Philipp August, König von Frankreich: Dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen [Reprint 2018 ed.] 9783111517650, 9783111149752


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German Pages 204 [208] Year 1850

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Vorwort
Personen
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
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Philipp August, König von Frankreich: Dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen [Reprint 2018 ed.]
 9783111517650, 9783111149752

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Philipp August, König von Frankreich.

Dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen.

Berlin, 185p. Verlag von G. Reimer.

Vorwort. vorliegendes Werk, begonnen und vollendet vor den Umwälzungen der letzten Jahre, tritt, durch die Ungunst der Zeiten und persönliche Rücksichten veranlaßt, erst später an daS Licht der -Oeffentlichkeit, ein Umstand, der dem Verfasser Raum ge­ währte, in ein objektiveres Verhältniß zu seinem Produkte zu treten, als es gewöhnlich einer geliebten Arbeit — einer Erstlingsarbeit — gegenüber, der Fall sein mag. Indem er also das lang gehegte, lang beobachtete Kind seiner Mußestunden von sich läßt, glaubt er sich hinreichend mit dessen Mängeln und Fehlern bekannt gemacht zu haben, um jene sanguinischen Hoffnungen auf Erfolg zu verbannen, welche die Phantasie des jungen Dichters zu um-

IV

gaukeln pflegen. Auch verhehlt er es sich durchaus nicht, daß noch heute der Moment ein viel zu dewegter ist, um wieder in die alten Gleise unbeirrter Kunstanschauung und sorgfältiger Kritik einzu­ lenken, daß die Darstellungen auf der Bühne des wirklichen Lebens einen zu großen Raum einnehmen, um den Brettern, welche die Welt nur bedeuten und wiedergeben, einen hervortretenden Platz zu gönnen. Es ist zudem eine Eigenthümlichkeit unsrer Zeit, wie aller Entwickelungsperioden, daß sie, ganz mit sich selbst beschäftigt, überall einen Spiegel ihrer eignen Ideen zu finden sich berechtigt hält, und somit ihre Aufmerksamkeit einer Dich­ tung versagen muß, welche die fernliegenden Kämpfe und Strebungen eines längst vergangenen Jahr­ hunderts darzustellen versucht, und deren Entstehung sogar außer den Grenzen heutiger Einflüsse liegt, wenn sie auch ihre letzte Vollendung unter dem Rauschen der Aequinoktialstürme von 1848 er­ halten hat. Warum nun das Werk sich trotz alledem vor

V Lie Schranken des öffentlichen Urtheils wagt? — Weil der Dichter Rechnung ablegen möchte vor seinen Freunden von- der Thätigkeit mancher stillen Stunde, weil eine innere Stimme ihm zuflüstert, daß der Dienst des Schönen von seinen Priestern ein wenn auch nur gestammeltes, doch um so off­ neres Bekenntniß verlangt, je verlassener seine Al­ täre stehen, weil er die Hoffnung hegt, hie und da einer vom Geräusch des Marktes ermüdeten Seele einen Augenblick wohlthuenden Ausruhens bereiten zu können, weil er vertraut, daß der Blick eines solchen Lesers das Amt der prüfenden Strenge mit Milde üben, und die Mängel, welche das Drama namentlich von der Erscheinung auf der Bühne ausschlössen, nachsichtig betrachten werde.

Endlich,

weil er, die Blätter der Geschichte aufschlagend, eine Episode der Vergangenheit heraufbeschwört, deren keine ohne Lehre und Mahnung, ohne Verbindung und Zusammenhang in die Gegenwart Hineinreicht — ein Kapitel aus dem Lebenslaufe Ler Menschheit, die unter ewig neuen Formen und

VI

Bedingungen unablässig den alten Kampf zwischen Nacht und Licht auszukämpfen, die mühevolle, steile, oft verdunkelte Bahn von der Tiefe zur Höhe durchzuwandeln bestimmt ist. Und als ein geringes Staubkorn auf diesem Wege mögen die nachfolgenden Blätter ihre Stätte finden.

Personen. Philipp II. August, König von Frankreich. Agnes von Meran, seine Gemahlin. Guerin, Bischof von SenliS, des Königs Kanzler. Ferdinand, Graf von Flandern, Raimund, Graf von Toulouse, Philipps Vasallen Philipp, Graf von Champagne, und Heinrich, Graf von Auvergne, französische Barone. Robert, Graf von ChalonS, Wilhelm, Graf de la Roche Guhon, Guido von Montreal, ein alter Ritter. Armagnac,'»_

Ä

,

^ > Ritter in des Königs Gefolge. De Couyy, J ö Der Cardinal von Sancta Maria, päpstlicher Legat. Die Aebtissin des CtarissinnenklosterS in VincenneS. Ktotilde, Agnesens Amme. Rigord, des Königs Leibarzt. Der Wappenkönig. Cin burgundischer Ritter. Erster 1 Zwnt.r } E"rger v°n Par.s. Erste 0 Zweite

1 _ > Nonne. J

Der Thorwart des Schlosses Montreal. Ein Knappe des Grafen von Flandern. Ein Hirtenknabe. Barone, Ritter und Edeldamen, Leibwache, Soldaten, Pagen^ Diener und Dienerinnen.

Zeit der Handlung: das Jahr 1214. und zweiten Aufzuge liegen einige Monate.

Zwischen dem ersten

Erster Akt. Erster Auftritt. Saal in dem Königlichen Schlosse zu Compiegne. Recht- zwei erhöhte Sitze unter einem Thronhimmel. Der Graf von Toulouse tritt durch die Mittelthür ein und schreitet, in Nachdenken versunken, über die Bühne. Ihm folgt gletch darauf der Graf von Champagne.

Champagne. Graf Raimund! Treff ich Euch! Toulouse. Wie! Seh' ich recht? Champagne verläßt die ritterlichen Spiele, Eh' sie zu Ende? Lockt Euch nicht der Ruhm, Die Ehre nicht, in eines Königs Auge Bewundrung Eurer Tapferkeit zu lesen, Und von den schönen Händen Eurer Dame Des Sieges und der Minne Lohn zu nehmen? Champ eigne. Das Heil ist nicht gebannt in jene Schranken, Die König Philipps Gastlichkeit geöffnet; Wer Ehre sucht, kann allerwärts sie finden, Und wer den Grafen von Toulouse begleitet, Der hat den Ruhm geknüpft an seine Sohlen.

1

2 Toulouse. Geht, Schmeichler, geht! Ich bin ein alter Mann; Mit mir ist's aus, mir ziemt ein stilles Plätzchen, Wenn Jüng're sich im Dienst der Waffen tummeln. Den ich, weiß Gott, zu üben nie versäumt. Bei unsrer Frau! in meinen jungen Tagen, Da hätte mich kein Heiliger und kein Teufel Dazu vermocht, die Schranken zu verlassen, Um eines Graubarts müß'ge Zeit zu kürzen. Ist unsre Jugend denn so.zahm geworden, So klug, so ehrfurchtsvoll? Will nach der Krone Des Greises sie behutsam schon sich strecken, Eh' um das Knabenkinn der Flaum gewachsen? Geht! Ihr betrügt Euch selbst! Ihr dient dem Leben, Dient selber Euch am Meisten, ehrt die Väter, Die müden, graugewordenen, am Besten, Wenn Ihr mit Jünglingskrast und Jünglingsfeuer Der Jugend Thaten thut, der Jugend Fehle In Eurem Busen allgemach und leise Zu edler Männertugend reifen laßt. Da fängt ein Jeder stets von vorne an Und unser ist nur, was wir selbst erworben. Champagne. Es zeiht mich nicht der Feigheit oder Trägheit Der Ruf, der meinen armen Namen nennt. Doch sei es!

Auch von Euch getadelt werden.

Ist besser, als von Euch vergessen sein. Allein verkennt mich nicht, ich bitt' Euch, Graf,

3 Und denkt nicht schlecht von meines Armes Stärke. Die Weisheit ziemt dem Alter, Muth der Zugend, Doch weh dem Muth, der nicht mit durst'gen Zügen Aü der Erfahrung vollen Brüsten trinkt. Der nicht den leichten Sieg des raschen Bluts Mit Freuden opfert, um das höh're Ziel Das ihm die Klugheit steckt, nicht zu verfehlen. Und gäb' es denn an König Philipp's Hofe Kein edler Tagewerk, als jene Kurzweil? Toulouse. Wohl!

Doch was soll's?

Ihr sprecht nicht ohne Abstcht.

Champagne. Soll ich's denn glauben, daß nur diesen Festen Compiegne Toulouses Gegenwart verdankt. Daß nur die Schönheit eines jungen Weibes Den alten Helden aus der Heimath zog? Wär's möglich, daß Graf Raimund weiter nichts, Als seines Lehnsherrn Macht zu sehn gekommen, Und anzubeten, was ihn fürchten sollte? Ihr schweigt?

So ist es wahr?

Des Adels Bollwerk,

Die Stütze unsrer alten heiligen Rechte, Die Hoffnung unsrer Zukunft liegt darnieder? Bei'm heil'gen Kreuz!

Da hat die Krone Frankreichs

Sich einen Sieg erkämpft, wie keinen frühern, Indem sie Euch zu ihrem Sklaven machte! Toulouse. Ich Sklave Frankreichs!

Mäßigt Eure Rede!

Ich habe nicht gelernt, mit Worten kämpfen 1*

4 Und, merkt Euch das, Champagne, für solche Sprache Hält stets mein Schwert Erwiederung bereit. Champagne. Nun Gott sei Dank!

Des alten Löwen Stimme!

Graf Raimund, lassen wir das Mißtraun fahren, Und sehn wir jetzt einander, wie wir sind. Ihr steht an diesem Hofe nicht vereinzelt. Was Euch herbeizog, hat auch mich, es hat Mehr als zwei Drittheil sämmtlicher Barone Zu Philipps Hochzeitfeier hier versammelt, Und während an des Königs Tisch wir schmausen, In seinen Schranken unsre Lanzen brechen, Ward still das Netz weitgreifender Entwürfe Mit klugem Sinn gewebt.

Nun ist es fertig,

Und nur der Hand bedarf's, es auszuwerfen. Sie ist gefunden, wenn Toulouse's Macht Der unsern sich vereint. Toulouse. Nicht weiter, Graf' Ihr seid zu rasch für meines Alters Schwäche. Ihr überspringt, wo ich, bedächt'gen Schrittes, Mir langsam erst die Straße ebnen muß. Ja, Ihr habt Recht!

Auch ich kam nicht hierher

Als müß'ger Gaffer dieser Festgelage, Auch ich, sei's Euch gestanden, trug mit Wünschen, Mit Plänen mich, mit alten, unvergessenen. Ich legte meinen Maaßstab an den Thron — Und fand, was ich nicht suchte.

Laßt Euch rathen;

5 Ich kenne diese Welt fast siebzig Jahre, Und haF ihr manches Zeichen abgelauscht, Drum sag' ich: handelt nicht!

Der Augenblick

Ist uns nicht günstig; nein, es geht nicht, geht nicht. Champagne. Es geht nicht?

Wie'

Der Augenblick nicht günstig?

Die Vorsicht macht Euch ängstlich, edler Graf' Wir haben auch geprüft und dann beschlossen, Was Ihr gesehn, das haben wir beachtet, Was Ihr für Eure Pläne vorbereitet, Das thaten wir — und wohl noch etwas mehr' Toulouse. Noch mehr?

Laßt hören! Champagne. Nur in wenig Worten

Laßt mich Vergang'nes Euch vorüberführen, Mich Euch erinnern, wie in kurzen Jahren Sich Philipps königliche Macht gemehrt, Bis seine Krone, die er von der Großmuth Des Adels einst beinah zu Lehen trug, Sich im Besitz erweitert, und zuletzt Was unser ist an unverwirkten Rechten, Wie ein Vesuv ein fruchtbar Land, verschlingt. Toulouse. Die Mähr ist mir nicht fremd; nur weiter, weiter! Champagne. Wir sah'n allmählig unsre stolzen Lehne Zu kleinen Baronie'n zusammensinken.

6 Sah'n von des Reiches Rath uns ausgeschlossen, Durch eine feile Krämerschaar verdrängt, Durch ein Geschlecht von Schreibern ausgestochen,! In unsrer Freiheit, unsern Ritterämtern Beschränkt durch todter Pergamente Willkühr, Bis man zuletzr, um ganz uns zu vernichten — Toulouse. Uns unsre Söldner nimmt.

Ein prächt'ger Streich!

Wem, junger Mann, erzählt Ihr die Geschichte? Dem, der's erlebt, was Euch ein guter Freund Von Hörensagen etwa aufgebunden? Kommt zu 'was Anderm!

Laßt mich Neues wissen.

Champagne. Daß Kaiser Otto gegen Frankreich rüstet, Daß auch Johann von England eine Flotte An Flanderns Küsten schickt — Toulouse. Ist mir bekannt. Champagne. Daß Innozenz des Königs rasche Heirath Mißbilligt, und mit Freuden sie zum Vorwand Des neuen Bruches nimmt — Toulouse. Ich weiß es! Champagne. Nun, So wißt Ihr auch, daß England, Papst und Kaiser Geheime Abgesandte zu uns schickten,

7 Die unsern Beistand suchten, daß Johann In diesem Augenblick, in dem wir sprechen, Schon unsres Wortes heiliges Pfand empfangen — Toulouse. DaS hab' ich nicht gewußt! An mich sich nicht gewendet?

Warum hat man Sagt, seit wann

Hat denn Toulouse im Rathe der Barone Kein Wort zu sprechen? Champagne O verzeiht uns, Graf! Das Alter macht bedenklich, braucht der Ruhe Und Jüngern ziemt's, der Staatskunst schwankes Schifflein Durch wildbewegtes Meer zum Port zu lenken. Und ohnehin bleibt Euch ja nichts verborgen. Ihr wißt natürlich auch, daß der Legat, Den Innozenz mit unbeschränkter Vollmacht, Den Bannfluch auf des Königs Haupt zu schleudern, Wenn er im Ehebruch verharrt, bekleidet, Daß, sag' ich, der hochwürd'ge Cardinal Von Sanct Maria Frankreich schon betreten, Und eh' die Feste von Compiegne geendet, In unsrer Mitte steht.

Ihr wißt das, Graf! Toulouse.

Bei Gott!

Das wußt' ich nicht, daß unsre Ehre

In König Johanns falschen Händen lag, Der Knoten unsrer tapfersten Entschlüsse In Rom geschlungen ward, und Deutschlands Kaiser Am Gängelbande Frankreichs Große führt!

8 Champagne. Ihr seid zu hitzig, theurer Graf!

Bedenkt,

Daß wir dem Fremden nur zu dienen scheinen. Indeß er uns mit seinen Waffen dient, Daß seine Siege unsre Rechte fördern, Und er zuletzt in seinen Bundsgenossen Die Herren finden mag.

Auch das bedenkt:

Nur einmal mischt in jedem Menschenleben Das Glück zu einem Brennpunkt seine Strahlen, Und wer ihn ffaßt, der ist der Herr der Zeit, Wer ihn versäumt, hat nichts mehr zu gewinnen. Nicht fügt zum zweiten Mal ein gnädig Schicksal So viele Möglichkeiten in einander, Als es uns heut zu Füßen legt.

Nicht wieder

Wird uns zum Beistand halb Europa sich In Waffen gegen Philipp stellen, keine Macht Als dieser Blitzstrahl Roms, der, furchtbar zündend. Das tiefste Mark deß, den er trifft, verzehrt, Und, giftig, von der Lebenden Berührung Wie eine Pest geheimnißvoll ihn ausschließt, Kann Philipps Volk von seinem'König trennen. Ein Philipp steht nur einmal so allein, Und dieses eine Mal ist jetzt gekommen. Erwägt dies, Graf, und sprecht's aufs Neue aus. Daß uns der Augenblick nicht günstig sei. Toulouse. Der Mühe, Graf, habt Ihr mich überhoben, Und günstig oder nicht, der Würfel liegt.

9 Champagne. So seid Ihr unser? Toulouse. Euer? Nein, nur mein! Doch weil ich. mein bin, tret' ich Euch zur Seite. Wer sind die Bundsgenossen? Champagne. Alberich Graf von Boulogne und Robert von Chalons, Der Graf von Namur und der tapfre Herzog Brabants, die Edelsten des Landes. Toulouse. Weiter! Champagne. Ihr habt jetzt alle Namen von Bedeutung, Fügt Ihr den Cuern und den meinen bei. Toulouse. Nur diese?

Wie!

Nicht Flandern?

Flandern nicht?

Champagne. Der Graf von Flandern ist vopr letzten Kreuzzug Noch nicht zurückgekehrt, und wenn er's wäre — Toulous e. Er ist zurück!

Vor einer Stunde sah

Ich sein Gefolge durch die Höfe ziehn. Champagne. Zählt nicht auf ihn!

Erinnert Euch, wie zärtlich.

Wie glühend er an Philipp hing, wie Beide

10 Im Morgenlande Waffenbrüder waren. Von ihm ist nichts zu hoffen. Toulouse. Hör' ich recht? Champagne, der kluge, der der Zeit Gestaltung So schlau erwog, träumt noch von Freundschaftstreue, Glaubt noch an Bande, die dem wirren Drange Des ungeheuern Treubruchs unsrer Tage Zu widerstehn vermögen? War nicht ich Auch einst des Königs Freund und hat denn jemals Ein Freundschaftsrecht sein falsches Herz geachtet? Und wird mit andern: Maaß er Flandern messen,

Als

mich und Euch?

Verlaßt Euch drauf, Champagne,

Gebieterisch führt die Nothwendigkeit In kurzer Frist Ferrand in unser Lager. Laßt ihm nur Zeit, sich hier erst umzuschauen. Sich an des Hofes edlem Thun zu weiden. Er ist noch neu, er kennt die Art noch nicht, Mit der man hier Verträge bricht, man wird ihm Allmählig nur die Augen öffnen, wird Zuerst durch buntes Gaukelspiel ihn blenden, Wie es der Jugend raschem Sinn gefällt. Nun fängt man an, gar höflich seine Beutel Ihm auszuleeren, zettelt dann Empörung An seinem Heerde an, und greift den Vorwand, Sein annes Volk mit Bußen zu belegen; Dann wird Johann an seiner Küste landen Und Philipp wird den Krieg auf seines Freundes

11

Oebiet verlängern, wie er’s mir gethan. Bei’m Kreuz! Ich kenne diese Schlangenwege, Mich täuscht man nicht mehr, und auch Flandern wird Cs bald wie Schuppen von den Augen fallen. Champagne. Die Heil’gen mögen’3 geben! Wenn der Graf — Doch still, man kommt.- Täuscht mich mein Auge nicht So ist er's selbst.

Zweiter Auftritt. Ferdinand von Flandern tritt, schwarz gerüstet, durch eine offenstehende Seitenthür ein. Die Vorigen.

Champagne. Graf Ferdinand! Zst’s wahr? Ihr seid zurück? Willkommen denn in Frankreich! Ferdinand. Champagne! Seid mir gegrüßt! Mein würd’ger Oheim, Ich seh’ Euch wieder! Toulouse. Gott zum Gruß, mein Ferrand! Ferdinand. Wie thut mir’s wohl, die theure Freundeshand Zu fassen, endlich wieder in dem Spiegel Vertrauten Blicks mein eignes Bild zu finden, Und in der Muttersprache schönem Klange Ein Echo meiner Seele zu entdecken! Wie hab’ ich oft nach diesem Glück verlangt.

12 Wenn in der Fremde unwirthbaren Strecken Mir jeder Tag ein neues Hemmniß schuf, Wenn Krankheit bald mein kleines Heer ergriff, Bald Schwärme raubbegier'ger Sarazenen Sich zwischen mich und meine Straße warfen, Und bald des Hungers und der Hitze Qualen Uns durch der Wüste glüh'nde Oede jagten. Doch davon nichts mehr!

Wer mit Leiden prunkt,

Ist nah daran, mit eignem Werth zu prunken! Und bin ich doch zurück!

Wozu noch einmal

Im Geist der Sehnsucht bange Wege wandeln, Nun ich das theure Ziel berühren darf! Sprecht von der Heimath mir! Was hat Euch hier versammelt?

Wie geht es Philipp? Welches Fest

Füllt jene Höfe dort, indeß ich einsam Durch öde Hallen dieses Schlosses schreite, Das ausgestorben schien, eh' Euch ich traf? Champagne. Ihr wüßtet nicht? Ferdinand. Nichts weiß ich, meine Freunde! Nach Syrien trug kein guter Wind mir Botschaft. Champagne. So hat Euch Niemand denn gesagt, daß Philipp Hier Hochzeit feiert? Ferdinand. Philipp Hochzeit? Wie! Nein, das hat Niemand mir gesagt, und konnte

13 Mir auch wohl Niemand sagen, denn sobald Ich festen Boden bei Marseille betreten, Bin ich hierhergestürmt — ein tücht'ger Ritt! — Mir wenig Stunden nur zur Ruhe gönnend, Zum Fragen keine.

Ha!

Mein Philipp Hochzeit!

Die Dän'sche Jngeborg — ? Champagne. O, nichts von ihr! Zu ihrer Ehre brach auf Fränkischem Boden Man keine Lanze.

Wenig Stunden nur

War sie des Königs Weib, und dann verstoßen. Ferdinand. Was sagt Ihr? Toulouse. Ja, was kann ein König nicht? Zumal ein Philipp!

War's ihm nicht ein Leichtes

Durch Fränkischer Prälaten Urtheilsspruch Die Ehe null und nichtig zu erklären? Ein Leichtes nicht, indessen Jngeborg Mit ihrer Schmach an Petri Stuhle kniet, Ein Ritterfräulein auf den Thron zu heben Und, weil sein Herz im Liebestaumel glüht. Sein Frankreich einem Bannstrahl preiszugeben? Ferdinand. Ich bin erstaunt!

Doch, Oheim, habt Ihr Recht!

Was dürft' ein Philipp nicht!

Vor seiner Seele

Liegt dieser Zeit verworrenes Getriebe Wie eine schöne Landschaft ausgebreitet.

14

Er fleht, was jenseits dieser Berge lauert. Die unerklimmbar uns erscheinen, sieht Der Ströme Lauf in Meere sich ergießen, Wenn fragend wir an ihrer Quelle stehn. Er ist für ein Jahrhundert nicht geboren. Und nicht des Heute brechlich schwanker Meinung Geziemt es, über ihn Gericht zu halten. Champagne. Graf Ferrand ist beredt! Ferdinand. Er ist mein Freund! Ist Euch er nichts? Mein Oheim, schweigt auch Ihr? Jst's möglich, gleiche Luft mit ihm zu athmen, Ihn Tag für Tag zu sehn, und nicht zu lieben? Kann's sein, daß dieses großen Herzens Wärme Nicht jedes Mißtrau'ns eis'ge Rinde schmilzt? (Pause)

Ich sehe! O, der unheilvollen Spaltung! Was hat er Euch gethan, wie Euch beleidigt? Eilt, werft's ihm vor, so hat er's schon bereut f Toulouse. Ich will Dich nicht in Deinem Glauben stören^ Laß uns die Herbern Früchte der Erfahrung. Wir haben nicht umsonst die letzten Jahre In Frankreich zugebracht; mit scharfen Augen Des Königs falsche Politik bewacht, Und seiner Ränke letztes Ziel entdeckt. Es ist an uns, uns ritterlich zu wehren.

15

Mit starken Händen unser Recht zu hüten, Ja, oder in der Frist von wenig Monden, Von mächt'gen Herrschern unsrer freien Lehne Zu Sklaven eines Throns herabzufinken. Ferdinand. O, daß des Alters Vorsicht, daß Berechnung Der Staatskunst auch in Eurem edlen Busen Die schöne Blüthe des Vertrauens brach! Den König seht Ihr schuldig, weil Jhr's wollt! Ihr nennt ihn falsch, weil seines Herzens Zauber Noch selbst den Feind mit holder Gunst beschenkt. Und stets des Mannes Liebenswürdigkeit Des Herrschers Strenge anmuthvoll entschuldigt. Was giebt Euch den Verdacht, daß Philipps Wollerr Nicht milde, wie sein Lächeln sei? Was hat Er Euch geraubt, was kann er uns denn rauben, Den Wächtern seiner Krone, uns, den Stützen Des Throns, das nicht zugleich sich selbst er raubt? Toulouse. Erkenn' es selbst! ES ist der Jugend Art, Allein am eignen Urtheil nicht zu zweifeln, Und erst Erfahrung lehrt, daß Fügsamkeit Uns manchen rauhen Umweg sparen konnte. Ferdinand, (will auffahren) Champagne. Seid ruhig, Graf! Nicht Euerm edlen Ohm Geziemtes, der Jugend trotz'gen Muth zu schmähen. Der seiner Stirn die schönsten Lorbeern brach.

16 An uns ist's, ihm zu zeigen, daß das Blut So rein und heiß in unsern Adern wallt,

Als in den seinen, da, ein kühner Knabe, Er seine ersten Sporen einst verdiente. An uns, den gier'gen Klau'n der dunkeln Zukunft, Die uns bedroht, die unentweihte Stätte Für unsrer Thaten Denkmal abzuringen, Und ungeschwächt das heilige Vermächtniß Von unsrer Ahnen hoher Tapferkeit Auf unsre Kinder zu vererben. Ich bitt' Euch, Eure Hand! Ferdinand, Wir sind's, gewiß!

Graf, Wir sind doch Freunde?

(reicht ihm die Hand; zerstreut)

Doch wozu steh' ich hier?

Mein Philipp mir so nah, und ich kann säumen? Wo find' ich ihn? Champagne. Ihr trefft ihn bei'm Turnier! Ferdinand. Ihn bei'm Turnier?

So treff ich ihn in Waffen,

Und auch in Waffen will ich vor ihn treten! Am Schwerdtschlag mag, am Klange meiner Streitart Er mich erkennen!

Ja, so sei's.

Ich gehe!

Durch diesen Panzer fühle er mein Herz, Und in des Kampfes glühender Umarmung Empfind' er seines Ferrand Freundesnähe! (Er schließt das Visier und eilt ab)

17

Dritter Auftritt. Toulouse und Champagne.

Champagne. Ihr rechnet noch auf ihn? Toulouse. Nun mehr als je! Ich hatt' ihn nicht so knabenhaft geglaubt, Und jähe Wechsel liebt ein kindisch Herz. Doch weiter nichts von ihm. Zu Euerm Anschlag! Wozu erbietet sich der Kaiser? Was Ist Englands Dank, wenn wir uns ihm verbinden? Wer steht uns dafür, daß der Jnselkönig Nicht, siegreich, plötzlich sich mit Philipp aussöhnt Und unser Gegner wird? Fürwahr, wir haben In diesen Zeiten manches warme Bündniß In Feindschaft sich verwandeln, manche Feinde Zu Freunden werden sehn! Champagne. Die Sorg' erspart Euch! Nicht Fried' ist zwischen Philipp und Johann, So lang' ihr Athem geht! Es kann nicht sein, Daß Frankreich sich und England liebend einen, Denn, nah' genug, um brüderlich zu scheinen, Trennt sie des Meeres Linie tief und scharf, Und als der Schöpfer beid' in's Weltall warf, Geschah es, um sich ewig zu verneinen! Drum laßt sie auch von Bund und Eintracht sprechen,

18 Die Freundschaftseide wird man ewig brechen! Doch nicht als Englands König tritt Johann Auf Frankreichs Boden — als der Unsern einer, Als Herr Guienne's, Poitou's, Maine's und Anjou's, Die treulos Philipps Herrschsucht ihm entwendet, Und er verheißt, wenn wir sein Recht ihm wahren. Auch für das unsre kräftig einzustehen. Toulouse. Johann verheißt!!

Doch sei es, wie es mag —

Zu Englands Knechten sind wir nicht geboren.

Vierter Auftritt. Der Graf von ChalonS tritt vorsichtig durch die Mittelthür, blickt spähend umher und giebt Champagne ein Zeichen. Die Vorigen.

Chalons. Champagne!

Ein Wort mit Euch! Champagne. Sprecht offen, Graf!

Bon dieser Stunde rühmt die gute Sache Sich eines edlen Bundsgenossen mehr. Chalons. Graf Raimund —? Champagne. Ist gewonnen. ChalonS Der Kardinal ist da!

Doch, was bringt Ihr?

19 T oulouse. Schon da?

Ci, Teufel!

Rom ist nicht säumig. Champagne. Hat er ganze Vollmacht? Ch alons. So viel Ihr wollt, zum ercommuniziren, Zum absolviren und zum selig sprechen. Schwärzt Eu'r Gewissen ganz' mit Mord und Treubruch, Der Cardinal macht's Euch in einem Nu So sauber, wie die Seele eines Kindes' Hört! mir gefällt's nicht, daß wir hier als Gaste Des Mannes weilen, dem wir Haß geschworen. Ich hab' ihm meine Feindschaft nie verheimlicht, Und Larven tragen hab' ich nicht gelernt. Drum laßt mich fort, ich bin kein Mann des Raths — Wenn in der Feldschlacht sich die Heere treffen. Dann rechnet auf Chalons, sein Platz ist dort; Doch giebt's zu lauern hier und spionieren, Das ist Champagne's Geschäft, das meine nicht. Champagne. Ha!

Diese Rede — ! Toulouse. Keinen Streit, Ihr Herrn!

Nur durch der Glieder mannigfache Gaben Baut sich des Leibes göttlich Wunder auf. Wir brauchen diesen edlen Ungestüm So nöthig, als die weise Vorsicht.

Freunde, 2*

20 Es trete denn ein Jeder ohne Neid Und ohne Mißtraun an die rechte Stelle. Die Wahl ist nicht mehr frei, wir haben Hand An einen stolzen Bau gelegt — die Mauern, Wir müssen sie zu Thronesstufen haben, Ja — oder uns in ihrem Schutt begraben! (Man hört draußen lautes Freudengeschrei und Beifallsrufe)

Was giebt's?

Ein neuer Sieger?

Das Turnier

Bereits geendet? Champagne. Laßt uns gehn, Ihr Herrn! Es ist nicht gut, wenn man vereint uns findet. Chalons. Ich bin nicht so erpicht auf Euern Umgang, Champagne, als daß ich Euch nicht meiden könnte, Und um Euch gar nicht mehr zur Last zu fallen, So reit' ich noch in dieser Stunde ab. Toulouse. Chalons, ich bitt' Euch, übereilt Euch nicht, Ein jäher Aufbruch könnte uns verrathen! Champagne. Was liegt dem Grafen von Chalons daran, Ob er im Unmuth unsern Plan zertrümmert, Wenn er den Hals nur aus der Schlinge zieht? Toulouse. Um Gotteswillen!

Schämt Euch!

Seid Ihr Kinder?

Jst's an der Zeit, sich einer alten Kränkung, Sich eines zorn'gen Wortes zu erinnern?

21 Champagne, ist das die weise Mäßigung, Der Ihr Euch rühmt?

Ist das die Biederkeit,

Durch die Chalons sich Freunde wirbt?

Man kommt,

Reicht Euch die-Hände, Grafen, eh' wir scheiden. Champagne.

(Chalons die Hand hinstreckend)

Ich bin bereit, mein Unrecht zu erkennen. Chalons.

(indem er zögernd einschlägt)

Toulouse zu Liebe denn! (bei Seite) Die falsche Schlange!

Fünfter Auftritt. De Coury. Die Vorigen. Bei seinem Eintritt treten die Grafen rasch auseinander.

De Couyy. Hier, edle Grafen, find' ich Euch? Ihr habt Den schönsten Schluß des herrlichen Turniers Versäumt? Champagne. Uns rief hinweg des Mitleids Pflicht. Mein armer Freund Chalons hat eine Botschaft Von seiner Hausfrau.

Sie ist schwer erkrankt.

Ihr seht, er ist verwirrt.

Der König darf

Jhm's nicht verübeln, dünkt mich, wenn er heimkehrt. De Eon oh. Gewiß nicht!

Ich beklag' Euch, Graf!

Ihr geht

Vom schönsten Fest der Welt zum Krankenlager. Toulouse. Ihr wollt bei Philipp ihn vertreten?

22 De Couey. Gern! ES ist nicht schwer, in seinem warmen Herzen Entschuld'gung einer Liebespflicht zu finden. Champ agne. So eilt, Chalons, und mag die heil'ge Jungfrau' Euch Euer Herz erleichtern! Chalons. Lebet wohl! (Er geht rasch ab.)

Sechster Auftritt. Die Vorigen ohne ShalonS.

De Coutzy. Ich hätte in dem Grafen von Chalons Nicht so besorgten Ehemann gesucht. Champagne. Cr ist nur kurz vermählt. — Doch kommt, de Couvy, Erzählt, was wir versäumt! De Couey. Ihr fordert viel! Wie doch geläng' mir's, würdig Euch das Schauspiel Von so viel Ruhm und Tapferkeit zu schildern! Arm geht der Mann und ungesättigt fort, Der eines Gastmahls Fülle rühmen hörte. Und unsrer Herzen prüfungsloser Beifall Gehört dem Auge will'ger, als dem Ohr.

23 Drum bitt' ich, häuft in Eurer Phantasie, Was 3hr gesehn von ritterlichen Thaten, Waß selber Ihr vollbracht von kühnen Streichen, In einen einz'gen Augenblick zusammen -Schmückt Euch des Kriegsgotts stolze Heldenkraft Mit eines Spieles leichter Anmuth aus. Und hebt des Kampfes rauhe Heftigkeit Empor zum sanften Gleichmaaß einer Dichtung, Fühlt von Begierde nach dem Ausgang Euch Fast aufgerieben, und unwiderstehlich Zugleich doch durch des Schauspiels Kunst gefesselt, So wißt Ihr, was durch unsre Seelen bebte, Als, da zum letztenmal des Herolds Stimme Nach einem Kämpen fragte, und der Wink Des Königs fast die Schranken schon geschlossen, Ein unbekannter Ritter, edlen Anstands, Von Rüstung schwarz, in der Arena Mitte Den Handschuh warf, und um die treuste Minne Den Kampf begehrte.

Manches Schwerdt entblößte

Und manche Lanze senkte sich, doch Philipp, Von Liebesgluth und Streitlust jäh' entzündet, Tritt selbst hervor, der jungen Königin Zu Ehren einen Gang zu wagen.

Wahrlich,

Sein guter Genius war's der ihn gelenkt! Denn niemals sah die Welt so ebenbürtige, So gleichbegabte Söhne der Bellona Die Rosse tummeln und die Waffen messen, Sich, wie ein Hemmniß ihrer eignen Kraft

24 Jedwede Wehr verachtend, von den Pferden Zur Erde werfen, die gezückten Schwerdter Weit von sich schleudern, und in glüh'ndem Ringen Zu heißer, unauflöslicher Umarmung Die kräftigen Körper in einander schlingen — Ein Leib, ein Athem, eines Strebend Herzschlags Und wechselnd Jeder Sieger, bis der Menge, Der lautlos harrenden, des Königs Ruf: „Genug!

Ich bin besiegt!

Die Kraft verläßt mich!"

Des Kampfes Ende kündet, und sie lehrt. Daß mindstens in der Großmuth schönem Zuge Ihr Herrscher stets der Erste sei.

Die Lust

Haltt wieder von des Beifalls Jubelklängen, Und

hier kommt schon der Zug, des fremden Ritters

Siegglüh'ndes Angesicht zu schaun und ihm Des Festes ersten Kampfpreis darzureichen. Toulouse. Und ich bin alt!

Was zucken meine Glieder?

Die Jugend lebt, das Alter streckt sich nieder! (Man hat unterdessen kriegerische Musik hinter der Scene gehört)

Siebenter Auftritt. Durch denHaupteingang treten Zwei Waffenherolde, ihnen folgenMusiker, welche sich zu beiden Selten der Thür aufstellen und einen kriegerischen Marsch so lange fortspielen, bis der König und die Kömgtn ihre Plätze eingenommen und der ganze Zug sich auf der Bühne geordnet hat. Nach den Musikern erscheint ein Theil der Leibgarde Philipps, darauf der Wappenkönig mit vier Pagen, welcheaufKiffen die Turnierpreise, einen goldenen Helm, ein Schwerdt, eine goldene Kette und einen Dolch, tragen. Ihnen folgt abermals ein Theil der Leibwache, darauf Philipp August

25 in prächtiger Rüstung, Agnes von Meran an der Hand führend; hinter ihnen eine Reihe von Baronen und Nitlern, Alle gerüstet, Erstere mit Abzeichen ihrer fürstlichen und gräflichen Würden, unter ihnen die Grafen von Auvergne und de la Roche Guyon, zu denen sich Toulouse und Champagne gesellen. Ferdinand von Flandern, der Bischof von DenliS, Armagnac, de Concy, Edelfrauen. (Der König und die Königin begeben sich auf ihre Plätze unter dem Thron­ himmel, ihnen zur Seite tritt der Wappenköntg mit den Pagen, die Uebrigen ordnen sich zu beiden Seiten der Buhne so, daß dre handelnden Personen den Vordergrund ernnehmen.)

Philipp.

(als die Musik schweigt, aufstehend)

Noch einmal, liebe Herrn und werthe Frauen, Seid dankbar mir gegrüßt in meinem Hause, Dem Cure Gegenwart ein Fest gebracht; Denn was des Wirthes sinnreich gute Meinung Auch bieten mag, der Gäste Lächeln erst, Erst ihrer Herzen fröhliches Behagen Schafft aus der Mühe ihm den Feiertag. Drum nehmt für Eures Frohsinns Sonnenschein Den warmen Dank von zwei beglückten Herzen, Die, um den vollen Kranz der Lust zu tragen, Nur ihrer Freunde Mitgefühl bedurften. Und wenn ich sag': Wir danken Euch! so denkt. Ich bitt' Euch drum, daß mit des Dankes Regung Jedweder gute Wunsch zusammenfließt. Und nun zu Euch, Ihr Kämpen unsres Spiels, Die Ihr den Lohn der Sieger Euch verdientet. Zu Euch vor Allem, fremder schwarzer Ritter, Deß' Antlitz wir zwar nicht geschaut, allein Deß' Stärk' und Kühnheit selber wir erprobten. Ihr seid mein Sieger, und, wie billig, muß

26 Der Eifersucht ich wehren, wenn die Hand Der schönsten Frau den ersten Dank Euch reicht. Doch wenn ein Schwur nicht Eure Lippen schließet, So laßt den König wissen, wer des Königs Bezwinger ist, laßt es den Wirth erfahren, Welch' edler Held in seinen Hallen weilt. Nur einen Mann hab' ich bis heut gekannt, Dem willig meines Armes Kraft gewichen. Doch der ist fern — lehrt mich den zweiten nennen. Und ist's genehm Euch, löst von Euerm Haupt Den schwarzen Helm, daß meine Königin Den goldnen sanft auf Eure Schläfe drücke. Ferdinand,

(vortretend)

Nicht stünd' ich hier in diesem edlen Kreise, Voll frohen Muths, mit unverdienten Ehren Mein Haupt zu schmücken, wenn geheimer Makel Zn Dunkelheit den Namen mir begrübe; Auch bindet kein Gelöbniß meine Zunge, Und freudig darf ich zeigen, wer ich bin. (Er schnallt seinen Helm los).

Philipp. Die Stimme!

Ha!

Wär's möglich? Ferd in and.

Trog mich die Ahnung nicht?

Ferdinand?!

(indem er den Helm vom Haupte nimmt, füllt sein Blick auf Agnes.

Aufschreiend)

O, ew'ger Gott! Mehrere Stimmen. Der Graf von Flandern!

27 Agnes.

(die unterdessen den goldnen Helm aus de- WappenkönlgS Hand empfangen hat)

Ferrand! Philipp, (die Stufen htnaLeilend und Ferdinand um den Hals fallend)

Kann's denn sein? So bettelarm wär' Hoffnung gegen Wahrheit? Ich hab Dich wieder! Du bist es!

Täuscht mich auch kein Traum?

Bist Du's auch?

Ferdinand, (sein Blick starr auf Agnes gerichtet: sich losmachend) Du fragst mit Recht —! Bin ich es?

Ja, noch bin ich's! Und auch Dich

Erkenn' ich — Du bist Philipp — aber Jene — Hier endet mein Bewußtsein — bitte, sprich! Wer — wer ist d.ieser Engel auf dem Thron? Philipp. So rasch entflammt?

Fürwahr, Du kränkst den Freund,

Um sich'rer nur dem Liebenden zu schmeicheln. Doch sei's!

Ich bin nicht karg mit meinen Schätzen,

Und nicht ein edler Kleinod birgt mein Reich, Kein höher Gut hab' ich mir je gewonnen Als meine Agnes dort, mein holdes Weib! Ferdinand. Dein Weib?

Dein Weib?! Philipp. Und Deine Königin,

In deren Hand der Siegeslohn Dir winkt! Kein Zögern!

Komm!

Ihr Herrn, theilt unsre Freude,

Denn alles Schönen Krone ist der Freund.

28 Gieb ihm den Ritterdank, Geliebte, und Dein Lächeln, süß, wie Du es Philipp spendest, Denn wie im Nest des Vogels junge Brut, Unangerührt vom Hauch der Welt, der kalten, So hat in seinem, mein Gemüth geruht, So hat er Lieb' und Jugend ihm erhalten! Das lohn' ihm Du' (Er hat Ferdinand, der in willenlose Erstarrung verfallen, Agnes gezogen und besteigt wieder den Thron)

bis

dicht »er

Wappenkönig. Kniet nieder, edler Herr! Ferdinand,

(zerstreut auffahrend)

Vor ihr? — Wie gern, Du süßes Heil'genbild! Agnes,

(er kniet)

(aufstehend)

Dem Tapfern ist kein Ziel zu hoch gesteckt! Nehmt hin den ersten Dank aus meiner Hand! (Trompetenstoß. Sie führt leiser fort)

Und diesen Gruß von Eurer Freundin Agnes! Ferdinand. Gott! Gott! Und Philipp's Gattin! (Er bedeckt das Gesicht mit den Händen und bleibt in der knieenden Stellung^

Philipp. Auf nun, Freund, Daß andre Kämpen sich des Lohns erfreuen! (Ferdinand fährt mit Zeichen der Verwirrung empor und begiebt sich, den ihn begrüßenden Baronen ausweichend, auf der linken Seite der Bühne ganz in den Vordergrund, wo er, die Augen auf Agnes geheftet- während des Folgenden theilnahmloS und in sich gekehrt verharrt. Man vernimmt Geräusch im Hintergründe).

Philipp. Doch halt!

Wer drängt dort kühn sich in den Saal

29 Und zwischen unsre Schuld und ihre Zahlung? Wer wagt'S, des Königs Fest zu stören? (Zwei Brrger von Parts versuchen, sich durchzudrängen, werden aber von der Leibwache zurückgehalten)

Erster Bürger,

(laut)

Herr! Erhabner Herr!

Gerechtigkeit!

Zu Hülfe!

Philipp. Gerechtigkeit?

Ihr sprecht das Zauberwort,

Dem eines Herrschers Thür sich öffnen muß. Trabanten, laßt sie los!

Ein dreifach Wehe

Den königlichen Hallen wo der Ruf Sich ungehört verliert!

Wer seid Ihr?

sprecht!

Und welch' Begehr führt Euch vor unser Antlitz? (Die Bürger knieen nieder)

Erster Bürger. Mein gnäd'ger Herr, ganz Frankreich rühmt es laut. Daß Eure starke Hand den Schwachen schützt, Wollt auch an uns denn Eure hohe Gnade Zu offenbaren Euch herunterlassen. Ihr seht in uns zwei arg bedrängte Männer, Bescheid'ne Kaufherrn Eurer Stadt Paris, Die mit der Arbeit manches sauern Tages Ihr kleines Gut erschafften und erhielten. Zweiter Bürger. Die Zeit ist schwer, erlauchter Herr, der Bürger Kann ohne Furcht sich nicht zur Ruhe legen, Ohn' Sorgen nicht die Sonne Wiedersehn.

30 Philipp. Ich glaub'sDoch Cu'r Begehren! Kommt zur Sache, Erster Bürger. Sire, eine kleine Hoffnung braucht der Mensch, Der Aermste, wie der Höchste — um Gewinn Wird unser Aller Lebensspiel gespielt. Der Ritter sucht den Ruhm, der niedre Bürger, Dem noch kein Vorzug in der Wiege lächelt, Er rechnet, trägt zusammen, und — verargt Jhm's nicht! — wagt, um des Vortheils willen. Bangend» Vertrauten wir mit fremder Länder Waaren All unser Hoffen einem schwanken Schiff. Uns war das Meer nicht treulos — keine Welle Verschlang die theure Ladung; frohen Muthes Und dankerfüllt in heitre Zukunft schauend, War uns vergönnt, die Habe von der Küste Mit gen Paris zu führen.

Unser Herz,

Wie fröhlich schlug's der Heimath schon entgegen, Als, eines Waldes grünes Obdach suchend, Wir plötzlich uns umringt von rauhen Kriegern, Von Söldnerschaaren sehn, die — nichts für ungut —Nur schmachvoll frechen Raubgesindels Thun (Es entsteht eine Aufregung unter den Edelleuten)

In ihrer Führer stolze Namen hüllen. Herr, von den vierzig Ballen, die wir führten, Blieb auch nicht Einer unser!

Unsre ganze

Mühvolle Aussaat für die Zukunft liegt Jetzt in Burgund'schen Räuberhänden!

31 Philipp. Gott! Allmächtiger Gott!

So steht es um mein Frankreich?

So um des königlichen Wort^ Vollziehung? Bei St. Denis!

Wär' ich nicht hier der Wirth

Von soviel edlen Rittern, schönen Frauen, — Nein, süße Agnes, fürchte nichts! — wär' ich Nicht durch der Minne Fessel heut gebunden, Ich selber eilte jenen Schurken nach. Mit meinem Schwerdt zu Paaren sie zu treiben! Wo stießen sie auf Euch? Erster Bürger. Bei Amiens, Sire. Philipp. Graf de la Roche Guyon!

In Eure Hand

Leg' ich vertrauend dieser That Bestrafung. Nehmt Eu'r Gefolge, nehmt Euch aus der Mitte Von meinen Garden eine tapfre Zahl, Den Räubern ihre Beute abzujagen. Gebt den Geplünderten ihr Eigenthum Zurück, und sollte ja an dem Besitze Noch Etwas fehlen — nun, so laßt die Köpfe Der Uebertreter das Gewicht erfüllen. Für Räuber keine Gnade! (Die Barone flüstern unter einander)

De la Roche. Sire, ich eile Mich Euer Hoheit Auftrag werth zu zeigen.

(ar>

32 Philipp,

(zu den Bürgern)

Geht! Eure Sache liegt in guten Händen! Lebt wohl, und meinen Gruß an Cure Stadt. (Er winkt ihnen,, sich zu entfernen)

Zweiter Bürger. Sire — Euer Hoheit —

Philipp. Nun, sind wir nicht fertig? Den Dank erlaß ich Euch! Zweiter Bürger. Mein hoher Herr! Eu'r gnäd'ges Antlitz macht mich kühn! Erlaubt, Daß einen Schatz ich Euch vor Augen bringe, Ein Kunstwerk, werth, das Eigenthum des größten. Gebildetsten Monarchen unsrer Zeit Zu heißen, und, bei meiner Seele, nicht Um höchsten Kaufpreis möcht' ich's einem andern, Als Euerm Kennerblicke zeigen. Fromme Gelehrte Mönche von Camaldoli Verfertigten mit kunstvoller Geduld Das Buch, darin sich alle heiligen Vier Evangelien finden, schön geschrieben, Und reich verziert mit anmuthvollen Bildern Auf denen hold die hehre Gottesmutter, Des Herrn Apostel und viel süße Engel Auf goldnem Hintergründe sich bewegen.

Philipp. Ha!

Ich versteh'! 5hr laßt die Angst Euch zahlen.

33

Es geht ein Krämer keinen Weg umsonst! Doch sei's! — Der Kaufmann muß verkaufen, um Zu leben, und der Beutel eines Königs Darf sich nicht schließen. Tragt Ihr Euer Kunstwerk Zum edlen Bischof dort von Senlis, und Laßt Euch den Preis bezahlen, den es werth ist. Zweiter Bürger. Woll' Euer Hoheit unsern Dank empfangen! (Die Bürger ab)

Champagne, (heimlich zu Toulouse) Die Krämer und die Schreiber! Sagt' ich's nicht? Philipp. Verzeiht die Störung, liebe Gäste! Wer, Wie ich, so großen Haushalt führt, ist mitten In einem Festtag nicht vor Arbeit sicher. Zu lange harrt das Mahl schon unser! Laßt Uns denn nach dem Banquet erst zu der Preise Vertheilung schreiten. Kommt, und zeigen wir, Daß unsres Spieles kurze Unterbrechung Uns nur die Zeit, doch nicht den Frohsinn kürzte. Wie, oder seh' ich recht? Umwölkte (Stinten ? Gesenkte Blicke? Steht es so, Ihr Herrn? Ihr zürnt, weil ich dem Recht die Wege bahne? Weil ich des Ritterthums ehrwürd'ge Stiftung Vom Makel roher Willkühr rette? Weil, Um ein geschicktes, fleißig Volk zu haben. Ich Kunst und Fleiß mit Schutz und Huld belohne? Wie? Soll ich Eurer Söldner freche Raubgier 3

34 Ertragen, weil schon Eure Väter raubten? Kann das vergang'ne Unrecht heut'ges sühnen? Und soll der Zeit mit ihren tausend Keimen Denn nie ein Frühling werden, wie der Erde, Sich aus der Saat so vieler hundert Jahre Die schöne Blüthe nimmermehr entfalten? Sind wir nur deßhalb Schiffer auf dem hohen. Gewaltigen Meer des Lebens, um die Leichen Die seine Welle an die Küste wirft, In unser fröhlich Fahrzeug aufzunehmen? Bich ich ein König des Verwesenden? Seid Ihr des Tod's Genoffen? Was da lebt Und liebeswarm die Gegenwart umschlingt, Lebt, um die schönere Zukunft fortzuzeugen, Und wen's nicht treibt, daß nach ihm besser werde Der Welten Lauf, als vor ihm er gewesen, Der ist nicht werth der Schmerzen seiner Mutter, Mit denen sie zum Dasein ihn geboren! — Nicht tagt sie uns, die schöne Zeit, wenn Schwerdt Und Pflug und Feder friedlich in des Throns Gewaltigem Schatten sich zusammenschaaren. Und die Geschichte ihr gealtert Haupt Lächelnd ob unserm kind'schen Hader schüttelt; Allein, bei Gott, ich will nicht, daß mein Name Ein Spott sei auf der Lippe künft'ger Völker, Ich will nicht, daß die lichte Herrlichkeit, Die sich, ein Abglanz von des Ew'gen Thron, Um irdische Königskronen zieht, befleckt

Durch eines Unrechts Schatten sei! — Wohlan! Ihr kennt mich nun — und bessern Gastgeschenks, Als des Vertrauens, kann sich Niemand rühmen. Den Fremdling speis' ich ab mit vollen Schüsseln, Euch, weil Ihr Freunde, zeigte ich mein Herz! — Nun zum Banquet! — Der Lust gehört die Stunde. Komm, meine Agnes' Folgt mir, edle Gäste! (Hr fuhrt Agnes durch die Mtttelthür ab, ihm folgen alle Anwesenden, außer Ferdinand, zuletzt der Wappenkönlg mit den Pagen. Den Zug schließt die Leibwache)

Achter Austritt. Ferdinand von Flandern allein. Cr kommt durch den allgemeinen Aufbruch zu sich selbst, und bleibt unbemerkt im Vordergründe, wo er den Abgehenden nachblickt, bis Alle hinaus sind.

Ferdinand. Fort! Alte fort! O heil'ge Einsamkeit, Nun letzte, einz'ge Freundin meiner Seele, Die du das kranke Kind mit Mutterarmen Drückst an dein schweigend Herz, wenn seiner Jugend Gestirne ihm erloschen, dir vertrau' ich Den ungeheuern Schmerz getäuschter Liebe, Betrog'ner Freundschaft! — O, zu viel, zu viel! Auf einmal beide hin! —- Wer ist, wie ich. So ganz verarmt, beraubt durch eine Stunde? Wem, dem der Liebe süße Hoffnung schwand, Blieb nicht ein Freundesherz, sich auszuweinen? Wem, der int Busenfreund den Heuchler fand, 3*

36 Ließ nicht das Aug' der Liebe Trost erscheinen? Nur mir, nur mir zerstört ein Donnerschlag Das ganze Herz — es fliehn die sanftern Triebe Entsetzt zurück — Nacht wird der Seele Tag, Und finstrer Haß die argwohnlose Liebe! Allmächt'ger Gott! wie überschwenglich reich Betrat ich dieses Haus vor wenig Stunden Ein Krösus an Vertrau'n und Hoffnung — Da, Da wollten sie den Glauben mir entreißen An Philipps Werth, des Mißtrau'ns böse Saat In meine Seele streun — sie konnten's nicht. Und warum wollten sie's?

Was hat an ihnen

Der Mann gesündigt, den sie schmähn?

Ich sah

Das Runzeln ihrer Stirnen bei den Worten, Die seine Stimme sprach — die alte Stimme — Die alten Träume auch, die mich entzückten! Das war der Philipp meiner Jugendtage —! Das waren jene Bilder, die das Herz Uns höher hoben, wenn im Zelt am Abend Vereint wir nach der Schlacht Getümmel ruhten, Das war's, was wir in sternenhellen Nächten Dem blauen Himmel Syriens zugeschworen! Nein, diese Eide brach er nicht — getreu Blieb er sich selbst, um mir allein zu lügen. Zur Liebe ist das Weltall ihm verpflichtet Und ich allein verurtheilt, ihn zu Haffen Weil ich ihn allzusehr geliebt! Doch wie?

37 Wenn Irrthum möglich wäre — wenn der Himmel Mir noch die Hälfte meines Glücks erhielte? — Wenn Philipp nicht geahnt, daß diese Hand Die ein Gewaltstreich in die seine fügte. Seit früher Kindheit schon die meine war? Wenn er gewähnt, es könne die Natur Nach einer Agnes noch die zweite bilden, Und kühn in stolzem Uebermuth sich schmeichelt, Die Schwesterblüthe jener Wunderblume, Die ich ihm einzig pries, gepflückt zu haben? — Nein, sag' ich, nein!

Halt ein, mein zärtlich Herz,

Entschuldigst du, so häufst du deinen Schmerz! Denn nahm mir Philipp unbewußt die Braut, So hab' umsonst auf Agnes ich vertraut, Und darf ich noch an ihre Treue glauben, Muß dieser Trost der Freundschaft Trost mir rauben. Entsetzlich stellt das Schicksal mir die Wahl, Und selbst das Glück verkehrt es mir zur Qual, Verzweiflung gähnt mich an, wohin ich sehe — Nur rasche That erlöst aus solchem Wehe! — (Indem er abgehen will, tritt ihm aus einer Seitenthür der Graf von Champagne entgegen)

Neunter Auftritt. Champagne, Ferdinand.

Champagne. Man geht zur Tafel, Graf!

Der König sucht Euch.

38 Ferdinand. Champagne!

Ein Wort!

Ihr liebt den König nicht!

Champagne. Graf Ferrand! Ferdinand. Hört mich aus!

Ihr liebt ihn nicht!

Ihr nennt ihn falsch. Champagne. Verzeiht! Ein rasches Wort — Ferdinand. Das Wahrheit sprach!

Falsch ist er, sag' ich Euch,

Falsch wie die Hölle!

Nun, Ihr staunt mich

Falsch, treulos ist er — muß es sein!

an*

Denn wäre

Er's nicht, so bin von allen tiefgefall'nen Elenden Wesen ich das elendste! Denn ich Verderb' ihn! Champagne. Großer Gott! Ferdinand. Hört an! Ich bin nicht toll, wenngleich in dieser Welt Es Dinge giebt, die Wahnsinn göttlich machen. Noch reißen meine Nerven nicht, noch strömt Im alten Lauf das Blut durch meine Pulse, Noch fühl' ich Lebensmark in diesen Gliedern Und spotte jener Thoren, die den Leib Ein brechlich Wesen nennen, jedem Schmerz Der Seele Unterthan.

Hier steh' ich v.or Euch,

39 Gesund und meiner Sinne mächtig, und Von Schmerzen doch durchwühlt, die keinen weichen. Wißt: Er betrog mich — Philipp! Champagne. Euer Freund?! Ferdinand. . Mein Freund, mein Busenfreund!

Begreift Jhr's wohl?

Trägt Euer Blick Euch in so tiefen Abgrund? In einem Zelte haben wir geschlafen, Aus einem Becher haben wir getrunken, Zu einer Flamme göttlicher Begeisterung Schlug unsrer Seelen rasche Gluth empor, Dieselbe Hostie ward getheilt uns Beiden, Der gleiche Segen weihte unsre Waffen, Derselbe Himmel hörte unsre Schwüre, Dieselbe Kampflust schwellte unsre Herzen, Dasselbe Lied entzückte unsre Ohren — Und doch betrog er mich! — Aus tiefem Schacht Des Herzens wand er des Vertrauens Gold Arglistig mir empor, den lautern Strom Zu seiner eignen Münze umzuprägen; Und, jede Männergröße an sich fesselnd, Tilgt' er allein die schöne Wahrheit aus! So sei's!

So herrsche zwischen ihm und mir

Die Unnatur fortan!

Der ungeheure,

Nie dagewefne Frevel fordert auch Die unerhörte Rache!

O Champagne,

Sei Du mein Arzt, laß tropfenweis das Gift

40

Des Hasses mir die kranke Seele füllen! Champagne. Erstaunen lähmt die Zunge mir! O Falschheit s Euch zu verrathen! Euch! Wenn uns er log,, So war's des Lehnsherrn angeerbte Tücke, Doch einen Freund, wie Ihr, zu hintergehen. Das ist ein Bubenstück! Ferdinand. O Philipp! Philipp! Champagne. Ein Bubenstück, das laut um Rache schreit! — Die Frucht ist reif zur Erndte, Graf. Die Welt Sah lang genug das Beispiel des Tyrannen, Der spielend Eide schwört und Eide bricht. Wir geben ihr die Lehre zu dem Bilde, Und machen sie zur Zeugin seines Falls. Es gährt ein Anschlag gegen Philipp. Wißt, Dreiviertel der Barone sind verbündet Ihn zu vernichten. In den großen Schuldbrief Hat Jeder seine Ford'rung eingetragen. Und das Verzeichniß ist nicht klein. Doch Ihr Seid mehr gereizt als wir, und wie das Unrecht, Das Euch geschehn, das Sündenmaaß des Königs Erfüllt, so deckt auch Eu'r erwünschter Beistand Die letzte, größte Lücke unsres Bundes. Darf ich als meinen Feldherrn Euch begrüßen? Ferdinand. Dahin ist es gekommen, daß die Feinde

41

Philipps sich meine Freunde nennen dürfen! Dahin, daß meiner Hand das Schwerdt entsinkt, Wenn's gilt, den Vielgeliebten zu vertheidigen! — Was wollt Ihr? Sprecht! Champagne. Graf, Eurer Rache dienen! Ferdinand. Und Euerm Vortheil! Doch wohlan, es sei! Zählt denn auf mich! Wer das verlor, was ich. Hat nichts mehr zu verlieren.- Leer an Liebe, An Freundschaft, baar der Jugend, baar der Träume Von schöner Zukunft, all' der Güter, die Das nackte Sein zum Menschenleben adeln. Sinkt unsre Spanne Zeit zu tief im Preise, Der Müh' zu lohnen, noch dem morschen Flickwerk Den bunten Lappen Tugend umzuhängen. Champagne. In Thaten kühlt sich der gerechte Zorn. Und Thaten woll'n wir thun —! Hoch schlägt mein Herz, Wenn ich als Bundsgenoffen Euch begrüße. Erlaubt mir — Eure Hand! Ferdinand. ES braucht das nicht! Uns bindet gleicher Haß, nicht gleiche Liebe. Lebt wohl! Ich biete-meine Mannen auf. Und nicht das Stelldichein werd' ich verfehlen. Champagne. Wie? Ihr verlaßt Compiegne? Graf, ist das Vorsicht?

42 Der König fragt nach Euch!

Soll Euer Trotz

Verderben, was der Schein der Fügsamkeit Allein gewinnen kann? Ferdinand. Ihr glaubt doch nicht, Ich könne lächelnd heut vor Philipp treten? Ihr denkt so niedrig nicht von mir, zu meinen, Ich würde meine Rechnung mit der Euern Zusammenwerfen, wenn ich es vermöchte Mit meinem Haß vor seinem Blick zu stehn. Was, als die Wunderwirkung seiner -Nähe, Hält mich zurück, allein mit dieser Hand Den heißen Trieb nach Rache abzukühlen? Wähnt Ihr, ich fürcht' ihn?

Seinen Arm?

Nicht heut sein Sieger erst?

Die Königswürde?

War ich

Wie Rost zerfrißt das Unrecht alten Brauch! (wehmüthig und mehr zu sich selbst sprechend)

Allein die Mächte, die im Aug' ihm wohnen, Den Geist der süßen, längstentschwund'nen Zeit, Den Lügendämon meiner Jünglingsträume Und seiner Schwüre — ja, die fürcht' ich, die! — Und über Geister siegt kein irdisch Schwerdt. (sich besinnend)

Auf's Pferd! Aufs Pferd! hier kann ich nicht mehr rasten. Zieht um den König Euer Netz!

Lebt wohl!

Das Heucheln überlaß ich ihm und — Euch!

43 Champagne,

(nachdem er ihm einen Augenblick schweigend nach­ gesehen)

Geh du nur hin, Genosse wider Willen, Planloser Träumer, aufgespreizter Knabe! Nur sichrer bist du unser dllrch die Flucht Und Philipps Argwohn, den ich schüren kann. Wie thöricht du auch seist, mir wiegst du schwer, Und glücklich nenn' ich diesen Tag, der mich Der Siege zwei gewinnen ließ.

Zum Knoten

Verschlingen endlich sich die hundert Fäden, Die ich in weiten Kreisen angesponnen. Der Kaiser uns geneigt, England durch seinen Vortheil An uns geknüpft, die Mehrzahl der Barone Zum Kampf bereit, die Kirche Philipp feindlich, Und mehr als das, ich selbst der rechte Mann, Der Unternehmung Weg und Ziel zu weisen. Zum Cardinal denn!

Oeffnen wir die Schranken'

Schon in Geburtsweh'n ringt die Zukunft, und Mir ahnt, wir wecken endelosen Streit, Den Streit der alten mit der neuen Zeit! hindern er abgehen will, eilt ihm aus der Hauptthür Armagnac entgegen)

Armagnac. Die Kön'gin!

Hülfe! Champagne. Ha! Was giebt's? Armagnac. Sie stirbt!

Den Arzt!

Die Frauen!

(er rennt durch die Seitenthür ab.)

44 Zehnter Auftritt. Philipp und der Bischof von SerrliS, die halb ohnmächtige 21gsiefr hereinführend. Toulouse, Auvergne, de Cou^y, Gefolge. Später der Cardinal von Sankt« Maria. Champagne.

Philipp. Agnes! Meine Agnes! Erwache!

Schau mich an!

Ein finst'rer Traum!

Es war ein Traum,

Verscheuch' ihn!

Das Leben ist noch schön!

Komm zurück!

O komm zurück!

(de Couxy hat einen Sessel in die Mitte der Bühne gestellt, worauf Agneniedergelassen wird, doch so, daß Philipp sie im Arm behält. Clotilde und andere Dienerinnen eilen auf die Bühne, und beschäftigen stch mit der Königin)

Champagne.

(ZU

Toulouse)

Was ist gescheh'n? Toulous e. Wie unklug!

Wie verwegen!

Champagne. Was war'S? Toulouse. Der Cardinal-Legat aus Rom Drängt bei der Tafel sich vor Philipp, stellt Vor aller Welt ob seines Eh'bruchs ihn Zur Rechenschaft, wirft kühn die Buhlerin Der Königin in's Angesicht, und droht Mit Bann und Interdikt, wofern nicht schleunig Der König sie verstoße, Zngeborz, Sein rechtlich Eh'gemahl, an ihrer Statt Auf seinen Thron und in sein Haus zu nehmen.

45 Champagne. Das war nicht wohlgethan!

Das heißt die Dinge

Zu jäh auf eine scharfe Spitze treiben! (Der Cardinal erscheint, gefolgt von zwei Priestern Im Hintergründe)

Doch, seh' ich recht, so naht er' selbst und wagt Des Königs Zorn zu trotzen. Agnes,

(aus ihrer Ohnmacht erwachend)

Philipp!

Philipp!

Philipp. Hier bin ich, hier, Geliebte!

Agnes. O mein Philipp, Nenn' mich Dein Weib, gieb mir den süßen Namen, Der mich gelehrt, wie viel verborgner Stolz In Deiner Agnes schwachem Herzen lauert, Den Namen, der, wie keiner unter'm Himmel, Des Lebens vollsten Reichthum in sich schließt! Philipp. Mein Weib!

Mein Leben!

Du mein Glück, mein Alles!

Agnes. Sieh', dieser schwere Traum, der mich geängstigt, Der mich, ich weiß nicht wie, so jäh erfaßt, Mir war's, als riss er — nicht den Königsreif — Was gilt mir der! — nein, meine Frauenkrone, Die reine, unbefleckte, mir vom Haupt. O Philipp, das war schrecklich!

Meine Stirn,

Sie schmerzt mich noch — mich dünkt, die dunkeln Schatten Stehn jetzt noch drohend zwischen Dir und mir.

46 O all ihr Heil gen Gottes, was denn wär' ich Wenn nicht mehr Dein? Nein, denk's nicht aus, mein Herz, Wer könnte leben, nur sich selbst gehörend! Philipp. Vergiß, was Dich erschreckt! Der mächt'ge, nicht? Cardinal,

Hält Dich mein Arm,

Wer will Dich mir entreißen?

(der unterdessen leise mit Champagne gesprochen, vor­ tretend)

Er, der Allmächtige, vor dessen Blick Der Menschenttotz ein Greu'l ist und ein Grashalm, Zerknickt durch einen Lusthauch seines Mundes. Hier ist die Grenze Deines stolzen Sinns, O König!

Menschenrechte kannst Du beugen,

Doch die Gesetze Gottes beugen Dich! Dies Weib ist nicht Dein Weib! Agnes. Barmherz'ger Himmels (Sie sinkt in die Arme der Frauen zurück)

Philipp,

(zum Cardinal)

Ein Wort noch und Ihr tobtet sie und — Euch! (Agnes auf die Stirn küssend)

Getrost, mein Lieb! Was dieser Priester meint, Was kümmert's uns, wenn Gott uns nur vereint? Der Buchstab' gilt vor röm'schem Tribunal — Vor Gott der Herzen heil'ger Liebesstrahl! (zu den Frauen)

Bringt sie hinweg!

Laßt sie der Ruhe pstegen?

(Agnes wird auf dem Sessel hinausgetragen.

Zum Cardinal)

47

Und Du, verwegner Mann, streitsücht'ger Priester, Du wagst es noch, vor meinem Blick zu stehn? Wagst's, mir zum zweitenmal die freche Drohung In meinen eignen Hallen zuzuwerfen? Fürwahr, ich lobe Deinen Muth! Doch weißt Du Auch, was es heißt, ein überläst'ger Gast Bei einem Herrscher sein? Cardinal. König von Frankreich! Das ist die Wahrheit oft an ird'schem Thron! Und trifft mich Schmach, so bin ich nicht der erste Der gottgesandten Zeugen, die sie dulden. So stand der Heiland selber vor Pilatus, So Paulus vor Agrippa, so Johannes, Ein ernster Mahner vor verbot'ner Lust. Philipp. Den Heil'gen danke Du und Deinem Kleide, Daß den Herodes Du in mir nicht findest! Für heute sei Dir frei Geleit gewährt. Doch hüte Dich, von Neuem mich zu reizen. Denn morgen schützt Dich keine Stola mehr? Nur an des Friedens Wort will ich fortan Des Friedenkönigs Diener kennen. Geh! Card inal. Du treibst mich fort? Und achtest Du in mir Die Kirche nicht, so solltest mind'stens Du Die Rechte des Legaten in mir ehren. Denn so spricht Innozenz durch meinen Mund: —

48 Philipp. Ich kenne Deine Botschaft!

Dies die Antwort:

Die Krone trag' ich von dem Herrn der Herrn Zu Lehn, und nicht vom Papste, mein Gewissen Dient höher'm Richterstuhl, als dem zu Rom, Und meines Hauses Scepter führ' ich selbst. Es greife denn, wer's wagt, nach meiner Macht — Zst's Gottes Will', so sei sie dargebracht! — Doch König oder nicht, Mann will ich bleiben, Und eh'r soll vom Altar der Fluch mich treiben, Eh'r vor des Banns und Aufruhrs Ungewittern Mir zu Atomen Thron und Land zersplittern, Eh'r meiner Väter Haus zu Asche werden^ Und heimathslos sein letzter Sproß auf Erden, Eh'r will den Pflug ich ziehn und Lasten tragen, Als, meinem Recht und meiner Lieb' entsagen! — De Coutzy!

Führe den Legaten fort

Aus diesem Schloß, ich sprach mein letztes Wort! Und Ihr, Vasallen, Freunde, lieb und werth, Run laßt uns prüfen, wem die Welt gehört, Ob todter Form, geistmörderischen Schranken, Ob frommer Kraft und feurigen Gedanken!

Ich fasse kurz mich. Viel also war's, was Rosamund' ertragen, Da kam das Aergste, und das trug sie nicht. Der Ritter wählte unter Frankreichs schönsten Und reichsten Töchtern sich ein stattlich Weib. Da sollte Rosamunde nun als Magd, Der neuen Herrin dienstbar, bei ihm bleiben. Er ahnte nicht, der Rasende, die Furien, Die in dem halbzertret'nen Herzen schliefen,

88 Und spielte höhnisch mit der Hölle Wuth. Noch einmal trat ein guter Engel zu ihr, Die Sehnsucht weckt' er nach des Vaters Haus, Und mußt' sie dienen, wollte sie die Heerden Auf ihres Vaters Triften lieber weiden, Als dort sich beugen in dem Prunkgemach. Ein später Abend fand sie vor den Thoren Des Schlosses hier — der Vater trat heraus — Sie weinte, flehte — Agnes. Großer Gott!

Und er?

Klotilde. Er hatte längst die Liebe für sein Kind Begraben und vergessen — Rosamunde Kam still und starr zurück zu ihrem Quäler. Der, zornig über ihre Flucht, empfängt sie Mit Schimpf und Schlag — der Hochzeittag bricht an — Des Bräut'gamS harrt die Braut — da findet man In seinem Bett ihn jämmerlich erstochen. Agnes. Barmherz'ger Himmel! Klotilde. Fort war Rosamund', Und Niemand sah sie wieder, doch es geht Die Sage, daß in einem strengen Kloster Sie Buße thut.

Ihr schaudert, gnäd'ge Frau!

Da seht Zhr's, wie viel Unheil Liebe stiftet!

89 Agnes, (unwillig) Mich dünkt, Du konntest Deine grause Mähr Mit einer Passendern Betrachtung schließen. Der Liebe nicht, der wilden Leidenschaft Entkeimt so bitt're Frucht. Klotilde. Du lieber Himmel l Auch reine Gluth erzeugt oft schweres Leid. Nehmt nur zum Beispiel Eure eigne Liebe! Noch nicht genug, daß sie die Christenheit In Jammer und Verwirrung stürzt, die Fackel Des Krieges in das arme Frankreich schleudert. Nein, auch die treusten Busenfreunde schafft Sie unverseh'ns zu wilden Gegnern um. Agnes. Willst denn auch Du durch thörichtes Geschwätz Mich plagen und zu all' den bittern Qualen, Die ich empfinde, immer neue fügen? Welch' eine Fabel ist's, die meinen Namen So dreist mit Flandern's nennt? Klotilde. 'ne Fabel, Herzchen? Wer wüßte besser wohl als ich, daß Ferrand, Der hübsche Ferrand, der, ein kränkelnd Kind, Aus seinem kalten Norden zu uns kam. Am Hofe seiner Tante, Eurer Mutter, Zum kräftigen Jüngling fröhlich aufzuwachsen, Eu'r erster Bräutigam war!

Habt Ihr doch auch

90 In Euern Spielen stets ihn Euern Gatten Genannt. Agnes. Ein Kinderscherz! Klotilde. Ihm war es Ernst, Und Eurer Mütter langgehegte Absicht. Doch, zart und gütig, wie die Eure war, Verschmähte sie's, zur Liebe Euch zu zwingen, Und als sie sterbend ihre einz'ge Tochter Mit vielen guten Worten mir vertraute. Begehrte sie, daß man Euch freie Wahl Gestatte, und, wenn wider alles Hoffen Sich Eure Liebe nicht zu Ferrand neige. Ungültig sei der Bund, den man geschlossen. Agnes. Was muß ich hören! Wie! Und mir verschwieg man — Klotild e. So war's der Wille Eurer sel'gen Mutter. Nur hatte sie vergessen, daß der Knabe, Mit Eurer Eltern schweigendem Beschluß Vertraut, in Eurer Schwesterzärtlichkeit Der liefern Neigung Spur zu finden glaubte, Und als er schied, in stolzem Jugendmuth Euch schon die Seine nannte, bis er endlich, Zurückgekehrt, die bunte Seifenblase Zerplatzt, und Euch in Philipps Armen sah.

91 Agnes. Und mußte deshalb er voll roher Hast Mit seines Freundes Feinden flch verbinden? Fürwahr, eS steht nicht wohl dem Manne an, Wenn er mit Knabentrotz im wilden Zorne Die Linderung seines Kummers sucht, und, kraftlos, Die Kränkung selbst zu tragen, Andre kränkend, Des Blutes heiße Wallung von stch wirft. Klotilde. Ja, wahrlich, Andre kränkend! Macht genug Ward ihm dazu, denn er allein entreißt Dem Kön'ge Sieg und Krone. Agnes. Wie! So meinst Du, Daß Philipp siegen würde, wenn nicht Ferrand Sein Gegner wäre? Klotilde. Freilich, gnäd'ge Frau. So spricht ein Jeder, der den Krieg versteht. Agnes. Allmächtiger Gott! Und gäb's denn keine Macht, Auf seiner schlimmen Bahn ihn aufzuhalten, Den guten Geist in seiner Brust zu wecken, Und ihn zu Ehr' und Pflicht zurückzuführen? Klotilde. Ja, wär' er Euch vertrauensvoll genaht, Das Unglück wäre nicht geschehn! Als Knabe

92 Vermochte Eure Stimm' ihn von dem kühnsten, Dem längst ersehnten Wagniß fortzulocken. Agnes. Sie kann vielleicht noch heut ihn bannen, kann Das Unheil noch von Philipps Haupte wenden! Klotilde. Wohl möcht' es sein, wenn er sie hören könnte. Agnes. Er soll's!

Ich eile zu ihm! Klotilde. Wie?

Auf's Schlachtfeld?

Agnes. Noch tress ich ihn im Lager.

Langsam zieht

Das Heer die breiten und gebahnten Straßen; Doch Pfade führen grade durch den Wald Bis nach Bovines, das hab' ich Philipps Spähern Und Boten abgelauscht.

So bin ich dort.

Lang eh' die Schlacht beginnt, zu Ferrands Füßen Mit glüh'nden Worten, die ein güt'ger Gott Mir auf die Zunge legen möge, um Versöhnung ihn und Frieden anzuflehn. Klotilde. Denkt der Gefahr! Agnes. Gefahr?

Ich fürchte keine.

Was thu' ich denn, was nicht ein jedes Weib Mit Freuden für den Mann thut, den sie liebt? Für Philipps Leben setz' ich meines ein,-

93 Und hätt' ich mehr, als dieses arme Leben, Auch dieses Mehr gehörte ihm.

Allein

Sei diesmal ohne Sorge, gute Amme, Unangefochten kehr' ich Dir zurück. Wer kränkte wohl ein pilgernd Weib?

Auch trau' ich

Der Ehre Ferdinands wie meiner eignen. Klotilde. Doch drückt Ihr nicht durch Euer rasches Thun Der Wahrheit Siegel auf den bösen Leumund, Und nährt des Argwohns Gift in Eures Gatten Gemüth?

Erlaubt's die fromme Züchtigkeit,

So dreist sich in des Mannes Zelt zu wagen, Deß' Liebe Ihr verschmäht? Agnes. Ich bitte Dich, Verwirr' mich nicht!

Laß mich dem Zuge folgen,

Der mich wie eine schöne Hoffnung lockt. Das Höchste ist doch stets die Menschenpflicht, Und höher selbst als edler Frauen Zartheit. Wohl schrecken bei der leisesten Berührung Des fremden Mannes ängstlich wir zurück, Doch trägt der Krieg den Munden uns in's Haus, Wer scheute sich, den Leidenden zu pflegen? Nun denk' ich, Ferdinand sei schwer erkrankt, Und ich nur könn' ihm helfen, ich allein, — Sollt' ich denn zögern?

Nein, Klotilde, eile,

Laß einen oder zwei der zuverläss'gen, Wegkund'gen Knechte satteln, meinen Zelter

94

Mir zäumen, und aus meiner Frauen Zahl Such' mir die treuste und die kühnste aus, Mich zu begleiten. Klotilde. Kind, hier steht sie vor Euch^ Die Eure ersten schwachen Schritte lenkte — Glaubt Ihr, sie würd' auf diesem dunkeln Wege Zum Erstenmal allein Euch wandeln lassen? Agnes. So willst Du mit mir wagen, treue Alte, Was Du mißbilligst? Klotilde. Hab' ich's doch geschworen^ Ich wollt' Euch Mutter sein, und Mütter gehn Ja manchen sauern Weg mit thör'gen Kindern. Agnes. Du gute Mutter! Komm denn, laß uns fort! Ein Gott erhörte meiner Ohnmacht Klagen Und giebt mir Raum, zu wirken und zu wagen l (während Beide abgehen, fällt der Vorhang)

Dritter Akt. Erster Auftritt. Lager der Barone bei BodineS. Vor dem Zelt des Grafen von Toulouse^ Toulouse krank, in Decken gehüllt, wird von zwei Knappen aus dem Zelte getragen und, an einen Baum gelehnt, niedergesetzt, worauf die Knappen sich entfernen.

Toulouse. Hier legt mich nieder! So! — .Der alte Stamm Wird seines Gleichen noch zu stützen wissen. Ja wohl, mein guter Baum, durch Sturm und Wetter Sind beide wir verwittert und zerspalten, Und unsre kleine Spanne geht zu Ende. Ich habe mehr als siebzig Jahr gestanden, Und werde morgen — heut vielleicht — gefällt z Du ein paar hundert Jahre, kannst aufs Höchste Noch hundert stehen, kannst noch hundertmal Mit grünem Schmuck den Lenz begrüßen, kleiner Und schwächer stets die jungen Blätter zeugend. Wie kurz der Vorsprung, den du abgewinnst! Ein hundert Jahr' und eine flücht'ge Stunde — Zwei Augenblicke, an der Strahlenpforte Der Ewigkeiten leuchtend überfluthet!

96

O Zeit, wie kurz, o Welt, wie arm und klein, O Glück, wie nichtig für ein sterbend Auge! — Du rauschest über mir, uralter Wipfel, Und mahnst mich, daß auch ich noch Leben habe. Und dieses Leben den verjährten Anspruch Bis auf das Letzte an uns geltend macht. Noch hab' ich ein Geschäft — da kommen sie, In deren Hände ich mein letztes Jrd'sches Zu legen denke.

Zweiter Austritt. Ferdinand von Flandern und der Graf von Champagne treten auf. Toulouse.

Ferdinand. Grüß Euch Gott, mein Oheim! Wie geht's Euch heut? Champagne. Ihr habt uns rufen lassen. Was habt Ihr unS zu sagen? Toulouse. Sind die andern Heerführer nicht beschieden? Will Boulogne, Will Namür nicht des Alten letztes Wort Vernehmen? Alle wollt' ich sprechen. Champagne. Wahrlich, Ihr wählt gar schlechte Zeit, von ihren Truppen

97 Die Feldherrn abzurufen, und ich bitt' Euch, Habt Ihr nichts Wichtiges, so entlaßt uns. Ferdinand. Oheim, Vergebt, wenn Jene gar nicht, wir in hast'ger Erregung Euerm Rufe folgen.

Wißt,

Des Königs Heer ist jäh, als ob die Erde Es ausgespie’n, kaum eine Stunde weit Von hier erschienen, und das Morgenroth Taucht in ein Meer von Gluth viel tausend Lanzen. Toulouse. So ist es wahr?

Das sieht ihm gleich!

Ich habe

Den Feldherrn und den Helden stets in ihm Geehrt, und stand ich gegen ihn in Waffen, So galt’8 nicht seinem Werth, nur seinem Grundsatz. Die schnelle Kühnheit, die den Augenblick, Da wir am schwächsten sind, zu nutzen weiß, Würd' ich bewundern, wenn an Grabes Rand Ein Menschenthun man noch bewundern könnte. — Seid Ihr gerüstet? Champagne. Ja, in kurzer Frist Sind wir bereit zum Treffen.

Doch was wünscht Ihr?

Es drängt die Zeit, die Unsern warten. Toulouse. Glaubt Ihr, Daß meine Zeit nicht abgemessen? Ich nicht erwartet werde?

Daß

Daß der Tod

98 Nicht auch, sein Recht will, wie das Leben?

Freunde,

Wir sehn uns jetzt zum Letztenmal — Ihr geht Zum ungewissen Ziel, ich zum gewissen. Drum ziemt sich's, daß wir Abschied nehmen. Mein letzt Vermächtniß.

Hört

Was von ird'schem Gut

Ich mein genannt, ist meiner Söhne Erbtheil, Allein der Geist, der mich durch lange Jahre Beseelte, und das nie erlosch'ne Streben, Das meines Lebens Arbeit war, vertrau' ich Den Händen meiner Brüder und Genossen. Wir kämpfen um das Kleinod unsrer Rechte, Doch daß wir kämpfend nicht das Kleinod selbst Verderben und zerstören, darauf achtet! So lang die Erde steht, so lange wird Das.Altbewährte sprechen: ich muß herrschen! So lang die Erde steht, so lange wird Ein unversuchtes Neues sich erheben, Das, jugendmuthig, sein das Leben nennt. Und wo die größere Berechtigung Zu suchen, das entdeckt kein Mensch auf Erden. Drum muß es sein, daß Beide widerstehen, So lang ihr Athem reicht, auch überwindet Kein Gegner je den andern, in sich selbst Trägt seines Todes Keim, wer unterliegt. Barone Frankreichs!

Unser Adel gleicht

Dem Diamanten, den kein Eisen spaltet. Und den ein- kleiner Tropfen Gift zerstört. Vor Giften hütet Euch!

Seid fest!

Seid einigt

99 Seid mäßig!

Seid gerecht! — so seid Ihr stark.

Doch führt die Zwietracht Ihr

in Eure Kreise,

Den Neid, den Trug in Eure Schlösser, macht Den Namen: Ritterthum, mit roher Willkühr Ihr gleichbedeutend, dann legt ab die Waffen, Dann laßt den Lehnsherrn Eure Länder theilen, Und kniet an seinem Throne, laßt den Bürger Geschäftig seine Waaren um Euch häufen, Und des Gelehrten Stirn den Lorbeer schmücken. Den unsre guten Schwerdter brachen, fühlt Es trauernd dann, daß Eure Zeit zu Ende. — Und wird es, muß es also kommen?

Setzt

Dem müden Greise nicht so schweren Stein Auf seine Grube!

Laßt mich Bessres hoffen! Ferd inand.

Ich bitt' Euch, schont Euch!

Dieser Sorgen Ernst

Raubt Eure Kraft. Champagn e. Und hält zu lang uns fern Von unsrer Pflicht.

Das Nächste ist das Höchste! Toulouse.

Ihr hofft auf Sieg? Champagne. Wer zweifelt, ist schon halb Verloren!

Und sind wir durch Krankheit gleich,

Durch leid'ge Eifersucht geschwächt, noch bleibt uns Ein doppelt starkes Heer als das des Feindes; Nah ist des Kaisers Unterstützung, nahe

100

Graf Salisbury mit seinen Engelländern, Und ob wir Euch auch schmerzlich missen, ob Chalons im Stich uns läßt, noch fehlt es nicht An edlen Führern uns; hier steht der Graf Von Flandern, unsres Bundes erste Stütze. Ihn trifft kein Pfeil, wirft keine Pest auf's Siechbett. Ferdinand. Ihn trifft kein Pfeil, wirft keine Pest auf's Siechbett! Der Tod ist unerbittlich, im Begehren, Wie im Verschmähen — in die frohen Reih'n Der Glücklichen greift seine rauhe Hand, Und neben ihnen fleht umsonst das Elend Um eines kalten Stoßes süße Labe Für seine glüh'nde Brust. Verächtlich wendet Von ihm der grause Herrscher sich und spricht: Du bist zu schlecht für mich. Den wirren Knoten Von deinem Dasein haben Schmerz und Reue Mit allen Höllenfurien aufzulösen, Um keine Faser kürz' ich ihr Geschäft! Er spricht's und stellt Dämonen aus zur Wache, Daß keine Lanze in das kranke Herz, Daß selbst die bleiche, ekelhaste Krankheit Zu seinem Lager nicht die Wege findet! Toulous e. Ferrand! Ferrand! Von meiner Schwester Sohn Muß ich die Sprache hören? Leb' ich Dir Zu lange, daß Du meinen nahen Tod Frevelnd beschleunigst?

101 Ferdinand. Wollte Gott, mein Oheim, Daß ich an Eurer Stelle sterben dürste! Ich, der zu schwach für eine große That, Zu stolz und kühn, nach Größe nicht zu streben! Toulouse. Genug!

Genug!

Hinaus auf's Schlachtfeld, Knabe,

Und lerne Mann sein!

Geht!

Ich brauche Ruhe.

(Champagne schlägt den Vorhang des Zeltes zurück, die beiden Knappen erscheinen und tragen Toulouse hinein)

Champagne. Der Himmel stärk' Euch, edler Graf! Ferdinand,

(der den Knappen Lehülflich ist, und Toulouse beglei­ tet, im Abgehen)

Mein Oheim, Stützt Euch auf mich!

Reicht mir die Hand zum Abschied! (ab in's Zelt)

Champagne,

(allein)

Dem Alten sitzt der Tod am Herzen.

Sei's!

Wir werden wen'ger gute Lehren hören, Und freier unsres Willens Schwingen regen. Und unersetzlich ist kein Mensch.

Die Stelle,

Die leer geworden, füllt des Lebens Urquell Mit neuen Wesen aus, und raschen Muths Bedarfs, dem Raum, in den wir eingeschoben, Die Spuren unsres Daseins aufzuprägen. Drum vorwärts ohne Säumen!

Heut vor Abend

Giebt's manche Lücke, und der kühnen Schlauheit

102 Gelingt es wohl in solches Wechsels Spiels Für sich die besten Plätze einzutauschen! (ab)

Dritter Auftritt. Freie- Feld. Agnes tritt, in weißem Kleide und Schleier, von Klotildett und zwei Dienern gefolgt, auf.

Klotilde. Nun seht 3hr's, wie 3hr Euch getäuscht! — Wir haben Umsonst den Wald durchirrt, umsonst die Nacht Ohn' Obdach zugebracht — der erste Strahl Der Sonne zeigt uns beide Feindesheere Zur Schlacht bereit, und jener dumpfe Lärm Verkündet uns Gefahr! Agnes. Sei ruhig, Liebe! Der Weg war, ich gesteh' es, länger, als Ich selbst gedacht, doch ward uns schlimm begegnet? Ich habe sanfter nie geruht. Der Rasen Auf dem wir lagen, ist's der Teppich nicht, In den Natur, die große Mutter selbst, In Feierstunden bunte Fäden webte? Und wölbte nicht, ein hehrer Baldachin, Sich über unserm Haupt des Himmels Bläue? Umrauschte nicht das Laub der alten Eichen Golddammastähnlich unsre Schlummerstätte?. Und hüllte nicht in ihren Zauberschleier

103

Die heil'ge Nacht uns ein, mit Strahlenaugen Sie selber unsrer Träume Hüterin? Und dennoch klagst Du? o, sprich selbst, wo fand Je eine Königin ein prächt'ger Ruh'bett? Klotilde. Ei, wenn es Euch gefiel! Doch das ist sicher. Aus Eurem Vorsatz wird nichts, und wir kehren Am Besten schleunig um. Agnes. Umkehren? Jetzt? Da meiner Sehnsucht Ziel ich fast berühre? Jst's denn nicht möglich, daß ein guter Engel Auf jedem Schritte hier mir den Gesuchten Entgegenführt? Und der Unmöglichkeit Allein bin ich entschlossen, nachzugeben. Klotilde. Ihr sonst so zaghaft, so verwegen heute! Agnes. Nicht ist verwegen, wer der Stimme Gottes In seiner Brust gehorcht. Laß unsre Diener, Indeß die Pferde grasen, emsig spähen Wohin die Schlacht sich zieht. (Klotilde spricht mit den Dienern, worauf sich diese entfernen)

Und du, o Himmel, Der du das schwache Werkzeug nicht verschmähst, Und in den brechlichsten Gefäßen deine Heiltränke reichst, o, nicht in dieser Stunde Verlaß mich!

104 Klotilde. Gnäd'ge Frau, es klirren Waffen, Man kommt! Verbergt Euch! Agnes. Wenn es Ferrand wärel Er ist's! O Gott, wie gnädig Du mich hörtest! — Doch was beginn' ich nun? Wie red' ich ihn Nur an? Ich brauche Fassung! Komm denn, laß Uns einen Augenblick zur Seite treten. (sie ziehen sich hinter eine Baumgruppe zurück)

Vierter Auftritt. Ferdinand von Flandern und sein Knappe. Die Vorigen»

Knappe. Nein, Herr, ich trog mich nicht. Zu deutlich sah ich Die weißen Schatten durch die Haide schlüpfen. Ich bitt' Euch, eilt vorbei, nichts Gutes deutet's Wenn solche Wesen sich am Schlachttag zeigen. Ferdinand. Was nennst nichts Gutes Du? Knappe. Nun, Herr, das Schlimmste, Den Tod, Gefangenschaft und Niederlage. (er schaut sich ängstlich um und erblickt Agnesens weißes Kleid)

Ihr Heil'gen alle! Da — da sind sie!-

105 Ferdinand. Wer? Die Feinde? Knappe. Nein, die Geister!

Fort!

Ferdinand. Wohin? Knappe. Dem Feind entgegen, der hat Fleisch und Knochen! (läuft ab)

Fünfter Auftritt. Die Vorigen ohne den Knappen.

Ferdinand. Der Thor, der seinem Schicksal zu entfliehen Sich unterfängt!

Der Glückliche zugleich,

Der noch so viel zu fürchten hat! — Ich wollte, Mir stünde die Erscheinung!

Kein Gespenst

Kann schlimmer sein, als die im eigenen Busen. Laßt Euch erflehn, geheimnißvolle Wesen, Der Zukunft Schatten, die im Hauch der Lüste, Im Sprüh'n des Feuers, in des Wassers Schaum, Im Dampf der Erde, in der Blüthen Dust Ihr wohnt, erscheint, erscheint dem irren Wandrer, Beleuchtet seinen Weg ihm und sein Ziel! Agnes, (die sich lauschend genähert hat, schüchtern vortretend) Ich will es, Ferdinand von Flandern!

106 Ferdinand. Agnes! Ist das ein Traum? —- Wer bist Du, kühner Geist, Der es gewagt, so holde Form zu stehlen? Agnes. Kann nur ein Wesen aus dem Schattenreich Euch rühren, o, so nennt mich ein Gespenst, Nennt mich das Trugbild Eurer eignen Reue, Denn Alles will ich glauben, nur nicht, daß Ferrand im Unrecht selbst sich glücklich fühle! Nein, oder hat die Wahrheit eine Kraft Euch zu erschüttern, wißt's denn, ich bin's selbst, Die Freundin Eurer Kindheit, die Euch sucht. Ferdinand. Mich suchte Agnes?

Mich?.'

Klotilde,

(vortretend)

Wohl mögt Ihr staunen! Weiß ich's doch selbst seit heute erst, daß sie So fest und kühn, als mild und zart. Ferdinand. Klotilde! Nein, das ist kein Phantom!

Du, gute Alte,

Hast nichts mit meinem kranken Hirn zu schaffen! Klotilde. Dank allen Heil'gen, nein!

Jst's denn nicht kindisch.

Uns für Gespenster anzusehen?

Agnes. Ferrand,

107 Die Zeit ist kostbar — laßt mich sprechen!

O,

Daß meine Worte nicht der Wind verwehte! Wie rühr' ich Euch zumeist, Euch, der so schwer, So bitter mich gekränkt, der meinen Tagen Die Lust, den Schlaf genommen meinen Nächten? Ferdinand. O eine dieser Thränen, die Ihr weintet, Für mich, statt durch mich, und ein Paradies Würf' ich für diese Zähre jubelnd hin! Agnes. Fluchwürd'ger Männerstolz!

Nickt daß ich litt,

Nur daß ich nicht um Euch gelitten, schmerzt Euch! Ich habe mich in Euch getäuscht.

Die Achtung,

Die Freundschaft, die ich Euch gezollt, sie hatte Aus dem gemeinen Haufen Euch gesondert Und Euch dem kleinen, glanzumstrahlten Kreise Erhabener Naturen zugesellt. Ich trog mich.

Ihr trugt Sorge, Welt und Nachwelt

Zu überzeugen, daß der Graf von Flandern Zur großen Masse niedrer Seelen zählt. Ferdinand. O Agnes, das von Euch!

War ich denn nicht

Gekränkt, verletzt, ein Wild, zum Tod verwundet? Ward nicht mein Herz mir zuckend vor die Füße Geschleudert, und sollt' ich allein das Blut In meinen Adern zähmen, ich allein Mit Lammsgeduld zur Seite stehn, wenn Andre

108 Muthwillig jeden Faden alter Treue In rascher Wallung Augenblick zerrissen? AgneS. Mein armer Ferrand, bis zu eines Kindes Entschuldigung, das im Zorn sein liebstes Spielwerk Zerbricht, seid Ihr gesunken?

Weil Ihr wähntet —

Ihr wähntet's nur — daß Ihr gekränkt, so mußtet Ihr Euch auch rächen!

Schmähliches Bekenntniß

Der Schwäche, wo das Schicksal Euch die Wege Zur Größe wies!

O, wie beklag' ich Euch,

Daß 3hr der Menge breitgetretnen Pfad Dem stillen, sternbeglänzten vorgezogen, Den höh're Geister gehn! Ferdinand. Barmherzigkeit! Wohl bin ich elend, wenn selbst Eure Nähe Mir nur die Hölle, nicht den Himmel öffnet! AgneS. Es trägt der Mensch in seiner eignen Hand Die beiden Schlüssel zu den ernsten Pforten, Und sicher, wie die nie befleckte Unschuld, Schließt heil'ge Reue auf des Himmels Thor. Der Weg ist stet für Euch!

Bezwingt Euch selbst,

Wagt's, größer selbst zu sein, als wenn Ihr nie Gestrauchelt, und Ln einer Welt Bewund'rung Laßt die Erinnerung an den kurzen Fehl Für ewig untergehen!

Ferdinand,

109

Freund meiner Kindheit! Gebt den Glauben mir An Eure Tugend wieder! Ferdinand. O, zu spät! . Agnes. Was ist Dem Lebenden, dem Wollenden zu spät? Was ist zu schwer dem, der das höchste Ziel Erstrebt? Zm Kreislauf des Alltäglichen Das Rechte thun, genügt den kleinen Seelen, Doch einen großen Irrthum eingestehn, Und aus dem wirren Drange des Vergangnen Sich einer neuen Zukunft Bahnen brechen, Das ist das Werk, zu dem erhabne Geister Vom Himmel selbst geweiht sind und berufen. Denn wem ein Gott das Schwerste aufgespart, Den zählt er ehrend auch zu seines Gleichen! Ferdinand. Zu spät, auch wenn ich wollte! Hört Ihr nicht Den Schlachtruf meiner Völker?' Sonder Schwanken Verspritzen sie ihr Blut für meine Ehre. Und, feig zur Seite tretend, dürst' ich sie Vergeblich sterben lassen? Agnes. Doppelt schwer Wiegt in der mächt'gen Hand des Rechts Verpflichtung. Wem Tausende gehorchen, prüfe wohl Die Wege, die er führt! O, noch ist's Zeit!

110

Rust sie zurück! Der Lorbeer, der Euch winkt Im Schlachtgewühl, ist nur ein welkes Blatt, Verglichen mit der ew'gen Strahlenkrone, Die Sieger ihrer selbst belohnt. Ferdinand. Umsonst! Mein Ritterwort gehört den Bundsgenossen, Und zum Verräther kann für Agnes selbst Ich niemals werden. Agnes. Ein Verräther seid Ihr nur, so lang' Ihr gegen Euern König In Waffen steht. Was sag' ich! Euern König! Ihr zückt das Schwerdt auf Eures Freundes Brüste Des Freundes, der, so wahr des Ew'gen Auge Uns Beide sieht. Euch niemals trog und täuschte. Der, edler als Ihr selbst, noch heut verzeihend Euch seine Arme öffnet, Eure Schuld In einem Meer von Liebe zu begraben. Ferdinand. O bitt're Qual! Ich kann nicht mehr zurück. Schon hat die Schlacht begonnen, ungeduldig Harr'n ihres Führers meine Krieger. Flieht, O theure Agnes, flieht des Kampfes Nähe! Und wenn nicht Eurer Seele reines Denken Zurückbebt vor so wirren Seins Erinn'rung, So nehmt auf Eure Lippen meinen Namen, Wenn Ihr mit Gott verkehrt. Lebt wohl, lebt wohl!

111

Agnes. Ihr dürst mich, dürft nicht so mich lassen! Wie? Ihr seht die Angst, die mich hierher geführt, Und gönnt mir keinen Trost? Ferdinand. Wohlan, ich schwör' es. Verschont mich diese Schlacht, so will nicht wieder Ich gegen Philipp fechten. Agnes.

Armer Trost! Nein, diese Schlacht entscheidet Alles. Philipp Will heute siegen oder sterben. O, Wälzt nicht des Freundes Mord auf Eure Seele! Vergebens hab' ich Eurer Neu' und Ehre Mein Hoffen anvertraut — von Eurer Großmuth Erbettl' ich's denn: o rettet, rettet ihn! Bei allen guten Geistern Eures Lebens, Bei allen warmen Schlägen Eures Herzens Und bei dem Trost in Eurer Todesstunde, Bei meines schönen Istriens Erinn'rung, Beim süßen Frieden unsrer reinen Kindheit Beschwör' ich Euch, errettet ihn! Der Name Ferrands von Flandern ist der Euern Schild, Der Feinde Graus; löscht ihn aus Euern Reih'n, Und machtlos stürzt die trotzige Empörung. Ferd inand. Ihr fordert meinen Tod, daß Philipp lebe!

112 Agnes. Nicht Euern Tod! Nicht aller Himmel Glück Möcht' ich um einen Tropfen BlutS erkaufen! Nein, lebt, o lebt, und schmückt Euch mit dem Ruhm, Daß der, den keine Menschenhand bezwang, Dem Recht den Sieg freiwillig abgetreten! (einet der Diener ist während der letzten Worte rasch aufgetreten und hat mit Klotilden geflüstert)

Klotild e. Um Gotteswillen, gnäd'ge Frau! Die Schlacht Zieht sich nach dieser Seite. Laßt uns fort! Ferdinand. Flieht, Agnes, flieht! Soll man im Handgemenge Die Kön'gin finden? Agnes. Und mit welcher Hoffnmrg Laßt Ihr mich ziehn? Ferdinand. Engel des Himmels, schenke Mir Deine Achtung wieder, und erfahre, Daß, ob ich's nicht verdient, Dich zu besitzen, Ich doch nicht unwerth, Dich zu lieben, bin! (ab)

Agnes. Gott sei gelobt! Er hat sein Herz gewendet! Komm, Amme, nlein Geschäft ist hier vollendet. (a- mit Klotilde und dem Diener)

113

Sechster Auftritt. Kurze Pause.

Sodann von beiden Seiten Kriegerhaufen.

Gefecht.

Die Königlichen. Hier Frankreich!

Denis Montjoie!

Die Rebellen. Hier Boulogne! — Hier Flandern! — Hier Namür! Andre königliche Sold ateN. Der König weicht! Heil, Heil!

(hereinstürzend)

Fort! Auf den rechten Flügel! Die Oriflamme sinkt! Die Rebellen.

Der Sieg ist unser! Die Königlichen. Rettet Frankreich! (Getümmel.

Alle ab)

Siebenter Auftritt. Champagne und de

la Sflofte

treten kämpfend auf.

Champagne. Ergebt Euch, de la Roche! De la Roche. Nicht lebend, eitler Mann! Ich mag Dich nicht als Siegstrophäe schmücken. Champagne. Ihr blutet stark, es wär' Euch keine Schmach, Pardon zu nehmen.

114

De la Noche. Von Verräthern? Niemals l Champagne. Nur ungern gäb' ich Euch den Todesstoß! De la Roche. Zch schon' Euch nicht und will nicht Euer Mitleid, Champagne. Denkt alter Freundschaft! De la Roche. Jungen Hasses denk' ich. Vertheidigt Euch! Champagne. Mich dauert Eure Jugend! Euch ziemt'S, für Eurer Mutter Glück zu leben. De la Roche. Mir ziemt es, meines Vaters Schuld zu zahlen. Vertheidigt Euch! Champagne. Wenn.ich denn muß! — So nehmt l (Kampf. De la Roche fällt)

De la Roche. Gott sei mir gnädig! Ich bin hin! — O Erde, Saug' auf mein Blut und tränk' mit seinem Strem Der Treue alte Wurzeln, daß sie fest An meines Vaterlandes Herz sich schlingen! — Tod, du bist schnell! — Leb' wohl denn, reiche Weltl Lebt wohl, Champagne! Mein kurzer Todespfad Ist schöner, als ein langer Weg der Schande! —

115

Achter Auftritt. Philipp August, das Lloße Schwerdt ln der Hand. Die Vorigen. Sobald er den König erblickt, zieht sich Champagne unbemerkt hin­ ter die Coulissen zurück. Später de Coney, Armagnac.

Philipp. Gott, Gott! Welch' Blutbad! Ringsum Tod und Leichen! De la Roche. Seid Jhr's, mein König? Philipp. Ha!

Die Stimme kenn' ich.

De la Roche. Die alte Schuld — mein Vater — ich — verzeiht — Daß ich — für Euch — nur sterben kann — nicht siegen! — (stirbt)

Philipp,

(neben der Leiche nlederknteend und ihr das Visier auf­ schlagend)

Mein Wilhelm de la Roche! — O wärest Du In Deiner Rechnung nicht so treu gewesen! Schlaf wohl, mein junger Held, und wollte Gott, Dein Grabgeläute würde Siegesjubel! Champagne, (der mit einer kleinen Schaar Soldaten wieder heran­ geschlichen ist, Philipp an der Schulter berührend)

Philipp von Frankreich! Philipp,

Wer sagt Gefangner?

Ihr seid mein Gefangner! (heftig aufspringend)

Hab' ich nicht mein Schwerdt

Und meinen Arm, es zu gebrauchen? — Fechtet! (Kurzer Kampf. Philipp verwundet Champagne, der von zwe'en seiner Leute gegen einen Baum gelehnt wird. Die Uebrigen dringen auf den

8*

116 König ein, der sich vertheidigt. Nach einigen Augenblicken erscheint de Couxd mit Soldaten)

De Couxy. Der König!

Großer Gott! (Handgemenge)

Armagnac,

(hereinstürzend)

Der Graf von Flandern Hat sich ergeben! Seme Schaaren fliehn! Fliehende, (über die Bühne rennend) Weh uns! Wir sind verloren! Champagne. Steht, 3hr Schurken! Wir müssen siegen! (er bemüht sich vergebens aufzustehen)

Die Rebellen. Rette sich, wer kann! (sie fliehen)

Neunter Auftritt. Äuvergtte mit Soldaten. pagne.

Philipp, Armagnac, de Coury, Cham­

Auvergne. Die Schlacht ist säst vorbei, Sire. Einen Sieg Habt Ihr errungen, den die spätsten Enkel Als Wunder Gottes preisen werden. Philipp. Ja,

Sein ist die Ehre, der aus großer Noth Uns rettete. Wir waren arg bedrängt. Auvergne. Kaum wagt' ich noch auf Sieg zu hoffen, schon Sah um mich her ich meine Besten sinken, Da plötzlich lähmt die Kunde, Ferdinand Von Flandern sei gefangen, und Toulouse In seinem Zelte todt, der Feinde Kraft. Schreck faßt sie an, und selben Augenblicks Kommt uns Burgund zu Hülfe. Die Verwirrung, Die Flucht wird allgemein. Wir siegen. Auch Champagne, sagt man, sei todt. Philipp. Nicht todt, doch schwerverwundet, Und mein Gefangner. Hebt ihn auf und pflegt sein! Champagne. Verfluchter Tag, der meine Pläne mordet, Warum verschonst du mich? — Doch wisse, König, Ich habe immer Dich gehaßt, und werde Dich hassen, bis mein Athem stockt! Philipp. Ohnmächtige Verwünschung! — Auf die falschen Lippen treibt Die Noth zum Erstenmal die schlimme Wahrheit. Hinweg mit ihm! Die gist'ge Natter zähmt Man hinter Eisenstäben! — (Champagne wird fortgetr-Len)

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