnügen. Wo dagegen Erstdrucke verfügbar waren, wurde auf den ms. annotations by Philip Melanchthon, which will be sold by auction by Mr. [Samuel] Sotheby and son, on Thursday, May 7th. London 1 8 3 5 " ; 343 Seiten, mit vielen Büchern, die angeblich aus Melanchthons Bibliothek stammten. Zwei Exemplare dieses Katalogs befinden sich in der Harvard University Library in Cambridge, Mass., U S A : Widener Library, Sign. B 1645.2 und Houghton Library B 1827.490*. In dem handschriftlichen Sammelband („Kopialbuch"), dessen Inhalt auf S. 334—339 (Nr. 4637) des Katalogs beschrieben ist, findet sich die Angabe: „Disputationes P[hilippi] M[elanchthonis] 1 5 4 1 , pag. 274—284". Es handelte sich möglicherweise um die handschriftliche Vorlage der 1541 in Straßburg gedruckten Sammlung von Declamationes (vgl. Hartfelder, Declamationes, S. X X X , Nr. 3), falls es wirklich eines der drei ehemals Melanchthon zugehörigen Manuskripte gewesen sein sollte. Wo sich der Band heute befindet, war nicht zu ermitteln. Nach handschriftlicher Eintragung in dem Exemplar der Houghton Library, in welchem die erzielten Preise und Namen der Käufer verzeichnet sind, wurde das angeblich Melanchthonsche Kopialbuch für £ 33 an „Longman" verkauft. Im übrigen wurde schon von Professor Kloss als Täuschung enthüllt, daß es sich bei seiner Sammlung um Melanchthons Bibliothek gehandelt habe; darüber Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica, S. 228 f. Nikolaus Müller, Zur Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons, hat folgende bei juristischen Promotionen gehaltene Declamationes des Reformators verzeichnet: S. 134, Nr. 8 (1548), S. 136, Nr. 1 (1550), S. 139, Nr. 10 (1550), S. 140, Nr. 1 (1551), S. 1 4 1 , Nr. 2 (1552), S. 143, Nr. 5 (1553), S. 144, Nr. 3, 4 (i554), S. 145, Nr. 7 (1554), S. 149, Nr. 5, 6 (1556), S. 153, Nr. 3 (1558). Nicht alle dieser Reden behandeln jedoch juristische Themen. Soweit es sich um solche handelt, die für die vorliegende Arbeit in Betracht kommen, erfolgt bei der Aufzählung derselben weiter unten ein Hinweis auf Müllers Titelaufnahme. E s gelang nicht, die von ihm auf S. 120, Anm. 1 erwähnte „Oratio Philippi Melanctonis . . . Quatenus parendum humanis legibus" (ohne Ort und Jahr; nicht im CR.) zu identifizieren. Seine Absicht, diese und die anderen „verschollenen Reden gelegentlich zu veröffentlichen", konnte Müller offenbar nicht zur Ausführung bringen.

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Melanchthon und die Jurisprudenz

Text derselben zurückgegriffen. Der Wortlaut ihrer Titelblätter mit Druckorten und Erscheinungsjahreszahlen wird jeweils angegeben, unter Hinzufügung der Standorte der erhaltenen Erstausgaben. Das Fehlen solcher Angaben bedeutet, daß der Erstdruck nicht ermittelt werden konnte. Der Hinweis auf den Abdruck im Corpus Reformatorum mußte dann genügen. Daselbst sind die Nachweise zu finden, in welchen älteren Sammlungen die betreffende Rede früher abgedruckt worden ist. i. De legibus oratio Philippi Melanchthonis; 1523 —1524. CR., XI, S. 66-86. Hartfelder, Melanchthon, S. 584, Nr. 99. Über die Datierung siehe Teil II, Kap. IV bei Anm. 14 und 15. Erstdruck in einem Sammelbande Melanchthonscher Reden mit folgendem Titel: „Oratio dicta in funere Friderichi Saxoniae Ducis. — Oratio de Legibus. — Oratio de Gradibus. — Praefatio in Aeschinis et Demosthenis orationes. — Oratio Critiae contra Theramenem ex Xenophonte. Phil. Mel. Autore. Haganoe, excudebat Iohan. Secer. Anno M . D . X X V . " Exemplare in der Ratsschulbibliothek, Zwickau, Sachsen (Sign. 29,3,39), nach Mitteilung von Dipl. phil. Joachim Werner, Zwickau; Universitätsund Landesbibliothek Halle a. S. (Sign. Vg. 4205), nach Mitteilung von Professor E. Selbmann; Universitätsbibliotheken Freiburg i. Br. und Göttingen; Herzogl. Bibliothek Wolfenbüttel (Sign. YK40.8 Heimst. 6), mitget. von Dr. Kästner; Houghton Library of Harvard University, Cambridge, Mass. (Sign. * N C 5. Erl. 153.530x), mit altem handschriftlichem Besitzervermerk: „Collegii Societatis Jesu Herbipolensis"; von mir benützt, Photokopie in meinem Besitz. Vermutlich nach Königsberger Exemplaren neu hg. von Theodor Muther, Philippi Melanthonis de legibus oratio denuo edita (Königsberger Universitätsprogramm aus Anlaß der dreihundertsten Wiederkehr von Melanchthons Todestag), Königsberg 1860, editio secunda, 23 Seiten in Quartformat; Neuausgabe in Kleinoktav, Weimar 1869. Muthers Verdienst bei der Neuausgabe dieser Rede besteht hauptsächlich in der Zusammenstellung der alten Ausgaben und in der Identifizierung einer Anzahl biblischer und klassischer Zitate. Die Verzeichnung orthographischer Abweichungen der verschiedenen alten Drucke ist durchwegs belanglos.

ORATIO DE

DIGNITATE

D O C T R I N 7 E L E G VM E T IV« rtoonfultorufecitatikuirocldrißimo et NMR lotcbitno k B«»& Doflore iuris9cum gudus öofio rm in iure decerneretur uiro cUrißima Chitiano Goldftein iuniori Annoiffi* DE

COMEDENTI

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VVITTEBERGiE, EXCVDEBAT IOHANNEi CRÄTO. M. D.

LIU.

Titelblatt des Erstdruckes der Oratio de dignitate doctrinae legum et iurisconsultorum Wittenberg 1553 Die Illustration beruht auf Richter, 14.14

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Melanchthon und die Jurisprudenz

Außer den von Muther (S. IV—VI der Königsberger und S. VII—X der Weimarer Ausgabe) angegebenen gibt es noch andere alte Nachdrucke dieser ersten „juristischen" Rede Melanchthons De legibus, so in einem Sammelbande mit dem Titel: „And. Alciati Libellus de ponderibus et mensuris. Item Budaei quaedam de eadem re, adhuc non uisa. Item Philippi Melanchthonis, de iisdem, ad Germanorum usum, sententia. Alciati quoque et Philippi Melanchthonis in laudem Iuris Civilis orationes duae elegantissimae", Haganoe apud Iohan. Sec[er]. Anno M.D.XXX Mense Martio. Melanchthons Rede steht auf Bl. D II bis F V (Exemplar in der Universitätsbibliothek Basel, Sign. M m VIII10); ferner in der ersten Sammlung von Reden Melanchthons Orationes aliquot lectu dignissimae, a Philippo Mel. atque aliis doctissimis quibusdam in publica Wittenbergensium schola pronunciatae, Haganoae ex officina Kobiana, Anno XXXIII, mense Septembri, Bl. B II b ; vgl. Otto Clemen, Studien zu Melanchthons Reden und Gedichten, Leipzig 1913, S. 29f. Eine Ausgabe „Paris 1534" besitzt die Library of Congress in Washington, die mir jedoch nicht zugänglich war. Die Rede ist auch aufgenommen in Iacob Spiegel, Lexicon Iuris Civilis, Basel 1549, S. 287—302; Basel 1577, S. 154—168. 2. Oratio in promotione cuiusdam iurisconsulti, habita a Doct. Sebaldo Munstero: Res non iudicandas secundum arbitrium iudicis, sed secundum criptum ius. Anno 1532. CR., XI, S. 215—2x8. Ob identisch mit der zu Hagenau 1533 gedruckten Oratio de legibus a Seb. Munstero recitata (Hartfelder, S. 591, Nr. 211), konnte nicht festgestellt werden, ist aber wahrscheinlich; einen anderen Druck, Witebergae 1533, weist Clemen, a. a. O., S. 31, nach. 3. Delrnerio etBartolo iurisconsultis oratio recitata a D. Sebaldo Munstero; 1537 (?)• CR., XI, S. 350-356. Haenel, S. 259, Anm. 52, schreibt diese Rede Sebaldus Munsterus zu, obwohl ausdrücklich überliefert ist, daß sie von ihm bloß „rezitiert" wurde. Sie ist von Hartfelder, Melanchthon, S. 5 93 f., unter den Werken des Jahres 1537 und auch sonst in diesem Bande nicht erwähnt, wohl aber, und zwar als von Melanchthon verfaßt, bei Hartfelder, Declamationes, I, S. X.

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4. De dignitate legum oratio; 1538. CR., X I , S. 3 5 7 - 3 6 4 . Aufgenommen auch in Iacob Spiegel, Lexicon Iuris Civilis, Basel 1549, S. 281—286; Basel 1577, S. 149—154. 5. Oratio publice habita Witenbergae in promotione Doctoris Iuris de scripto iure et de dignitate veterum interpretum iuris; unbestimmten Datums; vermutlich 1539. CR., X I , S. 218—223. Enthalten in der wie folgt betitelten Broschüre: „Epistola Philippi Melantonis ad Senatum Venetum. — Oratio Pvblice Habita Vuittenbergae in promotione Doctoris Iuris, de Scripto Iure et dignitate veterum interpretum Iuris." Impressum Norinbergae, per Hieronymum Formschneyder. Anno M . D . X X X I X . Nach Otto Clemen, Studien zu Melanchthons Reden und Gedichten, Leipzig 1913, S. xx, ist dieser der Erstdruck. Exemplare in der Stadtbibliothek Nürnberg (Sign. Strobel, Melanchthon, 333. 8°), nach Mitteilung v o n Dr. K . Goldmann; in der Ratsschulbibliothek Zwickau (Sign. 14.2.28), Mitteilung v o n Dipl. phil. Joachim Werner; Universitätsbibliothek Basel (Sign. X D X I 20.8). Sie ist auch aufgenommen in Iacob Spiegel, Lexicon Iuris Civilis, Basel 1549, S. 109—112; Basel 1577, S. 98—101. Stintzing, I, S. 284, Anm. 1, datiert die Rede „ v o r 1541", Clemen auf 1538. Nach Emil Menke-Glücker/, Die Geschichtschreibung der Reformation und Gegenreformation, Leipzig 1912, S. 149, ist sie „wahrscheinlich von 1532". Auffallend ist jedoch, daß sie erst 1539 gedruckt sein sollte, wenn sie wirklich bereits vor sieben Jahren gehalten worden wäre. Wahrscheinlicher ist somit das Jahr 1538 oder 1539, das auch Stintzings Datierung näher kommt. 6. Oratio de dignitate legum; 1543. CR., X I , S. 630-636. Nach CR., XII, S. 152, Nr. 151, identisch mit Nr. 14 dieses Verzeichnisses; siehe daselbst. Neuer Abdruck in Melanchthons Werke in Auswahl, III, S. 115 — 1 2 1 . Dieser Neudruck folgt mit vereinzelten willkürlichen Änderungen in Wortlaut, Anordnung und Interpunktion dem in CR., X I , S. 630—636.



Melanchthon und die Jurisprudenz

7. Oratio de legibus, recitata a D. Laurentio Lindeman, Doctore Iuris, cum decerneretur gradus Doctoris Doctori Michaeli Deubero. Epithalamion scriptum Doctori Michaeli Deubero a Iohanne Cinglario. VVitebergae. AnnoM.D.L.; 1550. CR., XI, S. 908—916. Hartfelder, S. 606, Nr. 463 ; Nikolaus Müller, Zur Chronologie und Bibliographie der Reden Melanchthons (1545 — 1560), in Beiträge zur Reformationsgeschichte, Gotha 1896, S. 136, Nr. 1. Exemplar in der Stadtbibliothek Nürnberg (Sign. Strobel, Mei. 391, 8°). 8. Oratio de dignitate doctrinae legum et iurisconsultorum, recitata a uiro clarissimo et nobili Ioachimo a Beust, Doctore Iuris, cum gradus Doctorum in Iure decerneretur uiro clarissimo Chiliano Goldstein iuniori Anno ijjß. Witebergae, excudebat Iohannes Crato. M.D.LIII; 1553. CR., XII, S. 1 9 - 2 7 . Hartfelder, S. 609, Nr. 5x1; Müller, S. 143, Nr. 5. Exemplare in der Stadtbibliothek Nürnberg (Sign. Strobel, Mei. 400,8°) ; Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Sign, unbekannt), Mitteilung von Professor Selbmann. 9. Oratio de veris legum fontibus et causis; explicans simul et hanc quaestionem: An Romano iure et scriptis eorum, qui id interpretati sunt, utendum sit; 1550 (?). CR., XI, S. 916—924. 10. De aequitate et iure stricto, ex l. Placuit C. de iudiciis (C. 3.1.8); 1542. CR., XI, S. 550—555. 11. Oratio de stricto iure et aequitate, ex l. Placuit, Codice de iudiciis (C. 3.1.8). Recitata a D. Melchiore Kling; 1544. CR., XI, S. 669-675. 12. Oratio de lege Placuit, Cod. de iudiciis (C. 3.1.8); 1554. CR., XII, S. 9 5 - 1 0 1 . Müller, S. 144, Nr. 3. 13. Oratio de vita darissimi viri Hieronymi Schur ffii I. V. Doctoris, recitata a D. Michaele Tevbero Doctore, cum decerneretur gradus Doctoris, Dodo uiro, M. Georgio Cracovio Pomerano, additis quibusdam ritibus in ilio

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actu obseruatis. *** Die septimo mensis Augusti, Anno 1554. VVitebergae in officina haeredum Petri Seitz. CR., XII, S. 86—94. Hartfelder, S. 611, Nr. 545; Müller, S. 145, Nr. 7. Auch mit Anmerkungen abgedruckt bei Daniel Nettelbladt, Hallische Beyträge zu der Juristischen Gelehrten Historie, II. Bd., 5. Stück,Halle 1756, S. 102—125; vgl. daselbst, S. 95 — 101. Exemplare in der Stadtbibliothek Nürnberg (Sign. Strobel Mel. 404, 8°); Universitätsbibliothek Marburg (letztere Angabe nach Müller); Herzogl. Bibliothek Wolfenbüttel (Sign. 527.34 Quodl.). Zweifellos von Melanchthon verfaßt; vgl. unten, Kap. III, Anm. 38. K. Köhler, Luther und die Juristen, Gotha 1873, S. 129, hält fälschlich Teuber für den Verfasser. 14. Oratio de dignitate studii Iuris recitata, cum decernerentur insignia Doctorum in utroque Iure D. Iohanni Reiner0 Oldenburgensi, a Doctore Georgio Cracovio. Vitebergae ex officina haeredum Georgii Rhaw. Anno M.D.LVI; 1556. CR., XII, S. 152; daselbst jedoch nicht abgedruckt mit Hinweis, daß diese Rede wortwörtlich mit der De dignitate legum von 1543 übereinstimme, die CR., XI, S. 630—636, abgedruckt sei. Hartfelder, S. 613, Nr. 594; Müller, S. 149, Nr. 5. Vgl. oben, Nr. 6. Exemplar in der Stadtbibliothek Nürnberg (Sign. Strobel, Mel. 414, 8"). Von den in Melanchthons Werken im Corpus Reformatorum aufgenommenen und ihm zugeschriebenen Reden über juristische Themen gehören einige ihm nicht zu, sondern sind mit größter Wahrscheinlichkeit von dem Wittenberger Ordinarius des bürgerlichen Rechts Hieronymus Schürpf (aus St. Gallen, 1481 — 1554) verfaßt 29 . Dies ist für die im folgenden aufgezählten Reden aus dem Inhalt, namentlich aus mancherlei in ihnen erwähnten persönlichen Bemerkungen, von Theodor Muther glaubhaft gemacht worden, mit dem Nikolaus Müller übereinstimmt30. Ich erblicke eine weitere Stütze für diese Annahme in der Tatsache, daß Schürpf bei Abfassung 29 Über Hieronymus Schürpf siehe unten Kapitel III, Anm. 36, ferner Teil II, Kapitel V I , unter V . 30

Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 4 1 8 f . ; Müller, a. a. O., S. 157.

Melanchthon und die Jurisprudenz

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und Vortrag der erwähnten Reden bereits in Frankfurt an der Oder lebte. Auch innere Gründe, stilistische Gestaltung, sprachliche Ausdrucksform und spärliche Verwendung typisch humanistischen Beiwerks, nicht minder der oft wiederkehrende Hinweis auf sein Alter liefern Beweis. Über die „Echtheitsfrage" bisher Melanchthon zugeschriebener Reden hat ausführlich und sehr vorsichtig Hartfelder gehandelt 31 . Wie er mit Recht im Interesse wissenschaftlicher Zuverlässigkeit den „Nachweis Melanchthonscher Herkunft im einzelnen" für jedes Schriftstück verlangt, das unter fremdem Namen gedruckt wurde, so wird man einen gleichen Nachweis für fremde Verfasserschaft fordern müssen. Für die hier zu betrachtenden drei Reden dürfte er mit Gewißheit zugunsten von Schürpfs Autorschaft erbracht sein 32 . E s folgen nun die Angaben über die bisher Melanchthon zugeschriebenen Reden 3 3 : i. Oratio de ordine politico; item de periculis et officio eorum, qui adhibentur publicis consiliis. 1549(?). CR., X I , S. I O I I - i o i ö 3 " .

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Hartfelder, Philippus Melanchthon Declamationes, S. X—XIV. Muthers Feststellung an einem für Theologen und Reformationshistoriker abseits gelegenen Orte ist dem Bearbeiter der humanistischen Schriften in der neuesten Ausgabe von Melanchthons Werken entgangen, so daß die oben unter 2 und 3 erwähnten Reden von ihm noch als Melanchthon selbst zugehörig betrachtet werden; Nürnberger, Humanistische Schriften, in MWA., III, S. 1 1 5 ; ebenso bei Gottfried Weber, Grundlagen und Normen politischer Ethik bei Melanchthon (Theologische Existenz heute, N. F., Nr. 96), München 1962, S. 8, Anm. 15. 33 Eine Rede Oratio de legibus ist Melanchthon fälschlich zugeschrieben in dem wie folgt betitelten Sammelband (fol. 186—189): Quaestiones de rebus cognitione dignissimis, explicatae in publicis congressibus in Academia Witebergensi. Item utiles aliquot commonefactiones de disciplina et legum dignitate, recitatae a Rectoribus ante lectionem Statutorum, scriptae pleraeque a Philippo Melanthone et excusae in officina haeredum Georgii Rhav, Witebergae 1557, mit Widmungsepistel von Paulus Eberus. Diese Rede ist von denen Melanchthons so verschieden, daß seine Verfasserschaft schlechthin unmöglich erscheint. Sie stammt vermutlich von einem Schüler, der sich mit wenig Geschick bemühte, seine Reden zu dem Thema nachzuahmen. 34 CR., XI, S. 1011, berichtet Schürpf von sich: ago enim iam annum sexagesimum nonum." 32

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2. Oratio de legum iusticia et disciplinaepraestantia ac necessitate, A n . 1 5 5 2 . C R . , X I , S. 1 0 1 6 - 1 0 2 0 3 5 . 3. De reverentia legum. Oratio a D. Hier. Schurphio Sangallensi habita in promotione D. Iohannis a Borcken, Bremensis. 1553. C R . , X I I , S. 1 2 - 1 9 8 « .

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CR., X I , S. 1016, flicht Schürpf eingangs eine Erinnerung an seinen Tübinger Lehrer Ebinger ein: „Memini senem venerandum doctorem Ebinger in Academia Tubingensi, qui annos quinquaginta sex publice docuit. Et cum propter naturae bonitatem et temperantiam, et totum vitae ordinem vires corporis haberet etiam in senecta minus languefactas, non omisit legendi et respondendi laborem. Sed vixit ille in Republica tranquilla ac florente potius Germania, in qua principum coniunctionem sapienter tuebatur Maximiiianus Imperator." 36 CR., X I I , S. 13, bezeichnet sich Schürpf als Mann von 73 Jahren: „Cum autem iam Dei beneficio agam annum tertium et septuagesimum . . .

ZWEITES KAPITEL

Melanchthon und die Rechtswissenschaft A u f welche Weise ist Melanchthons Interesse für das Recht und die Rechtswissenschaft entstanden oder geweckt worden ? * Die Frage ist meines Wissens bisher noch nie aufgeworfen, geschweige denn beantwortet worden: Wieso ist Melanchthon, der Humanist, Philologe und Theologe, der im Jahre 1518 als Lehrer der griechischen Sprache an die 1502 ins Leben getretene Universität Wittenberg berufen worden war und daselbst als engster Mitarbeiter an Luthers Seite trat, dazu gekommen, sich der Rechtswissenschaft zuzuwenden, sich mit juristischen Problemen zu befassen, die Grundfragen von Recht, Gerechtigkeit und Billigkeit in akademischen Reden zu behandeln, ja sogar juristische Vorträge und Vorlesungen zu halten? Das Problem ist schwierig und mit dokumentarisch belegter Gewißheit nicht aufzuhellen. Man dürfte über Vermutungen kaum hinauskommen, die, mögen sie noch so viel Wahrscheinlichkeit für sich haben, doch immer werden Vermutungen bleiben müssen. In der Melanchthonliteratur ist es bisher kaum berührt worden. Selbst Karl Hartfelder hat sich in seinem bis zur Gegenwart maßgebenden Standardwerk mit allgemeinen, recht vagen Andeutungen begnügt. So berichtet er über Melanchthons Studien in Tübingen: „Nebenbei beschäftigte sich der eifrige Magister mit vielerlei anderen Studien. . . . Zugleich war Melanchthon ein fleißiger Bibelleser. Aber auch Jurisprudenz und Medizin beschäftigten seinen regen Geist: ,er hörte bei Theologen, Juristen und Medizinern und nahm Kenntnis von deren Büchern', und dies alles, wie Camerarius sagt,,nicht sowohl aus Ruhmsucht, als um sich den Nutzen und Gewinn des Wissens selbst zu e r w e r b e n ' " * Eine erste Fassung dieses hier neu bearbeiteten Kapitels erschien in der Festschrift für Hans Liermann zum 70. Geburtstag i n : Erlanger Forschungen, Reihe A : Geisteswissenschaften, B d . 16, Erlangen 1964, S. 87—95.

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Kürelich ist nachdrucksvoll darauf hingewiesen worden, daß Melanchthons Großoheim Johannes Reuchlin in manchen Wissenschaftsgebieten und Anschauungen sein Vorbild war, daß er namentlich in seiner sprachlichen Bildung gänzlich von ihm abhängt. „ D i e Lehre von den Jdeae innataeschon 1 5 1 7 ausgesprochen und zeitlebens festgehalten, gehört zu dem neuplatonischen Erbe hinzu, das Melanchthon von Reuchlin übernommen hat. Sie bildet die Grundlage für die so stark entwickelte und durchgängig zu verfolgende Naturrechtsanschauung und für die natürliche Theologie 2 ." Man mag 1

Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae (Monumenta Germaniae Paedagogica, Bd. VII), Berlin 1889, S. 43 f. Die Bezugnahme ist auf Ioach. Camerarii De vita Philippi Melanchthonis narratio, ed. Ge. Theod. Strobel, Halle 1777, S. 15. Christian Friedrich Schnurrer, Orationum academicarum delectus posthumus, ed. H. E . G. Paulus, 1828, S. 50: [In universitate Tubingensi Philippus] „non theologos tantum, sed et iurisconsultos etiam et medicos audivit. . . . Praeter Georgium Simlerum, iura nunc profitentem, quo antea magistro in ludo Pforzheimensi usus fuerat, praecipue solebat laudare Georgium Lampatrum et Ebingerum aliquem, de quo referebat alios doctores dixisse: ,Non possumus omnes doctrina aequare Ebingero"'; zitiert nach Theodor Muther, Philippi Melanthonis De legibus oratio, 2. Aufl., Weimar 1869, S. 39, Anm. 39, da mir Schnurrers Werk nicht zugänglich war. Uber die hier genannten schwäbischen Juristen siehe Heinz Lieberich, Klerus und Laienwelt in der Kanzlei der baierischen Herzöge des 15. Jahrhunderts, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, X X I X , 1966, S. 25 5 f. 2 Wilhelm Maurer, Melanchthon-Studien, Gütersloh 1964, S. 20 ff.; daselbst ausführlich über Reuchlins Einfluß; neuestens Maurer, Die geschichtliche Wurzel von Melanchthons Traditionsverständnis, in: Zur Auferbauung des Leibes Christi: Festgabe für Peter Brunner, Kassel 1965, S. 172; ferner Joachim Rogge, Melanchthon im Kreise der Humanisten, in: Theologia Viatorum, Jahrbuch der kirchlichen Hochschule Berlin, VII, 1959 — 1960, S. 132t.; Kurt Hannemann, Reuchlin und die Berufung Melanchthons nach Wittenberg, in: Festgabe Johannes Reuchlin 1455— IJ22, Pforzheim 1955, S. 108 —138. — Über Melanchthon und Erasmus siehe Paul Joachimsen, Loci communes, Luther-Jahrbuch, VIII, 1926, S. 59ff.; Maurer, Melanchthon-Studien, S. 25—28, vgl. i j y f f . ; Maurer, Melanchthons Loci communes von 15 21 als wissenschaftliche Programmschrift, LutherJahrbuch XXVII, i960, S. 32ff.; Rogge, a. a. O., S. 136, 138f.; Robert Stupperich, Der unbekannte Melanchthon, Stuttgart 1961, S. 13: „Melanchthon ist weniger ein Gelehrter aus der Schule Reuchlins und der älteren deutschen Humanisten als aus der Schule des Erasmus." Es wird berichtet, daß Melanchthon auf dem Totenbett die von Beatus Rhenanus wiedergegebenen Sterbensworte des Erasmus selbst aussprach und den Anwesenden erklärte, daß es Erasmus sei, dem er nachfolge; Cornelis Redijk, Das Lebensende des Erasmus, Basler Zeitschrift, LVII, 1958, S. 26. — Uber Melanchthons Abhängigkeit von Rudolph Agricola siehe Hartfelder, Melanchthon, S. 2i7ff.; Joachimsen, a. a. O., S. 53ff.; Maurer, LutherJahrbuch, X X V I I , i960, S. 24ff.; Adolf Sperl, Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation, München 1959, S. 38ff.

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Melanchthon und die Jurisprudenz

Wilhelm Maurers Ansicht von der sprachlichen Abhängigkeit von Reuchlin zustimmen. Die Frage, ob Melanchthons Naturrechtslehre ebenfalls auf Reuchlin zurückgeführt werden kann, wird jedoch einer eingehenderen Prüfung bedürfen. Maurer hat durch die enge Verkoppelung des „universalen Theismus des christlichen Humanisten" mit der humanistischen Jurisprudenz Reuchlins seiner Erklärung auch hier eine so starke theologisch-dogmatische und philosophische Fundierung gegeben, wie man sie bei dem Juristen und Philologen Reuchlin wohl schwerlich finden kann 3 . Demgegenüber hat Clemens Bauer nachgewiesen, daß die Naturrechtsanschauungen des jüngeren Melanchthon vom Theologieideal des Erasmus stark mitgeformt sind, wofür auch die Kenntnis der Ethik und Rechtslehre Johannes Gersons nicht ohne Bedeutung gewesen sein mag 4 . Es ist bekannt, daß Reuchlin seinem Großneffen empfohlen hat, die Schriften Gersons zu lesen 5 . Von einer ähnlichen Anregung Reuchlins, der doch nicht nur ein im praktischen Rechtsleben bewanderter Richter und Anwalt, sondern auch ein theoretisch äußerst kenntnisreicher Jurist gewesen ist, hinsichtlich der Quellen des römischen Rechts und seiner mittelalterlichen Kommentare ist aber nichts überliefert. Man könnte vielleicht daran denken, daß die Beschäftigung mit einzelnen Werken Ciceros, über welche Melanchthon Vorlesungen gehalten hat, und namentlich mit den Gerichtsreden, zu denen er Scholien verfaßte, sein Interesse für die Jurisprudenz erregt habe 6 . 3 Vgl. Guido Kisch, Zasius und Reuchlin, eine rechtsgeschichtlich vergleichende Studie zum Toleranzproblem im 16. Jahrhundert (Pforzheimer Reuchlinschriften, Bd. I), Konstanz und Stuttgart 1962, S. 30. 4 Clemens Bauer, Melanchthons Naturrechtslehre, Archiv für Reformationsgeschichte, XLII, 1951, S. 79, 98, 100. Vgl. z.B. Corpus Reformatorum, X V I , S. m ; MWA., III, S. 249. 5 Robert St Upper ich, Melanchthon (Sammlung Goeschen, Bd. 1190), Berlin i960, S. 20. 6 Siehe das Verzeichnis der Vorlesungen Melanchthons bei Hartfelder, S. 555 (1512 — 1518, schon in Tübingen Cicero Vorlesungen), 557 (1524: De oratore, Pro Milone, De officiis), 558 (1525: De officiis, Pro Sexto Roscio; 1528: De oratore; 1529: Pro Murena), u.a.m. Über die Auswirkung des Cicero- (und Aristoteles-) Studiums auf Melanchthons theologische und ethische Entwicklung vgl. Bauer (oben, Anm. 4), S. 86ff.; Maurer, Luther-Jahrbuch, X X V I I , i960, S. 28ff. Ernst Wolf, Philipp Melanchthon — Evangelischer Humanismus (Göttinger Universitätsreden, Heft 30), Göttingen 1961, S. 10: ,,Es ist charakteristisch, daß Melanchthon den Meister der Rhetorik, Cicero, nach seinen politischen und

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Direkte positive Beweise ließen sich jedoch nicht erbringen, wenngleich man Cicero als mitwirkenden Faktor in Betracht 2iehen muß. Zweifellos ist Melanchthons juristisches Verständnis durch den großen römischen Redner und Advokaten stark gefördert worden. Es erübrigt noch 2u prüfen, ob sich etwa An2eichen oder Spuren mittelbarer oder unmittelbarer Einwirkung literarischer Vorbilder oder persönlichen Einflusses von Seiten zeitgenössischer Juristen auf Melanchthon ermitteln lassen. Für eine mittelbare Einwirkung kommt vielleicht der bedeutende Basler Rechtsdenker und Rechtslehrer Claudius Cantiuncula ernstlich in Betracht, der nur wenig älter als Melanchthon gewesen ist. Viel stärker jedoch, man darf wohl sagen am stärksten von allen Einwirkungen juristischer Vorbilder auf Melanchthon, war der Einfluß seines von ihm sehr verehrten und viel gerühmten Wittenberger Lehrers und lebenslangen Freundes Hieronymus Schürpf. Über ihn und das mögliche Vorbild eines bestimmten Werkes von Cantiuncula wird in den folgenden Kapiteln ausführlich gesprochen werden. Trotz dieser Betrachtungen ist jedoch eine Antwort auf die anfänglich gestellte Frage noch nicht gefunden, woher Melanchthon ursprünglich Anstoß und Anregung zur eingehenden Befassung mit Rechtsproblemen und zu tieferem Eindringen in die Jurisprudenz empfangen hat. Daß es sich aber um ein solches und nicht bloß, wie behauptet worden ist, lediglich um eine „oberflächliche Erläuterung einiger juristischer Begriffe und um die Entwicklung der einschlagenden Regeln zu Popularisierungszwecken und zur Beruhigung der Gerichtsreden studiert, nicht nach seinen theoretischen Schriften"; daselbst, S. 15 f.: „Die Heilige Schrift gilt nur für die Religion, für das bürgerliche Leben gilt Cicero, so heißt es in der Vorrede zur Neuausgabe der Officien Ciceros (1525) [Corpus Reformatorum, XI, S. 88]". Vgl. Heinrich Maier, Philipp Melanchthon als Philosoph, in Maiers An der Grenze der Philosophie, Tübingen 1909, S. 69 ff., 79, 109. Am eindrücklichsten und mit gründlicher Beweisführung über Melanchthon als „Schüler des Aristoteles und Cicero" und über Cicero als seinen Führer Wilhelm Dilthey, Melanchthon und die erste Ausbildung des natürlichen Systems in Deutschland, in Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften, II. Bd.: Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation, 2. Aufl., Leipzig und Berlin 1921, S. 171 f., 175, 176, Anm. 1, 177, i8off., i84ff., i89ff., 196, 199. Dilthey weist daselbst „den Einfluß von Cicero bis in die einzelnen Begriffe und Worte hinein" (S. 176) durch Wiederkehr zahlreicher ciceronischer Ausdrücke und Phrasen bei Melanchthon nach.

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Gewissen" handelt 7 , wird niemand bestreiten können, der in die früher aufge2ählten Schriften und Reden Melanchthons Einsicht nimmt und den Darlegungen der nachfolgenden Kapitel seine Aufmerksamkeit 2uwendet. Das hat auch schon Wilhelm Dilthey beobachtet: „Dieser universale Kopf hat auch dem römischen Recht ein eindringendes Studium gewidmet. Bei ihm finden wir schon, was Ihering in unseren Zeiten aussprach, ,das römische Recht sei wirklich in gewissem Sinne eine Philosophie' 8 ." Durchaus zu Recht hat neuerdings der Autor einer umfassenden Untersuchung über „Justitia bei Melanchthon", Horst Alfred Fild, das Ergebnis seiner gründlichen Studien wie folgt zusammengefaßt: „Daß Melanchthon wie kein anderer neben Luther in der nachapostolischen Kirchengeschichte als Lehrer der Gerechtigkeit Gottes (Justitia Dei) gelten darf, ist mehr bekannt als die Tatsache, daß er auch einer der bedeutendsten Lehrer der politischen Gerechtigkeit ist. Die melanchthonische Lehre von der Gesellschaftsgerechtigkeit verdient es, neben den Lehren eines Aristoteles, eines Thomas von Aquin, eines Leibniz und neben den Lehren der deutschen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts berücksichtigt zu werden 9 ." Hier sei das Ergebnis der folgenden weiter ausgreifenden Untersuchungen bereits vorweggenommen und in Kürze zusammengefaßt. Sie haben den Verfasser zur Überzeugung geführt, daß Melanchthons Interesse für Gesetze, Recht und Rechtswissenschaft ihm aus der intensiven Beschäftigung mit der Bibel, die er neben allen anderen Studien während seiner Lehrzeit stets aufs eifrigste las, eigenständig 7 So Albert Haenel, Melanchthon, der Jurist, Zeitschrift für Rechtsgeschichte, VIII, 1869, S. 268f. Ähnlich Wilhelm R.Beyer, Rechtsphilosophische Besinnung, Karlsruhe 1947, S. 26: „Luther und Melanchthon bleiben ohne ernste wissenschaftliche Betrachtung des Rechts; es ist ihnen, fast naturrechtlichen Ursprungs, Bestandteil der religiösen Weltanschauung. Es ist ein Teil des von Gott gesetzten Ordo." 8 Dilthey (oben, Anm. 6), S. 197. Dieser von Dilthey ohne Angabe des Fundorts Ihering zugeschriebene Ausspruch geht auf Ulpian, D. i.i.i.i.i.f. zurück. Vgl. G. Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, Basel 1960, S. 350. 9 Horst Alfred Fild, Justitia bei Melanchthon, theol. Diss. Erlangen, 1951 (ungedruckt), S. 150. Nicht lange nach Melanchthons Tode rühmte das lange Lobgedicht eines Schülers von seinem Meister: „ A c leges magno iussit amore coli"; K. Hartfelder, Melanchthonianapaedagogica, Leipzig 1892, S. 249, Vers 454.

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erwachsen ist 10 . Aktuelle Tagesprobleme, wie die Verwerfung des kanonischen Rechts, Erwägungen über die Einführung der mosaischen Gesetzgebung anstelle der römisch-kanonischen Rechtsbücher, die Frage der Kompatibilität des heidnischen römischen Rechts mit der christlichen Lehre und der Erlaubtheit seiner Anwendung aus der Sicht des Evangeliums, die Zulässigkeit des sogenannten Wuchers, das heißt des Zinsennehmens, die Entscheidung über die bindende Kraft von Eheverlöbnissen, die ohne Einwilligung der Eltern eingegangen waren, sowie zahlreiche andere Probleme, sie alle erforderten ein tieferes Versenken in die Geschichte und Problematik des Rechts, um eine akademische und öffentliche Stellungnahme des Wittenberger Professors auf ein solides Fundament bauen zu können u . Daß sich dabei Melanchthon wie bei seiner sonstigen Arbeitsweise der vorhandenen alten und neuen Literatur bediente 12 , auch den älteren juristischen Kollegen Schürpf als „huius doctrinae monstrator nämlich als magister oder praeceptor in der Rechtswissenschaft, heranzog und ihm als autoritas, censor, rector und monitor folgte, ist ebenso selbstverständlich wie die Tatsache, daß er schon vor ihm oft gebrauchte Beispiele aus dem Alten und Neuen Testament, aus klassischen Schriftstellern sowie aus den römischen und kanonischen Rechtsquellen verwendete, auf welch letztere er Hinweise vielleicht, namentlich im Anfang, von seinem in den juristischen Materien erfahreneren und vortrefflich bewanderten Lehrer und Freunde empfangen haben mag. Dieser ist es auch gewesen, der ihn durch Zuspruch von seiner Schüchternheit und Scheu befreite, sich mit der 10

Vgl. Ernst Wolf (oben, Anm. 6), S. 14: „Die Heilige Schrift ist nicht nur die alleinige Glaubensquelle, sondern auch die Norm für die Zivilgesetze. Melanchthon möchte am liebsten auch die Ordnungen dieser Welt auf Grund der Schriftautorität gestalten. Denn soweit überhaupt noch Gesetze zur Bewältigung der Wirklichkeit nötig sind, reichen diejenigen der Schrift aus . . . " Anders Stintzing, I, S. 284, der folgende Begründung gibt: „Melanchthons schon erwähnte Verehrung für das römische Recht . . . fußte auf seinen ethischen Prinzipien, deren Erörterung ihn zu den Fragen vom Grunde und Wesen des Rechts hinführten." 11 Vgl. dazu H. Maier, S. 113 t. 12 Z. B. kannte Melanchthon Schriften von Gulielmus Budaeus (1468 bis 1540) wie De transitu Hellenismi ad Christianismum von 1534; vgl. Josef Bohatec, Budd und Calvin, Studien zur Gedankenwelt des französischen Frühhumanismus, Graz 1950, S. 128.

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Kundgebung der Ergebnisse seiner Studien in die Öffentlichkeit zu wagen und sogar juristische Vorlesungen zu halten. Beides läßt sich wiederum aus Melanchthons eigenen Äußerungen erweisen, wenn über die Vorlesungen auch wenig bekannt ist 1 3 . In der Einleitung zu einer seiner Reden bemerkt er: „Argumentum affero non alienum a meo studio, videlicet a civilium legum doctrina 1 4 ." Eines steht auf Grund der Analyse von Melanchthons Schriften fest. Mag es sich auch um Vorbilder und aufgenommene Anregungen, um methodische oder sachliche Anlehnung, vielleicht selbst um Entlehnungen handeln, es gilt auch hier, was in anderer Hinsicht schon Karl Hartfelder beobachtet und festgestellt hat: „Melanchthon hat nie abgeschrieben. Überall zeigt sich seine selbständige Art, den Stoff zu gestalten und zu pointieren 1 5 ." Welche sachliche Bedeutung und Wirkung Melanchthons Schriften im allgemeinen und seine Lehren zur Rechtswissenschaft und über juristische Probleme im besonderen auf die Juristen seiner Zeit gehabt haben, muß der Darstellung im folgenden Kapitel vorbehalten bleiben. 13

CR., XI, S. 917; siehe weiter unten im folgenden Kapitel, Anm. 41. Die im Text verwendeten lateinischen Ausdrücke stammen von Melanchthon. — Die Melanchthonliteratur hat dieser von ihm selbst oft und mit Nachdruck hervorgehobenen Bedeutung Schürpfs im Leben des Reformators meines Wissens, wenn überhaupt, nur oberflächliche Beachtung geschenkt. Um nur ein Beispiel zu erwähnen: im bedeutenden Melanchthonwerke Karl Hartfelders wird Schürpfs Name nur bei Aufzählung der Personen genannt, auf welche Melanchthon Epigramme verfaßt hat (S. 321); und in noch nebensächlicherer Beziehung bei Georg Ellinger, Philipp Melanchthon, Berlin 1902, S. 154, 170. 14 CR., XII, S. 147. — Daß sich von den angeblichen juristischen Vorlesungen Melanchthons sonst keine Nachricht oder Nachschrift erhalten hat, muß nicht als negativer Beweis gewertet werden. Bekanntlich ließ Luther Vorlesungen Melanchthons gegen den Willen des Freundes wiederholt nach studentischen Nachschriften drucken; vgl. Johannes Ficker, Luther als Professor (Hallische Universitätsreden, Heft 34), Halle 1928, S. 4a. E.; Peter F. Barton, Die exegetische Arbeit des jungen Melanchthon 1518/19 — 1528/29, Archiv für Reformationsgeschichte, LIV, 1963, S. 55, 57. 15 Hartfelder, S. 219; vgl. auch Ernst Wolf, S. 8. — Hier sei ein Hinweis auf Melanchthons Belesenheit im biblischen wie im klassischen Schrifttum angebracht. Eine Vorstellung davon gibt das Register biblischer und nichtbiblischer Zitate zu seinen Dispositiones rhetoricae vom Jahre 1553 bei Hanns Zwicker, Philologische Schriften Philipp Melanchthons, I (Supplementa Melanchthoniana, II, Leipzig 1911), S. 176—180.

DRITTES KAPITEL

Melanchthon und die Juristen seiner Zeit I Zur Einführung * I n seiner noch immer lesenswerten und aufschlußreichen Studie „Melanchthon, der Jurist" hat vor nunmehr beinahe hundert Jahren Albert Haenel über das Recht und seine Repräsentanten im Leben des Reformators folgende allgemeine Beobachtung gemacht: „Auch dem Rechte hat Melanchthon seine Aufmerksamkeit geschenkt. Die bedeutenden Juristen des Reformationszeitalters standen ihm nahe; er hat auf sie, sie haben auf ihn gewirkt 1 ." Der Erörterung des hier wiedergegebenen ersten Satzes ist seine Abhandlung zum größten Teile gewidmet, während der Inhalt des zweiten Satzes in ihr weder weiter ausgeführt noch auch näher begründet ist. Anläßlich seiner Studien über Melanchthons Rechts- und Staatslehre schien es dem Schreiber dieser Zeilen reizvoll, den geistigen und persönlichen Beziehungen des Praeceptor Germaniae zu den Juristen seiner Zeit nachzugehen, soweit sich solche aus dem zeitgenössischen Schrifttum, erhaltenen Korrespondenzen und neueren wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen erschließen lassen. Welche Anregungen von ihnen unmittelbar oder durch das Medium ihrer Werke auf den Reformator und seine literarische Tätigkeit ausgegangen sind, welche sachliche Bedeutung und Wirkung Melanchthons Schriften im allgemeinen, seine Lehren zur Rechtswissenschaft und seine Äußerungen über juristische Probleme im besonderen auf die Juristen gehabt haben, wird — soweit es der Rahmen der vorliegenden Studie gestattet — in den nachfolgenden Untersuchungen dargelegt werden. * Erweiterte Fassung des unter dem gleichen Titel erschienenen Beitrags zu Mélanges Philippe Meylan, II, Lausanne 1963, S. 135 — 150. 1 Zeitschrift für Rechtsgeschichte, VIII, 1869, S. 250.

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Hier gilt es, vorerst einen Blick auf die Juristen in Melanchthons Wirkungsbereich zu werfen. Mancherlei persönliche Beziehungen des Wittenberger Professors zu Juristen lassen sich namentlich aus den erst in neuerer Zeit zugänglich gewordenen Gelehrtenkorrespondenzen nachweisen2. Freilich sind jene zum Teil bloß loser Art. Aus manchen Verbindungen könnte man auf frühere persönliche Begegnungen schließen. Mangels genauerer urkundlicher Angaben und Beweise müssen aber alle derartigen Schlußfolgerungen lediglich Vermutungen bleiben. Immerhin sind die dokumentarisch belegten historischen Tatsachen wohl wert, übersichtlich zusammengestellt zu werden. II Persönliche und literarische Beziehungen Die Humanistenstadt Basel, wo die lange zurückgedrängte religiöse Reformbewegung endlich im Jahre 1529 mit großer Leidenschaftlichkeit durchgebrochen war und sich schließlich endgültig durchgesetzt hatte, war neben Wittenberg ein Zentrum reformatorischer Aktivität und eine Zufluchtsstätte verfolgter Glaubensflüchtlinge. Schnell wurde sie ein bedeutender Vorort und wichtiger Stützpunkt der neuen Kirchenlehre 3 . Geistige Fäden spinnen sich zwischen den beiden Städten und namentlich zwischen den Angehörigen ihrer aufblühenden Universitäten4. Melanchthons nicht minder als Luthers a

Vor allem Alfred Hartmann, Die Amerbachkorrespondenz, 5 Bände, 1481 — 1543, Basel 1942 — 1958; zitiert Hartmann, mit Angabe der Bandzahl. 3 Über die Reformation in Basel siehe Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, III, Basel 1924; Paul Roth, Durchbruch und Festsetzung der Reformation in Basel (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 8), Basel 1942; Paul Roth, Die Durchführung der Reformation in Basel 1529 —1530 ( 1 2 1 . Neujahrsblatt, hg. von der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen), Basel 1943. 4 Uber die Geschichte dieser Universitäten siehe IWilhelm Vischer, Geschichte der Universität Basel von der Gründung 1460 bis zur Reformation 1529, Basel 1860; Rudolf Thommen, Geschichte der Universität Basel 1 5 3 2 — 1632, Basel 1889; Edgar Bonjour, Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart 1460 — 1960, Basel i960. — Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1 9 1 7 ; Herbert Schöffler, Die Reformation, Bochum-

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Werke finden große Aufmerksamkeit in der Stadt des Erasmus, beim Fürsten der Humanisten selbst und im Kreise der Sodalitas Basiliensis. Bald werden sie hierselbst auch gedruckt und verschiedentlich gleich in mehreren Offizinen nachgedruckt 5 . V o n der damals in der Rheinstadt herrschenden Stimmung gibt ein Brief des alt Burgermeisters Jakob Meyer zum Hasen Kunde, welcher im Jahre 1 5 2 2 kurz nach Ankunft Ulrichs von Hutten und Johann Oekolampads in Basel einem Luzerner Freunde schrieb, „man sei hier darauf gefaßt, daß nach kurzem auch Melanchthon kommen werde und alsbald der Luther selbst; die ganze Stadt wird rasch zu diesem abfallen" 6 . In Basel bildete schon vor dem Wegzug des Erasmus, besonders aber nachher, sein engster Freund, der nachmals sein Erbe und Testamentsvollstrecker geworden ist, Bonifacius Amerbachs feinsinnige Persönlichkeit einen geistigen Mittelpunkt 7 . Nach immer wieder ausgedehntem Studienaufenthalt in Avignon, während dessen sein Interesse für die Heimatstadt und das Leben und Treiben daselbst Langendreer 1956, S. 27—37; Max Steinmetz, Die Universität Wittenberg und der Humanismus, in: 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, I, ohne Ort und Jahr [Halle a. S. 1952], S. 103 — 139. 8 Vgl. z. B. Hartmann, II, S. 432, Anm. 15; über eine irrtümliche Meldung betreffend eine angebliche Basler Aristotelesausgabe Melanchthons Hartmann, III, S. 235, Z. 22ff. und S. 236, Anm. 1. Mit 17 Druckern und 155 Melanchthondrucken bis zu seinem Todesjahr 1560 steht Basel an zweiter Stelle nach Wittenberg, wo verständlicherweise die meisten Werke des Reformators erschienen; vgl. Otto Beutenmüller, Vorläufiges Verzeichnis der Melanchthon-Drucke des 16. Jahrhunderts, Halle (Saale) i960, S. 6. 6 Emil Egli, Zwingiis Briefwechsel, I (CR., XCIV, Huldreich Zwingiis Sämtliche Werke, Bd. VII), Leipzig 1911, Nr. 259, S. 636 (11. Dezember 1522): „ . . . item quod brevi venturus sit illuc [Basileam] et Melanchthon und als bald der Luther selbs; preterea timendum esse totam urbem propediem ad Lutheranam heresim declinaturam . . . " ; vgl. Wackernagel, a. a. O., S. 330. Schon am 23. Mai 1519 hatte der Basler Rechtslehrer Claudius Cantiuncula an seinen Freund Henricus Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486 — 1535), der von ihm aus der berühmten Druckerstadt ein Exemplar von Luthers Werken erbeten hatte, geschrieben: „Haec hactenus, mi Agrippa, mihi crede, totam Basileam lustravi, nusquam prostant opera Lutheri; dudum omnia divendita; dicunt, Argentinae denuo impressa"; Henrici Cornelii Agrippae ab Nettesheim Operum pars posterior, Lugduni [1620], Liber II, Nr. 32. 7 Guido Kisch, Bonifacius Amerbach (Basler Universitätsreden, 47. Heft), Basel 1962. Amerbachbibliographie bei G. Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät der Universität Basel 1459—1529 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel, Band XV), Basel 1962, S. 352 — 354.

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stets lebendig geblieben war, kehrte er nach Basel zurück, um dort die Professur des Zivilrechts zu übernehmen, die er Jahrzehnte lang bekleidete, indem er zugleich die festeste Säule der Universität während der schweren Erschütterungen in der Zeit der Glaubenskämpfe bildete. Aus dem Schatz von Briefmaterial, das sich aus seinem Nachlaß auf der Universitätsbibliothek Basel erhalten hat, lassen sich zahlreiche Spuren seines frühzeitigen Interesses für Melanchthon und die Verbindungslinien, welche zu ihm und nach Wittenberg führten, aufdecken. Die früheste Erwähnung Melanchthons in der Korrespondenz Bonifacius Amerbachs findet sich 1519, bereits ein halbes Jahr nach dem Eintreffen des künftigen Reformators in Wittenberg. In einem Brief nimmt Dionysius Kessel aus Pforzheim, vermutlich ein Verwandter Johannes Reuchlins, Bezug auf einen vorangegangenen, anscheinend unerfüllbar gebliebenen Wunsch Amerbachs, eine Hymne „De angelis" des Melanchthon zu erhalten, von der nur ein Teil handschriftlich vorhanden sei8. Diese und die folgenden Bemühungen Amerbachs um Schriften des noch nicht zu Berühmtheit aufgestiegenen Wittenberger Professors bezeugen eindrücklich, welch großes Interesse der Jurist den Werken des zum Theologen gewordenen Philologen vom Beginn seiner Publikationstätigkeit an entgegenbrachte. In einem Schreiben an den damals schon berühmten Freiburger Rechtslehrer Ulrich Zasius vom August desselben Jahres aus Basel spricht Amerbach von „Philippus noster Melanchthon" und rühmt seine „egregia epistola de theologica disputatione Lipsicawelche mit der Excusatio Eckii ad eandem 1519 auch bei Froben in Basel gedruckt 8 Hartmann, II, Nr. 646, S. 149, 19. Februar 1 5 1 9 : „Indicavit idem Hieronymus [Iudus] te desyderare Philippi Melanchtonis nostri de angelis hymnum. Extat apud nos pars huius, ipsius autoris manu scripta, additis quoque nostro rogatu scholiis." Nach Hartmann (a. a. O., Anm. 2) scheint das Manuskript spurlos verschwunden zu sein. Der Melanchthonforschung muß es überlassen bleiben festzustellen, in welcher Beziehung diese Engelshymne zu dem De angelis Sapphicon steht, welches Bretschneider auf 1543 datiert und im CR., X , S. 584—586, unter Nr. 206, abgedruckt hat; dazu Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, Berlin 1889, S. 599, Nr. 357. Vgl. Martin Luther, Ein Predigt von den Engeln, Wittenberg 1 5 3 5 ; ferner „Magister Philipps Melanchthon Christliche erinnerung von den lieben Engeln" (1536), abgedruckt bei Robert Stupperich, Der unbekannte Melanchthon, Stuttgart 1961, S. i 5 2 f f .

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wurde 9 . Melanchthon, so äußert Amerbach, der zwar jung, aber außer in den Humaniora nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Philosophie sehr bewandert sei, werde diesen Menschen abführen, wie er es verdient. Den Streit mit Johannes Eck verfolgte Amerbach aufmerksam, und die Angelegenheit scheint ihn so beschäftigt zu haben, daß er dasselbe Thema von neuem in Briefen an Ulrich von Hutten und Erasmus berührte10. Auch andere Schriften Melanchthons finden Amerbachs Interesse. Von dem Verleger und Buchhändler Michel Parmentier in Lyon hatte er sich solche bestellt, über deren Lieferung nach Avignon ein Brief unterrichtet 11 . Es waren die Loci communes, wahrscheinlich Adam Petris Basler Nachdruck der ursprünglichen Gestalt von ferner die Apologia

Philippi

Melanchthon contra Parisienses,

1521 1 2 ,

ebenfalls ein

Nachdruck Petris 13 . Etwas später berichtet derselbe Buchhändler wiederum nach Avignon über das Erscheinen von Melanchthons

9 Hartmann, II, Nr. 675, S. 183, Z. 43 —55, 22. August 1519: „Paraphrasis ad Galathas nondum excusa est; alioqui misissem. De disputatione Lipsiensi, quid actum in ea sit, Philippus noster Malanchton egregia epistula testatus est. Scribit in hunc Eckius, nunc grammaticum, nunc grammatellum, nunc pulverulentum schole magistrum subinde vocitans. Sed cornutam bestiam petit, nimirum irritans crabrones. Philippus enim, etsi iuvenis, tarnen preter litterarum humaniorum cognitionem theologiae sed et sophistice doctissimus, tractabit hominem, ut meritus est. Eckius tandem eam sibi famam comparabit, quam olim incensor templi Ephesiae Dianae. Martinus Luther pulchro libello conclusiones novissimas et eam precipue, ubi de potestate pontificis agit, illustravit. Ni fallar, omnia excudentur. Quod si verum est, ad te mittam excusa; sin minus, curabo exscribenda"; dazu S. 184, Anm. 9; vgl. die Briefe von Zasius an Amerbach vom 13. November 1519, Hartmann, II, Nr. 703, S. 211; vom 22. Mai 1521, Hartmann, II, Nr. 785, S. 301, und Anm. 8: „Exhibebit tibi, Phylippo nostro edente, Adam [Petri] orationem Faventini, id est Melanthonis, qua magis artificam et cultam aetas nostra (cum ab Erasmo discesserim) non vidit"; dazu Hartmann, II, Nr. 794, S. 312L, Z. 35, Amerbach an Andreas Alciatus, 16. Juni 1521. 10 Hartmann, II, Nr. 693, S. 202, 7. Oktober 1519, an Hutten:,,... ille Eckius in Melanthona apologiam scripsit, nunc gramaticum, nunc gramatellum subinde vocitans; sed cornutam, ut opinor, bestiam petiit. Calcaria tu addes Philippo, ut naxaioA.6vov graphice suis depingat coloribus"; an Erasmus, Hartmann, II, Nr. 694, S. 203, 7. Oktober 1519. 11 Hartmann, II, Nr. 876, S. 383, 25. Juni 1522. 1 2 Vgl. Hartmann, II, S. 384, Anm. 1; G. L. Plitt und Th. Kolde, Die Loci communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt, 3. Aufl., Leipzig 1900, S. 52t., Anm. 4. 1 3 Vgl. Hartmann, II, S. 384, Anm. j.

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Annotationen zum Evangelium Matthaei und Joannis 1 4 . Anderseits teilt Amerbach von dort seinem in Mailand weilenden Lehrer Andreas Alciatus die Publikation von Melanchthons Kommentaren zu dem Römerbrief und den Korintherbriefen mit 1 5 . Etwa ein Jahrzehnt später sendete er auf Wunsch des Erasmus dem späteren Kardinal Jacopo Sadoleto ein Exemplar des Römerbriefkommentars, wobei er Melanchthon als „homo, uti apud nos putatur, non indoctus" bezeichnet 16 . Amerbach selbst wird bisweilen von Freunden um Werke Melanchthons angegangen 17 . In der Universitätsbibliothek Basel ist eine Anzahl von Melanchthons Werken aus dem Besitz Amerbachs erhalten. Sie wurden von ihrem Eigentümer eifrig studiert, was durch die üppige Randglossierung bezeugt ist 1 8 . In seiner Ansprache bei Eröffnung der Insti14

Hartmann, II, Nr. 929, S. 440, Lyon, 22. August 1523. Hartmann, II, Nr. 925, S. 434, 9. Juli 1523; vgl. auch schon Alciats Brief an Amerbach vom 13. Juli 1521, Hartmann, II, Nr. 800, S. 320. — Von den bisher erwähnten Werken Melanchthons hat sich keines aus Amerbachs Besitz in der Universitätsbibliothek Basel erhalten. 16 Hartmann, IV, Nr. 1766, S. 230, 1. August 1533. (Dasselbe nicht vorbehaltlose Lob spendete Amerbach dem Werke des sehr namhaften Juristen Marius Salamonius; vgl. dazu Guido Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, Basel i960, S. 360, Anm. 24.) Wie aus dem übrigen Inhalt des Briefes hervorgeht, geschah dies aus sympathisierender Einstellung für den Brief- und Buchempfänger bei recht kritischer Beurteilung des Kommentarwerkes. Zu beachten ist dabei, daß der Brief Anfang August 1533, also mehr als ein Jahr vor Amerbachs ,,Confessio fidei" vom Herbst 1534 (Hartmann, IV, S. 47Öff.) geschrieben ist; vgl. auch seinen Brief an Basilius Amerbach d. Ä. vom 24. Februar 1534, Hartmann, IV, Nr. 1803, S. 257, und Anm. 1. Über den einige Jahre späteren Annäherungsversuch Sadolets an Melanchthon (1537) vgl. etwa Georg Ellinger, Philipp Melanchthon, Berlin 1902, S. 362ff.; zuletzt Richard M.Douglas, Jacopo Sadoleto 1477 —1547, Humanist and Reformer, Cambridge (Mass.) 1959, S. H7ff., und passim. 17 Hartmann, III, Nr. 1338, S. 410, 1529. 18 Z. B. Melanchthons Philosophiae moralis Epitome (Straßburg 1538) und In Aristotelis aliquot libros politicos Commentaria (Hagenau 1531), beide im Sammelband, Signatur k f V 18. Ferner der Band Andreae Alciati Mediolanensis Iudiciarti Processus compendium atque adeo Iuris vtriusque praxis aurea; eiusdem quoque et Philippi Melanchfthonis] necnon Sebaldi Munsteri in laudem Iuris ciuilis orationes tres elegantissfimae], Coloniae 1537. Auf dem Titelblatt des Exemplars der Universitätsbibliothek Basel (Sign. N 1 V I I 2) besagt eine Bleistiftbemerkung von der Hand Dr. Alfred Hartmanns: „Gehörte Bo. Amerbach, s. fol. 68", wo handschriftliche Notizen Amerbachs stehen. Solche sind auch auf fol. 123, i66 b , 167 a , i8o a nebst vielen Unterstreichungen zu finden. Charakteristisch für Amerbach ist seine Korrektur eines Druckfehlers auf fol. 123: „possis" in „possidetis". Merk15

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tutionenvorlesung an der Universität Basel im Herbst 1526 erwähnte Amerbach die im Vorjahre in Hagenau erstmals erschienene Rede Melanchthons De legibus: „Verum quando Philippus noster Melanchthon in ea qua legibus Romanis patrocinatur oratione fatuam hanc obiectionem [sc. suas cuique civitati leges esse sua instituta; nil opus iure nostro] non minus vere quam eleganter confutavit, . . . 1 9 . " Auch persönliche Verbindungslinien führen nach Wittenberg. Amerbach sendet Melanchthon Grüße durch Beatus Rhenanus' ehemaligen Famulus Albert Burer, der im Frühsommer 15 21 zum Studium in die Stadt der Reformatoren ging. Sie fanden sehr freundliche Aufnahme 2 0 . Durch den Mediziner Gervasius Marstaller empfing er seinerseits persönliche Grüße von Melanchthon 21 . V o n Thomas würdigerweise sind jedoch die Reden von Melanchthon und Münster in diesem Exemplar nicht enthalten. — Die Basler Universitätsbibliothek besitzt außer den bereits genannten noch folgende Werke Melanchthons, deren Provenienz aus Bonifacius Amerbachs Bibliothek durch seinen eigenhändigen Besitzervermerk auf den Titelblättern gesichert ist (die Aufzählung erfolgt in chronologischer Reihenfolge der Erscheinungsjahre mit Angabe der Signaturen): Commentarii in epistolam Pauli ad Romanos, Marburg 1532 (1533) (F P X 5). — De ecclesiae autoritate et de veterum scriptis libellus, Wittenberg 15 39 (F P X 8). — De arbore consanguinitatis et affinitatis sive de gradibus, Wittenberg 1541 (F M' X 17). — Eine Schrifft Philip. Melanth. nervlich latinisch gestellet, Widder den unreinen Bapsts Celibat vnd verbot der Priesterehe. Verdeudtschet durch Justum Jonam, Wittenberg 1541 (F M ' X 17, 2). — Examen eorum qui audiuntur ante ritum publicae ordinationis, qua commendatur eis ministerium Evangelii, Wittenberg 1556 ( F P X 1 2 , 2). — Quaestiones de rebus cognitione dignissimis scriptae pleraeque a Philippo Melanthone, Wittenberg 1557 (D B VII 5). — Responsiones Philippi Melanthonis ad impios articulos Bavaricae Inquisitionis, Wittenberg 1559 (F P X 12, 1). 19 Hartmann, III, S. 567, Z. 108ff.; G.Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät Basel, S. 341, Z. 6ff. — In seinem Exemplar von Claudius Cantiunculas Topica (Basel 1520, UB. Basel, Sign. M a V 2, Nr. 2) findet sich auf Seite 110 folgende Randbemerkung von Amerbachs Hand: „Est maius, fines regere, inquit Melanchthon, quam aquam pluviam arcere. Quin prius est, terminos agrorum definire sive fines disterminare. Etenim si fines agrorum non essent disterminati sive termini agrorum non essent definiti, non posset agi de aqua pluvia arcenda, quemadmodum, si nulla aedificia disiuncta essent, nulla de stillicidiis contentio oboriri posset." Aus dieser Notiz ist zu ersehen, welche Bedeutung der kenntnisreiche Jurist Amerbach Melanchthons Meinung beimaß. Trotz Aufwendung erheblicher Mühe ist mir die Identifizierung dieses Melanchthonzitats leider nicht gelungen. 20 Hartmann, II, Nr. 796, S. 315, 30. Juni 1521: „Philippum Melanchthonem tuo nomine salutavi. Aiebat sibi gratissimam esse salutationem." 21 Th. Burckbardt-Biedermann, Bonifacius Amerbach und die Reformation, Basel 1894, S. 113 (ohne Angabe des Datums).

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Blarer, der bei Zasius in Freiburg studiert hatte und nunmehr bei Luther und Melanchthon Vorlesungen hörte, erhielt Amerbach ausführlichen Bericht über Leben, Treiben, Studium und das geistige Klima in Wittenberg mit besonderer Hervorhebung des letzteren22; ebensolchen auch von dem schon erwähnten Albert Burer 23 . Ende August 1521 meldet dieser, daß mehr als vierundzwanzig Schweizer Studenten in Wittenberg weilen, nur um Melanchthons Vorlesungen hören zu können, trotzdem ihnen die sächsische Küche und die Getränke keineswegs behagen24. Auch von anderen Korrespondenten empfängt Amerbach Nachrichten über Melanchthon25. Aus allen hier gesammelten Tatsachen und mitgeteilten Berichten und Beobachtungen ist ersichtlich, welches Interesse Amerbach dem literarischen Werke und persönlichen Wirken des Reformators entgegenbrachte. Es war von hohem Respekt, von Anerkennung, ja Bewunderung für seine Leistung getragen. Als Amerbach in seiner Gewissensnot wegen des Abendmahls in der neuen Basler Gestalt einen Brief an Luther entwarf, dessen Konzept sich erhalten hat, plante er, einen solchen auch an Melanchthon gelangen zu lassen26. Er wollte sich der Entscheidung der beiden Reformatoren unterwerfen. Früher einmal hatte er Melanchthons Schrift Sententiae veterum aliquot scriptorum de coena Domini mit einer warmen Empfehlung an seinen Freund Ulrich Zasius gesendet: „ . . . tibi summe commendo, 22 Hartmann, II, Nr. 795, S. 3 1 3 L , Wittenberg, 28. Juni 1 5 2 1 : „Philippo charus sum et familiaris et omnino fruor hic optimis quibusque." 23 Hartmann, II, Nr. 797, 8 . 3 1 6 , 30. Juni 1 5 2 1 ; vgl. auch Hartmann, II, Nr. 809, S. 326, Wittenberg, 31. August 1 5 2 1 . 24 Hartmann, II, Nr. 809, S. 326: „Breviter: nisi Philippus Melanchthon hic literas profiteretur meliores et Christum tarn ferventi spiritu doceret, sancte iuro me neque diem neque noctem hic mansurum." 25 Z . B . Hartmann, III, Nr. 1 3 4 1 , S. 4 1 2 , 1 5 2 9 ; Nr. 1469, S. 539, 1530. In Amerbachs Briefwechsel mit Erasmus werden Melanchthons Schriften berührt und besprochen; vgl. z . B . Hartmann, I V , Nr. 1614, S. 1 1 4 , 25. März 1 5 3 2 ; Nr. 1756, S. 2 2 1 , 12. Juni 1 5 3 3 ; ferner Viglius van Aytta van Zwichem über Anwendung von Melanchthons Loci-Methode auf die Rechtswissenschaft Hartmann, I V , Nr. 1758, S. 223, Padua, 20. Juli 1533. 26 Hartmann, I V , Nr. 1532, 1 5 3 3 , S. 47ff., Mai—Juni 1 5 3 1 ; S. 49: „Tuum [sc. Lutheri] certe et Philippi iudicium pro canone accipere, ad quem vitae meae institutum exigam (modo possim), non dubito; vos enim inter antesignanos sacrosancti Evangelii de postliminio in integrum a profundis ignorantiae tenebris restituendi adsertores et vindices a Christo datos adnumero."

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nihil enim puto hoc [libello] esse elegantius 27 ." Vermutlich erblickte Amerbach in dieser und in einer ähnlichen Schrift Oekolampads die Möglichkeit einer Verständigung mit Luther, die er damals herbeisehnte. So erklärt sich der von ihm gefaßte Gedanke an jenen Schritt, zu dem es jedoch nicht gekommen ist. Aus dem hier Dargelegten darf man wohl schließen, daß Amerbachs Beziehungen zu Melanchthon, wenngleich sie für den Basler Juristen von wesentlicher Bedeutung waren, doch nur mittelbarer Art gewesen und geblieben sind und daß eine persönliche Begegnung der beiden Gelehrten nie stattgefunden hat. Ein anderer Basler Jurist, von dem sich ebenfalls persönliche und literarische Beziehungen zu Melanchthon nachweisen lassen, ist Johannes Sichardus 28 . Mehrmals sendet ihm der Reformator Grüße durch Oekolampad, anscheinend unprovoziert und spontan 29 . Obwohl er einmal sogar als „amicus" bezeichnet wird, muß es auch bei Sichart dahingestellt bleiben, ob die persönlichen Beziehungen über den Austausch solcher in jener Zeit unter Gelehrten üblichen rein formellen Freundlichkeitsbezeigungen hinausgegangen sind. In seinen Schriften nimmt Sichardus bisweilen Bezug auf Melanchthon, so namentlich auf dessen Enarratio zum fünften Buch der Nikomachischen Ethik 30 .

Hartmann, III, Nr. 1463, S. 534, mit Anm. 2, 31. August 1530. Uber Sichardus siehe Guido Kisch, Johannes Sichardus als Basler Rechtshistoriker (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 34), Basel 1952; G. Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät Basel, S. 105—112, 358£. (Bibliographie). 29 Kisch, Sichardus, S. 27, 61, Anm. 28. „Siggardum et bonos viros alios apud te evangelii vere studiosos saluta nostro nomine reverenter", 20. Juni 1524, Ernst Staehelin, Briefe und Akten zum Leben Oekolampads, I, Leipzig 1927, Nr. 199, S. 284; „Sigcmundum [Gelen] et Sichardum reverenter salutabis", September 1524, Staehelin, I, Nr. 220, S. 318; „Amicos salutabis, inprimis Sigardum et Sigismundum [Gelen] . . . " , 12. Januar 1525, Staehelin, I, Nr. 236, S. 339. Der ,,iureconsultus vester", den Melanchthon durch Oekolampad im Juli 1524 (Staehelin, I, Nr. 214, S. 313) grüßen läßt, ist ebenfalls Sichart; vgl. Hartmann, II, S. 480, Anm. 8. 30 G. Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. 337, Anm. 23. 27

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Anregungen und Vorbilder Ein dritter Basler Gelehrter, für dessen persönliche Beziehungen zum Wittenberger Professor geringere Zweifel bestehen als für Bonifacius Amerbach und Johannes Sichardus, ist Claudius Cantiuncula, ein bedeutender Rechtsdenker und Rechtslehrer, der von 1 5 1 8 bis 15 24 Professor des römischen Rechts in der Basler Juristenfakultät gewesen ist 3 1 . Bei ihm ist zunächst eine wissenschaftliche Anlehnung an Melanchthon zu beobachten, die literarisch viel stärker zum Ausdruck kam als etwa bei seinem Nachfolger Sichardus. In seinem 1520 in Basel erschienenen Erstlingswerk Tópica, auch als Tópica legalia bekannt, hat Cantiuncula wiederholt auf Melanchthon Bezug genommen 3 2 . Seine Tópica sind als „das juristische Gegenstück zu Melanchthons Loci communes rerum theologicarum" bezeichnet worden, als „eine Anwendung der Loci-Lehre auf die Rechtstraditionen ,e puris legum fontibus et doctorum commentariis aliisque autoribus'. Der Jurist Cantiuncula hat der Loci-Lehre Melanchthons eine besondere Stellung gegenüber der von Aristoteles bis Agrícola reichenden Tra31 Uber ihn zuletzt Kisch, Erasmus, S. 9off., I33ff., i54ff., 260ff., 28off.; Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät Basel, S. 93 — 105, 355t. (Bibliographie) ; Kisch, Claudius Cantiunculas Lehre von Recht und Billigkeit, in Publication du Centre Européen d'Etudes Burgundo-Médianes, No. 6, Basel 1964, S. 84—99. 32 Über Cantiunculas Tópica siehe G. Kisch, Humanismus und Jurisprudenz (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 42), Basel 1955, S. 122t., Anm. 27; Kisch, Erasmus, S. 546, unter ,,Topica"; Kisch, Juristische Fakultät der Universität Basel, S. 104t. Von seinen Bezugnahmen auf Melanchthon seien hervorgehoben (Erstausgabe, Basel 1520): S. 3: „Sed et ab his diversam habet Topicorum tractationem Philippus Melanchthon in iis, quos de Rhetorica scripsit"; S. 4: „Possumus etiam cum Melanchthone extráñeos et intráneos [locos] appellare"; S. 15 a. E.: „Nam ut Philippus Melanchthon de Rhetofrica] libro primo scripsit, máxime conveniunt, quorum definitiones conveniunt." Roderich Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, München und Leipzig 1880, S. 246, sagt, daß Cantiunculas Tópica „durch Agrícolas und Melanchthons Kompendien der Dialektik angeregt" seien. Das scheint in der Tat zuzutreffen. Melanchthons De Rhetorica Libri tres erschienen 1519 in Wittenberg. — Nach Franz Wieacker, Gründer und Bewahrer, Göttingen 1959, S. 50, ist auch Cantiunculas De ratione studii legalis Paraenesis (Basel 1522) „unter Melanchthons Einfluß entstanden". Das Problem bedarf jedoch selbständiger Untersuchung; vgl. noch Stintzing, I, S. 294.

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dition zuerkannt, ohne sie näher zu bezeichnen. Cantiuncula steht in ständiger Auseinandersetzung mit Melanchthons Rhetorik 33 ." Dazu ist der Hinweis notwendig, daß ihm lediglich Melanchthons De Rhetorica Libri tres vorlagen, die 1519 in Wittenberg erschienen waren, während die ursprüngliche Fassung der Loci communes rerum theologicarwn erst 1521 dem Druck übergeben wurde 34 . Andererseits besteht die Möglichkeit, die ich sogar als Wahrscheinlichkeit bezeichnen zu dürfen glaube, daß Melanchthon Cantiunculas Oratio Apologetica in patrocinium iuris civilis, die 1522 in Basel erschienen ist, gekannt und thematisch als Anregung für seine eigene erste Rede De legibus vom Ende 1523 oder Anfang x 524, auch für andere Schriften herangezogen hat. Im Laufe der folgenden Darstellung werden sich verschiedene Hinweise auf ein solches Quellenverhältnis zwischen Cantiunculas und Melanchthons genannten Schriften ergeben. Auch persönliche Beziehungen zwischen beiden Gelehrten sind nachzuweisen. Sie knüpfen sich an den Namen von Cantiunculas ältestem Sohn Hilarius (um 1535 — ?). Dieser zeigte — offenbar unter dem Einfluß des Basler Schulmeisters Thomas Platter, bei dem er sich in Ausbildung und Pflege befand — eine Hinneigung zum protestantischen Glauben, die ihn mit den streng katholischen Anschauungen des Vaters in Konflikt brachte. Er entwich 1547, wie aus seinen und aus Briefen Melanchthons hervorgeht, nach Wittenberg, wo er einige Monate blieb, bis ihn der Reformator zu Victorin Strigel nach Erfurt sandte, welcher später die Aussöhnung mit dem Vater vermittelte. Dort hielt er sich von Mitte Juli bis Ende Oktober 1547 auf, kehrte aber wieder nach Wittenberg zurück, woselbst er bis Ende August 33 Wilhelm Maurer, Melanchthons Loci communes von 1 5 2 1 als wissenschaftliche Programmschrift, Luther-Jahrbuch, X X V I I , 1960, S. 44 und Anm. 101. Daselbst fährt Maurer fort: „ E r [Cantiuncula] fand sie [die besondere Stellung der Loci-Lehre Melanchthons], wie wir vermuten dürfen, darin, daß Melanchthon die Loci communes aller philosophisch-abstrakten Allgemeinverbindlichkeit entkleidete und sie streng auf das Sachgebiet beschränkte, dem sie entstammten und auf das sie bezogen blieben; darin konnte er eine gewisse Verwandtschaft mit seinem eigenen Bemühen erblicken." Seine Toptca werden in der von mir vorbereiteten Monographie „Claudius Cantiuncula als Basler Jurist" eingehend gewürdigt werden. 34 Vgl. Karl Hartfelder, Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae (Monumenta Germaniae Paedagogica, Bd. VII), Berlin 1889, S. 580, Nr. 1 2 ; S. 581, Nr. 43.

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1548 bei Melanchthon verblieb. Offenbar unbefriedigt von den akademischen Leistungen und vom ganzen Gehaben des jungen Mannes schickte ihn Melanchthon schließlich in die Heimat zurück, worüber er einen Brief an Claudius Cantiuncula schrieb, der sich leider nicht erhalten hat 35 . Der Jurist jedoch, zu dem der Reformator seit seinem Eintreffen in Wittenberg bis zu dessen Tode engste Beziehungen hatte und für den er größte persönliche Verehrung und Dankbarkeit hegte, ist der aus St. Gallen stammende Hieronymus Schürpf gewesen, welcher bei Ulrich Krafft in Basel sein Rechtsstudium begonnen und später in 35 Vgl. Wenzel Hartl und Karl Schrauf, Nachträge zum dritten Bande von Joseph Ritter von Aschbachs Geschichte der Wiener Universität, I. Band, 1. Hälfte, Wien 1898, S. 237t. Im Amerbachnachlaß auf der Universitätsbibliothek Basel (Signatur G II 16, fol. 103 und 104) finden sich unter mehreren Briefen des Hilarius Cantiuncula an seinen Schulfreund Basilius Amerbach („amko suo carissimo") zwei aus Wittenberg datierte vom 7. Mai und 2 1 . Juni 1548 (ersterer zur Ubergabe an Zwinger, letzterer datiert: Datum Wittenbergae ex musaeo D. Philippi); vgl. auch Hartl-Schrauf, a. a. O., S. 249, Anm. 264. Melanchthon Michaeli Meienburgio, consuli Northusano, 1. September 1548: „Adolescentem Cantiunculae filium remisi in patriam, et ad patrem scripsi, et raciones literis inclusi. Videbam, eum nolle in uno et inchoato studio immorari. Haec levitas magis offendit me quam reliqua eius vitia, quae corrigi potuissent, si fuisset studiosus. Nunc vobis rationes mitto, in quibus adolescens sua manu scripsit pecuniam, quam ei dedi. E g o mea manu, quae a vobis accepi"; Corpus Reformatorum, V I I , S. 130. — Von anderen persönlichen Beziehungen Melanchthons zu Basel zeugt sein Briefwechsel mit Sigismund Gelenius (1497 —1554), langjährigem Korrektor in der Frobenschen Druckerei, und Celio Secondo Curione (1503 — 1569), einem italienischen Flüchtling, der in Basel ein Asyl fand und 1546 an der Universität Professor wurde. Der Letztere wollte 15 51 sogar Melanchthon nach Basel ziehen und diesen seinen sehnlichen Wunsch einmal verwirklicht sehen, ,,si tu, quod rumore ferebatur, propter patriae tuae perturbationem ad nos transivisses" (Brief vom 1. Dezember 1552). In seiner Antwort reagierte Melanchthon jedoch auf diesen Vorschlag nicht. Die Briefe sind gedruckt bei Otto Clemen, Briefe aus Basel an Melanchthon, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 43. Bd., 1944, S. 17—33, besonders S. 24 und 26; vgl. auch Benrath, Artikel Curione in der Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, I V , Leipzig 1898, S. 356. Welcher Klimawechsel in Basel: 1522 hegte man Angst, daß Melanchthon die Stadt heimsuchen werde, 1551 suchte man ihn zu überreden, dahin zu übersiedeln. In seiner umfassenden Biographie Curiones behandelt Markus Kutter seinen Briefwechsel mit Melanchthon, kennt jedoch nur Curiones 1553 erschienene Sammlung Epistolae selectae, dagegen nicht die von Clemen publizierten Briefe aus den Jahren 1551 —1552; er erwähnt daher auch die Bemühungen, Melanchthon nach Basel zu ziehen, nicht; Kutter, Celio Secondo Curione, sein Leben und sein Werk (1503 — 1569) (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 54), Basel 1955, S. I47f.

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T ü b i n g e n bei K o n r a d E b i n g e r und J o h a n n L u p f d i c h fortgesetzt hatte 3 6 . E r kam 1 5 0 2 zur E r ö f f n u n g der Universität nach Wittenberg, w o er 1 5 0 7 Ordinarius iuris civilis in Codice, 1 5 5 6 erster L e g e n t der Pandekten w u r d e und fünfundvierzig Jahre lang gelehrt hat. A l s sich 15 4 7 nach der Schlacht bei M ü h l b e r g die Universität zerstreute, folgte er einer B e r u f u n g an die Universität Frankfurt an der Oder, woselbst er 1 5 5 4 gestorben ist. M i t Schürpf verband Melanchthon, der auch bei ihm Vorlesungen gehört zu haben scheint, ein enges Freundschaftsverhältnis, dessen dieser an zahlreichen Stellen seiner Schriften und Reden mit W o r t e n höchster Anerkennung und größter V e r ehrung g e d a c h t e 3 7 . D i e Gedächtnisrede auf Schürpf, die v o n D r . 36

Über Hieronymus Schürpf (1481 — 1554) ist die Literatur verzeichnet bei Hans Georg Wackernagel, Die Matrikel der Universität Basel, I, Basel 1951, S. 2 3 1 , Nr. 6; außerdem siehe vor allem die älteste Lebensbeschreibung in Melanchthons Gedächtnisrede aus dem Jahr 1554 in Corpus Reformatorum, X I I , S. 86 — 94 (unten, Anm. 38); ferner die ausführliche Biographie bei Theodor Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 178—229, 415—454; auf ihr beruht Stintzing, I, S. 266; Ernst Landsberg, Artikel Hieronymus Schurff, Allgemeine Deutsche Biographie, X X X I I I , Leipzig 189t, S. 86—90; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 57f., 200—201; Rudolf Schäfer, Die Geltung des kanonischen Rechts in der evangelischen Kirche Deutschlands, Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte, kanon. Abt., X X X V I , 1915, S. 203f.; Hans Leiermann, Der unjuristische Luther, Luther-Jahrbuch, 24, 1957, S. 67 t., 80 f. — Während des Druckes erschien eine neue Biographie Schürpfs: Wiebke SchaichKlose, D. Hieronymus Schürpf: Der Wittenberger Reformationsjurist aus St. Gallen 1481 — 1554 (107. Neujahrsblatt, hg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen), Trogen 1967; die Verfasserin kündigt ferner eine Darstellung von Schürpfs juristischem Werk an. Auf beide Publikationen kann hier nur noch hingewiesen werden. 37 Einige aus dem Corpus Reformatorum, Band 23, sind bei Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben, S. 227, Anm. 105, aufgezählt. Hinzu kommen noch die im folgenden erwähnten Reden Melanchthons. Muther hat jedoch nicht bemerkt, daß sich Melanchthon unter Schürpfs „auditores" zählte; CR., X I I , S. 89 (1554): „ H o c officium [multa de studiis monendi] nos quidem praecipue ei [Schurffio] debemus, qui fuimus ipsius auditores, et vere hoc praedicare possumus, plurimum nobis formam doctrinae, qua usus est, et eius in iudicando prudentiam et rectitudinem profuisse." Daß auch eine — wenngleich recht entfernte — Verwandtschaft zwischen dem Juristen und dem Reformator bestand, sei nur nebenbei erwähnt. Hieronymus Schürpfs Bruder Augustin (1495 — 1548), Professor der Medizin in Wittenberg und Arzt Luthers, war mit Anna Crapp (Krapp), einer Schwester von Melanchthons Frau und Tochter des Wittenberger Bürgermeisters Hieronymus Crapp, verheiratet. Vgl. Georg Theodor Strobel, Melanchthoniana oder Sammlung einiger Nachrichten zur Erleuterung der Geschichte Philipp Melanchthons, Altdorf 1 7 7 1 , S. 12 f.

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Michael T e u b e r wenige W o c h e n nach dem T o d e des langjährigen Wittenberger Rechtslehrers vorgetragen wurde, w a r v o n Melanchthon verfaßt, ebenso die G r a b s c h r i f t 3 8 . I m Hinblick auf das enge Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Männern darf man an eine persönliche Einflußnahme des u m sechzehn Jahre älteren namhaften, ja zu seiner Zeit berühmten Juristen auf Melanchthon denken

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.

E i n e solche hat in der T a t zweifellos stattgefunden. Dies ist durch Melanchthons eigene Äußerungen erwiesen. V o n solchen scheinen mir jedoch nicht jene beweiskräftig g e n u g , in welchen bloß Schürpfs Gelehrsamkeit gerühmt und in der bekannten humanistischen N e i g u n g zu Übertreibungen mit der eines Papinian oder Ulpian verglichen w i r d 4 0 . Wiederum zeigt es sich vielmehr w i e vielfach bei Forschungen zur Universitäts- und Gelehrtengeschichte der Reformationszeit, daß die vollständige Lektüre o f t langatmiger Schriften und eintöniger 38

Oratio de vita clarissimi viri Hieronymi Schurffii, iuris utriusque docioris, recitata a d. Michael Teubero, doctore ... die septimo mensis Augusti, anno 1JJ4. Witebergae, in officina haeredum Petri Seitz; CR., X I I , S. 86—94. Vgl. Muther, S. 420t.; Stintzing, I, S. 266, Anm. 2, Verzeichnis der Declamationes Melanchthons, oben, Kapitell, Nr. 13. — Die Grabschrift in Distichen ist abgedruckt in CR., X , S. 623; auch in Nettelhladts Hallische Beyträge, II, 5, 1756, S. 1 2 3 ! . , und bei Muther, S. 229, Anm. 130; vgl. dazu S. 219. 39 Als Gegengewicht zu den hier folgenden Lobeserhebungen Schürpfs durch Melanchthon sei ein Ausdruck der communis opinio wiedergegeben, wie sie sich in dem Berichte eines Wittenberger Studenten, Gregor Mulich, in einem Brief an den Zwickauer Stadtschreiber Stephan Roth vom 17. September 1 5 3 1 widerspiegelte: , , . . . sis sciens me hactenus Wittebergae libenter vixisse: et ob verae religionis antistitem, in hoc uno incumbentem ut nos Christo lucrificiat; et ob xopvqpalov tum civilis tum Christianae philosophiae vereque principem; denique ob iurisconsultos non contemnendae authoritatis, maxime D. Hieronymum [Schurff], cuius peritia iuris inter huius nostrae provinciae iurisconsultos ita eminet et excellit, ut hesperus inter reliquas stellas praelucet"; Georg Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitätsgeschichte in der Reformationszeit, Leipzig 1893, S. 95, Nr. 106. 40 Z. B. Melanchthons Empfehlungsschreiben für Schürpfs Sohn an Joachim Vadian in St. Gallen vom Jahre 1544: , , . . . Patrem Hieronymum [Schurff] non ex illa forensi turba pragmaticum esse ducito, sed similem veteribus illis Leliis aut Papiniano aut Ulpiano. Nam et vis ingenii in eo est excellens et non solum iurisconsultorum doctrinam didicit, sed cum natura insit in eius mente, ut de Isocrate inquit Plato, philosophia, hanc et adolescens amavit et docuit philosophica et adiunxit doctrinam Christianam, quam et praeclare intelligit et morum pietate sequitur. Tantaque in eo gravitas est et iustitiae observantia, ut suis virtutibus doctrinam ipsam o r n e t . . . " ; CR., V , S. 43 2 f.; Muther, S. 228, Anm. 1 1 9 ; auch CR., X I , S. 357L

DOCT HIERONYMUS SCHVRFF DESIGNAT, CÄMIR.: IMPERIAL;ASSESSOR SAXCN.ET BRANDELECTCR , CONSILÜR; SWGVLARIS BETATIS 3 - C. L L 1NTER TK&TERAnk-.ff),D EXTiRWMVS-^o i_

3. Hieronymus Schürpf Kupferstich von unbekanntem Künstler, E n d e 16. Jahrhundert

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Reden bisweilen wertvolle persönliche Eröffnungen offenbart, welche in diesem Falle selbst so sorgfältigen Forschern wie Schürpfs verdienstvollem Biographen Theodor Muther entgangen sind. In seiner Rede De dignitate legum aus dem Jahre 1538 erwähnt Melanchthon, daß der wegen seines Charakters und seiner Gelehrsamkeit hervorragende „Dominus Doctor Hieronymus uns alle aufs ernsteste zum Respekt vor den Gesetzen, sodann auch die Rechtshörer zu fleißigem Studium derselben ermahnt hat". Melanchthon, so wird von ihm weiter ausgeführt, wähle für diese seine Rede ein anderes, wenngleich verwandtes Thema. Er werde darüber sprechen, daß für Christen keine Notwendigkeit bestehe, sich der mosaischen Gesetzgebung zu bedienen, daß es ihnen vielmehr gestattet sei, jene Gesetze anzuwenden, welche mit dem Naturrecht übereinstimmen, wenn sie auch von heidnischen Gesetzgebern herrühren41. Auch Schürpf hat sich in einer Rede zu demselben Problem zu Gunsten des römischen Rechts ausgesprochen. Zwölf Jahre später, in einer Rede De legum fontibus et causis (1550), erwähnt Melanchthon wiederum den von ihm „gleich einem Vater geliebten und verehrten Doctor Hieronymus Schürpf", wobei er Gott dafür Dank abstattet, „daß er ihm jenen nicht bloß als Weiser (monstratorem) dieser Wissenschaft, sondern als Lenker seines ganzen Lebens gegeben habe. Seinen Spuren folge er beim Studium, ihn suche er nachzuahmen, ihn betrachte er in religiöser wie in moralischer Hinsicht gleichsam als einen zu befragenden Spiegel, als eine Autorität (autoritas), dessen Ermunterung (hortator) er bei seinen akademischen Aufgaben respektvoll gehorchen zu sollen glaubt." 42 In einer früher Melanchthon zugeschriebenen Rede hat 41 CR., X I , S. 357f. (1538); siehe weiter unten Teil II, Kapitel I V , Anm. 28; ferner CR., X I , S. 2 1 5 . 42 CR., X I , S. 9 1 6 — 9 1 8 : „Etsi meae contationis in inchoanda hac legum interpretatione multae fuerunt causae, tarnen praecipua fuit consideratio difficultatis honestissimi et pene summi inter homines o p e r i s . . . . A c multorum eventus ostendunt, quam sit infoelix temeritas in consiliis dandis discedere a norma legum nostrarum. Quare etsi scio, honestissimum opus esse et Deo gratum, iuvare discentium studia, tarnen propter difficultatis magnitudinem quaedam me vel timiditas, vel reverentia remorata est, quo minus hanc publicam enarrationem inchoarem. Sed hanc dubitationem vicit tandem autoritas clarissimi viri, Domini Doctoris Hieronymi Scburfii, quem et propter sapientiam, virtutem et gravitatem in omnibus officiis omnes boni viri ubique venerantur, et ego propter paternam erga me benevolentiam et ingentia beneficia tanquam patrem diligo et colo,

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sich Schürpf für den Respekt vor den Gesetzen, die Anerkennung des römischen Rechts und der durch sie gewährleisteten Staatsordnung eingesetzt, ein Thema, das mit vielen Variationen oft von Melanchthon in Reden und Schriften behandelt worden ist 4 3 . In einer sorgfältig abwägenden Lebenswürdigung wird Schürpfs Bedeutung als Jurist in seiner Zeit von dem Geschichtsschreiber der deutschen Rechtswissenschaft Ernst Landsberg treffend wie folgt charakterisiert: „ Z u der Reihe derjenigen, welche, mit Zasius beginnend, das Joch der italienischen Praxis humanistisch oder durch Ausbildung einer eigenen deutschen Praxis abzuschütteln beigetragen haben, kann Schürpf nicht gezählt werden; vielmehr gründet sich die Rolle, welche er gespielt hat, gerade darauf, daß er, der Jurist von altem Schrot und Korn, der Kanonist, Scholastiker und Praktiker, der religiösen Reformation sich angeschlossen hat, welcher der juristische Reformer Zasius aus konservativen Bedenken nicht über die ersten einleitenden Schritte hinaus zu folgen w a g t e " 4 4 . Trotzdem Deoque gratias ago, quod hunc mihi non solum huius doctrinae monstratorem, sed totius vitae rectorem dedit. Nec enim tantum in discendo eius vestigia sequor, et iudicii rectitudinem et dexteritatem et veritatis tuendae curam imitari studeo, sed in vita etiam in eligenda religionis puritate et in regendis moribus in ipsum tanquam in speculum intueor. Hic cum mihi hortator esset subeundi hoc onus, reverenter ipsius adhortationi parendum esse censui. Idque eo etiam feci libentius, quod mihi in eadem Academia, ubi huius summi viri censura, voce et Consilio adhuc iuvari possum, docendi munus attributum est magnumque Dei beneficium esse duco, quod et tot annos audire hunc virum et una vivere et sapientia eius frui concessit, et nunc eum in huius laboris initio censorem, rectorem et monitorerei habere possum. Quare etiam in hoc exordio profiteor, me ipsius iudicio omnes meas interpretationes et diiudicationes subicere. Turpis est enim arrogantia, in tanta amplitudine doctrinae iuris et difficillimarum controversiarum, iuniores sese solos facere iudices, nec seniorum et peritorum iudicia requirere. Adferre autem ad hoc docendi munus (Deo iuvante) studeo, non solum diligentiam, sed etiam fidem, amorem iustitiae et veritatis, ac modestiam." Vgl. auch Melanchthons Rede De legibus, CR., XI, S. 916 (1550): „Hac ipsa de re saepe gravissimas commonefactiones audivimus hoc ipso in loco a clarissimo viro D. Hieronymo Schurff, praeeeptore nostro perpetua reverentia colendo, cuius iudicium, cum eruditione, aetate, usu, sapientia excellat, quem quidem ut Deus incolumem reipublicae diu servet, toto pectore opto, longe anteferamus stultae iuniorum curiositati". 43 Schürpfs Rede De reverentia legum, CR., XII, S. 12 — 19 C1553)i v gl- weiter unten, Teil II, Kapitel IV, Anm. 9. 44 Ernst Landsberg, Artikel Hieronymus Schurff, Allg. Deutsche Biographie, X X X I I I , S. 87.

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Schürpf Luther weithin Gefolgschaft leistete, konnte er sich als Jurist jedoch nicht entschließen, das kanonische Recht zu verurteilen und aufzugeben. Im Gegensatz zum Reformator hat er seine Geltungskraft — soweit es nicht dem ius divinum widerspreche — nicht bestritten und an seinen Satzungen festgehalten, es sogar als Hauptquelle des protestantischen Kirchenrechts betrachtet45. Ohne Zweifel hat sein Beispiel auf Melanchthon eingewirkt, den man nach dem hier Dargelegten als seinen Schüler betrachten darf. Auch er hat sich ursprünglich nicht gegen das kanonische Recht gewendet und in seinen juristischen Themen gewidmeten akademischen Reden nie gegen dasselbe ausgesprochen, was schon in zeitgenössischen Berichten hervorgehoben wird 46 . Die vom Anfang dieser Betrachtung an naheliegende Vermutung, daß Anregungen von dem älteren zu dem jüngeren Gelehrten mindestens über die Fragestellung, wohl auch in ihrer sachlichen Behandlung ausgegangen sind, wird durch die herangezogenen Zeugnisse zur Gewißheit. IV Einflüsse und Nachwirkungen Wir wenden uns nun dem persönlichen Einfluß des Reformators auf die Juristen seiner Zeit, der Wirkung von Melanchthons allgemeinen und juristischen Lehren, schließlich den Nachwirkungen seiner einschlägigen Schriften auf die zeitgenössische und spätere Rechtswissenschaft zu. Die damit zusammenhängenden Probleme wären einer eigenen, über den Rahmen der vorliegenden hinausgehenden Untersuchung wert, welche freilich umfassende Forschungen über die methodologischen, rechtsphilosophischen und materiellrechtlichen Aspekte erforderlich machen würde. Sie müssen einer 45 Muther, S. 206ff., mit zahlreichen Belegen; Karl Köhler, Luther und die Juristen, Gotha 1873, S. 37, 44, Anm. 3, 131 f. 46 Briefliche Mitteilung eines Wittenberger Studenten vom 1. März 1524, in der Vadianischen Briefsammlung in St. Gallen, Ms. 31, Nr. 176; Hartfelder, Declamationes, I, S. VI, Anm. 3, abgedruckt weiter unten, II. Teil, Kap. I V , Anm. 14.

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besonderen Studie vorbehalten bleiben. Hier kann nur in Kürze mitgeteilt werden, was in der vorliegenden Literatur über den Gegenstand bereits ermittelt worden und bekannt ist, obwohl er dort zumeist bloß im Vorbeigehen berührt oder nur oberflächlich gestreift wurde 4 7 . Der Vorbildlichkeit von Melanchthons Loci-Methode für Cantiunculas Topica wurde bereits gedacht 48 . Daß auch Bonifacius Amerbach, der sich Melanchthons Schriften stets bald nach ihrem Erscheinen zu verschaffen bemüht war, sich das Studium derselben zunutze zu machen wußte, liegt auf der Hand. Um bestimmte Einwirkungen nachweisen zu können, bedürfte es sorgfältiger, jedoch recht schwieriger Einzeluntersuchungen. Ob zum Beispiel die Begründung seiner Ablehnung des Vorschlags des Pierre Loriot (Petrus Loriotus), den Unterricht im römischen Recht an der Universität Basel durch den in den „christlichen Gesetzen" zu ersetzen, mit dem Hinweis auf Apostelgeschichte, Kapitel 15, vielleicht durch das gleiche Argument in Melanchthons Rede De dignitate legum veranlaßt war 4 9 , muß dahingestellt bleiben. Unmöglich wäre es keineswegs, obwohl diese Begründung naheliegt. 47

Dem Problem haben bisher Aufmerksamkeit geschenkt Theodor Muther, Roderich Stintzing und durch diesen angeregt Franz Wieacker in den im folgenden angegebenen Schriften; vgl. auch K. Köhler, Luther und die Juristen, S. 125 — 132. 48 Siehe, oben Kap. III, bei Anm. 32. 49 Uber diese Episode aus Loriots Leben siehe Guido Kisch, Bonifacius Amerbach als Rechtsgutachter, Festgabe für Max Gerwig (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 55), Basel i960, S. 102L, Anm. 49; auch unten, II. Teil, Kap. IV, Anm. 9. Von Amerbach verfaßtes Schreiben des Basler Rates an Loriot vom 15. September 1539: „Proinde, cum lege Mosaica gentes minime onerandas apostoli censuerint, cur tu oratione bene longa nos de ea in scholas atque adeo in forum recipienda admonere in animum induxeris, . . . " ; Hartmann, V, Nr. 2350, S. 248, 249, Anm. 1. In einer zweiten erhaltenen handschriftlichen Version dieses Briefes verweist Amerbach ausdrücklich auf Apostelgeschichte, Kap. 15. Vgl. Melanchthons Rede De dignitate legum von 1538, CR., XI, S. 357, 359: , , . . . quod Christianis non sit necessarium uti legibus Mosaicis, . . . Id primum hoc argumento confirmo: Apostoli in Actis capite 15 [v. 19, 28] pronunciant perspicue, non esse onerandas gentes lege Moisi . . . " . Nachträgliche Einsicht in Amerbachs Exemplar von Melanchthons Kommentar zum Römerbrief (Marburg 1532, UB. Basel F P X 5; oben, Anm. 18) hat diese Vermutung bestätigt: bei dem dort ebenfalls begegnenden Zitat von Apostelgeschichte, Kap. 15, findet sich eine eigenhändige Anstreichung Amerbachs.

Melanchthon und die Juristen seiner Zeit

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Roderich Stintzing hat im Verlauf seiner Darstellung der Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft im 16. Jahrhundert die — meist jüngeren — Juristen behandelt, welche entweder bei Melanchthon in Wittenberg studiert hatten oder sich persönlich seines Interesses erfreuten. Ihre Namen seien zusammengestellt. Zu ihnen gehört vor allem Johann Apel (1486—1536), der seit 1524 fünf Jahre lang Professor in Wittenberg war 50 , mit dem Reformator in fortdauerndem freundschaftlichen Verkehr stand, als einer der ersten Melanchthons Dialektik ins Juristische zu übertragen versuchte und dankbar anerkannte, durch Vermittlung seiner Methode sein Schüler zu sein 51 . Zutreffend stellt Franz Wieacker fest: „Soweit Apel nicht positiver Jurist, Staatsmann und Syndicus ist, ist seine geistige Einordnung durchweg durch Melanchthon bestimmt, und zwar im Verhältnis der Abhängigkeit. Eben dadurch hat Apel seine besondere Bedeutung für die Rezeptionsgeschichte . . . , daß er als Rezeptionsjurist den Einfluß des pädagogischen Humanismus als einen ihn verwandelnden erleidet. Dadurch wird er ein zuverlässigerer Zeuge für dessen rechtsgeschichtliche und dogmatische Möglichkeiten als die Literaten seiner Zeit. Andererseits bleibt dadurch Apels methodisches Werk von Melanchthons Erziehungs- und Unterrichtsschriften in größerer Abhängigkeit. Seine Methodica dialectices ratio ad iurisprudentiam adcommodata (Nürnberg 1535) ist unter dem unmittelbaren Einfluß der Dialektik Melanchthons (1520) entstanden." 52 50 Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben, S. 230—328, 4 5 5 — 4 8 7 ; Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, S. 287 — 296; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1 9 1 7 , S. 199; Franz Wieacker, Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, eine Studie zu Johannes Apels Dialogus, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 100. Bd., 4. Heft, 1940, S. 4 2 3 — 4 5 6 ; Wieacker, Gründer und Bewahrer, Rechtslehrer der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, Göttingen 1959, S. 44—91, 94; Friedrich Merzbacher, Johann Apels dialektische Methode der Rechtswissenschaft, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung, L X X V , 1958, S. 364—374, woselbst (S. 364, Anm. 1) weitere Literatur nachgewiesen ist. 51 Muther, a. a. O., S. 267—270. Wieacker hat Apels Abhängigkeit von Melanchthon in seiner Darstellung der Methodica dialectices anschaulich herausgearbeitet. 52 Wieacker, Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, S. 425 f.; Wieacker, Gründer und Bewahrer, S. 48 f. — Zum folgenden Satz vgl. Hans Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche, Festschrift Alfred Bertholet, Tübingen 1950, S. 303.

Melanchthon und die Jurisprudenz



Auch hat er diesem folgend aristotelische Gedankengänge auf die Jurisprudenz übertragen. Konrad Lagus (i 500— 1546), dem wir ein Jahr nach Melanchthons Ankunft in Wittenberg begegnen und welcher in der Folge bedeutenden Einfluß auf das Rechtsstudium an dieser und an anderen Universitäten gewann, betrachtete Melanchthon als das Vorbild, dem er in seinen juristisch-pädagogischen Bestrebungen nachzueifern bemüht war 5 3 . Melchior Kling (1504—1571), ein Schüler Schürpfs, der als Wittenberger Professor „Philippianer", das heißt Anhänger Melanchthons und ein eifriger Verteidiger der Fortgeltung des kanonischen Rechts, daher bei Luther nicht wohlgelitten war 5 4 , ist der erste gewesen, der unter unmittelbarem Einfluß der Melanchthon-Apelschen dialektischen Methode sein Kompendium der Institutionen ausarbeitete55. Melanchthon, so wird berichtet, hat Kling ein vollständiges Kollegheft über „Methodus iuris" ausgearbeitet und überlassen56. Johann Schneidewin (15x9—1568) ist ein anderer Wittenberger Rechtslehrer, bei dem sich ebenfalls die dialektische Methode in seinem Kommentar zu den Institutionen nicht verkennen läßt 57 . Die Reihe setzt sich fort mit den Wittenberger Professoren der Rechte Joachim von Beust (1522—1597) 58 , Michael Teuber (1524—15 86) 59 und Matthaeus Wesenbeck (1531—1586) 6 0 , der freilich erst 1569 als Nachfolger Schneidewins nach Wittenberg kam und dessen Bücher einen jahrhundertelangen Einfluß behaupteten. Besondere Erwähnung verdient Chilian Goldstein der Ältere (1499—1568), der zwar eine 53

Muther, Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, Jena 1876, S. 299 — 3 5 1 ; Stintzing, I, S. 296 —305; Friedensburg, S. 208 f. Melanchthon empfahl Lagus als Syndicus an den Rat von Danzig, wo er sich bis zu seinem Tode betätigte. 54 Muther, Rechtswissenschaft, S. 149 — 1 5 1 ; Stintzing, I, 8 . 2 8 4 , 305—309; Friedentburg, S. 201—203. 65 Muther, Universitätsleben, S. 314f. 66 CR., X , S. 677f.; X I X , S. 497f.; Hartfelder, Melanchthon, S. 102. 57 Muther, Universitätsleben, S. 3 1 4 t . ; Stintzing, I, S. 309t.; Friedensburg, S. 269. 88 Muther, Rechtswissenschaft, S. 109; Stintzing, I, S. 553f., 402, 7 1 1 , 7 2 8 ; Friedensburg, S. 267f.; Wieacker, Gründer, S. 97t. 59 Stintzing, I, S. 123, 552, Anm. 2; Muther, Universitätsleben, S. 420t.; Friedensburg, S. 268; dazu oben, Anm. 38. 90 Muther, Universitätsleben, S. 3 1 5 , Anm. 1 1 5 ; Stintzing, I, S. 351—366 und passim; Friedensburg, S. 270f.

Melanchthon und die Juristen seiner Zeit

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lectura ordinaria in iure in Wittenberg nicht innehatte, jedoch daselbst juristische Vorlesungen hielt 6 1 . E r stand Melanchthon besonders nahe, gab 1525 dessen lateinische Grammatik heraus und begleitete ihn zu den Religionsgesprächen in Worms. Nicht vergessen sei auch Christoph Hegendorfinus (1500—1540), dessen Oratio de artibus futuro iurisconsulto necessariis an Cantiuncula und Melanchthon orientiert ist 6 2 . Der Vollständigkeit halber seien noch folgende Juristen erwähnt, welche entweder bei Melanchthon in Wittenberg gehört hatten oder sonst in Beziehung zu ihm getreten waren: Valentin Forster (15 30 bis 1608), ein Schüler von Schürpf 6 3 ; Nicolaus Cisner ( 1 5 2 9 — 1 5 8 3 ) 6 4 ; Matthias Colerus ( 1 5 3 0 — 1 5 8 7 ) , der auf Melanchthons Rat von der Medizin zur Jurisprudenz überging 6 5 ; Nicolaus Reusner (1545 —1602), den Melanchthons Name 15 60 nach Wittenberg zog, w o er ihn jedoch nicht mehr lebend antraf 66 .

81 Muther, Rechtswissenschaft, S. 385 — 388; Stintzing, S. 562—564; Friedensburg, S. 205 f., Anm. 5 ; Wieacker, Gründer, S. 98f. Bei Otto Clemen, Melanchthons Briefwechsel, I (Supplementa Melanchthoniana, VI. Abt., Bd. I, 1510 — 1528), Leipzig 1926, finden sich einige Briefe an bzw. von Goldstein (Nrn. 250, 561, 572) und Schürpf, dagegen keine Korrespondenz mit Cantiuncula. 62 Erschienen Hagenau 1529. Vgl. Muther, Universitätsleben, S. 319, Anm. 1 5 1 ; Stintzing, I, S. 249 — 253; Wieacker, Einflüsse des Humanismus, S. 427, 438, Anm. 3, 449; Wieacker, Gründer, S. 49t., 66, Anm. 36, 77, 94 und passim. Auf Beziehungen zu Melanchthon darf man wohl auch für den Juristen Burian Sobek von Kornice schließen, einen der ersten Böhmen (Tschechen), die seit 1517 in Wittenberg studiert hatten. Er war ein eifriger Übersetzer von Schriften Luthers und übertrug 1539 auch Johann Carions Weltchronik ins Tschechische, ohne freilich Melanchthons Bearbeitung noch benützen zu können. Vgl. Rudolf Ricart, Melanchthon und die böhmischen Länder, in [Leo Stern], Philipp Melanchthon — Humanist, Reformator, Praeceptor Germaniae, Berlin 1963, S. 244. 63 Vgl. Stintzing, I, S. 396—402; Friedentburg, S. 440t. 64 Vgl. Stintzing, I, S. 503 — 507. 65 Vgl. Stintzing, I, S. 571t. 60 Vgl. Stintzing, I, S. 711 f. — Durch jahrelange enge Zusammenarbeit war mit Melanchthon verbunden Justus Jonas (1493 —1555), dem neben Luther und jenem der dritte Platz unter den Wittenberger Reformatoren zukommt. Er hatte als Jurist in Erfurt begonnen, ging aber, obwohl er 15 21 als Nachfolger von Henning Goede (1450—1521) nach Wittenberg berufen war, endgültig zur Theologie über und hat sogar geistliche Lieder gedichtet. Er kommt daher in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Uber ihn und seine Beziehungen zu Melanchthon zuletzt ausführlich Walter Delius, Lehre und Leben: Justus Jonas 1493—1555, Gütersloh 1952, S. 34, 41 ff. (vgl. CR., XI, S. 227ff., 466ff.), 47, 5*. 54, 57f-, 61, 103.

7*

Melanchthon und die Jurisprudenz

Damit ist Melanchthons juristische Einflußsphäre jedoch bei weitem noch nicht vollkommen umschrieben. Sie erweitert sich außerhalb des Wittenberger Humanistenkreises und in den folgenden Generationen humanistisch gebildeter und lutherischer Juristen, aus deren Zahl nur als die bedeutendsten hervorgehoben seien: der bereits erwähnte Johannes Sichardus (etwa 1499—1552), Johannes Oldendorp ( 1 4 8 8 — 1 5 6 7 ) 6 7 , Hugo Grotius (1583 — 1 6 4 5 ) 6 8 und Hermann Conring ( 1 6 0 6 — 1 6 8 1 ) 6 9 . Auch bei bedeutenden Rechtsgelehrten in Frankreich, wo bekanntlich die Bestrebungen zur Reform der Rechtswissenschaft neben der reformatorischen Bewegung auf kirchlichem Gebiet einhergingen, stand Melanchthon der „ J u r i s t " in hohem Ansehen. Franciscus Duarenus ( 1 5 0 9 — 1 5 5 9 ) empfahl seine Elementa doctrinae ethicae angelegentlich seinen Studenten, weil in keinem anderen Werke die Quellen der Gesetze so glücklich nachgewiesen seien. Der gleichen Ansicht war der berühmte französische Kanzler Michel L'Höspital ( 1 5 0 3 - 1 5 7 3 ) »0. 67 Vgl. K. Köhler, Luther und die Juristen, S. i ; o f . ; Stintzing, I, S. 328, 337; Liermann (oben, Anm. 52), S. 304^; Erik Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 3. Aufl., Tübingen 1951, S. 146, 154, 156, 158, 162H.; 4. Aufl., 1963, S. 148, 162L, 168; Wieacker, Einflüsse des Humanismus, S. 450; Wieacker, Gründer, S. 82; Kisch, Erasmus, S. 232t., 243t., Anm. 27. «8 Erik Wolf, 3. Aufl., S. 293; 4. Aufl., S. 295. 69 Erik Wolf, 3. Aufl., S. 227, 239; 4. Aufl., S. 226, 229, 241. 70 So berichtet Johannes Ferinarius (1534—1602), der eine Studienreise durch Frankreich gemacht hatte, Wittenberger Magister war und daselbst über Melanchthons Ethik Vorlesungen hielt: „Audio ex nostris hominibus, qui in Gallia didicerunt doctrinam iurisconsultorum, Franciscum Duarenum, iureconsultum clarissimum, saepe solitum dicere: ,Nullum hactenus scriptorem extitisse, qui tam feliciter legum fontes commonstrarit, quam hic noster sanctissimus senex in eo libello, quam Elementa doctrinae ethicae inscripsit, hortatumque fuisse adulescentes, ut nunquam eum de manibus deponerent*. Et affirmant viri fide digni, in eadem esse sententia Michaelem Hospitälern, regni Gallici cancellarium, virum omni genere virtutis et eruditionis ornatissimum verumque Galliae pacatorem"; zitiert bei Theodor Muther, Philippi Melanthonis De legibus Oratio, 2. Aufl., Weimar 1869, S. V f., Anm. 1, nach Richter, Crises Melanthonianae sive iudicia florentis scholae Mel. de lectione bonorum auctorum, Viteb. 1592, pp. 720—733 (mir nicht zugänglich); vgl. Köhler, a. a. O., S. 125. Schließlich mag es nicht uninteressant sein, zu erfahren, was der größte zu Melanchthons Zeit lebende deutsche Jurist, Ulrich Zasius (1461 — 1535), über ihn gedacht hat. Seine Meinung ist in einem Briefe des Johannes Lonicerus (1499—1569), damals Dozent der hebräischen Sprache in Freiburg, an Thomas

Melanchthon und die Juristen seiner Zeit

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Somit ist Melanchthons Einfluß auf die humanistische Jurisprudenz namentlich auf den Gebieten der Pädagogik und Methodenlehre nicht zu unterschätzen. „ D e r größere Teil des methodischen Schrifttums beruht unmittelbar oder mittelbar auf Melanchthons Anregung. Dieser Einfluß war darin begründet, daß Melanchthons Dialéctica zum erstenmal die Bildungsforderungen der Agricola und Erasmus an einer Hochschule verwirklichte. E r wirkte entscheidend, indem er durch seine besondere methodisch-didaktische Befähigung und unter der äußeren Nötigung der Kirchenreform die alten scholastischen Lehrfächer, ohne sie aufzugeben, auf neue, ursprüngliche Bildungsmittel zurückführte: auf die alten Quellen und die innere Anschauung durch eingeborene theoretische oder praktische Ideen, eine platonisch-ciceronianische Konzeption im Gewände des Aristotelismus. Die methodische Richtung der Juristen übertrug dieses Programm auf den juristischen Stoff." 7 1 So wurde „Melanchthon zum ersten Vermittler zwischen reformatorischer Theologie und humanistischer Jurisprudenz" 7 2 .

Blaurer (gest. 1567) vom 23. Dezember 1521 aus Freiburg überliefert: „Veteranus est legista [sc. Zasius], cui aliud placere non potest quam leges, quam statuta et quicquid veterem olet latrinam; Martinum [Luther] non alium estimat quam haereticum, Philippum Melanchthonem miseratur, quod nobili ingenio suo in errore Lutherano defensando et acceptando abutatur"; Traugott Schieß, Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer, I, Freiburg i. Br. 1908, S. 45, Nr. 39. 71 So zutreffend Wieacker, Einflüsse des Humanismus, S. 450; Wieacker, Gründer, S. 82; vgl. schon Muther, Universitätsleben, S. 265 — 270; Muther, Rechtswissenschaft, S. 309. Wieacker (S. 82) setzt hinzu: „Dagegen hat Melanchthons verheißungsvollster Beitrag, sein Naturrecht, zurückgeführt auf die von Gott her eingeborenen Ideen des Rechts, auf diesen [den Wittenberger] Kreis wenigstens unmittelbar nicht gewirkt und konnte schon deshalb nicht wirken, weil sein ausgebildetes System, die Epitome philosophiae moralis, erst 1538 erschien, als der Wittenberger Reformkreis schon zerstreut war." Dieses Problem bedarf selbständiger Untersuchung. 72 Erik Wolf, Das Problem der Naturrechtslehre, 2. Aufl., Karlsruhe 1959, S. 75 f.; 3. Aufl., 1964, S. i o i f . ; vgl. auch Werner Eiert, Morphologie des Luthertums, II, München 1932, S. 355ff.

ZWEITER TEIL

MELANCHTHONS RECHTS- UND

THEOKRATISCHE SOZIALLEHRE

ERSTES KAPITEL

Zur Einführung W ie bereits im einleitenden bibliographischen Kapitel dargelegt wurde, ist das Problem „Melanchthon und die Jurisprudenz" seit Haenel, auf dessen Darstellung die Stintzings vornehmlich beruht, von keinem Rechtshistoriker eingehender oder gar monographischer Behandlung gewürdigt worden. Wo seine Berührung unausweichlich wurde, erfolgte die Betrachtung dem gegebenen Anlaß entsprechend aus theologisch-dogmatischer, philosophischer oder historisch-theologischer Sicht. Rechtsgeschichtlich oder rechtstheoretisch wurde der ganze große Fragenbereich nicht erwogen, vermutlich weil ihn der theologische Hintergrund verdunkelte oder gar nicht in Erscheinung treten ließ. Wohl auch deshalb haben Melanchthons akademische Declamationes, welche der allgemeinen Rechts- und Soziallehre, der Geltung des weltlichen Rechts und einzelnen seiner Rechtseinrichtungen gewidmet sind, nur in geringem Maße, wenn überhaupt, Beachtung und Erwähnung gefunden. Und doch traten an den Reformator an der Seite Luthers nicht bloß theologische und allenfalls noch kirchenrechtliche Probleme und Tagesfragen heran. Er stand vielmehr wie dieser mitten in der realen Wirklichkeit des bewegten kirchlichen und politischen Lebens der Zeit, aus welchem Fragen von Recht und Staat, Krieg und Frieden, öffentlicher Gewalt, ihrer rechtmäßigen Träger und widerrechtlichen Gegner etwa zugunsten theologischer Ideale nicht ausgeschaltet werden konnten. Vielmehr heischte ihre öffentliche Erörterung und ihre Widerspiegelung in den Zeitereignissen ausdrückliche Stellungnahme der treibenden Geister. So entstand auch für Melanchthon unweigerlich die Notwendigkeit, sich mit ihnen theoretisch und grundsätzlich zu befassen und —seinem pädagogischen Talent und Drange folgend — seinen Anschauungen akademischen Ausdruck zu geben, um so auf die Haltung der Menschen und die Gestaltung der Ereignisse den von ihm gewünschten, weil als richtig erkannten Einfluß zu nehmen. Er hat sich dieser

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Aufgabe nicht entzogen und die von ihm erkannte Pflicht neben seinen zahlreichen anderen Obliegenheiten und Betätigungen mit Eifer und Hingebung zu erfüllen gesucht. Die Befähigung dazu ergab sich ihm aus seiner humanistischen Grundeinstellung, die unter dem mächtigen Einfluß Luthers zwar zeitweilig zugunsten der Theologie in seinem Denkbereich zurückgedrängt wurde, sich aber immer wieder von neuem belebte und in allen seinen Betätigungsgebieten Ausdruck fand, so daß sich deutlich eine Synthese reformatorischer Gedanken mit denen des Humanismus beobachten läßt, ein Weg, der 1522 seinen Anfang nahm 1 . Die theologische Literatur hat die Phasen von Melanchthons fortschreitender Geistesentwicklung und der aus ihr resultierenden Gestaltung seiner theologischen und philosophischen Lehren an den verschiedenen Kompositionsstadien und Ausgaben seines grundlegenden ethischen und dogmatischen Werkes Loci commmes studiert. Von Wilhelm H. Neuser sind sie besonders gut dargestellt worden. Namentlich für Melanchthons Naturrechts- und Soziallehre stand ihre Einordnung in seine Theologie durchaus im Vordergrund, obwohl sich auf diesen Gebieten vorwiegend weltlich-rechtliche Gesichtspunkte beobachten lassen. Man könnte dieselbe Methode chronologischer Betrachtung der verschiedenen Deklamationen im Hinblick auf Melanchthons Verhältnis zu Recht und Billigkeit im weltlichen Bereich, zu Gesetz und Rechtslehre, zu Gesellschaft und Staat anwenden. Denn auch die verschiedenen Reden über diese Themen enthalten verschiedene Aspekte der Probleme, die sich aus Melanchthons persönlicher, durch seine theologische Entwicklung und durch die politischen Ereignisse bedingter und beeinflußter Stellungnahme ergaben. Für die folgende Darstellung ziehe ich jedoch eine systematisch-sachliche Untersuchung vor. Denn die fortschreitende geistige Entwicklung Melanchthons und die Wandlung seiner Einstellung zu den mannigfachen Problemen, die hier in Frage stehen, ist ja eine Folge der in den verschiedenen Bearbeitungen der Loci sich ausdrückenden Wandlungen seiner theologischen und philo1

Vgl. Wilhelm H. Neuser, Der Ansatz der Theologie Philipp Melanchthons (Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche, Bd. IX), Neukirchen 1957, S. 133; zu Neuser kritisch Adolf Sperl, Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation, München 1959, S. 100, Anm. i d ; 101, Anm. 5.

Zur Einführung

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sophischen Anschauungen, aus denen jene fließen und an denen sie abgelesen werden können. Soweit auch in den zu betrachtenden akademischen Reden solche Wandlungen in den Anschauungen unmittelbar in die Augen springen, wird trotz Beibehaltung der systematisch-sachlichen Methode auf sie hingewiesen werden. Daß sich die Darstellung vorwiegend auf den Inhalt der „juristischen" Deklamationen Melanchthons von allgemeinem Charakter stützen wird, findet seine Rechtfertigung in der Tatsache, daß in diesen wegen ihres zeitlich und gegenständlich beschränkten Zieles seine Lehren nicht nur in größerer Prägnanz und Konzisheit, sondern — namentlich in den späteren Reden — auch in gutem, übersichtlichem systematischem Aufbau erscheinen. Im Vergleich mit der Erörterung derselben Themen in den umfangreicheren Traktaten und in den ethischen und politischen Kommentaren besitzen die Deklamationen den Vorzug größerer Konzentration und Lebendigkeit. Sowohl im Ansatz als auch in der Ausführung läßt sich eine Verschiedenheit von Gesichtspunkten beobachten.

ZWEITES KAPITEL

Melanchthons Rechtsanschauung (1523-1525) jM[elanchthons von der Theologie und Naturphilosophie herkommende, durch das Studium von Aristoteles und Cicero gewachsene Lehren über göttliches Recht, Naturrecht und menschliches positives Recht (kirchliches und weltliches) in ihrem gedanklichen Ursprung und ihrer philosophischen Wesenheit im Rahmen der Geschichte seiner Ideenentwicklung sind wiederholt, namentlich von Wilhelm Dilthey, Clemens Bauer und Hans Liermann tiefgründig untersucht und ausführlich dargestellt worden 1 . Es bedarf daher hier bloß eines zusammenfassenden Hinweises auf das Ergebnis dieser Forschungen, die vornehmlich auf Melanchthons theoretischen Traktaten und Kommentarwerken zu Aristoteles und Cicero beruhen. Die nachfolgenden Betrachtungen stellen sich eine andere Aufgabe. Sie wollen Melanchthons Beurteilung des zu seiner Zeit geltenden positiven weltlichen Rechts und der ihr überkommenen Jurisprudenz, wie sie in seinen „juristischen" Reden zum Ausdruck gelangt, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Zu ihrem Verständnis wird sich jedoch eine zusammenfassende Übersicht seiner allgemeinen Lehren förderlich erweisen. Sie kann vielleicht am besten durch Wiedergabe einiger treffender Formulierungen Liermanns (teilweise im Anschluß an Haenel) erfolgen, der an verschiedenen Stellen seiner Schriften „Melanchthons überlegte Haltung zu rechtsphilosophischen Fragen gegenüber Luthers naiver Einstellung zum Naturrecht" hervorgehoben hat und mit Recht von „Melanchthons juristisch-konstruktivem Denken" spricht.

1 In den oben in Teil I, Kapitel I kurz besprochenen Schriften. Nur Liermanns Darstellung ist summarisch. Sehr beachtlich ist auch Horst Alfred Fild, Justitia bei Melanchthon, theol. Diss. Erlangen 1951 (ungedruckt), S. 102—108.

Melanchthons Rechtsanschauung (1523 — 1525)

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„Melanchthon fußt [in seinen Loci communes] auf der Dreiteilung lex divina, lex naturalis, lex humana, wobei er sich auf den Apostel Paulus (Rom. 2.15) beruft. Auch das Naturrecht wurzelt für ihn im ius divinum. Diese Verbindung kommt sogar sehr stark zum Ausdruck. Die lex naturalis ist, weil sie durch die menschliche Vernunft unter Umständen nicht in voller Klarheit erkannt werden kann, am offenbarten göttlichen Recht des Dekalogs auf ihren wahren Gehalt zu prüfen. Denn dieser enthält nicht nur das von Moses den Juden gegebene Volksrecht, sondern das von Gott offenbarte ,Naturgesetz, welches für alle Menschen Geltung hat' (Haenel). Ebenso ist das ius divinum aber auch für Melanchthon der Maßstab für die Gültigkeit der leges humanae, deren laufende Korrektur am ius divinum von ihm gefordert wird. Dabei ist die lex divina für Melanchthon wirkliches Rechtsgebot Gottes, dem gehorcht werden muß. Er wendet sich scharf gegen diejenigen, welche darin nur consilia, moralische Ratschläge, erblicken wollen, wobei er so weit geht, daß er sogar für die Lehren der Bergpredigt Rechtscharakter in Anspruch nimmt." 2 Das Letztere geht zweifellos auf Erasmus zurück 3 . So läßt Melanchthon das göttliche wie das natürliche Recht aus dem juristischen auf das religiös-moralische Gebiet hinüberwirken. „Was bei Melanchthon ins Auge fällt, ist die starke, für ihn unlösliche und unzerreißbare Einheit des Rechtlichen und des Moralischen." „ E r richtet menschliches Recht fortwährend am göttlichen und natürlichen Recht aus." „Der Geltungsbereich aber für die lex naturae ist die societas civilis, ihr gibt sie Fundament, Existenzform und Ordnung." 4 Ende 1523 oder anfangs 1524 hat Melanchthon erstmals in einer akademischen Rede zum Problem des positiven Rechts, der Frage 2

Hans Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche, Festschrift Alfred Bertholet zum 80. Geburtstag, Tübingen 1950, S. 299ff.; dazu Th. Kolde — G. L. Plitt, Die Loci communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt, 4. Aufl., Erlangen/Leipzig 1925, S. 129, 244ff.; MWA., II, 1, S. 55, 158 f£. Vgl. Erik Wolf, Ordnung der Kirche, Frankfurt 1961, S. 461. 3 Vgl. Guido Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Bd. 56), Basel i960, S. i2off.; dazu Johannes Fkker, Luther als Professor (Hallische Universitätsreden, Heft 34), Halle 1928, S. J I , zu S. 7 Z. 1 1 : „Erasmus blieb für Melanchthon unantastbare Autorität". 4 Clemens Bauer, Melanchthons Naturrechtslehre, Archiv für Reformationsgeschichte, XLII, 1951, S. 78.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

der Geltung weltlicher Gesetze und ihrer Anerkennung durch das göttliche Recht öffentlich Stellung genommen 5 . Sein Thema hatte offenbar durch die politischen Verhältnisse, die Wittenberger Bewegung von 15 21 und 1522, die Umtriebe der Schwärmer und Wiedertäufer und die andauernden Unruhen, die zum Bauernkrieg hinführten 6 , traurige Aktualität erlangt. Das Ziel war Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung, Aufhebung des geltenden Rechts und Aufrichtung eines theokratischen Zukunftsstaates auf der Grundlage des mosaischen Gesetzes. Melanchthon, ein Mann der Ordnung, wendet sich mit gleicher Schärfe gegen die erstrebte Umwälzung des Privatrechts wie gegen die politischen Tendenzen 7 . E s scheint daher kein Zufall zu sein, daß die Rede De legibus gerade in dem verhängnisvollen Jahre des Bauernkrieges 15 2 5 im Druck erschien. Das geht auch deutlich aus ihren einleitenden Bemerkungen hervor. Obwohl sie sich sonach mit den aktuellen Tagesfragen der Legitimität, Geltung, Fortgeltung und zwingenden Kraft der weltlichen Gesetze für die Christen beschäftigte, fanden doch auch die theoretischen Lehren, 5 Über die Rede Oratio de legibus siehe oben, Teil I, Kapitel I, Verzeichnis der Declamationes Melanchthons juristischen Inhalts, Nr. 1 ; über ihre Datierung siehe unten, Kapitel IV, bei Anm. 14, 15. s Vgl. z. B. Neuser, a. a. O., S. 115 f., 120, 124; Irmgard Schmidt, Das göttliche Recht und seine Bedeutung im deutschen Bauernkrieg, phil. Diss. Jena 1939, besonders S. 43 ff., 48f., 53; Lotbar Kübel, Zur Frage der rechtlichen Begründung der Reformforderungen des gemeinen Mannes im Bauernkriege 1525, jur. Diss. Heidelberg 1939; beide im ganzen gute Darstellungen, letztere jedoch getrübt durch nationalsozialistische Einstellung; siehe besonders S. 48, wogegen zu vgl. ist Georg von Below, Die Ursachen der Reformation, Historische Zeitschrift, CXVI, 1916, S. 424; ferner Below, Die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, München 1905, S. 66 f. — Eine gute Übersicht über die Literatur zum deutschen Bauernkrieg ist bei Selma Stern, Josel von Rosheim, Stuttgart 1959, S. 238f., Anm. 25; dazu noch Karl Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkrieges in Südwestdeutschland, Stuttgart 1884. — Siehe insbesondere Walter Zöllner, Melanchthons Stellung zum Bauernkrieg, in Philipp Melanchthon — Humanist, Reformator, Praeceptor Germaniae, Berlin 1963, S. 174—189; daselbst eingehend über Melanchthons Schrift „Eyn schrifft Philippi Melanchthon widder die artickel der Bawrschafft", von 1525, CR., X X , S. 641—662; MWA., I, S. 190—214. Vgl. noch Nikolaus Müller, Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522, Archiv für Reformationsgeschichte, VI, VII, VIII, 1909—1911, 2. Aufl., Leipzig 1911, mit dem Untertitel: „Die Vorgänge in und um Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt". 7 Vgl. Heinrich Maier, An der Grenze der Philosophie (Philipp Melanchthon als Philosoph), Tübingen 1909, S. 117.

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die in den Loci

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niedergelegt waren, namentlich in den Kapiteln

De humanis legibus, De magistratibus und De scandalo Ausdruck und Anwendung. In dieser Declamatio, durch die „Melanchthon für die Jurisprudenz große Bedeutung gewonnen hat" 8 , behandelt der Reformator zuerst die Frage, ob das weltliche Gesetz, „das Recht, das gegenwärtig in den Schulen und Gerichten eines großen Teils von Europa vorherrscht", von Gott verboten oder zugelassen sei, ob man es, vom religiösen Standpunkt aus gesehen, handhaben und befolgen dürfe. Seit geraumer Zeit sei es in schlechten Ruf gekommen. Die Beschäftigung mit den profanen Gesetzen scheine den Christen nicht fromm genug, ja geradezu unwürdig zu sein. Wenn auch die Gerichte nicht völlig verworfen werden, finde man die Meinung vertreten, daß es besser sei, ex aequo et bono, also ohne geschriebene Gesetze, Rechtsstreitigkeiten urteilsmäßig zu erledigen. Solchen Auffassungen wünscht Melanchthon entgegenzutreten, um diejenigen, die sich einst den Staatsgeschäften widmen wollen, zum Studium der Rechtswissenschaft anzueifern. Daher unternimmt er den Beweis, daß die leges civiles von der Heiligen Schrift nicht allein nicht verworfen werden, sondern daß ihre Pflege von ihr geradezu vorgeschrieben sei. Eine höhere Anerkennung könne den Gesetzen gar nicht zuteil werden. Welcher Unsinn, ja Wahnsinn sei es daher, die christliche Religion zum Vorwand zu nehmen, um die staatlichen Einrichtungen zu erschüttern und zu untergraben? „Gottesverach-

8 So Hellmuth von Weber, Calvinismus und Strafrecht, Festschrift für Eberhard Schmidt, Göttingen 1961, S. 41. — Die Wiedergabe des Inhalts dieser und anderer Reden Melanchthons in deutscher Übersetzung erfolgt nur auszugsweise, teils wortgetreu (was durch Anführungsstriche angedeutet wird), teils bloß in Paraphrase. Nachweise von Zitaten erfolgen durch Angabe von Band- und Seitenzahl im Corpus Reformatorum, soweit sie daselbst abgedruckt sind. Wie allgemein üblich, werden diese Angaben den im Anhang neu wiedergegebenen Texten beigefügt, so daß die Auffindung des originalen Wortlauts auch dort ohne Schwierigkeit erfolgen kann. — Die Inhaltswiedergabe der Rede De legibus bei Stintzing, I, S. 272, in etwa 20 Zeilen ist gar zu summarisch; vgl. dagegen die etwas eingehenderen Betrachtungen bei Karl Köhler, Luther und die Juristen, Gotha 1873, S. iof., 54t., 56f., 58. Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II, Braunschweig 1864 (S. 25, 35, 112, 115), erwähnt die Rede, aus der er Zitate bringt, kurz in einigen Anmerkungen; ähnlich Walter Sohm, Die Soziallehren Melanchthons, Historische Zeitschrift, C X V , 1916, S. 68 f.

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tung ist es, die uns anvertrauten bürgerlichen Gesetze so zu verletzen. Durch die Heilige Schrift ist uns aufgetragen, uns für die Entscheidung profaner Rechtsstreitigkeiten sei es der heidnischen, sei es der mosaischen Gesetze zu bedienen. Indem in solcher Weise das Gerichtswesen deutlich von ihr anerkannt ist, werden auch das mosaische und das heidnische Staatswesen anerkannt." Nebst verschiedenen biblischen und historischen Beispielen wie dem Johannes des Täufers, der die Soldaten ermahnte, in ihrem Dienste treu zu sein, und Josefs, der nach ägyptischem Recht regierte, stützt sich Melanchthon hauptsächlich auf Paulus, der die weltliche Obrigkeit als Gottes und der öffentlichen Ruhe Dienerin bezeichne und damit deutlich zeige, daß auch jene, welche die Staaten nach heidnischen Gesetzen verwalten, ein ministerium Dei ausüben. Die Ungerechten, die sich nicht vom Geiste Gottes leiten lassen, müssen durch die Gesetze im Zaune gehalten und an der Begehung von Unrecht gehindert werden; denn nach Paulus seien die Gesetze für die Ungerechten gegeben. Solchen deutlichen Beweisen handeln diejenigen diametral zuwider, welche die weltliche Gesetzgebung der Gottlosigkeit anklagen. „Ein Feind Gottes ist nur derjenige, der unternimmt, was die göttlichen Gesetze untersagen." Christus sei nicht gekommen, um Staaten zu gründen, vielmehr habe er dieses Gebiet den weltlichen Herrschern überlassen mit der Aufgabe, durch Einsetzung von Gerichten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die Religion kann daher diejenigen, die ein so heiliges Amt zu verwalten sich anschicken oder es im Interesse des Staates ausüben, nicht nur davon nicht fernhalten, sondern muß sie im Gegenteil zur Übernahme ermahnen. Die Rechtspflege ist daher ein gottgefälliges Werk, ein pium, sanctum officium. „Ferner: Verbietet denn Christus Rechtsstreitigkeiten ? Wer wollte es leugnen ? Urteile zu fällen aber verbietet er nicht. Den Unterschied zwischen Rechts urteilen und Rechtsstreitigkeiten kann niemand verkennen." Gegenüber gottlosen Verbrechern bedarf es der richterlichen Autorität. So hat auch Christus verordnet, daß die Richter im Profanbereiche sei es nach heidnischen, sei es nach mosaischen Gesetzen Recht sprechen. Christus selbst habe den Zins entrichtet, um ein Beispiel dafür zu geben, daß man die Staatsgesetze achten müsse. Wiederum folgen biblische Beispiele zum Beweise der Rechtmäßigkeit der Staatsverwaltung und der Zuverlässigkeit der Handhabung heid-

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nischer Gesetze. Um für ihre Gesetze höheres Ansehen zu gewinnen, haben die antiken Gesetzgeber, wie Lykurg und Numa, sich auf die Approbation durch die Orakel der Götter berufen. Um wieviel heiliger müsse für die Christen das staatliche Recht erscheinen, das nicht durch erdichtete Orakel, sondern durch die gewisse göttliche Stimme verordnet sei. „Da es feststeht, daß kein Widerstreit zwischen Religion und Zivilgesetzgebung existiert, ist es durchaus dem Sittengesetz gemäß, daß man sich für die Behandlung profaner Rechtsangelegenheiten sei es der heidnischen, sei es der mosaischen Gesetze bedient." Außerdem ist es geradezu Verblendung, die heimischen Sitten und Einrichtungen zu hassen, so auch die heimischen Gesetze nicht anerkennen zu wollen. Die Erhaltung alter Gesetze und Sitten trägt zur Sicherung von Ruhe und Eintracht im Staate bei, während Änderung derselben nur Verwirrung schafft. Zu dem kürzlich in den Schulen ausgebrochenen Streite, ob es zweckmäßiger sei, nach geschriebenem Recht oder nach der Willkür der Magistrate Recht zu sprechen, ist zu erklären, daß wir nicht den Träumen der Schulmeister, sondern den Ratschlägen der weisesten Staatsmänner zu folgen wünschen, das heißt dem ius scriptum den Vorzug geben. Aufgezeichneten Rechtes haben sich die Ägypter, Kreter, Athener, Römer, auch die Juden bedient. „Der Freiheit und öffentlichen Ordnung wegen sind die Staaten gegründet und Gerichte eingesetzt worden, damit für jeden Leben und Sicherheit unter der Autorität des Rechts gewährleistet seien. Dieser Schutz ist nicht durch den Fleiß der Vorfahren, nicht durch Übereinkommen der Menschen geschaffen worden, sondern durch Gott gewiesen, damit das Recht nicht dunkel, unsicher oder zweifelhaft sei. Welche Kraft oder Autorität kann dem Recht innewohnen, wenn es ständigem Wechsel unterworfen ist ? Der Mangel an festen Gesetzen öffnet in Verwaltung und Gerichtsbarkeit der Willkür, im Staat der Gewaltherrschaft Tür und Tor. Nicht Haus, nicht Kinder, nicht Ehefrauen, die uns alle teurer sind als unser Leben, würden in Sicherheit sein. Alles Gute, Ehrfurcht, Menschlichkeit, Wissenschaft und Kunst, die nur in Ruhe und Frieden gedeihen können, würden verbannt. Nur in einem Staat, der durch schriftlich aufgezeichnetes Recht regiert wird, herrschen nach Aristoteles' Behauptung die Götter; denn die Gesetze sind es,

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die die Freiheit schützen. Ist es doch das größte Glück, sich der menschlichen Gesellschaft in Sicherheit zu erfreuen." Das geschriebene Gesetz, das den besten Magistraten vorzuziehen ist, bildet einen Schutz gegen Gewaltherrschaft, es errichtet für die Behörden sozusagen eine eherne Mauer gegen die Rücksichtslosigkeit der Menge und ist schließlich ein gemeinsames Band zwischen Herrscher und Volk zum Schutze des Friedens. Es wäre daher grausam, das ius scriptum aufzuheben, wodurch auch jede Rechtssicherheit verschwinden würde. Solches zu vermeiden, hatte Gott schon den Hebräern sichere Gesetze gegeben, welchem Beispiel später viele Völker gefolgt sind. In Athen war Solon der Gesetzgeber. Aus dem gleichen Grunde bedienten sich die Römer des geschriebenen Rechts, dessen Quelle die Zwölf Tafeln sind, welche ebenfalls die Quelle unseres Rechts bilden. Auch ist die erzieherische Wirkung der Gesetze nicht außer acht zu lassen. Sie halten v o n Lüge, Wucher, Diebstahl, Raub und sonstigen Gewalttaten ab. All das haben die römischen Gesetze vorgesehen und bewirkt. Hohes Lob ist daher der Weisheit unserer Vorfahren zu zollen, daß sie von den Römern ihre Gesetze entlehnt und sich diese für den Gerichtsgebrauch zu eigen gemacht haben. Es ist ein guter alter Brauch, treffliche Städtegründungen zum Vorbild zu nehmen. Ähnliches gilt auch für das Gebiet der Gesetzgebung. Die antiken Völker trugen kein Bedenken, das Recht oder einzelne Gesetze von anderen zu entlehnen, wie die Athener von den Ägyptern, die Römer aus Griechenland. So haben auch unsere Vorfahren zahlreiche Bildungselemente aus der Fremde aufgenommen, Literatur, Architektur, Musik. Ohne Zweifel hat unsere Kultur durch Aufnahme der römischen Literatur und des römischen Rechts wesentlich gewonnen im Vergleich mit dem barbarischen Zustand früherer Jahrhunderte. Bei keinem anderen Staatswesen wird man bedeutendere Beispiele der Kultur oder humanere Gesetze finden können. Dem römischen Staat vorzüglich eignete der Beruf zur Entwicklung vorbildlicher Staatsführung und zur Ausbildung des besten Rechtes. Die Römer sammelten ihre politische Weisheit und Kenntnis der Staatslenkung im tätigen öffentlichen Leben, im Senat, auf dem Forum, nicht wie die Griechen in Beschaulichkeit und philosophischer Ruhe in ihren Schulen (was durch Beispiele aus Plato und Aristoteles verdeutlicht

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wird). Daher sind die Römer, deren Gesetze die Frucht mächtiger politischer Kämpfe, einer großartigen staatsbildenden Kraft darstellen, auch die besten Lehrmeister für eine zweckvolle Gesetzgebung. Deshalb bedienen sich in großer Übereinstimmung alle Völker des römischen Rechts, die alten Stadtrechte werden vielfach nach ihm neu gestaltet. Aus ihm sollten alle, die sich auf den öffentlichen Dienst vorbereiten oder die Staaten bereits lenken, Belehrung suchen, was nach Melanchthons Ansicht für sie nützlicher sei als die Beschäftigung mit philosophischen Disputationen. Selbst bei jenen europäischen Völkern, die nicht nach römischem Recht leben, widmen sich die künftigen Staatslenker dem Studium desselben, um seinen Geist in sich aufzunehmen und dadurch das Recht nach den heimischen Gesetzen besser anwenden zu können. Niemand sei daher in Deutschland zur Handhabung der Staatsgeschäfte genügend ausgebildet, der nicht durch die Schule des römischen Rechts gegangen sei. Diesem wohne auch ein hoher allgemeiner und sittlicher Bildungswert inne. Barbarisch wäre es somit, diese alte Rechtskultur auszulöschen. Es folgt eine ausführliche Widerlegung der Verleumdungen des römischen Rechts durch seine Gegner. „Diese flüstern, daß alles durch die verächtlichen Kommentare der Interpreten verdunkelt und verunreinigt sei. Ich aber trete nur für die römischen Gesetze ein, nicht für ihre neueren Interpreten. Diese wollten sich immerhin nützlich zeigen, und ihre Bemühung ist daher lobenswert. Was ihnen zur Last gelegt wird, das schreibe ich nur ihrer Unkenntnis der menschlichen Bildung und schönen Literatur zu (inscitiae humanitatis et elegantium literarum); denn die so Ungebildeten, der Feinheiten der römischen Sprache nicht Kundigen, sind zur Behandlung bedeutender Disziplinen nicht geeigneter als ein Esel zum Harfenspiel." Wenn aber die gegenwärtige Generation im gleichen Fahrwasser fortfährt, wofür Melanchthon verschiedene Beispiele beibringt, will er sie ermahnen, sich von den Fehlern der literarischer Bildung ermangelnden mittelalterlichen Interpreten des Rechts freizumachen und unter Verwerfung der ungelehrten Kommentare den Weg zu den wahren Quellen des Rechts, den Gesetzen, wiederzufinden. „Das ist menschenwürdiger, als die Gesetze, die uns keineswegs schlechte Dienste geleistet haben, auslöschen zu wollen."

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Dem Schluß seiner Rede zueilend wendet sich Melanchthon noch gegen die Kritiker der Professoren und diejenigen, welche die Fehler derselben den Gesetzen, das heißt dem römischen Recht, zur Last legen. Der Richter- und Advokatenstand müsse gehoben, der Entstehung immer neuer Prozesse aus den alten um des Gewinnes willen müsse ein Ende bereitet werden. Die Ursache auch dieser Mißstände liege in der inscitia elegantium literarum, der zu steuern sei. Nur so könne der Verfälschung der Gesetze und ihrer böswillig-spitzfindigen Interpretation begegnet werden. Wie in Athen die Münzfälscher, so müssen auch die Rechtsfälscher mit Strafen bedroht und nur die Besten und Ehrlichsten zum Studium und zur Handhabung des Rechts zugelassen werden. Gott sei der Urheber des Rechts („Libra et pondus iudicia Dei sunt"; Prov. 16,11). Die Gerichte seien von der Religion gebilligte Einrichtungen, Rechtsprechung und Rechtsverteidigung seien ein sanctum officium 9 . Unrechtes Handeln auf dem Gebiete des Rechts sei eine Beleidigung Gottes. Nur Gottesfurcht bewirke gerechte Handhabung des Rechts. Es gebe keine heiligere Funktion auf Erden als diese. Das gelte wie für frühere so für alle Jahrhunderte und für alle, wo immer ihnen die Verwaltung der Gerichtsbarkeit obliege. „Lasset auch uns daher das staatliche Recht eifrig in Schutz nehmen, zumal es in Rom seinen Ursprung hat, in dem hervorragendsten Staate der Welt, dem Ratschluß der weisesten und gelehrtesten Männer entsprungen, deren Literatur es nicht nur ist, die uns lehrt, Recht und Unrecht zu unterscheiden, sondern deren 9 Auf der gleichen Ebene bewegt sich Melanchthons Nachweis aus dem Neuen Testament, daß es den Christen nicht verboten sei, weder dem Kläger, noch dem Beklagten, noch den Anwälten, vor das weltliche Gericht zu gehen und dort ihre Ansprüche beziehungsweise ihre Verteidigung gegen unrechte Ansprüche geltend zu machen. Den ausführlichen Beweis erbringt er in einer selbständigen Schrift: „Ob auch die Christen mit gutem Gewissen vor Gericht handeln und gerichtliche Ordenungen brauchen mügen, ein kurtzer Unterricht. Gedruckt zu Nürmberg durch Georg Wächter M. D. X X I X " . 15 Seiten (zuerst 1528 lateinisch erschienen; Hartfelder, S. 587, Nr. 141, 142; CR., I, S. 1023 — 1028; Exemplare in der UB. Basel und in der Bibliothek des Union Theological Seminary in New York). Dazu auch Karl Köhler, Luther und die Juristen, S. 18 f. Melanchthon beruft sich bei seiner Beweisführung auf dieselben Schriftstellen aus dem Matthäusevangelium, dem Römer- und Korintherbrief, die schon Claudius Cantiuncula in seiner Oratio Apologetica in patrocinium Iuris Civilis, Basel 1522, zum gleichen Thema angeführt hatte. Vgl. G. Kisch, Humanismus und Jurisprudenz (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Bd. 42), Basel 1955, S. 25 f. mit den Anmerkungen.

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Beispiel und glorreiche Geschichte uns zum Streben nach der Tugend aneifert." Diese zum Teil langatmige, wiederholungsreiche, weder straff gegliederte, noch systematisch genug aufgebaute Rede Melanchthons mußte, wenngleich nur auszugsweise, so doch in größerer Ausführlichkeit wiedergegeben werden, um des Reformators Einstellung zum weltlichen und besonders zum römischen Recht plastisch vor Augen zu führen. In summarischer Überschau lassen sich ihre leitenden Gedanken wie folgt zusammenfassen: 1. Weltliches Recht und weltliche Rechtshandhabung sind von Gott nicht verboten, sondern sogar geboten. Es handelt sich um ein frommes, heiliges Geschäft. 2. Es besteht kein Widerstreit zwischen Religion und weltlicher Gesetzgebung und keinerlei Bedenken, bei der gerichtlichen Behandlung profaner Angelegenheiten sich entweder der heidnischen (römischen) oder der mosaischen Gesetze und der staatlichen Gerichte zu bedienen. 3. Geradezu Verblendung ist es, die geltenden Gesetze nicht anerkennen, aufheben oder auch nur ändern zu wollen. 4. Diese, im Interesse der Freiheit und öffentlichen Ordnung ins Leben gerufen, sind nicht menschliche Einrichtungen, sie beruhen vielmehr auf planvoller göttlicher Schöpfung. Ständiger Wechsel beraubt sie jeder Kraft und Autorität. Der Mangel zuverlässiger, schriftlich aufgezeichneter Gesetze öffnet der Willkür und Tyrannis die Tore. 5. Durch seine inneren Vorzüge ist das römische Recht, gegen dessen Annahme auch vom patriotischen Gesichtspunkt aus nichts spricht, prädestiniert, zur Richtschnur für die Gesetzgebung ebenfalls in Deutschland zu dienen. Seine Rezeption stellt eine Bereicherung des Kulturlebens dar, die nicht wieder ausgelöscht werden darf. 6. Unter Heranziehung der elegantes Uterae und bei Ausschaltung der verwirrenden Kommentare soll auf das ursprüngliche römische Recht zurückgegangen und auf Grund desselben das Rechtsstudium vertieft, der Juristenstand und mit ihm die Justiz gehoben werden. Für den weiteren Gang der Untersuchung sind insbesondere zwei Beobachtungen festzuhalten. Wann immer im Verlauf der Rede

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Melanchthon die rechtliche Behandlung profaner Angelegenheiten ins Auge faßt, erklärt er sowohl die durch biblische Beispiele bezeugte Anwendung heidnischer als auch die Verwendung der für den religiösen Bereich allerdings aufgehobenen mosaischen Gesetze als durchaus zulässig. Für das römische Recht will er sich wegen seiner inneren Qualität wie auch seiner Weltgeltung halber einsetzen, seine Kommentatoren jedoch, von denen keiner mit Namen erwähnt wird, nicht in Schutz nehmen. Trotzdem anerkennt er — ähnlich wie es der Jurist Claudius Cantiuncula in seiner Oratio Apologética in patrocinium iuris civilis 1522 getan hatte — das redliche Bemühen der mittelalterlichen Interpreten des römischen Rechts, ohne auch nur mit einem Worte gegen sie ausfällig zu werden. Beachtenswert ist ferner die wiederholte Betonung der Wichtigkeit des humaniorutn literarum Studium, die Wichtigkeit der elegantes literae auch für den Bereich der Rechtswissenschaft und für diejenigen, die sich in den Dienst des Rechtes stellen wollen. Hier kommt Melanchthons starke Verbundenheit mit dem Humanismus zu deutlichem Ausdruck.

DRITTES KAPITEL

Recht und Staat als göttliche Ordnungen JS^elanchthons Anschauungen über Geltung, praktische Handhabung und wissenschaftliche Pflege des staatlichen (weltlichen) Rechts, die erstmals in seiner Rede De legibus Ende 1523 oder anfangs 1524 öffentlich Ausdruck fanden, wurden 1525 durch den Druck weiteren Kreisen zugänglich. Bald folgten mehrere Nachdrucke dieser Rede. Die Probleme von Recht und Staat, die einmal die Aufmerksamkeit des Reformators gefesselt hatten und in der kirchlich wie politisch bewegten Zeit stets aktuell blieben, entzogen sich auch weiterhin, und 2war durch das ganze Leben hindurch, nicht seinem Interesse. In seinen Schriften und akademischen Reden kam er immer wieder auf das Thema zurück. Bei seiner Behandlung erfuhr es nicht nur Vertiefung, sondern es gaben sich auch Wandlungen in seinen Anschauungen kund. Davon wird in den folgenden Erörterungen die Rede sein. Hatte Melanchthon früher nur die Frage aufgeworfen, ob das staatliche (römische) Recht mit dem Evangelium und sonach mit der christlichen Religion nicht in Widerspruch stehe, die er nachdrücklich verneinte, so wendete er sich später seiner Charakteristik und rechtsphilosophischen Analyse zu. Diese Betrachtungen führten ihn sogar bis zur Entwicklung einer eigenen allgemeinen Rechts- und Staatslehre. Dazu gab ihm zunächst sein Kommentar zu Aristoteles' Politik aus dem Jahre 1530 Veranlassung in dem die wesentlichen Gesichtspunkte seiner ersten Rede De legibus wiederholt und seine Betrachtungen weiter ausgesponnen sind. Dieser „Kommentar" schließt sich zwar lose an den Text der ersten drei Bücher von Aristoteles' Politik an und bringt namentlich nebst einer Inhaltsübersicht zu jedem Buch eine kurze Einführung. Wenn man sie liest, gewinnt man jedoch — wenigstens von den im Druck vorliegenden Ausführungen — den 1 CR., XVI, S. 4 1 7 - 4 5 2 .

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Eindruck, daß es dem Verfasser weniger um eine Kommentierung im eigentlichen Sinne zu tun war als vielmehr um eine Erörterung einiger von Aristoteles entwickelten Leitgedanken und deren Anwendung auf die zeitgenössischen Verhältnisse. Jene bilden sozusagen Hintergrund und Maßstab, zugleich auch neben dem biblischen philosophisches Beweismaterial für die theoretische Richtigkeit und praktische Anwendbarkeit der von Melanchthon entwickelten Rechts-und Staatslehren. Das von diesen verfolgte unmittelbare Ziel ist Widerlegung der Irrlehren und Bekämpfung der Umtriebe der Schwärmer, Wiedertäufer und sonstigen Unruhestifter, auf welche immer wieder ausdrücklich Bezug genommen wird 2 . Namentlich ihnen gegenüber sollen Recht und Staat als von Gott eingesetzte, dem Christentum allein gemäße Ordnungen erwiesen und zu unbedingter Respektierung empfohlen werden. So wird eine im Christentum fundierte, von der Antike her philosophisch begründete Rechts- und Staatslehre eindrucksvoll vorgetragen. Melanchthon, der sich nach vorübergehender Abkehr Aristoteles wieder zugewendet hat, ist an dem großen Lehrmeister aller Zeiten in seinen Anschauungen wie in der Art der Entwicklung seiner Ideen gewachsen. Er anerkennt das selbst, indem er Aristoteles als unübertroffenen Meister der Methodik rühmt: ,,Nullus melior est artifex methodi quam Aristoteles" 3 . Vergleicht man den Aufbau der Rede De 2

Z . B. CR., X V I , S. 4 4 1 : „Alii contra hanc acerbitatem servitutis cum Evangelio pugnare disputant. E t hoc impio praetextu ante quinquennium [i. e. anno 1525] concitaverunt vulgus, ut libertatem armis recuperaret oppressis principibus." Vgl. daselbst, S. 447: „Atqui novi multos, qui, cum in ecclesiis docere debeant, tarnen irrumpunt in forum et curiam et spreto Romano iure novas leges ferre conantur. E t ad hanc rem non usum, non ingenium, non doctrinam aliquam civilem afferunt, sed meram impudentiam cum extrema stultitia atque impietate coniunctam." Dies ist auch Peter Petersen (siehe folgende Anmerkung) aufgefallen, ohne daß er die oben im Text angedeutete Konsequenz gezogen hätte. 3 CR., X V I , S. 423: „Saepe admonui in Aristotele diligenter observandam esse methodum. Nullus enim melior est artifex methodi quam Aristoteles"; 4 3 3 : „Saepe alias dixi Aristotelem optimum methodi artificem esse, quare et in his libris diligenter considerandum est, quomodo ordine alia praecepta ex aliis nascantur"; vgl. 435, 446. Uber Melanchthons Beurteilung des Aristoteles siehe erschöpfend Peter Petersen, Geschichte der aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland, Leipzig 1 9 2 1 , S. 23 — 108; über seine vorübergehende Abwendung von Aristoteles auch Neuser, S. 31 ff.; Liermann, S. 302 t.; über seine dauernde Hinwendung Wilhelm Risse, Die Logik der Neuzeit, I, Stuttgart 1964, S. 82 ff., 106 ff.

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legibus mit dem des Aristoteleskommentars, so ist der Fortschritt unverkennbar. Das ist auch aus dem Inhalt ersichtlich, obwohl mancher Gedanke aus der Rede im Kommentar unverändert wiederkehrt. Diesem wollen wir uns nunmehr zuwenden. Zunächst eine terminologische Bemerkung. Der von Melanchthon oft statt respublica und neben civitas gebrauchte Ausdruck politia wird zur Bezeichnung des Staates im allgemeinen verwendet 4 . Seine Definition lautet: „Politia est legitima ordinatio civitatis, secundum quam alii praesunt, aüi parent. Politia duplex est, recta et corrupta." 5 Bei der dann folgenden Unterteilung wird wie ständig auf die Forderungen der Schwärmer und Bauern Bezug genommen. Gleich eingangs wird noch eine andere Definition dessen gegeben, was man heute als politische Wissenschaft bezeichnet: „Politica est doctrina de externa actione in vita, de rerum possessione, de successionibus, de contractibus et similibus rebus." 6 Die an sich klare Definition wurde anscheinend bereits von Melanchthon als zu weit empfunden, weshalb er ihr gleich Beispiele hinzuzufügen für richtig fand. Diese sind offenbar nur als beispielhafte Hinweise auf einzelne durch Staatsgesetze zu regelnde Rechtsgebiete gedacht. Denn Melanchthon fährt fort: „Sie sind nicht bei allen Völkern die gleichen. Es gab verschiedene Gesetze bei den Persern, andere bei den Athenern, 4 D a z u vgl. Werner Eiert, Zur Terminologie der Staatslehre Melanchthons und seiner Schüler, Zeitschrift für systematische Theologie, I X , 1932, S. 525 f., 528; auch Eiert, Societas bei Melanchthon, Festschrift für L u d w i g Ihmels „ D a s Erbe Martin Luthersund die gegenwärtige theologische Forschung", Leipzig 1928, S. 101 — 1 1 5 ; Gerd Heinz-Mohr, Unitas Christiana, Trier 1958, S. 263. In den v o n Eiert herangezogenen und als Belege verwendeten Melanchthonstellen sind die juristischen Reden nicht ausgewertet 5 C R . , X V I , 436; dazu Gottfried Weber, Grundlagen und N o r m e n politischer Ethik bei Melanchthon, München 1962, S. 14t. V g l . Melanchthons Kommentar zum Römerbrief, C R . , X V , S. 7 1 1 . 9 C R . , X V I , 419. A n anderer Stelle (S. 422) lautet Melanchthons Definition präziser: „Politica disputat de societate civili et officiis ad societatem pertinentibus et causas societatis ex natura ducit." In seiner Rede De dignitate legum von 1543 umschreibt Melanchthon den Ursprung und Z w e c k der politischen Wissenschaft, C R . , X I , 631: „ N o s t r a ars vera est, divinitus monstrata generi humano et salutaris, etiamsi aliae res accedunt, quae hanc sapientiam saepe reprimunt"; C R . , X I , S. 633: „ I d e o tradidit Deus humano generi artem politicam, hanc ipsam doctrinam, ut, quantum potest, sanabiles homines ad iustitiam flectat et iniustos impetus reprimat." — Eiert, a. a. O . , behandelt diese Terminologie und Begriffsbestimmung nicht.

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andere in Rom. Aber wie ein Christ an verschiedenen Orten verschiedene Kleidung gebrauchen kann oder sich nach verschiedenen Tageszeiten (Länge von Tag und Nacht) richten muß, so ist es ihm auch erlaubt, sich aller Orten der jeweils bestehenden Staatseinrichtungen zu bedienen: Esra hat in Persien nach den persischen Gesetzen, in Jerusalem nach den jüdischen Recht gesprochen. Der römische Centurio [Cornelius] hat sich in Judaea der judäischen, in Rom der römischen Gesetze bedient. Diese haben zum Evangelium keine stärkere Beziehung als die Kleidung oder die Tageszeiten. Die Kenntnis des Unterschiedes zwischen Evangelium und staatlichen Belangen (Evangelii et politices) trägt viel zur Erhaltung der Ruhe und Erhöhung des Respektes gegenüber den Behörden bei." Melanchthon wendet sich gegen die Aufrührer, Aufwiegler und Anabaptisten, nicht ohne das schädliche Vorbild Wiclifs zu erwähnen, um festzustellen, „scire, quod Evangelium ad cordis iustitiam pertineat, non pertineat ad civilem statum." So ist er bereits bei dem Ziele angelangt, dem er zustrebte: „Alle Gesetze und Staatseinrichtungen werden vom Evangelium anerkannt, wenn sie mit der natürlichen Vernunft (mit dem Naturrecht) in Übereinstimmung sind." 7 Das bedeutet, daß Evangelium und Staatsgesetzgebung miteinander nichts zu tun haben, und daß jenes nicht als Vorwand benützt werden dürfe, um staatliche Gesetze zu ändern oder aufzuheben. Es ist das Thema, das Melanchthon bereits in seiner Rede De legibus behandelt hatte. Jetzt beruft er sich auf Socrates und Plato, auf das Beispiel von Christus und der Apostel, „welche die römischen Gesetze nicht für ungültig erklärten, die Staatseinrichtungen nicht angetastet, sondern nur privatim die Gotteserkenntnis verbreitet haben. Gott selbst bezeugt, daß die Staatsbehörden (magistratus) von ihm eingesetzt und seine Stellvertreter seien (Ps. 82.6). Daher seien diese staatlichen Einrichtungen gut, was auch Paulus lehrt (Rom. 13.1, 2, 4, 6), indem er 7

CR., X V I , S. 420: „ N o s igitur diligenter observemus, maximum intervallum inter Evangelium et politicam esse; et politias omnes approbari ab Evangelio, si cum ratione [ed. Basel: cum iure naturae] consentiant"; S. 4 2 1 : „ U t autem approbat Evangelium alias artes vitae necessarias, ut agriculturam, architectonicam, ita etiam approbat leges et politicas ordinationes rationi consentientes." CR., X I , 9 2 1 : „Ingens discrimen est inter Evangelium et politicam gubernationem"; CR., X I I , S. 2 5 : „Interea in vita civili [Evangelium] sinit nos uti legibus imperiorum, in quibus vivimus."

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sie als Einrichtungen Gottes bezeichnet."8 Hatte Melanchthon in seiner Rede vor allem den Beweis geführt, daß die staatliche Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit nicht im Widerspruch mit dem Evangelium stehen, und die Frage der göttlichen Einsetzung nur von ungefähr berührt, so ruht jetzt das ganze Schwergewicht der Beweisführung auf der letzteren: „Sciendum, quod legitima politia et rerum divisio sit opus Dei." Eine solche, wo immer sie existiere, sei eine ordinatio Dei, sie möge bald eine mildere, bald eine härtere Regierungsform aufweisen9. Richtig sei Aristoteles' Ansicht, daß eine politia, um legitima zu sein, in Einklang mit der Natur stehen müsse, welche uns zur Pflege der Gemeinschaft führt. Sie sei, wie es die Rechtsgelehrten ausdrücken, iuris gentium seu iuris naturalis. Aus ihr ergeben sich die Gesetze, ohne welche keine staatliche Gemeinschaft bestehen könne. Das ius naturae aber ist in Wahrheit ius divinum. „Est autem ius divinum ius naturale seu naturale iudicium rationis." Dieses dürfe nicht geändert werden, es sei denn, daß Gesetze mit der natürlichen menschlichen Vernunft nicht in Einklang stünden. Doch müssen sie ertragen werden, wenn sie nur eine geringe Abweichung aufweisen. Schon Aristoteles und Ulpian haben auf die Gefahr von Gesetzesänderungen hingewiesen, und Demosthenes berichtet von einem Gesetz bei den Lokrern, demzufolge jeder, der einen neuen Gesetzesvorschlag einbringen wollte, dies mit einer Schlinge um den Hals tun mußte, welche bei Mißbilligung des Antrags durch das Volk sogleich zugezogen wurde 10 . Im Anschluß an Aristoteles' Erörterung der Frage, 8 CR., X V I , 420 f. Dieser Gedankengang wird später von Melanchthon in anderen Werken wiederholt; vgl. darüber Werner Goez, Translatio Imperii, Tübingen 1958, S. 275ff. 9 CR., X V I , 430 f., 424, 442; ebenso Hieronymus Schiirpf, CR., X I I , 14. Vgl. die Betrachtungen bei Stintzing, I, S. 284—286. 10 CR., X V I , 4 3 3 f . ; Aristoteles, Politik, II. 8, 1 2 6 8 b — 1 2 6 9 a ; vgl. Melanchthons Kommentar zur Nikomachischen Ethik, CR., X V I , 403, w o in Anm. 47 die Stelle aus Demosthenes gegen Timocrates (744) wiedergegeben ist; Loeb Classical Library, Demosthenes, III, S. 463, 139. Auch sonst wird auf sie hingewiesen, so CR., X I , 2 1 7 und 223, woselbst Melanchthon die Sage von Lykurg erwähnt, der vorgab, über seine Gesetzgebung das Orakel zu befragen, sich von seinen Mitbürgern schwören ließ, vor seiner Rückkehr keine Gesetzesänderung vorzunehmen, dann aber niemals zurückgekehrt sei. — Zum ius naturae und ius divinum vgl. CR., X I , 9 1 2 : „ L e x naturae est expressa in decalogo"; auch CR., X I I , 2 2 f . ; vgl. unten Anm. 26, 27.

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ob es besser sei, wenn ein Staat durch den Willen eines guten Herrschers regiert werde oder auf Grund geschriebener Gesetze zu lenken sei, entscheidet sich Melanchthon mit Aristoteles für die letztere Alternative, da es immer im öffentlichen Interesse liege, „certum extare ius et certas leges" n . Er zitiert Aristoteles: „ Q u i legem volunt civitati dominari, hi videntur Deum ac leges dominari velle. Qui vero hominem dominari volunt, hi beluam praeficiunt." 1 2 Nichts Schwerwiegenderes, nichts Bedeutenderes lasse sich darüber sagen, als was von Aristoteles ausgesprochen worden sei. Schließlich kommt die Sprache auf das römische Recht, das gegenwärtig in Deutschland in Gebrauch stehe. Es gebe zu keinerlei Beschwerde Anlaß. „ E s sei voll v o n Menschlichkeit und Gerechtigkeit, ein Werk von Männern, die in der Lenkung des Staates höchst erfahren waren, es habe das römische V o l k aus dem Zustand größter Barbarei zu einem gelasseneren und menschlicheren Dasein gef ü h r t . " 1 3 Melanchthon verbreitet sich ausführlich über die Vorzüge des römischen Rechts, worauf noch zurückzukommen sein wird. Endlich handelt er über den den Menschen v o n G o t t und von der Natur auferlegten Zwang, den eingesetzten Magistraten Gehorsam zu leisten (Matth. 22.21; Rom. 13.1,4, 6), damit durch die eigenen Fähigkeiten und die Gestaltung des eigenen Lebens die Ziele der staatlichen Gemeinschaft (civilis societatis) gefördert werden. Das geht sogar so weit, daß man selbst schlechten Magistraten den Gehorsam nicht verweigern dürfe, da solche dem V o l k seiner eigenen Sünden halber zwangsweise als Zuchtrute gegeben worden seien („Pflicht des leidenden Gehorsams"). Diese Lehren von Recht und Staat als göttlich eingesetzten Ordnungen sowie von den Magistraten als göttlichen Vollzugsorganen 1 1 C R . , X V I , 444H.; C R . , X I I , S. 24: „ . . . negari non potest, melius esse habere certas leges et doctrinae formam, quam iudicare res ex potentum arbitriis aut ex opinionibus et inerudita rhetorica ardelionum, qui impudentius vociferarentur in foro, si legum et doctiorum autoritatem non metuerent." V g l . auch Rudolf Schäfer, D i e Geltung des kanonischen Rechts in der evangelischen Kirche Deutschlands, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kan. A b t . , X X X V I , 1915, S. 178, A n m . 5.

Politik, III. 16, 1287a. C R . , X V I , 446, ebenfalls zum Vorangehenden; zum Folgenden auch C R . , X I I , 149: „ . . . magistratum divinitus ordinatum et armatum certa potestate" [Rom. 13. 4]; X V I , 449. 12

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werden in Melanchthons akademischen Reden Jahre hindurch immer von neuem vorgetragen, tiefer begründet und weiter ausgebaut. Der Kommentar zu Aristoteles' Politik war 1530 verfaßt und im selben Jahre erstmals gedruckt. Im Jahre 1532 folgte eine von Sebald Münster vorgetragene Rede „gegen gewisse unerfahrene oder mißgünstige Leute, welche das geschriebene Recht von den Gerichten verbannen und die Rechtsstreitigkeiten ohne solches nach der Willkür der Richter entscheiden wollen" 14 . Wiederum wird die erwähnte Stelle aus Aristoteles angeführt, der geschriebenem Recht den Vorzug gegeben habe, und auf das Zeugnis des Paulus hingewiesen, demzufolge Gott alle Staaten gegründet habe und der Urheber nicht nur der jüdischen, sondern auch der römischen Gesetze sei. Melanchthon schließt seinen Vortrag mit einem Appell an die studierende Jugend, indem er die Worte Vergils aus der Aeneis (VI, 620) zitiert: „Discite iustitiam moniti et non spernere [temnere] divos." Sie sollen sich dem Studium des Rechts widmen und dadurch der Gottesfurcht zuwenden. An anderem Orte stellt er ebenso kurz wie prägnant und eindrucksvoll fest: „Die Gesetze verstehen heißt die ganze Staatsform verstehen."15 Im Rahmen der juristischen Declamationes Melanchthons begegnet zum ersten Mal in der Rede De Irnerio et Bartolo (1537?) die Auffassung, daß die civilis oder humana societas nicht nur eine einzigartige und bewunderungswürdige Schöpfung, sondern auch ein solches Gnadengeschenk Gottes an die Menschheit sei, das zur Verbreitung 14 CR., X I , S. 2 1 5 — 2 1 8 ; im Verzeichnis der juristischen Reden Melanchthons oben, Kapitel I, Nr. 2. 15 De dignitate legum (1553), CR., X I I , S. 2 5 : „Leges cognoscere est intueri totam formam reipublicae." Ausführlicher ist Melanchthons Appell am Ende seiner Rede De discrimine legum politicarum et traditionum humanarum in Ecclesia von 1556, CR., X I I , S. 1 5 1 f.: „Quare cum Dei beneficio in hac schola saepe repeti et illustrari discrimen legum politicarum et Evangelii audiatis, hanc doctrinam necessariam recte discite et Deo gratias agite, quod hanc suam lucem vobis donat, quod munit vos contra seditiosas et fanaticas opiniones. Curate etiam, ut utroque genere recte utamini, amate leges politicas, et reverenter eis obtemperate, memores huius dicti: Necesse est obedire propter conscientiam. Laeti etiam Deo gratias agite, quod in Evangelio ostendit veros cultus, et libertate sie utamini, ut crescant veri cultus in pectoribus, cura discendi, invocatio Dei, dolores propter nostra delicta, consolatio, fide aeeipiens remissionem, dilectio Dei et Ecclesiae, Studium concordiae, castitas, et caeterae virtutes, quae sunt et opera Dei et testimonia praesentiae Dei in vobis." Vgl. CR., X I I , S. 19. Ähnlich Hieronymus Schürpf in seiner Rede De reverentia legum von 1 5 5 3 , CR., X I I , S. 14.

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und Anerkennung seiner Lehre gegeben wurde. Zu seiner Wahrung und Sicherung dienen Gesetze und Gerichte, der Inbegriff der Staatsordnung (politicus ordo), die Lehre und Erhaltung des Rechts, die alle außerordentliche Gnadengeschenke Gottes darstellen, welche man von ganzem Herzen lieben und wertschätzen müsse. Uber die Harmonie der Staatsordnung in ihrer Wichtigkeit für das menschliche Leben und Nützlichkeit für die Kirche könne die Jugend nicht genug nachdenken. Wenn sie es aber tue, dann werde sie auch die hohen Verdienste der Rechtsgelehrten um die Menschheit erkennen und zu würdigen verstehen. Auch sie seien gleichsam der Menschheit vom Himmel gesendet, um jene Staatsordnung aufzurichten und zu leiten 16 . All das sind Gedankengänge, die zweifellos auf Erasmus, vielleicht auch auf Claudius Cantiuncula zurückgehen 17 . Dies wird um so deutlicher, da man beobachten kann, daß Melanchthon wie jene die göttliche Inspiration auch auf die heidnischen Juristen und das römische Recht selbst bezieht18. Die zeitlich folgende juristische Rede aus dem Jahre 1538 De 19 dignitate legum ist auf denselben Ton gestimmt . In ihr wird ebenfalls die excellentia jener dona Dei gepriesen, die von allen mit Ehrfurcht behandelt und geliebt werden müssen. Das Evangelium gebiete Gehorsam gegenüber den Magistraten, daher auch gegenüber den Gesetzen, welche die Stimme des Magistraten darstellen (lex est vox ipsa magistratus). Dies alles sei so klar, daß Melanchthon gar nicht glauben könne, die Gesetzesverachtung entspringe bloß menschlichem Unverstand. Vielmehr müsse es der Teufel selbst sein, der diese tödliche Waffe schleudere, um die Ehrfurcht vor den Gesetzen auszulöschen und die Wissenschaft in Verwirrung zu bringen zum Schaden der Religion und des Friedens 20 . Der Gedanke wird weiter iß CR., X I , 351, 3 5 4 , 3 5 7 f £ . ; XII, 148. Vgl. Guido Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. i i 4 f f . , 133 ff., besonders 142ff.; dazu oben, Anm. 3. 18 CR., X I , 351, 354. 1 9 CR., X I , 357ff., 362. Zum Folgenden auch CR., XII, 149: „ V o x magistratus est primum lex naturae, quae est ipsa lex Dei." 20 CR., X I , 3J7ff., 360f. Man könnte hier vielleicht einen Einfluß von Luthers Lehre über den Antagonismus zwischen Gott und dem Teufel vermuten; über diese Lehre handelt ausführlich Kjell Ove Nilsson, Simul: Das Miteinander von Göttlichem und Menschlichem in Luthers Theologie, Göttingen 1966, S. 5 4 ff. 17

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ausgesponnen, er kehrt auch in späteren Reden oft wieder 21 . Melanchthon scheint in der Tat der Meinung gewesen zu sein, der Teufel habe hier seine Hand im Spiele. Stets sind es die gleichen Motive und dieselben Gedanken, die immer von neuem in verschiedenen Abwandlungen mit dem selben Ziele und den gleichen Beweisführungen in allen juristischen Themen gewidmeten Reden Melanchthons wiederkehren. Der Leser, der mit ihrer fortgesetzten ausführlichen Wiedergabe hier nicht ermüdet werden soll, kann sich durch Einsicht des Wortlauts dieser Deklamationen selbst überzeugen. Es sind vornehmlich folgende Reden: 1. (Nr. 5 des Verzeichnisses in Kap. I des ersten Teils dieser Arbeit) De scripto iure et dignitate veterum interpretum, vermutlich 1539 gehalten; 2. (6) De dignitate legpm, aus dem Jahre 1543, für das Studium des Rechts und der „bonae artes"; 3. (7) De legibus, aus dem Jahre 1550, Lobpreisung der Gesetze und der staatlichen Gemeinschaft als göttliche Einrichtungen, gegen Neuerungen, für das römische Recht; 4. (8) De dignitate doctrinae legum et iurisconsultorum, aus dem Jahre 1553; j. (9) Oratio de veris legum fontibus et causis, explicans simul et banc quaestionem: An Romano iure et scriptis eorum, qui id interpretati sunt, utendum sit; unbestimmten Datums, vielleicht aus dem Jahre 1550; 6. De discrimine legum politicarum et traditionum humanarum in Ecclesia, aus dem Jahre 1556 (CR., XII, 146 ff.) 22. Nach fünf Jahren, auch noch nach dreizehn Jahren und selbst nach zwanzig, sogar nach dreißig Jahren sind die Umtriebe der Schwärmer und revoltierenden Bauern wie die durch sie hervorgerufenen Schrecken und Grausamkeiten Melanchthon nicht aus dem Gedächtnis geschwunden, welche einen wesentlichen Anlaß für sein Eintreten zur Erhaltung von Ruhe, Ordnung und Tradition im Rechts- und Staatswesen gebildet haben 23. Es war wohl mit sein 21 CR., XI, 631: „Lacerantur imperia interdum fatalibus poenis vel diaboli furore et tyrannorum cupiditatibus. Cedit talibus temporibus sapientia politica"; vgl. 633, 910, 912, 918; XII, 148. Ähnlich Hieronymus Schürpf in seiner Rede

De reverentia legum von 1553, CR., XII, S. 17.

22 Die über Aequitas handelnden Reden werden im letzten Kapitel besprochen. Melanchthons Stellungnahme zur Frage der Geltung, beziehungsweise etwaiger Einführung des mosaischen Rechts, ferner seine Äußerungen über das römische Recht finden ihre Darstellung in den beiden folgenden. 23 CR., X V I , 441; X I , 358, 918, 9 1 1 ; CR., XI, 630: „ . . . de vitae guber-

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Bestreben, die Unsicherheit und willkürliche Auslegung der Begriffe „Evangelium und göttliches Recht", welch letzteres als Inbegriff der ersehnten irdischen Ordnung von den Bauern stürmisch verlangt wurde, zu klären und zu beheben. Das Ergebnis der vorliegenden Untersuchung liegt klar zutage: Melanchthons Streben, im akademischen Rahmen und mit beabsichtigter Wirkung über diesen hinaus eine Lanze zu brechen für die Anerkennung der Gesetze, für die systematische Pflege und Heilighaltung des Rechts, dessen Ursprung er zu erforschen sucht, für die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung, für die Stärkung des Gerichtswesens, für den Respekt vor der im Staat organisierten menschlichen Gemeinschaft. Sie alle sind nach seiner Auffassung göttlichen Ursprungs, göttliche Gnadengeschenke, die nur durch Hochhaltung der christlichen Religion und das richtige Verständnis ihrer Lehren der menschlichen Gesellschaft Rettung vor dem sonst sicheren Untergang und die Dauer ihrer lebensbedingenden Institutionen gewährleisten können. „Sic munit ordinem politicum Deus, ut adfirmet peccatum esse violationem legum politicarum." 24 So wird deutlich und klar, daß Melanchthons Nachdenken über Rechtswesen und Staatsordnung in eine religiös (theologisch) gefärbte Ethisierung des Rechts ausmündet. Sie ist ihm trotz Trennung der geistlichen und weltlichen Bereiche Fundament und Ideal eines christlich orientierten Staatswesens mit göttlicher Legitimation 25 . Diese Argumennatione, de legibus et iudiciis, quae sunt nervi gubernationis, tranquillitatis et disciplinae, cogito." 24 CR., XII, 150. CR., XII, 147: „Cum Paulus manifeste affirmet, violationem legum politicarum esse peccatum, quo conscientia a Deo avellitur, seu ut nominamus usitate, mortale, . . . " . 25 Auf Grund eines andersartigen Gedankengangs gelangt Gottfried Weber zu einem anderen Ergebnis seiner Analyse von Melanchthons Staatslehre, das hier kurz wiedergegeben sei. „Wir haben . . . im großen und ganzen das System einer rein philosophischen Staatslehre und einer emanzipierten Politik mit immanenter Ethik vor uns, das mit der Theologie nur dadurch verbunden ist, daß Gott den Menschen so geschaffen hat, daß dieses System notwendig ist, und daß die Schrift wesentliche Teile dieses Systems, die leges naturales und damit auch die Grundnotwendigkeit des Gehorsams Verhältnisses Obrigkeit—Untertan ausdrücklich bestätigt"; G. Weber, Grundlagen und Normen politischer Ethik bei Melanchthon, München 1962, S. 19. Diese berührt sich mit der älteren A n schauung von Hans Baron, der von einer „durch und durch weltlichen Staats-

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tation bildet das natürliche Ergebnis der Anwendung und Verarbeitung der aristotelischen Ethik und der christlichen Glaubenslehren sowie der Durchdringung der beiden im Bereich des weltlichen Rechts, dessen Eigenständigkeit so verneint wird, indem von der Theologie her eine Infiltration ethischen Gedankenguts in die grundlegenden Prinzipien des Rechts platzgreift. Dazu trug auch die Anwendung ethischer Gedanken auf Rechtsprobleme im römischen Recht bei 26 . Die Auffassung der Rechtswissenschaft als eines Teilgebiets der Ethik 27 lag völlig in dieser Denkrichtung28.

betrachtung Melanchthons" spricht; H. Baron, Calvins Staatsanschauung und das konfessionelle Zeitalter (Beiheft i der Historischen Zeitschrift), München 1924, S. 3 2 f. 26 Digesta, 1.1.10.2: „Iuris prudentia est divinarum atque humamrum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia." 27 CR., XI, S. 362: „Res igitur cogit fateri, necessariam esse artem et eruditiorem doctrinam ad diiudicanda iusta et aequa eamque praecipuam esse partem moralis philosophiae." 28 Sie mag bei Melanchthon sehr wohl originell gewesen sein, ist aber in der Geschichte des rechtsphilosophischen Denkens durchaus nicht neu. Die Anwendung philosophischer Argumentation (unter dem Einfluß von Aristoteles) auf die Problematik des Rechts ist bereits im 14. und 15. Jahrhundert nachweisbar. Als Beispiel sei der Postglossator Lucas de Penna (um 1320—ca. 1390) angeführt, der, tief religiös veranlagt, freilich seiner Zeit um zweihundert Jahre voraus gewesen ist. Bei seiner Argumentation vornehmlich die Bibel und kirchenrechtliche Lehren verwendend, doch auch für Aristoteles aufgeschlossen, identifiziert er das Naturrecht mit göttlichem Recht und betrachtet das Recht als „donum Dei" oder ,,divinae voluntatis tmago". Vgl. Walter Ullmann, The Medieval Idea of Law as Represented by Lucas de Penna: A Study in Fourteenth-Century Legal Scholarship, London 1946, S. 2ff., 17, 48; G. Ktsch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. 447 ff.

VIERTES KAPITEL

Abkehr vom mosaischen Recht IS^elanchthons geistige Entwicklung ist keineswegs geradlinig verlaufen. Dies gilt für den Gesamtbereich seiner vielgestaltigen Interessensphäre. Veranlaßt wurden die zu beobachtenden Wandlungen in seinen Anschauungen nicht allein durch das Fortschreiten seiner intellektuellen Vervollkommnung, durch zunehmende persönliche Lebenserfahrungen und auf ihn mächtig eindrängende Eindrücke, wie etwa die Begegnung mit Luther, sondern auch durch den Ablauf der äußeren Ereignisse in der religiös tief aufwühlenden Zeit und der politisch höchst unruhevollen Welt. Es war unausbleiblich, daß durch die äußeren Geschehnisse, die in beinahe täglichem Wechsel den Theologen und Humanisten ständig vor neue Situationen und Entscheidungen stellten, trotz charakterstarker Grundhaltung die stetige Verfolgung einer einheitlichen Linie geradezu unmöglich gemacht wurde. So war es unausbleiblich und ist nicht zu verwundern, daß Melanchthons Anschauungen über die verschiedensten Probleme nicht einheitlich geblieben sind, unter Umständen wechselten, bisweilen sogar in das diametrale Gegenteil umschlugen. All dies ist der Melanchthonforschung nicht unbekannt geblieben. Die fortschreitende Um- und Neugestaltung der Loci communes bietet das geeignetste Beispiel, solche Gesinnungswandlungen des Reformators nachzuweisen und zu studieren. In den verschiedenen Fassungen der Glaubenslehre läßt sich zum Beispiel verfolgen, wie Melanchthons ursprünglich ablehnende Haltung zur Philosophie sich wandelte, wie viel milder sein Urteil über die heidnische Sittenlehre in der Ausgabe von 1535 lautete, indem er für die iustitia carnis Worte des Lobes findet, während er in der Urfassung von 1 J 2 1 in den Tugenden der heidnischen Philosophen nur Laster gesehen hatte1. 1 Bodo Sartorius von Waltershausen, Melanchthon und das spekulative Denken, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, V , 1927, S. 670.

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Das beste Beispiel ist vielleicht Melanchthons ursprüngliche Wertschätzung für Aristoteles, seine zeitweilige Abkehr vom antiken Philosophen unter dem Einfluß Luthers, seine spätere Hinwendung und dann dauernde Wertschätzung für ihn. So ändert sich auch seine Meinung über das Verhältnis von Dialektik und Rhetorik 2 . In ähnlicher Weise hat sich seine Anschauung über das Recht des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, wie sie aus Lehrschriften, Gutachten und Briefen zu ersehen ist, im Laufe der Zeit in wichtigen Punkten gewandelt. Während er ursprünglich nur das Recht des passiven, leidenden Widerstandes gegen die Obrigkeit anerkannte, hielt er später in gewissen Fällen auch aktiven, tätigen Widerstand für erlaubt3. Daß Melanchthon selbst gegenüber Luthers Meinung seiner eigenen Entwicklung stets nachgegeben hat, ist ebenfalls bekannt. Aus der Theologie der Scholastiker hat Melanchthon die Scheidung des alttestamentlichen Gesetzes in ein Zeremonial-, Judizial- und Moralgesetz übernommen. Während nach Luther jegliche Bindung ans Gesetz weggefallen und das Gesetz doch zu halten war, ist nach Melanchthon das Sittengesetz (Dekalog und Naturgesetz) im Gegensatz zum Zeremonial- und Judizialgesetz, das durch den Neuen Bund erloschen ist, erneuert und für den Gläubigen verpflichtend4. Auch diese Auffassung hat sich bei Melanchthon nicht ohne Widersprüche langsam herauskristallisiert. Die angeführten Beispiele sollten nur dem Zwecke dienen zu zeigen, daß die nunmehr zu erörternde zwiespältige Haltung Melanchthons zur Frage der Geltung, Einführung, Anwendung und Ablehnung des mosaischen Rechts aus der gleichen Perspektive zu verstehen ist. 2 Peter Petersen, Geschichte der aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland, Leipzig 1 9 2 1 , S. 23 —108, besonders 51 ff.; auch Neuser, S. 5 2 ff. 3 Hans Lüthje, Melanchthons Anschauung über das Recht des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Zeitschrift für Kirchengeschichte, X L V I I , 1928, S. 5 1 2 ; vgl. Friedrieb Hermann Schubert, Die deutschen Reichstage in der Staatslehre der frühen Neuzeit, Göttingen 1966, S. 216. — Auch in der Frage des Verhältnisses des freien Willens zur Prädestination hat Melanchthon „erhebliche Veränderungen durchgemacht"; vgl. Wilhelm Dilthey, Gesammelte Schriften, II, S. 185. Mehr Beispiele ließen sich unschwer beibringen. 4 Heinrich Maier, Philipp Melanchthon als Philosoph, in desselben Verfassers A n der Grenze der Philosophie, Tübingen 1909, S. 1 1 7 ; Neuser, S. 82, I04ff.

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Durch seine Begegnung mit der reformatorischen Theologie in Wittenberg gelangte der Humanist Melanchthon 2unächst zu einem strengen Bibüzismus, einer Haltung, welche die Bibel zur alleinigen Norm dessen erklärte, was christlich ist, und in der Heiligen Schrift die alleinige und ausreichende Autorität für alle Fragen des menschlichen Lebens findet5. Von dieser Anschauung aus, welche übrigens auch das Kernstück von Erasmus' „coelestis Christi philosophia" bildet, erschien Melanchthon die Schrift nicht nur die alleinige Glaubensquelle, sondern auch die Norm für die Zivilgesetze zu sein. „Er möchte am liebsten auch die Ordnungen dieser Welt auf Grund der Schriftautorität gestalten; denn soweit überhaupt noch Gesetze zur Bewältigung der Wirklichkeit nötig sind, reichen diejenigen der Schrift aus." 6 Als Ergebnis dieser radikalen christlich-biblizistischen Ethik ist in der ersten Fassung der Loci vom Jahre 15 21 im Anschluß an die Erörterung über die Aufhebung der Zeremonial- und Judizialgesetze und ihren fakultativen Gebrauch oder Nichtgebrauch zu lesen: „Ich wünschte sogar, die Christen gebrauchten diese Form der gerichtlichen Gebote, die Moses gegeben hat, desgleichen die meisten seiner Zeremonialgesetze. Es wäre nämlich besser, da nun einmal die Not dieses Lebens der Gerichte und, wie mich dünkt, auch der Zeremonialgesetze nicht entraten kann, wir gebrauchten jene mosaischen Gebote statt der heidnischen Gesetze und päpstlichen Zeremonien." 7 Und an anderer Stelle schreibt Melanchthon: „Es steht in der Gewalt der Christen, ob sie sich der mosaischen Gerichtsformen bedienen wollen oder nicht, obwohl ich wünschte, man möchte an 5 Adolf Sperl, Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation,München 1959, S. 91 f f . ; Gottfried Weber, Grundlagen und Normen politischer Ethik bei Melanchthon (Theologische Existenz heute, Heft 96), München 1 9 6 2 , S. 2 4 ; Ernst Wolf, Philipp Melanchthon — Evangelischer Humanismus (Göttinger Universitätsreden, Heft 30), Göttingen 1 9 6 1 , S. 1 4 . 6 Ernst Wolf a. a. O., S. 1 4 ; vgl. Sperl, S. 93f£.; Neuser, S. 4 i f f . , 6 2 ; auch Wilhelm Maurer, Melanchthon-Studien, Gütersloh 1 9 6 4 , S. 2 7 , 15 7 f. 7 „Ceterum optarim etiam uti christianos ea forma iudiciorum, quam Moses prodidit, item plerisque ceremoniis. Praestaret enim, quandoquidem iudiciis carere necessitas huius vitae non potest nec, ut opinor, ceremoniis, uti Mosaicis illis quam tum gentilibus legibus tum papisticis ceremoniis"; G. L. Plitt — Th. Kolde, Die Loci communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt, 3. Aufl., Leipzig 1900, S. 2 1 1 ; 4. Aufl., 1 9 2 J , S. a n ; CR., X X I , S. 1 9 8 ; M W A . , II, 1, S. 1 3 2 .

Abkehr vom mosaischen Recht

Stelle der heidnischen oft sinnlosen Gesetze die mosaischen rezipieren. Denn wir sind in jenen Ölbaum eingepfropft. Und es ziemt sich, das Wort Gottes den menschlichen Satzungen vorzuziehen. Heute wird in der Regel kein anderer Gebrauch vom römischen Recht gemacht, als um Prozesse zu führen, damit sich die Anwälte und Rechtsverdreher (rabulae forenses) ernähren können." 8 So trat der Reformator — wie manche zeitgenössische Theologen und Juristen, vielleicht sogar unter ihrem Einfluß — dafür ein, daß „die heidnischen und oft törichten Gesetze", unter denen das römische Recht zu verstehen ist, durch das mosaische Recht ersetzt werden, indem er gleichzeitig seiner entschiedenen Abneigung gegen jenes Ausdruck gab 9 . 8

„Haec ideo recensui, ut intelligatur, . . . esseque penes christianos uti vel non uti formis iudicandi Mosaicis, quamquam optarim, pro gentilibus et saepe stultis legibus Mosaicas recipi. Sumus enim oleae illi inserti. Et verbum Dei decebat praeferre humanis constitutionibus. Nec hodie alius fere Romani illius iuris usus est quam in litigando, ut habeant, unde se alant rabulae forenses"; Ptitt-Kolde, a. a. O., S. 215; CR., X X I , S. 201; MWA., II, i , S. 135. — An dieser Stelle dürfte auch erwähnenswert sein, was Melanchthon in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Canones, qui dicuntur Apostolici (Wittenberg 1521) als Begründung für die Publikation angegeben hat: „Huius modi fuerunt hi canones, quos Apostolicos inscripserunt, non pessimi quidem, sed quos res ipsa arguit recentiores esse quam quorum Apostolos auctores facere possimus. Porro, est in his aliquam priscae Ecclesiae umbram cernere, quicumque tandem sint auctores. Quareputavi dignos esse, quos publicarem. Magna pars ex lege Mosaica excerpti videntur, additi plerique a piis, ut apparet, pontificibus"; W. Beneszetvicz, Melanchthoniana: Ein Beitrag zur Literargeschichte des byzantinischen Rechts in Westeuropa 1521 — 1560 (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Abteilung, Jahrg. 1934, Heft 7), München 1934, S. 56 und 22, 24. 9 Vgl. Muther, De legibus, S. 3, Anm. 3; Stintzing, I, S. 268—271. Der sächsische Herzog Johann der Beständige, der jüngere Bruder und Mitregent des Kurfürsten Friedrich des Weisen, hatte eine starke Neigung, an Stelle des römisch-kanonischen das mosaische Recht in seinem Lande einzuführen (1524); erst eingeforderte Gutachten von Luther und Melanchthon brachten ihn von diesem Vorhaben ab; vgl. Jobann Georg Walch, Luthers sämtliche Schriften, X , Halle 1744, S. 398ff.; WA., Briefe 3, S. 309f., Nr. 754; dazu auch Theodor Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 201; Stintzing, I, S. 271. Muther schreibt am angeführten Orte: „Schürpf aber hielt für das römische Recht eine Rede, von der berichtet wird, daß sie wie mit Donnerkeilen die Aufstellungen der Gegner [nämlich der Verfechter des mosaischen Rechts] vernichtet habe." Weder für die Rede, noch für den Bericht findet sich bei Muther ein Quellennachweis. Die Eruierung eines solchen gelang mir, und zwar im Vorwort von Kaspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn, zu der seltenen Ausgabe

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Es dauerte jedoch nicht lange, daß Melanchthon seine Ansicht zu ändern für richtig und vernünftig fand. Bereits in der v o n ihm selbst besorgten Ausgabe der Loci v o m Jahre 1522 ist die angeführte Stelle wie folgt geändert: „Ein Christ darf sich entweder der jüdischen oder der heidnischen Gesetze bedienen. . . . Daher darf sich auch ein christlicher Richter bei der Rechtsprechung entweder der mosaischen oder der heidnischen Gesetze bedienen." 1 0 Das mosaische Recht steht Seleetarum Declamationum Philippi Melanthonis, quas conscripsit et partim ipse in Schola Vitebergensi recitavit, partim aliis recitandas exhibuit, Tomus quartus, Argentorati M.D.LX. Es ist adressiert an Dr. Ulrich Mordeisen (1519 — 1 5 7 2 ) . Daselbst ist zu lesen, S. A II b—A III a: „Sed quorundam clamores politiam mosaicam ex ruderibus et cineribus, quibus obruta iacet annos mille quadringentos octoginta quatuor, refodere et restituere conabantur, et spargebantur varia deliramenta, quibus cum opponeretur prima refutatio in oratione recitata a viro charissimo Hieronymo Schurfio, Doctore iuris, qui te paterno amore dilexit; multis honestis et ingeniosis hominibus adeo grata fuit ea oratio, ut descripta passim ad eruditos mitteretur et subito ceu fulmine prostrata illa nova politia iterum corrueret. Paulatim deinde universa illa disputatio magis illustrata est." Daraus scheint hervorzugehen, daß Schürpf sich als erster gegen die Einführung des mosaischen Rechts öffentlich gewendet hat. Anscheinend hat diese Rede nur abschriftlich zirkuliert und ist nicht gedruckt worden. Mit einem ähnlichen Projekt mußte sich noch im Jahre 1539 der Basler Rechtslehrer Bonifacius Amerbach befassen. Der Jurist Pierre Loriot (Petrus Loriotus, gest. 1 5 7 3 ) , ein religiöser Phantast, suchte den Basler Rat zu bewegen, den Unterricht im römischen Recht an der Universität Basel durch den in den „mosaischen und christlichen Gesetzen" zu ersetzen. Näheres darüber bei G. Kisch, Bonifacius Amerbach als Rechtsgutachter, Festgabe für Max Gerwig (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 5 5 ) , Basel i 9 6 0 , S. 1 0 2 t . , Anm. 4 9 ; Adrian Staehelin, Pierre Loriot und seine Idee von der Einführung des göttlichen Rechts, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, CI, i 9 6 0 , S. 1 5 5 — 1 7 1 . In dem von Bonifacius Amerbach als Ratssyndikus verfaßten abschlägigen Bescheid machte sich der Verfasser Melanchthons Argumente (vgl. CR., XVI, S. 419) in wortgetreuer Anlehnung zu eigen; siehe den Text bei Alfred Hartmann, Die Amerbachkorrespondenz, V, Basel 1 9 5 8 , S. 2 4 8 f., Nr. 2 3 5 0 ; auch bei Staehelin, a . a . O . , S. 168f. Dies ist weder Hartmann noch Staehelin aufgefallen. Über Hinweise und Bezugnahmen auf das im Alten Testament niedergelegte mosaische Recht in den Rechtsgutachten Amerbachs siehe Kisch, a. a. O. Über den Einfluß des Alten Testaments auf die Kultur Europas in der Reformationszeit durch Vermittlung der protestantischen Kirchen eingehend Herbert Scböffler, Abendland und Altes Testament (Kölner anglistische Arbeiten, 30. Bd.), Bochum 1 9 3 7 , S. 1 5 — 2 7 . Melanchthon ist daselbst jedoch ganz übergangen. 10 Plitt-Kolde, S. 219 (vgl. S. 53): „Christianum uti posse vel iudaicis legibus vel gentilibus. . . . Potest itaque christianus iudex uti vel mosaicis vel gentilibus legibus in iudicando." Vgl. dazu auch Neuser, S. I 2 j f f .

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immerhin noch an erster Stelle. Einige Jahre später konstatiert Melanchthon in seiner Vorrede zur Neuausgabe von Ciceros De officiis vom Jahre 1525: „Ich spreche hier nicht über die Religion, die aus der Heiligen Schrift zu entnehmen ist. Von Cicero werden die Gewohnheiten des bürgerlichen Lebens beschrieben, mit denen die Religion nicht in Widerspruch steht. . . . Nach meiner Ansicht ist die Kenntnis der Religion aus der Heiligen Schrift zu schöpfen; über die bürgerlichen Gebräuche wünsche ich Cicero zu hören." 1 1 Das heißt doch nichts anderes, als daß Melanchthon die Heilige Schrift nunmehr nur für die Religion, für das bürgerliche Leben aber Cicero gilt. In seiner im gleichen Jahre veröffentlichten Rede De legibus bemühte sich Melanchthon noch nachzuweisen, „daß man sich für die Behandlung profaner Rechtsangelegenheiten, sei es der heidnischen, sei es der mosaischen Gesetze bedienen dürfe". In der wiederholt von ihm gebrauchten Redewendung steht das heidnische (römische) Recht nun beidemal an erster Stelle. Auch spendet er der Weisheit der Vorfahren hohes Lob, „daß sie gerade die römischen Gesetze zur Anwendung bei der Rechtsprechung ausgewählt haben" 1 2 . Dieses Lob steht in offensichtlichem Widerspruch zu der von Melanchthon noch alternativ zugelassenen gerichtlichen Verwendung des mosaischen Rechts. Die scheinbare Unstimmigkeit dürfte wie folgt zu erklären sein. Wenn die Rede auch im Jahre 1525 zum erstenmal im Druck erschien, so folgt daraus nicht unbedingt, daß sie auch im gleichen Jahre gehalten wurde und nicht etwa früher vorgetragen worden sein kann 1 3 . Aus einer von einem Wittenberger Studenten 11 7« Officia Ciceronis Praefatio Philippi Melanchthonis (1525), CR., XI, S. 88: „Neque ego hic de religione dico, quae ex sacris libris petenda est. Civilis vitae consuetudo a Cicerone describitur, cum qua religio nihil pugnat. . . . ego religionem ex divinis literis censeo hauriendam esse. D e civilibus moribus malim audire Ciceronem . . . " ; dazu Ernst Wolf (oben, Anm. 5), S. 17. 12 De legibus Oratio: „Proinde Christus . . . suas iudicibus partes reliquit, sive ex gentilibus legibus, sive ex Mosaicis ius dicant"; Muther, D e legibus, S. 11 f., Z. 195ff.; Anhang, Nr. 1, Z. 155ff.; „Porro cum constet, . . . in rebus profanis iudicandis fas esse vel gentilibus vel Mosaicis legibus uti"; Muther, S. 13, Z. 223 ff.; Anhang, Nr. 1, Z. 178 ff. „Quare maiorum nostrorum prudentiam laudo, quod Romanas potissimum leges delegerunt, quas in iure dicendo sequerentur"; Muther, S. 27, Z. 5 i 4 f f . ; Anhang, Nr. 1, Z. 412 ff. Vgl. auch Zöllner, Melanchthons Stellung zum Bauernkrieg (oben, Kap. II, Anm. 6), S. 187. 13 Vgl. Hartfelder, Declamationes, II (Lateinische Literaturdenkmäler, Heft 9), Berlin 1894, S. VIII.

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aus dem Anfang des Jahres 15 24 überlieferten brieflichen Mitteilung darf geschlossen werden, daß sie spätestens anfangs 15 24, wahrscheinlich jedoch schon 1523 erstmals gehalten worden ist 1 4 . Darauf deutet auch eine Äußerung von Melanchthon selbst in einem Schreiben an Camerarius vom 16. April 1525 hin, aus der zu schließen ist, daß er schon vor dem 1. März 1524, Ende 1523 oder Anfang 1524, jene „j-plendida oratio pro legibus civilibus" gehalten hat, von der er jetzt eine Umarbeitung für den neuerlichen Vortrag und für die nachfolgende Drucklegung unter der Hand hatte 15 . Dabei fand seine veränderte Einstellung zum römischen Recht wohl Ausdruck, während die Tolerierung des mosaischen Rechts noch stehen blieb. So ließ selbst der neu eingenommene Standpunkt Melanchthons doch noch die Wahl zwischen dem Gebrauch des mosaischen und des römischen Rechts offen. Sehr bald aber sollte sich die vollständige Abkehr vom mosaischen und endgültige Zuwendung zum römischen Recht vollziehen, indem einerseits die großen Vorzüge des letzteren 14 In der Vadianischen Briefsammlung in St. Gallen II, 178, Ms. Nr. 31 hat sich folgende briefliche Mitteilung eines Wittenberger Studenten aus dem Jahre 1524 erhalten: „Revocavit ille [Melanchthon] ab inferis vetus declamandi genus, a Germanicis scholis iam multis saeculis desideratum. Eius autem certaminis ipse primus specimen edidit et classicum cecinit, dum pro iuris studio potentissime declamavit . . . " . Dieser Bericht erfährt durch einen späteren Brief vom 1. März 1524 (daselbst Ms. 31, Nr. 176) eine Erläuterung: „Philippus non declamavit contra ius canonicum, sed pro legibus civilibus usque adeo splendidam orationem habuit, ut omnibus auditoribus fuerit admirationi"; Hartfelder, Declamationes, I, S. VI und Anm. 3; Gustav Bauch, Die Einführung der Melanchthonischen Declamationen . . . an der Universität zu Wittenberg, Breslau 1900, S. 9 und 18, Nr. VII (28. Februar 1524). Nach Bauch (S. 18) war der Briefschreiber Michael Hummelberger (1487 — 1527); über diesen siehe Adalbert Horamtz, Michael Hummelberger, eine biographische Skizze, Berlin 1875; Allgemeine Deutsche Biographie, XIII, Leipzig 1881, S. 388f.; P. S. Allen, Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, I, Oxford 1906, S. 515. Hummelberger war Doktor beider Rechte. 15 CR., I, S. 737: „Hoc tempore in manibus habeo neXerriv, qua de legibus dicam ex publico instituto. Nam legem tulimus, ut singulis mensibus declametur." Bekanntlich hat Melanchthon auch später noch öfter Deklamationen „De legibus" selbst gehalten oder von anderen halten lassen. Daß der hier in Rede stehenden andere vorangegangen sind, läßt sich ferner aus der captatio benevolentiae schließen, mit der sie Melanchthon einleitete. Diese beginnt wie folgt: „Desiderant in me plusculum fortasse pudoris aliqui, cum assiduis declamationibus et infantiam meam vulgo traduco et humanissimis in hac schola patientissimisque auditoribus toties odiose obstrepo."

Abkehr vom mosaischen Recht und die Notwendigkeit seiner Anwendung immer stärker betont wurden, worüber später ausführlich berichtet werden wird, andererseits die Unverbindlichkeit der Beobachtung des ersteren unter Beweis gestellt wurde. Bereits im April 1525 schrieb Melanchthon an Luthers nahen Freund und Förderer Georg Spalatin (1484—1545), mit dem er über das Problem korrespondierte, unter Hinweis auf Apostelgeschichte, Kapitel 1 5 : „ W e r die mosaischen Gesetze als Notwendigkeit fordert, der irrt in frevelhafter Weise"; und: „ W e r sein Gewissen an Moses* Gesetz bindet, der versündigt sich an der evangelischen Freiheit"; ferner: „Durch Gottes Wort werden wir zur Beobachtung der mosaischen Gesetze nicht genötigt; die Apostel heißen es Gott versuchen, wenn man die Befolgung der mosaischen Gesetze fordert." 1« Z u r Stützung der neuen These, nämlich der Unanwendbarkeit des mosaischen Rechts im Gerichtsverfahren, wurden von Melanchthon mehr und mehr Gründe ins Treffen geführt, die bereits in den beiden Briefen an Spalatin vorweggenommen sind. Die neue These fand dann ihre grundsätzliche Formulierung in Melanchthons Rede De dignitate legum vom Jahre 1 5 3 8 : „ F ü r die Christen besteht keine Notwendigkeit, sich der mosaischen Gesetzgebung zu bedienen, vielmehr ist es ihnen erlaubt, jene Gesetze anzuwenden, die sich im Einklang

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CR., I, S. 731 f., Nr. 526 (1525): [Nach Hinweis auf Luthers Von dem weltlichen Schwert und seiner Stellungnahme gegen Karlstadt]: „Proinde sie apud te statues pro certo: quisquis exigit Mosaicas leges tanquam necessarias, is impie errat. Hue facit Actor. X V [10, 28], non esse gentibus novum onus imponendum. . . . Ergo persuasissimum habeas tibi, impie sentire, qui exigunt, ut ex lege Mosi res iudicentur." CR., I, S. 733f., Nr. 327 (1525), ebenfalls an Spalatin: „5. Quisquis alligat conscientiam ad Mosi legem, peccat contra evangelicam libertatem. 7. Verbo Dei non cogimur ad observationem Mosaicarum legum; ergo peccant, qui his conscientiam obligant. 8. Imo est gladio ad pacem utendum iuxta Paulum; ergo debemus uti praesentibus legibus. 9. Si quis exigit unam partem legis Mosaicae, is omnes exigit. 10. Act. X V vocant Apostoli tentare Deum exigere mosaicas leges." Vgl. den um mehr als ein Jahr älteren Brief Luthers an Spalatin vom 14. März 1524, WA., Luthers Briefwechsel, 3, S. 254, Nr. 720: „Qui iudicialia Moisi iactant, contemnendi sunt. Nos habemus nostra iura civilia, sub quibus vivimus. Sic nec Naeman Syrus nec Hiob nec Iosseph neque Daniel neque ulli alii iudei extra terram suam suas leges, sed gentium, inter quas erant, servaverunt. Leges Mosi solum Iudeum populum in loco, quem elegisset, ligabant, nunc liberae sunt; alioqui si iudicialia servanda sunt, nulla est ratio, cur non circumcidamur quoque et omnia ceremonialia servemus."

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mit dem Naturrecht befinden, selbst wenn sie von heidnischen Gesetzgebern erlassen sind." 17 Melanchthons Disputation „zum Nutzen der Studierenden, denen eine gute und ehrenhafte Meinung über die Gesetze vermittelt und zu dauerndem Besitz gegeben werden soll", wendet sich gegen einen nicht namentlich genannten Agitator, „quendam iudaico ingenio praeditum"

— gemeint ist zweifellos K a r l s t a d t

(Andreas Bodenstein aus Karlstadt) 18 —, der vor einigen Jahren in 17

CR., XI, S. 357ff. Die unmittelbar folgenden Ausführungen sind dieser Rede entnommen. Bereits in seinem Kommentar zum Römerbrief (1532) hatte Melanchthon wie folgt formuliert: „Hic etiam quaeritur de iudiciis, ex qualibus legibus iudicari res debeant, utrum liceat uti ethnicorum legibus aut utendum sit Mosaicis. Respondeo ex regula supra posita: Evangelium non mutat politias gentium nec imponit gentibus Mosaicam politiam, sicut Apostoli clare docent Act. X V . Ideo certissimum est, leges Moisi nihil ad nos pertinere praeter eas, quas natura communiter omnes homines docet. Sed quilibet iudex legibus suae reipublicae et suae gentis uti debet"; Commentarii in epistolam Pauli ad Romanos, Marburg 1532, S. d III; vgl. CR., X V , S. 714; auch CR., X I , S. 359. 18 CR., X V I , S. 448 (1530): „Vidimus exempla ante annos aliquot, Monetarii [Thomas Münzer], Struthii [Jakob Strauss], qui vulgus incitabant, ut arma caperet adversus magistratus. . . . Sed nonnulli praetexunt huic causae pietatem, negant Christiano utendum esse legibus ethnicorum. Itaque aut novas conantur ferre aut revocant nos ad Mosaicas leges, ut Carolostadius, qui vehementissime contendebat, explosis Romanis legibus Mosaicas recipiendas esse. Verum nos sciamus praesentes leges retinendas et colendas esse. Nam ut praesenti potestati praecipit Evangelium obedire, ita praecipit legibus praesentibus parere. Et approbat leges illorum, quia lex est vox magistratus. Et Roman. 13 [ 1 , 2 ] vocatur ordinatio Dei. Nam sine legibus, sine iudiciis, sine institutis civilibus nulla est in imperiis ordinatio. Paulus autem ait, magistratum ordinationem quandam esse. Quod vero non sit necesse, revocare in forum Moisi leges, facile intelliget is, cui nota est natura Christianae libertatis. Nam Evangelium non alligat nos ad ritus aut politiam Mosaicam, ut clare testantur Apostoli Actuum 15 [28], cum vetant imponere legem Moisi gentibus." Chronicon Carionis, CR., XII, S. 1051: „Carolstadius non volebat videri prorsus abolere leges; sed contendebat oportere iudicia exerceri iuxta forenses leges Moisi." Uber Andreas Bodenstein von Karlstadt (ca. 1480 — 1541) siehe H. G. Wackernagel, Die Matrikel der Universität Basel, II, Basel 1956, S. 7, Nr. 2; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 66 ff., 200. Schon im Beginn seiner ersten Rede De legibus hat Melanchthon gegen „Doctorculi quidam" Stellung genommen, unter denen nach Muther, De legibus, S. 3 f., Anm. 3, Karlstadt, Jakob Strauss und Wolfgang Stein gemeint waren. Uber Strauss (um 1481—ca. 1532) siehe Hermann Barge, Jakob Strauss, ein Kämpfer für das Evangelium (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Jg. 54, Heft 2, Nr. 162), Leipzig 1937; MWA., III, S. 269, Anm. zu Zeile 24. Strauss gegenüber äußerte sich Melanchthon bereits Ende April 1524 mit Berufung auf Rom. 13 und Act. 15 gegen die Anwendung christlichen (mosaischen) Rechts im weltlichen Rechtsbereich; Luthers Werke, WA., Briefwechsel, 3, S. 277, Nr. 733; Barge, a . a . O . , S. 87f. Vgl. auch CR.,

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Wittenberg öffentlich mit der Behauptung aufgetreten sei, daß es den Christen nicht erlaubt sei, sich heidnischen Rechts zu bedienen, weil sie die Verpflichtung hätten, sich allein durch Gottes Wort leiten zu lassen. Daher sei die Heilige Schrift allein der bürgerlichen Gerichtsbarkeit zugrunde zu legen. Demgegenüber führt Melanchthon aus, indem er die „furchtbare Volksbewegung vor dreizehn Jahren" in Erinnerung ruft: „Das Evangelium betrifft das ewige, spirituelle Leben, weder ändert noch erschüttert es das politische Leben,welches, verglichen mit den innersten Regungen des Herzens, einem Hause sehr ähnlich ist. Ob dieses Gebäude, nämlich der Staat, von Moses oder von anderen Gesetzgebern sozusagen errichtet ist, macht für das spirituelle Leben nichts aus, wenn es sich nur mit dem natürlichen Recht in Einklang befindet. Das läßt sich aus den Apostelakten (15.10, 28) erweisen, wo ausdrücklich gesagt wird, die Völker seien nicht mit Moses' Gesetze zu beschweren. Deshalb hat Petrus Andersdenkende streng zurechtgewiesen und gezeigt, daß sich schwer versündigt, wer die Kirche an das mosaische Gesetz binden will. Indem die göttliche Autorität fälschlich vorgeschützt wird, wird mit Gott ein mutwilliges Spiel getrieben. Im Hebräerbrief steht ausdrücklich, daß Moses' Gesetzgebung nur bis zum Advent Christi gegeben worden sei. Nach diesem Zeitpunkt ist sie deshalb nicht mehr nötig. Wenn das Evangelium Gehorsam gegenüber den heidnischen Magistraten anordnet, so bedeutet das den Gehorsam gegenüber den heidnischen Gesetzen. Die Heilige Schrift enthält zahlreiche Beweise dieser Art gegen die Anwendung des mosaischen Gesetzes im staatlichen Bereich. Die jüdischen Gesetze sind ausschließlich der jüdischen Nation gegeben, sie passen nicht für andere Völker 1 9 . Durchaus zu Recht bedienen wir uns daher des römischen Rechts." X I I , S. 25: „Indocti multi et iudaicis opinionibus fascinati dicunt, potius Moisi leges in forum revocandas esse, alii indoctiores dicunt, novum ius ex Evangelio cudendum esse." 19 Vgl. schon Melanchthons Kommentar zu Aristoteles' Politik (1530), CR., X V I , S. 446: „Iudaeorum leges, quanquam a Deo traditae sunt, tarnen illi genti magis conveniebant, quam possint nobis convenire. Neque enim ideo latae sunt, ut aliis gentibus imponerentur." In diesem Zusammenhang muß Luthers bekannter Ausspruch in der Schrift „Wider die himmlischen Propheten" (1525), welche die umfassende Auseinandersetzung mit Karlstadt enthält, erwähnt werden: „ M o s e ist alleyne dem Judischen volck geben und geht uns Heyden und Christen

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V o n dieser biblizistisch-theologischen Begründung für die vollständige Abkehr vom mosaischen Recht und seine Unanwendbarkeit im weltlich-staatlichen Bereich ausgehend, weiß Melanchthon noch einen anderen W e g der Beweisführung einzuschlagen. Wiederum betont er den „ungeheuren Unterschied zwischen Evangelium und weltlicher Staatslenkung". In verschiedenen Staaten könne man trotz aller Frömmigkeit unter verschiedenen Gesetzen leben, wodurch das Evangelium weder beeinträchtigt noch ausgelöscht werde. Dieses habe Bezug auf das ganze Menschengeschlecht; nicht so Moses' Rechts- und Staatsgebilde, denn Gott habe den jüdischen Staat von Grund aus zerstört. Für seine Gründung wie seine Zerstörung gab es zahlreiche wichtige Ursachen. „ N o c h heute, nach 1480 Jahren legen Schutt und Asche an jenen Stätten Zeugnis davon ab, daß die einstige Staatsgestaltung für andere Völker durchaus nicht notwendig sei." 2 0 „ I n unseren (den römischen) Gesetzen ist jetzt die weltliche Gerechtigkeit beschrieben und enthalten." 21 „Alle diese Dinge muß nichts an. . . . Darumb las man Mose der Juden Sachssenspiegel seyn und uns Heyden unverworren damit. . . . Das gesetz Mose geht alleyne die Juden an . . . " ; Werke, WA., XVIII, S. 76, Z. 4; S. 81, Z. 14; S. 82, Z. 15. Vgl. dazu Köhler, Luther und die Juristen, S. 9; Stintzing, I, S. 271; Rudolf Schäfer, Die Geltung des kanonischen Rechts in der evangelischen Kirche Deutschlands, ZRG., X X X V I , kanon. Abt. V, 1915, S. 176; Johannes Heckel, Lex charitatis (Abh. der Bayer. Akademie der Wiss., phil.-hist. Kl., N. F. Heft 36), München 1953, S. 114; insbesondere Hans Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche, Festschrift Alfred Bertholet, Tübingen 1950, S. 298t., 315. Siehe ferner Luthers Brief an Spalatin vom 15. März 1524, oben, Anm. 16. — Schäfer, a. a. O., gibt unter unrichtiger Quellenangabe noch folgendes Lutherzitat, das zu identifizieren mir nicht gelungen ist: „Das Gesetz Mosis gehet die Juden an, welches uns fortan nicht mehr bindet, denn das Gesetz ist allein dem Volk Israel gegeben. Da nun nicht Moses, sondern kaiserliche Rechte in der Welt angenommen seind, wolle sich's nicht gebühren, darüber Sekten und Zwietracht anzuheben, sintemal der Glaube und die Liebe wohl bleiben kann mit und unter dem kaiserlichen Recht." 20 CR., XII, S. 26 : „Multae magnae causae fuerunt, cur et constituta sit politia Mosaica et postea deleta. Nunc rudera et cineres et èçeiiua in illis locis annos mille quadringentos octoginta testimonium dicunt, aliis gentibus non necessariam esse formam eius politiae"; vgl. XI, S. 922. 21 CR., XI, S. 923: „Hic me de consilio et iustitia aeterna Dei admonet haec politica iustitia in legibus nostris descripta." — Uber die verschiedenartige Einstellung Calvins, des studierten Juristen, zum mosaischen Recht aufschlußreich Jean Carbonnier, Droit et Théologie chez Calvin, in: Johannes Calvin: Akademische Feier der Universität Bern zu seinem 400. Todestag (Berner Universitätsschriften, Heft 13), Bern 1965, S. 2iff.

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man in Betracht ziehen, was ohne Vergleichung der verschiedenen Gesetze nicht geschehen kann." 22 Diesem Grundsatz getreu hat Melanchthon in mehreren Reden nicht nur die Vorzüge des römischen Rechts hervorgehoben, stark betont und ihre zweckvolle Anwendung für den weltlichen Bereich dargelegt, sondern auch durch Vergleichung einzelner seiner Bestimmungen mit denen des mosaischen Rechts ihre Brauchbarkeit gerade für jenen trotz ihrer Verschiedenheit zu zeigen versucht23, anders als einst im vierten Jahrhundert der Verfasser der Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, der die Übereinstimmung des römischen Rechts mit dem biblischen nachzuweisen beabsichtigte24. Stets war es nur die für Christen mangelnde Verbindlichkeit des mosaischen Gesetzes, nicht aber seine rechtliche oder soziale Qualifizierung etwa als ungerecht, zu streng oder hart, welche gegen seine Anwendbarkeit im Rechtssystem eines christlichen Gemeinwesens ins Treffen geführt wurde. Betont wurde nur, daß auch die heimischen Gesetze, ob strenger oder milder als die mosaischen, den Lebensverhältnissen vortrefflich entsprechen. Die Äußerungen Melanchthons über die „excellentia" des römischen Rechts sollen im folgenden näher betrachtet werden. Bevor dies geschieht, erübrigt jedoch noch eine Frage. Wodurch ist jene Sinnesänderung Melanchthons veranlaßt worden, die ihn vom mosaischen als für den Staat bestgeeigneten Rechte fortzog und endgültig dem römischen Recht zuwendete ? Es trifft sicherlich zu, worauf schon Stintzing aufmerksam gemacht hat, daß ihm „im Anblick des wüsten Treibens und der verderblichen Ziele der Volksbewegung das volle Verständnis von dem 22 CR., XII, S. 25: "Harum rerum omnium consideratio, quae sine legum collatione fieri non potest, de multis magnis rebus nos commonefacit in tota vita nosque ad iustitiam et modestiam flectit"; vgl. daselbst, S. 23. 23 Z. B. CR., XII, S. 25 t.: „In ceteris rebus, de quibus magistratus condere leges potest, similitudinem legum esse, nequaquam necessarium est. Lex Mosaica primogenito duas partes haereditatis attribuebat. Nostrae leges servant aequalitatem arithmeticam, tantundem singulis attribuunt, gradus etiam faciunt in praediis militaribus et aliis rebus. Haec dissimilitudo non impedit iustitiam aeternam et motus divinos in corde, imo vult Deus ostendere suo quemque loco in his rebus obedientiam erga patrias leges seu duriores seu leniores." 24 Vgl. darüber z. B. Hans Julius Wolff, Roman Law, Norman, Okla. 19JI, S. 143; Fritz Schulz, History of Roman Legal Science, Oxford 1946, S. 311 ff.

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Werte positiver Rechtsordnung, namentlich des römischen Rechts aufging"25. Unter dem Eindruck der Wittenberger Unruhen hatte ihn Luther darauf hingewiesen, daß die staatliche Zwangsgewalt für die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung unentbehrlich sei26. Hatte doch Luther selbst eine ähnliche Wandlung durchgemacht wie Melanchthon, deren gegenseitige Wechselwirkungen in allen Einzelheiten zu analysieren großen Schwierigkeiten begegnet. In jüngeren Jahren empfahl Luther die Übernahme einzelner Rechtseinrichtungen aus dem mosaischen ins heimische weltliche Recht wegen ihrer großen Vorzüge. Nach dem Zusammenstoß mit den Schwärmern riet er mit Rücksicht auf den ruhigen Verlauf des heimischen Rechtslebens davon ab. „Ihn bewegte namentlich die Sorge, es möchte eine solche Teilrezeption dem Aberglauben Vorschub leisten, als ob die sinaitische Gesetzgebung das göttliche Paradigma für die Verfassung einer politia sei und die Christen zur Nachahmung verpflichte27." Schließlich war 25

Stintzing, I, S. 272. Vgl. Luthers Brief vom 13. Juli 1 5 2 1 , W A . Briefe 2, S. 357; dazu Adolf Sperl, Melanchthon zwischen Humanismus und Reformation, S. 96ff; daselbst S. 98, Anm. 167: „ E s soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, als ob Luthers Brief allein und für sich genommen diese Wandlung bewirkt hätte. Die Erfahrung der Wirklichkeit des politischen Lebens und Melanchthons eigenes Nachdenken darüber spielten natürlich eine sehr große Rolle dabei. Nur weil Luthers Anschauung genau zu dem paßte, was Melanchthon praktisch erlebte, hat sie so stark wirken können." Sperl spricht hier von Melanchthons neuer Überzeugung, „daß das Schwertrecht notwendig und sein Gebrauch auch durch den Christen legitim ist". 27 Johannes Heckel (oben, Anm. 19), S. 1 1 4 . Vgl. z. B. Luthers Annotationts in Deuteronomion Mosi von 1524, zu 4, 8 (WA., 14, S. 591, Z. 15): „Iura civilia sunt sancta quidem sed maxima parte iniqua. Merito hodie sequeremur iura Mosaica, quae pertinent ad regimen civile. De legibus latis Rhomani ferme omnia torserunt in commodum proprium, sicut et fere omnes leges hodie eo respiciunt, sed Mosaicae leges aequae sunt omnibus hominibus." Dagegen aber Luthers Auslegung des 1 1 7 . Psalms von 1530, WA., X X X I , 1, S. 238, Z. 26: „ W o l ists war, das ym gesetze Mosi weltliche regiment und eusserliche weise feiner denn aller Heiden recht und weise gefast sind, das wol zu wünschen were, alle weit hette solcher rechte das mehrer teil. Aber weil es nicht not ist und on untregliche fahr und schaden solche enderung nicht mag geschehen [Anspielung auf die Schwärmer], So las mans einen wünsch bleiben, und halt ein iglich land seine rechte, sitten und weise, wie man spricht: ,So manch land, so manche sitten'." Kommentar zum Galaterbrief von 1 5 3 1 , WA., X L , 1, S. 673, Z . i 4 f f . : , , . . . politicae leges Mosi prorsus ad nos nihil pertinent. Ideoque non debemus eas revocare in forum nec quadam superstitione nos alligare ad eas, ut quidam superioribus annis volebant, ignari huius libertatis. Caeterum quanquam Evan26

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wohl auch Hieronymus Schürpfs Haltung in dieser Frage nicht ohne Bedeutung für Melanchthon 28 . Wie immer dem sein mag, Melanchthons Wandel in der Beurteilung einer Frage, welche wegen ihrer theoretischen und praktischen Bedeutung von theologischen, juristischen und politischen Gesichtspunkten aus den Gegenstand heftiger Diskussionen bildete, ist sehr bemerkenswert 29 .

gelium noti subiciat nos iudicialibus Mosi, tarnen in totum non liberat nos ab obedientia omnium politicarum legum, sed in hac vita corporali subicit nos legibus eius politiae, in qua vivimus." Vgl. auch oben, Anm. 16. Allgemein über Luthers Stellung zum römischen Recht Köhler, Luther und die Juristen, S. 49ff., 87fr.; Josef Bohafec, Calvin und das Recht, Graz 1934, S. 1 1 9 f . ; vgl. Erik Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte. 4. Aufl., Tübingen 1963, S. 103 f. — Was die anderen Reformatoren betrifft, die hier vergleichsweise erwähnt seien, so ist bekannt, daß Calvin sich juristischer Ausbildung in den berühmten Rechtsschulen von Bourges und Orléans erfreut hatte, während Zwingli die römische Jurisprudenz und das an ihr geschulte wissenschaftliche Rechtsdenken der zeitgenössischen Juristen stets fremd geblieben sind; vgl. Erik Wolf, Die Sozialtheologie Zwingiis, Festschrift Guido Kisch, Stuttgart 1955, S. 177, 183. 28 Vgl. z. B. Melanchthons Hinweis auf Schürpf in der Einleitung zu seiner Rede De dignitate legum von 1538, CR., X I , S. 357: „Cum igitur in hoc loco alius vir clarissimus D. Doctor Hieronymus . . . gravissime nos adhortatus sit omnes ad reverentiam legum . . . ego hoc tempore aliud argumentum, etsi vicinum, sumam. Tractabo enim scholasticam disputationem utilem studiosis, quod Christianis non sit necessarium uti legibus Mosis, sed quod liceat uti legibus, quae iuri naturae consentaneae sunt, etiamsi ab ethnicis magistratibus conditae sunt." Siehe auch oben, Anm. 9; ferner Ernst Landsberg, Artikel Hieronymus Schurff, Allgemeine Deutsche Biographie, X X X I I I , Leipzig 1891, S. 89. 29 Mutber, De legibus, S. 27, Anm. 28, bemerkte dazu: „Mutavit igitur sententiam de maxima re Melanthon. Sed laudandus est, quod in errore pertinaciter non stetit, immo eum deponens, quod decuit virum liberalem, ingenue sese errasse professus est."

FÜNFTES KAPITEL

Bekenntnis zum römischen Recht . A u c h nachdem sich Melanchthon vollständig dem römischen Recht zugewendet hatte, steht bei ihm die Rechtfertigung seiner Geltung und die Verteidigung seiner Anwendung im Rechtsbereich des christlich orientierten Staates noch immer unter der mittelbaren Nachwirkung des Biblizismus. Rechtfertigung und Verteidigung beruhen durchaus auf theologischer Argumentation. Die zahlreichen Beweisgründe, die ins Treffen geführt werden, sind sämtlich theokratisch fundiert. Stets bleibt im Vordergrund der Betrachtung der göttliche Ursprung des Rechts, der Gesetze und der Staatsordnung (politicus ordo), welche den zur civilis societas geborenen Menschen verliehen wurden. Seiner Darlegung wird in der Disposition von Melanchthons Reden, die diesem Thema gewidmet sind, regelmäßig der erste Platz eingeräumt. Dann erst kommt er dazu, die inneren Vorzüge des römischen Rechts aufzuzeigen und zu loben, seine Anwendung zu empfehlen, ja als erforderlich hinzustellen, auf die Notwendigkeit seiner Lehre und Pflege hinzuweisen, die Verdienste seiner Lehrer und Interpreten zu preisen. Der Vergleich mit anderen Rechten wird nicht unbeachtet gelassen. Auch diesen Erörterungen liegt als Leitgedanke die Frage zugrunde, „ob und warum diese unsere Gesetze (nämlich das römische Recht) Gott gefällig" seien1. An ihrer entschiedenen Bejahung besteht für Melanchthon kein Zweifel mehr. Jede Alternative ist ausgeschlossen. Die einfache biblische Lehre der Abhängigkeit der Welt von dem Schöpferwillen Gottes beherrscht sein Denken2. „Gottes Auftrag ist es, wie den gegenwärtigen — seinen — Magistraten, so auch den gegenwärtigen 1 CR., XI, S. 921: „ A n et quare hae nostrae leges Deo placeant." Vgl. zum Obigen etwa den Aufbau der Rede De veris legum fontibus et causis (1550), CR., XI, 9 i6ff. 2 Sartorius von Wolfershausen (oben, Kap. IV, Anm. 1), S. 664.

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Gesetzen gehorsam zu sein. Sie sind Gott gefällig, obgleich sie von einem heidnischen Herrscher [Justinian] erlassen wurden, wenn sie nur mit jenem Strahl des göttlichen Lichtes harmonieren, mit dem der Sinn der Menschen erleuchtet ist: mit dem natürlichen Recht (ius naturae), auf dem Gott die Gesetze und die Weisheit der Leitung des staatlichen Lebens zu gründen wünscht. Auf dieser Grundlage muß auch die Weisheit der römischen Gesetze eindringlich erwogen werden; sie sind selbst ebenfalls Gottes Stimme und von ihm dem Menschengeschlecht durch weise Staatslenker gegeben worden. Deren Sinn hat Gott besonders geleitet, damit sie die Quellen der Gerechtigkeit selbst erkennen und anderen zeigen. Nicht menschlicher Klugheit entstammen die Gesetze, vielmehr sind es Strahlen der göttlichen Weisheit, die auf uns gelenkt sind. Solche Erleuchtung mit den Naturgesetzen — zugleich ein Beweis von Gottes Dasein — ist auch den Heiden zuteil geworden. Das ist eine gute Sache und Gottes Werk (res bona est et Dei opus). Der Heilige Geist wurde in sichtbarer Erscheinung wie auf die Apostel so auf die römischen Soldaten in großer Zahl ausgegossen. So offenbaren auch das menschliche Sozialleben, die Staatsordnung und ihre Aufrechterhaltung durch Gesetze Gott als den Urheber, Beschützer und Richter des Menschengeschlechts."3 Diese zwar theologisch fundierte Auffassung und dem Christusglauben entsprechende Erläuterung ist doch auch von einem gut humanistischen Gedankenstrom gelenkt. Die Einheit von Antike und Christentum, des humanistischen Idealbildes und der christlichen Frömmigkeit gelangt zu harmonischem Ausdruck ganz so, wie es in Erasmus' großartiger Konzeption der „caelestis Christi philosophia" gedacht war. Von der Antike her und von der Lehre des Evangeliums 3 Wörtliche Wiedergabe ausgewählter Stellen aus der Rede De veris legum fontibus et catists (1550), CR., X I , S. 9 2 2 L ; vgl. X I I , 20; X I , 360, 631. — Auf die Lehre vom natürlichen Licht, „lumen naturale", welche „die fundamentale philosophische Lehre im Gedankenzusammenhang Melanchthons" darstellt, und die „in erster Linie aus Cicero geschöpft ist", braucht hier nicht eingegangen zu werden; darüber siehe ausführlich Wilhelm Dilthey, Gesammelte Schriften, II, S. 1 7 1 f. (von w o die unter Anführungszeichen gesetzten Wendungen stammen), 175 ff., 194. Josef Bobatec, Calvin und das Recht, Graz 1934, S. ioo, erkennt in dem Prinzip der Anerkennung auch heidnischen Rechtes, sofern es nur vom Naturgesetz abgeleitet ist, „genuin thomistisches Gedankengut".

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aus ist sowohl Erasmus' wie auch Melanchthons Auffassung vom Recht bestimmt4. Man dürfte wohl kaum fehlgehen, hier, wie schon früher, noch immer erasmischen Einfluß wahrzunehmen zu glauben. Auch Melanchthon bedient sich des bei seinem Vorbild so beliebten Prädikates (bona res). Ein erasmischer Gedanke ist es ferner, seine in verschiedenen Werken mehr oder weniger ausführlich vorgetragene Lehre über Recht und Gesetz, daß das göttliche Recht zur Geltung gebracht werden und der menschlichen Gerechtigkeit als Leitstern dienen müsse. Über dem Staate stehe das reine Naturrecht, das mit dem Willen Gottes identisch ist 5 . Für Melanchthon wird jener Forderung im römischen Recht in idealer Weise entsprochen. Dieses ist aus dem Naturrecht, Gottes Weisheit, im Dekalog kurz zusammengefaßt, folgerichtig abgeleitet: „Romanae leges ex noticiis naturalibus, quae sunt radii sapientiae divinae, in decalogo breviter comprehensi, bona consequentia ductae sunt 6 ." Wie die im Dekalog enthaltenen natürlichen Sittengesetze sich auf das gesamte Menschengeschlecht beziehen, unabänderlich und für das ganze Rechts- und Staatsleben, ebenso für das Leben der Einzelnen verbindlich sind 7 , so darf und braucht das als positives geltende römische Recht nicht geändert oder durch ein anderes ersetzt zu werden. Den Verächtern des römischen Rechts gegenüber glaubt sich Melanchthon eine lange Widerlegung und Apologie ersparen zu können, obwohl er ihnen eine „wahrhaftige, schwerwiegende und glänzende Widerlegung" entgegensetzen könnte. Er begnügt sich mit der Erzählung der von ihm wiederholt herangezogenen Affenfabel des Hermogenes, um törichte, widersprechende Meinungen ad absurdum zu führen 8. 4

Vgl. G. Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. 120 ff. Kisch, a. a. O., S. 130. 6 CR., X I I , 22 a. E . ; vgl. X I , 9 1 2 : „ L e x naturae est expressa in decalogo, ut omnes eruditi norunt." 7 Vgl. Dilthey, a. a. O., S. 169, 195ff. — Hugo Röthlisberger, Kirche am Sinai: Die Zehn Gebote in der christlichen Unterweisung (Studien zur Dogmengeschichte und systematischen Theologie, Bd. 19), Zürich 1965, behandelt eingehend den Dekalog bei Luther und Calvin, erwähnt jedoch Melanchthon mit keinem Wort. Vgl. Hellmuth von Weher, Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, Festschrift für Wilhelm Sauer, Berlin 1949, S. 46ff., der die zentrale Stellung des Dekalogs für die Erkenntnis des Naturrechts bei den Reformatoren, auch bei Melanchthon, hervorhebt. 8 CR., X I , 920; auch X I , 915. Erstaunlicherweise weiß das 384 Seiten in großem Format umfassende Werk von H. W.Janson, Apes and Ape Lore in 5

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Damit ist gleichzeitig der Übergang hergestellt zu zeigen, welche Vorzüge Melanchthon am römischen Recht erblickt und was er an ihm im allgemeinen sowie an einzelnen seiner Satzungen zu rühmen weiß. Die folgende Darstellung dieser Argumentation kann weniger ausführlich gestaltet werden und sich mit der Hervorhebung besonders charakteristischer Beispiele für Melanchthons Gedankenführung begnügen. Denn das Thema des vorliegenden Kapitels ist bereits in den vorhergehenden Darlegungen über des Reformators Abkehr vom mosaischen Recht als gesetzlicher Grundlage für den weltlichen Rechtsbereich und früher schon bei Besprechung der Rede De legibus vielfach berührt worden, welche eine Lobrede auf den Wert des römischen Rechts und die Bedeutung seiner Einführung und Geltung in Deutschland darstellt. Auf das dort Gesagte kann verwiesen werden. Melanchthons nachdrucksvolles Eintreten für das römische Recht in Rede und Schrift erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten, während deren er sich so eingehend mit den römischen Rechtsbüchern und ihren mittelalterlichen Interpreten beschäftigte, als es ihm seine zahlreichen anderen Studien neben seiner intensiven kirchlichen und politischen Betätigung gestatteten. „In seinen ethisch-juristischen Arbeiten, in den Reden über sittlich-rechtliche Fragen, in den moralphilosophischen Lehrbüchern, in den Kommentaren zu Cicero und Aristoteles, in den kleinen Abhandlungen und in den Loci begegnen wir auf Schritt und Tritt Zitaten aus den Digesten, dem Codex, den Institutionen9." Es ist daher nicht von ungefähr und keine inhaltlose Redensart, wenn Melanchthon seine Rede De dignitate legum vom Jahre 1538 mit der Ankündigung einleitet, er werde in ihr „zeigen, daß das römische Recht den Gesetzen anderer Völker überlegen sei und wahrhaftig eine Philosophie darthe Middle Ages and the Renaissance (Studies of the Warburg Institute, Bd. 20), London 1952, nichts von der Affenfabel. Der Mythos von den Affen findet sich in Hermogenes, Progymnasmata, 1, 20ff., bei Leonard Spenge!, Rhetores Graeci, II, Leipzig 1854, S. 3 f. (fehlt in der neuen Auflage). Melanchthon hat die Fabel ausgestaltet und für seinen Zweck adaptiert. — Die schwierige Identifizierung verdanke ich Herrn Gymnasiallehrer Werner Batschelet in Basel. 9 Das hat bereits Heinrich Maier, A n der Grenze der Philosophie, Tübingen 1909, S. 1 1 5 t., beobachtet; vgl. W. Maurer, Reste des kanonischen Rechts im Frühprotestantismus, Z R G . (K), L X X X I I , 1965, S. 234.

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stelle" 10 . Abgesehen davon, daß er den von ihm nach verlassenem Irrwege erkannten inneren Wert des römischen Rechtssystems hervorzuheben wünschte, glaubte er seine Vorzüge auch deshalb betonen zu sollen, weil es damals in Deutschland geltendes Recht, freilich jedoch keineswegs unbestritten und unangefochten war. Das kam schon im Kommentar zu Aristoteles' Politik ( 1 5 3 0 ) zum Ausdruck, wo auf den Gebrauch des römischen Rechts in Deutschland besonders hingewiesen wird: „Wennschon andere Völker sich bisweilen zu Recht über ihre Gesetze beklagten, so haben die Deutschen heutzutage keineswegs ähnlich Klage zu führen, da wir uns des römischen Rechts bedienen, welches voll von Menschlichkeit und Billigkeit ist, das von Männern niedergelegt wurde, die in der Leitung des Staates höchst erfahren waren. Denn sie haben dieses Volk, das sich einst im Zustande höchster Barbarei befand, zu einer gelasseneren und menschlicheren Lebensführung gebracht. . . . Nur dank den römischen Gesetzen haben unsere Menschen jene alte Roheit abgelegt. Gibt es doch kein Gebiet des bürgerlichen Lebens, über welches sich in jenen Gesetzen nicht die humansten und ehrenhaftesten Vorschriften finden." 1 1 Verglichen mit anderen Rechten hat das römische „bei der Ahndung zahlreicher Delikte strengere Strafen; es ordnet besser das Testamentsrecht, es unterscheidet Erbschaften, Fideikommisse und Legate. Schließlich ist seine Wissenschaft auch reichhaltiger. Sie hat alles, was auf den Schutz der menschlichen Gesellschaft Bezug hat, ausgezeichnet dargestellt, wie die Verwandtschaftsgrade, Einteilung der Sachen, Erwerbungsarten derselben, Kontrakte, Erbfolge, Erbschaften, Obligationen, Klagen, Bestrafung der Delikte" 1 2 . Nachdem Melanchthon die in solcher Weise zum Ausdruck gebrachte Überzeugung von Bedeutung und Wert des römischen Rechtssystems und seine Wichtigkeit als geltendes und anzuwendendes Recht in Deutschland erlangt hatte, kann es nicht verwundern, daß er dazu gekommen ist, auch den Rezeptionsvorgang als solchen nicht 1 0 CR., X I , 358: „Deinde ostendam, Romanum ius antecellere legibus aliarum gentium et vere quandam philosophiam esse." Vgl. Digesta I . I . I . I i. £ . : , , . . . iustitiam namque colimus . . . veram, nisi fallor, philosophiam, non simulatam affectantes"; dazu Kisch, Erasmus, S. } 5 o ff. CR., X V I , 442, 446. « CR., X I , 36!, 363.

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nur als gerechtfertigt zu betrachten, sondern sogar als besonders rühmenswerte Tat der Vorfahren zu preisen. Die erste Erkenntnis hatte ihm für diese zweite die Augen geöffnet. Hatte Melanchthon schon in seiner ersten Rede De legibus der Weisheit der Vorfahren hohes Lob gespendet, daß sie von den Römern ihre Gesetze entlehnt und sich diese für den Gerichtsgebrauch zu eigen gemacht haben, so steigert sich in späteren Reden seine Anerkennung für diese Tat, die er sehr wohl als eine solche von historischer Bedeutung erkennt. „Es ziemt sich, Gott dafür zu danken, daß er dem Reich solch ein Recht wiedergegeben hat. Denn nicht ohne Gottes Ratschluß sind fünfhundert Jahre nach Justinian die römischen Gesetze in die Gerichte und Schulen zurückgebracht worden, deren Gebrauch nach dem Untergang des römischen Reiches sich verloren hatte, während sich barbarische Gerichtsgebräuche durchsetzten. Diese Restitution hat viele barbarische Sitten verbessert, und zwar nicht bloß bei den Gerichten, sondern auch im übrigen Leben. Sie erwies sich auch für die Studien nützlich. . . . Selbst wenn dieses Recht bei den Gerichten und am Hofe nicht aufgenommen worden wäre (receptum), so müßte es doch zwecks Erkenntnis des Wesens der Gerechtigkeit und Billigkeit in den Schulen gelehrt und studiert werden. . . . Es ist von den weisesten Männern des bedeutendsten Staates gesetzt, durch den gewichtigen Ratschluß der hervorragendsten Männer in seiner Geltung wiederhergestellt worden. Es ist ein Recht von größter Billigkeit und harmoniert im höchsten Grade mit der Vernunft (est aequissimum et maxime consentaneum rationi) 13. Bei der Wiedergabe dieser Stelle aus der Rede De dignitate legum zusätzlich zu den schon früher angeführten mag es sein Bewenden finden. Durch seine Schätzung des von ihm ursprünglich verkannten 13

CR., X I , 363f.; vgl. X I , 221 f., 923. — Daß die Entscheidung zugunsten der Rezeption des römischen Rechts keineswegs durch den humanistischen Gedanken seiner Überlegenheit und Vollkommenheit gegenüber dem rohen, barbarischen heimischen Recht herbeigeführt wurde, welche Behauptung man in der älteren und neueren Literatur bisweilen findet, ist ausführlich dargelegt bei Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, München 1947, S. 8of.,ii4. Daß sie jedoch durch diesen Gedanken und seine kraftvolle Propagierung eine wesentliche und wichtige Förderung erfahren hat, wird schwerlich geleugnet werden können.

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römischen Rechts und sein Verständnis für die Aufnahme dieses als überaus wertvoll erachteten Erzeugnisses der Geisteskultur des Altertums hat Melanchthon der Rezeption in Deutschland einen wesentlichen Dienst geleistet. In welcher Weise sich seine so positive Stellungnahme ihr auch nach anderen Richtungen förderlich erwies, soll die Darstellung in den folgenden Kapiteln zeigen. Hier sind noch die verschiedenen Deutungsversuche zu betrachten, welche das Eintreten des Reformators für das römische Recht — man könnte sehr wohl von einem Kampf zu seinen Gunsten sprechen — in der neueren Literatur erfahren hat. Verschiedene Motive für seine Haltung in der Rezeptionsfrage werden Melanchthon zugeschrieben. Philosophisch-historische Sicht will seine „Verehrung dem römischen Recht gegenüber" damit erklären, „daß er von dem Streben geleitet worden ist, das römische Recht dem kanonischen gegenüber einseitig zur Geltung zu bringen" 14 . Ein romanistischer Rechtshistoriker meint: „Eine weit aktuellere Einsicht in die Gründe jener Rechtskrise, welche die Ursache der Rezeption war, lag in der Zehngeboteforderung der aufständischen Bauern. . . . Aber diesem elementaren Begehren gegenüber nahmen Humanismus und Reformation, wie kaum vermeidlich, für das römische Recht Stellung: Luther mit ruhiger Überzeugung von den praktischen Vorzügen des römischen Rechts (,Man soll den Juden Moses ihren Sachsenspiegel bleiben lassen', das heißt die Rechtsordnung des Alten Bundes ihr Volksrecht sein lassen); Melanchthon mit größerer Weltfremdheit als Freund des römischen Altertums 15 ." Nach der etwa dem römisch14 Mater (oben, Anm. 9), S. 1 1 5 . Das mag für einzelne Äußerungen Luthers zutreffen; vgl. z. B. Bohatec, Calvin und das Recht, S. H 9 f . ; W. Maurer, a. a. O., S. 232. 15 Franz Wieacker, Gründer und Bewahrer, Göttingen 1959, S. 76. Die ursprüngliche Fassung war noch schärfer pointiert; sie lautete: „ D i e echtere Erkenntnis der völkischen Rezeptionsfrage lag in der Zehngebotsforderung des Bauernkrieges.... Aber diesem Begehren gegenüber nahmen Humanismus und Reformation eindeutig für das römische Recht Stellung: Luther mit ruhiger Überzeugung von der größeren praktischen Trefflichkeit des römischen Rechts (,Man soll den Juden Moses ihren Sachsenspiegel bleiben lassen'), Melanchthon mit der schwärmerischen und wirklichkeitsblinden Überschwenglichkeit des Freundes des römischen Altertums"; Wieacker, Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 100. Bd., 1940, S. 44J.

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katholischen Modernismus entsprechenden Auffassung eines italienischen Historikers ist es hauptsächlich Melanchthons poetischer Humanismus, der sich in der Verteidigung des römischen Rechtes zeigt 16 . Die neueste philosophisch-theologische Untersuchung der politischen Ethik bei Melanchthon erblickt schließlich als Motiv seines Eintretens für das römische Recht seine Meinung, daß es für die Deutschen das bestmögliche Recht sei, weil es am meisten den deutschen Verhältnissen entspreche, auch überhaupt das beste sei 17 . Zu den dafür angeführten Gründen ist noch hinzuzufügen, daß Melanchthon das römische Recht als aequissimum erscheint, eine Eigenschaft, die er immer wieder betont. Deshalb konnte nicht mit Unrecht, wenngleich nicht in entsprechender rechtshistorischer Formulierung, die noch dazu einer Einschränkung bedürfte, gesagt werden: „Um der aequitas willen, die als Inhalt des Naturrechts bei den Reformatoren behandelt wird, hat Melanchthon, zum Teil auch Calvin, der Rezeption des römischen Rechts durchaus zugestimmt18." Wer sich auch nur in jene Schriften des Opus Melanchthonianum vertieft hat, die Problemen von Recht und Staat gewidmet sind, der wird unschwer erkennen, daß die wiedergegebenen ersten drei Deutungsversuche auf mehr oder weniger intuitiver, um nicht zu sagen oberflächlicher, Betrachtung beruhen. Die vierte Deutung, wenn16 Nello Caserta, Filippo Melantone: Dali' Umanesimo alla Riforma, Rom 1960, S. 31 ff., 238ff. ; dazu die kritische Besprechung von Peter Fraenkel, Melanchthoniana Jubilaria I, Bibliothèque d'Humanisme et Renaissance, X X I V , 1962, S. 45 9 f. Vgl. Walter Sohm, Die Soziallehren Melanchthons, Historische Zeitschrift, C X V , 1916, S. 69: „Man hört aus den Zeilen der Declamatio [De legibus] heraus die Freude des Humanisten am römischen Recht, an der klassischen Vergangenheit." Ähnlich Clemens Bauer, Melanchthons Naturrechtslehre, Archiv für Reformationsgeschichte, XLII, 1951, S. 97. Solche Erwägungen spielen eine bloß nebensächliche Rolle und begegnen selten. Ich kann nur folgende Äußerung anführen, CR., XII, S. 24: „Deinde multum et aliis literarum et historiarum studiis profuerunt hi libri, adiuverunt restitutionem latinae linguae, illustrant historias." 17 Gottfried Weber, Grundlagen und Normen politischer Ethik bei Melanchthon, München 1962, S. 12; daselbst, S. 16: „Melanchthons Beispiele sind aus dem Bereich der römischen Geschichte genommen; auch darin zeigt sich wieder die exemplarische Bedeutung des römischen Rechtes." 1 8 So Ernst Wolf, Naturrecht und Gerechtigkeit, in dem Sammelband : Naturrecht oder Rechtspositivismus, hg. von Werner Maihofer, Darmstadt 1962, S. 59, Anm. 23. — Über Melanchthons Aequitaslehre handelt ausführlich das letzte Kapitel dieses Buches.

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gleich möglicherweise ebenfalls bloß intuitiv gefunden, scheint der Wahrheit am nächsten zu kommen, die am sichersten aus Melanchthons eigenen Erklärungen erschlossen werden kann. Sie ist aus gründlichem Studium seiner Schriften auch schon dem bedeutenden Calvinforscher Josef Bohatec klar geworden. „Melanchthon", schreibt er, „wie die Rezeptionsjuristen überhaupt, preist die unbesiegbare Vortrefflichkeit der römischen Gesetze, da in ihnen im Gegensatz gegen die ungewissen, das heißt nicht geschriebenen und unbilligen, das beste und billigste Recht enthalten sei. . . . Die Wertschätzung des römischen Rechtes steigert sich bei Melanchthon förmlich zu einer enthusiastischen, fast abgöttischen Verehrung. Wenn er in dem römischen Recht eine Art Orakel sieht, eine vox et lux Dei, wenn die Aufhebung des römischen Rechtes ihm wie ein Rückfall in die Zeit der Barbarei und des kulturlosen Naturzustandes erscheint, wenn sich ihm das römische Recht als eine Art gebildete, gottgeschenkte Philosophie darstellt, so sind diese Lobpreisungen der Ausdruck einer humanistischen Seele, die in dem quellenden römischen Recht ein sicheres Bollwerk gegen die Tyrannis auf der einen, gegen die Zügellosigkeit auf der anderen Seite und damit ein Hilfsmittel zur Verwirklichung einer wahrhaft menschlichen, auf Ordnung, auf Harmonie von Wissen und Leben aufgebauten Kultur zu finden glaubt." 1 9 Von der Richtigkeit dieser Überzeugung war Melanchthon erfüllt. An der Ehrlichkeit der hier dargelegten Ergebnisse seines Denkens und Forschens ist nicht zu zweifeln. Die dreifache Veranlassung zu letzterem, die wir im vorigen Kapitel kennengelernt haben, führte ihn auf diesen Weg. Er hat ihn, wie alles, was er unternahm, behutsam beschritten und mit Gründlichkeit verfolgt. E r fand das volle Verständnis und die rechte Würdigung des römischen Rechts auf der Grundlage der Überzeugung von der Einheit von Naturrecht und Ethik, die für seine Lehre charakteristisch ist 20 . „Die Juristen jener Zeit, die begeisterte Anhänger der Rezeption waren, rechtfertigten die für Deutschland doch nicht ganz selbstverständliche Anwendung des römischen Rechtes unter anderem auch damit, daß sie es als ratio scripta bezeichneten. Das bedeutet, daß sie es als eine Rechtsordnung 19

20

Bohatec, Calvin und das Recht, S. 1 1 7 .

Vgl. Haenel, S. 257; Liermamt, S. 303.

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ansahen, die dem durch die menschliche Vernunft geoffenbarten Willen Gottes entsprach, und die deshalb zugleich den Anspruch erheben konnte, ethisch einwandfrei zu sein" 21 . Das war auch die Anschauung Melanchthons, eine Erkenntnis, die er sich ausgehend von der aristotelischen Lehre von dem Vorrang der Herrschaft des aufgezeichneten gegenüber dem aus bloßem Rechtsbewußtsein geschöpften Rechte selbständig erarbeitet und zu eigen gemacht hat. „Diese Rechtfertigung des römischen Rechtes dadurch, daß es vor dem Richterstuhl der Vernunft — und damit letztlich Gottes — bestehen kann, hat durch Vermittlung Melanchthons auch stark in die lutherische Theologie hinübergewirkt, nicht zuletzt den großen lutherischen Dogmatiker Johann Gerhard maßgebend beeinflußt". Mehr noch, Melanchthons Lehre hat auf eine ganze Generation wittenbergischer Juristen und über sie wie auch über Wittenberg hinaus Einfluß geübt. Zwei Jahrhunderte lang hat er angedauert, wie durch die Nennung der Namen bedeutender Juristen im ersten Teile dieser Arbeit dargetan wurde 22 . Es ist daher nicht ganz abwegig, wenn für Melanchthon die Stellung als Mittelglied zwischen der Scholastik und der späteren naturrechtlichen Schule in Anspruch genommen wurde 23 . Wenn man seine Lehre überhaupt in die Ent21

So Liermann, S. 303 t.; von dort auch das folgende Zitat. Man vergleiche etwa Hugo Grotius' „ersten auf humanistisch-reformatorischer Basis erwachsenen Versuch eines .säkularisierten' Naturrechtssystems" in Erik Wolfs summarischer Übersicht mit der hier dargestellten Lehre Melanchthons; Erik Wolf, Das Problem der Naturrechtslehre, 3. Aufl., Karlsruhe 1964, S. I32f. und dazu das bei Erik Wolf, Große Rechtsdenker, 4. Aufl., S. 295, wiedergegebene Zitat aus einem Briefe des Grotius von 1641: , , . . . cucurrerunt idem Stadium Erasmus, Melanchthon, Wicelius, Casaubonus . . . . " — Eine Spezialuntersuchung über den Einfluß von Melanchthons Rechts- und Staatslehre auf zeitgenössische und spätere namhafte Juristen wäre eine selbständige, wünschenswerte Aufgabe. Eine skizzenhafte Darstellung bietet Werner Eiert, Morphologie des Luthertums, II, München 1932, S. 355 ff. 23 In diesem Sinne Hans Kelsen, Die philosophischen Grundlagen der Naturrechtslehre und des Rechtspositivismus (Philosophische Vorträge der Kantgesellschaft, Heft 31), Charlottenburg 1928, S. 37; dazu Bohatec, S. 102. Vgl. schon Dilthey (oben, Anm. 3), S. 162: „Melanchthon ist für Deutschland das Mittelglied, welches die alten Philosophen und deren Tradition in den mittelalterlichen Schriftstellern verbindet mit dem natürlichen System des 17. Jahrhunderts. Dies natürliche System ist bei ihm schon in allen Grundzügen fest verzeichnet. Gerade darin lag nun aber während des 16. Jahrhunderts in Deutschland seine große Position, daß er dasselbe zu der protestantischen Theologie in 22

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Wicklungsgeschichte des naturrechtlichen Denkens einordnen zu sollen glaubt, wäre es vielleicht zutreffender, etwa zu sagen, sie stehe zwischen rein religiös-theologischem und säkularistisch-rationalem Rechtsdenken, wobei sie dem ersteren doch noch so gut wie völlig verhaftet blieb, während sie dem letzteren gerade nur eine Türspalte öffnete. Melanchthons Lehre und der Weg, auf dem er zu seiner Einstellung zum römischen Recht gelangte, sind jedoch auch ohne solche schematische Klassifizierung in ihrer spezifischen Eigenart verständlich.

Verhältnis setzte. Denn er hielt beides fest; die natürliche Erkenntnis Gottes und der Welt im Sinne des wiederhergestellten Altertums verband er mit der gläubigen Innerlichkeit im Sinne des erneuerten Christentums: ein Gleichgewicht zwischen Humanismus und Reformation war in diesem universalen Geiste"; vgl. daselbst, S. 165, 169f. Eiert, a. a. O., S. 351: „Melanchthon bildet für das protestantische Gebiet das Bindeglied zwischen der Naturrechtslehre des Mittelalters und der des 17. Jahrhunderts."

SECHSTES K A P I T E L

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts * I

Melanchthon über die Rechtsgelehrsamkeit

„Ich

trete nur für die römischen Gesetze ein, nicht für ihre neueren Interpreten." So hatte Melanchthon in seiner ersten Rede De legibus emphatisch ausgerufen. Es geschah offenbar, um etwaigen Vorwürfen derjenigen zu begegnen, welche wie die biblischen, so auch die mittelalterlichen juristischen Kommentare verurteilend verwarfen und in den humanistischen Ruf der Zeit „Adfontes" einstimmten 1 . Auch von jener Meinung ist Melanchthon aber im Verlaufe nicht langer Zeit abgekommen und sogar zu gegenteiliger Überzeugung gelangt. Die seinem damaligen Ausruf zu entnehmende negative Einstellung zu den Interpreten des römischen Rechts wich einer entschiedenen Hochschätzung der Glossatoren und Kommentatoren, großem Respekt für ihre juristischen Leistungen und hohen Verdienste um die Rettung des römischen Rechts vor dem Verfall und um seine Wiederbelebung im Abendlande als geltendes Recht sowie als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Das kommt in zahlreichen Äußerungen Melanchthons zu deutlichem, ja enthusiastischem Ausdruck. Jetzt sind „die alten wie die neuen Meister des Rechts lobeswürdig, Bartolus und seinesgleichen, weil sie die dem Studium Ergebenen adfontes zurückführen" 2 . * Der Inhalt dieses Kapitels wurde in zwei verschiedenen Entwurfsfassungen vorgetragen und zwar: am 30. September 1963 im Rahmen der von Professor Dr. Karl S. Bader geleiteten Zürcher Ausspracheabende; am 8. Juli 1964 in der Aula der Universität Freiburg im Breisgau anläßlich der Promotion des Verfassers zum Doctor philosophiae honoris causa. 1 Über die ähnliche Haltung des Erasmus zum biblischen und juristischen Autoritätsglauben G.Kisch, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, S. 125. 2 CR., XI, S. 914: „ . . . fateamur . . . laudandos esse artifices, tum veteres,

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

„ D i e Auslegung der Gesetze, durch welche die in ihnen enthaltene Weisheit Gottes Unkundigen dargelegt wird, ist eine sehr schwierige Angelegenheit und nur mit großem Respekt zu unternehmen. . . . Eine andere Frage ist es, ob man sich des römischen Rechts und der Schriften seiner Interpreten bedienen darf." Sie wird nun natürlich entschieden bejaht. „ D i e Rechtsgelehrsamkeit kann nur in einem ruhigen Staatswesen gedeihen, im Rate derjenigen, die ihre Entscheidungen nach der Norm der Gerechtigkeit ausrichten." „ E s ist ersichtlich, welche Verantwortung auf den Rechtsgelehrten ruht." 3 „ W i e bei anderen Künsten liegt auch beim Recht der Ursprung in der Natur. Wie es zahlreiche Künste gibt, so sind auch jene Kenntnisse zu bewundern, die Recht und Unrecht scheiden und so die Rechtsgelehrsamkeit hervorbringen. Wie andere Kenntnisse oder Ideen einer Kunst (ideae artium), so ist auch die Wissenschaft der Rechtsgelehrten aus der bewundernswerten Erleuchtung durch Gott entsprungen und ist nicht minder eine Kunst (non minus est ars quam ceterae disctplinae). tum recentes, Bartolum et símiles, qui ingenia discentium ad fontes deducunt." Vgl. CR., XII, 23: ,,Idque agunt nostri interpretes, Bartolus, Baldus et símiles, ut leges conferant et vel demonstrationes ostendant vel probabilem rationem." Ein Vergleich mit einem ähnlichen Gesinnungswandel im Leben des bedeutenden Basler Juristen Claudius Cantiuncula (um 1490 —1549) ist interessant und lehrreich. Seine Anschauung über die großen italienischen Juristen des Mittelalters nahm eine umgekehrte Entwicklung. Er war ausgegangen von einer großen Hochschätzung des Accursius, Bartolus, Baldus und anderer juristischer Schriftsteller ihrer Zeit, mit deren Lehren er ausgezeichnet vertraut war. Infolge seiner kritischen Einstellung gelangte er jedoch später zu einer anderen Auffassung von der Bedeutung jener Interpreten des römischen Rechts namentlich für den Rechtsunterricht und die juristische Praxis. Zwar gab er immer zu, daß die Kommentatoren Männer von Geist, Scharfsinn und bewundernswerter Gelehrsamkeit gewesen und daß die Unzulänglichkeiten in ihren Werken nicht ihnen allein zur Last zu legen seien. Trotzdem aber empfahl er den jungen Rechtsbeflissenen, die Flut, oder richtiger die Dunstwolken ihrer Lehrmeinungen zu fliehen wie giftige Früchte und leere Träume. Nur indem man sich sorgfältig kritisch mit ihnen auseinandersetzt, dürfe man sie berücksichtigen. Zu dieser Meinung führten den Juristen Cantiuncula die Ergebnisse seiner Forschungen und die Erfahrungen seines Lebens und Lehrens. Vgl. G. Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät der Universität Basel 1459 —1529 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel, Bd. XV), Basel 1962, S. 99 t.; G. Kisch, Bartolus und Basel (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 54), Basel i960, S. 43 ff. Auf die tieferen Ursachen von Melanchthons entgegengesetzt hoher Wertschätzung und vorbehaltlosem Eintreten für die Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts wird im folgenden zurückzukommen sein. 3 CR., XI, 917, 920, 630.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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Sie ist bei den Römern großartiger als bei anderen Völkern. Da es nun einmal einer Kunst bedarf, um Recht und Unrecht zu erkennen und zu scheiden, warum soll man nicht den gelehrtesten und erfahrensten Menschen folgen ? Jene Kunst und Gelehrsamkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Moralphilosophie. Ohne Rechtsgelehrsamkeit kann man die Rechtsgrundsätze aus den Quellen nicht gewinnen. Zur Erhaltung des Staates muß auch sie erhalten werden, selbst wenn sie zeitweilig durch Kriege oder Tyrannenherrschaft verdunkelt wird." 4 „Manche Feinde unserer Wissenschaft mißbilligen die langen Disputationen der Doktoren und die massenhaften Kommentare (molem commentariorumJ " ; so fährt Melanchthon in einer anderen Rede fort. „Das ist aber ein großer Irrtum. Die Rechtswissenschaft beseitigen, hieße das geschriebene Recht überhaupt abschaffen." Mit Bezugnahme auf den römischen Juristen Pomponius, dessen Darlegungen in den Digesten (vermutlich 1.1.2.2) ihm vorschwebten, erklärt Melanchthon für richtige Interpretation der Gesetze die Autorität von Rechtsgelehrten und ihre Disputationen als unentbehrlich, was er auf die alten Ausleger des römischen Rechts anwendet. „Der alte römische Gerichtsgebrauch war antiquiert, die römische Geschichte, aus welcher sich die Gesetze oft besser verstehen lassen, war unbekannt geworden, ihre Sprache war korrumpiert. Allen diesen Hindernissen zum Trotz erstanden in Irnerius und anderen Interpreten Männer, welche das versunkene Recht zu beleben, die verderbte Sprache zu emendieren begannen. Es war, als ob das Bild des alten großen römischen Reiches aus seinen Gesetzen wiedererstehen sollte. Diejenigen, welche die alten Interpreten gänzlich beseitigen wollen, wünschen die durch ihre Arbeit wieder ans Licht gebrachten und erläuterten Gesetze von neuem in ewige Finsternis zu verbannen 5 " . Das sind die Gedanken, die Melanchthon in verschiedenen Reden verstreut immer wieder zum Ausdruck brachte, die Ideen, die er seinen Hörern eindrücklich vor Augen führen wollte. Sie lagen ihm 4 C R . , X I , 361 f., 632, 634. Bei der Bezeichnung des Rechts und der Pflege des Rechts als einer Kunst mag Melanchthon wie sonst öfter der erste Digestentitel vorgeschwebt haben mit der berühmten Definition des römischen Juristen Celsus: „lus est ars boni et aequi" (D. I.I.I.I). « C R . , X I , 220 f.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

so sehr am Herzen, und er erachtete sie für so wichtig, daß er einem besonderen Thema, De Irnerio et Bartolo iurisconsultis, vermutlich im Jahre 1537 eine eigene, gründlich vorbereitete und sorgfältig ausgearbeitete Rede widmete6. Diese Declamatio hat in der Literatur bisher kaum Beachtung gefunden, obwohl allein schon die Tatsache hätte Aufmerksamkeit erregen müssen, daß zu ihrem Gegenstand zwei bestimmte mittelalterliche Juristen gewählt wurden, und dies von einer Seite, von der man ein Eintreten für die Glossatoren und Kommentatoren nicht ohne besonderen Grund erwarten dürfte. Es handelt sich um bedeutende Gestalten der mittelalterlichen Rechtsgeschichte: Irnerius (1055?—1130?), den Gründer der Schule von Bologna, der alma mater der europäischen Rechtswissenschaft, und Bartolus aus Sassoferrato (1313 —1357), das Haupt der Kommentatoren, den Fortsetzer der Glossatoren, den Schöpfer der juristischen Begriffswelt, der auf die ganze abendländische Rechtsentwicklung entscheidenden Einfluß ausgeübt hat. Wie mag Melanchthon wohl dazu gekommen sein, sich ein so spezifisches Thema zu wählen, das über grundsätzliche Erwägungen über Ursprung und Wesen des Rechts, sein Verhältnis zu Religion und Staat, über Philosophie und Theologie hinaus in die mittelalterliche Wissenschaftsgeschichte des Rechts führt ? Zur Beantwortung dieser Frage muß man etwas weiter zurückgreifen. II Mos italicus und Mos gallicus Wiederholt schon im Verlauf der Darstellung wurde darauf hingewiesen, daß, trotzdem das römische Recht in Deutschland in Wissenschaft und Lehre längst festen Fuß gefaßt hatte sowie in der Gerichtspraxis und in dem Streben nach Reformierung der einheimischen Gesetzgebungen in romanistischem Sinne sich im Vordringen befand, ihm die Berechtigung zur Geltung und Pflege doch vielfach streitig gemacht wurde. Dies geschah nicht bloß seitens der aufständischen Bauern und umstürzlerischen Unruhestifter im Gefolge 6 CR., X I , 350—356; im Verzeichnis der Melanchthonreden, oben Teil I, Kapitell, Nr. 3.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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der Glaubenskämpfe. Hatte das römische Recht, das von manchen Theologen der alten Schule als heidnisches betrachtet und bezeichnet wurde, überhaupt einen Platz im Rechtsleben einer christlichen Gemeinschaft zu beanspruchen ? „Quid Christianis cum legibus1 ?" Steht es nicht im Widerspruch zum Evangelium, zur christlichen Lehre und Frömmigkeit? Wäre es nicht sinngemäß und folgerichtig, diesen auch von der neuen religiösen Sicht aus unerwünschten Eindringling aus dem christlichen Kulturbereich wieder zu entfernen? Wäre es nicht in der Tat logisch, das römische durch das altisraelitische biblische Rechtssystem zu ersetzen, welches durch die Hinwendung der Humanisten zu den reinen Quellen unter Ausschaltung der Kommentare und durch die Belebung des hebräischen Sprachstudiums dem wissenschaftlichen Interesse und Verständnis nahegebracht worden war ? Melanchthon hatte sich, wie bereits dargelegt wurde, nicht weniger als Luther mit solchen Fragen, die im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses standen, zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Während ihnen der Reformator aus seiner religiösen Inspiration mehr impulsiv gegenüberstand, wobei seine Abneigung gegen die Juristen als „schlechte Christen" und seine durchaus unjuristische Natur mit motivierend wirkten 8 , leitete den Lehrer Deutschlands in stärkerem Maße seine humanistisch-wissenschaftliche Einstellung und dem Juristischen aufgeschlossene Betrachtungsweise9. Sicherlich hat er 7

Melanchthon selbst formulierte in einer seiner Declamationes eine rhetorische Frage wie folgt, CR., XI, S. 9 1 1 : „Hic autem dicit aliquis, fateri se legem Dei summa reverentia venerandam esse. . . . Quid autem illa seu imperatorum edicta seu Ulpiani, imo Bartoli, Baldi et similium callidae interpretationes ad legem Dei? Cur misces, inquiet, sacra prophanis?" Ähnlich CR., XII, S. 22. 8 Hans Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche, Festschrift Alfred Bertholet zum 80. Geburtstag, Tübingen 1950, S. 296 — 299; Franz Xaver Arnold, Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther, München 1937, S. 49ff.; Johannes Hechel, Lex Charitatis, S. 18, 114f.; / . Heckel, Besprechung von Alberto Pincherles Graziano e Lutero, Z R G . (K), L X X I I I , 1956, S. 498 f.; Liermann, Der unjuristische Luther, Luther-Jahrbuch, X X I V , 1957, S. 69 — 85, besonders S. 79 — 81; ferner noch Roderich Stintzing, Das Sprichwort „Juristen böse Christen" in seinen geschichtlichen Bedeutungen, Bonn 1875, S. iof. Vgl. auch Luthers Predigt gegen die Juristen zu 2. Kor. 6,1 vom 23. Februar 1539, Werke WA., 47, S. 670f.; ferner die von ihm für sie geprägte Bezeichnung „iurisperditi", WA., 43, S. 562, Z. 26. 9 Vgl. Liermann, Zur Geschichte des Naturrechts in der evangelischen Kirche, S. 299 — 304. — Zutreffend Liermann, Der unjuristische Luther, a. a. O., S. 70: „Der große Theologe und Reformator [Luther] ist eine durch und durch

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

auch von den widerstreitenden Lehren und Meinungen Kenntnis gehabt, die an anderen Universitäten Auseinandersetzungen über das römische Recht, und zwar pädagogischer Art, hervorgerufen hatten. Es ist der Gegensatz des mos gallicus, der im 16. Jahrhundert neu aufgekommenen humanistisch-philologisch-historischen Richtung, zum traditionellen mos italicus, der überkommenen Lehrmethode der Glossatoren und Kommentatoren, welcher die altangesehenen mittelalterlichen Autoritäten des römischen Rechts zum Angriffs- und Streitobjekt in der Wissenschaft und Lehre des Rechts werden ließ. Waren des großen Kommentators Bartolus Ansichten in zahlreichen theoretischen und praktischen Rechtsfragen auch von ungeheurer Bedeutung und hatten sie vielfach sogar entscheidendes Gewicht — bekanntlich wurde zum Beispiel in Spanien schon im 15. Jahrhundert durch königliches Dekret angeordnet, daß in Zweifelsfällen seiner Meinung maßgebende Kraft zukommen solle 10 —, so blieb doch anderwärts, namentlich in Gelehrtenkreisen Frankreichs und Deutschlands, die ihm und seinen Lehren allgemein zuerkannte Autorität nicht unwidersprochen und unbestritten. Namentlich auf Schweizer Boden, an der Universität Basel, wurde Bartolus' Name geradezu zum Kampfruf, während bis dahin der Satz „Nemo iurista nisi Bartolista" jedem sogar die Qualität als Jurist absprechen wollte, der nicht auf Bartolus eingeschworen war 11 . In der berühmten unjuristische Natur gewesen"; S. 79: „ E r war kein Rechtsdenker, auch nicht im kirchlichen Raum"; S. 7 7 : „Melanchthon war, obwohl von Haus aus nicht Jurist, eine durch und durch juristische Natur und hatte volles Verständnis für Rechtsfragen und etwa auftauchende juristische Schwierigkeiten." Wilhelm Pauck, Luther und Melanchthon, in: Luther und Melanchthon, Referate und Berichte des Zweiten Internationalen Kongresses für Lutherforschung Münster, 8. bis 13. August 1960, Göttingen 1960, S. 3 1 : „Luther war ein Mann des Glaubens, der alles menschliche Denken und Tun dem Handeln Gottes unterworfen sah; und Melanchthon war ein Mann der Wissenschaft, der, was er konnte, in die Gewalt seiner Erkenntnis zu bringen suchte." 10 Friedrich Carl von Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, V I , 2. Ausg., Heidelberg 1850, S. 1 5 4 ; / . L.J. van de Kamp, Bartolus de Saxoferrato 1 3 1 3 — 1 3 5 7 , Leven, Werken, Invloed, Beteekenis, Amsterdam 1936, S. 181 ff.; Paul Kosebaker, Europa und das römische Recht, München 1947, S. I04f. 11 Auch zum Folgenden Guido Kisch, Bartolus und Basel (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 54), Basel i960, S. i 8 f f . ; G. Kisch, Humanismus und Jurisprudenz: Der Kampf zwischen mos italicus und mos gallicus an der Uni-

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Humanistenstadt, in den Hörsälen ihrer schnell aufgeblühten Juristischen Fakultät, wurde der Kampf aufgenommen und in Vorlesungen und Vorträgen zum Austrag gebracht, die bald auch durch Druckschriften verbreitet wurden, wodurch die Schärfe der Gegensätze und die Hitze des Streites der Nachwelt vor Augen geführt werden. Der Kampf mußte hier sogar nach zwei Richtungen geführt werden, da die Stellung des römischen Rechts im Lehrplan und Unterrichtsbetrieb der Basler Universität noch nicht gefestigt genug war und das „heidnische" Recht seinen kaum noch errungenen Platz gegen die theologischen Verfechter der Alleinherrschaft des kirchlichen Rechts zu verteidigen hatte. Diese interessante Kampflage kann für Basel aus den akademischen Reden und Schriften der jugendlichen Stürmer und Dränger Claudius Cantiuncula und Johannes Sichardus, der Vorkämpfer des mos gallicus, auf der einen Seite, sowie des maßvollen Verteidigers des mos italicus, Bonifacius Amerbach, auf der anderen Seite entnommen werden 12 . Die Kämpfe setzten nur wenige Jahre früher ein, bevor Melanchthon sich in seinen akademischen Reden mit Rechtsproblemen zu beschäftigen begann. Quellenmäßig und methodisch sind jene Basler Reden wichtige Dokumente zur Geschichte der Behauptung und Bedeutung der Lehren des Bartolus im schweizerischen Rechtsbereich. Zweifellos war Melanchthon mit den Problemen vertraut, welche die akademischen Erörterungen über das römische Recht an den bedeutendsten und meist frequentierten Lehrstätten jener Zeit heraufbeschworen hatten, die Jahre hindurch das Interesse von Juristen versität Basel (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 42), Basel 1 9 5 5 ; G. Kisch, Die Anfänge der Juristischen Fakultät der Universität Basel 1459—1529 (Studien zur Geschichte der Wissenschaften in Basel, Bd. X V ) , Basel 1962, S. 96 — 125. 12 Siehe vor allem Claudius Cantiuncula (um 1490 —1549), Oratio Apologetica in patrocinium Iuris Civilis. Cuius argumentum huc praecipue tendit, ut quorundam obiectiones refellat nugaciter affirmantium legibus cum Evangelio parum convenire. Quae res hoc tempore multorum animos a civilis disciplinae studio reddit alienos, magis fortasse superstitiosos quam prudenteis, Basel 1 5 2 2 ; Johannes Sichardus (um 1499 — 1552), Codicis Theodosiani Libri X V I , Basel 1528, Vorrede. — Bonifacius Amerbachs (1495 — 1562) Basler Antrittsvorlesung aus dem Jahre 1525, Defensio interpretum iuris civilis, die er schon als Promotionsrede in Avignon gehalten hatte, wurde erst nach vierhundert Jahren gedruckt: Alfred Hartmann, Die Amerbachkorrespondenz, III, Basel 1947, Anhang, Nr. 1, S. 553 bis 564; Kisch, Humanismus, S. 79 — 97; dazu daselbst, S. 41 — 52.

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und Theologen fesselten und das Thema öffentlicher Diskussionen bildeten 13 . Das gilt besonders für Basel, wohin persönliche Fäden zu Erasmus, Bonifacius Amerbach, namentlich zu Claudius Cantiuncula, und zu anderen Mitgliedern des Erasmuskreises führten 14 . Claudius Cantiuncula war der erste unter den Juristen, der mit seiner Oratio Apologética 1522 öffentlich gegen die „Übertheologen" Stellung nahm und in wohlabgewogener Beweisführung alle gegen das römische Recht ins Feld geführten Gründe aus der Bibel, den Kirchenvätern, dem klassischen Schrifttum sowie aus dem natürlichen Recht und gesunden Menschenverstand widerlegte. Ihm folgte Johannes Sichardus in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Codex Theodosianus 1528, der mit seiner Verteidigung des römischen Rechts aber ebenso wie Cantiuncula auch heftige Angriffe auf seine mittelalterlichen Interpreten verbindet. Schon früher waren diese zugleich mit dem ganzen Juristenstand, besonders aber die „Accursianer" von Ulrich Zasius 15 und die „Bartolisten" von Ulrich von Hutten leidenschaftlich angegriffen worden 16 . Zweifellos hat Melanchthon auch diese öffentlichen literarischen Auseinandersetzungen verfolgt und ihnen, speziell wohl Cantiunculas Oratio Apologética, Thema und Anregungen zu seiner ersten Rede De legibus entnommen, worauf viele Indizien hinweisen, die hier nicht verfolgt werden können 17 . 13 Einen Überblick über den Gegenstand der Streitfragen bieten Roderich Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, München und Leipzig 1880, S. 2Ó7ff., ioof.; Kisch, Humanismus, S. 24ff.; auch zum Folgenden. 14 Über die Beziehungen zu Erasmus gibt vor allem der Briefwechsel Aufschluß: P. S. Allen, H. M. Allen, H. W. Garrod, Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, 11 Bde., Oxford 1906 — 1947; Indexband 1958; über die Fäden, die zu anderen Mitgliedern des Erasmuskreises führten, oben, Teil I, Kapitel III. 15 Kisch, Bartolus, S. 23 ff., 3of. 16 Dies ist dargestellt und mit ausführlichen Zitaten aus Huttens Schriften belegt bei Otto Stohbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II, Braunschweig 1864, S. 45 ff. Folgende Stelle über die Juristen aus Huttens Praedones, verfaßt im Jahre 1520, sei wiedergegeben: „ . . . nam siquando cognoscant principes Germani, quae nugae qua gravitatis specie apud hos fucatae teneantur, actum de universa Bartholistarum schola fuerit"; Edvardus Böcking, Ulrichi Hutteni equitis Germani Opera, I V , Leipzig 1860, S. 381. Daß Huttens Streitschriften Melanchthon bekannt waren, wird auch sonst angenommen; vgl. z. B. Werner Goez, Translatio imperii, Tübingen 1958, S. 290 a. E . 17 Der an dieser Stelle nicht zu erbringende — weil den Rahmen überschreitende — Nachweis müßte ebenso ins Detail gehen wie der ähnliche von Wilhelm Maurer geführte, demzufolge Melanchthons Loci als eine Gegenschrift

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Dieser folgte eine Rede unbestimmten Datums, De scripto iure et de dignitate veterum interpretum iuris, vielleicht 1 5 3 2 gehalten, aber erst 1 5 3 9 gedruckt, in welcher wiederholt der Verdienste des Irnerius und seiner N a c h f o l g e r u m die Textgestaltung und A u s l e g u n g des römischen Rechts E r w ä h n u n g geschieht 1 8 . I n der gleichen Gedankenrichtung b e w e g t sich die ohne Gewißheit auf das J a h r 1 5 3 7 datierte, v o n Melanchthon verfaßte, jedoch v o n seinem Schwager D r .

Sebaldus

Munster vorgetragene Rede De Irnerio et Bartolo iurisconsultis19.

Der

Hauptwert, der diesen Deklamationen v o n den Zeitgenossen beigemessen wurde, lag in der formvollendeten systematischen

und

rhetorischen Behandlung eines Themas. Heute sind w i r v o n dem Inhalt her an ihnen interessiert. D a s gilt besonders für die jetzt zu reformatorischer Theologie gegen die erasmische Einführung in den biblischen Humanismus, die Ratio seu methodus compendio perveniendi ad veram theologiam (1518), gedacht war, welcher die letztere als Anregung und Vorbild gedient hat; Maurer, Melanchthon-Studien, Gütersloh 1964, S. 1 5 1 —162. Vgl. daselbst, S. 26 a. E., über Melanchthons Plan, Paraphrasen zum Alten Testament als Gegenstück zu den neutestamentlichen, die Erasmus verfaßt hatte, herauszugeben. Nach Dilthey, S. 1 9 1 , ist Melanchthons Schrift über die Seele „eine Umbildung der aristotelischen Schrift aus theologischem Gesichtspunkt unter Benützung der damaligen Naturerkenntnis." Auf einzelne Anklänge oder Parallelen von Melanchthons Rede De legibus zur Oratio Cantiunculas ist und wird im Verlauf der Darstellung hingewiesen. 18 CR., X I , S. 218—223; oben, Verzeichnis der Declamationes, T e i l l , Kapitel I, Nr. 5. 19 CR., X I , S. 350 — 356; Declamationes-Verzeichnis, Nr. 3. — In den bekannten biographischen sowie in den Werken zur Geschichte der Rechtswissenschaft im 16. Jahrhundert ist Münster oder Münsterer nicht zu finden. E r stammte aus Nürnberg, bekleidete als Nachfolger Johann Apels eine juristische Professur in Wittenberg und starb daselbst an der Pest am 26. Oktober 1539 gleichzeitig mit seiner Frau, die eine Schwester von Melanchthons Gattin und Tochter des Wittenberger Bürgermeisters Hieronymus Crapp (Krapp) war; Joachim Camerarius, De Philippi Melanchthonis ortu, totius vitae curriculo et morte, Lipsiae 1696, S. i86f.: „Gravissimum etiam vulnus inflictum est eo tempore [1539] Philippo, quum se absente . . . mortuus esset una cum coniuge, uxoris Philippi sorore, optimus et clarissimus vir, Sebaldus Munstererus Iurisconsultus . . . " ; daselbst einige biographische Angaben über Münsterer; vgl. auch Georg Theodor Strobel, Melanchthoniana oder Sammlung einiger Nachrichten zur Erleuterung der Geschichte Philipp Melanchthons, Altdorf 1 7 7 1 , S. 46f., 57f.; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 204. Die Leichenrede auf Münster, früher Melanchthon zugeschrieben, stammt wahrscheinlich von Veit Winsheim (Winshemius), CR., X I , S. 457—466; dazu Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica: Eine Ergänzung zu den Werken Melanchthons im Corpus Reformatorum, Leipzig 1892, S. 95; Friedensburg, a. a. O.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

betrachtende Rede De Irnerio et Bartolo. Ihr soll deshalb eine eingehendere Untersuchung gewidmet werden, die sich auch auf Melanchthons Quellen und seine Arbeitsmethode erstrecken wird.

III Die Rede De Irnerio et Bartolo Melanchthon beginnt seinen Diskurs mit dem Hinweis auf 2wei moralische „Exempla" aus der antiken Geschichte, durch welche der Respekt der römischen Kaiser für den Rechtsgedanken und die ihn repräsentierenden Persönlichkeiten dargetan werden soll. Er erzählt zunächst die von Kaiser Alexander Severus überlieferte Nachricht, er habe häufig Verkehr mit Rechtsgelehrten gepflogen und niemals eine Konstitution erlassen, ohne zwanzig Rechtsberater beizuziehen. Während er allen mit großem Wohlwollen begegnete, verband ihn mit Ulpian, der — nach der Vorstellung und in der Ausdrucksweise des 16. Jahrhunderts — sein oberster Kanzler genannt wird, noch größere Freundschaft. Er verehrte ihn wie einen Vater, und der Jurist lenkte durch seinen Rat und seine Autorität nicht allein das Leben am Hofe, sondern auch das Privatleben des Herrschers. Als Ulpian einst wegen eines dem Kaiser erteilten Ratschlags von der Prätorianergarde bedroht wurde, deckte ihn dieser mit seinem eigenen Leibe gegenüber den Angriffen der Soldaten. So gab er allen Fürsten ein Beispiel, wie man die Wissenschaft des Rechts und ihre Vertreter schützen müsse. Aus diesen Beispielen ergibt sich nach Melanchthon, daß ein solcher Schutz im allgemeinen gegen die Ansichten jener notwendig sei, welche das geschriebene und gewisse Recht und seine Lehre, durch die Recht und Freiheit der Einzelnen gewährleistet und die Willkür und Ungerechtigkeit der Mächtigen gezügelt wird, aus dem Staat zu entfernen wünschen. Es lasse sich kaum sagen, was für eine Gewaltherrschaft nach Unterdrückung der Rechtswissenschaft sich an den Höfen breitmachen würde, welche Barbarei in den Tribunalen herrschen und welche Verwirrung das ganze bürgerliche Leben bedrohen würde, was Gott verhüten möge.

4- Irnerius Fresko im Kommunalpalast zu Bologna von L u i g i Serra, 1886

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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Es folgt eine ausführliche Lobpreisung der durch die Gesetze gewährleisteten Ordnving von Staat und Gesellschaft, deren Aufrechterhaltung als besonderes Gnadengeschenk des Himmels aufzufassen und hochzuschätzen sei. An ihr, sowie auch ihrem Nutzen für die Kirche komme dem Stand der Rechtsgelehrten ein bedeutendes Verdienst zu. Aus diesem Grunde, so führt Melanchthon weiter aus, habe er, löblicher Schultradition entsprechend, als Thema für seine Rede eine geschichtliche Betrachtung über Rechtsgelehrte gewählt, welche seit der Zeit des Kaisers Lothar III. [um 1060—n37] in hoher Achtung gestanden haben: Irnerius, der lange Zeit Italien beherrschte, und Bartolus, dessen Rates sich Kaiser Karl IV. ausgiebig bediente. Bevor sich Melanchthon den Juristengestalten zuwendet, mit denen sich seine Rede befassen soll, gibt er einen kurzen historischen Abriß der Schicksale des römischen Rechts in Europa seit dem Untergang des römischen Reiches 20 . Nach der Heimsuchung Italiens durch die Langobarden und Franken seien die Gerichte barbarisiert worden, und die römischen Gesetze verstummten. Trotzdem lebte das römische Recht in Constantinopel unter den griechischen Kaisern fort und wurde daselbst in ähnlicher Weise wie in Italien gepflegt. Als dann Italien zur Zeit der Ottonen befriedet wurde, machte sich wiederum das Verlangen nach dem römischen Recht geltend, Nach und nach begann sein Studium unter dem östlichen Einfluß von neuem zu blühen. Zur Zeit Heinrichs IV. war Italien von Kriegen schwer heimgesucht. Als sich unter Heinrich V. das Bedürfnis nach rechtlicher Führung und Ordnung durchsetzte, ist es der vermutlich in Constantinopel ausgebildete Irnerius gewesen, der unter kaiserlicher Autorität das römische Recht wieder zur Geltung bringen wollte. Während in Deutschland noch Bürgerkrieg herrschte, gelang es ihm trotzdem Kaiser Lothar zu bestimmen, dafür Sorge zu tragen, daß in Rom und Bologna die Lehre des römischen Rechts wieder aufgenommen wurde und die Streitsachen gemäß den römischen Gesetzen zur Entscheidung gebracht werden sollten. Nach vielen Jahren politischer Tätigkeit entschloß sich Irnerius in hohem Alter, zur Rechtslehre und Ausübung der Rechtsberatung zurückzukehren. 20 E r wiederholt dies auch in anderen Reden, so CR., X I , S. 221 (um 1539), X I , 923 (1550), X I I , 23f. (1553)-

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Nach der Überlieferung soll er in Rom und Bologna gelehrt und als erster in Italien die juristischen Texte glossiert haben. Trotz der veränderten Staatsform, trotz des Verlustes der Sprache des Rechts und trotz der Veränderung des Gerichtswesens gelang die Wiederherstellung der Herrschaft des römischen Gesetzesrechts. Nicht allein dies: wie einst Papinian in Rom würdige Schüler zurückgelassen hat, so war es auch Irnerius beschieden, Männer wie Bulgarus, Azo und andere heranzubilden, die sowohl in der Staatsverwaltung wie auch als Rechtslehrer Großes leisteten. So kam die Rechtswissenschaft in Italien wieder zur Geltung und zu erneuter Blüte. Sie feierte Triumphe in der Rechtslehre und Rechtsliteratur, durch Erstattung von Rechtsgutachten und in der Staatsführung. Ihr Einfluß machte sich in Italien, Frankreich und Deutschland wohltätig geltend. „Denn dieses römische Recht", konstatiert Melanchthon, „stellt zweifellos eine gelehrte Philosophie dar". Deshalb hätte es, auch wenn es nicht in den Gerichten wiederangewendet worden wäre, von denen, die sich dem Dienste des Staates widmen wollten, viel mehr studiert und erforscht werden müssen als die Politik des Aristoteles, mit wie großer Weisheit und zu welch großem Nutzen diese auch verfaßt worden sein mag. Wenn man das alte barbarische Recht der ungebildeten Germanenstämme bedenkt, wird einem erst so recht klar, welche Kultur diesen Völkern die Annahme der römischen Gesetze vermittelt hat. Aus dieser Verbesserung des Rechts- und Kulturzustandes wird es deutlich, daß das römische Recht göttlichen Ursprungs ist und in Dankbarkeit als Geschenk des Himmels betrachtet werden müsse. Nach dieser Abschweifung ermahnt sich Melanchthon selbst, zum eigentlichen Thema seiner Rede zurückzukehren, und das ist Bartolus. Obwohl dieser großen Ruhm erlangt habe, weil er mehr an wissenschaftlicher Produktion hervorgebracht habe als irgend jemand vor ihm, so gebühre ihm die größte Bewunderung doch nur wegen seiner Genialität und Wahrheitsliebe. Melanchthon gibt sodann Bartolus' bekannte eigene Beschreibung seines Lebens, seiner Jugend, seines Rechtsstudiums und seiner Lehrer wieder, wie sie in seinem Kommentar zur /. quidam cum fllium ff. de verb. oblig. (D.45.1.132) zu lesen ist. Nach Worten der Bewunderung des schnellen Aufstiegs des Bartolus zu den Höhen der Wissenschaft und ebensolchen für seine

5. Bartolus de Saxoferrato Porträt von unbekanntem Meister, Ende 16. Jahrhundert

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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Dankbarkeit gegen Gott und seine Lehrer illustriert Melanchthon seine juristische Genialität und Gewissenhaftigkeit, indem er den Bericht des Paulus de Castro (gest. 1441) darüber anführt, wie Bartolus' Kommentar zur lex de aetate ff. de minoribus (D.4.4.43) entstanden sei, wie er ihn fünf Jahre lang ständig verbessert und geglättet habe. Von den übrigen literarischen Lobeserhebungen des Bartolus wird nur noch die Äußerung des Kardinals Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus, 1386—1445) angeführt, nach der „Bartolus nach allgemeinem Urteil alle Schriftsteller an Gerechtigkeit und Wahrheit übertreffe" (zu X.2.26). Dem Zeugnis aus diesem Munde sei nicht geringere Glaubwürdigkeit und Beweiskraft beizumessen als Ciceros bekannter Lobeserhebung für Servius Sulpicius: „ . . . neque enim ille magis iuris consultus quam iusticiae fuit" (Philippica, IX, 5,10). Schließlich wird noch — wiederum unter Anführung einer Parallele aus der römischen Kaisergeschichte — der hervorragenden Dienste gedacht, welche Bartolus in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Rat Karl IV. geleistet habe. All dies dient Melanchthon nur dazu, um vor allem die Jugend zur Hochschätzung jener „um das ganze Menschengeschlecht hochverdienten Männer" zu ermahnen und anzueifern. „Da nämlich der Fürst der Hüter der Gesetze und der Gerechtigkeit ist und der Staat des geschriebenen Rechts bedarf, ist es ihm nicht möglich, ohne die Stimme und den Rat eines Rechtsgelehrten sein hohes Amt zu versehen." Jene Rechtsgelehrten sind aber die Repräsentanten des römischen Rechts, und dieses ist es, für welches Melanchthon wie in zahlreichen anderen Reden eine Lanze bricht und seine ganze Autorität als Lehrer und Gelehrter, als Humanist und Theologe kraftvoll einsetzt. Savigny, der Melanchthons Bartolusrede, wie ich sie kurz nennen möchte, wohl nur flüchtig kannte, hat sie als „nicht bedeutend" charakterisiert21. Von seinem Standpunkt aus, nämlich für die 21 Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, I V , 2. Ausg., Heidelberg 1850, S. 9. A m Ende und zum Abschluß seiner berühmten Schrift „ V o m Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" (1814) hat Savigny auf diese und eine andere Rede Melanchthons (Nr. 6 des Verzeichnisses, oben, Teil I, Kap. I) Bezug genommen und je eine Stelle aus beiden wörtlich angeführt. Neudruck bei Jaques Stern, Thibaut und Savigny, Berlin 1914, S. 166.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, betrachtet, hat diese Bewertung sicherlich ihre Richtigkeit. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, was bereits eingangs bemerkt wurde, daß zur Zeit der Ausarbeitung und des öffentlichen Vortrags die wissenschaftliche Leistung hinter dem unmittelbaren akademischen Ziel der Deklamation, einer systematischen und formvollendeten Behandlung des Themas, an Wichtigkeit zurücktrat. Für die Untersuchung von Melanchthons Einstellung zum römischen Recht und seinen mittelalterlichen Interpreten jedoch, ebenso für die Geschichte der Jurisprudenz im Zeitalter des Humanismus im allgemeinen sowie für den Fortgang und die Förderung des Eindringens der römischen Rechtslehre in die deutschen Universitäten im 16. Jahrhundert im besonderen ist der Rede eine größere Bedeutung beizumessen. Diesen Problemen hat sich die Betrachtung nunmehr zuzuwenden. IV Melanchthons Quellen Zwecks Behandlung der hier allein interessierenden inhaltlichen Seite der Rede muß als erste die Frage gestellt werden, welcher Quellen sich Melanchthon bei der Darbietung seiner historischen Schilderung und des rechtsgeschichtlichen Materials bedient hat. Ihre Beantwortung ist schwierig, da die Quellen, auf denen die Darstellung in den Deklamationen beruht, in der Regel nicht, und wenn überhaupt, so keineswegs deutlich angegeben sind. Eine Ausnahme bilden nur öfter begegnende Hinweise auf Stellen aus der Bibel und dem Corpus iuris, vor allem aus den Digesten, die bei der Erwähnung mittelalterlicher Schriftsteller vorkommen. Was Melanchthon über die Herkunft seiner biographischen Angaben über Bartolus berichtet, ist ebenfalls nicht geeignet, mehr Licht zu verbreiten: „Haec de Bartolo breviter ex veris historiis collegimus" 22 . Gerade auf die Aufspürung und 22 CR., X I , S. 356. Dasselbe gilt für Melanchthons Äußerungen Uber Irnerius und dessen Schüler (CR., X I , 353). Zwar ist es richtig, daß Bulgarus einer seiner berühmten Schüler, der quattuor doctores, gewesen ist. Dagegen kann Azo, der um 1230 gestorben ist, kein unmittelbarer Schüler des Irnerius gewesen sein, wie Melanchthon angibt. Die Filiation wird vielmehr durch Johannes Bassianus hergestellt. welcher Schüler des Bulearus und Lehrer Azos eewesen ist.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

I4I

mögliche E n t d e c k u n g dieser V o r l a g e n aber k o m m t es der rechtshistorischen Untersuchung an. F ü r die „Exempla"

betreffend Alexander Severus und Ulpian im

E i n g a n g der Rede wäre man prima Jacte geneigt, auf G r u n d

von

Melanchthons bekannter großer Belesenheit im antiken Schrifttum an eine Quelle aus der klassischen Literatur, etwa an die auch sonst v o n ihm benützten Historiae Romanae v o n D i o Cassius ( L X X X , 2,2) zu denken. D u r c h eine Vergleichung des Wortlauts w i r d diese M ö g lichkeit jedoch ausgeschlossen. D a g e g e n kommen als V o r l a g e n zwei zeitgenössische Chroniken in Frage, an welche — zuverlässiger Uberlieferung

gemäß



Melanchthon

erhebliche

Mühe

und

Arbeit

gewendet hat: zunächst das Chronicon des brandenburgischen H o f astronomen Johannes Carion ( 1 4 9 9 — 1 5 3 7 ) , an dessen Ausgestaltung und E r g ä n z u n g

in der ursprünglichen

deutschen, erstmals

1532

erschienenen Fassung, ebenso w i e an der lateinischen Bearbeitung v o n 1 5 5 8 — 1 5 6 0 Melanchthon ein großer und wichtiger Anteil zukommt23;

sodann die Chronica des dem T ü b i n g e r

Gelehrtenkreis

23 Über das Chronicon Carionis Philippicum, das zuerst deutsch bei Georg Rhaw 1532 in Wittenberg, später in vielen Auflagen in lateinischer Übersetzung und neuer Bearbeitung erschien, handelt ausführlich mit äußerst gründlicher Untersuchung von Melanchthons Anteil und der Quellenfrage Gotthard Münch, Das Chronicon Carionis Philippicum. Ein Beitrag zur Würdigung Melanchthons als Historiker, im Jahrbuch „Sachsen und Anhalt", I, Magdeburg 1925, S. 199 — 283; dazu neuestens Robert Stupperich, Der unbekannte Melanchthon, Stuttgart 1961, S. 75 ff.; S. 78; „Nicht nur in methodischer Hinsicht, auch in sachlicher Beziehung ist Melanchthon der eigentliche Verfasser dieses Werkes"; Peter Fraenkel, Testimonia Patrum: The Function of the Patristic Argument in the Theology of Philip Melanchthon (Travaux d'Humanisme et Renaissance, X L VI), Genf 1961, S. 5 3 ff. Vgl. noch Georg Theodor Strohel, Miscellaneen literarischen Inhalts, V I , Nürnberg 1782, S. 139 — 206: „ V o n Carions Leben und Schriften", besonders S. 159 f f . ; Hartfelder, Melanchthon, S. 3 00 f f . ; ferner Eduard Fueter, Geschichte der neueren Historiographie, 3. Aufl., München 1936, S. 186ff.; Goez, Translatio imperii, S. 259ff. Durch die Forschungen von Münch und Goez sind die älteren Untersuchungen von Emil Menke-Glückert (siehe die folgende Anmerkung) zum großen Teile überholt. Weitere ältere Literatur verzeichnet Leo Stern, Philipp Melanchthon, Humanist, Reformator, Praeceptor Germaniae, Halle i960, S. 74, Anm. 22; jetzt auch derselbe in dem gleich betitelten Jubiläumsband (Berlin 1963), S. 9, Anm. 22; ferner Max Steinmetz, Philipp Melanchthon über Thomas Müntzer und Nikolaus Storch, im gleichen Bande, S. 153 — 155. — Das Britische Museum besitzt eine reichhaltige Sammlung von Ausgaben, über welche der Katalog Auskunft gibt; British Museum, General Catalogue of Printed Books, X X X I I , London 1941, S. 481—483. — Ich benützte die folgenden Drucke:

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

angehörigen Johannes Nauclerus (etwa 1425 [1430]—15 io), welche vermutlich zwischen 1498 und 1504 entstanden ist, deren Primärdruck jedoch erst 1 5 1 6 erschien24. Auch an Nauclerus' Chronica hat MelanChronica durch Magistrum Johan Carion, fleissig zusamen gezogen, meniglich nützlich zu lesen, Wittemberg, M . D . X X X I I [1532]. Gedruckt durch Georgen Rhaw (New York Public Library); Beschreibung in Weimarer Lutherausgabe, Bd. 53, 1920, S. 10; vgl. Bd. 50, 1914, S. 143f. — Chronicon Carionis expositum et auctum multis et veteribus et recentibus historiis . . . ab exordio mundi usque ad Carolum Quintum imperatorem a Philippo Melantone et Casparo Peucero, Wittenberg, J . Crato, 1572 (Bibliothek des Union Theological Seminary, New York). — Korrekturnachtrag: Adalbert Klempt, Die Säkularisierung der universalhistorischen Auffassung, Göttingen i960, S. 17—40. 24 Über Nauclerus' Chronica ausführlich: Erich Joachim, Johannes Nauclerus und seine Chronik, ein Beitrag zur Kenntnis der Historiographie der Humanistenzeit, phil. Diss. Göttingen, Göttingen 1874 (noch immer brauchbar; daselbst, S. 23, Verzeichnis der Druckausgaben); Fueter, a. a. O., S. 185; Johannes Haller, Die Anfänge der Universität Tübingen 1477 —1537, I, Stuttgart 1927, S. 14—19, 251 — 256; II, 1929, S. 3 — 5, 250; Paul Joachimsen, Geschichtsauffassung und Geschichtschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus, Leipzig und Berlin 1910, S. 91 — 104; Münch, a. a. O., S. 242, Anm. 85, S. 244, 246, 248f., 25off.; Goez, a. a. O., S. 249 — 254 und passim. Uber Melanchthons Mitarbeit an der Chronica siehe CR., X , S. 192; Joachim, S. 21 f.; Hartfelder, Melanchthon, S. 294t.; Stupperich, a. a. O., S. 77. Eine solche ist in neuerer Zeit in Frage gestellt worden, worüber Joachimsen, S. 243, Anm. 62, berichtet. Zuletzt hat Emil Menke-Gliickert, Die Geschichtschreibung der Reformation und Gegenreformation, Leipzig 1912, S. 1 5 1 , behauptet, „daß die Chronik von dem Hirschauer Mönch Basellius verbessert worden ist, der sich selbst als Herausgeber nennt". Dieses Argument mit seiner schwachen Begründung ist jedoch ebensowenig wie andere stichhaltig. Baselius (diese Schreibung des Namens erscheint auf dem Titelblatt) ist nur als Verfasser der Fortsetzung der Chronik von 1501 bis 1 5 1 4 daselbst angegeben: „Cum auctario Nicolai Baselii ab anno Domini M.D.I. in annum M . D . X I V . " Auch ist er lediglich in den Kopfleisten zum Auctarium (ed. 1544, S. 993 — 1018) als Autor dieser Ergänzung genannt. (Über Baselius siehe P. S. Allen, Opus Epistolarum Des. Erasmi Roterodami, II, Oxford 1910, S. 202.) Schon Hartfelder, Melanchthon, S. 295, hat aus seiner profunden Melanchthonkenntnis gemeint, „es sei nicht einzusehen, warum Melanchthons Mitwirkung gerade bei diesem großen Werke nicht stattgefunden haben soll". Mir scheinen keine äußeren Gründe dagegen zu sprechen. Dafür aber darf wohl ein innerer Grund angeführt werden: daß das Chronicon Carionis „meist dem Naucler unbedingt folgt", was auch schon Münch (S. 252, Anm. 108) aufgefallen ist. Diese Frage wie die ganze Chronik des Nauclerus bedarf neuerlicher eingehender Untersuchung. — Ich benützte die allein in New Y o r k vorhandene Ausgabe Köln 1544: D. Iohannis Naucleri praepositi Tubingen. Chronica succinctim compraehendentia res memorabiles seculorum omnium ac gentium, ab initio mundi usque ad annum Christi nati MCCCCC. Coloniae ex officina Petri Quentel anno Christi M . D . X L I I I mense Martio (Bibliothek des Union Theological Seminary).

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

143

chthon wesentliche Mitarbeit geleistet, was nicht bestritten werden sollte. Nun erscheint die Ulpiangeschichte in Carions lateinischer Fassung lediglich in einem kurzen, sehr kondensierten Satz, der kaum Ähnlichkeit mit der ausführlicheren Version bei Nauclerus aufweist. Letztere stammt fast wörtlich aus der Historia Augusta (LI, 4) 25 . Keine der erwähnten lateinischen Fassungen in den beiden Chroniken bildet jedoch offenbar Melanchthons unmittelbare Quelle. Er ist mit seiner ausführlicheren, paraphrasierenden und reflektierenden Darstellung vielmehr zweifellos auf Carions Chronica in der deutschen Urgestalt sowie insbesondere direkt auf die Vita des Alexander Severus in der Historia Augusta zurückgegangen26. Daselbst findet sich übereinstimmend das Motiv der besonderen Hochschätzung und vertrauten Freundschaft des Kaisers für Ulpian und für die Wertschätzung der Rechtsgelehrten im allgemeinen, welches für Melanchthon bei seiner Bartolusrede im Vordergrund des Interesses stand27. In der Historia Augusta allein aber ist die Erzählung von der Befragung von zwanzig Rechtsgelehrten durch den Kaiser vor Erlassung einer Konstitution erwähnt28, die sowohl bei Carion in beiden Versionen als auch bei Nauclerus fehlt. Bei letzterem steht fast wörtlich bloß der an die 25

Nauclerus, Chronica, ed. 1544, S. 445 f.: „Ulpianum [Alexander] pro tutore habuit, primum repugnante matte, deinde gratias agente: quem saepe a militum ira purpuram obiciendo summopere defendit atque ideo summus imperator fuit, quod eius consilio praecipue rempublicam administravit." Chronicon Carionis, CR., XII, S. 944: „Familiarissimus ei [Alexandro Severo] ex omnibus iurisconsultis Ulpianus fuit, quem et cum milites in eum impetum facturi essent, texit sua purpura et milites repressit." Historia Augusta, LI, 4, ed. Loeb Classical Library, II, New York 1924, S. 280: „Ulpianum pro tutore habuit [Alexander], primum repugnante matre deinde gratias agente, quem saepe a militum ira obiectu purpurae suae defendit, atque ideo summus imperator fuit quod eius consiliis praecipue rem publicam rexit." 2« Vgl. CR., XI, S. 350 und Historia Augusta, X X V I , 5, 6; X X X I , 2, 3; dazu Chronica durch Magistrum Johan Carion, vleissig zusamen gezogen, meniglich nützlich zu lesen, Wittmberg 1532, fol. P VI, p. r. (im Anhang abgedruckt). 27 Historia Augusta, X V I , 3; X X V I , 5; Carion, Chronica, ed. 1532, a. a. O. 28 Historia Augusta, X V I , 1 : Leges de iure populi et fisci moderatas et infinitas sanxit neque ullam constitutionem sacravit sine viginti iuris peritis et doctissimis ac sapientibus viris iisdemque disertissimis non minus quinquaginta, ut non minus in consilio essent sententiae quam senatus consultum conficerent.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

erwähnte Stelle der Severusbiographie anschließende Satz von der üblichen Heranziehung von Rechtsgelehrten bei Rechts- oder Geschäftsangelegenheiten29. Melanchthons direkter oder indirekter Rückgriff auf die Historia Augusta ist dadurch allein schon erwiesen. Immerhin mag er die Anregung dazu durch Carion unmittelbar oder aus der Kenntnis der Werke Carions oder Nauclers infolge seiner früheren Bearbeitung derselben erhalten haben. Die Darstellung des Versinkens und dann des Wiederauflebens der Pflege des römischen Rechts in Italien durch die Arbeit des Irnerius bis zur letzten Wurzel zu verfolgen, insbesondere den Ursprung der sogenannten „Lotharischen Legende" in ihrer spezifischen Gestalt zu erforschen, wird ohne umfassendere Studien schwerlich, wenn überhaupt, gelingen. Nauclers Chronica kennt sie nicht. Die Version der Bartolusrede über das Versinken und Wiederaufleben des römischen Rechts geht zweifellos auf die deutsche Urgestalt der Chronica Carions von 1532 zurück, wie eine Vergleichung der Texte auf den ersten Blick untrüglich offenbart. Melanchthons eigene Arbeit an derselben hat ihm demnach für die Declamatio über Irnerius und Bartolus als Vorlage gedient. Dazu paßt auch die Tatsache, daß die beiden Interpreten des römischen Rechts in seiner ersten Rede De legibus von Ende 1523 oder Anfang 1524 noch nicht erwähnt sind. Nun aber stimmt die Version der Bartolusrede über weite Strecken wortwörtlich mit dem Text in der letzten lateinischen Fassung des ChroniconCarionisvon 1558—1560 überein. Die Erklärung für diese Übereinstimmung ist einfach und einleuchtend. Melanchthons Schwiegersohn, Kaspar Peucer, welcher die durch den Tod des Schwiegervaters unterbrochene Neubearbeitung der Chronik fortsetzte, hat die Bartolusrede wortgetreu ausgeschrieben und nur stellenweise unbedeutend erweitert30. Es ist bekannt, daß er Melanchthons Deklamationen über mittelalterliche Geschichte ausgiebig 29

Historia Augusta, X V I , 3: Fuit praeterea illi consuetudo, ut si de iure aut de negotiis tractaret, solos doctos et disertos adhiberet. 30 Vgl. CR., XI, S. 352 — 354, und Chronicon Carionis, ed. Köln 1572, S. 258, 437—439. Über Peucers Arbeit an der Vollendung der Chronik nach Melanchthons Tode siehe Münch (oben, Anm. 23), S. 275, dazu S. 259ff.; über Peucer selbst Nikolaus Müller, Philipp Melanchthons letzte Lebenstage, Leipzig 1910, S. 89 ff. — Auch in späteren Reden nimmt Melanchthon auf Irnerius und die Lotharische Legende Bezug; siehe die oben, Anm. 20, angegebenen Stellen.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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herangezogen hat, um das unvollendet gebliebene Werk so melanchthonisch als möglich zu machen. Hier liegt ein eklatantes Beispiel für diese Arbeitstechnik vor. Die Lotharslegende wird von dem besten Kenner der Geschichte der Carionschen Chronik, Gotthard Münch, unter den wenigen Nachrichten besonders hervorgehoben, welche ihr allein zu eigen sind und unzweifelhaft durch Melanchthon eingefügt wurden 3 1 . Die zu Berühmtheit gelangte Nachricht, welche Lothar von Supplinburg entscheidende Bedeutung für die Wiedererweckung und gesetzliche Geltung des römischen Rechts zuschrieb, geht somit auf Melanchthon zurück. Mehr als ein Jahrhundert hat diese Legende in Blüte gestanden, bis sie von dem Helmstedter Professor Hermann Conring kritisch untersucht und widerlegt worden ist 32 . Ihren letzten Ursprung hat auch er nicht ergründet. Vielleicht ist er in einem Bericht der Chronik des Propstes Burchard von Ursberg (um 1 1 7 7 — 1 2 3 1 ) zu suchen. Diese erwähnt bei ähnlichem Wortlaut — ebenso wie Carion in der deutschen Urfassung seiner Chronik — Irnerius' Gönnerin, die Markgräfin Mathilde von Tuszien, ohne allerdings Lothars „Befehls, die römischen Rechtsbücher in den Schulen zu lesen und wiederum darnach in den kaiserlichen Gerichten Recht zu sprechen", zu gedenken 33 . Die Benützung der Ursberger Chronik durch Melanchthon 31 Münch, a. a. O., S. 256. Auch Menke-Glückert (oben, Anm. 24), S. 149, schreibt den Einschub in der deutschen Fassung der Chronik von 1532: „Wenn die römischen Recht widder herfür kommen sind" mit Bestimmtheit Melanchthon zu. — Die ältere Literatur zur Lotharischen „Fabel" verzeichnet Paul Koschaker, Europa und das römische Recht, München 1947, S. I I J , Anm. 1. 32 Hermann Conring, De origine iuris Germanici (Erstausgabe 1643), 2. Aufl., Helmstedt 1649, Kap. X X I : „Quod vulgo asseritur, Iustinianeas leges in scholas Lotharii iussu et auctoritate esse reductas, id non tantum incertum sed et falsum esse." Dazu Erik Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 3. Aufl., Tübingen 1 9 5 1 , S. 23off.; 4. Aufl., S. 2 3 2 f f . ; Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1952, S. 74; Hans Thieme, Statutarrecht und Rezeption, Festschrift Guido Kisch, Stuttgart 1955, S. 79 f f . ; Wolf gang Kunkel, Das Wesen der Rezeption des römischen Rechts, Heidelberger Jahrbücher 1957, S. i f . (Sonderdruck); daselbst (S. 1 —12) eine gute Analyse des Verlaufs des Rezeptionsvorgangs unter kritischer Betrachtung der — seither jedoch stark vermehrten — neueren Literatur. Vgl. Gertrud Schubert-Fikentscher, Ein Beitrag zum Usus Modernus Pandectarum, Eranion für G . S. Maridakis, I, Athen 1963, S. 302. 33 Vgl. Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, X X I I I , S. 342, Z. 29 bis 40: „Huius [Lotarii imperatoris] temporibus magister Gratianus canones et decreta, quae variis libris erant dispersa, in unum opus compilavit adiungensque

146

Melanchthons theokratische Rechts- und So2iallehre

ist für zahlreiche andere Stellen v o n Münch mit Gewißheit nachgewiesen worden. D i e Herkunft der lebensgeschichtlichen Notizen über Irnerius und Bartolus schließlich wird sich ebenfalls kaum mit unbedingter Sicherheit auf die letzte Quelle zurückführen lassen. Bei Nauclerus kommen sie nicht vor. E i n großer Teil der v o n Melanchthon hervorgehobenen Tatsachen stimmt mit der Darstellung im Chronicon Carionis überein, dessen Wortlaut jedoch besonders nach der biographischen

Seite

erweitert und juristisch ausgeschmückt ist, namentlich durch Bezugnahme auf die Persönlichkeiten und Aussprüche der Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts. A u c h hier ist das Nachspüren nach Melanchthons etwaigen Quellen nicht leicht. Unter den biographischen Handbüchern, die zur Zeit der A b fassung der Rede bereits im Druck vorlagen, wird man vor allem an Johannes Trithemius' (Tritheim), des Sponheimer Abtes (1462 bis 1516), De scriptoribus ecclasiasticis Liber unus denken müssen, der auch unter

dem

Titel

Catalogas scriptorum ecclesiasticorum sive illustrium

virorum begegnet und 1 4 9 4 verfaßt wurde. E r ist im selben Jahre erstmals in Mainz erschienen, in Basel bald nachgedruckt worden und enthält biographische Artikel sowohl über Irnerius als auch über Bartolus 3 4 . Liest man diese jedoch nach, so stößt man auf keine

eis interdum auctoritates sanctorum patrum secundum convenientes sententias opus suum satis rationabiliter distinxit. Eisdem quoque temporibus dominus Wernerius libros legum, qui dudum neglecti fuerant nec quisquam in eis studuerat, ad petitionem Mathildae comitissae renovavit et secundum quod olim a divae recordationis imperatore Iustiniano compilati fuerant, paucis forte verbis alicubi interpositis, eos distinxit. In quibus continentur instituta prefati imperatoris, quasi principium et introductio iuris civilis; edicta quoque pretorum et aedilium curulium, quae rationem et firmitatem prestant iuri civili, haec in libro Pandectarum, videlicet in Digestís continentur; additur quoque his liber Codicis, in quo imperatorum statuta describuntur; quartus quoque liber est Autenticorum, quem prefatus Iustinianus ad suppletionem et correctionem legum imperialium superaddidit." — Über die Benützung der Ursberger Chronik durch Melanchthon allgemein Münch, a. a. O., S. 252. 3 4 In der von mir benützten Ausgabe K ö l n 1546, der auf der Rückseite des Titelblattes ein „Dn. Sebastiani Branti Epigramma" vorangeht, steht der Artikel „Bartholus de Saxoferrato" auf S. 258; der über Irnerius, „Wernherus alias Hirnerius", auf S. 175. Über die verschiedenen Ausgaben des Catalogus scriptorum ecclesiasticorum siehe Ph. Franz Horn, Johannes Trithemius, A b t des vormaligen Klosters St. Jacob in Würzburg, Würzburg 1843, S. 45 f.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

147

Ähnlichkeiten oder Anklänge des Wortlauts, aus denen auf Entlehnung seitens Melanchthons geschlossen werden dürfte 3 5 . Eher ließen sich solche Spuren in Thomas Diplovatatius' (1468 bis 1 5 4 1 ) Vita des Bartolus ausfindig machen, welche erstmals 15 21 dem in Venedig erschienenen Primärdruck von Bartolus' Opera omnia vorangeht 36 . Hier ist Bartolus' Selbstdarstellung seiner Studien und das Gedenken an seine Lehrer aus seinem Kommentar zu D.45. 1. 1 3 2 35

Melanchthon (CR., XI, S. 352f.) berichtet ebenso wie Tritheim, daß Irnerius in Rom und Bologna gelehrt habe, gibt aber auch seiner Meinung (,,ut arbitror") Ausdruck, daß Irnerius seine Ausbildung in Constantinopel empfangen habe, wovon Tritheim nichts weiß. Im Cbronicon Carionis, ed. Köln 1572, S. 258, heißt es in Anlehnung an die Bartolusrede: „Lotharius Saxo imperator admonitus ab Irnerio iuris interprete, qui auditor Doctorum in urbe Constantinopoli fuerat, rursus ex bibliothecis proferri libros Pandectarum . . . " . Davon findet sich aber nichts in der Urgestalt der Chronik von 1532. Eine literarische Quelle für Melanchthons Annahme, daß Irnerius seine Ausbildung in Constantinopel empfangen habe, nachzuweisen, ist mir nicht gelungen. Es scheint dies seine eigene Vermutung gewesen zu sein. Savigny (oben, Anm. 21), S. 23f., schreibt: „Daß Irnerius in Constantinopel studiert haben soll, ist erst in sehr neuen Zeiten und ohne allen Beweis behauptet worden." Dazu ergänzt er in Anm. g: „Ich finde es zuerst in [Innocentii] Cironii Observationes iuris canonici [Jenae et Lipsiae 1726], V, 5." Wie ersichtlich, findet sich diese Nachricht bereits in der auch Savigny bekannten Bartolusrede Melanchthons spätestens aus dem Jahre 1537, freilich ebenfalls „ohne allen Beweis". Die erwähnte, von Joh. Sal. Brunquellus besorgte Ausgabe des Cironius war nicht die erste, seine Observationes iuris canonici erschienen bereits 1645 ' n Toulouse. Somit hat Savigny in doppelter Hinsicht geirrt. Auch in der älteren und neueren Literatur über Irnerius wird kein Aufenthalt oder Studium in Constantinopel erwähnt oder beglaubigt: Hermann Fitting, Die Anfänge der Rechtsschule zu Bologna, Berlin und Leipzig 1888, S. 89 —101; Hermann U. Kantororvicz, Über die Entstehung der Digestenvulgata: Ergänzungen zu Mommsen, Weimar 1910, S. 88f., 90—96, 110—116; Hermann Kantorowicz, Studies in the Glossators of the Roman Law, Cambridge 1938, S. 33—65 und passim. — Uber die historische Rolle des Irnerius bei der Rezeption vgl. Walter Goetz, Das Wiederaufleben des römischen Rechtes im 12. Jahrhundert, Archiv für Kulturgeschichte, X , 1912, S. 28 f., 33 — 37, auf Grund der damals verfügbaren Literatur. 36 Über die Ausgaben dieser Biographie siehe Hermann Kantorowiczs lebensgeschichtliche Einleitung zu Hermann Kantororvicz und Fritz Schulz, Thomas Diplovatatius De claris iuris consultis I (Romanistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, 3. Heft), Berlin und Leipzig 1919, S. 106; vgl. neuestens Guido Rossi, La „Bartoli Vita" di Tommaso Diplovataccio secondo il codice Oliveriano 203, in: Bartolo da Sassoferrato: Studi e Documenti per il VI centenario, Bd. II, Milano 1962, S. 441—502; daselbst kritische Ausgabe einer entwurfartigen Version der bekannten gedruckten Fassung der „Bartoli Vita" (eine kritische Ausgabe der letzteren unter Berücksichtigung des Codex Oliverianus wäre — weil weitaus

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

gleich eingangs wiedergegeben 37 ; auch des Paulus de Castro und Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus) Wertschätzung und Lobeserhebung für Bartolus sind erwähnt. Aber gerade die von Melanchthon angeführten Charakteristiken sind daselbst nicht anzutreffen, ebensowenig wie Ciceros Lob für Servius Sulpicius, statt dessen man sein Lob für Lucius Licinius Crassus (De off. II, 13, 47; I, 37, 133) bei Diplovatatius erwähnt findet. Auch ein unmittelbares Zurückgehen Melanchthons auf Bartolus' Kommentar zu dem angegebenen Digestentitel, auf Paulus de Castro und Panormitanus dürfte kaum in Betracht kommen, wie eine Vergleichung der betreffenden Texte ergibt 38 . Wenn man trotzdem die Möglichkeit nicht ausschließen will, daß Melanchthon die Vita Bartoli des Diplovatatius vielleicht eingesehen habe, weil auch er seine Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit als hervorragende Eigenschaften betont, so könnte dies nur in der gleichen Weise geschehen sein, wie er sich auch sonst seiner Vorlagen bedient hat: „Melanchthon hat nie abgeschrieben. Überall zeigt sich seine selbständige Art, den Stoff zu gestalten und zu pointieren" 39 . Das gilt auch hier. Die Benützung einer anderen Zwischenquelle tritt jedoch noch in den Bereich der Möglichkeit, vielleicht darf man sogar sagen der Wahrscheinlichkeit. Sie läßt sich nicht etwa aus Ähnlichkeiten des nützlicher — vorzuziehen gewesen). Ich benützte den der 6. venezianischen A u s gabe von Bartolus' Werken vorangehenden Abdruck im ersten Bande der Bartoli a Saxoferrato Opera omnia, Venedig 1590, S. 8—9. 37 V g l . auch Savigny, V I , S. 1 3 8 f . ; dazu Arnaldo Fortini, Fatre Pietro da Assisi, primo maestro di Bartolo da Sassoferrato, in: „Bartolo da Sassoferrato" (oben, A n m . 36), II, S. 2 5 1 — 2 6 0 . 38 Z . B. Panormitani Tertia in secundum Decretalium, Lugduni 1 5 6 2 , in cap. cum nobis, nu. 2, ver. quid ergo de prescrip. [zu X . 2. 26] N r . 1 1 , fol. 3 3 b : „ . . . sed ego ero pro conclusione contentus recitatione Bartoli, qui omnium iudicio cunctos scribentes in equitate et veritate precessit." Melanchthon, C R . , X I , S. 3 5 5 : „ . . . omnium iudicio Bartolus omnes scribentes in aequitate et veritate antecellit." 39 S o Hartfelder, Melanchthon, S. 2 1 9 . V g l . auch Wilhelm Maurer, Melanchthon-Studien, Gütersloh 1964, S. 1 2 2 , A n m . 100: „ D i e Originalität des Geschichtsdenkens Melanchthons stammt nicht aus der Scholastik, sondern ist ein frei gestaltetes humanistisches E r b e . " Allgemein über Melanchthons Arbeitsweise, historische Methode und Quellenbenützung berichtet auf Grund sorgfältiger Beobachtungen Münch (oben, A n m . 23), S. 2 3 o f f . , 2 5 7 f f . , besonders S. 240, 2 7 5 ; vgl. noch Menke-Glückert, Die Geschichtschreibung der Reformation und Gegenreformation, S. 5 9 ff.

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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Wortlauts in einer handschriftlichen oder gedruckten Vorlage erschließen, wohl aber und mit umso größerer Wahrscheinlichkeit aus ideengeschichtlichen Zusammenhängen erkennen. Dies führt zugleich zu eingehenderer Betrachtung eines bereits früher berührten, aber nur kurz angedeuteten ursächlichen Zusammenhangs in der Motivierung von Melanchthons nachdrucksvollem öffentlichen Eintreten für das römische Recht und seine Interpreten.

V Hieronymus Schürpfs Einfluß und Melanchthons Motive seines Eintretens für die Interpreten des römischen Rechts Merkwürdiger- und erstaunlicherweise ist es der Melanchthonforschung bisher fast ganz entgangen, wer neben Luther vielleicht den größten Einfluß auf den Praeceptor Germaniae in Wittenberg ausgeübt hat. E s war ein Jurist, zu dem der Reformator seit seinem Eintreffen daselbst bis zu dessen Tode engste Beziehungen hatte und für den er größte persönliche Verehrung und Dankbarkeit hegte: der aus St. Gallen stammende Professor des römischen Rechts Hieronymus Schürpf (1481 —15 54) 4 0 . Der Geschichtsschreiber der deutschen

40 Literatur über Schürpf siehe oben, Teill, Kap. III, Anm. 36. Selbst Johannes Ficker in seinem mit tiefem Verstehen des Reformators und Humanisten Melanchthon gezeichneten Charakterbild erwähnt den Einfluß Schürpfs nicht. Johannes Ficker, Die Eigenart des Augsburgischen Bekenntnisses, eine geschichtliche Betrachtung (Hallische Universitätsreden, Heft 47), Halle 1930, S. 9ff., 14L, wo auf die Einflüsse der „sächsischen Gelehrten", des Juristen Kanzlers Brück und anderer hingewiesen und unter den Beratern allein Justus Jonas, „der fachmännische Kenner des Rechts", hervorgehoben ist (vgl. S. 38, zu S. 15, Z. 18). Auch wo über Worms gesprochen wird (S. 17), ist Schürpfs nicht gedacht. Herbert Schöffler (Die Reformation, Bochum 1936), der auf S. 27 — 37 die geistige Lage und treibenden Kräfte in Wittenberg vortrefflich analysiert, erwähnt Hieronymus Schürpf nur ganz oberflächlich als einen in einem halben Dutzend anderer Anhänger Luthers. Bernd Möller, Die deutschen Humanisten und die Anfänge der Reformation, Zeitschrift für Kirchengeschichte, L X X , 1959, S. 46—61, schenkt ihm überhaupt keine Beachtung. — Die oben im Text zitierte Charakteristik Schürpfs stammt von Ernst Landsberg, Artikel „Hieronymus Schurff", Allgemeine Deutsche Biographie, X X X I I I , Leipzig 1891, S. 86.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Rechtswissenschaft charakterisiert ihn wie folgt: „ E r weist in seiner Eigenart, der Besonnenheit, Bestimmtheit, Ehrlichkeit und Uber2eugungstreue seines Wesens die besten Eigenschaften alter Schweizer Patrizierhäuser auf." Mit diesem nun verband Melanchthon, der auch bei ihm Vorlesungen gehört zu haben scheint, ein enges Freundschaftsverhältnis, dessen er an zahlreichen Stellen seiner Schriften und Reden mit Worten höchster Anerkennung und tiefster Verehrung gedenkt 41 . Dies geschieht ja nun nicht gerade in der Bartolusrede. In seiner nur um ein Jahr späteren Deklamation De dignitate legum (aus dem Jahre 1538) wählte Melanchthon nach dem Vorgang Schürpfs als Thema eine Betrachtung darüber, daß für Christen keine Notwendigkeit bestehe, sich der mosaischen Gesetzgebung zu bedienen, daß es ihnen vielmehr gestattet sei, jene Gesetze anzuwenden, welche mit dem Naturrecht übereinstimmen, wenn sie auch von heidnischen Gesetzgebern herrührten42. Es ist bekannt, daß auch Schürpf sich gegen die Ersetzung des römischen durch das mosaische Recht geäußert hat und schon im Anfang der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts entschieden zugunsten des ersteren eingetreten ist 43 . Die Annahme dürfte wohl nicht von der Hand zu weisen sein, daß hier Schürpfs Einfluß zu beobachten ist. Wiederholt fand Melanchthon für seine Themenwahl ein Vorbild bei seinem juristischen Freunde, auf dessen Reden über die auch von ihm behandelten Gegenstände er sogar selbst im Eingang eigener Deklamationen ausdrücklich Bezug nimmt44. Mit Recht hat schon Stintzing darauf aufmerksam gemacht, welch „wesentlicher Anteil" Schürpf daran zukomme, daß „Melanchthon das volle Verständnis von dem Werte positiver Rechtsordnung, namentlich des römischen Rechts [gerade in jener Zeit] aufging" 45 . Auch dürfte seine Stellung zur Frage der Fortgeltung des kanonischen Rechts mit an Schürpfs Haltung orientiert sein46. Mochte der Gegenstand der Untersuchung gleich oder 41

Siehe oben, Teil I, Kapitel III, Anm. 37. CR., XI, S. 3 5 7 £.; oben, Teil I, Kap. III, Anm. 41. 43 Dazu ausführlich oben, Teil II, Kap. IV, Anm. 9. 44 Z. B. CR., XI, 215, 357, 219, 916, 917. 45 Stintzing, I, S. 272. 46 Über den „Kampf um das kanonische Recht" handelt ausführlich Stintzing, I, S. 273—283. Bekanntlich war den Wittenberger Juristen unter Führung Schürpfs die fortdauernde Geltung desselben trotz der Verbrennung des Corpus iuris 42

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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auch nur ähnlich sein, so war aber die Behandlung durch Melanchthon doch grundsät2Üch und wesentlich verschieden. Damit sind wir beim letzten Punkt dieser Betrachtung angelangt. Schürpf, wie bereits erwähnt wurde, ein Schüler des Ulrich Krafft, der seinerseits bei Iason von Mayno gehört hatte, blieb im Gegensatz zu einem anderen bedeutenden Schüler Kraffts, Ulrich Zasius, jener alten Schule treu, die sich von der neuaufgekommenen humanistischen

canonici und aller theologischen Anfechtung nicht zweifelhaft, wenngleich sie jene Satzungen nicht anerkannten, die mit dem Neuen Testament in Widerspruch waren. Vgl. Werner Eiert, Morphologie des Luthertums, II, München 1932, S. 3 5 7 f.; Winfried Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, Wiesbaden 1962, S. 29. Melanchthons Stellung zum kanonischen Recht bedarf einer selbständigen Untersuchung. Was Stintzing (S. 286 t.) dazu bemerkt, beruht auf Haenel (S. 268f.). H. Maier (S. 117) verkennt Melanchthons Haltung durchaus, wenn er sie wie folgt charakterisiert: „Man hat den Eindruck, daß Melanchthon mit den Vertretern des kanonischen Rechts Frieden halten will." R. Schäfers Ausführungen (ZRG., kan. Abt., X X X V I , 1915,8. 178 — 181) sind zu skizzenhaft. Neuestens hat Wilhelm Maurer dem Problem eine tiefgründige, wenngleich durch den Rahmen seines umfassenderen Themas eingeschränkte Studie gewidmet: Reste des kanonischen Rechtes im Frühprotestantismus (ZRG., kan. Abt., L X X X I I , 1965, S. 215ff.). Er vergleicht Melanchthons Haltung mit der des Erasmus: „So ergibt sich für Melanchthon aus der reformatorischen Theologie eine sehr viel kritischere Haltung zum kanonischen Recht, als sie bei Erasmus vorliegt. . . . Melanchthon mißt die altkirchliche Uberlieferung in der Weise am Evangelium, daß er nach der Möglichkeit christlicher Freiheit fragt und alles Recht verwirft, das den Anspruch erhebt, heilsnotwendig zu sein. . . . Daß es aber Reste gibt, an die die künftige Entwicklung anzuknüpfen hat, ist für alle, die sich für die Ordnung der Kirche verantwortlich wissen, unbestreitbar. . . . Melanchthons Sinn geht auf eine Kodifizierung kirchlichen Rechts" (S. 222). Daraus geht hervor, daß Melanchthons Einstellung zur Frage der Fortgeltung des kanonischen Rechts durchaus nicht revolutionär, sondern mehr evolutionistisch gewesen ist. In seinen Reden hat er seine Geltung öffentlich weder angegriffen noch bestritten, ähnlich der Haltung des Erasmus, die von Maurer zutreffend geschildert worden ist (S.200f., 213); vgl. das Kap. IV, Anm. 14, erwähnte zeitgenössische Zeugnis. Dabei ist nicht zu übersehen, daß Melanchthon — anders als Schürpf, auf den auch Maurer als „Legalisten" hinweist (S. 219, vgl. S. 231, Anm. 149) — die Frage mehr vom theologischen als vom juristischen Standpunkt aus beurteilt, wie seine ganze Argumentation zeigt; vgl. etwa Loci, De humanis legibus, PlittKolde, S. 129ff.; MWA., II, 1, S. 56 ff. Treffend bemerkt Georg von Below, Die Ursachen der Reformation, Historische Zeitschrift, CXVI, 1916, S. 457: „Das Corpus iuris canonici hat trotz der Verbrennung durch Luther seine praktische Unentbehrlichkeit nicht ganz eingebüßt"; vgl. dazu auch Liermann, S. 297; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, S. 200 f.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Richtung in der Jurisprudenz nicht überwältigen lassen wollte 4 7 . Deshalb sind seine Reden noch nicht so beladen mit jenen der klassischen Literatur und antiken Geschichte entlehnten Beispielen, welche sich so zahlreich, fast möchte man sagen, allzu häufig wiederkehrend in Melanchthons Deklamationen finden 48 . Obwohl sich nun Schürpf als Jurist gegenüber Luther, zu dessen nächsten Freunden er gehörte, den er auf den Reichstag von Worms begleitete und dem er daselbst wirkungsvoll als Beistand diente, sein selbständiges Urteil bewahrte, so namentlich in der Frage der Fortgeltung des kanonischen Rechts und in der Verurteilung der Digamie der Geistlichen 49 , so stand er doch im Banne der Wittenberger theologischen Atmosphäre, was denn auch in seinen Reden zum Ausdruck kommen mußte. Sie sind reich an theologischen Gedankengängen, Argumenten und biblischen Zitaten, selbst da, w o es ihm darum zu tun war, für den Respekt vor dem weltlichen (römischen) Recht einzutreten und für seine Anerkennung zu werben und zu kämpfen. Hinzu kommt noch, daß mit dem Vordringen und der Weiterentwicklung der Reformation in den lateinischen Reden der Zeit allgemein das rein humanistische Element zugunsten des theologischen zurücktritt 50 . Daß Melan47 Über Ulrich Krafft siehe G.Kisch, Fakultät, S. 81 ff., 283, Anm. i, 357 (Bibliographie); ferner noch H. Tüchle, Artikel U. Krafft, Lexikon für Theologie und Kirche, VI, Freiburg 1961, Sp. 579. 48 Vgl. die früher Melanchthon zugeschriebenen, jedoch von Schürpf verfaßten Reden, die oben, Teil I, Kapitell, am Ende aufgezählt sind: CR., X I , i o n —1016, 1016 — 1020, XII, 12 — 19. — Was Melanchthon über die regelmäßige Verwendung von biblischen und historischen Beispielen und Geschichten von Luther berichtet, gilt ebenso für ihn selbst. Darauf hat Johannes Ficker (Luther als Professor, Hallische Universitätsreden, Heft 34, Halle 1928, S. 45, zu S. 17, Anm. 15) hingewiesen. 49 Muther, S. 206ff., 224t., Anm. 72; Stintzing, I, S. 274t.; Ernst Landsberg, Artikel Hieronymus Schurff, Allgemeine Deutsche Biographie, X X X I I I , Leipzig 1891, S. 89 f.: „Schurff hat am Sitze der Reform selbst die gesamte Schar der Rechtslehrer und -Schüler von der Ansicht der Gültigkeit des kanonischen Rechtsbuches in solchem Maße zu durchdringen gewußt, daß damit für die Zukunft diesem die Anerkennung als bleibende Rechtsquelle endgültig gesichert war, wennschon für vereinzelte Punkte des Eherechts die Concordia neues Recht einführte." Vgl. ferner Schäfer (oben, Anm. 46), S. 203 t.; Hans Liermann, Der unjuristische Luther, Luther-Jahrbuch, X X I V , 1957, S. 76f. 50 Darauf hat zutreffend Hartfelder, Melanchthoniana Paedagogica, S. 96, aufmerksam gemacht. Es gilt besonders für den Kreis der Wittenberger Gelehrten. Vgl. auch H. Mater, S. 129.

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chthons Reden vom selben Geiste erfüllt waren, erscheint bei dem zum Theologen gewordenen Philologen als selbstverständlich. Umso beachtenswerter ist es daher, daß er sich bei seinem öffentlichen Eintreten für die Glossatoren und Kommentatoren nicht nur als Humanist klassischer Vorbilder bedient, sondern auch die juristische, wenngleich nicht selten kanonistische Literatur zum Zeugnis heranzieht. Früher schon ist auf einen zeitgenössischen Beleg dafür hingewiesen worden, daß er sich ebensowenig wie Schürpf je in seinen Reden gegen das von Luther so bekämpfte kanonische Recht gewendet hat 51 . Wiederum drängt sich eine Parallele aus dem Gedankenkreis des Claudius Cantiuncula auf. In seiner stellenweise etwas kryptischen Widmungsvorrede zur Oratio Apologetica in patrocinium Iuris Civilis von 15 22 bereitet der Basler Rechtslehrer seinen Freund Bonifacius Amerbach auf die ihm nun eröffnete Tatsache vor, daß er sich genötigt gefunden habe, unter die Theologen zu gehen, um die von gewissen „Übertheologen" bedrohten Leges zu schützen 52 . In seiner Argumentation zugunsten des römischen Rechts stützt er sich zwar auch wesentlich auf das Neue Testament und die auf diesem beruhende erasmische Philosophie, die „coelestis Christi philosophia", ist aber trotz jener — somit etwas widersprechenden — Behauptung, „me valde theologum esse factum", bei seiner Beweisführung doch voll Jurist geblieben. Schon in seiner Widmungsvorrede betont Cantiuncula — ganz ähnlich wie Schürpf —, daß er nach wie vor am päpstlichen Recht nichts auszusetzen habe und ein treuer Anhänger desselben bleibe53. Selbst die von ihm angeführte Behauptung der Gegner des römischen Rechts, jener „Übertheologen", es sei „profan und weltlich und stünde im Widerspruch zum Evangelium", wird 51

Vgl. oben, Teil I, Kapitel III, bei Anm. 45. „Desines vero mirari, si rescieris, me valde theologum esse factum, sie tarnen, ut a iure civili non defecerim. . . . Fato quodam nuper adactus sum, ut iustis et ordinariis legum civilium adsertoribus operam succisivam quasi succenturiaturus honeste detrectare non possem." 83 „Porro, mi Bonifaci [Amerbach], cave suspiceris, me de Pontificum Romanorum scitis et constitutionibus quiequam significare velle. Hanc ego a me suspitionem proeul amotam volo, qui sanetissimorum Pontificum iustissimos quosque canones omnem honoris commendationem meritos fuisse, ut Semper iudieavi, sie vel hodie maxime pronuncio." Vgl. dazu Kisch, Erasmus, S. 156, Anm. 3. Cantiuncula hat sich freilich der neuen Kirchenlehre nicht angeschlossen. 52

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von ihm weniger mit theologischen als mit ausgesprochen juristischen Argumenten bekämpft und ad absurdum geführt 54 . Melanchthon bedient sich einer ganz analogen Gedankenführung. Zwar preist er eindringlich und mit hohen Lobeserhebungen Irnerius und Bartolus als hervorragende Juristen und kann sich nicht genugtun in der Würdigung ihrer Verdienste um Recht und Rechtsordnung, die er freilich früher — wie Cantiuncula später — nicht anerkannt hatte 55. Aber das für ihn maßgeblichste Kriterium entstammt — seiner Grundeinstellung entsprechend — doch dem theologischen Denkbereich. „Die menschliche Gesellschaft (civilis societas, humana societas, communis societas) ist ein einzigartiges und bewundernswertes Werk und Gnadengeschenk Gottes, dessen Hüter das Gesetz ist", führt Melanchthon aus. „Dieses bewahrt und schützt die Gesellschaft, damit die Gotteserkenntnis weit verbreitet, daß die Kirche in Frieden regiert, die Jugend zur Erkenntnis Christi erzogen werden könne. Zur Erreichung dieser Zwecke schafft das Gesetz Ruhe und Frieden. Dabei ist die Aufgabe eines guten und frommen Rechtsgelehrten keine leichte. Seine Treue muß in der Staatsführung hervorleuchten. Deshalb muß man Gesetze und Gerichte, die Staatsordnung (politicum ordinem), die Lehre und Erhaltung des Rechts gleichsam als außerordentliche Geschenke Gottes lieben und in Ehren halten. Das alles ist bekannt; aber über die Bedeutung dieser Dinge für die Harmonie der Staatsordnung und über ihren Nutzen für die Kirche kann die Jugend nicht genug nachdenken. Wenn sie es tut, wird sie auch der hohen Verdienste der Rechtsgelehrten um das menschliche Leben gewahr werden56." „Eine wahrhaft große und göttliche Angelegenheit ist die Staatsverfassung und Verbesserung der Gesetze. Sie zu ändern, ist nach Pindar leicht, aber wiederum Ordnung und Ruhe 54

Kisch, Humanismus, S. 24H.; Kisch, Fakultät, S. 96ff. Ende 1523 oder Anfang 1524 hatte Melanchthon in seiner Declamatio De legibus ausgeführt: „Sed ogganniunt adversarii, obruta esse omnia et conspurcata sordidis interpretum commentariis. E g o vero Romanis legibus patrocinor, non neotericis interpretibus, quorum, si prodesse voluere, laudandus est conatus"; CR., X I , S. 82; Muther, De legibus oratio, S. 38; H. Maier, S. 116. Vgl. dazu Cantiunculas oben, Anm. 2, wiedergegebene Äußerung über die Kommentatoren des römischen Rechts und seine an die Studenten gerichtete Warnung, sich ihrem Studium zu widmen. 56 CR., X I , S. 3 5 1 . 85

Würdigung der Interpreten des römischen Rechts

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herzustellen, vermag Gott allein. Durch die Verbesserung des Gerichtswesens wird offenbar, daß das römische Recht von Gott eingesetzt ist (Jus Romanum divinitus institutum). Lasset uns dieses daher anerkennen und in Dankbarkeit Gottes Gnadengeschenk schützen 5 7 ." Das bedeutet doch nichts anderes, als daß — humanistischer Anschauung gemäß — auch das heidnische römische Recht von Gott geschaffen und zum Besten der Menschheit eingesetzt ist, daher auch in der christlichen Gemeinschaft und im christlichen Staatswesen Geltung und Schutz beanspruchen kann, zumal Männer wie Irnerius lind Bartolus ihr Leben seiner Erklärung und Lehre gewidmet haben. Es bleibt daher nach Melanchthon nur zu wünschen, daß ähnliche Heroen wie die den Römern einst vom Himmel gesendeten (tamquan coelo missos) der Himmel auch dieser Generation schenken möge („optamus divinitus etiam nostrae aetati tales heroas donari") 58. Dies ist wahrhaftig ein von höchster und ehrlicher Begeisterung eingegebenes Bekenntnis zu den Meistern der wiederbelebten römischen Rechtswissenschaft. Melanchthon plant, die historische Würdigung dieser beiden später noch durch die anderer Rechtsgelehrten zu ergänzen. Die Mahnung an die studierende Jugend, mit der er seine Rede schließt, geht dahin, „vor allem möchten sie lernen, diese heldenhaften gelehrten Männer zu verehren, sodann sich die von ihnen begründete und gepflegte Wissenschaft eifrig zunutze zu machen, schließlich selbst nach eigener Begabung und Kraft ihrem Beispiel nachzueifern". Bereits im Jahre 1494 schrieb Johannes Trithemius, der zuerst im Kloster Sponheim, dann in der Schottenabtei in Würzburg lebte, folgendes über Bartolus: „Bartholus de Saxoferrato, Cini et Iacobi Bothigarii doctorum quondam auditor et discipulus, iureconsultus celeberrimus, cui in ea facultate similem priora secula non habuerunt, 57 CR., XI, S. 354. — Die Pindarstelle findet sich in Pythien, 4, 273 ff. (freundliche Mitteilung von Professor Harald Fuchs). 58 Die Ähnlichkeit der Argumentation mit der des Cantiuncula bei der Verteidigung des römischen Rechts und der „prisci Uli iurisconsulti" gegen jene „Übertheologen", die es als heidnisch bekämpften, springt in die Augen. Auch nach Cantiuncula ist es ein Gnadengeschenk Gottes und er spricht in diesem Zusammenhang von den alten römischen Juristen (freilich nicht von den Glossatoren und Kommentatoren) ebenfalls als gottgesandten Heroen. Letzten Endes geht dieser Gedankengang auf Erasmus zurück. Vgl. Kiscb, Erasmus, S. 142 f. und passim.

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ingenio subtilis et acutus, eloquio comptus et disertus. Edidit quaedam praeclara volumina, maxime in legibus, quae quantae authoritatis hodie sint apud iuristas, nemo vel tenuiter doctus et expertus qui ignorat." 5 9 Daß es trotz dieses glänzenden Zeugnisses für Ansehen und Geltung des Bartolus in Deutschland noch im Jahre 1 5 3 7 in Wittenberg wie 1526 in Basel notwendig erschien, in akademischen Reden für Anerkennung und Verteidigung des nach Quantität und Qualität imponierenden, vielleicht nur noch von seinem Schüler Baldus erreichten Werkes des großen Kommentators des römischen Rechts zu werben, ist nur aus der Geschichte zu erklären. Der eingangs berührte Kampf zwischen mos ttaticus und mos galltcus liefert den Schlüssel. Daß ein Theologe vom Range Melanchthons eingriff, um den Glossatoren und Kommentatoren zur Seite zu treten, legt Zeugnis davon ab, was das römische Recht auch für den Bereich der neuen Kirchenlehre und ihrer Aufgaben bedeutete 60 . Wäre dem nicht so, hätte Melanchthon — wie Luther in späteren Jahren 6 1 , wohl unter 59 Johannes Trithemius, De scriptoribus ecclesiasticis Liber unus, Köln 1546, S. 258. Ähnlich Trithemius über Irnerius daselbst, S. 175: „Wernherus alias Hirnerius . .. Docuit autem in utroque [iure] tarn Romae quam Bononiae multo tempore, ubi discipulos et plures habuit et egregios, qui sua eruditione famam et gloriam magistri dilatarunt. Extant eius glossulae et monimenta praeclara in legibus, quae apud professores huius industriae notissima sunt." Über die Bedeutung von Trithemius* Werk in der Reformationszeit vgl. Peter Fraenkel, Testimonia Patrum, Genf 1961, S. 25 6 f. — Über Eindringen, Verbreitung und Fortleben der Lehren des Bartolus in Deutschland eingehend Helmut Coing, Bartolus und der Usus modernus Pandectarum in Deutschland, in: Bartolo da Sassoferrato: Studi e documenti per il VI centenario, I, Milano 1961, S. 23—45. Daselbst ist Tritheims Zeugnis jedoch nicht erwähnt. 60 Vgl. z. B. CR., XI, 632ff.: „ . . . donec erit Ecclesia, coetus erunt legibus iuncti. Hos si regerent indocti, sine certo iure, sine literis et eruditione, quales tenebrae essent vitae ? . . . Mihi aspicienti legum libros et cogitanti pericula Germaniae saepe totum corpus cohorrescit, cum reputo, quanta incommoda sequutura sint, si Germania propter bella amitteret hanc eruditam doctrinam iuris et hoc curiae ornamentum. Crescent tyrannides, erunt omnes literae in maiore contemptu, ecclesiae magis negligentur, denique multiplex barbaries sequetur. . . . Non igitur deterreamur periculis . . . nec professionem studii nostri deseramus ipsi, praesertim cum labor multorum nostri ordinis in consiliis publicis etiam Ecclesiae Dei serviat, quam cum Deus servaturus sit, servabit et politicas artes Ecclesiae servientes." 81 „Demnach, weil unser Regiment in deutschen Landen nach dem römischen kaiserlichen Recht sich richten muß und soll, welchs auch unsers Regiments

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dem Einfluß seines engsten Mitarbeiters — sich damit begnügen können, allgemein die inneren Vorzüge des römischen Rechts anzuerkennen, und die Mühe sparen können, sich mit seinen umstrittenen mittelalterlichen Interpreten so eingehend zu beschäftigen. Melanchthon betrachtet die Fragen über Geltung, Anwendung sowie über Lehre und Wissenschaft des römischen Rechts nicht so sehr vom akademischen Standpunkt des Professors nach Art der Cantiuncula, Sichardus und Amerbach als vom praktischen Standpunkt der Herrschaft und Pflege des römischen als in Deutschland geltenden Rechts. Anhang Chronica durch Magistrum Johan Carion, vleissig zusamen gezogen, meniglich nützlich zu lesen Gedruckt zu Wittemberg durch Georgen Rhaw. M . D . X X X I I . Fol. a V p. r. — a V I p. r.

Die vierde Monarchi Wenn die Römischen Recht widder herfur komen sind Lotharius wird sehr gelobet nicht allein von wegen seiner krieg, dadurch er Deudschland vnd Italien zu frieden bracht hat, sondern auch das er Religion vnd recht sehr lieb gehabt hat. Zu seiner zeit Weisheit und Vernunft ist, von Gott gegeben, so folget, daß solch Regiment nicht kann erhalten werden, sondern muß zugrund gehen, wo man solche Recht nicht erhält"; Luther, Eine Predigt, daß man Kinder zur Schulen halten solle, 1530, WA., 30, 2, 557, I4ff.; Abdruck auch bei Hermann Wolfgang Beyer, Luther und das Recht, München 1935, S. 1 1 . In den folgenden Jahren hat sich Luther zu noch höherem Lob aufgeschwungen; Jobannes Heckel, Z R G . (K), L X X I I I , 1956, S. 498; Johannes Heckel, Lex charitatis, S. 86f.; Hans Liermann, Der unjuristische Luther, Luther-Jahrbuch, X X I V , 1957, S. 78 f. (Auslegung des 101. Psalms, 1534—1535, WA., 51, 242f.). Für die Juristen aber, die mittelalterlichen Interpreten des römischen Rechts nicht ausgenommen, hat der Reformator jedoch nicht selten wegwerfende Bemerkungen, z. B. in der Tischrede nach Aurifabers Sammlung, 1532, WA., Ti. 1, Nr. 134, S. 57: „Und wenn sie [die Juristen] unrechte Urteile fällen und der Teufel sie plaget im Gewissen, so könnten sie ihm nicht widerstehen, wenn sie gleich Bartolum, Baldum und alle Skribenten für sich hätten . . . " ; Beyer, a. a. O., S. 57. Vgl. Stintzing, I, S. 272f.: „Die Geltung des römischen Rechts, dem auch Luther wiederholt seine Anerkennung aussprach, war somit der Anfechtung durch die Reformatoren entrückt. Aber nur die innere Vortrefflichkeit ist für sie der Grund seiner Geltung und Einführung."

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ist ein gelart man genant Wernherus, den Accursius offt nennet Irnerium, im Reich inn Italia gewesen bey der Fürstin Mechtildis, der hat die Römische rechtbücher inn Bibliotheken gefunden vnd widder an das liecht bracht. Die hat Lotharius befohlen inn Schulen zu lesen vnd widderumb darnach zu sprechen inn Keisarlichen gerichten. Also ist dieser edel schätz widder herfur komen, daraus viel guts gefolget, nemlich das man widderumb ein vernünfftig recht inn gantzem Europa hat. Denn es richten sich doch alle land vnd recht nach diesem Römischen recht, dieweil man befindet, das es der erbarkeit so gantz gemes ist, so ist auch sonst viel guts daraus komen, denn man findet keine besser lahr von guten sitten denn diese. Item, es hat die recht latinisch sprach mit sich widder herfur bracht vnd sind bald die Studia Juris angefangen vnd nacheinander viel grosser Jurisconsulti worden, die das recht erkleret vnd widder inn brauch gebracht haben, vnd wundert mich sehr, das man dennoch solchen verstand hat erlangen mögen, so doch die sprach, Historien, dazu alle alte Römischen sitten gantz gefallen waren. Derhalben zu achten, das die ersten Jurisconsulti nicht allein vleissige leute gewesen vnd sehr studirt haben, sondern auch das es hohe, weise vnd geübte leut inn Regimenten gewesen sind. Denn one solche vbung were nicht möglich gewest, das Römisch recht zu verstehen vnd sind darumb die selbigen Doctores nicht geringer zu achten denn die alten Jurisconsulti Seruius, Vlpianus etc. Azo, der berümptist vnter den ersten scribenten, hat gelebet zur zeit dieses Lotharii. Nach dem ist komen Accursius, der hat erreicht die zeit Friderici secundi. Vnter Henrico Lucelbergensi sind sehr viel vnd grosse Doctores gewesen als nemlich Bartolus. Gratianus, der die Decret hat zusamen getragen, hat auch zur zeit Lotharii gelebet. Es sind aber solche Bücher zuuor auch gewesen. Denn ein Bischoff von Worms hat ein solch Buch zusamen bracht, das etwa wol bekant gewesen ist, das hab ich gesehen. Nachdem nu die studia Juris also gemein worden sind, vnd alle gelarten darauff gefallen sind, wie man pfleget, so etwas newes auffkömet, vnd die Mönch gesehen haben, das die heilige schrifft dabey nicht geachtet warde, haben sie dagegen ein Studium Theologie angefangen vnd den Juristen ihre disputationes nach thun wollen. Daher ist Theologia scolastica komen, wie ich bald hernach sagen wil.

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Anno Christi 225 Fol. P V I p. r.

Alexander Seuerus, der 22. Keisar, des mutter hies Mammea, regirt i j . j a r . Man schreibet, er sey Bassiani son gewesen vnd ist jung Keisar worden, erwelet durchs Kriegsuolck vnd bestetiget durch den Rad, wird sehr gelobet, sein furnemster Radt ist gewesen Vlpianus Jurisconsultus. Er hat auch kein man allein für sich komen lassen on diesen einigen Vlpianum, welchen die Krieger also sehr gehasset haben, derhalben das der Keisar sie durch dieses mannes Radt im zaum hielt, das sie ihn auff ein zeit haben erstechen wollen. Da ist der Keisar für ihn gesprungen vnd hat sein leib für Vlpianum gewaget vnd ihn mit seinem mantel bedeckt, damit die Krieger sehen solten, das ihn Alexander schützen wölt. Dis ist ein recht schön Keisarlich Exempel, darinne furgebildet ist, das die hohen Fürsten leib vnd leben, das recht zu schützen, wogen sollen.

Justinianus der LII. Keisar . . . Fol. S VII p. v.

Nach dem Justinianus friden allenthalben gemacht, hat er auch die alten Römischen Recht zusamen in ein Ordnung bracht. Die selbigen Bücher sind bald nach Justiniano durch der Longobarden vnd Francken recht vnterdrückt worden vnd doch nach viel hundert jarn durch Keisar Lotharium den Saxen widder erfur bracht, dauon ich inn Lothario sagen wil. Wie hoch aber diese Vorsichtigkeit an eim Keisar zu loben ist, das man ein solch ehrlich vnd vernunfftig recht habe, wie denn alle verstendige wissen, das inn der weit kein ander jhe geschrieben ist, das der erbarkeit naher ist denn das Römisch, wird hie zu lang zu erzelen.

SIEBENTES K A P I T E L

Förderung der Pandektenausgabe Gregor Haloanders „ K ^ a u m je wieder hat sich die Subventionierung eines wissenschaftlichen Unternehmens so prompt und sichtbarlich gelohnt." Mit diesen treffenden Worten kennzeichnete der Reformations- und insbesondere Melanchthonforscher Otto Clemen den Erfolg der Förderungsaktion des Nürnberger Rates vom Jahre 1528 zugunsten eines damals noch unbekannten jungen Gelehrten, dessen gewagtes Unternehmen, die kritische Ausgabe der Justinianischen Rechtsbücher, vor allem der Digesten, zu seiner Zeit Aufsehen erregte und bis auf den heutigen T a g in der Wissenschaftsgeschichte unvergessen als „eine philologische Leistung ersten Ranges, vergleichbar dem griechischen Neuen Testament des Erasmus" gewertet wird E s ist Gregor Meitzer, mit gräzisiertem Namen Gregorius Haloander (um 1 5 0 1 ? bis 1 5 3 1 ) genannt 2 . Z u dem endgültigen Beschluß des Rates, Halo1 So Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1952, S. 81. Das erste Zitat ist von Otto Clemen, Der Lebensausgang Gregor Haloanders, Festschrift Armin Tille zum 60. Geburtstag, Weimar 1930, S. 181. 2 Über ihn und sein Lebenswerk am ausführlichsten und besten Stintzing, I, S. 180 — 203; H- E- Dirksen, Zur Würdigung der Verdienste des Gregor. Haloander um die Textes-Kritik der Justinianischen Rechtsquellen, in Dirksens Hinterlassene Schriften, II, Leipzig 1871, S. 506 —545, 551; Eduard Flechsig, Gregor Haloander, Zwickau 1872. Bibliographie bei Stintzing, I, S. 180, Anm. 1 (die ältere Literatur bei Dirksen, S. 508, Anm. 3); seither noch Clemen, a. a. O., S. 179 — 189; W. Beneszewicz, Melanchthoniana, Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Abt., Jahrg. 1934, Heft 7, München 1934, S. 15, 25ff., 47 — 54, 6off. — Auf Grund der Angabe von Flechsig, S. 3, ist 1501 bisher allgemein als Haloanders Geburtsjahr angenommen worden. Neuestens im Zwickauer Stadtarchiv von dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Curt Vogel durchgeführte genealogische Nachforschungen haben zur Entdeckung eines Eintrags im Stadtbuch 1503—07, fol. 253b, geführt, aus dem auf 1489 (oder kurz vorher) als Vermählungsjahr der Eltern Haloanders geschlossen werden darf. Nach diesem Datum in Verbindung mit anderen urkundlichen Angaben dürfte man wohl als sein wahrscheinliches Geburtsjahr etwa 1490 oder etwas später annehmen; dies im Gegensatz zu Vogel, der es im Hinblick auf eine

Förderung der Pandektenausgabe Gregor Haloanders

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ander für drei Jahre zu subventionieren und dem in Aussicht genommenen Drucker Johannes Petreius Vorschüsse zu gewähren, hat Melanchthon maßgeblich beigetragen. Haloander, der mit Hilfe eines Stipendiums seiner Vaterstadt Zwickau (Sachsen) in Italien das Material für seine Neuausgabe der Rechtsbücher Justinians gesammelt hatte, kehrte vermutlich Ende 1 5 2 7 oder anfangs 1528 nach Deutschland zurück. E r wandte sich an den Rat von Nürnberg um Unterstützung zwecks Ausführung seines Planes. Mit einer Empfehlung des Polizianschülers Johannes Baptista Egnatius ausgestattet, stellte er sich dem gelehrten und einflußreichen Nürnberger Ratsherrn Wilibald Pirckheimer ( 1 4 7 0 — 1 5 3 0 ) vor, der in sein Material Einsicht nahm. Der Rat setzte eine K o m mission zur Prüfung des Projektes ein, welcher zwei Ratsherren und vier Juristen angehörten. Der im Nürnberger Staatsarchiv erhaltene „Ratschlag" derselben lautete sehr günstig, regte jedoch an: „Rathen darumb, das meine herren zuvorderst herrn Wilbaldt Birckhamer solche bücher auch lassen besichtigen, wollten dann meine herren den Philippum Melanchthon verständigen, das solche bücher bey ihren handen weren, vnd sein gutbeduncken, wie die an das liecht zu geben weren, vernehmen, mögen sie auch thun." 3

andere Urkunde auf 1508/09 ansetzt, was aus verschiedenen Gründen unmöglich ist. Ich gedenke, diese an anderem Orte darzulegen. Dem Ansatz auf etwa 1490 steht jedoch ein Bedenken entgegen: die Immatrikulation in Leipzig im Sommer 1521, die dann Haloander erst im Alter von etwa 30 Jahren getätigt haben müßte, was freilich nicht unmöglich wäre. Man wird daher bis zum exakten Beweis eines anderen Geburtsdatums am Jahre 1501 wohl festhalten müssen. — Die Einsicht von Vogels handschriftlicher Ahnentafel Haloanders nebst Unterlagen verdanke ich dem Entgegenkommen von Herrn Professor Hans Liermann in Erlangen. 3 Der Wortlaut des Berichtes der Kommission vom 29. Januar 1528 nebst dem des undatierten Gutachtens von Pirckheimer ist erhalten im Staatsarchiv Nürnberg (Ratschlagbuch Nr. 6, fol. 292 — 294), dessen Direktor, Herrn Dr. Fritz Schnelbögl, ich Photokopien verdanke. Beide Urkunden sind fehlerhaft, mit willkürlichen Änderungen und ebensolcher sinnstörender Interpunktion gedruckt in der sehr seltenen Broschüre von Johann Friedrich Heinrich Panzer, Wilibald Pirckheimers Verdienste um die Herausgabe der Pandecten Gregor Haloanders, Nürnberg 1805, S. 15 — 22. Ich beabsichtige, beide Dokumente an anderem Orte diplomatisch getreu zu veröffentlichen. Vgl. noch Christian Gottlieh Haubold, Opuscula academica, I, Leipzig 1825, S. 711—714.

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

Während sich Pirckheimers interessantes Gutachten erhalten hat, blieben alle Nachforschungen nach der gutachtlichen Äußerung Melanchthons ergebnislos. Der Umstand, daß sie in den Nürnberger „Ratsverlässen", den chronologischen Protokollen über die Ratsbeschlüsse, nicht erscheint, legt die Vermutung nahe, daß sie dem Nürnberger Rat nicht unmittelbar unterbreitet wurde. Deshalb fehlt sie auch im Ratschlagbuch der Nürnberger Ratskonsulenten, welches das Gutachten Pirckheimers enthält4. Schon die Tatsache allein, daß Melanchthon in dieser vom juristisch-wissenschaftlichen und -praktischen Gesichtspunkt aus wichtigen, vom finanziellen für den Rat bedeutsamen Angelegenheit um sein Gutachten offiziell angegangen wurde, zeigt deutlich, wie bekannt bereits in jener Zeit seine juristischen Interessen gewesen sind und wie hoch seine Rechtskenntnisse eingeschätzt wurden. So bedauerlich auch der Verlust von Melanchthons Gutachten ist, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es günstig gelautet hat. Dies wird durch eine ausführliche briefliche Äußerung an den Abt des Aegidienklosters zu Nürnberg, Friedrich Pistorius, bei dem Haloander Wohnung und Unterhalt angewiesen worden war, vollauf bestätigt. Melanchthon schrieb ihm nämlich am 26. Juli 1528 5 : „Oh, daß es mir doch vergönnt wäre, nach Nürnberg einen Abstecher machen zu können, gerade jetzt, da der höchst gelehrte Haloander dein Gast ist. Nichts wäre mir lieber, als mir seine Gelehrsamkeit und sein Talent zunutze zu machen. Ich habe die von ihm bearbeiteten und emendierten Rechtsbücher gesehen, in denen er den Gelehrten 4 Mitteilung und Ansicht des Nürnberger Staatsarchivdirektors Dr. Fritz Schnelbögl, der sich dankenswerterweise der Mühe unterzog, die Ratsverlässe von Ostern 1528 bis Ostern 1 5 3 1 durchzugehen. Über die Nürnberger „Ratschläge" und Ratschlagbücher Friedrich W. Ellinger, Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg vom i j . bis 17. Jahrhundert, in Genealogica, Heraldica, Juridica, Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1954, S. iöof. 5 CR., I, S. 994t., Nr. 545. Clemen (oben, Anm. 1), S. 180, Anm. 5, korrigierte das Datum ohne Angabe von Gründen in 1529, vermutlich im Hinblick auf das Erscheinen der Pandektenausgabe im Frühjahr 1529. E r zog dabei jedoch nicht in Betracht, daß Melanchthon Haloanders Manuskript bereits 1528 kurz nach Erstattung des Kommissionsberichtes (29. Januar 1528) vorgelegen haben dürfte. Siehe dazu auch weiter unten, Anm. 10. Vgl. Climen, Melanchthons Briefwechsel (Supplementa Melanchthoniana, 6. Abt., Bd. I), Leipzig 1926, 8 . 4 3 1 , Nr. 680, woselbst Clemen noch den 26. Juli 1528 als Datum angibt.

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einen glänzenden Beweis seiner Gelehrsamkeit und Genialität bietet. Denn es gehört eine ganz ungewöhnliche Gelehrsamkeit dazu, so zahlreiche wunde Stellen in einem so gewaltigen Körper zu heilen. Habe ich doch beobachten können, eine wie ungeheure Zahl [verderbter] Stellen [von ihm] aufs glücklichste wiederhergestellt worden ist, nachdem diese Werke bisher so vernachlässigt waren. E s ist stets meine Meinung gewesen, daß diejenigen Völker zuerst jene alte Unkultur abgelegt haben, welche diese [die römischen] Gesetze aufgenommen haben, die wahrlich alle Menschlichkeit und Gelehrsamkeit enthalten. Deshalb galt ihnen stets meine besondere Liebe. Umsomehr freue ich mich, daß sie nunmehr in gereinigter Form sozusagen wiedererstehen. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß sie vorher nur in schlimm verunstalteter Form verfügbar waren. Es ist zweifellos kein geringes Verdienst Haloanders, sich der Emendation jener Schriften angenommen zu haben, in welchen das ganze System, nach dem ein Staat regiert werden muß, enthalten ist. Ein Teil an diesem Ruhme gebührt eurer Stadt, die auf ihre Kosten diese Ausgabe unterstützt 6 ." Diese Äußerung Melanchthons kann sehr wohl an die Stelle seines leider nicht erhaltenen Gutachtens treten. Zunächst geht aus ihr 6 CR., I, S. 994f., Nr. 5 4 5 : , , . . . Utinam vero mihi ipsi liceret istuc expatiari hoc tempore, cum hospitio tuo vir doctissimus Haloander utitur. Nihil enim malim, quam illius doctrina ingenioque frui. Vidi iurisconsultorum libros ab eo recognitos atque emendatos, in quibus praeclarum specimen doctrinae atque ingenii sui studiosis ostendit. Neque enim vulgaris cuiusdam doctrinae est tot vulnera in tali corpore sanare. Nam animadverti, tantum degustatis adhuc libris plurimos locos felicissime restitutos esse. E g o semper ita iudicavi, has nationes primum exuisse illam veterem barbariem Scythicae similem, tunc cum hae leges importatae sunt, quae profecto omnem humanitatis doctrinam continent. Quare magnopere eas amavi Semper. Hoc magis gaudeo nunc eas repurgatas tanquam renasci. Neque enim negari potest, foede conspurcatas et contaminatas antea exstitisse. Nec leviter mereri de repub. iudicandus est Haloander suscepta emendatione talium scriptorum, quae continent omnem regendae reipub. rationem. Pars huius laudis etiam quaedam urbi vestrae debebitur, quae suo sumptu hanc editionem adiuvat." — Der Text wurde korrigiert nach dem Druck in Ph. Melanchthonis Epistolarum Liber, Lugduni Batavorum 1647, S. 313 £., woselbst im Datum jedoch die Jahreszahl fehlt. Der Ausdruck Melanchthons „tot vulnera in tali corpore sanare" erinnert an den folgenden Passus in Haloanders Vorrede zur Pandektenausgabe, fol. a III b: „Sed magis mihi . . . adlubuit, qui putabat, tum demum certae corporis parti recte medicinam accomodari posse, si totum prius corpus bene constitutum fuisset."

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deutlich hervor, daß er Haloanders Materialien selbst in der Hand gehabt hat, sie geprüft und sich selbständig seine Meinung über ihren Wert gebildet hat 7 . Ohne eigene Kenntnis der Pandekten wäre er dazu natürlich niemals imstande gewesen. Daß sein Urteil so glänzend ausfiel, spricht nicht nur für die Qualität von Haloanders Leistung in der Sicht der damaligen Gelehrten 8 , sondern bezeugt auch Melan7 In einem undatierten Brief an seinen Freund Joachim Camerarius in Nürnberg, der in der ersten Hälfte 1528 geschrieben sein muß, hatte Melanchthon anfangs auch Bedenken angedeutet: „Ducebar quibusdam coniecturis, in quibus haec quoque fuit, videri hominem novas res moliri, nec in sola librorum emendatione, quae valde sit laudanda, adquiescere, sed ex suo ingenio inaudita quaedam foro obtrudere velie, qui tarnen ipse nunquam forum attigisset"; Melanchthon, Epistolae ad Ioach. Camerarium, Lipsiae 1569, S. 104; CR., I, S. 997, Nr. 548. Der Text nach haec quoque fuit ist griechisch, jedoch wie oben von Haubold (oben, Anm. 3), S. 713, lateinisch ohne Quellenangabe wiedergegeben. In der Leipziger Briefausgabe von 1569, S. 777, lautet die Ubersetzung wie folgt: „Quod fertur vulgo nova moliri et non modo correctionem librorum (hoc enim laudo) policeri, sed mirabilia etiam quaedam artis suae, cum nondum aspexerit iudicum consessus." 8 Zeitgenössische Urteile bedeutender Juristen sind zusammengestellt bei Dirksen (oben, Anm. 2), II, S. 540ff. : Ulrich Zasius, Franciscus Duarenus (beide günstig); Antonius Augustinus, Jacobus Cuiacius (beide ungünstig). Hinzu kommen noch, daselbst nicht erwähnt: Claudius Cantiuncula in seinem Gutachten über das Nürnberger Stadtrecht (1546): ,,... quem textum Haloander reddidit elegantissime"; Z R G . (G), X V , 1894, S. 145. — Bonifacius Amerbach an Justin Gobier (1532): „Nam Haloandrum virum doctum et de studiis nostris bene, si diutius vixisset, promeriturum ad exemplar Bononiense, quod antea cum Pisano Politianus in gratiam Bolognini contulerat, editionem suam diligenter recognovisse non ignoras" ; Alfred Hartmann, Die Amerbachkorrespondenz, IV, Basel 195 3, S. 162, Z. 45 ; daselbst, S. 120, Z. 4 (15 32) : , , . . .ita nonparum Haloandri mortem, qua de scribis, dolui; daselbst, III, S. 372, Z. 91 ff. an Cantiuncula (1528); daselbst, IV, S. 28, Z. 20 ff. an Claudius Janandus (15 31): „In studiis communibus imprimis libros Pandectarum, dein Codicis Iustiniani Norenbergae feliciter admodum excusos non puto ignoras . . . " . Amerbachs in drei Bänden gebundenes, mit seinen Glossen versehenes Exemplar der haloandrischen Pandektenausgabe befindet sich noch in der Basler UB. (Sign. M c VII 1 — 3). Er hatte das Werk laut seinem Vermerk bereits 1529 erworben. — fohannes Oldendorp (1488 — 1567), De iure et aequitate forensis disputatio, Köln 1541, fol. A 5: „Quis proinde non admiretur Gregorii Haloandri sudores, qui divino quodam Consilio libros Romani iuris sane corruptissimos pristino nitori restituit, nulla prorsus valetudinis habita ratione? Sic enim erga patriam et bonas literas optimus ille vir erat adfectus"; G.Kisch, Erasmus, S. 233, Anm. 8. — Viglius van Aytta van Zwichem (1507 bis 1577) an Amerbach (1532): „Haloandrum defunctum merita praedicatione prosequeris et, nisi me mea fallit opinio, quotidie incrementum illius gloria accipiet, quo plures scilicet erunt, qui se ad saniora discendi iuris Consilia paulatim resipiscentes applicabunt" ; Hartmann, IV, S. 142. — Über die historische Bedeutung von Haloanders Arbeiten siehe Stintzing, I, S. 199 f.

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chthons Quellenkenntnis und sein Interesse an der Sache wie an der Person. Die Vermutung ist aufgestellt worden, daß Haloander in Wittenberg Melanchthons Schüler gewesen sein mag und daß darauf zurückgehende persönliche Bekanntschaft, ja Freundschaft die beiden verbunden habe 9 . Quellenmäßig sind diese Annahmen nicht zu erweisen. E s bedarf auch weder solcher Hypothesen, noch etwa dieser Tatsachen. E s genügt, was den vorliegenden Dokumenten mit Ausschluß jeder Zweifelsmöglichkeit zu entnehmen ist. Melanchthon hat auf Grund seiner Prüfung der ihm wie Pirckheimer vorgelegten Manuskripte 10 Haloanders Bestrebungen und Leistungen als nützlich, wertvoll und wichtig erkannt, sie daher beim Rate kräftig unterstützt. Dadurch erhielt Pirckheimers Eintreten eine bedeutsame Stützung. Was auf diese Weise für die Belebung der Wissenschaft des römischen Rechts und die Anerkennung der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Quellenkritik erreicht worden ist, liegt 9 Vgl. Dirksen, S. 518; Beneszervicz, S. 27; siehe auch die folgende Anmerkung. 10 Brief Melanchthons an den Nürnberger Ratsherrn Hieronymus Baumgartner vom 25. Juli 1528, CR., I, S. 994, Nr. 544, mit korrekterem Wortlaut, dem ich folge, in Ph. Melanchthonis Epistolarum Liber, Lugduni Batavorum 1647, S. 62: „Senatui urbis vestrae pro missis voluminibus Iurisconsultorum quaeso te, ut meis verbis reverenter agas gratias. Rem praeclaram et utilem Reipublicae facit urbs vestra, quod sumptu suo vindicat ab interitu talia monumenta." Dieser Brief, der einen Tag vor dem oben (Anm. 6) wiedergegebenen an Pistorius mit den Lobeserhebungen Haloanders geschrieben ist, bezeugt ebenfalls, daß ihm des Letzteren Manuskripte vorgelegen haben. Nur dies ist dem Schreiben zu entnehmen, nicht aber, wie Dirksen (II, S. 541, Anm. 140) annimmt, daß „auch dem Ph. Melanchthon das Geschenk eines solchen Exemplars [der Pandektenausgabe Haloanders] zuteil geworden ist". Im Juli 1528 war ein solches Geschenk nicht möglich, da der Druck der Pandekten erst im Frühjahr 1529 beendigt wurde und die Ausgabe als Erscheinungsdatum ausdrücklich den 1. April (Cal. April.) 1529 angibt. Auch ist es unwahrscheinlich, daß sich Melanchthon für ein solches Geschenk, dessen Preis der Verleger mit 10 Gulden angab, nicht in einem selbständigen formellen Schreiben bedankt haben sollte. Man vergleiche zum Beispiel den überschwenglichen Dankbrief des Ulrich Zasius vom 29. März 1530 an Wilibald Pirckheimer, der ihn mit einem Exemplar von Haloanders Pandektenausgabe beschenkt hatte; Udalrici Zasii Epistolae ad viros aetatis suae doctissimos, Ulmae 1774, S. 349t., Nr. CCXXV. Einen solchen sandte auch der Zwickauer Rat an Haloander, von dem er ein Prachtexemplar seiner Ausgabe geschenkweise erhalten hatte. Das Konzept dieses Dankschreibens befindet sich im Zwickauer Stadtbuch 1530—31, fol. i4Öf. (Stadtarchiv Zwickau), blieb jedoch Flechsig (oben, Anm. 2) unbekannt, welcher die Bände a.a.O., S. 21 f., beschrieben hat.

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klar zutage. Der wichtige Anteil aber, der Melanchthon an der Förderung Haloanders und der Verwirklichung seines hochbedeutsamen Unternehmens zukommt, welcher sich bisher der historischen Forschung entzogen hat 1 1 , verdient herausgestellt und hervorgehoben zu werden. Ist diese Erkenntnis einmal durchgedrungen, dann erscheinen auch die anderen in Korrespondenzen erhaltenen Äußerungen Melanchthons über Haloander, ihm gesandte Grüße und der Ausdruck des Schmerzes über sein allzu frühes Ableben in anderem Lichte und nicht bloß als Kundgebungen der bekannten humanistischen Ubertreibungen im Spenden von Lob und Erweis konventioneller Freundlichkeit. Von solchen Äußerungen seien noch folgende erwähnt. Am 15. Juli 1528 bittet Melanchthon seinen Freund Joachim Camerarius in Nürnberg, Haloander in seinem Namen den Ausdruck seiner größten Hochachtung und freundschaftlichen Zuneigung zu übermitteln 12 . Ein anderes Mal bittet er den Abt des Aegidienklosters, Haloander angelegentlichst zu grüßen 13 . Als sich das Gerücht von Haloanders plötzlichem Tode zu verbreiten begann, berichtete der in Wittenberg Jura studierende Gregor Mulich aus Zwickau in einem Brief an den Stadtschreiber seiner Heimatstadt, Stephan Roth, Melanchthon sei tief betrübt über diesen Verlust, ebenso wie er selbst als Jugendfreund des Dahingeschiedenen14. 11 Selbst Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II, Braunschweig 1864, S. 3 6 f . , A n m . 7 1 , der einen guten Überblick über den damaligen Stand der Haloanderforschung bietet, erwähnt wohl Pirckheimer, jedoch mit keinem Worte Melanchthon als Förderer der Nürnberger Pandektenausgabe. 12 C R . , I, S. 988, N r . 5 4 1 : „ N u n q u a m vacavit ad Haloandrum scribere, et sane prohibeor pudore. Quaeso igitur, nisi tibi aliter videtur, ut ei significes meis verbis, plurimi eum a me fieri meque amicitiae eius cupidissimum esse." Die letzten Worte dieser Äußerung können sowohl auf bestehende Freundschaft als — was wahrscheinlicher ist — auf eine solche gedeutet werden, die v o n Melanchthon erst auf Grund persönlichen Bekanntwerdens angestrebt wird. 13 C R . , II, S. 43, N r . 683 (5. Mai 1 5 3 0 ) : „ D . Gregorium Haloandrum meis verbis reverenter salutate." 14 Georg Buchwald, Z u r Wittenberger Stadt- und Universitätsgeschichte in der Reformationszeit, Leipzig 1 8 9 3 , S. 97, N r . 1 0 9 : „ I d q u e [die Nachricht v o m T o d e Haloanders] cum multis aliis eciam D . Philippo, tum praecipue mihi ingens meroris vulnus incussit, et quod iam ab ineunte aetate Semper mihi summa familiaritas cum homine intercesserit"; vgl. Clemen (oben, A n m . 1), S. 1 8 2 ; daselbst Näheres über Mulich (Milletus).

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Im Rückblick ist die Frage zu beantworten, welche Bedeutung Melanchthons Förderung Haloanders und seines Werkes — von seinem großen juristischen Zeitgenossen Franciscus Duarenus wurde dieser „iuris Romani vere instaurator" genannt — zukommt. Sie ist nicht etwa bloß als Äußerung eines für die „Wiederbelebung des klassischen Altertums" begeisterten Humanisten zu betrachten, auch nicht lediglich als akademische Hilfeleistung eines wissenschaftlicher Förderung aufgeschlossenen Professors zu werten. Vielmehr handelt es sich hier um ein bewußtes und verständnisvolles Eintreten für das römische Recht vom Gesichtspunkt seiner wissenschaftlichen Pflege aus, wodurch letztlich auch seiner praktischen Anwendung, die Melanchthon sonst in erster Linie im Auge hatte, gedient werden sollte, also noch ein Weg, auf dem der Reformator im Interesse der Rezeption des römischen Rechts in bedeutsamer, wenngleich nur indirekter Weise wirksam werden konnte 15 .

1 5 Auch in anderen Rechtswissenschaft und Rechtslehre betreffenden Angelegenheiten wurde Melanchthons gutachtliche Äußerung erbeten und geschätzt. Bekanntlich war er als Reformator der Universität Tübingen in Aussicht genommen, ein Plan, der sich jedoch nicht verwirklichen ließ. Doch wurde sein Rat wiederholt in Sachen der Juristenfakultät in Anspruch genommen. So hat er im Oktober 1536 dem Senat die Anregung gegeben, neben Sichardus einen zweiten Juristen ersten Ranges zu berufen, jedoch einen solchen, der praktisch gebildet sei („versatum in foro"; „nisi . . . iurisconsultum habebitis celeberrimum, parum esse spei potest"). Näheres bei Gustav Mandry, Johannes Sichardt, eine akademische Rede, in: Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde, Jahrg. 1872, II. Teil, Stuttgart 1874, S. 26, 42, Anm. 27; 49, Anm. 45.

ACHTES KAPITEL

Melanchthons Epieikeia-Aequitaslehre I

Melanchthons Epieikeialehre S e i n e Auffassung und Lehre von der Epieikeia (Aequitas) im Bereiche des weltlichen Rechts hat Melanchthon systematisch entwickelt und in verschiedenen Schriften, auch in mehreren Reden ausführlich dargelegt. Diese gründliche Erörterung war veranlaßt durch die berühmte Stelle in Aristoteles' Nikomachischer Ethik, V. Buch, Kapitel 10 (14), i r j y a - b , die über den philosophisch und juristisch äußerst schwierigen Gegenstand handelt, ohne daß die schon beinahe zweitausend Jahre währende Diskussion bis dahin und bis auf den heutigen Tag zu Ruhe gekommen wäre. Des Stagiriten große Errungenschaft liegt bekanntlich in der Erkenntnis, daß die Epieikeia nicht etwas vom ötxaiov Verschiedenes ist, sondern ihre eigene Art dadurch empfängt, daß ihr dem Gesetz gegenüber eine korrektive Funktion zufällt. Aristoteles hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern, namentlich Plato, die beiden Aspekte des Wesens der Epieikeia deutlich erkannt und in seinen Werken herausgestellt: einmal den funktionalen Aspekt, Rechtsdynamik gegen Rechtsstatik zur Verbesserung, Ergänzung oder Anpassung des Gesetzes, wo eine Lücke oder ein Mangel in seiner notwendig allgemeinen Formulierung vorliegt; sodann den materialen Aspekt, den Inbegriff von „Billigkeit", Angemessenheit, Vernünftigkeit, Menschlichkeit und ähnlicher Qualitäten 1

Darüber und über die einschlägige Literatur eingehend Guido Kiscb, Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit (Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Bd. 56), Basel i960, S. 22ff. Dieses Werk, welches die Dogmengeschichte der EpieikeiaAequitas von Aristoteles bis zu den Juristen der Humanistenzeit darstellt, ist

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Bei Melanchthon ist die sedes materiae in seinem Kompendium der Ethik, auch dessen zweiter Bearbeitung und zwar in dem Kapitel „Quid interest inter summum ius et eiueixeiav " des zweiten Buches, sowie im Kommentar zum fünften Buch der Nikomachischen Ethik, im Kapitel „De discrimine summt iuris et aequitatis" zu finden, ferner in den Prolegomena in Officia Ciceronis, Kapitel „Discrimen severae iustitiae et EjuEWEiag"2- Ähnlich wie bei seiner Darstellung von Wesen und Charakter des Rechtes und Staates bildet auch hier der aristotelische Gedankengang für Melanchthon sozusagen nur die Folie für die Darlegung seiner eigenen Ideen, was er sogar ausdrücklich hervorhebt3. „Die Bedeutung der Nikomachischen Ethik für das System Melanchthons liegt darin, daß sie ihm Baugrund und Baugerüst für die eigene Ideenentwicklung auf sittlichem Gebiete ward, daß sie ihm die Scheidung philologischer und theologischer Ethik durchzuführen erleichterte"4. Daß und wie weit sich Melanchthon von Aristoteles entfernte, die von diesem gebrauchten technischen Ausdrücke und seine grundlegenden Gedanken verstand oder mißverstand, deutete, um- oder mißdeutete, seine Worte und Sätze schließlich mit eigenem Geistesgut ausfüllte, all das soll die nachfolgende Untersuchung zeigen. Sie hat mit der Wiedergabe von Melanchthons Gedankenführung zu beginnen, die sich äußerlich als Kommentierung des Aristoteles darbietet. Daß Melanchthon einen griechischen Text als für das Verständnis des vorliegenden Kapitels unentbehrlich und wird daher vom Leser ständig heranzuziehen sein. Ausdrückliche Hinweise erfolgen nur, um die Wichtigkeit der Lehren einzelner Autoren wie zum Beispiel des Thomas von Aquino oder Johannes Gerson für den Gang der Untersuchung jeweils hervorzuheben. 2 Siehe oben, Teil I, Kapitel I, unter II. 3 Melanchthon in der Dedikationsvorrede zu Philosophiae moralis Epitome an Christian Pontanus (Brück) von 1 5 3 7 (Wittenberg), CR., III, S. 3 6 1 : „Cum igitur Aristotelis Ethica enarrarem, addidi hunc Commentarium, in quo non solum sententiam Aristotelis, sed methodum etiam sequor; verum ita, ut quasdam addiderim disputationes nostris temporibus magis aptas, quas quidem collegi, et quod moribus prodesse eas arbitrabar, et quod formant iudicia de multis communibus negotiis et praeparant studiosos ad ius civile et ad eam partem doctrinae theologiae, quae continet praecepta de civilibus officiis." 4

So Peter Petersen, Geschichte der aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland, Leipzig 1 9 2 1 , Neudruck Stuttgart 1964, S. 90. Inwieweit dies für den hier zu untersuchenden rechtsphilosophischen Bereich zutrifft, werden die weiteren Darlegungen erkennen lassen.

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Vorlage benützt hat, ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, da er sich griechischer termini technici bedient. Ob er auch einen Kommentar herangezogen hat, muß dahingestellt bleiben. Es ist unwahrscheinlich. Eine Möglichkeit sehe ich nur für die etwaige Benützung der Summa Theologiae des Thomas von Aquino. Die von Luther so häufig und gern gebrauchte Parömie „Das strengest recht ist das aller grossest unrecht" („summum ius summa iniuria") kommt in dieser oder einer ähnlichen Formulierung meines Wissens bei Melanchthon nicht vor 5. Und doch beginnt er seine Erörterungen mit der Erläuterung des in jener Zeit für solche Diskussionen üblichen typischen Ausdruckes summum ius.

II Epieikeia als Milderung des Gesetzes Melanchthon nimmt seinen Ausgang von einer negativen Begriffsbestimmung 6 . „Summum ius non est calumniosa interpretatio iuris." Summum ius ist keine böswillige, sophistische, rechtsverdreherische Auslegung des Rechts. Eines seiner Beispiele ist die Tat des römischen Legaten, der Antiochus III. im Friedensvertrag die Belassung der Hälfte seiner Schiffe zugesichert hatte, diese jedoch entzweispalten ließ, um ihn der ganzen Flotte zu berauben 7 . Das sei betrügerische Rechtsverdrehung, nicht summum ius. Solches liege vor, wenn strenge Gesetze ohne jede Milderung beibehalten und befolgt werden, obwohl gewisse Umstände eine Milderung zulassen; so wenn ein Richter über einen jugendlichen Dieb die Todesstrafe verhängt, der etwa aus Not und ohne bösen Willen die Tat begangen hat. Obwohl der Unterschied zwischen calumma und summum ius deutlich ist, ist es oft schwer, die Trennungslinie zu ziehen, wenn Umstände eine milde Beurteilung erheischen. Hier greift die ejueixeia ein. Sie ist nach Melanchthon „moderatio legis in aliqua circumstantia, praesertim in casu, de quo non principaliter lex loquitur", das heißt, eine Milderung des Gesetzes wegen gewisser Umstände, vornehmlich in Fällen, von denen das Gesetz 8 6

7

Über Luthers Gebrauch der Parömie Kisch, S. 3. Die folgende Wiedergabe beruht auf C R . , X V I , S. 73—78. Livius, Rerum Romanarum ab urbe condita libri, 38, 38—39.

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nicht hauptsächlich (principaliter) spricht. Als Beispiel dient wieder der Notdiebstahl eines Jugendlichen. Die Entscheidung über die Milderung der für den Dieb angedrohten Todesstrafe durch den Strang steht dem Urteil des einsichtsvollen Richters zu. Solche Milderung auf Grund von eitieixeia bedeutet weder Billigung von Delikten noch Aufhebung von Gesetzen, sondern lediglich Milderung der Strafe in besonderen Fällen, „von denen das Gesetz nicht hauptsächlich spricht; denn kein Gesetz kann alle Einzelfälle und Begleitumstände einschließen. Daher kann man sagen, ejusweia sei Interpretation der Gesetze. Solche Milderung entbehrt auch nicht einer Vernunftgrundlage, vielmehr folgt sie einem höheren Gesetz. Wenn nämlich verschiedene Gesetze miteinander konkurrieren, die zu gleicher Zeit nicht befolgt werden können, so ist dem höheren der Vorzug zu geben. Beispiel: wenn jemand in körperlicher Gesundheit einem anderen ein Schwert zur Aufbewahrung gibt, inzwischen jedoch wahnsinnig geworden es zurückfordert, so befiehlt zwar das niedere Gesetz die Rückgabe, das höhere jedoch verbietet, dem Wahnsinnigen durch Rückgabe Schaden zuzufügen nach dem Grundsatz, man darf niemandem Schaden zufügen; also ist die Rückgabe des Schwertes verboten. Auch ist die ejueixeia keine leichtfertige Milderung der Gesetze oder Lockerung der Disziplin. Vielmehr ist sie durch bestimmte Vernunftgründe zu regeln, wie es gemeinhin heißt: Dispensaito non sit dissipatio. Dispens sei nicht Vernichtung. Denn gegen das Naturrecht und gegen das ius divinum dürfen Erleichterungen nicht gewährt werden": „contra iura naturae et contra ius divinum non sunt concedendae laxationes". „Da aber die Mannigfaltigkeit der Fälle und Geschäfte derart groß ist, daß es unmöglich sein dürfte, über alle auf dieselbe Weise Anordnungen zu treffen, ist es bisweilen der besonderen Umstände halber notwendig, entweder eine Verschärfung oder Milderung [der Gesetze] eintreten zu lassen. Daher muß diese Lehre von der ¿itieixeia sorgfältig erwogen werden, woran Menander erinnert, indem er sagt: ,die Gesetze sind vortrefflich, aber wenn man sie allzu scharfer Erwägung unterzieht, gelangt man zur Rechtsverdrehung/ " 8 „Man muß immer nach dem hauptsächlichen 8 Menander, Fragmenta, 545, Alfred Koerte, Menandri quae supersunt, Leipzig 1 9 5 3 , S . 180: „xaXöv oi v6|xoi acpöSp' etaiv 6 8' ÖQCOV roiig v6[j.oug Xiav dxgißws, aujtotpdvtris cpaiveTai."

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Sinne des Gesetzes fragen, um der Verschiedenheit der Umstände Rechnung tragen zu können [D. 48.9.1]." „Daher mahnt auch die Heilige Schrift zur Mäßigung, wenn gesagt wird [Eccles. 7,17]: ,Ne sis nimis iustus' und [Prov. 30,33]: ,Qui nimium emungit, elicit sanguinem.'"

III Kritik der Epieikeialehre Melanchthons Ohne auf die zahlreichen Beispiele eingehen zu müssen, die Melanchthon außer den erwähnten beibringt, kann in die Kritik seiner Epieikeialehre eingetreten werden. Auf einzelne wird noch zurückzukommen sein. Unberücksichtigt kann ferner die eingangs gegebene negative Definition bleiben. Hingewiesen sei lediglich darauf, daß durch sie Melanchthon vom Begriffe des summum ius die böswillige Interpretation ausschließen will, für seine Auslegung also von allem Anfang an die besondere Bedeutung der Interpretation im Vordergrunde steht. Aristoteles geht bekanntlich von der Tatsache aus, daß notwendigermaßen jedes Gesetz allgemein sein müsse, und daß es nicht möglich sei, über mancherlei richtig allgemein zu sprechen. Das Gesetz kann daher nur die Mehrheit der Fälle bedenken. Ereignet sich ein in die allgemeine Fassung nicht einbegriffener Fall, so ist es richtig, das Versäumte zu verbessern, wie es auch der Gesetzgeber selbst tun würde. Die Natur des eiueixeg ist also die Verbesserung des Gesetzes, wo es wegen seiner allgemeinen Fassung mangelhaft ist. Anders denkt Melanchthon. Für ihn ist EJtiEixeg nicht die „directio legis, ubi deficit propter universale", wie es Kardinal Caietanus in seinem Thomaskommentar prägnant ausgedrückt hat 9 , sondern „eine Milderung des Gesetzes wegen eines besonderen Umstandes, vornehmlich in einem Falle, über den das Gesetz nicht hauptsächlich spricht". Ihm ist das summum ius nicht das wegen seiner Allgemeinheit unzulängliche Gesetz, sondern das zwar nicht bösartige, jedoch wegen besonderer Umstände milderungsbedürftige Gesetz, da der Gesetzgeber

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Kisch, S. 206, Anm. 18.

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doch nicht alle „mildernden" Umstände aufzählen kann. Melanchthon hat somit nicht etwa bloß die vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen oder voraussehbaren Fälle im Auge, sondern alle beliebigen, die in welcher Weise immer vo ndenen abweichen, welche das Gesetz „principaliter" behandelt oder bedenkt. Mit anderen Worten, Melanchthon bezieht den Ausdruck sjuaxeia lediglich auf den materialen Sinngehalt, eine Art vernunftbegründeter Nachgiebigkeit oder Milderung des Gesetzes, so, wie der Ausdruck vor Aristoteles allein gedeutet wurde, während der funktionale Aspekt, Rechtsdynamik gegenüber Rechtsstatik, bei ihm kaum in Betracht kommt. Milde Gesetzesinterpretation, nicht Verbesserung, Ergänzung, Anpassung des Gesetzes, wo eine Lücke oder ein Mangel wegen seiner notwendig allgemeinen Formulierung vorliegt, steht bei Melanchthon im Vordergrund. Daher nennt er die ¿jiieixeia geradezu „legum interpres". Diese durch Milde geleitete und ihr verpflichtete Interpretation ist nach seiner Lehre aber nicht etwas vom öbtaiov dem Wesen nach nicht Verschiedenes, weshalb sie einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Eine solche erblickt Melanchthon in dem Grundsatz, daß ein niederes Gesetz einem höheren Gesetze zu weichen hat, diesem der Vorrang vor jenem gebührt. Möglicherweise schwebte Melanchthon bei dieser Erläuterung die Lehre des Johannes Duns Scotus (1270 bis 1308) von der Rangordnung der Werte und Gewaltbereiche und der sich aus ihnen ergebenden sittlichen Werturteile vor 1 0 . Auf solche Weise erklärt er das Musterbeispiel des Problems der Rückgabe eines deponierten Schwertes an den seither dem Wahnsinn verfallenen Deponenten 11 . Das niedere Gesetz gebietet Rückgabe des Deposi10 Vgl, Günther Stratenwerth, Die Naturrechtslehre des Johannes Duns Scotus, Göttingen 1951, S. 68ff., 77 II.-, Josef Schröteler, Das Elternrecht in der katholischtheologischen Auseinandersetzung, München 1936, S. 202ff. — Auf einer anderen Ebene liegt es, wenn später der spanische Philosoph und Theologe Franz Suarez (1548 — 1617) die aristotelische Epieikeia als emendatio und correctio legis „auf Grund höheren Rechtes" erklärt: „Quae [epieikeia] ita legibus oboedit, ut in casu necessitatis contra verba legis operetur. Quod Semper facit, ut alteri legi vel positivae vel certe naturali et divinae oboediat"; Joachim Giers, Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suirez, Freiburg 1958, S. 190 und Anm. 157. 11 Das Beispiel, das wohl zuerst bei Plato (Republik, I, 331 C, ca. 4 1 1 v. Chr. Geb.; vgl. Cicero, De officiis, 3, 95; auch D. 16.3.31) begegnet, bietet der philosophischen, theologischen wie der juristischen Analyse außerordentlich schwierige Probleme. Dazu Arnold Ehrhardt, Parakatatheke, Z R G . (R), L X X V , 1958.

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tums, das höhere verbietet, den Wahnsinnigen in Gefahr zu bringen. Dem letzteren Gesetz gebührt der Vorrang: denn gegen das Naturrecht und gegen das ius divinum dürfen keine Lockerungen gewährt werden. Damit ist ein theologisches Element in die Erörterung eingeführt. Es wird auch durch biblische Beispiele erläutert: die Krankenheilung Christi und der Kampf der Makkabäer (i. Macc. 2.41), beidemal unter Hintansetzung des Sabbatgebotes. Den Juden waren gemeine Arbeiten am Sabbat verboten, um sie an der Gottesverehrung nicht zu hindern. Das war die hauptsächliche Intention des Sabbatgesetzes. Um jedoch von den Worten des Gesetzes nicht abzuweichen, fügen die Juden diesem eine strengere, sophistische Erklärung hinzu. Sie entstellen den Sinn des Gesetzes durch falsche Auslegung und allzu große Strenge, wie sie auch heute noch am Sabbat keine Speisen kochen und müßig in ihren Häusern sitzen. „Aber die Pflichten aus dem Moralgesetz gehen notwendigerweise denen aus dem Zeremonialgesetz vor, wenn nicht beide gleichzeitig erfüllt werden können." In allen Fällen handelt es sich um Gesetzesinterpretation in Melanchthonschem, nicht um Epieikeia im aristotelischen Sinn. Daß letztere überhaupt nicht in Frage kommen kann, erhellt deutlich, wenn man Melanchthons Gedankengang folgt. Nach seiner Lehre ist in Wahrheit ius naturale ius divinum. Da letzteres aber vollkommen und unabänderlich ist, kann es weder Unvollkommenheiten noch Lücken aufweisen, ist daher der eitieixeia im aristotelischen Sinn weder bedürftig noch zugänglich. Diese muß somit im System Melanchthons ausfallen. Für sie ist kein Raum. Das ganze gedankliche Bild wird beherrscht von der Vorstellung der Superiorität des Moralgesetzes. Diese zu konstatieren und zur Geltung zu bringen, genügt die interpretatio legum, welche somit bei Melanchthon zu Unrecht den Namen ejueixeia trägt.

S. 86f.; Johann Haring, Die Lehre von der Epikie, eine rechtswissenschaftlichmoraltheologische Studie, Theologisch-praktische Quartalschrift, LII, Linz 1899, S. 584, 806f.; Michael Müller, Der hl. Albertus Magnus und die Lehre von der Epikie, „Divus Thomas", Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie, III. Serie, 12. Bd., 1934, S. 1 7 1 , Anm. 1, 177. Z u Thomas von Aquino, Summa Theologiae, Secunda Secundae, Qu. 120, a. 1, vgl. Kisch, S. 206.

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IV Aequitas und ius scriptum Hatte Melanchthon in der hier analysierten Betrachtung über den Unterschied zwischen summum ius und ejuEixeia sich in vermeintlichem sachlichem Anschluß an Aristoteles ausschließlich des Terminus EJtiEWEia bedient, so taucht in dem auf jenes folgenden Kapitel seiner Philosophiae moralis Epitome der Ausdruck aequitas auf. Nach Aussage der Titelüberschrift handelt es sich um das Problem: „Estne iudicandum iuxta scriptum ius an secundum aequitatem12 Wiederum in loser Anlehnung an Aristoteles — diesmal ist es ein Satz der Politik (III, x6, 1287a) — wendet sich Melanchthon einem Lieblingsthema, der von ihm öfter behandelten Frage zu, ob im Staat der Wille des Herrschers oder das geschriebene Gesetz regieren solle. Er zitiert den berühmten Satz des Philosophen: „Qui legem iubet praeesse, Deo et legibus imperium tribuit; qui autem hominem iubet praeesse, praeficit beluam. Nam cupiditas et iracundia depravant etiam optimos viros. Lex autem mens est sine cupiditatibus." Darin liegt, so führt Melanchthon aus, die Antwort auf eine erste Frage, nämlich ob es zweckmäßiger und befriedigender sei, in öffentlichen Angelegenheiten sich des geschriebenen, sicheren Rechts zu bedienen oder den Magistraten zu gestatten, gemäß der naturalis aequitas, einer ausgedachten „Billigkeit" ohne ein geschriebenes Gesetz die Urteile zu fällen. Indem er die letztere Alternative ablehnt und zwar mit Berufung auf das von Gott dem Staate der Juden gegebene schriftliche Gesetz und die Erfahrung der Griechen und Römer, derzufolge ohne aufgezeichnetes Recht kein Frieden bestehen könne, wendet er sich einer zweiten Frage zu: „Soll dort, wo geschriebenes Recht existiert, der Richter eher nach diesem oder nach der aequitas Recht sprechen, das ist, nach seinem privaten Vernunfturteil unter Außerachtlassung des aufgezeichneten Rechtes?" Melanchthon weiß, daß es reichlich Kontroversen über rigor (severitas) und aequitas gibt. Seine Antwort auf die Streitfrage will die „klare, einfache und wahre Regel" angeben: „Sed trado simplicem, planam et veram regulam." Sie lautet: „In der Regel ist nach dem geschriebenen Recht zu urteilen, 12

CR., X V I , S. 7 8 - 8 1 .

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vornehmlich in jenen Fällen, von denen das Gesetz hauptsächlich handelt. Denn wie dem [von Gott eingesetzten] Magistraten, so gebührt dem geschriebenen Gesetz Gehorsam. Man darf daher von diesem nicht abweichen. Der Ausspruch des Richters besitzt Autorität nicht als private Äußerung seiner Gedanken, sondern als Stimme des Gesetzes. Daher hat der Richter dem Gesetz zu folgen, nicht privaten Meinungen. Auch kann die Aequitas mit dem geschriebenen Recht nicht in Widerspruch stehen, denn in jenen Fällen, von denen das Gesetz hauptsächlich redet, hat der Gesetzgeber nach reiflichster Überlegung das, was er bestimmte, als aequissimum erachtet. Treffend sagt daher die Kodexstelle [C. 3.1.8, Constitutio Placuit des Kaisers Konstantin vom Jahre 314]: „Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatisque scriptae quam stricti iuris rationem." So formuliert Melanchthon abweichend vom Wortlaut im Codex Iustinianus13. „Dieser Wortlaut", führt Melanchthon aus, „verbietet Abweichung vom geschriebenen Recht und mahnt an die Tatsache, daß letzteres selbst die aequitas ist. Jedoch ist hier einzuwenden: Aristoteles nennt ja aequitas die ungeschriebene Milderung des Gesetzes: ,Aristoteles vocat aequitatem mitigationem legis non scriptam.'" Melanchthon ersetzt hier die aristotelische etnendatio durch mitigatio und fährt fort: „Darauf ist zu antworten: Aristoteles nennt allgemein aequitas die Milderung des Gesetzes, sei sie schriftlich niedergelegt oder nicht. Da nun wie in Athen, so auch in allen Staaten die meisten Milderungen in den Gesetzestexten selbst, ebenso in den Kommentaren zu diesen schriftlich aufgezeichnet wurden, liegt es auf der Hand, daß diese scriptae mitigationes befolgt werden müssen einfach deshalb, weil es sich um Gesetze handelt oder um Bestimmungen mit Gesetzeskraft. Denn man muß annehmen, daß der übereinstimmenden Meinung der Doktoren Gesetzeskraft zukommt nicht allein wegen der Ehrlichkeit und Bedeutsamkeit ihrer Begründung, sondern auch wegen der Autorität, die den Professoren zugebilligt wird." „Wie steht es nun aber mit der aequitas non scripta? Ist auch ihr zu folgen, wie ungelehrte Leute oft behaupten ? Darauf ist wie oben 13

C. 3 . 1 . 8 : „Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatisque quam stricti iuris rationem." A n anderer Stelle gibt Melanchthon den Wortlaut wie folgt wieder ( C R . , X I I , S. 97): „Placuit in omnibus rebus praecipue haberi tarn iusticiae aequitatisque scriptae quam stricti iuris rationem."

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zu antworten: In der Regel gebührt dem aufgezeichneten Recht der Vorzug; von ihm darf nicht abgewichen werden in Fällen, von denen das Gesetz hauptsächlich redet. Was für einen Zweck würde es sonst haben, Gesetze aufzuzeichnen, wenn es gestattet wäre, nach irgendjemandes Gutdünken oder Willkür Rechtsfälle unter Hintansetzung des Gesetzes zu entscheiden ? Das wäre eine barbarische Ungebundenheit, die wohlgesitteter Menschen unwürdig ist. Nun gibt es aber bisweilen doch Fälle, von denen das Gesetz nicht hauptsächlich redet, welche wegen irgendwelcher offensichtlicher Umstände eine Milderung [des Gesetzes] erheischen. In solchen muß der Richter dennoch einen milderen Maßstab anlegen trotz des Fehlens einer scripta aequitas, wie im Falle des Notdiebstahls. Obwohl nun in solcher Weise Aristoteles lehrt, daß eine Milderung der Gesetze Platz greifen solle und diese daher ähnlich wie das lesbische Richtmaß den betreffenden Rechtsfällen einigermaßen anzupassen seien, so darf das nur dann geschehen, wenn die Veranlassung und Ursache offensichtlich und wahrscheinlich ist. Für dunkle Fälle bestimmte deshalb der Kaiser [Konstantin], daß ihm die Entscheidung über die Gesetze und die aequitas vorbehalten bleiben müsse" (C. 1.14.1).

V Kritik der Aequitaslehre Melanchthons Indem Melanchthon die lex Placuit zitiert, weiß und erkennt er aber nicht, daß diese in römischrechtlichem Sinne bereits „den Sieg der aequitas über das ius verkündet" 14 . Er liest aus ihr vielmehr das 1 4 So Fritz Pringsheim, Römische aequitas der christlichen Kaiser, A c t a Congressus Iuridici Internationalis Romae, 12. — 1 7 . N o v . 1934, I, R o m 1935, S. 136ff. ; Hermann Lange, Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, Z R G . (R), L X X I , 1954, S. 325; v g l . Kiscb, S. 15, 335. — In seiner Rede De stricto iure et aequitate v o n 1544 (CR., X I , S. 669—675) gibt Melanchthon den Sinn der lex Placuit mit einem einzigen Satz wieder (S. 673) : „Intellectus legis Placuit: Commendai scriptum [ius] et monet id dextre intelligendum esse".Vorher hatte er festgestellt (S. 672f.): „ N e c temere fingendam esse aequitatem, sed ex scripto et veris fontibus iuris sumendam esse. . . . H o c quoque universaliter dici potest, Semper id, quod scriptum est, aequissimum esse. . . . E r g o in casu legis scriptum sequendum est."

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Gegenteil von dem heraus, was sie aussagt. Anstatt Vorrang der aequitas vor dem ius unterlegt ihr Melanchthon das Verbot der Abweichung vom ius scriptum, welches nach seiner Auslegung die aequitas darstellt. Ihrer Natur nach kann ja aber die aequitas niemals Inhalt eines geschriebenen Gesetzes werden, sondern muß in jedem einzelnen Falle durch einen neuen rechtsschöpferischen Akt ins Leben treten 15 . Daß die Identifizierung von ius scriptum mit aequitas somit der aristotelischen Lehre von der ejtieixeia nicht entspricht — diese wird dadurch geradezu auf den Kopf gestellt —, das fühlt auch Melanchthon. Er erhebt gegen sich daher selbst den Einwand, Aristoteles nenne die ungeschriebene Milderung des Gesetzes aequitas. Seine Erwiderung auf diesen Einwand, nämlich „Aristoteles nenne aequitas die Milderung des Gesetzes im allgemeinen, sei sie schriftlich niedergelegt oder nicht", ist widerspruchsvoll. Keine Lösung des Problems ist deshalb seine Entscheidung, daß an den scriptae mitigationes unbedingt festzuhalten sei, weil es sich um Gesetze oder um Interpretationen handle, denen Gesetzeskraft zuzubilligen sei. Nichtbefolgung solcher Gesetze betrachtet Melanchthon als „barbarische Ungebundenheit". Dann fehlt aber die logische Begründung dafür, daß auch bei Fehlen einer scripta aequitas eine Milderung platzgreifen dürfe. Unter Ablehnung des Prinzips des lesbischen Richtmaßes will Melanchthon eine solche in der Offenkundigkeit und Wahrscheinlichkeit, die in den besonderen Begleitumständen liegt, als Rechtfertigung finden und diese als Begründung gelten lassen. Daß Melanchthons Argumentation weder der Gedankenführung des Aristoteles noch der Sache selbst gerecht wird, er daher weder zu einer allgemein gültigen, noch zu einer annehmbaren oder gar logisch und juristisch begründeten Epieikeia-Aequitaslehre gelangt, beruht auf verschiedenen Gründen. Die Unzulänglichkeit seiner 15 Rudolf Hirzel, "Avgacpog vo^iog, Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der Königl. Sachs. Ges. d. Wiss., X X , No. I, Leipzig 1900, S. 60 f.: „Aristoteles ist der Erste, der das EJUEIXE? unter die aygatpoi v6(ioi eingereiht h a t . . . Als auf individuelle jeweilige und wechselnde Verhältnisse berechnet, widerstrebt es jeder schriftlichen Aufzeichnung, die ihm Dauer verleihen möchte und es dadurch als nützlich und verbindlich auch noch für andere Zeiten erklären würde. Nicht durch die Schrift existiert das eitieixe?, sondern im menschlichen Geist, der es jeden Augenblick neu erzeugt, und in der lebendigen Rede, durch die es verkündet wird."

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T

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Theorie kommt noch klarer zutage in der Um- und Ausgestaltung, die er seiner Lehre in der neuen Auflage seiner Philosophiae moralis Epitome und in der endgültigen Fassung seines Kommentars zur Nikomachischen Ethik sowie in seinen Reden und im Cicero-Kommentar darbietet. Im Widerspruch zu Aristoteles betrachtet Melanchthon ius scriptum als ius aequum. Bei Auslegung der Constitutio Placuit schenkt er dem dort erwähnten ius strictum zunächst überhaupt keine Beachtung. Das allein betrachtete ius scriptum ist für ihn aequissimum, deshalb ist ein Verfahren nach der lesbischen Regula unbedingt abzulehnen. In seiner Rede De aequitate et iure stricto ex lege Placuit, C. de iudiciis bringt Melanchthon einen neuen Terminus und Begriff in die Diskussion: ius strictum. Dieses sei böswillig-sophistische Interpretation16. Gleich eingangs kündigt er an, daß diese Disputation der Verteidigung und dem Lob des ius scriptum dienen will: „Et haec ipsa disputatio ad defensionem et laudes scripti iuris pertinet." Melanchthons vorgefaßte Meinung, das ius scriptum sei — vermutlich weil es letztlich auf den Willen Gottes, die als seine Gnadengabe betrachtete Gesetzgebung zurückzuführen sei — aequissimum, hat ihn am Verständnis der lex Placuit gehindert. Ja er hat diese zur Bekräftigung seiner Auffassung und zur besseren Erreichung des vorgedachten Ergebnisses seiner Auslegung willkürlich modifiziert. Er hat im Text nach aequitatis das Wörtchen scriptae eingefügt, das in keinem alten Kodex enthalten, durch keine Handschrift und keinen alten Druck verifiziert ist 17 . In seiner Rede vom Jahre 1542 entfernt sich Melanchthon vom Text der Constitutio noch mehr, indem er den Wortlaut der lex Placuit 16 CR., X I , S. 551 —555. — In einet späteren Rede De lege Placuit von 1 5 5 4 leitet Melanchthon die Diskussion so ein (CR., X I I , S. 97f.): „Primum exponam, quid nominet ius strictum, quod vetustas linguae latinae nominat ius summum seu Graeci äxpißo8ixaiov" (Anlehnung an Aristoteles* Terminologie). Vgl. CR., X V I , S. 5 63: „Ita saepe iustitia severa est iusta, et ibi summum ius seu djtgtßoöixaiov non est iniura." 17 Dies haben schon die Herausgeber des Corpus Reformatorum bemerkt ( X V I , S. 79, Anm. 15): „Scriptae] haec vox a Melanthone addita est, in Codice non invenitur." Diese Tatsache ist jedoch von Josef Bohatec (Calvin und das Recht, Graz 1934, S. 103 ff.) in ihrer Bedeutung nicht richtig erkannt worden, wenn sie ihm nicht überhaupt entgangen sein sollte. Daher sieht er Melanchthons ganze Argumentation schief. Aus diesem Grunde kann auf eine Auseinandersetzung mit seinen Darlegungen verzichtet werden.

l8o

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ohne jede sachliche Begründung weiter umgestaltet, man muß schon sagen: verunstaltet. Er gibt sie wie folgt wieder: „Verba legis haec sunt: Placuit in ómnibus rebus praecipuam esse iustitiae, aequitatis quam [1544: aequitatisque] scriptae, quam stricti iuris rationem." Durch diese willkürliche Formulierung hat er die Konstitution nicht nur ihres ursprünglichen, sondern jedes vernünftigen Sinnes beraubt. Hinzu kommt eine Fehlinterpretation Melanchthons. Scriptum ius werde bisweilen als strictum ius gedeutet. Dieses sei, so führt er auch in der Rede von 1554 aus, calumniosa interpretatio, und verkündet: „Ego prorsus hoc adfirmo, in lege Placuit intelligi proprie calumniosam interpretationem." Melanchthon sucht aber nach einer Erklärung des Unterschiedes zwischen strictum ius und scripta aequitas. Einen solchen, so argumentiert er, müsse es geben, da sonst das Gesetz im Codex absurd wäre. Wiederum langt er bei der Epieikeia des Aristoteles an, die er nunmehr aequitas nennt. Jetzt kommt er in der Tat dem Begriff der aristotelischen sjueixeia nahe: „Attribuit igitur Aristoteles sapienti iudici potestatem moderandi scripti et, pene nimium inflectens legum autoritatem, ait eas velut plúmbeas regulas ad negotia accommodandas esse." Ja, er nähert sich sogar dem in der Parömie summum ius summa iniuria, die von ihm aber nicht erwähnt wird, enthaltenen Gedanken, indem er auf den Ausspruch des jüngeren Celsus über die quaestio de bono et aequo Bezug nimmt (D. 45.1.91.3 i. f.): „In quo genere plerumque sub auctoritate iuris scientiae perniciose erratur." Melanchthon sagt freilich nur: „Fit hoc [Anwendung der lesbischen regula\ fortasse saepius quam prodest, ut et Celsus questus est [D. 45.1.91.3],praetextu aequi et boni saepe periculose [1544: perniciose] errari." Schnell entfernt er sich aber von dem richtigen Wege der Erkenntnis. Die Erlaubnis, vom scriptum ius abzuweichen, kann leicht zu menschlicher Willkür führen. Daher lobt er die Athener, welche ihre Richter schwören ließen, nur den geschriebenen Gesetzen gemäß ohne irgendwelche „commentitia moderatio, non privato arbitrio" zu urteilen, ebenso wie die Architekten, welche die Anwendung der Lesbia regula ablehnen. „Deus vult scripto iure vitam regi." „Mit Recht ordnet daher unser Text in der lex Placuit an, daß die scripta aequitas befolgt werden müsse." Darin liege die Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen scripta aequitas und strictum ius. Denn letzteres sei calumniosa interpretatio. Der Sinn

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der lex Placuit ist somit nach Melanchthon: „Urteile müssen nach geschriebenem Recht gefällt werden, Milderung der Gesetze nach privater Willkür ist unzulässig. Aequissimum ist es vielmehr, den wahren Sinn des Gesetzes festzustellen, jede sophistische Interpretation abzulehnen." Aus der zweiten Bearbeitung der Ethik ist nur weniges, jedoch einzelnes Wesentliche hervorzuheben18. Melanchthon macht hier die Unterscheidung zwischen „zwei verwandten Tugenden, der severa iustitia und der enieixeia, die beide von wahren und gerechten Vernunftgründen gelenkt und nur graduell verschieden sind, indem sie zwischen denselben Extremen schweben, zwischen Grausamkeit und Nachgiebigkeit". Im allgemeinen finden wir dieselben Beispiele und Erörterungen wie in der ersten Fassung. Zu jenen werden andere, ebenso auch im Kommentar zur Nikomachischen Ethik, in großer Zahl gehäuft. Melanchthon ist nunmehr zur Erkenntnis der wahren aristotelischen Eitieixeia vorgedrungen, indem er konstatiert: „So nennt Aristoteles siusixeia eine Verbesserung des geschriebenen Gesetzes (scripti correctionem), weil bisweilen die Macht der Verhältnisse eine Milderung außerhalb des geschriebenen Gesetzes aus löblichen Ursachen verlangt." Diese Erkenntnis führt Melanchthon jedoch nicht weiter. Aus seiner letzten Endes theokratisch fundierten Einstellung konnte er zu keiner für den weltlichen Rechtsbereich gültigen, auf solidem rechtsphilosophischen Fundament basierten Epieikeia-Aequitaslehre gelangen, umso weniger, als sich ihm der Sinn der römischrechtlichen Einstellung zum Problem nicht erschloß. Zu den schon früher von ihm angeführten Bibelzitaten fügt er nun eine ganze Anzahl neuer hinzu, vor allem das Jacobuswort (2,13): „Misericordia superet iudicium19." In diesem Sinne schließt Melanchthon mit folgendem Gebetswunsch : Hanc mirandam EJiisixeiav saepe et magna intentione consideremus et Deo gratias agamus et libentius obediamus. Simul etiam cogitemus Deo placere, ut nos ipsi in hac infirmitate homi18 19

CR., X V I , S. 231-237. Das Zitat ist hier wie oft bei Melanchthon nicht wortgetreu; hier folgt

der exakte Wortlaut: „Superexa/fat misericordia iudicium."

18 2

Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre num praestemus enieixeiav, et aliqua mediocria incommoda in aliorum moribus, si tarnen absit enormitas, condonemus communi tranquillitati. D i e A u s f ü h r u n g e n zum gleichen T h e m a unter der Uberschrift

„De

discrimine summt iuris et aequitatis"

im K o m m e n t a r zur N i k o -

machischen E t h i k 2 0 sind auf denselben T o n gestimmt. Diesmal w e r den sie mit einer Erinnerung an das tägliche Gebet, „ . . . sicut et nos remittimus debitoribus nostris",

und dem Hinweis auf die Bedeutung

der Aequitas sowohl für den Bereich der K i r c h e als den des weltlichen Rechts eingeleitet. D i e Beispiele werden noch mehr gehäuft als früher, aus allen E c k e n und E n d e n der biblischen und antiken Literatur werden solche herbeigetragen. D i e Argumentation bleibt die gleiche: L u c . 6 , 3 6 : „ E s t o t e misericordes"; 6 , 3 7 : „ N o l i t e iudicare, ne iudicemini." „ M o r a l i a anteferenda sunt ceremoniis." „Severitas pertinet ad officium, quod D e i est, non nostrum, ut textus [Deuter. 3 2 , 3 5 ] inquit: ,Mihi vindictam [recte: M e a est ultio], et e g o r e t r i b u a m ' . " Unter B e r u f u n g auf den A p o s t e l Paulus und den Kirchenlehrer Johannes G e r s o n ( 1 3 6 3 — 1 4 2 9 )

21

endet die Diskussion in rein theolo-

20 CR., X V I , S. 3 9 9 - 4 1 1 . 21 Von Gerson, der das Epieikeiaproblem mit tiefer eindringendem juristischkanonistischem Scharfsinn behandelt als Melanchthon, sei folgende Äußerung aus seinen Regulae morales wiedergegeben: „Aequitas, quam nominat Philosophus epikeiam, praeponderat iuris rigori. Est autem aequitas iustitia pensatis omnibus circumstanciis particularibus dulcore misericordiae temperata. Hoc intellexit qui dixit: ,Ipsae etiam leges cupiunt, ut iure regantur'. Et sapiens: ,Noli esse iustus nimis, Eccles. VII. 17, alioquin summa iustitia summa iniustitia fit'. Omnia mandata Dei aequitas, Ps. C X V I I I . 172, id est cum aequitate pensanda"; Joannis Gersoni Opera omnia, ed. Ellies Dupin, III, Antwerpen 1706, S. 78. Vgl. Lawrence Joseph Riley, The History, Nature and Use of Epikeia in Moral Theology, theol. Diss. Catholic University of America (Studies in Sacred Theology, 2nd series, No. 17), Washington, D. C. 1948, S. 52 — 54; Kisch, S. 220, Anm. 4 1 , mit Literatur über Gerson, besonders Johann Baptist Schwab, Johannes Gerson, Würzburg 1858, S. 729 f. — Melanchthon (CR., X V I , S. 406) bezieht sich nicht auf Gersons Regulae morales. E r preist die paulinische Auslegung — vermutlich im Hinblick auf die von ihm nicht zitierte Stelle Kol. 2. 16 — als „vera et explicata mitigatio", indem er Gerson vorhält, diese nicht zu kennen und dieEJUEixeia „ex aliis fontibus" abzuleiten, da er Abgehen vom Gesetze nur bei Bosheit und vorliegendem scandalum alspeccatum gelten lasse:„Negat autem Gerson[hanc—Paulinam interpretationem — non videns] extra casum petulantiae et scandali peccatum esse violare leges ornatus causa latas." Das widerspricht jedoch Melanchthons aus-

Melanchthons Epieikeia-Aequitaslehre

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gischem Fahrwasser bei der von der Moraltheologie entwickelten Aequitas-Epikielehre etwa des Doctor christianissimus oder, wenn man noch weiter in der Geschichte des Epieikeiaproblems zurückgeht, bei der Lehre des Aegidius (Colonna) Romanus (1243/47 bis 1316) 22 . Sie erhält bei Melanchthon folgende Formulierung: „ E v a n -

gelium proponit dulcissimam smeixeiav legis divinae, quae iustissima est. ... Haec est vera eitieixeia, scripta non Solonis aut Augusti literis, sed sanguine filii Dei" 23 . So wird bei Melanchthon „die E J U E D C E I C I der göttlichen ayaitri gleich, die im Evangelium verkündet ist. Aus ihr erstrahlt die Größe der göttlichen Barmherzigkeit, und so wird das Evangelium zu einer clementissima keine Erinnerung

emeixeia legis"

24 .

A n die aristotelische Lehre ist

zurückgeblieben 25 .

drücklicher, anerkennender Zustimmung zu Gersons Unterscheidung der (biblischen) Gesetze in solche, die necessitatis causa und solche, die bloß decoris cuiusdam causa gegeben wurden (Rom. 13.5 und Kol. 2. 16), sowie zu der aus dieser „regula" erfolgten Ableitung der „utilis ¿ J U E I X E U X " durch Gerson; Philosophiae moralis epitome, CR., X V I , S. m f . ; M W A . , III, S. 249. 22 Über diese ausführlich Kisch, S. 407—433. 23 Von „quae iustissima est" bis „filii Dei" ist ergänzt aus Melanchthons Rede De lege Placuit von 1554, CR., XII, S. 100. Vgl. Melanchthon, Prolegomena in Officia Ciceronis, CR., X V I , S. 562: „ E t doctrina de E J U E I X E U I eo nobis gratior sit, quia Evangelium est dulcissima EJUEUCEIOIlegis divinae"; S. 565: „Evangelium est ingens EJUEixeia legis, remittit peccata, sed propter Mediatorem, qui iram in sese derivavit et factus est pro nobis peccatum, ut nos fieremus iustitia Dei in ipso." Epieikeia ist ein „Melanchthon geläufiger Ausdruck" (im Augsburgischen Bekenntnis Art. 21 und 28); so Johannes Ficker, Die Eigenart des Augsburgischen Bekenntnisses (Hallische Universitätsreden, Heft 47), Halle 1930, S. 36, zu S. 13, Z. 4 v. u.); vgl. Melanchthon, Erotemata dialectices, CR., XIII, S. 733: „Haec tanta et tarn dulcis EjuEixEia additur legi in Evangelio." 24 So Petersen (oben, Anm. 4), S. 90. Vgl. auch den aufschlußreichen Schlußsatz zu dem in der vorigen Anmerkung angeführten Kapitel im Cicerokommentar, CR., X V I , S. 565 : „ A c in explicatione huius dicti [Matth. 19. 17]: Si vis in vitam ingredi, serva mandata, intelligi EitisixEiav necesse est, videlicet iuxta interpretationem seu EJueixEiav in Evangelio traditam." — Zum Problem Gerechtigkeit und Barmherzigkeit vgl. philosophisch Giorgio dei Vecchio, Grundlagen und Grundfragen des Rechts, Göttingen 1963, S. 303 f. 26 A m Schlüsse der Betrachtung mag es von Interesse sein, auf Luthers Konzeption der ejuebteta einen kurzen Blick zu werfen: WA., Tischreden, 1. Bd., Nr. 134, S. 57: „Die Juristen mit ihrer Kunst müssen auch oft die Vergebung der Sünden suchen, denn sie treffens nicht allezeit. Und wenn sie unrechte Urteile fällen und der Teufel sie plaget im Gewissen, so könnten sie ihm nicht widerstehen, wenn sie gleich Bartolum, Baldum und alle Scribenten für sich hätten; aber mit der epieikeia, das ist mit der Vergebung der Sünden, mögen sie sich

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Melanchthons theokratische Rechts- und Soziallehre

VI Über Melanchthons Quellen und Vorbilder Im Hinblick auf Melanchthons universalen Interessenbereich und seine umfassende Quellen- und Literaturkenntnis, dürfte es hinsichtlich seiner Epieikeia-Aequitaslehre ungemein schwer fallen, wenn es überhaupt möglich sein sollte, seine unmittelbaren Quellen oder Vorbilder nachzuweisen. Für seine Rede De Irnerio et Bartolo iurisconsultis ist dies oben im sechsten Kapitel versucht worden, ohne daß eine restlose Klärung des Problems gelingen konnte. Deshalb wurde für die Epieikeia-Aequitaslehre ein ähnlicher Versuch nicht unternommen, zumal der ohnehin schon große Umfang des vorliegenden Kapitels hätte wohl auf das Doppelte anwachsen müssen. Uber einzelne im Laufe der Darstellung gegebene Hinweise hinaus wird man lediglich Ähnlichkeiten mit den Epieikeia- oder Aequitaslehren älterer oder zeitgenössischer Theologen oder Juristen entdecken können. Mit allem Vorbehalt wird man vielleicht sagen dürfen, daß Melanchthons Epieikeialehre eine ins Moraltheologische übersetzte, auf der Linie Cantiunculas liegende Interpretationslehre darstellt, ohne jedes tiefere Eingehen auf die römischrechtliche oder gar allgemein juristische Argumentation. Melanchthon war sicherlich mit Thomas und Gerson vertraut, vermutlich auch mit Budaeus und Cantiuncula. Seine Denkweise ist jedoch mehr an den Theologen als an den Juristen orientiert. Den engeren Beziehungen von Melanchthons Lehren zu den der genannten Theologen und Juristen nachzugehen muß künftiger Forschung überlassen bleiben. Eine Handhabe dazu bietet meine Darstellung der Geschichte der Epieikeia-Aequitas von Aristoteles bis ins 16. Jahrhundert, auf welche im Anfang dieses Kapitels hingewiesen worden ist.

schützen. Sie müssen . . . treffen, was sie können und darnach zu unserm Herrn Gott sagen: Lieber Herr Gott, laß es so gehen, wir könnens nicht besser; ist es gefehlet, so vergib es"; daselbst, Nr. 320, S. 1 3 1 : „Solam autem Ijusixeiavhabent [sc. iurisconsulti], qua se defendere possunt, quam nos possumus dicere remissionem peccatorum."

ANHANG AUSGEWÄHLTE REDEN MELANCHTHONS Ü B E R RECHT, S T A A T UND R E C H T S W I S S E N S C H A F T

Vorbemerkung D ie im Anhang abgedruckten Texte sind grundsätzlich wortgetreu nach der Vorlage wiedergegeben, der sie entnommen sind. Diese ist an der Spitze jedes Stückes genau bezeichnet. Hinweise auf andere alte Drucke und bibliographische Angaben findet der Leser in dem Verzeichnis der Reden Melanchthons über Recht, Staat und Rechtswissenschaft am Ende des ersten Kapitels des ersten Teiles des vorliegenden Buches. Soweit nicht Erstdrucke zur Verfügung standen, wurde für die Wiedergabe der Wortlaut in den Sammlungen Melanchthonscher Orationes des 16. Jahrhunderts zur Grundlage genommen, in welche die Rede zuerst aufgenommen wurde. Der Auswahl dieser Texte wurde jedoch durch die Erreichbarkeit der alten Ausgaben eine Grenze gezogen. Im allgemeinen ist der Überlieferung in der Straßburger Sammlung aus dem Jahre 15 60 der Vorzug gegeben worden, da diese gegenüber anderen Drucken durchaus die besseren Lesarten sowie eine korrektere Interpunktion aufweist. Die Notwendigkeit, dem Sinn oder dem lateinischen Sprachgebrauch entsprechende Verbesserungen oder Ergänzungen vorzunehmen, verursachte bisweilen Abweichungen vom Wortlaut der Vorlagen. Solche wurden in eckige Klammern eingeschlossen, während durch spitze Klammern angedeutet ist, daß das Wort den sinngemäßen Zusammenhang stört, daher zu eliminieren ist. Runde Klammern, deren sich die Autoren des 16. Jahrhunderts gern bedienten, sind unverändert beibehalten worden. Offensichtliche Druckfehler wurden stillschweigend verbessert, bei anderen Korrekturen und Emendationen ist der ursprüngliche Wortlaut der Vorlage aus den Anmerkungen zu ersehen. In ihnen wurden auch die Abweichungen vom Text des Corpus Reformatorum (CR) verzeichnet. Dies geschah insbesondere, wenn es sich um Verbesserungen desselben handelte, und seine korrupten Lesarten hervorgehoben werden sollten, oder wenn Korrekturen, die von den Herausgebern des CR älteren Nachdrucken entnommen waren, akzeptiert worden sind. Abkürzungen und Siglen sind, soweit sie keinen Anlaß zu Zweifeln boten, aufgelöst worden. Innerhalb der abgedruckten Texte wurden keinerlei Kürzungen vorgenommen; die bisweilen

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Vorbemerkung

begegnende Abbreviation „etc." bezeichnet also eine nicht vom Bearbeiter, sondern vom Autor ausgeführte Kürzung. Auch an der Schreibung wurde grundsätzlich nichts geändert mit Ausnahme der Ersetzung des konsonantischen u durch v und des vokalischen j durch i, wie es in den Anmerkungen zu dem Text des Buches zwecks leichterer Lesbarkeit ebenfalls geschehen ist. Um dem Verständnis des Benutzers entgegenzukommen, wurde die Interpunktion, Satzteilung oder Satzverbindung und Anbringung von Absätzen dem Sinn gemäß gestaltet; wo immer möglich, folgt der Abdruck jedoch auch in dieser Hinsicht der Vorlage, wenn es sich um Erst- und Originaldrucke handelte. Zitate aus römischen und kirchlichen Rechtsquellen wurden in der Regel nachgeschlagen; die moderne Zitierweise wurde der alten in eckigen Klammern beigefügt. Anführungen aus antiken Philosophen und klassischen Autoren wurden identifiziert, wenn es sich nicht lediglich um rhetorische Ausschmückungen handelte. Mit welchen Schwierigkeiten das zeitraubende, bisweilen ergebnislose Suchen nach quellenlos angeführten oder ungenügend bestimmten Zitaten in Melanchthons Reden und Werken verknüpft ist, hat Hanns Zwicker (Philologische Schriften Philipp Melanchthons, Supplementa Melanchthoniana, II, i, Leipzig 1 9 1 1 , S. X X I I I ff.) ausführlich dargelegt. Zu Melanchthons Zeiten legte man hohen Wert auf die Einfügung von Zitaten, die jedoch oft nur aus dem Gedächtnis und nicht mit der später üblich werdenden Genauigkeit angeführt wurden. Die in den Reden erwähnten zeitgenössischen Juristen wurden nur insoweit identifiziert, als sie nicht bereits in der Darstellung vorkommen und ihre Lebensdaten daselbst in den Anmerkungen mit Hilfe des Personenregisters leicht aufgefunden werden können. Erwähnt sei schließlich noch, daß die Seitenzählung des Corpus Reformatorum jeweils im Kolumnentitel angegeben wurde, die Zeilenzählung jedoch neu eingeführt ist.

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Oratio de legibus

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I Oratio de legibus Abdruck nach dem Erstdruck „Haganoae, excudebat Iohan. Secer. Anno M D X X V " [1525] mit Benützung der Ausgabe Theodor Muthers: Philippi Melanthonis De legibus oratio, editio secunda, Weimar 1869. 1523 —1525

Desiderarli in me plusculum fortasse pudoris aliqui, cum assiduis declamationibus, et infantiam meam vulgo traduco, et humanissimis in hac schola patientissimisque auditoribus toties odiose obstrepo. Ego vero agnosco mearum virium imbecillitatem meoque me pede 5 metior et, cum de meipso censuram ago, sentio quam non satisfaciam politissimis quorundam auribus. Verum cum provehendae rei literariae causa hoc quicquid | est operae a me sumatur, Studium meum quaeso boni consulite. Nam cum pars quaedam publici muneris in hac schola mihi delegata sit, parum meminisse viderer, quam sustineam 10 personam, nisi de adulescentium officio nonnunquam dicerem. Quod cum pro virili faciam easque disciplinas iuventuti commendem, quibus neglectis, cum religionem, tum res bonas alias labefieri necesse est, facile, ut spero, impetrabo, ne mea mihi sedulitas fraudi sit. Sunt enim favore studiisque omnium iuvandi eorum conatus, qui literis 15 non pessime consultum volunt. Neque aliam ob causam modo dicere instituimus, quam ut iis, qui hic ex more declamare soient, si qui forsan imbecilliores sunt, meo exemplo nonnihil animi addam et tanquam classicum canam. Deinde, ut eruditos omnes publica voce rogitem, ut in hanc arenam et ipsi aliquando descendant cum pueris 20 collusuri. Socratem nihil puduit natu grandem cum parvis filiolis equitare, ut ille ait, in arundine longa 1 ; quanto minus vobis vitio poterit verti honestissimus conatus, si cum hoc grege de literis nonnunquam commentemini, quarum causa quicquid susceperis, quando mortalia nihil divinius habent, laudem meretur. Quaeso 1

Horatius, Satirae, II, 3, 248.

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25 itaque, ut scholae operam suam ea in re candide impertiantur, quicunque Uteris bene cupiunt. Sic enim statuo: praeclare de rebus humanis mereri, qui pueriüa studia honestis exemplis accendunt. Iam et meam facilitatem ita demum probari vobis iudicabo, si imitari coeperitis; quae si silentio vestro damnata fuerit, bone Deus, quam 30 ipsi nobis displicebimus. Sumus autem de legibus dicturi deque eo iure, quod in scholis hoc tempore et in iudiciis in bona Europae parte regnat. Nam eae literae non nuper male audire coeperunt, cum aliis prophanarum legum parum pia professio indignaque Christianis videtur, alii satius ducunt, 35 ut iudicia non improbent prorsus ; nam id nec Scythae solent, res ex aequo et bono sine scriptis legibus iudicare. Horum calumnias pro nostri ingenii mediocritate refeilere a conabimur, ut eos, qui ad gerendam rempublicam olim accessuri sunt, ad huius disciplinae Studium invitemus. Praegravant autem hanc causam mirifice hoc 40 tempore doctorculi quidam 2 , qui cum fere sint aftsoi tarnen Evangelii praetextu tyrannidem gerunt et pro libidine cum humanas, tum divinas leges figunt ac refigunt. A quibus si impetrari poterit, ut nobis dicendi potestatem faciant, sunt enim perquam morosi, | docebo breviter, sacris literis non modo non improbari civiles leges, sed praecipi etiam, ut 45 religiose sancteque colantur, qua laude nulla potest amplior legibus tribui. Ubi fidem fecero, civilem urbium statum nihil pugnare cum religione exponam, quam prudenter a maioribus factum sit, quod Romanas leges potissimum delegerunt, quas in constituendis civitatibus tanquam filum sequerentur, easque summa cura a nobis studioque 50 conservandas esse, ostendam. Quae malum dementia tandem est, quis furor, falso Christiani nominis praetextu civilium rerum statum labefacere et convellere? Quae barbaries, qui Scythae iudicia, aequi et iniqui discrimen e medio tollunt? Et audent, hoc Christo quidam, si superis placet, Christiani 55 Doctores tribuere? Quid est, si haec non est contumelia? Qui ex gentilibus philosophis in Christum stylo debacchati sunt, unum hoc fere causificantur, quod quaedam leges parum videantur aptae ad civilem consuetudinem societatemque hominum tuendam; neque censent ullo probro Christi dignitatem gravius laedi posse. Horum ® revellere Ortg. 2 Gemeint sind vermutlich Andreas Bodenstein von Karlstadt (gen. Karlstadt), Jakob Strauss und Wolfgang Stein.

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60 vincunt amentiam nostri, qui in ipso contemptu publicorum morum et in evertendo universo civili statu pietatem collocant. Adeo de Christi nomine superstitio peius, quam qui ex professo insectantur, meretur. Nam cum vim pietatis ignoret et pro suo arbitrio sibi deos somniet, non modo nihilo rectius de Christo sentit quam ethnici, sed 65 pietatis etiam titulum fere privatis vitiis praetexit, quo sacrilegio nihil abominabilius fingi potest. Et quia vernit Deus humano artificio imaginem sui fingi seque e suo sermone cognosci voluit, ubi se nobis velut in tabula delineavit, petemus et nos e sacris literis, quid de civilibus legibus divinus spiritus decreverit. Quas cum coelesti voce 70 probari audietis, par fuerit, et cognoscere diligentius et observare sanctius. Sese enim contemni Deus iudicabit, si civiles leges tantopere nobis commendatas violaverimus. Sed recenseo locos, qui legibus patrocinantur docentque, in rebuspublicis iudicia esse constituenda legesque rationi consentaneas de rebus herciscundis, de sontium poenis 75 et aliis hoc genus ferri posse. Primum ius faciunt nobis sacrae literae, vel gentilibus vel mosaicis legibus in prophanis rebus iudicandis uri. Et cum iudicia amplissimo testimonio ornant, tum JIOXITEÎCIÇ mosaicam et gentilem iuxta probant. Cum Baptistam milites | haud dubie de genere vitae consulturi 80 rogarent, quid a se fieri vellet, nihil hie exegit, nisi ut suis contenti stipendiis neminem calumniarentur aut concuterent 3 . Porro, cum stipendiis iubet esse contentos, publicum munus, quod illis mandatum erat, plane adprobat. Quis nescit autem magistratuum arma leges et iudicia esse, quae domi vim ac iniuriam a civibus prohibent? Quare 85 non dubium est, quin tanti leges faciendae sint, quanti magistratum Baptista facit. Paulus magistratuum autoritatem praedicat, cum gladii usum ordinationem Dei vocat et magistratum Dei ministrum 4 . A quo oraculo ex diametro dissident hi, qui leges impietatis accusant. Est enim hostis Dei, non minister, quisquis ea suscipit, quae divinae leges 90 vetant : qui alterius uxori vitium offert, qui res aliorum fraude intervertit, qui periurio fallit, qui bellum cum superis gerit, non minister est; denique hostis est, cuiuscunque functio proprie impia est. Quare cum Paulus magistratum Dei ministrum vocat, non hostem, negat eius provinciam cum religione pugnare. Contra, qui magistratus 95 damnant, simul uno nomine omnes latrones et Dei hostes esse 3 4

Luc. 3. 14. Rom. I}. 2, 4.

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pronunciarli, quod quam non quadret ad Paulinam sententiam, perspicuum est. Quid enim tarn dissimile voluit ille esse latrocinio quam magistratum ? Hunc tranquillitatis publicae custodem nuncupat Paulus, cum gerere gladium scribit, ut bonos honore adficiat. Quodsi latrocinium magistratus est, custodem bonorum qui cedo adpellabit ? Iubet item Paulus piorum votis magistratus Deo commendari, ut salvi publicam tranquillitatem tueantur 5 ; idemque exulaturis Iudaeis Hieremias praecipit6. At incolumitatem latrocinio precari nihilo magis fas est, quam bene precari lupanaribus. Tarn clare discernit a latrocinio magistratum scriptura; inter quae si nihil interest, sceleratus erat Ioseph, cum in Aegypto imperaret 7 , sceleratiCornelius 8 et centurio, cuius fidem Christus unice praedicat9, pleriqueitemalii, qui respublicas ex gentilium legibus administrarunt. De iudaicis regibus nondum dico, quos putant minus posse ad nostra comparari, sed hos, quos recensui, quaeso patiamini melioris notae Christianos fuisse, quam hi sunt, de quorum moribus posteaquam publicas leges contemnere coeperunt, passim male audit Evangelium. Sed unde tandem honorifica appellatio ? Ecquid praecepit Deus de gladio? Primum minister Dei is est, qui eius iussum facit, quique ex | eius se mandato comparai; cui qui auscultai, is non modo nihil peccai, sed, quemadmodum sacrae literae docent, sanctum etiam officium facit. Praecipit autem Deus morte mulctari eum, qui hominem occiderit, quae lex citra controversiam totam noXiTEÌav complectitur. Etenim ut publicae tranquillitatis causa fas est de capite hominis iudicare, ita et ad rerum divisionem, ad leviora negotia transigenda, quando aliter publicae paci consuli non potest, constituere iudicia licuit. Extat lex in Genesi ad Noè, universo mortalium generi lata 10 , estque confirmata mosaicis edictis, quae, tametsi solis Hebraeis proposita sunt, tamen arguunt Deum probare morem cum iudicandi res, tum plectendorum sontium. Nota enim Pauli vox est: Legem iniustis latam esse 11 , quae monet, ut qui spiritu Christi non frenantur, cum Hebraei, tum reliqui mortales, legibus coherceantur et tanquam carcere septi teneantur, ne quem laedant, ne cuius rebus damnum dent. Eodem impios omnes numero cum gentes 5 6 7 8 9 10 11

1. Tim. 2. 2—4. Jer. 29. 7. Gen. 41. J 7 sqq. Act. apost. 10. Matth. 8. 10; LUC. 7. 9. Gen. 9. 6 sqq. i. Tim. i. 9.

[CR X I 7 1 ]

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tum Iudaeos habet gladioque seu legi ad unum omnes subdit. Suum 130 autem quoddam Christi regnum est, qui, cum non in hoc se nobis ostenderit, ut humanam itokteiav conderet 12 , mundi regnum non labefacit, immo in id extrudit eos, quos a turpitudine non dehortatur pietas, ut vis remoretur. Prodiit Christus, ut coelestibus muneribus, ut immortalitate pauculos quosdam tanquam in alium eductos mundum 135 donaret, non ut civitates constitueret. Regibus hanc provinciam reliquit tenendam conservandamque ocii tuendi causa. Ipse in piorum pectora spiritum suum transfundit, ut divinitatem cum iis communicet. Ipse verbo renovat piorum mentes -/ai fxETaaxruxau^a. Nihil haec ad mundi regnum, quod in componendis tantum moribus, in arcenda 140 violentia versatur. Id quod non facile tantum fert Christus, sed probat edam, cum et suos parere iubet, et ministerium Dei esse fatetur. Quare qui ad respublicas accessuri sunt, hos non modo non retrahit religio, sed monet etiam pium officium facturos, si publica munera recte gesserint, si ius candide dixerint. Qui secus docent, cum de 145 prophanis legibus, tum de Christi nomine male merentur. At litigare vetat Christus ? 13 Quis negat ? Iudicare vero non vetat. Quantum autem intersit inter iudicare et litigare, nemo non videt. Nam ut viatorem pulsare Deus vetat, non vetat obligare vulnus 14 , si quod is forte acceperit, ita, quanquam | odia mortalium inter se 150 execretur, mederi tamen tam perniciosis morbis patitur. Quare vitia damnari patiar; remedium par est, ut grato animo complectamur. Furit hic vindictae cupiditate, ille res alterius fraude occupati quos cum in viam non revocet pietas, iudicum auctoritate furor comprimitur. Nihil David, Moses, Salomo peccarunt, quantumvis improbis nebulonibus 155 alicubi ius dixerint. Proinde Christus, ut litigantem ac vindictae amore ardentem damnet, tamen suas iudicibus partes reliquit, sive ex gentilibus legibus, sive ex mosaicis ius dicant. Gentium respublicas administrarunt Ioseph, Daniel, Naaman, Centurio, qui, si flagitium est rempublicam gerere vel gentilibus legibus uti, ordine movendi 160 sunt. Verum nolo hic longius immorari. Nam et alias accurate haec excussimus et piis mentibus ii loci, quos produximus, satisfecerint. Tantum reclamant hi, qui nec sacras nec prophanas leges pensi habent. Christus optima fide censum magistratui numerai 15 , ut exemplum 12 13 14 15

Ioann. 18. 36; cf. 3. 1 7 ; Marc. 10. 45. Matth, j. 22 sqq., 39 sqq.; 6. 1 2 ; 7. 1 sqq.; 18. 15 sqq.; 22. 39 sqq. Luc. 10. 34. Matth. 17. 24; 22. 17 sqq.

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colendarum publicarum legum proderet. Id adeo imitari oportebat 165 eos, qui Christianam libertatem ubique fortiter iactant b . Et cum divino suffragio ius publicum comprobatum sit, pietas exigit, ut et diligenter cognoscatur et religiose colatur et tractetur. Legumlatores veteres omnes, quo plus auctoritatis suis legibus adderent, deorum oracuüs probatas adseverabant. Minos fingebatur novem annorum 170 spacio Iovis usus familiari consuetudine ab eo constituendae reipublicae rationem didicisse. Lycurgum ferunt et ab Apolline deum appellatum esse et sua edicta e^e«? vocasse, quod oracula videri vellet. Numam aiunt simulasse nocturnos cum Egeria congressus. Fingebantur haec, ut cum divino iudicio adprobatae leges viderentur, 175 pluris fierent. Quanto sanctius a nobis ius publicum coli debet, cum id non commenticia oracula, sed certissimae voces divinae nobis gravissime commendarint ? Porro cum constet, nihil pugnare cum civilibus legibus religionem et in rebus prophanis iudicandis fas esse, vel gentiübus vel mosaicis 180 legibus uti, expostulabimus aliquanto liberius cum iis, qui publico iuri praeter meritum iniquiores sunt. Non satis, ita me bene ament Musae, constituere possum, morosi hi mihi videantur tantum, an prorsus furere. Nam ut illiberalem convivam esse censemus, qui apud amicum praesentem copiam nauseat, ita qui praesentes mores, | in185 stituta ac leges temere fastidit, opicus mihi et parum urbanus videtur. Et cum in omni vita sapientissimi homines praeceperint, communibus moribus tanquam scenae obsecundandum esse, valde iniusti sunt, qui tanquam cum rebus humanis bellum gesturi praeter sua nihil probant. Sordidos ac plebeios animos fere praesentium poenitet, qui cum 190 libidine sua, non ratione omnia metiantur, miro quodam novandi studio tenentur. Neque ullus Euripus, ullum fretum tam varios habet aestus ac fluctus, quam varii vulgi motus sunt. Quaecunque commoverit tempestas, subito furit miscetque omnia. Contra, generosae mentes communibus se moribus attemperant solentque, utcunque et 195 ubicunque opus fuerit, obsequi, quemadmodum ille Terentianus pater monet 16 . Iam non simplex rusticitas, sed furor est, piane patrios mores ac patria instituta odisse. Etenim cum patriae sanctum quendam amorem omnibus indiderit natura, prorsus obliti sui videntur, qui patrias leges tantopere aversantur. Sapientissimus poeta fingit Ulyssem b 16

iactant Orig. ; instant Muther. Terentius, Heautontimorumenos, III, 1, 10.

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200 optare, ut vel fumum de patriis exorientem focis videat 17 ; hi leges contemnunt, ornamentimi patriae pulcherrimum, quarum beneficio ipsi et aluntur, et servantur, ut ne naturae quidem plus quam his debeant. Mirum, ni vulturio plus est humani, quam huic generi. Ego prof ecto, quoties defatigatum animum remitiere recreareque libet, nulla 205 in re suavius atque in patriae recordatione acquiesco. Id quod fieri non posset, nisi mirum quendam eius amorem insevisset natura. Videor mihi iam agros pervagari, iam in hortis reptare, iam ad flumen deambulare0. Hie naturae opes, industriam colonorum, meorum civium, tacitus contemplor, admiror maiorum prudentiam, qui agros, 210 qui oppidum ipsum diligentissime ornarunt et munierunt. Haec cum animo considero et propemodum intueor, mediocrine me voluptate perfrui censetis ? Me vero cum loci amoenitas per sese delectat, tum quia patriae nomen accedit, valde adficior. Nec minus tali patria capior, quam ille Ithaca, qui, quamvis sterilem et in asperrimis saxis 215 tanquam nidulum adfixam, pluris immortalitate fecit 18 . Et cum tantopere solum ipsum ametur, non possum non favere et legibus, quibus civium inter se studia voluntatesque conciliantur et devinciuntur, quae domesticam disciplinam, bonos mores, popularium libertatem tuentur, quae profecto non minus nos quam lares nostri delectant. 220 Proinde cum | inflammet nos natura et adsuefecerit consuetudo ad amandam colendamque patriam, et ingrati erga benemerentem, et in penates suos impii et alieni prorsus ab humanitate sunt, quibus domesticae leges sordent. Capitale est magistratum pulsare, hi cum prorsus ex republica magistrates, iura omnia exterminent, quod non 225 supplicium merentur ? Nolo hie causari, frustra eos niti, recepta non posse fere privato cuiusquam arbitrio convelli. Finge rem succedere. Quid erit civitatibus nostris calamitosius ? Quas, Deum immortalem, haec novitas dabit turbas? Nam ut sine valetudinis iactura nemo victus rationem mutat, ita nec leges sine publica perturbatione 230 mutantur. Nec ad civitatum ocium et ad concordiam stabiliendam quidquam perinde conducit, atque veterum legum morumque conservatio, quod cum urbium exempla passim testantur, tum monet

c

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B R E T H E I M Orig. in

margine.

Homer, Odyssee, I, 57—59. Homer, Odyssee, V , 206—210.

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aureus veteris poetae versiculus : Moribus antiquis res stat Romana virisque 19 . Valeant igitur, qui vel adeo inciviles sunt, ut attemperare se communibus moribus nolint, vel adeo arrogantes, ut rectius se rebus publicis consulturos confidant quam maiores, vel adeo ferrei, ut nullus rerum patriarum amor tangat. Etsi ita videtur in vEcpeXoxoxxvyiav commigrent, senatui populoque cuculorum imperaturi. Quanquam autem haec abunde magna ratio bono viro sit, cur praesentes leges amplectatur, quod usu receptae sint et in mores peneque in naturam nostram verterint — stultum est enim cum publicis moribus dimicare — tarnen excutiamus rem paulo accuratius, temerene an consulto maiores nostri ex scriptis legibus iudicari res maluerint. Non nuper in scholis hac de re altercantur, utrum satius sit ex scripto iure an ex magistratuum arbitrio res iudicare. Verum nos non quod otiosi in scholis literatores somniant, sed quod prudentissimi quique probarunt, qui respublicas tenuerunt, sequemur. Nam cum humanae prudentiae civilia officia religio commiserit, et prudentum exemplis, et communi sensu hanc causam metiemur. Quae fuit autem usquam respublica mediocris sine certis legibus constituta ? Scripto iure usi sunt Aegypti, Cretenses, Athenienses, Romani, addo etiam Iudaeos. Et Lycurgus, tametsi nullas scripserit leges, certas tarnen quasdam prodidit non tabulis, sed, ut vulgo notiores essent, memoriae civium insculpendas. Quare, ut nihil iis patrodnetur, qui hoc tempore scriptum ius tuentur, defendere eos | tot gentium iudicia facile queant, quibus quo ore cedo, qua fronte reclamare audebitis? Et haud scio an haec veteribus illis legumlatoribus consiüi ratio: Quum libertatis ac tranquillitatis pubücae causa conditae sint civitates et constituta iudicia, ut in tuto sint suae cuique res et vita et sub iuris auctoritate tanquam sub umbra lateant, idque praesidium non maiorum industria, non hominum conspiratio compararit, sed Deus ostenderit, praestandum est, ne ius sit obscurum, incertum, aut ambiguum. Quae est enim iuris vis aut auctoritas futura, si subinde Vertumni in morem variet ? Nemo fortunas d suas vitamque non satis exploratis aut infidis custodibus tuto committi putat. Porro ubi magistratuum arbitrio sine certis legibus res iudicantur, cum in imperitorum, saepe edam improborum d 19

formas CR.

Ennius, Annalium Reliquiae, X L I ; Joannes Vahlen, Ennianae poesis reliquiae, Lipsiae 1854, p. 7 3 ; cf. Augustinus, De civitate Dei, II, 2 1 ; Loeb Classical Library, Saint Augustine, I, p. 222.

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potestate ius sit, fit ut per imperitiam saepe magistratus aequi et iniqui discrimen non perspiciat. Quoties recti species decipit, quoties iudicio gratia aut malevolentia officii ? Neque enim obscurum est, quam levi momento ab aequitate mediocrium hominum animi saepe abstrahantur. Quid — quod ea imperitorum pertinacia est, ut ad aequitatem flecti non possint, ubi non cogunt leges — cedo, quid arbitrare sumpturos sibi Germanicos regulos, nisi leges prohibèrent? Qui, si quando iuris species suffragaretur, citius omnia miscerent, quam de sententia, de possessione decederent. Nunc cum reclament leges, deterret a flagitio nonnunquam pudor. Quotus enim quisque tam corneae fibrae est, ut publicam legum vocem, omnium de se iudicium prorsus contemnat ? At si nullae obstrepant leges, cum licentia fere détériorés reddat, videas aperta tyrannide grassaturos, non aliter atque solebant Athenis triginta illi, qui cum pessimo exemplo iudicia sustulissent, perinde quasi publicam carnificinam exercerent, optimum quenque iugulabant. Itaque quemadmodum in periculosis tempestatibus non solet vends temere committi navis, sed gubernator praeficitur, qui arte regat, ita fluctuantes principum animi certa lege frenandi regendique sunt, ne privatae cupiditates a iure velut a portu reiciant. E t cum in cognoscendis causis saepe non pessimis magistratibus iuris species imponat, saepe transversos rapiat ambitio, ne periclitaretur libertas, aequi et iniqui formulas praescribi oportuit, quas in consilium adhiberent ius dicturi. Nam si magistratui potestatem feceris, quidquid libet statuendi, vide, in quam nos servitutem conicias ? Iure | possessiones adsignavit, si aliud videbitur, ius erit eripere; quod dictum est, indictum fuerit; quod modo erat ratum e , irritum fuerit; quidquid decreverit, in vento et rapida scribere oportet aqua, usque adeo non constabit sibi et iure subinde mutato in aliam se formam IIgÔTea>ç more vertet. Non domus, non liberi, non coniunx, quibus ne nostra quidem vita nobis carior est, in tuto erunt. Res bonae omnes, pietas, humanitas, doctrina artesque universae, quae otium pacemque amant, exulabunt. At cum his vitiis leges medeantur, nec libertatis ullus praeterea fidelior sit custos, quid vetat legum beneficio uti ? Quae magistratibus fiduciariam tantum nostri potestatem faciunt, ut ius nostrum, quoties periclitamur, repetere liceat. Aristoteles in ea demum republica, quae

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scripto iure regitur, deos imperare adfirmat 20 , quod libertatem leges tueantur, qua haud scio an haec vita nihil dulcius habeat. Quid enim foelicius quam iniuriae metu vacare societateque hominum tuto frui ? Proinde ille ne bono quidem viro sine legibus rempublicam mandari patitur 21 . S ed recita verba. Verum dicet aliquis, maligne me de hominum ingeniis sentire, cum nullius adeo exploratam fidem ac virtutem esse duco, cui tuto civitas committi possit. Ego vero optarim passim imperare Nestoras, verum videmus, quanta sit optimorum principum paucitas. Nec obscurum est vetus illud dictum : Omnium bonorum principum imagines in uno annulo sculpi posse 22 . Quare facile patior in mediocribus, ut sunt fere, certo iure vim regi et officii sui, si qui sunt imprudentes magistratus, admoneri. Haec mea est ratio, nec foeliciorem mihi rempublicam somnio, quam qualem existere res humanae sinunt. Finge autem rerum summam ad Stoicos delatam esse, qui nec grada, nec odio adficiantur, qui falli nequeant, quid iis facies, qui, ut est vulgi improbitas, malunt legibus, quam vel sanctissimis magistratibus credere ? Est enim quorundum tanta rabies tantaque pertinacia, ut aequitate fideque iudicum satisfieri sibi non patiantur, sed, cum summo iure contendant extremaque omnia experiantur, saepe infensius cum iudicibus quam cum adversario concertent. Hic vero magistratuum auctoritas periclitabitur, nisi publice receptae leges defendant. Adeo non modo adversus tyrannidem in legibus innocentiae praesidium est, sed et magistratibus adversus vulgi importunitatem hie tanquam aheneus quidam murus est, denique commune vinculum inter | se principum ac multitudinis est ius scriptum ad pacem tuendam comparatum. Iam et improbi cives faciüus in fortunas aliorum impetum facient, cum vel nullae poenae certae absterrebunt, vel ius erit incertum. Contra, ut ii qui iter faciunt, cum viam indicant Mercuriales statuae, nihil metuunt neeubi errent, ita boni cives, cum certum ius propositum est, securi degunt, cum docent leges : et quid pro se quisque praestare debeat, et quid cuiusque sit proprium, et improbis certum exitium minantur. Cum autem libertas nihil nisi inane vocabulum sit, si bonis securitatem demas, crudele fuerit ius scriptum e medio tollere, si quid ad securitatem in bonorum animis alendam confert. 20 Pol. III, 16, 1287a. 21 Pol. III, 16, 1287a; cf. III, 15, 1286a. 22 Scriptores Historiae Augustae, Flavius Vopiscus, Vita Aureliani, X L I I , 5 ; vide infra, oratio 5, n. 2.

[CR XI76/77]

Oratio de legibus

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Accedit hue, quod ut modestissimi homines imperent, tarnen 340 futurum sit, ut de iure saepe dissentiant', nisi ex certis legibus res iudicentur. Quae est autem pestis civitatibus perniciosior intestina discordia? Quas haec urbes non funditus evertit? Quare nulla tam parva res est, quae modo ad concordiam conservandam conducere videatur, quae negligenda sit. Saepe autem ex levissimis iniuriis, non 345 secus atque ex minutissima scintilla, gravissimum incendium oritur. N o n raro et res gravissimae in disceptationem veniunt, ubi si magistratibus de iure male convenerit, studiis factionibusque publica tranquillitas turbabitur, dum suae quaeque pars sententiae suffragatores, addo etiam vires, publicae salutis oblita, comparai. Quam autem non 350 solitudinem malis, quam intestinis flagrantem odiis urbem colere? Proinde, cum Hebraeos Deus inter se quam coniunctissimos esse rectissimeque consentire vellet, certas leges tulit, ut ex praescripto res iudicarent, ne quando ius controversum dissidium pareret. Plerisque item aliis civitatibus vel principum tyrannis, vel civiles discordiae 355 imposuere legum condendarum necessitatem. Nam cum inter se Athenis de iure publico perpetuo conflictarentur tres per id tempus factiones, homines, opinor, non pessimi, sed male inter se, ut fit, in imperio cohaerentes, eaque dissensio, morbo civitatis ingravescente et gliscentibus odiis, universis exitium minaretur, respublica Soloni 360 mandata est. Is leges tulit, quibus libertatem et otium urbi restituit. E t cum cerneret has unicum esse concordiae valium, constituit, ut qui ius dicerent, conceptis verbis iusiurandum darent, se ex legibus res iudicaturos esse. Qui magistratuum arbitrio simpliciter omnia I committunt cum Solone, si übet, expostulent, non mecum, qui ad 365 consociandos inter se civium animos tantum facere momentum scriptas leges existimavit, ut ex suo arbitrio magistratus ius dicere vetuerit. Sed recita iusiurandum r|Xiacruxòv, sic enim Demosthenes vocat 2 3 . Fuerunt et hae fere causae, cur Romani scripto iure uti maluerint. Nimium sibi principes sumebant; plebs non satis tuto 370 creditam optimatibus libertatem existimans, saepe imperium auctoritatemque detrectabat, de iure saepe dissentiebant inter se etiam boni viri. Haec coegerunt tum plebis temeritatem, tum magistratuum vim certis legibus moderati; suntque duodecim illae tabulae, fons iuris f dissentient Orig. 23

In Timocratem (746/747), Loeb Classical Library, Demosthenes, III, p. 469.

zoo

Oratio de legibus

[CR X I 78]

nostri, prudentissimorum hominum iudicio propositae. Id iugum 375 cupide universa civitas accepit, cum sentirei urbem non diu futuram incolumem, nisi legibus muniretur. Porro cum civitates orbis terrarum principes coegerit necessitas pene Diomedea leges condere, quis furor est, apud nos iam usu receptas velie abrogare ac inducere ? Magna consuetudinis vis est, 380 quae mores omnes, quibus assuefacti sumus, sine perturbatione publica mutari non sinit. Quare leges vel hoc nomine, quod consuetudini« mos gerendus est, oportuit conservari. At cum de rebus humanis etiam bene mereantur, publicam tranquillitatem et libertatem tueantur h , obsecro non insaniunt, qui refigere iubent? Actum fuerit 385 de religione, de humanitate, de rebus bonis omnibus, nisi coetus hominum iure cogantur ac defendantur. Neque vero inter caetera legum beneficia hoc praetereundum est, quod de expetendis fugiendisque rebus rectas civibus opiniones inserunt. Id adeo ad formandos mores magnum habet momentum. Errant enim mortalium ingenia, 390 nisi certis praeceptis regantur, et ut quidque maxime commodum in praesentia videtur, ita maxime licere putant, oculos mentemque libido praestringit, ut quod maxime cupimus, saepe, nisi dehortetur legum auctoritas, optimum esse ducamus. Avarus nihil esse vitii in foenore faciendo existimat. At si valerent leges, quae foeneratoribus maiorem 395 mulctam constituerunt quam furibus, quis non execraretur foenus? Sunt quos parum pudet mentiri. At cum ex lege duodecim tabularum e saxo Tarpeio deiciebatur 24 , qui falsum testimonium dixisse convictus erat, cane peius et angue mendacium oderat multitudo. Perpetuum otium nunc in lauta vitae parte ponunt. At cum Atticis 400 legibus|capitalis esset desidia, graviter audiebat. Furem abominamur, quod in eum gravissime animadvertatur, augetque 1 crimen poenae atrocitas. Praedonis loco habes eum, qui debitoris rem aut pecuniam usurpai, nisi sponte datam; peperit hanc opinionem lex, quae pronunciai, vim esse, quoties quis id, quod deberi existimat, noni per 405 iudicem reposcit 25 . Nihil autem cum opinionibus, tum moribus nostris instabilius esset, nisi ex certis legibus compararetur k . Nam ut nautae « consuetudine i om. CR.

Orig.

h k

tuentur Orig. compararentut

1

CR.

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CR.

24 Aulus Gellius, Noctes Atticae, X X , 1, 53 ; deutsche Ausg. von Fritz Weiss, 1876, Darmstadt 1965, S. 480. 25 D. 4. 2. 1 3 ; cf. D. 48. 7. 7.

[CR X I

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79]

Oratio de legibus

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cursum ad ea sidera, quae eodem semper loco circumaguntur, dirigunt, ita par est, ut ad leges, quae a sapientissimis hominibus latae, et virtutis viam rectissime indicant, et sui nunquam dissimiles sunt, opiniones nostras exigamus. Sed ut nulla ratio sit, cur scripto iure utamur, certe Romanae leges merebantur, quas hue importaremus. Quare maiorum nostrorum prudentiam laudo, quod Romanas potissimum leges delegerunt, quas in iure dicendo sequerentur. Et quando hactenus benigne mihi audiendo operam navastis, favete, quaeso, et reliquae orationi. Exponam enim breviter, cur tantopere iuvet, a Romanis leges mutuari. Vetus hic mos est, ab optime constitutis urbibus exempla petere. Nihil puduit Atticos, Aegyptias quasdam leges usu capere, ut Herodotus testatur 26 . Nemo Romanis vitio vertit, quod cum cogeret publica necessitas leges conscribere, in Graeciam legatos misere, qui inde legum formulas adferrent et de republica instituenda summos in Graecia homines consulerent. Id cum et maiores nostri fecerint, cum Romanae reipublicae instituta ad nos attulerint, quid quaeso peccarunt? Quae tandem ars ex liberalioribus illis domi nobis nata est? Literas, temporum discrimina, siderum ortus et occasus, architectoniam, musicam exteri docuere, sine quarum cognitione vita piane manca est; in quibus si nihil offendit peregrinitas, quid vetat externis legibus uti? Quis dubitai nostra cultiora esse, et literis et legibus Romanis advectis, quam fuere prisco ilio barbaro seculo, cum nec ingenuis artibus animi nostrorum privatim fingerentur, nec publico iure aut certa disciplina mansuefierent. Adeone praesentium poenitet, ut mutare cum veterum barbarie libeat? Quae cuiusmodi fuerit, vel ex eo potest aestimari, quod humanis hostiis apud hos litatum est. Eant quos tantopere vetustas delectat et glandibus etiam vescantur. lam cum Romani literas nos artes aliasque docuerint, quid fuit cur non illorum leges etiam imitaremur, cum | nulla fuerit respublica, quae aut plura nobis, aut illustriora virtutis humanitatisque exempla aut humaniores leges proponere potuerit ? Fuit illud omnino unicum virtutis atque humanitatis in terris domicilium. Longum fuerit recensere, qui ibi iuxta et in toga et foris, omnium belli pacisque artium periti, clari fuere. Noti sunt Camilli, Curii, Fabricii, Fabii, Claudii, Scipiones, Crassi, Iulii, Cicerones, Scevolae. Didicerant hi respublicas

24

Herodot, II, 177.

202

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Oratio de legibus

[CR X I 79/80]

regere, non in umbra et in ocio, ut Graeci, sed in sole ac pulvere, usu 1 magistro, vim, inconstantiam variasque voluntates vulgi domi forisque toties experti, norant, quibus artibus in officio retinenda tractandaque sit multitudo, norant, quae pharmaca civitatum morbis convenie n t . Itaque Vergilius, cum alias artes aliis gentibus concédât, Romanis scientiam gerendae reipublicae tribuit: Tu regere imperio populos, Romane, memento Parcere subiectis et debellare superbos 27. Porro cum hi, qui musicae operam daturi sunt, ad nobilissimos se magistros conférant, cum pictores optima sibi exempla proponant, cur non et in gerenda república optime constitutae urbis tum exempla, tum leges usurparemus? Milesias credo aut Sibaríticas leges isti, ut sunt impuri, nobis ferent, qui Romanas tantopere oderunt. M. Cicero, cum de optimo civitatis statu disputât, non alias nisi Romanas leges fert easque naturae maxime omnium consentaneas esse censet; cui si quid credimus, a natura discedunt, qui a Romanis legibus dissident. Vernáculo quodam iure m Saxones adhuc alicubi utuntur, in quo quam multa ex Romanis legibus emendata sunt? Quid fuit minus humanum, quam quod vetuere Saxones, ne nepotibus amisso patre avita haereditas veniret? 2 8 Correcta lex est in comitiis populorum Germaniae latumque, ut deinceps Romanum ius ea parte Saxones sequerentur. Et municipalia passim statuta, quoties aequitas poscit, sunt enim fere barbara, Romanis legibus emendantur. Adeoque magno consensu ius Romanum tanquam oraculum nationes omnes de aequitate consulunt sentiuntque leges et placita omnia ad hanc regulam exigi debere et in hoc extare volunt, ut in diiudicandis pensitandisque omnibus, quae in publicis consiliis decernuntur, gnomonis vice sit. Tam sanctam plurimarum gentium conspirationem reprehendere, quid aliud est nisi insanire ? Et meo iudicio sane quam multum interfuerit reipublicae, ut maxime | in foro apud nos non versarentur Romanae leges, in bibliothecis eas adservari, ut inde gerendae reipublicae rationem, aequi et iniqui iustum discrimen peterent, quicunque ad 1

27

usum CR.

m

iuri CR.

Aeneis, V I , 851 sqq. Hier irrt Melanchthon; vgl. Sachsenspiegel, Landrecht, I, j , 1 ; dazu Muther, S. 31, Anm. 32; Rudolf Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. Aufl., Leipzig 1930, S. 767; Hans Tbieme, Statutarrecht und Rezeption, Festschrift Guido Kisch, Stuttgart 1955, S. 82, Anm. 46. 28

Oratio de legibus

[CR X I 80]

203

475 publica munera tractanda animum adiecerunt. Quid enim furiosius est, quam, quod fere evenit, accedere ad rempublicam nullis instructos literis, nulla praeditos neque humanitatis, neque aequitatis scientia ? In scenam nemo prodit, nisi histrionicam probe meditatus ; nemo fidibus ludit, nisi musicam teneat. Quanto magis oportet eos, qui respublicas 480 capessunt, qui consilium, qui opem innocentibus pollicentur, honestis artibus dedolari antea et in schola bonarum rerum studio gravioribus negotiis praeludere ? Sunt enim hebetiores fere in discernendis rebus communibus, quorum iudicium nullae literae acuerunt aut confirmarunt et feri magis impotentioresque, quorum pectora mansuetior 485 disciplina non molliit. Belluam aliquam immani saevitia ex cavea in mediam multitudinem iures emissam esse, non imperare hominem, sicubi in inculti imperitique magistratus potestate rempublicam esse videris. Quare a doctissimis hominibus de regendis civitatibus, de iure, aequo ac bono multa conscripta sunt, ut vim virtutis et iusticiae 490 principum oculis subicerent. Extant Piatonis politici libri non pauci, extant eodem argumento et Aristotelici, depinxit graphice principem Xenophon, quem Scipio sic amasse fertur, ut nunquam de manu poneret. Fateor de rebus humanis istos benemeritos esse et multa utiliter monuisse dignosque duco esse, qui in manibus, in sinu ge495 stentur ab omnibus, apud quos in pretio virtus est; verum nescio, quo modo mihi adumbrasse magis, quam vivis coloribus expressisse respublicas videntur, dum a communi consuetudine et civilibus moribus longius recedunt et pro suo quisque stomacho civitatem sibi somniant n . Plato, ut caetera omittam, mulieres etiam militare iubet 29 ; 500 Aristoteles dubitat, an oppida moenibus cingenda sint30. A d haec frigidis argutiis fere immodice delectantur. Socrates apud Platonem ex iustitia xXejixixr)v facit 31 . Aristoteles partim in geometricis proportionibus, partim in arithmeticis consistere iustitiam scribit 32 . Laus ingenii petitur his parergis, ad rem non ita multum faciunt. Abso505 lutum° vero civitatis effigiem est cernere in his legibus, quae non in scholis natae sunt, sed in curia, in foro, ut bonis profugium et portus et adversum improbos teli vice essent. Ut offendunt mimi|nisi proxime n

29 30 31 32

somniat Orig.

0

absolutam Orig.

Republik, V , 452. Politik, V I I , l i , 1330b — 1 3 3 1 a . Republik, I, 334. Eth. Nie., V , 6 sqq., 1 1 3 1 a sqq.

204

Oratio de legibus

[CR X I 81/82]

repraesentent, quos imitari instituere, ita et leges parum probamus a communi captu remotiores. Quare hoc mihi plane persuasi, utiliorem 510 esse Romanarum legum cognitionem iis qui respublicas gerunt, quam philosophicarum in hoc genere disputationum. Graviter, civiliter et humanitus omnia constituta sunt a legum auctoribus idque res cogebat. Erant enim ad civilem hominum consuetudinem leges accommodandae, non aliter atque pharmacum attemperari oportet aegri corporis naturae 515 ac viribus. Philosophi sibi in scholis quaedam libere permisere, quae in gerendis rebuspublicis p non fuerit consultum sequi. Sunt quaedam in Europa gentes, quae non iudicant res ex Romanis legibus, sed vernaculis. Et tarnen qui ibi respublicas gesturi sunt, fere Romanas leges apud exteros discunt, qui, ut accipio, interrogati, quid, cum 520 nostrarum legum non sit apud eos usus, in eis cognoscendis tantum operae ponant, respondere soient, animam se spiritumque legum — sic enim loquuntur — excipere, hoc est, aequitatis vim ac naturam hinc decerpere, ut de patriis legibus rectius iudicent. Laudo prudentissimam vocem, qua significant, omnia rectius perspexisse summos 525 illos viros, nostri iuris auctores, et neminem satis instructum esse ad civitatem regendam, qui non in his cognoscendis tyrocinium fecerit. Quid quod in his iureconsultorum literis bona pars antiquitatis reliqua est ? Veteres mores, sermonis Romani pleraeque figurae, quas nisi hi explicarent, in aliis scriptoribus nonnunquam non aliter atque 530 in luto haereremus nec intelligi optimorum auctorum plerique insignes loci possent. Quodsi historia, si aliae veterum literae nobis, ut debent, curae sunt, cum his passim lucem adferant iureconsulti, vel a grammaticis et rhetoribus eorum commentarios adservari oporteret. Itaque nisi simul omnibus literis bellum indicemus et piane in beluas degenerare 535 iuvabit, non permittendum est, ut situ ac senio Romanae leges emoriantur. Quosdam nobilium urbium picturae, quosdam marmora, quosdam statuae delectant eaque summa cura conservant. Quae, malum, barbaries est, leges, plusque 1 aureumpulcherrimae urbis monumentum et germanam eixóva obliterare ? Quidam clarorum hominum 540 sententiis unice capiuntur, parietibus inscribunt, annulis insculpunt, illinunt omnibus chartis, si qua r insigniter placuit. In his voluminibus tot extant gnomae quot leges, erutae ex|intimis sapientiae penetralibus s , ex doctissimorum poetarum, oratorum et philosophorum monu-

P rebus publicis Orig.

1 plusquam CR.,

» ex . . . penetralibus om.

Muther.

Muther.

r

siqua Orig.,

CR.,

Muther.

205

Oratio de legibus

[CR X I 82/83]

mentis, et recitant doctissimi* rerum humanarum omnium imperatores 545 et iurisconsulti u , nostrorum rabularum dissimilares, quam sunt Chiorum in [Thalis] v Coi, sed instructi Uteris, usu reipublicae domi forisque gerendae exercitati. Vel tantorum virorum memoriae hic honos debetur, ut tanquam exuvias eorum scripta conservemus. Quod cum summa cura maiores nostri praestiterint, aequius est, 550 illorum nos exemplum imitari, quam iis obsequi, qui non modo legibus male propitii sunt, sed prorsus neque ius, neque bonum atque aequum sciunt; melius, peius, prosit, obsit, nihil vident, nisi quod übet. Poscit hic locus, posteaquam sententiam de legibus nostram 555 exposuimus, adversariorum calumnias refutare, quae quia leviusculae et pene ridiculae sunt, paucis a me perstringentur. Mutilae, inquiunt, legum rhapsodiae sunt. Publica ea calamitas est, quam insectari minime convenit, miserescere erat humanius. Op tarent autem boni omnes, si quid votis proficitur, integra veterum iureconsultorum 560 volumina extare. Verum cum haec tantum fragmenta fortuna nobis reliqua fecerit, impium fuerit, velut ex naufragio receptis hospitibus, vitam invidere, praesertim non malis. Nam qui haec consarcinarunt, intégras tarnen sententias nobis et legum capita, quantum satis erat, tradiderunt. De singulis casibus anxie superstitioseque constituere 565 nihil refert, satis est genera rerum et communes quasdam formulas, quemadmodum in aliis fit artibus, concipere, quibus similia inter se facta metiamur, ne, si res in immensum crescat, nemo consequi possit. Deinde in legibus omnibus res cogit brevitatem adfectare, ut animis facilius infigi possint tanquam brevia ajtocp^gyuaxa. 570 Sed ogganniunt adversarii, obruta esse omnia et conspurcata sordidis interpretum commentariis. Ego vero Romanis legibus patrocinor, non neotericis interpretibus, quorum, si prodesse voluere, laudandus est conatus. Et tamen quicquid istic vitii est, id universum simul w imputo inscitiae humanitatis et elegantium literarum, quibus 575 qui non sunt perpoliti, hi nihilo ad tractandas graviores disciplinas magis adpositi sunt quam ad lyram asinus. Primum enim cum Romano sermone conscriptae sint leges, quomodo in eis versabitur, qui linguae figuras ac vim non tenet? Iam, etiamsi|Scythicus legum sermo esset, tamen pinguius iudicant, docent obscurius et impru4 w

doctissimos semel Orig.,

CR. CR.

u

iurisconsultos

CR.

v

talis

Orig., CR., Muther.

2O6

Oratio de legibus

[CR XI83]

580 dentius, quacunque de re dicere instituunt, dant sine mente sonum, quotquot dicendi artes non attigere. Magna vis est in humaniorum literarum studio, quam animo rectius cernere, quam oratione depingere possumus. Et exempla superioris aetatis commonent, quid sapiant, quotam mentis unciam reliquam habeant ii, qui ab istis artibus alieni 585 sunt. Vides, quam inepte tradiderint suas artes philosophi, quanto conatu, quantas nugas docuerint. Nihilo saniores iureconsulti fuere, qui disputarunt de La2aro, valueritne testamentum, posteaquam is revixit, et hoc genus innumera. Solebat apud nos 33 doctus quispiam homo istorum ineptias festivo commento ridere. Non procul oppido 590 quodam, aiebat, ad flumen pistrinum, ex quo cum non ita multo ante aquatum asinus descendisset, cum in extrema ripa seu lutulenta seu tenuior aqua flueret, quam ut os imbuere posset, in proximam cymbam x forte pergit, unde uberiorem iusti amnis aquam hauriret. Porro cum inscendisset naviculam, impetu detorquet a ripa in medium flumen, 595 quo cum esset excepta, secundis ventis in scopulum defertur. Hic postquam impegit, fracta est, et imperitus ille nauclerus in undis periit. Doluit molitori, ubi rem rescivit, iactura et piscatorem in ius vocat, damnum dedisse accusat, quod eius navigio iumentum avectum sit. Contra, ille factam ab asino pauperiem seque damnum accepisse 600 exclamat, quod navigium amiserit, in flumen ab asino impulsum. Utrinque acerrime a conductitiis rabulis certatum est. ludici causa visa est intricatior, quam ut liceret non consultis iuris professoribus pronunciare. Deferunt ad leguleios. His vero negotium mirum factum est, dum pro se quisque vindicare asinum contendit, disputationes 605 varias instruunt, rixantur de asino in scholis et conciliabulis pertinacius, opinor, quam Graecus ille de asini umbra, et haud scio, an nondum etiam de summa rei decreverint. Obsecro non insanire tibi videantur. si qui se in tam ridicula causa diu torqueant? Verum, mihi crede, istorum disputationes futiliores sunt hac molitoris contentione. 610 Quotus enim quisque de communibus rebus civiliter et ex communi sensu iudicat? Ingenia in stultis formulariorum literis obbrutuerunt hasque in scholis et foro non aliter atque suas epodas magi non intellectas recensent. Nihil hic de grammaticis | et puerilibus erratis, de barbarie sermonis queror, quam praescriptione tuentur, iudicii inopiam

* cybam 33

CR.

„Apud Tubingenses, non apud Vitebergenses"; Muther,

p. 39, n. 39.

[CR X I 84]

Oratio de legibus

615 accuso, qua fit, ut nec ius nec fas in plerisque causis cernant. Adversus eam pestem dicendi artium studio mens praemunienda est, perinde atque adversus Circes venena Ulyssem moly herba Mercurius praemuniit 34 . Si quid iuris interpretes inscitia literarum peccarunt, vestrum est, vestrum, inquam, honestissimam provinciam repurgare et explosis 620 indoctis commentariis a situ et squalore leges adserere et germano nitori restituere. Id humanius est, quam leges ipsas, neutiquam male meritas de nobis, obliterare. Sed audio edam de professorum moribus nonnullos queri. Primum optarim hos censores in suis vitiis emendandis, nolo enim nunc 625 quidquam acerbius dicere, tarn esse acres, quam sunt in reprehendendis alienis oculati. Deinde cum sint in hoc ordine plerique boni viri, iniquum est legibus imputare, si quid adferunt vitii professores. Iam ego ob hanc causam doctissimos et optimos quosque cupio legibus discendis operam dare, ut, extrusis veteratoribus et sycophantis illis, 630 iudicia forumque redeant aliquando in honorum ac doctorum virorum potestatem. Modo res iudicant indocti fere, qui, ne nihil sapiant, unum aliquem ex vulgaribus pragmaticis in consilium adhibent, in quibus ut quisque est indoctissimus, ita est audacissimus et nequissimus. Huius vident oculis, huius audiunt auribus reliqui omnes, 635 quod hic somniarit, reliqui decernunt: ait, aiunt; negat, negant. Capita sunt sine linguis, ius ipsi et vim aequitatis ignorant. Leguleius ille naribus omnes tanquam bubulos trahit. In tanto iudicum veterno irrepunt in forum et vanissimiv rabulae causas acturi, qui, quando is quaestus est uberrimus, ex litibus lites serunt, clientes deglubunt, 640 respublicas depeculantur, indoctum iudicem novis subinde technis ludificantur. Non possum adduci, ut credam, Athenis unquam sycophantas, qui sic dicebantur, ullos nostris impudentiores nequioresve fuisse. Ausim et haec vitia inscitiae elegantium literarum imputare, quarum qui sunt imperiti, nescio quibus artibus ad honestatem 645 flecti possint, quando vim virtutis, nullae aliae literae perinde oculis nostris subiecere, atque hae, quae humaniores rectissime vocantur. Et cum ne leges quidem ipsas attingant isti, tantum ex versutorum quorundam formulis sapiant, ne possuntjquidem contagione pestilentissimarum literarum non infici. y vanissimae CR. 34

Homer, Odyssee, X , 302 sqq.

Oratio de legibus

2O8

[ C R X I 85]

650

Proinde cum nulla meliore disciplina animi ad virtutem adsuefacti sint, nihil pudet in quaestu ius habere, vitiare leges, detorquere z malitiosis interpretationibus, in quam volunt partem. Solonem refert Demosthenes, cum reum ageret quendam perniciosae legis autorem, dixisse, cum capitale sit nomisma adulterare, morte mulctandos esse 655 etiam eos, qui leges vitiant, propterea quod ut in privatis commerciis ac contractibus nomismate utimur, ita publicis commerciis et negociis leges esse nomismatis vice 3 5 . Recte Solon. Atque utinam eo redeat res, ut et in nostris iudiciis petulantia impudentiaque rabularum coherceatur, mulctetur dolus. Id adeo fiet, ubi ad rempublicam boni 660 viri adcedent, literis et cognitione iuris instructi, quibus isti imponere nec ausint nec possint. Itaque reipublicae interest, ut optimi quique et virtutis amantissimi ius perdiscant, ut, si quando publicum munus tractandum est, recte gerendae provinciae artes teneant. Videmus enim quos ludos rebuspublicis ubique magistratus imperiti et indocti 665 reddant, quos, ut boni sint, necesse est, multa incautos peccare, et tamen fere ita fit, ut deteriores sint, quo sunt indoctiores. Dixi de legibus longius fortasse, quam ferebat tempus, sed omnino parcius, quam et res poscit et ego volebam. Reliquum est, ut eos, qui in legibus versantur, adhorter, ut strenue pergant nec e 670 medio cursu revocari se indoctorum vocibus patiantur. Nam cum iudicia adprobet religio, non modo non impium, sed sanctum etiam officium faciunt, qui rite de iure respondent aut res iudicant. Plerique posteaquam hanc induere persuasionem, versari se in re prophana, et quam Deus nihil moretur, minore fide curaque munus suum obeunt. 675 Hos meminisse volo, Deum et iuris auctorem esse et vindicem futurum. Libra et pondus, inquit Solomon, iudicia Dei sunt 3 6 . Quare si quid iniquum statueris, non hominum tantum mores violati credas, sed Deum, a quo iudicia constituta sunt, offendi sentias. Non hominis, ait optimus princeps Iosaphat, exercetis iudicium, sed D e i 3 7 ; 680 adest spectator et arbiter consiliorum vestrorum Deus 3 8 ; sit timor Domini vobiscum, accurate rem gerite 3 9 . Hoc vero divinus spiritus z

detorqueri Orig.

35 In Timocratem (765/766), Loeb p. 5 0 6 - 5 0 9 . 36 Prov. 16. 1 1 . 37 2. Paralip. 19. 6. 38 Cf. 2. Paralip. 16. 9. 39 2. Paralip. 19. 7.

Classical Library, Demosthenes,

III,

[CR X I 86]

Oratio de legibus

209

oraculum non illi tantum seculo, sed omnibus, qui ubique ius dicunt, prodidit. Nulla sanctior in terris functio est quam oixovo|iia|ecclesiastica. Huic proxima est, ius dicere, quam si recte gesseris, nemo 685 monachus, nemo heremita superiore est apud Deum loco. Prophanum munus est, sed quod non minus religiose tractari oportet, quam ad :iram accedendum est sacrum facturis; imo hic vere sacrum facis, cum publicae tranquillitati ac paci operam navas. Quo pluris autem hoc officii Deus facit, eo sunt execrabiliores, qui publicam in foro 690 sycophanticam exercent, bonorum extortores, legum contortores, qui vel ob hanc causam ferendi non erant, quod a civitatibus horum flagitia Deum non raro abalienent, graviter succensentem constupratis iudiciis. Porro cum non dissideant cum pietate leges et usu receptae sint, nihil moremur eos, qui se insectandis civilibus moribus ad vulgus 695 venditant. Nam sine publica calamitate receptas leges mutari non posse, et res docet, et sapientissimi quique monuerunt. Extabat apud Locros in bene constituta civitate ea de re lex, ut quisquis adversus receptas leges rogationem ferret, is earn inserto in laqueum collo suaderet. Quae si videbatur e republica esse, salvus evadebat autor; 700 strangulabatur autem constricto laqueo, ubi oratio displicuisset40. Neque dubium est, quin id ita constitutum sit, ne temere inducerentur usu confirmatae probataeque maiorum iudicio leges. Et Athenis vofiocpûXaxeg erant, qui apud praefectos in omnibus publicis conciliis candidis fasciis coronati adsidebant, ut prohibèrent, ne quid contra 705 receptas leges decerneretur. Denique ut quaeque civitas optime constituta fuit, ita minime passa est leges antiquari. Proinde nos quoque publicum ius diligenter tueamur, praesertim cum Romae natum sit, in principe orbis terrarum republica, in prudentissimorum et doctissimorum hominum conciliis, quorum non modo literae nos 710 aequi et iniqui discrimen docent, sed exempla edam et res praeclare gestae ad virtutis Studium adhortantur. Dixi.

40 Demosthenes, In Timocratem (744), Loeb Classical Library, Demosthenes, III, p. 463, 139.

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Oratio res iudicandas secundum scriptum ius

[CR X I 215]

2 Oratio in promotione cuiusdam iurisconsulti, habita a Doctore Sebaldo Munstero: Res non iudicandas secundum arbitrium iudicis, sed secundum scriptum ius. Anno 1532 Liber selectarum Declamationum Philippi Melanthonis, quas conscripsit et partim ipse in schola Vitebergensi recitavit, partim aliis recitandas exhibuit. Crat. Myl. — Argentorati ex officina Cratonis Mylii, mense Martio, A n n o M . D . X L I [ 1 5 4 1 ] , p. 2 1 3 — 2 1 7 . 1532

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( j u m ante paucos dies vir clarissimus Doctor Hieronymus [Schurpff], praeceptor noster optime meritus, et de magnitudine professionis nostrae sapientissime dixerit et gravissima oratione negligentiam discentium castigaverit, spero vos propter autoritatem viri summi libenter meminisse eius orationis eaque ita affici, ut genus ipsum doctrinae sua magnitudine metientes, statuatis vobis et solidam eruditionem expetendam et ad earn consequendam Studium acerrimum conferendum esse. Me quidem ipsum valde movit et curam mihi sollicitudinemque maiorem accedenti ad forum et rempublicam circumdedit. Itaque de his ipsis rebus nihil arbitrabar a me dicendum esse. Nam neque autoritatem maiorem ad vos adhortandos afferre quisquam potest, quam ille affert, propter summam doctrinam et maximum rerum usum. Neque video, quid dici gravius in ea causa possit. Quoniam autem haec scena me quoque dicere aliquid cogit, peto a vobis, quia in hunc locum ascendi non privato Consilio, sed autoritate amplissimi ordinis nostri, ut me pro vestra erga hunc ordinem benevolentia dicentem benigne audiatis. Institui autem disputare de quadam vulgari persuasione hominum sive imperitorum sive invidorum, qui ius scriptum ex foro et iudiciis eici volunt et iudicari res sine certis legibus arbitrio eorum, qui iudicia exercent. Nam hac opinione refutata facile intelligi potest, hoc doctrinae genus, in quo versamur, reipublicae necessarium esse. Nonnulli aegre ferunt sibi in iudiciis nihil loqui licere, nisi dictata a iureconsultis. E t quia pudet

[CR X I 216]

Oratio res iudicandas secundum scriptum ius

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velut mutas personas assidete in iudiciis, non de publica utilitate, sed 25 de sua existimatione dimicant, iubent auferri hoc scriptum ius, ut ipsi quoque sapere aliquid putentur. Et adplaudunt his indocti atque imperiti multi, sed reclamant exempla tot rerumpublicarum et sapientissimorum virorum, qui leges scripserunt [ et usu compererunt, non posse teneri tranquillitatem rerumpublicarum sine scripto iure. 30 Atque ego interdum de his rebus cogitans, conferre soleo medicinam et hanc scientiam rerum iudicandarum. Plane ridicula res esset, si quis literas omnes et doctrinam, quae medicinam continet, aboleri vellet, et ex quadam communi prudentia potius consuli aegrotis. Obsecro quale futurum esset hoc medendi genus, sine doctrina, sine 35 experientia, sine observatione ulla ? Profecto nihil aliud nisi carnificina esset. Ita iudicia in domesticum latrocinium converterentur, si sine legibus pronunciare liceret, quidquid aut stulto, aut imperito, aut irato iudici in mentem veniret. Et ut maxime iudicia prudentes et boni tenerent, infinitae inter hos dissensiones orirentur. Multa enim 40 incidunt, ubi aliud aliis videtur, et qui velit ingenio cedere, rarus erit. Deinde ut maxime conveniat inter hos, qui pronunciant, quomodo poterit persuaderi contentiosis litigatoribus, rectissimum esse, quod illi pronunciant, nisi scriptum ius extet, quod cum sit commune f oedus civitatis, ut ille ait, litigatori non licet eius autoritatem detrectare. 45 Nam his legibus quasi pactus est cum magistratu cumque tota republica, ne quid moveat contra eas. Itaque scriptae leges muniunt iudicum autoritatem adversus improbos et contentiosos ütigatores. Neque ego ignoro, quae contra dicantur; semper enim facillimum est, praesentem rerumpublicarum statum reprehendere. Sed quid futu50 rum esset sublatis legibus ? Si eius status incommoda videre possemus, praesentem formam magnopere nobis defendendam esse statueremus. Exempla videamus. Etenim non ferenda arrogantia est, de re omnium maxima dissentire a sapientissimis viris, qui maximas respublicas constituerunt. Nullum certum ius habebant Athenae, itaque ex 55 iudiciorum confusione maximae seditiones extiterunt. Nec poterat restituì civitatis tranquillitas, nisi certae leges essent, quibus praepositis nemo posset fidem iudicum in dubium vocare. Idem Romae accidit; et quidem populus Romanus Graecas leges describi, ut optimae atque humanissimae eligi possent, curavit. Quid, quod ita 60 Deus ipse iudicavit, qui cum rempublicam Ebraeae gentis constitueret, certas leges tulit et ex scripto iudicari iussit. Quanquam si recte aestimare volumus, non hae tantum Ebraicae leges divinitus traditae

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Oratio res iudicandas secundum scriptum ius

[CR X I 2 1 7 ]

sunt, sed sentiendum est, vere divinitus respublicas etiam apud gentes constitutas et | gubernatas esse, sicut Paulus testatur: Omnes res65 publicas, omnia imperia a Deo ordinata esse 1 . Quare Deus non solum Iudaicarum legum, sed etiam harum nostrarum autor est, quas sapientissimae nationes et optime constitutae civitates tenuerunt. Extat haec disputatio et apud Aristotelem: Utrum satius sit, res ex scripto iure iudicare, an ex arbitrio iudicum; sed Aristoteles longe 70 praefert ius scriptum. Et quidem ita dicit : Qui legem praeficit, Deum et leges vult praeesse, sed qui hominem praeficit, addit ei belluam 2 , videlicet cupiditatem et iracundiam, quae sunt belluina et pervertunt animos etiam in viris optimis. At lex est mens sine cupiditate. Sed quid isti Centauri iudicium Aristotelis morarentur, qui neque maximo75 rum virorum, qui respublicas constituerunt, neque sapientissimarum civitatum, denique neque Dei iudicio moventur. Scilicet plus vident homines ebrii, stulti, imperiti quam Solon, quam senatus Atheniensis ac Romanus, quam Moses, denique quam Deus ipse, conditor rerumpublicarum et legum autor. Sed quid in re manifesta opus est longa 80 disputatione ? Haec dixi tantum ad praemuniendos adolescentes, ne perniciosis illis opinionibus indoctorum adsentiantur. Demosthenes in quadam gravissima causa dicit, legem fuisse apud Locros, ut si quis suasurus esset novam legem, proponeret suam sententiam universae civitati, collo inserto in laqueum, ut si res displicuisset, statim 85 strangularetur, sin autem placuisset nova lex, dimittebatur autor incolumis, exempto collo ex laqueo 3 . Et quia nemo facile iudicium universae civitatis subire ausus est annis amplius ducentis, nulla nova lex lata est. Haec Demosthenes recitat, ut doceat, in bene constituta republica praecipue hoc caveri, ne temere leges mutentur. Proinde 90 sciatis, vobis, adolescentes, nullo modo cum ineptis illis sentiendum esse, qui ius scriptum et hanc doctrinam, quam profitemur, ex foro explodi volunt. Quin ita cogitate, inter caetera honesta officia hoc quoque requiri, ut de iure ac legibus reverenter sentiatis. Vos vero, scholastici iuris, memineritis hanc doctrinam non solum ad hoc tradi, 95 ut causidicos efficiat callidiores, sed multo magis, ut viros iustos ac

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Rom. 15. 1. Pol. Ill, 16, 1287a. In Timocratem (744), Loeb Classical Library, Demosthenes, III, p. 4 6 3 , 1 3 9 .

[CR X I 218]

Oratio res iudicandas secundum scriptum ius

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bonos efficiat. Hoc putetis in hac doctrina praecipi, quod est apud praestantissimum poetam: Discite iustitiam moniti, et non spernere divos 4 . Dabitis igitur operam, ut cum ipsa doctrina studium iusticiae et 100 omnium virtutum coniungatis. | Quod quidem facietis, si ad perfectam doctrinam aspiratis. Nemo enim perfectam doctrinam consequi potest, nisi dignitatem et magnitudinem harum rerum intelligat. Id autem fieri non potest, nisi vim virtutis intelligat. Et cum perfectam doctrinam expetetis, ordo etiam adhibendus erit, et sumenda ex aliis 105 artibus instrumenta necessaria ad hanc professionem. Quare si quis est, qui contemptis omnibus literis irruitad ius, is sciat, se ipsi doctrinae iuris iniuriam facere, quae neque vult contemni alias bonas artes, ñeque percipi sine magna scientia multarum aliarum artium potest. Dixi.

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Vergil, Aeneis, V I , 620.

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Oratio de Irnerio et Bartolo

[CR X I 350]

De Irnerio et Bartolo iurisconsultis oratio recitata a D. Sebaldo Munstero Tomus secundus Philippi Melanthonis cum Praefationum in quosdam illustres autores, tum Orationum de clarissimorum virorum vitis. Servestae. Excudebat Bonaventura Faber. M D L X X X V I I [1587], p. 409—422.

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A-rbitror plerisque vestrum notissimam esse historiam de Imperatore Romano Alexandra Severo, qui cum coetum haberet frequentem iureconsultorum, plenum dignitatis, (nullam enim constitutionem faciebat, nisi viginti iurisconsultis adhibitis, cum quidem singulorum sententias scribi ac disputari vellet) magna benevolentia omnes complexus est. Sed cum Ulpiano maior erat familiaritas, qui, ut nunc vocant, summus Cancellarius erat. Hunc tanquam patrem venerabatur, hic non modo curiam, sed etiam privatam Principis vitam Consilio et autoritate regebat. Incidit igitur et ipse in ea pericula, quae nativa sunt omnibus aulis, magnis et parvis. Necesse erat eum interdum adversari praetorianorum militum et praesidum cupiditatibus, quorum in ilia imperii opulentia et tranquillitate praesertim tunc ingens erat licentia, superbia et rapacitas. Itaque hi, qui videbant licentiam suam frenati Consilio Ulpiani, aliquoties in praetorio impetum in eum fecerunt. Ibi Imperator suum corpus militibus obiecit ac toga sua Ulpianum texit, acerrima oratione furorem militum castigans, atque ita tumultuantes compescuit, quo officio magnam Imperator iustitiae et fortitudinis laudem consecutus est. Quos enim magis defendere debent principes quam consiliarios fideles, quos membrorum loco eos habere convenit. Sed hoc exemplo non solum admonuit caeteros principes, ut corpora tegant suorum, sed ut illam ipsam iuris doctrinam ac professionem cogitent acerrimis dimicationibus propugnandam esse. Pro hac opponant corpora sua, hanc autoritate sua tanquam clypeo tegant' adversus opiniones illorum, qui leges scriptas ac certas, qui hanc

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Oratio de Irnerio et Bartolo

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eruditam iuris formam et doctrinam e repubüca tolli cuperent, quae aequitatem ac libertatem singulorum munii, frenai licentiam potentium, ne quid sibi sumant adversus imbecilliores contra iustitiam; denique quae magnum decus est civilis societatis. Itaque ut Deus flectat animos principum ac potentum ad huius doctrinae | conservationem, magnopere decet optare bonos et prudentes. Nam hac remota, ne dici potest, quanta in aulis tyrannis, in iudiciis barbaries, denique confusio in tota civili vita secutura esset, quam ut Deus prohibeat, ex animo petamus. Ab his votis piis et sanctis auspicari orationem volui. Nam de laude professionis saepe hic copiose dictum est. Singulare et admirabile Dei opus ac beneficium est haec civilis societas, qua Deus inter se coniunxit ac devinxit homines praecipue, ut ipsius noticiam alii aliis communicare possent. Huius divini operis, videlicet humanae societatis, custos est lex; haec retinet ac munit societatem, ut noticia Dei late propagari, ut regi Ecclesiae in pace, et erudiri, ut instimi iuventus ad agnitionem Christi possit. Ad hos fines tranquillitatem lex efficit, nec levis est ea in re iurisconsulti boni et pii opera. Lucere etiam ipsius fides in gubernatione solet. Quare leges et iudicia, politicum ordinem, iuris enarrationem et conservationem tanquam eximia Dei dona amare ac venerari ex animo debemus. Haec nota sunt, sed magnitudo harum rerum, et quam pulchra, quam dulcis vitae res sit, tota harmonia politici ordinis, quam utilis Ecclesiae, non satis cogitari a iuvenibus potest. Quae cogitantes, etiam ordinem iurisconsultorum intelligent praeclare de vita hominum mereri. Sed de toto genere doctrinae saepe hic dictum est.

Cum autem et mihi hoc loco dicendum esset, ut postulai consuetudo scholae honesta et utilis, delegi historias aliquas iurisconsultorum, qui 55 inde usque a Lothario Imperatore floruerunt; magnum enim calcar est bonis ingeniis ad virtutem intueri in exempla illustria. Nec fieri potest quin professionis reverentia augeatur in iis, qui illa lumina excellentium virorum intuentur, qui tot iam seculis togatam administrationem reipublicae magna ex parte in Europa gubernarunt. Quis 60 enim nostrum de Romano senatu cogitans, cum ibi Scipionem, Laelium, Fabium, Paulum, Ae(mi)lium et similes quosdam heroica virtute praestantes animo recenset, non vehementer admiratur illos viros tanquam coelo missos ad illud imperium constituendum et gubernandum ? Omnes profecto accendimur illorum amore, quanquam

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Oratio de Irnerio et Bartolo

[CR X I 351/3J2]

65 tot ante secula extincti sint, et optamus, divinitus etiam nostrae aetati tales heroeas donati. Sic affici opinor bona ingenia, cum celebrari audiunt Irnerium, qui longo tempore Itaüamrexit; aut | Bartolum, cuius Consilio plurimum usus est Carolus Quartus Imperator. Accedo igitur ad historiam. 70 Cum Italiam Longobardi et Franci dilacerarent, paulatim ibi forma iudiciorum mutata barbarici mores recepti sunt, et Romanae leges conticuerunt. Quanquam autem in Italia veteris illius doctrinae studia nulla erant, tarnen Constantinopoli duravit professio iuris apud imperatores Graecos, sicut ibi aliarum artium studia adhuc aliquanto 75 magis florebant quam in Italia. Extant adhuc commentarli in ius Romanum scripti Constantinopoli similes glossis et enarrationibus Italicorum doctorum. Ideo postquam Italia a Germanis pacata esset Othonum tempore, et paulatim mores Longobardici emendarentur, apparet homines ingeniosos Romanum ius iterum desiderasse. 80 Nonnulli etiam instituti et exculti Constantinopolitana doctrina dexteritate in negotiis excellebant. Ita paulatim celebrari hoc Studium cepit. Sed Henrici Quinti tempore fuit in Italia vir summae autoritatis, gubernans earn partem, quae tunc erat Romani imperii, Irnerius. Is cum esset eruditus, ut arbitror, Constantinopoli aut ab iis, qui 85 audierant Constantinopolitanos, saepe ritus barbaricos in successionibus et aliis negociis ex Romano iure corrigebat aut moderabatur. Fuerat Italia graviter afflicta bellis Henrici Quarti; multorum patrimonia varie, ut fit bellis civilibus, translata fuerant. Ergo cum opus esset gubernatore praedito magna sapientia et aequitate, Italia 90 non nihil recreata est prudentia et moderatione Irnerii, qui cum posteritati etiam consulendum putaret, cupiebat autoritate imperatoria rursus proferri ius Romanum, ut certae leges et erudite scriptae extarent; nam incertum ius aeternas discordias parit. Sed in Germania incidit in bella civilia. Postea Irnerius, cum perspecta eius virtus in 95 gubernatione tam longa, et grandior aetas auxisset eius autoritatem, nactus Imperatorem Lotharium Saxonem, non impeditum civilibus bellis, et qui plurima in Italia ad muniendam tranquillitatem constituit, fuit huic hortator, ut curaret Romae et Bononiae rursus enarrari ius Romanum, et ut controversiae ex Romanis legibus 100 diiudicarentur. Ita rursus celebrari et coli Studium Romani iuris coepit. Nec inhonestum sibi Irnerius duxit, postquam tot annos cum magna gloria versatus erat in republica, in ultima aetate redire ad

[CRXI353/354]

Orario de Irncrio et Bartolo

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scholam. Sed quicquid ei autoritatis, gloria rerum gestarum et aetas 105 I pepererat, id conferre ad ornandum iuris studium voluit. Meminerat, principes Romanae civitatis, Scevolam, Crassum, Sulpitium et alios multos, qui cum essent consulares, cum provincias rexissent, cum bella magna gessissent, tamen senes et docuisseius et de iure respondisse. Fertur autem Irnerius et Romae et Bononiae docuisse, et primus ex 110 Italis glossas textibus addidisse. Hinc auspicia fuerunt renovandae huius doctrinae fausta et laeta reipublicae. Iam cogitate, quanti sit negocii leges restituere mutata veteri reipublicae forma, prorsus antiqua[ta] fori consuetudine, amissa proprietate linguae. Ex tantis difficultatibus cum primi illi restauratores feliciter eluctati sint, et 115 quasi quandam imaginem veteris reipublicae restituerint, necesse est eos non solum ingeniis et prudentia excelluisse, quem rerum usus acuerat, sed etiam diligentiam mirabilem ac studium adhibuisse in conferendis legibus et considerandis fontibus ac rationibus eruditissimarum constitutionum. Opinor tamen, Graecorum commen120 tariis adiutos esse, quorum aliqui adhuc in Italia habentur. Ut autem Romae Papinianus auditores plurimos summa eruditione et summis ingeniis praeditos post se reliquit, Ulpianum, Paulum et alios multos, ita Irnerium secuti sunt ipsius auditores, Bulgarus, Azo et alii, qui pariter et in administratione reipublicae et in schola floruerunt. 125 Excitata igitur Italia huius doctrinae admiratione, magno studio in earn incumbere coepit. Quare multi extiterunt, qui docendo, scribendo, respondendo, regendis imperils, optime de vita hominum meriti sunt. Nec negati potest, huius doctrinae cognitione Italiam, Galliam et Germaniam factas esse cultiores atque mitiores. Postquam enim in 130 iudiciis multi barbarici ritus correcti sunt, et actiones ac sententiae requirebant quandam eruditionem, mores etiam flecti ad humanitatem magis ceperunt et accesserunt literae eruditiores, et quaedam philosophia ac maior discendi cura. Nam hoc ius Romanum haud dubie erudita quaedam philosophia est. Quare etiamsi non revocatum esset 135 in forum, tamen legendum et cognoscendum fuisset hominibus doctis accessuris ad rempublicam multo magis quam Aristotelis Politica, quae quidem sapienter et utiliter scripta esse iudico. Nec vero mihi legend Vetera ac barbarica iura horridae gentis Germanicae, ut sunt Westvalici ritus, venit in mentem, perinde hanc nationem factam 140 cultiorem acceptis Romanis legibus; ut in fabulis ferunt, monstratis frugibus, I homines vivere coepisse commodius, cum antea pecudum more glandibus vescerentur.

Oratio de Imerio et Bartolo

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[CR X I 354/355]

Magna profecto et divina res est constitutio civitatum et legum mutatio in melius. Eaque, quae constat recte et feliciter constituta esse, non temere labefactanda sunt, ne et donum Dei aspernari sic videamur, et motis rebus publicis sine necessaria causa sequantur maiora incommoda. Facile est autem, ut Pindarus inquit, cuivis mutare civitatis statum, sed rursum sedare et in tranquillum restituere solius Dei 1 . Cum igitur eventus ostendat in ipsa iudiciorum emendatione ius Romanum divinitus institutum esse, agnoscamus et grati tueamur Dei beneficium. Sed redeo ad scriptores : Bartolus vixit tempore Imperatoris Caroli Quarti, et quanquam magnam laudem adeptus est, propterea quod plura scripserit quam quisquam ante ipsum, tamen in summa admiratione est propter ingenii dexteritatem et amorem veritatis. Ingenii felicitas ex eo aestimari potest, quod iuvenilia studia celerrime absolvit, et adhuc adolescens celebritate nominis fere totam Italiam complevit. In 1. quidam cum filium de verb, oblig. [D. 45. 1. 132] narrat Bartolus ipse primum curriculum suorum studiorum, his verbis, quae recitabo ut haec commemoratio magis moveat animos; est etiam ipsius oratio quasi quaedam pictura humanissimi et modestissimi animi. Cum enim ea lex dicat: Si quis promittat se aliquem tractaturum ut filium, non esse praetereundum in testamento. In hac lege cum sit casus, ut ipse ait, qui nusquam alibi extat in iure, multa disputans Bartolus narrat, praeceptorem suum aliquos exposititios pueros hac stipulatione aliis commendasse, ac adicit mentionem gratissimam praeceptoris et primae aetatis suae; sic enim ait: Ego magistrum habui, qui vocabatur frater de Ascisio; nunc vero vocatur Frater Petrus pietatis, sic dictus, quia locum ibi erexit, qui domus pietatis vocatur, ubi infantes exposititii aluntur. Vir est expertus, nullius hypocrisis, mirae sanctitatis, apud me et omnes, qui eum bene noscunt, cui gratias ago exemplo Aquilii Reguli in titulo de donat. 1. Aquilius [D. 39. 5. 27], qui dum me rexit, custodivit a lapsu, et Dei beneficio et sua doctrina me talem reddidit, ut in quartodecimo anno aetatis meae in civitate Perusina sub Domino Cyno de Pistorio iura civilia audire inceperim. Et eius perseverante gratia, continue sudando ita profeci, ut vicesimo anno Bononiae reputando et disputando publice | de iure responderim. Deinde vicesimo primo anno Doctor creatus sum. Et ex magno amore, quem erga illius fratris Petri bonitatem habeo, cum calamus 1

Pythien, I V , 2 7 2 — 2 7 4 ; Loeb Classical Library, The Odes of Pindar, p. 228.

Oratio de Irnerio et Bartolo

[CR X I 355]

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180 haec scribit, cordis oculus lachrymas mo vet; ipseque vir venerabilis Petrus dixit mihi, se plures ex illis pueris exposititiis hoc pacto aliis tradidisse, ut eos non aliter quam filios tractarent. Haec sunt Bartoli verba, quae ostendunt non modo vim ingenti, qua mirabili celeritate ad fastigium amplissimae doctrinae contendit, 185 sed etiam eius pietatem erga Deum et gratitudinem erga praeceptorem. Paulus de Castro narrat, ab eo repetitionem legis de aetate ff. de minoribus [D. 4. 4. 43 ] ita elaboratam esse, ut quinquennio earn retinuerit ante editionem, et subinde correxerit et perpoliverit. Idque ait praedicasse ipsum Bartolum additque obiurgationem iuventutis, quae 190 nunc stulte gloriatur de celeritate inquiens : Nunc puderet aliquem, si fateretur, se menses sex tribuisse tali operi, sed scribunt subito pereuntia. Ilia Bartoli repetitio durabit ad omnem posteritatem. Haec Paulus de Castro. Omitto pleraque precoma Bartoli de eius ingenio et scriptis ac 195 tantum referam Panormitani dictum, in cap. cum nobis de praescript. [X. 2. 26. c. 14], qui ait, omnium iudicio Bartolus omnes scribentes in aequitate et veritate antecellit 2 . Nec profecto minus fidei et autoritatis hoc testimonium habere censendum est, quam quod Cicero impertit Servio Sulpitio, cum ait: Nec vero silebitur admirabilis et incredibilis 200 et pene divina eius in [legibus] a interpretandis, aequitate explicanda, scientia; neque enim ille magis iuris consultus, quam iusticiae fuit 3 . Hanc ipsam laudem, quam Servio tribuit Cicero, doctores probatissimi magno consensu tribuunt Bartolo. Etsi autem non pervenit ad senectam, mortuus est in anno aetatis suae 46., tamen reipublicae 205 praeclare satisfecit, non solum in schola, sed etiam in foro et curia. Fuit enim assessor Tuderti et Pisis; fuit et consiliarius Imperatoris Caroli Quarti, laudatissimi principis, qui magna virtute pacavit Italiam diu conflictatam bellis intestinis sub Ludovico Bavaro. In iis Italiae motibus sedandis, in constituendis iudiciis et pace munienda 210 Carolus maxime usus est Bartoli Consilio, perinde ut Augustus Capitonem et Trebatium adhibuit post bellum civile ad legum et iudiciorum et totius civilis status emendationem. a

legendis Orig.,

CR.

2 Panormitani Tertia in secundum Decretalium, Lugduni 1562, fol. 3 3 b , in c. cum nobis : „ . . . sed ego ero pro conclusione contentus recitatione Bartoli, qui omnium iudicio cunctos scribentes in equitate et veritate precessit". 3 Philippica, I X , 5, 10.

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Oratio de Irnerio et Bartolo

[CR X I 356]

|Haec de Bartolo breviter ex veris historiis collegimus. Iam cogitate, qualis error sit, ut nihil durius dicam, tantos viros de toto genere 215 hominum optime meritos, non magnifacere nec eorum virtutes et merita intelligere. Iuventutem vero adhortor, ut discat venerari hos excellentes viros praeditos singularibus et coelestibus donis et bene merentes de communi societate. Nec vero ulla voce humana satis praedicari potest magnitudo huius meriti, quod non solum suam 220 aetatem erudiit et contulit industriam et pacem ad disciplinam retinendam, ad tranquillitatem communis societatis, quam Deus vult nobis curae esse, sed etiam omnem posteritatem scriptis docet, in quibus nervös tradit pacis et disciplinae. Utinam talium virorum Consilia valerent in republica, sicut apud 225 Lotharium Irnerii, apud Henricum Lucelburgensem Bulgari, apud Carolum Quartum Bartoli autoritas valuit. Nam veteres omitto, Iulium, Augustum, Traianum, Severum Alexandrum, qui nihil decernebant nisi adhibitis aliquot iurisconsultis. Cum enim princeps sit custos legum et iusticiae4, et respubüca habeat opus scripto iure, non 230 potest sine voce, sine Consilio iurisconsulti recte tueri suum munus. Sed ut Demosthenes inquit: Dei sedi astare iusticiam gubernatricem hominum, sic adesse principibus monitores eruditos in legibus oportet 5 . Dixi de duobus iurisconsultis, de caeteris fortassis alias dicturus. Nunc adhortor iuvenes: primum, ut venerari hos heroicos viros 235 discant; deinde, ut avide eorum doctrina fruì studeant; postremo, ut quantum quisque pro ingenii sui viribus potest, diligentiam eorum et sedulitatem imitari conentur, quod, ut faciant, multae graves causae singulos huic professioni deditos adhortantur. Pertinet enim haec ars ad custodiam publicae pacis, quam si adiuvamus, ita ut officia 240 nostra referamus eo, ut omemus religionem, ut luceat nostra fides in his actionibus, et prosimus verae Ecclesiae, sciamus nos Deo gratissimum cultum praestare. Hunc enim finem esse civilis societatis Deus voluit, ut vera ipsius noticia inter homines illucescere et late spargi possit. Hunc finem nos in omnibus civilibus officiis intueri omnino 245 convenit. Dixi. 4 Cf. Aristoteles, Politik, V , 1 3 1 1 a , 1 : „Vult enim rex esse custos"; Thomas Aquinas, In Politicorum Aristotelis Expositio § 849, ed. Spiazzi, Turin-Rom 1951, 284: „ E t dicit [Aristoteles], quod officium regis est esse custodem iustitiae"; Ernst H.Kantorowicz, The King's T w o Bodies, Princeton, N . J. 1957, p. 3 1 3 , n. 143. 5 Cf. Demosthenes, X X V , 1 1 .

[CR XI 357]

Oratio de dignitate legum

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4 De dignitate legum oratio Liber selectarum Declamationum Philippi Melanthonis. Crat. Myl., Argentorati 1 5 4 1 , p. 2 2 5 - 2 3 5 . 1538

N i h i l in vita utilius est, quam inserere atque instillare animis bonam et honorificam opinionem de legibus. Nec ulla maior est vitae ac morti pernicies, quam assuefacere animos ad leges contemnendas aut cavillandas. Haec saepe inculcari adolescentiae cum sit utilissimum, 5 recte fieri iudico, quod in his promotionum spectaculis saepe idem argumentum de dignitate legum repetitur. Quid et honestius est, quam praedicare et ornare dona Dei, et ad earum rerum intellectum et reverentiam exuscitare imperitam adolescentiam, quae sunt in vita utilissimae? Aut quarum rerum commemoratione potius personare 10 doctorum coetus debent quam his sermonibus, qui prosunt ad ornandam gloriam Dei et ad disciplinam iuventutis, praesertim cum indoctorum et malorum congressus abundent convitiis legum? Ac mihi saepe in mentem venit, haec convitia non tantum ex quadam hominum iusticia aut imprudentia oriri, sed spargi a Diabolo tanquam 15 spicula ad sauciandas rudes mentes, ut legum reverenda extinguatur et sequatur dissipatio disciplinae, quae et religioni et tranquillitati communi noceat. Est autem nostri loci atque officii revellere ilia spicula, hoc est, falsas persuasiones ex animis hominum, et cum oratione, tum exemplis illustrare atque ornare legum ac iuris digni20 tatem ac retinere disciplinam, quantum possumus. Cum igitur in hoc loco alius vir clarissimus, D. Doctor Hieronymus [Schurpff], quem non solum propter beneficia quae in me privatim contulit plurima, sed etiam propter excellentem virtutem et doctrinam veneror et tanquam patrem colo, gravissime nos adhortatus sit omnes ad reverentiam 25 legum, deinde etiam auditores nostros ad diligentiam in discendo, ego hoc tempore aliud argumentum, etsi vicinum, sumam. Tractabo enim scholasticam disputationem utilem studiosis, quod Christianis

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Oratio de dignitate legum

[CR XI 357/358]

non sit necessarium uti legibus Mosaicis, sed quod liceat uti legibus, quae iuri naturae consentaneae sunt, etiamsi ab ethnicis magistratibus 30 conditae sunt. Deinde ostendam, | Romanum ius antecellere legibus aliarum gentium et vere quandam philosophiam esse. Scio enim, ante aliquot annos quendam Iudaico ingenio praeditum contendisse hic etiam publice, non licere Christianis ethnico iure uti, quia Christianos oporteat verbo Dei gubernari. Postea in publicis concionibus damna35 bant eius sectatores poenam usitatam furti et pleraque alia instituta civilia imperii horum temporum. Porro hae tribunitiae legum abrogationes et iniustae sunt et concutiunt respublicas, ut eventus in ilio terribili motu vulgi ante annos tredecim ostendit. Sunt et hodie in administratione civitatum non pauci, quorum conscientiae super40 stitiosis opinionibus cruciantur, quia non recte institutae sunt de rerum politicarum usu. Nec hi errores nunc primum nascuntur, vetera monachorum deliramenta sunt, quae Diabolus nunc velut sopitum ignem rursus exuscitat, ut solet easdem haereses subinde renovare. Quare prodest iuvenes admonere, et ut de hac quaestione rectius 45 iudicent, et ut in dogmatibus iudicandis verae Ecclesiae sententias consulant. Ac primum diluam argumentum, quod opponitur, Christianos gubernari debere verbo Dei; quare contendunt, opus esse scriptura in iudiciis civilibus. Expedita et plana responsio est de 50 corporali vita, ut de cibis, medicina, architectonica. Christianos etiam gubernari verbo Dei, sed generali, quo sinit usum harum rerum approbatum esse a Deo, imo has ipsas res Dei dona esse, condita ad usum nostrum. Caeterum ut medicus seu architectus non sumunt praecepta suarum artium ex scripturis, ita nec legislatorem de rebus 55 politicis opus est, praeter generalem regulam sumere ipsam artem ex scriptura. Nam Evangelium cum proprie concionetur de aeterna et spirituali vita, non mutat, non labefacit oeconomiam aut politicam vitam, quae collata ad interiores cordis motus, persimilis est domui. Ut enim domus est singulari arte extructa, apte contignatis omnibus 60 partibus, ac tegit hospitem adversus tempestatum iniurias, interea tamen hospitis animus non intra hos parietes cohercetur, sed tacitus de Dei voluntate et de aeternitate cogitans, procul tanquam in coelum sublevat; considerat enim omnium aetatum mutationes, religionum ortus ac discrimina, imperiorum vices, tristes casus, quibus haec 65 humana natura obnoxia est, et e regione beneficia Christi; denique et de hac ipsa domo cogitans, miratur opificium et agnoscit, etiam

[CR XI 359]

Oratio de dignitate legum

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corporali | vitae praesidia divinitus donata esse. Ita universa politia ceu domus quaedam est, mira arte divinitus fabricata, legibus magistratuum, ordine, contractibus, iudiciis, disciplina, praesidiis armata, 70 poenis etc. His septi ac vallati muris, tarnen Deum agnoscere possumus ac statuere, hanc ipsam politiam, qua haec vita defenditur, esse velut domum divinitus nobis conditam; nec interest vitae spirituali ac aeternae, utrum haec domus, id est, politia, sit a Moise an ab aliis legumlatoribus, ut ita dicam, fabricata, modo ut sit consentanea iuri 75 naturae. Id primum hoc argumento confirmo: Apostoli in Actis capite 15 [28] pronunciant perspicue, non esse onerandas gentes lege Moisi. Imo Petrus severe obiurgat diversum sentientes ac inquit, eos tentare Deum, quo durius nihil dici poterai. Nam tentare Deum est illudere ei, ordinando aliquid praetextu divinae autoritatis1. Quare 80 Petrus eos, qui Ecclesiam ad legem Moisi adigebant, non leviter peccare ostendit. Quia enim falso praetexunt divinam autoritatem, horribiliter illudunt Deo. Ac loquitur Petrus pariter de ceremoniis et de politicis legibus, sicut disputatio integra testatur, ubi allegant testimonium Spiritus sancti, quod gentes prorsus alienas a politia 85 Moisi Deus vocavit, et tandem diserte iubent nihil imponi gentibus praeter ea, quae in ilio decreto continentur; et allegant Apostoli scripturam, gentes salvas fore. Proprie autem nuncupantur gentes, quae non habent politiam Moisi; quare non necesse fuit gentibus legem Moisi imponi. Addo et aliud testimonium. Ad Ebraeos scriptum 90 est, legem Moisi institutam esse usque ad tempus adventus Christi 2 ; ergo politia ilia post id tempus non est necessaria. Discernit et Christus suum regnum a corporali, cum ait: Regnum meum non est de hoc mundo 3 . Imo ut milites Christum spinis coronant et configunt et in purpura traducunt, sic illi Christum per contumeliam coronant, qui 95 falso praetextu autoritatis ipsius dilacerant et evertunt politias et novam constituere conantur. Qui eo etiam peccant, quod obscurant et obruunt spiritualia beneficia et fidei exercitia, cum hominibus offundunt hanc speciem, quod Christus nihil nisi ilia civilia officia Moisi requirat. Ne tenebrae prorsus delent Evangelium. Postremo 100 mandat Evangelium, ut magistratibus ethnicis obtemperemus ; quare necesse est, legibus eorum obedire4; nam lex est vox ipsa magistratus. 1

Act. 15. 10. Hebr. 7. 12, 18. 3 Joh. 18. 36. 4 Rom. 13. i, 2, 4, 6; cf. Ps. 82. 6. 2

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Nec aliud est obedire magistratui, nisi eius legibus et decretis | obtemperare. Possem alia multa argumenta addere, sed cum haec perspicua et firma sint, non addam plura, praesertim cum sacrae literae etiam exempla multa proponant piorum extra politiam Mosaicam. Ut enim non dicam de Patribus ante legem, postea etiam multi pii fuerunt inter gentes et quidem gubernatores magnorum regnorum, Naaman, Nabugdonosor, Darius, Cyrus. Nec Danieli apud Persas licuit haereditates dividere Iudaeorum legibus, quod Romani centuriones ac milites in historia evangelica laudantur. Quare nihil dubitemus piacere Deo, edam caeteras polidas, si tantum, ut dixi, non pugnent cum iure naturae, quod est, ut Paulus inquit: lus Dei divinitus inscriptum humanis mentibus5, ut a Deo haberent regulam, quae leges gubernaret et diiudicaret. Postquam igitur ostendimus piacere Deo etiam caeteras politias, bonae mentes hoc diligenter considèrent, illas quoque esse Dei opificium seu fabricationem, ut ita dicam. Nam et Daniel expresse ait, Deum constituere regna 6 ; et Paulus inquit, imperia esse ordinationes Dei 7 . Magnum igitur scelus est, legum violatione quasi telam divinitus textam dilacerare, id quod Diabolus miris modis conatur. Quid enim pulchrius, quid amabilius esset imperiis, si harmonia societatis humanae non interturbaretur ? Si principes veram religionem propagari curarent ac defenderent, si mores civium diligenter regerent, si controversias cognoscerent et bonos tuerentur ac proveherent, improbos vero cohercerent ac punirent? Si cives essent concordes et modeste parerent, si ecclesiae essent tranquillae et recte gubernarentur, si in scholis artes utiles traderentur et disciplina severe retineretur? An non talis status esset illa aurea aetas, quam poetae describunt? Hic ordo est imperiorum divinitus institutus, et quem Deus conservât, quatenus bona manent. Sed Diabolus rabióse hunc chorum interturbai, incitât tyrannos, ut tanquam gigantes illaturi bellum coelo, abolere religiones conentur, ut iniustis caedibus grassentur in cives, polluant flagitiosis libidinibus universam rerum naturam, licentiam scelerum confirment, deleant honesta studia, dilacerent ecclesias. Talis status Romae fuit Neronis et similium tyrannorum tempore. Sic Diabolus corrumpebat harmoniam divinae ordinationis, et tamen interea Deus non patiebatur eam prorsus deieri, ac paulo post eam

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Rom. 2. 15 ; Hebf. 10. 16. Dan. 2. 2i. Rom. 13. i.

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restituebat extincto tyranno. Ut autem tyrannus ille erat Diaboli Organum, I dissipantis divinam ordinationem, sic sciant omnes legum contemptores, se Diaboli organa esse et daturos Deo poenas, sicut toties Deus minatur, et testantur exempla omnium aetatum. Cernit Deus omnium vindex et vel magistratuum sententiis praebet puniendos improbos, vel ipse aliis horrendis poenis eos excruciat. Non magistratus cohercere Clodium poterant, Milo tandem cohercuit; non Antonium leges, non senatus autoritas, non foedera sanctissima retinere potuerunt, quominus bella civilia moverei. Itaque tyrannus tandem non impetrata vita a victore, cum miser vidisset reginam Cleopatram sibi mortem consciscentem, ingenti dolore et ipse sese iugulat. Non haec casu fieri, adolescentes, existimemus, sed ordinatione Dei, qui sic ulciscitur hominum furorem, qui leges contemnunt et harmoniam societatis humanae ab ipso institutam conturbant. Quare non tantum ex historiis exempla quaerenda sunt, sed praesens vita suppeditat innumera. Quare vereri leges et amare tuerique disciplinam discamus et sciamus, eos, qui non obtempérant, non tantum cum hominibus, sed cum Deo pugnare et concutere quasi domum divinitus fabricatam hanc politiam, qua continemur. Sed dicam nunc de altera parte, videlicet de Romano iure, quare id potissimum amplexa sit respublica, Iudaicae leges non nisi illi nationi conditae sunt, nec possunt convenire pluribus gentibus. Assignant enim certas sedes certis familiis et has vêtant mutari; hoc non potest nisi in angusto loco obtineri. Spartanae leges non dividunt agros, sed iubent communiter coli et postea fructus dividi. Ne hoc quidem nisi inter paucos obtineri potest. Habent et alia vitiosa instituta de connubiis. Atticae leges propius ad Romanam formam accedunt, sed Romanae plus gravitatis habent in plerisque delictis puniendis; melius etiam describunt iura testamentorum, discernunt haereditates, fideicommissa, legata. Denique uberior est doctrina Romanis. Saepe enim miror insolentiam quorundam, qui existimant iusta et aequa sine arte et sine doctrina perspici naturali quodam sensu, sicut apes architectonicam norunt sine doctrina; sed hi tota via errant. Etenim ut in aliis artibus initia quaedam monstrat natura, ut in mensuris admirandis, deinde arti doctrina proficit; ita in hac iuris et morum gubernatione initia a natura esse fateor. Necesse est enim esse certa principia, sed ex his fontibus duci regulae sine doctrina non possunt. j Quoties affinitas decipit homines? Ut hoc tempore quam turpiter praetexitur interesse, immanibus usuris, interdum falso praetextu societatis,

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Oratio de dignitate legum

[CR X I 362/363]

interdum simulatis emptionibus vorágines usurarum teguntur. Haec deprehendi et emendari sine eruditione, doctrina, non possunt. Quae tenebrae essent iudiciorum, quae confusio, si non essent arte tradita discrimina actionum ? Quis sine doctrina videret, cur a rei vindicatione 180 publicanum distingui oporteat? E t hoc genus alia multa? Res igitur cogit fateri, necessariam esse artem et eruditiorem doctrinam ad diiudicanda iusta et aequa, eamque praecipuam esse partem moralis philosophiae. Nihil est indignius homine docto, quam artis suae laudem augere aliarum artium vituperatione; sunt enim omnes 185 excellentia Dei dona, quare omnes venerari et amare debemus. Sed cum sit admirabile opus Dei in animis hominum, nosse números et ordinem, unde existunt multae artes, arithmetica et dialéctica, cur non etiam admiramur illas noticias, quae discernunt iusta et iniusta ac pariunt doctrinam iuris? Hae noticiae sunt quaedam imago Dei et 190 magis regunt vitam quam aliae noticiae seu ideae artium. Ex hac admiranda luce et Dei imagine orta doctrina iurisconsultorum non minus est ars quam caeterae disciplinae. Itaque cum sit arte aliqua opus ad intelligenda et discernenda iusta et iniusta, quos alios artifices, nisi doctissimos, peritissimos homines, qui in sapientissimis 195 consiliis summi imperii hoc disputaverunt, sequeremur ? Recte igitur Romano iure utimur. Quantum fuerit studium doctrinae inde usque ab Augusto ad Iustinianum, multa sunt perspicua signa, sed caetera omittam. Augustus, cum quidem excelleret civili sapientia in quaestionibus iuris, quam multa de Trebatii, Tuberonis, Labeonis et 200 Capitonis sententiis constituit ? Labeoni etiam libere adversanti saepe cessit. Sed, ut sunt morosi interdum etiam len[t]i et moderati principes, Augustus, etsi non laesit Labeonem, tamen offendi se eius libertate significavit eoque Capitoni minori natu consulatum dedit. Retinuerunt Augusti morem et post eum principes, nec sine iurisconsultis ultra 205 decreta in civilibus quaestionibus faciebant. Nerva et Cassius adfuerunt Tiberio, Cassius Vespasiano, Traiano et Adriano Celsus, et plerique alii. Neque tamen in consilium admissi sunt ulli, nisi iudicio Senatus Romani essent principibus commendati. Postea Antonini Pius et Marcus multo | etiam frequentius consilium iurisconsultorum habu210 erunt. Alexander Severus, cuius plurimae extant in Codice leges, nullum decretum, nisi viginti iurisconsultis adhibitis, edidit. Hunc morem cum cogito, non possum non reprehendere negligentiam et barbariem nostrae aetatis, qua tam multi summi reges et principes respondent, aut sine doctis viris, aut certe sine frequentia et dispu-

[CR X I 363/364]

Oratio de dignitate legum

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215 tatione doctorum. Ideo absurda multa et dissidentia a iure eduntur, quae existimationi principum non leviter officiunt. Cum igitur illi clarissimi viri artem effecerint et omnia exquisite complexi sint, quae ad tuendam societatem humanam pertinent, personarum gradus, rerum divisiones, acquirendi modos, contractus, successiones, hae220 reditates, obligationes, actiones, poenas deüctorum. Convenit agere gratias Deo, quod tale ius imperio reddiderit. Neque enim sine Dei Consilio accidit, quod cum post inclinationem Romani imperii etiam amissus esset usus harum legum, et successissent barbarici ritus iudiciorum, tarnen annis post Iustinianum quingentis revo225 catae sunt in forum et in scholas Romanae leges. Haec restitutio multos mores barbaricos correxit, non modo in iudiciis, sed etiam in reliqua vita. Profuit etiam studiis ; quare hoc tantum bonum propter communem utilitatem tot gentium tueamur. Nam scriptum ius est firmum praesidium adversus tyrannidem, et quo eruditius est, eo 230 plus continet aequitatis. Hoc muro septa est libertas populi adversus potentum cupiditates. Si tolleretur hoc ius, quae sequutura esset tyrannis, cum pro legibus essent potentum affectus ? Facile est enim fingere praetextus et specie aliqua affectum tegere. Recte inquit Cicero: Ubi discessum est a iure, omnia sunt incerta8. Multo maior 235 esset incerdtudo, si prorsus nullum extaret ius scriptum. Natura autem ita fert, ut incertitudo illa ac tyrannides rursus praeberent occasionem novi iuris scribendi. Quod si fieret, scriberentur agrestia et inerudita, ut nunc fit in aliquibus locis, et dissimilia in singulis oppidis. Nunc non modo aequitas nostri iuris prodest ad tranquilli240 tatem, sed illud etiam conducit, quod multae gentes iuris similitudine consociantur. Quare hoc ius, quod a sapientissimis viris in repubüca praestantissima scriptum est, quod magno Consilio summorum virorum restitutum est, quod est aequissimum et maxime consentaneum rationi, quod munit nos adversus tyrannidem, quod prodest ad bonos 245 I mores, retineamus et omni studio propugnemus. Tanta est enim aequitas, ut etiamsi in forum et curiam non esset receptum, tarnen in scholis legi oporteret ad discendam naturam iusticiae et aequitatis. Nusquam enim extat perfectior et illustrior imago iusticiae quam in his legibus. Quare etiam a Deo optare debemus, ut hanc doctrinam 250 ad reipublicae tranquillitatem conservet. Dixi. 8

Cicero, Epistolae ad familiares, 9, 16, 3 (Zitat identifiziert durch Professor Harald Fuchs, Basel).

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Oratio de scripto iure

[CR X I 218/219]

5 Oratio publice habita Vuittenbergae in promotione Doctoris iuris de scripto iure et dignitate veterum interpretum iuris Impressum Norinbergae per Hieronymum Formschneyder. Anno M D X X X I X

[1539]!J39

"CJtiliter institutum est, ut in quadam frequentia omnium ordinum et totius scholastici coetus decernantur gradus et doctrinae testimonia. Primum ut publica suffragiorum nostrorum renuntiatio plus autoritatis haberet; deinde ut in hac frequentia iuventus de studiorum dignitate 5 atque utilitate admoneatur. Itaque alii summa cum gravitate hic saepe de legum dignitate et de hoc toto genere doctrinae dixerunt ac ostenderunt, haec nostra studia praecipue ad rempublicam pertinere, secuturamque ingentem confusionem ac barbariem vitae hominum, si haec eruditior doctrina iureconsultorum deleretur. Nec vero quicquam 10 honestius est et omnibus bonis viris ac praecipue nostro ordine dignius quam propugnare leges adversus furorem vel populi vel tyrannorum. Nullae victoriae, nulli triumphi plus verae laudis merentur quam haec defensio propugnatioque iuris et doctrinae, quae est reipublicae necessaria. Quanquam autem haec causa summis eloquen15 tiae viribus ornanda erat, tarnen omnium laudanda est voluntas, qui etiamsi non possunt | parem eloquentiam tantae causae adferre, mediocriter declarant suum Studium et iudicium. Alii plus adferunt vel autoritatis vel facultatis ; sed tamen quia mihi nunc hae partes dicendi a viro clarissimo Decano collegii nostri, domino Doctore Hieronymo 20 [Schurpff], praeceptore nostro summa observantia fideque colendo, mandatae sunt, aequum est, vos, quoque propter autoritatem collegii, me bona cum venia audire, etiamsi non possum pro dignitate hanc nostram doctrinam ornare. Suetonius scribit, Caligulam, qui verius fuit immanis quaedam 25 belua quam imperator, si vixisset, aboliturum fuisse omnia scripta

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Oratio de scripto iure

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iureconsultorum 1 . Sunt autem non pauci hoc tempore, qui similiter oderunt ius scriptum, sed praecipue tarnen iureconsultorum doctrinam, ac mallent res iudicari arbitriis potentum, non scripto iure, quemadmodum hodie dicuntur Scythae aut aliae barbarae nationes regere suas 30 civitates et iudicia exercere sine scripto iure, horum errorem breviter refutabo. Quae sunt autem causae quare potentes oderunt ius scriptum? Prior est, quia nolunt legum vinculis coerceri, nolunt suas cupiditates frenari autoritate certi iuris, sed expetunt tyrannicam licentiam et 35 faciendi et decernendi quicquid licet». Altera causa est, quod nonnulli fremunt, se suis iureconsultis in repubüca tanquam mutas personas esse, quod velut in aliena tutela esse, et ad alienum praescriptum decernere cogantur. Hanc servitutem, ut ipsis esse videtur, aegre ferunt, praesertim si qui sunt ferocioribus ingeniis praediti. Nam ut 40 natura alii temperantiores facilius patiuntur iustas leges, alii intemperantes minus eis sunt morigeri, ita in genere fit; aliae naturae magis contumaces sunt et minus patientes freni. Hii sunt odii fontes, quos dixi. Quod cum sit iniustum et noceat reipublicae, repugnare bonos et prudentes omni studio decet, ne abolita doctrina iureconsultorum 45 infinita tyrannis ac barbaries sequatur. Vetus est autem disputatio, utrum magis expediat regi civitates arbitriis gubernatorum an scripto iure. Sed cum oporteat ius esse certum, voluntates autem gubernatorum sint incertae, saepe etiam pravae, necesse est extare certam regulam, quae dominetur in iudiciis 50 et gubernatione. Ideo praestantissimae respublicae, etiamsi primum tantum consiliis principum administratae sint, | tarnen postea scriptum ius expetiverunt, id est, Attica et Romana, ut certi iuris autoritate tuta esset libertas. Quam pauci sint boni principes, dictum Claudii cuiusdam indicat, qui ait: Omnium bonorum principum imagines in uno 55 annulo sculpi posse 2 . Deinde et boni facile depravantur inter tot » libet CR. 1

Sueton, Caligula, 34. Scriptores Historiae Augustae : Flavius Vopiscus, Vita Aureliani, X L I I , 5 : „Vide, quaeso, quam pauci sint principes boni, ut bene dictum sit a quodam mimico scurra Claudii huius temporibus, in uno anulo bonos principes posse perscribi atque depingi"; Loeb Classical Library, Scriptores Historiae Augustae, III, p. 280. 2

Oratio de scripto iure

[ C R X I 220]

corruptelas. Nec de nihilo est, quod ille in tragoedia ait: Ut nemo doceat fraudes [recte : fraudis] et sceleris vias, regnum docebit 3 . Saepe vero optimis et vigilantibus tarnen falsa recti species imponit. Ideo consensus prudentum testatur, melius esse uti scripto iure ; atque ita pronun60 ciat Aristoteles, cuius verba tanquam oraculum inculcari, praesertim nostrae aetatis hominibus oportuit; sic enim ait: Qui legem vult dominari, vult praeesse Deum et leges; qui autem hominis arbitrio vult regi civitatem, saevissimam beluam addit 4 . Nam cupiditates et ira gubernatores depravant, etiamsi fuerint optimi viri, quare lex est 65 mens sine cupiditate. Nec disputabo de re manifesta prolixius, nemo enim sanus non videt melius esse uri certo iure, quantum fieri potest, quam incerto. Quanquam autem illi, qui nostrae doctrinae iniqui sunt, non praedicant se hoc velie, ut nullae extent scriptae leges, sed illas longas 70 doctorum disputationes et molem commentariorum improbare se dicunt. Scio hac in re multos errare, etiam ex Scholasticis, qui imaginantur iuris scripti possessionem sine disputatione interpretum retineri posse, sed longe falluntur. Tollere doctrinam est in universum abolere ius scriptum; nec enim leges sine illis lumen habere possunt 75 neque natura patitur, ut ullum usquam ius extet sine disputationibus, sicut gravissime dictum est a Pomponio in Digestis legibus latis natura licet evenire, ut interpretatio desideret prudentium autoritatem et necessariam disputationem 5 . Haec sententia, cum sit verissima, gratia potius habenda est peritis, qui illustraverunt leges suis 80 lucubrationibus quam reprehendenda industria. Semper omnibus seculis in civitatibus bene moratis disputationes de legibus extiterunt; scribuntur enim leges de moribus et hominum actionibus, quibus nihil est flexibilius et magis varium. Non proponuntur, ut in geometria, sententiae de mensura aliqua inmutabili figurarum, et tamen 85 opus est regula et arte, quae negocia ad fontes revocet, ut id quod naturae propius est decernatur. Videtis in theologicis praeceptis, 3 Seneca, Thyestes, 3 1 2 — 3 1 3 (Zitat identifiziert v o n Professor Peter V o n der Mühll, Basel). 4 Pol. III, 16, 1 2 8 7 a . 5 D . 1. 2. 5 : „ H i s legibus latis coepit (ut naturaliter evenire solet, ut interpretatio desideraret prudentium auetoritatem) necessarium esse disputationem fori".

[ C R X I 221/222]

Oratio de scripto iure

2JI

tametsi pauca et tantum universalia sint, tarnen adhibendam esse exI plicationem. Nam dicta de facultatum desertione, de non vindicando, quantum parerent absurditatis, si non accederet erudita interpretatio ? 90 Quanto magis opus est interpretatione in hac varietate forensium sententiarum, quae colligunt multa particularia. Fuerunt igitur statim initio post natas leges, qui adderent interpretationes, et Athenis a certis magistratibus interpretatio petebatur. Laudanda est igitur prudentia summorum virorum, qui postquam imperatoris Lotharii 95 tempore rursus ex bibüothecis prolatae sunt humanae leges et in forum ac curiam revocatae, statim addere commentarios ceperunt. Ut autem singulari beneficio Dei arbitror tunc restitutum esse ius Romanum, ita non potuit fieri nisi divinitus, ut simul tot preclara ingenia exorirentur, quae operam contulerunt ad illam veterem doctrinam 100 illustrandam. Qua in re si quis cogitai, quanta fuerit difficultas initio, non poterit non vituperare stulticiam atque ingratitudinem eorum, qui hos herculanos labores non magnipendunt. Vetus consuetudo fori ac iudiciorum Romanorum fuerat antiquata, erant ignotae historiae veteres, quae et ipsae lumen saepe afferunt legibus, lingua vetus 105 corrupta erat. In his tantis impedimentis, tamen ingenti animo Irnerius et deinde alii ceperunt conferre textus, quaerere sententiam ex ipsis legibus, ideam totius veteris reipublicae animo informare et quasi imaginem quandam imperii restituere; ita cepit lingua vetus fieri notior. 110 Magna gloria est Solonis et aliorum, qui civitatibus leges scripserunt et respublicas sapientes constituerunt, nec dubium est eiusmodi opus inter humana omnium longe difficillimum et utilissimum divinitus regi. Sed non minor gloria debetur meo iudicio Irnerio et caeteris, qui illius gloriosi laboris socii fuerunt. Necesse est enim 115 scriptores illos non solum ingeniis, sed etiam usu et peritia administrandae reipublicae excelluisse. Nec sine acerrimo studio ars integra comprehendi animis potuit. Multa monebat illos peritos viros usus, quem habuerant in administratione. Nam Irnerius longo tempore fere totam Italiani rexit. Sed tamen usus sine diligentia, sine studio non 120 sufficiebat. Tanto labore patefactas et illustratas leges rursus obruent aeternis tenebris isti, qui interpretes aboleri volunt. Usitata querela est non intelligere homines praesentiabona; ita est profecto. Si deessent | veterum commentarii, quis nunc intelligere

232

Oratio de scripto iure

[CR X I 222]

artem posset? Quare cum sit opus scripto iure et conservari has 125 Romanas leges omnes prudentes optent, necesse est etiam his interpretes adhibere ac sequi tanquam artifices et monstratores viae. Sapientissime inquit Constantinus in Codice de iudiciis, lege Placuit [3. 8. 1], aequitatem scriptam anteferendam esse stricto iuri; cum enim multi habeant in ore nomen aequitatis et hanc velini anteferri 130 legibus, imperator illa iudicia laxat ac revocat nos ad scriptum, idque pronunciai aequissimum esse, quod scriptum est. Fortassis autem hanc vocem Constantini reprehendant b aüqui, qui dicent aequitatem esse moderationem scripti, ut vult Aristoteles, non ipsum scriptum; sed haec cavillatio facile dilui potest. Regulariter ea, quae lege con135 stituta sunt in eo casu, de quo principaliter lex loquitur, sunt aequissima, ut cum lex recens furem capitali supplicio puniri iubet, loquitur principaliter de eo, qui atroci Consilio furatus est, non de eo, qui vel aetate lapsus est, vel fame impulsus ; iudex igitur in casu, de quo lex principaliter loquitur, non discedat a lege. Nam cum legitimis imperiis 140 obedire nos iusserit Deus, necesse est etiam, parere voci legum. Deinde quorsum attineret proponi ius scriptum, si liceret iudici privato arbitrio discedere a scripto quoties vellet ? Haec licentia quid esset nisi legum dissolutio et abrogatio ? Sed cum incidit casus, de quo lex non principaliter loquitur, propter aliquas circumstantias, ibi locus 145 est illi moderationi, de qua Aristoteles loquitur 6 . Lex de sabbato praecipiebat vacationem, videlicet ut populus audire doctrinam coelestem posset: At cum Antiochus in sabbato cessantes Iudaeos adoriebatur, nec iam populus audire conciones posset, sed defendere armis veram religionem deberet, ne funditus 150 interiret, recte fecerunt ductores populi, qui non observata vacatione sabbati, hostes depulerunt ac profligaverunt. Nam lex de sabbato non complectitur hunc casum necessitatis. Regula est igitur: Scripta aequitas semper in iis casibus, de quibus scriptum loquitur, nec ab ea regula discedendum est. Sed omitto hanc disputationem, illud 155 tantum moneo adolescentes, ut infigant animis hanc vocem Constantini de scripta aequitate sciantque hunc esse interpretum scopum, ut illam scriptam aequitatem collatis textibus ac rationibus colligant. b

reprehendent CR.

4

Eth. Nie. V , 10 (14), 1 1 3 7 b .

[CRXI 223]

Oratio de scripto iure

253

J Extant in praeceptis poüticis multae gravissimae sententiae, quae prohibent non necessariam legum mutationem. Sed recitare plura 160 testimonia longum esset. Tantum commemorabo unum quoddam exemplum, quod extat apud Demosthenem7. Locris ait legem fuisse, ne aut praesentes leges abrogarentur, aut novae ferrentur; sed si quis esset aut abrogaturus aliquam aut novam laturus, proponeret suam sententiam publice, stans collo inserto in laqueum, ut si lex placuisset 165 populo, dimitteretur autor laxato laqueo; sin autem displicuisset, laqueo constricto mox strangularetur autor. Nihil est incertius populi iudiciis; ideo annis ducentis nemo ausus est subire huius iudicii periculum, nec ulla nova lex proposita est, praeter unam: Ut ambo oculi effoderentur isti, qui unoculo effodisset unum ilium oculum. 170 Videte, quanta severitate veteres legumlatores cavere temerarias legum mutationes voluerunt. Providit idem callide Lycurgus, qui, cum exponeret civibus se consulturum oraculum de legibus promulgates ac peteret, ut iusiurandum darent, se interim dum abesset, non immutaturos esse leges. Discedens igitur, non est reversus, ut perpetuo 175 obligates religione iuramenti teneret. Ita duraverunt leges illae annos quingentos8. Haec atque alia multa a doctis proponuntur, ne iura vero Consilio recepta temere mutentur. Praecipue vero Christianos decet cavere non necessarias disputationes, cum propter Deum legibus et universae politiae reverentiam debeant. Nec dubium, quin, si amittere180 tur haec erudita iuris doctrina, magna confusio et barbaries in iudiciis et moribus secutura esset, quam ut prohibeat Deus, qui est autor boni status politici, opto. Dixi.

In Timocratem (744), Loeb Classical Library, Demosthenes, III, p. 463, 139. Vgl. Nicolaus Damascenus (um 64—4 v. Chr.), Historiarum excerpta et fragmenta, ed. I. C. Orelli, Lipsiae 1804, S. 44t.; Plutarch, Lykurg, c. 29; Suidae Lexicon, Graece et Latine, Tom. II, Cantabrigiae 1705, S. 4 7 1 ; dazu Pauly-Wissoiva-Kroll, Realencydopädie der klassischen Altertumswissenschaft, XXXIII, 1936, S. 390. 7

8

*34

Oratio de dignitate legum

[CR X I 630]

6 Oratio de dignitate legum MDXLIII Abdruck nach dem Erstdruck der Rede De dignitate studii iuris, Wittenberg 1556 (siehe unten Nr. 14, abgekürzt „Orig."), mit welcher diese in einer ursprünglichen Ausgabe nicht erhaltene Oratio von 1543 wörtlich übereinstimmt. 1543

(1556)

T_Jsitatum est hoc loco [et] in his spectaculis aliquid de legum dignitate dicere, ad quarum reverentiam certe excitari homines maxime prodest. Etsi autem et ego de eodem argumento dicere cupio, tarnen quo saepius de imperiis, de vitae gubernatione, de legibus et iudiciis, 5 quae sunt nervi gubernationis, tranquillitatis et disciplinae, cogito, eo mihi difficilius est ex tanta mole rerum eligere, quod dicam. Primum enim quam difficile est respondere cyclopum et centaurorum opinioni, qui in tanta confusione rerum humanarum hoc totum, quod vocamus legem et politicam sapientiam, dicunt inane 10 nomen esse, vi et armis rapi imperia et regi arbitriis potentum tantisper, dum tenentur. Nam ut veterum a exempla omittam, quid Turcica barbaries ullas leges curat? Progreditur quo b potest et vi oppressis imperat, quae übet. Ante centum et tres c annos Constantinopolis florentissima schola fuit nostrarum legum. Nunc procul pulsa 15 hac doctrina, omnia unius tyranni nutu aut barbari alicuius ducis reguntur. Sic cum orbis terrarum dilaceraretur ab Alexandri satellitibus, quae ibi legum vox, quae doctrina [politica] a usquam audiebatur ? Cum igitur magis rabie tyrannorum et arbitriis potentum omnia gerantur, quis locus est sapientiae et nostrae politicae arti ? Nec enim 20 illud imaginandum est, nostram artem similem esse militari, quae nunc hostibus, nunc civibus servit, et utrobique e iniustis cupiditatibus a d

vetera CR. publica Orig.

b e

quod CR. utrinque CR.

c

et tres om. CR.

[ C R X I 631]

25

30

35

40

45

Oratio de dignitate legum

235

operam locat. Alia res est haec politica ars seu iuris doctrina; nusquam locum habet, nisi in tranquilla civitate et in eo Consilio, quod ad normam | iustitiae suas sententias accomodai. Ut Athenis donee Solon praefuit civitati, valuit legum autoritas; Romae legum reverenda mansit, donee Augustus vixit. Sed utroque loco brevi post oppressi sunt cives tyrannide, et leges conticuerunt, ut Solone vivo Pisistratus rapuit dominationem. Post Augustum mox tyranni aliquot quam crudeliter grassati sunt in republican! Haec exempla saepe etiam movent magnos homines, ut aut nullum, aut exiguum usum esse nostrae doctrinae arbitrentur, qui quidem dictum illud Ciceronis in ore habent: Inter arma silent leges 1 ; ut et® Marius dixit, se legum vocem inter classica et tubarum sonos non audivisse 2 . Et Nazianzenus h de Iuliano inquit: Voluntatem principis esse ius non scriptum 3. Ut igitur ipse meum animum et 1 fortasse alios confirmem, refutare illam vituperationem nostrae doctrinae instituí et ostendam, et esse et futurum esse usum huius artis, etiamsi magnae fuerunt et nunc sunt et impendent aliae rerum humanarum mutationes, necl Studium abiciendum esse, sed eo magis colendum, ut conservetur. A c primum constituamus esse artem politicam. Non enim frustra Deus indidit mentibus humanis leges naturae. Harum explicationem voluit extare in literis et monumentis sapientum. Hanc voluit esse imperiorum et iudiciorum regulam, quae non propterea nihil est, etiamsi multae aliae res gubernationem interturbant. Ut ars medica vera est divinitus tradita et salutaris humano generi, etiamsi corpora humana non tantum medicae artis praeceptis reguntur, sed saepe occultis aut subitis causis laeduntur, quae provideri non possunt, ita nostra ars vera est, divinitus monstrata generi humano et salutaris, etiamsi aliae res accedunt, quae hanc sapientiam saepe reprimunt. Lacerantur f

república Orig.

* ut et om. CR.

1

si quos add. CR.

i nobis add.

1

Pro Milone, I V , 10.

11

Nazanzenus Orìg.

CR.

Plutarch, Marius, c. 28; Valerius Maximus, V , 2, 8: „ . . . Q u o d quidem factum et vere et egregie excusavit dicendo inter armorum strepitum verba se iuris civilis exaudire non potuisse" (Zitat freundlichst identifiziert v o n Professor Harald Fuchs, Basel). 3 Gregor von Nazianz, I. Oratio contra Julianum, c. 93 (Migne, P G . 35, 62J C); cf. Cicero, D e legibus, III, 2; zitiert nach M W A . , III, p. 116, n. 25. 2

[CRXI632]

Oratio de dignitate legum

50 imperia interdum fatalibus poenis, vel diaboli furore et tyrannorum cupiditatibus. Cedit talibus temporibus sapientia politica. Quid enim loci erat bonis viris, cum triginta tyranni tenerent Athenas ? Et quia saepe violentia dominatur, et multae existunt subitae et improvisae mutationes, Epicurei putant res humanas casu ferri et tantum quemque 55 obtinere posse, quantum valet potentia. Sed nos, qui in Ecclesia Dei instituti sumus k , certo scimus Deum esse inspectorem et iudicem universi generis humani. Sciamus1 imperia neque oriri, neque interire casu. Deinde hac nos consolatione maxime sustentemus. Et si concutit Deus aut evertit imperia, tamen 60 J Ecclesiam suam non sinit funditus deieri. Et haec, ut maneat, dat hospitia, conservat connubia, procreationem, educationem, contractus, literas, doctrinam de coelo traditam. Esse igitur coetus legibus iunctos necesse erit. Quare etiamsi multa incidunt tempora, quibus politica sapientia parum habet loci, ut in saevissimis tempestatibus 65 nautae periti vincuntur, tamen donee erit Ecclesia, coetus erunt legibus iuncti. Hos si regerent indocti, sine certo iure, sine Uteris et eruditione, quales tenebrae essent vitae? Ac redeo ad exempla superiora. Solon leges tradidit Atticae civitati, quae etiamsi non sustulerunt omnia vitia, tamen contractus et iudicia quadam humanitate rexerunt, 70 et voluntates civium coniunxerunt. His legibus ad Romana tempora annis plus quingentis civitas usa est. Etsi autem interea urbs bello Persico incensa et deleta est, cum cives essent in navibus, et uxores et liberos abdidissent inter scopulos marinos, tamen non propterea Solonis leges fuerunt inutiles, quae et antea in pace tranquillitatem 75 retinuerant et aliquanto post rursus instaurarunt111 civitatem. Necillud urbis incendium, etsi ligneas tabulas consumpsit, propterea leges delere potuit, quae infixae animis civium tum maxime valuerunt. Hac disciplina instituti cives norant barbaricos mores non esse admittendos, norant dimicandum esse coniunctis viribus pro defensione libertatis, 80 hoc est, disciplinae et honesti status, et ob hanc causam omissis privatis certaminibus, concordiam inter se tuebantur. Extabant leges et quotidie earum exempla spectabantur in factis Themistoclis, Aristidae, Cimonis, et aliorum honestorum civium. Ita cum Roma a Gallis caperetur, non propterea respublica deleta est, etiamsi aedificia incensa sunt. Mansit k

om. CR.

1

scimus Orig.

m

instaufant CR.

[CRXI633]

Oratio de dignitate legum

237

85 enim virtus et disciplina civium a legibus orta. Haec praesidio et saluti sunt civibus. EtiamsiNero aliquantisper latrocinium inter cives exercuit, ac oppressis legibus etiam iurisconsulto Cassio Longino oculos effodit; etiamsi Bassianus fratre necato etiam Papinianum iurisconsultum nolentem praetextus fingere ad excusandum parricidium interiecit : tamen non 90 propterea in universum erant deletae leges. Ne funditus periret genus humanum, Deus adhuc politicum ordinem apud aliquos tuebatur. Erant alicubi in provinciis magistratus mediocres, qui legum vocem audiebant. Non omittenda n est igitur doctrinae professio, etiamsi aut bella, aut tyrannides aliquantisper eius usum impediunt. Imo bona ingenia hoc 95 I pugnent ardentius de verarum legum defensione, quia vident in tanta infirmitate humana, in tanta confusione, earum autoritatem saepe tum negligi, tum opprimi. Ideo tradidit Deus humano generi artem politicam 0 , hanc ipsam doctrinam, ut quantum potest, sanabiles homines ad iustitiam flectat et iniustos impetus reprimat. Nihil 100 mirum est, eos, qui ignorant causas harum confusionum in imperiis, nec didicerunt ex coelesti doctrina, quomodo confirmandi sunt animi, vehementer odisse imperia, in quibus raro boni praesunt, et ut sintP mediocres, imo boni et sapientes, tamen multitudo et varietas negotiorum non concedit eis, ut in omnia sint 105 intenti. Pompei iusticiam et integritatem amaba[n]t provinciae, ut cum secum ducerei multos rapaces comites, tamen has iniurias propter benevolentiam erga Pompeium dissimularent. De Davide etiam querelae sunt filii. Denique amentia est in hac naturae humanae imbecillitate, et in tanta diaboli saevicia quaerere animo politiam sine 110 viciis et sine erroribus. Ut igitur imperia oderunt hi, qui causas confusionum nesciunt, ita et leges aspernantur, cum vident eas multis ingentibus malis non mederi, et hanc totam doctrinam vitae inutilem esse censent. Sed nos monet coelestis doctrina, oriri multas et ingentes confusiones vitae, tum a diabolo, tum ab humana vel negligentia, vel 115 petulantia. Nec posse gubernatorum consiliis ac legibus reprimi omnium furores aut corrigi. Et tamen inter has difficultates non esse gubernatoribus curam deponendam, nec inutilem esse eorum diligentiam, sed quaedam mala vel reprimere vel mitigare. Iubet item

11

amittenda

CR.

° et

add. CR.

P sunt

CR.

238

Oratio de dignitate legum

[CRXI 634]

Deum invoca«, ut adsit huic difficillimo labori, et quidem monet, 120 sine auxilio Dei sapientiam illam politicam saepe hallucinari et exitiosam esse civitatibus. Quam multi summis ingeniis praediti, cum quidem patriae bene vellent, tamen suis consiliis everteruntrespublicas, quia freti sua sapientia res moverunt non necessarias, ut Pericles, Demosthenes, Pompeius, Cicero. Tota via erramus, si sine Deo 125 foelicem esse sapientiam arbitramur. Hac igitur consolatione nos confirmemus, praesertim in his orbis terrarum periculis et labante tota mundi machina. Sciamus ruere res humanas, et tamen fulciri hanc ruinam a Deo, et bonos viros debere suo quenque loco anniti, ut prosint communi saluti. Haec in praesentia duxi commemoranda esse. 130 Nam mihi aspicienti legum libros et cogitanti^ pericula Germaniae, saepe totum | corpus cohorrescit, cum reputo quanta incommoda sequutura sint, si Germania propter bella [amitteret] r hanc eruditam doctrinam iuris et hoc curiae ornamentum. Crescent tyrannides, erunt omnes literae in maiore [contemptu] s , ecclesiae magis negligentur, 135 denique multiplex barbaries sequetur. Quare primum oremus Deum, ut pacem nobis concedat, deinde ut haec studia tueatur, quod quidem eo magis impetrabimus, si nos ipsi Consilia nostra fideliter ad gloriam Dei illustrandam, et ad 4 salutem communem referemus. Non igitur deterreamur periculis, non frangamur animis, etiamsi interdum, vel 140 iniquitate hominum, vel perturbatione communi rerum humanarum, pia, moderata, salutarla Consilia impediuntur, nec professionem" studii nostri deseramus ipsi, praesertim cum labor multorum nostri ordinis in consiliis publicis etiam Ecclesiae Dei serviat, quam cum Deus servaturus sit, servabit et politicas artes Ecclesiae servientes. 145 Non ideo architectonica deserenda est, etiamsi multae arces vel bellorum cladibus, vel aliis modis evertuntur. Tuendae et colendae sunt bonae artes, et petendum a Deo, ut ipse gubernet studia et exitus det utiles Ecclesiae suae. Quid Daniel, Esdras, Nehemias exules fecerunt? Viderant templum, quod Deus condi iusserat, fun150 ditus deletum esse, viderant urbem reginam omnium solo aequatam, cui promiserat Deus regnum. Neque tamen fracti desperatione sua studia abiecerunt; imo ne in exilio et in ea gentis dissipatione doctrina 1 cognita CR. 4 om. CR.

r u

amittat Orig. possessionem CR.

8

contemptum CR.

[ C R X I 635]

Oratio de dignitate legum

259

propria Ecclesiae [interciderai]v, maiore earn diligentia et discebant et suis tradebant. Norant enim non interituram esse Ecclesiam Dei. 155 Ita et nos vota nostra et spes nostras ad Ecclesiam Dei adiungamus. Hanc intueamur, et hac spe studia nostra colamus, quod w haec navis et nostrani doctrinam vehat. Et vehet haud dubie, si nos hanc navim ornare studebimus. Possunt autem optime mereri de Ecclesia nostri ordinis viri, cum mentes principum, a quibus consuluntur, ad 160 curam defendendi pia studia et artes salutares humano generi flectunt. Dixi pauca de professoribus. Sed priusquam desino, etiam hie coetus scholasticus de suo officio commonefaciendus est. Saepe in concionibus sacris, saepe in lectionibus proponuntur vobis divinae sententiae de disciplina, de bonis moribus, de poenis, 165 quae violationem disciplinae sequuntur. Et poenae sunt in conspectu. Turci impune grassantur in vicinia. Distractae sunt principum voluntates. | Germania non defenditur, imo et domestica bella imminent*. Si hae tantae causae non movent vos, ut vivatis modestius et y confugiatis ad Deum, quid mea oratio efficere z potest ? Quid nos de 170 legum dignitate apud eos concionari possumus, qui ut cyclopes neque Deum neque ullas leges curant? Pudet talia dicere in schola, quae debebat non solum audire, sed etiam colere virtutis doctrinam. Si esse Deum conditorem rerum et iudicem factorum nostrorum sentitis, afficiamini monitis coelestibus, ipsum autorem rerum et 175 iudicem vestrum agnoscite, et ei in his officiis, quae legum voce requiruntur a , obedite. Videtis a Deo ordinatas esse vices dierum ac noctium, aestatis ac hiemis b . Has vices esse certas omnes fatemini. Cur igitur de praemiis recte factorum et de poenis male factorum 0 dubitatis ? Certa lege Dei obruuntur poenis omnes scelerati. An casu 180 putatis subici iam mundum barbaricae tyrannidi Turcarum, qualis alia nulla similis unquam fuit? Nequaquam hoc casu accidit, sed hoc tristi carcere hominum furor cohercendus et compescendus est, qui nullis legibus frenari suos mores sinunt, qui concedi sibi licentiam

v x

interciderei Orig.

w

om. CR.

imo et domesticum bellum satis crudele turn gerit turn parit CR. z y ut CR. proficere CR. a b c requirit CR. et autumni CR. malefactorum

CR.

240

185

190

195

200

205

Oratio de dignitate legum

[ C R X I 635/636]

ut beluis d volunt, exercendae petulantiae, ut libet. O deplorandam principum negligentiam. His malis mederi eos oportebat, ut hanc indomitam turbam severissimis poenis ad modestiam revocarent e , quod nisi tandem facient, Deus iratus et f has gentes servitute Turcica opprimet. Sed redeo ad scholasticos. Obtestatur vos hie universus coetus praeceptorum vestrorum et praecipit voce divina, ut et revereamini Deum, et vivatis modestius, eaque in re cum vestrae saluti, turn communi consulatis. Nisi enim erunt modestiores mores, profecto haec bona, lucem doctrinae de Deo, ecclesias, leges, literas, et caetera vitae ornamenta amissuri estis. Quanta bona amisit Adam uno lapsu? Quamdiu ethnici in tenebris et horrendis sceleribus* vixerunt? Propterea, quod eorum maiores spreverant doctrinam primorum patrum. His exemplis vos ad pietatem et modestiam excitate. Quod si facietis, non solum legum dignitatem vere intelligetis, sed etiam in gubernatione eritis foelices. Deus enim promittit piis h sapientiam et successus. Ita intelligetis leges esse Dei vocem, et hunc politicum ordinem a Deo et institutum esse, et aliqua ex parte conservari, ut in societate humana innotescat ipse, et nos copulati mutuis officiis, testimonia nostrae sententiae de Deo | et de filio Dei, et mutuam benevolentiam ostendamus, nosque mutuis exemplis ad virtutem accendamus. Ad haec intelligenda, profecto opus est, ut dixi, quodam studio virtutis, timore Dei, modestia, et diligentia regendorum morum. Dixi.

d

e beluae CR. revocare Orig. » in horrendis tenebris et sceleribus Orig. 11 suis CR.

* om. CR.

[CR X I 908]

Oratio de legibus

241

7 Oratio de legibus, recitata a D. Laurentio Lindeman*, Doctore iuris, cum decerneretur gradus Doctoris Doctori Michaeli Deubero, Witebergae. Anno MDL [1550] Abdruck nach dem Erstdruck Wittenberg 1550. 1550

M u l t a sunt testimonia de Deo huic to ti machinae coelesti et omnibus mundi corporibus impressa, quae testantur hunc mundum non casu extitisse, sed a mente architectatrice mira arte conditum esse et conservari. Sed testimonium valde illustre est, quod aeterna mens trans5 fudit a in homines suae lucis et sapientiae radios, qui docent nos et esse Deum, numen intelligens, numeros et gradus rerum ordinans, liberum, sanciens actionum discrimina, discernens bona a malis, beneficum, aequale, verax, sanciens ordinem castitatis, horribiüter irascens omnibus confusionibus sui ordinis. Monent et illi ipsi radii 10 divinae sapientiae in nobis, ideo hanc lucem in nos transfusam esse, ut conditorem agnoscamus et gratias ei agamus, qui nobis bona in ipso summa impertit, vitam, intelligentiam, libertatem, noticiam numerorum et ordinis, discrimina bonarum et malarum actionum. Deinde addidit etiam societatis honestae yincula et multa vitae prae15 sidia. Est autem et ob hanc causam haec lux in nobis accensa, ut sit norma vitae, et congruant nostri mores cum sapientia et voluntate Dei. Ac ut sciamus serio hoc cum velie, declarat iram adversus conturbantes hunc ordinem horribilibus poenis. Manifestum est enim, pollutes atrocibus sceleribus omnes tandem atrocibus exemplis poenas 11

transfundit CR.

•Professor des Kirchenrechts in Wittenberg Geschichte der Universität Wittenberg, S. 266.

1549—1561;

Friedensburg,

242

Oratio de legibus

[ C R X I 909]

20 luere. Et hic ordo ut servetur, imperia instituta sunt, quae vult sonare suam sapientiam in genere humano et punire contumaces. Hanc curam etsi mandatDeus | gubernatoribus, tarnen et ipse manet in statione, ac maiorem partem delinquentium suis manibus ad supplicia rapit. Non puniebant iudices Pharaonem, Alexandrum, Antiochum, 25 Antonium, Caligulam, Neronem et innumerabiles alios, quoquo modo pollutos omnibus temporibus. Hos tarnen omnes divina Nemesis, ut olim vocabatur, oppressit iustis poenis, et opprimet omnibus aetatibus. Et verissimum est dictum illud: Non urbs, non regio, non aetas ulla severi 30 Iudicii exemplis, non domus ulla caret Et notissimae sunt comminationes divinitus traditae: Qui gladium acceperit, gladio peribit 2 . Item: Scortatores et adulteros iudicabit Deus 3 . Et aliae multae. Hunc totum ordinem gubernationis vitae humanae sancitum divinitus considerare quotidie debemus ac simul 35 gratias agere sapientissimo conditori et eum orare, ut hunc ordinem tueatur ac nostras mentes in regendis moribus adiuvet. Haec qui faciunt, intelligere utcunque, quid Lex sit, poterunt. Non enim initia legum sunt a Solonis aut decemvirorum tabulis, imo ne quidem ab illis saxeis Moisi b tabulis. Sed lex est aeterna et immota sapientia 40 et iusticia Dei, cuius radii in naturas intelligentes sparsi sunt, ut nostrae mentes et nostri mores cum mente divina congruant; quam suam sapientiam et iusdciam Deus et voce declaravit, editis illustribus testimoniis in eductione Israelitarum ex Aegypto et saepe alias. Quotidie vero poenarum exemplis eam declarat. Etsi autem magna 45 est naturae humanae infirmitas, tarnen qualiscunque nunc est, Deus reliquit in nobis huius suae legis intellectum, et voluntatem armat, ut regere externa membra seu, ut vocant, motum voluntarium possit; et quidem vult adsuefieri homines, ut discant legem et videant, ex quibus fontibus quae demonstrationes extructae sint, et frenos iniciant 50 errantibus cupiditatibus, ac magna cura regant externa membra, ne contra legem Dei faciant. Haec cum sint notissima, tarnen multi * om. CR. 1 2 3

Identifizierung dieses Zitats ist nicht gelungen. Matth. 26. 52. Hebr. 13. 4 (Fornicatores).

[CR X I 910]

Oratio de legibus

243

non solum infirmitate vel negligentia peccant, sed horribili furore contemnunt ipsas leges, velut iniustum carcerem, ut Gorgias apud Platonem disputat, legem tyrannum esse4, et deinde effrenes ruunt in 55 omnia scelera. Tales sunt multi, non tantum pauci Cyclopes ac Lestrygones apud Homerum, sed omnibus temporibus in genere humano ingens multitudo est talium furenter contemnentium universam disciplinarti, quos I ut Deus iustus et vindex scelerum coherceat, toto eum pectore oro. Ac tales orationem de bonitate legum et ordinis divini in 60 gubernatione vitae nihilo magis audiunt, quam Polyphemus apud Homerum audit Ulyssem de iudicio Dei loquentem, cui respondet his verbis : Nulla Iovis Cyclopum animos reverentia tangit 5 . Sciamus autem tales non tantum naturae infirmitate peccare, sed 65 haud dubie a diabolis agitari. Quare alii modestiores, qui disciplinae frenos patiuntur, consuetudinem eorum fugiant® eosque velut pestes et akaaxogag civitatum et gentium vitent. His vero modestioribus, qui disciplina reguntur, qui et esse Deum sapientem, iustum et vindicem statuunt et eius iram et poenas metuunt, scio non ingratam 70 esse orationem de legum bonitate. Hos, cum norint eas Dei vocem esse, et cum videant, hunc ordinem politicum Dei opus esse et munus vitae nostrae utilissimum, obtestor propter Deum, ut saepe multumque cogitent, qui sint legum fontes, et quid sit hie d totus ordo politicus ; et hac cogitatione sese exuscitent ad haec divina bona veneranda et ad 75 obedientiam Deo debitam ac disciplinae amorem. Scio aliter accipi orationem de disciplina a iunioribus, aliter e a natu grandioribus, qui iam non solum aetate, doctrina et usu adsuefacti sunt, ut propius aspiciant hanc Dei sapientiam et ordinis pulchritudinem, sed etiam calamitatibus et poenis eruditi sunt, ut iudicium et iram Dei magis 80 metuant. Cum enim re ipsa experimur eventus certo respondere comminationibus divinis, firmior fit adsensio, iurisconsultus sapit, ut dici solet, itanos omnes commonefacti poenis ad modestiam revocamur. Etsi igitur iuventus ferocior est, tamen ideo haec ipsa gubernatio politica instituta est, ut doctrina, imperiis, carcere erudiat iuventutem, et c

fugiunt CR.

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Protagoras, 337c! (richtig: Hippias). Odyssee, 9, 274 sqq.

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om. CR.

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et CR.

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[CRXI911]

85 cicuratam ac domitam flectat ad agnitionem Dei, ut gravissime Paulas inquit, Lex est paedagogus6, et additur laus amplissima, cum inquit esse paedagogum, ut Christum agnoscamus, id est, docendo et castigando rudibus instillat initia sapientiae coelestis et paulatim provehit discentes et compescit errantes impetus, ut mentes admittant 90 doctrinam de filio Dei. Ne existimate eos, qui laxant frenos cupiditatibus, nec desinunt ruere contra conscientiam, Deo piacere. Manifesta sunt enim haec oracula: Nolite errare, Deus non irridetur 7 . Scortatores, adulteri, homicidaenonpossidebuntregnumDei 8 . | Item: Propter haec venit ira Dei super contumaces9. His oraculis omnes 95 commonefacti, disciplinam statuamus necessariam esse, et timore Dei admodestiamanimos componamus. Hoc qui facient, hi magis magisque intelligent, quantum bonum sit lex Dei, quae et in decalogo sonat, et in mentibus hominum lucet, quae totum politicum ordinem gubernat. 100 Hic autem dicit aliquis, fateri se legem Dei summa reverenda venerandam esse, et sapientiam esse, quae nullius creaturae consideratione in omni aeternitate exhauriri possit. Quid autem illa seu imperatorum edicta, seu Ulpiani, imo Battoli, Baldi et similium callidae interpretationes ad legem Dei ? Cur misces, inquiet, sacra prophanis ? 105 Dicet rhetoricam forensem esse, qualis fuisse Coracis et Ctesiae narratur praestigiatrix, cavillatrix, ludens invertendis ' ambigue dictis. Orem miseram et deplorandam! Verum est, res optimas quasi caligine quadam tectas in hac vitae confusione et his hominum erroribus et vitiis non prope aspici. Bona et salutaris res est foedus coniugii 110 sancitum certo modo. Et tamen cum pericula et aerumnae non paucae id genus vitae comitentur, bonitas est obscurior, et multi tanquam tristem carcerem coniugium fugiunt. Ita res aliae bonae minus cernuntur, turn propter hominum inscitiam, turn propter abusus, qui accedunt. Sed nostrum officium est iunioribus instillare veras sen115 tentias et errores eximere. Ac sciant, magnum bonum esse de rebus ' in verbis CR. 8

Gal. 3. 24. ' Gal. 6. 7. 8 Cf. Hebr. 13. 4; 1 Kor. 6. 9. » Kol. 3. 6.

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necessariis tenere veras sententias, quae mentes flectant ad celebrandum Deum, ad bonos mores et ad tranquillitatem. Verum est, discrimina Legis et Evangelii, ac deinde iusticiae aeternae et iusticiae politicae, item legum divinarum et humanarum, cognoscenda et propter gloriam Dei summa cura tuenda esse. Horum generum confusio omnibus aetatibus non solum errores in Ecclesia, sed etiam tumultus in imperiis peperit. Sed videndum est, qui locus cui generi tribuendus sit. Ante annos fere triginta vulgus audierat leges humanas discerni a divinis, et quaedam viciosa decreta hominum prorsus abici, alia vero extenuari. Accidit autem quod saepe solet fieri. Etiam cum dextra offerebatur doctrina, tamen rudiores eam sinistra s accipiebant. Multi omnes leges humanas deieri volebant, non tantum ecclesiasticas, sed etiam has politicas, quae regunt imperia. Multi, quod magis dolendum est, disciplinam universam ita laxarunt, ut magna feritas | in moribus secuta sit. His tristissimis exemplis moniti, modeste et pie consideremus vera discrimina legum, et videamus, quae sint divinae, quae humanae, ac debita reverentia suo ordine singulis membris tribuatur. Non possum nunc in tanta horum membrorum amplitudine omnia persequi, sed de iurisconsultorum scriptis dicam. Horum autoritas ut magis edam conspiciatur, prius de officiis politici gubernatoris seu summi magistratus dicam.

Ut hic pulcherrimus ordo, positus corporum, coeli, aeris, terrae circumfusae oceano, et ut ordo motuum coelestium, qui vices temporum, dies et noctes, aestates et hiemes efficit, sine ulla dubitatone 140 a Deo conditus est et conservatur: ita totum hunc ordinem politicum, foedus coniugii, imperia, dominiorum11 distinctionem, contractus, iudicia, poenas, verissime statuas, a Deo institutum esse; et quanquam diaboli et hominum furores saepe eum turbant, tamen immensa bonitate Dei conservari, ne totum genus humanum funditus deleatur. 145 In hoc ordine cum praesit gubernator seu magistratus politicus (nunc enim dico de gubernatione propria Ecclesiae), praecipua habet officia quatuor, quorum sine ulla dubitatone primum et summum est, ut sonet in genere humano vocem decalogi, et sit, ut ita dicam, vox Dei, qui vult genus humanum honesta disciplina regi, quae congruat 150 ad legem naturae, quae est expressa in decalogo, ut omnes eruditi s sinistre CR.

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dominorum CR.

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[CR X I

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norunt. Non vult Lycurgum suo arbitrio leges condere pugnantes cum natura, quaüs est lex, quae concedit pacisci de alterius coniuge. Non vult per ludum interfici homines, ut Romae fiebat in pugnis gladiatoriis. Secundum officium est: Cum lex facile contemnatur, nisi metu poenarum munita sit, magistratus sit executor decalogi, exerceat iudicia et severe puniat contemptum vocis divinae. Ideo enim poenae in hac vita sancitae sunt, primum, quia vult Deus intelligi discrimen honestarum et turpium actionum, quod illustre fit poenarum spectaculis; deinde sancit has poenas, quia iustus est, vere irascitur sceleribus. Vultque has poenas commonefactiones esse de sua iusticia. Consulit et paci communi, cum praecipit tolli grassantes adversus alios cives, et metu poenarum alios coherceri. Postremo hae praesentes et breves poenae testantur restare aliud iudicium, in quo aequaüs compensatio fiet. Quia violata est immensa bonitas, | erunt et poenae aeternae omnium, qui non confugiunt ad filium Dei. Tertium officium est: Summis gubernatoribus in politia mandatum est, ut ipsi quoque leges addant decalogo, quae tarnen cum legibus naturae non pugnent, sed aut necessaria consequentia, aut probabili ratione ex illis extructae sint, et sint velut adiumenta legum naturalium et circumstantias aliquas definiant. Ut lex naturae ostendit furtum puniendum esse. Modos poenarum probabili ratione magistratus constituit. Quartum officium est, ut harum etiam legum custos sit, et puniat contumaces totumque munus referat ad disciplinam et pacem. His officiis gubernatorum consideratis, quae divinitus ei mandata esse certissimum est, quae sit doctrina iurisconsulti, qui est velut vox magistratuum (legum enim custodia et interpretatio nostro ordini mandata est) facile intelligi potest. Nec vero existimandum est, nostram doctrinam tantum acervum esse sententiarum, quarum nulli sint certi fontes, nullae demonstrationes. Sed verissimum est, principia, ut vocant dialectici, esse praecepta decalogi, quae sunt primum in ipsa mente divina, regula iusticiae immota. E t cum sint noticiae divinitus sparsae in hominum mentes, natura notae sunt et firmae, ut numerorum ordo notus est et immutabilis. E x his initiis cum certum sit reliquam doctrinam extruc-

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tam esse partim demonstrationibus, partim honestissimis et probabilibus rationibus, quae vicinae sunt divinis praeceptis, agnoscamus totum aedificium sapientiam esse a Deo monstratam generi humano, qui etiam Consilia gubernantium rexit, ut principia viderent, et deinde concinna membra adderent. Scit iurisconsultus iusticiam in contractibus aequalitatem esse, quae sumpta est ex praecepto: Non furtum facies 10 . Hinc nascitur regula, iniustum esse cum alterius iniuria locupletari. Eruditissime igitur quaesita est aequalitas, ac saepe demonstrationes manifestae sunt, ut in lege Iulianus paragrapho ex vendito ff. de actionibus empti et venditi [D. 19. 1. 13. 24]: Si emptor non dedit precium post diem traditionis, cum fruatur re empta, vicissim pendat venditori quanti interest. Perspicua est ratio, ut ipse textus inquit, ut sit aequalitas. Pieni sunt libri nostri talium investigationum aequalitatìs, quarum aliae magis, aliae minus perspicuae sunt; quae cum sint demonstrationes, fateamur, ut in aliis artibus, veritatem demonstratione erutam, amplectendam | esse, et laudandos esse artifices, tum veteres, tum recentes, Bartolum et similes, qui ingenia discentium ad fontes deducunt. Interdum probabilis tantum ratio legis est, sed tamen concinna, ut in diversis poenarum modis. Nostro iure debitor, qui non potest solvere, facta excussione facultatum, nisi bonis cedat, multas graves poenas sustinere cogitur. Alicubi in Graecia lex addebat notam certo spectaculo, ut deterreret plures, ne cumularent aes alienum. Pendebat in cophino debitor, et coenum in eum coniciebatur. Ac patrem Euripidis, virum pauperem, scribunt hac poena adfectum esse. Talia decreta, quae etsi non habent causam necessariam, tamen oriuntur ex ratione probabili et concinna, valent propter magistrates autoritatem, quem Deus armavit hac potestate, ut certis circumstantiis communes sententias includat. Nec recitabo plura exempla, cum in libris nostris ubique obvia sint. Haec qui derident, excerpunt mutila et levia exempla. Sed bonae mentis est intueri totum aedificium doctrinae et considerare ilia divinae sapientiae oracula, videlicet praecepta decalogi, ex quibus postea reliqua moles ad fastigium usque extruitur. Imo totum politicum ordinem intuearis. Non enim tantum contractus et successiones regit haec doctrina, sed etiam mores hominum, sancit poenas omnium 10

Ex. 20. i j .

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[ C R X I 914/915]

scelerum, ut disciplinarti muniat, ac re vera omnium virtutum doctrinam continet, quod in actionum et accusationum generibus adparet, quae ad decalogum aptissime quadrant; et gubernatorem ut puniat, contumaces ideo armat, quia legum vox inutilis esset, nisi executio accederei, sicut vere inquit Aeschines, nihil valere politiam non habentem nervos contra facinorosos u . Cum igitur totus ordo politicus admirandum Dei opus sit, et nostrae utilitatis causa, et ut sit testimonium de Deo, ac sapientiam, bonitatem et iusticiam eius ostendat, institutum, et sit assuefacdo ad totum chorum virtutum, vos iterum obtestor, ut et ipsum politicum ordinem propter gloriam Dei ametis et reverenter tueri studeatis, et hanc doctrinam eruditam de civili gubernatione et a sapientia Dei ortam, ut ilia ipsa sapienda divina inquit: Per me reges regnant 12 , magnifaciatis et toti generi humano suo quisque loco conservari curetis. Cumque hic inquiri virtutum naturas videbitis, saepe in mentem veniat, ideo patefactam esse virtutum doctrinam, ut et esse Deum, et qualis | sit, moneat. Discis iusticiam aequalitatem esse. Est ergo et Deus verissime aequalis, alienissimus a jtpoaoojioXrialiiq: et ab omnibus tyrannicis moribus. Haec ingens consolatio est. Nam cum aequalis sit, certissimum est, velie eum omnes ad filium confugientes recipere, nec velie te 1 imaginari tanquam de tyranno, et si alios recipit, te tamen reicit. Cum legis veritatem virtutem esse, qua et1 mens et oratio congruunt, et dicta ac pacta constanter servantur; cogitabis Deum veracem esse, nec dissentire a sua promissione, quae universalis est. Cum legis poenas scelerum, non has, Epicuri more, tantum propter tranquillitatem humano Consilio institutas esse putes, verum sancitas divinitus, ut sint commonefactiones de ipsius iusticia. Denique piena est haec tota doctrina sapientiae, quam propius aspicietis, cum accedent aetas, eruditio, usus. Nunc multum profecisse iuniores se sciant, si illas barbaricas opiniones ex animis eicient, quae fingunt leges et hunc ordinem politicum tyrannicum carcerem esse, nec Deo curae esse, et incipient in hac miranda conservatione naturae 1 11 12

om. CR.

1 om. CR.

Demosthenes, X I X , D e falsa legatione, 283. Prov. 8. 1 5 .

[ C R X I 915/916]

Oratio de legibus

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humanae et gubernatione praesentiam Dei agnoscere, abhorrere a conturbatone ordinis, et Deum orare, ut sui operis inter nos custos et conservator esse velit. Postremo edam moneo iuniores, ut insulsos et seditiosos clamores 260 eorum explodant, qui hoc Romanorum ius vituperant et somniant, se novas leges condere posse. Horum stulticiam non refutabo longa oratione, cum quidem vera, gravis et splendida refutado opponi possit. Sed nunc in hac temporis angustia eam omitto. Tantum apologum recitabo, qui illustri imagine ostendit, quales sint illi novi 265 nomothetae. Simia, quae capta ab hominibus aliquamdiu viderat urbes, domos, hominum congressus, theatra, spectacula, ludos, postea elapsa rediit ad simias ac narrat, quid viderit; hortatur, ut hominum imitatione condant domos, quibus tegantur contra tempestates, et addant moenia adversus leones, lupos, homines. Nec tantum haec 270 utilitas proponitur, sed commemorantur theatra et spectacula. Horum imitatio magnas voluptates paritura videbatur. Placet igitur consilium, et dimittunt vetulae simiae iuniores ad materiam caedendam et saxa convehenda. Sed hie deprehendunt stulticiam suam simiae. Deerant secures, et ratio nulla erat vel caedendae materiae, vel coagmentandi 275 lapides. Denique ars tota architectonica deerat. Res igitur cogit eas id, quod stulte instituerant, omittere13. I Harum simiarum cum similes sint multi, qui hoc Romanorum ius sapientissimorum et peritissimorum hominum deliberationibus scriptum et deinde illustratum vituperant et stulte somniant, se meliorem 280 politiam condere posse, [eorum]k deliramenta explodenda sunt: quorum quanta sit vanitas, etiamsi iuniores nondum vident, tamen senioribus et peritis credant, non temere leges sapientum et peritorum iudiciis latas, receptas, comprobatas, mutandas esse. Hac ipsa de re saepe gravissimas commonefactiones audivimus hoc ipso in loco a 285 clarissimo viro Doctore Hieronymo Schurff, praeceptore nostro perpetua reverentia colendo, cuius iudicium, cum eruditione, aetate, usu, sapientia excellat, quem quidem ut Deus incolumem reipublicae diu servet, toto pectore opto, longe anteferamus stultae iuniorum curiositati. Sed de hac re alias plura dicemus. k 13

add. CR.

Hermogenes, Progymnasmata, i,20sqq.; Leonard Spenge/, Rhetores Graeci, II, Leipzig 1854, S. 3—4.

2JO

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Oratio de legibus

[CR X I 916]

Postquam autem vos, ut officii nostri ratio postulai, commonefeci de reverenda politico ordini debita, qua etiam Deo gratitudinem praestare debetis, oro nunc toto pectore Deum aeternum, patrem Domini nostri Iesu Christi, conditorem coeli et terrae, et hominum et Ecclesiae suae, una cum filio suo Domino nostro Iesu Christo, 295 crucifixo pro nobis et resuscitato, et Spiritu sancto, ut sua immensa misericordia propter filium perpetuo inter nos colligat aeternam haereditatem filio, et regat nos Spiritu sancto suo, servet hospicia Ecclesiae, et cum verissime sit fons sapientiae et legumi, sit custos inter nos disciplinae, legum, iudiciorum et virtutis, et efficiat ut 300 semper inter nos luceat vera ipsius agnitio, ut eum in omni aeternitate celebremus. Dixi.

[CR X I I 19]

Oratio de dignitate doctrinae legum

8 Oratio de dignitate doctrinae legum et iurisconsultorum, recitata a viro clarissimo et nobili Ioachimo ä Beust, Doctore iuris, cum gradus Doctorum in iure decerneretur viro clarissimo Chiliano Goldstein iuniori* anno 1553. Witebergae, excudebat Iohannes Crato. MDLIII [1553] Abdruck nach dem Erstdruck Wittenberg 1 5 5 3 . 1553

( j r a v i s s i m o consilio institutum est, ut publice et in quadam eruditorum frequentia tribuantur doctrinae testimonia. Nec vero aliud magis decet in talibus congressibus, quam et celebrare Dei dona, et petere eorum conservationem, et dicere aliquid de doctrina divinitus 5 monstrata generi humano, ad erudiendos iuniores, aut excitandos ad amorem doctrinae et virtutum. Hos honestissimos ritus aspernari, tetra barbaries est, et disciplinae ac moribus perniciosa. Quare vos auditores primum cogitate, quare conveneritis, et pectora exuscitate, ut grati mecum celebretis Deum, legum et doctrinarum fontem, et 10 petatis, ne haec sua dona in his regionibus deleri sinat. Duae sunt autem summae virtutes comprehensae in ea, quae nominatur Gratitudo, videlicet Veritas et Iusticia. Veritas agnoscit, unde profectum sit beneficium, et autorem celebrat. Iusticia obligat ad mutua officia. Grati igitur adfirmamus, leges vere esse sapientiam 15 Dei, cuius radii in hominum mentes transfusi sunt, et pro hoc optimo munere fateamur nos Deo debere gratam ipsius celebrationem et reverentiam, et obedientiam, iuxta has ipsas leges, quas nobis tradidit. Deinde eum ardentibus votis oramus, ut et Ecclesiam et eius hospitia servet, et accendat pectora nostra, ut semper eum vera invocatione * 1527 — 1622?, Nachfolger seines gleichnamigen Vaters in der juristischen Professur in Wittenberg; Muther, Rechtswissenschaft, S. 387; Stintzing, I, S. 563. — Dem Erstdruck dieser Rede ist eine längere Ausführung über Chilian Goldstein junior beigegeben.

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Oratio de dignitate doctrinae legum

[ C R X I I 20]

20 colamus, et tribuat politiis pacem et in ea tueatur leges, iudicia, disciplinam et doctrinarum studia. Haec precario hoc tempore sit ardentior, quia magna pars Germaniae bello ardet, et fiunt vastationes, quas sequuntur literarum et legum interims, laxatio disciplinae, prophanitas opinionum | et morum, contemptus religionis et iudicio25 rum, vita similis beluinae. Haec tanta mala ut clementer avertat Deus, assiduis gemiribus et votis orandus est. Nunc pauca dicam de legum dignitate ad commonefaciendos iuniores, ut adversus malas opiniones praemuniantur. Hippias apud Platonem nominat legem tyrannum quia natura, obnoxia vagabundis 30 cupiditatibus, aegre patitur frenos, et leges tanquam vincula et carcerem odit, et multi furenter hos frenos excutiunt. Talis cum sit in natura hominum contumacia, ut manifestum est, quam quidem et mala exempla, et multi ncoQÓxaxoi tribunitiis sermonibus confirmant, difficile est, mentes ad reverentiam legum flectere. Multi etiam hanc 35 nostram doctrinam traditam in libris iurisconsultorum tantum cogitant esse aut non necessariam subtilitatem, aut etiam sophismata excogitata ad illaqueandosa aut eludendos litigatores. Et sunt multi fascinati fanaticis erroribus, qui discrimen ignorant Legis et Evangeli!, et aeternae iusticiae et politicae gubernationis, qui dicunt nova iura ex 40 Evangelio cudenda esse. Sed nos a Deo in hanc stationem collocati sumus, ut ostendamus veram de dignitate legum sententiam, et deliria contraria refutemus, quod quidem Dei beneficio in hac ipsa Academia fideliter factum esse, manifestum est. Cum autem multa sint de Deo illustria testimonia in hac visibili 45 natura, turn vero praecipiuum est, discrimen honestorum et turpium, quod nominatur lex naturae et expressum est in voce decalogi, et assidue repetitum in concionibus divinis in Ecclesia, inde usque ab initio generis humani. Haec ipsa lex naturae non est tyrannus, ut Hippias dixit, nec est imaginario, hominum astutia excogitata, ut 50 multi somniant, sed est aeterna et immota sapientia in Deo, et norma iusticiae seu rectitudinis, cuius sapientiae radios transfudit Deus in homines in creatione, ut ostendant esse Deum, et doceant, qualis sit Deus, et quod sit vindex scelerum, ac obligant omnes homines, ut a

illaque laudandos

1

Protagoras, 3 3 7 d ; siehe auch unten, N r . 1 3 , A n m . 1.

CR.

[CRXII 21]

Oratio de dignitate doctrinae legum

sint conformes Deo, et doceant omnes de iudicio Dei, quod vere et 55 horribiliter irascatur omnibus contumaciter yiolantibus hunc ipsius ordinem, et sit ignis consumens ac destruens contumaces. Hie legum nostrarum fons est, et hac vera descriptione et laudatione legum nihil dici maius aut melius potest. Quid enim cogitare maius aut melius potest quam sapientia Dei ? Deinde | quid gloriosius de homine dici 60 potest, quam esse mentes nostras specula, in quae sparsit DEVS radios huius suae sapientiae, monstrantis ipsum Deum et summa in eo bona, scilicet sapientiam et iusticiam? Quid sunt caetera bona, qualia sunt in pecudibus, vita, sanitas corporum, et agilitas, voluptates in pabulo, potu, concubitu? Fateri necesse est, maius bonum 65 esse sapientiam et inter omnes gradus sapientiae summum esse discrimen honestorum et turpium, quod ostendit et esse Deum, et qualis sit, et esse vindicem scelerum. Oportebat autem nos intuentes in nobis hos radios sapientiae Dei, agnoscere conditorem, et amare ordinem ab ipso sancitum et nos reverenter ei subicere, et intra 70 metas, quas nobis circumdedit, nos cohercere. Sed proh dolor triste dissidium est cupiditatum et huius lucis in mente humana, et unde sit ortum hoc dissidium, et quale sit, ostendit doctrina Ecclesiae. Sed tamen reliqua est in natura humana haec facultas, ut mens frenare membra possit, ut externa obedientia ad legem congruat. 75 Cum autem velit Deus, et notam esse in genere humano hanc suam sapientiam et iusticiae ordinem, et homines ei obedire, condidit Ecclesiam, in qua semper vocem legum conservavit et addidit politicam gubernationem et magistratus, quos instruxit autoritate et armis, ut leges in populo sonent et tueantur et puniant contumaces. Et quia 80 lex sine executione et sine poenis adversus contumaces inanis sonitus est, non solum commendavit poenas magistratibus, sed ipse Deus praesens in imperiis sua vigilantia et iusticia retrahit sontes ad horrenda supplicia, immo et nostris corporibus indidit inevitabilem carnificem, dolores conscientiae, qui omnes sontes excruciant, ut 85 conspiciatur discrimen inter recte facta et turpia. His doloribus convincimur, ut fateamur esse Deum sapientem et iustum, et velle, ut simus ipsi conformes, et iuste punire contumaces. Illis vero, qui sunt ei conformes, communicaturum esse sese et sua bona: vitam, sapientiam, iusticiam et laeticiam. Attribuit autem magistratui hos 90 quatuor gradus officiorum.

2J4

Oratio de dignitate doctrinae legum

[CR X I I 22]

Primum, ut sonet vocem legis divinae, id est decalogi, seu ut nominamus, legis naturae in genere humano. Vult conspici sese Deus in sua lege. Hanc igitur vult proponi et normam esse omnium consiliorum, non vult nos nostris imaginationibus regi, aut comminisci 95 leges, quae | malarum cupiditatum sint ministrae, ut Lycurgus concessit adulteria, si adulter paciscens cum marito, permittente eo, frueretur aliena coniuge. Secundum officium est, ut magistratus sit executor legum divinarum, ac severe puniat contumaces. 100 Tertium, ut suas quasdam leges addat, non pugnantes cum divinis, sed quae circumstantias aüquas legum generalium determinent, probabili ratione, et sint adminicula legum divinarum, ut cum gradus suppliciorum ordinat. Quartum, ut sit executor suarum legum, et puniat contumaces. 105 Itaque cum Deus ipse fons sit legum et sit autor et conservator politici ordinis, sicut sapientia Dei apud Salomonem inquit: Per me reges regnant2, et iudices iusta decernunt, agnoscamus etipsamlegum sapientiam et magistratuum gradus beneficia Dei esse, et reverenter nos sapientiae Dei et legitimis magistratibus subiciamus et sciamus, 110 sine ulla dubitatione contumaciam puniri, sicut Salomon inquit: Time Dominum, fili mi, et regem, et cum seditiosis ne facias foedera, quia subito veniet interitus eorum3. Haec vera oratio de legum et politici ordinis dignitate saepe repetenda est, ut cum cogitamus leges non esse vincula humano 115 Consilio excogitata, nec imperia0 tantum humana violentia constituta esse, sed leges vere esse sapientiam Dei, et totum ordinem politicum : magistratus, praesidia, contractus, iudicia, poenas, a Deo institutum esse et conservari, reverenda in animis excitetur et confirmetur. Sed dicat aliquis: Quid haec oratio de decalogo facit ad haec 120 scripta iurisconsultorum Ulpiani aut Bartoli? Cur misces divina humanis, et cur non anteferuntur leges Moisi? Hanc obiectionem refutari necesse est. Ut ceterae artes partim demonstrationibus, partim probabilibus rationibus ex divinis noticiis extructae sunt, ut arithb

imperita CR.

2

Prov. 8. IJ. Prov. 24. 2 1 , 22.

3

[ C R X I I 23]

Oratio de dignitate doctrinae legum

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metica ex cognitione proportionum sumpta est: ita Romanae leges ex 125 noticiis naturalibus, quae sunt radii sapientiae divinae, in decalogo breviter comprehensi, bona consequentia ductae sunt. E t semper fuit ars iurisconsultorum, causas ostendere suarum sententiarum in illis fontibus. Praeterea hac autoritate armavit Deus magistratum, ut etiam cum demonstratio deest, et in decernendo probabilem rationem 130 sequitur non pugnantem cum iure divino; tamen lex firma sit. Idque I agunt nostri interpretes, Bartolus, Baldus et similes, ut leges conferant et vel demonstrationes ostendant vel probabilem rationem. Ac vituperanda est multorum inscitia, qui dicunt, ideo varios legum intellectus fingendos esse, quia leges conditae sint mutabilibus hominum 135 arbitriis, quorum cum nulla sit constantia, possint leges varie flecti ad diversas interpretationes. Hie perniciosus error animis eximendus est. Nam et falsa opinio est et contumeliosa contra Deum, et labefactat magistratuum autoritatem. Manifestum est autem decalogum, et deinde multas naturales 140 noticias, quae sunt legum semina, esse aeternam et immotam sapientiam et normam iusticiae in Deo nobis patefactam. Ex hac immota sapientia ortae sunt plurimae in ipsis legibus nostris et in responsis veterum et recentium iurisconsultorum firmae demonstrationes. Nec imaginandum est, omnia decreta mutabilia esse, seu, ut Aristoteles 145 nominat regulas Lesbias 4 , sicut mutabile fuit institutum Laconicum de nummo ferreo, aut Thebanum, ut obaeratus imponeretur in calathum et perfunderetur aqua. Ideoque semper fuerunt in imperiis scholae docentium et discentium iuris doctrinam, ut interpretatio firma ostenderetur ex demon150 strationibus et ex legum collatione. Nam et Athenis erant vo[ioq>iiXax£s, publica autoritate constituti, qui et custodes erant legum et interpretes. Romae scholae frequentiores fuerunt, Scevolarum, Sulpitiorum, Trebatii et aliorum, nec interrupta vel extincta est Constantinopoli consuetudo docendi et discendi legum interpretationem, donee 155 tristi fato sedes ilia et doctrinarum et imperii Christianis erepta est, et Turcica barbaries ante annos centum in ea dominari coepit. In Italia vero cum Longobardi et deinde Franci regnarent, et in curia ac in foro peregrinae leges dominarentur, quarum adhuc aliqui 4

Eth. Nic., V , 10 (14), 1 1 3 7 b .

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Oratio de dignitate doctrinae legum

[CR X I I 24]

libri extant, mox post Iustinianum studia docendi et discendi leges 160 Romanas conticuerunt, annos fere quingentos, quae tarnen Constantinopoü non sunt omissa. Sed imperatoris Lotharii Saxonici tempore senex in Italia fuit, sapientia, virtute et autoritate antecellens, cuius consiliis diu principes, qui imperatorum nomine rexerunt Italiani, gubernati fuerant. Cum 165 autem Lotharius pacata Italia deliberaret de forma iudiciorum constituenda et legum emendatione, Irnerius ostendit, quantum | sit boni in toto imperio eandem esse legum vocem, congruentem rationi et iustam. Diu autem in Italia fuisse magnam dissimilitudinem legum, et multas barbaricas consuetudines et iudiciorum diversitatem, gignere 170 varios motus, hortatur, ut imperator mandet suis iudicibus, ut res iudicent ex veteri Romano iure, idque ut rursus notum fiat plurimis, praecipiat, ut Bononiae veteri more fiat legum enarratio. Ibi enim Theodosius lectores iuris olim collocaverat. Commemorai, qualia adhuc sint Costantinopoli studia eius doctrinae. Mores etiam homi175 num ait fore mitiores, si adsuefiant homines ad leges, in quibus iusticiae forma rectius conspicitur, et verae causae ostenduntur, quid cur sit honestum placuit sapienti Imperatori Lothario consilium Irnerii, sed lector deerat, qui eruditione et autoritate invitare hominum studia in re nova posset. Quare imperator petit, ut Irnerius ipse 180 (existimo autem eum Constantinopoli didicisse) redeat ad scholam, et tantae rei initia gubernet et ostendat, quomodo haec doctrina restituenda sit. Etsi erat inusitatum, senem ex curia et ex gubernatione summorum consiliorum redire ad scholam : tamen Irnerius hunc docendi laborem suscipit, prospiciens, quantum posteritati profutura esset restitutio 185 huius doctrinae. Legerat etiam in his ipsis libris Pandectarum, Romae quondam consulares viros, Scevolam, Crassum, Sulpitium et alios, domi suae multos docuisse. Ac si vere iudicare volumus, senectus addit aliquid autoritatis expositioni rerum maximarum. Et ipsis senibus maxime congruit, tradere iunioribus iusticiae et aliarum 190 virtutum doctrinam. Cum igitur docere Irnerius cepisset, multorum nobilium hominum studia accensa sunt, et paulatim in caeteras Italiae urbes et in Galliam, postremo et in Germaniam haec doctrina propagata est. Quanquam autem in hac vita multae confusiones et vitia manent, 195 tamen negari non potest, melius esse habere certas leges et doctrinae

[ C R X I I 25]

Oratio de dignitate doctrinae legum

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formam, quam iudicare res ex potentum arbitriis aut ex opinionibus et inerudita rhetorica ardelionum, qui impudentius vociferarentur in foro, si legum et doctiorum autoritatem non metuerent. Deinde multum et aliis literarum et historiarum studiis profuenmt hi libri, 200 adiuverunt restitutionem Latinae linguae, illustrant historias. In naturis non monstrosis profecto etiam moribus prodest considerare causas legum, et propius in ea aspicere iusticiam, quod cum fit, ipsa pulchritudo | virtutis accendit animos ad earn amandam. Deinde leges cognoscere est intueri totam formam reipublicae. Cum Atticae civi205 tatis aut Romanae leges cogitamus, videmur quasi cives in illis ipsis urbibus vivere, intuemur ordinem magistratuum, exempla disciplinae, severissimas scelerum poenas, Appii libidinosi, Decemviri necem, Saturnini, Catilinae et coniuratorum supplicia, Consilia moderatissima in sedandis bellis civilibus, à(ivr)aiav sancitam a Thrasybulo Athenis, 210 et Romae a senatu, post interfectum Iulium Caesarem, ut pacis c publicae causa singuli de suo cederent, modum usurarum.

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Harum rerum omnium consideratio, quae sine legum collatione fieri non potest, de multis magnis rebus nos commonefacit in tota vita nosque ad iusticiam et modestiam flectit. Sed indocti multi et Iudaicis opinionibus fascinati dicunt, potius Moisi leges in forum revocandas esse; alii indoctiores dicunt, novum ius ex Evangelio cudendum esse. Hos fanaticos furores scitis saepe iam firmissimis et perspicuis argumentis refutatos esse. Sed quia non praemoniti facile turbantur et novitate et superstitione, iuniores interdum de his disputationibus commonefaciendi sunt. Videmus hoc accidere, ut hi, qui non sunt a teneris recte instituti de discrimine vitae politicae et iusticiae aeternae, ne possint quidem sanari. Fontes igitur harum refutationum tenendi sunt, qui amplissimam doctrinam continent, utilem et ad agnitionem Dei et ad reverentiam politici ordinis. Evangelium de reconciliatione Dei et de aeterna iusticia in nostris cordibus concionatur, quae filius Dei retrahit ex aeternis poenis, cum fide ad eum confugimus, et donat nova luce et Spiritu sancto accendente veram Dei invocationem et alios motus Legi Dei congruentes. Interea in vita civili sinit nos uti legibus imperiorum, in quibus vivimus. Colligitur enim haec aeterna « om. CR.

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Oratio de dignitate doctrinae legum

[CRXII26]

Ecclesia in variis imperiorum locis, quorum ne potest quidem eadem forensis consuetudo in omnibus negociis esse. Satis est leges politicas ubicunque congruere ad hanc regulam, ut sint honori bono operi et terrori malo, ut Paulus inquit, hoc est, congruere ad decalogum. In ceteris rebus, de quibus magistratus condere leges potest, similitudinem legum esse, nequaquam necessarium est. Lex Mosaica primo genito duas partes haereditatis attribuebat 5 . Nostrae leges servant aequalitatem arithmeticam, | tantundem singulis attribuunt, gradus etiam faciunt in praediis militaribus et aliis rebus. Haec dissimilitudo non impedit iusticiam aeternam et motus divinos in corde, imo vult Deus ostendere suo quemque loco in his rebus obedientiam erga patrias leges seu duriores seu leniores. Multae magnae causae fuerunt, cur et constituta sit politia Mosaica et postea deleta. Nunc rudera et cineres et èpeiiiia in illis locis annos mille quadringentos octoginta testimonium dicunt, aliis gentibus non necessariam esse formam eius politiae. Imo ne tunc quidem Ecclesia illi politiae tantum inclusa erat. Ioseph in Aegypto res iudicabat Aegyptiis legibus. Daniel in Persia Persicis. Nabugdonosor in Babylone Babylonicis. Nahamam in Syria Syriacis. Cornelius centurio Romanis legibus praesidia rexit. Sed haec tota quaestio alibi saepe luculenter explicata est, quo magis detestanda est multorum non solum inscitia, sed etiam perversitas, qui quanquam perspicue refutati, tamen furere non desinunt cumque nec Evangelium, nec sui iuris fontes intelligant, stulte et impie in unum chaos utrumque confundunt et fingunt deliramenta prorsus, ut dicitur, olire vn?, oijxe ougavov antóneva. Sapienter discernamus genera doctrinarum, et ut Paulus praecipit, recte partiamur sermonem divinum, consideremus discrimen aeternae iusticiae et politicae, luceat in corde sol iusticiae, filius Dei, et ardeant pectora vera agnitione et invocatione Dei, et aliarum virtutum flammis. E t in externa ac civili consuetudine ostendantur invocatio, fortitudo, diligentia societatis tuendae. Non Titanum more bellum coelo aut legibus inferatur. Ut autem Titanes fulminibus coelestibus dissipati et interfecti sunt, ita tandem fanatici illi hostes legum horrendis exemplis a Deo dolentur. 5

Deut. 2 1 . 17.

[CRXII 27]

Oratio de dignitate doctrinae legum

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Vos igitur iuniores adhortor primum, ut grati agnoscatis beneficium Dei, quod incorruptam doctrinam et de Deo et de hac civili vita audiatis, deinde ut studiose fontes doctrinarum discatis, et vestrae salutis causa, et propter communem utilitatem. Nam haec militia docen270 tium et discentium ad multos pertinet. Vult Deus hunc ordinem custodem esse verae doctrinae in genere humano, quae, etiamsi multi magni furores grassantur in vita, tamen multis hominibus salutaris est. Ac ut semper Deus aliquam Ecclesiam colligit, ita servat aliqua Ecclesiae hospitia, quae honestis legibus et iudiciis reguntur. Cum275 que in utraque | gubernatione opus sit eruditione, instruite pectora vera doctrina, et quanquam in tantis ruinis imperiorum videntur hi labores parum profuturi, tamen hac vera consolatione vos confirmate, quam Paulus nobis tradidit, inquiens: Non erit labor vester inanis in Domino 6 , quem toto pectore oro, ut faciat me et vos vasa 280 misericordiae et organa salutarla nobis et patriae, et moestis ecclesiis clementer poenas leniat. Dixi.

61.

Kor. 15. 58.

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Oratio de legum fontibus et causis

[ C R X I 917]

9 Oratio de veris legum fontibus et causis; explicans simul et hanc quaestionem: An Romano iure et scriptis eorum, qui id interpretati sunt, utendum sit Selectarum Declamationum Philippi Melanthonis, quas conscripsit et partim ipse in Schola Vitebergensi recitavit, partim aliis recitandas exhibuit. Tomus quartus. Argentorati A n n o M D L X [1560], p. 109 — 1 2 2 . I550

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E t s i meae contationis in inchoanda hac legum interpretatione multae fuerunt causae, tamen | praecipua fuit consideratio difficultatis honestissimi et pene summi inter homines operis. Ut enim lex est radius sapientiae divinae fulgens in hac vita, ne genus humanum dissipatum intereat, sed ut iustitia consociatum ad agnitionem Dei, ad certam coniugiorum formam et ad omnium virtutum intellectum et officia assuefiat, et sint ac maneant honesti hominum coetus, in quibus luceant sapientia, iustitia, castitas, beneficentia, et fiat rerum communicatio legitimis contractibus, et iudicum voce de iustitia populus erudiatur, et soboles educari ac foveri ac doctrina excoli possit. Ita legum interpretatio, cum illam sapientiam Dei rudioribus exponat, res difficillima est et summa reverentia suscipienda. Deinde videtis, quantum onus in república ordo iurisconsultorum sustineat. Consulitur enim de praecipuis rebus in vita, de religione, de omnibus vinculis pacis et iustitiae, de coniugiis, de causis bellorum, de iure defensionis, de dirimendis bellis, de foederum interpretatione et autoritate, de singulorum patrimoniis et domiciliis tuendis. A c multorum eventus ostendunt, quam sit infoelix temeritas in consiliis dandis discedere a norma legum nostrarum. Quare etsi scio, honestissimum opus esse et Deo gratum, iuvare discentium studia, tamen propter difficultatis magnitudinem quaedam me vel timiditas, vel reverentia remorata est, quo minus hanc publicam enarrationem inchoarem. Sed hanc dubitationem vicit tandem autoritas clarissimi viri, Domini

[CR X I 918]

Oratio de legum fontibus et causis

Doctoris Hieronymi Schurffii, quem et propter sapientiam, virtutem 25 et gravitatem in omnibus officiis omnes boni viri ubique venerantur, et ego propter paternam erga me benevolentiam et ingentia beneficia tanquam patrem diligo et colo Deoque gratias ago, quod hunc mihi non solum huius doctrinae monstratorem, sed totius vitae rectorem dedit. Nec enim tantum in discendo eius vestigia sequor, et iudicii 30 rectitudinem et dexteritatem et veritatis tuendae curam imitati studeo, sed in vita etiam in eligenda religionis puritate et in regendis moribus in ipsum tanquam in speculum intueor. Hie cum mihi hortator esset subeundi hoc onus, reverenter ipsius adhortationi parendum esse censui. Idque eo etiam feci libentius, quod mihi in eadem Aca35 demia, ubi huius summi viri censura, voce et Consilio adhuc iuvari possum, docendi munus attributum est, magnumque Dei beneficium esse duco, quod et tot annos audire hunc virum et una vivere et I sapientia eius frui concessit, et nunc eum in huius laboris initio censorem, rectorem et monitorem habere possum. Quare etiam in hoc 40 exordio profiteor, me ipsius iudicio omnes meas interpretationes et diiudicationes subicere. Turpis est enim arrogantia, in tanta amplitudine doctrinae iuris et difficillimarum controversiarum, iuniores sese solos facere iudices, nec seniorum et peritorum iudicia requirere. Adferre autem ad hoc docendi munus (Deo iuvante) studeo non 45 solum diligentiam, sed etiam fidem, amorem iustitiae et veritatis, ac modestiam. Ac Deum aeternum patrem Domini nostri Iesu Christi, conditorem coeli et terrae et humani generis, et huius ipsius ordinis et sapientiae, quae ostendit discrimen iustitiae et iniustitiae, et iusta praecipit, et prohibet iniusta et denunciai horribiles poenas violantibus 50 iustitiam, oro, ut me regat in docendo et in dandis consiliis ac me faciat vas misericordiae, salutare mihi et reipublicae. Postquam haec de mea voluntate praefatus sum, nunc propter iuniorum utilitatem aliquid de his ipsis legibus et de earum studio dicam. Annos iam viginti spectator fui tumultuum Germaniae, in 55 quibus cum initio res necessariae patefactae essent, postea a turbulentis et seditiosis ingeniis etiam multae falsae opiniones motae sunt, quas tamen Deus clementer repressit, ac earum refutatio veritatem illustravit. Memini furores multorum, qui prorsus totum ordinem politicum damnabant, imperia, magistratus, leges, contractus, iudicia, 60 poenas. Nec tantum error humanus horum mentes occuparat, qui

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Oratio de legum fontibus et causis

[CRXI 919]

haec portentosa deliramenta spargebant, sed diabolicae furiae eos agitabant, ut vita hominum magis turbaretur, et tenebrae maiores religionem opprimerent. Proponebantur enim errores ill! praetextu eximiae pietatis. Sed vicit tamen Veritas illustrata multorum voce, qui ostenderunt fanaticos illos, non solum naturae hominum, sed etiam Deo bellum intulisse, ac velut gigantes aggestis montibus coelum oppugnare conatos esse. Etsi autem natura ipsa nos perspicue docet, nasci homines ad civilem societatem, et vincula societatis esse imperia, leges, iudicia, poenas: tamen non tantum videamus, quid necessitas docuerit, sed initia legum altius repetamus. Summae et optimae res in mente divina conditrice generis humani sunt sapientia, discernens honesta et turpia, et iustitia, Veritas, beneficentia, dementia, castitas. Harum optimarum rerum | Deus semina in mentes humanas transfudit, cum nos ad imaginem suam conderet. E t ad normam suae mentis congruere vult hominum vitam et mores. Voce etiam sua hanc ipsam sapientiam et virtutum doctrinam patefecit. Hae notitiae divinitus traditae cum luce, quae nobiscum nascitur, turn vero etiam voce divina, sunt initia legum et ordinis politici, cui vult nos Deus, non solum necessitatis nostrae causa obedire, sed multo magis, ut agnoscamus conditorem et in hoc ipso ordine discamus, non casu extitisse hanc naturam rerum, sed opificem esse sapientem, iustum, beneficum, veracem, castum, et similes virtutes in nobis flagitantem, et vindicem punientem huius ordinis violationem. Ut igitur vides hanc pulcherrimam mundi figuram, coeli et elementorum positum, solis et stellarum motus, temporum vices, deinde in ipso homine mentem, numeros et alias notitias mirabili arte divinitus ordinatos esse et divina potentia conserva« : sic certum est, a Deo societatem hominum et vincula societatis, imperia, leges, doctrinam virtutum, iustitiae, beneficentiae, veritatis, castitatis, contractus, iudicia, poenas singulari opere ordinatas esse, et excitatos ab eo gubernatores, legum tutores ac interpretes, qui subinde hos nervos societatis et doctrinam virtutum restituerent. E t quanquam hunc ordinem furores diabolici et humani multipliciter turbant, tamen quantum manet ordinis, id vere a Deo conservatur, ne totum genus humanum intereat. Hanc doctrinam expresse tradit vox Apostoli, cum inquit, imperia et leges ordinationem Dei esse. Quo in loco verbum ordinis diligenter considerandum est.

[ C R X I 920]

Oratio de legum fontibus et causis

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Quae ordinata sunt certo Consilio, descripta et circumscripta sunt, certa initia et certas metas habent. Cum igitur sanxerit Deus ordinem, 100 manifestum est displicere ei cyclopicam vitam, quae sine ordine et sine legibus agitur, et quo caecae et dissimiles cupiditates impellunt, ruit. Nec obscure Deus voluntatem suam in poenis declarat. Omnis enim atrox violatio publici ordinis atrocibus poenis in hac vita punitur. Qua ex re intelligi potest, Deum vere custodem esse huius 105 ordinis et legum. Ideo filius Dei inquit: Qui gladium acceperit, gladio peribit 1 . Accipit autem, quisquis non dantibus arma legibus, vim aliis infert. Sic et alia divina | testimonia affirmant, a Deo instituta esse et sancita et servari imperia, ut scriptum est: Iudicium Domini exercetis2. Et apud Danielem: Deus constituit et transfert regna 3 . Et 110 in Salomone: Pondus et statera iudicia Domini sunt 4 . Sit igitur infixa pectoribus haec sententia, et firma ac immota assensione retineatur, leges et totum politicum ordinem sapientiam Dei esse nobis monstratam, et res bonas esse, ac beneficia, in quibus Deus vult agnosci, se quoque iustum et veracem esse, et amare iustitiam et horribiliter 115 irasci iniustitiae. Ac toto pectore execrandi sunt furores diabolici hominum fanaticorum, qui leges et nervos civilis vitae negant esse Dei opera et beneficia divina. Nec instituo iam refutationem calumniarum, quae nobis opponuntur, et quia longior futura esset oratio, quam ut huic tempori conveniret, et inter vos, qui recte instituti estis 120 in doctrina Ecclesiae, non opus est longa disputatione. Gratias potius agamus Deo, quod veritatem nobis patefecit et assensionem in mentibus nostris confirmat. Accedo igitur nunc ad aliam quaestionem, propiorem nostrae doctrinae: An hoc Romano iure et nostrorum interpretum scriptis 125 utendum sit. De qua quaestione eo dicendum est, quia etiam recens quidam vociferari coeperunt, non licere nobis uti ethnico iure, iustitiam rem divinam esse, quare tantum ex libris divinis petenda sit, videlicet ex Moise et Evangelio. Hac de re scitis anno superiore alicubi clamores excitatos esse. Semel autem omnibus illis, qui 130 sapientissimo Consilio receptam et sapientum usu comprobatam 1 2 3 4

Matth. 26. 52. 2 Par. 19. 6. Dan. 2. 21. Prov. 16. 1 1 .

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Oratio de legum fontibus et causis

[ C R X I 921]

doctrinae formam improbant et novam gignere conantur, respondeo: Similiter illos facere, ut in fabula Hermogenis de simiis dicitur, quam breviter recitabo, ut imaginem stultitiae illorum, qui novum ius condere volunt, consideretis5. Diu apud homines vixerat simia iam 135 vetula, sed tandem negligentius custodita evasit et in campos et silvas ad caeteras simias rediit. Ibi narrat, pulchram et beatam esse hominum vitam, quae sit munita tectis contra pluvias, frigora et aestus, et moenibus contra feras et hostes, et magnam commoditatem esse, habere repositas fruges in aedibus, magnam voluptatem esse con140 gressus et spectacula. Hortatur caeteras, ut hanc hominum sapientiam imitentur et domos extruant et circumdent murum, ut arcere caeteras feras possint. Conveniunt magna agmina simiarum, ut audiant|hoc novum consilium. Applaudunt omnes tam speciosa sententia audita, et fit decretum a senatu et populo simiarum, ut urbem condere inci145 piant. Sed dimissae ad convehenda ligna et lapides, cum deessent instrumenta, et nulla ratio esset ligna caedendi et lapides expoliendi et coagmentandi, experiundo iam agnoscunt, se stulte rem impossibilem et alienam a sua natura molitos esse. Tales omnino sunt isti novarum civitatum conditores, qui somniant nova iura. Et fuisse omnibus 150 aetatibus multas tales simias, credibile est. Sed nostra aetas, proh dolor, vidit plurimas, a quibus orta est haec ingens calamitas, quae nunc Germaniam oppressit. Quaeso igitur vos, optimi auditores, ut sapientiam esse et virtutem statuatis, Deo gratam et necessariam, communi tranquillitate, reverenter sentire de usitato iure et amare praesentes leges et 155 eas constanter tueri. Econtra vero levitatem esse, curiositatem, futilitatem, petulantiam et amentiam diabolicam et perniciosam generi humano, cavillari praesentes leges et quasi columnas in aedificio paulatim impellere, quibus eversis totam domum collabi necesse est. Ut autem hac sententia confirmentur animi, veras causas scire oportet: An et quare 160 hae nostrae leges Deo placeant. Sumendae sunt autem hae causae ex his fontibus. Ingens discrimen est inter Evangelium et politicam gubernationem. Est enim Evangelium vox divina, propter filium Dei adferens remissionem peccatorum et lucem ac iustitiam cordis ac haereditatem 16.®i vitae aeternae, ubicumque sunt, etiam in diversis imperiis. Ut enim 5

Hermogenes, Progymnasmata, 1, 20 sqq; supra Nr. 7, n. 13.

[CRXI922]

Oratio de legum fontibus et causis

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diversis dierum spaciis in diversis locis pii utuntur, ita in diversis imperiis ac dissimilibus legibus vivere possunt. Politica autem gubernatio externam disciplinam, distinctionem dominiorum, contractus, iudicia et poenas regit. Et ut numerorum scientia lumen 170 est divinitus insitum mentibus nec impedit nec delet Evangelium, ita politica sapientia ex firmissimis notitiis extruitur, quae divinitus insitae sunt humanis mentibus, nec impediunt, nec delent Evangelium. Nec voluit Deus unquam, quoties gentes ad societatem Ecclesiae suae vocavit, imponere politiam Mosaicam, sed imperia singula suis 175 legibus regi permisit. Darius et Cyrus cum a Daniele didicissent veri Dei invocationem, non mutabant Persici imperii formam in gubernatione rerum civilium. Et Daniel ipse quanquam in | politia Moisi natus erat, tarnen provincias Persicas legibus Persicis regebat. Etsi autem multa possunt exempla recitari, quae ostendunt, placuisse Deo 180 pios gubernatores in aliis imperiis extra Mosaicam politiam, tamen cum maxime sit illustre Cornelii exemplum in Actis Apostolorum 6 , hoc praecipue cogitemus. Manifesto et insigni testimonio Deus et ipsum Cornelium et milites Romanos in eius cohorte ornavit. Nam Spiritus sanctus visibili specie, ut in Apostolos, ita in Romanos 185 milites in magna frequentia concionis effusus est. Et hoc ipso exemplo fatetur Petrus se quoque didicisse, Evangelium pertinere ad universum genus humanum et procul discernendum esse a politia Mosaica, quod quidem et ilio tristi iudicio Deus ipse ostendit, cum rempublicam Iudaicam funditus delevit. Ut igitur iubet Deus obedire quoslibet 190 praesentibus et suis magistratibus, ita sciamus, mandatum Dei esse, ut praesentibus legibus obtemperemus, quae placent Deo, etiamsi ab ethnico gubernatore latae sunt, si tamen ad illum radium lucis divinae transfusum in mentes hominum congruant, qui vocatur ius naturae, ex quo vult Deus extrui leges et sapientiam gubernatricem vitae 195 civilis. Nec addam longiorem refutationem, sed vos adhortabor potius, ut Romanarum legum sapientiam studiose consideretis, quas ipsas etiam Dei vocem esse statuite, propositam humano generi per sapientes gubernatores, quorum mentes singulari motu rexit Deus, ut iustitiae fontes et viderent, et aliis monstrarent, sicut aliorum ex200 cellentium artificum mentes regit, ut scriptum est, ut oculus videat, et 6

Act. 10. 22 sqq.

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Oratio de legum fontibus et causis

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auris audiat, Deus facit utrumque. Non existimetis humana calliditate scriptas esse leges, ut potentum cupiditatibus adulentur, sicut multi turbulenti homines clamitant. Sed vel firmis demonstrationibus, vel rationibus, quae sunt vicinae demonstrationibus, extructae sunt ex immotis principiis, quae sunt, ut dixi, radii sapientiae divinae in nos transfusi. Omnes scimus, numerorum notitiam nobiscum nascentem rem bonam et lucem divinam esse, etiam in ethnicis. At multo excellentior lux est notitia legum naturae, quae testatur, et esse Deum, et esse sapientem, iustum, veracem, beneficum, vindicem et rectorem vitae humanae. Haec lux etiam in ethnicis res bona est et Dei opus. Idem et de demonstrationibus, quae inde oriuntur, iudicandum est. Atque ita recte intelligetis legum sententias, cum earum causas et demonstrationes dextre | inquisitas perspicietis. Ac ut ars medica non dissentit a pietate, sed potius multiplex commonefactio est de Deo, videtenim medicus naturam conditam summa arte nequaquam extitisse casu, et velle Deum, ut huius artis ope multi serventur, sic nequaquam dissentit a pietate legum sapientia, sed potius illustre testimonium est et ipsa providentiae divinae. Nam miranda consociatio generis humani et ordo imperiorum et ordinis conservatio et poenae atrocium scelerum manifeste ostendunt Deum et autorem et custodem esse et iudicem generis humani. Et cum iustitiam discimus aequalitatem esse, et hanc aequalitatem mira solertia investigamus, saepe mihi in mentem venit, Deum quoque cum sit iustissimus, haud dubie aequalem esse sine acceptione personae et sine tyrannide. Omnibus igitur offert salutem et vult recipere et servare, quod ad ipsius voluntatem attinet. Quam mirando consilio temperavit Deus iustitiam et misericordiam ? Immensae misericordiae est, quod recipit genus humanum, et tamen iustitiae Dei immotae erat, ut lex fieret. Nec ex futilitate remissum est peccatum. Constitutum est igitur, ut poena in filium derivaretur, quia universaliter lex vel ad obedientiam, vel ad poenam obligat. Hie me de consilio et iustitia aeterna Dei admonet haec politica iustitia in legibus nostris descripta. Saepe cum discrimen cogito inter vigorem iuris et aequitatem, simul considero legem et Evangelium. Est enim, ut scitis, Evangelium reipsa mitissima aequitas ijueixeia legis, et pro hac aequitate Deo gratias ago. Denique universa sapientia legum nostrarum multipliciter nos de Deo commonefacere potest. Ac gratitudo aeterna debetur sapien-

[CRXI 924]

Oratio de legum fontibus et causis

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rissimo imperatori Lothario et Irnerio et aliis sapienribus viris, qui has Romanas leges plenas verae eruditionis ex bibliothecis in scholas, 240 curiam et forum protulerunt. Vosque, auditores, non solum adhortor, sed etiam propter salutem generis humani obtestor, ut omnium furores, qui hanc praesentem iuris doctrinam vituperant, constanter execrandos esse statuatis. Deinde, ut, cum certum sit in his legibus sapientiam et veram iustitiae formam proponi, fontes queratis, et non 245 solum doctrinae umbram, sed veram scientiam expetatis, et quia ipsa veritatis cognitio per sese bona est, et lumen bonae mentis, et quia Deus vult nos custodes esse iustitiae, disciplinae, concordiae civium et pacis, et punit inscitiam et audaciam eorum, qui in publicis aut privatis I consiliis accendunt vel errore vel assentatione civiles dis250 cordias et bella. Itaque propter mandatum et iram Dei ad recte discendi curam vos exuscitate. Nihil enim tristius cogitari potest, quam gubernatorem consiliorum neglecta aut depravata legum voce fieri similem furiae, quae infinitam dissipationem et vastationem in genere humano efficit, et horribili amentia ruit in aeternos cruciatus. Neque rara sunt 255 exempla talium furiarum. Sed Deum aeternum, patrem Domini nostri Iesu Christi, fontem sapientiae et iustitiae, ardentibus votis oremus, ut ipse mentes nostras, studia, Consilia et actiones nostras regat, ut ornent gloriam Dei et prosint nobis et toti generi humano, et faciat nos vasa misericordiae salutaria nobis et aliis hominibus et toti 260 reipublicae. Deinde nos quoque fidem et diligentiam in docendo et discendo adhibeamus, quam et vult adhiberi Deus, et ut praestare aliquo modo possemus, viribus naturae nos instruxit, quas vult non esse ociosas. Etsi autem in amplissima materia, de laudibus totius politici ordinis et nostrarum legum disputanda, et de praesenti iuris 265 doctrina tuenda multo plura dicenda erant, tamen nunc non ero prolixior, non solum quia haec brevitas orationis ad praescriptum tempus accommodatum est, sed multo magis, quia rerum amplitudo tanta est, ut omnem eloquentiam superet. Bonae mentes his fundamentis cognitis saepe cogitent de dignitate politici ordinis, et reve270 renter Deo gratias agant, quod hominum vitam his radiis suae sapientiae et iustitiae consociavit, et quod in hac societate tuenda praesentiam suam nobis declarat, et sese ad haec bona tuenda propter gloriam Dei exuscitent. Peto igitur, ut hanc tenuem orationem boni consulatis, ac Deum aeternum patrem Domini nostri Iesu Christi,

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Oratio de legum fontibus et causis

fCRXI 924]

275 conditorem et conservatorem humani generis et huius societatis copulatae legibus et iustitia oro toto pectore, ut mea et vestra studia gubernet, et perpetua in his regionibus quoque Ecclesiam et honestas politias servet, ut vera invocatione et obedientia celebretur.

[ C R X I 551]

De aequitate et iute stricto

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De aequitate et iure stricto ex 1. Placuit C. de iudiciis [3. 1. 8] Selectarum Declamationum Philippi Melanthonis, quas conscripsit et partim ipse in schola Witebergensi recitavit, partim aliis recitandas exhibuit. Tomus primus. Argentorati M D L I X [1559], p. 2 7 1 — 2 7 9 .

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^ T o t a est vobis honestissima consuetudo et propter graves causas in academiis instituta, qua solemus in his congressibus de doctrina virtutis dicere. Quid enim est dignius hominibus, praesertim nobis, quorum iudiciis et exemplis vita aliorum quoque regi debet, quam in conventibus de Deo, de virtute, de honestis disciplinis disserere, et cum nos ipsos, turn alios ad decus excitare. Nunc vero etiam tempora postulant, ut haec nostra exercitia maiore cura et diligenria tueamur et propugnemus. Videmus enim laxatis frenis disciplinae mores populi subinde magis efferari, contemni leges, doctrinam vitae utilem, religionem. Ideo acrius et vehementius pugnare oportet, ne amissis literis, legibus et religionibus infinita vitae confusio, Dei oblivio, libidinum impunitas et aeterna latrocinia sequantur. Ad haec mala prohibenda certe opus est eruditione, cultura et his qualibuscunque exercitiis scholasticis, quae potentes minus adiuvant, quam debent. Quare ut nos a ea quantum possumus, coniunctis et copiis et studiis defendamus, optandum est. Saepe autem hoc loco de legum dignitate gravissime dictum est. Ac magnopere prodest excitari, ali et confirmari in animis hominum amorem politici ordinis et veram reverentiam erga leges ; eandem ob causam teneant animis infixam hanc sententiam : Deum vere esse autorem et custodem politici ordinis, ac lucere Dei sapientiam et bonitatem erga genus humanum non minus in ordine politico quam in terrae foecunditate et similibus beneficiis, quibus corpora nostra divinitus aluntur. a

vos

CR.

ifo

De aequitate et iure stricto

[CR X I 552]

Quare hune ordinem vitae contemnere aut violare, quid est nisi 25 Deo bellum inferre, qui assiduis exemplis omnibus aetatibus testatus est, se frenum inicere legum contemptoribus. Quid supplicia assidua latronum, saeva bella omnium temporum ? Quid sunt nisi voces Dei, quibus clamitat, se sui et suarum legum contemptum punire? Et tarnen ferrei sunt hominum animi, ut his tam terribilibus exemplis 30 parum moveantur. Sed vos, qui colitis doctrinam virtutis, certe decet affici voce Dei et exemplis irae divinae. Hac uti commemoratione in praesentia volui, ut praecipuum vobis argumentum proponerem, quod maxime vos omnes ad legum amorem incitare debet, quo si I qui nihil moventur, hi non oratione regendi, sed tanquam furentes 35 compedibus et catenis constringendi essent. Et quidem constringet eos tandem Deus aeternus, qui est autor politici ordinis et legum custos. Porro cum has conciones quotidie in scholis et in templis audiatis, nunc omissa longiore oratione pauca quaedam disputabo de lege Placuit, Codice de iudiciis. Nam et haec ipsa disputatio ad defensionem 40 et laudes scripti iuris pertinet. Verba legis haec sunt: Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatisqueb {scriptae) quam stricti iuris rationem. Huius legis verba quidam inter sese pugnare dicunt. Scriptum ius id aiunt esse, quod in scripto et legis verbis continetur, ut strictum ius erat Romanae legis, eum qui contra 45 dictatoris interdictum pugnaverit, interficiendum esse. Pugnavit absente dictatore Papyrio magister equitum Quintus Fabius contra edictum, invitatus occasione rei bene gerendae, et vicit. Quid hie faciet Papyrius, si scriptam aequitatem sequeretur, aut quid interest inter strictum ius et scriptam aequitatem? Nullam inquit Papyrius 50 victoriam pluris faciendam esse quam militaris disciplinae conservationem. Ut igitur sanciat disciplinam et legis verbis obtemperet, iubet magistrum equitum rapi ad supplicium1. Si igitur, ut in hoc exemplo apparet, inter scriptam aequitatem et strictum ius nihil est discriminis, videtur absurda esse aut ociosa huius legis oratio in 55 Codice. Aristoteles paulo aliter de aequitate disserit; vocat enim aequitatem moderationem non scriptam, quae tarnen habet honestam b

aequitatis quam CR.

1

Liv. 8, 30—35.

De aequitate et iure stricto

[CRXI 553]

et probabilem rationem2, ut in ilio casu Papyrii, dictatorem aliquid remittere de [supplicio] 0 conveniebat. Quia magister equitum non ambitìone incitatus, nec temere pugnaverat, sed facere se contra 60 utilitatem reipublicae et contra voluntatem dictatoris iudicaverat, si occasionem e manibus dimitteret, quam dictator, si adfuisset, nequaquam neglecturus erat. Attribuii igitur Aristoteles sapienti iudici potestatem moderandi scripti, et pene nimium inflectens legum autoritatem, ait eas velut plumbeas regulas ad negotia accommodandas 65 esse3. Fit hoc fortasse saepius quam prodest, ut et Celsus questus est, ut dicitur in lege si servum ff. de verborum obligationibus [D. 45. 1. 91. 3 i. f.], praetextu aequi et boni saepe periculose errari. Quanta licentia potentibus conceditur, si permittendum est, ut a scripto iure recedant privato arbitrio, facile est enimingeniosis excogitare rationes j in 70 speciem probabiles, in humanarum voluntatum actionibus, quae sua natura admodum sunt flexibiles, et propter varietatem causarum et circunstantiarum agitari varie possunt. Quare laudanda est Atheniensium gravitas, qui lege constituerunt, ut lecti iudices iurarent, se pronunciaturos esse iuxta leges, hoc est, 75 non privato arbitrio, non commenticia aliqua legum moderatione. Experientia docuit, vitam non posse carere scripto iure, sed vos non solum experientia moveamini, sed multo magis voluntate divina : Deus vult scripto iure vitam regi, a quo si licet discedere privato arbitrio, levis erit ius autoritas, et quantum in exemplo mali est. Deinde ita 80 sentio, ut magistratui officium recte facienti Deus nos parere iussit, ita legum voci parendum est. Melius igitur architecti dixerunt: Lapis ad regulam, non regula ad lapidem accommodanda est. Id magis probandum est, quam quod de plumbea regula dixit Aristoteles. Recte igitur textus noster in lege Placuit iubet scriptam aequitatem sequi. 85 Idque semper aequissimum esse statuamus, quod in lege gravi Consilio recepta constitutum est. Cur igitur discemit textus ille scriptam aequitatem a iure stricto, quod aliud non videtur esse quam scripti verba; sed ego strictum ius hoc loco calumniosam interpretationem intelligo. Iudaei tenebant verba scripti de sabbato, ne c

Servitute Orig.,

CR.

* Ci. Eth. Nie., V, 10 (14), 1137b. 3 Eth. Nie., V, 10 (14), 1137b.

De aequitate et iure stricto

[CRXI554]

90 fierent operae serviles4. Ideo in sabbato nunc quoque adeo superstitiosum est otium, ut non solum non coquant eo die, non accendant ignes in fornacibus, sed ne quidem mucos decerpant sua manu a lychnis. Causam dicunt non rerum magnitudined aut parvitate aestimanda esse haec officia, sed legum verbis. Speciosa est oratio et saepe 95 valet; sed tamen hae verborum angustiae non raro pariunt absurdas sententias, et rectiora officia conturbane Illud igitur rectius est, cum quaelibet lex de uno aliquo casu, qui plerunque accidit, loquatur. Hic casus in accommodanda lege intuendus est, ut sit norma interpretationum. Lex quae capitali supplicio 100 fures punit, intelligit grassatores et insidiatores, quorum aetas et consuetudo intuenda est. Alia res est, si puer nondum satis intelligens, quantum sit in furto turpitudinis, alienum quadam aetatis stulticia auferat, aut si quis modestus per negligentiam non reddidit alienum; de his casibus legem non loqui consentaneum est. Esset igitur strictum 105 ius calumniosum, | verba referre ad casum alienum a principali intentione legis. Erat in lege sabbati principalis intentio : prohibere operas serviles, hoc est, assiduas, abducentes a ceremoniis divinis. Est igitur strictum ius, id est calumniosum, complecti casus caeteros, id est domesticae necessitatis operas, quae non abducunt a ceremoniis. 110 Itaque noster textus sententiam utilem vitae, moribus, paci continet. Cum iubet scriptam aequitatem sequi, prohibet tyrannides et potentibus frenum inicit, ne ex privato arbitrio res iudicent. Deus enim vult et ipsos gubernatores teneri legibus, non vult caecas eorum cupiditates dominari, vult legibus civium vitam, corpora, fortunas, 115 connubia munita esse. Non igitur sumendum est ex facultatibus civium quantum aulae possunt profundere, non contra scriptam aequitatem saeviendum in corpora aut vitam modestorum civium. Cernit Deus omnia vindex, qui potentum iniusta facinora magnis cladibus punire solet. Scriptum est : Regnum a gente in gentem trans120 fertur, propter iniurias5. Rursus etiam textus noster occurrit alteri malo, quod praetextu scripti contra iustitiam facit, videlicet sophisd

magnitudinem CR.

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Ex. 20. 10. Dan. 2. 21.

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[ C R X I 554/555]

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D e aequitate et iure stricto

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ticae seu calumniosae interpretation!. Nam in textu nostro strictum ius de calumnioso intelligitur, cum hoc semper pugnat scripta aequitas. Non est autem rarum scripti praetextu ludere et ex legibus optimo et divino Consilio conditis ac receptis cothurnos facere, qui magna imperia saepe graviter concusserunt. Dixi de textu legis Placuit, quantum huias temporis angustia fert. Estque summa rei, ex scriptis legibus res iudicandas esse, nec concedendum, ut privatis arbitriis fingantur moderationes, sed statuendum id esse aequissimum, quod vere sentit lex, neque tarnen calumniose interpretandas esse. Iam cogitate, quam difficilis et magna res sit, simplicem veritatem in tarn flexibilibus materiis retinere et tueri. Sint igitur custodes iuris primum viri boni et amantes veritatis et iustitiae; deinde etiam eruditi, vigilantes, exercitati. Nam et boni aliquando specie recti labuntur. Ideo acerrimo studio opus est, ut intra metas et septa veritatis opiniones nostras includamus. Quod in reipublicae gubernatione munus noster ordo sustineat, non est obscurum, nostris consiliis et sententiis iudicia, foedera et pene omnia vincula pacis regi solent. Id munus longe maius est, quam cui humana sapientia par esse possit, sed Deus facientes adiuvat. Fides, diligentia, Studium, animi moderatio a nobis requiruntur. | Haec si praestabimus, aderit etiam Deus piis et eorum C o n s i l i a reget et dabit exitus placidos. Quare, scholastici, vos adhortor, ut professionis huius difficultatem animo consideretis, ut magnitudo periculi publici et vestri vos ad discendi curam et ad modestiam invitet et exuscitet. Deus voce parentum et magistratuum destinatos ad hanc professionem vocat ad reipublicae gubernationem, quae est res sacra, omnium maxima, difficillima et periculosissima. Annitendum est igitur omnibus viribus, ut ad rem tantam accedamus non prophanis animis, sed prospicientes magnitudinem muneris a Deo impositi, et adferentes timorem Dei, modestiam, eruditionem mediocrem et Studium salutarla agendi. Hoc ut fiat a vobis, faciat Deus aeternus, pater liberatoris nostri Iesu Christi. Dixi.

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Oratio de stricto iure et aequitate

[ C R X I 669]

11 Oratio de stricto iure et aequitate ex 1. Placuit Codice de iudiciis [3. 1. 8], recitata a D. Melchiore Kling Selectarum declamationum Philippi Melanthonis . . . Tomus quartus, Argentorati M D L X [1560], p. 6 3 - 7 3 .

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M u l t a e magnae difficultates, magni motus semper in omni quamvis salutari et placida gubernatione extiterunt. Nam et hominum naturae sunt infirmae, et odio Dei grassantur diaboli homicidae, qui imbecilles naturas incendunt, ut conturbent disciplinam et moveant imperia. Non fuit in terris rex praestantior sapientia, iusticia et fortitudine quam David; hunc tamen non solum externa bella, sed etiam intestinae seditiones diu exercuerunt. Postea ipse sua imbecillitate lapsus, ruinas horribiles in patria traxit. Quam foelix et fortis rex fuit Cyrus ? At hie cum iam pacato Oriente non solum gloria fiorerei, sed etiam doctrinam veram de Deo amplexus esset, et dictum proposuisset de liberatione et instauratione Ecclesiae Dei, bellum movit non necessarium adversus Scythas; quo in bello acie victus et captus est, et corpus interfecti muliebribus contumeliis adfectum est. Piena est talium exemplorum universa mundi historia. Cur autem haec tam tristia spectacula nobis proponuntur ? Multae magnae causae sunt, de quibus alias saepe dicitur. Fatales poenae scelerum mundi vagantur per totum genus humanum omnibus seculis. Non ad suavitatem et delicias nascimur, sed cum in hac naturae humanae depravatione magnae sint in animis tenebrae, et cumulentur scelera variis furoribus, iusticia Dei iram adversus peccata omni genere calamitatum declarat. Sed tamen immensa Dei bonitas non vult accendi totam iram, ut Psalmus inquit 1 . Miti1 Ps. 77. 38.

[CR X I 670]

Oratio de stricto iure et aequitate

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gantur poenae ita, ne totum genus humanum pereat. Elegit enim Deus sibi Ecclesiam, in qua perpetuo celebretur. Ideo aliquas servat politias, 25 et hac disciplina et legibus regi vult, servat literarum et doctrinae hospitia. Et mandat gubernatoribus, ut sint legum et disciplinae custodes, et eos adiuvat. Sed in tantis fluctibus ac procellis rerum humanarum saepe turn mediocres, tumjsummi homines, qui partem aliquam gubernationis sustinent, desperatione quadam existimant, penitus abiciendos 30 esse remos et vela, et procul fugiendam esse hominum societatem, et partes omnes civilium officiorum, Ecclesiae, doctrinarum, curiae, iudiciorum gubernationem. Etenim non illud tantum miserum est, quod bene merentes odia, pericula, cruciatus sibi beneficiis suis accersunt; sed hoc multo tristius est, quod frustra in tantis vitae confusionibus suscipere 35 tantos agones, tanta certamina videmur. Hac offensus miseria etiam Socrates, qui sapiens iudicatus est, ut ferunt, oraculo, fugit rempublicam. Idemque professus est et exemplo et sententia, quod postea Epicurei tradiderunt inter dogmata, quae videri volebant ad recte vivendum necessaria, videlicet: non attingendam esse ullam partem civilium 40 officiorum. Astute isti quidem, sed tamen non recte senserunt. Nascimur enim omnes, ut Deo serviamus, qui suam cuilibet stationem in hac vita attribuit, nec vult nos deserere mandata munera, aut animi mollitie, aut desperatione fractos; vult retineri doctrinam Ecclesiae et leges, vult disciplinam et iudicia regi tantisper, dum 45 spiramus. Et iubet auxilium peti et expectari divinitus et pollicetur labores non fore irritos. Sicut in Psalmo dicitur: Expecta Dominum et custodi viam eius 2 . Etsi igitur his nostris studiis magnae difficultates obiciuntur, tamen hac nos consolatione sustentemus. Non abiciamus legum custodiam divinitus nobis commendatam. Nec 50 dubitemus, Deum inter hos imperiorum tumultus aliquas tamen politias servaturum esse ac hospitia Ecclesiae, in quibus disciplinam et iudicia vult regi legum autoritate et voce, non tantum arbitriis incertis potentum. Itaque hunc locum interpretandarum legum et nostram in iudiciis assiduitatem non solum plenam dignitatis esse, sed 55 etiam Deo placere sentio. Nec indecorum esse honestis viris, inter iuniores de virtute omnium summa, videlicet, de iusticia disserere, iudico. Illi ipsi viri, qui imperium orbis terrarum regebant, Scaevola, 2 Ps. 36. 34.

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Oratio de stricto iure et aequitate

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Papinianus, Ulpianus et alii, cum in summum fastigium vitae humanae propter eruditionem et virtutem eyecti essent, tarnen in schola adolescentibus legum fontes et disputationes, ut nos facimus, tradebant. Horum exempla sequi, honestum et praeclarum est. Cum igitur usitatum sit, in his congressibus aliquid de legum dignitate dicere, ut iuventus | commonefacta diligentius cogitet causas, cur amandae sint leges, cur hanc doctrinam retineri in imperiis necesse sit, de qua vulgus, quia natura impatiens est freni et legibus inimicum, secus sentit: disputabo igitur aliquid de lege Placuit, C. de iudiciis [3.1. 8], ubi scriptum est: Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatisque (scriptae) quam stricti iuris rationem. Brevitas, ut fit, aliquid hie obscuritatis adfert. Nam usitatum est, strictum ius intelligere scriptum ipsum; aequitatem vero, legis mitigationem probabilem, non scriptam, sed honesto iudicis Consilio et disputatione quaesitam. Torquatus filium interficiens, quod contra dictatoris mandatum cum hoste provocante dimicasset, legi scriptae paruit 3 . At honestius videbatur, quod fecit Papyrius, qui Fabio magistro equitum in simili casu remisit poenam, deprecante pro eo populo 4 . Hic scripto non paruit, sed mitigationem probabilem propter honestas causas adhibuit. Scriptum ius est, ne in sabbato fiant serviles operae 5 . At dimicat in sabbato Machabaeus 6 et sequitur non scriptum, sed probabilem rationem, quae scripta quadam ¿jiieixeuj: lenit et inflectit. Huiusmodi exempla multa recitari possunt. Si igitur strictum non aliud est nisi scriptum, perplexitas erit in lege Placuit. Etsi scio multos cavillari hanc legem, tarnen cum sententia sit vera et salutaris vitae, defendendam esse duxi. Primum vera est haec sententia, cum non dubium sit praecipi mandato Dei, ut in qualibet politia legum, quarum autoritas probabili de causa recepta est, voci obtemperemus, necesse est iudices ex scripto iure pronunciare, alioqui quorsum attineret ferri leges, si iudicibus tantum liceret ex sese fingere aequitates, ut araneae ex sese telas texunt? Quos ea res tumultus excitaret, si alii aliter adfecti novas èitieweiag comminiscerentur ? Vix etiam, cum est certum, explicatum et definitum ius, frenum inici potest iis, qui occupati aliqua 3 4 5 6

Liv. 8, 7. Liv. 8, 30—35. E x . 20. io. 1. Macc. 2. 41.

[ C R X I 672]

Oratio de stricto iure et aequitate

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cupiditate, eludunt perspicuas leges et quaerunt ex specie iuris praetextus ad suam cupiditatem armandam. Quod enim arbitrantur aliqui, non f uisse scriptas ante Lycurgum, Draconem aut Solonem in Graecia, magnus error est. Semper apud eas gentes, in quibus disciplina mediocris et 95 iusticiae reverenda et literae fuerunt, fuisse scriptas leges, vetera monumenta plurima testantur. Sed bellis et vastationibus fatalibus omnes politiae vel quassatae vel eversae sunt, et aliquae difficulter rursus instauratae sunt. Hae rerum humanarum | confusiones veterum legum oblivionem attulerunt. Postea Deus excitatis novis guber100 natoribus utcunque leges instauravit. Ac historiae ostendunt, vetustissima quaeque vincula plurimum severitatis habuisse. Si statua oppressisset hominem casu, tanquam damnatam e finibus eici oportuit. Ita vel fortuita caede pollutus, ut Adrastus, vel qui probabilem et iustam causam habuerant trucidandi suos, ut Alcmaeon et Orestes, 105 tarnen eiciebantur ex omni consuetudine hominum, arcebantur mensa et hospitio, nec recipiebantur nisi expiata caede multis et variis ceremoniis. Quid? Pudicitiae longe maior honos fuit in primis legibus quam postea. Aeolus, rex Thuscorum, filiae ex fratre gravidae gladium misit, quo ilia patris iram intelligens sese transfixit7. Quanta severitas 110 fuit, quod legibus duodecim tabularum periuros de saxo Tarpeio deici oportuit? Et possent multa commemorati, quae ostendunt, primis seculis legum curam maiorem fuisse et disciplinam graviorem, quae certe literis comprehensa fuit. Retineatur ergo scriptum ius, et omnium sapientum gubernatorum 115 autoritate, omnium doctorum voce, sententiis et literis defendatur. Quam sententiam ut omnibus bonis mentibus Deus confirmet, veris votis petendum est. Nam legum vituperatio non tantum ab humana imbecillitale et stulticia oritur, sed a diabolo; qui cum molitur ingentes dissipationes et confusiones, serit initio legum convicia et 120 reverentiam animis levibus excutit; postea confirmata licentia et petulantia magnae sequuntur politici status ruinae. Sed ad nostram quaestionem redeo. Si ex scripto iure pronunciandum est, videtur acerrima stricti iuris observatio requiri. Strictum 7 Ioannis Stobaei Anthologium, II, ed. Otto Hense, Berlin 1909, X X , 72, p. 472—473. (Dieses und das Zitat in Anm. 9 wurde von Professor Peter Von der Mühl!, Basel, identifiziert.)

Oratio de stircto iure et aequitate

[ C R X I 673]

est enim, quod verbis legis comprehensum et definitum est: ut, 125 pugnans contra dictatoris mandatum, securi feriatur; Torquati filius sie pugnavit: lex igitur servetur. Responderi potest, saepe duas sententias scriptas esse, acerbiorem et mitiorem. Inter has mitior eligenda est. Nec temere fingendam esse aequitatem, sed ex scripto et veris fontibus iuris sumendam esse. Ut enim Celsus iurisconsultus 130 dixit, cum de bono et aequo quaeritur, saepe sub autoritate iuris scientiae perniciose errari [D. 45. x. 91. 3 i. f.], videlicet, cum fingitur aequitas ex indoctorum imaginatione, non ex veris fontibus. Sed praeter hanc responsionem hoc quoque universaüter dici potest, semper id quod scriptum | est, aequissimum esse, videlicet de 135 ilio toto genere, de quo lex loquitur. Ut lex, quae iubetfures adfici supplicio, loquitur de grassatore, non de lapso infirmitate aetatis aut de eo, quem fames impulit alienum auferre. Ergo in casu legis scriptum sequendum est. Strictum vero ius nunc intelligo, si acerbam interpretationem extra casum legis complecti velis, ne discederetur a 140 verbis, ut lex de sabbato prohibet operas serviles8, id est, occupationes quotidianas, quae non concedunt vacare doctrinae coelesti et divinis ceremoniis. In hoc genere scriptum universali ter retineatur. At Iudaei calumniosam expositionem addunt, ne discedant a verbis. Sedent ociosi totos dies in suis casis, non coquunt, ne mucos quidem a 145 lychnis decerpunt ipsi, sed habent conductos ex nostris hominibus, qui lychnos accendant, et similes operas faciant. Hoc modo si strictum ius de calumniosa interpretatione intelligitur, et facilis et salutaris est intellectus legis Placuit. Commendai scriptum et monet id dextre intelligendum esse. Ita erunt beatae respublicae, silegum voci in vera 150 et nativa sententia obtemperabitur. Nec calumniosae elusiones fingentur, ut Iphiclus cum Rhodiis facientibus deditionem pactus erat, se dimissurum esse eos cum navibus quotquot vellent. Postea cum egressi civitate, navigaturi essent, iussit remos, malos, vela e navibus auferri, inquiens, se naves promisisse, non caetera instrumenta9. Hae 155 verborum imposturae nihil habent sapientiae, quis enim non potest comminisci tales cavillationes, si libeat ? Sed perfidiam et cupiditatem nocendi significant. Nec raro luditur similibus praestigiis in rebuspubli8 9

Ex. 20. 10. Athenaeus, Deipnosophistai, V i l i , 3 6 1 B .

[CR X I 674]

Oratio de stricto iure et aequitate

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cis maximis, sed exempla recentia non sunt hoc loco commemoranda, cogitanda tamen sunt, ut nos ipsi ad amorem veritatis et ad odium 160 sophistices exuscitemus. Luserat eodem modo Paches, dux Atheniensis, cum duce Arcadico. Evocat eum ex oppido, quod defendebat Arcas, et pollicetur se in oppidum incolumem remissurum esse. Cum igitur in castra Pachetis venisset Arcas, retinetur vinctus; et quia abducto duce facilis erat 165 oppidi expugnatio, Paches rebus omnibus diligenter praeparatis oppidum oppugnai et capit. Postea Arcadem redire in oppidum iubet incolumem, ut promiserat. Huic fraudi manus scelus addidit. In urbem reversum postea interficit 10 . Hoc non est Consilio aut virtute certare, sed Sinoniis artibus. Sed videte huius impostoris exitum. Etsi res 170 magnas et utiles | civitati suae gesserai, tamen postea accusatus in ipsa curia et iudicio suo gladio sese transfixit. Sequitur enim, perfidiarti et has sycophanticas iuris depravationes, divina vindicta, certa et rata Dei ordinatione. Possem exitus insignium impostorum huius aetatis recitare. Sed cum vetera exempla auditis, vos ipsi similia cogitate et 175 Dei voluntatem agnoscite, qui in his exemplis poenas proponit contemnentibus iusticiam nosque ad frenandas pravas cupiditates et colendam iusticiam hortatur. Multi decus ingenii esse putant, eludere legum vocem, offundere praestigias oculis ac mentibus hominum, veritatem tenebris involvere. Sed longe errant, si existimant se non 180 daturos esse poenas huius petulantiae. Discite iusticiam moniti et non temnere divos 11 . Hanc vocem edam ethnicis experientia expressif, qui viderunt dextra, vera et modesta Consilia verissima esse; econtra vero Dei Consilio tandem rapi ad supplicia insignia omnes, qui aut fraude aut vi petulanter iura violarunt. Non putemus exiguum esse 185 decus ingenii, simplicem veritatem videre et ex veris fundamentis extruere veritatis defensionem. Haec multo maius acumen, maiorem eruditionem requirunt quam inanis coacervatio sophismatum non cohaerentium. Placet haec calliditas indoctis, quorum servit cupiditati, sed nec veris iudiciis placet, nec prodest imperiis. Infiammai enim 190 discordias, quae sunt exitiales imperiis. Tandem igitur exitus ostendit, quae sit vera et salutaris sapientia. Romae vir magnus fuit Marius, de 10

Thukydides, III, 34, 3 ; Johannes Rudolf Stark, Berlin 1963, S. 60f. 11 Vergil, Aeneis, V I , 620.

Classen, Thukydides,

4. Aufl.

von

28o

Oratio de stricto iure et aequitate

[ C R X I 675]

quo dictum est, dubium esse, an armatus plus profuerit patriae, an vero togatus plus nocuerit. Is cum eripere provinciam Syllae conaretur, quam quidem Sylla lege et ordine tenebat, adiungit sibi hominem 195 eloquentem ac nobilem, Sulpitium. Is iniustam Marii causam tam plausibiliter egit, ut non modo senatui formidabilis esset, sed etiam palam lectos trecentos equites secum in forum duceret, quos antisenatum vocabat 12 . Hanc amentiam atque impudentiam adfert legum contemptus. Sed haec insolentia non fuit diuturna; nec tantum ipsi 200 Sulpitio fuit exitio, sed etiam multa civium millia perdidit. Ipse furor per sese magna fuerat poena, quod spreto summo Consilio orbis terrarum, antisenatum suam nominare cohortem ausus est, et tamen postea infinitae calamitates insuper secutae sunt. Obtestor igitur vos propter Deum, ut ad legum reverentiam, ad 205 amandam simplicem veritatem et ad honestas ac moderatas | opiniones vos assuefaciatis. Econtra vero tanquam nocentissimas pestes fugiatis sophismata et opiniones immoderatas, ambitioni aut aliis pravis cupiditatibus potentum servientes. Deus magis concedet tranquillitatem imperiis, si amabimus iustitiam et moderationem. Etsi fatales 210 poenae impendent, tamen nobis magna consolatio est, recte et moderate sensisse nec iniustis ac immoderatis sententiis eos armasse, qui suas cupiditates saluti communi anteposuerunt. Hanc consolationem maximam esse tali tempore, boni intelligere facile possunt. Dixi.

12 Plutarch, Sulla, c. 8, 1/3 (in ungenauer Wiedergabe); Plutarch, Marius, 35, 2 ; vgl. F. Münzer, Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, 4 A i, s. v. Sulpicius (Rufus), S. 846f. (Freundliche Mitteilung von Professor Harald Fuchs, Basel.)

[CRXII 9j]

Oratio de lege Placuit

12 Oratio de lege Placuit, Cod. de iudiciis [3. 1. 8] Selectarum declamationum Philippi Melanthonis . . . Tomus quartus, Argentorati M D L X [1560], p. 1 3 7 — 147.

IJ54 M u l t a sunt illustria testimonia de Deo, impressa naturae : ut ordo corporum mundi, leges motuum coelestium, annua terrae foecunditas, vices temporum, remediorum varietas. Sed omnium testimoniorum de Deo maxime perspicuum est lux ilia in mentibus, quae est noticia 5 immota, discernens honesta et turpia, iusta et iniusta; quae cum nobiscum nascatur, et sit immutabilis, necesse est nos agnoscere, ab immenso opifice earn singulari Consilio hominibus insitam esse et radium esse sapientiae divinae, ostendentem et quid sit Deus, et qualis sit; videlicet quod sit sapiens, verax, beneficus, iustus, et iusta 10 volens, castus, volens nos ipsi conformes esse, et puniens scelera. Has noticias vult Deus et commonefactiones de sese esse, et normas vitae. Nec habet hominum natura quicquam pulchrius hac sapientia seu his radiis divinae lucis in nos sparsis, de quibus ut saepe cogitemus, admonent nos quotidiana vitae negocia et adsidui contractus. Universa 15 enim hominum societas his regulis gubernatur. Sed non tantum propter corporum nostrorum utilitatem saepe consideranda est haec sapientia; sed multo magis, ut agnoscamus earn testimonium esse de Deo, et adsensionem de providentia confirmemus. Propter hanc gravissimam causam saepe animos excitemus ad cogitationem de 20 legum fontibus et causis. Etsi autem humanae mentes intelligunt, hanc naturalem noticiam, discernentem honesta et turpia, esse radium divinae sapientiae in nos transfusum, tamen ut id firmius statueremus, semper addidit Deus vocem suam in Ecclesia et cum alias, turn vero de rupe Sinai manifesta 25 voce, non ad paucos, sed ad magnam multitudinem hominum, edidit

Otado de lege

282

Piacmt

fCRXII 96]

haec ipsa capita legum, quae antea scripserat in mentibus hominum, et postquam ea pronunciaverat, bis scripsit in tabulis saxeis. Et ut certum esset, hanc vocem divinam esse, addidit tot facta extra ordinem naturae ostendentia praesentiam Dei et testificantia, Deum esse 30 potentiorem hoc ordine naturae. I Ideo autem Deus praefecit magistrates generi humano, ut hanc ipsam vocem legum decalogi sonent in genere humano, et eos armis et praesidiis instruxit, ut contemptores legum coherceant aut extinguant. Vultque magistratus fideles, custodes et propagatores esse 35 huius aeternae sapientiae, patefactae hominibus, et severissime prohibuit, contraria huic divinae sapientiae constitui. Sed sapientum gubernatorum mentes semper flexit Deus ad illustrandas leges decalogi, sic ut ipsa vox decalogi norma sit immota omnium constitutionum, in quibus magistratus circumstantiaealicuius 40 determinationem addunt. Ut cum lex divina inquit: Non furtum fades manifeste sancit dominiorum distinctionem. Hie magistratus discernit gradus dominiorum, directum dominium et utile, et ostendit, qui gradus, ad quos pertineant. Certissimum est igitur, hanc doctrinam iuris, cuius propagatio 45 nostro ordini commendata est, esse et decalogi vocem et sapientum gubernatorum decretum, quibus Deus voluit per magistratus addi aliquarum circumstantiarum determinationes collectas ex decalogo, vel optimis demonstrationibus, vel probabili ratione non pugnante cum decalogo. 50 Ac nequaquam existimandum est, hoc nostrum ius vel tyrannica arbitria esse, ut multi superbi, qui legum vincula oderunt, vociferantur, vel esse argutias seu praestigias excogitatas, ut serviant cupiditatibus litigantium, ut multi in vulgo loquuntur. Sed re vera hoc nostrum ius est vox decalogi et ex decalogo extructae conclu55 siones, bona consequentia per magistratus, quos Deus autoritate et sapientia armavit, ut propter confirmationem generis humani per eos imperia constituerentur, et defenderetur politica societas. Itaque propter Deum veneranda est sapientia iuris; quia verissimum est, et ipsas leges et politicum ordinem opera esse sapientiae et 60 iusticiae Dei et testimonia providentiae de Deo in genere humano. 1

Exod. 20. 1 j.

[CR X I I 97]

Oratio de lege

Placuit

283

Et sit omnium animis infixa vox sapientiae divinae, quae apud Salomonem inquit: Per me reges regnant, et principes iusta decernunt2. Experimur in hac pravitate naturae humanae, odisse earn leges tanquam carcerem et malle concedi infinitam licentiam ludendi vani65 täte opinionum et explendi vagas cupiditates. Hanc naturae nostrae infirmitatem vult nos Deus agnoscere; et ut | revocaret nos ad sese et frenaret vagabundas mentes, et patefecit se illustribus testimoniis, et tradidit legem suam: constituit imperia, et horribilibus suppliciis caecos hominum furores punit, qui contra leges frenos laxant suis 70 cupiditatibus. Ideo gravissime inquit Siracides: Vir sapiens non habebit odio legem 3. Cum autem de legum bonitate et de reverentia legibus debita saepe in hoc loco erudite et pie dictum sit, iam hac brevi commonefactione, quam recensui, contentus ero; ac tantum oro iuniores, 75 propter Deum, ut saepe hanc veram doctrinam de legum fontibus et utilitate cogitent et saepe repetant secum dicta divina, quae praecipiunt de reverentia legibus debita, et in animis amorem Dei et legum accendant. Nunc vero ad erudiendos iuniores quaedam dicam de lege Placuit, 80 in Codice [3. 1. 8], cuius verba haec sunt: „Placuit in omnibus rebus praecipue haberi tarn iusticiae aequitatisque (scriptae) quam stricti iuris rationem" 4 . Scio reprehendi a quibusdam, quod hic nominat lex aequitatem scriptam, cum tarnen apud Aristotelem ¿jueixeia nominetur scripti 85 correctio 5 , omissa inscriptione legis, ut cum iudex mitigat poenam homini modesto, qui non petulantia aut naturae perversitate, sed fame motus, furatus est cibos, sicut de aequitate non scripta loquitur lex; quod si Ephesi, in Digestis, de eo quod certo loco etc. [13. 4. 4]. Iam si semper anteferenda esset aequitas non scripta, quid opus 90 esset legibus, aut quando iudex ex scripta lege pronunciaret? Hic qualis licentia concederetur iis, qui alioqui ius scriptum et privatam calliditatem, saepe etiam caecos adfectus legibus anteferunt? Prov. 8. 15. Siracides = Iesus Sirach; Ecclesiasticus 33. 2: „Sapiens non odit mandata et iustitias" (Hinweis v o n Herrn Werner Batschelet in Basel). 4 C. 3. 1. 8: „Placuit in omnibus rebus praecipuamesse iustitiaeaequitatisque quam stricti iuris rationem". 8 Eth. Nie. V , 10 (14), 1137b. 2

3

Oratio de lege Placuit

284

[ C R X I I 98]

Ut igitur haec distinctius explicentur, primum exponam, quid nominet ius strictum, quod vetustas linguae latinae nominat ius 95 summum seu Graeci àv.QifìoSiy.aiov6. Discrimen est enim inter ius summum et calumniam. Est enim calumnia verba astute contra nativam sententiam interpretari et in deterius flectere; ut qui pactus triginta dierum inducias noctu populabatur agros, quod essent dierum induciae, non noctium pro100 missae 7 . E t qui pactus dimidium navium, dissecuit naves 8 . Plenae sunt exemplorum historiae. Paches, dux Atheniensis, cum Colophonem obsideret, quia | sciebat, quantum in duce, qui urbi praeerat, momenti esset, evocat eum ad colloquium et promittit se in urbem remissurum esse vivum et incolumem. Dux nihil mali sus105 picans, venit in colloquium. Cum igitur iam urbs sine duce esset, oppugnai earn Paches et, ea potitus, reducit ducem et ibi interficit 9 . Cum Athenae captae essent a Lysandro, triginta gubernatoribus summa potestas data est, ita ut possent sine iudiciis interficere turbulentos cives, quos ipsi existimarent seditionum faces esse. Et erat 110 promissa incolumitas ipsis triginta et aliis, qui in suo quodam catalogo scripti erant; ac fuerat pacis et harum conditionum autor Theramenes. Cum autem videret Theramenes abuti collegas sua potestate, moderari crudelitatem conatus est. Quare timentes eum collegae decreverunt necandum esse. Theramenes se excusat et petit servati pacta iuxta 115 catalogum. Sed Critias ait, facilem esse refutationem, nomine Theramenis deleto, non teneri collegas ex a catalogo. Sic elusis pactis Theramenem collegae interficiunt 10 . Popilius, pactus dimidium navium Antiochi, naves omnes dissecari iubet, ut exarmatus Antiochus rebellare non posset 11 .

» et CR. « Eth. Nie. V , 10 (14), 1138a. 7 Cicero, De offieiis, 1, 10, 33. 8 Liv. 38, 38 — 39. 9 Thukydides, III, 34, 3; supra, Nr. 1 1 , n. 10. 10 Diodorus Siculus, Biß>ao-ör|xr] tatOQixr), X I V , 3, 7 sqq. (Zitat identifiziert von Professor Peter Von der Mühll, Basel.) 11 Liv. 38, 3 8 - 3 9 .

[CR X I I 99]

Oratio de lege Placuit

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Sic Cochleus interpretabatur Decretum, sacerdos ducens uxorem suspendatur, de patibulo videlicet, cum Decretum intelligat suspensionem, vacationem publici officii 12 . Tales absurdae et sycophanticae interpretationes, alienae a consuetudine sermonis, divino iure prohibitae sunt, quod inquit: Non 125 dicas falsum testimonium 13 . Et iurisconsultus inquit, fraudem legi fieri, cum salvis verbis sententia eluditur 14 . Differì ab hac sycophantica ius summum, videlicet, in quo revera legis severitas in aliquo casu mitigationem flagitat. Ut lex Romana iubebat interfici militem, qui contra dictatoris mandatum dimicasset. 130 Dimicat provocatus Manlii Torquati filius, et victor a patre interficitur. Hic non quidem calumniosa iuris interpretatione dictator fuit asperior, sed tarnen paternus dolor mitigationem aliquam adhibere poterai 15 . Ut autem in universum vetustas fuit severior, ita multae sunt 135 poenae in veteribus legibus atrociores quam in recentioribus. Usitatissima fuit poena talionis, oculum pro oculo etc. 16 . Nunc mitigata est. Olim calumniator hoc ipso supplicio adficiebatur, quo reus I adfectus esset, si convictus esset. Nunc in tanto scelere lenior est etiam legum indignatio quam prodest. 140 Olim debitor, qui non poterat solvere aes alienum, dedebatur b in servitutem creditori aut vendebatur. Nunc cessio bonorum inventa est. Lex homicidam iubet affici capitali supplicio; sed postea scripta aequitas gradus discernit. Et Athenis diversa loca iudiciorum erant, alibi accusabantur insidiatores, alibi qui eadem in rixa fecerant, alibi 145 qui casu interemerant homines. Ex his exempüs intelligi potest, aliud esse calumniosam interpretationem, aliud revera ius summum seu ius strictum. Sed ego prorsus hoc adfirmo, in lege Placuit intelligi proprie calumniosam b

debebatur CR.

12 Decretum Gratiani, Dist. X X V I I I , c. 1 3 : ,,. . . ab eius ordinatione suspenderet." — Johann Cochlaeus (1479 —1552), entschiedener Gegner der Reformation und Melanchthons ; A D B . , 4, 1876, 381—384. 13 Ex. 12. 16. 14 D. 1. 3. 30. 15 Liv. 8, 7 ; Cicero, De officiis, 3, 3 1 , 1 1 2 . 16 E x . 21. 23—25.

286

Oratio de lege

Placuit

[CR X I I 99/100]

interpretationem. Hanc prohibet, nec vult iudices sua calliditate 150 exasperare aut laxare leges, sed vult eos ex scripto dextre intellecto iudicare. Et totum hoc ius scriptum, quod imperii autoritas gravissimo Consilio recepit, nominat scriptam aequitatem; quia leges in illis casibus, de quibus principaliter loquuntur, aequalitatem illam sanciunt, quam vera demonstratio ostendit artifici. Postea ubi in casu dissi155 militudo circumstantiae est, saepe leges ipsae addunt èniebceiav; ut de caede fortuita, de ignorantia facti, de dolo, de culpa, de metu. Et expressae sunt in scriptis legibus multae mitigationes plenae humanitatis; ut cum iubent manumissos retinere libertatem, etiam si testamentum non valuit. 160 Et innumerabilia exempla mitigationum, in scripto iure expressa, passim obvia sunt. Interdum praetor suo Consilio aliquid lenit, ubi tarnen mitigatio ex fontibus legum derivanda est. Ac sapienter in lege Placuit scriptam aequitatem nominavit Imperator, ut iudices sciant se alligatos esse ad 165 ius scriptum. Quid enim prodesset habere ius scriptum, si liceret anteferre privatas opiniones ? Nec intelligatur nomen aequitatis tantum de correctione legum non scripta, ut Aristoteles loquitur, sed intelligatur de aequalitate, quae ideo scripta est, quia vera demonstratione ex opinionum diversitate 170 eruta est. Vult enim Deus intelligi, iusticiam aequalitatem esse, ut sciamus ipsum aequalem esse. Quaerunt igitur legumlatores eruditissimis rationibus aequalitatem, quae non semper conspicitur ab impends. Aequalitas est, ut solvat I debitor creditori. Quaesitum est igitur, an liceat creditori irrumpere 175 in aedes debitoris et auferre quantum debetur ? Prohibet hoc sapiens Imperator Antoninus, quia alia aequalitas publica pluris facienda est, ut sua cuique domus adversus violentiam tuta sit. Iubet igitur creditorem petere, ut magistratus iubeat debitorem solvere. Sic igitur inquit: Tu vim putas esse solum, si homines vulnerentur. Vis est et 180 tunc, quoties quis id, quod deberi sibi putat, non per iudicem reposcit 17 . Ita gravi deliberatione quaesita est aequalitas in scripto; a qua cum disceditur, infinitae confusiones sequuntur.

17

D . 4. 2. 1 3 ; cf. Deut. 24. 10.

[CR XII

IOO/IOI]

Oratio de lege Placuit

287

Intelligatur ergo in lege Placuit aequitas scripta de hac aequalitate, quam legislator demonstrationibus erutam sanxit. Sic et in definitione 185 dictum est, ius esse boni et aequi scientiam 18 . Bonum nominat in genere honestum; ut bonum est, non prostituere coniugem, ut licebat lege Laconica. Deinde aequitatem nominat hanc aequalitatem ratione inventam, quae est vinculum societatis humanae. Neque enim potest hominum vita conservari sine mutuis officiis et sine contractibus. Ut 190 autem sit contractuum perpetuitas, aequalitatem esse oportet; alioqui pars hominum altera exhausta aut oppressa extingueretur. Omnia autem haec iustitiae exercitia sciamus eo instituta esse, ut Deum agnoscamus iustum et aequalem esse iuxta normam, quam patefecit. 195 Ostendit suam sapientiam aeternam et immotam, quae lex est; et iuxta hanc damnat peccatum in omnibus. Rursus etiam, sine jigoacojcoXr)r|>[q omnes recipit immensa misericordia, qui ad filium mediatorem confugiunt. Hanc aequalitatem considerare nos in Ecclesia necesse est. Hie autem et hoc considerandum est, Evangelium continere 200 dulcissimam e m e i x E i a v legis divinae, quae iustissima est; et tamen admirabili modo lenita est, sic ut legi satis faceret filius, et nos recipiamur propter filium; et approbet Deus initia obedientiae in nobis, quae admodum infirma sunt, et procul a legis impletione absunt. Haec est vera ¿jueweia, scripta non Solonis aut Augusti Uteris, 205 sed sanguine filii Dei. Fit autem illustrior harum maximarum rerum doctrina, cum voluntatem Dei in iudiciis et exercitiis iusticiae in vita consideramus. Oro autem Deum, fontem sapientiae et iusticiae, patrem aeternum Domini nostri Iesu Christi, j ut propter filium semper Ecclesiam in his 210 regionibus colligat et gubernet et protegat Ecclesiae hospitia et in eis doctrinarum et legum studia et honestam disciplinam conservet. Dixi.

18

D. 1. 1. 1. 1.

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Oratio de vita Hieronymi Schutffi

[CRXII 86/87]

13 Oratio de vita clarissimi viri Hieronymi Schurffi, I. V. Doctoris, recitata a D. Michaele Teubero Doctore Witebergae in officina haeredum Petri Seitz. Die septimo mensis Augusti. Anno 1554. 1554

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J\^irum est, cum legum et totius ordinis politici manifesta sit utilitas et pulchritudo, tamen omnibus temporibus fuisse multos, qui non tantum licentiae cupiditate oderunt disciplinae vincula, sed etiam alios, quorum nonnulli praetextu sapientiae, multi praetextu religionis vociferati sunt, totum hunc ordinem honestae et civilis vitae iniustam tyrannidem esse, sicut apud Platonem quidam legem nominat tyrannum 1 . Et quod magis mirum est, cum vox divina in Ecclesia maxime ornet leges et imperia, tamen fere omnibus aetatibus vagati sunt fanatici spiritus, qui omnes nervos honestae societatis inciderunt, sustulerunt iura coniugii et distinctionem dominiorum, damnaverunt magistratus, leges, iudicia. Tales furores circumtulerunt statim post Apostolos tempore Adriani Imperatoris haeretici in multis Asiae et Africae locis, Carpocrates, Martion et deinde Manes, qui, quia homines facile capiuntur opinione et spe divini consortii, simulabant in suis congressibus subitas consternationes, suspiria, lacrimas et alios gestus arte fictos, ut persuaderent aliis, se cum Deo colloqui, et invitarent stultos, ut sperarent, se | quoque gustaturos esse illud divinum nectar. Itaque et definitionem iusticiae acceptam alicunde ex sermonibus non indoctorum hominum detorserunt ad has suas imposturas: Iusticia est societas cum Deo, cum aequalitate. Societatem cum Deo interpretabantur esse illos adflatus, et aequalitatem deinde intelligebant, non Protagoras, 337 d: „ ...'Ijtma? 6 aocpòg EIJIEV, ... ó 8è vó^iog, tupavvo; aw xcòv àvdgcójtcov, noXXà Jtaoà TTJV (puotv pià^stai".

1

[ C R X I I 87/88]

Oratio de vita Hieronymi Schurffi

289

ordinatam lege divina aequalitatem, sed confusiones coniugiorum, Platonicam communicationem facultatum, seditiones contra magi25 stratus etc. Tantos furores extitisse illis foelicioribus temporibus, cum adhuc viverent, qui Apostolos audiverant (nam Polycarpus auditor Iohannis Apostoli vidit Martionem), vix credibile esset, nisi has historias recitarent scriptores digni fide, Clemens, Iustinus, Epiphanius et alii. 30 Sed proh dolor, multa similia exempla vidit nostra aetas. Aliquoties a talibus impostoribus falso praetextu religionis motae sunt seditiones, et fuerunt multorum tragici exitus. Necesse est igitur saepe moneri iuniores de suis et publicis periculis. Primum igitur agnoscant naturae humanae imbecillitatem, deinde 35 et diabolorum insidias et rabiem. Natura hominum per sese impatiens est freni, ut mollissime dicam, et singuli nos ipsos amamus, nobis blandimur, non duriter repugnamus nostris cupiditatibus et aegre ferimus eas coherceri. Hie naturae morbus cum non reprimitur disciplina, et cum fit contumacia, diaboli occupant talium hominum 40 impiorum et petulantium pectora, reverentiam omnium legum eis excutiunt et confirmant ordinis contemptum et licentiae amorem et odio Dei et Ecclesiae impellunt alios ad seditiones movendas, alios ad absurda et perniciosa dogmata spargenda, ut fiant maiores dilacerationes generis humani, caedes et vastationes, et ut Deus contu45 meliis adficiatur. Cum igitur certissimum sit, hos tantos furores in haereticis et seditiosis hominibus a diabolo oriri, primum vera doctrina divinitus tradita de politico ordine et cogitatione de fontibus legum muniendi sunt animi, et discendum est, legem esse Dei sapientiam et in ipso 50 decalogo expressam et saepe repetitam illustribus testimoniis in Ecclesia et insitam a Deo humanis mentibus, ut testetur esse Deum, ac ostendat,qualis sit, videlicet sapiens, verax, beneficus, iustus, castus, vindex scelerum. Nec aliud est in tota mundi natura illustrius testimonium de Deo quam hi radii sapientiae divinae in mentibus humanis, 55 | monstrantes Deum et discernentes honesta et turpia, et in cordibus dolor, executor scelerum, tanquam carnifex ream naturam destruens. Haec non esse casu ita nata manifestum est. Cum igitur in ipsis legibus Deum cernamus, veneremur autorem et legibus propter Deum obtemperare studeamus. Deinde et precemur

Oratio de vita Hieronymi Schurffi

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[CR X I I 88]

60 Deum, ut confirmet animos nostros, ut hanc lucem intuentes agnoscamus eius sapientiam et iusticiam, et ipsi obediamus et eum celebremus, nec sinat nos furiis diabolicis impelli contra leges et honestum ordinem ab ipso conditum. Moveamur et poenis, quae ordine divinitus sancito sequuntur contumaciam, ut filius Dei inquit: Qui 65 gladium acceperit, gladio peribit 2 . Et de incestis libidinibus inquit vox divina: Omnis anima, quae fecerit has abominationes, peribit de populo suo 3 . Cum igitur certissimum sit, omnia atrocia scelera comitari poenas, manifestum est, hunc ordinem divino Consilio regi et conservari. Sic perpetua experientia etiam iudicare coegit, et 70 ostendit vetus dictum : Cernit Deus omnia vindex4. Has admonitiones saepe repetimus, quia Deus vult nos hanc suam doctrinam sonare, et vobis utilissimum est, de rebus tantis recte erudiri. Ac Deum precamur, ut in multorum pectoribus accendat lucem, qua ipse recte agnoscatur, et sapientia eius monstrata in legibus 75 consideretur. Semper autem in imperiis mediocriter constitutis certi fuerunt legum custodes, ut Athenis erant vo(iocpi>Xax£g, ita hoc tempore in Europa sunt iuris doctores, qui profecto magnum onus in republica sustinent. Hi controversias difficillimas in foro diiudicant, hi regunt 80 gravissimas deliberationes in curia, de bello et de pace, ac plurimum refert reipublicae, in hoc ordine gubernatores consiliorum esse viros recte doctos, iustos, timentes Deum, sapientes et pacis amantes, et quorum sententias certum sit ex veris legum fontibus sumptas esse. Tales habuimus recens in hac regione duos viros excellentes eru85 ditione, virtute, sapientia, Doctorem Hieronymum Schurffium et Doctorem Ludovicum Fachsium5, qui et oracula fuerunt in difficilümis controversiis et docendo legum doctrinam ad posteritatem propagaverunt. Talibus viris cum orbata sit respublica, et cum nos ipsi prae90 ceptoribus tantis orbati simus, gravem causam doloris habemus. Sed quia Deo | obtemperandum est, et ipsi cum ad hanc iuris civilis doc2

Matth. 2 6 . 5 2. Cf. Ez. 5. 9; Jer. 7. 10. 4 i. Thess. 4. 6. 5 Ludwig Fachs (1497 —1554), Ordinarius der Leipziger Juristenfakultät; Allgemeine Deutsche Biographie (ADB.), 6, 1877, S. 528—530 (Muther). 3

[ C R X I I 89]

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Oratio de vita Hieronymi Schutffi

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trinam adiunxissent aliam sapientiam maiorem, scilicet veri Dei agnitionem et invocationem, alacres ex huius vitae aerumnis ad coelestis Ecclesiae societatem discesserunt, dolor moderandus est, memoria tarnen cum signification perpetuae gratitudinis retinenda est. Ideo nunc breviter historiam viri clarissimi Doctoris Hieronymi Schurffii recitabo, quae multa exempla continet, quorum considerado et excitare ad virtutem aliquos poterit, et multa de studiis monere. Hoc officium nos quidem praecipue ei debemus, qui fuimus ipsius auditores, et vere hoc praedicare possumus, plurimum nobis formam doctrinae, qua usus est, et eius in iudicando prudentiam et rectitudinem profuisse. Ordiar autem a patria. In Helvetiis vetus familia est Schurfiorum, et cum alia sunt vetustatis testimonia, tum hoc quoque, quod in Synodo Constantiensi fuit Doctor Schurfius inter delectos Germanicae nationis ad praecipuas deliberationes, ut catalogus praestantium virorum, qui in ea Synodo fuerunt, ostendit. Pater medicus vixit in urbe, cui nomen est a Sancto Gallo. Mater honesta matrona fuit Bibracensis, cognata viro excelienti sapientia et virtute Gregorio Lamparter, cancellario Ducis Wirtebergensis 6 . Hic Gregorius Doctorem Hieronymum propter memoriam paternae amicitiae et cognationis familiarissime complexus est in conventu Wormaciensi, cum ibi Gregorius esset inter consiliarios Caroli Imperatoris praecipuos, anno millesimo quingentésimo vicésimo primo, ubi cum aliis principum negotiis, tum vero edam de controversiis Ecclesiae saepe cum eo Doctor Hieronymus collocutus est et commemoravit ei, motas esse controversias a Luthero, non privata ulla cupiditate, sed ut doctrina necessaria illustraretur, et exposuit seni doctrinam de poenitentia et gratuita reconciliatione, quam ille commemorationem confessus est, sibi gratam fuisse. E t erat is tunc Mercurino cancellano Imperatoris familiarissimus. Natus patre Ioanne Schurfio medico et matre Bibracensi in oppido S. Galli, cum grammaticen in patria didicisset, Basileam missus est, ubi dialecdcen, quia excellens in eo ingenii rectitudo erat, celeriter percepit et motus admiratione sapientiae et virtutis Doctoris Craffti 6

Gregor Lamparter (1463 — 1523), Professor in Tübingen, später Kanzler des Grafen Eberhard im Bart; A D B . , 17, 1883, S. 579; Johannes Haller, Die Anfänge der Universität Tübingen 1477 —1537, Bandi, Stuttgart 1927, S. 142t.; Band II, 1929, S. 50.

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125 Ulmensis 7 , omissa paterna arte, iuris doctrinae se dedidit. Multi enim adhuc Basileae et Ulmae | meminerunt, eximiamfuisse sapientiam et gravitatem in Craffto, qui cum Ulmam vocatus esset, Hieronymum pater in academiam Tubingensem misit, in qua et ipse diu vixerat, et cum Nauclero 8 et Summenhardo theologo 9 dulcissima amicitia con130 iunctus erat. Ibi iurisconsultos audivit Ebingerum 1 0 , qui diu postea vixit et lector iuris fuit annos tres et quinquaginta, quem et ipse Doctor Hieronymus narrabat minimum labyrinthorum in docendo adferre solitum et fontes iuris rectissime ostendisse. Ibi et Doctorem Lupffdich 1 1 audivit, cuius perspicuitatem in docendo etiam probabat. 135 Simul autem theologum Summenhardum audivit, quem et alii iuris studiosi audiebant, quia doctrinam Ecclesiae evolvere ex praestigiis inutilium disputationum et ex superstitiosa interpretatione traditionum humanarum conabatur et Gersonis 12 imitator erat. Cum autem illustrissimus Dux Saxoniae Elector Fridericus decre140 visset academiam in hoc oppido constituere, et laudarentur studia academiae Tubingensis, voluit hanc suam scholam coloniam esse harum duarum, Lipsicae et Tubingensis. Ac mandata dedit Staupicio 13 , ut ex Tubinga lectores aliquot iuris et doctrinae ecclesiasticae et philosophiae adduceret. Hic igitur iurisconsultos duos Wolffgangum 1 4 et

7 Ulrich Krafft (gest. zw. 1515 und 1518), Professor in Tübingen, Freiburg i. Br. und Basel; Stintzing, I, S. 35 ; Haller, I, 142; II, 50. 8 Nauclerus d. i. Johann Vergenhans (1425/1430 —1510), Professor des kanonischen Rechts in Tübingen; Haller, II, Register, S. 250. 9 Konrad Summenhart (gest. 1502), Professor artium et theologiae in Tübingen; Haller, I, 172ft.; II, 64K., 248. 10 Konrad Ebinger (gest. um IJ35), Professor des kanonischen Rechts in Tübingen; Haller, I, i 4 i f . ; II, 49f., 237. 11 Johann Lupfdich (gest. 1518), Professor der Rechte in Tübingen; Haller, I. 1 4 3 ; II, 5of., 242. 12 Johannes Gerson (1363 — 1429); Johann Baptist Schwab, Johannes Gerson, Würzburg 1858. 13 Johann von Staupitz (vor 1470—1524), zeitweils Professor in Wittenberg, sodann in verschiedenen Stellungen; A D B . , 35, 1893, S. J29ff. (von Schulte); Haller, II, 247. 14 Wolfgang Stehelin, 1502 —1520 Professor des kanonischen Rechts und erster Dekan der Wittenberger Juristenfakultät; Theodor Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation, Erlangen 1866, S. 423 ff. ; Walter Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, Halle a. S. 1917, S. 5 3 f.

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145 Vollandum 15 , ingeniosum virum, qui et cancellarius postea fuit Ducis Wirtebergensis, adduxit.

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Vollandi ingenium magnifaciebat Hieronymus, ideo invitatus ab eo comes fuit huius longinque profectionis. Adducti sunt et alii lectores philosophici, Sigismundus 16 et Dionysius 17 , qui postea consenuit in monasterio Hirsaugiensi. Sed de his nunc non dicam. Dux Fridericus, quia sciebat in gubernatione opus esse cognitione iuris, eius doctrinae studia maxime excitare cupiebat, et cum essent lectores eruditi, et auditorum mediocris frequentia, ipse cum fratre interdum lectiones audiebat. Erant igitur hic ea studia ardentiora, et Hieronymus, quanquam auditor erat, tarnen quia ingenio et cognitione iuris ceteris auditoribus antecellebat, non tantum a lectoribus, sed etiam ab iis viris, quorum in aula praecipua erat autoritas, diligebatur. Itaque cum non amplius anno hic fuisset, ornatus est gradu Doctoris et amico Vollando redeunti in patriam in munere legendi successit. Et cum in lectionibus lucerent vis ingenii et eruditio, aliquanto post Dux Fridericus eum | deliberationibus adhibuit et locum ei tribuit in supremo iudicio Ducum Saxoniae, quod semper principes voluerunt esse arcem iusticiae in his terris, eamque ob causam ex nobilitate et ex doctoribus lecti sunt iudices, quorum maxime probata est sapientia et integritas. Habebat hic collegas non vulgares, initio Wolffgangum, deinde et Henningum 18 . Et consulebatur haec academia a multis gentibus de gravissimis controversiis. Itaque Hieronymum et collegae et negotiorum varietas ac magnitudo quotidie acuebant. Et ipse intuens Henningum et attente considerans fontes sententiarum, quas in deliberationibus dicebat, ita processit, ut postea ipsi nemo praelatus sit. Magnum decus est et praesidium reipublicae talis iurisconsultus, cuius sententiis tuto credi potest. Sic apud tres electores Saxonicos vixit annos quadraginta duos, ut et studia doctrinae iuris et iudicia 1 5 Ambrosius Volland (1472 — 1 5 5 1 ) , 1502 —1503 Professor des „kaiserlichen" (römischen) Rechts in Wittenberg, später Kanzler des Herzogs v o n Württemberg;

Muther, a.a.O., S. 423 ft.; ADB., 40, 1896, S. 247; Friedensburg, S. 53 f. 1 6 Siegmund I, 207; E p p , 1502 — 1504 Professor in Wittenberg; Haller, II, 74, 82. 1 7 Dionys Bickel (gest. 1530); Haller, I, 207; II, 74. 1 8 Henning G o e d e (um 1450 — 1521), Professor des kanonischen Rechts in

Wittenberg; Stintzing, I, S. 263 — 265; Friedensburg, S. 140, 142t.

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praecipue rexerit et plurimis consiliis adhibitus sit, in quibus vox eius salutaris fuit reipubücae. Erudiit et scriptis posteritatem. Extant enim eius Consilia, quae ostendunt non solum eruditionem ipsius et iudicii rectitudinem, sed etiam veritatis et iusticiae amorem in ipso perpetuum 19 . Quanquam autem magna est negociorum in illis centuriis, quae extant, varietas, tarnen lectio in primis utilis est ad iudicandas emptionum naturas et ad discernendas emptiones ab usurarum pactionibus. Nullius enim extant scripta magis perspicua de contractuum distinctione. Et non solum haec scripta, sed etiam vita eius ostendit fuisse eum acerrimum usurarum hostem. Postquam autem ex hac academia propter bellum discessit, ab inclyto Principe Marchione Electore in academiam Francofordianam accersitus est, ubi annos Septem magna sedulitate et in magna auditorum frequentia propagavit iuris doctrinam. Accersitus autem ab Imperatore Carolo Quinto, ut inter iudices summi iudicii in hoc Germanico imperio locum haberet, excusatione senectae usus est. Hactenus de eo studio dixi, quod professus est. Nunc de aliis eius virtutibus dicam. Cum adolescens ad agnitionem et invocationem Dei a patre adsuefactus esset, diligenter et quidem hortante patre in academiis Ecclesiae doctrinam audivit. E t quia sciebat in doctrina usitata multum esse inextricabilium disputationum, postquam | Lutherus concionari in hoc oppido coepit, studiose eum audivit, deinde et scripta legit, et cognitis incorruptae doctrinae fontibus, eam pie amplexus est, et de omnibus controversiis saepe cum Luthero, cum Amsdorffio 20 , quos ut fratres diligebat, et cum aliis amicis eruditissime disseruit, quia serio statuebat aliquam esse Dei Ecclesiam, et hanc solam esse, quae amplectitur scripta prophetica et apostolica sine corruptelis. Legit igitur avide omnium temporum Ecclesiae certamina, contulit antiquitatis iudicia ad recentium seculorum et huius temporis doctrinam. Ac valde laetabatur, videns reipsa con1 9 Consiliorum seu Responsorum iuris Dn. Hieronymi Schiurpff de Sancto Gallo, Francoforti apud Christianum Egenolphum Hadamarium 1545 ; neue vermehrte Ausgabe in drei Bänden, Frankfurt 1575. 2 0 Nikolaus von Amsdorf (1485 — 1561) hielt theologische und philosophische Vorlesungen in Wittenberg, erster evangelischer Bischof (von Naumburg-Zeitz) ; ADB., 1, 187J, S. 412—41J; Friedensburg, S. 66, 68.

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Oratio de vita Hieronymi Schurffi

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gruere harum ecclesiarum doctrinam cum veteri Ecclesia puriore, cum scriptis Augustini et aliis postea, in quibus signa eruditionis et pietatis conspiciuntur, quia singulis aetatibus aliqui fuerunt Evangelii 210 testes. Meminimus mirifice delectatum esse dicto Bernhardi, in quo dicitur : Necesse est primo omnium credere, quod remissionem peccatorum habere non possis, nisi per misericordiam Dei. Sed adde, ut credas et hoc, quod per ipsum peccata tibi quoque donantur. Hoc est 215 testimonium, quod perhibet Spiritus sanctus in corde tuo, dicens: Remissa sunt tibi peccata tua 21 . Sic enim ait Apostolus: Gratis iustificari hominem per fidem 22 . Talia dieta multa legens et audiens confirmabat in pectore fidem, et animi pietatem vera invocatione Dei et Inonestissima morum gubernatione ostendebat. 220 De doctrina saepe cum Duce Saxoniae Friderico Electore gravissime collocutus est. Ad Ducem Saxoniae Iohannem scripsit confessionem, in qua diserte explicat propositionem : Sola fide iustificamur, et his verbis usus est, non intelligendam esse hanc propositionem, fide nos iustos esse, sicut multi imaginabantur; novitate homines iustos esse, 225 sed propter filium Dei mediatorem, quem fide agnosci et cuius promissionem fide accipi oportet. Erant igitur verba in eius scripto : Non propter nostrum credere, sed propter filium Dei mediatorem. Certamina edam de doctrina cum principibus viris ei saepe fuerunt, et aliquos flexit ad doctrinae Studium, aliquos ad moderationem. Nihil 230 fingo. Sunt haec nota praestantissimis viris, qui adhuc vivunt, Doctori Gregorio Pontano et Nicoiao Amsdorfio et aliis, cum quibus amanter et placide studio veritatis de tota Ecclesiae doctrina saepissime colloquebatur. I Doctrinae summam probabat, quanquam volebat quaedam dici 235 minus horride, quaedam etiam fieri moderatius et a populo et ab aliis, ut erat gravis, constans et disciplinae amans. Sed nunquam discessit a doctrinae puritate, et vere imago erat morum ipsius dictum Sophoclis : Talis est vir bonus, semper est sibi similis23. In conventu Wormatiensi, cum Lutherum audirent Imperator 240 Carolus et senatus Imperii, ipse dicenti aderat, et palam cum eo 21 22 23

Matth. 9. 2; Luc. 5. 20. Rom. 3. 28; 3. 24. Es ist nicht gelungen, dieses Dictum des Sophokles zu identifizieren.

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Oratio de vita Hieronymi Schurffi

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deliberabat et ostendebat, se eius doctrinam amplecti. Postea fuit gubernator inspectìonis ecclesiarum in ripa Salae. Cum enim Monetarius et Pelargus turbassent ecclesias, et misera plebs alicubi seditiones movisset, sedatis tumultibus princeps optimus Iohannes voluit 245 inspici ecclesias. Eam rem necessariam commendavit primum Doctori Hieronymo. Id consilium honestum et pium profuisse ecclesiis, foeüx eventus ostendit, ut multi norunt. Abhorrebat enim a fanaticis et seditiosis opinionibus, et volebat ecclesias recte doceri, et pastoribus honestas mercedes constitui, qua de re Dux Iohannes et liberaliter 250 mandata dederat. Meminimus etiam, cum donationum confirmatio peteretur, citata hac sententia Esaiae: Et reges erunt nutritores tui 2 4 . Cum princeps valde delectatus esset ea sententia, statim impetratam esse confirmationem. Coniugem habuit honestissimam, cum qua summa concordia et 255 caste vixit annos amplius quadraginta. Ex hac nati vivunt adhuc filius et filia matrona honestissima, quae vidui patris oeconomiam vidua gubernavit. Erga pauperes beneficentiam liberaliter exercebat. In tolerandis iniuriis dolorem et cupiditatem vindictae propter publicam tranquillitatem et propter Deum reprimebat. Denique mores eius 260 exemplum esse viri honesti, pii et officiosi poterant. Talis cum fuerit, et cum praeclare meritus sit de nobis et de repubüca, decet nos eius cum significatione gratitudinis recordari. Et exemplum multis utile est. Debetur gratitudo singulis, qui suo loco benefaciunt generi humano: ducibus, qui armis repellunt hostes et 265 pacem tuentur; senatoribus, qui regunt civitates et hominum commercia et iuvant homines aedificiis. Sed cogitemus maiora esse beneficia, propagationem verae doctrinae de Deo et de legibus, iustam gubernationem iudiciorum et Consilia salutarla in republica. Ac posteritati non solum proderunt scripta, quae reliquit Doctor Hieronymus, sed 270 multo magis | auditores, qui voce ipsius eruditi, accepta doctrinae semina aliis tradent, et quorum nunc aliqui Deo iuvante magnos labores in reipublicae gubernatione fideliter sustinent. Domestica consuetudo multis annis fuit clarissimo viro D. Ulrico Mordisen 25 cum eo, quem quidem ut filium dilexit, et qui 24

Jes. 49. 23 (nutricii). Ulrich Mordeisen (1519 — 1574), Professor in Wittenberg und Leipzig, Kanzler des Kurfürsten von Sachsen; Stintzing, I, S. 1 2 7 ; Friedensburg, S. 207f. 25

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Oratio de vita Hieronymi Schurffi

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275 vicissim praeceptorem amavit tanquam patrem. Vixit apud eum et vir clarissimus Doctor Melchior Kling 26 , qui ambo in hac vicinia, quos labores diu iam sustineant, non ignoratis. In academia ad Viadrum iuris lector et interpres est vir clarissimus, Doctor Iohannes a Borck, Bremensis 27 , quo multis annis nemo fuit 280 Doctori familiarior. Sed longum esset enarrare omnes. In extremo agone etiam, ingressus annum quartum et septuagesimum, fidei robur ostendit, ardentissimis votis Ecclesiam et sese et suos Deo commendavit, saepe repetens et symbolum et precationem, ac diserte testatus est, se hunc verum Deum invocare, qui 285 se patefecit misso filio, et se toto pectore adfirmare, hanc unam de Deo doctrinam veram esse, quae in libris propheticis et apostolicis et symbolis scripta est, ac saepe expressa personarum mentione dixit: Omnipotens Deus, aeterne pater Domini nostri Iesu Christi, creator coeli et terrae, angelorum et hominum et aliarum creaturarum om290 nium, cum filio tuo coaeterno et Spiritu sancto oro, miserere mei propter Iesum Christum filium tuum, crucifixum pro nobis et resuscitatum, sanctifica me Spiritu tuo sancto. In manus tuas commendo spiritum meum. Inter talia vota cum fiducia filli Dei et spe mens erecta non obscure ostenderit, se desiderio consuetudinis Christi et 295 coelestis Ecclesiae adfici, anima eius hoc mortali carcere placide liberata est. Nos memoriam et virtutem ipsius et doctrinae retineamus et honestissimos mores eius imitemur et sequamur in studio iudicium eius, quaeramus doctrinae fontes, nec stulta curiositate adplaudamus ineptis illis, qui nunc iactitant, se novam formam doctrinae iuris 300 monstraturos esse, quorum insulsitatem et stulticiam ipse omnium maxime detestabatur. Oro autem filium Dei Dominum nostrum Iesum Christum, ut semper in his regionibus Ecclesiam sibi colligat et eam gubernet, et protegat eius hospitia, et non sinat deieri honesta doctrinae studia et 305 disciplinam. Dixi.

26 Melchior Kling (1504— um 1570), Professor des kanonischen Rechts in Wittenberg; Stintzing, I, S. 305—309; Friedensburg, S. zozl. 27 Johann von Borken, später Professor in Frankfurt a. O. ; Muther, S. 218.

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Oratio de dignitate studii iuris

[CR X I I 1 5 2 ]

14 Oratio de dignitate studii iuris, recitata, cum decernerentur insignia Doctorum in utroque Iure D. Iohanni Reinero Oldenburgensi, a Doctore Georgio Cracovio Vitebergae, ex officina haeredum Georgii Rhaw. A n n o M D L V I [ 1 5 5 6 ] . 1556

Der Wortlaut dieser Rede ist oben unter Nr. 6 abgedruckt.

REGISTER

Personen- und Sachverzeichnis Die größeren Zahlen bezeichnen die Seiten, die hochgestellten kleineren die Anmerkungen. Das Sternzeichen verweist auf biographische oder bibliographische Angaben. Der Name Melanchthons, der beinahe auf jeder Seite erwähnt wird, ist nicht aufgenommen worden. Die Texte im Anhang sind ebenfalls nicht berücksichtigt. M = Melanchthon.

A

B

Accursius 128 , 158 Aegidius (Colonna) Romanus * i 8 3 Agricola, Rudolph 45 2 , 60 Agrippa, Henricus Cornelius, von Nettesheim * 5 3 6 Alciatus, Andreas 5 5 9 , 56 Alexander Severus 136, 1 4 1 , 143, 159 Amerbach, Basilius, d. Ä . 56 1 6 Amerbach, Basilius, d. J . 6 2 3 5 Amerbach, Bonifacius * 5 3-5 9, 60, 6 8 « , 133 f., 153, 157 über Petrus Loriotus 68 49 , 106 9 an Luther 5 8 f. erwirbt M.s Schriften 55, 68 über Haloander 164 8 Amsdorf, Nikolaus von *294 20 Antiochus III. 170 Apel, Johann 69, *Ö9 50 , 1 3 5 1 9 Aristoteles 60, 95 ff. Einfluß auf M. 2 1 , 80 Nikomachische Ethik 20, 32, 168 f., 172 ff.

Baldus de Ubaldis 128 2 , 156, 183 2 5 Bartolus a Saxoferrato 127 f., * 130, 132t., 135, 1 3 7 f f . , 146ff.» I54f-, 156 5 9 , 158, 1 8 3 2 5 Baselius, Nicolaus 142 2 4 Bassianus, Johannes s. Johannes Bassianus Beust, Joachim von * 70 Bickel, Dionys *293 1 7 Blarer (Blaurer), Thomas 58, 73 7 0 Bodenstein, Andreas s. Karlstadt Bologninus, Ludovicus 164 8 Borken, Johann von 297 27 Brück, Gregor 149 40 Brück, Christian 169 3 Brunquellus, Joh. Sal. 1 4 7 3 5 Budaeus, Gulielmus 49 1 2 , 184 Bulgarus 138, 140 2 2 Burchard von Ursberg * 145 Burer, Albert 5 7 f. Butrigarius, Jacobus 155

2

Politik 20, 91 f., 120, 138 Augustinus, Antonius 164 8 Aytta, Viglius van x. Viglius van Aytta Azo 138, 140 2 2 , 158

C Caietanus (Thomas de Vio), Kardinal 172

Register

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Calvin, Johannes 30 19 , 115 27 über mosaisches Recht 112 2 1 über römisches Recht 123 Camerarius, Joachim 44, 108, 135 19 , 164 7 , 166 Cantiuncula, Claudius 53®, 57 1 9 , •60-62, 71 6 7 , 88», 90, 133 f., I53 53 . '57. 184 über die Glossatoren 128 2 , 154 über Haloander 164 8 über kanonisches Recht iy3 Einfluß auf M. 47, 98 über römisches Recht 15 5 58 Topica 60, 68 Cantiuncula, Hilarius * 6 i , 62 35 Carion, Johannes * 141 ff., 157-159 Casaubonus, Isaak 125 22 Castro de, Paulus *i39, 148 Celsus, P. Iuventius 129 4 Christus 84, 94, 107 12 , 154, 174 Philosophia Christi 21, 104, 117, 155 Cicero, Marcus Tullius 32, 107 über Licinius Crassus 148 Einfluß auf M. 46 f., 80 M.s Vorlesungen über 46® De officiis 20, 107 über Servius Sulpicius 139, 148 summum ius summa iniuria 23 Cinus de Pistorio 155 Cironius, Innocentius 147 35 Cisner, Nicolaus * 7 i Colerus, Matthias * 7 i Conring, Hermann * 72, 145 Cornelius, Centurio 94 Crapp (Krapp), Anna 63 37 Crapp, Hieronymus 63 37 , 135 1 9 Crassus, Lucius Licinius 148 Cuiacius, Jacobus 164 8 Curio, Coelius Secundus +62 35

Diplovatatius, Thomas * 147 Duarenus, Franciscus *yz, 164 8 , 167 Duns Scotus j. Johannes Duns Scotus E Ebinger, Konrad43 3 S , 4 5 6 3 , *292 10 Eck, Johannes 54 f. Egnatius, Johannes Baptista 161 Epp, Siegmund* 293 1 4 Erasmus, Desiderius, von Rotterdam 55f., I25 22 , 134, 151 4 6 , 155 58 zum Autoritätsglauben 127 1 Christi philosophia 21, 104, 117, 153 Einfluß auf M. 20, 45 2 , 46, 8i, 98 Rechtsauffassung 118 Sterbensworte 45 2 Esra 94 F Fachs, Ludwig 290, *290s Ferinarius, Johannes * 72 70 Forster, Valentin * j i Friedrich II., Kaiser 158 Friedrich der Weise, Kurfürst 105 9 G Gelenius, Sigismund *Ö2 35 Gerhard, Johann 125 Gerson, Johannes 46,* 182,184, *292 12 Gobier, Justin 164 8 Goede, Henning * 7 i 46 , *29 3 18 Goldstein, Chilian, d. Ä . * 70 f. Gratianus, Magister 145 33 , 158 Grotius, Hugo *72, 125 22 H

D Demosthenes 95 Dio Cassius 141

Haloander, Gregor 25 n , * 160-167 Hegendorfinus, Christoph * 71 Heinrich IV., Kaiser 137

Personen- und Sachverzeichnis Heinrich VII. (von Luxemburg), Kaiser 158 Hotomanus, Franciscus 30 1 9 Hummelberger, Michael * 108 1 4 Hutten, Ulrich v o n 53, 55, 134

IJ Iason v o n Mayno 151 Johannes Bassianus 140 2 2 Johann der Beständige, Herzog 105 9 Johannes Duns Scotus * 173 Jonas, Justus * 7 i 6 6 , 149 4 0 Irnerius 129, *I30, 135, 137L, 140 2 2 , 144, 146, 154t., 156s 9 Justinianus 117, 121, 146 3 3 , 159, 161

K Karl IV., Kaiser 137, 139 Karlstadt (Bodenstein), Andreas 109 1 6 , 110, * I I O 1 8 , I I I 1 9 Kessel, Dionysius 54 K l i n g , Melchior *297 2 6 Konstantin, Kaiser 176 Krafft, Ulrich 62, 151, * 152 4 7 , »292' Krapp s. Crapp

L Lagus, Konrad * 7 o Lamparter, Gregor 45 *29i6 L'Höspital, Michel *72 Lonicerus, Johannes * 72 70 Loriot, Pierre s. Loriotus, Petrus Loriotus, Petrus 68, 68 49 , 106 9 Lothar III. (II.), Kaiser 137, 147 3 5 , i57f., 1 j 9 „Lotharische Legende" 144 f. Lucas de Penna i o i 2 8 Lupfdich, Johann 63, * 2 9 2 u Luther, Martin 132!. 9 Amerbachs Briefentwurf an 5 8 f.

3°3

Druck M.scher Vorlesungen 50 1 4 Druck der Werke in Basel 52t. gegen Eck 5 5 9 Eindruck in Basel 5 3 Einfluß auf M . 78, 98 20 , 103 Einfluß M.s auf 156 über Epieikeia 183 2 5 G o t t und Teufel 982 über Juristen 1 5 7 6 1 über kanonisches Recht 1 j 1 4 6 , 152t. über mosaisches Recht 105 9 , i n f . 1 9 , 114 2 7 über römisches Recht 115 2 7 , 122, 131, 1 5 7 6 1 Rechtslehre 21 f. 6 , 48', 8o, 114 summum ius summa iniuria 170 Wittenberger Disputationen 34 27 im Urteil des Zasius 73 7 0 Lykurg 85, 95 1 0

M Marstaller, Gervasius 57 Mathilde von Tuszien 145 f., 158 Meienburg, Michael 62 3 5 Meitzer, Gregor s. Haloander, Gregor Meyer, Jakob, zum Hasen 5 3 Mordeisen, Ulrich * i o 6 9 , *29Ö25 Moses i n f . Gesetzgebung 104, 109 f. Mulich, Gregor 6 4 " , 166 Munster (Munsterer), Sebaldus 56 1 8 , 97. 135» * 135 1 9 Münzer, Thomas 1 1 0 1 8

N Nauclerus, Johannes * i 4 2 f f . , 146, *292 8 Nicolaus de Tudeschis (Panormitanus) 139, 148 Numa (Pompilius) 85

Register

3°4 O Oecolampadius, Johannes 53, 59 Oldendorp, Johannes * 7 2 über Haloander 164 8

P Panormitanus s. Nicolaus de Tudeschis Papinianus, Aemilius 138 Parmentier, Michel 55 Paulus, Apostel 81, 95, I09 1 6 , n o 1 8 , 182 Paulus de Castro s. Castro de Penna de, Lucas s. Lucas de Penna Petreius, Johannes 161 Petri, Adam 55 Petrus, Apostel 1 1 1 Peucer, Kaspar 105 9 , 144 Pindar 154t. Pirckheimer, Wilibald * i 6 i f . , 165, 166" Pistorius, Friedrich 162 Plato 94, 168 Platter, Thomas 61 Politianus, Angelus 164 8 Pomponius, Sextus 129 Pontanus Brück Pufendorf, Samuel 22 8

R Reuchlin, Johannes 45 f., 54 Vorbild für M. 45 Reusner, Nicolaus * 7 i Rhenanus, Beatus 45 2 , 57 Roth, Stephan 64 3 9 , 166

S Sadoletus, Jacobus 56 Salamonius, Marius 5 6 1 8

Schneidewin, Johann *70 Schürpf, Augustin * 6 ; 3 7 Schürpf, Hieronymus * 4 i f . , 47, 62-67, * 6 3 3 6 , * 149-153 Verhältnis zu Luther 67 Einfluß auf M. 47, 49, 5 0 1 3 , 62 ff. über kanonisches Recht 150 4 6 , 152 über mosaisches Recht 150 über römisches Recht 105 f. 9 Servius Sulpicius 139, 148, 158 Sichardus, Johannes 59f., * 7 2 , 133, IJ7, 16715 Simler, Georg 4 5 1 Sobek, Burian * 7 1 6 2 Socrates 94 Solon 86 Spalatin, Georg * 109 Staupitz, Johann von *292 1 3 Stehelin, Wolfgang *292 1 4 Stein, Wolf gang * i i o 1 8 Strauss, Jakob * n o 1 8 Strigel, Victorin 61 Suarez, Franz 1 7 3 1 0 Summenhart, Konrad *292 9

T Teuber, Michael 64, *yo, 241, 288 Thomas von Aquino 48, 170, 184 Thomasius, Christian 22 8 , 34 27 Trithemius, Johannes * 146, 1 4 7 3 5 , 155, 156 5 9 U Ulpianus, Domitius 48 8 , 95, 136, 1 4 1 , 143, i58f. Ursberg, Burchard von s. Burchard von Ursberg

V Vadian, Joachim 64 4 0 Vergil 97

Personen- und Sachverzeichnis Viglius van Aytta van Z wiehern 5 8 2 5 über Haloander 164 8 Volland, Ambrosius *29j 1 5 W Wesenbeck, Matthaeus * 70 Wicelius, Georg 1 2 J 2 2 Wiclif, John 94 Winsheim, Veit 13 5 1 9

305 Z

Zasius, Ulrich 54, 55®, 58, 66, 134, 151 über Haloander 164 8 über Luther 73 70 über M. 73 70 Zwingli, Huldrych 115 2 7

Verzeichnis moderner Autoren

V o n modernen Autoren sind nur diejenigen aufgenommen, deren Werke oder Ansichten in diesem Bande besprochen oder kritisch erörtert sind. Die bloß in den Anmerkungen erwähnten Verfasser zitierter Schriften sind nicht aufgeführt.

B ioo25

Baron, Hans Bauer, Clemens 2of., 46, 80, 123 1 6 Baur, Jürgen 23® Below, G e o r g von 1 5 1 4 6 Beyer, Wilhelm R. 4 8 ' Bindseil, Heinrich Ernst 31 Bohatec, Josef 28 1 7 , 1 1 7 3 , 124, 180 1 7

C Caserta, Nello 123 1 6 Clemen, Otto 160, 162 5 Coing, Helmut 156 5 9

D Dilthey, Wilhelm 27, 48, 80, 125 2 3

E Eiert, Werner 93 4>«, 125 2 2

F

2 7 , 149 4 0 , Ficker, I J 2 4 8 Johannes 12, 34

Fild, Horst A . 28, 48 Flechsig, Eduard 160 2 Friedensburg, Walter 2 7 1 3

H Haenel, Albert 24ff., 27L, 31, 47f., 51, 77, 81, 151 4 « Hartfelder, Karl 27 1 3 , 38, 42, 44, 50, 50*3, 142 2 4 , 152=0 Haubold, Christian Gottlieb 2 5 1 1 Heckel, Johannes 21 f., 26 Hoffmann, Gottfried Daniel 2 5 1 1

IJ Ihering, Rudolf 5, 48 Janson, H. W. 118 8

K Kelsen, Hans 125 2 3 Koschaker, Paul 1 2 1 1 3 Kunkel, Wolf gang 145 3 2 Kutter, Markus 62 3 5

L Landsberg, Ernst 66 Liermann, Hans 5, 21, 8o, 81, 125, 131®, 1 6 1 2

M Maier, Heinrich 27 t., 122, 1 5 1 4 8 Maurer, Wilhelm 45 f., 6 1 3 3 , 134 1 7 , 15148

Verzeichnis moderner Autoren McNeill, John T. 29 f. Menke-Glückert, Emil 39, 141 2 3 , 142M i 4 J 3 1 Möller, Bernd 149 40 Müller, Nikolaus 35 2 8 , 41 Münch, Gotthard 1 4 1 2 3 , 142 24 , 145 Muther, Theodor 36, 41 f., 63 3 7 , 65, IOJ», 1x5

29

3°7

Schäfer, Rudolf 112!», 151 4 « Schöffler, Herbert 1494« Sohm, Walter 1 2 3 1 6 Sperl, Adolf 114 2 « Stern, Leo 22® Stintzing, Roderich 26t., 28, 49 10 , 69. 77. " 3 . 150. 1 5 1 4 6 Strobel, Georg Theodor 3 3 27 Stupperich, Robert 1 4 1 2 3

N Neuser, Wilhelm H. 78 Nürnberger, Richard 42 3 2 P Petersen, Peter 92 2 - 3 , 169 4 R Rossi, Guido 147 34 Röthlisberger, Hugo 118 7 S Savigny, Friedrich Carl von 139, i 4 7 35

Vogel, Kurt 160 2 Voigt, Alfred 23 8

V

W Weber, Gottfried 100 25 , 1 2 3 1 7 Weber, Hellmuth von 1 1 8 7 Wieacker, Franz 60 32 , 69, 69 5 1 , 73 7 1 , 122 Wolf, Erik 2 8 " Wolf, Ernst 49 ">, 123 " Wolzendorff, Kurt 30 1 9 Z Zwicker, Hanns 50 1 5 , 188

Luthers Werke in Auswahl U n t e r M i t w i r k u n g v o n ALBERT LEITZMANN h e r a u s g e g e b e n v o n OTTO CLEMEN

8 Bände. Oktav. Ganzleinen DM 144,— 1. Schriften von 1517—1520. 6., durchgesehene Auflage. XXXII, 512 Seiten. 1 Faksimile. 1966. DM 1 6 , 2. Schriften von 1520-1524. 6., verbesserte Auflage. VI, 464 Seiten. 1967. DM 1 6 , 3. Schriften von 1524—1528. 6., durchgesehene Auflage. VI, 516 Seiten. 1966. DM 1 6 , 4. Schriften von 1529—1545. 5., verbesserte Auflage. VI, 428 Seiten. 1959. DM 1 6 , 5. Der junge Luther. Herausgegeben von Erich Vogelsang f . 3. Auflage. XI, 434 Seiten. 1963. DM 2 0 , 6. Luthers Briefe. Herausgegeben von Hanns Rückert. 3., verbesserte Auflage. XV, 459 Seiten. 1966. DM 2 0 , 7. Predigten. Herausgegeben von Emanuel Hirsch. 3. Auflage. XII, 420 Seiten. 1962. DM 2 0 , 8. Tischreden. Herausgegeben von Otto Clemen. 3. Auflage. X, 387 Seiten. 1962. DM 2 0 , -

Luther V o n FRANZ LAU

Klein-Oktav. 2., verbesserte Auflage. 153 Seiten. 1966. DM 3,60 (Sammlung Göschen Band 1187)

Waltet de Gruyter & Co • Berlin 30