Nathan der Weise: Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen [Reprint 2021 ed.] 9783112511466, 9783112511459


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Nathan der Weise: Ein dramatisches Gedicht in fünf Aufzügen [Reprint 2021 ed.]
 9783112511466, 9783112511459

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G. Ephr. Lessings

Nathan der Weife. r t» dramatisches Gedicht in fünf Auszügen.

Wien, »so». Im Verl»-» -e- Anton Pichler.

Personen: Sultan © st I ab in. Sittah, dessen Schwester. Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem. R ech a , dessen angenommene Tochter. Daja, «ine Christinn, aber in dem Hause des Jude«, als Gesellschafterin der Rechn. Ein junger Tempelherr. Ein Derwisch. Ein Patriarch von Jerusalem. Ein Klosterbruder. Ein E m i r nebst verschiedenen Mameluken des Saladin.

Die Scene ist in Jerusalem.

Erster A u f z u g. Erster Aufsritt. (Scene: Flur in Nathans Hause.) Nathan von der Reise kommend. Daja ihm entgegen.

D a j a. Ex ist es! Nathan! — Gott sey ewig Dank,

Daß Ihr doch endlich einmal wiederkommt! N a r h an. Za, Daja; Gott sey Dank! Doch warum endlich? Hab' ich denn eher wiederkommen wollen? Und wiederkommen können? Babylon Ist von Jerusalem, wie ich den Weg Sett ab bald rechts, bald links, zu nehmen bin Genöthigt worden, gut zwey hundert Merlen Und Schulden einkastlren, t|i gewiß Auch fein Geschäft, das merklich fördert, das So von der Hand sich schlagen läßt. A 2

Daja. D Nathan, Wie elend, elend hattet Ihr indeß

Hier werden können! Euer Haus . . . Nathan.

Das brannte So hab' ich schon vernommen.—Gebe Gott, Daß ich nur alles schon veryommen habe!

D a j a. Und wLre leicht von Grund aus abgebrannt. Nathan. Dann, Daja, hatten wir ein neues uns

Gebaut; und ein bequemeres. Daja.

Schon wahr! — Doch Recha wär' bey einem Haare mit Verbrannt.

H

Nathan. Verbrannt? Wer? meine Recha? sie ?—

DaS hab' ich nicht gehört. — Nun denn! So hätte

Ich keines Hauses mehr bedurft.—Verbrannt Bey einem Haare!— Ha! sie ist es wohl! Ist wirklich wohl verbrannt! — Sag' nur her­

aus! HedauS nur! — Todte mich: und martre mich Nicht länger. — Ja, sie ist verbrannt.

- (F ) D a ja. Wenn sie Es wäre, würdet Ihr von mir es hören?

Nathan. Warum erschreckest du mich denn? — £> Recha! L> meine Recha!

D a j a.

Eure? Eure Recha? Nathan. Wenn ich mich wieder je entwöhnen müßte. Dies Kind mein Kind zu nennen! D a j a. Nennt Ihr alles,

Was ihr besitzt, mit eben so viel Rechte

Das Eure? N a t h a n. Nichts mit größerm! Alles, was Ich sonst besitze, hat Natur und Glück

Mir zugetheilt. Dies Eigenthum allein Dank' ich der Tugend.

D a j a. £> wie theuer laßt Ihr Eure Güte, Nathan, mich bezahlen!

Wenn Güt', in solcher Absicht ausgeübt. Noch Güte heißen kann!

- ( 6 ) Nathan. In solcher Absicht? 3n welcher?

D a j a. Mein Gewissen . . . Nach an. Daja, lajl Bor allen Dingen dir erzählen. . . . DajaMein Gewissen, sag' ich . . . Nathan. Was in Babylon Für einen schönen Stoff ich dir gekauft. So reich, und mit Geschmack so reich ! Ich bringe Für Rechn selbst kaum einen schönern mit. Daja. Was Hilsts? Denn mein Gewissen, muß ich Euch Nur sagen, läßt sich langer nicht berauben. Nathan. Und wie die Spangen, wie die Dhrgchenke, Wie Ring und Kette dir gefallen werden, Die in DamaScus ich dir ausgesucht: Verlanget mich zu sehn. D a j a. So seyd Ihr nun! Wenn »hr nur schenken könnt! nur schenken könnt!

Nathan. Nimm du so gern, als ich dir geb*:— und schweig!

D a j a. And schweig! Wer zweifelt,Nathan,daßJhr nicht Die Ehrlichkeit- die Großmuth selber seyd? Und doch . . .

Nathan. Doch bin ich nur ein Jude.— Gelt, Das willst du sagen? D a j a. Was ich sagen will,

Das wißt Ihr besser.

Na t h'a n. Nun, so schweig! D a j a. Ich schweige. Was Sträfliches vor Gott hierbey geschieht. Und ich nicht hrndern kann, nicht ändern kann,— Nicht kann, — komm' über Euch l Nathan. Komm'über mich!-

Wo aber ist sie denn ? wo bleibt sie? — Daja,

Wenn du mich hintergehst ! — Weiß sie eS denn. Daß ich gekommen bin?

Daja. Das frag' ich Euch! Noch zittert ihr der Schreck durch jede Nerve.

-Cs)Noch malet Feuer ihre Phantasie, Zu allem, was sie malt- Im Schlafe wacht, Im Wachen schlaft ihr Geist: bald weniger^ Als Thier, bald mehr als Engel. Nathan. Armes Kind! Was sind wir Menschen D a j aDiesen Morgen lag Sie lange mit verschloßnem Aug', und war Wie todt. Schnell fuhr sie auf, und rief: Horch! „horch! „Da kommen die Kameele meines Vaters! „Horch', seine sanfte Summe selbst!" —Indem Brach sich ihr Auge wieder, und ihr Haupt, Dem seines ArmeS Stütze sich entzog, Stürzt' auf das Küssen.—Ich, zur Pfort'hinaus! Und sieh : da kommt Ihr wahrlich ' kommt Ihr wahrlich!-*--' WaS Wunder! ihre ganze Seele war Die Zeit her nur bey Euch — und rhm. —Nathan. Bey ihm? Bey welchem Ihm? D a j a. Bey ihm, der ans dem Feuer Sie rettete.

— ( 9) —

Nathan. Wer war das? wer? —Wo ist ft9 Wer rettete mir meine Recha? wer? D a j a. Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage Zuvor, man hier gefangen eingebracht.

Und Saladin begnadigt hatte. Nathan.

Wie? Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin

Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder War Recha nicht zu retten? Gott! D a j a. Ohn' ihn. Der seinen unvermutheten Gewinst

Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr. Nathan. Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? — Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen. Ihr gabt ihm doch fürs erste, was an Schätzen

Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles? verspracht ihm mehr? weit mehr?

Daja. Wie konnten wir ? Nathan.

Nicht? nicht?

D a j a. Ec kam, und niemand weiß woher. Ec ging, und niemand weiß wohin. — Ohn* alle Des Hauses Kundschaft, nur von seinem Ohr

Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel, Er kühn durch Flamm' und Rauch der Stimme nach, Die un- um Hülfe rief. Schon hielten wir Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme Mit eins er vor uns stand, im starken Arm Empor sie tragend. Kalt und ungerührt

Dom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute Er nieder, drängt sich unters Volk und ist Verschwunden! Nathan.

Richt auf immer, will ich hoffen.

D a j a. Nachher die ersten Tage sahen wie Ihn unter Palmen auf und nieder, wandeln, Dre dort des Auferstandnen Grab umschatten. Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte.

Erhob, entbat, beschwor, — nur Einmal noch

Die fromme Kreatur zu sehen, die Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank Zu seinen guffai ausgcweiner. K Nathan. NunT

D a j a. Umsonst! Er war zu unserer Bitte taub ;] Und goß so bittern Spott auf mich besonders... Nathan. Bis dadurch abgeschreckt . . .

D a j a. Nichts weniges Ich trat ihn jeden Tag von neuem an; Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen. Was litt ich nicht von ihm! Was hatt' ich nicht

Noch gern ertragen! — Aber lange schon Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen, Die unsres Auferstandnen Grab umschatten; Und niemand weiß, wo er geblieben ist. — Ihr staunt? Ihr sinnt? Nathan. Ich überdenke mir, Was das auf einen Geist, ryie Rechas, wohl

Für Eindruck machen muß. Sich so verschmäht Von dem zu finden, den man hochzuschatzen Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen.

Und doch so angezogen werden.—Traun, Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken.

Ob Menschenhaß, ob Schwermuth siegen soll. Oft siegt auch keines; und die Phantasie, Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer Bey welchen bald der Kopf das Herz, und bald

Das Herz den Kopf muß spielen. — Schlimmer Lausch!Das Letztere, verkenn' ich Recha nicht, Ist Rechas Fall: sie schwärmt. D a j a. Allein so fromm, Go liebenswürdig! Nathan. Ist doch auch geschwärmt! D a j a. Vornehmlich Eine-^ Grille, wenn ihr wollt. Ist ihr sehr werth. Es sey ihr Tempelherr, Kein irdischer und keines irdischen ; Der Engel einer, deren Schutze sich Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern Vertrauet glaubte, sey aus feiner Wolke, In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer, Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr Hervorgetreten. — Lächelt nicht! — iver weiß? Laßt lächelnd wenigstens ihr einen Wahn, In dem sichJud* und Christ und Muselmann Vereinigen; — so einen süßen Wahn ! Nathan. Auch mir so süß!—»Geh, wakee Daja, geh; Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. Sodann such' ich den wilden, launigen Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt.

— ( ’S ) — Hiernie-kn unter uns zu wallen; noch

Beliebt, so ungesittet Ritterschaft Zu treiben; find' ich ihn gewiß, und bring'

Ihn her. D a j a. Ihr unternehmet viel.

Nathan. Macht danrr

Der süße Wahn der füßern Wahrheit Play: — Denn, Daja, glaube mir, dem Menschen ist

Ein Mensch noch immer lieber, al- ein EngelSo wirst du doch auf mich, auf mich nicht zürnen. Die Engelschwärmerinn geheilt zu sehn?

Daja. Ihr seyd so gut, und seyd zugleich so schlimm l Ich geh ! —Doch hört! — doch seht!—Da kommt fie selbst. Zweyter AuftrittRecha, und die Vorigen.

R c ch a. So seyd Ihres doch ganz und gar, mein Vater? Ich glaubt', Ihr battet Eure Stimme nur Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was fü^Berge, Für Wüsten, was für Ströme trennen uns Denn noch? Ihr athmet Wand an Wand mit ihr. Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen?

— ( i4 ) —

Die arme Recha, die indeß verbrannte! — Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht! Es ist ein garst'ger Tod, verbrennen. £>! N atha n. Mein Kind! mein liebes Kmd!

Recha.

Ihr mußtet über Den Euphrat, Tygris, Jordan; über — wer Weiß was für Wasser all ? — Wie ost hab' ich Um Euch gezittert, eh das Feuer mir

So nahe kam! Denn seit das Feuer mir So nahe kam, dünkt mich im Wasser sterben Erquickung,Labsal,Rettung.- Doch Ihr seyd Ja nicht ertrunken; ich, ich bin ja nicht Verbrannt. Wie wollen wir uns freu'n, und Gott, Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen ÄusFlügel seiner unsichtbaren Engel

Die ungetreuen Ström' hinüber. Er, Er winkte meinem Engel, daß er sichtbar Auf seinem weißen Fittiche mich durch Das Feuer trüge.

Nathan (bey Seite.) Weißen Flttiche! Za, ja! der weiße vorgesprertzte Mantel Des Tempelherrn.

R e ch a. Er sichtbar, sichtbar mich Durchs Feuer trüg', von seinem Fittiche Verweht. — Ich also, ich hab' einen Engtzl

Von Angesicht zu Angesicht gesehnl Und meinen Enget. Nathan. Rechn wär' es werth; Und wird an ihm nichts Schön'res sehn, als er

An ihr.

R ech a (lächelnd.) Wem schmeichelt Ihr, mein Vater ? wem? Dem Engel/ oder Euch?

N a t l- a n. Doch hatt' auch nur Ein Mensch — ein Mensch, wie die Natur sie täg­

lich Gewährt, dir diesen Dienst erzeigt: er müßte Für dich rin Engel seyn. Er müßt'und würde« R e ch a. Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher»-

Es war gewiß ein wirklicher ! —Habt Ihr, Ihr selbst die Möglichkeit, daß Engel sind. Daß Golt zum Besten derer, die ihn lieben, Auch Wunder könne thun, mich nicht gelehrt? Ich lieb' ihn ja.

- ( *6 )

Nathan. Und er bebt dich; und thut Für dich und deines gleichen stündlich Wunder; Ja, hat sie schon von aller Ewigkert Für euch gethan. R e ch a. Das hör' ich gernNathanWie? wer! Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge. Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr Gerettet hätte; sollt es darum weniger Ein Wunder seyn ? — Der Wunder höchstes ist. Daß unS die wahren, ächten Wunder so Alltäglich werden können, werden sollenDhn' dieses allgemeine Wunder, hätte Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je Genannt, was Kindern bloß so heißen müßte, Die gaffend nur das Ungewöhnlichste, Das Neuste nur verfolgen. D a j a (Zu Nathan) Wollt Ihr denn Ihr ohnedies schon überspanntes Hirn Durch solcherley Subtilitäten ganz Zersprengen? Nathan, Laß Mich! — Meiner Recha war* Es Wunders nrcht genug, daß sie ein M rusch

Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder Erst retten müssen? Ja, kein kleines Wunder! Denn wer hat schon gehört, daß Saladin Je einen Tempelherrn verschont? daß je Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden Verlangt ? gehofft ? ihm je für seine Freyheit Mehrals den ledern Gurt geboten, der Sein Ersen schleppt: und höchsten-seinen Dolch? R e ch a. Das schließt für mich, mein Vater. — Darum eben War das kein Tempelherr; er schien es nur.— Kömmt kein gefangner Tempelherr je anders Als zum gewissen Tode nach Jerusalem; Gebt keiner in Jerusalem so frey Umher: wie hatte mich des Nachts freywillig Denn einer retten können ? Nathan. Sieh, wie sinnreich, Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab'es ja Von dir, daß er gefangen hergeschickt Ist worden. L>hne Zweifel weißt du mehr. Daja. Nun ja —So sagt man freylich; — doch man sagt Zugleich, daß Saladin den Tempelherrn Begnadigt, weil er seiner Brüder einem, Den er besonders Lreb gehabt, so ähnlich sehe. Lessing 4, V B

Doch da es viele zwanzig Jahre her, Daß dieser Bruder nicht mehr lebter hieß. Ich weiß nicht wieder blieb,ich weiß nicht wo:— So klingt das ja so gar — so gar unglaublich. Daß an der ganzen S^che wohl nichts ist. Nathan. Ey, Daja! Warum wäre denn das so Unglaublich? Doch wohl nicht-wie's wohl ge­ schieht— Um lieber etwas noch Unglaublichers Zn glauben ? — Warum hatte Saladin, Der sein Geschwister insgesammt so liebt. In jüugern Jahren einen Bruder nicht Noch ganz besonders lieben können?—Pflegen Sich zwey Gesichter nicht zn ähneln?—Ist Ern alter Eindruck ein verlorner? —Wirkt Das Nähmliche nicht mehr das Nähmliche?— Seit wenn?—-Wo steckt hier das Unglaubliche? — Ey freylich, weise Daja, wär's für dich Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur Bedürf—verdienen, will ich sagen, Glauben. Daja. Ihr spottet. Nathan. Weil du meiner spottest.— Doch Auch so noch, Necha, bleibet deine Rettung Ein Wunder, dem nur möglich, der die strengsten

Entschlüsse, die unbändigsten Entwürfe Der Könige,sein Spiel—wenn nicht sein Spott Gern an den schwächsten Faden lenkt. Rechn. Mein Vater! Mein Vater, wenn ich irr', Ihr wißt, ich irre Nicht gern. Nathan. Vielmehr, du laßt dich gern belehren.— Sieh! eine Stirn, so oder so gewölbt; Der Racken einer Nase, so vielmehr Als so geführet; Augenbrannen, die Auf einem scharfen oder stumpfen Knochen So oder so stch schlangeln ; eine Linie, Ein Bug, ein Winkel, eine Falt', ein Mahl, Ein Nichts, aufeines wilden Europäers Gesicht:— und du entkömmst dem Feur, in Asien! Das wär' kein Wunder, wundersücht'ges Volk ? Warum bemüht thr denn «och einen Engel? D a j a. WaS schadets— Nathan, wenn ich sprechen darf—' Bey alle dem, von einem Engel lieber Als einem Menschen sich gerettet denken? Fühlt man der ersten unbegreiflichen Ursache seiner Rettung nicht sich so Äiel näher? B r

Nathan. Stolz! und nichts als Stolz! Der Topf Von Eisen will mit einer silbern Zange G rn aus ter Gluch gehoben seyn, um selbst Eln Topf von Sllber sich zu dünken.—Pal)!— Und was es schadet, fragst du ? was es schadet ? Wa - hilft es? dürft ich nur hinwieder fragen. — Denn de:n, sich Gott nm so viel näher fühlen// Ist Unsinn oder Gotteslästerung. — Allein es schadet; ja, es schadet allerdings.— Kommt! hört mir zu.- Nicht wahr? demWesen,das

Dich rettete,—es sey ein Engel oder E n Mensch—dem möchtet ihr, und du besonders. Gern wieder viele große Dienste thun ?— Nicht wahr?—Nun,einemEngel,was für Dienste, Für große Dienste könnt ihr dem wohl thun? Ihr könnt ihm danken, zu ihm seufzen, beten; Könnt in Entzückung über ihn zerschmelzen; Könnt an dem Tage seiner Feuer fasten,

Almosen spenden.—Alles nichts.—Denn mich Deucht immer, daß ihr selbst und euer Nächster Er wird Nicht fett durch euer Fasten ; wird nicht reich Durch eure Spenden ; wird nicht herrlicher Durch en'r Entzücken; wird nicht mächtiger

Hrertey weit mehr gewinnt, als er.

Durch eu'r Vertraun.

Nicht wahr? Allein ein Mensch!

c-r ) Daja.

Ey freylich hatt' ein Mensch, etwas für ihn

Zu t h ii n, uns mehr Gelegenheit verschafft. Und Golt weiß, wie bereit wie dazu waren! Allein er wollte ja, bedurfte ja So völlig nichts; war in sich, mit sich so Vergnügsam, als nur Engel sind, nur Engel Seyn können.

R e ch a. Endlich, als er gar verschwand.—

Nathan. Verschwand?—Wie denn verschwand?—Sich un­ tern Palmen Nicht ferner sehen ließ ?—Wie ? oder habt Ihr wirklich schon ihn weiter ausgesucht? Daja. Das nun wohl nicht.

Nathan. Nicht, Daja? nicht?—Da sich

Sliiit, was es schade!— Grausame Schwärmerin­ nen! — Wenn dieser Engel nun—nunkrankgeworden!— R e ch a.

Krank!

Daja. Krank! Er wird doch nicht I

R e ch a. Welch kalter Schauer Befallt mich !— Daja

Meine Stirne, sonst

So warm, fühl! ist auf einmahl Eis. Nathan. Er ist Ein Franke, dieses Klima's un-ewohnt; Äst jung; der harten Arbeit seines Standes, Des Hungerns, Wachens ungewohnt.

9t, e ch a.

Krank! krank! Daja. Das wäre möglich, meynt ja Nathan nur.

Nathan. Nun liegt er da! hat weder Freund, noch Geld Slch Freunde zu besolden. R e ch a.

Ah, mein Vater! Nathan. Liegt ohne Wartung, ohne Rath und Znsprach, Ein Raub der Schmerzen und des Todes da! R e ch a. Wo? wo?

Nathan. Er, der für e»ne, die er nie Gekannt, gesehn —genug, es war ein Mensch —*

Ins Feu'r stch stürzte, . ♦

(2 3 ) —

D a j a. Nathan, schonet ihrer! Nathan. Der, «pas er rettete nicht^iäher kennen.

Nicht weiter sehen möcht', um ihm den Dank Zn sparen. . .

D a j a. Schonet ihrer, Nathan! Nathan. Weiter Auch nicht zn sehn verlangt', — ti wäre denn.

Daß erzum zweitenmal es retten sollte —

Denn genug, es ilkein.Mensch. . . D a j a. Hört aus und seht!

Nathan. Der, der hat sterbend sich zu laben, nichtt — Als das Bewußtseyn dieser Lhat i D a j a. Hört auf! Jhrtödtet sie! Nathan. Und du hast ibn gelobtet! — Hätl'st so ihn tödtenkönnen.— Recha! Aecha !—

Es ist Arzney, nicht Gift, was ich dir reiche. Er lebt!—komm zu dir!—ist auch wohl nicht krank;

Nicht einmal krank!

R e ch a. Gewiß?—nicht todt? nichtkrank?

Nathan. Gewiß,nicht todt!—Denn Gott lohnt Gutes, hier Gethan, auch hier noch.-^- Geh'—Begreifst du aber, Wie viel andächtigschwarm e nlerchter,alS Gut handeln ist? wie gern der schlaffste Mensch Andächtig schwärmt, um nur—ist er zu Zerren Sich schon der Absicht deutlich nicht bewußt — Um nur gut handeln nrchr zu dürfen ? R o ch a. Ah, Mein Vater! laßt, laßt EnihRechadoch Nie wiederum allem!—Nicht wahr, er kann Auch wohl verreist nur seyn ?— Nathan. Geht.' — Allerdings. — Ich seh, dort mustert mit nengier'gem Blrck Ein Muselmann mir die beladenen Garneele. Kennt rhr ihn?

D a j a. Ha! Euer Derwisch. Nathan.

Wer?

— ( 2.5 ) — D a j a. Euer Derwisch; EuerSchachgesell. Nathan. Al-Hafi?dasAl.Hafi? D a j a. Jetzt M Sultans Schatzmeister. Nathan. Wie? Al-Hafi?Träumst du wieder?— Er ists! — wahrhaftig, ists;—kömmt airfnns zu. Hinein mitEuch,geschwrnd!Was werd' ich hören! Dritter Auftritt. Nathan und det Derwisch. Derwisch. Reißt nur die Augen auf, so weit Ihr könnt! Nathan. Bist du's ? bist du es nicht?—Jndieser Pracht, Ein Derwisch! . . . Derwisch. Nun ? warum denn nicht? Läßt sich Aus einem Derwisch denn nichts, gar nichts ma­ chen? Nathan. Ey wohl, genug!—Ich dachte mir nur immer. Der Derwisch-so der rechte Derwisch—woll' Aus sich nichts machen lassen.

— ( -6 ) — Derwisch.

Beym Propheten! Daß ich kein rechter bin,mag auch wohl wahr seyn. Zwar wenn man muß — Nathan. Muß ! Derwisch Derwisch muß? KeinMensch muß müssen,und einDerwisch müßte?

Was müßt' er denn?

Derwisch. Warum man ihn recht bittet, Und er für gut erkennt: das muß ein Derwisch.

Nathan. Bey unserm Gott! da sagst du wahr.—Laß dich Umarmen, Mensch.— Du bist doch noch mein Freund?

Derwisch. Und fragt nicht erst, was ich geworden bin ? Nathan. Trotzdem, was du geworden! Derwisch. Könnt ich nicht

EinKerl tmStaat geworden sepn,deßFreundschast Luch ungelegen wäre? Nathan. Wenn dein Herz Noch Derwisch ist, so wag' ichs drauf. Der Kerl 3m Staat ist nur dein Kleid.

Derwisch. DaS auch geehrt Will seyn. — Was meynt Ihr ? RatheiJ. — Was wär'ich An Eurem Hofe?

Nathan. Derwisch; weiter nichts. Doch nebenher, wahrscheinlich— Koch. D e r w i s ch. Nun ja! Mein Handwerk bey Euch zu verlernen.—Koch! Ntcht Kellner auch?—Gesteht, daß Saladin Mich besser kennt.—Schatzmeister bin ich bey Ihm worden. Nathan. Du?—bey chm? Derwisch. Versteht: Des kleinern Schatzes; denn de- größer« waltet Sein Vater noch—des Schatzes für sein Hans. Nathan. Sein Haus ist groß.

Derwisch. Und g rößer, als Ihr glaubt; Denn jeder Bettler ist von seinem Hause.

Nathan. Doch ist denSettlern Saladin so feint—

— ( 23 ) —

Derwisch. Daß er mit Stumpf und Stiel sie zu vertilgen Sich vorgesetzt,—und sollt'er selbst darüber 3um Bettler werden» Nathan. Brav! so meyn'ichs eben. Derwisch. Er ists auch schon, trotz einem!—Denn seinSchatz Ist jeden Tag mit SonnSnuntergang Viel leerer noch, als leer. Die Fluch, so hoch Sie Morgens ««tritt, ist des Mittags längst Verlaufen — NathanWeil Kanäle sie zum Theil Verschlingen, die zu füllen oder zu Verstopfen, gleich unmöglich ist. Derwisch. Getroffen! Nathan. Ich kenne das l Derwisch. Es taugt nun freylich nichts. Wenn Fürsten Geyer unter Aesern sind; Doch find sie Aefer unter Geyern, taugts Noch zehnmal weniger. Nathan. «O nicht doch, Derwisch! Nicht doch!

Derwisch. Ihr habt gut reden,Zhr!—Kommt an: WasaebtJhrmir? so tret'ich meine Stell' Euch ab. Nathan. Was bringt dir deine Stelle? Derwisch. Mir? Nicht viel. Doch Euch,Euch kann sie trefflich wu­ chern; Denn ist es Ebb' im Schatz,—wie öfters ist— So zieht Ihr Eure Schleusen auf: schießt vor. Und nehmt an Zinsen, was Euch nur gefallt. Nathan. Auch Zins vorn Zins der Zinsen? Derwisch. Freylich! Nathan. Bis Mein Kapital zu lauter Zinsen wird. D e r w i s ch. Das lockt Euch nicht?So schreibet unsrer Freund­ schaft Nur gleich den Scheidebrief! Denn wahrlich hab Ich sehraufEuch gerechnet. Nathan. Wahrlich? Wie Denn so? wie so denn?

Derwisch. Daß Ihr mir mein Amt Mit Ehren würdet führen helfen ; daß Ich allzeit offne Kaffe bey Euch hätte. —

Ihr schüttelt?

Nathan. Nun, verstehn wir uns nur recht! Hier giebts zu unterscheiden. — Du? warum

Nicht du ? Al-Hafi Derwisch ist zu allem, Was ich vermag, mir stets willkommen.— Aber Al-Hafi Defterdar des Saladin, Der— dem — Derwisch. Errieth ichs nicht ? Daß Ihr doch immer

So gut als klug, so klug als weise seyd! — Geduld ! Was Ihr am Hafi unterscheidet, Soll bald geschieden wieder seyn. — Sehtda

Das EhreiUlud, das Saladin mir gab. Eh es verschossen ist, eh cs zu Lumpen Geworden, wie fie einen Derwisch kleiden.

Hängt's in Jerusalem am Nagel, und Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete. N a t h a n. Dir ähnlich gnug!

Derwisch. Und Schach mit ihnen spiele.

Nathan. Dein höchstes Gut! Derwisch. Denkt nur, was mich verführte! — Damit ich selbst nicht länger bestellt dürfte ? Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte? Vermögend war* im Huy den reichsten Bettler In einen armen Neichen zu verwandeln? Nathan. Das nun wohl nicht. Derwisch. Weit etwas abgeschmackterS ! Ich fühle mich zum erstenmal geschmeichelt; Durch Saladins gurherz'gen Wahn geschmei­ chelt — Nathan. Der war? Derwisch. „Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern Zn Muthe sey; ein Bettler habe nur Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben. Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt, Zn rauh. Er gab so unhold, wenn er gab; Erkundigte so ungestümm sich erst Nach dem Empfänger ; nie zufrieden, daß Er nur den Mangel seltne, wollt' er auch Des Mangels Ursach wissen, nm die Gabe

— ( Z2 ) —

Nach dieser Ursach filzig abznwägen. Das wir- Al-Hafi nicht! So unmild mild Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen! Al-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht, Die ihre klar und still empfananen Wasser So nnrein und so sprudelnd wieder geben. Al-Hafi denkt: Al-Hafi fühlt wie ich!"— So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis Der Gimpel in dem Netze war.— Ich Geck! Ich eines Gecken Geck! Nathan. Gemach, mein Derwisch Gemach! Derwisch. Ey was! — Es war' nicht Geckerey, Bey Hunderttansenden die Menschen drücken Ausmargeln, plündern, martern, würgen z und Ein Menschenfreund an Einzeln scheinen wollen? Es wär' nichtGeckerey, des Höchsten Milde, Die sonder Auswahl über Bös' und Gute Und Flur und Wüsteney, in Sonnenschein Und Regen sich verbreitet, nachzuaffen, l!nd nicht des Höchsten immer volle Hand Zu haben? Was? Es wär'nicht Geckerey.... Nathan. Genug! hör' auf!

Derwisch. Laß meiner Geckerey Mich doch nur auch erwähnen! —Was? eS wäre Nicht Geckerey, an solche^ Geckereyen Die gute Seite dennoch auszuspüren. Um Antheil- dieser guten Seite wegen. Au dieser Geckerey zu nehmen ? He? Das nicht? Nathan. Al-Hafi, mache, daß du bald In deine Wüste wieder kömmst. Ich furchte Grad' unter Menschen möchtest du ein Mensch Zu seyn verlernen. Derwisch. Recht, das fürcht' ich auch. Lebt wohl! Nathan. So hastig ? — Warte doch, At-Hast. Entläuft dir denn die Wüste ? — Warte doch! Daß er mich hörte! — He, Al-Hafi, hier! — Weg ist er; und jch hätt' ihn noch so gern Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermuthlich Daß er ihn kennt.

Lessing 4.B.

C

Vierter A uft ritt. Daja eilig herbey. Nathan. D a j a. JD Nathan, Nathan! Nathan. Nun? Was gicbts? D ft j a. Er läßt sich wieder sehn! Er läßt Srch wieder sehn! Nathan. Wer, Daja? wer? Daja. Er! Er! Nathan. Er? Er? — Warum läßt sich der nicht sehn! — Ja so, Nnr euer Er heißt er. — Das sollt er nicht! Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht! Daja. Er wandelt unter Palmen wieder auf Und ab, und bncht von Zett zu Zeit sich Datteln. Nathan. Sie essend? — und als Tempelherr? Daja. Was quält

Ihr mich?— JhrgirrigAug' errieth ihn hinter

— C 35 )

Den dicht verschränkten Palmen schon z und folgt Ihm unverrückt. Sie laßt Luch bitten,— Euch Beschwören, — ungesäumt ihn anzugehn. JD eilt! Sie wird Euch aus dem Fenster winken, Ob er hinauf geht oder weiter ab Sich schlägt. £> eilt! Nathan. So wie ich vom Kameele Gestiegen? —Schickt sich das?— Geh, eile du Ihm zu, und meld ihm meine Wiederkunft. Gib Acht, der Biedermann hat nur mein Haus Zn meinem Abseyn nicht betreten wollen; Und kömmt nicht ungern, wenn der Vater selbst Ihn laden läßt. Geh, sag', ich laß' rhn bitten. Ihn herzlich bitten . . . D a j aAll umsonst! Er kömmt Euch nicht. —Denn kurz: Er kömmt zu keinem Juden Nathan. So geh, geh wenigstens ihn anznhaltenz Ihn wenigstens mit deinen Augen zu Begleiten. — Geh, ich komme gleich dir nach. (Nathan eilet hinein, und Daja heraus.)

E 2

F n n f t e r

Auftritt.

®rne: Ein Platz mit Palmen,

unter welchen der Tempelherr auf und nie­ der geht. Ein Klosterbruder folgt ihm in einiger Entfernung von der Seite, immer als ob er ihn anreden wolle.

Tempelherr. Der folgt mir nicht vor langer Weile! — Sieb, Wie schielt er nach den Händen!— Guter Bru­ der, — Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht? Klosterbruder. Nur Bruder. — Layendruder nur; zu dienen.

Tempelherr. Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte! Bey Gott! bey Gott! ich habe nichts —

Klosterbruder. And loch Recht warmen Dank! Gott geb'Euch tauftnfach

Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille Und nicht die Gabe macht den Geb?r. — Auch

Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar Nicht nachgeschickt.

Tempelherr. Doch aber nachgeschickt? Klosterbruder. Ja; aus dem Kloster.

( S7 )

Tempelherr. Wo ich eben jetzt Ern kleines Pilgermahl zu finden hoffte? Klosterbruder. Die Tische waren schon besetzt. Komm' aber Der Herr nur wieder mit zurück. Tempelherr. Wozu? Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen; Allein was thuts? Dre Datteln sind ja reif. Klosterbruder. Nehm' sich der Herr in Acht mit dieser Frucht. Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft Die Milz; macht melancholisches Geblüt. Tempelherr. Wenn ich nun melancholisch gern mich fühlte? Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr Mtr doch nicht nachgeschickt? Klosterbruder. £> nein! — Ich soll Mich nur nach Euch erkunden; auf den Zahn Euch fühlen. Tempelherr» Und das sagt ihr mir so selbst? Klosterbruder. Warum nicht?

- ( 38 ) T empelherr. (Ein verschmitzter Bruder!) — Hat

Das Kloster Eures gleichen mehr? Klosterbruder. Weiß nicht. Ich muß gehorchen, lieber Herr. Tempelherr.

Und da Gehorcht Ihr denn auch ohne viel zu klügeln ? Klosterb rüder. War's sonst gehorchen, lieber Herr?

Tempelherr. (Daß doch Die Einfalt immer Recht behalt!) — Ihr dürft Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern Genauer kennen möchte? — Daß Ihrs selbst Nicht seyd, will ich wohl schwören. Klosterbruder.

Ziemte mirs? Und frommte mirs?

Tempelherr. Wem ziemt und frommt es denn, Daß er so neubegierig ist? Wem denn?

Klosterbruder. Dem Patriarchen; muß ich glauben. — Denn Der sandte mich Euch nach.

Tempelherr. Der Patriarch? Kennt derdasrotheKreuz Auf weisem Mantel Nicht besser? Klosterbruder. Kenn' ja ichs! Tempelherr. Nun, Bruder? nun? — Ich bin ein Tempelherr; und ein Gefang'tter. Setz' ich hinzu - gefangen bey Tebnin, Der Burg, die mit des Stillstands letzter Stunde Wir gern erstiegen hatten, um sodann Ans Sidon los zu gehn; — setz' ich hinzu; Selbzivanzigster gefangen und allein Vom Saladin begnadigt; so weiß Der Patriarch, was er zu wissen braucht', — Mehr, als er braucht. Klosterbruder. Wohl aber schwerlich mehr. Als er schon weiß. —Er wußt'auch gern, warum Der Herr von Saladin begnadigt worden; Er ganz allein. Tempelherr. Weiß ich das selber? — Schon Den Hals entblößt, kniet' ich auf meinem Mantel Deil Streich erwartend- als mich scharferSaladin JnSArrge faßt, mir naher springt, und winkt.

Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will Ihm danken; seh' sein Aug' in Thränen: stumm Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. — Wie Nun das zusammen hangt, enträthsle sich Der Patriarche setbst. Klosterbruder.

Er schließt daraus. Daß Gott zu großen, großen Dingen Euch Mü^' ausbehalten haben.

Tempelherr.

Ja, zu großen! Ein Judenmadchen aus dem Feur zu retten; Auf Sinai neugier'ge Pilger zu Gelelten; und dergleichen mehr. Klosterbruder. Wird schon Noch kommen'— Ist inzwischen auch nicht übel.— Vielleicht hat selbst der Patriarch bereits Weit wicht'gere Geschäfte für den Herrn. Tempelherr. So ? meynt Ihr, Bruder ? Hat er gar Euch schon

Was merken lassen? Klost erbruder. Ey, ja wohl! — Ich soll Den Herrn nur erst ergründen, ob er so Der Mann wohl ist.

— ( 4i ) — Tempelherr. Nunjg; ergründet nur! (Ich will doch sehn, wieder ergründet.) Nun? Klosterbruder. Daskürzste wird wohl seyn, daß ich dem Herrn Ganz geradezu des Patriarchen Wunsch Eröffne. Tempelherr. Wohl! Klosterbruder. Er hatte durch den Herrn Ein Briefchen gern bestellt. L e m p e l h e r r. Durch mich? Ich bin Kein Böthe. — Das, das wäre das Geschäft, Das weit glorreicher sey, als Judenmädchen Dem Feu'r entreißen? Klosterbruder. Muß doch wohl! Denn — sagt Der Patriarch — an diesem Briefchen sey Der ganzen Christenheit sehr viel gelegen. DtesBrrefchen wohl bestellt zu haben, — sagt DerPatriarch, —werd' einst im Himmel Gott Mit emer ganz besondern Krone lohnen. Und dieser Krone, — sagtder Patriarch,— Sey ulemand wnrd'ger, als mein Herr.

Tempelherr. Als ich? Klosterbruder. Denu diese Krone zu verdienen, — sagt Der Patriarch, — sey schwerlich jemand auch Geschickter, als mein Herr. Lem'pelh er r. Als ich? Klosterbruder. Er sey Hier frey; könn' überall sich hier besehn; Versteh', wie eine Stadt zu stürmen und Zu schirmen; könne — sagt der Patriarch — Die Stärk' und Schwäche der von Saladin Neu aufaeführten, innern, zweyten Mauer Am besten schätzen, sie am deutlichsten Den Streitern Gortes--sagt der Patriarch — Beschreiben. Tempelherr. Guter Bruder, wenn ich doch Nun auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte. Klosterbruder. Ja den,— den weiß ich nun wohl nicht so recht. Das Briefchen aber ist an König Philipp. — Der Patriarch — Zch hab' nuch oft gewundert, Wie doch ein Sedier, der sonst so ganz Zm Himmel lebt, zugleich so uttterrrchtet

Bon Dingen dieser Welt zu seyn herab

Sich lassen kann.

Es muß ihm sauer werden I

Tempelh err. Nun denn? der Patriarch? — Klosterbruder.

Weiß ganz genau, Ganzzuverlaßig, wie und wo, wie stark, Von welcher Seite Saladin, im Fall Es völlig wieder losgeht, seinen Feldzug Eröffnen wird.

Tempelherr.

Das weiß'er? Klosterbruder. Ja, und möcht' Es gern den König Philipp wissen lassen, Damit der ungefähr ermessen könne, Db die Gefahr denn gar so schrecklich, um Mit Saladin den Waffenstillstand, Den Euer Orden schon so brav gebrochen,

Es koste was es wolle, wieder her Zu stellen. Tempelherr. Welch ein Patriarch! — Ja so! Der liebe tapfre Mann will mich zu feinem

Gemeinen Bothen; er will mich — zum Spion.— Sagt Euerm Patriarchen, guter BruderSo viel Ihr mich ergründen können, war'

Das meine Sache nicht. Ich muffe mich Noch als Gefangenen betrachten; und Der Tempelherren einziger Berns Sey mit dem Schwerte drcinzu schlagen, nicht Kundschafterey zn treiben. Klosterbruder. Dacht'ichs doch ! — Wills auch dem Herrn nicht eben sehr verübeln- — Zwar kömmt das Beste noch. — Der Patriarch Hiernachst hat ausgegattert, wie die Feste Sich nennt, und wo aufLlbanon sie liegt, In der die ungeheuern Summen stecken. Mit welchen Saladins vorsicht'ge- Barer Das Heer besoldet, und die Zurüstungen Des Kriegs bestreitet. Solgdin verfügt Von Zeir zu Zeit auf abgelegnen Wegen Nach dieser Feste sich, nur kaum beglertet. Ihr merkt doch ? Tempelherr. Nimmermehr! Klosterbritder. Was wäre da Wohl leichter, als des Satadins sich zu Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? — Ihr schaudert? — O, es haben schon ein Paar Gottesfürcht'ge Maronite« sich erboten. Wenn nur ein wackrer Mann sie führen wolle. Das Stück zu wagen.

Tempelherr. Und der Patriarch Hatt' auch zu diesem wakern Manne mich

Ersehn?

Klosterbruder. Er glaubt, daß König Philipp wohl Von Molemais aus die Hand hierzu Am besten bieten könne. T empelherr. Mir? mir, Bruder? Mir? Habt Ihr nicht gehört ? nur erst gehört,

Was für Verbindlichkeit dem Saladin Ich habe? Klosterbruder. Wohl hab' ichs gehört.

Tempelherr. Und doch? Klosterbruder. Ja, — meynt der Patriarch, das wär' schon gut; Gott aber und der Orden , . .

Tempelherr. Aendern nichts! Gebieten mir kein Bubenstück! Klosterbruder.

Gewiß nicht! — Nur, — meynt der Patriarch, — sey Bubenstück Vor Menschen, nicht auch Bubenstück vor Gott.

Tempelherr. Ich war' dem Saladin mein Leben schuldig; Und raubt ihm seines? Klosterbruder. Pfuy! —Doch bliebe,—meynt Der Patriarch, noch immer Saladin Ein Fernd der Christenheit, der Euer Freund Zu seyn, kein Recht erwerben könne. Tempelherr. Freund? An dem ich bloß nicht will zum Schurken werben; Zum undankbaren Schurken? Klosterbruder. Allerdings! — Zwar, — meyntder Patriarch,—des Dankes sey Man quitt, vorGott und Menschen quitt,wenn uns Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen. Und da verlauten wolle,— meynt der Patriarch,— Daß euch nur darum Saladin begnadet, Weil ihm in Euer Mien', in Eurem Wesen, So was von fernem Bruder eingeleuchtet... Tempelherr. Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? — Ah! wäre das gewiß! Ah, Saladin! — Wie? die Natur hatt' auch nur Einen Zug Von mir in deines Bruders Form gebildet: Und dem entspräche nichts in meiner Seele? Was dem entspräche, könnt'' ich unterdrücken.

Um einem Patriarchen zu gefallen? Natur, so laugst du nicht! So widerspricht Sich Gort in seinen Werken nicht! — Gehr Bru­

der! — Erregt mir meine Galle nicht! — Geht! geht! Klosterbruder. Ich geh'; und geh' vergnügter, als ich kam. Verzeihe mir Oer Herr. Wir Klosterleute Sind schuldig, unsern Dbern zu gehorchen-

Sechster Auftritt.

Der Tempelherr und Daja, die den Tem­ pelherrn schon eine Zeit lang von weitem beob­ achtet hatte, und sich nun ihm nähert.

D a j a. Der Klosierbruder, wie mich dünkt, ließ in

Der besten Laun' ihn nicht.—Doch muß ich mein Paket nur wagen. Tempelherr. Nun, vortrefflich!— Lügt Das Sprichwort wohl z daß Mönch und Weih, und Werb Und Mönch des Teufels beyde Krallen sind?

Er wirft mich heut' aus einer in die andre.

D a j a. Was seh' ich? — Edler Ritter, Euch?—Gott Dank Gort tausend Dank! — Wo habt Ihr denn

Dir ganze Zeit gesteckt ? — Ihr seyd doch wohl

Nicht krank gewesen? Tempelherr. Nein. D a j a. Gesund doch ? Tempelherr.

Ja. D a j a.

Wir waren Euretwegen wahrlich ganz Bekümmert.

Trmpelherr. So?

a j a. Ihr war'« gewiß verreist ? Tempelherr. Errathen l D a j a. Und kämet heut erst wieder ? Trmpelherr. Gestern.

Das«. Auch Recha's Vater ist hcut angekommen.

Und nun darfAecha doch wohl hoffen? Tempelherr.

War?

D a j a. Warum sie Euch so öfters bitten lassen.

Ihr Vater ladet Euch nun selber bald Aufs dringlichste. Er kömmt von Babylon, Mit zwanzig hoch beladenen Kameelen, Und allem, was an edlen Specereyen, An Steinen und an Stoffen, Indien Und Persien und Syrien, gar Sina, Kostbares nur gewähren. Lempelh err. Kaufe nichts.

D a j a. Gern Volk vrrehret ihn als einen Fürsten.

Doch daß es ihn den Weisen Nathan nennt. Und nicht vielmehr den Reichen, hat mich oft Gewundert. Tempelherr. Seinem Volk ist reich und weise Vielleicht das nähmliche.

D a j a. Vor allen aber Hätt's ihn den Guten nennen müssen.

Denn

Ihr stellt Euch gar nicht vor, wie gut er ist.

Als er erfuhr, wie viel Euch Aecha schuldig Was hätt', in diesem Augenblicke, mcht

Er alles Euch gethan, gegeben!

Lessing 4. B.

D

Tempelherr. Ey!

D a j a. Versuche und kommt und seht! Tempelherr. Was denn? Wie schnell

Ein Augenblick vorüber ist?

D a i aHatt' ich Wenn er so gut nicht wär’, es mir so lange

-Bey ihm gefallen lassen? Mepnt Ihr etwa. Ich suhle meinen Werth als Christinn nicht? Auch mir wards vor der Wiege nicht gesungen.

Das ich nur dürnm meinen Ehgemahl Nach Palästina folgen würd', um da Ein Judenmadchen zu erziehen.

Es war

Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht In Kaiser Friedrichs Heere —

Tempelherr. Von Geburt Ein Schweizer, dem die Ehr' und Gnade ward, Mn seiner Kaiserlichen Majestät

In einem Flusse zu ersaufen.— Weib! Wie vielmal habt Ihr mir das schon erzählt?

Hört Ihr denn garnicht auf mich zu verfolgen? D a j a. Verfolgen! lieber Gott!

Tempelherr. Ja, ja, verfolgen.

Ich will nun einmal Euch nicht weiter sehn! Nicht hären! Wlll von Euch an eine That

Nicht fort und fort erinnert seyn, bey der Ich nicht gedacht; die, wenn ich drüber denke. Zum Räthsel von mir selbst mir wird.Zwarmöcht' Ich sie nicht gern bereuen.

Aber seht!

Ereignet so ein Fall sich wieder: Ihr SeydSchuld,wenn ich so rasch nicht handle; wenn Ich mich vorher erkund',—und brennen lasse,

Mas brennt. D a j a.

Bewahre Gott! L empelh err. Von heut an thut Mir den Gefallen wenigstens, und kennt

Mich weiter nicht. Ich bitt' Euch drum. Auch laßt Den Vater mir vom Halse. Jüd' ist Jude. Ich bin ein plumperSchwab.Des MädchensBild Ist längst aus meiner Seele z wenn es je Da war.

D a j a. Doch Eures ist aus ihrer nicht.

Tempelherr. Was soll's nun aber da? was solls?

D s

D a j a. Wer weiß! Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen. T e m p e l h e r r. Doch selten etwas Bessers. (Es geht.) D a j aWartet doch! Was eilt Ihr? Tempelherr. Weib, macht mir die Palmen nicht Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle. D a j a. So geh', du deutscher Bar ! so^eh'l — Und doch Muß ich die Spur des Thieres nicht verlieren» (Sie geht ihm von weitem nach»)

— ( 53 )

Zweyter Auszug. Erster Auftritt. (Die Scene: des Sultans Pallast.) S a l a d i n und S i t t a h spiele« Schach. S i t t a h. Wo bist du, Saladin? Wie spielst du beut? Saladin. Nicht gut,? Ich dachte doch. S i t t a h. Für mich; und kaum. Nimm diesen Zug zurück. Saladin. Warum? S i tt a h. Der Springer Wird unbedeckt. Sa l a d i n. Ist wahr. Nu» so! S i t t a h, So Zieh' Ich in die Gabel.

S a l a d i n. Wieder wahr.— Schach bcnn! S i t t a h. Was hilft dir das? Ich setze vor; und du Bist, wie du warst.

S a l a d i n. Aus dieser Klemme, seh'

Ich wohl, ist ohne Buße nicht zu kommen. Mags! nimm den Springer nur. S i t t a h. Ich will ihn nicht-

Ich geh vorbey. S a l a d i n. Du schenkst mir nichts. Dir liegt

An diesem Platze mehr, als an dem Springer. S i t t a h.

Kann seyn. S a l a d i n. Mach deine Rechnung nur nicht ohne Den Wirth. Denn steh! Was gilts, das wirst

du lucht Vermuthen? S r t t a h. Freylich nicht. Wie konnt'ich auch Vermuthen, daß du deiner Königinn So müde wärst?

— 0.5 ) — ©alabin. Ich meiner Königinn? S i t t a bIch seh' nun schon : soll beut meine tausend Dinar', fein Naserinchen mehr gewinnen. S a l a d i n. Wie so? S i t t a h. Frag noch '.—Weil du mit Fleiß, mit aller Gewalt verlieren willst.—Doch dabey sind' Ich meine Rechnung nicht. Denn außer, daß Ein solches Spiel das unfer{jaFtenfIe Nicht ist: gewann ich immer nicht am meisten Mit dir, wenn ich verlor? Wann hast du mir Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen Zn trösten, doppelt rncht hernach geschenkt? S a l a d i n. Ey sieb! so hättest du ja wohl, trenn dn Verlorst, mit Fleiß vtcloren, Schwesterchen? S i t t a h. Zum wenigsten kann gar wohl seyn, daß deine Freygebigkeit, mein liebes Brüderchen, Schuld ist, daß ich nicht besser spielen lernen. S a l a d i nWir kommen ab vom Spiele. Mach ein EndeS i t t a h. So bleibt es? Nun denn: Schach! und doppelt Schach -

- ( L6 ) S a l a d i n. Nun freylich; dieses Abschad hab'ich nicht Gesehn, daß meine Königinn zugleich Mit niederwirft. S i t t a h. War dem noch übzuhelfen? Laß sehn! S a l a d i n. Nein,nein: zümmnurdie Königinn Ich war mit diesem Steine nie recht glücklich. S i r t a h. Blos mit dem Steine? S a l a d l n. Fort damit! — Das thut Mir nichts. Denn so ist alles wiederum Geschützt. S i t t a h. Wie höflich man mit Königinnen Verfahren müsse, hat mein Bruder mich Zu wohl gelehrt. (Sie läßt sie stehn.) S a l a d i n. Nimm, oder nimm sie nicht Ich habe keine mehr. S i t t a h. Wozu sie nehmen? Schach! — Schach! S a l a d i n. Nur weiter.

Sittah. Schach'—und Schach!—und Schach! S a l a d t n. Und matt! S L t t a h. Nicht ganz; du ziehst den Springer noch Dazwischen; oder was du machen willst. Gleichviel! S a l a d i n. Ganz recht! —Du hast gewonnen; und Al - Hast zahlt—Man laß ihn rufen! gleicht Du hattest, Sittah, nrcht so unrecht; ich War nicht so ganz beym Spiele; war zerstreut. Und dann: wer giebt uns denn die glatten Steine Beständig, die an nichts erinnern, nichts Bezeichnen ? Hab ich nut dem Jman denn Gespielt? — Doch rvae? Verlust tviU Vorwand. Nicht Die ungeformten Steine, Sittah, sinds Die mich verlieren trachten ; deine Kunst, Dein ruhiger und schneller Attck . . ° Sittah. Auch ss Willst du den Stachel des Verlusts nur stumpfen. Genug du warst zerstreut; und mehr als ich S a l a d i n. Als du? Was haue dich zerstreuet?

Sittah. Deine Zerstreuung freylich nicht!—O Saladin, Wann werden wir so fleißig wieder spielen! S a l a d i n. So spielen wir um so viel gieriger!— Ah! weil es wieder losgeht, meynfl du?—Mags!—Nur zu! — Ich habe nicht zuerst gezogen ; Ich hätte gern den Stillestand aufs neue Verlängert; hätte meiner Sittah gern. Gern einen anten Mann zugleich verschaft. Und das muß Richards Bruder seyn; er ist Ja Richards Bruder. Sittah. Wenn du deinen Richard Nur loben kannst! S a l a d i n. Wenn unsern Bruder Melek Dann Richards Schwester wär' zu Theile worden Ha! welch ein Hans zusammen ! Ha, der ersten. Der besten Häuser in der Welt das beste '— Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch Nicht faul. Ich dünk' mich meinerFrennde wfrth. Das hatte Menschen geben sollen' das! Sittah. Hab' ich des schönen Traums nicht gleich gelacht; Du kennst dieChristen nicht,willst sie nicht kennen.

( 59 ) -

Ihr Stolz ist: Christen seyn; nicht Manschen. Denn Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her. Mit Menschlichkeit den Aberglauben würzt, Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist: WeilsChristuslehrt-weilsChristus hat gethan.— Wohl ihnen, daß er ein so guter Mensch Noch war! Wohl ihnen, daß sic seine Tugend Auf Treu und Glauben nehmen können! —Doch, Was Tugend!—Seine Tugend nicht; sein Name, Soll überall verbreitet werden; soll Die Namen aller guten Menschen schänden. Verschlingen. Um den Namen,um den Namen Ist ihnen nur zu thun. S a l a d i n. Dumeynst: warum Sie sonst verlangen würden, daß auch ihr, Auch du und Melek, Christen hießet, eh Als Ehgemahl ihr Christen lieben wolltet? S i t t a h. Ja wohl! Als wär' vonChrisie.'t rrur,alsChrisien, Die Liebe zu gewärtigen, womit Der Schöpfer Mann und Männin ausgestattct! S a l a d i n. Die Christen glauben mehr Armseligkeiten, Als das sie die nicht auch noch glauben könnten! Und gleich wohl irrst du dich,—DieTempelherrea,

— ( 6o ) — Die Christen nicht, sind Schuld : sind nicht, als ^Christen, Al-Tempelherren, Schuld. Durch die allein Wird ans der Sache nichts. Sie wallen Aeca, Das Richards Schwester unserm Bruder Melek ZumBcautschatz bringen müßte, schlechterdings Nlcht fahren lassen. Daß des Rttters Vortheil Gefahr nicht taufe, spielen sie den Mönch, Den albern Mönch. Und,ob vielleicht im Fluge Ein guter Streich gelange: haben sie Des Waffenstillstandes Ablauf kaum Erwarten können.—Lustig! Nur so weiter? Ihr Herren, nur so weiter!—Mir schon recht !—* War' alles sonst nur, wie es müßteS i t t a h. Nun? Was irrte dich denn sonst? Was könnte sonst Dich aus der Fassung bringen? S a l a d i n. Was von je Mich immer aus der Fassung hat gebracht.—» Ich war aufLtbanon, bey unserlmVater. Er unterliegt den Sorgen noch. . . S i t t a h, D weh'. S a l a d i n. Ex kann nicht durches klemmt sich aller Deren Es fehlt bald da, bald dort---

Sittah. Was klemmt? was fehlt ? S a l a d Z n. Was sonst, als was ichkaum zu nennen würd'ge! Was, wenn ichs habe, mi?so überflüßig, Und, hab' ichs nicht, so unentbehrlich scheint.— Wo bleibt Al-Hafi denn ? Ist niemand nach Ihm aus? -r Das leidige, verwünschte Geld — Gut, Hast, daß du kömmst.

Zweyter Austritt. Der Derwisch Al-Hast. Saladin. Sittah.

Al. H a f t Die Gelder aus Aegypten sind vermuthlich angelangt. Wenns nur fein viel ist. Saladin. Hast du Nachricht? Al-Hafi. Ich? Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in Empfang soll nehmen. Saladin. Zahl an Sittah tausend Dinare! (In Gedanken hin und her gehend.)

Al - Hafi. Zahl! anstatt, empfang! O schön! Das ist für was nach weniger als Nichts.— An Sittah ?— wtedernm an Sittah? Und Verloren? — wiederan im Schach verloren? — Da steht es noch das Spiel! Sittah. Du gönnst mir doch Mer» Glück? Al-Haft, (das Spiel betrachtend.) Was gönnen ? Wenn—Ihr wißt ja wohl, Sittah (chm winkend.) Bst - Hast! bst! A l - H a f i (noch anfdas Spiel gerichtet.) Gönnts Euch nur selber erst! Sittah. Al-Hast; bst! A l - H a f i (zu Sittah.) Die werßen waren Euer? Ihr breret Schach? Sittah. Gut, daß er nichts gehört! Al - Hafi. Nnn ist der Zug an ihm? Sittah (ihm naher tretend.)

So sage doch. Daß ich mein Geld bekommenkann.

AL - Hasi (noch ausdas Spiel geheftet.) Nun ja; Ihr sollts bekommen, wie Ihrs stets bekommen. S i t t a h. Wie? bist du toll? A l-H a fi. Das Spiel ist ja nicht aus. Ihr habt ja nicht verloren, Saladin. S a l a d i n (kaum hinhörend.) Doch! doch! Bezahl'! bezahl! Al - Hafi. Bezahl! bezahl! Da steht ja Eure Königinn. Saladin (noch so.) Gilt nicht; Gehört nicht mehr ins Spiet.

S i t t a h. So mach, und sag, Daß ich das Geld mir nur kann holen lassen, A l-H a fi (noch immer in das Sprel vertieft) Versteht sich, ft wre immer.—Menn auch schon; Wenn auch die Königuru Nichts gilt: Ihr seyd Doch darum noch nicht matt. Saladin (tritt hinzu, und wirft bas Spiet um) Ich bin es; will Es seyn.

- ( 64 ) A l - H a fi. Ja so'.—Spiel wie Gewinnst! So wie Gewonnen, so bezahlt. Galad L n (zuSittah.) Was sagt er? was ? S* ttal) (von Zeit zn Zeit dem Hast winkend.) Dn kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; Laßt gern Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch.— S a l a d i n. Auf dich doch nicht ? Auf meine Schwester nicht? Was hör' ich, Haß? Neidrsch ? Du? A l . H a fi. Kann seyn! Kann seyn'— Ich hatt'ihr Hirn wohl lieber selbstWar' lieber selbst so gut, als sie. S i t t a h. Indeß Hat er doch immer richtig noch bezahlt. Und wird auch heut' bezahlen, "^aß lhn mir!— Geh nur, Al-Hafi, geh l Ich will das Geld Schon holen lassen. Al-Hafi. Nein; ich spiele langer Die Mnmmerey nicht mit. Er muß es doch Einmal erfahren. S a l a d i n. Wer? und was?

(65)-

Sittah. Al-Hafi! Ist tieft# Mn Versprechen? Hältst du s» Mir Wort? A l . H a f i. Wie konnt' ich glauben, daß ess» Weit gehe» würde!

S a l a d i n. Nun? erfahr' ich nicht#? S i t t a hIch bitte dich, Al-Hafi- ftp bescheiden. S a l a d i n. Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah

So fryerlich, so warm bey einem Fremden, Bey einem Derwisch lieber, als bey mir,

Bey ihrem Bruder sich verbitten wollen. Al-Hafi, nun befehl' ich. — Rebe, Derwisch l Sittah.

Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir Nicht naher treten, als sie würdig ist. Du weißt, ich habe zu verschirdnen Male» Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen. Und weil ich jetzt das Geld nicht nöthig HabeWeil jetzt in Hafi's Kaffe doch das Geld

Nicht eben allzuhaufig ist, so find

Die Posten stehn geblieben.

Lessing 4. B.

Aber sorgt

Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder, Noch Hafi, noch der Kasse schenkenA l . H a f i. Ja, Wenns das nur wäre! das! S i t t a h. Und mehr dergleichen. —• Auch ist bas in der Kaffe stehn geblieben. Was du mir einmal ausgeworfen; ist Seit wenig Monden stehn geblieben. A l . p a f i. Noch Nicht alles. S a l a d i «. Noch nicht? — Wirst du reden? A l . H a f i. Seit aus Ägypten wir das Geld erwarten,

Hat sie - . S i t t a h (zu Saladin.) Wozu ihn hören? A l , H a f i. Nicht nur nicht« Bekommen. . . S a l a d t n. Gutes Mädchen l —Auch beyher Mit vorgrschvssen. Nicht?

Al. Hafi. Den ganze» Hof

Erhalten; Euer» Aufwand ganz allein gestritten. S a l a d.i n. Ha! da« ist meine Schwester! (sie umarmend.)

S i t t a h. Wer hatte, dieß zu können, mich f» reich

Gemacht, al« du, mein Bruder?

A l - H a f i. Wird schon auch So bettelarm sie wieder machen, al«

Er selber ist. S a l a d i n. Ich arm? der Bruder arm? Wann hab' ich mehr? wann weniger gehabt? —

Ein Kleid, Ein Schwert, Eia Pferd,—und Einen Gottt Was brauch' ich mehr? Wann kann« en dem mir

fehlen? Und doch, Al-Hasi, könnt' ich mit dir schelten. S i t t a h. Schilt nicht, mein Bruder. Wen« ich unserm

Vater Auch seine Sorgen so erleichtern könnte 1

« >

G L l L d i N. Äh! ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit Auf einmal wieder nieder! — Mir, für mich Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Ader ihm

Ihm fehlet; und in ihm uns allen. — Sagt, Was soll ich machen? — Aus Ägypten kommt Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt. Weiß Gott. Es ist doch da uoch alles ruhig. —*

Abbrechen, einziehn, sparen will ich gern, Mir gern gefallen lassen, wenn eS mich, Bloß michbctrift; bloß mich, und niemand sonst

Darunter leibet.— Doch was kann das machen ? Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch

haben. Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen. Ihm gnügt schon so mit wenigem genug r Mit meinem Herzen. — Auf den Überschuß Von deiner Kaffe, Hast, hatt' ich sehr Gerechnet.

« l - Hafi. Überschuß? — Sagt selber, oh

Ihr mich nicht hattet spießen, wenigstens Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuß Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja,

Auf Unterschleif! das war zu wage». G a.l a d i n. Nun,

( 6y) Was machen wir denn aber? — Konntest bu Dor erst den niemand andern borgen, als Bey Sittah?

Sittah. Würd' ich diese- Dorrecht, Bruder, Str baden nehmen lassen? mir von ihm?

Auch noch besteh ich dranf. Dem Lrocknen völlig nicht.

Noch bin ich auf

S a l a d i n.

Rur völlig nicht? Das fehlte «och!—Geh gleich, mach Anstalt, Hast!

Nimm auf, bey wem du kannst! und wie du kannst! Geh, borg, versprich! — Nur, Hast, borge nicht

Bey denen, die ich reich gemacht. Denn borgen Von diesen, möchte wieder fordern heiße«. Geh zu den Geizigsten; dir werden mir Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl. Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert. A l. H a f i. Ich kenne deren keine. Sittah. Eben fällt

Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß!

Drin Freund zurückgekommen. A l . H a f i (betroffen). Freund? mein Freund ) Wer wie* denn da-?

S i t t a h. Dem hochgepriesner Jude.

A l - ß a f i.

Gepriesner Jubel? hoch von mir ? S i t t a h. Dem Gott —

Mich denkt des Ausdruck- noch recht wohl, deß einst D» selber dich von ihm bedientest — dem Sein Gott von allen Gütern dieser Welt

Da- kleinst' und größte so in »ollem Maß Ertheilet habe. — Al, Hasi. Sagt' ich so? — Wa- mcynt' Ich den» damit?

S i t t a h.

Da- kleinste: Reichthum; und

Da- größter Weisheit. « l. Hafi. Wie? von einem Juden?

Don einem Juden hatt' ich dar gesagt? S i t t a h. Da- hättest du von deinem Äatha« nicht

Gesagt? « l . H a f i. Ja so! von dem! »on Nathan! — Fiel Mik der doch-ar nicht de». —Wahrhaftig? De»

( 7t ) Ist endlich wieder Heim gekommen? Ey!

So mag- doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn.—

Ganz recht; den nannt' einmal da- Volk dm Wei­ sen I

Den Reichen auch. S 1 t t a h. Den Reichen nennt es ihn

Jetzt mehr al- je. Die ganze Stadt erschallt, Wa- er'für Kostbarkeiten, wa- für Schatze Er mitgebracht. « l - H a f i.

Nun, ist- der Reiche wieder: So wird- auch wohl der Weise wieder seyn. S i t t a h. Wa- meynst du. Hast, wenn du diesen angingst?

A l . H a f i. Und wa- bey ihm? — Doch wohl nicht borgen? —

3a, Da kennt Ihr ihn!— Er borge»!—Seine Weisheit Ist eben, daß er niemand borgt.

S i t t a h. Du hast Mir sonst doch ganz ein ander Bild »on ihm j Gemacht? Al, Hafi. Zur Noth wird er euch Waaren borgen. Gelb aber, Geld? Geld nimmermehr! — E- ist

Ein Jude freylich übrigens, wie's nicht Biel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er

Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten, Don allen andern Juden aus. — Auf den Auf den nur rechnet nicht. — Den Armen gibt Er zwar; und gibt vielleicht, trotz Saladin: Wenn schon nicht ganz so viel; doch ganz so gern; Doch ganz so sonder Ansehn. Jud' und Christ

Und Muselmann und Parfi, alles ist Ihm eins. S i t t a h.

Und so ein Mann. . . Sal-din. Wie kommt es denn. Daß ich von diesem Manne nie gehört? . . • Sittah. Der sollte Saladin nicht borgen? nicht Dem Saladin, der nur für Andre braucht,

Richt sich 7

Al-Ha f i. Da seht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden'— Glaubt mirs doch— Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, So neidisch! Jedes Lohn von Go tt, das in Der Welt gesagt wird, zig' er lieber ganz Allein. Nur dann eben leiht er keinem.

Damit er stets zu-geben habe.

Weil

Die Mild' ihm im Gesetz geböthe«: die Gefälligkeit ihm aber nicht gebothen: macht

Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er ist zu allem gut - bloß dazu nicht; Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich

Nur gehn, an andre Thüren klopfen. . . Da Besinn' ich mich so eben eines Mohre», Der reich und geizig ist. — Ich geh'; ich geh'.

Sit < « h. Was eilst du, Hast?

S a la d i n. Laß ihu! laß ihn! Drille» Auftritt. Sittah.

Saladi«.

S i t t a h.

eilt Er doch, als ob er mir nur gern entkäme! — Was heißt das? r— Hat er wirklich sich i« ihm

Betröge«, oder — möcht' er uns nur gern Betrüge» ?

— ( 74 ) S a l a d L n. Wie? da- fragst du mich? Ich weiß

Ja kaum, von wem die Rede war; und höre Von eurem Juden, eurem Rathan, heut' Zum erstenmal.

S i t t a h.

Ist- möglich, daß ein Mann

Dir so verborgen blieb, von dem es heißt, Er habe Salomon- und David- Gräber Erforscht, uud wisse deren Siegel durch Ein mächtige- geheime- Wort zu lösen?

Au- ihnen bring' er dann von Zeit zu Zeit Die unermeßlichen Reichthümer an

Den Lag, die kernen mindern Quell verriethen? S a l a d i n. Kat seinen Reichthum dieser Mann au- Gräbern» So waren- sicherlich nicht SalomonNicht David- Gräber. Narren lagen da Begraben! S i t t a h.

Qder Bösewichter! — Auch

Ast seine- Reichthum- Quelle weit ergiebiger. Weit unerschöpflicher, al- sein Grab Voll Mammon» S a l a b i n. Denn er handelt; wie ich hörte.

S L t r a h. Sein Saumthier treibt auf alten Straßen, zieht

Durch alle Muffen; seine Schiffe liegen In allen Häfen. Das hat mir wohl eh

Al-Hast selbst gesagt, und voll Entzücken

Hinzugefugt: wie groß, wie edel dieser St!» Freund anwende, was so klug und emstg Er zu erwerben für zu klein nicht achte; Hinzugefügt, wie frey von Vorurtheilen Sein Geist; sein Herz wie offen jeder Lugend, Wie eingestrmmt mit jeder Schönheit sey. S a l a d i n. Und jetzt sprach Hast doch so ungewiß,

So kalt von ihm. S i t t a v. Kalt nun wohl nicht; verlegen;

Als halt' ers für gefährlich, ihn zu loben, Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadelns Wie? oder wär' es wirklich so, daß selbst

Der Beste seines Volkes seinem Volke Nicht ganz entfliehen kann? daß wirklich fich Al - Hast seines Freund's von dieser Seite

Zu schämen hätte? —Sey dem, wie ihm wolle! — Der Jude sey mehr oder weniger Als Jud': ist er nur reich; genug für «ns.

S a l a d i m Du willst ihm aber doch das Seine mit Gewalt nicht nehmen, Schwester?

(76) S L t 1 a h. Ja, was heißt Bey dir Gewalt? Bey Fcu'r und Schwert? Rein, nein. Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt, Als ihre Schwache?—-Kamm für jetzt nur mit In meinen Haram, eure Sängerinn Zu hören, die ich gestern erst gekauft. Es reift indeß bey mir vielleicht eia Anschlag, Den ich auf diesen Nathan habe. — Komm!

Vierter Auftritt. Scene: Dor dem Hause des Nathan, wo eS an die Palmen stößt.

St e ch a und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja.

9t e ch a. Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Er Wird kaum noch mehr zu treffen seyn. Nathan. Nun, nun; Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehrDoch anderwärts.— Sey jetzt nur ruhig.— Sieht Kömmt dort nicht Daja auf uns zu?

R e ch a. Sir roir>

Ihn ganz gewiß verloren haken.

Nathan. Auch

Wohl nicht. lll r ch a. Sie würde sonst geschwinder komme«. Nathan. Sie hat i»nS wohl noch nicht gesehen. . .

R e ch a. Nun sieht

Sie uni. Nathan. Und doppelt ihre Schritte. Sieh! — Sey doch nur ruhig! ruhig!

R e ch a. Wolltet Ihr Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre?

Sich unbekümmert ließe, wessen Wohlthat Ihr Leben sey? Ihr Leben, — daß ihr nur

t» Euch zuerst verdanket. Nathan. Ich möchte dich nicht anders, als du bist So lieb, weil sie

Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele Ganz etwas Andres noch sich rege.

N e ch a. War?

Mein Vater?

Nathan. Fragst du mich? so schüchtertr mich? Was auch in deinem Innern vorgeht, ist Natur und Unschuld. Laß es feine Sorge Dir machen. Mir, mir macht es feine» Nur Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen 3u bergen. R e ch a. Schon die Möglichkeit, mein HerEuch lieber zu verhüllen, macht mich zittern. Nathan. Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal Ist abgethan. — Da ist ja Daja. — Nun? D a j a. Noch wandelt er hier unter Palmen; und Wird gleich um jene Mauer kommen. — Seht, Da kömmt er! R e ch a. Ab! und scheinet unentschlossen. Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts? Ob links? Daja. Nein, nein. Er macht den Weg ums Kloster

Gewiß noch öfter; und dann muß er hier Dorhep. — Was -ilts? R e ch a. Recht! recht! — Hast du ihn schon Gesprochen? Und wie ist er heut? D a j a. Wie immer. Nathan. Go macht nur, daß er euch hier nicht gewahr Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz

Hinein.

R e ch a. Nur Einen Blick noch.'—Ah! die Hecke DK mir ihn stiehlt! D a j a. Kommt? kommt! der Dater hat Ganz recht. Ihr laust Gefahr,wenn er Luch steht, Daß auf der Stell' er umkehrt. R e ch a. Ah! die Hecke-! N a t h a n. Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor: So kann er anders nicht, er muß euch sehn. Drum -eht doch nur! D a j a. Komm! komm! Ich weiß ein Fenster, Aus dem wir fie bemerken können.

Slecha.

Ja? (Bepde hinein.)

Fünfter Auftritt. Nathan und balddaraufderTempelherr.

Nathan. Fast scheu'ich mich des Sonderlings. Fast macht

Mich seine rauhe Lugend stutzen.

Daß

Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen Soll machen können! — Ha! er kömmt.— Bey Gott! Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl

Den guten, trotzgen Blick! den trallenEang!

Dec Schaale kann nur bitter seyn; der Kern Jsts sicher nicht —Wo sah ich doch dergleichen?'—

Verzeihet, edler Franke. . .

Tempelherr. Was! Nathan.

Erlaubt. . .

Tempelherr. Was, Jude? was? Nathan. Daß ich mich untersteh',

Euch an-ureden.

c 8i) Tempelherr. Kann ichs wehren? Doch

Nur kurz! Nathan. Verzieht, und eilet nicht so stolz. Nicht so verächtlich einem Mann vorüber, Den Ihr auf ewig Euch verbunden habt. Tempelherr. Wie das?—Ah, fast errath' ichs. Nicht? Ihr seyd... Nathan. Ich heiße Nathan; bin des Mädchens Vater, Das Eure Großmuth aus dem Feu'r gerettet; Und komme. . . Tempelherr. Wenn zu danken: —sparts! Ich hab' Um diese Kleinigkeit des Dankes schon Zu viel erdulden müssen. — Vollends Ihr, Ihr seyd mir gar nichts schuldig. Wußt' ich denn, Daß dieses Mädchen Eure Tochter war? Es ist der Tempelherren Pflicht, dem Ersten Dem Besten beyzuspringen, dessen Noth Sie sehn. Mein Leben war mir ohnedies In diesem Augenblicke lästig. Gern, Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit, Es für ein andres Leben in die Schanze Zu schlagen; für ein andres — wenn's auch nur Das Leben einer Jüdinn wäre. Lessing 4. B. F

(82 )Nathan. Groß! Groß und abscheulich! Doch die Wendung läßt

Sich denken.

Die bescheidne Größe fluchtet

Sich hinter das Abscheuliche, um der Bewunderung auszuweichen. — Aber wenn

Sie so das Opfer der Bewunderung Verschmäht: was für ein Opfer denn verschmäht Sie minder?— Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd. Und nicht gefangen wäret, würd' ich Ellch

So dreist nicht fragen. Sagt, befehlt: womit Kann man Euch dienen? Tempelherr Ihr? Mit nichts. Nathan.

Ich bin Ein reicher Mann. Tempelherr.

Der reichre Jude war Mir nie der beßre Jude.

Nathan. Dürft Ihr denn Darum nicht nützen, was dem ungeachtet Er beßres hat? nicht seinen Reichthum nützen? Tempelherr. Nun gut, das will ich auch nicht ganz verredcn;

Um meines Mantels willen nicht.

Sobald

Der ganz und gar verschlissen; Weder Stich

Noch Fetze langer halten will: komm' ich Und borge mir bey Euch zu einem neuen, Tuch oder Geld.—Seht nicht mit ein-so finster! Noch seyd Ihr fichcr; noch ists nicht so weit Mit ihm. Ihr seht, er ist so ziemlich noch Im Stande. Nur der eine Zipfel da Hat einen garst'gen Fleck; er ist versengt. Und da< bekam er, als ich Eure Tochter Durchs Feuer trug. Nathan

(der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet.) Es ist doch sonderbar, Daß so ein böser Fleck, daß so ein Brandmahl

Dem Mann eilt beßreS Zeugniß redet, als Sei» rignerMund. Ich möcht' ihn küßen gleich— Den Flecken!-Ah, verzeiht!—Ich that es ungern.

t

Tempelherr.

Was?

Nathan. Eine Thräne fiel darauf. Tempelherr. Thut nichts! Er hat der tropfen mehr. — (Bald aber fängt

Mich dieser Jud' an zu verwirren.)

S-r

NathanWar't Ihr wohl so gut, und schicket Euer« Mantel Auch einmal meinem Mädchen? Tempelherr.

Was damit?

NathanAuch ihren Mund auf diesen Fleck zu drucken. Denn Eure Knie selber zu umfassen. Wünscht sie nun wohl vergebens. Tempelherr. Aber, Jude — Ihr heißet Nathan? — Aber, Nathan — Ihr

Setzt Eure Worte sehr!—sehr gut — fe(?r spry — Ich bin betreten —Allerdings —ich hätte . . . Nathan. Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find» Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gnt,zu bieder Um höflicher zu seyn.—Das Mädchen, ganz Gefühl; der weibliche" Gesandte, ganz

Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt — Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge; Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen.

Auch dafür dank' ich Euch — Tempelherr.

Ich muß gestehn, Ihr wißt, wie Tempelherren denken sollten.

Nathan. Nur Tempelherren? sollten blos? und blos Weil es die Ordensregeln so gebiethen? Ich weift, wie gute Menschen denken'; weiß. Daß alle Länder gute Menschen tragen. Tempelb err. Mit Unterschied doch hoffentlich? Nathan. Ja wohl; An Färb', an Kleidung, an Gestalt verschieden. Tempelherr. Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. Nathan. Mit diesem Unterschied ists nicht weit her. Der große Mann braucht überall viel Boden; Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir, Findt sich hingegen überall in Menge. Nur muß der eine nicht den andern mäkeln; Nur muß der Knorr den Knubben hübsch ver» tragen; Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen. Daß es alleür der Erde nicht entschoffen. Tempelherr. Sehr wohl gesagt! — Doch kennt Ihr auch das Volk, Das diese Menschenmakeley zuerst

Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk Zuerst daS auserwahlte Volk sich nannte? Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte.

Doch wegen seine- Stolzes zu verachten, Mich nicht entbrecheR könnte? Seine- Stolze-,

Den es auf Christ und Muselmann vererbte Nur sein Gott sey der rechte Gott! — Ihr stutzt,

Daß ich ein Christ, ein Tempelherr, so rede? Wann hat, und wo die fromme Raserey, Den bessern Gott zu haben; diesen bessern. Der ganzen Wett als besten aufzudringen. In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr

Gezeigt, als hier, als jetzt? Wem hier, wem jetzt Die Schuppen nicht vom Auge fallen«.. Doch Sey blind, wer will'. — Vergeßt, was ich gesagt,

Und laßt mich!

(Will gehen.)

Nathan. Ha! Ihr wißt nicht, wie viel fester Ich nun mich an Euch drängen werde. — Kommt, Wir müssen, müssen Freunde seyn! — Verachtet Mein Volk, so sehr Ihr wollt. Wir haben beyde

UuS unser Volk nicht auserlesen. Sind Wir unser Volk? Was heißt denn Volk? Sind Chrrst und Jude eher Christ und Jude, Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch Gesunden hätte, dem eS gnngt, ein Mensch Zu heißen!

Tempelherr. Ja, bey Gott, das habt Ihr, Nathan Das habt Ihr! — Eure Hand! — Ich schäme mich*

Euch einen Augenblick verkannt zu haben. Nathan. Und ich bin stolz darauf. Nur das Gemeine

Verkennt man selten. Tempelh err. Und das Seltene Vergißt man schwerlich. — Nathan, jaWir muffen, müssen Freunde werden.

Nathan. Sind Es schon. — Wie wird sich meine Rechn freuen! — Und ah! welch eine heitre Ferne schließt Slch meinen Blicken auf! —Kennt sie nur erst!

Tempelherr. Ich brenne vor Verlangen. — Wer stürzt dort Aus Eurem Hause? Jsts nicht ihre Daja? Ja wohl.

Nathan. So ängstlich?

Tempelherr. Unsrer Recha ist Doch nichts begegnet?

Sechster Auftritt. Die Vorigen und D aja eilig.

Daja. Nathan! Nathan! Nathan. Nun? Daja. Verzeihet, edler Ritter, baß ich Euch Muß unterbrechen. Nathan. Nun, was ists? Tempelherr. Was ists? Daja. Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will Euch sprechen. Gott, der Sultan! Nathan. Mich? der Sultan? Er wird begierig seyn, zu sehen , was Ich Neues mitgebracht. Sag nur, es sey Noch wenig oder gar nichts ausgepackt. Daja. Nein, nein; erwill nichts sehen; will Euch sprechen, Euch in Person, und bald; so bald Ihr könnt. Nathan. Ich werde kommen.— Geh nur wieder, geh!

- ( 89 ) D a j a. Nehmt'- ja nicht übel auf, gestrenger Ritter. — Gott, wir sind so bekümmert^ was der Sultan Doch will. Nathan. Das wird sich zeigen. Geh nur, geh ! Siebenter Auftritt.

Nathan und der Tempelherr.

Tempelherr. So kennt Ihr ihn noch nicht? — ich meyne, von Person. Nathan. Den Saladin? Noch nicht. Ich habe Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen. Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut Von ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte, Als sehn. Doch nun — wenn anders dem so ist — Hat er durch Sparung Eures Lebens . . . Tempelherr. Ja; Dem allerdings ist so. Das Leben, das Ich leb', ist fcui Geschenk. Nathan. Durch das er nur Ein doppelt, dreyfach Leben schenkte. Dies

Hat alles zwischen uns verändert.- hat Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum, Und säum, kann ich es nun erwarten, was Gr mir zuerst befehlen wird. Ich bin

Bereit zu allem; bin bereit ihm zu Gestehn, daß ich es Euretwegen bin.

Tempelherr. Noch hab' ich selber ihm nicht danken können, So oft ich auch ihm in den Weg getreten. Der Eindruck, den ich auf i&n machte, kam So schnell, als schnell er wiederum verschwunden. Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert.

Und dennoch muß. er, einmal wenigstens. Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal

Ganz zu entscheiden. Nicht genug, daß ich Auf sein Gchetß noch hin, mit seinem Willen Noch leb’: ich muß nun auch von ihm erwarten, Rach wessen Willen ich zu leben habe. Nathan. Nicht anders: um io mehr will ich nicht säumen —

Es fallt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch

Zu kommen, Anlaß gibt. — Erlaubt, verzeiht — Ich eile. — Wann, wann aber sehn wir Such Bey uns?

Tempelherr. Sobald ich darf.

- (91 ) Nathan. Sobald Ihr wollt. Tempelherr. Noch heut. Nathan. Und Euer Name? — muß ich bitten. Tempelherr. Mein Name war— istCurd von Stauffen.—Curdk Nathan. Von Stauffen? —Stauffen?—Stauffen? Tempelherr. Warum fällt

Euch das so auf? Nathan. Von Stauffen?? —DeZ Geschlechts Sind wohl schon mehrere . . . Tempelherr. O ja! hier waren. Hier faulen des Geschlechts schon mehrere. Mein Oheim selbst,— mein Vater will ich sagen— Doch warum schärft sich Euer Blick auf mich Je mehr und mehr? Nathan. £> nichts! o nichts! Wie kann Ich Euch zu sehn ermüden? Tempelherr. Drum verlaß

Ich Euch zuerst. Der Blick des Forschers fand Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte. Ich fürcht'ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmählig, Und nicht die Neugier, unsre Kundschaft machen. (Er geht.) N a t h a n (der mit Erstaunen nachfiebt.) „Der Forscher fand nicht selten mehr, als er „Zu finden wünschte." — Ist es doch, als ob In meiner Seel' er lese! — Wahrlich ja; Das könnt' auch nur begegnen. — Nicht allein Wolfs Wuchs, Wolfs Gang : auch seine Stimme. So, Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf; Trug Wolf sogar das Schwert im Arm'; strich Wolf Sogar die Auaenbraunen mit der Hand, Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen.— Wie solche tiefgepragte Bilder doch Zu Zeiten in uns schlafen können, bis Ern Wort, ein Laut fic weckt!— Von Stanffenl — Ganz recht, ganz recht, Filnek und Stauffen- — Ich will das bald genauer wissen; bald. Nur erst zum Saladtn. — Doch wre; lauscht dort Nicht Da/a 7 —Nun so komm nur naher, Daia.

Achter Auftritt. D a j a. Nathan. Nathan. Was gilts? nun drnckts euch beydcrk schon daS Herz, Noch ganz was anders zu erfahren, als Was Saladrn mir will. D a j a. Verdenkt Ihrs ihr? Ihr singt so eben an, vertraulicher Mit ihm zu sprechen, als des Sultans Bothschaft Uns von dem Fenster scheuchte. Nathan. Nun so sag Ihr nur, daß sie ihn jeden Augenblick Erwarten darf. D a j a. Gewiß? Gewiß? Nathan. Ich sann Mich doch auf dich verlassen, Daja? Sey Auf deiner Hut; ich bitte dich. Es soll Dich nicht gereuen. Dein Gewissen selbst Soll seine Rechnung dabey finden. Nur Verdirb mir nichts in meinem Plane. Nuo Erzähl' und frage mit Bescheidenheit, Mit Rückhalt . . .

D a j aDaß Ihr doch »och erst so was Erinnern könnt!—Ich geh; geht Ihr nur auch. Dean seht? ich glaube gar, da kömmt vom Sultan Eln zweyter Both', Al-Hafi, Euer Derwisch, (geht ab.)

Neunter Nathan.

Auftritt.

Al-Hafi.

Al-Hafi. Ha! ha! zu Euch wollt ich nun eben wieder. Nathan. Jslsdenu so eilig ? WaS verlangt er denn Bon mir? A l . H a f i. Wer? Nathan. Saladin. —Ich komm', ich komme. A l - H a s i. Zu wem? Zum Saladin? Nathan. Schickt Saladin Dich nicht? Al-Hafi. Mich? Nein. Hat er denn schon geschickt?

— ( 95 ) —

Nathan. Ja freylich hat er. A t - H a f r. Nun, so ist es richtig. Nathan. Was? was ist richtig? A l - H afi. Daß... ich bin nicht Schuld; Gott weiß, ich bin nicht Schuld. — Was hab ich nicht Don Euch gesagt, gelogen, nm eS abzuwenden. Nathan. WaS abzuwenden? Was ist richtig? A l - H a f i. Daß Nan Ihr fein Defterdar geworden. Ich Bedanr' Euch. Doch mttansehn will ichs nicht. Ich geh von Stund' an; geh. Ihr habt es schon Gehört, wohin; und wißt den Weg. Habt Ihr Des Wegs was zu bestellen; sagt: ich bin Zu Diensten. Freylich muß es mehr nicht seyn. Als was ein Nakter mit sich schleppen kann. Ich geh, sagt bald. Nathan. Besinn dich doch, Al-Hasi. Besinn dich, daß ich noch von gar nichts weiß. Was plauderst du den» da?

A l - H a sL. Ihr bringt sie doch Gleich mit, die Beutel? Nathan. Beutel? Al - H afi. Nun, das Geld. Das Ihr dem Saladin vorschießen sollt. Nathan. Und weiter ist es nichts? A l - H a f i. Ich sollt' es wohl Mrt ansehn, wie er Euch von Lag zu Tag Aushöhlen wird bis aus die Zehen? Sollt' Es wohl mit ansehn, daß Verschwendung ans Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch Die armen eingebornen Mäuschen drin Verhungern? — Bildet Ihr vielleicht Euch ein, Wer Eures Gelds bedürftig sey, ter werde Doch Eurem Rathe wohl auch folgen? — Ja; Er Rathe folgen! Wann hat Saladin Sich rathen lassen? — Denkt nur, Nathan, was Mir eben jetzt nur ihm begegnet. Nathan. Nun?

Al . Hafi. Da komm ich |u ihm, eben daß er Schach Gespielt mit feinet Schwester. Sittah spielt Nicht übel; und das Spiel, das Saladtn Verloren glaubte, schon gegeben hatte. Das stand noch ganz so da. Ich seh' Euch hin Und sehe, daß das Spiel noch lange nicht Verloren. Nathan. Ey! das war für dich ein Fund! Al. Hasi. Er durste mit dem Jtbnifl an den Bauer Nur rücken, auf ihr Schach.—Wenn ichs Euch gleich Nur zeigey könnte! Nathan. £>, ich traue dir! A l . H a f i. Denn so bekam der Roche Feld, und fa War hin.— Das alles will ich ihm nun weisen Und ruf' ihn. — Denkt!. . . Nathan. Er ist nicht deiner Meinung? A l » H a f i. Er hört mich gar nicht an, und wirft verächtlich Das ganze Spiel in Klumpen. Lessing 4- B.

— ( 9S ) — Nathan. Ist das möglich? Ä l - H a f i. Und sagt: er wolle matt nun einmal seyn; Er wolle! Heißt das spielen? Nathan. Schwerlich wohl; Heißt mit dem Spiele spielen. Al - H afi. Gleichwohl galt Cs keine taube Nuß. Nathan. Geld hin, Geld her! Das ist das wenigste. Allein dich gar Nicht anzuhören! über einen Punkt Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal Zu hören- deinen Adlerblick nicht zu Bewundern! das, das schreyt um Rache; nicht? A l - H a f i. Ach was! Ich sag' euch das nur po, damit Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist. Kurz, ich, ich halt's mit ihm nicht länger aus. Da lauf' ich nun bey allen schmutzgen Mohren Herum, und frage, wer ihm borgen will. Ich, der ich nie für mich gebettelt habe, Soll nun für Andre borgen. Borgen ist Viel besser nicht als betteln: so wie leihen,

Auf Wucher leihen, nicht viel bester ist. Als stehlen. Unter meinen Gebern, an Den Ganges, brauch' ich beydes nicht, und brauche Das Werkzeug beyder nicht zu seyn- Am Ganges, Am Ganges nur gibrsMenschcn. Hier seyd Ihr Der Einzige, der noch so würdig wäre, Daß er am Ganges lebte. — Wollt Ihr mit? — Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche, Um den es ihm zu thun. Er bringt Euch mach Und nach doch drum. So war' die Plakerey Auf einmal aus. Ich schaff' Euch einen Dalk, Kommt-' kommt! Nathan. Ich dachte zwar, das blieb uns ja Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will Zch's überlegen. Warte . . . Al-Hafi. überlegen? Nein, so was überlegt sich nicht. Nathan. Nur bis Ich von dem Sultan wiederkomme; bis Zch Abschied erst . . . Al-Hafi. Wer überlegt, der sucht Bewegnngsgründe,.nicht zu dürfen. Wer Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht G 2

— ( 1OO ) Entschließen kann, der lebet Andrer Sktav

Aufimmer.—Wie Ihr wollt! - Lebt wohl! wies Euch Wohl dünkt. —Mein Weg liegt dort- und Eurer

da.

Nathan. Al Hast! Du wirst selbst doch erst das Deine Berichtigen? Al . S afi. Ach Possen! Der Bestand Von meiner Kass' ist nicht des Zählens werth;

Und meine Rechnung bürgt — Ihr oder Sittah. Lebt wo^lr

(ab.) Nathan (ihm nachsehend.) Dir bürg' ich! — Wilder, guter, edler Wie nenn' ich ihn? —Der wahre Bettler ist Doch einzig und allein der wahre König l (Bon einer andern Seirr ab.

Dritter Aufzug. Erster Auftritt. (€etne: in Nathans Hause.) Rechn und D a j a.

R e ch a. Wie, Daja, drückte sich mein Vater aus?

„Ich dürf' ihn jeden Augenblick erwarten?" DaS klingt — nicht wahr? — als »b ex noch so bald Erscheinen werde. — Wie viel Augenblicke Sind aber schon vorbey! — Ah nun: wer denkt An die verflossenen? — Ich will allein In jedem nächsten Augenblicke leben.

Er wird doch einmal komme«, der ihn bringt.

Daja. £> der verwünschten Vothschaft von dem Sultan! Denn Nathan hatte sicher ohne sie Ihn gleich mit hergebracht.

R e ch a. Und wenn er nun Gekommen dieser Augenblick r wenn denn Nun meiner Wünsche wärmster, innigster

Erfüllet ist; was dann? — was dann?

D a j a.

Was dann? Dann hoff' ich, daß auch meinerWünsche wärmster Soll in Erfüllung gehen.

R e ch a.

Was wird dann In meiner Brust an dessen Stelle Preten,

Die schon verlernt, ohn' einen herrschenden Wunsch aller Wünsche sich zu dehnen? — Nichts? Ah! ich erschrecke.' . . . D a j a. Mein, mein Wunsch wird dann An des erfüllten Stelle treten; meiner.

Mein Wunsch, dich in Europa, dich in Handen Zu wisse«, welche deiner würdig sind. R e ch a. Du irrst. — Was diesen Wunsch zu deinem macht, Das nähmliche verhindert, daß er Meiner

Je werden kann. Dich zieht dein Vaterland: And meines, meines sollte mich nicht halten? Ein Bild der Deinen, das in deiner Seele Noch nicht verloschen- sollte mehr vermögen, Als die ich sehn und greifen kann, und hören, Die meinen?

D a j a. Sperre dich, so viel du willst! Des Himmels Wege sind des Himmels Wege.

Und wenn es mm dein Retter selber wäre.

Durch den sein Gott, für den er kämpft, dich in Das Land, dich zu dem Volke führen wollte,

Für welche du geboren wurdest. R e ch a.

Daja! WaS sprichst du da nun wieder, liebe Daja'.

Pu -ast doch wahrlich deine sonderbaren Begriffe! ,,Sein, sein Gott! für den er kämpft!"

Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott, Der einem Menschen eignet? der für sich

Muß kämpfen lassen? — Und wie weiß

Man denn, für welchen Erdkloß man geboren, Wennmans für den nicht ist, ans welchem man Geboren?— Wenn mein Vater dich so hörte!-

Was that er dir, mir immer nur mein Glück So weit von ihm als möglich vorzusvregeln? Was that er dir, den Samen der Vernunft,

Den er so rein in meine Seele streute, Mit deines Landes Unkraut oder Blumen So gern zu mischen? — Liebe, liebe Daja,

Er will nun derne bunten Blumen nicht Auf meinem Boden! —Und ich muß dir sagen,

Ich selber suhle meinen Boden, wenn

Sie noch so schön ihn kleiden, so entkräftet, So ausgezehrt durch deine Blumen; fühle

In ihrem Dufte, sauersüßem Dufte,

— ( i°4 ) — Mich so betäubt, so schwindelnd! — Dein Gehirn

Ist dessen mehr gewohnt. Ich tadle drum Die starkem Nerven nicht, die ihn vertragen; Nur schlagt er mir nicht zu. Und schon dein Engel; Wie wenig fehlte, daß er mich zur Närrinn Gemacht?— Noch schäm' ich mrch vor meinem Va­

ter Der Posse!

D a j a. Posse.' — Als ob -er Verstand

Nur hier zu Hause wäre! Posse! Posse! Wenn ich nur reden dürfte! R e ch a. Darfst du nicht? Wann war ich nicht ganz Ohr, so oft es dir

Gefiel, von deinen Glaubenshelden mich Zu unterhalten? Hab' ich ihren Thaten Nicht stets" Bewunderung, und ihren Leiden Nicht immer Thränen gern gezollt? Ihr Glaube Schien freylich mir das Heldenmäßigste An ihnen nie.

Doch so viel tröstender

War mir dir Lehre, da- Ergebenheit In Gott von unserm Wähnen über Gott

So ganz und gar mcht abhängt. — Liebe Daja, Das hat mein Vater uns so oft gesagt; Darüber hast du selbst mit ihm so oft Dich einverstanden, warum untergräbst

— ( iO5 ) — Du denn allein, was du mit ihm zugleich

Gebauer? — Liebe Daja, das ist fein

Gespräch, womit wir uttfmt Freund' am beste« Entgegen sehn. Für mich zwar, ja! Denn mir. Mir liegt daran unendlich/ ob auch er . . . Horch, Daja!—Kommt es nicht an unsre Thüre? Wenn er es wäre! Horch!

Zweyter

Auftritt.

Recha. Daja und der Tempelherr, dem Jemand von außen die Thüre öffnet, mit den Worten Nur hier herein!

Rechn (fährt zusammen, faßt sich, und will ihm zu Füßen fallen.) Er ists! Mein Retter, ah! Tempelherr. Dies zu vermeiden Erschien ich bloß so spät - und doch —

R e ch a. Ich will Ja zu den Füßen dieses stolzen Mannes

Nur Gotr noch einmal danken; nicht dem Manne. Der Mann will keinen Dank; will ihn so wenig Als ihn der Waffereimer will, der bey Dem Löschen so geschäftig sich erwiesen.

— ( io6 ) Der ließ sich füllen, ließ sich leeren, mir Nichts, dir nichts: also auch der Man«. Auch der

Ward nur so in die Glut hineinqestoßen; Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm z

Da blieb ich ungefähr, so wie ein Funken Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen; Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns Bende Herauswarf aus der Gluth. — Was gibt es da Zu danken? I« Europa treibt der Wein Zu noch weit andern Thaten — Tempelherren, Die muffen einmal nun so handeln: muffen. Wie etwas besser zugelerute Hunde, Sowohl aus Feuer, als aus Wasser holen.

Tempelherr (der sie mit Erstaunen und Unruhe die Zeit Über betrachtet.) D Das^ Daja! Wenn in Augenblicken Des Kummers und der Galle meine Laune Dich übel anließ, warum jede Thorheit,

Die meiner Zung' entfuhr, ihr hinterbringen? Das hieß sich zu empfindlich rächen, Daja! Doch wenn du nur von nun an besser mich

Bey ihr vertreten willst. Daja.

Ich denke, Ritter, Ich denke nicht, daß diese kleinen Stacheln, Ihr an das Herz geworfen, Euch da sehr Geschadet haben.

R e ch a. Wie? Ihr hattet Kummer? Und wart mit Eurem Kummer geitziger Als Eurem Lebe»? Tempelherr. Gutes, holdes Kind! — Wie ist doch meine Seele zwischen Auge Und Ohr getheilt!— Das war das Mädchen nicht,

Nein, nein, das war es nicht, das aus dem Feuer Ich holte. — Denn wer hatte die gekannt, Und aus dem Feuer nicht geholt? Wer hatte Auf mich gewartet? —Zwar — verstellt — dev Schreck

(Pause, unter der er in Anschauung ihrer, sich wie verliert.) R e ch a. Ich aber find' Euch noch den nähmlichen. —

(dergleichen; bis sie fortfährt, nm ihn in seinem Anstaunen zu unterbrechen.) Nun, Ritter, sagt uns doch, wo Ihr so lange

Gewesen? — Fast durft' ich auch fragen - wo Ihr jetzo seyd? Tempelherr. Ich bin — wo ich vielleicht Nicht sollte seyn. —

R e ch a. Wo Ihr gewesen? — Auch

( toS ) —

Wo* Ihr vielleicht nicht solltet seyn gewesen?

Da- ist nicht gut. L empelherr. Auf—auf—wie heißt -er Berg?

Auf Sinai.

R e ch a. Auf Sinai? —. Ah schön!

Nun kann ich zuverlaßig doch einmal Erfahren, ob es wahr . . . Tempelherr. War? was? Obs wahr, Daß noch daselbst der Drt zu sehn, wo Moser Dor Gott gestanden, als . . .

R e ch a. Nun, dar wohl nicht» Denn wo erstand,stand er vor Gott. Und davon Ist mir-urGnüge schon bekannt. — Dbr wahr, Möcht' ich nur gern von Euch erfahren, daß — Daß er bey weitem nicht so mühsam sey, Auf diesen Berg hinauf zu steigen, alS Herab? — Denn seht: so viel ich Berge noch Gestiegen bin, war'r just daS Gegentheil.—

Nun, Ritter? — Waö? — Ihr kehrt Euch von mit ab?

Wollt mich nicht sehn?

Tempelherr. Weil ich Euch Horen will.

Recha. Weil Ihr mich nicht wollt merken lassen, daß Ihr meiner Einfalt lächelt; daß Ihr lächelt. Wie ich Euch doch so gar nicht- Wichtiger-

Don diesem heiligen Berg' aller Berge Zu fragen weiß? Nicht wahr?

Tempelherr. So muß Ich doch Euch wieder in die Augen sehn' —* Wa-? Nun schlägt Ihr ste nieder? nun verbeißt. Das Lächeln Ihr? wre ich noch erst in Mienen,

In zweifelhaften Mienen lesen will, Was ich so deutlich hör', Ihr so vernehmlich Mir sagt -* verschweigt?—' Ah Recha! Recha! Wie Hat er so wahr gesagt: Kennt sie nur er(l!" Recha. Wer hat? — von wem? — Euch das gesagt?

Tempelh err. „Kennt sie „Nur erst!" hat Euer Dater mir gesagt;

Don Euch gesagt, D a j a. Und ich nicht etwa auch? Ich denn nicht auch? Temp elherr. Allein wo ist er denn?

Wo ist denn Euer Vater? Ist er noch Beym Sultan?

— ( no ) R e ch a.

Ohne Zweifel. Tempelherr. Noch, noch da? — JD, mich Vergeßlichen! Nein, nein; da ist Er schwerlich mehr. — Er wird dort unten bey

Dem Kloster meiner warten; ganz gewiß. So red'ten, meyn' ich, wir es ab. Erlaubt! Ich geh, ich hol' ihn . . .

D a j a. ^Das ist meine Sache.

Bleibt,Ritter, bleibt. Ich bring' ihn unverzüglich« Tempelherr. Nicht sfr, nicht so! Er steht mir selbst entgegen; Nicht Euch. Dazu, er könnte leicht . . . wer weiß? . . . Er könnte bey dem Sultan leicht... Ihr kennt Den Sultan nicht! . . . leicht in Verlegenheit Gekommen seyn. — Glaubt mir; es hat Gefahr, Wenn ich nicht geh. R e ch a. Gefahr? was für Gefahr? Tempelh e rr. Gefahr für mich, für Euch, für ihn; wenn ich

Richt schleunig, schleunig geh.

(ab).

— ( 111 ) —

Dritter Au stritt. Rechn und D n j a.

Rechn. Was ist das, Daja? — Co schnell? Was kömmt ihm an? Was fiel ihm auf? Was jagt ihn? D n j n. Laßt nur, laßt. Ich denk', es ist Kein schlimmes Zeichen. R e ch a. Zeichen? unh wovon? D g j a. Daß etwas voraeht innerhalb. CS kocht, Und soll nicht überkochen. Laßt ihn nur. Nnn lsts an Euch. Recha. Was ist an mir? Du wirst. Wie er, mir unbegreiflich. D a j a. Bald nun könnt Ihr ihm die Unruh all vergelten, die Er Euch gemacht hat. Seyd nur aber auch Nicht allzustreng, nicht rachbegierig. Rechn. Wovon du sprichst, das magst du selber wissen.

D a j a. Und seyd denn Ihr bereits so ruhig wieder? Rechn.

Das Mn ich; ja, das bitt ich . . .

»«ja. Wenigstens Gesteht, daß Ihr Euch seiner Unruh freut;

Und seiner Unruh danket, was Ihr jetzt

Von Ruh' genießt. R e ch a. Mir völlig unbewußt. Denn was ich höchstens dir gestehen könnte.

Wär, -aß es mich — mich selbst befremdet, wie

Auf einen solchen Sturm in meinem Herze» Go eine Stille plötzlich folgen können. Sein voller Anblick, sei» Gespräch, sei» Thun

Hat mich . .. D a j a. Gesättigt schon?

R e ch a. Gesättigt, will, Ich nun nicht sagen; nein — bey weitem nicht — D a j a. Den heißen Hunger nur gestillt. R e ch a. Nun ja;

Wen» d« so willst.

( 1*3 ) — D a j a. Ich eben nicht.

Rech«. Er wird Mir ewig werth, mir ewig werther, als Mein Leden bleiben; wenn auch schon mein Puls. Nicht mehr bey seinem bloßen Namen wechselt; Nicht mehr mein Herz, so oft ich an ihn denke. Geschwinder, starker schlagt.—Was schwatz' ich?

Komm, Komm, liebe Daja, wieder an das Feaster,

Das auf die Palmen sieht. Das«. So ist er doch Wohl noch nicht ganz gestillt, der heiße Hunger.

R e ch a. Nun werd' ich auch die Palmen wieder sehn«

Nicht ihn bloß untern PalmenDaja.

Diese Kalte Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur. R e ch a. Was Kalt'? Ich bin nicht kalt. Ich sehe wahrlich Nicht minder gern, was ich mit Ruh« sehe.

Lessing 4. SB-

H

— ( ii4 ) — Vierter Auftritt.

at dir am meisten eingeleuchtet? Nathan.

Sultan, Ich bin dn Jud'.

© al ab i n. Und ich ein Muselmann. Der Christ ist zwischen uns.— Von diesen drey

Rellgionen kann doch Eine nur Die wahre seyn —Ein Mann, wie du, bleibt da Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt Ihn hingeworf?nz oder wenn rr bleibt, Bleibt er aus Einsicht, Griznden, Wahl des Bes­ sern, Wohlan! so theile deine Einsicht mir Denn mit. Last mich die Gründe hören, denen Ich selber nachzngrübeln, nicht die Zeit Gehabt. Last mich die Wahl, die diese Gründe

Bestimmt, — versieht sich, im Vertrauen— wissen,

Danut ich sie zu meiner mache.— Wie? Du stutzest? wagst du mich mit dem Auge? — Kann

— ( 122 ) —

Wohl seyn, daß ich der erste Sultan bin. Der eine solche Grille hat, die mich Doch eines Sultans eben nicht so ganz Unwürdig dünkt. — Nicht wahr? — So rededoch! Sprich! — Oder willst du erneu Augenblick, Dich zu bedenken? Gut; rch geb' ihn dir. — (Ob ste wohl horcht? Ich will sie doch belauschen; Will hören, ob ichs recht gemacht. —) Denk nach! Geschwind, denk nach l Ich säume nicht, zurück Zn kommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Slttah begeben.)

Sechster Auftritt.

Nathan allein. Hm! hm! — wunderlich! — Wie ist Mir denn? — Was will der Sultan? — was? Ich bin AufGeld gefaßt; und er will— Wahrheit. Wahr­ heit! Und will sie so, — so baar, so blank, — als ob Die Wahrheit Münze wäre! Ja, wenn noch Uralte Müuze, die gewogen ward' — DaS ginge noch! Allein so neue Münze, Die mir der Stempel macht, die man aufs Brett Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!

Wie Geld in Sack, so striche man in Kopf Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?

Ich oder er? — Doch wie? Sollt' er auch wohl Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern?—Zwar, Zwar der Verdacht, daß er die Wahrbeit nut Als Falle brauche, wär' auch gar zu klein — Zu klein?— WaS ist für einen Großen denn Zu klein —Gewiß, gewiß: er stürzte mit Der Thüre so ins Haus! Man pocht doch, hört

Doch erst, wenn man als Freund sich naht. — Ich muß Behutbsam gehn'— Und wie? wie das?-So ganz

Stockjude seyn zu wollen, geht schon nicht.— Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder. Denn, wenn kein Jude, dürft' er mich nur fragen, Warum keiuMuselmann?—Das war's! Das kann Mich retten! —Nicht die Kinder bloß speist man Mit Mährchen ab. — Er kömmt. Er komme nur'.

Siebenter Auftritt. Sala d r u

und Nathan.

S a l a d i n. (So ist das Feld hier rein.')—Ich komm dir doch

Nicht zu geschwind zurück? Du bist zu Rande Mit deiner Überlegung. — Nun so rede! Es hört uns keine Seele.

Nathan Möcht' auch doch Die ganze Welt uns hören.

S a l a d i tt.

So gewiß Ist Nathan seiner Sache? Ha! das nenn' Ich einen Weifen! Nie die Wahrheit zu Verhehlen! für sie alles auf das Spiel Zu seyen! Leib und Leden! Gut und Blut!

.N a t h a ir. Ja! ja! Wenns nöthig ist und nutzt.

S a l a d i n.

Von nun An darf ich hoffen,, einen meiner Titel, Verbesserer der Welt und des Gesetzes, Mit Recht zu führen.

Nathan. Traun, ein schöner Titel ! Doch, Sultan, eh ich mich dir ganz vertraue. Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen

Erzählen? S a l a d i n. Warum das nicht? Ich bin stets

Ein Freund gewesen von Geschichtchen, gut Erzählt.

Nathan. Ja, gut erzählen, das ist nun Wohl eben meine Sache nicht. S a l a d i n.

Schon wieder So stolz bescheiden? — Mach! erzähl', erzähle!

Nathan. Bor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten, Der einen Ring von unschätzbarem Werth' Ans lieber Hand besass. Der Stein war ein Opal, der hun-dert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott Und Menschen angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug.

Was Wunder,

Dass ihn der Mann in Osten darum nie Vom Finger ließ, und die Verfügung traf.

Auf ewig ihn bey seinem Hause zu Erhalten? Nähmlich so. Er liess den Ring Von seinen Söhnen dem Geliebtestenz

Und setzte fest, dass dieser wiederum Den Ring von seinen Söhnen dem vermache. Der ihm der liebste sey; und stets der Liebste, Ohn'Ansehn der Geburt, in Kraft allein Des Ring-, das Haupt, der Fürst des Hauses

werde. — Versteh mich, Sultan.

— ( 126 )

S a l a d L n. Ich versteh dich. Weiter l Nathan. So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn, Auf einen Vater endlich von drey Söhwen; Die alle drey ihm gleich gehorsam waren, Die alle drey er folglich gleich zu lieben Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit Zn Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald Der dritte — so wie jeder sich mit ihm Allein befand, und sein ergießend Herz Die andern zwey nicht theilten, — würdiger Des Ringes; den er denn auch einem jeden Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. Das ging nun so, so lang' es ging. — Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater Kömmt tu Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwey Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort Verlosten, so zu kranken. — Was zu thun? — Er sendet in geheim zu einem Künstler, Bey dem er, nach dem Muster seines Ringes, Zwey andere bestellt, und weder Kosten Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, Kann selbst der Vater seinen Mnsterring Ntcht unterscheiden. Froh und freudig ruft

— (

127 ) —

Er seine Söhne, jeden ins besondre; Gibt jedem ins besondre seinen Segen — Und seinen Ning, — und stirbt. — Du hörst doch, Sultan? S a l a d i n. (der sich betroffen von ihm gewandt.) Ich hör', ich höre! Komm mit deinem Mährchen Nur bald zu Ende. — Wirds? Nathan. Ich bin zu Ende. Denn was noch folgt, verstehe sich ja von selbst. — Kaum war der Vater todt, so kömmt ein Zeder Mit seinem Ring', und jeder will der girrst Des Hauses seyn. Man untersucht, man zankt, Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht Erweislich; — (nach einer Pause, in welcher er des Sultans Antwort erwartet.) Fast so unerweislich, als Uns jetzt — der rechte Glaube. S a l a d i n. Wie? das soll Die Antwort seyn auf meine Frage? . . . NathanSoll Mich bloß entschuldigen, wenn ich die Ringe, Mir nicht getrau zu unterscheiden, die

Der Vater in der Absicht machen ließ, Damit sie nicht zu unterscheiden waren. S a l a d i n. Die Ringe! — Spiele nicht mit mir!—Ich dachte. Daß die Religionen, die ich die

Genannt, doch wohl zu unterscheiden waren. Bis auf die Kleidung; bis auf Sperj' und Trank! Nathan. Und nur non Seiten ihrer Gründe nicht. — Denn gründen alle sich nicht auf Geschußte? Geschrieben oder überliefert! — Und Geschichte muß doch wohl allein auf Treu

Und Glauben angenommen werden? — Nicht? — Nun, wessen Treu und Glauben zieht man beim Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? Doch deren Blut wir sind? doch deren, die Don Kindheit an uns Proben ihrer Liebe Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo Getauscht zu werden uns heilsamer war? Wie kann ich meinen Vätern weniger

Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. Kann ich von dir verlangen, daß du deine Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht Zu widersprechen? Oder umgekehrt. Das Nähmliche gilt von den Christen. —Nicht?

S a l a d i n. b dich nicht sonst ein Argwohn treibt, mir diefeEkbiethen freyer Dings zu thun: . . . R a t Han. Ein Argwohn? S a l a b i n. Ich bin ihn werth. —Verzeih mir! — Denn was

hilfts? Ich muß dir nur gestehen, — baß ich im

Begriffe war —

Nathan. Doch nicht, daS Nähmliche An Mich zu suchen? S a l a d i n.

Allerdings. Nathan.

So war" UnS beyden ja geholfen.

Daß ich aber

— ( IZ4 ) — Dir alle meine Barschaft nicht kann schicken. Das macht der junge Tempelherr. Du kennst

Ihn ja.— Ihm bad' ich eine große Post

Vorher noch zu bezahlen. S a l a d i n. Tempelherr?

Dn wirst doch meine schlimmsten Feinde nicht

Mit deinem Geld' auch unterstützen wollen? Nathan. Ich spreche von dem Einen nur, dem du

Das Leben spartest. . . S a l a d i n.

Ah! woran erinnerst Dr; mich ! — Hab' ich doch diesen Jüngling ganz

Vergessen!— Kennst du ihn?— Wo ist er ?

Nathan. Wie? S" weißtdu nicht, wie viel von deiner Gnade Für ihn, durch ihn auf mich geflossen? — Er,

Er mit Gefahr des neu erhaltnen Lebens, Hat meine Tochter ans dem Feu'r gerettet. S a l a d i n. Er? Hat er das?—Ha! darnach sah er aus.

Das hatte traun mein Bruder auch gethan.

Dem er so ähnelt!—Ist er denn noch hier? So bring ihn her! *- Ich habe meiner Schwester Von diesem ihrem Bruder, den sie nicht

( i.X5 )v— Gekannt, so viel erzählet, daß ich sie (Sein Ebenbild doch auch muß sehen lassen !— Ged, hol ihn !—Wre ails Einer guten That, Gebar sie auch schombloße Leidenschaft, Doch so viel andre gute Thaten fließen! Geh, hol ihn!

Nathan (indem er SaladrnsHand fahren läßt.) Augenblicks ! Und bey dem andern Bleibt es doch auch ? (ab,)

S a t a d i it. Ah, daß ich meine Schwester Nicht horchen lassen .'-Zu ihr ! zu ihr !—Denn Wle soll lch alles das rhr nun erzählen? (ab von der andern Seite.)

Achter Auftritt. (Die Scene: unter den Palmen, in der Nabe des Klosters, wo derTempelhcrr Nathans wartet.) Der Tempelherr. (Geht, mtt sich selbst kämpfend, auf und ab, bis er losbricht.) —Hier hält das Dpferthier ermudetst CL— Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht naher wissen, Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wiuern. Was vorgehen wird.—Genug, ich bm umsonst

Gestöhn: umsonst. — Und weiterkon n t'ich doch Auch nichts, als fliehn! — Nun komm', was kom­ men soll! — Ihm auszubengen, war der Streich zu schnell Gefallen, unter den zu kommen, ich So lang' und viel mich weigerte. — Sie sehn. Die ich zu sehn so wenig lästern war, — Sie sebn, uud der Entschluß, sie wieder aus Den Augen nie zu lassen.— Was Entschluß? Entschluß ist Vorsatz, That: und ich, ich litt'. Ich litte bloß. — Sie sehn, ynd das Gefühl, An sie verstrickt, in sie verwebt zu seyn, War eins. — Bleibt eins. — Von ihr getrennt Zu leben, ist mir ganz undenkbar; war' Mein Tod, — und wo wir immer nach dem Tode Noch sind, auch da mein Tod.— Zstdas nun Liebe; So —liebt der Tempelritter freylich, — liebt Der Christ das Judenmadchen freylich. — Hm! Was thuts? —Ich hab'in dem gelobtenLande — Und drum auch mir gelobt auf immerdar! — Der Vorurtheile mehr schon abgelegt. —* Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr Bin todt; war von dem Augenblick ihm todt, Der mich zu SaladinS Gefangnen machte. Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär' Mein alter? — Ist ein neuer, der von allem Nichts weiß, was jenem emgeplaudert war-,

— ( *37 ) —

Was jenen band. — Und ist ein beßrer, für Den väterlichen Himmel mehr gemacht.

Das spür' ich ja.

Denn erst mit ihm beginn'

Zch so zu denken, wie mein Vater hier Gedacht muß haben; wenn man Mäbrchen nicht Von ihm mir vorgelogen. -- Mabncken? — Doch Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie, Als jetzt geschienen, da ich nur Gefahr Zu straucheln laufe, wo er fiel. —' Er fiel? Ich will mit Männern lieber fallen, als

Mit Kindern stehn.— Sein Beyspiel bürget mir Für seinen Beyfall. Und an wessen Beyfall Liegt mir denn sonst?—AnNathans?—-O andrsten

Ermuntrung mehr, als Beyfall, kann es mir Noch weniger gebrechen. — Welch ein Jude! —

Und der so ganz nur Jude scheinen will! Dakömmt enkömmt mitHast; glüht heitreFrende, Wer kam von Saladin je anders? He!

He, Nathan! Neunter

Auftritt.

Nathan und der Tempelherr.

Nathan. Wie? seyd Ihrs? Tempelherr. Ihr habt Sehr lang' Euch bey dem Sultan aufgrhalirn.

— ( iS? ) — Nathan. So lange nun wohl nicht. Ich ward im Hi uaehn Zn viel verweilt.—Ah, wahrlich Curd; der Mann Steht seinen Ruhm. Sein Ruhm ist blos sein Schütten — Dock takt vor allen Dingen Euch geschwind Nur sagen. . . Tempelherr. Was? Nathan. Er will euch sprechen; will/ Daß ungesäumt Ihr zu ihm kommt, begleitet Mich nur nach Hause, wo ich noch für ihn Gell etwas anders zu verfügen habe: Und daun, so gehn wir. Tempelherr. Nathan, Euer Haus Betret'ich wieder eher nicht. . . Nathan. So seyd Ihr doch indes schon da gewesen? habt Indeß sie doch gesprochen?—Nun ? — Sagt: wie Gefall: Euch Aecha? Tempelherr. Ueber allen Ausdruck! Allein,-* sie Wiedersehn— das werd ich nie Nie! nte!— Ihr müßtet mir zur Stelle denn

Versprechen--—daß ich sie auf immer, immer— Soll können sehn. Nathan.

Wie wollt Zhr, daß ich das

Versteh'? Tempelherr lnach einer kurzen Pause ihm plötzlich um den

Hals fallend.) Mein Vater!

Nathan. —Junger Mann • T empel Herr lihn eben so plötzlich wieder lastend.)

NlchtSohn?—

Ich bitt' Euch/Nathan!

Nathan. Lieber junger Mann! Tempelherr. Nicht Sohn?— Ich bltt'Euch, Nathan!— Ich beschwör' Euch bey den ersten Banden her Natur !— Zieht ihnen spätre Fesseln doch nicht Dor !— Begnügt Euch doch ein Mensch zu seyn!— Stoßt

mich Nicht von Euch! Nathan. Lieber, lieber Freund! . . .

— (

140 ) —

Tempelhern Und Sobn t Sohn nicht?—Auch dann nicht,dann nicht einmal,

wenn

Erkenntlichkeit zum Herzen Eurer Tochter Der Liebe schon den Weg gebahnet hatte? Aach dann ruchr einmal, wenn in Eine zm schmel­

zen Auf Euren Mink nur beyde warteten ? — Ihr schweigt?

N ath a tu Ihr überrascht mich, junger Ritter. Tempelherr. Ich überrascht Euch?—überrasch' E uch, Nathan,

Mrt Euern eigenen Gedanken? — Ihr Verkennt sie doch in meinem Munde nicht? — Ich überrasch' Euch? Nathan.

Eh ich einmal weiß, Was für ein Stauffen Euer Vater denn

Gewesen ist? Tempelherr. Was sagt Ihr, Nathan? was? — Zn diesem Augenblicke fühlt Ihr nichts,

Als Nenbegier?

Nathan.

Denn seht! Ich habe selbst

Wohl einen Stauffen ehedem gefflnnr, Der Conrad hiess. Tempelherr. Nun -—wenn mein Barer denn Nun eben so geheißen hattet N a t h a n. Wahrlich? Tempelherr. Zch heiße selber ja nach meinem Vater; Curd Ist Conrad, Nathan. Nun — so war mein Conrad doch N.cht Ener Vater. Denn mein Conrad war, Was Ihr; war Tempelherr; war nie vermahlt» Tempelherr. O darum! Nathan» Wie? T e m p e l h e r r. £> darum könnt' cr doch Mein Vater wohl gewesen seyn. N a t h a n. 3br scherzt. Tempelherr. UndIhr nehutts walrrUch zu genau! —Was wars Denn nun9 So was von Bastard oder Bankert! Der Schlag ist auch rucht zu verachten. — Doch

— ( 142 ) —

Entlaßt mich immer meuter Abnenprobe. Ich will Euch Eurer wiederum entlassen. Nicht zwar, als ob lch den geringsten Zweifel In Euer» Stammbaum setzte« Gott behnihe! Ihr könnt ihn Blatt für Blatt bis Abraham Hinauf belegen. Und von da so weiter. Weiß ich ihn selbst, will ich ihn selbst beschwören. Nathan. Ihr werdetbittcr.—Doch verdien" ichs?—Schlug Ich denn Euch schon was ab? — Ich wlll Euch ja Nur bey dem Worte nicht den Augenblick So fassen. — Weiter nichts. Tempelherr. Gewiß? —Nichts weiter? £> so vergebt? . . . Nathan. Nun kommt nur, kommt! T e m p e l h e r r. Wohin? Nein! — Mit in EuerHaus? —Das nicht/, das nicht! — Da brennts! — Ich will Euch hier erwarten. Geht! — Soll ich sie Wiedersehn : so seh' ich ste Noch oft genug. Wo nicht: so sah ich sie Schon viel zu viel. . . Nathan. Ich will mich möglichst eilen.

— ( 143 ) — Zehnter Auftritt. Der Tempelherr und bald darauf Da-a. Tempelherr. Schon mehr als gnug!—Des Menschen Hirn faßt ft Unendlich viel; und ist doch manchmal auch So plötzlich voll! vön einer Kleinigkeit So pivylid; voll! — Taugt nichts, taugt nichts; esey Auch voll, wovon es will.— Doch nur Geduld! Die Serie wirst den aufgedunsnen Stoff Bald i« einander, schast sich Raum und Licht Und Drdnnng kommen wieder. — Lud ich een 3um ersteniuale? — Oder war, was ich Als Liebe kenne, Liebe nicht? — Ist Liede Nur was ich Ml empstude? . . . D a j a . (die stch von der Seite herbeygeschllchen.Nuler! Ritter! Tempelherr. Wer ruft? — Ha, Daia, Ihr? D a j a. Ich habe mich Bey ihm vorbey geschlichen. Ader noch Könnt' er uns sehn, wo Zhr da steht. — Drmn kommt

Doch naher zu mir, hinter diesen Baum.

( ’44 ) — Tempelherr. Was gibts denn? 1— So geheimnißvoll? — Was ists?

D a j a. Ja wohl befrist es ein Geheilyniß, was

Mich zu Euch belügt; und zwar ein doppeltes'. Das eine iveig nur ich; das andre wißt Nur Ihr. — Wie war'es, wenn wir tauschten? Vertraut mir Eures: so vertrau ich Euch Das meine. T e m p e l h e r r. Mit Vergnügen. Wenn ich nur Erst weiß, was Ihr für meines achtet. Doch Das wird aus Eurem wohl erhellen. — Fjmgt

Nur immer an.

D a j a. Ey denkt doch!—Nein, KerrRitter: Erst Ihr; ich folge. — Denn versichert, mein Gcheunulß "amt Euch gar nichts nutzen, wenn Ich nicht zuvor das Eure habe. — Nur Geschwind ! — Denn frag' ichs Euch erst ab; so

habt Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimniß dann Bleibt mein Geheimniß; und das Eure seyd Ihr los.—Doch armerNitter!—Daß ihr Männer

Eln solch Geheimrnß vor unSWeidern haben Zu können, auch nur glaubt!

Tempelherr. Da- wir zu haben

Oft selbst nicht wissen. D a j a. Kann wohl seyn. Drnm muss Ich freylich erst. Euch selbst damit bekannt

Zu machen, fthon die Freundschaft haben.—Sagt: Was hieß denn das, daß Ihr so Knall und Fall Euch aus dem Staube machtet? daß Ihr u«S So sitzen ließet? daß Ihr nun mit Nathan Richt wiederkomau?—Hat Recha denn so wenig

Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel? — So viel! so viel! —Lehrt Ihr -eS armen Vogels, Der an der Ruthe klebt, Geflattre mich | Doch kennen! — Kurz: gesteht rSmir nur gleich. Daß Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn» und Ich sag' Euch was . . . Tempelherr. Zum Unsinn? Wahrlich, Ihr Versteht Euch trefflich drauf.

D a j a.

Nun gebt mir nur Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch

Erlassen. Tempelherr. Weil er sich von selbst »ersteht? — Ein Tempelherr ein Judenmadchen lieben! . . . Lessing 4. B. K

( '46 ) D a j a. Scheint freylich wenig Sinn zu haben. — Doch

Zuweilen ist des Sinns in, einer Sache Auch mehr, als wir vermuthen; und es wäre

So unerhört doch nicht, daß uns der Heiland Auf Wegen zu sich zöge, d.e der Kluge Don selbst nicht leicht betreten würde. Tempelherr.

Das So feyerlich? — (Und setz' ich statt des Heilands DieDorsicht: hat sie dann nichtRccht?--)Ihr macht Mich neubegieriger, als ich wohl sonst

SU; seyn gewohnt bin. D a j a. D! das ist das Land

Dcp Münder! Tempelh e.rr. (Nun! — des Wunderbaren. Kann Es. auch wohl anders seyn? Die ganze Welt Drängt sich ja hier zusammen.) — Liebe Daja, Nehmt für gestanden an, was ihr verlangt: Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife. Wie ohne sie ich leben werde; daß . . .

D a,j a. Gewiß? gewiß? — So schwört mir, Ritter, sie Zur Eurigen zu machen; sie zu retten; Sie zeitlich hier/ sie ewig dort zu rette«.

Tempelherr. Und «le? — Wie kann ich?—Kann ich schwören,

was

In meiner Macht nicht steht? D a j a.

In Eurer Macht Steht es. Ich bring' e- durch ei« einzig Wart

In Eure Macht. Tempelherr. Daß selbst der Vater nicht» Dawider hatte? D a j a. Ey, was Vatfri Datert Der Vater soll schon müssen. Tempelherr. Müssen, Daja? — Noch ist er unter Räuber nicht gefallen. — Er muß nicht müsse«. Daja. Nu«, so muß er «vollen; Muß gern am Ende wolle«. Tempelherr. Muß und gernk — Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, daß Ich selber diese Sait' Ihm anznschlage» Bereit» versucht? K «

— ( i4S ) — D L j a. Was? und er fiel nicht ein?

Tempelherr. Er fiel mit einem Mißlaut ein, der mich — Beleidigte.

D a j a. Was sagt Ihr?— Wie? Ihr hattet Den Schatten eines Wunsches nur nach Rechn Ihm blicken lassen; und er wär' vor Freuden Nicht aufgesprungen? hatte frostig fich Zurückgezogen? hätte Schwierigkeiten Gemacht?

Tempelherr. So ungefähr.

D a j a. So will ich denn Mich länger keinen Augenblick bedeuten — (Pause.)

Tempelherr. Und Ihr bedenkt Euch doch?

D a j a. Der Mann ist sonst So gut! — Ich selber bin so viel ihm schuldig! — Daß er doch garnicht hören will! — Gottwerß, Das Herze blutet mir, ihn so zu zwingen. L e m p e l h e r r. Ich bitt' Such, Da/a, fest mich kurz und gut

( >4y ) — Aus dieser Ungewißheit. Seyd Ihr aber Noch selber ungewiß, ob, was Ihr vorhabt, Gut oder böse, schändlich oder löblich Zu nennen: —schweigt! Ich will vergessen, daß Ihr etwas zu verschweigen habt.

D a j a.

Das spornt. Anstatt zu halten. Nun; so wißt denn: Recha Ist keine Jüdinn; ist — ist eine Christinn. Tempelherr.

(kalt.) So? Wünsch' Euch Glück! Hats schwer gehalten? Laßt

Euch nicht die Wehen schrecken! — Fahret ja Mit Eifer fort, den Hrmmel zu bevölkern; Wenn Ihr die Erde nicht mehr könnt!

D a j a. Wie, Ritter? Verdienet meine Nachricht diesen Spott?

Daß Recha eine Christinn ist: das freuet Euch, einen Christen, einen Tempelherrn, Der Ihr sie liebt, nicht mehr? Tempelherr.

Besonders, da Sie eine Christinn ist von Eurer Mache.

D a j a. Ah! so versteht Ihrs? So mags gelten! — Nein!

( iS» )—

Den will ich sehn, der die bekehre» soll! Ihr Glück ist, längst zu seyn, was sie zu werden verdorben ist. Tempelherr. Erklär» Euch, oder — geht! D a j a. Sie ist ein Christenkind; von Christenälter« Geboren; ist getauft... . Tempelh err. (hastig.) Und Nathan? Dar«. Nicht Ihr Vater! Tempelherr, Nathan nicht ihr Vater? — Wißt Ihr, was Ihr sagt? D a j sl. Die Wahrheit, die so ost Mik blutge Thränen weinen machen. — Nein, Er ist »hr Vater nicht. . . T empelherr. Und hätte sie, Als seine Tochter nur erzogen? hatte Das Christenktnd als sine Jüdinn sich Erlogen?

— ( >5l > — D a j aGanz gewiß. Tempelherr. Sie wüßte nicht. Was sie geboren sey? — Sie hatt' es nie Von ihm erfahren, daß sie eine Christinn Geboren sey, und keine Jüdinn? D a j a.

Nie! Tempelherr. Er hätt' in diesem Wahne nicht das Kind Blos auferzoqen? ließ' das Mädchen aoch In diesem Wahne?

D a j a. Leider! Tempelher r. Nathan — Wie? — Der weise gute Nathan hätte sich Erlaubt, die Stimme der Natur so zu Verfälschen?— Die Ergießung eines Herzens So zu verlenken, die, sich selbst gelassen, Ganz andre Wege nehmen würde? — Daja,

Ihr habt mir allerdings etwas vertraut — Von Wichtigkeit, was Folgen haben kann, — Was mich verwirrt —worauf ich gleich nicht weiß. Was mir zu thun.

Drurn laßt mir Zeit—Drum geht!

— C 152 ) — Er kömmt hier wiederum vorbey. Er möcht' Uns überfallen. Geht! D a j a. Ich wär' des Tode-! Tempelh err. Ich bin ihn jetzt zu sprechen ganz und gar Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, sagt

Ihm nur, da- wir einander bey dem Sultan Schon finden würden. D a j a. Aber laßt Euch ja Nichts merken gegen ihn. — Da- soll nur so

Den letzten Druck dem Dinge geben; soll Euch, RechaS wegen, alle Skrupel nur Benehmen! — Wenn Ihr aber dann sie nach Europa führt: so laßt Ihr doch mich nicht

Zurück? Tempelherr. Da- wird fich finden. Geht nur, geht!

Vierter Aufzug. Erster Auftritt. (Scene in den Kreuzgängen des Klosters.)

Der Klosterbruder und bald darauf der

Tempelherr. Klosterbruder. Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch l ES hat mir freylich noch von alle dem Nicht viel gelingen wollen, was er mir So aufgetragen. — Warum tragt er mir Auch lauter solche Sachen auf? - Ich mag Nicht fein seyn; mag nicht überreden; mag Mein Näschen nicht in alles stecken; mag Mein Händchen nicht in allem haben. — Bin

Ich darum aus der Welt geschieden, ich Für mich; um mich für Andre mit der Wett

Noch erst recht zu verwickeln?

Le mpelherr (mit Hast auf ihn zukommend.) Da seyd Ihr ja. Gesucht.

Guter Bruder! Ich hab' Euch lange schon

K losterbru der. Mich, Herr? Tempelherr. Ihr kennt mich schon nicht mehr?

Klosterbruder. Doch, doch! Ich glaubte nur, dass ich den Herrn

In meinem Leben wieder nie zu sehn Bekommen würde. Denn ich hofft* es zu Dem lieben Gott. — Der liebe Gott, der weiss Wie sauer mir der Antrag ward, den ich Dem Herrn zu thun verbunden war. Er weiss, Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bey Euch Zu finden ; weiß, wie sehr ich mich gefreut, Im Innersten gefreut, dass Ihr so rund Das alles, ohne viel Bedenken, von Euch nues't, was einem Ritter nicht geziemt. — Nun kommt Ihr doch; ,nin Hais doch nachgewirkt!

Tempelherr. Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum Weiss ich es selbst. Klosterbruder. Ihr habts nun überlegt;

Habt nun gefunden, dass der Patriarch So unrecht doch nicht hat; dass Ehr' und Geld Durch seinen Anschlag zu gewinnen; dass

Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel Auch fiebenmal gewesen wäre. Das,

— ( 'S5 ) Das habt ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen. Und kommt, und tragt Euch wieder a». — Ach Goll! Tempelherr. Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrie­ den. Deswegen komm' ich nicht; deswegen will Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,

Noch denk' ich über jenen Punkt, wie ich Gedacht, und wollt' um alles in der Welt Die gute Meinung nicht verlieren, deren Mich ein so grader, frommer, lieber Mann Einmal gewürdiget — Ich komme bloß. Den Patriarchen über eine Sache Um Rath zu fragen. . .

Klosterbruder. Ihr den Patriarchen? Ein Ritter, einen — Pfaffen? (sich schüchtern umsehend.) Tempelherr. Ja- — die Sach' Ist ziemlich pfaffisch.

Klosterbruder. Gleichwohl fragt der Pfaffe Den Ritter nie, die Sache sey auch noch

So ritterlich-

- ( '§6 ) Tempelherr.

Weil er das Vorrecht hat Sich zu vergehn; das unser einer ibm Nicht sehr beneidet. — Freylich, wenn ich nur

Für mich zu handeln hatte; freylich, wenn Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte: WaS braucht' ich Eures Patriarchen? Aber Gewisse Dinge will ich lieber schlecht. Nach Andrer Willen, machen; als allein Nach meinem, gut. — Zudem, ich seh nun wohl, Religion ist auch Parthey; und wer Sich drob auch noch so unpartheyisch glaubt. Halt, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner

Die Stange. Weil das einmal nun so istr Wirds so wohl recht seyn. Klosterbruder.

Dazu schweig' ich lieber. Denn ich versteh den Herrn nicht recht. Tempelherr.

Und doch! — erwünscht!

— ( >97 ) —

GehNlausk! holt mir daS Büchelchen. Geschwind! bin bereit mit Gold es aufzuwiegen; Hub tausend Dank dazu ! Eilt! Imtfl! Klosterbruder. Recht gern! Es ist Arabisch aber, Iwas der Herr Hineingeschrieben. (ab.) Nathan. Einerley! Nur her! — Gott! wenn ich doch das-Madchen noch behalten, Und einen solchen Eidam mir damit Erkaufen könnte!—Schwerlich wohl!—Nun, fall' Es aus, wic's will! -—Wer mag eS aber denn Gewesen seyn, der bey dem Patriarchen So etwas angebracht? Das muß ich doch Zu fragen nicht vergessen. — Wenn es gar Von Daja käme!

Achter Auftritt. Daja und Nathan. Daja. (eilig und verlegen.) Denkt doch, Nathan! Nathan. Nun?

( 198 ) — D a j aDas atme Kind etschtack wohl recht darüber! Da schickt . . . Nathan. Der Patriarch? D a j a. Des Sultans Schwester, Prinzessinn Sittab . . . Nathan. Nicht ider Patriarch? D a j a. Nein, Sittah!— Hört Ihr nicht? — Prinzessinn Sittah Schickt her, und laßt sie zu sich holen. Nathan. Wen? Laßt Recha bolen? — Sittah laßt sie hole» ? — Nun: wenn sie Sittah holen laßt, und nicht Der Patriarch . ♦. D a j a. Wie kommt Ihr denn auf den ? Nathan. Go hast du kürzlich nichts von ihm gehört? Gewiß nicht? Auch ihm nichts gesteckt? D a j a. Ich? ihm?

— ( 199 ) — Nathan. Wo find die Bothen? D a j a. Dorn. Na t h a n. Ich will sie dock Aus Vorsicht selber sprechen. Komm! — Wenn mit Vom Patriarchen nichts dahinter ist. (ab.) D aj a. Und ich- ich fürchte ganz was anders noch. WaS giltS? die einzige vermeinte Tochter So eines reichen Juden wär' auch wohl Für einen Muselmann nicht übel. — Huy, Der Tempelherr ist drum; ist drum, wenn ich Den zweyten Schritt nicht auch noch: nicht Auch ihr-noch selbst entdecke, wer ste ist: — Getrost ' Laß mich den ersten Augenblick, Denn ich allein sie habe, dazu brauchen! Und der wird seyn — vielleicht nun eben, wenn Ich sie begleite. So ein erster Wink Kann unterweges wenigstens nicht schaden. Ja, ja! Nur zu! Jryt oder nie! Nur zu! (ihm nach.)

~ C 2co )

Fünfter Aufzug. Erster

Auftritt.

(Scene: das Zimmer in Saladins Pallaste, in welche- die Beutel mit Geld getragen worden,

die noch zu sehen sind.) Sa lad in und bald darauf verschiedene Mameluken. S a l a d i n. (im Hereintreten.) Da steht das Geld nun noch! Und niemand weiß

Den Derwisch aufzufinden, der vermuthlich Ans Schachbret irgendwo gerathen ist, Das ihn wohl seiner selbst vergessen macht; —

Warum nicht meiner? — Nun, Geduld! Was giebtS?

Ein Mameluk. ErwünschteNachricht,Sultan! Freude,Sultan!..

Die Karavane von Kahlra kömmt; Ist glücklich da, mit siebenjährigem

Tribut des reichen Nils.

— ( 2or ) —

S a l a d i n. Brav, Ibrahim! £u bist mir wahrlich ein wlllkommner Vorhc' — Ha! endlich einmal! endlich' —Hebe Dank Der gutui Zeitung. D er M a m e l u k. (wartend.) (Nun, nur her damit!) S a l a d i n. Was wart'st du?—Geh nur wieder. Der M a m e l n k. Dem Wrllkommnen Sonst nichts? S a l a d r n. Was denn noch sonst? D er M anieluf. Dem guten Bothen Kein Bothenbrot? So war' ich ;a der Erste, Den Saladrn mit Worten ablohnen, Doch endlich leimte!—Auch elnRuhm!—derErste^ Mit dem er fmtferte. S a l a d i n. So nimm dir nur Dort einen Beutel. Der Mamelu k. Neln, nun nicht! Du kannst Mir sie nun alle schenken wollen.

— ( 202 )

Saladin.

Troy!Komm her ! — Da hast du zwey. — Im Ernst? er geht? Thut mir- an Edelmuth zuvor? —Denn sicher Muß ihm es saurer werden, an-Zuschlägen, Als mir zu geben. — Ibrahim! — Was kömmt Mir denn auch ein, so kurz vor meinen Abtritt Auf einmal ganz ein andrer seyn zu wollen? — Will Saladin al- Saladin nicht sterben? — So mußt' er auch als Saladin nicht leben. Ein zweyter Mameluk. Nun, Sultan! . . . Saladin. Wenn du mir zu melden kömmst. . . Zweyter Mameluk. Daß au- Aegypten der Transport nun da! Saladin. Ich weiß schon. Zweyter Mameluk. Lanr ich doch zu spat! Saladin. Warum Zu spat? —«Da nimm für deinen guten Willen

Den Beutel einen oder zwey. Zweyter Mameluk. Macht drey l

S a l a d L n. Ja, wenn du rechnen kannst! — So nimm sie nur. Zweyter Mameluk. Es wird wohl noch ein Dritter kommen, — wenn

Er anders kommen kann. S a l a d i n. Wie das?

Zweyter Mameluk. Je nun! Er hat auch wohl den Hals gebrochen. Den» Sobald wir drey der Ankunft Hes Transports

Versichert waren, sprengte jeder frisch Davon. Der Vorderste, der stürzt; und so

Komm' ich nun vor, und bleib' auch vor bis in Die Stadt, wo aber Ibrahim, der Lecker, Die Gaffen besser kennt. S a l a d i n. D der gestürzte! Freund, der gestürzte! — Reit' ihm doch entgegen.

Zweyter Mameluk. Das werd' ich ja wohl thun! — Und wenn er lebt. So ist die Hälfte dieser Beutel sein,

(geht ab.) S a l a d i n. Sieh, welch ein guter edler Kerl auch das! —

Wer kann sich solcher Mameluken rühmen?

Und war' mjr denn zu denken nicht erlaubt.

— ( 204 ) — Daß sie mein Beyspiel bilden helfen? —Fort Mit dem Gedanken, sie zn guter letzt

Roch an ein andres zu gewöhnen! — ...

Ein - rrtter Marne luk. Sultan, < . . S a l a d i n. Bist du's, der stürzte? Dritter Mameluk. Nein. Ich melde nur, — Daß Emir Mansor, der die Karavane Geführt, vom Pferde steigt. . . S a l a d i u. Bring ihn! Geschwind! —

Da ist er ja ! —

Zweyter A u ftrit t. Emir M a » so r und S a lad in. S a l a b i n. Willkommen, Emir! Nun,

Wie Lsts gegangen?-— Mausor, Mausor, hast Uns lauge warten lassen ! Mausor. Dieser Brief Berichtet, was dein Abu lkassem erst Für Unruh in Thebais dämpfen müssen.

Eh' wir es wagen dursten abzugehen.

( roL ) —

Den Zug darauf hab' ich beschleuniget So viel, wie möglich war. S a l a d i nIch glaube dir! Und nimm nur, guter Mansor, nimm sogleich. . • Dn thust es aber doch auch gern? . . nimm frische Bedeckung nur sogleich, Du mußt sogleich Noch weiter; mußt der Gelder größer» Theil Auf Libanon zum Vater bringen. M a n s o r. Gern'. Sehr gern! S a l a d r n. Und nimm dir die Bedeckung ja Nur nicht zu schwach. Es ist um Libanon Nicht alles mehr so sicher. Hast du nicht Gehört? Die Tempelherrn sind wieder rege. Sey wohl aufdeiner Hut! — Komm nur! hält Der Zug? Ich will ihn sehn; und alles selbst Betreiben.-—Ihr! ich bin sodann bey Sittab.

Dritter Auftritt.

(Scene; die Palmen vor Nathans Hanke, wo,der Tempelherr auf und nieder geht,) Zns Haus nun will ich einmal nicht.— Er wird Sich endlich doch wohl sehen lassen! — Man

— ( 20« ) —

Bemerkte mich ja sonst so bald, so gern! — Will- noch erleben, daß er sich- verbittet. Vor feinem Hause mich so fleißig finden Zu lasten. — Hm! —ich bin doch aber auch Sehr ärgerlich. — Was hat mich denn nun so Erbittert gegen ihn? — Er sagte ja r Noch schlug er mir nicht- ab. Und Saladin Hat- über sich genommen, ihn zu stimmen.— Wie? sollte wirklich wohl in mir der Christ Noch tiefer nisten, als in ihm der Jude? — Wer kennt sie recht! Wie könnt' ich ihm denn sonst Den kleinen Raub nicht gönnen wollen, den Er sich- zu solcher Angelegenheit Gemacht, den Christen abzujagen? —Freylich; Kein kleiner Raub, ein solch Geschöpf!--Geschöpf? Und wessen? — Doch des Sklaven nicht, der auf Des Lt.bens öden Strand den Block geflößt. Und sich davon gemacht? Des Künstlers doch Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Block» Dir göttliche Gestalt sich dachte, die Er dargestellt? — Ach! Rechas wahrer Vater Bleibt, trotz dem Christen, der sie zeugte — bleibt In Ewigkeit der Jud. — Wenn ich mir Sie lediglich als Christendirne denke, Sie sonder alle- das mir denke, was Allein ihr so ein Jude geben konnte; — Sprich, Herz,— was war' an ihr, das dir gefiel?

— ( 207 ) -r

Nichts! Wenig! Gelbst ihr Lächeln — wär' es nichts Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln, War', was sie lächeln macht, des Reizes unwerth, In den es sich auf ihrem Munde kleidet: — Nein; selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab' es ja Wohl schöner noch an Aberwitz an Tand, An Höhnerey, an Schmeichler und an Buhler Verschwenden sehn! — Kats da mich auch bezau­ bert ? Kats da mir auch den Wunsch entlockt, nicht Leben In seinem Sounenscheine zu verflattcrn?-— Zch wüßte n-cht. Und bin auf den doch launisch, Der diesen höhern Werth allein ihr gab? Wie das? warum? — Wenn ich den Spott ver­ diente. Mit dem mich Saladin entließ l Schon schlimm Genug, daß Saladin es glauben konnte? Wie klein ich ihm da scheinen mußte? wie Verächtlich!—-Und das alles um ein Mädchen?-—Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk'ein! Wenn vollends Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte, Mas schwerlich zu erweisen stünde? — Sieh, Da tritt er endlich in Gespräch vertieft, Bus seinem Hause! — Ha' mit wem? — Mit ihm? Mit meinem Klosterbruder?.— Ha! so weiß

— ( 208 )

Er sicherlich schon allesist wohl gar Dem Patriarchen schon verrathenHa! Was hab' ich Querkopf nun gestiftet! —Daß Ein einz'ger Funken dieser Leidenschaft Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! — Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu thun Zch will hier seitwärts ihrer warten; — ob Vielleicht -er Klosterbruder ihn verlaßt. Vierter Auftritt. Nathan und der Klosterbruder. Nathan (im Naherkommen.) Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank! Klosterbruder. Und ihr desgleichen! Nathan. Ich? von Euch? wofür? Für meinen Eigenflnn, Euch aufzudringcn, MasJhr nicht braucht?—Za,wenn ihmEurer mir Auch nachgrgeben Hari'; Ihr mit Gewalt Nicht wolltet reicher seyn, als ich. Klosterbruder. Das Buch Gehört ja ohnedies nicht mir; gehört Ja ohnedies der Tochter; ist ja so

— ( -Oy ) — Der Tochter goaze« väterliche« Erbe. — Je nun, sie hat ja Ench. — Gott gebe nur, Daß ihr es nie bereuen durft, so viel Für sie gethan zn haben l Nathan. Kann ich das? Da§ kann ich nie. Seyd unbesorgt' Klosterbruder. Run, nun* Die Patriarchen und die Tempelherren . . . R a t h a uVermögen mir des Bösen nie so diel Zu thun, daß irgend was mich reuen könnte: Geschweige, das!—Und seyd Ihr denn so gang Berfichert, daß ein Tempelherr es ist. Der Euren Patriarchen hetzt? Klosterbruder. Es kann Beynah kein andrer seyn. Ein Tempelherr Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich Hörle, Das klang darnach. Nathan. Es ist doch aber nur Ein einziger jetzt in Jerusalem. Und diesen kenn* ich; dieser ist »ein Freund, Lin junger, edler, offner Mann!

Lessing 4. L.

S>

Klosterbruder.

Ganz recht. Der nähmliche!--Doch was man ist, und waS Man seyn muß in der Welt, das paßt ja wohl Nicht immer. Nathan. Leider nicht.— So thue, wers Auch immer »fi, sein Schlimmstes oder Bestes! Mit Eurem Buche, Bruder, trotz' ich allem, Und gehe gradcs Wegs damit zum Sultan. Klosterbruder. Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier ver­ lassen. Nathan. Und habt sie nicht einmal gesehn! —Kommt ja Doch bald, doch fleißig wieder — Wenn nur heut Der Patriarch noch nichts ersähet! —Doch was? Sagt ihm auch heute, was ihr wollt. Klosterbruder. Ich nicht. Lebt wohl! (geht ab.) Nathan. Vergeßt uns ja nicht, Bruder!—Gott! Daß ich nicht gleich hier unter freyem Himmel Auf meine Knie sinken kann! — Wie sich Der Knoten, der so oft mir bange machte,

— C 211 ) —

Nun von sich selber löset!— Gott- wie leicht Mir wird, daß ich nun weiter aufder Welt Nichts zu verbergen habe! daß ich vor Den Menschen nun so frey sann wandeln, als Vor dir, der du allein den Menschen nicht Nach seinen Thaten brauchst zu richten, die So selten seine Thaten sind, oGott! —

Fünfter Auftritt. Nathatt und der Tempelherr, der von der Seite auf ihn zukömmt. Tempelherr. He! wartet, Nathan! nehmt mich mit! Nathan. Wer ruft?— Seyd Ihr es, Ritter? wo gewesen, daß Ihr bey dem Sultan Euch nicht treffen lassen ? Tempelherr. Wir sind einander fehl gegangen. Nehmts Nicht übel! N a r b a n. Ich nicht; aber Satadin. . . Te mpelherr Ihr wart nur eben fort.

T>2

— ( 212 )

Nathan. Und spracht ihn-och ? Nun, so ists gut.

Tempelherr.

Er will uns aber beyde Zusammen sprechen. Nathan. Desto besser.

Kommt

Mein Gang stand ohnehin zu ihm. Tempelherr. Ich darfja doch wohl fragen» Nathan, wer Nur mit.

Euch da verließ. Nathan. Ihr kennt ihn doch wohl nicht?

Tempelherr. Wars nicht die gute Haut, der Lavenbruder, Deß'sich der Patriarch so gern zum Stöber

Bedient? Nathan.

Kann seyn! beym Patriarchen ist Er allerdings.

Tempelherr. Der Pfiff ist gar nicht übel r Die Einfalt vorder Schurkerey voraus

Zu schicken.

Nathan. Ja, die dumme - nicht die fromme.

— c 2iZ ) — Tempelherr. An fromme glaubt kein Patriarch. Nathan,

Für bett

Nun steh ich.

Der wird seinem Patriarchen

Nichts ungebührliches vollziehen helfen-

Tempelherr. So stellt er wenigstens sich an. — Doch hat

Er Euch von mir Venn nichts gesagt?

Nathan, Vvn Euch? Von Euch nun namentlich wohl nichts.—Er weiß

Ja wohl auch schwerlich Eure- Namen? Tempelherr. Schwerlich. Nathan. Von einem Tempelherrn freylich hat

Er mir gesagt. . .

Tempelherr. Und was?

Nathan. Womit er Euch Doch ein für allemal nicht meynen kann! Tempelherr.

Werweiß? Laßt doch nur hören.

N a t h an.

Daß mich einer Bey seinem Patriarchen angekla.it. . .

Tempelherr. Euch angeklagt ? — Das ist, mitfeiner Gunst — Erlogen.—Hört mich, Nathan !—Ich bin nicht Der Mensch, der irgend etwas abzuleugnen Im Stande wäre. Was ich that/ das'that ich! Doch bin ich auch nicht der, der alles, was Er that, als wohlgethan vertheid'gen möchte. Was sollt' ich eines Fehls mich schämen ? Hab' Ich nicht den festen Vorsatz ihn zn bessern ? Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem Es Menschen bringen können?—Hört mich, Na­ than!-* Ich bin des Layenbruders Tempelherr, Der Euch verklagt soll haben, allerdings. — Ihr wißt ja, was mich wurmisch machte! was Wein Blnt in allen Adern sieden machte 1 Ich Gauch ! — ich kam,so ganz mitLeib und See? Euch in die Arme mich zu werfen. Wie Ihr mich empfingt — wie kalt --- wie lau — Denn lau Ist schlimmer noch als kalt; wie abgemessen Mir auszubeugen Ihr beflissen wart; Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen Ihr Antwort mir zu geben scheinen wolltet: Das darf ich kaum mir jetzt noch denken, wenn Ich soll gelassen bleiben.— Hört mich, Nathan ! In dieser Gährung schlich mir Daja nach,

— t 215 ) Und warf mir ihr Geheimniß an den Kopf, Das mir den Aufschluß Eures rärhselhaften Betragens zu enthalten schien. Nathan. Wie das? Tempelherr. Hört mich nur aus!-—Ich bildete mir ein: Ihr wolltet, was Ihr einmal nun den Christen So abgejagt, an einen Christen wieder Nicht gern verlieren. Und so fiel mir ein, ßuch furz und gut das Mester an die Kehle Zu setzen. Nathan. Kurz und gut? und gut?—Wo steckt Dys Gute? Tempelherr. Hört mich, Nathan!— Allerdings; Ich that nicht recht! — Ihr seyd wohl gar nicht schuldig.— Die Närrin Daja weiß nicht was sie spricht — Ist Euch gehaßig—sucht Euch nur damit In einen bösen Handel zu verwickeln —* Kann seyn! kann seyn! -Ich bin ein junger Laste, Der immer nur an beyden Enden schwärmt; Bald viel zu viel, bald viel zu wenig thrzt — Auch das kann seyn! Verzeiht mir, Nathan.

Nathan.

Wenn Ihr so mich freylich fasset —

Tempelherr. Kurz, ich ging Zum Patriarchen—hab' Euch aber nicht

Genannt. Das ist erlogen, wie gesagt! Ich hab'ihm bloß den Fall ganz allgemein Erzählt, um seine Meynung zu vernehmen — Auch dashatt' unterbleiben können : ja doch ! — Denn kannt' ich nicht den Patriarchen schon Als einen Schurken? Konnt'ich Euch nicht selber

Nur gleich zur Rede stellen?— Mußt' ich der Gefahr, so einen Barer zu verlieren, Das arme Mädchen opfern ?—Nun, was thuts ? Die Schurkerey des Patriarchen, die So ähnlich immer sich erhalt, hat mich Des nächsten Weges wieder zu mir selbst

Gebracht. -^-Denn hört mich, Nathan; hort mich

aus-Gesetzt; er wußt' auch Euren Nameu; was Nun mehr, was mehr?—' Er kann Euch ja das Mädchen

Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer; Er kann sie doch aus Eurem Haufe nur JnS Kloster schleppen. — Also--gebt sie mir! Gebt sie nur mir; und laßt ihn kommen« Ha!

Ec solls wohl bleiben lassen, mir mein Weib Zu nehmen.— Gebt ste mir ; geschwind.'—Sie sey Nun Eure Tochter, oder sey es nicht! Sey Christinn, oder Jüdinn, oder keines! Gleichviel! gleich viel! Ich.werd'Euch weder jetzt Noch jemals sonst in meinem ganzen Leben Darum befrageu. Sey, wie'ssey! Nathan. Ihr mahnt Wohl gar, daß mir die Wahrheit zu verbergen Sehr nöthig ? Tempelherr. Sey, wie's sey! Nathan Ich hab' es ja Euch—oder wem es sonst zu wissen ziemt— Noch nicht geläriHnet, daß ste eine Christinn, Und nichts als meine Pflegetochter ist. — Warum ichs aber ihr noch nicht entdeckt ?— Darüber brauch' ich nur bey ihr mich zu Entschuldigen. Tempelherr. Das sollt Ihr auch bey ihr Nicht brauchen.— Gönnts ihr doch, daß ste Euch nie Mit andern Augen darfbetrachten! Spart

— ( 2'8 ) Ihr die Entdeckung doch!— Noch habt Ihr ja, Ihr ganz allein, mit ihr zu schalten. Gebt Sie mir! Ich bitt'Euch Nathan: gebt sie mirl Ich bins allein, der sie zum zweytenmale' Euch retten kann — und will. Nathan. Ja—konnte! konnte! Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät. Tempelherr. Wieso? zu spät. Nathan. Dank sey dem Patriarchen. . Tempelherr. Dem Patriarchen? Dank? ihm Dank? wofür? Dank hätte der bey uns verdienen wollen? Wofür? wofür? Nathan. Daß wir nun wissen, wem Sie anverwandt; nun wissen, wessen Händen Sie sicher ausgeliefert werden kann. Lempelh err. Das dank' ihm — wer für mehr ihm danken wird ! N a t h a n. Aus diesen müßt Ihr sie nun auch erhalten; Und nicht aus meinen. Tempelherr. Arme Rechn! Was

Dir alles znstößt, arme Necha! Was Ein Glück für andre Warfen wäre, wird Dein Unglück!—Nathan!—Und wo sind sie, diese Verwandte? Nathan. Wo sie sind? Tempelherr. Und wer sie sind. Nathan. Besonders hat ein Bruder sich gefunden. Bey dem Ihr um sie werben müßt. Tempelherr. Ein Bruder? WaS ist er, dieser Bruder ? Ein Soldat ? Em Geistlicher ?— Laßt hören, was ich mir Versprechen darf. Nathan. Ich glaube, daß er keins Von beyden—oder beydes ist. Ich kenn' Ihn noch nicht recht. Tempelherr. Und sonst? Nathan. Ein braver Mann! Bey dem sich Recha gar nicht übel wird Befinden.

Tempelherr. Doch ein Christ'—Ich weiß zu Zeiten Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll :— Nehmt mirs nicht unaiit,Naihan! Wird sie nicht Die Christinn spielen müssen, unter Christen? Und wird sie, was sie lange gnuq gespielt, Nicht endlich werden ? Wird den lautern Weizen Den Ihr gesa't,das Unkraut endlich nicht Ersticken?—Und das kümmert Euch sowenig? Dem ungeachtet könnt Ihr sagen — Ihr Daß sie bey ihrem Bruder sich nicht übel Befinden werde? Nathan. Denk' ich ! hoff' ich!— Wenn Ihr sa bey ihm was mangeln sollte, hat Sie Euch und nuch beim nicht noch immer ?•— Tempelherr. DH! Was wird bey ihm ihr mangeln können! Wird Das Brüderchen mir Effen und mit Kleidung, Mil Naschwerk und mit Putz, das.Schwesterchen Nicht reich.ich gnug versorgen? Und was braucht EinS chwesterchen bunt mehr? Ey freylich-auch Noch einen Mann'-Nun, nun; auch den, auch den Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit Schon schaffen; wie er immer nur zu finden ! Der Christlichste der Beste!—Nathan, Nathan!

Welch einen Engel hattet Ihr gebildet. Denn Euch nun Andre so verhunzen werden! Nathan. Hat keine Noth ! Er wird sich unsrer Liehe Noch immer werth genug behaupten. Tempelherr. Sagt Das nicht! Von meiner Liebe sagt das nichts Denn die läßt nichts sich unterschlagen; nichts. Es sey auch noch so klein! Auch keinen Namen ! — Doch halt ■’— Argwohnt sie wohl bereits, was mit Ihr vorgeht? N a t b a n. Möglich; ob ich schon nicht wüßte. Woher. Tempelherr. Auch eben viel. Sie soll— sie muß In beyden Fallen, was ihr Schicksal droht, Von mir zuerst erfahren. Mein Gedanke, Sie eher wieder nicht zu sehn, zu sprechen. Als bis ich sie btc Merne nennen dürfe, Fällt weg. Ich eile. . . Nathan. Bleibt! wohin? Tempelherr. Zu ihr 1 Zu sehn, ob diese Madchenseele Manns genug

— ( 2,2 ) —

Wohl ist, den einzigen Entschluß zu fassen, Der ihrer würdig wäre!

Nathan. Welchen? Tempelherr.

Den: Nach Euch und ihrem Bruder weiter nicht

An fragen —

Nathan. Und? Tempelherr.

Und mir zu folgen;—wenn Sie drüber eines Muselmannes Frau Auch werden müßteNathan.

Bleibt! Ihr trefft sie nicht. Sie ist bey Sittah, bey des Sultans Schwester.

Tempelherr. Seit wann? warum?

Nathan. Und wollt Ihr da bey Ihnen Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit. Tempelherr. Den Bruder? welchen? Sittah's oder Recha's?

Leicht beyde.

Nathan. Kommt nur mit! Ich bitt'Euch, kommt! (Er führt ihn fort.)

— ( 22Z ) Sechster Äuftri tt.

thu's! o thu's!

— ( 2ß4 ) — S a l a d i n. Ich will eiil guter Vater, Recht guter Vater seyn!—Doch halt! mir fällt Noch vielwasBeffersbey —Was brauchst dudenn Der Barer überhaupt? Wenn sie nun sterben? ey Zetten sich nach einem umgesehn. Der mll uns um die Wette leben wlll! Kennst du *wch keinen? . . . S i t t a h. Mach sie nicht erröthen! S a l a d i n. Das hab' ich allerdings mir vorgesetzt. Errörhen macht die Häßlichen so schön: Und sollte Schöne nicht noch schöner machen?-* Ich habe deinen Vater Nathan, und Noch einen—einen noch hierher bestellt. Erräthst du ihn?—Hrerher! Du wirst mir doch Erlauben, Slrrah? S i t t a h. Bruder! S a l a d i n. Daß du ja Vor ihm recht sehr erröthest, liebes Mädchen! Rechn. Vor wem? erröthen? . , . S a l a d i n. Kleine Heuchlerinn!

Nun so erblasse lieber!—Wie du willst Und kannst! — (eme Sklavin tritt herein, und nahet sich Sittah.) Sie sind doch etwa nicht schon da? Sittah (zur Sklavinn ) Gut! laß sie nur herein.-—Sie sind es Bruderl

Letzter Auftritt. Nathan und der T e m p e l h e r r zu den Vorigen.

S a l a d i n. Ah! meine guten lieben Freunde!—Dich, Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen Bedeuten, daß du null, sobald du willst, Dem Geld kannst holen lassen! . . . Nathan. Sultan! . • . S a l a d i n. Nun steh' ich auch zu deinen Diensten . . . Nathan. Sultan! ♦ . . S a l a d i n. Die Karavan' ist da. Ich bin so reich Nun wieder, als ich lange nicht gewesen.— Komm, sag' mir, was du brauchst, so recht was Großes

Zu unternehmen! Denn auch chr, auch ihr, Ihr Handelsleute, könnt des baaren Geldes Zu viel nie haben! Nathan. Und warum zuerst Von dieser Kleinigkeit?-- Ich sehe dorr E»n Aug' in Thränen, das zu trocknen, mir Wert angelegner ist. (gehtaufRechazu.) Du hast geweint ? Was fehlt dir ?—bist doch meine Tochter noch ? A e ch a. Mein Vater! . . . Nathan. Wir verstehen uns. Genug !— Sey heiter! Sey gefaßt? Wenn sonst dem Herz Nur dein noch ist ! Wenn deinem Herzen sonst Nur kein Verlust nicht droht! —Dein Vater ist Dir unverloren! R e ch a. Keiner, keiner sonst! Tempelherr. Sonst keiner?—Nun ; so hab' ich mich betrogen. Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat Man zu besitzen nie geglaubt, und nie Gewünscht.— Recht wohl! recht wohl! — Das ändert, Nathan,

— ( SZ7 ) — Das ändert alles!—Saladin, wir kamen Auf dein Geheiß.

Allein, ich hatte dich

Verleitet: jetzt bemüh dich nur nicht weiter! S a l a d i n. Wie gach nun wieder, junger Mann!—Soll alles

Dir denn entgegen kommen? alles dich

Errathen? Tempelherr. Nun du hörst ja! siehst ja, Sultan! S a l a d i n. Ey wahrlich!—Schlimm genug, daß deinerSache

Du nicht gewisser warst!

Tempelherr. So ichs nun. S a L a d i n. Wer so auf irgend eine Wohlthat trotzt,

Nimmt sie zurück. Was du gererret, ist Deswegen nicht dein Eigenthum. Sonst wär' Der Räuber, den sein Geitz ins Feuer jagt,

So gut ein Held, wie du'lauf Aecha zugebend, mit sie dem Tempelherrn zuzufübrcn ) Komm, liebes Mädchen,

Komm! Nimmsmitihm nicht so genau.

Denn war'

Er anders; wär' er minder warm und stolz: Er hätt' es bleiben Ulf*11/ dich zu eenem

— ( 2Z8 ) — Du mußt ihm eins fürs andre rechnen.— Komm ! Beschäm'ihn -' thu, was ihm zu thun geziemte! Bekenn' ihm deine Liebe! trage dich ihm an ! Und wenn er dich verschmäht; dirs je vergißt,,

Wie ungleich mehr in diesem Schritte du Für ihn gethan, als er für dich; . . Was hat Er denn für dich gethan? Ein wenig sich Berauchern lassen! ist was rechts!-—so hat Er meines Bruders, meines Afsad, nichts? So trägt er seine Larve, nicht sein Herz. Komm, Liebe. . * SittahGeh! geh, Liebe, geh! Es ist Für de^ne Dankbarkeit noch immer wenig; Noch immer nichts. Nathan. HaltSaladin! haltSittah! S a l a d i n. Auch du? Nathan. Hier hat noch Einer mit zu sprechen. . . S a l a d i n. Wer laugnet das? — Unstreitig, Nathan, kömmt So einem Pfleaevater eine Stimme Mit zu ! Die erste, wenn du willst.—Du hörst Ich weiß her Sache ganze Lage.

-- ( 239 ) —

Nathan.

Nicht so ganz! — Ich rede nicht Don mir. Es ist ein Andrer; Weit, weit ein Andrer, den ich, Saladiu, Doch auch vorher zn Horen bitte. Salad i n. Mer? Nathan. Ihr Bruder! ©Alabin. Aecha's Bruder? Nathan. Ja! R e ch a. Mein Bruder? So hab' ich einen Bruder? Tempelherr laus seiner wilden stummen Zerstreuung auffahrend.) Wo? wo ist Er, dieser Bruder ? Noch nicht hier? Ich sollt' 2hn hier ja treffen. Nathan. Nur Geduld! Tenrpelherr (äußerst bitter.) Er hat

Ihr einen Vater aufgebundcn:— wird Er keinen Bruder für sie finden? S a l a d i n.

Hat noch gefehlt! Christ! ein so niedriger Verdacht wär' über Assads Lippen nicht Gekommen. — Gut! fahr nur so fort! Nathan, Verzeih Ihm! — Ich verzeih ihm gern. — Wer weis, was wir An feiner Stell', in seinem Alter dachten! (freundschaftlich auf ihn zngehend.) Natürlich, Ritter! — Argwohn folgt aus Mißtraun.— Wenn Ihr mich Eures wahren Namens gleich Gewürdigt hättet. . . Tempelherr. Wie? Nathan. Ihr seyd kein Stauffen. Tempelherr. Wer bin ich denn? Nathan. Heißt Curd von Stauffen nicht. T e m p e l h e r.r. Wie heiß' ich denn?

Nathan. Heißt Leu von Filnek. Tempelherr.

Wie?

Nathan. Ihr stutzt?

Tempelherr. Mit Recht! Wer sagt d-s? Nathan. Ich ; der mehr, Noch mehr Euch sagen kann. Ich straf' indeß Euch keiner Lüge. Tempelherr. Nicht? Nathan. Kaun doch Wohlseyn, Daß jener Nam' Euch ebenfalls gebührt. Tempelherr. Das so llt' ich meynen!—(Das hieß Gott ihn spre­ chen!) Nathan. Denn Eure Mutter—die war eine Stauffin. JhrBruder, Euer Dhm, der Euch erzogen. Dem EurcEltern Euch in Deutschland ließen, Als, von dem rauhen Himmel dort vertrieben Sie wieder hierzu Lande kamen Der Hieß Curd von Stauffen; mag an Krndcsstatt Lessings B. Q

Vielleicht Euch angenommen haben.—Seyd Ihr lange schon mit ihm nun apch herüber Gekommen ? Und er lebt doch noch?

Tempelherr.

Was soll Ich sagen?—Nathan I—Allerdings! So jsts! Er selbst ist todt.

Ich kam erst mit der letzten

Verstärkung unsres DrdenS.—Aber, aber— Was hat mit diesem allenRecha's Bruder

Zu schaffen ? Nathan.

Euer Baker. . . Tempklher . Wie? auch de« Habt Ihr gekannt? Auch den? Nathan. Es war mein Freund.

Tempelherr. Wär Euer Freund? Jsts möglich, Nathan! . . . Nathan.

Nannte Sich Wolfvon Filnek: aber war kein Deutscher...

Tempelherr. Jhrwißt auch dar? Nathan. War einer Deutschen nur

Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutsch, land Auf kurze Zeit gefolgt. . . Tempelherr. Nicht mehr', ich bitt' Euch!—Aber Recha'S Bruder? Recha's Bruder.. Nathan. Seyd Ihr! Tempelherr. Ich? ich ihr Bruder? A e ch a. Er mein Bruder? S i t t a h.

Geschwifler!

G a l a d i n. Sie Geschwister! Rech a (will aufihn zu.) Ab! mein Bruder'Te mp el h err(tritt zurück.)

Ihr Bruder! Recha. (hält an,und wendet sich zu Nathan.) Kann nicht sey»! nicht seyn! — Sein Herz Weiß nichts davon!— Wir sind Betrüger iGvtt! Q 3

Saladin (zum Tempelherrn.) Betrüger? MLe? Das denkst du ? kannst du denken? Betrüger selbst ! Denn alles ist erlogen An dir: Gesicht und Stimm und Gang ! Nichts dein! So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh!

Tempelherr. (sich demüthig ihm nahend.) Mißdeut' anch du nicht mekn Erstaunen, Sultans Verkenn" in einem Augenblick', in dem Du schwerlich deinen Assad je gesehen. Nicht ihn und mich!

(aufNathan zueilend.) Ihr nehmt und gebt mir, Nathan, Mit vollen Händen beydes!— Nein! Ihr gebt

Mir mehr alsJhr mir nehmt! unendlich mehr! (Recha um den Hals fallend.) Ah meine Schwester! meine Schwester! Nathan.

Blanda VouFilnek!

Tempelherr. Blanda? Blanda? — Rechn nicht? Nicht Eure Recha mehr ?—©om! Ihr verstoßt Sie ? Gebt ihr ihren Ebristennamen wieder 3

— ( 245 ) Verstoßt sie meinetwegen ? — Nathan ! Nathan!

Warum es sie entgelten lassen ? sie!

Nathan. Und was ?— O, ckeine Kinder! meine Kinder Denn meiner Tochter Bruder war mein Kind Nicht auch,—sobald er.rytll ? (Indem er sich ihren Umarmungen überlaßt, tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.)

S a l a d i n. Was sagst du, Schwester? S i t t a h. Ich bin gerührt. . . S a l a d i n. Und ich,—ich schaudere Vor einer größer» Rührung säst zurück 1

Bereite dich nurdrauf, so gut dukannst. S i t t a h.

Wie? Saladin. Nathan, auf ein Wort! ein Wort!—» (Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah Zn dem

Geschwister, ihm ihre Theilnehmung zu bezeigen? und Nathan und Saladin sprechen leiser.) Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin

Nrcht-^?

— ( 246 ) — Nathan. Was?

S a l a d i n. AuS Deutschland sey ihr Vater nicht

Gewesen; rin geborner Deutscher nicht. WaS war er denn? wo war er sonst denn her ?

Nathan. Da« hat er selbst mir nie vertrauen wollen. AuS seinem Munde weiss ich nichts davon. S a l a d i n. Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer.

Nathan. £>! dass er der nicht sey, gestand er wohl— Er sprach am liebsten Persisch. . . S a l a d i ».

Persisch? Persisch?

W«< will ich mehr ?—Er ist-! Er war r-!

Nathan. Wer? S a l a d i n. Mei« Bruder! ganz gewiß! Mein Assad! ganz

Gewiss!

Nathan. Nun, wenn du selbst darauf verfällst:—

Nimm die Versicherung hier in diesem Buche! (ihm da- Brevier überreichend.-

( i>4? ) — S a l a b i n. (es begierig auffchlagend.) Ab'- seine Hand! Auch die erkenn'ich wieder!

Nathan. Noch wissen fie von nichts! Noch stehtS bey dir Allein, was sie davon erfahren solle»! S a l a d i u (indeß er darin geblättert.)

Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen? Ich meine Neffen—meine Kinder nicht?

Sie nicht erkennen? ich? sie dir wohl lassen? (wieder laut.) Sie sinds! sie sind es, Sittah, sinds! Sie sinds! Sind beydp meiner.. .deines Bruders Kinder!

(er rennt in ihre Umarmungen) Sittah. (ihm folgend.) Was hör' ich!—Konnt- auch anders, anders seyn!

S a l a d i »(zum Tempelherrn.) Nun mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich lieben!

(zuRecha.) Nun bin ich doch, wozu ich mich erbot,

Magst wollen, oder nicht! Sittah.

Ich auch ! ich auch!

S a l a d i n.

(zum Tempelherrn zurück.) Mein Sohn! mein Assad ! meines Assads Sohn! Tempelherr. Ich deines Bluts!—So waren jene Traume, Womit man meineKiudheit wiegte, doch — Doch mehr als Träume! (ihm zu Füssen fallend.) S a l a d i n.

(ihn aufhebend.) .Seht den Bösewicht! Er wußte was davon ; und konnte mich Zu seinem Mörder machen wollen! Wart!

(Unter stummer Wiederholung allseitiger Umgrmungen fällt der Vorhang.)

Dey eben diesem Verleger ist auch zu haben:

Zustand des alten und neuen Egyptens, in An­ sehung seiner Einwohner, der Hanolung, des Ackerbaues, der Vernunft, der politischen Ver­ fassung re. Aus dem Französischen bje$ Hrn. Savary. Zwey Theile mit Kupf. 2 st. 16 kr. Biographische Gemälde und Skizzen aus der Geschichte der Menschheit und Unmenschheit, oder Leben und Charakterschilderungender be­ rühmtesten und berüchtigsten Personen aus al­ len Zeitaltern. Von Joh. Friede. Schwach, 8- Wien 1799. 1 st. Gleichnisse. Von Carolina Pichler, gebornen von Greiner. Mit Vignet, g,Wien igoo. ist. F. Burton, über weibliche Erziehung und Sit­ ten. Aus dem Englischen übersetzt. Zwey Bände mit 4 schönen Kupfern: das Frauen, zimmer im vierfachen Stande, als Kind, Jungfrau, Mutter und Marrone darstellend. 8. Wien 1799. 1 st-Zokr. Rückblick auf das achtzehnte und Aussichten in das neunzehnte Jahrhundert, g. Leipzig r§vo. 51 kr. Sittensprüche und Maximen des persischen Wei. sen Hassan,Cazy. Ans dem Persischen über­ setzt. L. Wien 1799. 30 fr»

Neuestes Gemälde von Spanien. Von Chr. Aug.

Fischer, r- Wien 1300. ungeb. i fl.s kr. Reise nach Guiana und Cayenne, nebst einer Uebersicht der dahin gemachten Reisen und neuern Nachrichten von diesem Lande, dessen Bewohnern und den dortigen europäischen Ko. lonien, besonders den französischen. Aus dem Französischen übersetzt, 3. 1799, mit einer

Landkarte unfr einem Kupf. 1 st.

Terenzens Lustspiele. Uebersetzt von M. Vict. Kindervater. Zwey Theile, s* 1300. 2 st. Des Marcus Tullius Cicero Abhandlung über die menschlichen Pflichten in drey Büchern. Aus dem Lateinischen übersetzt von Christian Garve. 3. Wien 1800. 1 st.

------- Abhandlung über die Freundschaft.

Aus

dem Lateinischen übersetzt und mit Einleitung gen und erklärenden Anmerkungen versehen von C. A. G. Schreiber. 8» Wien 1300.45 kr.

------ Dialog über das höhere Alter.

Aus dem

Lateinischen übersetzt, und mit einer Cinleitnng und den nöthigen Anmerkungen versehen von C. A. G. Schreiber, Kallaboratur an der Schule zu Neuhaldensleben. s* Wien igoo* 45 kr.

—— Paradoxieen; mit erläuternden Inhalts­

anzeigen und erklärenden Anmerkungen. Don E. AG. Schreiber. 2. Wien isos-ss kr.

Lenopbon griechische Geschichte.

Don August

Christ. Borheck, Rektor de- Gymnasiums zu Bielefeld, und auswärtigem Mitglied der kö-

uigl.

deutschen Gesellschaft zu Göttingen, 8.

Wien i8«o.

ist. z