241 104 5MB
German Pages 692 [707] Year 2012
Collegium Metaphysicum Herausgeber / Editors
Thomas Buchheim (München) · Friedrich Hermanni (Tübingen) Axel Hutter (München) · Christoph Schwöbel (Tübingen) Beirat / Advisory Board
Johannes Brachtendorf (Tübingen) · Jens Halfwassen (Heidelberg) Johannes Hübner (Halle) · Anton Friedrich Koch (Heidelberg) Michael Moxter (Hamburg) · Friedrike Schick (Tübingen) Rolf Schönberger (Regensburg) · Eleonore Stump (St. Louis)
5
Christian Georg Martin
Ontologie der Selbstbestimmung Eine operationale Rekonstruktion von Hegels „Wissenschaft der Logik“
Mohr Siebeck
Christian Georg Martin, geboren 1980; Studium der Philosophie, Westslavischen Philolo gie und Germanistischen Linguistik in Freiburg, Prag, Krakau und München; 2010 Promo tion; seit 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Philosophie II der LMU Mün chen.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT eISBN PDF 9783161522 949 ISBN 9783161520617 ISSN 2191-6683 (Collegium Metaphysicum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra phie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Diese Untersuchung ist das Ergebnis einer l¨angeren Auseinandersetzung mit Hegels Wissenschaft der Logik“. Begonnen wurde diese Auseinanderset” zung in der Absicht, Hegels Anspruch auf voraussetzungsloses Denken im selbst¨andigen Nachvollzug auszuweisen. Daraus geworden ist der Versuch einer argumentativen Rekonstruktion von Hegels Logik“ als kritischer Ontolo” gie, die Sein vom Sichbestimmen her fasst. Im vorliegenden Buch findet dieser Versuch einen vorl¨aufigen Abschluss. Anl¨asslich dessen m¨ochte ich denjenigen, die mich bei der Arbeit daran unterst¨utzt haben, danken. Seiner institutionellen Einbettung nach bildet dieses Buch eine u¨ berarbeitete Fassung meiner Dissertation, auf deren Grundlage ich 2010 an der LudwigMaximilians-Universit¨at M¨unchen promoviert wurde. Mein erster Dank geb¨uhrt meinem Doktorvater Axel Hutter f¨ur seine großz¨ugige und weitsichtige Unterst¨utzung bei der Abfassung der Arbeit. Dem Zweitgutachter Thomas Buchheim danke ich f¨ur seine Bereitschaft zu intensiven Disskussionen u¨ ber den Gegenstand der Arbeit und seine ebenso treffende wie wohlwollende Kritik. Weiter geht mein Dank an Anton Friedrich Koch, der nicht nur kurzfristig bereit war, das Drittgutachten zu u¨ bernehmen, sondern auch dazu, sich schriftlich u¨ ber den Gegenstand der Arbeit auszutauschen. Seinen Untersuchungen zur Wissenschaft der Logik“, aber ebenso seinen eigenen systema” tischen Arbeiten, verdankt die vorliegende Untersuchung viel. Weiter danke ich Freunden, Bekannten, Kollegen und Seminarteilnehmern, mit denen ich mich gespr¨achsweise u¨ ber den Gegenstand der Arbeit austauschen konnte. Stephan Trescher, Kyrylo Tkachenko, J¨org Noller und Franz Knappik haben Vorstufen oder Teile der Arbeit in verschiedenen Phasen ihrer Entstehung gelesen und mir durch ihre Anmerkungen geholfen. Sebastian Ostritsch danke ich f¨ur die gr¨undliche Lekt¨ure der gesamten Arbeit und eine Vielzahl aufschlussreicher Anmerkungen. Mechthild Martin und Sabine Jelinek haben viel Zeit und M¨uhe auf das Korrekturlesen der Arbeit verwandt, wof¨ur ich ihnen herzlich danken m¨ochte. Gef¨ordert wurde die Arbeit an der Dissertation von 2007–2009 durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Der Heidelberger Akademie der Wissenschaften danke ich f¨ur die Auszeichnung der Dissertation mit dem Akademiepreis 2011, den Herausgebern der Reihe Collegi”
VI
Vorwort
um Metaphysicum“ f¨ur die Aufnahme der Arbeit, Frau Tanja Idler vom Mohr Siebeck Verlag f¨ur Ratschl¨age bei der Erstellung der Druckvorlage und der VG Wort f¨ur die finanzielle F¨orderung der Drucklegung. Ohne die liebevolle Unterst¨utzung von Sabine Jelinek h¨atte dieses Buch nicht entstehen k¨onnen. Ihr gilt meine innigste Verbundenheit. Gewidmet ist das Buch meinen Eltern.
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Zitierhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII
Einleitung: Hegels „Logik“ als kritische Ontologie der Selbstbestimmung und Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
0.1 Die „Logik“ als Ontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.1.1 Logik als Wissenschaft des reinen Denkens . . . . . . 0.1.2 Schwierigkeiten mit dem Begriff des reinen Denkens 0.1.3 Reines Denken und Ontologie . . . . . . . . . . . . . 0.1.4 Kritische Ontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.1.5 Abgrenzung von regionalontologischen Deutungen . .
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1 1 4 5 6 8
0.2 Ontologie der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.2.1 Ontologie aus Freiheit und Ontologie der Freiheit . . . . . 0.2.2 Sein als Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.2.3 Apriorische Entfaltung der Gestalten von Selbstbestimmung
14 14 15 17
0.3 Zur Hermeneutik von Hegels kritischer Ontologie . . . . 0.3.1 Hermeneutische Typen der Logikinterpretation . . 0.3.2 Hermeneutischer Ansatz: Operationalisierung von Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 0.3.3 Aufriss der Untersuchung . . . . . . . . . . . . .
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18 19
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21 23
Kapitel 1: Die selbstbezügliche Negation als Schlüssel zur „Wissenschaft der Logik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1.1 Voraussetzungslose Erkenntnis: Hegels radikaler Antifundamentalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Voraussetzungslosigkeit des Anfangs . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Voraussetzungslosigkeit des Fortgangs . . . . . . . . . . .
25 29 30
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VIII
Inhaltsverzeichnis
1.2 Die Logik als Metatheorie des reinen Denkens . . . . . . . . . . .
33
1.3 Die selbstbezügliche Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Arten der Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Die Negation-ihrer-selbst . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Erster Exkurs: Hegel über „Sich auf sich beziehende Negativität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Zweiter Exkurs: Henrich über Hegels Grundoperation
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37 37 42
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46 49
1.4 Kategorien als Superpositionen der selbstbezüglichen Negation . . 1.4.1 Einfache Superposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Mehrfache Superposition . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54 54 56
Kapitel 2:Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
2.1 Logik der Bestimmtheit (Sein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Unmittelbare Bestimmtheit (Qualität) . . . . . . . . . . 2.1.1.1 Die Zweideutigkeit von Unbestimmtheit (Sein-Nichts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.2 Von Unbestimmtheit zur Bestimmtheit (Werden-Dasein) . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.3 Von endlicher zu unendlicher Bestimmtheit . . 2.1.1.4 Selbstvermittelte Bestimmtheit (Fürsichsein) . 2.1.1.5 Von der Qualität zur Quantität (Repulsion des Eins)* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.6 Rückblick auf die Qualitätslogik* . . . . . . . 2.1.2 Vermittelte Bestimmtheit (Quantität)* . . . . . . . . . 2.1.2.1 Unbegrenzte Begrenzbarkeit (reine Quantität)* 2.1.2.2 Begrenzte Quantität (Quantum)* . . . . . . . 2.1.2.3 Selbstvermittelte Quantität (Verhältnis)* . . . 2.1.2.4 Rückblick auf die Quantitätslogik* . . . . . . 2.1.3 Selbstvermittelte Bestimmtheit (Maß)* . . . . . . . . . 2.1.3.1 Gleichgültiges Maß (Qualitative Quantität)* . 2.1.3.2 Sacheigentümliches Maß (Reales Maß)* . . . 2.1.3.3 Selbstvermittlung im Maßwandel (Werden des Wesens)* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.4 Rückblick auf die Maßlogik* . . . . . . . . . 2.1.4 Rückblick auf die Seinslogik* . . . . . . . . . . . . . .
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65 65
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68
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73 85 98
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102 105 107 109 112 119 122 123 127 128
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131 133 133
Inhaltsverzeichnis
IX
2.2 Logik des Bestimmens (Wesen)* . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Reines Bestimmen in sich (Das Wesen als Reflexion in ihm selbst)* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Zwischen Sein und Wesen (Unwesentliches und Schein)* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.2 Spiegelverhältnisse (Die Reflexion)* . . . . . . 2.2.1.3 Verhältnisbestimmungen (Reflexionsbestimmungen)* . . . . . . . . . . . 2.2.1.4 Heraustretenlassen zur Bestimmtheit (Grund u. Existenz)* . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Abhängige Bestimmtheit (Erscheinung)* . . . . . . . . . 2.2.3 Einheit von Bestimmen und Bestimmtem (Wirklichkeit)* 2.2.4 Rückblick auf die Wesenslogik* . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Übergang zum Begriff* . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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139
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139
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146 150
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162 164 168 178 183
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Kapitel 3: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik) . . . . 185 3.1 Der Begriff als selbstbezügliches Sichbestimmen . . . . . . . . . .
185
3.2 Der Begriff als ontologische Form des Begreifens und der Begreifbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Hegels Begriff und Kants transzendentale Apperzeption 3.2.2 Begründungen des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Realisierung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Aufriss der Begriffslogik . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . .
196 201 208 215 216
3.3 Logik des Sichbestimmens (Subjektivität) . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Unmittelbares einstelliges Sichbestimmen (Allgemeines) . 3.3.1.1 Bestimmte Gestalten des Allgemeinen . . . . . 3.3.1.2 Reale Ausprägungen des Allgemeinen und philosophiegeschichtliche Bezüge . . . . . . . . 3.3.1.3 Exkurs zur methodischen Kontrollierbarkeit von Dialektik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Vermitteltes einstelliges Sichbestimmen (Besonderes) . . 3.3.3 Selbstvermitteltes einstelliges Sichbestimmen (Einzelnes) 3.3.3.1 Einzelnes: Reale Beispiele und philosophiegeschichtliche Bezüge . . . . . . . . 3.3.4 Zweistelliges Sichbestimmen (Urteil) . . . . . . . . . . . 3.3.4.1 Das Urteil als logische Form . . . . . . . . . . 3.3.4.2 Die Glieder des Urteils (Subjekt und Prädikat) . 3.3.4.3 Logische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4.4 Urteil und Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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222 222 228
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230
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235 241 243
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247 253 256 258 261 264
Inhaltsverzeichnis
X 3.3.4.5 3.3.4.6 3.3.4.7 3.3.4.8 3.3.4.9 3.3.4.10
Urteilsarten als Explikationstypen . . . . . Das Daseinsurteil . . . . . . . . . . . . . Das Reflexionsurteil . . . . . . . . . . . . Das Notwendigkeitsurteil . . . . . . . . . Das Begriffsurteil . . . . . . . . . . . . . Hegels Urteilskritik und der Übergang zum Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Selbstvermittelndes Sichbestimmen (Der Schluss) . 3.3.5.1 Logischer Hervorgang des Schlusses . . . 3.3.5.2 Bezeichnung, Abgrenzung und historische Bezüge* . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5.3 Zur realen Ausprägung des Schlusses* . . 3.3.5.4 Zur Kritik am Hegelschen Schlussbegriff* 3.3.5.5 Einteilung der Schlusslogik* . . . . . . . 3.3.5.6 Der Daseinsschluss* . . . . . . . . . . . . 3.3.5.7 Der Reflexionsschluss* . . . . . . . . . . 3.3.5.8 Der Notwendigkeitsschluss* . . . . . . . . 3.3.6 Der Entschluss des Begriffs zur Objektivität . . . . 3.3.6.1 Kreisschluss . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6.2 Eigenwertbetrachtung . . . . . . . . . . . 3.3.6.3 Physikalische Ausprägung . . . . . . . . . 3.4 Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivität) . . . . . 3.4.1 Die logische Bestimmung der Objektivität . . . . 3.4.2 Zur Prozessform der Objektivität . . . . . . . . . 3.4.3 Emergenz im Spielraum des Objektiven . . . . . . 3.4.4 Erkennbarkeit objektseitigen Seins . . . . . . . . 3.4.4.1 Einteilung der Objektivität . . . . . . . 3.4.4.2 Zur Rekonstruktion von Hegels logischer Objekttypologie . . . . . . . . . . . . . 3.4.5 Das unmittelbare Objekt (Mechanismus) . . . . . 3.4.5.1 Formeller Mechanismus . . . . . . . . . 3.4.5.2 Differenter Mechanismus . . . . . . . . 3.4.5.3 Absoluter Mechanismus . . . . . . . . . 3.4.5.4 Mechanik des Geistes?* . . . . . . . . . 3.4.6 Das vermittelte Objekt (Chemismus) . . . . . . . 3.4.6.1 Übergang zum Chemismus . . . . . . . 3.4.6.2 Synthese und Analyse . . . . . . . . . . 3.4.6.3 Chemismus geistiger Verhältnisse?* . . 3.4.6.4 Chemische Selbstvermittlung . . . . . .
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266 273 281 288 293
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302 305 305
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310 312 315 316 318 327 337 340 340 346 351
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354 354 361 365 366 370
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373 377 380 382 385 387 393 393 398 400 404
Inhaltsverzeichnis
3.4.7 Das selbstvermittelnde Objekt (Teleologie) . . . . . 3.4.7.1 Die logische Form der Teleologie . . . . . 3.4.7.2 Der subjektive Zweck (Zweckrepräsentant) 3.4.7.3 Das Mittel und seine Realisierung . . . . .
XI . . . .
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405 408 411 413
3.5 Logik selbständigen (Sich)Bestimmens (Idee) . . . . . . . . . . . 3.5.1 Der logische Hervorgang der Idee . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Die logische Bestimmung der Idee . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.1 Der Grundsatz der Wechselbestimmung . . . . . . 3.5.2.2 Zur sprachlichen Bezeichnung der Idee . . . . . . 3.5.2.3 Die Idee als ontologische Form des beseelten Lebens und des Geistes . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.4 Die Unbedingtheit der Idee und des Geistes . . . . 3.5.2.5 Die Idee – jenseits von Pluralismus und Monismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2.6 Die Idee als Innerlich-Äußerliches . . . . . . . . . 3.5.2.7 Einteilung der Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Objektive Freiheitsaporie und ontologische Anfangsgründe der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3.1 Ontologische Aspekte des Körper-SeeleProblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4 Unreflektiertes selbständiges (Sich)Bestimmen (Idee des Lebens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4.1 Die ontologische Form beseelten Lebens . . . . . 3.5.4.2 Einteilung der Vollzüge beseelten Lebens . . . . . 3.5.4.3 Der Prozess des lebendigen Individuums in sich 3.5.4.4 Der Lebensprozess gegen anderes (Assimilation) 3.5.4.5 Der Gattungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.4.6 Logischer Übergang vom beseelten Leben zum Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.5 Reflektiertes selbständiges (Sich)Bestimmen (Idee des Geistes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.5.1 Einteilung der Geistesidee . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 Die theoretische Idee (Das Erkennen) . . . . . . . . . . . . 3.5.6.1 Epistemische Selbstbestimmung . . . . . . . . . . 3.5.6.2 Die ontologische Form epistemischer Wahrheit . . 3.5.6.3 Zur Typologie der Wahrheitsbegriffe . . . . . . . 3.5.6.4 Einteilung des Erkennens . . . . . . . . . . . . . 3.5.6.5 Übergang zur praktischen Idee . . . . . . . . . . 3.5.7 Die praktische Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414 414 421 430 432 438 442 452 453 457 461 469 479 479 489 490 495 498 500 502 508 512 514 517 526 536 544 545
XII
Inhaltsverzeichnis
3.5.8 Zur ontologischen Form der Freiheit . . . . . . . . . . . . 3.5.8.1 Die subjektive Freiheitsaporie . . . . . . . . . . . 3.5.8.2 Spekulativer Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . 3.5.8.3 Freiheit als Befreiung und Selbstverwesentlichung 3.5.8.4 Ontologische Stufen der Befreiung . . . . . . . . 3.5.9 Das selbstdurchsichtige Ganze von Selbstbestimmungsgestalten (Absolute Idee) . . . . . . . . 3.5.10 Sein als Wegbewusstsein (Die absolute Idee als Methode) 3.5.10.1 Anforderungen an eine Rekonstruktion der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.10.2 Rekonstruktion der dialektischen Methode . . . . 3.5.10.3 Zur Architektonik der Logik . . . . . . . . . . . . 3.5.11 Die Selbstnegation der Idee (Entäußerung der Idee zur Natur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
553 553 559 561 564 571 582 585 589 603 608
Kapitel 4: Die Logik im Gefüge des Systems . . . . . . . . . . . 613 4.1 Außer-sich-Sein von Selbstbestimmung (Natur) . . . . . . . . . . .
613
4.2 Zu-sich-gekommene und zu-sich-kommende reale Selbstbestimmung (Geist) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
618
4.3 Zur Methode der Realphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
627
4.4 Zum Status des Logischen und der Logik . . . . . . . . . . . . . .
630
4.5 Selbstbestimmung als System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
632
4.6 Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schlüsse der Philosophie)
638
4.7 Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist) . . .
647
4.8 Die Offenheit des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
656
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
663
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
686
Zitierhinweise Hegels Werke werden, soweit verf¨ugbar, nach der Ausgabe der Gesammelten Werke der Rheinisch-Westf¨alischen Akademie der Wissenschaften gem¨aß Band,SeiteZeile zitiert. 21,344−7 bedeutet entsprechend: Band 21, Seite 34, Zeilen 4–7. Nachschriften von Hegels Vorlesungen werden nach der Meiner-Ausgabe mit der Sigle V nach dem Muster VBand,SeiteZeile zitiert. V10,23456 bedeutet demgem¨aß: Vorlesungen Band 10, Seite 23, Zeile 456. Aus der Theorie-Werkausgabe des Suhrkamp-Verlags wird nach dem Schema TWBand,Seite zitiert. Zus¨atze sind mit Z. markiert. TW13,45 Z. bedeutet entsprechend: Theorie-Werkausgabe Band 13, Seite 45, Zusatz. Weitere Literatur wird nach dem Schema AUTOR Jahr: Seite zitiert. RUS SELL 1914: 23 bedeutet also: Die im Literaturverzeichnis angegebene Arbeit von Russell aus dem Jahr 1914, Seite 23. Ausf¨uhrlichere Hinweise zu Siglen und Zitierweise finden sich im Literaturverzeichnis.
Lekt¨urehinweis Mit einem Stern (*) gekennzeichnete Abschnitte k¨onnen im Dienste einer strafferen Lekt¨ure zun¨achst ausgelassen werden.
Einleitung: Hegels Logik“ als kritische Ontologie der ” Selbstbestimmung und Freiheit Die vorliegende Untersuchung begreift Hegels Wissenschaft der Logik“ als ” eine kritische Ontologie der Selbstbestimmung und Freiheit1 . Um diese Auffassung und die Herangehensweise, die sich aus ihr ergibt, zu erl¨autern, muss erstens gekl¨art werden, was dabei unter Ontologie verstanden wird und in welchem Sinn es in der Logik um kritische Ontologie geht. Im Zuge dessen ist die vorgelegte ontologische Lesart zu epistemologischen und semantischen Deutungen der Logik, wie sie gegenw¨artig g¨angig sind, abgrenzend in Beziehung zu setzen. Zweitens muss erl¨autert werden, wie der Genitiv in der Formel Ontologie der Selbstbestimmung und Freiheit“ zu verstehen ist ” und in welchem Sinn zwischen Selbstbestimmung und Freiheit unterschieden wird. Drittens sind verschiedene hermeneutische Herangehensweisen an die Logik voneinander abzugrenzen und darzustellen, welcher hermeneutische Ansatz sich aus ihrem Verst¨andnis als kritischer Ontologie f¨ur die vorliegende Untersuchung ergibt.
0.1 Die Logik“ als Ontologie ” 0.1.1 Logik als Wissenschaft des reinen Denkens Hegels Logik verfolgt ein klar umreißbares Projekt, das sich g¨angigen disziplin¨aren Grenzen jedoch entzieht. Um dieses Projekt zu verstehen, gilt es daher zun¨achst, alle Erwartungen zur¨uckzustellen, die sich mit dem Titel Logik“ ” unmittelbar verbinden. Denn Hegels Logik ist weder formale Logik im klassischen oder modernen Sinn noch l¨asst sie sich einfachhin als transzendentale Logik verstehen. Insofern Hegel sein logisches Unternehmen gelegentlich ein-
1 Wird im Folgenden von Logik“ gesprochen, ist dabei immer das Projekt einer Logik im ” Hegelschen Sinn gemeint. Geht es ausschließlich um Hegels eigene Ausgestaltung dieses Projekts in den N¨urnberger Schullogiken, der Wissenschaft der Logik“, der Enzyklop¨adie“ und ” ” den Vorlesungen u¨ ber Logik, wird Logik“ kursiv gesetzt. Auf die Wissenschaft der Logik“ ” ” allein wird mit WdL“ verwiesen. ”
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
fach als die Wissenschaft“ bezeichnet2 , ist damit offenbar angezeigt, dass es ” um Wissenschaft in einem radikalen Sinn gehen soll. Am leichtesten erschließt sich dieser Sinn durch Abhebung von dem, was man normale“ Wissenschaft ” nennen kann. Zu dieser geh¨ort, grob gesprochen, die methodisch betriebene Zur¨uckf¨uhrung von Besonderem auf Allgemeines, die je nach Gegenstandsbereich eher deskriptiv, induktiv oder deduktiv betrieben werden kann. Dabei mag das deduktive Verfahren, das aus allgemeinen Grunds¨atzen besondere Folgerungen ableitet, den anderen insofern an Strenge u¨ berlegen sein, als es nicht einfach Tatsachen vorauszusetzen oder methodisch Gesetze zu raten hat, sondern seine Ergebnisse aus wenigen Grundannahmen entwickeln kann. Doch hat auch es dabei von Axiomen, Definitionen und Ableitungsregeln auszugehen, die es selbst nicht mehr zu begr¨unden vermag. Zum deduktiven Verfahren geh¨ort jedoch die Tendenz, die Zahl solcher Voraussetzungen zu verringern. Den Fluchtpunkt dieser Bewegung w¨urde eine Theorie bilden, in der die Zahl der Axiome und Ableitungsregeln auf Null zusammengeschrumpft ist. Hegels Logik kann als Versuch angesehen werden, eine solche Theorie zu entwickeln, die kritisch mit jedem Dogmatismus unhinterfragbarer Grundannahmen bricht und insofern als Wissenschaft im radikalen Sinn verstanden werden kann. Denn sie setzt mit der Forderung ein, daß der Wissenschaft das ” Zweifeln an Allem, das ist die g¨anzliche Voraussetzungslosigkeit an Allem vorangehen solle“ 3. Damit bildet sie den Versuch, ein Denken zu vollziehen, das von allen vorgegebenen Voraussetzungen absieht und nur gelten l¨asst, was sich ihm, wenn u¨ berhaupt, im Zuge seiner eigenen Entfaltung in unaufhaltsamem, ” reinem, von Aussen nichts hereinnehmendem Gange“ 4 ergibt. Entsprechend kann Hegel sagen, dass das Denken gerade das Bek¨ampfen der Voraussetzung ” als solcher ist“ 5 . Umreißen l¨asst sich ein solches voraussetzungsloses oder rei” 6 nes Denken“ zun¨achst aber nur formell, da es offenbar nicht einmal von einem vorgegebenen Thema oder Gegenstandsbereich ausgehen kann. Zwar hat die Hegelforschung der letzten Jahrzehnte herausgearbeitet, dass Hegels Logik dem Versuch eines radikal kritischen, von allen unausgewiesenen Voraussetzungen absehenden Denkens verpflichtet ist7 . Ob und mit welchen 2
Vgl. etwa 21,531−2. 20,1186−8, vgl. 20,393−25; 21,273−16; 21,565−16. 4 21,3815−16. 5 D,17. 6 Vgl. 21,451 , TW8,84 Z.2. 7 William Maker hat das auf die Formel philosophy without foundations“ gebracht, vgl. ” M AKER 1994. Eine analoge Wendung von W INFIELD 1989 ist Overcoming foundations“, ” diejenige von H OULGATE 2005a Thinking without presuppositions“. Im deutschen Sprach” ¨ ¨ raum nehmen etwa H OSLE 1988, WANDSCHNEIDER 1995, KOCH 2000a und R ODL 2007 Hegels Forderung nach Voraussetzungslosigkeit ernst. Dagegen schreiben ihm andere In¨ ¨ terpreten wie D USING 1976, S CHICK 1994, H ORSTMANN 1990, S CHN ADELBACH 1999, H ALBIG 2004 oder H ENRICH 2007a gerade starke metaphysische Voraussetzungen zu. 3
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Mitteln Hegel eine Umsetzung dieses Unternehmens gelingt, ist bislang jedoch ebenso wenig gekl¨art wie die Frage, ob und inwiefern sie u¨ berhaupt m¨oglich ist. So kann Hegels Logik weiter als ein mit starken metaphysischen Voraussetzungen belastetes Unternehmen gelten, das heute nicht mehr vertretbar sei8 . In argumentativ schwer aufzuhellender Sprache verfasst, scheint die Logik so eine ungl¨uckliche und u¨ berholte Verquickung von Ontologie, Metaphysik und Theologie mit klassischer und transzendentaler Logik zu bilden. Diesen Eindruck mit Hegel gegen Hegel zu zerstreuen, ist ein wesentliches Anliegen der vorliegenden Untersuchung. Wenngleich die Logik ihrem Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit gem¨aß zun¨achst von keinem bestimmten Gegenstand ausgehen kann, deutet doch bereits ihr Titel darauf hin, dass sie sich in ihrem Fortgang als Logik oder normative Wissenschaft des Denkens erweisen wird. Verst¨andlich ist dies insoweit, als ein Denken, das von allem Vorgegebenen absieht und dennoch einen Gegenstand gewinnt, es offenbar nicht mit etwas schlechthin Denkfremdem, sondern, in einem erst noch zu bestimmenden Sinn, mit dem Denken selbst zu tun haben muss9. Zu Beginn der Logik werden mit allen anderen Voraussetzungen jedoch zun¨achst auch alle Annahmen dar¨uber, was Denken sei, eingeklammert. Indem von solchen Annahmen abgesehen wird, kann das, was sich im Zuge voraussetzungslosen Denkens hinsichtlich des Denkens ergibt, zugleich von dem abweichen, was man von einer Logik erwarten und unter Denken verstehen mag. Zwar besteht Hegels Unternehmen formal in nichts weiter als dem Versuch, voraussetzungslos zu denken, also zu sehen, ob man im Denken auch dann auf ¨ verbindliche Weise weiterkommt, wenn man zun¨achst alle Uberzeugungen und Grundannahmen einklammert und mit Unbestimmtheit als dem a¨ rmsten denkbaren Gehalt beginnt. Sollte eine Entfaltung dieses Nullinhalts m¨oglich sein, w¨are das Denken, das diese vollzieht, dennoch nur thematisch voraussetzungslos, insofern es keine inhaltlichen Voraussetzungen macht, unthematisch dagegen voraussetzungsvoll, weil es an zeichengebundene Denkvollz¨uge von Personen in Raum und Zeit gebunden ist10 . Als Pointe voraussetzungslosen Denkens k¨onnte sich jedoch erweisen, dass es in seinem Vollzug nach und nach unthematische Voraussetzungen einholt, die ihn erst erm¨oglichen. Derart erm¨oglichte es zu begreifen, was dazu notwendig ist, sich als leibhaftiges Subjekt in sprachlichen Vollz¨ugen auf irrtumsanf¨allige Weise an voraussetzungslosem Denken zu versuchen. Ihrem Programm gem¨aß verfolgt Hegels Logik also ein Projekt, das sich aus sich heraus kl¨aren l¨asst, ohne es zwanghaft an gel¨aufige philosophische 8 Besonders deutlich a ¨ ußern sich in dieser Richtung etwa H ORSTMANN 1999: 275ff. und ¨ S CHN ADELBACH 1999: 156. 9 Vgl. 20,591−8. 10 Vgl. F ULDA 2001: 78; K OCH 2000a: 141.
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
Disziplinen oder Theorien angleichen zu m¨ussen. Eine Benennung dieses Programms erkl¨art aber noch nicht die merkw¨urdige Redundanz“ des Titels Wis” ” senschaft der Logik“ 11 . Denn gemeinhin gilt Logik schon als Wissenschaft und muss daher nicht eigens als solche gekennzeichnet werden. Zwar l¨asst sich der Titel als Ausdruck der Absicht verstehen, der Logik zu einer h¨oheren Stufe von Wissenschaftlichkeit zu verhelfen, da Hegel die philosophische Logik seiner Zeit f¨ur sehr vernachl¨assigt“ h¨alt12 . Zugleich l¨asst sich der Titel jedoch auch ” so auffassen, Hegels Werk sei als Darstellung einer Wissenschaft zu verstehen, deren Gegenstand die Logik im Sinne des reinen Denkens ist. So gelesen w¨urde der Titel darauf hindeuten, dass voraussetzungsloses Denken gar nicht unmittelbar vollziehbar ist, sondern von einem metatheoretischen Standpunkt aus entfaltet werden muss. 0.1.2 Schwierigkeiten mit dem Begriff des reinen Denkens So einfach sich die Idee voraussetzungslosen Denkens n¨amlich aussprechen l¨asst, so unklar ist, ob und wie sie zu verwirklichen sei. Denn die Frage, wie reines Denken immanent von einem Inhalt zum n¨achsten kommen k¨onne, l¨asst sich offenbar nicht durch Angabe einer Methode, verstanden als Inbegriff von Regeln, beantworten, die auf eine vorgegebene Materie angewandt werden. Ausgeschlossen ist dies nicht nur deshalb, weil solche Regeln zun¨achst selbst Voraussetzungen w¨aren, sondern zugleich deswegen, weil ihre Anwendung auf einen von ihnen verschiedenen Gegenstand keine immanente Entfaltung, sondern bloß a¨ ußerliche Manipulation w¨are. Hegel erkl¨art daher ausdr¨ucklich, die Methode des reinen Denkens k¨onne nicht im Vorhinein angegeben werden, sondern habe sich erst im Zuge seines Fortgangs zu ergeben und stelle daher auch kein Verzeichnis von Regeln, sondern die Form der innern Selbstbewegung ” ihres Inhalts“ dar13 . Die Rede von einer Selbstbewegung“ des Inhalts scheint nun aber nicht ” mehr zu sein als eine Hypostasierung von Denkvollz¨ugen zu einem subjektlo¨ sen Ansich. Dieser Verdacht l¨asst sich jedoch durch die Uberlegung ausr¨aumen, dass es voraussetzungsloses Denken zwar von Anfang an mit sich selbst zu tun haben muss, da ihm kein Denkfremdes a¨ ußerlich zufallen kann. Da Denken jedoch mit Sicherheit ein verwickelter Vollzug ist, voraussetzungsloses Denken aber mit dem einfachst m¨oglichen Gedanken anzuheben hat, kann es sich zu Beginn noch nicht ausdr¨ucklich als Denken thematisch sein. Muss es aber dennoch von Anfang an mit sich zu tun haben, k¨onnen die Begriffe, die es durchl¨auft, nur Aspekte seiner selbst markieren, ohne dies zun¨achst ausdr¨ucklich zu tun. Ist Denken zudem nichts Starres, sondern durch eine eigent¨umliche innere Be11
Vgl. P IERINI 2006: 11. 21,718−19. 13 21,3729−30. 12
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wegtheit gekennzeichnet, haben auch die Begriffe, in Gestalt derer es zun¨achst mit sich zu tun hat, solche Bewegtheit aufzuweisen. Daher m¨ussen sich dem reinen Denken seine eigenen Vollz¨uge aus methodischen Gr¨unden zun¨achst als Selbstbewegung seiner Begriffe darstellen. Doch auch unter diesen Umst¨anden ist nicht ernsthaft anzunehmen, der einfache Entschluss, voraussetzungslos zu denken, f¨uhre dazu, dass sich vor unseren geistigen Augen eine Art logisches Schauspiel abspielte, dessen Hauptrol¨ len s¨amtlich mit unserem eigenen Denken besetzt sind. Uberg¨ ange zwischen Begriffen k¨onnen doch offenbar nur dadurch zustande kommen, dass wir t¨atig und bewusst Denkoperationen vollziehen. Eine a¨ ußerliche Anwendung solcher Operationen auf den jeweils thematischen, begrifflichen Gehalt soll im voraussetzungslosen Erkennen aber gerade ausgeschlossen sein. Daher kann, so scheint es, die von Hegel behauptete Immanenz des Fortgangs nur erschlichen sein. Dieser Einwand unterscheidet nicht zwischen Entdeckung und Geltung lo¨ gischer Uberg¨ ange. Wenn eine Wissenschaft der Logik“ gar nicht unmittel” barer Ausdruck reinen Denkens ist, sondern, wie vermutet, dessen Metatheo¨ rie, m¨ussen immanente Uberg¨ ange nicht notwendig immanent gefunden werden. Nur unter diesem Umstand ließe sich auch daf¨ur argumentieren, dass ein ¨ Ubergang immanent ist. Dass die Immanenz des logischen Fortgangs die Aktivit¨at des Denkenden nicht ausschließen muss, sondern gerade verlangen kann, ergibt sich auch, sofern der Fortgang t¨atiges Entfalten zun¨achst unabgehobener Unterschiede und damit Explikation ist. Denn solches Entfalten tr¨agt keine a¨ ußerlichen Unterschiede in seine Sache hinein, sondern entwickelt nur deren eigene. Dennoch ¨ m¨usste sich der explikative Ubergang zu weiteren Bestimmungen, um streng immanent zu sein, gleichsam von dem jeweils thematischen Gehalt selbst her aufdr¨angen und d¨urfte keiner ihm a¨ ußerlichen Motivation entspringen. 0.1.3 Reines Denken und Ontologie Nun legen Beginn und Grundansatz der Logik in zweierlei Hinsicht eine ontologische Deutung nahe14 . Denn wenn sie den Versuch darstellt, voraussetzungslos zu denken, also ein Denken zu vollziehen, dass nicht schon bestimmtes Sein als ausgemacht voraussetzt, sondern mit bloßer Unbestimmtheit beginnt, ist, was sich im Zuge solchen Denkens, falls stringent vorgegangen wird, ergibt, insofern als notwendig erwiesen, als es sich auch dann ergibt, wenn von ihm und allem anderen zun¨achst abgesehen wird. Darum kann es nicht auf zuf¨alligen oder bezweifelbaren, weil voraussetzungshaften Annahmen beruhen. Was sich 14 Maßgebliche ontologische Deutungen der Logik wurden in j¨ ungerer Zeit etwa von ¨ H OSLE 1988; H AAS 2003; H OULGATE 2006 und P IERINI 2006 vorgelegt. Aufschlussreich ist auch die a¨ ltere Untersuchung von M ARCUSE 1932.
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
derart als notwendig erweisen ließe, bildete damit nichts, was bloß zuf¨allig sein oder nicht sein kann, sondern geh¨orte dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig hinzu. Ontologie kann aber gerade als denkende Entfaltung dessen gelten, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig geh¨ort15 . Sie unterscheidet sich damit von einer Inventarisierung dessen, was man bloß als seiend antrifft, weil davon nicht ausgemacht ist, dass zwischen ihm und dem Sein eine notwendige Verkn¨upfung besteht. Ließe sich aber zeigen, dass zum Sein als solchem Leben, Erkennen, Handeln, Freiheit und Geist dazugeh¨oren, w¨are damit erwiesen, dass es sich bei der Existenz von Derartigem nicht einfach um evolution¨are oder sonstige Zuf¨alle handeln kann. Die Entfaltung voraussetzungslosen Denkens w¨are damit zwar insofern Lo” gik“, als es ihr um den Vollzug des Denkens rein als solchen zu tun ist, das von allen empirischen Annahmen absieht. Die Logik w¨are aber darum zugleich apriorische Ontologie, weil sie denkende Entfaltung dessen ist, was sich auch dann ergibt, wenn man zun¨achst von ihm absieht, und was insofern notwendig ist. Als Ontologie l¨asst sich die Logik auch deshalb verstehen, weil die reine Unbestimmtheit, von der sie ausgeht, den Minimalbegriff des Seins abgibt. Denn offenbar ist das bloße Ist oder reine Dass“, noch unabh¨angig von allem ” bestimmten Etwas, gerade nichts Bestimmtes und f¨allt daher mit der reinen Unbestimmtheit des logischen Anfangs ineins. Die Logik untersucht insofern, ob und inwiefern sich aus dem reinen Dass etwas Bestimmtes ergibt, das damit zum Dass als solchem notwendig dazugeh¨ort, und ist insofern Ontologie16. 0.1.4 Kritische Ontologie Die Logik im erl¨auterten Sinn als Ontologie zu verstehen, bedeutet keineswegs, sie als Disziplin zu begreifen, die deswegen als u¨ berholt zu gelten h¨atte, weil sie unkritisch weltseitiges Sein ansetzt, das seine Bestimmtheit erstens unabh¨angig von einem Bezug auf das Denken haben und zweitens dennoch rein aus dem Denken heraus begreifbar sein soll. Hegel versteht seine Logik dagegen als kritische Nachfolgedisziplin zur vorkritischen Ontologie und Metaphysik17. Dabei setzt er aber nicht einfach voraus, dass weltseitige Bestimmtheit nicht unabh¨angig von ihrer subjektseitigen Artikulation zu verstehen ist und bringt Sub15 Damit schließe ich an Bruno Haas’ treffende Formulierung an: Thema der Hegelschen ” Logik ist das Sein, insofern zu ihm noch mehr geh¨ort als Sein, d. h. gewisse Kategorien; und deshalb ist sie Ontologie und prima philosophia oder Metaphysik“ [H AAS 2003: 22]. 16 In diesem Sinn fasst Hegel in der Vorlesung u ¨ ber Logik und Metaphysik von 1817 spekulatives Denken als Erkennen des Seins: Das Sein, d. i. die unmittelbare Identit¨at mit ” sich, zu erkennen, ist philosophisch spekulatives Denken“ [V11,193519−20]. Als apriorische Ontologie bildet die Logik laut Hegel die Intellectualansicht des Universums“ [21,3414−15], ” n¨amlich diejenige, die sich rein aus dem Denken ergibt. Zum ontologischen Charakter der Logik 30−33 vgl. auch 21,33 . 17 Vgl. 21,4822–4914 .
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jektivit¨at damit nicht von vornherein dogmatisch in Anschlag, sondern zeigt, dass rein gegenstandsgerichtetes Sprechen f¨ur sich genommene keine konsistente Auffassung weltseitiger Bestimmtheit zu gew¨ahrleisten vermag. Hegels Logik ist damit zun¨achst insofern kritische Ontologie, als sie weder einen Begriff der Wirklichkeit voraussetzt, dem gem¨aß ein epistemischer Abgrund zwischen dieser und unserem Denken als m¨oglich angenommen wird, noch umgekehrt die Begreifbarkeit von Wirklichkeit einfach unterstellt oder annimmt, Seiendes bestehe u¨ berhaupt nur im Denken. Insofern die Logik voraussetzungslos ansetzt, kann sie vielmehr von keiner vorgefassten Ansicht des Verh¨altnisses von Denken und Sein ausgehen. Das Einklammern dieser Unterscheidung ist daher Eintrittsbedingung f¨ur den Versuch voraussetzungslosen Denkens18 , der eine begr¨undete Ansicht des Verh¨altnisses von subjektseitigem Denken und objektseitigem Sein erst zu entwickeln hat. Wie sich dabei ergibt, ist kritische Ontologie weder deskriptiv noch postulativ zu verstehen, weil sie es weder unternimmt, lediglich gemeinhin angesetzte Seinsbestimmungen systematisierend darzustellen, noch eine Reihe bisher unvertrauter Entit¨aten postuliert, sondern schlicht untersucht, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig dazugeh¨ort. Dabei wird der Fortgang der Logik zeigen, dass zum Sein als solchem ein inhomogen organisiertes Kontinuum nomologisch determinierten Bestimmtseins geh¨ort, das Hegel terminologisch als Sph¨are der Objektivit¨at“, fasst, in und aus der notwendig leibhaftige Subjekte ” als Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens hervortreten, die erkennend und handelnd auf dieses Kontinuum u¨ bergreifen und es so erst zu einer gegliederten Welt des Geistes artikulieren und gestalten. Zum Sein geh¨ort insofern seine eigene Darstellung als und seine Artikulation durch leibhaftig verk¨orperten Geist, weshalb kritische Ontologie zugleich apriorische Erkenntnistheorie und Philosophie des Geistes ist. Kritisch ist Hegels Ontologie zugleich nicht nur deshalb zu nennen, weil sie von allen dogmatischen Voraussetzungen absieht, sondern auch darum, weil sie in ihrem Verlauf Kants erkenntniskritische Wende ihrem Ergebnis nach insofern in sich aufnehmen wird, als ihr zufolge die Realit¨at nicht schon unab¨angig von epistemischen Vollz¨ugen in wohlbestimmte Gegenst¨ande und Tatsachen 18 Entsprechend betont Hegel: Die reine Wissenschaft setzt [...] die Befreyung von dem ” Gegensatze des Bewußtseyns voraus. Sie enth¨alt den Gedanken, insofern er eben so sehr die Sache an sich selbst ist, oder die Sache an sich selbst, insofern sie ebenso sehr der reine Gedanke ist“ [21,3327−30]. Insofern die Logik radikal voraussetzungslos beginnt, kann mit der Befreiung vom Gegensatz des Bewußtseins“ nicht gemeint sein, sie setze eine irgendwie be” stimmte Identit¨at von Denken und Sein voraus, sondern nur, dass sie alle Annahmen u¨ ber ihr Verh¨altnis einklammert, um zu sehen, ob sich im Zuge voraussetzungslosen Denkens eine begr¨undete Ansicht dieses Verh¨altnisses ergibt. In diesem Sinn gilt: Das Logische ist, dem Bishe” rigen zufolge, als ein System von Denkbestimmungen u¨ berhaupt aufzusuchen, bei welchen der Gegensatz des Subjektiven und Objektiven (in seiner gew¨ohnlichen Bedeutung) hinwegf¨allt“ [TW8,81 Z1], vgl. 21,451−6.
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
zerf¨allt, die jene Vollz¨uge nur noch abzuspiegeln h¨atten. Hegels Ontologie gibt Kants kopernikalischer Drehung jedoch eine realistische Wendung, da sich aus ihr die Realit¨at eines auch unabh¨angig von epistemischen Vollz¨ugen bestehenden, inhomogen organisierten Kontinuums ergibt, in und aus dem notwendig leibhaftige Subjekte hervortreten, welche es in selbstbestimmten Vollz¨ugen erkennend artikulieren und handelnd bestimmen und so erst in die Welt diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen verwandeln, in der wir leben19 . In ihrem Verlauf erweist sich Hegels ontologische Logik damit insofern als Metaphysik20, insofern sie in der absoluten Idee als apriorischer Bestimmung eines Ganzen gipfelt, in welchem das Naturkontinuum zwar seinen Platz hat, das aber selbst nicht nat¨urlich, sondern als Welt des Geistes zu begreifen ist. Da Hegel von keiner abstrakten Entgegensetzung von Sein und Sollen ausgeht, kann seine kritische Ontologie sich zugleich als Deontologie entpuppen. In der Tat erweist sich in ihrem Fortgang, dass dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig geh¨ort, dass manches von dem, was ist, n¨amlich erkennendes und handelndes Leben in einer gemeinsamen Welt, nur sein kann, insofern es an und f¨ur sich gewissen Normen sowohl untersteht wie ihnen wenigstens partiell entspricht. Zur Vollgestalt dessen, was ist, geh¨ort daher gerade die nichtakzidentelle, n¨amlich verm¨oge der Orientierung an internen Normen ins Werk gesetzte Entsprechung von Sein und Sollen im wahren Erkennen und guten Handeln. 0.1.5 Abgrenzung von regionalontologischen Deutungen Der Ontologiebegriff wird hier deshalb zur Kennzeichnung der Logik herangezogen, weil damit – anders als in g¨angigen epistemologischen und semanti19 Hegels kritische Ontologie ist damit weder dogmatische Ontologie oder Ontik noch Transzendentalphilosophie, insofern sie es weder unternimmt, Bestimmungen anzugeben, die Seiendem vermeintlich unabh¨angig von seiner begrifflichen Artikulation durch Subjekte zukommen, gegenst¨andliche Bestimmtheit aber andererseits auch nicht auf eine Weise von subjektseitigen Bedingungen ihrer Denkbarkeit abh¨angig macht, dass f¨ur das Phantom eines denkfremden Ansich Raum bliebe. Gegen¨uber diesen schlechten Alternativen bringt John McDowell die Eigent¨umlichkeit von Hegels kritischer Ontologie treffend auf den Begriff: The conditions ” of the possibility of knowledge of things and the conditions of the possibility of things themselves [...] are inseparably both conditions on thought and conditions on objects, not primarily either the one or the other“ [M C D OWELL 2009: 80]. Entscheidend ist dabei, dass Hegel keinen bloßen Parallelismus zwischen Bestimmungen von Sein und Denken behauptet, welche zugleich unabh¨angig voneinander feststehen und fassbar sein sollen. Vielmehr entwickelt er einen Begriff von Bestimmtheit, demzufolge die diskrete Bestimmtheit der Dinge zwar nicht unabh¨angig von ihrer Artikulation im Denken vorliegt, ohne darum schlichtes Erzeugnis des Denkens zu sein, welches sich umgekehrt nicht unabh¨angig von der Welt der Dinge, die es artikuliert, zu vollziehen vermag, ohne darum selbst Ding unter Dingen zu sein. 20 Laut Hegel ist es die logische Wissenschaft, welche die eigentliche Metaphysik oder ” reine spekulative Philosophie ausmacht“ [21,717−18].
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schen Lesarten – nicht von vornherein bestimmte Aspekte, die dazu geh¨oren, dass u¨ berhaupt etwas ist, in den Vordergrund ger¨uckt werden. Vielmehr wird darauf bestanden, dass sich aus der Logik erst zu ergeben hat, wie Erkenntnis, Sprache, Handeln und weltseitiges Sein miteinander verf¨ugt sind. Zur deutlicheren Pointierung unseres Ansatzes sollen entsprechend einerseits Schwierigkeiten der epistemologischen und semantischen Lesarten aufgewiesen, andererseits aber gezeigt werden, dass die vorgeschlagene ontologische Lesart keinen unkritischen R¨uckfall gegen¨uber deren berechtigten Einsichten darstellt, sondern sie integriert. Eine maßgebliche Deutung von Hegels Ansatz als Radikalisierung transzendentalphilosophischer Epistemologie im Gefolge Kants ist von Robert Pippin vorgelegt worden21 . Dabei schließt Pippin jedoch anscheinend aus, reine Begriffe k¨onnten sich auf nachvollziehbare Weise rein aus der Selbstbestimmung des Denkens entwickeln lassen: Hegel is not talking either about deducing ” the existence of the actual world or spinning conceptual determinations out of thin air“ 22 . Mit dem zweiten Teil dieser Behauptung scheint Pippin n¨amlich zu bestreiten, dass das Denken ein f¨ur sich selbst einstehender Garant seiner reinen Begriffe sein kann, die es Hegel zufolge zwar nicht aus der Luft greift, jedoch auf rational nachvollziehbarem Weg aus seiner eigenen Selbstentfaltung gewinnt, statt sie sich anderswoher vorgeben zu lassen. Mit der ersten Teilbehauptung scheint Pippin auszuschließen, reines Denken k¨onne auf eine Auffassung des Verh¨altnisses von subjektseitigem Denken und weltseitigem Sein f¨uhren, nach der die Existenz von letzterem kein unbegreifliches Faktum ist. Stattdessen weiß sich Pippins Hegel mit Kant im Grundsatz einig: Contrary to ” the rationalist tradition, human reason can obtain nonempirical knowlegde only about itself, about what has come to be called recently our conceptual scheme‘, ’ and the concepts required for a scheme to count as one at all“ 23 . Der impliziten Unterstellung in dieser Behauptung entgegen wird der logische Fortgang die M¨oglichkeit eines denkfremden Ansichseins jedoch als absurd erweisen und zeigen, dass es eine Welt geben muss, die zwar nicht notwendig bestimmte Einzeldinge enth¨alt, wohl aber Grundstrukturen der uns vertrauten nat¨urlichen und geistigen Welt aufweist. In diesem Sinne l¨asst sich sehr wohl von einer De” duktion“ der wirklichen Welt sprechen. Unserer Deutung gem¨aß ist die Logik daher keine Epistemologie, die Ontologie als vermeintlich unkritische Disziplin ausschließt, dabei aber selbst f¨ur das Phantom eines denkfremden Ansich“ ” Platz l¨asst, sondern Ontologie, die als kritische Ontologie unweigerlich eine Erkenntnistheorie einschließt, insofern sie zeigt, dass die Bestimmtheit des Seins konsistent nicht ohne Beziehung auf sein Erkanntwerden gefasst werden kann. 21 22 23
P IPPIN 1989; vgl. insbesondere 3ff.; 175ff. P IPPIN 2008: 103. P IPPIN 1989: 8.
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
Semantische Lesarten erster Stufe verstehen die Logik als Explikation von Kategorien, die unserer sprachlichen Praxis als solcher immanent sein sollen, womit die allt¨agliche, wissenschaftliche oder philosophische Sprache den thematischen Ausgangspunkt der Logik bilden soll. Damit kann deren Aufgabe beispielsweise als Explikation inferentieller Beziehungen gefasst werden, die zu unserem Begriffsgebrauch geh¨oren24 , oder als analysis of the ways in which ” certain typical stances toward metaphysics in the past have committed themselves to certain positions“ 25. H¨oherstufige semantische Lesarten verstehen die Logik nicht direkt als Reflexion auf den Gebrauch bestimmter Begriffe, sondern als Metatheorie des Reflektierens auf Praktiken des Begriffsgebrauchs. So bestimmt Pirmin Stekeler-Weithofer die Logik etwa als allgemeine Me” thode der Reflexion auf eine (konventionelle) Praxis unter Einschluss der noch h¨oherstufigen ,spekulativen’ Reflexion auf die M¨oglichkeitsbedingungen des bewussten und kritischen Denkens“ 26 . Mit a¨ hnlicher Stoßrichtung sieht Robert Brandom ihre Aufgabe in der Bereitstellung eines semantischen Metavokabulars, das keinen direkt weltbezogenen Gehalt haben soll, sondern dazu dient, auf den unmittelbar weltbezogenen Gebrauch empirischer Begriffe zu reflektieren: Hegel’s distinctively philosophical, logical, or speculative concepts [...] have a characteristic ” expressive role that is quite different from that of ordinary nonphilosophical concepts. Their job is not to make explicit how the world is (to subserve a function of consciousness) but rather to make explicit the process of making explicit how the world is (to enable and embody a kind of self-consciousness)“ 27.
So verschieden die genannten Auffassungen sein m¨ogen, scheinen sie uns allesamt insofern fragw¨urdig, als sie das Projekt der Logik inhaltlich und methodisch von einer Reflexion auf vorgegebene Praktiken des Begriffsgebrauchs abh¨angig machen und so den eigent¨umlichen Ansatz voraussetzungslosen Denkens unterminieren28 . Das gemeinsame Manko epistemologischer und semantischer Deutungen besteht darin, durch Voraussetzung einer bestimmten Auffassung von Erkenntnis und begrifflichem Gehalt das Anliegen der Logik zu unter24
Vgl. B ERTO 2009. P INKARD 2002: 248. 26 S TEKELER -W EITHOFER 1992a: 8–9. 27 B RANDOM 2005: 155; vgl. B RANDOM 2002: 211. 28 N¨aher ist Brandoms Auffassung gegen¨uber einzuwenden, dass die Logik durchaus auch unmittelbar gegenstands- und weltbezogene Kategorien wie Etwas, Anderes, Grenze oder Anzahl entwickelt und nicht bloß semantisches Metavokabular. Zugleich ergibt sich aus ihr, dass sich ein ad¨aquates Explizitmachen dessen, wie die Welt ist, gar nicht sinnvoll trennen l¨asst von einer Reflexion auf dieses Explizitmachen. Insofern Brandom dies nicht ber¨ucksichtigt, kann seine Deutung von Hegels Begriffsrealismus – im Unterschied zu derjenigen StekelerWeithofers – einen dogmatisch-metaphysischen Zug annehmen, indem sie das Bestehen von weltseitiger Bestimmtheit – im Unterschied zum Begreifen dieses Bestehens – f¨ur schlechthin unabh¨angig vom begrifflichen Zugriff von Subjekten auf Welt erkl¨art, vgl. unten Abschnitt 3.4.4. 25
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laufen, eine Ansicht des Verh¨altnisses von subjektseitigem Denken und weltseitigem Sein erst zu entwickeln, welche nicht auf dogmatischen Annahmen beruht. Unsere ontologische Lesart f¨allt demgegen¨uber nicht in eine ontische oder dogmatisch-vergegenst¨andlichende Auffassung von Bestimmtheit zur¨uck, erlaubt es jedoch, dem genuin epistemischen und semantischen Charakter von Bestimmtheit auf eine Weise Rechnung zu tragen, die vom naheliegenden Zugriff auf ihn abweicht. Denn nur dadurch, dass die in der Logik entwickelten Bestimmungen nicht von vornherein als epistemische oder semantische Gehalte angesehen werden, l¨asst sich verstehen, inwiefern begriffliche Erkenntnis weltseitigem Sein entsprechen und es angemessen artikulieren kann. Dies wird n¨amlich nur dann der Fall sein, wenn objektseitiges Sein von sich her auf begriffliche Artikulation hin angelegt ist29 . Die damit angedeutete Behauptung Hegels, die Realit¨at sei an ihr selbst begrifflich verfasst und bilde ein Reich objektiver Gedanken“, kann einerseits nur dann versponnen erscheinen, wenn ” man unkritisch einen zu eng gefassten, subjektivierenden Begriff des Begrifflichen voraussetzt30 . Andererseits kann sie nur dann unmittelbar einleuchten, wenn man sie als dogmatisch-metaphysische Behauptung missversteht. In ihr liegt aber keineswegs die unkritische Annahme, objektseitige Realit¨at sei an sich schon gem¨aß der logischen Form des Begreifens artikuliert und werde im Erkennen daher nur noch abgespiegelt, wohl aber, sie weise die ontologische Form der Begreifbarkeit durch die logische Form des Begreifens auf. Solange eine Theorie der Erkenntnis dagegen auf einem subjektivierenden Verst¨andnis des Begrifflichen aufbaut und darum nicht begr¨unden kann, dass und inwiefern objektseitige Realit¨at an ihr selbst die ontologische Form der Begreifbarkeit durch die Form des Begreifens aufweist, kann sie dem realistischen Aspekt unseres Wahrheitsverst¨andnisses nicht Gen¨uge leisten und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, was sie Erkennen nenne, k¨onne ebenso gut ein bloßes Kreisen des Diskurses um sich selbst sein. Der transzendentale, semantische und n¨aher linguistische Charakter der logischen Kategorien kann entsprechend nur dann angemessen verstanden werden, wenn er nicht von vornherein vorausgesetzt wird. Daher hat eine ontologische Lesart die erkenntnistheoretische und semantische aufzuheben. Entsprechend wird unsere ontologische Deutung der Logik zentrale Einsichten dieser Lesarten integrieren, ohne die Logik deshalb unmittelbar als epistemologische oder 29 Entsprechend f¨uhrt Hegel aus: So viel ist auch vorl¨aufig einzusehen, daß, indem der ” Gedanke sich von Dingen einen Begriff zu machen sucht, dieser Begriff (und damit auch dessen unmittelbarste Formen, Urteil und Schluß) nicht aus Bestimmungen und Verh¨altnissen bestehen kann, welche den Dingen fremd und a¨ ußerlich sind. Daß Verstand, Vernunft in der Welt ist, sagt dasselbe, was der Ausdruck: objectiver Gedanke, enth¨alt“ [20,6724−31]. 30 Dagegen weist Hegel darauf hin, das Formelle des Begriffs“ m¨ usse in sich viel rei” ” cher an Bestimmungen und Inhalt, so wie auch von unendlich gr¨osserer Wirksamkeit auf das 20−23 Concrete gedacht werden, als es gew¨ohnlich genommen wird“ [12,27 ]; vgl. TW8,85 Z2.
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semantische Theorie zu deuten. So kann sich zeigen, dass objektseitiges Sein an sich ein inhomogen organisiertes Kontinuum darstellt, das von sich her nicht in diskrete Einheiten gegliedert ist, die im Erkennen nur abgespiegelt werden, sondern erst in Urteilen und Schl¨ussen zu diskreter Bestimmtheit artikuliert wird, zu der insofern wesentlich ein semantisches Moment geh¨ort. Dabei l¨asst sich n¨aher begr¨unden, dass dieses semantische Moment wesentlich linguistischer Natur ist, insofern die Artikulation begrifflicher Gehalte notwendig an Sprache gebunden ist. Zugleich wird sich ergeben, dass die empirische Artikulation des Objektkontinuums notwendig durch logische Kategorien informiert ist, die insofern transzendentalen Charakter haben. Die Logik kann als Theorie reinen Denkens aber nicht mit einer bestimmten Auffassung des transzendentalen und semantischen Charakters ihrer Bestimmungen beginnen, sondern thematisiert ihre Bestimmungen zun¨achst allein so, wie sie sich im Ausgang von bloßer Unbestimmtheit ergeben, n¨amlich als Bestimmungen des Seins, und ist darum Ontologie. Der genuin semantische Aspekt dieser Bestimmungen wird dagegen erst in der Begriffslogik explizit und die Bindung ihrer Artikulation an linguistische Vollz¨uge kann ebenso wie ihr transzendentaler Charakter im Hinblick auf das empirische Erkennen zwar gegen Ende der Logik ansatzweise begr¨undet werden, hat ihren systematischen Ort jedoch erst in Hegels Philosophie des Geistes. Zugleich schließt die methodische Autonomie der Logik es aus, ihre ausdr¨uckliche Aufgabe bestehe darin, vorgegebene Redeinhalte und Sprachformen im Hinblick auf ihren kategorialen Charakter zu analysieren oder kritisch zu kommentieren31 . Dagegen besteht die Aufgabe der Logik darin, ein Gef¨uge solcher kategorialer Formen allererst zu entwickeln. Erst auf dieser Grundlage kann sie dazu dienen, begriffliche Gehalte, die aus allt¨aglicher und wissenschaftlicher Rede her gel¨aufig sind, kritisch einzuholen. So erlaubt sie zu verstehen, dass solche Gehalte nicht bloß zuf¨allig unser Sprechen pr¨agen. Von da her hat Hegels kritische Ontologie im Verh¨altnis zum allt¨aglichen und wissenschaftlichen Bewusstsein keineswegs einen schlechthin revision¨aren Charakter: Denn logische Kategorien durchziehen als apriorische, also rein aus der Produktivit¨at des Denkens selbst 31 Pirmin Stekeler-Weithofer behauptet: Spekulative S¨ atze sind metastufige Kommentare ” u¨ ber solche Formen, sie artikulieren semantische Analysen“ [S TEKELER -W EITHOFER 1992b: 145]. Entsprechend beginne die Logik inmitten dessen, was wir unmittelbar kennen und wis” sen oder wenigstens zu kennen und zu wissen glauben“ [S TEKELER -W EITHOFER 1992a: 19]. Laut Hegel hat das An-und-f¨ur-sich-selbst-Betrachten“ der logischen Bestimmungen den Sinn ” dass wir aus dem Denken selbst die Bestimmungen ableiten und aus ihnen selbst sehen, ob sie ” wahrhafte sind“ [TW8,85 Z.2]. Indem die Logik methodisch und geltungstheoretisch nicht von einem bereits vorliegenden Zusammenhang begrifflicher Gehalte ausgeht, die sie kommentiert oder kritisiert, sondern die Kategorien im reinen Denken entfaltet, gilt: Der Fortgang bringt erst ” Bestimmung hinein“ [V10,9652−53]. Dialektik ist nach Hegel so gerade die Aus¨ubung reinen Denkens als die Besonderungen des Allgemeinen nicht nur aufl¨osend, sondern auch hervor” bringend“ [TW7,83].
0.1. Die Logik“ als Ontologie ”
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entspringende Bestimmungen, obgleich zumeist auf unreflektierte und h¨aufig inad¨aquate Weise, laut Hegel alle geistigen Vollz¨uge des Menschen vom Wahrnehmen u¨ ber das theoretische Denken bis hin zum Handeln32 . Die Kategorien k¨onnen dabei als transzendental gelten, insofern sie notwendige Bedingungen empirischen Begriffsgebrauchs sind, die Beziehungen stiften helfen, welche die Einheit von Erfahrung gew¨ahrleisten. Doch obwohl logische Kategorien allt¨aglichem und wissenschaftlichem Denken und Handeln immanent sind, ist die Logik methodisch und inhaltlich autonom: Denn sie arbeitet die Kategorien weder analytisch durch Reflexion auf eine konkrete Praxis des Erkennens und Handelns heraus noch f¨allt das in ihr entwickelte Gef¨uge reiner Begriffe mit einem Ensemble faktisch gebrauchter Kategorien zusammen. Da die reinen Begriffe im allt¨aglichen und wissenschaftlichen Denken nicht nur auf unreflektierte, sondern auch auf einseitige und insofern unangemessene Weise am Werk sein k¨onnen, hat ihre methodisch selbst¨andige Darstellung im Rahmen der Logik so durchaus einen kritisch-revision¨aren Charakter. Kategorien kompetent in Einsatz bringen zu k¨onnen, heißt nicht, ausdr¨ucklich angeben zu k¨onnen, was es heißt, diese Bestimmungen korrekt zu gebrauchen, also die ihren Gehalt bestimmenden Regeln durch Exposition inferentieller Bez¨uge, in denen sie stehen, angeben zu k¨onnen. Obwohl dies nicht ihre ausdr¨uckliche Aufgabe ist, kann sich die Logik von der Warte allt¨aglichen und wissenschaftlichen Denken aus so in der Tat als Theorie darstellen, welche die semantischen Regeln, die den Gehalt reiner Begriffe bestimmen, explizit macht und dabei zugleich ihren einseitigen Gebrauch kritisiert. Aus dieser Perspektive hat die Logik durchaus den Charakter einer transzendentalen Semantik. Die f¨ur sie typischen nominalisierten Ausdr¨ucke wie das Etwas“ oder die ” ” Grenze“ sind im Rahmen kritischer Ontologie letzten Endes also nicht einfach als objektstufige distributive Terme zu lesen, die angeben sollen, was jedem konkreten Etwas oder jeder bestimmten Grenze unmittelbar als solchen zukommt. Vielmehr thematisieren derartige Nominalisierungen insofern semantische Bestimmungen, als es diesen Bestimmungen wesentlich ist, Gehalte von Urteilen und Schl¨ussen zu sein. Da kritische Ontologie dies aber nicht einfach voraussetzen kann, treten die Kategorien zun¨achst als quasi-gegenst¨andliche Bestimmungen auf, die sich erst r¨uckwirkend nach Destruktion ihrer verge¨ genst¨andlichten Auffassung im Ubertritt zur subjektiven Logik als wesentlich semantische Gehalte erweisen. Damit wird deutlich werden, dass die nominalisierten Ausdr¨ucke f¨ur Kategorien als metasprachliche distributive Termini zu verstehen sind, welche begriffliche Gehalte thematisieren, die durch bestimmte Klassen kategorialer Ausdr¨ucke artikuliert werden. Im R¨uckblick wird sich n¨aher sagen lassen, dass die objektive Logik als transzendentale Semantik erster Stufe unmittelbar gegenstandsbezogene Kate32
Vgl. 21,1024–1224; TW9,19 Z.
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
gorien und Verh¨altnisbestimmungen thematisiert, die f¨ur einen Bezug auf Gegenst¨ande unentbehrlich sind, w¨ahrend die subjektive Logik als zweitstufige transzendentale Semantik in ihrem ersten Abschnitt eine Typologie von Artikulationsformen begrifflichen Gehalts entwickelt. Handelt der zweite Abschnitt der subjektiven Logik dann von weltseitigen Bedingungen des Denkens und Handelns, entfaltet die Logik der Idee Ans¨atze einer transzendentalen Pragmatik des Kategoriengebrauchs, indem sie apriorisch die formale Verfassung von Vollz¨ugen der Erkennens und Handelns entwickelt, denen sich die diskrete Artikulation der Welt als solcher verdankt.
0.2 Ontologie der Selbstbestimmung Nachdem erl¨autert wurde, inwiefern die Logik als kritische Ontologie verstanden wird, gilt es nun, dem Gang der Untersuchung vorgreifend, anzugeben, inwiefern sie sich n¨aher als Ontologie der Freiheit und Selbstbestimmung erweisen wird33 . 0.2.1 Ontologie aus Freiheit und Ontologie der Freiheit Die Logik ist erstens Ontologie der Freiheit im Sinne einer Ontologie aus Freiheit34 . Denn sie entspringt einem freien Entschluss, n¨amlich dem Vorsatz, nur gelten zu lassen, was sich auch dann noch ergibt, wenn von allen Voraussetzungen abgesehen wird, und ist damit zun¨achst an negative Freiheit im Sinne der F¨ahigkeit gekoppelt, alle Voraussetzungen einklammern zu k¨onnen35 . Im Anschluss daran wird sich jedoch zeigen, dass eine produktive Selbstentfaltung des Denkens m¨oglich ist, insofern dieses sozusagen seine operative Wurzel rein als solche entwickelt und darin seine positive Freiheit erweist. Die Logik ist nun aber zugleich auch im Sinn eines Genitivus obiectivus Ontologie der Freiheit, insofern sich Sein in ihrem Fortgang in letzter Instanz als Freiheit erweist – nicht in dem Sinn, dass alles frei w¨are, wohl aber so, dass zum 33 Aufschlussreiche freiheitstheoretische Deutungen der Logik finden sich in W INFIELD 1988, P IPPIN 2001, H OFFMANN 2004, M AKER 2005, P IERINI 2006 und K NAPPIK 2012. 34 Vgl. Das Bed¨ urfniß zu philosophiren enth¨alt den Entschluß der Freyheit, denken zu ” wollen“ [D,17]. 35 Entsprechend besteht der angemessenste Einstieg in die Logik darin, die Forderung ernst zu nehmen und festzuhalten, daß der Wissenschaft das Zweifeln an allem, das ist die ” g¨anzliche Voraussetzungslosigkeit an Allem vorangehen solle. Sie ist eigentlich in dem Entschluß, rein denken zu wollen, durch die Freyheit vollbracht, welche von allem abstrahirt und ihre reine Abstraction, die Einfachheit des Denkens, erfaßt“ [20,1186−10]. Solches Abstrahieren verdankt sich damit der negativen oder formellen Freiheit des Geistes: Nach dieser formellen ” Bestimmung kann er von allem Aeußerlichen und seiner eigenen Aeußerlichkeit, seinem Da5−8 seyn selbst abstrahiren“ [20,382 ].
0.2. Ontologie der Selbstbestimmung
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Sein als solchem notwendig ein Universum geh¨ort, das seine Vollgestalt nur hat, insofern in ihm Subjekte auftreten, die es zu einer gemeinsamen Welt des Geistes gestalten, in der, durch alle Zuf¨alligkeit und Widervern¨unftigkeit hindurch, Freiheit Realit¨at hat. Im Rahmen reinen Denkens wird Freiheit aber nicht einfach vorausgesetzt, sondern abgeleitet. Der logische Fortgang zeigt n¨amlich jeweils, dass das bislang entwickelte Gef¨uge reiner Begriffe keine in sich abgeschlossene Charakterisierung des Seins zul¨asst, sondern notwendig erweitert werden muss. Das jeweilige Arsenal von Kategorien bildet also kein logisch autonomes, d. h. in sich abgeschlossenes Gef¨uge reiner Begriffe, sondern ein solches, dessen Bestimmtheit konsistent nur durch Einbeziehung weiterer Kategorien festgehalten werden kann, die noch nicht explizit ber¨ucksichtigt sind. Die Charakterisierung des logischen Raumes (im Sinne des Universums des Denkbaren) durch ein logisch nicht autonomes Kategoriengef¨uge ist n¨amlich performativ widerspr¨uchlich, insofern die entsprechenden begrifflichen Bestimmungen einerseits als Definitionen des Absoluten“, das heißt so auftreten, als ” gew¨ahrleisteten sie die Bestimmtheit des logischen Raumes, obwohl sich ihre eigene Bestimmtheit konsistent nur festhalten l¨asst, indem weitere Bestimmun¨ gen mit einbezogen werden. Der Ubergang von der objektiven zur subjektiven Logik wird entsprechend zeigen, dass ein Arsenal rein gegenstandsbezogener Kategorien kein logisch autonomes Gef¨uge bildet, sondern notwendig den Einbezug von subjekt- und freiheitsbezogenen Kategorien, damit aber wesentlich normative Bestimmungen verlangt, mit Bezug auf die allein der Gehalt gegenstandsbezogener Kategorien konsistent festhaltbar ist. Dass Sein in letzter Instanz Freiheit und diese Vollgestalt des Seins ist, bedeutet also, dass zum Sein ein Gef¨uge aufeinander aufbauender, in der Logik begrifflich artikulierter Bestimmungen geh¨ort, das erst mit der Freiheit als ab¨ geschlossen gelten kann. Insofern sich Sein mit dem Ubergang zur Begriffslogik als reines Sichbestimmen erweisen wird, bildet auch das nomologisch determinierte Objektkontinuum, dessen Form in ihr hergeleitet wird, eine Gestalt solchen Sichbestimmens, ist darum aber noch keine Gestalt von, sondern bloß Spielraum f¨ur Freiheit, insofern in und aus ihm notwendig Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens hervortreten, die allein frei sein k¨onnen. Das Eigent¨umliche einer Ontologie der Freiheit in diesem zweiten Sinn ist, dass die Freiheit leibhaftiger Subjekte in einer gemeinsamen Welt des Geistes ihr zufolge nichts ist, was es nur m¨oglicherweise oder bloß zuf¨allig gibt. Vielmehr geh¨ort dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig, dass Freiheit leibhaftiges Bestehen als eine Welt des Geistes hat. 0.2.2 Sein als Selbstbestimmung Dass Sein in letzter Instanz Freiheit und darum allein ein Universum, in dem Freiheit Realit¨at hat, eine m¨ogliche Welt oder ein selbsttragendes Ganzes sein
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
kann, ist jedoch nur die letzte Konsequenz aus der Grundthese der vorliegenden Rekonstruktion. Die These selbst besteht darin, die Logik lasse sich in der Formel auf den Punkt bringen, Sein als solches sei reines Sichbestimmen. Gem¨aß dieser Deutung bilden Seins- und Wesenslogik den Beweis f¨ur die These, w¨ahrend die Begriffslogik apriorisch Grundbestimmungen der Wirklichkeit aus dem operational gefassten Inbegriff solchen Sichbestimmens entwickelt, den Hegel terminologisch als den Begriff“ bezeichnet. In terminologischer ” Hinsicht sind die Ausdr¨ucke Bestimmen“ und Sichbestimmen“ jedoch frucht” ” barer, da ihr Grundmorphem auf keinen bestimmten Seinsbereich festgelegt ist und zugleich auf mehrere solche Bereiche verweist. So l¨asst sich nicht nur allgemein von Bestimmungen des Seins“ sprechen, sondern die Rede vom Be” ” stimmen“ beinhaltet sowohl den theoretischen Aspekt des Bestimmens von et36 was als etwas wie den praktischen der Bestimmung zu etwas . Varianten des Grundmorphems werden sich daher als besonders geeignet erweisen, um verschiedene Aspekte von Hegels generischem, wesentlich in sich differenziertem Freiheitsbegriff zu bezeichnen. Dessen begriffslogische Herleitung wird zeigen, dass dem reinen Sichbestimmen des Begriffs kein abgetrenntes Ansichsein zukommt, sondern es sein Bestehen nur in Gestalt des uns vertrauten nat¨urlichen und geistigen Seins haben kann. Dabei f¨uhrt die logische Betrachtung reinen Sichbestimmens auch auf sich selbst fremde Gestalten von Selbstbestimmung, n¨amlich ein nomologisch determiniertes Objektkontinuum, das sich real als Natur auspr¨agt. Diesem geht Freiheit zwar gerade ab, doch l¨asst es sich als Sph¨are begreifen, zu der absolutes Sichbestimmen sich je schon unzeitlich ausgelegt hat und die allein darum erkennend artikulierbar ist, weil sie als objektseitige Gestalt des Begriffs begreifbar, das heißt, beurteil- und erschließbar ist. Zugleich erweist die Logik diese Sph¨are als handelnd nach vern¨unftigen Zwecken bestimmbar und erlaubt damit die Annahme auszuschalten, es k¨onne ein grunds¨atzlich begriffsfremdes Ansichsein geben, das Vernunft und Freiheit spr¨ode und fremd gegen¨ubersteht. Erkennen und Handeln lassen sich von der Warte der Logik aus vielmehr nur verst¨andlich machen, weil das Objektkontinuum, in dem erkennende und handelnde Subjekte leibhaft verankert sind, deren epistemischer und praktischer Selbstbestimmung nicht einfach fremd ist, sondern selbst eine Gestalt des Begriffs als reiner Selbstbestimmung darstellt. Solche Selbstbestimmung wird damit aber gerade nicht zu einem der Welt transzendenten Absoluten hypostasiert, sondern am Ende der Logik nachgewiesen, dass sie ihren Bestand nur als Gef¨uge nat¨urlichen und geistigen Seins haben kann. Gem¨aß dieser Deutung ergibt sich aus Hegels kritischer Ontologie also, dass zum Sein als solchem minimal ein Universum geh¨ort, das als Sph¨are zeitloser Selbstauslegung absoluten Sichbestimmens zu verstehen ist, in und aus der 36
Vgl. Pierrinis Deutung der WdL als Logik des Bestimmens“ [P IERINI 2006: 12 ff.]. ”
0.2. Ontologie der Selbstbestimmung
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notwendig Personen als leibhaftige Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens hervortreten, in Gestalt derer jenes vereinzeltes Bestehen hat. Zwar sind solche Zentren Einzelne, doch ist in ihnen reines Sichbestimmen zu abh¨angig selbst¨andiger Verschiedenheit besondert, das als solches u¨ bergreifend und allgemein ist. Einzelne Subjekte tragen daher das operative Verm¨ogen zur Artikulation allgemeiner und zeitlos geltender Gehalte in sich. Die Selbstauslegung des Begriffs macht damit verst¨andlich, dass leibhaftige Subjekte erkennend und handelnd an allgemein und zeitlos g¨ultigen Gehalten und Normen orientiert sein k¨onnen, ohne dass sie dabei auf r¨atselhafte Weise auf etwas zuzugreifen h¨atten, was in einem Fregeschen Reich abstrakter Gegenst¨ande jenseits der raum-zeitlichen Wirklichkeit dinghaft vorhanden w¨are. Denn als Verk¨orperungen allgemeinen Sichbestimmens verf¨ugen einzelne Subjekte u¨ ber die operative Kapazit¨at, in zeitlichen Vollz¨ugen Gehalte urspr¨unglich zu artikulieren, deren Geltung weder zeitlich noch auf den Blickwinkel eines bestimmten Subjekts beschr¨ankt ist. 0.2.3 Apriorische Entfaltung der Gestalten von Selbstbestimmung Die systematische Pointe der vorliegenden Untersuchung ist selbst keine inhaltliche These, sondern eine operationale Einsicht, welche die Darstellung der Kategorien betrifft: Dass sich apriorisch ein begriffliches Gef¨uge der Bestimmungen, die zum Sein als solchem dazugeh¨oren, aus dem Begriff reinen Sichbestimmens entwickeln und sich nat¨urlichsprachliche Ausdr¨ucke f¨ur solche Bestimmungen in Kategorien des Sichbestimmens u¨ bersetzen lassen, die ihre Verflechtungen aufzeigen und so eine logische Topographie von Grundbestimmungen des Seins und Denkens zu entfalten erlauben. Im Unterschied zur Realphilosophie, welche in Hegels System an sie anschließt, ergibt sich aus der Logik damit eine rein apriorische, weder schon ausdr¨ucklich auf Raum und Zeit bezogene noch ph¨anomenal angereicherte und insofern bloß formale Bestimmung des Objektkontinuums samt seiner entsprechend bloß protophysikalischen, protochemischen und protobiologischen Organisationsformen, von Zentren beseelten und geistigen Lebens, die in und aus ihm hervortreten, sowie der u¨ bergreifenden Welt des Geistes, zu der letztere es in Erkenntnis- und Handlungsvollz¨ugen artikulieren und gestalten und auf die sie sich selbst als Wirklichkeit des absoluten Sichbestimmens beziehen k¨onnen, das in ihnen in reflektierter Vereinzelung auftritt. W¨ahrend der Begriff reinen Sichbestimmens als Grundoperation der Logik verh¨altnism¨aßig einfach zu kl¨aren sein wird, markiert der Freiheitsbegriff dagegen theoretisch verwickelte Gestalten solchen Sichbestimmens. So wird sich ergeben, dass Freiheit keine einfache, sondern eine wesentlich in sich differenzierte Bestimmung ist, zu der eine Stufenfolge unwesentlicher und wesentlicher
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
Formen epistemischer und praktischer Freiheit geh¨ort, die logisch genau charakterisierbar sind37 . Der Schwerpunkt der Untersuchung besteht so in der Rekonstruktion der Begriffslogik als formaler Darstellung der Gestalten unfundierten Sichbestimmens, die mit der Logik der Idee in einer Freiheitstheorie gipfelt38 . Auf diese Weise sollen nicht nur ihre Hauptstationen in selbst¨andiger Argumentation eingeholt und Hegels Versicherung, seine Logik sei Wissenschaft und damit frei reproduzierbar, gest¨utzt werden. Vielmehr l¨asst sich ihre Gedankenf¨uhrung damit zugleich immanent durch den Nachweis kritisieren, dass sie an einigen Stellen ihrem eigenen Programm nicht gerecht wird. Solche gelegentliche Nicht¨ubereinstimmung von Rekonstruktion und Rekonstruiertem ergibt freilich nur vor dem Hintergrund ihrer globalen Entsprechung Sinn. Durch Nachweis von letzterer soll ein Beitrag zur Einl¨osung von Hegels Behauptung geleistet werden, die Abfolge logischer Bestimmungen entspringe dem Begriff als Form, die ihren Inhalt aus sich erzeugt, eine Behauptung die von den wenigsten Interpreten ernst genommen und bisher vor allem in Arbeiten Dieter Henrichs ¨ und Anton Kochs zum Ausgangspunkt der Uberlegung gemacht wurde. Bislang scheint es aber nicht gelungen, diese Form soweit operationalisierend in den Griff zu bekommen, dass sie sich, u¨ ber die ersten Schritte ihrer Entfaltung hinaus, in selbst¨andiger Argumentation zur Abfolge logischer Kategorien entfalten ließe39 .
0.3 Zur Hermeneutik von Hegels kritischer Ontologie Von einer angemessenen Deutung der Logik ist nun einerseits zu verlangen, Hegels Ausdrucksweise nicht einfach zu u¨ bernehmen, sondern sie inferentiell anzueignen. Denn nur wenn es gelingt, Hegelsche Behauptungen in eigenst¨andiger Argumentation zu rechtfertigen und aus ihnen auch Antworten 37
Damit tr¨agt die Untersuchung Hegels Behauptung Rechnung, Freiheit sei ein unendlich ” vieldeutiges Wort“ [TW12,32]. 38 Zum Mangel an Darstellungen der Begriffslogik vgl. KOCH /O BERAUER /U TZ 2003: 9. Wichtige neuere Arbeiten zur Begriffslogik finden sich in diesem Sammelband sowie etwa in C ARLSON 2005, W INFIELD 2006, A RNDT /I BER /K RUCK 2006. 39 Die Untersuchung versucht damit, Hegels Rede vom Begriff als absoluter Form“, deren ” Entfaltung die logischen Kategorien entspringen, in selbst¨andiger Gedankenf¨uhrung einzuholen: Diese absolute Form hat an ihr selbst ihren Inhalt oder Realit¨at; der Begriff, indem er ” nicht die triviale, leere Identit¨at ist, hat in dem Momente seiner Negativit¨at oder des absoluten Bestimmens die unterschiedenen Bestimmungen; der Inhalt ist u¨ berhaupt nichts anderes als solche Bestimmungen der absoluten Form, – der durch sie selbst gesetzte und daher auch ihr angemessene Inhalt. Diese Form ist darum auch von ganz anderer Natur, als gew¨ohnlich die logische Form genommen wird“ [12,2534−39].
0.3. Zur Hermeneutik von Hegels kritischer Ontologie
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auf Fragen zu beziehen, die Hegel selbst nicht stellt, kann von Begreifen gesprochen werden, das kein bloßes Nachreden ist. Solches Begreifen liegt aber umgekehrt nicht schon vor, wo in eigener Begrifflichkeit Gedankenfolgen entwickelt werden, von denen zwar behauptet wird, sie lieferten eine zeitgem¨aße Rekonstruktion Hegelscher Gedanken, oh¨ ne dies jedoch ausreichend am Text zu bew¨ahren. Die Ubersetzung von Hegels Logik in eine eigenst¨andige Ausdrucksweise und Argumentation, die von einer angemessenen Deutung zu verlangen ist, muss daher ihre Stimmigkeit auch dadurch ausweisen und bew¨ahren, dass sie die in der Logik dargestellte Abfolge von Kategorien selbst¨andig einholt, was durch Nachweis genauer Entsprechungen zu untermauern ist. 0.3.1 Hermeneutische Typen der Logikinterpretation Nun scheint es bisher weder gelungen zu sein, die Logik insgesamt als Einl¨osung des Programms voraussetzungslosen Denkens zu erweisen und sie m¨oglichst unabh¨angig vom Hegelschen Wortlaut und seinen Dunkelheiten in eigenst¨andiger Argumentation einzuholen, noch andererseits nachzuweisen, dass ihr Programm uneinl¨osbar ist oder zumindest Hegels Logik nicht als seine Einl¨osung gelten kann. Die Erfahrung bisheriger Rekonstruktionsversuche deutet darauf hin, dass auch ein am Programm voraussetzungslosen Denkens orientierter Versuch freier Rekonstruktion der Logik mit Schwierigkeiten zu rechnen haben wird, die sich allein durch den Entschluss, sich selbst¨andig an der immanenten Entfaltung reinen Denkens zu versuchen, vermutlich nicht l¨osen lassen. Welche Strategie ist dann aber zu w¨ahlen, um die Logik argumentativ aufzuschließen und zu einem begr¨undeten Urteil u¨ ber ihren Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit zu kommen? Um diese Frage zu beantworten, sollen idealtypisch drei Formen der Interpretation unterschieden werden: Paraphrase, Kommentar und Rekonstruktion. (1) Am n¨achsten liegt es, Hegel durch Hegel zu erkl¨aren. Viele Arbeiten zur Logik haben entsprechend paraphrasierenden Charakter. Sie zeichnen ihren Gedankengang in enger R¨uckbindung an Hegels Ausdrucksweise und Vorgehen nach. Solche scheinbar unmittelbare Anlehnung an Hegel kann dabei aber einen Anschein von Verst¨andlichkeit erwecken, die gar nicht besteht, und dazu einladen, Abgr¨unde und Dunkelheiten zu u¨ berspringen, durch deren Benennung und Aufhellung der Sache der Logik doch allein nahezukommen w¨are. Dies beginnt bei der Terminologie. Da Hegels Grundbegriffe in ihrer Bedeutung fast alle von anderswoher gel¨aufigen Verwendungsweisen der betreffenden Ausdr¨ucke abweichen oder u¨ berhaupt nur ihm eigent¨umlich sind, ist es irref¨uhrend, sie einfach mit dem Anschein unmittelbarer Verst¨andlichkeit zu gebrauchen, statt
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
ihre zumeist wohlbestimmte Bedeutung ausdr¨ucklich und so zugleich deutlich zu machen, inwiefern sie sich von g¨angigen Auffassungen unterscheidet40 . (2) Der Vorzug eines Kommentars besteht dagegen darin, das Augenmerk auf dunkle Stellen zu richten und diese mit unterschiedlichsten Mitteln aufzuhellen – durch Abw¨agung der inneren Stimmigkeit verschiedener Deutungen, ihre Anschließbarkeit an den Kontext oder den Bezug auf entwicklungs- und philosophiegeschichtliche Hintergr¨unde. Angesichts der Dunkelheiten der Logik wurde und wird dieser Interpretationstyp in Gestalt immer umfangreicherer Kommentare immer k¨urzerer Abschnitte auf die Spitze getrieben41 . Obwohl dabei im Einzelnen wertvolle Einsichten erzielt werden k¨onnen, krankt dieser Interpretationstyp an grunds¨atzlichen Schwierigkeiten. H¨aufig wird n¨amlich die Argumentationsstruktur des kommentierten Abschnitts vor lauter Einzelheiten nicht deutlich und globale Zusammenh¨ange bleiben außer Sicht. Zugleich h¨angen die Ergebnisse einer Detailanalyse von einem oft nicht hinreichend ausgewiesenen Grundverst¨andnis des Hegelschen Projekts ab. Ohnehin erm¨oglicht ein Kommentar allein nat¨urlich keine Beurteilung der argumentativen Tragf¨ahigkeit des kommentierten Projekts. Offenbar f¨uhrt der Versuch, Hegel zu durchschauen, indem man immer genauer hinschaut, allein nicht zum Erfolg. (3) Als Alternative zur mikroskopischen Hermeneutik, die sich dem Text immer enger anzuschmiegen sucht, bietet sich der Versuch an, Hegels Unternehmen umgekehrt dadurch zu verstehen, dass man einen Schritt zur¨ucktritt und es m¨oglichst unabh¨angig von seinem Wortlaut einzuholen unternimmt. Auf diesem Weg ist gleichsam experimentelle Hermeneutik“ m¨oglich, welche die An” ¨ gemessenheit ihrer Deutung anhand der Ubereinstimmung von Rekonstruktion und Text zu u¨ berpr¨ufen vermag und auf diese Weise den Anspruch der Logik auf Reproduzierbarkeit sowohl im Ganzen best¨atigen wie im Einzelnen kritisieren k¨onnte. Diese rekonstruktive Herangehensweise l¨asst sich noch einmal genauer in zwei Typen unterscheiden. (a) Eine immanente Rekonstruktion versucht, Hegels Unternehmen auf eine Weise darzustellen, die dessen Blickwinkel und Vorgehen weitgehend entspricht, ohne sich dabei jedoch von seinem Wortlaut oder einer vorausgesetzten Autorit¨at der Gedankenf¨uhrung leiten zu lassen42 . Dabei besteht aber die 40 Ein pr¨ agnantes Beispiel hierf¨ur bildet Hegels Geistbegriff. So definiert Hegel den Geist“ durch logische Bestimmungen, deren Sinn ihrerseits nicht unmittelbar verst¨andlich ist, ” als Begriff, insofern er als Begriff existiert“ [20,18028−30] oder als die zu ihrem F¨ursichsein ” ” gelangte Idee, deren Objekt ebenso wohl als das Subjekt der Begriff ist“ [vgl. 20,38127−28]. 41 Maßgebliche kommentierende Untersuchungen zu zentralen Abschnitten der Logik bilden etwa H ENRICH 1978, I BER 1990 und P IERINI 2006. 42 Rekonstruktive Ans¨ atze in diesem Sinn, an denen sich vorliegende Untersuchung orientiert, sind Stephen Houlgates grundlegendes Werk The opening of Hegel’s logic [H OULGATE 2006a], M AKER 1994 und W INFIELD 2007 sowie Anton Kochs Aufs¨atze zur Qualit¨atslogik und Friedrike Schicks Untersuchungen zur Urteils- und Schlusslogik.
0.3. Zur Hermeneutik von Hegels kritischer Ontologie
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Gefahr, sich doch enger an Hegels Gedankenf¨uhrung anzulehnen, als der argumentativen Strenge der Rekonstruktion gut tut. (b) Dieser Schwierigkeit scheint ein Ansatz entgehen zu k¨onnen, der den Gehalt von Hegels Logik in freier Gedankenf¨uhrung auf Wegen einzuholen sucht, die von Hegels eigenem Vorgehen abweichen k¨onnen, und zugleich Antworten auf Fragen zu geben sucht, die im Rahmen seines Vorgehens offen bleiben43 . Eine Gefahr solcher freier Rekonstruktionen besteht jedoch darin, sich so weit von Hegel zu entfernen, dass unterstellt werden kann, es gehe nicht mehr um das gleiche Projekt. In Schutz nehmen ließe sich eine freie Rekonstruktion gegen diesen Vorwurf jedoch durch den Nachweis, dass sie sich auf programma¨ tische Außerungen Hegels st¨utzt, die dieser bloß selbst nicht konkret entfaltet. Eine Abweichung vom Hegelschen Vorgehen l¨asst sich außerdem dann rechtfertigen, wenn gerade sie erlaubt, sein Unternehmen argumentativ stringent einzuholen und zugleich zur Kl¨arung von Deutungsproblemen beizutragen, die im Rahmen von Ans¨atzen offen bleiben, welche sich philologisch enger an den Buchstaben von Hegels Text anlehnen. 0.3.2 Hermeneutischer Ansatz: Operationalisierung von Selbstbestimmung Auch aus philologischer Perspektive l¨asst sich gegen freie Rekonstruktion nichts einwenden, wenn sie nur klar von Hegels ausdr¨ucklichem Vorgehen abgehoben und als solche gekennzeichnet wird. Eben dies soll in der vorliegenden Untersuchung geschehen, die Formen freier Rekonstruktion mit immanenter verbindet und durch kommentierende Anmerkungen erg¨anzt. Dabei sollen die verschiedenen Herangehensweisen Bestandteile eines einheitlichen Ansatzes bilden, der mit einer von Hegel so nicht unternommenen Reflexion auf die M¨oglichkeit immanenter Entfaltung reinen Denkens einsetzt. Die M¨oglichkeit, sich der Logik auf dem Weg einer Theorie immanenten Fortgangs zu n¨ahern, wurde in der Forschung bisher zu selten genutzt44 . Aus ihr wird sich ergeben, dass ein Fortkommen des reinen Denkens nur m¨oglich ist, wenn logische Bestimmungen von sich her auf von ihnen unterschiedene hinausweisen und zwar n¨aher, in einem selbst kl¨arungsbed¨urftigen Sinn, auf ihre Negation45. Wie sich weiter zeigen wird, kann solches immanentes Hin43 Als maßgebliche Ans¨ atze freier Rekonstruktion seien genannt H ENRICH 1976b, S TEKELER -W EITHOFER 1992b, WANDSCHNEIDER 1995, KOCH 1999. 44 Eine Ausnahme bildet U TZ 2001. 45 Vgl. Hegels Bemerkung: Das Einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewin” nen und um dessen ganz einfache Einsicht sich wesentlich zu bem¨uhen ist, ist die Erkenntniß des logischen Satzes, dass das Negative ebensosehr positiv ist oder dass das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstracte Nichts aufl¨ost, sondern wesentlich nur in die Negation seines besondern Inhalts, oder dass eine solche Negation nicht alle Negation, sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich aufl¨ost, so bestimmte Negation ist, dass also im Resultat das enthalten ist, woraus es resultirt“ [21,382−9].
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Einleitung: Ontologie der Selbstbestimmung
ausweisen von Kategorien auf ihre Negation nur verstanden werden, wenn sie sich als Werteverlauf einer sich auf sich beziehenden Negation – als operationalem Inbegriff des reinen Denkens – darstellen lassen. Damit ist eine Negationsoperation gemeint, die nicht auf ein von ihr unterschiedenes Argument angewandt wird, sondern rein auf sich selbst operiert. Voraussetzungsloser Fortgang ist damit nur m¨oglich, wenn von Anfang an die selbstbez¨ugliche Negation seinen operationalen Keimpunkt bildet, was seiner Voraussetzungslosigkeit jedoch keinen Abbruch zu tun hat, weil sie zun¨achst nicht ausdr¨ucklich, sondern nur unausdr¨ucklich in Gestalt sich selbst negierender Kategorien auftritt. Sofern der Fortgang des reinen Denkens jedoch Explikation von zun¨achst Unausdr¨ucklichem ist, muss die selbstbez¨ugliche Negation in seinem Verlauf als seine operationale Wurzel ausdr¨ucklich werden. Nach der vorgelegten Rekonstruktion geschieht dies zun¨achst unvollkommen in der Wesenslogik, angemessen ¨ aber erst mit dem Ubergang zur Begriffslogik. Die selbstbez¨ugliche Negation erweist sich dabei als operationaler Inbegriff reinen Sichbestimmens, dessen ausdr¨uckliche Selbstentfaltung die Begriffslogik darstellt46 . Im Rahmen unseres Ansatzes wird die selbstbez¨ugliche Negation aber nicht erst durch Nachvollzug der Logik gewonnen, sondern, wie angedeutet, im Zuge eigenst¨andiger Reflexion auf die M¨oglichkeit immanenten Fortgangs eingef¨uhrt. Dergestalt gibt sie den Schl¨ussel zu einer Konstruktion der Struktur und Abfolge logischer Kategorien ab, die von Hegels voraussetzungslosem Vorgehen abweicht. Der Ausgang von der selbstbez¨uglichen Negation soll Hegels immanente Entfaltung des reinen Denkens im Ausgang vom voraussetzungslosen Anfang mit bloßer Unbestimmtheit dabei nicht ersetzen, sondern die immanente Rekonstruktion desselben in heuristischer und hermeneutischer Absicht erg¨anzen. ¨ So wird sich zeigen, dass frei rekonstruktive Uberlegungen im Ausgang von der selbstbez¨uglichen Negation zu einer stimmigen immanenten Rekonstruktion voraussetzungslosen Denkens beitragen k¨onnen. Dass die selbstbez¨ugliche Negation dabei heuristisch eingesetzt wird, bedeutet so lange keinen Zirkel, als ¨ sie bloß der Entdeckung immanenter Uberg¨ ange dient, nicht aber f¨ur die Rechtfertigung des Fortgangs in Anspruch genommen und dem reinen Denken selbst ausdr¨ucklich unterstellt wird. 46 Der damit nur erst unbestimmt angedeutete Zusammenhang von Begriff, selbstbez¨uglicher Negativit¨at und Selbstbestimmung kommt verdichtet in folgender Wendung Hegels zum Ausdruck, als deren Ausbuchstabierung sich die vorgelegte Rekonstruktion versteht: Der ” Begriff ist als absolut mit sich identische Negativit¨at das sich selbst bestimmende“ [12,1281−2]. Absolut mit sich identische Negativit¨at“ ist der Begriff, insofern in der Begriffslogik offen” bar wird, dass das Operieren der selbstbez¨uglichen Negation weder, wie es in der Seinslogik scheint, als Verschwinden-von-etwas-in-anderes noch als wesenslogisches Aus-sich-Beziehenauf-anderes zu fassen ist, sondern als reines Sichbestimmen. Das operationale Selbstverh¨altnis zwischen den Gestalten reinen Sichbestimmens besteht daher nicht mehr nur relativ, n¨amlich unausdr¨ucklich, sondern ist als solches thematisch und selbstbez¨ugliche Negativit¨at daher ab” solut mit sich identisch“.
0.3. Zur Hermeneutik von Hegels kritischer Ontologie
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0.3.3 Aufriss der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich damit in vier Hauptteile: Der erste reflektiert in freier Rekonstruktion auf die M¨oglichkeit voraussetzungslosen Denkens und f¨uhrt dabei die selbstbez¨ugliche Negation als Grundoperation der Logik ein. Der zweite Teil bietet eine straffe immanente Rekonstruktion von Seins- und Wesenslogik, die kategoriale Vorformen des Sichbestimmens entwickeln, als ¨ das Sein sich mit dem Ubergang zur Begriffslogik ausdr¨ucklich erweisen wird. W¨ahrend diese den produktiven Teil von Hegels Ontologie der Selbstbestimmung bildet, leisten Seins- und Wesenslogik den immanenten Auf- und Abbau inkonsistenter Vorl¨auferontologien, welche Bestimmtheit einseitig verding¨ lichend fassen. Der Ubergang zur Begriffslogik zeigt dagegen, dass sich Bestimmtheit konsistent nur dann denken l¨asst, wenn ihr wesentlich semantischer Charakter thematisiert wird, das heißt die Tatsache, dass zur M¨oglichkeit von Bestimmtheit notwendig die M¨oglichkeit ihrer begrifflichen Artikulation in Urteilen und Schl¨ussen seitens leibhaftiger Subjekte geh¨ort. Dem tr¨agt die Begriffslogik Rechnung, insofern sie eine ihren eigenen semantischen Charakter reflektierende Typologie apriorischer Formbestimmungen nat¨urlichen und geistigen Seins entfaltet. Dieser Bedeutung entsprechend bildet der dritte Teil der Arbeit, der die Begriffslogik immanent rekonstruiert, das Kernst¨uck unserer Untersuchung. Der vierte Teil hat schließlich die Bedeutung des Logischen im Verh¨altnis zu Natur und Geist, damit aber zugleich die Stellung der Logik im Gef¨uge des Hegelschen Systems zu kl¨aren. Er bietet damit zwar keine Darstellung von, wohl aber einen Ausblick auf Natur- und Geistphilosophie, mit denen die Logik am Ende in einer Darstellung der sogenannten drei Schl¨usse“ der ” Philosophie zusammengef¨uhrt wird.
Kapitel 1
Die selbstbez¨ugliche Negation als Schl¨ussel zur Wissenschaft der Logik“ ” 1.1 Voraussetzungslose Erkenntnis: Hegels radikaler Antifundamentalismus Hegels Idee voraussetzungslosen Denkens kann der Sache nach als m¨oglicher Ausweg aus dem M¨unchhausen-Trilemma verstanden werden1 . Diesem zufolge ist Wissen deshalb unm¨oglich, weil seine Begr¨undung entweder von selbst unbegr¨undeten Setzungen auszugehen hat, auf einen Begr¨undungsregress f¨uhrt oder zirkul¨ar ist. Nun k¨onnte es jedoch scheinen, die Idee voraussetzungslosen Erkennens sei einem linearen Begr¨undungsmodell verhaftet, insofern sie als Alternative zu einem Erkennen eingef¨uhrt wird, das auf ungerechtfertigten Grundannahmen beruht. Ein Ausweg aus dem Trilemma m¨usse gar nicht gesucht werden, weil die Koh¨arenz sich wechselseitig st¨utzender Annahmen hinreichendes Kriterium f¨ur Wissen sei. In einem solchen Begr¨undungsmodell werde aber gar nicht von bestimmten, ungerechtfertigten Voraussetzungen ausgegangen. Damit entfalle auch das Motiv, ein voraussetzungsloses Denken als Ausweg aus dem Trilemma zu entwerfen2 . Dabei w¨urde jedoch u¨ bersehen, dass es zwar innerhalb eines Systems sich wechselseitig st¨utzender Annahmen keine absoluten Voraussetzungen gibt, ein solches System aber im Ganzen erstens insofern eine Voraussetzung darstellt, als ihm alternative, ebenso koh¨arente Systeme entgegengestellt werden k¨onnen3 . Vor allem aber f¨uhrt eine Koh¨arenztheorie des Wissens von sich her gar nicht auf bestimmte S¨atze, die ihr gem¨aß f¨ur wahr zu halten sind, gibt also
1 Vgl. H OSLE ¨ 1990: 152ff., 224. Hegel selbst behandelt das Trilemma im Skeptizismusaufsatz und den Vorlesungen u¨ ber die Geschichte der Philosophie [TW19,386ff.]. 2 WALKER 1989: 97ff. schreibt Hegel eine solche koh¨ arenztheoretische Position zu. 3 Vgl. Russells klassischen Einwand gegen die Koh¨ arenztheorie, RUSSELL 1966: 135f.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
kein Kriterium daf¨ur ab, ein koh¨arentes Satzsystem aufzubauen, sondern erlaubt bestenfalls, bestimmte vorgegebene Satzsysteme anderen gegen¨uber auszuzeichnen. So betrachtet, problematisiert das M¨unchhausen-Trilemma drei verschiedene Spielarten von Voraussetzungshaftigkeit oder epistemischer Unfreiheit, von denen der erkenntnistheoretische Fundamentalismus, der von einer scharfen Unterscheidung zwischen einer rechtfertigungsunbed¨urftigen Grundlage von Wissen und abgeleitetem Wissen, das durch diese gerechtfertigt wird, ausgeht, lediglich die Form abgibt, an dem die Voraussetzungshaftigkeit am deutlichsten heraussticht. Zwar stimmt Hegels Kritik an sinnlicher Gewißheit, unmittelbarem Wissen und intellektueller Anschauung als verschiedenen Spielarten des erkenntnistheoretischen Fundamentalismus daher in der Stoßrichtung mit Sellars’ ber¨uhmter Kritik am Mythos des Gegebenen“ u¨ berein, worauf dieser selbst ” hingewiesen hat4 . Dabei besteht Sellars‘ Kritik am Fundamentalismus knapp gesagt darin, dass eine Berufung auf nicht-propositionale Gegebenheiten wie Sinnesdaten, die keiner Rechtfertigung bed¨urfen, Wissen nicht begr¨unden kann, da Begr¨undungen nur durch solches geleistet werden k¨onnen, was propositional artikuliert, also satzartig verfasst ist. Zugleich ist ein Appell an einzelne, nichtinferentiell artikulierte, selbstbewahrheitende S¨atze als Fundament von Wissen deshalb unm¨oglich, weil S¨atze zwar nicht-inferentiell ge¨außert werden k¨onnen, einen bestimmten Gehalt aber nur im Zusammenhang mit der M¨oglichkeit ihrer Kritik und Rechtfertigung durch andere S¨atze haben und daher gerade nicht selbstausweisend sein k¨onnen. Obwohl Hegel dieser Kritik weitgehend zustimmen d¨urfte, stellt seine Idee voraussetzungslosen Erkennens eine weitreichendere Absage an den My” thos des Gegebenen“ dar, dem Sellars’ Erkenntnisbegriff durch Appell an die Koh¨arenz vorgegebener wissenschaftlicher Theoriezusammenh¨ange verhaftet zu bleiben scheint. Denn Hegels Ausweg aus dem Trilemma beruht auf der ¨ schlichten Uberlegung, dass sich das, was notwendig und unumg¨anglich ist, dem Erkennen auch dann zu zeigen habe, wenn man es nicht schon voraussetzt, sondern zun¨achst von allen Annahmen und Vorgaben absieht5 . 4
Vgl. S ELLARS 1956: 14, 45; M C D OWELL 2003. Hegels Ausweg aus dem M¨unchhausen-Trilemma besteht somit darin zu betrachten, was sich ergibt, wenn keinerlei Voraussetzungen gemacht werden, und nicht in einer von Vittorio H¨osle favorisierten reflexiven Letztbegr¨undung“, welche Aussagen durch reductio ad ” absurdum u¨ ber den Nachweis des performativen Widerspruchs ihrer Negation zu beweisen ¨ ¨ sucht [vgl. H OSLE 1990: 152ff., H OSLE 1988: 35; 58]. Ein solcher Widerspruch liegt dann vor, wenn der Gehalt einer Aussage ihrer Form (im Sinne dessen, was die Artikulation dieses Gehalts m¨oglich macht) zuwiderl¨auft. Damit kommt auch die Figur reflexiver Letztbegr¨undung als solche nicht ohne Berufung auf Gegebenheiten aus. Denn erstens beruht die Behauptung, dass ein performativer Widerspruch vorliegt, auf der Feststellung, dass ein Gehalt eine gewisse 5
1.1. Voraussetzungslose Erkenntnis: Hegels radikaler Antifundamentalismus
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Daraus ergibt sich unmittelbar, dass Wissen von bloß Faktischem auf dem Weg voraussetzungslosen Denkens, sofern er u¨ berhaupt gangbar ist, nicht zu gewinnen sein wird. Im Fall empirischen Wissens mag Koh¨arenz daher das st¨arkste denkbare Wahrheitskriterium sein, das zwar nicht absolut, jedoch relativ hinreichend ist, sofern es erlaubt, gewisse vorgegebene Theorien anderen gegen¨uber auszuzeichnen. Falls voraussetzungsloses Denken m¨oglich ist, ist Koh¨arenz im Fall nichtempirischen Wissens zwar ebenfalls notwendig, nicht aber hinreichend f¨ur Erkenntnis, da sich ein st¨arkeres Kriterium angeben l¨asst. Eine koh¨arente Theorie, welche auf keinerlei G¨ultigkeitsvoraussetzungen beruht, w¨are n¨amlich offenbar gegen¨uber solchen Theorien ausgezeichnet, die von bestimmten Annahmen ausgehen, ob diese nun zu unserem Begriffsschema“ ” geh¨oren, letzte Grunds¨atze“ oder M¨oglichkeitsbedingungen“ von Erkenntnis ” ” sein sollen. Dabei l¨ost Hegels Vorgehen zugleich das Problem, wie wir u¨ berhaupt von einem Begriffssystem wissen k¨onnen, sofern dieses seine Bestimmtheit nur dank einer Koh¨arenz seiner Elemente hat. Sofern Begriffe n¨amlich nicht unmittelbar f¨ur sich, sondern wesentlich durch ihre inferentiellen Bez¨uge bestimmt sind, bilden sie ein organisches Ganzes, worunter hier ein Gef¨uge von Elementen verstanden wird, die ihre Bestimmung nicht unabh¨angig voneinander, sondern wesentlich in diesem Gef¨uge haben. Wenn Wissen als solches durch Gr¨unde vermittelt sein muss, in einem organischen Ganzen aber alles seine Bestimmtheit nur im Zusammenhang untereinander hat, scheint einzig ein unmittelbarer epistemischer Zugriff angemessen. Wissen von einem solchen Ganzen l¨asst sich n¨amlich nicht im Ausgang von selbst¨andigen und aus sich heraus verst¨andlichen Elementen aufbauen, weil ein organisches Ganzes nicht aus derartigen Elementen besteht. Ein unmittelbarer, synoptischer Zugriff auf es ist als solcher aber kein Wissen. Daher scheint Wissen von einem organischen Ganzen unm¨oglich. Dem entgegen l¨asst sich Wissen von einem solchen Ganzen Form hat, was selbst nicht wiederum reflexiv ausweisbar ist, sondern unmittelbar einleuchten muss. Wichtiger ist jedoch zweitens, dass reflexive Letztbegr¨undung auf die Vorgegebenheit begrifflich artikulierter Gehalte angewiesen bleibt. So ist die reflexive Unhintergehbarkeit des Denkens zwar ein verbreiteter Topos, kl¨art (gerade damit) aber selbst nicht hinreichend, was unter Denken zu verstehen ist, sondern setzt einen Begriff des Denkens schon voraus. Dagegen entwickelt Hegel eine Theorie des Denkens, die nicht von einem vorgegebenen Begriff des Denkens ausgeht, sondern erst auf voraussetzungslosem Weg zu einem Begriff des Denkens f¨uhren wird. Im Unterschied dazu erlaubt die Figur reflexiver Letztbegr¨undung f¨ur sich genommen nicht die Grundlegung einer zusammenh¨angenden philosophischen Theorie, da sie darauf angewiesen ist, dass man auf performativ widerspr¨uchliche Gehalte st¨oßt, ohne dass sich angeben ließe, wie sich auf diesem Weg ein ganzer Theoriezusammenhang entwickeln l¨asst. Damit ist nicht bestritten, dass der Reflexion auf performative Widerspr¨uche auch in Hegels Logik eine entscheidende Bedeutung zukommen k¨onnte [vgl. unten S. 28]. Diese Bedeutung besteht aber gerade nur unter der Voraussetzung, dass voraussetzungslos mit dem Begriff bloßer Unbestimmtheit begonnen wird.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
jedoch gewinnen, wenn einer seiner Aspekte zun¨achst so betrachtet wird, als best¨unde er unabh¨angig vom Ganzen. Hat eine solche Bestimmung ihr Bestehen aber wirklich nur u¨ ber ihren Zusammenhang mit anderem, muss sich dies an einem (performativen) Widerspruch zwischen ihrem selbst¨andigen Auftreten und den untergr¨undig f¨ur ihre Bestimmtheit wesentlichen Verh¨altnissen zeigen – ein Widerspruch, der nur durch expliziten Einbezug weiterer Bestimmungen behoben werden kann, wodurch die Ausgangsbestimmung, und zwar nun begr¨undetermaßen, zu einem unselbst¨andigen Aspekt eines u¨ bergreifenden Zusammenhangs herabgesetzt wird. Solches Herabsetzen ist insofern ihre Relativierung, als die entsprechende Bestimmung nun nicht mehr selbstgen¨ugsam auftritt, sondern explizit nur einen unselbst¨andigen Aspekt des u¨ bergreifenden Begriffsgef¨uges ausmacht. Auf diese Weise kann sukzessiv durch Aufweis und Beseitigung performativer Widerspr¨uche, die auftreten, wenn Momente eines organischen Ganzen isoliert betrachtet werden, eine Ansicht desselben aufgebaut werden, die zugleich seinem organischen Charakter gerecht wird und durch Gr¨unde vermittelt, damit aber Wissen ist. Die Logik wird sich in diesem Sinn als sukzessiver Aufbau des inferentiellen Gef¨uges reiner Begriffe im Ausgang vom scheinbar selbst¨andigen Nullinhalt reiner Unbestimmtheit erweisen und damit Hegels Behauptung einl¨osen, dass der ganze Fortgang des Philoso” phirens als methodischer, d. h. als nothwendiger, nichts anders ist, als blos das Setzen desjenigen, was in einem Begriffe“, n¨amlich dem der Unbestimmtheit, schon enthalten ist“ 6 . ” ¨ Wie die voranstehenden Uberlegungen zeigen, ist die Idee voraussetzungslosen Denkens als Programm einer Philosophie, die Wissenschaft sein will, durchaus vern¨unftig. Allerdings ist zun¨achst alles andere als ersichtlich, wie sie umgesetzt werden k¨onnte. Vielmehr liegt gerade die Vermutung nahe, geltungstheoretisch voraussetzungsloses Erkennen sei unm¨oglich. Wirksam wider¨ legen ließe sich diese Annahme zwar weniger durch abstrakte Uberlegungen als durch den gegl¨uckten Versuch, die Idee voraussetzungslosen Denkens zu verwirklichen. Ein solcher Versuch verlangte jedoch ebenso wie seine Beurteilung zun¨achst nach genauerer Kl¨arung dessen, was von voraussetzungslosem Denken u¨ berhaupt zu verlangen ist. Im Folgenden soll daher der Begriff voraussetzungslosen Denkens pr¨azisiert und auf M¨oglichkeiten und Umst¨ande seiner ¨ Verwirklichung reflektiert werden. Diese Uberlegungen haben so zun¨achst nur hypothetischen Charakter und bereiten die anschließend versuchte Ausf¨uhrung bloß vor. Nun m¨ußte voraussetzungsloses Denken offenbar sowohl seinem Anfang wie seinem Fortgang nach voraussetzungslos sein. Beide Bedingungen werden im Folgenden getrennt erl¨autert. 6
20,1258−10.
1.1. Voraussetzungslose Erkenntnis: Hegels radikaler Antifundamentalismus
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1.1.1 Voraussetzungslosigkeit des Anfangs Voraussetzungen sind Annahmen, die ohne zureichende Begr¨undung m¨oglichen Alternativen vorgezogen werden, und zwar entweder, obwohl eine Begr¨undung an sich m¨oglich ist, oder aber, weil sie derart grundlegend scheinen, dass keine Begr¨undung m¨oglich ist. Nun ist jede einzelne konsistente Behauptung insofern eine Voraussetzung, als ihr mit gleichem Recht ihre Negation gegen¨ubergestellt werden kann. Voraussetzungsloses Denken kann so aber weder mit einer einzelnen Annahme beginnen noch von einem bestimmten Behauptungszusammenhang ausgehen, da diesem widersprechende Behauptungszusammenh¨ange entgegengestellt werden k¨onnen. Ebenso wenig kann es jedoch mit einem bestimmten begrifflichen Gehalt beginnen. Denn da ein solcher Gehalt so und so bestimmt ist, k¨onnen ihm immer Gehalte entgegengesetzt werden, die nicht so und so, sondern anders bestimmt sind. Voraussetzungsloses Denken hat deshalb mit solchem einzusetzen, was nicht so oder anders bestimmt ist, das heißt, mit bloßer Unbestimmtheit. Unbestimmtheit darf dabei aber noch nicht als Gegensatz zu Bestimmtheit gefasst sein, da sonst bereits ein bestimmter Gegensatz vorausgesetzt w¨urde, n¨amlich derjenige von Unbestimmtheit und Bestimmtheit. Die Unbestimmtheit des Anfangs ist daher allen bestimmten Gegens¨atzen vorg¨angig zu denken und in diesem Sinne offenbar der einfachste denkbare Inhalt. Mit allen weiteren Voraussetzungen sind zugleich auch jegliche Annahmen dar¨uber aufzugeben, worum es sich bei der reinen Unbestimmtheit des Anfangs und ihren m¨oglichen Nachfolgern handelt. So hat auch die Annahme, solche Gehalte seien bloße Begriffe im Unterschied zu einer Realit¨at, die selbst in keiner Weise begrifflich ist, zun¨achst keine Berechtigung. Worum es sich bei den Gehalten voraussetzungslosen Denkens handelt, hat sich vielmehr allein aus seinem eigenem Fortgang zu ergeben. Werden sie als Begriffe“, Gedanken“ ” ” oder Gehalte“ bezeichnet, sind dies daher zun¨achst bloße Leerformeln, die ” erst im Fortgang mit Sinn gef¨ullt werden, der freilich begr¨undetermaßen von g¨angigen Auffassungen dar¨uber, was Begriffe oder Gedanken sind, abweichen wird. Zu Beginn ist daher nicht der Gedanke oder Begriff der Unbestimmtheit in einem bereits feststehenden Sinn thematisch, sondern einfach Unbestimmtheit. Will man sich u¨ berhaupt so ausdr¨ucken, betrachtet voraussetzungsloses Denken nicht Begriffe, sondern allein begriffliche Gehalte. Besser dr¨uckt man sich mit Hegel aber so aus, der Unterschied von Vorstellung und Sache, Subjektivem und Objektivem sei in der Logik zun¨achst weggefallen7 . Doch gerade so k¨onnen die Kategorien zun¨achst als selbst¨andig bestehende Wesenheiten erscheinen. Hegels Behandlungsweise des Begrifflichen ist aber 7
Vgl. oben S. 7 Anm. 18 .
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
keineswegs Ausdruck einer willk¨urlichen Vermengung von Begriff und Gegenstand. Vielmehr kann voraussetzungsloses Denken auch diese Unterscheidung nicht voraussetzen, sondern hat sie erst zu entwickeln. Dabei muss es aber offenbar mit einer Ausgangslage beginnen, in der diese Unterscheidung noch nicht getroffen ist, und kann erst in der Folge darauf f¨uhren, dass die logischen Kategorien wesentlich semantische Gehalte sind – n¨amlich notwendig als Gehalte von Urteilen und Schl¨ussen artikuliert8. Nur auf diesem Weg l¨asst sich auch eine begr¨undete Auskunft u¨ ber die M¨oglichkeit einer Entsprechung von Denken und weltseitigem Sein erwarten. 1.1.2 Voraussetzungslosigkeit des Fortgangs Voraussetzungsloser Fortgang im strengstm¨oglichen Sinn h¨atte unter der Bedingung zu stehen, dass sich ein neuer Inhalt allein ergeben darf, indem ein bereits abgeleiteter von sich her auf ihn f¨uhrt (Immanenzpostulat). Negativ formuliert d¨urfen neue Inhalte damit nicht von außen eingeschleust oder durch a¨ ußerliche Anwendung von Operationen gewonnen werden. Das Immanenzpostulat bringt die Idee voraussetzungslosen Fortgangs auf den Begriff. Alle weiteren Anforderungen ergeben sich aus ihm. So muss der Fortgang linear sein, jede Bestimmung also einen eindeutigen Nachfolger haben (Linearit¨atspostulat). Denn h¨atte ein Inhalt X mehre¨ re gleichwertige Nachfolger, k¨onnte sich der Ubergang zu einem bestimmten nicht allein aus X, sondern nur aufgrund eines Dritten ergeben und w¨are damit nicht rein immanent. Der Fortgang k¨onnte in diesem Fall n¨amlich nicht ¨ im Ubergang zum Aggregat der Nachfolger von X bestehen, wenn unter Ag” gregat“ eine nachtr¨agliche Vereinigung an sich selbst¨andiger Bestimmungen verstanden wird. Als a¨ ußerliche Verkn¨upfung von Elementen ist ein Aggregat n¨amlich nur diskursiv durch Aufz¨ahlung seiner Elemente bestimmbar. Im rei¨ nen Denken sind aber nur immanente Uberg¨ ange erlaubt. Daher m¨usste bei der Aufz¨ahlung der Elemente eines Aggregats immanent von einem Element X zum n¨achsten u¨ bergegangen werden. Damit w¨are dieses jedoch selbst Nachfol-
8 Zwar erscheinen die Kategorien in Hegels Logik so zun¨ achst wie eigenst¨andige Wesenheiten. Daraus ist aber nicht zu schließen, Hegel nehme ein selbst¨andig bestehendes Fregesches Reich reiner Gedanken an. So verwahrt er sich etwa in der Einleitung zur Logik dagegen, platonische Ideen aufzufassen, als ob sie gleichsam existierende Dinge, aber in einer anderen Welt ” oder Region seien, außerhalb welcher die Welt der Wirklichkeit sich befinde“ [21,3423−25] und stellt dem eine Intellektualansicht des Universums“ entgegen, gem¨aß derer Vernunft in der ” ” gegenst¨andlichen Welt“ [21,357] immanent ist. Entsprechend wird sich am Ende der Logik der Schein selbst¨andigen Bestehens des Logischen aufl¨osen, indem sich zeigt, dass es keinen eigenen Bestand beanspruchen kann, der Raum und Zeit vorg¨angig ist, sondern sich je schon zur raum-zeitlichen Realit¨at der Natur und des Geistes ausgelegt hat, insofern jene eine Sph¨are des begrifflich Artikulierbaren, dieser den Prozess begrifflichen Artikulierens markiert.
1.1. Voraussetzungslose Erkenntnis: Hegels radikaler Antifundamentalismus
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ger von X und nicht gemeinsam mit diesem Glied desselben Aggregats. Daher kann voraussetzungsloses Erkennen nicht auf Aggregate f¨uhren. Einmal erreichte Inhalte d¨urfen im Fortgang auch nicht a¨ ußerlich getilgt werden, sondern m¨ussen in ihrem Nachfolger erhalten bleiben (Aufhebungspostulat). Auch dies folgt aus dem Immanenzpostulat, da sich diesem zufolge ein ¨ neuer Inhalt aus dem immanenten Uber-sich-Hinausweisen seines Vorg¨angers ergibt. Ein neuer Inhalt ist dem ihm vorangehenden daher nicht bloß in der Abfolge des Erkennens nachgeordnet, sondern an sich selbst Resultat. Dies ist aber nur m¨oglich, wenn er einen Verweis auf seinen Vorg¨anger in sich tr¨agt, der in seinem Nachfolger damit irgendwie erhalten bleiben muss. Erhalten bleiben kann er jedoch nicht als selbst¨andige Bestimmung, da sein Nachfolger sonst ein Aggregat darstellte. Er muss in ihm daher als selbst¨andige Bestimmung verschwunden und nur unselbst¨andig erhalten ( aufgehoben“) sein. Aus dem ” Immanenzpostulat folgt damit Hegels Aufhebungsgedanke. Aus dem Aufhebungspostulat ergibt sich die Unumkehrbarkeit des logischen Fortgangs: Denn vom Nachfolger X’ einer Bestimmung X ist immanent nur zu einer Bestimmung X” u¨ berzugehen, welche Ergebnis von X’ ist und sich damit von X unterscheidet, das kein Ergebnis von X’ ist. Allgemein l¨asst sich daher sagen, dass kein im Fortgang bereits durchlaufenes Glied sich immanent wieder erreichen l¨asst. Denn aufgrund des Linearit¨atspostulats kann jede Bestimmung nur Nachfolger genau einer anderen sein; und da die Reihe der Bestimmungen fundiert ist, also ein erstes Glied hat, n¨amlich Unbestimmtheit, ist jedes ihrer Glieder von allen anderen unterschieden. Ein Glied der Reihe kann seinen Vorg¨anger daher nicht auch zum Nachfolger haben, da er bereits Nachfolger eines anderen ist. Die Unumkehrbarkeit des Fortgangs bedeutet jedoch nicht, eine R¨uckkehr zum Anfang sei grunds¨atzlich ausgeschlossen. M¨oglich w¨are sie aber nur, wenn sie zu einem Glied der Reihe f¨uhrte, das zuvor noch nicht als Resultat gesetzt war, also ihrem Ausgangspunkt. Dieser m¨usste sich dem Anschein seiner Unmittelbarkeit entgegen als Resultat erweisen. Damit erg¨abe sich eine zyklische Schließung des logischen Fortgangs, indem sich sein Anfang als Ergebnis einer Bestimmung erwiese, die ihrerseits Ergebnis des immanenten Fortgangs im Ausgang von diesem Anfang ist. Nun liegt voraussetzungsloser Fortgang genau dann vor, wenn eine Bestimmung X von sich her eindeutig auf eine von ihr unterschiedene Bestimmung f¨uhrt. Denn ein Fortgang ergibt sich u¨ berhaupt nur, wenn nicht bei X stehen geblieben, sondern ein Inhalt gesetzt wird, der nicht X ist. Aufgrund des Aufhebungspostulats muss X in diesem Nachfolger aspekthaft erhalten sein. Dieser kann daher keine von X einfach unabh¨angige Bestimmung sein, sondern muss an ihm selbst durch X und dadurch bestimmt sein, dass er von X unterschieden ist. Damit muss dieser Inhalt die Negation von X sein. Unter der Negation von
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
X wird dabei vorl¨aufig derjenige immanent aus X gewonnene Inhalt verstanden, welcher allein dadurch bestimmt ist, nicht X zu sein9 . Bisher hatte sich freilich nur ergeben, dass der Fortgang zu einem Inhalt f¨uhren muss, der nicht X ist, nicht aber, dass dieser die Negation von X sein muss. Nun ist die Negation von X jedoch die einfachste Bestimmung, welche nicht X ist, weil sie allein da¨ durch, nicht X zu sein, bestimmt ist und nicht durch Weiteres. Der Ubergang zur Negation ist daher die einfachste hinreichende Bedingung f¨ur immanenten Fortgang und insofern dessen Minimalbedingung. Von dieser l¨asst sich aber zeigen, dass sie im Fall voraussetzungslosen Denkens zugleich notwendige Bedingung ist. ¨ Wenn n¨amlich f¨ur immanenten Fortgang der Ubergang zu einer Bestimmung, die allein dadurch bestimmt ist, nicht X zu sein, hinreichend ist, sind ¨ alle weiteren Faktoren, die das Ergebnis des Ubergangs n¨aher bestimmen, keine notwendigen, sondern bloß zus¨atzliche Bedingungen und k¨onnen sich daher nicht allein aus dem Immanenzpostulat ergeben. Vollz¨oge sich der Fortgang aber gem¨aß einer nicht notwendigen Bedingung, k¨onnte diese nur eine a¨ ußerliche Voraussetzung sein. Da aber voraussetzungslos begonnen wird, kann der immanente Fortgang keiner bloß fakultativen Bedingung unterstehen. Daher ist die Minimalbedingung im Fall voraussetzungslosen Denkens zugleich ¨ ¨ Maximalbedingung und der Ubergang eindeutig als Ubergang zur Negation bestimmt. Kurz gesagt darf sich der Fortgang dem Immanenzpostulat zufolge allein aus der Position X ergeben und nicht durch a¨ ußere Faktoren bedingt sein. Daher muss auch sein Ergebnis allein durch X und dadurch, dass es nicht X ist, bestimmt sein. So ergibt sich das Negationspostulat: Immanenter Fortgang vollzieht sich durch Negation. Zwar ist das n¨achste Ergebnis des immanenten Fortgangs von X aus daher als Negation von X bestimmt. Es kann sich jedoch nicht durch a¨ ußerliche Anwendung einer Negationsoperation ergeben. Denn dem Immanenzpostulat entsprechend m¨ussen neue Bestimmungen immanent aus ihren Vorg¨angern hervorgehen. Daher k¨onnen Inhalte nicht etwa aus einem ihnen selbst a¨ ußerlichen Interesse am Weiterkommen negiert werden, sondern m¨ussen von sich her auf ihre Negation f¨uhren und sich damit in einem kl¨arungsbed¨urftigen Sinn selbst negieren10 . Damit hat sich vorl¨aufig ergeben, dass voraussetzungsloser Fortgang 9 Genauer ist die bestimmte Negation von X als derjenige X ausschließende und ihm nachgeordnete konkrete, also material bestimmte und nicht bloß formell gekennzeichnete Inhalt zu bestimmen, der sich von X allein dadurch unterscheidet, dass er nicht gleich X ist. Der hier eingef¨uhrte Negationsbegriff weicht nat¨urlich wesentlich vom aussagenlogischen Negationsbegriff ab und wird sp¨ater ausf¨uhrlich erl¨autert, vgl. unten Abschnitt 1.3.1. 10 Konrad Utz versucht, den logischen Fortgang durch bestimmte Negation aus einer Forderung des Denkens nach Bestimmung herzuleiten: Wenn man dem vernunfthaften Denken ” die Forderung unterstellt, es solle sich bestimmen [...], dann ergibt sich die Negation als Implikat des Determinierens“ [U TZ 2001: 74]. Ein Interesse an Fortbestimmung kann jedoch
1.2. Die Logik als Metatheorie des reinen Denkens
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dann und nur dann m¨oglich ist, wenn logische Kategorien sich selbst negieren (Selbstnegationspostulat). Sich zu negieren, kann aber keine Eigenschaft sein, die allen Kategorien seltsamerweise zukommt, sondern bildet gerade das, was Gehalt und Kontinuit¨at der Kategorien verb¨urgt und sie damit erst m¨oglich macht. Die Kategorien k¨onnen daher nicht bloß die Eigenschaft haben, sich zu negieren, sondern m¨ussen bestimmte Weisen oder Gestalten sein, in denen selbstbez¨ugliches Negieren sich darstellt. Auch insofern mit nichts bestimmtem Begonnen und immanent durch Selbstnegation weitergeschritten wird, ist solche Selbstnegation keine Eigenschaft eines vorausgesetzten Substrats. Vielmehr erweist sich der Anfang von sich her als sich auf sich beziehendes Negieren, das sich in der Folge in je bestimmten kategorialen Gestalten darstellt. Im Zuge dessen wird sich reines Sich-Negieren als der formale, operationale Inbegriff der Produktivit¨at reinen Denkens erweisen, das sich zu den Kategorien als seinen besonderen Gestalten auslegt. Nachdem nun die Begriffe voraussetzungslosen Anfangs und Fortgangs gekl¨art sind, ist zu untersuchen, unter welchen Umst¨anden die mit ihnen verbundenen Forderungen u¨ berhaupt eingel¨ost werden k¨onnten.
1.2 Die Logik als Metatheorie des reinen Denkens Im Versuch, voraussetzungslos zu denken, hat sich der Denkende als einzelnes Subjekt seiner Meinungen zur¨uckzunehmen, von allen ihm gel¨aufigen Annahmen abzusehen und seine Denkt¨atigkeit versuchsweise in den Dienst rei” nen Denkens“ zu stellen. Dabei muss keineswegs vorausgesetzt werden, dieses reine Denken bestehe auch unabh¨angig von solchen Versuchen realer Subjekte, sich zum Schauplatz voraussetzungsloser Erkenntnis zu machen11 . Wird im bloß a¨ ußerliche Bedingung immanenten Fortgangs sein, diesen aber weder herbeif¨uhren noch rechtfertigen. Denn Hegel zufolge muss die Notwendigkeit des Zusammenhangs und die im” manente Entstehung der Unterschiede sich in der Abhandlung der Sache selbst vorfinden“ 23−25 [21,39 ] und darf nicht auf irgendwelchen Forderungen“ beruhen. Immanenter Fortgang ” kann sich daher nicht der a¨ ußerlichen Anwendung der Negationsoperation auf einen Inhalt verdanken, sondern ist nur m¨oglich, wenn dieser von sich her auf seine Negation f¨uhrt. Dabei wird sich im logischen Fortgang freilich erweisen, dass logische Kategorien nichts anderes als ¨ Momente der eigenen Bewegtheit reinen Denkens sind und diesem ihr immanentes Ubergehen verdanken. 11 Im Zuge des logischen Fortgangs wird sich ausdr¨ ucklich ergeben, dass reines Denken kein selbst¨andiges Bestehen unabh¨angig von r¨aumlicher und zeitlicher Realit¨at hat und insofern eine Abstraktion ist. Zugleich wird sich jedoch erweisen, dass es deswegen kein bloßes Konstrukt ist, insofern es keine denkfremde Wirklichkeit gibt, sondern die Realit¨at, insofern sie begreifbar ist, als je schon vollzogene Selbstauslegung reinen Denkens zu ihr aufzufassen ist. Als immanenter Grund der Wirklichkeit fassbar wird sich das reine Denken damit allein in
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
Folgenden vom reinen Denken“ gesprochen, ist damit also kein weltloses Er” kennen angesetzt, sondern nur die Warte bezeichnet, welche reale Subjekte in Raum und Zeit beim Versuch einzunehmen suchen, die Idee voraussetzungslosen Denkens umzusetzen. Es gibt daher ein reines oder logisches Denken nicht an sich, sondern nur, insofern sich reale, denkf¨ahige Wesen als Logiker versuchen. Entsprechend ist das reale Subjekt der Logik laut Hegel der seine lo” gische Natur“ denkende Geist12 . Geist besteht nach Hegel aber deshalb nicht jenseits von Raum und Zeit, weil er ein nat¨urliches Moment einschließt, ohne darum selbst etwas Nat¨urliches zu sein. Nun hat sich voraussetzungsloses Denken, wie gezeigt, als Entfaltung bloßer Unbestimmtheit zu vollziehen, die, wie ihre n¨achsten Nachfolger, noch nicht propositional gegliedert ist. Thematisch wird die Pr¨adikationsstruktur dem reinen Denken selbst daher erst sukzessive im Durchlaufen ihrer Vorformen. Wenn Erkenntnis aber nur propositional m¨oglich ist, kann sich voraussetzungsloses Erkennen daher nicht direkt, sondern nur als Theorie reinen Denkens vollziehen. Die Logik ist daher nicht als unmittelbarer Ausdruck, sondern allenfalls als Theorie reinen Denkens m¨oglich, die dessen Warte einzunehmen sucht und zugleich durch die Art ihrer Darstellung transzendiert13 . Eine in Aussages¨atzen formulierte Darstellung reinen Denkens, die sich als solche propositional artikuliert, muss damit bereits u¨ ber ein gewisses Arsenal logischer Bestimmungen verf¨ugen, die sich auf der Ebene des reinen Denkens im Zuge des logischen Fortgangs erst ergeben. Mit Hegel kann man den a¨ ußerlichen Standpunkt der Darstellung des reinen Denkens Reflexion“ nennen. Im Gegensatz ” zum reinen Denken setzt solches unreine oder thematisierende Denken bereits ein entwickeltes Gef¨uge von Begriffen und damit die M¨oglichkeit zum Urteilen und Schließen voraus. Mit der pragmatischen Voraussetzung einer nat¨urlichen Sprache ist also zugleich eine logisch-semantische Voraussetzung verbunden: F¨ur die Darstellung der Kategorienentwicklung wird implizit n¨amlich ein gewisses Inventar an aussagen- und pr¨adikatenlogischen Formen und Grunds¨atzen vorausgesetzt – und zwar allein deshalb, weil u¨ ber die logischen Bestimmungen und ihre Abfolge in artikulierten Aussages¨atzen gesprochen wird. Dabei l¨asst den Denkvollz¨ugen von Wesen aus Fleisch und Blut, indem diese, ihre begrenzten Standpunkte aufgebend, das Logische gleichsam als Wurzel ihrer selbst und der Wirklichkeit im Ganzen begreifen. Als Wissenschaft reinen Denkens ist die Logik daher sozusagen Kopie eines immer schon verlorenen Originals. Unter absolutem Geist“ versteht Hegel entsprechend nicht die Er” kenntnis eines unbedingten Subjekts jenseits der Welt, sondern diejenigen geistigen Vollz¨uge, in denen Subjekte in Raum und Zeit die Warte des reinen Denkens einzunehmen suchen und dieses als immanente Wurzel ihrer eigenen Denkvollz¨uge wie der Wirklichkeit u¨ berhaupt anschauen, vorstellen und denken. 12 21,1524−25. 13 Anton Koch bringt dies auf den Punkt: Die Wissenschaft der Logik betrachtet nicht ” unmittelbar den logischen Raum, sondern ein reines Denken, das ihn seinerseits betrachtet“ [KOCH 2002: 29].
1.2. Die Logik als Metatheorie des reinen Denkens
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diese Voraussetzung die Immanenz des logischen Fortgangs jedoch unbeschadet, insofern sich dieser keiner Anwendung aussagen- und pr¨adikatenlogischer Schlussregeln verdanken soll. Logische Grunds¨atze, wie der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch oder das Prinzip der Identit¨at des Ununterscheidbaren, spielen f¨ur den logischen Fortgang im regulativen Sinn jedoch durchaus eine wichtige Rolle. Dies aber nicht deshalb, weil ihre Geltung explizit vorausgesetzt w¨urde, sondern, weil distinkte Bestimmtheit, die sich im logischen Fortgang ergibt, andernfalls gar nicht festgehalten werden k¨onnte. Denn die Annahme von Bestimmtheit zerf¨allt, wenn etwas in derselben Hinsicht einander ausschließende Bestimmungen haben soll. Von Bedeutung f¨ur den logischen Fortgang ist dies deshalb, weil in seinem Zuge performative Widerspr¨uche auftreten werden, die, semantisch expliziert, ein Weiterschreiten n¨otig machen, da neue Bestimmungen eingef¨uhrt werden m¨ussen, um die Distinktion der bereits entwickelten zu gew¨ahrleisten, die nicht einfach getilgt werden d¨urfen. In eben diesem Sinn hat auch das Prinzip der Identit¨at des Ununterscheidbaren eine regulative Funktion, die sich aus dem Aufhebungspostulat ergibt: Denn der Gedanke einer Mannigfaltigkeit Ununterscheidbarer kollabiert, weil der Unterschied zwischen einem und vielen so nicht mehr festhaltbar ist. Dass ein Mannigfaltiges von Ununterscheidbaren auftritt, ist so implizit Grund zum Weiterschreiten, bis der logische Raum durch begriffliche Ressourcen charakterisiert ist, die reichhaltig genug sind, um die Unterscheidbarkeit der hergeleiteten Mannigfaltigkeit gew¨ahrleisten zu k¨onnen. Die Reflexion geht u¨ ber das reine Denken aber nicht nur als dessen Darstellung, sondern auch als seine Konstruktion hinaus. Denn im Zuge des Unternehmens, voraussetzungslos zu denken, wird zwar versucht, die Warte des reinen Denkens einzunehmen. Da dieser Versuch aber von realen Subjekten unternommen wird, deren Denken in Voraussetzungen verstrickt und deren Begriffe in komplexen inferentiellen Verh¨altnissen stehen, kann es nicht unmittelbar gelingen, sich auf den Standpunkt des reinen Denkens zu versetzen14 . Dieser ist vielmehr nur auf dem Umweg reflektierter Tilgung oder Einklammerung der unseren Begriffen innewohnenden Voraussetzungen zu konstruieren. Obwohl daher Konstruktion und Darstellung reinen Denkens nur von der Warte der Reflexion her m¨oglich sind, hat dies dem Anspruch auf Voraussetzungslosigkeit des logischen Fortgangs keinen Abbruch zu tun. Auf der Ebene der Darstellung d¨urfen n¨amlich durchaus Kategorien verwendet werden, die sich auf der Ebene des Dargestellten noch nicht ergeben haben, solange sie
14
Von da her l¨asst sich die Funktion der Ph¨anomenologie des Geistes als Hinf¨uhrung zur Wissenschaft verstehen. Ihre Eignung hierf¨ur hat Hegel sp¨ater bekanntlich selbst bezweifelt und sie jedenfalls nicht mehr als einzig m¨oglichen Einstieg in die Logik angesehen, vgl. 21,914−15; 20,1185−10.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
dem reinen Denken nicht selbst untergeschoben und f¨ur seinen Fortgang bereits ausdr¨ucklich in Anspruch genommen werden. Dass wir den Standpunkt des reinen Denkens unmittelbar weder einnehmen k¨onnen noch m¨ussen, bedeutet dann aber auch, dass logisch zwar nur immanen¨ ¨ te Uberg¨ ange erlaubt sind, solche Uberg¨ ange aber nicht notwendig immanent zu finden sind. Entsprechend lassen sich auch mathematische Beweise wohl nicht dadurch finden oder verstehen, dass gleichsam blind, Schritt f¨ur Schritt, vorgegangen wird, sondern indem der Vorblick aufs Beweisziel und eine Beweisidee es erm¨oglichen, einzelne Schritte zu vollziehen. Hinsichtlich des Abstands der Reflexion vom reinen Denken lassen sich nun verschiedene Stufen unterscheiden: (1) Am n¨achsten steht die Reflexion dem reinen Denken, wenn sie einzelne Kategorien betrachtet. Sofern diese nicht ¨ einfach vorausgesetzt werden, sondern sich durch immanente Uberg¨ ange ergeben, sind sie notwendig. Da dem reinen Denken selbst jeweils nur eine solche Bestimmung thematisch sein kann, ist sie ihm auf der jeweiligen Stufe seiner Entfaltung Inbegriff des Ganzen. Wird nun das Ganze des Denkbaren als das Absolute“ bezeichnet, weil es kein Außen zu ihm geben kann, bilden die ” Kategorien damit Definitionen des Absoluten“ 15 . Insofern sich die logischen ” Bestimmungen im Zuge ihres Fortgangs jeweils zu unselbst¨andigen Aspekten ihrer Nachfolger herabsetzen, zeigen sie, dass sie, f¨ur sich genommen, keine angemessenen Bestimmungen des logischen Raumes darstellen, sondern nur Teilaspekte desselben ausdr¨ucken. (2) Mit einer reflektierenden Beschreibung des logischen Fortgangs wird die Ebene der Verh¨altnisse zwischen Kategorien erreicht. Dass eine zun¨achst unmittelbare, selbst¨andig auftretende Kategorie X von sich her auf ihre bestimmte Negation Y f¨uhrt, kann dabei so ausgedr¨uckt werden, X sei in Wahrheit Y“ oder dieses sei die Wahrheit von X“. ” ” (3) Auf der n¨achsth¨oheren Reflexionsebene kommen globale Aspekte des logischen Fortgangs in Sicht. Mit Blick auf die Architektonik von Hegels Logik ist n¨amlich damit zu rechnen, dass ein linearer Fortgang ein nichtlineares Kategoriengef¨uge erzeugt, dessen Struktur von der Warte reinen Denkens aus gar nicht thematisch wird. (4) Schließlich l¨asst sich eine Stufe der Reflexion annehmen, deren Sache nicht das reine Denken selbst ist, sondern die Erhebung auf dessen Standpunkt durch Tilgung und Zur¨uckweisung a¨ ußerlicher Voraussetzungen, die sich unter der Hand einzuschleichen drohen. Zu dieser Stufe rechnet Hegel auch Vor- und R¨uckblicke auf den logischen Fortgang, die bloß im Dienste der Fasslichkeit seiner Darstellung gemacht werden. Dazu geh¨ort auch der Bezug logischer Bestimmungen auf reale Ph¨anomene, deren Verfassung jenen gem¨aß bestimmt ist. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird der Bezug auf solche Ph¨anomene vom streng Logischen terminologisch klar durch die 15
20,12114−15.
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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formelhafte Wendung unterschieden, die betreffenden Ph¨anomene seien reale ” Auspr¨agungen“ logischer Bestimmungen. Dass Logik nur von der Warte des Geistes aus m¨oglich ist, zeigt sich in der soeben ausbuchstabierten Unumg¨anglichkeit der Reflexion. Deren Unverzichtbarkeit untergr¨abt jedoch nicht die M¨oglichkeit immanenter Entfaltung reinen Denkens. Denn obwohl die Logik zwar nur vom Reflexionsstandpunkt des Geistes aus dargestellt werden kann, ist ihr Gegenstand allein das reine Denken und nicht der Geist.
1.3 Die selbstbez¨ugliche Negation 1.3.1 Arten der Negation Bevor nun die Selbstbeziehung der Negation n¨aher untersucht werden kann, ist zun¨achst der von formallogischen Negationsbegriffen abweichende Sinn zu kl¨aren, in dem hier u¨ berhaupt von Negation die Rede ist. Im Gegensatz zur klassischen aussagenlogischen Negation soll sich die bestimmte Negation n¨amlich nicht auf Wahrheitswerte von Aussagen, sondern auf begriffliche Gehalte beziehungsweise auf sich selbst beziehen. Der dialektische Begriff der Negation wird im Folgenden daher in Abgrenzung vom formallogischen eingef¨uhrt. An sich mehrdeutig kann der Ausdruck Negation“ dabei in beiden F¨allen sowohl ” den Negator als Operator, die Operation des Negierens wie die Negation als deren Ergebnis bezeichnen. Der Zusammenhang d¨urfte jedoch f¨ur ausreichende Eindeutigkeit sorgen. Syntaktisch ist die klassische aussagenlogische Negation ein monadischer Operator, in dessen Anwendungsbereich damit genau ein wohlgeformter Ausdruck einer Aussage zu fallen hat und dessen Verwendung durch dem Prinzip der doppelten Negation entsprechende Einf¨uhrungs- und Beseitigungsregeln bestimmt ist. Aus semantischer Perspektive ist die Negation einer Aussage dagegen dadurch definiert, dass ihr Wahrheitswert dem Wahrheitswert von jener entgegengesetzt ist. Entsprechend charakterisiert Quine die Negation als das, was eine wahre Aussage falsch und eine falsche Aussage wahr macht“ 16 . ” Demgem¨aß ist die Negation nicht durch ihren Beitrag zum Sinn einer Aussage charakterisiert, sondern extensional durch den Beitrag zur Fregeschen Bedeutung derselben, n¨amlich zu ihrem Wahrheitswert. Syntaktisch betrachtet ist das Verh¨altnis von Negation und Position asymmetrisch und der negative Charakter einer Aussage im Verh¨altnis zu einer anderen insofern absolut: ¬X ist die Negation von X, aber nicht umgekehrt. Vom semantischen Standpunkt her ist das Verh¨altnis von Negation und Position dagegen 16
Q UINE 1982: 2.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
symmetrisch und der Negationscharakter einer Aussage daher relativ: Wenn X Negation von Y ist, ist Y Negation von X. Denn wenn nur zwei Wahrheitswerte angenommen werden, kommt, wenn X der dem Wahrheitswert von Y entgegengesetzte Wahrheitswert zukommt, auch Y der dem Wahrheitswert von X entgegengesetzte Wahrheitswert zu. Welche Aussage als Negation und welche als Position gilt, ist daher relativ. Da im Rahmen der klassischen, zweiwertigen Logik der einem als entgegengesetzt gesetzten Wahrheitswert entgegengesetzte Wahrheitswert nur der Ausgangswert sein kann, gilt zugleich das Gesetz der doppelten Negation: ¬¬X↔X. Mengentheoretisch l¨asst sich das Komplement der Extension eines Pr¨adikats ϕ als Entsprechung zur aussagenlogischen Negation verstehen. Denn das Komplement X der Menge X={x|ϕ(x)} aller ϕ-Instanzen ist die Menge aller Elemente des Universums, die nicht Instanzen von ϕ sind. Die bestimmte Negation l¨asst sich nun aus zwei Gr¨unden nicht extensional verstehen. Denn erstens gilt f¨ur die extensionale Negation das Gesetz der doppelten Negation. Dieses widerspricht aber der Unumkehrbarkeit des logischen Fortgangs, die sich aus dem Aufhebungspostulat ergeben hat. Denn voraussetzungsloses Denken schließt nicht nur ein Einschleusen von Annahmen, sondern ebenso die Tilgung von bereits Erreichtem aus. Zweitens kann sich die Negation, da das reine Denken voraussetzungslos beginnt, ohnehin nicht auf Wahrheitswerte von Aussagen, sondern nur auf begriffliche Gehalte beziehen, die sich im Zuge des logischen Fortgangs als Vorformen von Propositionalit¨at entpuppen werden. Da aber auch der Unterschied von Begriff und Gegenstand, Intension und Extension zun¨achst noch nicht thematisch sein kann, l¨asst sich die ¨ Negation auch nicht als Ubergang zum Komplement einer Menge von Begriffsinstanzen fassen. Zudem legen die Elemente einer Menge die anderen Elemente ¨ eines Universums gar nicht fest, weshalb der Ubergang zum Komplement einer Menge grunds¨atzlich nicht immanent sein kann. Die bestimmte Negation muss daher intensional, nicht durch ihre Bedeutung, sondern durch ihren Sinn als ausschließende Beziehung charakterisiert sein. Nun hat aber etwa Ayer die Auffassung vertreten, das Verh¨altnis von Position und Negation sei auch aus intensionaler Sicht symmetrisch und Aussagen daher in vielen F¨allen nur relativ aufeinander, nicht jedoch absolut als Negationen bestimmt17. Als Beispiel f¨uhrt Ayer die Aussagen Mount Everest ist der h¨ochste ” Berg der Welt“ (1) beziehungsweise Mount Everest ist nicht der h¨ochste Berg ” der Welt“ an, von denen die erste positiv, die zweite negativ zu sein scheint. (1) ist aber der negativen Aussage Es gibt keinen Berg, der h¨oher ist als Mount ” Everest“ a¨ quivalent, (2) der affirmativen Aussage Es gibt einen Berg, der h¨oher ” ist als Mount Everest“. Daher scheint der affirmative beziehungsweise negative Charakter von Aussagen relativ oder u¨ berhaupt keine semantische Eigenschaft 17
Vgl. AYER 1952.
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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zu sein, sondern nur eine syntaktische. Ob sich solche F¨alle verallgemeinern oder sich immerhin in gewissen F¨allen, wie Ayer annimmt, Kriterien daf¨ur angeben lassen, Satzsinne absolut als Negationen auszuzeichnen, ist hier nicht zu untersuchen. Vielmehr m¨ussen intensionale Kriterien angegeben werden, welche einen begrifflichen Gehalt eindeutig und unumkehrbar als Negation eines anderen zu kennzeichnen erlauben. Ließen sich Begriffe n¨amlich nicht in einem solchen Sinn als negativ auszeichnen, w¨are immanenter Fortgang reinen Denkens durch Negation unm¨oglich, weil die Negationsoperation nur zum Hin und Her zwischen zwei Gehalten f¨uhren k¨onnte, welches die Forderung nach Unumkehrbarkeit verletzt. Zun¨achst muss jedoch gekl¨art werden, inwiefern begriffliche Gehalte aus intensionalem Blickwinkel u¨ berhaupt negiert werden k¨onnen. Dabei wird zwischen formeller und bestimmter Negation als zwei Formen intensionaler Verneinung zu unterscheiden sein. In nat¨urlichen Sprachen k¨onnen Pr¨adikatausdr¨ucke ohne Weiteres negiert werden (vgl. nicht-rot“, Nicht” ” Europ¨aer“). Solche verneinten Ausdr¨ucke legen ein Pr¨adikat nicht direkt, sondern durch Bezug auf ein anderes fest: So ist ¬ϕ intensional als mit ϕ unvereinbares Pr¨adikat gekennzeichnet18 . In nat¨urlichen Sprachen haben solche verneinten Pr¨adikatausdr¨ucke jedoch keinen eindeutigen Sinn. Unter anderem deshalb wird auf sie in der modernen Logik meist verzichtet19 . Der Sinn eines von einem Pr¨adikat ϕ ausgeschlossenen Pr¨adikats ¬ϕ ist n¨amlich durch ϕ gar nicht eindeutig bestimmt, sondern h¨angt von einem kontextuell festgelegten Rahmen ab. In nat¨urlichen Sprachen wird dieser gew¨ohnlich vom Genus des Subjektterminus bestimmt, der mit ¬ϕ zu einer Aussage verkn¨upft ist. In diesem Sinn schreibt von Wright in seiner Studie zur Logik der Negation: A proposition of the type ,x is not-ϕ’ has an ” open or undetermined sense as long as the genus of the subject remains unspe20 cified“ . Entsprechend liegt es nahe, das verneinte Pr¨adikat nicht-rosa“ in den ” S¨atzen Deine Lippen sind nicht-rosa“, Gras ist nicht-rosa“ oder “Die Zahl 5 ” ” ist nicht-rosa“ jeweils in verschiedenem Sinn zu verstehen. Eindeutigkeit kann nach von Wright freilich hergestellt werden, indem die starke Negation“ ¬ϕ ” als dasjenige mit ϕ unvereinbare Pr¨adikat definiert wird, mit dem alle mit ϕ unvereinbaren Pr¨adikate vereinbar sind. Entsprechend l¨asst sich im Anschluss 18
Es k¨onnte eingewandt werden, die ausschließende Beziehung zwischen Pr¨adikaten sei nur als Komplementarit¨at ihrer Extensionen explizierbar. Selbst wenn dies so w¨are, a¨ nderte es nichts am intensionalen Charakter der Negation. Denn dann w¨are es eben die Intension von ¬ϕ, das Pr¨adikat mit zu ϕ komplement¨arer Extension zu sein. Nur aufgrund dieses intensionalen Charakters k¨onnen wir wissen, dass Pr¨adikate einander kontradiktorisch ausschließen, deren Extensionen wir nicht kennen. 19 So setzt Russell etwa fest: In all cases where a not‘ comes in, it has to be taken to ” ’ apply to the whole proposition“ [RUSSELL 1918: 43]. 20 VON W RIGHT 1959: 10.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
an Brandom die formelle Negation einer Bestimmung ϕ auch als minimale mit ϕ inkompatible Bestimmung definieren, n¨amlich als diejenige, die von allem mit ϕ inkompatiblen Bestimmungen impliziert wird21 . In Sinn der formellen Negation sind dann sowohl Gras als auch die Zahl 5 nicht-rosa. Dabei ist die formelle Negation insofern die schw¨achste Negation von p, als sie allein die Unvereinbarkeit mit p ausdr¨uckt, ohne das, was mit p unvereinbar ist, n¨aher zu bestimmen. Ihr formeller Charakter l¨asst sich gerade daran festmachen, dass das verneinte Pr¨adikat ¬ϕ nicht direkt bestimmt, sondern nur unbestimmt durch die Unvereinbarkeit mit ϕ angezeigt ist. Die formelle Negation ist damit aber aggregativ, insofern sie einen Inhalt wie nicht-gr¨un“ durch Be” zug auf einen anderen, selbst¨andigen Inhalt unbestimmt anzeigt, statt ihn direkt anzugeben. Da voraussetzungsloses Denken aber nicht zu Aggregaten f¨uhren kann, kann die es erm¨oglichende bestimmte Negation keine formelle, sondern muss material charakterisiert sein, also einen von sich her bestimmten und nicht bloß indirekt durch Bezug auf einen anderen gekennzeichneten, insofern aber konkreten Inhalt markieren. ¨ In Ubereinstimmung mit dieser Anforderung deutet Brandom die bestimmte Negation als materiale Inkompatibilit¨at zwischen Bestimmungen, d. h. als Kontrariet¨at22 . Zwei Bestimmungen sind material inkompatibel, wenn es unm¨oglich ist, dass ein und demselben Substrat x beide Bestimmungen zugleich zukommen. Dabei sind material inkompatible Gehalte wie rot und gr¨un direkt in voller Bestimmtheit gegeben, sodass keiner von ihnen bloß unbestimmt u¨ ber seine Unvereinbarkeit mit dem anderen gekennzeichnet ist. Aus mehreren Gr¨unden kann die bestimmte Negation aber nicht als materiale Inkompatibilit¨at verstanden werden. Denn erstens ist materiale Inkompatibilit¨at keine Relation, in der etwas nur zu einer weiteren Bestimmung stehen kann, sondern potentiell mehrdeutig. So ist etwa rot sowohl mit gr¨un als auch mit gelb, blau etc. material inkompatibel. Zweitens ist materiale Inkompatibilit¨at nach Brandoms Verst¨andnis eine symmetrische Relation23 . Da rot mit gr¨un inkompatibel ist, ist es umgekehrt auch gr¨un mit rot. Beides ist mit den Anforderungen unvereinbar, welche sich aus Hegels Behauptung ergeben, die bestimmte Negation sei die einzige f¨ur den immanenten wissenschaftlichen 21 Vgl. B RANDOM 2002: 179. Eine derartige Definition von formeller Negation auf der Grundlage von Inkompatibilit¨atsbeziehungen ist auch in bestimmten formallogischen Kontexten u¨ blich (vgl. die Birkhoff-von Neumann-Goldblattsche Definition der Ortho-Negation, ¨ D UNN 1996; B ERTO 2009) und spielt auch in Uberlegungen zur pragmatischen Fundierung der aussagenlogischen Negation im Feststellen von Inkompatibilit¨aten zwischen Signalen eine Rolle (vgl. P RICE 1990). Hegel kennt die formelle Negation unter dem Titel abstrakte Nega” tion“. 22 B RANDOM 1994: 92; B RANDOM 2002: 179f., 223. 23 Vgl. B RANDOM 2002: 384; zur M¨oglichkeit eines asymmetrischen Verst¨andnisses von Inkompatibilit¨at vgl. D UNN 1996: 12f.
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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¨ Fortgang notwendige Operation24 . Denn nicht nur m¨ussen logische Uberg¨ ange auf Bestimmungen f¨uhren, die sich eindeutig aus den jeweiligen Ausgangsbestimmungen selbst ergeben, sondern zugleich muss die Iteration der Negation auf eine gerichtete Abfolge unterschiedener Bestimmungen f¨uhren, weshalb sie, ihre Eindeutigkeit vorausgesetzt, keine symmetrische Operation sein kann. Zudem muss sich das Ausschlussverh¨altnis zwischen Position und bestimmter Negation zun¨achst ohne Bezug auf ein Substrat x verstehen lassen, im Hinblick auf das beide inkompatibel sind. Denn erstens ist im Zuge voraussetzungslosen Fortgangs zun¨achst noch gar kein solches Substrat eingef¨uhrt. Zweitens muss die Inkompatibilit¨at von Bestimmungen in Bezug auf ein x in diesen Bestimmungen selbst gr¨unden, da sie unabh¨angig von der spezifischen Verfasstheit von x besteht25 . Nichtsdestoweniger muss die bestimmte Negation etwas Wesentliches mit Brandoms materialer Inkompatibilit¨at gemeinsam haben: Denn sie kann keine Bestimmung sein, die bloß formell durch ihre Inkompatibilit¨at mit einer anderen angezeigt ist, sondern muss gerade in voller Bestimmtheit gegeben sein und ist insofern material zu verstehen. Die bestimmte Negation ist entsprechend ein nicht bloß durch ausschließenden Bezug auf einen selbst¨andigen anderen indirekt gekennzeichneter, sondern an sich konkret bestimmter Inhalt26 , der zugleich aber von sich her einen ausschließenden Bezug auf die ihm im logischen Fortgang vorgeordnete Bestimmung in sich hat. W¨ahrend die formelle Negation von X nur indirekt bestimmt ist und materiale Inkompatibilit¨at mehrdeutig sein kann, ist die bestimmte Negation direkt und eindeutig bestimmt. Als Negation von X muss sie dabei die Momente X‘ und Nicht‘ als unselbst¨andige Aspekte aufweisen. Ausdr¨ucke ’ ’ der Form nicht-X‘ bilden daher keine angemessenen, sondern nur formelle ’ Kennzeichnungen bestimmter Negationen. Angemessen gefasst ist etwa die bestimmte Negation von Etwas und Anderem daher nicht etwa weder Etwas noch Anderes, sondern vielmehr die konkrete Bestimmung der Grenze. Diese stellt kein Aggregat dar, da sie (im Gegensatz etwa zu nicht-rot“) nicht bloß formell ” durch ausschließenden Bezug auf einen anderen, selbst¨andigen Inhalt bestimmt ist. Sie ist dennoch insofern bestimmte Negation von Etwas und Anderem, als sich an ihr analytisch die unselbst¨andigen Aspekte Etwas und Anderes und 24
Vgl. oben. S. 21 Anm. 45 . Erst wenn in der Wesenslogik eine Mehrzahl von Dingen eingef¨uhrt wird, auf die Bestimmungen in verschiedenen Hinsichten als Eigenschaften bezogen werden k¨onnen, wird es n¨otig, anzugeben, dass solche Eigenschaften einander nicht tout court, sondern nur im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit in ein und demselben Substrat ausschließen und insofern im Brandomschen Sinn material inkompatibel sind, vgl. unten Abschnitt 2.2.1.3. 26 Michael Wolff formuliert pr¨ agnant: Daß eine Kategorie andere Kategorien als Mo” mente enth¨alt, bedeutet nicht, dass jene eine bloße Synthesis aus diesen ist. Als Kategorie ist sie selbst vielmehr eine urspr¨ungliche und einfache Bestimmung“ [WOLFF 1986c: 110]. 25
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
Nicht abheben lassen. Denn sie ist eindeutig durch die Beziehung von Etwas und Anderem und dadurch bestimmt, weder Etwas noch Anderes zu sein. Die bestimmte Negation erf¨ullt so die Forderung nach Asymmetrie, welche sich aus der Unumkehrbarkeit des logischen Fortgangs ergibt. Denn sofern zur bestimmten Negation Y von X die unselbst¨andigen Bedeutungsaspekte X‘ und ’ Nicht‘ geh¨oren und das Verh¨altnis von X und Y nicht zirkul¨ar ist, kann X nicht ’ seinerseits die Bedeutungsaspekte Y‘ und Nicht‘ aufweisen. So ist etwa f¨ur ’ ’ die Grenze der ausschließende Bezug auf Etwas und Anderes kennzeichnend, w¨ahrend Etwas und Anderes nicht ausdr¨ucklich auf die Grenze bezogen sind. Daher sind sie in der Grenze aufgehoben, nicht aber umgekehrt. Etwas und Anderes m¨ussen jedoch unausdr¨ucklich auf die Grenze bezogen sein, da diese als ihr Nachfolger etwas ausdr¨ucklich macht, was in ihnen noch unausdr¨ucklich ist. Im Zuge des logischen Fortgangs k¨onnten sich jedoch auch zirkul¨are Begriffspaare ergeben, sofern etwa X durch die Bedeutungsaspekte Y‘ und ’ Nicht‘ bestimmt ist und umgekehrt Y durch X‘ und Nicht‘. Selbst in diesem ’ ’ ’ Fall lassen sich aber noch eindeutig Position und bestimmte Negation unterscheiden. Denn zur bestimmten Negation geh¨ort, sich als nachgeordnete Bestimmung ausschließend auf die ihr vorgeordnete zu beziehen. Daher ist selbst bei wechselseitig ausschließender Beziehung zwischen zwei Bestimmungen die Asymmetrie bestimmter Negation gewahrt, sofern eine der beiden der anderen gegen¨uber als nachgeordnet ausgezeichnet werden kann. So geh¨ort etwa zu Grund und Folge die negative Beziehung auf die jeweils andere Bestimmung: Der Grund ist Grund einer von ihm unterschiedenen Folge und diese die Folge eines von ihr unterschiedenen Grundes. Dennoch kann die Folge als bestimmte Negation des Grundes ausgezeichnet werden, da sie gem¨aß ihrer asymmetrischen Abgeleitetheit von diesem eine ihm gegen¨uber nachgeordnete Bestimmung darstellt. Damit ist die f¨ur die M¨oglichkeit des logischen Fortgangs verlangte Negation hinreichend als intensionale, bestimmte Negation begrifflicher Gehalte bestimmt, womit zur Untersuchung ihres selbstbez¨uglichen Operierens u¨ bergegangen werden kann. 1.3.2 Die Negation-ihrer-selbst Die selbstbez¨ugliche Negation ist dadurch bestimmt, nicht auf ein von ihr unterschiedenes Argument, sondern auf sich selbst zu operieren, und ist insofern ein Hybrid“ aus Operator und Operandum. Dies l¨asst sich folgendermaßen ” erl¨autern: Gew¨ohnlich sind Operator und Operandum einer Operation voneinander verschieden. So sind etwa die Argumente der Wurzeloperation Zahlen, diese jedoch selbst keine Zahl. Nun operiert ein Operator nur in Anwendung ¨ auf ein Argument. Dabei besteht das Operieren des Operators im Ubergang vom
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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Argument A zu einem von Argument und Operator abh¨angigen Resultat Op(A). Insofern Operator und Operandum verschieden sind, operieren Operatoren also gew¨ohnlich nicht von sich her, sondern nur, indem sie mit einem Argument zusammengebracht oder auf dieses angewandt werden. Ein hybrider Operator ist dagegen ein Operator, der sein eigenes Operandum bildet. Ein solcher Operator muss daher nicht erst a¨ ußerlich auf ein Argument angewandt werden, sondern ist bereits sein eigenes Argument und wendet sich insofern selbst an. Wie jede andere Anwendung eines Operators muss auch diese Anwendung ein Ergebnis haben. Dieses muss mit der selbstanwendenden Operation insofern identisch sein, als sie sich selbst in dieses Ergebnis u¨ berf¨uhrt und es nicht erst durch a¨ ußerliche Anwendung eines Operators auf ein von ihm unterschiedenes Argument erhalten wird. Als Negation, die ihr eigenes Argument bildet, stellt die selbstbez¨ugliche Negation eine hybride Operation dar. Sie u¨ berf¨uhrt sich daher selbstanwendend in ihre bestimmte Negation. Zugleich ist das Ergebnis ihrer Selbstanwendung aber seinerseits selbstanwendende Negation. Denn da sie sich selbst in dieses Ergebnis u¨ berf¨uhrt, muss es mit ihr prozessual identisch sein. Insofern die Negation-ihrer-selbst mit dem Ergebnis ihrer Selbstanwendung identisch und dieses selbst wieder selbstbez¨ugliche Negation ist, muss es sich seinerseits selbstanwendend in seine bestimmte Negation u¨ berf¨uhren. Damit ergibt sich aus der selbstanwendenden Negation eine Reihe sich negierender Negationen, da jedes Glied sich in seine bestimmte Negation u¨ berf¨uhrt: ¬ ¬¬ ... Der Einwand liegt auf der Hand, die selbstbez¨ugliche Negation sei widerspr¨uchlich, weil sich aus ihr die Identit¨at mit ihrer Negation ergebe. Diese Annahme ist aber deshalb nicht schl¨ussig, weil aus der selbstbez¨uglichen Negation nicht folgt, dass sich keine Hinsichten angeben lassen, unter denen Identit¨at und Unterschied der selbstbez¨uglichen Negation und ihrer Nachfolger widerspruchsfrei vereinbar sind. Unter welchen Bedingungen k¨onnte aber die Identit¨at der selbstbez¨uglichen Negation mit ihrer Negation widerspruchsfrei und die Gleichung = ¬ sinnvoll erf¨ullbar sein? Da die selbstbez¨ugliche Negation eine bestimmte Negation ist, ist auch ihr Nachfolger, die Negation der selbstbez¨uglichen Negation, als bestimmte Negation zu fassen und steht damit unter zwei Bedingungen: Erstens ist sie mit der selbstbez¨uglichen Negation prozessual identisch, insofern diese sich in sie u¨ berf¨uhrt. Zweitens bildet sie als bestimmte Negation einen material charakterisierten und zugleich negativ auf bezogenen Gehalt. Wie lassen sich unter diesen Bedingungen Identit¨at und Differenz der selbstbez¨uglichen Negation und ihres Nachfolgers widerspruchsfrei zusammendenken? Da sie nicht in derselben Hinsicht identisch und verschieden sein k¨onnen, m¨ussen sie in einer Hinsicht identisch und in einer anderen verschieden sein. Dabei muss die Hinsicht der Identit¨at grundlegend sein, da die Negation der
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
selbstbez¨uglichen Negation als Ergebnis ihrer immanenten Selbstauslegung kein von der selbstbez¨uglichen Negation einfach verschiedener Gehalt, sondern nur eine unterschiedliche Gestalt oder Weise ihres Gesetztseins sein kann. Die Negation-ihrer-selbst ist daher widerspruchsfrei so zu denken, dass sie sich selbst zu einer Reihe sich voneinander unterscheidender Negationen auslegt, die insofern prozessual miteinander identisch sind, als sie Gestalten sind, zu denen sich selbstbez¨ugliche Negativit¨at von sich her auslegt. Als hybride Operation ist die Negation-ihrer-selbst damit sozusagen ein selbststartendes Programm, das aus sich heraus eine Bewegung logischer Selbstgestaltung in Gang setzt. Bestimmt man ein Prinzip als elementare Gr¨oße, die von sich her Neues hervorzubringen im Stande ist, bildet die selbstbez¨ugliche Negation damit ein Prinzip. Insofern ein unbedingtes Prinzip den Charakter selbstanwendender Operationalit¨at haben muss, da nur solche allein aus sich heraus zu Neuem f¨uhren kann, und die selbstbez¨ugliche Negation die einfachste Form selbstanwendender Operationalit¨at ist, weil alle anderen selbstanwendenden Operationen auf solches f¨uhren, was sich von seinem Vorg¨anger nicht allein dadurch unterscheidet, dass es sich ausschließend auf ihn bezieht, markiert die selbstbez¨ugliche Negation sogar die Grundform aller unbedingten Prinzipien. Dabei bedeutet die abstrakte Rede von selbstanwendender Operationalit¨at als Prinzip keine Hypostasierung realer Denkt¨atigkeit zu einem subjektlosen Operieren. Vielmehr handelt es sich nur um eine operationale Charakterisierung des idealisierten Kerns reinen Denkens, dessen reales Auftreten notwendig an leibhaftige Subjektivit¨at gebunden ist. Einzig in leibhaftiger Verk¨orperung real, ist reines Denken damit aber gerade kein Selbstl¨aufer“, sondern etwas, zu dem ” leibhaftige Subjekte nur gebrochen in der Lage sind. Doch gerade deshalb kann es dem Versuch reinen Denkens f¨orderlich sein, einen idealen Begriff reinen Denkens als selbstanwendender, sich rein aus sich heraus entfaltender Operationalit¨at zu entwerfen, an dem der reale Versuch zu solchem Denken eine gewisse Orientierung finden kann. Die selbstbez¨ugliche Negation ist dadurch bestimmt, durch Selbstanwendung in ihre Negation u¨ berzugehen, mit der sie als einer von ihr unterschiedenen Gestalt identisch zu sein hat. Ihre erste Gestalt muss als bestimmte Negation a) konkret oder material und nicht bloß formell durch Bezug auf etwas anderes bestimmt sein, zugleich aber b) ausschließend auf bezogen sein und sich c) von allein dadurch unterscheiden, dass sie nicht ist. Da sie als bestimmte Negation ein material bestimmter Inhalt sein muss, kann sie als ¬ nur formell gekennzeichnet sein. Daher ist zu untersuchen, wie die erste Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation konkret zu denken ist. Da sie sich von gem¨aß c) durch nichts weiter unterscheiden kann, als dass sie nicht ist, kann sie sich von nicht durch eine bestimmte Komponente x unterscheiden, sondern
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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nur durch nichts Bestimmtes oder einen Leerinhalt. Dass sich die Negation der selbstbez¨uglichen Negation von dieser durch nichts Bestimmtes unterscheidet, heißt aber nicht, sie unterscheide sich nicht von ihr. Vielmehr muss ihr Spezifikum gegen¨uber gerade im Zuwachs von nichts Bestimmtem, damit aber in reiner Unbestimmtheit bestehen. Die Negation der selbstbez¨uglichen Negation kann dabei keine auf der selben Ebene liegende Vereinigung von selbstbez¨uglicher Negation und Unbestimmtheit sein. Denn sonst w¨are sie als Aggregat – im Widerspruch zur Anforderung a) – kein an sich, sondern ein nur mittelbar durch Bezug auf anderes bestimmter Inhalt. Daher muss ¬ ausdr¨ucklich als Unbestimmtheit gesetzt und ihr Charakter, selbstbez¨ugliche Negation zu sein, bloß unausdr¨ucklich bestehen. Damit ist Unbestimmtheit gem¨aß b) insofern ausschließend auf die Grundform der selbstbez¨uglichen Negation bezogen, als sie an sich zwar deren Gestalt ist, diese aber von ihrem ausdr¨ucklichen Inhalt ausgeschlossen ist. Unbestimmtheit kann als erste Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation also gerade nicht als Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation gesetzt sein. Denn w¨are die erste Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation nicht nur an sich Gestalt derselben, sondern als ihre Gestalt gesetzt, w¨are sie wesentlich reicher bestimmt, als es die erste Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation sein kann. Insofern sich reine Unbestimmtheit jedoch aus der selbstbez¨uglichen Negation ergibt, muss sie an sich Gestalt derselben sein und ihren Charakter als solche dadurch erweisen, dass sie sich selbst negiert. Auf diese Weise lassen sich der Anfang der Logik mit der reinen Unbestimmtheit des Seins und dessen immanenter Umschlag in Nichts aus der selbstbez¨uglichen Negation ableiten27 . Unbestimmtheit ist so die erste in einer Reihe immanent ineinander u¨ bergehender Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation. Da diese Gestalten aus Sicht voraussetzungslosen Denkens aber zun¨achst nicht als Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation gesetzt sein k¨onnen, kann diese zu Beginn der Logik ¨ nicht ausdr¨ucklich thematisch sein. Allerdings ist der immanente Ubergang der logischen Kategorien gerade nur dadurch m¨oglich, dass sie an sich Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation sind und daher von sich her zu ihrer jeweiligen Negation f¨uhren. ¨ Aus diesen Uberlegungen ergibt sich, dass alle logischen Kategorien Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation sein m¨ussen. In der Logik werden diese Gestalten jedoch immanent im Ausgang von Unbestimmtheit entwickelt, wobei die selbstbez¨ugliche Negation nicht ausdr¨ucklich, sondern nur an sich vorausgesetzt wird. Die logischen Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation sollten 27 Damit wird Hegels, am Ende der WdL zu findende Behauptung eingel¨ ost: Die reine ” Unmittelbarkeit des Seyns, in dem zuerst alle Bestimmung als aufgel¨ost und durch die Abstraction weggelassen erscheint, ist die durch die Vermittlung, n¨amlich die Aufhebung der Vermittlung zu ihrer entsprechenden Gleichheit mit sich gewordene Idee“ [12,25226−29]. Dabei meint Idee“ gerade die Realisierungsformen der selbstbez¨uglichen Negation. ”
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
sich jedoch auch im ausdr¨ucklichen Ausgang von ihr gewinnen lassen. Bevor dieser Weg im Folgenden angedeutet wird, soll die entwickelte Auffassung der selbstbez¨uglichen Negation sowohl mit Ausf¨uhrungen Hegels in Beziehung wie von Dieter Henrichs klassischer Darstellung der selbstbez¨uglichen Negation abgesetzt werden28 . 1.3.3 Erster Exkurs: Hegel u¨ ber Sich auf sich beziehende Negativit¨at“ ” Hegel zufolge bildet die Logik die Wissenschaft der absoluten Form“ 29 – des ” Begriffs“ –, aus der sich die Gesamtheit der logischen Kategorien ergeben soll: ” Diese absolute Form hat an ihr selbst ihren Inhalt oder Realit¨at; der Begriff, indem er nicht ” die triviale, leere Identit¨at ist, hat in dem Momente seiner Negativit¨at oder des absoluten Bestimmens die unterschiedenen Bestimmungen; der Inhalt ist u¨ berhaupt nichts anderes als solche Bestimmungen der absoluten Form“ 30.
Mit absolutem Bestimmen“ ist dabei gemeint, dass sich der Begriff nicht auf ” etwas von ihm Verschiedenes bezieht, das er bestimmen w¨urde, denn dies w¨are bloß relatives Bestimmen“, sondern als selbstbez¨ugliches Bestimmen und da” mit als reines Sichbestimmen zu fassen ist, das den Inbegriff der Produktivit¨at des Denkens ausmacht31 . Von selbstbez¨uglicher Negation ist an der angef¨uhrten Stelle zwar noch nicht die Rede, sondern lediglich von einem dem Begriff zukommenden Moment der Negativit¨at“. Der Bogen zur selbstbez¨uglichen Ne” gation l¨asst sich jedoch gerade u¨ ber das Sichbestimmen schlagen. Dem Wortsinn nach bedeutet Sichbestimmen, sich eine Bestimmung zu geben, die man noch nicht hat, oder sich als solches zu setzen, was man zun¨achst nicht ist. Als bestimmtes Sich-Negieren ist dies zu denken, insofern es noch gar nicht um ein spezifisches Sich-Bestimmen geht, sondern allein darum, sich in einer Bestimmtheit zu setzen, die zun¨achst nicht gesetzt ist. Zugleich ist solches Setzen jedoch kein Selbstverlust, weil es darin besteht, sich produktiv aus sich heraus mit Bestimmtheit anzureichern. Insofern es sich bei solchem Anreichern um reine Selbstbestimmung und nicht um diejenige eines vorg¨angig schon Bestimmten handelt, ist sie operational als bestimmte Negation zu fassen, die sich allein auf sich selbst bezieht, das heißt gerade als selbstbez¨ugliche Negation. Hegel spricht zwar nicht von selbstbez¨uglicher Negation“, kann solche ” selbstanwendende Operationalit¨at aber darum als sich auf sich beziehende Ne” gation“ oder absolute Negativit¨at“ bezeichnen, weil reines Sichbestimmen in ” nichts weiter als darin besteht, sich selbstanwendend in bestimmte, zuvor nicht 28
Vgl. H ENRICH 1976b. 12,2717. 30 12,2534−38. 31 Hegels Verwendung von Attributen wie absolut“ oder unendlich“ vor Relationsaus” ” dr¨ucken deutet im Allgemeinen an, dass die betreffende Relation kein a¨ ußeres Verh¨altnis voneinander verschiedener Bestimmungen darstellt, sondern selbstbez¨uglich zu denken ist. 29
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
47
gesetzte Gestalten zu u¨ berf¨uhren und insofern zu negieren32 . Mit absoluter“ ” oder unendlicher“ Negativit¨at wird angezeigt, dass es um kein Negieren geht, ” das relativ auf ein von ihm Verschiedenes besteht, sondern sich allein auf sich ¨ bezieht. Aufgrund der Uberlegungen zum Zusammenhang von Selbstbestimmung und Selbstnegation sollte damit nun auch Hegels einleitend zitierte Behauptung verst¨andlicher sein: Der Begriff ist als absolut mit sich identische ” Negativit¨at das sich selbst bestimmende“ 33 . Denn absolut mit sich identische ” Negativit¨at“ ist der Begriff gerade deshalb, weil er sich, indem er sich in zuvor nicht gesetzter Bestimmtheit setzt und insofern negiert, dabei nicht verliert, sondern mit sich in Zusammenhang bleibt. Dabei meint Hegels Begriff“ aber ” keinen bestimmten Begriff im u¨ blichen Sinn, sondern die operationale Keimzelle reinen Denkens, die im realen Denken gebrochen implementiert ist. Der Begriff ist daher keine bloße, sondern absolute Form“, die sich nicht auf einen ” fremden Inhalt bezieht, sondern sich im Zuge ihrer Selbstgestaltung erst zu solchem auslegt: Die Form so in ihre Reinheit herausgedacht, enth¨alt es dann in sich selbst, sich zu bestimmen, ” d. i. sich Inhalt zu geben, und zwar denselben in seiner Nothwendigkeit, – als System der Denkbestimmungen“ 34.
F¨ur Hegel, der dabei produktiv an Kants Verst¨andnis der Kategorien als Leistungen der transzendentalen Apperzeption ankn¨upft, stellen die logischen Kategorien damit ausdr¨ucklich Weisen der Selbstentfaltung der absoluten Form reinen Sichbestimmens dar, n¨amlich des Begriffs als absolut mit sich identischer Ne” gativit¨at“. Im Entwicklungsgang der Logik wird diese Form jedoch nicht schon zu Beginn als solche ausdr¨ucklich thematisiert, sondern ist nur pragmatisch in Gestalt des Logikers investiert, w¨ahrend sie als Gegenstand der Theorie erst mit ¨ dem Ubergang zur Begriffslogik ausdr¨ucklich und dadurch als Quellpunkt des Ganzen explizit wird. In unserer Untersuchung stehen argumentative Strenge und Nachvollziehbarkeit der Logik aber gerade in Frage. Daher wird die selbstbez¨ugliche Negation hier nicht erst als Ergebnis des logischen Fortgangs eingef¨uhrt, sondern durch Reflexion auf seine M¨oglichkeit gewonnen, indem gerade gezeigt wurde, dass eine solche u¨ berhaupt nur besteht, wenn die Logik von Anfang an un-
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Vgl. etwa 21,13728−33; 12,3317−27. 12,1281−2. 34 21,4818−21; vgl. Indem die Logik Wissenschaft der absoluten Form ist, so muß diß For” melle, damit es ein Wahres seye, an ihm selbst einen Inhalt haben, welcher seiner Form gem¨aß sey, und um so mehr, da das logische Formelle die reine Form, also das logisch Wahre, die reine Wahrheit selbst seyn muß. Dieses Formelle muß daher in sich viel reicher an Bestimmungen und Inhalt, so wie auch von unendlich gr¨osserer Wirksamkeit auf das Concrete gedacht werden, als es gew¨ohnlich genommen wird“ [12,2717−23]. 33
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
ausdr¨ucklich mit Bestimmungen zu tun hat, die sich formal als Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation fassen lassen35 . Im Unterschied zu seinen seins- und wesenslogischen Vorformen bildet der Begriff als unendliche negative Beziehung auf sich“ 36 die Vollgestalt selbst” bez¨uglicher Negation, insofern diese als Selbstgestaltung ausdr¨ucklich ist, die deshalb als unendlich“ gelten kann, weil ihre Selbstabstoßung nicht zu einem ” ihr Fremden f¨uhrt, sondern sie ausdr¨ucklich in und als Kontinuit¨at ihrer Gestalten besteht. Der subjektive Begriff ist daher, mit Anton Koch zu sprechen, gar ” nichts anderes als die zu sich selbst befreite und mit sich ins Reine gekommene absolute Negativit¨at“ 37. Was Hegel Begriff“ nennt, ist damit nicht irgendet” was Merkw¨urdiges, dem unter anderem auch die Eigenschaft zukommen soll, sich zu bestimmen, sondern meint zun¨achst gar nichts weiter als reine Selbstbestimmung. Solches Sichbestimmen ist insofern selbstanwendend, als es eine T¨atigkeit oder Operation darstellt, die keines von ihr verschiedenen Operandums bedarf, auf das sie erst anzuwenden w¨are, sondern ihr eigenes Operandum bildet und sich dergestalt von sich her in besondere Gestalten u¨ berf¨uhrt. Dass Hegel den Begriff derart als reine selbstanwendende Operationalit¨at versteht, kommt deutlich in seiner Bemerkung zum Ausdruck, daß der Gedanke und ” n¨aher der Begriff die unendliche Form oder die freie, sch¨opferische T¨atigkeit ist, welche nicht eines außerhalb ihrer vorhandenen Stoffs bedarf, um sich zu realisieren“ 38 .
35 Die selbstbez¨ ugliche Negation ist dabei scharf von der bloßen Negation einer Negation zu unterscheiden. Zwar ist die selbstbez¨ugliche Negation als Negation, die eine Negation, n¨amlich sich selbst, negiert, Negation einer Negation. Umgekehrt ist aber nicht jede Negation einer Negation selbstbez¨uglich. Im Normalfall besteht die Negation einer Negation n¨amlich gerade darin, dass eine Negation zweiter Stufe eine solche erster Stufe und diese ein von ihr unterschiedenes Argument negiert, sodass hier gerade keine Selbstbeziehung der Negation vorliegt. Im Gegensatz zur selbstbez¨uglichen Negation ist die Figur einer Negation der Negation“, ” von der Hegel nat¨urlich h¨aufig Gebrauch macht, nichts, was ihm eigent¨umlich w¨are. Zwar sind in seiner Logik gewisse Bestimmungen ausdr¨ucklich als Negationen negativer Bestimmungen ausgezeichnet und haben so die Struktur doppelter Negation. Diese Struktureigenschaft ist aber nur formales Charakteristikum solcher Kategorien und reicht nicht aus, sie spezifisch zu charakterisieren. So sind etwa sowohl das Werden als Negation des Nichts wie die Unendlichkeit als Negation des selbst schon negativ bestimmten Endlichen Negationen von Negationen. Dagegen stellt die selbstbez¨ugliche Negation als Operation, die ihr eigenes Operandum ist, kein formales Merkmal bestimmter, sondern die erzeugende Form aller Kategorien dar, die sich aus ihr als besondere Gestalten ihres Sichbestimmens entwickeln lassen. 36 20,17416−19. 37 K OCH 2003a: 27. 38 TW8,313 Z2.
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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1.3.4 Zweiter Exkurs: Henrich u¨ ber Hegels Grundoperation Obwohl unsere Untersuchung Dieter Henrichs Auffassung der selbstbez¨uglichen Negation in vielem verpflichtet ist, weicht sie zugleich von ihr ab. Entscheidend ist diese Abweichung vor allem durch den Nachweis, dass der selbstbez¨uglichen Negation ein wesentlich gr¨oßeres hermeneutisches und systematisches Potential zukommt, als Henrich annimt. Um die hier vertretene Auffassung mit derjenigen Henrichs in Beziehung zu setzen, soll diese zun¨achst wiedergegeben und anschließend kritisch mit dem zuvor entwickelten Ansatz konfrontiert werden. (1) Henrich zufolge bildet die Logik eine systematische Analyse von Grund” begriffen“ 39 , die mit Hilfe eines formalen Prinzips die Grundordnung wirk” lich gebrauchter Begriffe“ [212] aufzukl¨aren sucht. Nun habe Hegel mit seinen Zeitgenossen die Verpflichtung auf einen Prinzipienmonismus geteilt. Das methodische Prinzip der Logik k¨onne daher keine Operation sein, die auf ein von ihr unabh¨angiges Korrelat angewiesen ist, da in diesem Fall von mindestens zwei Prinzipien, n¨amlich Operation und Korrelat, auszugehen w¨are. Daher m¨usse Hegel von einer Operation ausgehen, die frei vom Bezug auf von ihr unabh¨angige Korrelate und in diesem Sinne autonomisiert“ [214] ist. Da ” eine Operation aber nur ein Resultat haben kann, wenn sie auf ein Korrelat angewandt wird, muss die autonomisierte Operation, welche als Grundoperation dienen soll, ihr eigenes Korrelat und damit eine selbstbez¨ugliche Operation sein. Diejenige autonomisierte, selbstbez¨ugliche Operation, welche Hegel in der Logik als Grundoperation“ diene, sei nun gerade die Negation. ” Hegels Begriff der Negation sei dabei einerseits dem Modell der aussagenlogischen Negation nachgebildet. Mit dieser komme die Hegelsche insofern u¨ berein, als sie erstens auf etwas angewandt wird, zweitens verdoppelt werden kann und diese Verdoppelung drittens ein Resultat hat. Andererseits weiche die Hegelsche Negation dadurch von der aussagenlogischen ab, dass sie sich im strengen Sinne selbst negieren k¨onne, w¨ahrend die aussagenlogische Verdoppelung der Negation nicht deren Selbstbeziehung, sondern die Anwendung ” einer Negation zweiter Stufe auf eine Negation in der ersten“ [216] darstelle40 . 39 H ENRICH 1976b: 213. Auf diesen Text beziehen sich alle weiteren Seitenangaben in diesem Abschnitt. 40 Dennoch bezeichnet Henrich die selbstbez¨ugliche Negation gelegentlich auch als die ” doppelte Negation“ [219, 223]. Dies ist terminologisch ungl¨ucklich, da die selbstbez¨ugliche Negation zwar eine doppelte Negation ist, weil sie die Negation einer Negation ist, jedoch nicht jede doppelte Negation selbstbez¨uglich, wie Henrich an der aussagenlogischen doppelten Negation ja selbst zeigt. Außerdem hat die selbstbez¨ugliche Negation nach Henrich ein Resultat, welches ebenfalls den Charakter selbstbez¨uglicher Negation hat. Wird aber bereits die einfache Selbstbeziehung der Negation als doppelte Negation“ bezeichnet, ist sie terminologisch nicht ” mehr leicht von jener verdoppelten selbstbez¨uglichen Negation zu unterscheiden. Henrich bezeichnet diese deshalb gelegentlich als zweimal verdoppelte Negation“. ”
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
Da die selbstbez¨ugliche Negation auf ein Ergebnis f¨uhrt, ohne auf ein von ihr verschiedenes Korrelat angewandt werden zu m¨ussen, habe Hegel in ihr die Quelle eines immanenten logischen Fortschritts“ [215] sehen k¨onnen. ” Nun hat die Selbstbeziehung der Negation als Anwendung einer Operation auf ein Argument, n¨amlich sich selbst, ein Resultat. Als Ergebnis einer Negationsoperation sei dieses ein von der autonomen Negation verschiedenes Re” sultat“ [218], da es nicht die autonome Negation, sondern deren Negation ist. Allerdings muss dieses Resultat zugleich mit der autonomen Negation identisch sein, da es sich allein aus ihrer Selbstbeziehung und nicht durch Anwendung der Negationsoperation auf ein von ihr verschiedenes Korrelat ergibt41 . Die autonome Negation tritt damit verdoppelt auf, n¨amlich erstens als selbstbez¨ugliche Negation, zweitens als deren Resultat. Da Hegel nun in der Logik vom einfachsten u¨ berhaupt denkbaren Gehalt ausgehen wolle, der offenbar nicht in der selbstbez¨uglichen Negation bestehe, k¨onne er nicht mit dem Gedanken der selbstbez¨uglichen Negation beginnen. Daher seien die seinslogischen Kategorien vielmehr als Vorformen“ [225] der ” selbstbez¨uglichen Negation zu verstehen. Hegel wolle nun einen Beweis f¨ur die selbstbez¨ugliche Negation f¨uhren, indem er von diesen Vorformen zu zeigen suche, dass sie notwendig unvollst¨andig und unbestimmt bleiben, so lange sie ” nicht in den Gedanken der autonomen Negation u¨ bersetzt worden sind“ [225]. Erst der Anfang der Wesenslogik liefere dann eine ausdr¨uckliche Darstellung der selbstbez¨uglichen Negation und sei Hegels beste Darlegung“ [223] dersel” ben. Im Anschluss an die wesenslogische Entfaltung der autonomen Negation werde im restlichen Teil der Logik eine Sequenz von Kategorien analysiert, die als Interpretamente“ [225] der selbstbez¨uglichen Negation aufzufassen seien, ” das heißt als Versuche, die Struktur der zweimal verdoppelten Negation zu be” schreiben“ [224]. Dabei zeige sich immer, dass in der gerade analysierten Kategorie eine wichtige Implikation der autonomen Negation nicht mitgedacht ist“ ” [224]. Ein derartiger Mangel n¨otige jeweils, zu einem weiteren Beschreibungsversuch u¨ berzugehen. W¨ahrend sich jedoch die zweifach verdoppelte Struktur der autonomen Negation aus ihrem Begriff, der Selbstbeziehung der Negation, durch analytische Ableitung ergebe, sei die Folge der Kategorien, welche die autonome Negation beschreiben sollen, auf diesem Weg nicht zu gewinnen. Es lasse sich kein deduktiver Apparat erkennen, der diese Sequenzen sichern ” k¨onnte“ [227]. Henrich geht also gerade nicht davon aus, dass sich die Abfolge logischer Kategorien aus der selbstbez¨uglichen Negation gewinnen lasse. Damit ist aber 41
Vgl. Henrichs Bemerkung: Es ist notwendig, den Zustand, welcher der [autonomen] ” Negation entgegengesetzt ist, mit der Negation zu identifizieren. Die Negation, mit der er zu identifizieren ist, ist die autonome Negation. Also muß das Gegenteil der autonomen Negation selber als doppelte Negation gedacht werden“ [219].
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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zu fragen, weshalb die selbstbez¨ugliche Negation u¨ berhaupt als Grundope” ration“ der Logik bezeichnet wird. Henrichs Darstellung nach bildet sie eher eine Art Grundstruktur“ [215], die, im Ausgang von Vorformen gewonnen, ” den Gegenstand einer Beschreibung durch Kategorien abgibt, welche ebenfalls anderswoher vorgegeben sind. Deren Abfolge ergibt sich in Henrichs Augen weder aus der Grundoperation noch folgt sie einem anderen erkennbaren Prinzip. In Henrichs Augen verf¨ugt Hegel damit u¨ ber kein Prinzip des logischen Fortgangs, den Henrich sich anscheinend nur als analytische oder deduktive Ableitung vorstellen kann. Weiter gelinge es Hegel nicht, einen zirkelfreien Beweis der selbstbez¨uglichen Negation zu f¨uhren. Vielmehr mache die Seinslogik, welche als Versuch eines solchen Beweises zu verstehen sei, bereits ausdr¨ucklich von der selbstbez¨uglichen Negation Gebrauch. Zugleich habe Hegel selbst die ersten Schritte einer analytischen Entfaltung der autonomen Negation nicht ausf¨uhrlicher dargelegt und nicht einmal deren zweifach verdoppelte Struktur hergeleitet. Aus der von Henrich nachgewiesenen Verdoppelung der selbstbez¨uglichen Negation erg¨aben sich zudem Schwierigkeiten, welche Hegel nicht nur nicht benannt habe, sondern denen mit dem Potential einer wei” teren logischen Entwicklung des Gedankens der doppelten Negation allein gar nicht beizukommen w¨are“ [223]. Henrich l¨asst seine Entfaltung der autonomen Negation daher unter Hinweis auf folgende Probleme abbrechen: i) Wenn die selbstbez¨ugliche Negation und ihr Resultat identisch und dieses daher ebenfalls die selbstbez¨ugliche Negation sei, werde fraglich, wie u¨ berhaupt noch ein Unterschied zwischen beiden angenommen werden k¨onne42 . ii) Werde umgekehrt die Differenz zwischen der autonomen Negation und ihrem Resultat festgehalten, sei unklar, inwiefern letzteres noch in wesentlichem Sinn Resultat sein k¨onne und nicht einfach zwei verschiedene autonome Negationen gesetzt seien. iii) Selbst wenn eine Subordination des Resultats unter die autonome Negation nachgewiesen w¨urde, sei zu kl¨aren, inwiefern sich dieses seinerseits selbst negiert. Hierzu deutet Henrich an, die Selbstnegation des Resultats habe darin zu bestehen, dass seine Differenz zur autonomen Negation eliminiert“ ” wird [223]. (2) Bereits in der Motivierung der selbstbez¨uglichen Negation unterscheidet sich der vorliegende Ansatz grunds¨atzlich von dem Henrichs. W¨ahrend dieser die selbstbez¨ugliche Negation n¨amlich aus einer Hegel unterstellten Verpflich42 Vgl. Auch das noch, was als das Andere der Negation beim Verschwinden der auf ” sich bezogenen Negation eintrat, soll selber doppelte Negation sein. Wie l¨asst sich dann der Unterschied zwischen beiden u¨ berhaupt noch behaupten?“ [222].
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
tung auf einen Prinzipienmonismus nachkantischen Philosophierens herleitet, wurde hier gezeigt, dass sie sich der Sache nach aus der Idee eines Denkens, das gerade kein Prinzip voraussetzt, als Bedingung der M¨oglichkeit voraussetzungslosen Fortgangs ergibt, den Henrich f¨ur unm¨oglich h¨alt. In der analytischen Entfaltung der autonomen zur verdoppelten, selbstbez¨uglichen Negation sind wir Henrich weitgehend gefolgt. Seine Darstellung ger¨at jedoch auf Abwege, wenn es darum geht, das Verh¨altnis der selbstbez¨uglichen Negation zu ihrem Resultat genauer zu bestimmen. Dabei handelt sich Henrich Probleme ein, die Ausdruck einer Ungenauigkeit sind, ihm jedoch als sachliche Schwierigkeiten erscheinen, denen durch immanente Entfaltung der selbstbez¨uglichen Negation gar nicht beizukommen sei. Die Ungenauigkeit besteht darin, nicht klar zwischen Unterschied und Verschiedenheit zu unterscheiden, und daher so zu argumentieren, als seien Identit¨at und Unterschied in jeder Hinsicht unvereinbar. Dagegen schließt Identit¨at zwar Verschiedenheit, nicht jedoch Unterschied aus. Denn Identifikation ist u¨ berhaupt nur m¨oglich, wo etwas auf unterschiedliche Weise gesetzt ist. In diesem Sinn setzen Identit¨aten wie 5+7=12“ oder Morgenstern=Abendstern“ gerade einen Un” ” terschied im Gesetztsein der Identifizierten voraus, was an sich nat¨urlich auch Henrich bekannt ist. Nun nimmt er aber an, das Resultat der selbstbez¨uglichen Negation m¨usse mit dieser identisch sein, weil nur so der Selbstbeziehung der Negation zu gen¨ugen sei, und zugleich von ihr verschieden, weil es Negation der selbstbez¨uglichen Negation ist. W¨aren die selbstbez¨ugliche Negation und ihr Resultat aber zugleich identisch und verschieden, stellte dies einen Widerspruch dar, der die selbstbez¨ugliche Negation ad absurdum f¨uhrte43 . Genau betrachtet folgt aus der selbstbez¨uglichen Negation aber nicht die Verschiedenheit, sondern nur der Unterschied ihres Resultats von ihr selbst. Denn da die selbstbez¨ugliche Negation sich selbst in dieses Resultat u¨ berf¨uhrt, kann es an sich nicht unabh¨angig von ihr und damit nicht als Selbst¨andiges von ihr verschieden, sondern lediglich unterschieden sein. Auf diese Weise l¨ost sich Henrichs erstes Problem, wie sich die autonome Negation und ihr Ergebnis u¨ berhaupt unterscheiden k¨onnen. Denn das Resultat der autonomen Negation ist von dieser als ihre Negation zwar unterschieden, nicht aber verschieden, da es eine besondere Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation ist. Damit verschwindet aber zugleich Henrichs zweites Problem. Denn mit der Feststellung des Unterschieds zwischen autonomer Negation und ihrem 43 Henrich scheint den Widerspruch dadurch vermeiden zu wollen, dass er ihn in eine Abfolge umdeutet. So sagt er vom Resultat der autonomen Negation zun¨achst, es sei ein wirklich ” [...] von ihr verschiedenes Resultat“ [218], sp¨ater jedoch: Indem auch dieses Andere doppelte ” Negation ist, wird seine Andersheit, seine Differenz zur autonomen Negation eliminiert“ [223]. Dagegen muss dieses Resultat erstens von vornherein mit der autonomen Negation identisch sein und zweitens ist unklar, was es heißen soll, die Differenz von etwas zu etwas anderem werde eliminiert“. ”
1.3. Die selbstbez¨ugliche Negation
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Resultat handelt man sich nicht etwa zwei gleichwertige autonome Negationen ein, da die Gestalt dem, was sich zu ihr gestaltet, nachgeordnet und insofern unselbst¨andig ist. So l¨asst sich auch Henrichs Frage beantworten, inwiefern das Resultat ebenfalls selbstbez¨ugliche Negation ist, sich zugleich aber von der ersten selbstbez¨uglichen Negation unterscheiden l¨asst. Denn als Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation hat das Resultat an sich selbst den Charakter dessen, wovon es Gestalt ist und weist damit seinerseits u¨ ber sich auf eine Gestalt hinaus, die Negation der ersten ist. Die Selbstnegation des Resultats besteht also nicht in der Elimination seiner Differenz zur selbstbez¨uglichen Negation, wie Henrich annimmt, sondern im immanenten Hinausweisen auf weitere Gestalten selbstbez¨uglicher Negation, das den logischen Fortgang erm¨oglicht. Da Henrich das erste Resultat der selbstbez¨uglichen Negation nicht als besondere Gestalt derselben versteht, welche von sich her auf andere Gestalten f¨uhrt, und die Negation bloß formal als a¨ ußere und nicht material als bestimmte auffasst, kann er die Selbstnegation des Resultats als Eliminierung seiner Differenz zur selbstbez¨uglichen Negation fassen, womit deren Entfaltung zum Abbruch kommt. Indem Henrich also bei der bloß formellen Kennzeichnung des ersten Resultats der selbstbez¨uglichen Negation als Gegenteil der auto” nomen Negation“ stehen bleibt, weil er dieses nicht als besondere Gestalt der autonomen Negation fasst und daher nicht die Frage stellt, wozu die autonome Negation in ihm gestaltet ist, f¨uhrt ihn seine Entfaltung der selbstbez¨uglichen Negation auch nicht auf den seinslogischen Anfang der Logik. In der von Henrich dargestellten Form kann die selbstbez¨ugliche Negation damit in keinem anspruchsvollen Sinn als Grundoperation“ der Logik gelten. ” Denn weder Struktur und Abfolge der logischen Kategorien noch die Weise ih¨ res Ubergehens lassen sich nach Henrich aus ihr entwickeln. Sie ist vielmehr ein bloßes Konstrukt, um das anderswoher vorgegebene Kategorien auf selbst nicht n¨aher bestimmte Weise nach Graden ihrer Nichtentsprechung angeordnet werden sollen. Dagegen l¨asst sich zeigen, dass die selbstbez¨ugliche Negation in einem anspruchsvolleren Sinn Grundoperation der Logik ist, als Henrich annimmt: Erstens k¨onnen Struktur und Abfolge der logischen Kategorien aus der selbstbez¨uglichen Negation hergeleitet werden, wenngleich Hegel selbst in der Logik anders verf¨ahrt, da er die selbstbez¨ugliche Negation zun¨achst nicht ausdr¨ucklich voraussetzt. Sofern negativer Selbstbezug in der Seinslogik bereits ausdr¨ucklich auftritt, handelt es sich nicht um eine korrelatfreie Selbstbeziehung der Negation, sondern um den Selbstbezug von solchem, was neben seiner negativen Selbstbeziehung eine gewisse Eigenbestimmtheit aufweist und insofern fundiert ist. An solchen Stellen wird die korrelatfreie selbstbez¨ugliche
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
Negation daher auch noch nicht unerlaubterweise in Anspruch genommen, wie Henrich vermutet44. Zweitens kann man zwar mit Henrich bezweifeln, dass die Logik in der Gestalt, die Hegel ihr gegeben hat, als zwingender Beweis der selbstbez¨uglichen Negation gelten kann. Insofern das Argument, voraussetzungsloser Fortgang sei an sich nur m¨oglich als Entfaltung selbstbez¨uglicher Negation, jedoch stimmig ist, wird ein wesentlich einfacherer Beweis f¨ur die Unumg¨anglichkeit der selbstbez¨uglichen Negation denkbar. Denn sofern sich die immanente Selbstentfaltung des Denkens auch nur ein St¨uck weit stringent darstellen ließe, bildete dies so zugleich einen indirekten Beweis der selbstbez¨uglichen Negation. Auch hinsichtlich des systematischen Orts ihrer ausdr¨ucklichen Darstellung in der Logik weicht unsere Auffassung der selbstbez¨uglichen Negation von der¨ jenigen Henrichs ab. Die Uberlegung, voraussetztungsloser Fortgang sei sukzessive Explikation seiner eigenen M¨oglichkeit, spricht n¨amlich dagegen, ihren systematischen Ort bereits zu Anfang der Wesenslogik zu suchen, wenngleich der Text zun¨achst eher hierf¨ur zu sprechen scheint45 . So wird zwar die unfundierte selbstbez¨ugliche Negation erstmals zu Beginn der Wesenslogik thematisch46 . Wie sp¨ater ausf¨uhrlich zu zeigen ist, stellt die wesenslogische Gestalt der selbstbez¨uglichen Negation aber nur eine einseitige Form derselben dar. In der Wesenslogik ist n¨amlich noch nicht ausdr¨ucklich, dass die Entfaltung der ¨ selbstbez¨uglichen Negation kein Ubergehen in anderes oder Setzen von anderem, sondern Selbstgestaltung in durchg¨angiger Kontinuit¨at mit ihren Gestalten ist. Der Selbstentfaltungscharakter der selbstbez¨uglichen Negation wird aber erst in Gestalt des Begriffs thematisch und diese damit zugleich als operationaler Inbegriff der Autonomie reinen Denkens durchsichtig47 .
1.4 Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation mit ihren Aspekten 1.4.1 Einfache Superposition An der Negation-ihrer-selbst lassen sich drei Aspekte unterscheiden: Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung48. Denn die selbstbez¨ugliche Nega44 Zum Nachweis, dass die selbstbez¨ugliche Negation in der Seinslogik noch mit Bestimmtheit konfundiert“ und insofern noch nicht die reine, unfundierte selbstbez¨ugliche Ne” gation ist, vgl. KOCH 1999: 16. 45 Vgl. H ENRICH 1978: 228 f. 46 Vgl. 11,24926−29. 47 Vgl. 20,17416−19. 48 Unmittelbarkeit und Vermittlung sind Bestimmungen, deren bestimmter Sinn kontextabh¨angig variiert. Allgemein gesagt, bezeichnet Vermittlung“ Verh¨altnishaftigkeit – sei es, ”
1.4. Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation
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tion ist als selbstanwendende Operation ein Erstes oder Unmittelbares, das der¨ art die Vermittlung oder den Ubergang zu anderem an sich hat, dass dieses mit ¨ jenem identisch und der Ubergang damit Selbstvermittlung ist. Da die Entwicklung der selbstbez¨uglichen Negation ihre Selbstentfaltung ist, k¨onnen die Ressourcen der Gestalten, in denen sie sich setzt, aber nur in ihr selbst liegen. Die ¨ Gestalten, zu denen sie sich auslegt, m¨ussen daher konkrete Uberlagerungen der selbstbez¨uglichen Negation mit Aspekten ihrer selbst sein. Da diese aber gerade Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung sind, sind die Gestal¨ ten der selbstbez¨uglichen Negation als Uberlagerungen der selbstbez¨uglichen Negation mit ihren Aspekten Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung zu denken. ¨ Doch wie ist eine solche konkrete Uberlagerung der selbstbez¨uglichen Negation mit einem Aspekt X aufzufassen? Jedenfalls kann sie, insofern sie mit ¨ X u¨ berlagert ist, nicht einfach als ihre Uberlagerung mit X gesetzt sein. Denn in Gestalt von X muss sie gar nicht ausdr¨ucklich als selbstbez¨ugliche Negation auftreten. Andererseits kann ihr manifester Inhalt aber auch nicht einfach im Charakter X bestehen. Vielmehr muss sich die selbstbez¨ugliche Negation in diesem manifestieren, ohne selbst ausdr¨ucklich thematisch zu sein. Veranschaulichen l¨asst sich dies am Verh¨altnis von Schauspieler und Rolle. Die dramatische Situation beruht n¨amlich darauf, dass der Zuschauer den Schauspieler nicht als Schauspieler erlebt, sondern als den Charakter, den er verk¨orpert49 . Daher kommt der Schauspieler auf der B¨uhne nicht als er selbst, sondern in Gestalt seiner Rolle in Betracht. Andernfalls erblickte der Zuschauer keinen Hamlet, sondern einen Herrn, der sich merkw¨urdig auff¨uhrt. Umgekehrt dass Bestimmungen in einem Verh¨altnis stehen sollen, in ein Verh¨altnis gesetzt werden oder im Ausgang von einer zu einer weiteren, dadurch erstmals gesetzten Bestimmung u¨ bergegangen wird. Unmittelbarkeit“ meint im Gegenzug, dass Bestimmungen (noch) unabh¨angig von der” ¨ artigen Verh¨altnissen auftreten, sei es in Isolation oder als Ausgangspunkt f¨ur Uberg¨ ange zu weiteren Bestimmungen. Mit Selbstvermittlung“ ist schließlich gemeint, dass ein Vermitt” ¨ lungsverh¨altnis als prozessuales Selbstverh¨altnis gesetzt wird. Im Kontext logischer Uberg¨ ange ¨ meint Vermittlung immer den Ubergang zur bestimmten Negation einer Kategorie. Insofern ¨ solche Uberg¨ ange darin gr¨unden, dass sich bereits aufgetretene Bestimmungen nur konsistent fassen und festhalten lassen, indem zu ihrer bestimmten Negation u¨ bergegangen wird, hat ein ¨ solcher Ubergang inferentiellen Charakter und kann, da er sich nicht der Anwendung formeller Schlussregeln verdankt, mit Brandom als materiale Inferenz“ [B RANDOM 2009: 97] gefasst ” werden. Allerdings unterscheiden sich derartige materiale Inferenzen von dem, was Brandom im Anschluss an Sellars darunter versteht. Denn sie artikulieren nicht nur Verh¨altnisse innerhalb eines bestehenden Begriffssystems, wie etwa den Sachverhalt, dass man sich mit der Festlegung auf rot“ zugleich auf farbig“ festlegt. Vielmehr meint Vermittlung innerhalb der WdL ” ” gerade ein urspr¨ungliches Neusetzen von Bestimmungen, das allein die Konsistenz der bereits entwickelten garantieren kann. 49 Nat¨ urlich muss der Zuschauer das Kunstst¨uck vollbringen, den Schauspieler zwar als die Person, die er verk¨orpert, zu erleben, ohne sie f¨ur real zu halten. F¨ur die Analogie, um die es hier geht, ist dies jedoch unwichtig.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
ist eine Rolle aber keine feste Gr¨oße, sondern Funktion des Schauspielers, der sie verk¨orpert. Daher ist es zwar gleichg¨ultig, wer hinter der Rolle steht, nicht aber, wer in ihr steckt, da sie in Abh¨angigkeit davon selbst eine andere wird. Entsprechend kann die selbstbez¨ugliche Negation in ihren Rollen oder Gestalten zun¨achst nicht ausdr¨ucklich thematisch sein, muss sich in ihnen jedoch indirekt manifestieren. Insofern sie ein Hybrid aus Operation und Operandum ist, m¨ussen daher auch Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung als ihre Gestalten diese Eigent¨umlichkeit erben und sich von sich her in ihre Negation u¨ berf¨uhren. Andernfalls w¨aren sie nicht Gestalten selbstbez¨uglicher Negation, sondern eigenst¨andige Bestimmungen. Formell bestehen die drei Hauptgestalten der logischen Grundoperation damit in der selbstbez¨uglichen Negation a) als Unmittelbarkeit, b) als Vermittlung und c) als Selbstvermittlung. Diesen formellen Bestimmungen hat jedoch eine Dreiheit konkreter Bestimmungen zu entsprechen, n¨amlich, wie sp¨ater genauer gezeigt wird, Sein, Wesen und Begriff als Hauptgestalten der Logik. 1.4.2 Mehrfache Superposition Als Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation m¨ussen Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung von sich her auf ihre Negation f¨uhren. Unmittelbar ¨ ist zwischen ihnen aber kein immanenter Ubergang m¨oglich. Denn die Negation von Unmittelbarkeit muss ein zugleich konkreter und an sich negativer Inhalt sein, welcher allein durch Unmittelbarkeit sowie dadurch bestimmt ist, sich von dieser zu unterscheiden. Da er durch keine weiteren Aspekte als durch Unmittelbarkeit bestimmt sein kann und zugleich negativ zu sein hat, muss er selbst eine Form von Unmittelbarkeit sein, n¨amlich negative Unmittelbarkeit oder Nichts. Die Negation der reinen Unmittelbarkeit des Anfangs ist daher nicht Vermittlung, sondern negativ get¨onte Unmittelbarkeit oder Nichts. Dage¨ gen beinhaltet Vermittlung als solche den Ubergang oder Bezug zwischen Unterschiedenem und ist damit verwickelter bestimmt, als es die Negation reiner Unmittelbarkeit sein kann. ¨ Die drei einfachen Uberlagerungsgestalten der selbstbez¨uglichen Negation k¨onnen daher keinen selbsttragenden Kreis bestimmter Negationen bilden, weil die Negation reiner Unmittelbarkeit nicht zu Vermittlung oder Selbstvermittlung, sondern zu Nichts f¨uhrt. Da die Superpositionsformen als Gestalten selbstbez¨uglicher Negation jedoch von sich her aufeinander f¨uhren m¨ussen, muss die Grundoperation noch weitere Gestalten haben; und weil die¨ se Uberlagerungen der selbstbez¨uglichen Negation mit Aspekten ihrer selbst sein m¨ussen, die selbstbez¨ugliche Negation aber bereits einmal in Gestalt all ihrer Aspekte gesetzt wurde, k¨onnen solche Gestalten nur in der mehrfachen ¨ Uberlagerung mit Aspekten ihrer selbst bestehen (Superpositionspostulat). ¨ Auch solche mehrfache Uberlagerung l¨asst sich durch ein Beispiel aus der
1.4. Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation
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Theaterwelt veranschaulichen, n¨amlich der Rolle in der Rolle“. So kann etwa ” ¨ ein Schauspieler einen K¨onig spielen, der einen Bettler spielt. Die Uberlagerung dieser Charaktere ist offensichtlich asymmetrisch. Denn die Rolle eines K¨onigs, der einen Bettler spielt, ist als solche eine andere als die eines Bettlers, der einen K¨onig spielt. Obwohl beide Charaktere sich als solche ausschließen, ist ihre ¨ Uberlagerung deshalb nicht widerspr¨uchlich, weil sie in ihr auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind. ¨ Sofern die Kategorien Uberlagerungsgestalten der selbstbez¨uglichen Negation sind, m¨ussen sich solche Ebenen an ihnen zwar analytisch voneinander abheben lassen. Auftreten k¨onnen die Kategorien jedoch nur als nichtadditive oder konkrete Bestimmungen und nicht als Aggregate. Da die in ihnen u¨ berlagerten Charaktere auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind, ist nicht ¨ nur die Uberlagerung verschiedener Charaktere widerspruchsfrei, sondern um¨ gekehrt die mehrfache Uberlagerung desselben Charakters keineswegs tautologisch, da dieser auf anderer Ebene auch eine andere Bedeutungsnuance hat. ¨ Deshalb unterscheidet sich etwa die Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit ¨ Vermittlung von der Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Unmittelbarkeit mit Vermittlung. Zwar ist in beiden F¨allen ein an sich Unmittelbares, also Bezugloses, zu denken, das auf einer nachgeordneten Ebene vermittelt ist, also in einer Beziehung steht. Im zweiten Fall muss diese nachgeordnete Vermittlung jedoch schw¨acher sein als im ersten. Nun lassen sich folgende Stufen von Vermittlung nach abnehmender Intensit¨at unterscheiden: 1. innere Beziehung 2. Vereinigung an sich Bezugloser 3. ¨ a¨ ußerliche Beziehung an sich Bezugloser. Die Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Vermittlung ist daher als Vereinigung an sich Bezugloser aufzufassen. Die konkrete logische Bestimmung, welche dem entspricht, ist offensichtlich die Quantit¨at im Sinne der Menge. Denn eine Menge ist eine Vereinigung von Elementen, die als solche an sich bezuglos auftreten. Dagegen dr¨uckt die ¨ Uberlagerung zweifacher Unmittelbarkeit mit Vermittlung die a¨ ußerliche Beziehung an sich Bezugloser aus, zu der das Verh¨altnis von Etwas und Anderem zu rechnen ist. ¨ Die Asymmetrie mehrfacher Uberlagerung l¨asst sich am Unterschied ¨ zwischen der Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Vermittlung und der ¨ Uberlagerung von Vermittlung mit Unmittelbarkeit erl¨autern. Wie gerade ge¨ zeigt charakterisiert die Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Vermittlung als nachtr¨agliche Vereinigung an sich Bezugloser formal die Kategorie der Quan¨ tit¨at. Umgekehrt dr¨uckt die Uberlagerung von Vermittlung mit Unmittelbarkeit Vermittlung aus, die sekund¨ar als unmittelbar gesetzt ist und in der Kategorie der Erscheinung ihre konkrete Entsprechung hat. Erscheinung meint n¨amlich abh¨angigen Selbstand, also Unmittelbarkeit, die nicht urspr¨unglich besteht, sondern vermitteltermaßen erreicht wurde. Solche Beispiele legen nahe,
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
dass sich s¨amtliche Kategorien der Logik als Superpositionsgestalten der selbstbez¨uglichen Negation analysieren lassen. Da wortsprachliche Kennzeichnungen solcher Superpositionsformen sperrig sind, soll zur Vereinfachung eine eigene Notation eingef¨uhrt werden. Insofern sie Gestalten des Begriffs bezeichnet, mag sie Begriffsschrift genannt werden. Begriffsschriftlich wird Unmittelbarkeit auf erster Ebene durch , Vermittlung durch und Selbstvermittlung durch bezeichnet. Mehrfache Superposition wird durch Darunterschreiben weiterer Striche ausgedr¨uckt, wobei ein kurzer Strich ( ) f¨ur Unmittelbarkeit, ein mittlerer ( ) f¨ur Vermittlung und ein langer ( ) f¨ur Selbstvermittlung steht. Zu lesen sind die Formeln von oben nach unten. ¨ Das oberste Teilzeichen einer Formel markiert so die erste Uberlagerungsebene, ¨ das darunterliegende die n¨achste usw. Entsprechend ist etwa die Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Vermittlung durch darzustellen, die von Selbstvermittlung mit Unmittelbarkeit und Vermittlung durch . Solche Formeln sind nat¨urlich ebenso wie der entsprechende wortsprach¨ liche Ausdruck einer Uberlagerungsgestalt bloß formelle Kennzeichnungen der jeweiligen Kategorie. Als Gestalt der selbstbez¨uglichen bestimmten Negation kann eine Kategorie n¨amlich nicht in der a¨ ußerlichen Verkn¨upfung selbst¨andiger Bedeutungsbestandteile bestehen, sondern muss einen konkreten Gehalt bilden. Daher kann eine Superpositionsformel verm¨oge ihrer Bestandteile zwar eindeutig einer bestimmten Kategorie und den an ihr analytisch abhebbaren Momenten zugeordnet werden. Die Kategorie selbst markiert aber einen konkreten Gehalt, der aus seinen Momenten nicht a¨ ußerlich zusammengesetzt ist und daher auch nicht im Ausgang von seiner Superpositionsformel additiv aufgebaut werden kann. Die eingef¨uhrte Notation kann daher keine Formalisierung sein, welche den Gehalt logischer Kategorien einfangen sollte, sondern vermag nur Merkzeichen bereitzustellen, um die verwickelte Struktur konkre¨ ter Kategorien abk¨urzend in Erinnerung zu rufen. Da der Ubergang vom additiv aufgebauten Merkzeichen zur konkreten Kategorie an einen sch¨opferischen Denkakt gekn¨upft ist, l¨asst sich f¨ur ihn kein mechanisches Rezept, sondern bloß die Maxime angeben, dass eine Superpositionsformel derjenigen konkreten Bestimmung zugeordnet ist, deren unselbst¨andige Aspekte den Teilen der Superpositionsformel eineindeutig zugeordnet werden k¨onnen. Versteht man unter einer formalen Sprache ein Zeichensystem, in dem sich der Sinn zusammengesetzter Ausdr¨ucke eindeutig aus dem Sinn ihrer Bestandteile und der Art ihrer Verkn¨upfung ergibt (Frege-Prinzip), und werden solche Theorien formalisierbar“ genannt, die in einer formalen Sprache ausdr¨uckbar ” sind, bildet die Logik offenbar keine formalisierbare Theorie, da die logischen Bestimmungen nicht als Verkn¨upfungen selbst¨andiger Bedeutungsbestandteile zu fassen sind und die Superpositionsformeln, die ihnen zugeordnet werden k¨onnen, daher zwar zusammengesetzt sind, ihr Sinn sich jedoch nicht
1.4. Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation
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entsprechend dem Frege-Prinzip ergibt50 . Dies bedeutet jedoch keineswegs, im Zusammenhang mit Dialektik sei von formaler Darstellung grunds¨atzlich kein Gebrauch zu machen und logische Bestimmungen seien nicht formal repr¨asentierbar. Formal repr¨asentierbar“ sollen konkrete Bestimmungen heißen, ” denen auf aufschlussreiche Weise komplexe Ausdr¨ucke zugeordnet werden k¨onnen, deren beabsichtigter Sinn durch den Sinn ihrer Bestandteile und die Art ihrer Verkn¨upfung zwar festgelegt, aber nicht schon gegeben ist. Formal repr¨asentierbar sind logische Bestimmungen deshalb, weil sie keine ungestalten und ungegliederten Bl¨ocke darstellen, sondern gem¨aß dem Aufhebungspos¨ tulat konkrete Einheiten sein m¨ussen, die sich als Uberlagerungen der selbstbez¨uglichen Negation mit Aspekten ihrer selbst zwar nicht additiv aufbauen, aber immerhin analysieren und insofern formal repr¨asentieren lassen. ¨ Dass Kategorien als Uberlagerungsgestalten analysiert werden, bedeutet nicht, sie seien unabh¨angig voneinander zu begreifen und st¨unden nicht von sich her in Verh¨altnissen. Der logische Raum des Denkbaren wird entsprechend durch die Kategorien selbst aufgespannt und ist insofern nicht absolut, sondern relativ. Da die Logik die Kategorien erst entwickelt, k¨onnen sie ihren relationalen Charakter nicht durch Stellung innerhalb eines vorgegebenen inferentiellen Verweisungsgef¨uges haben. Vielmehr wird dieses Gef¨uge im logischen Fort¨ gang erst aufgebaut. Als konkrete Uberlagerungen von Aspekten der selbstbez¨uglichen Negation spannen die Kategorien dabei einen zweidimensionalen logischen Raum auf, der eine horizontale und eine vertikale Achse hat. Dabei ¨ bestimmt die Anzahl der Uberlagerungsebenen die vertikale Stellung einer Kategorie, w¨ahrend sich Kategorien derselben Ebenenzahl gem¨aß Art und Anordnung der u¨ berlagerten Aspekte durch ihre horizontale Stellung unterscheiden. ¨ Im folgenden Diagramm sind die drei ersten Uberlagerungsebenen dargestellt:
Damit lassen sich die Beziehungen von Kategorien in vertikale und horizontale unterscheiden. Im Folgenden werden nur die einfachsten Formen solcher 50 Alle Versuche, Dialektik in eine nach dem Frege-Prinzip gebauten Sprache zu u¨ bersetzen und insofern zu formalisieren, sind daher grunds¨atzlich zum Scheitern verurteilt, insofern sie an der wesentlichen Nicht-Additivit¨at der logischen Kategorien vorbeigehen. Vgl. ¨ in dieser Hinsicht die Versuche von G UNTHER 1966, D UBARLE 1970, P RIEST 1989 und BATENS 1989.
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
Verh¨altnisse angegeben: Erstens verweisen verschiedene Charaktere dersel¨ ben Uberlagerungsebene aufeinander, da Unmittelbarkeit Unmittelbarkeit gegen¨uber einer bestimmten Weise der Vermittlung, Vermittlung die Negation von Unmittelbarkeit und Selbstvermittlung die u¨ bergreifende Einheit von Unmittelbarem und Vermitteltem ist. Entsprechend beziehen sich Kategorien, die sich ¨ voneinander durch ein Uberlagerungsmoment derselben Ebene unterscheiden, aufeinander. So bezieht sich etwa die Grenze als vermittelte Bestimmung negativ auf Etwas und Anderes als unmittelbare Bestimmung derselben Gruppe. Denn sie ist das, was allein durch Etwas und Anderes und dadurch bestimmt ist, weder Etwas noch Anderes zu sein. ¨ Zweitens kann eine Kategorie daher auch dieselben Uberlagerungsmomente haben wie eine andere und sich von dieser bloß durch zus¨atzliche unterscheiden. Damit stellt sie eine besondere Auspr¨agung der Kategorie mit weniger ¨ Uberlagerungsebenen dar, wobei ihre zus¨atzlichen Charaktere spezifische Differenzen bezeichnen. So bilden zum Beispiel sowohl Etwas und Anderes wie die Grenze besondere Formen der Endlichkeit als u¨ bergreifender Kategorie, was unmittelbar einleuchten d¨urfte: Endlichkeit
Etwas & Anderes
Grenze
Unabh¨angig von der hier nicht zu kl¨arenden Frage, ob endlich oder unendlich viele logische Kategorien anzunehmen seien, vermag ein endlicher Geist wie ¨ der menschliche nur eine begrenzte Zahl von Uberlagerungsgestalten konkret zu denken. Realisierbar w¨are die Idee voraussetzungslosen Denkens daher nur, wenn sich eine endliche Zahl von Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation in eine immanente Abfolge bringen ließe. Nun stellt die Darstellung solcher Gestalten im Ausgang von der selbstbez¨uglichen Negation aber keine solche immanente Abfolge dar, und zwar selbst dann nicht, wenn die Kategorien nicht ¨ bloß formell als Uberlagerungsgestalten gekennzeichnet, sondern material bestimmt werden. Wird n¨amlich schon ausdr¨ucklich von der selbstbez¨uglichen Negation ausgegangen, bildet die Auseinanderlegung der Ebenen keinen linearen Fortgang von einer Kategorie zur n¨achsten, sondern die Entfaltung einer hierarchischen Struktur, im Zuge derer von einer Bestimmung auf einer Ebene zu jeweils dreien auf der n¨achsten u¨ berzugehen ist:
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1.4. Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation
Im Zuge des logischen Fortgangs sollte sich das hierarchische Gef¨uge der Kategorien im Ausgang vom voraussetzungslosen Anfang jedoch auch immanent und damit linear entfalten lassen. Einen a¨ ußerlichen Anhalt daf¨ur ergibt ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis der Wissenschaft der Logik“. Dieses ” soll sich einerseits erst dem R¨uckblick auf den voraussetzungslosen Fortgang verdanken und ist zugleich dem hier hierarchisch unter Voraussetzung der selbstbez¨uglichen Negation entfalteten isomorph:
Sein Qualit¨at Quantit¨at
Wesen
Begriff
Maß Reflexion Ersch.
Wirkl. Subjekt. Objekt.
Idee
Entsprechend ist zu untersuchen, ob sich ein immanenter Pfad angeben l¨asst, der die Gestalten der selbstbez¨uglichen Negation als Glieder eines hierarchischen Gef¨uges im Ausgang vom voraussetzungslosen Anfang mit bloßer Unbestimmtheit verkn¨upft. Wie schon angedeutet, geht es dabei nicht darum, zwischen den Gliedern eines bereits bestehenden hierarchischen Gef¨uges imma¨ nente Uberg¨ ange zu finden. Denn im Zuge der immanenten Entfaltung des voraussetzungslosen Anfangs kann dieses Gef¨uge nicht schon gegeben sein, sondern soll erst aufgebaut werden. Daher k¨onnen auch die verschiedenen ¨ Uberlagerungsebenen nicht vorgegeben sein, sondern m¨ussen im Zuge des immanenten Fortgangs erst aufgespannt werden. Da die Kategorien aber nur durch ihre Stelle im Superpositionsgef¨uge bestimmt sind, den logischen Bestimmungen zun¨achst jedoch keine fixe Stelle in einem bestehenden Gef¨uge zugewiesen ist, m¨ussen in ihnen verschiedene Ebenen und Kategorien zun¨achst noch unabgehoben ineins fallen. Damit ist keine Vermengung schon bestehender Unterschiede gemeint, sondern, dass Bestimmungen noch nicht ausdr¨ucklich voneinander abgehoben sind und nur das Potential zu ihrer Unterscheidung vorhanden ist. Klar machen l¨asst sich diese anf¨angliche Unabgehobenheit von ¨ Uberlagerungsebenen an der Unmittelbarkeit des Anfangs. Denn die Bedeutung der Aspekte Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung ist, wie
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
bereits ausgef¨uhrt, Funktion der Ebene, auf der sie jeweils angesiedelt sind, weshalb verschiedenen Arten von Vermittlung verschiedene Formen der Unmittelbarkeit entsprechen. Das reine Denken kann aber nicht mit Unmittelbarkeit gegen¨uber einer bestimmten Form von Vermittlung beginnen, sondern nur mit Unmittelbarkeit schlechthin, welche ausdr¨ucklich noch keiner bestimmten Form von Vermittlung entgegengesetzt und darum auch keiner bestimmten Ebene zugeordnet ist. An sich meint die Unmittelbarkeit des Anfangs daher Unmittelbarkeit gegen¨uber allen m¨oglichen Formen der Vermittlung. Damit ist jedoch noch nicht gekl¨art, wie die Unabgehobenheit verschiedener Ebenen bei anderen Kategorien zu denken ist. Auch hier wird sie jedoch aufs Konto der Unmittelbarkeit gehen. Denn Unmittelbarkeit kann einerseits unausdr¨ucklich oder an sich bestehen, womit gemeint ist, dass eine Bestimmung noch unber¨uhrt von einer bestimmten Weise von Vermitteltheit auftritt, andererseits kann sie als Unmittelbarkeit gesetzt sein und so eine Verh¨altnisbestimmung bilden, welche das Nichtbestehen von Vermittlung ausdr¨ucklich von dieser abgrenzt. Der Unterschied beider Formen von Unmittelbarkeit l¨asst sich etwa an l¨andlicher Stille veranschaulichen, sofern sie einerseits dem Landmenschen nicht als solche auff¨allt, weil sie den selbstverst¨andlichen Hintergrund seines Lebens bildet, dem St¨adter dagegen andererseits in ihrem Unterschied zum gewohnten L¨armpegel als solche bemerkbar wird. In Gestalt unausdr¨ucklicher Unmittelbarkeit fallen nun aber zwei unterscheidbare Ebenen noch unabgehoben ineins. Denn eine an sich unmittelbare Kategorie (X) ist zwar einerseits nicht wie X als unmittelbar gesetzt, zugleich aber keine unmittelbare und vermittelte Auspr¨agungen abstrakt u¨ bergreifende Bestimmung X, sondern X und X fallen in ihr noch unabgehoben ineins. So bildet die Stille f¨ur unseren idealisierten Landmenschen noch keinen besonderen Hintergrundpegel, weil ihm noch nicht aufgefallen ist, dass es verschiedene Pegelauspr¨agungen geben kann, sondern zwischen Pegel und Auspr¨agung wird er erst angesichts der “ersch¨utternden“ Erfahrung st¨adtischen L¨arms unterscheiden. ¨ Da der immanente logische Fortgang Entfaltung verschiedener Uberlagerungsebenen sein muss, die zun¨achst unabgehoben sind, l¨asst er sich als Desambiguierung verstehen. Diese ist m¨oglich, indem sich durch den ¨ immanenten Ubergang einer unausdr¨ucklich unmittelbaren Bestimmung zu ihrer bestimmten Negation r¨uckwirkend die Ambiguit¨at der Ausgangsbestim¨ mung aufl¨ost. Denn mit dem Ubergang zur vermittelten Bestimmung kann die Unmittelbarkeit von jener gegen¨uber dieser als solche gesetzt werden. ¨ Mit diesem Ubergang zur vermittelten Bestimmung ver¨andert sich also r¨uckwirkend der Unmittelbarkeitscharakter der Ausgangsbestimmung (X). Dabei wird diese aber nicht nur als unmittelbar gesetzt, sondern zugleich von X als u¨ bergreifender Bestimmung abgesetzt, die X und X zu ihren
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1.4. Kategorien als Superpositionen der selbstbez¨uglichen Negation
besonderen Auspr¨agungen hat. Auf diese Weise ergibt sich r¨uckwirkend durch Desambiguierung eine Unterscheidung von Kategorien zweier Ebenen, die zun¨achst unabgehoben ineins fielen: X X X
(X)
X
oder vereinfacht:
X X
¨ Doch widerspricht es nicht dem Linearit¨atspostulat, dass durch einen Ubergang ein Unterschied mehrerer Kategorien etabliert werden soll? Ein Widerspruch best¨unde nur, sofern eine Kategorie nicht genau eine, sondern mehrere Negationen h¨atte. Die Bestimmung, von der ausgegangen wird, hat aber genau eine ¨ Negation zum Nachfolger, nur dass beim Ubergang zu diesem nachtr¨aglich ei¨ ne Bestimmung niedrigerer Uberlagerungsstufe abhebbar wird, welche die nun als solche gesetzte Position und ihre Negation als Oberbegriff u¨ bergreift. Auf diese Weise kann durch linearen Fortgang ein hierarchisches Kategoriegef¨uge aufgebaut werden. Voraussetzungsloser Fortgang und voraussetzungshafte Entfaltung des Kategoriengef¨uges aus der selbstbez¨uglichen Negation sind nun nicht gegeneinander auszuspielen, sondern erg¨anzen einander. Denn im Ausgang von der selbstbez¨uglichen Negation ist es m¨oglich, hierarchische Verh¨altnisse systematisch als solche zu thematisieren, w¨ahrend der immanente Fortgang sie nur r¨uckwirkend erzeugt. Daher kann aus dem Blickwinkel des reinen Denkens allein nicht klar werden, wie sich in dessen linearem Fortgang das nichtlineare Kategoriengef¨uge aufbaut, dessen Architektonik Hegel im Inhaltsverzeichnis der Logik und den Einteilungen darstellt, die er ihren Kapiteln voranstellt. Von der Warte des reinen Denkens lassen sich etwa Sein, Wesen und Begriff gar nicht als u¨ bergreifende Bestimmungen thematisieren. Wie die Einteilung der Logik in Seins-, Wesens- und Begriffslogik zeigt, sollen diese Bestimmungen aber nicht nur einzelne Kategorien innerhalb der Abfolge der Denkbestimmungen bilden, sondern zugleich Gruppen von Kategorien charakterisieren. Grob gesagt, leistet die objektive Logik Aufbau und Aufhebung von Kategorien unkritischer – weil Bestimmtheit einseitig vergegenst¨andlichender – Ontologie: Sie entwickelt ein Gef¨uge begrifflicher Gehalte, dem gem¨aß Bestimmtheit unabh¨angig von einer Artikulation durch Begriffe, Urteile und Schl¨usse vorhanden und fixierbar erscheint. Dabei entfaltet und destruiert die Seinslogik als Logik der Bestimmtheit oder Unmittelbarkeit eine Auffassung des logischen Raumes, wonach dessen Elemente ihre Bestimmtheit auch unabh¨angig von ihren Verh¨altnissen zu anderem zu haben scheinen, die seinslogisch damit nur
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1. Kapitel: Die selbstbez¨ugliche Negation
als a¨ ußerliche Verh¨altnisse ins Spiel kommen. Die Wesenslogik entwickelt als Logik des Bestimmens oder Vermittelns dagegen Kategorien, die deutlich machen, dass alles Bestimmte seinen (insofern bedingten) Selbstand und seine Bestimmtheit nur verm¨oge einer Erzeugung durch und einer Beziehung zu anderem hat. Dabei erscheinen solche Verh¨altnisse in ihr aber selbst noch vergegenst¨andlicht, n¨amlich unabh¨angig von ihrer Artikulierbarkeit in Urteilen und ¨ Schl¨ussen. Mit dem Ubergang zur subjektiven Logik wird dagegen deutlich werden, dass diskrete Bestimmtheit nur im Zusammenhang mit ihrer Artikulation in Begriffen, Urteilen und Schl¨ussen m¨oglich ist, die ihrereseits nur als Gehalte von normorientierten Selbstbestimmungsvollz¨ugen seitens leibhaftig in einem organisierten Kontinuum verankerten Subjekten m¨oglich sind. Die Frage, warum die Logik gerade so und nicht anders eingeteilt ist, und was etwa seinslogische Bestimmungen zu seinslogischen und wesenslogische zu wesenslogischen macht, scheint aus dem Blickwinkel immanenten Fortgangs selbst aber nicht begr¨undet beantwortbar. Wenn Hegel angibt, archi¨ tektonische Ubersichten und Einteilungen verdankten sich der nachtr¨aglichen R¨uckschau auf diesen Fortgang, betont er selbst die Notwendigkeit, bei der Betrachtung der Architektonik des reinen Denkens dessen Warte zu verlassen. Unklar bleibt an Hegels Auskunft jedoch, weshalb sich bestimmte Glieder einer linearen Abfolge bestimmter Negationen auch nur im R¨uckblick als u¨ bergreifende Bestimmungen ganzer Kategoriegruppen erweisen sollten. Im Ausgang von der selbstbez¨uglichen Negation kann diese Frage dagegen angegangen werden und hat sich nicht einer selbst unausgewiesen bleibenden R¨uckschau auf den logischen Fortgang zu verdanken. Dessen immanenter Rekonstruktion wenden wir uns nun zu.
Kapitel 2
Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik) 2.1 Logik der Bestimmtheit (Sein) 2.1.1 Unmittelbare Bestimmtheit (Qualit¨at) Da die Logik nichts voraussetzen darf, muss sie mit bloßer Unbestimmtheit beginnen. Reines Denken kann seinen Anfang daher nur bei einem weder in sich noch gegen¨uber anderem Unterschiedenen nehmen, da es sonst nicht alternativlos und insofern voraussetzungshaft w¨are. Die Logik beginnt daher auch nicht mit einem Ununterschiedenen, sondern mit Ununterschiedenheit schlechthin: Reiner Unbestimmtheit oder Unmittelbarkeit. Derartige unterschiedliche Kennzeichnungen, die den Anfang durch den Gegensatz zu Bestimmtheit oder Vermittlung charakterisieren, sind austauschbar und sollen in den Anfang selbst noch keinen Gegensatz oder Vermittlung eintragen. Da unser unreines Denken aber unweigerlich in Bestimmtheit und Vermittlung verwickelt und daher nicht unmittelbar das reine Denken ist, um dessen Darstellung es in der Logik geht, k¨onnen wir den einfachsten denkbaren Inhalt nicht direkt, sondern nur u¨ ber das Durchstreichen aller inferentiellen Bez¨uge fassen. Das an sich Gegensatz- und Bezuglose l¨asst sich somit nur denken, indem ausdr¨ucklich gemacht wird, dass es als allen inferentiellen Bez¨ugen entnommener Gehalt das Unmittelbare und Bestimmungslose noch außerhalb des Gegensatzes zu Vermittlung und Bestimmtheit sein soll, da es sonst bereits selbst ein Vermitteltes und Bestimmtes w¨are. Entsprechend f¨uhrt Hegel aus: Wir haben, wenn angefangen wird zu denken, nichts als den Gedanken in seiner reinen Bestim” mungslosigkeit, denn zur Bestimmung geh¨ort schon Eines und ein Anderes; im Anfang aber haben wir noch kein Anderes. Das Bestimmungslose, wie wir es hier haben, ist das Unmittelbare, nicht die vermittelte Bestimmungslosigkeit, nicht die Aufhebung aller Bestimmtheit, sondern die Unmittelbarkeit der Bestimmungslosigkeit, die Bestimmungslosigkeit vor aller Bestimmtheit, das Bestimmungslose als Allererstes. Dieses aber nennen wir Sein“ 1 .
1
TW8,184 Z1; vgl. V11,7358−63.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Die beziehungslose Unbestimmtheit des Anfangs wird von Hegel damit ausdr¨ucklich dadurch eingef¨uhrt, dass der f¨ur unser reflektierendes, also unterscheidendes Denken mit Unbestimmtheit verbundene Gegensatz zur Bestimmtheit gestrichen und Bestimmungslosigkeit außer dem Gegensatz zur Bestimmtheit gedacht wird. Zur entsprechenden Denkfigur geh¨ort damit eine Verkettung zweier reflektierender Ausdr¨ucke, von denen der eine den unterscheidenden Charakter des anderen tilgt und so einen allen unterscheidenden Bez¨ugen entnommenen Gehalt anzeigt2 . Zwar ist diese ausdr¨uckliche Tilgung unterscheidender Bez¨uge selbst wiederum unterscheidendes Beziehen auf h¨oherer Ebene, weil sie einen Unterschied zwischen Bestimmungslosem, welches im Gegensatz zu Bestimmtheit steht, und Bestimmungslosem außer solcher Entgegensetzung aufmacht. Dies ist aber darum unproblematisch, weil unser unterscheidendes Denken das an ihm selbst Unterschiedslose nicht unmittelbar dadurch zu denken vermag, dass es sich ihm anverwandelt, wohl aber dadurch, dass es seine Vollzugsform beziehenden Unterscheidens von der bezuglosen Unbestimmtheit des zu denkenden Gehalts unterscheidet. So gelingt es offenbar ohne Schwierigkeit, durch reflektierte Tilgung von Vermittlung, ein an ihm selbst Vermittlungsloses zu denken, insofern das die Vermittlung tilgende Denken die Tilgung sich und nicht etwa dem zu Denkenden zurechnet. Dass unser notwendig in Vermittlungen befangenes Denken das Vermittlungslose nicht dadurch zu fassen vermag, dass es selbst vermittlungslos wird, jedoch dadurch, dass es reflektiert und damit seinerseits vermittelt Vermittlung durchstreicht, ist kein Verfahren, das sich einzig zu Beginn der Hegelschen Logik aufn¨otigt und dessen Gangbarkeit insofern problematisiert werden k¨onnte. Vielmehr beruht jeder Denkakt, der Naivit¨at oder Unreflektiertheit zu denken unternimmt, auf dieser Figur reflektierter Tilgung von Unterscheidungen. Denn naiv ist, wer sich bestimmter Unterscheidungen nicht bewusst ist. Denken l¨asst sich Naivit¨at aber nicht dadurch, dass das Denken selbst naiv wird, sondern indem es reflektiert, und das heißt im weiteren Besitz der betreffenden Unterscheidungen, solches denkt, f¨ur das die betreffenden Unterscheidungen selbst nicht sind. So betrachtet besteht das Eigent¨umliche des logischen Anfangs nur darin, nicht bloß relative Naivit¨at in Bezug auf bestimmte Unterscheidungen, sondern absolute Naivit¨at, n¨amlich das vollkommen Unterscheidungs- und Bestimmungslose zu denken. Dieses bezeichnet Hegel mit dem Ausdruck Sein“. Als morphologisch ein” faches Wort bezeichnet Sein“ den Anfang mit Blick auf die Warte des rei” nen Denkens an sich angemessener als doppelt negierte Ausdr¨ucke wie unbe” stimmte Unmittelbarkeit“. Dass die Logik mit dem Sein beginnt, bedeutet aber weder, der Ausdruck Sein“ werde hier u¨ ber den Gedanken unterschiedsloser ” 2
Vgl. H ENRICH 1964: 29 und H OULGATE 2006a: 81.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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Unbestimmtheit hinaus in einer vermeintlich eindeutigen Bedeutung vorausgesetzt. Der logische Anfang beansprucht keinen Aufschluss u¨ ber einen vermeintlichen Bedeutungskern des Ausdrucks Sein“ 3 , sondern ist durchaus als Fest” setzung zu verstehen, insofern er seine anf¨angliche Bedeutungszuweisung nur dadurch erf¨ahrt, dass er f¨ur unterschiedslose Unbestimmtheit einstehen soll4. Die Festsetzung, die unbestimmte Unmittelbarkeit des Anfangs Sein“ zu ” nennen, ist aber dennoch nicht einfach willk¨urlich, insofern unbestimmte Unmittelbarkeit sozusagen den gemeinsamen Minimalsinn von existenziellem und veritativem Sein bildet. Denn Sein“ meint in seiner existenziellen Bedeutung ” das selbst unbestimmte Dass von etwas und in seiner veritativen das unbestimmte Dass von Tats¨achlichem, oder, pr¨adikativ gewendet, das Dass von etwas als etwas. Im Umfeld des logischen Anfangs geht es aber noch nicht um das relative Sein oder Dass von etwas oder Tats¨achlichem, sondern um das allen Sachen und Tatsachen vorhergehende Dass im Sinn reiner Unbestimmtheit5. Dass das Sein anf¨anglich nichts weiter als die bloße Unbestimmtheit des reinen Dass noch vor allem Etwas meint und im Rahmen voraussetzungslosen Denkens nichts anderes meinen kann, bedeutet umgekehrt, dass man das Sein nicht verfr¨uht mit einem der bekannten Seinssinne gleichsetzen darf. Das Sein meint im logischen Anfang daher auch noch nicht existenzielles oder veritatives Sein u¨ berhaupt6 . Denn selbst die Form existenziellen oder veritativen Seins ist als solche schon in sich artikuliert und wesentlich voraussetzungsreicher als die bloße Unbestimmtheit des Anfangs. Denn existenzielles Sein setzt als Dass von etwas Bestimmtem den Unterschied von unbestimmtem Sein und bestimmtem Seiendem voraus, veritatives Sein als Der-Fall-Sein das Dass eines in sich ge3
Der Satz Sein ist das unbestimmte Unmittelbare“ ist daher weder eine Worterkl¨arung ” noch eine Wesensbestimmung. W¨are mit dem Sein n¨amlich ein vorgestelltes Substrat gemeint, dessen Verfasstheit zu bestimmen w¨are, k¨onnte man sich u¨ ber die Angemessenheit dieser Bestimmung streiten. Sein“ meint aber kein solches Substrat, sondern ist bloß Ausdruck des ” voraussetzungslosen Anfangs mit bloßer Unbestimmtheit: Die eigentliche Gefahr liegt f¨ur den ” Interpreten immer darin, zuviel hinter dem Begriff des Seins zu suchen“ [W IELAND 1973: 194]. 4 Vgl. TW8,184 Z1. 5 Nennt man mit Heidegger ein Denken metaphysisch“, das Sein nur vom Seienden ” her denkt, so ist Hegels Denken kein metaphysisches, obwohl Heidegger dies behaupten mag [vgl. etwa H EIDEGGER 1993: 20]. Denn Hegel f¨uhrt Sein nicht als allgemeinste und leerste Bestimmung des Seienden ein, sondern als reines Dass noch vor und unabh¨angig von allem seienden Etwas. Er springt von ihm aus auch nicht zu Seiendem, sodass Sein doch nur als dessen leerste Bestimmung genommen w¨are, sondern betrachtet allein die Selbstbestimmung des Seins selbst. 6 Als Inbegriff veritativen Seins versteht den logischen Anfang etwa Wandschneider: Am Anfang darf noch nichts Bestimmtes vorausgesetzt werden, nichts außer der Bedingung ” der M¨oglichkeit von Bestimmen, und das ist die Form der Pr¨adikation im Sinne von der Fall ’ sein‘“ [WANDSCHNEIDER 1997: 119]. Entsprechend argumentieren WOLFF 1986c: 110 und KOCH 2000a: 143.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
gliederten Sachverhalts oder, pr¨adikativ gewendet, die M¨oglichkeit angemessenen Beurteilens von etwas als etwas. Existenzielles Sein schließt daher mindestens daseinslogische Unterscheidungen (und n¨aher wom¨oglich das Instanziiertsein von Begriffen) ein, veritatives wesens- und begriffslogische. Beide k¨onnen am logischen Anfang noch nicht vorausgesetzt werden, sondern werden sich erst im Zuge seiner Entfaltung ergeben. 2.1.1.1 Die Zweideutigkeit von Unbestimmtheit (Sein-Nichts) Mit der Kategorie des Seins als reiner Unbestimmtheit scheint das Unternehmen voraussetzungslosen Denkens nun aber auch schon an sein Ende gelangt, bevor seine Entfaltung u¨ berhaupt beginnen kann. Denn es ist kaum einzusehen, wie sich aus bloßer Unbestimmtheit irgendetwas ergeben sollte. Dieser Inhalt scheint viel zu arm und leer, als dass sich in ihm der Grund eines Fortgangs finden ließe. Außer ihm darf ein solcher Grund aber erst recht nicht gesucht werden, weil er sonst bloß eine a¨ ußere Voraussetzung bildete. Daher bleibt nur festzustellen, dass sich aus der bloßen Unbestimmtheit des Seins nichts ergibt, womit das Projekt voraussetzungslos Denkens gescheitert scheint. Genau besehen liegt in diesem Scheitern jedoch der Erfolg. Denn mit der Einsicht, dass sich aus der Unbestimmtheit des Seins nichts ergibt, sind wir nicht mehr beim Sein, sondern beim Nichts als von ihm Unterschiedenem angelangt7 . ¨ Dieser Ubergang davon, dass sich aus dem Sein nichts ergibt, zum Nichts, das sich aus dem Sein ergeben soll, l¨asst sich jedoch im Anschluss an Carnap mit pr¨adikatenlogischen Mitteln dahingehend kritisieren, dass er auf einer unzul¨assigen Substantivierung des Ausdrucks nichts“ beruht8 . Daraus, dass es ” nichts gibt, was aus dem Sein folgt, wird unter der Hand ein Nichts, das aus dem Sein folgen soll. Dieser Einwand ber¨ucksichtigt jedoch nicht, dass eine negierte Existenzaussage die Existenz von etwas so und so Bestimmtem negiert. Zu Beginn voraussetzungslosen Denkens w¨are es aber eine unzul¨assige Vorausset7 Slavoj Ziˇ ˇ zek macht entsprechend nicht zu Unrecht auf folgende Eigenart Hegelscher Dialektik aufmerksam: Ist nicht eine Art Sprung vom Noch-nicht zum Immer-schon konstitu” tiv f¨ur die Hegelsche Dialektik: Wir bem¨uhen uns, das Ziel zu erreichen, um pl¨otzlich nachzuweisen, dass wir schon da waren“ [Zˇ I Zˇ EK 1992: 140]. Ein wesentliches Element von Dialektik ist daher nicht, weiterzukommen, indem man sich etwas Neues ausdenkt, sondern indem man ausdr¨ucklich macht, wo man schon ist. Dialektisches Fortschreiten vollzieht sich damit wesentlich aus einer Besinnung darauf, wo man bereits steht. Entsprechend kann Hegel sagen: Das ” systematische Fortschreiten im Philosophieren besteht eigentlich in nichts als darin, zu wissen, was man selbst schon gesagt hat“ [TW4,434f.]. Dialektik ist damit kein beliebiges Erfinden von Neuem, sondern Richtigstellung und besteht als solche darin, dass das Denken die entstellte Auffassung des Ortes, an dem es sich befindet, korrigiert, indem es ausdr¨ucklich erfasst, wo es schon ist. Insofern ist Dialektik wesentlich Vollzugsform eines Geistes, der aus urspr¨unglicher Selbstentfremdung erst zu sich kommen muss. 8 Vgl. C ARNAP 1932: 233.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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zung zu erwarten, aus dem Sein m¨usse etwas Bestimmtes folgen. Deshalb ist das Negative, das sich aus entt¨auschter Erwartung ergibt, auch nicht die Negation von etwas Bestimmtem, die in einem negierten Existenzurteil ausgedr¨uckt werden kann, sondern negative Unbestimmtheit schlechthin, n¨amlich Nichts. Als Nachfolger der reinen Unbestimmtheit des Seins hat sich so das Nichts als vom Sein unterschiedener Gehalt ergeben. Andererseits markiert das Nichts aber selbst nichts anderes als reine Unbestimmtheit. Damit hat sich erwiesen, dass die Unbestimmtheit, mit der die Logik beginnt, selbst gar nichts Eindeutiges, sondern wesentlich zweideutig ist. Die M¨oglichkeit immanenter Entfaltung voraussetzungslosen Denkens er¨offnet sich somit deshalb, weil der voraussetzungslose Anfang, mit dem es beginnt, selbst kein eindeutiger, sondern ein an ihm selbst wesentlich zweideutiger Gehalt ist. Der Skandal der Ianusk¨opfigkeit dieses Gehalts besteht darin, dass die beiden Gesichter der Unbestimmtheit zugleich verschieden und ununterschieden sind. Denn sowohl das Sein als reines Dass wie das Nichts als reine Leere markieren nichts weiter als reine Unbestimmtheit, sind zugleich aber verschieden9 . ¨ Gegen den ausgef¨uhrten Ubergang vom Sein zum Nichts, durch den sich die Polarit¨at des logischen Anfangs erweisen soll, hat freilich schon Schelling einen wichtigen Einwand erhoben. Dass sich aus der Unbestimmtheit des Seins das Nichts ergebe, beruhe allein auf der Entt¨auschung der Erwartung eines Fortschritts. Diese Erwartung sei aber selbst nur eine Reflexion, die der reinen Unbestimmtheit des Anfangs a¨ ußerlich sei. Daher habe der Fortgang seinen Grund nur darin, daß der Gedanke an ein konkreteres, inhaltsvolleres Sein schon gew¨ohnt ist, also ” mit jener mageren Kost des reinen Seins, in dem nur u¨ berhaupt ein Inhalt, aber kein bestimmter gedacht wird, sich nicht zufrieden geben kann“ 10. Nachdem ich das reine Sein gesetzt, suche ” ich etwas in ihm und finde nichts. [...] Nicht also etwa das Sein selbst findet sich, sondern ich 11 finde es als das Nichts“ .
¨ Die Feststellung, dass sich der Ubergang vom Sein zum Nichts in der dargestellten Form einer entt¨auschten Erwartung und damit voraussetzender Reflexion verdankt, stellt jedoch keinen Einwand gegen die M¨oglichkeit immanenten 9
Sein und Nichts lassen sich reflektierend auch als absoluter Ein- beziehungsweise Ausschluss fassen, also nicht als relativer Ein- oder Ausschluss von etwas, sondern als bezugloser Ein- und Ausschluss schlechthin. Nun kann das reine Dass als absoluter Einschluss nicht bloß diese oder jene Bestimmung einschließen, weil es andere sonst ausschl¨osse, noch kann es als Einschluss aller m¨oglichen Bestimmungen gesetzt sein, sofern diese sich untereinander ausschließen und von ihm daher nur in verschiedener Hinsicht eingeschlossen werden k¨onnten, weil sie dann in jeweils anderen Hinsichten doch ausgeschlossen w¨aren. Daher kann reiner Einschluss keine Bestimmtheit haben und markiert ebenso wie der reine Ausschluss – Nichts – unterschiedslose Unbestimmtheit. 10 S CHELLING 1827: 115. 11 S CHELLING 1827: 117. Trendelenburg argumentiert entsprechend, der Fortgang vom Sein sei nur m¨oglich auf Grund einer stillschweigend hineingeschmuggelten Anschauung von Konkretem, vgl. T RENDELENBURG 1840: 45.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Fortgangs vom Sein zum Nichts dar. Denn zwar vollzieht sich die Entdeckung dieses Fortgangs vom Standpunkt unseres reflektierenden Denkens, der vom reinen Denken verschieden ist, in der Tat als Entt¨auschung einer Erwartung, die u¨ ber den Anfang mit dem Sein schon unbestimmt hinausgreift. Diese Entdeckung zeigt jedoch, dass Unbestimmtheit an ihr selbst zweideutig und damit ein Inhalt ist, der sozusagen ein positives und ein negatives Gesicht hat. Die ¨ Außerlichkeit der Entdeckung, dass reine Unbestimmtheit an ihr selbst polar ¨ ist, tut damit der Immanenz des Ubergangs vom Sein zum Nichts keinen Ab¨ bruch. Vielmehr l¨asst sich nun ein Grund f¨ur den Ubergang des Seins ins Nichts angeben, der selbst in keiner Weise auf a¨ ußerliches Vorausgreifen des Denkens angewiesen ist: Reine Unbestimmtheit kann als solche n¨amlich gerade nichts Feststehendes und Festhaltbares sein, sondern muss es an sich haben, ihren eigenen, eindeutigen Charakter gleichsam zu verwischen, soll sie ihrer eigenen Natur gen¨ugen. Anders gesagt markiert reine Unbestimmtheit gerade keinen fixierbaren und eindeutigen, sondern umgekehrt einen sich notwendig verfl¨uchtigenden und zweideutigen Gehalt12 . Damit gr¨undet der Umschlag des Seins ins Nichts allein im Gehalt des Unbestimmten selbst13 . Denn das schlechthin Unbestimmte ist offenbar solches, was sich an sich jeder Feststellung entzieht und daher uneindeutig ist. Es muss daher wesentlich polar sein und gleichsam mehrere Gesichter haben, die deshalb ineinander umzuschlagen haben, weil sich das Unbestimmte auch nicht als Mehrzahl von Gestalten feststellen lassen kann, sondern gerade in der Nicht-Fixierbarkeit seiner Gestalten bestehen muss. Daher muss es wesentlich selbstaufl¨osend sein, und zwar derart, dass das, wohinein es sich aufl¨ost, selbst wieder eine Gestalt des Unbestimmten ist, die von der ersten deshalb nicht fix unterscheidbar sein kann, weil diese selbst nichts als reine Unbestimmtheit ist. Das Unbestimmte schlechthin ist daher solches, was in unterschiedenen Gestalten auftritt, die aber deshalb nicht fixierbar sind, weil jede nichts weiter als Unbestimmtheit ist. Reine Unbestimmtheit besteht so wesentlich im unzeitlichen Sich-Verfl¨uchtigen und Wiederauftauchen ihrer zugleich verschiedenen und ununterscheidbaren Gesichter. 12
Hegel dr¨uckt dies so aus: Weil das Seyn das Bestimmungslose ist, ist es nicht die ” (affirmative) Bestimmtheit, die es ist, nicht Seyn, sondern Nichts“ [21,867−9]. Houlgate scheint der einzige Interpret zu sein, der diesen im Sein selbst liegenden Grund f¨ur seinen Umschlag ins Nichts u¨ berzeugend darstellt: Being vanishes into nothing, because it is so indeterminate ” in itself that logically it is not even the pure being that it is and so is in fact the absence of being. Pure being vanishes, in other words, not because it fails to meet our standard of intelligibility or because it is experienced by us as nothing, but because its own utter indeterminacy prevents it logically from even being pure and simple being“ [H OULGATE 2006a: 277]. 13 Außerlich ¨ w¨are dagegen die Behauptung, an die Stelle des Seins m¨usse deswegen das Nichts als seine Negation treten, weil der Gedanke der Unbestimmtheit selbst schon eine Be¨ stimmung sei, vgl. H OSLE 1988: 199.
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Nach dem dargestellten Argument weist sich die reine Unbestimmtheit des Seins an ihr selbst als das Nicht-Feststellbare aus. Das Sein ist daher an ihm selbst sein Sich-Entstellen in Nichts und dieses umgekehrt Selbstentstellung ins Sein. Der Umschlag von Sein in Nichts besteht daher nicht darin, dass zun¨achst das Sein gedacht w¨urde und dieses nach dem Fehlschlag des Versuchs, es zu bestimmen, mit dem Nichts gleichgesetzt w¨urde14 . Setzten bloß wir das Sein mit dem Nichts gleich, gingen wir nur a¨ ußerlich von einer Bestimmung zu einer vorausgesetzten anderen u¨ ber. Der Umschlag w¨are daher keiner des Seins in Nichts, sondern nur unsere Gleichsetzung von Sein und Nichts. Dagegen markiert das Sein aber solches, was aufgrund der Unbestimmtheit, in der es besteht, selbst nicht bleiben kann, was es ist, sondern sich von sich her zu Nichte macht15 . Das schlechthin Unbestimmte ist daher wesentlich als Oszillation unterschiedener, aber nicht als unterschieden festhaltbarer Gesichter zu denken. Die Notwendigkeit solchen Umschlagens zwischen seinen Aspekten l¨asst sich auch daraus begr¨unden, dass diese Aspekte ohne jeden ausdr¨ucklichen Bezug aufeinander zu denken sind und den logischen Raum damit jeweils f¨ur sich allein beanspruchen. Die Polarit¨at der reinen Unbestimmtheit kann sich daher f¨ur das reine Denken nicht darin zeigen, dass ihre Pole nebeneinander oder ineins gesetzt w¨aren. Sie m¨ussen den logischen Raum vielmehr nacheinander einnehmen und insofern als umschlagend gedacht werden. Unbestimmtheit ist daher die absolute Unruhe ihrer Aspekte. Deren Umschlagen kann aber deshalb nur zeitlos sein, weil jede noch so kurze zeitliche Fixierung des einen schon bedeutete, dass er f¨ur sich als Bestimmtes festhaltbar w¨are. Die Zeitlosigkeit des Umschlags bringt Hegel durch Gebrauch des Perfekts zum Ausdruck: Was ” die Wahrheit ist, ist weder das Seyn, noch das Nichts, sondern daß das Seyn in Nichts, und das Nichts in Seyn, – nicht u¨ bergeht, – sondern u¨ bergegangen ist“ 16 . Sein und Nichts bilden den absoluten Unterschied, der als solcher zugleich unterschiedsloser Ineinsfall ist. Die Absolutheit dieses Unterschiedes besteht ¨ Derart versteht etwa Wieland den Ubergang vom Sein zum Nichts: Diese Kategorie ” entspringt nicht auf irgendeine geheimnisvolle Weise aus dem Sein, sondern sie ist der Ausdruck eines fehlgeschlagenen Versuchs der Reflexion, das Sein als echtes Aussagesubjekt zu behandeln“ [W IELAND 1973: 195]. Entsprechende Auffassungen vertreten K ESSELRING 1981 ¨ und WANDSCHNEIDER 1995. Dagegen weist schon Henrich darauf hin: Dieser Ubergang ” w¨are durchaus nicht im Sinne von Hegel verstanden, wenn man versuchen wollte, ihn auf folgende Weise zu deuten: Wir denken zun¨achst die unbestimmte Unmittelbarkeit des reinen Seins. Sodann bemerken wir, dass wir eine ganz leere Unmittelbarkeit gedacht haben, und nun bezeichnen wir sie im Hinblick auf ihre Leere als Nichts“ [H ENRICH 1964: 30]. 15 Houlgate formuliert pr¨ agnant: Logically being dissolves itself into nothing through its ” own purity and indeterminacy and is not merely found by us to be nothing when we try to determine it or render it intelligible“ [H OULGATE 2006a: 278]. 16 21,6924−26; vgl. 11,5126−27. 14
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
erstens darin, dass sie ihrem Gehalt nach keine Beziehung aufeinander haben17 , sondern ihr Bezug einzig im Verschwinden des einen im anderen besteht. Der logische Anfang hat damit zwei Gesichter, die nie gemeinsam erscheinen, sondern ihren Zusammenhang nur in ihrem zeitlosen Umkippen ineinander haben. Zugleich ist ihr Unterschied insofern absolut und nicht bloß relativ, als sie sich nicht bloß in einer gewissen Beziehung unterscheiden, w¨ahrend sie in anderer Hinsicht u¨ bereinkommen. Sein und Nichts bilden nach Hegel daher den Un” terschied in seiner Bodenlosigkeit, und eben darum ist es keiner, denn beide Bestimmungen sind dieselbe Bodenlosigkeit“ 18. Dabei meint Bodenlosigkeit“, ” dass es keine gemeinsame Grundlage gibt, auf der ihr Unterschied beruht und daher nichts, im Hinblick worauf sich Sein und Nichts unterscheiden ließen. Weil ihr Unterschied absolut ist, ist er zugleich kein Unterschied“ 19 . ” Offenbar ist das Sein als einfachster denkbarer Gehalt damit in sich absolut zwiesp¨altig. Es gibt daher keine reine, einfache Lauterkeit des Seins, sondern dieses ist selbst der absolute Gegensatz. Umgekehrt kann der absolute Gegensatz gerade nur zwischen Unbestimmtem und damit ununterscheidbar Verschiedenem bestehen. Zwischen Bestimmten kann es n¨amlich deshalb nur einen relativen Gegensatz geben, weil ihnen das Bestimmtsein als solches gerade gemeinsam ist und ihr Unterschied daher nur auf der unterschiedlichen Weise ihres Bestimmtseins beruhen kann. Was dagegen absolut unvertr¨aglich und beziehungslos sein soll, muss dagegen als reflexionslose Unbestimmtheit charakterisiert und darum zugleich identisch sein. Der absolute Gegensatz ist damit aber widerspr¨uchlich und instabil, weil seine Glieder zugleich identisch sind und einander absolut ausschließen. Der Skandal einer Verschiedenheit Ununterscheidbarer, der sich am Sein ergeben hat, provoziert, nach einer Hinsicht zu suchen, verm¨oge derer sich Sein und Nichts unterscheiden lassen. Dieser Versuch muss aber deshalb notwendig scheitern, weil Sein und Nichts in nichts weiter als reiner Unbestimmtheit bestehen, jede Hinsicht, in der sie sich unterschieden, aber nur eine bestimmte sein k¨onnte. Der Versuch, einen Unterschied zwischen Sein und Nichts anzugeben, muss also deshalb scheitern, weil solches Bestimmen des Unbestimmten auf einen Widerspruch f¨uhrt. Zwar lassen sich Sein und Nichts als absolute F¨ulle und Leere oder als reine Helle und tiefstes Dunkel vorstellen. Sollen solche Bilder aber in eine begriffliche Bestimmung umgesetzt werden, wird der Unterscheidungsversuch entweder tautologisch oder widerspr¨uchlich. Denn soll Sein etwa im Gegensatz zum Nichts als positive gegen¨uber negativer Unbestimmtheit festgehalten werden, liegt darin entweder nicht mehr als in Unbestimmtheit 17
Vgl. V11,77185−87. 8,187 Z. 19 8,187 Z. 18
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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allein oder aber das Unbestimmte wird bestimmt und damit widerspr¨uchlich gefasst20 . Allerdings liegt im Scheitern des Versuchs, den Unterschied von Sein und Nichts zu bestimmen, zugleich wieder der Erfolg. Denn insofern der Versuch, die eigent¨umliche Bestimmtheit des Seins beziehungsweise Nichts anzugeben, auf den analytischen Widerspruch bestimmter Unbestimmtheit f¨uhrt, welcher das Sein beziehungsweise Nichts als Nicht¨ubereinstimmung mit sich ¨ erweist, ist mit dieser Nicht¨ubereinstimmung der Ubergang zum Nichts beziehungsweise Sein als seiner Negation gemacht. Darin liegt aber das Gelingen des Bestimmungsversuchs, insofern es gerade die Bestimmung von Sein bezie¨ hungsweise Nichts ist, Ubergang in Nichts beziehungsweise Sein zu sein. Auch damit ist wiederum nur reflektierend eingeholt, als was sich Sein und Nichts von sich her erweisen. Denn reine Unbestimmtheit hat sich als absolute Unbest¨andigkeit entpuppt, deren Pole zeitlos ineinander umkippen. Der damit ausdr¨ucklich vollzogene logische Fortgang von Sein und Nichts zum Werden ¨ ist somit kein a¨ ußerer Ubertritt zu etwas Neuem, sondern verdankt sich nur aufnehmendem Ausdr¨ucklichmachen dessen, als was sich Sein und Nichts schon von sich her erwiesen haben, n¨amlich als reines Umschlagen oder Werden. Solches Werden meint dabei keine Bewegung zwischen fixierbaren Gr¨oßen, weil es sich gerade daraus ergibt, dass sich Sein und Nichts als unfixierbar erwiesen haben, noch eine Ver¨anderung von solchem, was von dieser Ver¨anderung unterschieden w¨are und sich im Zuge derselben zugleich erhielte, weil damit schon zwischen einer bleibenden Grundlage und ihren wandelbaren Bestimmungen unterschieden w¨are21 . 2.1.1.2 Von Unbestimmtheit zur Bestimmtheit (Werden-Dasein) Das Werden besteht damit nicht in einem Umschlag zwischen Sein und Nichts, sondern bildet als reiner Umschlag diejenige konkrete Bestimmung, in der Sein und Nichts verschwunden sind. Das Werden ist daher auch nicht aus Sein und Nichts zusammengesetzt. Insofern es aus ihnen hervorgeht, m¨ussen sie dem Aufhebungspostulat gem¨aß jedoch in ihm als unselbst¨andige, bloß analytisch abhebbare Momente erhalten sein. Indem der absolute Gegensatz von Sein und Nichts im Werden so zu einem relativen geworden ist, sind Sein und Nichts als unselbst¨andige Aspekte des Werdens nun auch unterscheidbar. Da es sich um unselbst¨andige Aspekte handelt, haben beide auf unterscheidbare Weise selbst jeweils den anderen an sich. Entsprechend ist Sein im Werden Vergehen, denn die Wahrheit des Seins ist 20
Vgl. 20,12328–1246. Der Ausdruck Umschlag“ f¨angt die Substratlosigkeit, Abruptheit und Ungerichtetheit ” des mit Werden“ Gemeinten angemessener ein als der Ausdruck Werden“ selbst, der eher ein ” ” Subjekt unterstellt, das wird. Hegel spricht selbst gelegentlich von Umschlag: Das Sein und ” Nichts ist das unmittelbare Umschlagen des einen in das andere“ [V11,81317−18]. 21
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sein Umschlag ins Nichts. Nichts ist im Werden Entstehen, da die Wahrheit des Nichts sein Umschlag ins Sein ist. Mitsamt seiner beiden Aspekte ist das Werden der angemessene Ausdruck des Zusammenhangs von Sein und Nichts. Es verdankt sich nicht etwa der Suche nach einer Bestimmung, welche Sein und Nichts vereinigt, sondern allein der Explikation dessen, was sich schon ergeben hat, n¨amlich des Umschlags von Sein und Nichts ineinander. Zugleich ist Werden darum der angemessene Ausdruck von deren Verh¨altnis, weil sie in ihm nicht als selbst¨andige Bestimmungen erhalten sind, aus denen es a¨ ußerlich zusammengesetzt sein soll, sondern es vielmehr eine Bestimmung bildet, an der Sein und Nichts nur analytisch als unselbst¨andige Aspekte abhebbar sind. Sein und Nichts haben sich durch ihr Umschlagen ineinander n¨amlich als unselbst¨andig erwiesen, schlossen einander als solche jedoch zugleich absolut aus: Jedes beanspruchte den logischen Raum allein f¨ur sich. Insofern sich Sein und Nichts als unselbst¨andig erwiesen haben, k¨onnen sie in ihrer Einheit daher nicht selbst¨andig auftauchen. Andererseits schließen sie einander, selbst¨andig gesetzt, gerade aus, sodass ihre Einheit einen analytischen Widerspruch bildete. Analytische Widerspr¨uche wie die Identit¨at und Differenz von Sein und Nichts sind aber nicht der dialektischen Weisheit letzter Schluss, sondern nur die Weise, wie sich ein formelles Denken, das die Begriffe nicht zusammenbringt, die Einheit von Gegens¨atzen vorstellt22. Der analytische Widerspruch, der in der Identit¨at und Differenz von Sein und Nichts liegt, l¨ost sich aber oder hat sich vielmehr immer schon aufgel¨ost, weil Sein und Nichts keine fixierbaren Bestimmungen sind. Die dialektische Bewegung zwischen einander ausschließenden Bestimmungen verl¨auft daher so, dass sich diese Bestimmungen von sich her als unselbst¨andig ausweisen. Das angemessene Verh¨altnis solcher ineinander u¨ bergehender und einander zugleich ausschließender Bestimmungen kann daher nur in einer Bestimmung bestehen, in der sie nicht mehr vermeintlich selbst¨andig auftreten, sondern zu unselbst¨andigen Aspekten ¨ eines Ubergreifenden herabgesetzt sind. Erst innerhalb einer solchen Einheit sind die Ausgangsbestimmungen stabil, weil sie nicht mehr selbst¨andig auftreten und sich zugleich ineinander verlieren. Sie schließen einander so nicht mehr absolut aus, sondern gew¨ahren einander als unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Bestimmung sozusagen gewissen Raum. Auf diese Weise sind sie in ihrer u¨ bergreifenden Einheit auch voneinander unterscheidbar. Eine solche u¨ bergreifende Einheit l¨ost damit den performativen Widerspruch von Bestimmungen, die zugleich selbst¨andig auftreten und intern aufeinander verweisen. Falls man die u¨ bergreifende Einheit, in der sie zu unselbst¨andigen Aspekten herabgesetzt sind, u¨ berhaupt als Widerspruch“ bezeichnen will, was ” Hegel selbst nicht tut, ist dieser terminologisch etwa als spekulativer“ vom ” 22
Vgl. beispielsweise P OPPER 1962: 317; PATZIG 1988: 216ff.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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analytischen zu unterscheiden, welcher (im Kontext der Logik) inkompatible Bestimmungen, die sich als instabil erwiesen haben, zugleich als solche festh¨alt und ihren widersinnigen Ineinsfall behauptet. Spekulation besteht dagegen darin, die u¨ bergreifende Bestimmung zu suchen, in der die Glieder analytischer Widerspr¨uche, die sich aus der Explikation performativer ergeben, als unselbst¨andige Aspekte widerspruchsfrei vereint sind. N¨aher muss diese konkrete Einheit jeweils gar nicht gesucht werden, sondern ergibt sich durch ausdr¨uckliches Aufnehmen dessen, was schon geschehen ist. Entsprechend ver¨ dankt sich der Ubergang von einem analytischen zum spekulativen Widerspruch, etwa von der Identit¨at und Verschiedenheit von Sein und Nichts zum Werden, gleichsam der Aufl¨osung einer Fixierung oder optischen T¨auschung, insofern nur das Beharren darauf aufzugeben ist, Bestimmungen, die sich als unselbst¨andig erwiesen haben, zugleich noch getrennt von ihrer u¨ bergreifenden Einheit festzuhalten, als deren Aspekte sie sich unausdr¨ucklich schon erwiesen haben. Hegel begr¨undet nun den weiteren Fortgang vom Werden aus damit, dass sich Sein und Nichts als ineinander verschwindend erwiesen h¨atten, das Werden sie aber voraussetze und mit ihrem Verschwinden daher selbst verschwinde – jedoch nicht einfach in Nichts, weil dies nur einen R¨uckfall zu solchem bedeutete, was sich selbst schon als Werden erwiesen hat, sondern in eine stabile Einheit von Sein und Nichts23 . Diese Begr¨undung kann aber einerseits deshalb ¨ nicht u¨ berzeugen, weil sie die Uberschreitung des Werdens nicht aus diesem selbst begr¨undet, sondern unter R¨uckgriff auf seine logischen Vorg¨anger, wie sie sich außer demselben in vermeintlicher Isolation verhalten, n¨amlich als verschwindend. Zum anderen haben sich Sein und Nichts nicht nur als verschwindend, sondern als ebenso beharrlich wieder auftauchend erwiesen, sodass ebenso gut wie ein Verschwinden des Werdens auch sein Fortw¨ahren gefolgert werden k¨onnte. ¨ Dagegen ergibt sich der immanente Ubergang des Werdens in seinen logischen Nachfolger viel schlichter daraus, dass es u¨ berhaupt nur Bewegung, Prozess oder Vollzug sein kann, insofern es ein Resultieren und damit ein Gewordenes nach sich zieht24 . Dieses kann selbst aber weder Sein noch Nichts sein, weil dies einen R¨uckfall zu solchem bedeutete, was sich selbst schon als Werden er23 So geht das Werden laut Hegel in ruhige Einheit zusammen. Seyn und Nichts sind in ” ihm nur als verschwindende; aber das Werden als solches ist nur durch die Unterschiedenheit derselben. Ihr Verschwinden ist daher das Verschwinden des Werdens, oder das Verschwinden des Verschwindens selbst“ [21,9321−24]. Diß Resultat ist das Verschwundenseyn, aber nicht ” als Nichts; so w¨are es nur ein R¨uckfall in die eine der schon aufgehobenen Bestimmungen, nicht Resultat des Nichts und des Seyns. Es ist die zur ruhigen Einheit gewordene Einheit des Seyns und Nichts“ [21,942−6]. 24 Vgl. Aus dem Werden wird Etwas, ein Gewordenes. Dies liegt im Begriff des Werdens. ” Das Werden ist ein Prozeß, sein Resultat ist das Dasein“ [V11,82378−80].
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wiesen hat. Das, wozu Werden wird, bestimmt sich einzig aus ihm selbst und ist damit als Gewordenes zu fassen. Das Gewordene ist da und somit ein Bestimmtes. Insofern das Werden instabile Einheit von Sein und Nichts war, m¨ussen Sein und Nichts zwar auch im Gewordenen oder Dasein als unselbst¨andige Aspekte einer statischen Einheit enthalten sein. Insofern das Gewordene aber eine positive Bestimmung darstellt und als solche eine gewisse Seinsf¨ulle beinhaltet, sind Sein und Nichts in ihm nicht gleichberechtigt, sondern das Sein markiert seinen globalen Charakter, w¨ahrend das Negative zun¨achst nur unausdr¨ucklich mitspielt. Am Gewordenen muss sich aber analytisch ein negativer Aspekt abheben lassen. Das Dasein kann n¨amlich keine absolute F¨ulle oder absoluter Einschluss sein, da es sonst noch das Sein w¨are. Im Dasein als stabiler Einheit von Sein und Nichts k¨onnen diese aber keine selbst¨andigen Inhalte mehr darstellen, die den logischen Raum jeweils f¨ur sich allein beanspruchen, sondern nur gegen¨ einander eingeschr¨ankte Glieder eines Ubergreifenden. Dieses muss daher als Einschluss von gewisser F¨ulle zugleich Ausschluss von anderer sein und ist damit gerade als Bestimmtes charakterisiert25 . Bestimmtheit ergibt sich aus Unbestimmtheit damit immanent, weil diese in sich zwiesp¨altig ist und als Umschlag gerade auf Bestimmtheit als statisches Ineins ihrer Pole f¨uhrt. Unbe¨ stimmtheit ist daher in Wahrheit Bestimmtheit, und der Ubergang von jener zu dieser beruht so nicht auf einem irrationalen Sprung, sondern darauf, dass sich Unbestimmtheit als in sich zwiesp¨altige Unruhe je schon in die stabile Einheit ihrer Pole entstellt haben muss. Diese u¨ bergreifende Einheit von relativem Einund Ausschluss ist damit das Dasein als Bestimmtes. Das Bestimmte weist so zumindest unausdr¨ucklich einen negativen Aspekt auf, ist nicht absoluter Einschluss, der als solcher unbestimmt w¨are, sondern als relativer Einschluss von Seinsf¨ulle zugleich Ausschluss anderer Seinsf¨ulle und insofern einfache Einheit von Sein und Nichts. Gegen diese Bestimmung von Bestimmtheit k¨onnte eingewandt werden, mit ihr werde unzul¨assig ein bestimmter Begriff von Bestimmtheit vorausgesetzt. Bestimmtheit sei aber keineswegs notwendig als Ineins von Ein- und Ausschluss zu denken, sondern k¨onne rein positiv sein26 . Gegen diese Annahme l¨asst sich jedoch folgendermaßen argumentieren: W¨are Bestimmtes rein positiv, 25 Vgl. Werden f¨ allt in sich zusammen in einfache Einheit, in Ruhe, das Material des ” Feuers verzehrt sich, oder die Ruhe, das Resultat, die Einheit mit sich ist das Sein, aber das Sein, welches zugleich das Nichtsein in sich hat, denn diese Bestimmung ist ebenso im Werden; es ist Dasein, bestimmtes Sein, Sein mit Negation behaftet“ [V10,105339–106344]. 26 Eine solche Annahme rein positiver Bestimmtheit liegt Bertrand Russells Kritik an der im Britischen Hegelianismus seiner Zeit verbreiteten Annahme interner Relationen zugrunde [vgl. etwa RUSSELL 1918: 2ff., 140ff.; RUSSELL 1966; H ORSTMANN 1984: 171ff.]. Sein logischer Atomismus geht dagegen davon aus, dass im logischen Raum distinkte Elemente auftreten k¨onnen, ohne dass diese Elemente von sich her in (ausschließenden) Beziehungen zu
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k¨onnte es von sich her nicht auf anderes bezogen sein, da die immanente Beziehung von etwas auf solches, was es nicht ist, ein negatives oder ausschließendes Verh¨altnis beinhaltet. Rein positiv Bestimmtes kann zugleich keine inneren Unterschiede einschließen. Da rein positiv Bestimmtem seine Beziehung auf anderes n¨amlich, wie gezeigt, nur a¨ ußerlich sein kann, k¨onnte die Beziehung zwischen den bestimmten Gliedern eines vermeintlich in sich Unterschiedenen nur a¨ ußerliche Beziehung zwischen solchen sein, die einander an sich nichts angehen. Unter der Voraussetzung, Bestimmtheit sei rein positiv, ist daher jeder Unterschied ein a¨ ußerer, innerer Unterschied dagegen unm¨oglich. Rein positiv Bestimmtes muss daher an ihm selbst ohne Bezug auf anderes und zugleich in sich ununterschieden sein und f¨allt so mit reiner Unbestimmtheit zusammen, f¨ur welche eben dies konstitutiv ist. Der Begriff rein positiver Bestimmtheit f¨uhrt daher auf einen Widerspruch, weil sich diese mit reiner Unbestimmtheit identisch erweist. Bestimmtheit beinhaltet daher notwendig Negation, ist nur als wechselseitige Einschr¨ankung von Sein und Nichts zu haben und damit zugleich Ein- und Ausschluss gewisser Seinsf¨ulle. Insofern hat Spinozas Satz determinatio negatio est seine Berechtigung27 . Dies bedeutet aber nicht, etwas sei nur bestimmt, insofern es an ihm selbst auf alles, was es nicht ist, ausschließend bezogen ist28 . Wie sich im logischen Fortgang zur Kategorie der Objektiv¨at zeigen wird, kennt Hegel durchaus den Begriff von solchem, was zwar insofern Negation einschließt, als es an ihm selbst u¨ berg¨anglich in eine von ihm verschiedene Umgebung ist, ohne darum Bestimmtes aus dieser in irgendeinem Sinne in sich“ zu haben. Damit verliert ” der Bestimmtheitssatz die Absurdit¨at, die ihm anhaftet, wenn er so gedeutet wird, alles beziehe sich von sich her negativ auf alles andere29 . Zugleich wird anderen Elementen stehen: Each particular has its being independently of any other and does ” not depend upon anything else for the logical possibility of its existence“ [RUSSELL 1918: 32]. 27 Der Satz stammt aus Spinozas 50. Brief. Hegel zitiert ihn in der Form omnis determinatio est negatio zustimmend etwa in TW20,165. 28 Vgl. In der sinnlichen Sph¨ are ist jedes nur dies Bestimmte, was es ist, und kein An” deres, z. B. Blau ist verschieden von Rot. Aber nur auf sinnliche Art kann dies unterschieden werden. So kann einer einen blauen Rock haben, ohne daß er zugleich einen roten hat. Allein im Begriff ist Blau nicht ohne Rot“ [V11,115141−47, Hervorhebung C. M.]. 29 William James’ und Bertrand Russells Bef¨ urchtung, mit der Annahme, interne Beziehungen seien f¨ur das Vorliegen von Bestimmtheit notwendig, lege man sich auf einen ontologischen Monismus fest, demzufolge sich nicht mehr sinnvoll von einer Mannigfaltigkeit selbst¨andiger Dinge reden l¨asst, ist daher unbegr¨undet. Hegel ber¨ucksichtigt selbst, was William James in hegelkritischer Absicht bemerkt: In rerum natura things don’t get into each ” other’s logical places. The gallons never say ‘We are the pint’, the pint never says ‘I am the gallons’. It never tries to expand, and so there is no chance for anything to exclude or negate it so far as it is affirmed“ [JAMES 1882: 202; vgl. RUSSELL 1945: 743.]. Die Frage, wie Bestimmtheit Negation involvieren kann, ohne Pluralit¨at undenkbar werden zu lassen, kann jedoch erst befriedigend gekl¨art werden, wenn reichhaltigere kategoriale Ressourcen zur Verf¨ugung stehen. Daseinslogisch scheint es noch, als habe alles seine Bestimmung nur durch ausschließenden
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der logische Fortgang zum Wesen und n¨aher zum Begriff zeigen, dass es bestimmte Gegenst¨ande und Tatsachen, die sich als solche negativ auf Bestimmungen beziehen, die mit ihnen material inkompatibel sind, nach Hegel gerade nicht als weltseitig unmittelbar Vorhandenes geben kann. Diese Annahme wird sich vielmehr als scheinhaft erweisen, insofern es Bestimmtes in diesem Sinne gerade nur vermittelt durch begriffliche Vollz¨uge leibhaftiger Subjekte geben kann. Die Erkenntnis, dass Unbestimmtheit an ihr selbst wesentlich zweideutig ist, macht zugleich deutlich, dass es, Schelling entgegen, kein R¨atsel des ¨ Ubergangs von der Unbestimmtheit oder Indifferenz zur Bestimmtheit gibt30 . ¨ Dieser Ubergang ist kein Sprung oder Abfall, sondern im polaren Charakter unterschiedsloser Unbestimmtheit begr¨undet. Denn solche Unbestimmtheit ist bereits von sich her ihre eigene Entstellung zum Bestimmtem. Sie angemessen zu fassen heißt daher, sie als zeitlosen Umschlag in Bestimmtheit zu denken. Hegels u¨ berraschende Antwort auf Leibniz’ Frage, warum es u¨ berhaupt etwas und nicht vielmehr nichts gebe31 , ist daher einfach, dass die Notwendigkeit des Etwas im Nichts selbst liegt. Denn Nichts ist nichts anderes als seine eigene zeitlose Entstellung zum Bestimmten qua Einheit von Sein und Nichts. Es kann mit anderen Worten deshalb nicht nichts geben, weil es im Nichts selbst liegt, sich immer schon zu etwas ausgelegt zu haben. Im Zuge des logischen Fortgangs haben sich reines Sein und reines Nichts immanent von sich her entstellt und dadurch erwiesen, dass es Sein und Nichts gerade nicht als selbst¨andige, sondern nur als Momente des Bestimmten geben kann. Damit haben sie sich von sich her relativiert, indem sich zeigte, dass es keinen festhaltbaren Sinn ergibt, von Sein und Nichts schlechthin zu sprechen. Sein und Nichts haben damit von sich her gezeigt, keine haltbare Charakterisierung des logischen Raumes leisten zu k¨onnen. Denn gerade wenn sie selbst¨andig auftreten und so den vom reinen Denken aufgespannten logischen Raum f¨ur sich allein einnehmen, entstellen sie sich ins Dasein. Durch diese Bewegung relativieren sie sich insofern, als sich zeigt, dass festhaltbar nur vom Sein von Etwas und Nichtsein von Bestimmtem, nicht aber von Sein und Nichts schlechthin gesprochen werden kann. Bezug auf alles andere. Dagegen wird sich aus der begriffslogischen Unterscheidung von Allgemeinem und Einzelnem ergeben, dass zu Einzelnem allgemeine Charaktere geh¨oren, die in ausschließender Beziehung zu anderen allgemeinen Charakteren stehen, ohne dass Einzelnes darum selbst interne Bez¨uge auf alles andere Einzelne in sich tr¨uge. N¨aher wird sich zeigen, dass objektseitiges Sein von sich her nicht durch negative Beziehungen auf bestimmtes anderes, sondern durch die Unterscheidbarkeit von allem anderen gepr¨agt ist, die durch leibhaftige Subjektivit¨at gew¨ahrleistet wird, welche sich auf es zu beziehen vermag, vgl. unten die Abschnitte 3.4.1 und 3.5.2.5. 30 Vgl. S CHELLING SW6,155; SW7,174. 31 Vgl. L EIBNIZ 1714: 12.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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Hegel l¨asst sich daher nicht vorwerfen, er unterscheide nicht zwischen Sein“ ” und Nichts“ im absoluten, substantivierten beziehungsweise relativen, existen” ziellen Sinn des Seins oder Nichtseins von etwas32 . Dagegen markiert er sogar ausdr¨ucklich den Unterschied zwischen absolutem Sein oder Nichts und relativem Sein oder Nichtsein von etwas33 . Dabei geht er mit der Unterscheidung von absolutem und relativem Sein und Nichtsein kritischer um, als diejenigen, die die Rede von reinem Sein oder Nichts einfach als ungrammatisch und darum sinnlos verwerfen. Denn dabei wird bloß unterstellt, es sei unzul¨assig Sein“ ” und Nichts“ substantiviert zu gebrauchen. Dagegen k¨onnen zwar bestimmte ” Aussagen, in denen der Ausdruck nichts“ vorkommt, angemessen als negierte ” Existenzaussagen analysiert werden, beispielsweise Hans vermisst nichts“ als ” ¬∃x vermisst(Hans,x). Die angemessene Analyse bestimmter Ausdr¨ucke wird aber dort unkritisch, wo als sinnvoll nur noch solche Ausdr¨ucke gelten, die sich auf die betreffende Art analysieren lassen. Ein Formalismus zur Analyse sinnvoller Sprache wird so unter der Hand in einen Maßstab sinnvoller Sprache verkehrt. Dagegen setzt Hegel kein formales Sinnkriterium voraus, von dem her die Rede von reinem Sein“ oder Nichts“ von vornherein unsinnig sein muss. Viel” ” mehr zeigt er, dass Sein und Nichts ihre Kritik und Aufl¨osung schon von sich her leisten, da sie sich nicht festhalten lassen, sondern zu Momenten des Bestimmten herabsetzen und insofern zu existenziellem Sein und Nichtsein34 . Hegel h¨alt damit nicht etwa unkritisch am reinen Sein oder Nichts fest, fixiert aber ebenso wenig unkritisch das relative Sein beziehungsweise Nichtsein von Bestimmtem. Vielmehr wird der weitere logische Fortgang auch das unmittelbare Bestehen von etwas, dem von ihm unterscheidbare Bestimmtheit zukommen soll und das in a¨ ußerer Beziehung zu anderem derart Verfassten stehen soll, als Schein erweisen. Wie sich zeigen wird, kann es ein diskretes Etwas mit diskreten Bestimmungen nicht als unmittelbar Vorhandenes, sondern nur als Resultat von Vermittlungsleistungen geben. Die Pr¨adikatenlogik bleibt dagegen auf seinslogischem Niveau stehen, insofern sie unmittelbar ein Inventar von Individuen mitsamt ihrer ein- und mehrstelligen Bestimmungen annimmt. Ein Irrtum ist mit dieser n¨utzlichen und theoretisch ergiebigen Abstraktion jedoch nur dann verbunden, wenn
32
Zu diesem Vorwurf vgl. C ARNAP 1932: 233. Vgl. Nichts pflegt dem Etwas entgegengesetzt zu werden; Etwas aber ist schon ein be” stimmtes Seyendes, das sich von anderem Etwas unterscheidet; so ist also auch das dem Etwas entgegengesetzte Nichts, das Nichts von irgend Etwas, ein bestimmtes Nichts“ [21,704−6]. 34 Daseinslogisch kann dabei noch keine Unterscheidung von Begriff und Gegenstand ins Spiel kommen, so dass sich die Frage, ob existenzielles Sein als erst- oder zweitstufige Bestimmung zu fassen ist, noch gar nicht stellt. 33
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
mit dem pr¨adikatenlogischen Formalismus unmittelbar ontologische und epistemologische Anspr¨uche verkn¨upft werden35 . 2.0.1.2.1 Synopsis: Vom Sein zum Dasein Nachdem die logische Ausfaltung des Seins zum Dasein vollzogen ist, kann erl¨autert werden, dass und inwiefern sie der Forderung nach voraussetzungslosem Fortgang gen¨ugt. Sie erf¨ullt diese insofern, als sich erwiesen hat, dass sich das Sein als Unbestimmtheit aufgrund seiner eigenen Natur von sich her ins Nichts als von ihm zugleich verschiedene und ununterscheidbare Gestalt von Unbestimmtheit u¨ berf¨uhrt. Das Nichts ist dabei insofern Negation des Seins, als es allein durch Unbestimmtheit und dadurch gekennzeichnet ist, nicht das Sein zu sein. Dabei ist das Sein im Nichts im Unterschied zu den folgenden ¨ Uberg¨ angen in einem eigent¨umlichen Sinn aufgehoben. Denn das Nichts bezieht sich gar nicht ausdr¨ucklich auf das Sein als von ihm unterschiedenen Inhalt. Das Sein ist also nicht Teilaspekt des Nichts, sondern in seinem Nachfolger insofern aufgehoben, als es mit ihm identisch ist. Auch das Werden, das sich aus Sein und Nichts ergibt, verdankt sich keiner a¨ ußerlich eingeschleusten Voraussetzung, sondern macht nur ausdr¨ucklich, als was Unbestimmtheit sich von sich her erweist, n¨amlich als Umschlag. Insofern es zum Werden geh¨ort, auf ein Gewordenes und damit statisch Bestimmtes zu f¨uhren, ist auch dieser ¨ logische Ubergang immanent. Im R¨uckblick kann nun der logische Fortgang vom Sein zum Dasein begriffsschriftlich dargestellt werden. In der reinen Unmittelbarkeit des Anfangs sind, wie man sich reflektierend klar machen kann, vier Formen von Unmittelbarkeit konfundiert, also zun¨achst noch unabgehoben vereint: Denn reine Unmittelbarkeit ist weder an ihr selbst auf anderes bezogen noch a¨ ußerlich mit anderem vereinigt noch steht sie in a¨ ußerlicher Beziehung zu anderem, ohne mit ihm vereinigt zu sein. Insofern reine Unmittelbarkeit selbst verschiedene Formen annimmt – Sein, Nichts und Werden – fallen im Sein als ihrer ersten Gestalt damit vier Unmittelbarkeitsstufen ineins. Das Moment von Vermittlung, welches das Nichts dem Sein gegen¨uber aufweist, kann sich, da es selbst Form beziehungsloser Unmittelbarkeit ist, dabei nicht in einer ausdr¨ucklichen Beziehung auf das Sein, sondern nur an seiner negativen T¨onung zeigen. Das Werden bildet seinerseits zwar die Selbstvermittlungsgestalt reiner Unmittelbarkeit, deren Charakter sich aber ebenfalls, weil es Form reiner Unmittelbarkeit ist, nicht darin zeigen kann, dass es schon als selbstvermittelnd auftritt, sondern allein darin, dass es die abrupte Selbstentstellung oder den Umschlag als solchen ausdr¨ucklich macht. Eine Gestalt bloßer Unmittelbarkeit ist der Umschlag deshalb, weil er eine Bewegung markiert, die nicht schon von dem, was sich bewegt, 35
Dies trifft etwa auf Russells Philosophy of Logical Atomism“, Scholz’ Metaphysik ” ” als strenge Wissenschaft“ oder Badious Erhebung der Mengenlehre zur Fundamentalontologie zu, vgl. RUSSELL 1918, S CHOLZ 1940, BADIOU 1998.
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2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
unterscheidbar und insofern verh¨altnishaft ist, sondern absolute oder reine Bewegung darstellt. Dagegen ist das Dasein oder Gewordensein deshalb keine Gestalt reiner Unmittelbarkeit mehr, weil Sein und Nichts in ihm zu Gliedern verh¨altnishafter Einheit herabgesetzt sind, die jedoch zun¨achst unentfaltet auftritt und an der unterscheidbare Momente erst explikativ hervortreten werden. ¨ Dank dieser Uberlegungen l¨asst sich Hegels Einteilung des Seinskapitels damit r¨uckblickend einholen. Denn in die unterschiedslose Unbestimmtheit des Anfangs m¨ussen demnach an sich vier Unmittelbarkeitsebenen noch unabgehoben eingehen. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis der WdL best¨atigt diese Annahme36 . Als Ort des Seins ist dort n¨amlich das erste Buch, erster Abschnitt, erstes Kapitel angegeben, dessen erstes Unterkapitel ebenfalls mit Seyn“ u¨ berschrieben ist (I1iA). Diese Doppelung erkl¨art sich daraus, dass in ” der Unbestimmtheit des Anfangs Sein als unterschiedslose Unbestimmtheit und Sein als ihre vom Nichts verschiedene Positivform zun¨achst konfundiert sind. Der Umschlag des Seins in Nichts (I1iB) als Negativform reiner Unmittelbarkeit bedeutet f¨ur die Reflexion so die r¨uckwirkende (durch eine gep¨unktelte Linie markierte) Desambiguierung zwischen Sein als u¨ bergreifender Unbestimmtheit (I1i) und Sein als ihrer unmittelbaren Gestalt (I1iA). Von der Warte der Refle¨ xion aus l¨asst sich der Ubergang des Seins zum Dasein damit folgendermaßen darstellen:
I
I
1 i A
1 i B I
I 1 ii
1 i I 1 i C
Die begriffsschriftliche Darstellung erlaubt dabei zugleich, Bestimmungen zu markieren, die in einer anderen aufgehoben sind. Entsprechend hebt das Dasein als einfachstes Vermitteltes das Sein als Inbegriff der Formen unbestimmter Unmittelbarkeit in sich auf: 36
Vgl. 21,V.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Dasein Sein
Die Angabe solcher Superpositionsformen ist dem logischen Fortgang zwar insofern a¨ ußerlich, als sie Bestimmungen darstellt, wie sie sich im R¨uckblick auf die Seinslogik zeigen w¨urden, wenn alle zun¨achst unabgehobenen Unterschiede ausdr¨ucklich geworden sind. Hegel ordnet die Kategorien in Inhaltsverzeichnis und Einteilungen der Logik jedoch genau aus diesem Blickwinkel an. Entsprechend l¨asst sich das Dasein gem¨aß seiner Einordnung im zweiten Kapitel des ¨ ersten Abschnitts des ersten Buches als Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Unmittelbarkeit mit Vermittlung darstellen: Erstes Buch: Sein Erster Abschnitt: Qualit¨at Zweites Kapitel: Dasein
unmittelbar gegen¨uber innerem Verh¨altnis unmittelbar gegen a¨ ußere Vereinigung in a¨ ußerlichem Verh¨altnis
An sich ist das Dasein wie alle seinslogischen Bestimmungen damit auf ers¨ ter Uberlagerungsebene als unmittelbar bestimmt. Das bedeutet nichts anderes, als dass damit Bestimmungen markiert sind, denen ihr Gesetztsein durch oder ihr Verh¨altnis zu anderen a¨ ußerlich sein soll. Entsprechend bringen die seinslogischen Bestimmungen den am Paradigma des Wahrnehmbaren orientierten ontologischen Atomismus des nat¨urlichen Bewußtseins auf den Begriff. Als qualit¨atslogische Bestimmung ist das Dasein auch auf zweiter Ebene unmittelbar, n¨amlich auch nicht durch eine Vereinigung an sich bezugloser Elemente zu u¨ bergreifenden Einheiten gekennzeichnet, welche die Quantit¨at auszeichnen wird. Drittens ist dem Dasein schließlich aber insofern Vermittlung eigen, als es zwar nicht mit anderem zu u¨ bergreifender Einheit vereinigt auftritt, es jedoch an sich hat, in a¨ ußerlichem Verh¨altnis zu anderem zu stehen, das zugleich als ihm gegen¨uber selbst¨andig auftritt. Im Zuge des immanenten Fortgangs ist das Dasein bisher noch nicht in seinem Verh¨altnis zu anderem thematisch, sondern bildet als Gewordensein das einfachste Vermittelte, an dem ein Bezug auf anderes erst hervortreten wird.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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2.0.1.2.2 Reine Beziehung auf sich Anders als zu Beginn der Logik spricht Hegel an anderen Stellen wie selbstverst¨andlich vom Sein als reiner“ oder einfacher Beziehung auf sich“ 37 . Das ” ” ist deshalb verwunderlich, weil bei der Einf¨uhrung des Seins hiervon nirgends die Rede war. Daher ist zu kl¨aren, was es mit der Kennzeichnung des Seins als reiner Beziehung auf sich“ auf sich hat. ” Nun spricht Hegel dem Sein schon zu Beginn der Logik Gleichheit mit sich“ ” zu, und die Rede von reiner Beziehung auf sich“ k¨onnte daher so verstanden ” werden, als meine sie einfach solche Gleichheit mit sich“. Gleichheit mit sich“ ” ” ist aber eine reflektierende Bestimmung, die das Sein als an sich beziehungslos kennzeichnet. Denn sie dr¨uckt aus, dass es von sich her nicht auf anderes bezogen und von ihm abgesetzt ist: In seiner unbestimmten Unmittelbarkeit ist es ” nur sich selbst gleich, und auch nicht ungleich gegen anderes“ 38 . Reine Beziehung auf sich“ kann nun aber kein gleichwertiger Ausdruck ” daf¨ur sein, dass das Sein von sich her nicht auf anderes bezogen und insofern nur sich selbst gleich ist. Denn erstens spricht Hegel h¨aufig so, als sei reine ” Beziehung auf sich“ die angemessene Charakterisierung des Seins selbst; und zweitens ist die Bedeutung dieses Ausdrucks allein ihm selbst zu entnehmen. Um zu verstehen, was es mit dieser Beziehung auf sich hat, bleibt so aber nur, sie von unreiner Beziehung auf sich“ abzugrenzen. Daraus ergibt sich, ” dass reine Beziehung auf sich keine reflexive, sondern allein pr¨areflexive Selbstbeziehung sein kann. Denn reflexive Selbstbeziehung ist die nachtr¨agliche Beziehung auf sich von solchem, was von dieser Beziehung auch unterschieden ist. Die Selbstbeziehung von etwas, das auch unabh¨angig von seiner Selbstbeziehung bestimmt ist, ist damit aber unreine“ Beziehung auf sich, weil sie an ” solches gekn¨upft ist, was selbst nicht Selbstbeziehung ist. Reine Beziehung auf sich kann daher umgekehrt nur pr¨areflexive Selbstbeziehung meinen, also gerade keine nachtr¨agliche R¨uckwendung von etwas, das auch unabh¨angig von seiner Selbstbeziehung fassbar w¨are. Nun l¨asst sich aber argumentieren, Hegel m¨usse in seiner voraussetzungslos fortschreitenden Theorie notwendig mit reiner Selbstbeziehung beginnen. Denn diese weist sich gerade dadurch als unableitbar aus, dass sie sich grunds¨atzlich nicht auf solches zur¨uckf¨uhren l¨asst, was nicht schon den Charakter der Selbstbeziehung hat39 . Echte Selbstbeziehung ist daher u¨ berhaupt nur m¨oglich, wenn sie pr¨areflexive Selbstbeziehung einschließt. Denn Selbstbeziehung kann darum nicht einfach als nachtr¨agliche R¨uckwendung von etwas auf sich gefasst 37 Vgl. 21,12623−24; 12,24929−38; TW16,120; TW17,368; TW17,531. Weitere Stellen gibt Schulz-Seitz an, die schreibt, es sei in der Hegel-Forschung bisher noch nicht deutlich gewor” den, dass es f¨ur Hegel schlechthin nichts gibt, was noch unmittelbarer, noch einfacher w¨are als die reine Beziehung auf sich, und dass sie das Sein ist“ [S CHULZ -S EITZ 1973: 367]. 38 21,6819−20. 39 Vgl. H ENRICH 1967b: 12ff.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
werden, weil Selbstbeziehung im Unterschied zu einer reflexiven Relation nur vorliegt, wenn sich das, was sich auf sich bezieht, selbsthaft auf sich bezieht und daher schon vor einer m¨oglichen R¨uckwendung auf sich selbstbez¨uglich sein muss, da sonst keine Selbstbeziehung, sondern nur eine Beziehung desselben herausk¨ame. Daher kann eine voraussetzungslos fortschreitende Theorie anscheinend nur entweder mit Selbstbeziehung beginnen oder Selbstbeziehung gar nicht mehr immanent einholen, sondern sie bloß a¨ ußerlich einschleusen oder einem Reflexionszirkel erliegen, indem sie Selbstbeziehung als nachtr¨agliche R¨uckwendung versteht und so verfehlt40 . Nun scheint sich Hegel aber, wenn er Fichtes Einsatz mit dem absoluten Ich im Sinne des Inbegriffs pr¨areflexiver Selbstbeziehung als voraussetzungshaft ablehnt und stattdessen voraussetzungslos mit bloßer Unmittelbarkeit beginnen will41 , das Problem einzuhandeln, Selbstbeziehung im logischen Fortgang auch nicht mehr einholen zu k¨onnen. Entsprechend wird Hegel gelegentlich unterstellt, er habe aus systemlogischen Gr¨unden einer Reflexionstheorie von Selbstbeziehung und Selbstbewusstsein angehangen42 . Dagegen l¨asst sich jedoch zeigen, dass das Dilemma, entweder voraussetzungslos mit Sein als bloßer Unbestimmtheit zu beginnen, Selbstbeziehung dann aber nicht mehr einholen zu k¨onnen, oder aber Selbstbeziehung bloß voraussetzen zu m¨ussen, nicht besteht. Vielmehr legt Hegels Kennzeichnung des Seins als reiner Beziehung auf sich nahe, dass die reflexionslose Unbestimmtheit des Seins, obzwar unthematisch, nichts anderes als pr¨areflexive Selbstbeziehung darstellt43 . Doch wie ist dies mit dem voraussetzungslosen Beginn mit bloßer Unbestimmtheit vereinbar? Offenbar kann zu Anfang voraussetzungslosen Denkens nicht einmal pr¨areflexive Selbstbeziehung als solche thematisch sein. Daher beginnt die Logik auch nicht ausdr¨ucklich mit dieser, sondern mit der pr¨areflexiven Unbestimmtheit des Seins. Letzteres erweist sich jedoch in einem operativen Sinn als selbstbez¨uglich. Denn in seiner Unbestimmtheit ist das Sein unmittelbares Sich-als-anderes-Setzen oder Selbstentstellung ins Nichts. Denn da Sein seine ¨ Uberf¨ uhrung in Nichts an ihm selbst hat und dieses nicht bloß a¨ ußerlich an seine Stelle tritt, l¨asst sich der Umschlag des Seins ins Nichts angemessen nicht anders als dadurch ausdr¨ucken, dass es sich selbst zu Nichte“ mache. Daher ” schließt bereits der logische Anfang mit bloßer Unbestimmtheit in einem unthematischen und operativen oder prozessualen Sinn einen Keim pr¨areflexiver Selbstbeziehung ein, der in der selbstentstellenden Natur des Seins liegt44. 40 Manfred Frank legt Hegel in diesem Sinne eine Reduktion des Seins auf Reflexion“ ” zur Last [F RANK 1975: 116]. 41 Vgl. etwa V11,75128−35. 42 Vgl. H ENRICH 1970: 281; F RANK 1991a: 594. 43 Vgl. S CHULZ -S EITZ 1973: 369. 44 Dieser operative Charakter der Selbstbeziehung des Seins, die in seiner Selbstentstel-
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2.1.1.3 Von endlicher zu unendlicher Bestimmtheit Das Dasein ist als Einheit von Sein und Nichts, in der das Werden zum Stillstand gekommen ist, nicht mehr Unbestimmtheit, sondern bestimmtes Seyn“ ” oder Bestimmtes45 . An sich ist das Dasein so zwar gewordene Einheit von Sein und Nichts, als Bestimmtes jedoch eine konkrete Kategorie, nicht etwa aus Sein und Nichts zusammengesetzt. Entsprechend fasst Hegel das Dasein als das ein” fache Einsseyn des Seyns und Nichts“ 46 . Zun¨achst macht sich an ihm als Bestimmtem unmittelbar kein negatives Moment bemerkbar, sondern es erscheint rein positiv und hat insofern die Form des Seyns“ 47 . Allerdings kann das Da” sein in sich nicht einfach unterschiedslos sein, weil es sonst noch das Sein und damit Nichts w¨are. Insofern es eine einfache, aber in sich gegliederte Bestimmung ist, m¨ussen sich an ihm unterschiedliche Aspekte abheben lassen. Dabei ist nur aufzunehmen, als was es sich ergeben hat: Es ist und ist bestimmt48. Am Dasein lassen sich also sein Sein und seine Bestimmtheit unterscheiden. Von ihm aus wird so aber nicht a¨ ußerlich fortgeschritten, sondern immanent, insofern nur seine eigene Bestimmtheit an ihm zur Abhebung kommt. Ein solcher Unterschied muss aber zur Abhebung kommen, weil das Dasein nur deshalb nicht die reine Unbestimmtheit des Seins oder Nichts ist, weil es sie als unselbst¨andige Aspekte in sich tr¨agt und insofern in sich unterschieden ist. Ein in sich Unterschiedenes zu fassen, heißt aber zugleich, solches zu fassen, an dem Unterschiede abhebbar sind. Insofern das Dasein nicht selbst seine Bestimmtheit ist, ist der gesonderte Hervortritt der Bestimmtheit an ihm Negation. Diese meint hier aber kein ¨ ¨ Ubergehen zu einem dem Dasein Außerlichen, sondern ist insofern innere Negation, als sie das Hervortreten eines vom Dasein unterschiedenen Aspekts seiner selbst markiert. Die abgehobene Bestimmtheit des Daseins nennt Hegel Qualit¨at“ und fasst sie n¨aher als unmittelbare oder seyende Bestimmtheit“ 49. ” ” Damit ist gemeint, dass die Bestimmtheit des Daseins keine auswechselbare oder von ihm abl¨osbare Bestimmtheit darstellt, sondern das Dasein nur sofern und solange ist, als es mit dieser Bestimmtheit eins ist, denn ohne sie w¨are es bloßes Sein und damit Nichts. Insofern die Qualit¨at vom Dasein unabl¨osbar ist, hat es seine Qualit¨at im Unterschied zu einem Ding mit Eigenschaften, die von ihm abl¨osbar gesetzt sind, nicht, sondern ist sie. lung liegt, wird etwa in folgender Bemerkung Hegels deutlich: Das reine Sein ist die reine ” Beziehung auf sich selbst, die Identit¨at, wie das Licht. Dieses ist absolute Verbreitung, ein Hin64−66 ausgehen aus sich, das aber immer sich gleichbleibt“ [V11,73 ]. 45 21,963 . 46 21,973−4. 47 Vgl. 21,9712−15. 48 Vgl. Daseyn ist Seyn mit einer Bestimmtheit“ [20,12929]. 49 Vgl. ” 21,963−4.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Das Dasein schließt seiner Bestimmtheit gem¨aß damit eine gewisse Seinsf¨ulle ein. Nun kann dies aber keine reine F¨ulle sein, weil das Dasein sonst nichts anderes als das Sein w¨are. Die Bestimmtheit des Daseins kann daher nur den Einschluss gewisser Seinsf¨ulle und damit bloß relativen Einschluss bedeuten. Ein solcher kann aber nur vorliegen, wenn er von sich her mit dem Ausschluss anderer Seinsf¨ulle gekoppelt ist. Die Qualit¨at des Daseins kann daher nicht schlichtweg positiv sein. Vielmehr m¨ussen in ihm Realit¨at als Einschluss gewisser sachhaltiger Bestimmtheit und Negation als Ausschluss gewisser Bestimmtheit gekoppelt sein. Entsprechend ist das Dasein ein Seyn mit der Nega” tion oder Bestimmtheit“ 50. Das Dasein ist daher nur bestimmt, weil in ihm Einund Ausschluss gewisser Seinsf¨ulle vertr¨aglich aneinander gekoppelt sind. Die daseinslogische Negation meint dabei negierte Qualit¨at, also Bestimmtheit, die nicht von sich her, sondern formell durch Ausschluss einer anderen bestimmt ist. ¨ Der Ubergang von der Qualit¨at als unmittelbarer Bestimmtheit zur Negation als vermittelter Bestimmtheit ist damit zugleich r¨uckwirkende Unterscheidung zwischen Qualit¨at als Bestimmtheit u¨ berhaupt und Realit¨at als solcher Bestimmtheit, die ausdr¨ucklich als unmittelbar oder positiv gesetzt ist51 . Die Qualit¨at markiert, was etwas ist, n¨amlich Bestimmtheit, dank derer bestimmtes Sein ist, was es ist. Entsprechend meint Realit¨at n¨aher die positive Bestimmtheit, welche die Sachhaltigkeit einer Sache ausmacht. Wenn etwa Kleinkinder erstmals danach fragen, was etwas ist, fragen sie nach der Realit¨at. Geantwortet wird darauf n¨amlich mit der Angabe einer Bestimmtheit im Singular ( eine Wiese“), welche die Bestimmtheit der Sache ausmacht und we” der eine Eigenschaft unter mehreren darstellt noch als wesentliche gegen¨uber unwesentlichen eingef¨uhrt wird, weil auf dieser logischen Stufe des Diskurses noch gar keine Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften thematisch sein kann. Die Qualit¨at ist Bestimmtheit, die mit dem Sein des Bestimmten eins und von ihm daher nicht abl¨osbar ist. Mit der Explikation der Beziehung zwischen dem Dasein und seiner Bestimmtheit als Selbstverh¨altnis hat sich das Etwas ergeben. Im Etwas ist somit ausdr¨ucklich, dass das Bestimmte von seiner Bestimmtheit untrennbar und in ihr daher auf sich bezogen ist. Das Etwas ist so das Dasein, insofern es in seiner von ihm unterschiedenen Bestimmtheit, der Qua50
20,12924−25. Vgl. Aber das Daseyn, in welchem ebensowohl das Nichts als das Seyn enthalten, ” ist selbst der Maßstab f¨ur die Einseitigkeit der Qualit¨at als nur unmittelbarer oder seyender Bestimmtheit. Sie ist ebensosehr in der Bestimmung des Nichts zu setzen, womit dann die unmittelbare oder seyende Bestimmtheit als eine unterschiedene, reflectirte gesetzt wird, das Nichts so als das bestimmte einer Bestimmtheit, ist ebenso ein reflectirtes, eine Verneinung. Die Qualit¨at, so daß sie unterschieden als seyende gelte, ist die Realit¨at; sie als mit einer Verneinung behaftet, Negation u¨ berhaupt“ [21,9823−29]. 51
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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lit¨at, auf sich bezogen ist52 . Aufgrund dieser Selbstbeziehung von Bestimmtem und Bestimmtheit, die im Etwas gesetzt ist, kann Hegel dieses als Anfang des ” Subjects“ bezeichnen53 . Nun ist das Etwas nur insofern bestimmt, als es weder Sein noch Nichts, weder reiner Einschluss noch reiner Ausschluss ist, sondern diese in ihm auf Grundlage gegenseitigen Ausgleichs sozusagen friedlich vereinigt sind. Insofern sich Ein- und Ausschluss in Gestalt des Daseins gegeneinander eingeschr¨ankt haben, schließt das Etwas zugleich gewisse Seinsf¨ulle ein und gewisse aus. W¨ahrend Sein und Nichts den logischen Raum zun¨achst jeweils f¨ur sich allein beanspruchten, r¨aumen sie einander im Dasein also gewissen Raum innerhalb einer u¨ bergreifenden Bestimmung ein. Dass Ein- und Ausschluss im Dasein damit ausgeglichen vereinigt sind, bedeutet aber, dass der Ausschluss den Einschluss, mit dem er vereinigt ist, gerade nicht ausschließt und insofern kein reiner, sondern nur bestimmter Ausschluss ist. W¨urden n¨amlich der dem Etwas eigene Ein- und Ausschluss einander ausschließen, w¨are das Dasein gar keine Einheit, weil Ein- und Ausschluss in ihm unvertr¨aglich und so immer noch Sein und Nichts w¨aren. Der im Etwas liegende relative Ausschluss kann also nicht die vom Etwas eingeschlossene relative Seinsf¨ulle ausschließen, sondern nur andere, damit ihrerseits bloß relative F¨ulle. Was das Etwas von sich ausschließt, ist daher nicht etwa das Sein schlechthin, sondern seinerseits bestimmtes Sein und damit ein anderes Etwas. Damit hat sich aus dem Etwas selbst ein Verh¨altnis zwischen Etwas und Anderem ergeben. Entsprechend ist ” das Andere nicht ein solches, welches wir nur finden, dergestalt, dass Etwas auch ohne dasselbe gedacht werden k¨onnte, sondern Etwas ist an sich das Andere seiner selbst“ 54 . Die logische Entfaltung des Daseins zum Verh¨altnis von Etwas und Anderem l¨asst sich nun wieder begriffsschriftlich darstellen. Dabei k¨onnen zugleich Unterscheidungen eingeholt werden, die Hegel nur u¨ berblicksweise trifft, ohne sie im Zuge des logischen Fortgangs zu erl¨autern. R¨uckblickend l¨asst sich 52 Vgl. Das Daseyn als in dieser seiner Bestimmtheit in sich reflectirt ist Daseyendes, Et” was“ [20,12930-1301]. Insofern etwas daseinslogisch genau eine qualitative Bestimmtheit hat, die mit seinem Sein zusammenf¨allt, kann auf dieser Stufe der logischen Entwicklung weder von mannigfachen Bestimmungen von etwas gesprochen noch zwischen variablen und invariablen Bestimmungen einer Sache unterschieden werden. Die M¨oglichkeit dazu ergibt sich erst ¨ mit dem Ubergang zur Quantit¨atslogik, der eine Unterscheidung zwischen variablen und inva¨ riablen Bestimmungen etabliert. Diese einfache Unterscheidung wird mit dem Ubergang zur Maßlogik jedoch ihrerseits unterminiert: Einerseits, indem sich zeigt, dass auch die Variabilit¨at ¨ quantitativer Bestimmungen ihre Grenze hat, deren Uberschreitung den Verlust der Sache mit sich bringt; andererseits, indem sich zeigt, dass sich eine Sache u¨ ber den Verlust ihrer Qualit¨at hinweg erhalten kann. Ihr Wesen als dasjenige, was ihre Einheit garantiert, kann daher keine fixe Bestimmung oder Qualit¨at sein, sondern ist als Prozess- oder Vollzugsform zu bestimmen. 53 21,10323. 54 TW8,197f. Z.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
n¨amlich unterscheiden zwischen dem Dasein, wie es noch unabh¨angig von der Abhebung seiner Qualit¨at an ihm und seinem Verh¨altnis zu anderem auftritt ( Dasein u¨ berhaupt“), dem Dasein als solchem“ qua Oberbegriff der zuvor ge” ” nannten Formen des noch isoliert auftreten Daseins, und dem Dasein“ tout ” court als Oberbegriff zu allen besonderen Formen des Daseins. Im logischen Fortgang wird der Unterschied zwischen Dasein u¨ berhaupt und Dasein als sol¨ chem r¨uckwirkend mit dem Ubergang zur Qualit¨at (1) explizit, derjenige von ¨ Dasein als solchem und Dasein mit dem Ubergang zu Etwas und Anderem (3):
innere Negation Dasein u¨ berhaupt
D3 1
1
1
D3
Etwas und Anderes
Qualit¨at
1
D3
3
Dasein als solches
D3
2
a¨ uß
er e
n atio Neg
D3 4
4
D3 Endlichkeit
2
Etwas
D Dasein
Wie sich gezeigt hat, hat das Etwas verm¨oge der zu ihm geh¨origen Negation die ausschließende Beziehung nicht auf seine eigene Bestimmtheit, sondern auf die von anderem an sich. Indem sich am zun¨achst einzeln auftretenden Etwas so die ausschließende Beziehung auf anderes außer ihm ergeben hat, sind wir logisch vom Dasein als solchem zu seiner vermittelten Gestalt gelangt, der Endlichkeit als a¨ ußerlichem Verh¨altnis von Etwas und Anderem. Das Andere ist als Bestimmtes aber seinerseits ein Etwas und das Etwas diesem gegen¨uber umgekehrt selbst ein anderes. Zwar beziehen sich daher beide von sich her ausschließend aufeinander. Ihr Verh¨altnis ist aber insofern eine a¨ ußerliche Beziehung, als etwas und anderes einander gegen¨uber Selbstand beanspruchen, da jedes ausdr¨ucklich etwas anderes ist als das andere und nicht etwa unselbst¨andiger Aspekt von diesem oder einem u¨ bergreifenden Ganzen55 . 55
Insofern Etwas und Anderes an sich selbst¨andig gesetzt sind, m¨ussen sie auch unabh¨angig voneinander genommen werden k¨onnen. Das negative Moment des Etwas kann sich dann aber nicht mehr auf das Andere beziehen, sondern nur auf das Etwas selbst, das damit kein anderes eines anderen, sondern das Andere seiner selbst ist. Auf diese Weise l¨asst sich kl¨aren, wie Hegel von der Beziehung von Etwas und Anderem auf das Andere seiner selbst“ ” [21,10610] kommen kann. Insofern der negativen Beziehung des Etwas auf sich seine eigene
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Zugleich selbst¨andig auftretend, dabei aber auf das Andere bezogen, kann Etwas auf unterschiedliche Weise im Verh¨altnis zu diesem betrachtet werden: Unabh¨angig von der Beziehung auf Anderes ist sein Sein Ansichsein, in Beziehung auf dieses dagegen Sein-f¨ur-anderes. Dabei markiert das Ansichsein darum eine Form des a¨ ußerlichen Verh¨altnisses, weil es gerade das Sein von solchem meint, das in a¨ ußerlichem Verh¨altnis zu anderem steht, insofern von diesem Verh¨altnis abgesehen wird. Die Negation des Ansichseins ist daher das Sein-f¨ur-anderes, insofern dieses meint, dass statt des Herausgenommenseins des Etwas aus seinem Verh¨altnis zum Anderen gerade seine Beziehung auf dieses im Blick steht. Wird nicht das Etwas u¨ berhaupt, sondern seine Qualit¨at aus dem Blickwinkel des Ansichseins und des Seins-f¨ur-anderes betrachtet, ergeben sich Bestimmung und Beschaffenheit. Denn die Bestimmung markiert, was Etwas an sich oder unabh¨angig von seinem Bezug auf Anderes ist, die Beschaffenheit umgekehrt, was es f¨ur Anderes ist. Die Bestimmung bezeichnet so Bestimmtheit, die, dem Anderen gleichsam abgewandt, allein dem Etwas angeh¨oren soll56 , die Beschaffenheit dagegen Bestimmtheit, worin Etwas f¨ur Anderes oder diesem zugekehrt ist57 . Seiner Bestimmung treu zu bleiben, heißt entsprechend, dass etwas die Bestimmtheit, die ihm an sich angeh¨ort, auch in seiner Verwicklung mit anderem rein bewahrt. Dagegen erf¨ullt etwas seine Bestimmung, wenn es das, was es an sich ist, auch f¨ur anderes ist, seine Bestimmung also zugleich Beschaffenheit ist. Die Erf¨ullung der Bestimmung ist damit weder schon modal ¨ als Ubergang von einer bloßen M¨oglichkeit zu ihrer Verwirklichung noch als ¨ Manifestation eines Inneren in Außerem zu fassen. Dass etwas seine Bestimmung erf¨ullt, heißt zun¨achst einfach, dass das, was es an sich ist, auch an ihm ist. Ein Warnschild erf¨ullt etwa seine Bestimmung, wenn es nicht nur an sich unbemerkt dasteht, sondern so aufgestellt ist, dass es f¨ur andere bemerkbar ist, die es warnt. Nun bestehen Ansichsein und Sein-f¨ur-anderes aber nicht einfach unabh¨angig voneinander, sondern setzen einander wechselseitig voraus. Denn Ansichsein meint das Sein von solchem, das in Beziehung auf anderes steht, insofern von dieser Beziehung abgesehen wird. Ansichsein ist daher nie unbedingt, Andersheit von sich entspringt, macht sich das Etwas von sich her zum einem Anderen und ver¨andert sich insofern. Dies deutet darauf hin, dass das Andere-seiner-Selbst erst beim immanenten Hinausgang des Etwas u¨ ber sich und damit beim Vergehen seinen systematischen Ort hat. 56 Vgl. Ansichsein ist unterschieden von Sein f¨ ur Anderes, dasselbe ausgesprochen als ” das Reale als seiend, das sich gegen¨uber hat das Sein f¨ur Anderes, so ist es das, was wir die Bestimmung heißen“ [V10,108426−28]. 57 Die Beschaffenheit ist so Bestimmtheit, die nur Seyn-f¨ ur-anderes ist“ oder das ” ” a¨ ußerliche Dasein des Etwas, das auch sein Dasein ist, aber nicht seinem Ansichsein angeh¨ort“ 17−22 [21,111 ].
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sondern immer relativ, n¨amlich Herausgenommensein aus der Beziehung auf anderes vor dem Hintergrund der Beziehung auf anderes. Reines Ansichsein außer aller Beziehung auf anderes w¨are dagegen bloß Sein und damit Nichts58 . Ansichsein gibt es daher u¨ berhaupt nur ineins mit Sein-f¨ur-anderes, weil alles Bestimmte von sich her auf anderes bezogen ist. Umgekehrt schließt Sein-f¨uranderes Ansichsein ein. Denn h¨atte, was etwas f¨ur anderes ist, nichts mit seinem Ansichsein zu tun, w¨are nicht das F¨ur-anderes-Sein dieses Etwas, sondern solches thematisch, was mit diesem nichts zu tun hat, und daher kein Sein-f¨uranderes dieses Etwas, sondern etwas anderes als dieses. Was Etwas an sich ist, muss daher in sein Sein-f¨ur-anderes eingehen, und was Etwas f¨ur Anderes ist, kann es nicht unab¨angig von seinem Ansichsein sein. Dieser Zusammenhang bedeutet jedoch nicht, es gebe keinen Unterschied zwischen Ansichsein und Sein-f¨ur-anderes, sondern nur, dass beide nicht unabh¨angig voneinander bestehen k¨onnen. Es muss daher eine eigene Bestimmung geben, in der Ansichsein und Sein-f¨ur-anderes zusammenh¨angen. Dass es eine solche Bestimmung gibt, ist aber in Gestalt des Verh¨altnisses von Etwas und Anderem von Anfang an vorausgesetzt und braucht bloß noch ausdr¨ucklich gemacht zu werden. Denn wo nur Etwas, Anderes und ihr a¨ ußerliches Verh¨altnis vorliegen, k¨onnen Etwas und Anderes nicht dank eines Dritten aufeinander bezogen sein, sondern m¨ussen von sich her durch solches miteinander in Beziehung stehen, was ihnen zugleich an sich angeh¨ort und mit dem jeweils anderen gemeinsam ist. Das, wodurch Etwas mit Anderem in Beziehung steht, muss so dem Etwas selbst angeh¨oren und damit seinem Ansichsein. Zugleich ist es das, worin und wodurch Etwas auf Anderes bezogen ist, und geh¨ort so auch seinem Sein-f¨ur-anderes an. Damit ist das, worin es auf Anderes bezogen ist, auch solches, wodurch sich dieses umgekehrt auf jenes bezieht, und geh¨ort so auch dessen Ansichsein an. Das, wodurch Etwas und Anderes aufeinander bezogen sind, und was damit selbst weder Etwas noch Anderes, aber zugleich das ist, worin beide zusammenkommen, ist die Grenze. Sie ist so die konkrete Bestimmung, in der Ansichsein und Sein-f¨ur-anderes zusammenfallen, weil sie sowohl zum Etwas selbst geh¨ort wie dasjenige darstellt, wodurch es f¨ur Anderes ist. Die Grenze ist damit dasjenige am Etwas selbst, wodurch es zugleich nicht mehr es selbst, sondern bereits Anderes ist. Indem die Grenze allein durch Etwas und Anderes und dadurch bestimmt ist, weder Etwas noch Anderes zu sein, ist sie die bestimmte Negation von Etwas und Anderem und damit deren logischer Nachfolger. Sie markiert dabei noch keine r¨aumliche Bestimmung, sondern ist logisch als das bestimmt, was Etwas und Anderes bezieht, indem es 58 Diese Uberlegung ¨ bildet die logische Grundlage von Hegels Kritik der Rede vom Ding ” an sich“ und der Annahme eines Ansichseins, das grunds¨atzlich nicht f¨ur ein Erkennen sein 26 15 kann, vgl. 21,108 –109 .
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sie trennt. Insofern die Grenze dem Etwas nicht einfach a¨ ußerlich ist, sondern seinem Ansichsein angeh¨ort, ist sie f¨ur es selbst konstitutiv. Denn allein dank seiner Grenze ist Etwas von Anderem unterschieden: Etwas ist nur in seiner ” Grenze und durch seine Grenze das, was es ist“ 59 . Das Etwas ist daher an sich begrenzt und seine Grenze ihm nicht einfach a¨ ußerlich. Es bezieht sich zugleich durch seine Grenze auf Anderes und in ihr auf sich. Gesetzt mit der Grenze als ihm selbst angeh¨orig und insofern als an ihm selbst begrenzt ist es das Endliche. Denn insofern etwas als Begrenztes am Anderen sein Ende hat, ist es endlich. Etwas, Anderes und Grenze sind damit Formen der Endlichkeit60 . Die Grenze ist f¨ur das Etwas als Endliches zwar konstitutiv, zugleich aber von ihm als das unterschieden, wo es aufh¨ort und solches, was es nicht ist, beginnt. Insofern das Endliche damit in Gestalt seiner Grenze solches an sich hat, was es nicht ist, ist es ausschließend auf seine Grenze bezogen. Die Grenze als dasjenige am Etwas, worauf dieses sich negativ bezieht, ist so das, was das Etwas beschr¨ankt und damit Schranke. Deren Gegenst¨uck, die negative Beziehung des Etwas auf seine Schranke, gleichsam der innere Druck gegen seine Begrenztheit, nennt Hegel Sollen“. Das Sollen ist insofern bloßes Sollen, weil ” es ein Hinausdr¨angen u¨ ber die Schranke als dasjenige markiert, was das Endliche und damit das Sollen zugleich erst erm¨oglicht. Sollen meint daseinslogisch damit ein Hinausdr¨angen, das grunds¨atzlich keine Erf¨ullung finden kann, weil das, wor¨uber es hinausdr¨angt, ihm selbst unweigerlich eingeschrieben ist. ¨ Uber Schranke und Sollen ist logisch nun nicht deshalb hinauszugehen, weil der innere Druck des Endlichen gegen seine Schranke irgendwann einen Grad erreicht, der die Schranke zerbricht. Damit w¨are dem logischen Fortgang nur die Vorstellung eines realen Vorgangs unterlegt, der zudem quantitative Bestimmungen beinhaltet, die an dieser Stelle noch gar nicht thematisch sein k¨onnen. Dass das Endliche u¨ ber seine Schranke hinausgeht, ergibt sich vielmehr aus dem Widerspruch seiner Begrenztheit. Denn die Grenze geh¨ort zwar dem Ansichsein des Endlichen an und ist so f¨ur dieses bestimmend, weshalb das Etwas nur in und durch seine Grenze ist, was es ist, unabh¨angig von ihr also keinen Selbstand hat. Zugleich ist die Grenze aber das, worin im Etwas bereits das anf¨angt, was nicht mehr es selbst ist. In Gestalt der Grenze tr¨agt das Etwas so das, was es nicht ist, in sich selbst. Der Widerspruch des Endlichen besteht daher darin, dass das, was es nicht ist, zugleich bestimmend f¨ur das ist, was 59
TW8,195 Z. Genauer w¨are zu unterscheiden zwischen Endlichkeit und Endlichem. Denn sowohl Etwas und Anderes wie die Grenze sind Formen a¨ ußerlicher Beziehung und damit der Endlichkeit. Das Endliche meint dagegen nicht einfach a¨ ußerliche Beziehung, sondern Etwas, insofern es begrenzt ist. Durch seine Grenze ist das Endliche damit auf solches bezogen, an dem es sein Ende hat. Es kann darum nicht nur ein Endliches geben, sondern das Endliche ist ein ontologisches Pluraliatantum. 60
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es ist, n¨amlich f¨ur seinen Selbstand oder sein Ansichsein. Damit liegt der Widerspruch des Endlichen darin, zugleich selbst¨andig und unselbst¨andig zu sein, weil solches, was es nicht ist, f¨ur es konstitutiv ist und es insofern ist, was es nicht ist. F¨ur den Selbstand des Endlichen ist damit solches konstitutiv, was es zu einem Unselbst¨andigen macht. Damit ist es selbst nur durch solches, was es nicht ist, und widerspricht sich daher. Insofern der Widerspruch darin besteht, dass das Endliche nicht ist, was es ist, ist es darin negiert. Es negiert sich also insofern selbst, als es sich von sich her als das erweist, was nicht es selbst ist61 . Etwas anders betrachtet ist die negative Beziehung des Endlichen auf seine Schranke, weil diese als Grenze zugleich f¨ur das endliche Etwas konstitutiv ist, negative Beziehung des Endlichen auf sich. Indem das Endliche im Sollen negativ auf seine Schranke bezogen ist, diese aber zugleich seinem Ansichsein angeh¨ort, ist diese ausschließende Beziehung auf seine Schranke ausschließende Beziehung auf sich selbst. In der Negation der Schranke liegt damit zugleich die Selbstnegation des Endlichen als solchen. Dem Endlichen st¨oßt sein Vergehen somit nicht a¨ ußerlich zu, weil es seine eigene Bestimmung ist, sich aufzuheben62 . Da das Vergehen des Etwas die bestimmte Negation seiner selbst ist, f¨uhrt es nicht zu nichts, sondern zu einem anderen Etwas. Dieses ist als Bestimmtes aber selbst beschr¨ankt und muss daher gleichfalls von sich aus vergehen. Das Vergehen des Endlichen durch seine eigene Grenz¨uberschreitung m¨undet damit in einen unendlichen Progress, da jedes Vergehen auf Etwas f¨uhrt, das seinerseits vergeht63 . Dieser Progress hat aber darum kein erstes Glied, weil jedes Etwas an sich auch Anderes ist und daher selbst schon Ergebnis des Vergehens von Etwas. Zum Vergehen des Endlichen geh¨ort damit zugleich das unaufh¨orliche Wiedererstehen von anderem Endlichen. In diesem Vergehen liegt damit aber solches, was selbst nicht vergeht, sondern sich durchh¨alt64 . Denn da das Vergehen des Endlichen nicht einfach zu nichts f¨uhrt, sondern zu einer unbegrenzten Rei61 Es ist n¨ amlich das Etwas ganz in seiner Grenze, das Andere ist ebenso in seiner Grenze, ” so hat das Etwas das Andere an ihm selber, damit ist das Etwas als Widerspruch mit sich selbst gesetzt, als sich selbst vernichtend, als sich ein Ende machend“ [V10,11090−93]. 62 Vgl. Etwas mit seiner immanenten Grenze gesetzt als der Widerspruch seiner selbst, ” durch den es u¨ ber sich hinausgewiesen und getrieben wird, ist das Endliche“ [21,11610−11]; 17−19 vgl. 21,133 . 63 Vgl. Das Endliche ist so der Widerspruch seiner in sich; es hebt sich auf, vergeht. ” Aber diß sein Resultat, das Negative u¨ berhaupt, ist α) seine Bestimmung selbst; denn es ist das Negative des Negativen. So ist das Endliche in dem Vergehen nicht vergangen; es ist zun¨achst nur ein anderes Endliches geworden, welches aber ebenso das Vergehen als Uebergehen in ein anderes Endliches ist, und so fort, etwa ins Unendliche“ [21,12325−30]. 64 Vgl. Aber β) n¨ aher diß Resultat betrachtet, so hat das Endliche in seinem Vergehen, ” dieser Negation seiner selbst, sein Ansichseyn erreicht, es ist darin mit sich selbst zusammengegangen“ [21,12330−32]. Diese Identit¨at mit sich, die Negation der Negation, ist affirmatives
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he ineinander Vergehender, liegt im Vergehen solches, was selbst nicht vergeht. Indem das Vergehen dem Endlichen n¨amlich weder a¨ ußerlich zust¨oßt noch einfach in seinem spurlosen Verschwinden besteht, u¨ berf¨uhrt sich das Endliche selbst durch eigenen Zwang in Anderes. Obwohl es in ein von ihm verschiedenes Anderes vergeht, ist damit ein Moment des Sich-Kontinuierens im Vergehen ausgemacht. Denn indem das Vergehen des Endlichen nicht zu nichts, sondern zu seinerseits Endlichem f¨uhrt, liegt darin ein Moment von Unverg¨anglichkeit, das selbst kein Endliches ist. Der Unterschied zwischen dem Verg¨anglichen und solchem, was selbst nicht vergeht, ergibt sich damit aus dem Vergehen des Endlichen selbst. Denn was sich im Vergehen des Endlichen in anderes Endliches durchh¨alt, ist selbst kein Endliches, weil es keine Grenze hat und selbst nicht vergeht, sondern Negation des Endlichen und somit Unendliches. Das qualitativ Unendliche hat sich damit als Kontinuit¨at im Vergehen des Endlichen erwiesen und ist somit dasjenige in diesem Vergehen, was selbst nicht endet65 . Derart steht das Unendliche dem Endlichen aber zun¨achst selbst als Anderes gegen¨uber. Ist das Unendliche vom Endlichen aber unmittelbar als dasjenige unterschieden, was im Vergehen selbst nicht vergeht, verhalten sich Endliches und Unendliches zueinander zun¨achst selbst als Endliche. Daher ist noch keine tragf¨ahige Bestimmung des Verh¨altnisses von Endlichem und Unendlichem erreicht, weil beide nicht bleiben k¨onnen, was sie sind, solange sie sich wie Etwas und Anderes gegen¨uberstehen. Solange sie sich n¨amlich a¨ ußerlich wie Etwas und Anderes zueinander verhalten, schlagen Endliches und Unendliches sozusagen unter gegenseitigem Einfluss ineinander um. Hegel nennt diese Bewegung die Wechselbestimmung ” des Endlichen und Unendlichen“, aus welcher sich eine tragf¨ahige Bestimmung des Unendlichen und seines Verh¨altnisses zum Endlichen erst ergeben wird66 . Solange das Endliche dem Unendlichen n¨amlich als solches gegen¨ubersteht, an dem dieses seine Grenze hat, ist das Unendliche selbst begrenzt und damit Endliches. Umgekehrt hat es das Endliche, solange es dem Unendlichen gegen¨uber Seyn, so das Andere des Endlichen, als welches die erste Negation zu seiner Bestimmtheit haben soll; – jenes Andere ist das Unendliche“ [21,1242−5]. 65 Houlgate f¨ uhrt pr¨agnant aus: Infinite being is not to be found by going on for ever and ” ever, whether in space or time or counting. It is encountered whereever one finite thing gives way to another: for it is simply the being that in the demise of any finite thing turns out not to come to an end after all. [...] It is being that, in contrast to finite being, does not end but always is. Or to be more precise, it is being that constantly continues itself as unending in and through the demise of finite things“ [H OULGATE 2006a: 398f.]. 66 So umreißt Hegel die logische Entwicklung des qualitativ Unendlichen folgendermaßen: Das Unendliche ist a. in einfacher Bestimmung das Affirmative als Negation des End” lichen; b. es ist aber damit in Wechselbestimmung mit dem Endlichen, und ist das abstracte, einseitige Unendliche; c. das Sich-aufheben dieses Unendlichen wie des Endlichen als Ein Proceß, – ist das wahrhaft Unendliche“ [21,12424−30].
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selbst¨andig auftritt, an sich, sich ins Unendliche aufzuheben, denn eben dies ist die Bestimmung des Endlichen. Dieses wechselseitige Umschlagen von Endlichem und Unendlichem ineinander l¨asst sich nicht einfach dadurch in eine tragf¨ahige Bestimmung ihres Verh¨altnisses verwandeln, indem behauptet wird, das wahrhaft Unendliche stehe dem Endlichen nicht a¨ ußerlich gegen¨uber, sondern sei Einheit des Endli” chen und Unendlichen“. Denn dies w¨are nur ein Ausdruck dessen, dass Endliches und Unendliches weiter als Etwas und Anderes nebeneinander gestellt sind67 . Derart nebeneinander gestellt erweisen sich Endliches und Unendliches gleichermaßen als umschlagend in und hervorgehend aus ihrem anderen. Denn keines kann beanspruchen, als erstes umzuschlagen, sodass eines prim¨ar als u¨ bergehend, das andere prim¨ar als u¨ bergegangen zu setzen w¨are. Insofern das Umschlagverh¨altnis von Endlichem und Unendlichem damit kein erstes Glied hat, bildet es eine unfundierte Reihe, in der Endliches und Unendliches jeweils ineinander umschlagen68 . Die Glieder dieses unfundierten Umschlagsverh¨altnisses sind darin nun aber im Verh¨altnis der Andersheit zueinander fixiert und k¨onnen sich darum nicht dadurch unterscheiden, dass eines Endliches, das andere Unendliches ist, da jedes als Glied eines a¨ ußerlichen Verh¨altnisses Endliches ist. Damit sind die Glieder der Reihe aber schlechthin gleich bestimmt, n¨amlich jedes als u¨ bergegangen aus und u¨ bergehend in anderes. Insofern sie sich damit aber durch nichts unter¨ scheiden, stehen die Glieder des Ubergangsverh¨ altnisses einander gerade nicht ¨ mehr als Endliche fremd gegen¨uber und gehen in ihrem Ubergang ineinander insofern mit sich selbst zusammen69 . Damit ist der Gegensatz von Endlichem und Unendlichem aufgehoben, weil sich eine Bewegung ergeben hat, deren ¨ Glieder im Ubergehen in anderes mit sich selbst zusammengehen. Damit ist 67 Vgl. [Wenn] die wahrhafte Unendlichkeit als Einheit des Unendlichen und Endlichen ” bestimmt und ausgesagt wird, so enth¨alt der Ausdruck zwar Richtiges, aber er ist ebenso sehr schief und falsch wie vorhin von der Einheit des Seyns und Nichts bemerkt worden ist. Er f¨uhrt ferner auf den gerechten Vorwurf von der Verendlichung der Unendlichkeit, von einem endlichen Unendlichen. Denn in jenem Ausdruck erscheint das Endliche als belassen; es wird nicht ausdr¨ucklich als aufgehoben ausgedr¨uckt“ [20,13222−29]. 68 Vgl. Das Endliche ist das Einemal, das Unendliche das Andremal als Ausgangspunkt ” genommen, und nur dadurch entstehen zwey Resultate. Es ist aber v¨ollig gleichg¨ultig, welches als Anfang genommen werde; damit f¨allt der Unterschied f¨ur sich hinweg, der die Zweyheit der Resultate hervorbrachte. Diß ist in der nach beyden Seiten unbegrenzten Linie des unendlichen Progresses gleichfalls gesetzt, worin jedes der Momente mit gleichem abwechselndem Vorkommen vorhanden ist und es ganz a¨ usserlich ist, in welche Stelle gegriffen und als Anfang genommen werde“ [21,13518−24]. 69 Vgl. Indem sie beyde, das Endliche und das Unendliche selbst Momente des Processes ” sind, sind sie gemeinschaftlich das Endliche, und indem sie ebenso gemeinschaftlich in ihm und im Resultat negirt sind, so heißt dieses Resultat als Negation jener Endlichkeit beyder mit Wahrheit das Unendliche“ [21,13526−29].
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eine Bestimmung wahrhafter Unendlichkeit erreicht, die nicht mehr bloß Kontinuit¨atsmoment im Vergehen von Endlichem ist und dabei den Prozessgliedern als selbst Endlichen noch entgegengesetzt w¨are. Vielmehr bildet die wahrhaf¨ te Unendlichkeit als Zusammengehen mit sich im Ubergang in anderes einen Prozess, dessen Glieder von ihr nicht einfach als endliche unterschieden sind, sondern den Gegensatz von Endlichem und Unendlichem in sich aufgehoben ¨ haben. Auch die wahrhafte Unendlichkeit ist so ein Ubergangsverh¨ altnis von ¨ Etwas in Anderes, doch so, dass dieses Ubergehen nur Zusammengehen mit sich oder Selbstvermittlung ist: Was in der Tat vorhanden ist, ist, daß Etwas zu Anderem und das Andere u¨ berhaupt zu Ande” rem wird. Etwas ist im Verh¨altnis zu einem Anderen selbst schon ein Anderes gegen dasselbe; somit da das, in welches es u¨ bergeht, ganz dasselbe ist, was das, welches u¨ bergeht – beide haben keine weitere als eine und dieselbe Bestimmung, ein Anderes zu sein, – so geht hiemit Etwas in seinem Uebergehen in Anderes nur mit sich selbst zusammen, und diese Beziehung im Uebergehen und im Anderen auf sich selbst ist die wahrhafte Unendlichkeit“ 70.
Die wahrhafte Unendlichkeit ist damit nicht bloß der d¨unne Faden der Endlichkeit, der sich im Vergehen von Endlichem in anderes Endliches durchh¨alt und so noch vom Endlichen unterschieden ist. Vielmehr besteht sie im Zusammengang ¨ von Etwas mit sich im Ubergang in Anderes und ist so Selbstvermittlung im 71 Anderen , deren Glieder ihr und einander nicht mehr fremd gegen¨uberstehen, ¨ weil sie im Ubergang in Anderes mit sich zusammengehen und so weder voneinander noch von ihrer Selbstvermittlung a¨ ußerlich geschieden sind. Die wahrhafte Unendlichkeit ist so zugleich Prozess und Prozessglied, weil ihre Glieder den starren Gegensatz von Endlichem und Unendlichem u¨ berwunden haben, insofern sie durcheinander nicht einfach begrenzt sind, sondern sich im Anderen zugleich zu sich verhalten, kurz, weil sie Glieder eines Selbstvermittlungsprozesses sind, die aneinander und am Prozess selbst keine a¨ ußerliche Grenze haben. Das wahrhaft Unendliche ist damit Selbstvermittlung nicht im Gegensatz zu, sondern ineins mit ihren Gliedern. Das Endliche besteht im Unendlichen damit nicht selbst¨andig fort, sondern bildet als Prozessglied nur einen unselbst¨andigen Aspekt u¨ bergreifender Selbstvermittlung. Das wahrhaft Endliche ist so kein schlechthin Selbst¨andiges, welches dem Unendlichen gegen¨uberst¨unde, sondern kann zwar f¨ur sich betrachtet werden, hat als Glied eines Selbstvermittlungsprozesses an Anderem aber keine un¨uberwindliche Grenze und an sich so zugleich keinen letzten Selbstand. Diese Seinsweise des Endlichen als eines unselbst¨andigen Aspekts des Unendlichen bezeichnet Hegel als Idealit¨at“ 72 . ” 70
20,1317−14. Entsprechend ist das Unendliche laut Hegel nicht ein Jenseits, sondern es ist nur das ” Andere, welches in ein Anderes u¨ bergeht. Geht das Endliche in ein Anderes u¨ ber, so geht es 679−81 ebenso auch wieder in sich selbst zur¨uck“ [V11,92 ]. 72 Vgl. 21,1314−6. 71
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Als Zusammengang des Etwas mit sich im Anderen ist wahrhafte Unendlichkeit Negation des Negativen“ 73. Denn das endliche Etwas ist selbst schon, ” weil es anderes von sich ausschließt, ein Negatives. Im wahrhaft Unendlichen ist seine ausschließende Beziehung auf Anderes dagegen negiert, insofern es Anderes nicht einfach ausschließt, sondern sich in ihm zu sich verh¨alt. Unendlichkeit ist daher nicht unmittelbar als reine F¨ulle zu haben, weil diese, das Sein, sich als Nichts und als Endliches erweist, sondern nur als Ausschließen des Ausschließens. Damit ist das Unendliche aber keine einfache Affirmation, als die es bloß Sein und damit Nichts w¨are, sondern schließt die negative Beziehung auf Anderes ein, nur dass diese ihrerseits zur Selbstbeziehung im Anderen umgebogen ist. Entsprechend charakterisiert Hegel das Unendliche auch als das Andere des ” Anderen“ 74 . Es ist n¨amlich Anderes des Anderen und damit Nicht-Anderes, insofern es gerade nicht das Andere zu einem Etwas ist, an dem es seine Grenze und sein Ende h¨atte. Zugleich bildet es aber keine bezuglose Unmittelbarkeit, sondern besteht darin, von sich her sein Anderes zu sein, also zwar ein Anderes ¨ zu kennen, sich im Ubergehen in dieses aber auf sich zu beziehen und so selbst das Andere seiner selbst zu sein. Was Hegel das Andere seiner selbst“ nennt, ” markiert damit sowohl die selbstentstellende Verfassung des Endlichen wie die Natur wahrer Unendlichkeit, in die es sich entstellt. Denn das Endliche ist aufgrund seiner Begrenztheit an ihm selbst das, was es nicht ist, und geht so als Anderes seiner selbst u¨ ber sich hinaus. Indem es aber das Andere seiner selbst ist, vergeht es dabei nicht nur in Anderes, sondern kommt im Anderen mit sich zusammen und ist so wahrhafte Unendlichkeit: Das Andere f¨ur sich ist das Andere an ihm selbst, hiermit das Andere seiner selbst, so ” das Andere des Anderen, – also das in sich schlechthin Ungleiche, sich negirende, das sich Ver¨andernde. Aber ebenso bleibt es identisch mit sich, denn dasjenige, in welches es sich ver¨anderte, ist das Andere, das sonst weiter keine Bestimmung hat; aber das sich Ver¨andernde ist auf keine verschiedene Weise, sondern auf dieselbe, ein Anderes zu seyn, bestimmt; es geht daher in demselben nur mit sich zusammen“ 75. Das Etwas ist das Andere an ihm selbst, das Andere seiner selbst, das ist das sich als Anderes ” Negierende, das Negative wird negiert, das ist die Affirmation. Das ist die wahrhafte Unendlichkeit. Damit ist die ungeheure Frage des Gegensatzes des Endlichen und Unendlichen gel¨ost“ 76 .
73
V10,117731. V10,117744; vgl. Wenn wir sagen, das Andere wird zu Anderem, so haben wir vor uns ” nur die Negation der Verschiedenheit: Das Faktum aber ist, daß das Andere zum Anderen wird, jedes heißt ein Anderes, sie sind beide gleich, also kommt darin das Andere zu sich selbst: Diese Bestimmung ist nicht mehr Abwechslung. Das ist eine ganz einfache, aber gr¨undliche Reflexion. Diese Beziehung auf sich selbst ist die wahrhafte Unendlichkeit“ [V10,116680−86]. 75 21,10618−23. 76 V10,116689−93. 74
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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Die wahrhafte Unendlichkeit ist so in sich bewegte und sich unaufh¨orlich herstellende Selbstbeziehung im Anderen. Was aber im Zuge solcher Selbstvermittlung mit sich zusammengeht, ist bestimmtes Sein. Die Unendlichkeit ist ¨ daher diejenige Gestalt des Daseins, die darin besteht, dass etwas im Ubergang in anderes mit sich zusammengeht. Der daseinslogisch gewonnene Unendlichkeitsbegriff ist damit aber nur die erste, noch ganz unentwickelte Form eines Selbstverh¨altnisses im Anderen. Das wahrhaft Unendliche ist daher zwar laut Hegel der Grundbegriff der Philosophie“ 77. Zugleich ist seine daseinslogische ” Gestalt aber selbst noch unzureichend. Denn was hier im Anderen zu sich kommen soll, ist selbst nur als etwas bestimmt, das in ein Anderes u¨ bergeht. Die wahrhafte Unendlichkeit des Daseins ist daher noch blinde Selbstvermittlung, ¨ da das, was sich im Ubergehen in Anderes mit sich vermittelt, an sich weder u¨ ber Selbstbeziehung verf¨ugt noch sich vern¨unftig bestimmt. Die Glieder der qualitativen Unendlichkeit gehen daher nicht selbstbestimmt im Anderen mit sich zusammen und wahren dabei zugleich ihren Selbstand, sondern schlagen vielmehr blind in ihr Anderes um und gehen in diesem nur im Zuge ihrer Aufl¨osung in es mit sich zusammen. Die wahrhafte Unendlichkeit erscheint in der Seinslogik so noch als blinder Prozess des Zusammengehens mit sich von ¨ Bestimmtem im Zuge seines Ubergehens, w¨ahrend erst mit dem Begriff als Selbstbestimmung zweckhaftes Zusammengehen mit sich und damit eine als vern¨unftig begreifbare Gestalt wahrhafter Unendlichkeit erreicht wird, von der konkrete Erscheinungen des Lebens und Geistes her deutbar sind. Entsprechend beantwortet Hegel die Frage, woher das Endliche oder Bestimmte stamme, das sich in Gestalt der qualitativen Unendlichkeit im ¨ Ubergang in Anderes mit sich vermittelt, in der Daseinslogik selbst noch gar nicht, sondern verweist auf Sp¨ateres: Das Unendliche, bey dessen Begriff wir ” angekommen sind, wird sich im Fortgang dieser Darstellung weiter bestimmen, und an ihm in aller Mannigfaltigkeit der Formen das Geforderte zeigen, wie es, wenn man sich so ausdr¨ucken will, zur Endlichkeit komme“ 78 . In der Begriffslogik zeigt sich dann, dass erst die Idee als selbstbestimmtes Selbstverh¨altns im Anderen, das zugleich den bedingten Selbststand der Relata wahrt, angemessene Bestimmung des wahrhaft Unendlichen ist. Mit der daseinslogischen 77
20,13318. 21,13929−32. So erlaubt das entwickelte Verst¨andnis von Endlichkeit und Unendlichkeit auch keine logische Reformulierung des christlichen Sch¨opfungsgedankens. Denn erstens kann nicht von Sch¨opfung gesprochen werden, wo kein selbstbestimmter Vollzug, sondern blin¨ des Ubergehen in Anderes vorliegt. Zweitens kann das Unendliche daseinslogisch noch keinen Selbstand gegen¨uber dem Prozess des Endlichen beanspruchen, sondern ist einfach der Prozess blinden Umschlagens und Zusammengehens mit sich. Das Unendliche wird erst dann Unterscheidbarkeit gegen¨uber dem durch es bestimmten Prozess beanspruchen k¨onnen, ohne diesem darum als Anderes verendlicht gegen¨uberzustehen, wenn es als Selbstbestimmung gefasst ist, die von den Gestalten, zu denen sie sich auslegt, zugleich unterscheidbar ist, ohne ihnen als Fremdes gegen¨uberzustehen. 78
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Unendlichkeit ist daher nur der erste Ansatz zu einer Bestimmung wahrhafter Unendlichkeit gewonnen79 . ¨ Daseinslogisch besteht diese im Zusammengehen mit sich im Ubergehen in Anderes und damit im prozessualen Selbstverh¨altnis von Etwas und Anderem. Als derartiger Prozess ist wahrhafte Unendlichkeit aber nur denkbar, insofern sie auf etwas f¨uhrt, n¨amlich das Zusammengegangensein mit sich. In diesem resultativen Selbstverh¨altnis von Etwas und Anderem sind letztere aber insofern weggefallen, als zwischen ihnen keine feste und un¨uberwindliche Grenze mehr besteht. Alle Bestimmtheit ist im mit sich Zusammengegangenen daher nur noch ideell, das heißt als unselbst¨andiger Aspekt von solchem gesetzt, dem nichts anderes fremd gegen¨ubersteht. Damit f¨uhrt das unendliche Zusammengehen auf solches, was sich in allem Bestimmten nur auf sich bezieht und insofern F¨ursichsein ist80 . Das F¨ursichsein ist damit als Ergebnis des Zusammengehensmit-sich ruhiges Sich-in-aller-Bestimmtheit-nur-auf-sich-Beziehen. So kann es aber keine Gestalt des Daseins oder des a¨ ußerlichen Verh¨altnisses zwischen Bestimmten mehr sein, wie es selbst noch die wahrhafte Unendlichkeit als Selbstvermittlung von Etwas und Anderem war. Vielmehr markiert das F¨ursichsein das bloße Selbstverh¨altnis des Bestimmten und damit gerade solches, was sich in aller Bestimmtheit nur auf sich bezieht. 2.1.1.4 Selbstvermittelte Bestimmtheit (F¨ursichsein) Das F¨ursichsein markiert die selbstvermittelte Bestimmtheit und damit das, was sich in aller Bestimmtheit nur auf sich bezieht. Im F¨ursichsein sind damit Sein und Dasein aufgehoben. Denn es beinhaltet zwar wie das Dasein Bestimmtheit, jedoch nicht mehr als a¨ ußerliches Verh¨altnis von Etwas und Anderem, sondern bezieht sich in dieser Bestimmtheit allein auf sich und weist so zugleich die Unmittelbarkeit oder reine Selbstbeziehung des Seins auf: F¨ursichsein Dasein Sein
Das F¨ursichsein ist so die resultative Gestalt wahrhafter Unendlichkeit81 . Denn diese bestand darin, dass Etwas nicht einfach in Anderes vergeht, sondern dabei 79 Vgl. Das [...] Unendliche [...] bleibt die Grundlage, das Weitere ist Erkennen der Un” endlichkeit in ihren konkreten Formen“ [V10,119794−95]. 80 Vgl. Wir fragen, wie kommt die Einheit der Bestimmungen, des Endlichen und Un” endlichen, in ihrer Einfachheit vor, so ist das F¨ursichsein“ [V10,121855−57]. 81 Vgl. Das F¨ursichseyn besteht darin, u¨ ber die Schranke, u¨ ber sein Andersseyn so hinaus” gegangen zu seyn, daß es als diese Negation die unendliche R¨uckkehr in sich ist“ [21,1459−11].
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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mit sich zusammengeht. Da sich in der wahrhaften Unendlichkeit das Fremdverh¨altnis von Etwas und Anderem n¨amlich in ein Selbstverh¨altnis aufgel¨ost hat, Etwas und Anderes aber durch ihre a¨ ußerliche Beziehung gekennzeichnet sind, fallen mit dieser im F¨ursichsein Etwas und Anderes selbst weg. Mit diesem Wegfall bleiben so nur noch mannigfache Bestimmtheit und Selbstbeziehung u¨ brig. Indem die a¨ ußerliche Beziehung von Bestimmten auf anderes dagegen weggefallen ist, bezieht sich das F¨ursichsein in seiner Bestimmtheit damit nur auf sich. Denn da das Dasein in ihm aufgehoben ist, geh¨ort zu ihm zwar Bestimmtheit. Indem jedoch der ausschließende Bezug auf Anderes verschwunden ist, ist diese Bestimmtheit allein seine eigene. Das F¨ursichsein besteht so in bestimmtem Sein, welches sich in seinen Bestimmungen allein auf sich bezieht und damit scheinbar v¨ollig selbstgen¨ugsam auftritt82 . Realphilosophisch pr¨agt sich das F¨ursichsein in der M¨oglichkeit geistigen Seins aus, sich ganz auf sich zu versteifen und von allem Bezug auf Anderes in sich zur¨uckzuziehen. Das reine F¨ursichsein ist damit die logische Form solcher Selbstversteifung. Mit seiner Bestimmtheit schließt das F¨ursichsein aber zugleich Negation ein. Denn Bestimmtheit ist, wie sich gezeigt hat, nur zu haben, insofern sich die unbestimmte F¨ulle des Seins durch das Nichts zu beschr¨ankter F¨ulle einschr¨ankt. Zugleich kann die Negation, welche zum F¨ursichsein geh¨ort, aber kein einfaches Ausschließen anderer Bestimmtheit sein, weil das F¨ursichsein gerade dadurch ausgezeichnet ist, sich in seiner Bestimmtheit allein auf sich zu beziehen. Es kann damit aber nicht einfach positiv bestimmt sein – frei von Negativit¨at –, sondern sich nur darum in seiner Bestimmtheit allein auf sich beziehen, insofern es Ausschließen des Ausschließens von anderem ist. Etwas kann also nicht dadurch ohne Beziehung auf und Begrenzung durch anderes sein, dass es vermeintlich unmittelbar in sich ruht, sondern allein dadurch, dass es an sich das Ausschließen von anderem ausschließt. Da zum F¨ursichsein Bestimmtheit geh¨ort, ist es genauer nicht einfach Ausschließen des Ausschließens, sondern Bestimmtes, zu dem es geh¨ort, das Ausschließen von anderem auszuschließen. Als F¨ursichseiendes ist es damit als Negation des Negativen“ zu fassen. Denn es ist Bestimmtes und damit Nega” tives, das sich jedoch deshalb allein auf sich bezieht, weil in ihm die ausschließende Beziehung auf anderes negiert ist83 . Da im F¨ursichsein das Fremdverh¨altnis von Etwas und Anderem weggefallen ist, kann sich seine Bestimmtheit zu nichts als Fremdes oder Anderes verhalten. Zugleich ist das F¨ursichsein aber nicht einfach Bestimmtes, sonst w¨are es Dasein, sondern besteht in solchem, was sich in aller Bestimmtheit nur auf sich bezieht. Da das Verh¨altnis von Bestimmtheit und 82
Vgl. 21,13719−24. Vgl. Das F¨ursichsein als Beziehung auf sich selbst ist Unmittelbarkeit, und als Bezie” hung des Negativen auf sich selbst ist es F¨ursichseyendes“ [20,13325−26]. 83
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
F¨ursichsein aber kein Verh¨altnis der Andersheit sein kann, kann die Bestimmtheit dem F¨ursichsein gegen¨uber keinen Selbstand beanspruchen, sondern allein unselbst¨andiger Aspekt desselben sein. Das Bestimmte als unselbst¨andigen Aspekt des F¨ursichseins nennt Hegel das Ideelle“. Idealit¨at“ markiert somit, ” ” dass Bestimmtes als bloßer Aspekt des F¨ursichseins gesetzt ist. Insofern das Fremdverh¨altnis von Etwas und Anderem im F¨ursichsein fortgefallen ist, weil es allein in der Selbstbeziehung des Bestimmten besteht, verh¨alt sich seine Bestimmtheit weder ihm gegen¨uber als Anderes noch k¨onnen sich seine Bestimmungen untereinander als Etwas und Anders gegen¨uberstehen. Insofern im F¨ursichsein daher auch nicht zwischen Etwas und Anderem zu unterscheiden ist, ist es nicht nur gegen anderes, sondern zugleich in sich ohne Andersheit und damit unterschiedslos. Die Bestimmungen, die das F¨ursichsein von der Unendlichkeit erbte, fallen mit dem Wegfall von Andersheit daher in unterschiedslose Einheit zusammen. Entsprechend l¨asst sich qualit¨atslogisch noch nicht angemessen ausdr¨ucken, dass Bestimmungen weder verschieden sind noch unterschiedslos zusammenfallen, sondern voneinander unterschiedene Aspekte von Einem bilden. Dass eine Bestimmtheit weder schlichtweg selbst¨andig ist noch in dasjenige kollabiert, dessen unselbst¨andiger Aspekt sie sein soll, l¨asst sich mit daseinslogischen Mitteln noch gar nicht konsistent ausdr¨ucken, sondern erst mit der begriffslogischen Einf¨uhrung eines an die Urteilsform gebundenen qua-Operators. Dagegen brechen im F¨ursichsein, insofern es reine Selbstbeziehung des Bestimmten ist, alle vermeintlichen Aspektunterschiede ein. Derart ohne allen Bezug auf anderes und zugleich in sich unterschiedslos ist das F¨ursichseiende damit das Eins84 . Denn das Eins l¨asst sich als solches fassen, das in sich unterschiedslos ist und zugleich in keiner Beziehung zu anderem steht, sondern ganz in sich ruht85 . Indem Bestimmungen und Unterschiede in ihm zusammengefallen sind, ist es aber nicht unmittelbar bestimmungs- und unterschiedslos, sondern durch vermittelte Bestimmungs- und Unterschiedslosigkeit gepr¨agt. Im Unterschied zur unmittelbaren Bestimmungs- und Unterschiedslosigkeit des Nichts, l¨asst sich solche vermittelte Bestimmungs- und Unterschiedslosigkeit als Leere kennzeichnen: Leere meint dabei Unterschiedslosigkeit, die sich durch Wegfall von Unterschieden und Bestimmungen ergibt. Nun ist das Eins aber nicht selbst die Leere, da es nicht Unterschiedslosigkeit, sondern in sich unterschiedslos ist. Es hat somit die Leere in sich und ist insofern das Leere86 . Damit liefert die logische Ableitung des Eins aber eine Begr¨undung daf¨ur, die Eins mathematisch 84 Vgl. Das F¨ ursichseiende als einfach sich auf sich beziehend oder in Form der Unmittel” barkeit ist das Eins, Negation allen Unterschiedes, schlechthin in sich selbst Bestimmtes, auch in sich unterschiedslos“ [V10,123915−18]. 85 Vgl. Das Eins ist die einfache Beziehung des F¨ ursichseyns auf sich selbst, in der seine ” Momente in sich zusammengefallen sind“ [21,15121−22]. 86 Vgl. 21,1533.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
101
als diejenige Menge oder selbst¨andige Einheit zu fassen, die in sich allein die / 87 . leere Menge (qua f¨ur sich gesetzte Unterschiedslosigkeit) enth¨alt: 1=df {0} Sich allein auf sich beziehend und in sich unterschiedslos ist das Eins keiner Ver¨anderung f¨ahig, vielmehr gleichsam v¨ollig selbstgen¨ugsam und inert88 . Nun ist es aber nur darum ohne ausschließenden Bezug auf und Begrenzung durch anderes, weil es an sich selbst die ausschließende Beziehung auf anderes ausschließt, nicht etwa, insofern es unmittelbar rein positiv w¨are. Was dem Eins seine Selbstgen¨ugsamkeit verleiht, seine doppelt negative Verfassung, der gem¨aß es sich als Ausschließen des Ausschließens allein auf sich bezieht, ist so aber zugleich das, was es u¨ ber sich hinaustreibt. Denn da das Eins keine ausschließende Beziehung auf anderes beinhaltet, zugleich aber nicht einfach negationslos ist, kann sich seine Negation nur auf es selbst beziehen. Sein Negieren kann daher nicht Negieren eines anderen sein, weil es eine ausschließende Beziehung auf anderes gerade ausschließt, sondern nur negative Beziehung auf sich. Das f¨ur das Eins kennzeichnende Ausschließen des Ausschließens ist damit aber Selbstausschluss und das Eins somit das, was sich von sich selbst ausschließt und insofern außer sich setzt89 . Diese Selbstabstoßung, die dem Eins gem¨aß seiner negativen Beziehung auf sich innewohnt, nennt Hegel die Repulsion des Eins“ von sich. ” Insofern die Repulsion des Eins darin besteht, sich selbst von sich abzustoßen, steht der Ertrag solcher Selbstabstoßung an sich zwar in Kontinuit¨at mit dem Abstoßenden und Repulsion ist daher an sich Selbstbestimmung. Aufgrund seiner seinslogischen Unmittelbarkeit kann das, wozu sich das Eins abst¨oßt, aber nicht in ausdr¨ucklicher Kontinuit¨at mit ihm und die Abstoßung daher nicht als Selbstbestimmung auftreten. Daher ist die negative Beziehung des Eins und u¨ berhaupt des F¨ursichseins noch nicht der Begriff. Denn dieser wird gerade darin bestehen, dass Selbstnegation von vornherein in Kontinuit¨at mit sich gesetzt und daher ausdr¨ucklich als Selbstbestimmung auftritt. Das F¨ursichsein ist als reine Selbstabstoßung von sich jedoch diejenige seinslogische Bestimmung, die dem Begriff als reiner Selbstbestimmung am n¨achsten kommt. Entsprechend ist vom F¨ursichsein am ehesten ein abk¨urzender Sprung zum Begriff m¨oglich. Denn indem im F¨ursichsein der Unterschied von Etwas und Anderem und damit u¨ berhaupt alle vorgegebene Bestimmtheit weggefallen ist, insofern sich das F¨ursichseiende als leer erwiesen hat, ist die selbstanwendende Operationalit¨at des Eins unfundierte Selbstabstoßung. An sich ist diese damit reine Selbstbestimmung, weil das, wozu solches Sichabstoßen sich 87
Vgl. VON N EUMANN 1923: 24. Vgl. 21,15210−13. 89 Vgl. Die Beziehung des Negativen auf sich ist negative Beziehung, also Unterschei” dung des Eins von sich selbst, die Repulsion des Eins, d. i. Setzen Vieler Eins“ [20,1341−3], vgl. TW8,205 Z. 88
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
selbst abst¨oßt, nur eine anders bestimmte Gestalt seiner selbst sein kann. Die unfundierte Selbstbestimmung, die das Eins als Selbstabstoßung an sich ist, steht hier aber noch unter dem Joch des Seins. Dies bedeutet nichts anderes, als dass im Zuge der Selbstabstoßung, wie Hegel sagt, Unmittelbarkeit eintritt“, ” indem das Abgestoßene sofort als eigenst¨andig erscheint und die Kontinuit¨at mit dem, woraus es sich ergibt, abreißt90 . Die selbstanwendende Operationalit¨at des F¨ursichseins ist daher abruptes Außersichkommen und markiert damit kein Sichentwickeln, sondern Sichverdoppeln. So verfehlt die selbstanwendende Operationalit¨at des F¨ursichseins gleichsam haarscharf die reine Selbstbestimmung des Begriffs91 . Es setzt so einen beschwerlichen Weg u¨ ber die weiteren Gestalten des Seins und des Wesens in Gang, bis dem reinen Denken schließlich im Begriff die unfundierte Selbstbestimmung ausdr¨ucklich wird, die an sich schon im F¨ursichsein erreicht ist. Anstatt diesen beschwerlichen Weg zu nehmen, empfiehlt es sich, die mit einem Stern (*) markierten Abschnitte beim Lesen zun¨achst auszulassen und zum dritten Kapitel zu springen und damit die angedeutete Abk¨urzung vom F¨ursichsein zum Begriff zu w¨ahlen. Ein sp¨ateres Nachholen der folgenden tour de force durch Quantit¨at, Maß und Wesen ist dann immer noch m¨oglich. 2.1.1.5 Von der Qualit¨at zur Quantit¨at (Repulsion des Eins)* Was das Eins im Zuge seiner Repulsion von sich abst¨oßt, kann, weil es sich von sich abst¨oßt, nur genau gleich bestimmt sein wie es selbst und muss daher, von ihm ausgeschlossen, ein weiteres Eins sein. Entsprechend ist das Eins als ne” gative Einheit Negation seiner selbst als eines Anderen, Ausschließen des Eins als eines andern aus sich“ 92 . Die Repulsion des Eins von sich ist somit Selbst90 Vgl. Als Beziehung des Negativen auf sich ist das Eins Bestimmen, – und als Bezie” hung auf sich ist es unendliches Selbstbestimmen. Aber um der nunmehrigen Unmittelbarkeit willen, sind diese Unterschiede nicht mehr nur als Momente Einer und derselben Selbstbestimmung, sondern zugleich als Seyende gesetzt“ [21,15124−27]. Entsprechend tritt auch die ” Bestimmung des Seyns gegen die Bestimmung der unendlichen Negation, gegen die Selbstbestimmung ein, sodass, was Eins an sich ist, es nur nur an ihm ist und damit das Negative ein als von ihm unterschiedenes Anderes“ [21,1521−4]. 91 Zum Verh¨altnis von F¨ursichsein und Begriff heißt es in der Logikvorlesung von 1817 pr¨agnant: Das Ideelle als das wahrhaft Unendliche ist wegen seiner sich auf sich beziehenden ” Negativit¨at wesentlich F¨ur-sich-Seiendes, das abstrakte Prinzip aller Selbstbestimmung, welches sich weiterhin als Begriff und Subjekt bestimmt, von welchen es dadurch verschieden ist, dass in diesem die Unterschiede als Allgemeines und Besonderes bestimmt sind, deren unendliche Einheit das Einzelne oder Subjekt ist, [die] im F¨ur-sich-Seienden aber schlechthin noch keine Bestimmung haben“ [V11,93706−13]. Die selbstbez¨ugliche Negativit¨at des F¨ursichseins ist also deshalb noch von der des Begriffs verschieden, nicht Selbstbestimmung, sondern bloß deren abstraktes Prinzip“, weil ihre Kontinuit¨at unmittelbar abreißt, sodass es zu keiner aus” dr¨ucklichen Entwicklung und Selbstgestaltung kommt. 92 21,1526−7.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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abstoßung des Eins zu vielen Eins93 . Ein durch Selbstabstoßung gesetztes Eins muss genau gleich bestimmt sein wie das setzende94 . Daraus folgt zweierlei: Erstens muss es sich seinerseits von sich abstoßen. Zweitens kann es nicht im Unterschied zum abstoßenden Eins als abgestoßenes Eins auftreten, weil sonst ein Unterschied zwischen beiden vorl¨age. Die Selbstabstoßung des Eins ist daher Setzen einer Mannigfaltigkeit von Eins, die nicht als gesetzt auftreten, und insofern vorausgesetzt“ sind. Weil das Abstoßen des Eins Selbstabstoßung ist, ” f¨uhrt es also nicht auf den Unterschied zwischen abstoßendem und abgestoßenem Eins, sondern streicht sich selbst aus: Das Werden zu Vielen oder Producirtwerden der Vielen, verschwindet unmittelbar als Gesetzt” werden; die Producirten sind Eins, nicht f¨ur Anderes, sondern beziehen sich unendlich auf sich selbst. Das Eins st¨oßt nur sich von sich selbst ab, wird also nicht, sondern es ist schon; das als das repellierte vorgestellt wird, ist gleichfalls ein Eins, ein Seyendes; Repelliren und Repellirtwerden kommt beyden auf gleiche Weise zu, und macht keinen Unterschied. Die Eins sind so vorausgesetzte gegeneinander.“ 95.
Die absolute Repulsion des Eins verliert sich so in einer Vielheit unmittelbar als vorhanden auftretender Eins. In dieser muss Repulsion gem¨aß dem Aufhebungspostulat jedoch untergeordnet erhalten sein. Denn die vielen Eins k¨onnen allenfalls insofern ihre Selbst¨andigkeit gegen¨uber ihren ununterscheidbaren Gegenst¨ucken behaupten, wenn sie sich ausschließend auf diese beziehen, weil sie sonst mit ihnen zusammenfallen w¨urden. Die ausschließende Beziehung der Eins aufeinander ist damit aber nicht mehr absolute Repulsion oder Voraussetzen neuer Eins, sondern relative Repulsion, n¨amlich gegenseitiges Ausschließen bereits vorliegender – nicht das Erzeugen der Eins, sondern nur als gegen” seitiges Abhalten vorausgesetzter, schon vorhandener Eins“ 96 . Jedoch ist nicht nur das wechselseitige Ausschließen der Eins Voraussetzung des Bestehens einer Mannigfaltigkeit selbst¨andiger Eins. Vielmehr ist ihre gegenseitige Abstoßung nur unter der Bedingung ihres Zusammenhalts denkbar, der in ihnen selbst und damit darin gr¨unden muss, dass sich die Eins in ihrer 93
Vgl. 21,1562−4. Die Repulsion des Eins f¨uhrt damit auf eine Mannigfaltigkeit Ununterscheidbarer und l¨auft so dem Prinzip der Identit¨at des Ununterscheidbaren zuwider, wie zuvor schon Sein und Nichts und Etwas und Anderes. Die Logik kann so auch als Durchgang durch Bestimmungen des logischen Raumes betrachtet werden, die das Leibnizsche Prinzip verletzen – ein Durchgang, der erst mit der Subjektivit¨at des Begriffs eine Charakterisierung des logischen Raumes erlaubt, welche die Identit¨at des Ununterscheidbaren und die Unterscheidbarkeit des Verschiedenen gew¨ahrleistet. Aus diesem Blickwinkel ergibt sich aus der Logik eine alternative Begr¨undung f¨ur Anton Kochs Subjektivit¨atsthese“, n¨amlich die Behauptung, dass im Ganzen ” der Wirklichkeit irgendwann und irgendwo Subjektivit¨at verk¨orpert sein muss, weil nur so das Prinzip der Identit¨at des Ununterscheidbaren stringent garantierbar ist, vgl. KOCH 2006a: 184; 313ff. 95 21,15611−17. 96 21,1567−8. 94
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
ausschließenden Beziehung auf andere nur auf von ihnen Ununterscheidbares und insofern auf sich beziehen. Attraktion und Repulsion haben einander so untrennbar an sich97 , weil der Zusammenhalt einer Mannigfaltigkeit von Eins nur m¨oglich ist, wenn sie sich einerseits voneinander abhalten und nur darum Mannigfaltigkeit bleiben, ihre Abstoßung aber zugleich nicht zu ihrem Verfliegen ins v¨ollig Beziehungslose f¨uhrt98 , sofern sie sich ineinander zugleich auf sich beziehen und so zusammengehalten sind99 . Trotz der vorangegangenen begrifflichen Man¨over hat sich mit den vielen Eins eine Mannigfaltigkeit von Elementen ergeben, die sich noch nicht als verschieden festhalten lassen, weil noch keine kategorialen Ressourcen zur Verf¨ugung stehen, welche die Ununterscheidbarkeit der als verschieden geltenden zu garantieren verm¨ogen. Die thematische Mannigfaltigkeit Ununterscheidbarer hat sich im Zuge des logischen Fortgangs jedoch immanent ergeben und ist insofern notwendig. Ihr Kollaps kann deshalb nicht einfach bedeuten, dass die ununterscheidbaren Eins identifiziert werden und damit zum absoluten Eins zur¨uckgegangen wird, da dieses sich von sich her schon als Voraussetzen vieler Eins erwiesen hat. Dass die vielen Eins keinen Selbstand gegeneinander bewahren k¨onnen, kann also nicht bedeuten, es liege u¨ berhaupt keine Mannigfaltigkeit vor, sondern setzt das Vorliegen einer solchen Mannigfaltigkeit voraus, die nicht aus selbst¨andigen Eins a¨ ußerlich zusammengesetzt ist, n¨amlich einer Mannigfaltigkeit unselbst¨andiger Eins. Damit hat sich aus der Mannigfaltigkeit diskreter Eins durch ihren Zusammenfall eine nicht-zusammengesetzte Mannigfaltigkeit ergeben100 . In Gestalt dieser nicht-diskreten Mannigfaltigkeit ist zun¨achst der Widerspruch der vielen Eins aufgehoben, weil sie nicht mehr aus Selbst¨andigem zusammengesetzt sein soll, was als zugleich verschieden und identisch auftritt. Nun ist dieses Resultat der Aufhebung der vielen Eins aber nicht einfach wieder das Eins, sondern enth¨alt aufgehobene Mannigfaltigkeit und bildet so eine Sph¨are, in und aus der immerhin diskrete Mannigfaltigkeit ausgrenzbar sein muss und die als kontinuierliche Mannigfaltigkeit so zugleich die M¨oglichkeit diskreter Vielheit ist. Diese Sph¨are bezeichnet Hegel als die 97
Vgl. 21,16432−33. 21,16317−21. 99 Vgl. 21,16017−22. 100 Den Ubergang ¨ vom F¨ursichsein zur Quantit¨at stellt Hegel in der Schullogik von 1810/11 besonders pr¨agnant dar: Mit der Repulsion des Eins sind unmittelbar viele Eins gesetzt. Aber ” die vielen Eins sind nicht voneinander unterschieden. Eins ist, was das andere ist. Es ist ebenso ihre Aufhebung, die Attraktion gesetzt. Das Eins ist das F¨ursichseiende, das sich absolut von anderen unterscheidet. Aber indem dieser Unterschied, die Repulsion durch die Attraktion sich aufhebt, ist der Unterschied als aufgehobener gesetzt und damit in eine andere Bestimmung, die Quantit¨at u¨ bergegangen“ [TW4,168]. Die Quantit¨at ist das aufgehobene F¨ursichsein oder ” Eins. Sie ist also eine ununterbrochene Kontinuit¨at in sich selbst. Aber da sie ebenso sehr das Eins enth¨alt, so hat sie auch das Moment der Diskretion in sich“ [TW4,169]. 98
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
105
Quantit¨at“. Damit ist also keine Menge diskreter Elemente bezeichnet, son” dern die unbestimmte und unendliche Sph¨are, in und aus der u¨ berhaupt erst begrenzte Mengen diskreter Elemente ausgegrenzt werden k¨onnen. Mit der Quantit¨at ist die Sph¨are der Qualit¨at verlassen. Denn die Qualit¨at war als Bestimmtheit charakterisiert, die unmittelbar mit dem Sein eins ist. Nun hat die Quantit¨at als grenzenlose, unzusammengesetzte Mannigfaltigkeit aber keine feste Bestimmung. An ihr selbst nicht von anderem abgegrenzt, sondern endlos, hat sie selbst auch keine bestimmte Gr¨oße, sondern bildet nur den Spielraum, in und aus dem bestimmte Gr¨oßen oder Quanta ausgrenzbar sind. Die Quantit¨at ist damit Unbestimmtheit, die in sich mannigfaltig ist, w¨ahrend erst das Quantum bestimmte und damit begrenzte Quantit¨at darstellt. Da die reine Quantit¨at so an ihr selbst keine Bestimmtheit hat, zugleich jedoch das ist, aus und in dem bestimmte Mannigfaltigkeiten ausgrenzbar sind, ist Bestimmtheit hier nicht mehr unmittelbar eins mit dem Sein. Denn die Quantit¨at bildet eine Sph¨are, in und aus der zwar unterschiedliche bestimmte Quanta ausgegrenzt werden k¨onnen, welche gegen solches Ausgrenzen aber selbst insofern gleichg¨ultig ist, als sie dadurch selbst nicht begrenzt oder ver¨andert wird. Anschaulich wird dies am mathematischen Raum, in den unterschiedliche Figuren eingezeichnet werden k¨onnen und der so verschiedene Bestimmungen annehmen kann, ohne dadurch selbst zu einem anderen zu werden, sondern sich vielmehr gleichg¨ultig gegen¨uber seiner jeweiligen Bestimmung erh¨alt. Markierte die Qualit¨at Bestimmtheit, die unmittelbar mit dem Etwas eins ist, sodass sich mit ihrer Ver¨anderung auch die Sache selbst ver¨andert, n¨amlich vergeht, bildet quantitative Bestimmtheit dagegen solche Bestimmtheit, die gleichg¨ultig ver¨andert werden kann, ohne dass das Sein der Sache selbst davon ber¨uhrt w¨urde. Dieses Sein der Sache ist hier zun¨achst aber nur die reine Quantit¨at, die gegen¨uber dem Ausgrenzen bestimmter Quanta in und aus ihr gleichg¨ultig ist. Indem jedoch die Qualit¨at an der Quantit¨at auch wieder hervortreten wird, wird sich quantitative Bestimmtheit auch insofern als gleichg¨ultig erweisen, als eine Sache in ihrer quantitativen Bestimmtheit im Unterschied zur qualitativen variabel ist. So bleibt eine Wiese unabh¨angig von einer Gr¨oßen¨anderung Wiese, nicht aber, sofern ihre qualitative Bestimmung ge¨andert und sie zu Acker oder Wald wird. 2.1.1.6 R¨uckblick auf die Qualit¨atslogik* R¨uckblickend l¨asst sich nun der Verlauf der Qualit¨atslogik synoptisch darstellen. Dabei kann zugleich erl¨autert werden, inwiefern der logische Fortgang laut Hegel einen Kreis von Kreisen“ bildet101 . Der erste Schritt eines logischen ” 101 Vgl. Jeder der Theile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich ” selbst schließender Kreis, aber die philosophische Idee ist darin in einer besondern Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalit¨at ist, auch die
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Elementarzyklus’ besteht n¨amlich darin, dass eine zun¨achst selbst¨andig auftretende Bestimmung (X) auf ihre Negation X f¨uhrt, womit r¨uckwirkend zwischen X als unmittelbarer Bestimmung und X als u¨ bergreifender unterschieden werden kann. Die Negation X widerspricht sich dann ausdr¨ucklich performativ, weil sie einerseits selbst¨andig gesetzt ist, andererseits der ausschließende Bezug auf X f¨ur sie konstitutiv ist. Daher muss eine weitere Bestimmung X angesetzt werden, in der X und X widerspruchsfrei vereinigt sind, indem sie zu unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Bestimmung herabgesetzt sind. Diese wird dabei nicht a¨ ußerlich eingeschleust, sondern macht nur aus¨ dr¨ucklich, was sich schon ergeben hat: Denn durch den immanenten Ubergang der Bestimmung X zu ihrer Negation hat sich bereits ihre Unselbst¨andigkeit gezeigt und zugleich erwiesen, dass X f¨ur X konstitutiv ist, ohne dass dieser ¨ Zusammenhang in X gesetzt w¨are. Der Ubergang zur u¨ bergreifenden Einheit ¨ beider macht so nur ausdr¨ucklich, was schon im immanenten Ubergehen von X zu X liegt, dass sie n¨amlich in letzter Instanz keine autonome Charakterisierung des logischen Raumes leisten, sondern nur unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung desselben markieren. Damit schließt sich der Kreis in dem Sinne, dass nicht einfach von X zu X zur¨uckgegangen wird, sondern die R¨uckkehr zum Anfang ist insofern Fortgang, als sie auf eine Bestimmung X f¨uhrt, in der der Anfang und seine bestimmte Negation als unselbst¨andige Aspekte vereinigt sind: 1
X
X
1
X 2
2
X
Insofern die Bestimmung X aufgrund der an ihr hervortretenden Negativit¨at ihrerseits u¨ ber sich hinausf¨uhrt, erweist sich der durchlaufene Zyklus bloß als Gef¨uge unmittelbarer und damit besonderer Gestalten einer u¨ bergreifenden Bestimmung und der durchlaufene Kategorienkreis als Unterzyklus eines gr¨oßeren. Der qualit¨atslogische Kreis von Kreisen stellt sich entsprechend so dar: Schranke seines Elements und begr¨undet eine weitere Sph¨are; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein nothwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigent¨umlichen Elemente die ganze Idee ausmacht, die ebenso in jedem Einzelnen erscheint“ [20,5622−29].
107
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
Sein
Dasein als solches
x Nichts
x
x Endlichkeit
x
x
x
Sein
Dasein
x
x x
Werden
Unendlichkeit
Qualit¨at
Eins
x Viele
x x F¨ursichsein
x Attraktion und Repulsion
2.1.2 Vermittelte Bestimmtheit (Quantit¨at)* ¨ Mit dem Ubergang von der Qualit¨at zur Quantit¨at ist deutlich geworden, dass der logische Raum nicht rein qualitativ charakterisiert sein, also durch isoliert f¨ur sich stehende, invariable Bestimmtheiten (nach Art Humescher impressions oder Russelscher particulars) gepr¨agt sein kann. Dagegen hat der qualit¨atslogische Fortgang gezeigt, dass zu Bestimmtheit nicht nur Ver¨anderlichkeit geh¨ort, sondern Bestimmtheit gar nicht isoliert bestehen kann, sondern Verh¨altnisse und damit einen Spielraum f¨ur Verh¨altnisse voraussetzt, der nun als reine Quantit¨at ausdr¨ucklich geworden ist. Innerhalb eines derartigen Spielraums situiert, weisen qualitative Bestimmungen bestimmte, von ihnen abstrahierbare Verh¨altnischaraktere auf, die nun als quantitative Bestimmungen rein f¨ur sich thematisch werden. Die Quantit¨at ist dabei grunds¨atzlich
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
dadurch charakterisiert, dass in ihr an sich Unvermitteltes oder innerlich Bezugloses zu u¨ bergreifender Einheit vereint ist102 . Dies bedeutet nicht, die Quantit¨at markiere ein aus selbst¨andigen Elementen a¨ ußerlich Zusammengesetztes. Denn die reine Quantit¨at besteht als solche gerade in nicht-diskreter Mannigfaltigkeit. Auch sie ist als erste Gestalt der Quantit¨at jedoch durch die Vereinigung an sich Unbez¨uglicher charakterisiert. Denn erstens ergibt sie sich aus der Aufhebung der Selbst¨andigkeit unbestimmt vieler Eins. Zweitens ist sie als nicht-diskrete Mannigfaltigkeit zwar nicht a¨ ußerlich aus selbst¨andigen Elementen zusammengesetzt. Umgekehrt sind ihre unselbst¨andigen Glieder darum aber nicht schon an sich aufeinander bezogen, sondern nur an ihnen selbst u¨ berg¨anglich in solches, was sie nicht sind, ohne dass ihre Ausg¨ange in dieses darum schon Eing¨ange in bestimmtes anderes w¨aren. Die reine Quantit¨at ist als nicht-diskrete Mannigfaltigkeit, die sich als Kontinuum veranschaulichen l¨asst, darum die unmittelbare Gestalt der Quantit¨at, weil in ihr an sich aufeinander Bezuglose derart in u¨ bergreifender Einheit stehen, dass diese nicht aus selbst¨andigen Einheiten zusammengesetzt ist, sondern eine verh¨altnislose Sph¨are ausmacht, in und aus der erst diskrete Einheiten abgehoben und ins Verh¨altnis gesetzt werden k¨onnen103 . Dabei wird sich das Quantum als vermittelte Gestalt der Quantit¨at ergeben, n¨amlich als Vereinigung an sich nicht aufeinander bezogener Elemente, die diskret unterschieden und innerhalb einer u¨ bergreifenden Einheit ausdr¨ucklich miteinander ins Verh¨altnis gesetzt sind. Schließlich markiert das quantitative Verh¨altnis die selbstvermittelte Gestalt der Quantit¨at, weil hier Quanta in Beziehung gesetzt werden, die ihre Bestimmung ausdr¨ucklich nur in Beziehung aufeinander haben und sich im anderen insofern zu sich verhalten.
102 Entsprechend ist die Quantit¨ ¨ at nach ihrer Superpositionsform als Uberlagerung von Unmittelbarkeit mit Vermittlung bestimmt. Die Quantit¨at hebt so die Qualit¨at auf:
Quantit¨at Qualit¨at . 103
Wichtig ist, dass die reine Quantit¨at logisch noch nicht als Kontinuum bestimmt ist – und zwar nicht deshalb, weil ihre Dimensionalit¨at und Metrik noch unbestimmt sind. Vielmehr markiert die reine Quantit¨at nicht-diskrete Mannigfaltigkeit, bei der Abstandsunterschiede u¨ berhaupt noch nicht in Betracht kommen.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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Quantit¨at unmittelbar (gegen innere Vermittlung) vermittelt (= a¨ ußerlich vereinigt) reine Quantum Quantit¨at unmittelbar (gg. innere Vermittl.) unmittelbar (gg. innere Vermittl.) vermittelt (= a¨ ußerlich vereinigt) vermittelt (= a¨ ußerlich vereinigt) unmittelbar (verh¨altnislos) vermittelt (verh¨altnishaft) quantitatives Verh¨altnis unmittelbar (gegen innere Vermittlung) vermittelt (= a¨ ußerlich vereinigt) selbstvermittelt (selbstverh¨altnishaft)
Mathematisch gesprochen wird sich der Gang der Quantit¨atslogik im Ausgang von der reinen Quantit¨at u¨ ber die topologischen Bestimmungen der Kontinuit¨at und Diskretion und ein zahlentheoretisches Stadium, in dem die Bestimmungen der nat¨urlichen und rationalen Zahlen hergeleitet werden, hin zu algebraischen Strukturen vollziehen, die Hegel Verh¨altnisse“ nennt104 . Der Anspruch der ” Quantit¨atslogik ist jedoch nicht, eine Grundlegung der Mathematik zu liefern, mit der Mathematiker unmittelbar etwas anfangen k¨onnten. In jede rigorose Darstellung mathematischer Sachverhalte gehen n¨amlich notwendig Setzungen ein, die relativ sind, da sie so oder anders getroffen werden k¨onnen und damit im Zuge voraussetzungslosen Denkens gar nicht einholbar sind. In der Logik werden dagegen nur notwendige Bedingungen mathematischer Strukturen abgeleitet, ohne dass sich dabei selbst Strukturen ergeben, an die mathematische Theoriebildung l¨uckenlos anschließen k¨onnte. Quantit¨atslogische Kategorien sind mit Bezug auf mathematische Theoriebildung damit grunds¨atzlich unterbestimmt, mathematische Theoriebildung mit Bezug auf quantit¨atslogische Bestimmungen umgekehrt u¨ berbestimmt105. 2.1.2.1 Unbegrenzte Begrenzbarkeit (reine Quantit¨at)* Die reine Quantit¨at ist unzusammengesetzte Mannigfaltigkeit, in welche die Vielheit der Eins zusammengegangen ist. Sie markiert damit weder eine bestimmte Menge von Einsen noch Anzahl u¨ berhaupt, der Hegel die Ausdr¨ucke Quantum“ und Gr¨oße“ vorbeh¨alt106 . Die Quantit¨at ist dagegen unbegrenzt ” ” 104
Vgl. FALK 1983: 82f. Vgl. ebd., 81. 106 So ist laut Hegel die reine Quantit¨at von ihr als bestimmter Quantit¨at, vom Quantum, ” zu unterscheiden. Als jene ist sie erstens das in sich zur¨uckgekehrte, reale F¨ursichseyn, das noch 105
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
und insofern unendlich, als keine bestimmte Menge von Einsen in ihr zusammengegangen ist und zugleich nichts vorhanden ist, was der Mannigfaltigkeit, in welche diese unbestimmt vielen Eins zusammengefallen sind, als anderes gegen¨uberstehen und sie begrenzen w¨urde. Zugleich ist diese Sph¨are aber auch in sich unbegrenzt, weil sie gar nicht aus diskreten Einheiten zusammengesetzt ist, sondern zun¨achst gerade als nicht-diskrete Mannigfaltigkeit gesetzt ist. Derart unbestimmt und unbegrenzt entspricht die Quantit¨at dem reinen Sein, jedoch so, dass in ihr unbegrenzte Mannigfaltigkeit aufgehoben und daher die M¨oglichkeit des Ausgrenzens diskreter und begrenzter Mannigfaltigkeit mitgesetzt ist. Die Quantit¨at kann damit aber nur gefasst werden, wenn die M¨oglichkeit des Ausgrenzens begrenzter Mannigfaltigkeit in und aus ihr mitgedacht wird, weil sie sich sonst gar nicht vom reinen Sein unterschiede. Daher liegt im Begriff der reinen Quantit¨at als unbegrenzter Mannigfaltigkeit schon der Begriff von in und aus ihr abgrenzbaren, bestimmten Mannigfaltigkeiten oder Quanta. Da die reine Quantit¨at an ihr selbst aber als unbestimmte und unbegrenzte Mannigfaltigkeit bestimmt ist, liegt es in ihrem Begriff, von solchem Ausgrenzen bestimmter und begrenzter Mannigfaltigkeiten in und aus ihr selbst nicht eingeschr¨ankt oder begrenzt zu werden, sondern davon unber¨uhrt zu bleiben. Die vorangegan¨ genen Uberlegungen machen Hegels Bestimmung der Quantit¨at verst¨andlich: Die Quantit¨at ist das reine Seyn, an dem die Bestimmtheit nicht mehr als eins ” mit dem Seyn selbst, sondern als aufgehoben oder gleichg¨ultig gesetzt ist“ 107 . Die Quantit¨at bezeichnet daher auch nicht, was man in ihr zun¨achst vermuten w¨urde, n¨amlich den generischen Begriff definiter Anzahl, sondern markiert als unbestimmte Mannigfaltigkeit nur die Bedingung der M¨oglichkeit definiter Anzahl oder dasjenige Unbegrenzte, in und aus dem solche Anzahlen allererst ausgegrenzt werden k¨onnen. Als besondere reale Auspr¨agungen der Quantit¨at fasst Hegel entsprechend unbegrenzte, kontinuierliche Mannigfaltigkeiten wie Raum und Zeit108 . keine Bestimmtheit an ihm hat; als gediegene, sich in sich continuierende unendliche Einheit“ [21,17320−23]. Dagegen gilt: Das Quantum ist das Dasein der Quantit¨at, so daß die Grenze an ” ihr gesetzt ist“ [V10,1253−5], vgl. 21,17424−26. 107 20,13518−20. 108 Vgl. Bestimmtere Beispiele der reinen Quantit¨ at, wenn man deren verlangt, hat man an ” Raum und Zeit, auch der Materie u¨ berhaupt, Licht u.s.f. selbst Ich; nur ist unter Quantit¨at, wie schon bemerkt, nicht das Quantum zu verstehen“ [21,17823−25]. Dass Hegel auch das Ich als Auspr¨agung der reinen Quantit¨at anf¨uhrt, l¨asst sich dadurch erl¨autern, dass das denkende Ich anderes nicht bloß als Jenseits außer sich hat, durch das es begrenzt wird, sondern vielmehr, in einem begrifflich zu kl¨arenden Sinn, aufnahmef¨ahig“ ist f¨ur anderes. Indem ich mich denkend ” auf anderes richten kann, vermag ich es erkennend aufzunehmen, ohne dadurch beschr¨ankt zu werden, da ich, gleichg¨ultig, was ich denke, doch weiter Ich bleibe. Aufgrund dieser selbst unbestimmten Ausgrenzungs- und Aufnahmekapazit¨at f¨ur Bestimmtes kann Hegel das Ich auch als den absoluten Raum“ bezeichnen [25/1,16818]. Mit der reinen Quantit¨at ist dagegen vorerst ” nur deutlich geworden, dass alles Bestimmte sein Bestehen innerhalb eines Horizonts der Ab-
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Die Quantit¨at ist zun¨achst als unbestimmte und unbegrenzte Mannigfaltigkeit charakterisiert. Insofern sie sich als unzusammengesetzte Mannigfaltigkeit aus der Vielheit der Eins ergeben hat, m¨ussen in ihr auch die f¨ur diese kennzeichnende Attraktion und Repulsion aspekthaft erhalten sein. Als dasjenige, was den Zusammenhang unzusammengesetzter Mannigfaltigkeit stiftet, ist die Attraktion Kontinuit¨at, die Repulsion umgekehrt als dasjenige, was das Mannigfaltige innerhalb seiner unzusammengesetzten Einheit auseinanderh¨alt, Diskretion109 . Kontinuit¨at und Diskretion setzen einander wechselseitig voraus. So liegt in der Kontinuit¨at schon die Diskretion, da Kontinuit¨at der durchg¨angige oder ununterbrochene Zusammenhang eines Mannigfaltigen ist. Solche Durchg¨angigkeit oder Ununterbrochenheit kann es aber nur geben, wo nicht nur eines vorliegt, sondern eine ausgebreitete Mannigfaltigkeit solcher, die in durchg¨angigem Zusammenhang stehen. Daher liegt im durchg¨angigen Zusammenhang schon eine Vielheit eigenst¨andig Ausgrenzbarer, zwischen denen Durchg¨angigkeit besteht, und damit der logische Bezug auf (die M¨oglichkeit von) Diskretion110 . Denn Diskretion meint Eigenst¨andigkeit innerhalb einer Mannigfaltigkeit. Diskretion ist ihrerseits nicht unabh¨angig von Kontinuit¨at, weil Eigenst¨andigkeit innerhalb einer Mannigfaltigkeit nur zu haben ist, insofern das Eigenst¨andige an ihm selbst in durchg¨angigem Zusammenhang mit anderem steht. Eine Mannigfaltigkeit Selbst¨andiger kann so u¨ berhaupt nur bestehen, wenn ihr Zusammenhang durch ein in allen Durchg¨angiges gestiftet wird. So bilden etwa verschiedene nat¨urliche Zahlen u¨ berhaupt nur dadurch eine diskrete Mannigfaltigkeit, weil sie auf eine ihnen gemeinsame Einheit bezogen sind, die, in allen durchg¨angig, ihr Kontinuit¨atsmoment darstellt. 7 und 5 stehen etwa u¨ berhaupt nur im Verh¨altnis, weil sie im Hinblick auf eine Einheit, die Eins, vergleichbar sind, die in ihnen das Durchg¨angige ist111 . Beinhaltete die Quantit¨at als unbestimmte und unbegrenzte Mannigfaltigkeit aber nicht wenigstens die M¨oglichkeit der Ausgrenzung bestimmter und damit begrenzter Mannigfaltigkeit, w¨are noch gar nicht Quantit¨at, sondern immer noch das reine Sein, die bloße Unbestimmtheit thematisch, in der sich nichts grenzbarkeit von anderem haben muss. Erst in der Begriffslogik wird sich ergeben, inwiefern Subjektivit¨at Garant dieses absoluten Raumes“ ist. 109 Vgl. 21,17611–1772” . 110 Vgl. So liegt in der Continuit¨ at selbst das Moment des Atomen, da sie schlecht” hin als M¨oglichkeit des Theilens ist“ [21,18714−16]. Stekeler-Weithofer weist treffend darauf hin, die Quantit¨at markiere einen Zusammenhang m¨oglicher Differenzierungen“ ” [S TEKELER -W EITHOFER 2002: 59]. 111 Vgl. Weil die discrete Gr¨ oße Quantit¨at ist, ist ihre Discretion selbst continuirlich. Diese ” Continuit¨at am Discreten, besteht darin, daß die Eins das einander gleiche sind, oder daß sie dieselbe Einheit haben“ [21,19010−13]. Nur das Kontinuierliche kann zusammengehalten werden. ” Wenn nicht alle Eins von einer Art sind, so gehen sie nicht unter dieselbe Klasse und k¨onnen als solche nicht unter eine Zahl zusammengefasst werden“ [V11,99888−91], vgl. V10,126.
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unterscheiden l¨asst. In der reinen Quantit¨at liegt damit aber insofern ihre Begrenzung, weil sie sich als solche nur fassen l¨asst, insofern sie die M¨oglichkeit ¨ immanenter Begrenzung in und aus ihr einschließt. Der Ubergang von der reinen Quantit¨at zum Quantum als bestimmter und begrenzter Quantit¨at besteht daher nur darin, ausdr¨ucklich zu setzen, was die Quantit¨at selbst schon unausdr¨ucklich voraussetzt112 . Reine Quantit¨at und Quantum verhalten sich so wie Sein und Dasein, n¨amlich als unbestimmte beziehungsweise bestimmte Gestalten der Quantit¨at113 . 2.1.2.2 Begrenzte Quantit¨at (Quantum)* Das Quantum ist begrenzte und damit bestimmte Quantit¨at: Die Quantit¨at we” sentlich gesetzt mit der ausschließenden Bestimmtheit, die in ihr enthalten ist, ist Quantum; begrenzte Quantit¨at“ 114 . Nun l¨asst die reine Quantit¨at als unzusammengesetzte Mannigfaltigkeit aber offenbar ein zweifaches Begrenzen zu, n¨amlich a¨ ußere und innere Begrenzung. Denn in und aus ihr kann erstens ein Mannigfaltiges ausgegrenzt werden, das in sich nicht-diskrete Mannigfaltigkeit und insofern bloß nach außen, nicht aber innerlich begrenzt ist. Ein solches bloß a¨ ußerlich begrenztes Quantum ist damit aber erstens noch unvollst¨andig bestimmt, insofern es in sich noch nicht aus einer bestimmten Anzahl gegeneinander abgegrenzter Einheiten besteht und daher weitere Ausgrenzung zul¨asst. In sich unbegrenzt ist das unmittelbare Quantum daher auch noch nicht mit der Zahl gleichzusetzen. Umgekehrt bildet erst das vermittelte Quantum, insofern es sowohl a¨ ußerlich wie in sich begrenzt und damit aus diskreten Einheiten zusammengesetzt ist, die Zahl115 . Die Zahl ist daher nicht einfach das Quantum oder bestimmte Quantit¨at, sondern die vollst¨andig bestimmte Quantit¨at oder das nicht nur a¨ ußerlich, sondern auch innerlich begrenzte Quantum. Denn sie markiert begrenzte Mannigfaltigkeit, die auch in sich diskret und insofern in sich begrenzt ist116 . Hegels logische Herleitung der (nat¨urlichen) Zahl geht dabei davon aus, dass die diskreten Einheiten, aus denen sich die Zahl zusammensetzt, qualitativ ununterschiedene Einsen sind. Die Momente der Zahl
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Vgl. TW8,214 Z. Vgl. TW8,214 Z. 114 20,1374−5. 115 Vgl. Das Quantum, zun¨ achst Quantit¨at mit einer Bestimmtheit oder Grenze u¨ berhaupt, ” – ist in seiner vollkommenen Bestimmtheit die Zahl“ [21,1933−4]. 116 Vgl. Das Quantum nun als solches ist begrenzt u ¨ berhaupt, seine Grenze ist abstracte, ” einfache Bestimmtheit desselben. Indem es aber Zahl ist, ist diese Grenze als in sich selbst mannichfaltig gesetzt. Sie enth¨alt die vielen Eins, die ihr Daseyn ausmachen, enth¨alt sie aber nicht auf unbestimmte Weise, sondern die Bestimmtheit der Grenze f¨allt in sie“ [21,19417−21]. 113
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sind entsprechend Anzahl und Einheit, und die Zahl soll so in einer bestimmten Mannigfaltigkeit voneinander abgegrenzter Einsen bestehen117 . Anders als Hegel nahe legt, muss die Zahl als in sich begrenzte Mannigfaltigkeit aber nicht notwendig aus Einsen zusammengesetzt sein, die sich bloß numerisch unterscheiden. Denn die Zahl ist logisch bloß als die vollkommen bestimmte Quantit¨at und damit als auch in sich begrenztes Quantum bestimmt. Im Begriff eines in sich begrenzten Quantums liegt aber nur, dass es aus diskreten Einheiten zusammengesetzt ist, welche jedoch nicht Einsen sein m¨ussen, sondern selbst unterschiedliche Quanta sein k¨onnen. An sich ist Hegels Bestimmung der Zahl daher mit der gel¨aufigen von Neumannschen Definition der nat¨urlichen Zahlen vereinbar118 . Denn dieser zufolge ist jede nat¨urliche Zahl rekursiv als Menge der ihr vorangehenden Zahlen bestimmt, wobei die Eins als diejenige Menge den Anfang macht, welche die leere Menge enth¨alt. Genauer ist die Generierung der nat¨urlichen Zahlen durch rekursive Potenzmengenbildung mit Hegels dialektischer Bestimmung der Zahl nicht nur vereinbar, sondern l¨asst sich aus ihr herleiten und begr¨unden. Denn zum einen wurde das Eins dialektisch als das Leere bestimmt. Zum anderen widerspricht sich das Quantum, weil es seiner inneren Begrenzung gem¨aß durch solches bestimmt ist, was ein anderes ist als es selbst, und muss so wie das Dasein immanent in einem Progress u¨ ber sich hinausweisen, im Zuge dessen es mit dem, was zugleich f¨ur es konstitutiv und von ihm verschieden ist, zu einem neuen Quantum vereinigt wird, welches sich mathematisch als Potenzmenge und damit als numerischer Nachfolger des ersten Quantums deuten l¨asst. Dieser Aufbau der Zahlen im Ausgang von der Eins als in sich Leerem vermeidet anscheinend auch einen Widerspruch, der sich aus der klassischen Konzeption der Zahl als Einheit von Einheiten ergibt, die Hegel selbst ausdr¨ucklich vertritt. Im entsprechenden Zahlbegriff wird n¨amlich eine Verschiedenheit qualitativ ununterscheidbarer Einsen vorausgesetzt, die sich als solche, wie schon gezeigt, nicht festhalten l¨asst119 . So leitet Hegel im F¨ursichsein u¨ ber die Repulsion des Eins zwar eine unbestimmte Vielheit qualitativ ununterscheidbarer Einsen her, deren Widerspruch aber gerade zu ihrer Aufhebung in die reine Quantit¨at f¨uhrte. Entsprechend erweist sich dieser Widerspruch im logischen Fortgang zwar als notwendig, f¨uhrt jedoch ebenso notwendig u¨ ber sich hinaus; und erst das, worauf er f¨uhrt, ist als reine Quantit¨at Bedingung f¨ur das Ausgrenzen von Zahlen als definiten Quantit¨aten. Hegel leistet in der Logik so zugleich Darstellung und Kritik des vulg¨aren Begriffs der nat¨urlichen Zahl als Einheit 117 Vgl. Das Quantum hat seine Entwicklung und vollkommene Bestimmtheit in der Zahl, ” die als ihr Element das Eins, nach dem Momente der Diskretion die Anzahl, nach dem der Continuit¨at die Einheit, als seine qualitativen Momente in sich enth¨alt“ [20,1377−10], vgl. V10,127. 118 Eingef¨ uhrt in VON N EUMANN 1923: 24f. 119 Vgl. oben. Abschnitt 2.1.1.5.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
von Einheiten. Damit ist dann aber nicht vereinbar, dass die Zahl im Quantumskapitel doch wieder als Anzahl von Einsen eingef¨uhrt wird. Auch dies ist ein Grund daf¨ur, die Ans¨atze zu einer rekursiven Zahldefinition durch Potenzmengenbildung im Ausgang vom Eins als Leerem (oder als Menge, welche die leere Menge enth¨alt), frei rekonstruierend in den Vordergrund zu r¨ucken. Dass der von Neumannsche Zahlbegriff den Widerspruch zur Identit¨at des Ununterscheidbaren, der dem klassischen Zahlbegriff anhaftet, vermeidet, ist jedoch nicht der Grund daf¨ur, weshalb der Hegelsche Zahlbegriff hier an ihn angen¨ahert wurde. Denn auch andere Zahlbegriffe wie der Fregesche vermeiden diesen Widerspruch. Mit Frege l¨asst sich das Dilemma des Zahlbegriffs dahingehend charakterisieren, dass die Zahl einerseits keine Menge qualitativ unterschiedener Einheiten sein kann, weil sie eine nicht-qualitative Mannigfaltigkeit ist. So ist die Zahl Drei mit keiner Menge dreier Elemente gleichzusetzen, seien es Drillinge, Kleebl¨atter oder was auch immer120 . Andererseits widerspricht sich die Annahme, die Zahl setze sich aus qualitativ gleichen und lediglich numerisch verschiedenen Einsen zusammen, weil diese als solche gerade in Unterschiedslosigkeit zusammenfallen: Wenn wir die Zahl durch Zusammenfassung von verschiedenen Gegenst¨anden entstehen lassen ” wollen, so erhalten wir eine Anh¨aufung, in der die Gegenst¨ande mit eben den Eigenschaften enthalten sind, durch die sie sich unterscheiden, und das ist nicht die Zahl. Wenn wir die Zahl andererseits durch Zusammenfassung von Gleichen bilden wollen, so fließt dies immerfort in eins zusammen, und wir kommen nie zu einer Mehrheit“ 121.
Abstrakt formuliert besteht die L¨osung dieses Dilemmas darin, dass die Zahl zwar nicht mit einem qualitativ Mannigfaltigen, also einer Menge qualitativ verschiedener Elemente, gleichgesetzt werden kann, der Begriff der Quantit¨at und der Zahl aber unausdr¨ucklich qualitative Verschiedenheit voraussetzt und so als Abstraktion von qualitativer Verschiedenheit verstanden werden muss. Diese Einsicht findet sich aber nicht erst bei Frege, sondern spiegelt sich schon in Hegels Umstellung der sonst u¨ blichen Reihenfolge von Qualit¨at und Quantit¨at wider. Denn dass die Quantit¨at die aufgehobene Qualit¨at ist, dr¨uckt aus, dass Quantit¨at Qualit¨at voraussetzt, ohne darum selbst ein qualitativ bestimmtes Mannigfaltiges zu sein122 . Rein numerische Verschiedenheit, die im Begriff 120
Russell bringt dies so auf den Punkt: Many philosophers, when attempting to de” fine number, are really setting to work to define plurality, which is quite a different thing. [...] A particular number is not identical with any collection of terms having that number“ [RUSSELL 1919: 11]. 121 F REGE 1889: 72. 122 Semantisch gewendet bedeutet dies: In quantitativen Reden unterstellt man be” reits die Bekanntheit vieler M¨oglichkeiten qualitativer Unterscheidungen, sieht aber ab von den konkreten Auspr¨agungen ihrer Kriterien und spricht u¨ ber das durch sie Ausgegrenzte so, als sei es unmittelbar verf¨ugbar. Man tut so, als sei die qualitative Unterscheidung se-
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der Zahl als rein quantitativ Mannigfaltigem steckt, ist damit so zu verstehen, dass sie qualitative Mannigfaltigkeit unausdr¨ucklich voraussetzt, und ist insofern eine Abstraktion von qualitativer Mannigfaltigkeit. Andererseits k¨onnen qualitative Bestimmungen in der Bestimmung der Zahl selbst keinen Platz haben. In dieser Hinsicht scheint jedoch der Frege-Russellsche Zahlbegriff dem von Neumannschen, an den sich der dialektische Zahlbegriff anschließen l¨asst, unterlegen und kann von diesem her kritisiert werden. Denn Frege setzt die Zahl zwar nicht mit einer qualitativen Mannigfaltigkeit oder einer Menge qualitativ verschiedener Elemente gleich, bezieht sich in der Definition der Zahl aber ausdr¨ucklich auf qualitative Verschiedenheit. Sein Zahlbegriff schließt so ausdr¨ucklich Qualitatives ein und bildet damit nicht den Begriff einer rein quantitativen Mannigfaltigkeit, in der von aller Qualit¨at abgesehen ist. Denn Frege fasst die Zahl zwar nicht als qualitativ Mannigfaltiges, jedoch als Menge aller Mengen oder qualitativen Mannigfaltigkeiten, deren qualitativ verschiedene Elemente sich eineindeutig aufeinander abbilden lassen123 . W¨ahrend die Frege-Russelsche Bestimmung der Zahl damit auf dialektisch fragw¨urdige Weise in die Bestimmung der Zahl einen ausdr¨ucklichen Bezug auf qualitative Verschiedenheit hineintr¨agt, entgeht von Neumanns Zahlbegriff, an den sich der dialektische anschließen l¨asst, solcher Vermengung. Denn indem die Zahlenfolge im Ausgang von der Eins als Menge, welche die leere enth¨alt, rekursiv durch Potenzmengenbildung entwickelt wird, wird ein Widerspruch zur Identit¨at des Ununterscheidbaren ohne ausdr¨ucklichen Bezug auf qualitakund¨ar, als g¨abe es das je Unterschiedene vor und unabh¨angig von diesen Unterscheidungen“ [S TEKELER -W EITHOFER 2002: 58]. 123 So definiert Frege: Die Anzahl, welche dem Begriffe F zukommt, ist der Umfang des ” Begriffes gleichzahlig dem Begriffe F“. Null ist die Anzahl, welche dem Begriffe sich selbst ” ungleich zukommt“. 1 ist die Anzahl, welche dem Begriffe gleich 0 zukommt“ [F REGE 1889: ” 100; 107; 111]. Wenn die Zahl also als Menge der einer durch einen Begriff F bestimmten Menge umfangsgleichen Mengen definiert wird, dann sind mit diesen Mengen erster Stufe um den Preis der Zirkularit¨at nicht Mengen von Zahlen gemeint, sondern Mengen qualitativ verschiedener Elemente. Dies geht deutlicher aus Russells Zahldefinition hervor, die inhaltlich an Frege anschließt und dessen Zahlbegriff nur popul¨ar darstellt: It is clear that number is a way ” of bringing together certain collections, namely, those that have a given number of terms. We can suppose all couples in one bundle, all trios in another, and so on. In this way we obtain various bundles of collections, each bundle consisting of all the collections that have a certain number of terms. Each bundle is a class whose members are collections, i. e. classes; thus each is a class of classes“. The number of a class is the class of all those classes that are similar to it. ” [...] A number is anything which is the number of some class“ [RUSSELL 1919: 14; 18f.]. Werden Zahlen aber dergestalt als Klassen a¨ quivalenter Klassen qualitativ verschiedener Elemente gefasst, ist in die Bestimmung der Zahl unzul¨assig ein qualitatives Element hineingetragen. So wird die Null von Frege definiert als Menge aller dem Umfang des Begriffs sich selbst ungleich a¨ quivalenten Mengen. Dies ist aber der Begriff von etwas Bestimmtem, das erstens selbst keine Zahl und zweitens sich ungleich ist, also einander widersprechende qualitative Bestimmungen hat.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
tive Verschiedenheit vermieden. Denn im rekursiven Aufbau der Zahlreihe im Ausgang von der leeren Menge sind die jeweiligen Elemente einer Zahl zwar verschieden, zugleich aber selbst Zahlen, sodass in die Zahldefinition nicht unzul¨assig qualitative Mannigfaltigkeit eingeschleust wird. Das Quantum ist als Zahl ein bestimmtes Mannigfaltiges, das in sich diskret ist, insofern es sich aus voneinander unterschiedenen Einheiten zusammensetzt. Das numerische Quantum hat damit aber solches in sich, was von ihm selbst unterschieden ist und sich damit sowohl untereinander wie ihm gegen¨uber als anderes verh¨alt. Da etwas durch anderes jedoch begrenzt wird, ist das Quantum, sofern es eine Mannigfaltigkeit von anderen in sich hat, in sich mannigfach begrenzt. Derart ist das Quantum extensive Gr¨oße, da es sozusagen in sich eine gewisse Erstreckung hat124 . Nun schließt etwas aber das, was es begrenzt, von sich aus, weil die Grenze das ist, wo es selbst aufh¨ort und anderes anf¨angt. Das Quantum damit gesetzt als dasjenige, was das, woran es grenzt, außer sich hat und somit in sich selbst einfach ist, bildet die intensive Gr¨oße oder den Grad125 . Der Grad ist dergestalt ein Quantum, das gesetzt ist, seine Bestimmtheit nicht durch eine innere Gliederung in diskrete Einheiten zu haben, sondern dadurch, dass es ein bestimmtes Verh¨altnis zu anderen Quanta außer ihm einnimmt, etwa durch seinen Ort auf einer Skala. Nun geh¨ort aber die Grenze dem Ansichsein des Quantums an. Die von einem intensiven Quantum unterschiedenen Gr¨oßen außer ihm sind daher f¨ur dieses selbst konstitutiv, geh¨oren zu seinem Ansichsein und sind darum ebenso in es und es daher als in sich vielfach oder als extensive Gr¨oße zu setzen. Extensive und intensive Gr¨oße sind so nur einander wechselseitig fordernde Aspekte des Quantums126 , insofern dieses seine Grenze in Gestalt anderer Quanta in sich haben und so in sich vielf¨altig sein muss, diese anderen als andere zugleich aber außer sich hat und damit, in sich einfach, bloß a¨ ußerlich begrenzt ist. Begrenzt und endlich erbt das Quantum damit den Widerspruch, der schon das qualitative Etwas u¨ ber sich hinaustrieb127 . Denn in sich mannigfaltig hat das Quantum andere, von ihm unterschiedene Quanta in sich, sodass f¨ur seinen Selbstand solches konstitutiv ist, was es nicht ist. Umgekehrt hat es als intensive Gr¨oße das, was f¨ur es selbst konstitutiv ist, n¨amlich andere Quanta, bloß außer sich128 . Um diesen Widerspruch von Selbst¨andigkeit und Unselbst¨andigkeit 124
Vgl. Die Grenze ist mit dem Ganzen des Quantums selbst identisch; als in sich vielfach ” ist sie die extensive, aber als in sich einfache Bestimmtheit, die intensive Gr¨oße oder der Grad“ 4−6 [20,139 ]. 125 Vgl. 21,21013−14. 126 Vgl. 21,2137−9. 127 Vgl. Das Quantum ist ein Sollen; es enth¨ alt, f¨ur-sich-bestimmt zu sein, und dieses ” F¨ur-sich-bestimmtsein ist vielmehr das Bestimmtsein in einem Anderen“ [21,21821–2191]. 128 Der Grad ist damit laut Hegel die Gr¨oße als gleichg¨ultig f¨ur sich und einfach, so daß ” sie aber die Bestimmtheit, wodurch sie Quantum ist, schlechthin außer ihr in anderen Gr¨oßen
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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oder Unabh¨angigkeit vom anderen und Konstitution durch dieses zu beheben, muss das, was f¨ur die Zahl zugleich konstitutiv und außer ihr gesetzt ist, mit ihr zu einer neuen Menge vereint werden, einem neuen Quantum129 . Dieses soll die Untrennbarkeit seines Vorg¨angers von dessen Konstitutionselementen ausdr¨ucken, welche zugleich außer ihm gesetzt waren. Das damit erreichte Quantum reproduziert freilich den Widerspruch, woraus sich der quantitative unendliche Progress ergibt. Das immanente Hinausgehen des Quantums u¨ ber seine Grenze entspricht damit aber gerade von Neumanns rekursiver Bildung der nat¨urlichen Zahlen130 , sofern nur beachtet wird, dass das Eins dialektisch als Leeres bestimmt war und damit als Einheit gefasst werden kann, welche die leere Menge enth¨alt. Insofern die Leere f¨ur das Eins zugleich konstitutiv und von ihm verschieden, daher als anderes gesetzt ist, widerspricht sich das Eins und muss darum mit dem f¨ur es konstitutiven anderen ineins gesetzt werden, woraus sich ein neues Quantum ergibt, welches die Leere und die Eins enth¨alt: Die Zwei. Indem f¨ur die Zwei die Eins und das Leere ihrerseits konstitutiv, zugleich aber als selbst¨andig außer ihr gesetzt sind, widerspricht sich auch die Zwei und muss mit dem f¨ur sie konstitutiven Außer-ihr vereinigt werden. Der immanente Widerspruch jedes begrenzten Quantums bildet so den Grund f¨ur das immanente Hinausgehen zu einem weiteren Quantum durch Setzen der u¨ bergreifenden Einheit seiner selbst mit seinen Elementen, oder, mengentheoretisch gesprochen, durch Potenzmengenbildung. Der quantitative Progress, der sich daraus ergibt, dass f¨ur das Quantum andere Quanta zugleich konstitutiv sind und es diesen gegen¨uber als selbst¨andig gesetzt ist, unterscheidet sich damit aber wesentlich vom qualitativen Progress, der sich aus dem Widerspruch des Etwas ergab. Denn da das Hinausgehen des Quantums u¨ ber sich zur Vereinigung mit seinen von ihm unterschiedenen Elementen f¨uhrt, unterscheidet sich der Nachfolger von seinem Vorg¨anger hier durch reichere innere Gliederung. Ausgangspunkt und Ergebnis des Hinausschickens sind daher nicht ununterscheidbar, wie im qualitativen Progress, wo etwas gegen¨uber dem anderen, auf das es f¨uhrt, selbst schon ein anderes war, wodurch sich eine unfundierte Reihe ohne erstes Glied ergab. Dagegen vereint der quantitative Progress das Quantum mit seinen von ihm unterscheidbaren Elementen zu einer reicher gegliederten Einheit und bildet daher keine unfundierte Abfolge ununterscheidbarer, sondern eine wohlgeordnete hat. In diesem Widerspruch, daß die f¨ursichseyende gleichg¨ultige Grenze die absolute Aeußerlichkeit ist, ist der unendliche quantitative Progreß gesetzt“ [21,13915−19]. Das Quantum kann ” daher nicht nur ins Unendliche vermehrt oder vermindert werden, es selbst ist durch seinen 26−28 Begriff dieses Hinausschicken u¨ ber sich“ [21,139 ]. 129 Vgl. 21,22021-2213 . 130 Vgl. Jede Ordnungszahl ist die Menge der ihr vorangehenden Ordnungszahlen“ ” [VON N EUMANN 1923: 25].
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Folge unterscheidbarer Reihenglieder, die ihren Ausgang von der Eins als einfachstem Quantum nimmt, welches selbst nur die Leere in sich enth¨alt: / {0,{ / 0}} / / 0},{ / 0,{ / 0}}} / {0} {0,{ ... Das eigene Hinausgehen des Quantums u¨ ber sich f¨uhrt aber nicht nur auf die Zahlreihe als den unendlichen Progress immer weiterer Quanta. Die schlechte Unendlichkeit dieses Progresses wird vielmehr verlassen, indem ausdr¨ucklich ¨ gemacht wird, was in ihm als immanentem Ubergehen selbst schon liegt. Denn indem das Quantum als begrenztes verm¨oge seines eigenen Widerspruchs u¨ ber sich hinausweist, verh¨alt es sich zu dem, worein es dabei u¨ bergeht, nicht einfach fremd. Damit ist im quantitativ-unendlichen Progress aber ein Selbstverh¨altnis zwischen seinen Gliedern angelegt – und damit das quantitative Verh¨altnis“. ” Denn das quantitative Verh¨altnis markiert insofern ein Selbstverh¨altnis von quantitativem Etwas und Anderem, als die im Verh¨altnis stehenden Quanta ihre Bestimmung nicht mehr unabh¨angig, sondern ausdr¨ucklich nur in Bezug aufeinander haben, indem eines f¨ur das andere als bestimmend gesetzt ist131 . So stehen 2 und 5 in 25 in Funktion voneinander, haben ihre Bedeutung also nur im Verh¨altnis und bedeuten nicht einfach das, was sie in Isolation bedeuten132 . 4 Entsprechend ist es gleichg¨ultig, ob man 25 oder 10 schreibt, w¨ahrend 2+5 von 4+10 verschieden ist. Die Umwendung des unendlichen quantitativen Progresses zu einem Verh¨altnis seiner Glieder macht dabei nur das Selbstverh¨altnis ausdr¨ucklich, das im immanenten Hinausgehen der Quanta u¨ ber sich selbst liegt. Das Hinausschicken des numerischen Quantums u¨ ber sich erkl¨art und begr¨undet so nicht nur die Reihe der nat¨urlichen Zahlen, sondern das in seinem Progress liegende Selbstverh¨altnis rechtfertigt zugleich logisch die Erweiterung des K¨orpers der nat¨urlichen Zahlen zu dem der positiven rationalen Zahlen. Denn in Gestalt derselben wird nur das den nat¨urlichen Zahlen als selbsterweiternder Folge bereits innewohnende Moment des Selbstverh¨altnisses ausdr¨ucklich gemacht.
131 Das quantitative Verh¨altnis bildet so die Beziehung eines Quantums auf ein anderes ” Quantum, deren jedes nur gilt in dieser seiner Beziehung auf sein Anderes“ [21,2368−9]. 132 Vgl. Im Verh¨ altnis hat das Quantum nicht mehr eine nur gleichg¨ultige Bestimmtheit, ” sondern ist qualitativ bestimmt als schlechthin bezogen auf sein Jenseits. Es kontinuiert sich in sein Jenseits; dieses ist zun¨achst ein anderes Quantum u¨ berhaupt. Aber wesentlich sind sie nicht als a¨ usserliche Quanta aufeinander bezogen, sondern jedes hat seine Bestimmtheit in dieser Beziehung auf das andere. Sie sind so in diesem ihrem Andersseyn in sich zur¨uckgekehrt“ [21,3107−11].
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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2.1.2.3 Selbstvermittelte Quantit¨at (Verh¨altnis)* Indem das quantitative Verh¨altnis sich aus dem Mitsichzusammengehen unterschiedlicher Quanta ergibt, ist mit ihm die quantitative Unendlichkeit erreicht. Nun handelt es sich bei Zahlverh¨altnissen aber dem Anschein nach um endliche Gr¨oßen. Dialektisch ist die Unendlichkeit jedoch als Selbstverh¨altnis im anderen bestimmt, und ein solches liegt, wenngleich nur aspekthaft, in Gestalt eines Bruchs vor, insofern dessen Glieder einander nicht wie etwas und etwas anderes fremd gegen¨uberstehen, sondern ihre Bedeutung ausdr¨ucklich in Funktion voneinander haben. Entsprechend betont Hegel, dass das quantitative Verh¨altnis die Aeusserlichkeit seines Bestimmtseyns innerhalb seiner selbst hat, und in ” ihr nur auf sich bezogen, somit an ihm selbst unendlich ist“ 133 . Dass ein – als solcher begrenzter und endlicher – Bruch aspekthaft aktuale Unendlichkeit einfaltet, zeigt sich anschaulich daran, dass er in eine nichtabbrechende (und insofern schlecht-unendliche) Dezimalfolge zerlegt werden kann ( 34 =1,333...)134 . Die M¨oglichkeit der Dezimalbruchzerlegung zeigt dabei aber zugleich an, dass das quantitative Verh¨altnis als Bruch noch eine unangemessene oder endliche Gestalt quantitativer Unendlichkeit bildet. Denn w¨ahrend die Glieder des Bruchs insofern unendlich sind, als sie ihre Bedeutung ausdr¨ucklich nur im Verh¨altnis zum anderen haben und sich in diesem dergestalt zu sich verhalten, besteht zugleich immer noch die M¨oglichkeit, das Verh¨altnis durch Quanta auszudr¨ucken, die f¨ur sich stehen und ihre Bedeutung nicht ausdr¨ucklich allein im Verh¨altnis zu anderem haben (vgl. 43 =1+ 13 ). Dass das quantitative Verh¨altnis damit noch eine endliche Gestalt quantitativer Unendlichkeit ist, insofern immerhin die M¨oglichkeit besteht, seine Glieder aus ihrem Selbstverh¨altnis im anderen zu l¨osen und selbst¨andig zu setzen, kommt darin zum Ausdruck, dass die Dezimalbruchzerlegung ihrerseits auf einen unendlichen 133
21,3114−5. Da wahrhafte Unendlichkeit als Selbstverh¨altnis im anderen bestimmt ist, ist das Paradigma quantitativer Unendlichkeit nicht das nicht-abbrechender Reihen, deren Glieder sich wie etwas und anderes verhalten. Auch die Ordnungstypen der transfiniten Mengenlehre bezeichnen keine Strukturen, die im Hegelschen Sinn als unendlich gelten k¨onnten. Georg Cantor hat das Transfinite selbst als eine Form des aktual Unendlichen von dem, was er das Absolute“ nennt, dadurch abgegrenzt, dass es zwar (¨uberabz¨ahlbar) unendlich, aber dennoch ” vermehrbar sei, w¨ahrend das Absolute als unvermehrbar und daher mathematisch undetermi” nierbar“ zu denken sei [C ANTOR 1932: 375]. Cantor protestiert entsprechend ganz im Sinne Hegels dagegen, das Absolute als ideale Grenze“ des Endlichen zu bestimmen, da eine solche ” Grenze nur als minimales Transfinitum bestimmt sei. Dabei setzt er sich aber ausdr¨ucklich von Hegel ab, da dieser keine wesentlichen Unterschiede im aktual Unendlichen kenne [ebd., 376]. Zwar kannte Hegel nat¨urlich keine transfiniten Ordnungstypen, h¨atte das Transfinite, insofern dieses als vermehrbar und damit als begrenzt zu denken ist, anders als Cantor (und anders als es die treffende Bezeichnung transfinit“ nahe legt), gar nicht zum Unendlichen gerechnet. Zum ” Unendlichen als Selbstbeziehung im anderen geh¨ort f¨ur ihn jedoch durchaus innerer Unterschied, nicht jedoch die Begrenztheit gegen¨uber einem Außen. 134 Vgl. 21,24512−21.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Progress f¨uhren kann, der deutlich macht, dass der Widerspruch des Quantums, als begrenztes zugleich selbst¨andig und durch anderes bestimmt zu sein, in Gestalt des quantitativen Verh¨altnisses noch nicht befriedigend aufgel¨ost ist. Eine angemessene Gestalt des quantitativ Unendlichen wird dagegen erst in den Grenzprozessen der Infinitesimalrechnung erreicht135 . Denn der Differentialquotient markiert ein Verh¨altnis von Gr¨oßen, das grunds¨atzlich nicht in selbst¨andige Quanta zerlegt werden kann. Die Glieder des Differentialquotienten δy amlich gar keine Bestimmung mehr, also nicht einmal den δx haben an sich n¨ Anschein einer Eigenbestimmtheit unabh¨angig voneinander. Vielmehr haben sie ihre Bedeutung allein im Verh¨altnis zueinander, sodass hier ausdr¨ucklich solches gesetzt ist, was rein an ihm selbst sein anderes ist. Mit dem Differentialquotienten ist so das quantitative Selbstverh¨altnis im anderen und damit das mathematische wahrhaft Unendliche rein gesetzt. Zentral ist damit an der Bestimmung des unendlich Kleinen und Großen, die bei der Grenzwertbildung auftreten, dass es sich um Quanta handelt, die u¨ berhaupt nicht mehr an ihnen selbst, sondern nur noch im Verh¨altnis zu anderem bestimmt sind und das Selbstverh¨altnis im anderen somit rein auspr¨agen. In der N¨urnberger Schullogik von 1810/11 formuliert Hegel dies pr¨agnant: Das Quantum hat keine an sich selbst bestimmte Grenze. Es gibt also kein Quantum, u¨ ber ” das nicht ein gr¨oßeres oder kleineres gesetzt werden k¨onnte. Das Quantum, welches das letzte sein, u¨ ber das kein gr¨oßeres oder kleineres gesetzt werden soll, heißt gew¨ohnlich das unendlich Große oder das unendlich Kleine. Aber damit h¨ort es u¨ berhaupt auf, ein Quantum zu sein und ist f¨ur sich = 0. Es hat nur noch Bedeutung als Bestimmung eines Verh¨altnisses, worin es f¨ur sich keine Gr¨oße mehr hat, sondern nur eine Bestimmung in Beziehung auf ein Anderes. Dies ist der genaue Begriff des mathematisch Unendlichen“ 136.
So ist das unendlich Kleine f¨ur sich weder eine bestimmte und damit endliche Gr¨oße noch die abstrakte Negation bestimmter Gr¨oße und damit Nichts, sondern eine Gr¨oße, die allein im und als Verschwinden bestimmt ist. Der (entsprechend nur uneigentlich so zu nennende) Differentialquotient dr¨uckt eben diese Bestimmung des mathematisch Unendlichen aus. Denn δy und δx haben an sich gar keine quantitative Bestimmtheit und Bedeutung mehr. Die Differentiale sind aber so weder an sich selbst positiv noch einfach nichts, sondern an ihnen selbst verschwindend, weil sie allein im Verh¨altnis zueinander bestimmt und so an ihnen selbst rein ihr anderes sind, womit das mathematische Selbstverh¨altnis im anderen f¨ur sich gesetzt ist137 . Der Differentialquotient δy δx 135 Da Hegel die Infinitesimalrechnung in der Logik nur in Anmerkungen behandelt, die ebenso umfangreich wie komplex sind, k¨onnen und sollen sie an dieser Stelle nicht ausf¨uhrlich behandelt werden, wo es um eine straffe Darstellung von Seins- und Wesenslogik geht. Aufschlussreiche Untersuchungen zu Hegels Philosophie der Infinitesimalrechnung sind W OLFF 1986b und S TEKELER -W EITHOFER 2004. 136 TW4,170. 137 Hegel schließt mit seinen Ausf¨ uhrungen zur Differentialrechnung affirmativ an New-
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
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markiert so aber keine echte Proportion, n¨amlich kein Verh¨altnis selbst¨andiger Gr¨oßen, da f¨ur die Differentiale δy und δx keine arithmetischen Operationen definiert sind und die entsprechenden Ausdr¨ucke somit bloß synkategorematisch vorkommen138 . Damit ist eine Gleichung der Form δy δx =F in Hegels Augen aber gar keine echte Gleichung, sondern dr¨uckt nur aus, dass F durch ein bestimmtes Verfahren zu gewinnen ist139 . F ist so n¨amlich gekennzeichnet als quantitatives Verh¨altnis, das sich aus dem Verschwinden eines anderen Gr¨oßenverh¨altnisses ergibt. Dabei zeigt der Differentialquotient aber nur das Verschwinden dieses Gr¨oßenverh¨altnisses an und markiert selbst kein quantitatives Verh¨altnis endlicher Gr¨oßen, das mit einem anderen quantitativen Verh¨altnis F gleichgesetzt werden k¨onnte. Dass das reine Selbstverh¨altnis im anderen die wahrhafte quantitative Unendlichkeit ist, beinhaltet dabei zugleich, dass dieses reine, quantitative Selbstverh¨altnis im anderen, in das selbst keine unmittelbar bestimmte Gr¨oße eingeht, dasjenige ist, woraus sich endliche Gr¨oßen gewinnen lassen, sodass diese dem wahrhaft Unendlichen nicht als fremd gegen¨uberstehen, sondern dessen δδδy unselbst¨andige Momente bilden (vgl. etwa δδδx (xxx)=6). Mit dem quantitativen Verh¨altnis beginnt das Wiederhervortreten der Qualit¨at in und aus der Quantit¨at140 . Dieser Hervortritt des Qualitativen am quantitativen Verh¨altnis l¨asst sich folgendermaßen begr¨unden: Das Verh¨altnis ist eine tons L¨osung der Aporie an, dass Differentiale als verschwindend“ kleine Gr¨oßen weder gleich ” Null sein k¨onnen (weil ihre Einf¨uhrung sonst keine eigene Rechenart begr¨undet) noch endliche Gr¨oßen (weil die Differentialrechnung sonst nicht exakt w¨are). Newtons L¨osung besteht nach Hegels Auskunft darin, unter dem Verh¨altnisse verschwindender Gr¨oßen sey das ” Verh¨altnis zu verstehen, nicht eh sie verschwinden, und nicht nachher, sondern mit dem sie verschwinden (quacum evansecunt)“ [21,25316−18]. In R¨ucksicht der Erhaltung des Verh¨altnisses ” im Verschwinden der Quantorum findet sich (anderw¨arts, wie bey Carnot, Reflexions sur la M´etaphysique du Calcul Infinit´esimal) der Ausdruck, daß verm¨oge des Gesetzes der St¨atigkeit die verschwindenden Gr¨ossen noch das Verh¨altniß, aus dem sie herkommen, ehe sie verschwin¨ den, behalten. – Diese Vorstellung dr¨uckt die wahre Natur der Sache aus“. Der Ubergang zum mathematisch Unendlichen besteht entsprechend darin, das Verh¨altniß rein herauszuheben, ” und die verh¨altnißlose Bestimmung, d. i. daß ein Quantum, welches Seite des Verh¨altnisses ist, auch ausser dieser Beziehung gesetzt, noch Quantum ist, verschwinden zu machen“ [21,25418– 2553]. 138 Vgl. S TEKELER -W EITHOFER 2004b: 128ff.; W OLFF 1986b: 207 unter Hinweis auf 11,16435–1655. 139 Vgl. W OLFF 1986b: 238f. 140 Zumeist begr¨ undet Hegel dieses Wiederhervortreten einfach damit, im quantitativen Verh¨altnis sei ein Selbstverh¨altnis zweier Quanta erreicht, damit das F¨ursichsein und so eine qualitative Bestimmung: Dieses sich selbst in seiner f¨ursichseyenden Bestimmtheit Aeußer” lichseyn des Quantums macht seine Qualit¨at aus; es ist in demselben eben es selbst und auf sich bezogen. Es ist die Aeußerlichkeit, d. i. das Quantitative, und das F¨ursichseyn, das Qualitative, darin vereinigt. – Das Quantum an ihm selbst so gesetzt ist das quantitative Verh¨altnis“ [20,1406−10], vgl. V10,132. Diese Begr¨undung ist deswegen fragw¨urdig, weil die Qualit¨at nicht als Selbstverh¨altnis im anderen eingef¨uhrt wurde, sondern als Bestimmtheit der Sache, die mit
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Beziehung bestimmter Quanta, die nicht so gesetzt sind, als h¨atten sie ihre Bestimmtheit unmittelbar an ihnen selbst, sondern f¨ur deren Bestimmtheit ausdr¨ucklich das Verh¨altnis zu ihrem anderen konstitutiv ist. Zugleich sind die Glieder des Verh¨altnisses aber noch bestimmte Gr¨oßen, die als solche u¨ ber sich hinausweisen und einen infiniten Progress initiieren. Da die derart u¨ ber sich hinausweisenden Gr¨oßen im Verh¨altnis aber als Funktionen voneinander gesetzt sind, k¨onnen sie nicht einfach unabh¨angig voneinander u¨ ber sich hinausgehen, sondern m¨ussen dabei in Funktion voneinander stehen: Um soviel ” also die eine Seite vergr¨ossert oder vermindert wird, um soviel auch die andere; das Verh¨altniß selbst ist gegen diese Ver¨anderung gleichg¨ultig, sie ist ihm a¨ usserlich“ 141 . Das quantitative Verh¨altnis bildet damit aber eine Gr¨oße, an der einerseits Bestimmtheit gleichg¨ultig ver¨andert werden kann und muss, deren Bestimmtheit zugleich jedoch nicht beliebig ver¨anderbar ist. (So gilt etwa 2 4 8 2 4 8 3 = 6 = 12 ..., aber 3 6= 3 6= 3 ...) Was Bestimmtheit aufweist, die nicht beliebig ver¨anderbar, sondern unmittelbar mit ihm eins ist, sodass es im Zuge der Ver¨anderung dieser Bestimmtheit selbst ver¨andert w¨urde, ist aber qualitativ bestimmt. Mit dem quantitativen Verh¨altnis hat sich damit noch innerhalb der Quantit¨atslogik eine Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at ergeben, weil das quantitative Verh¨altnis solches markiert, was zugleich die gleichg¨ultige Ver¨anderung von Bestimmtheit zul¨asst, wenn nur die Verh¨altnisglieder koordiniert variieren, zugleich aber gegen¨uber unkoordinierter Ver¨anderung seiner Bestimmtheit nicht gleichg¨ultig und insofern qualitativ bestimmt ist142 . Wird diese Einheit von qualitativer und quantitativer Bestimmtheit ausdr¨ucklich gemacht und unabh¨angig von ihrer Auspr¨agung noch innerhalb des Quantums gefasst, ergibt sich solches, was zugleich gleichg¨ultig ver¨anderliche und nicht gleichg¨ultig ver¨anderliche Bestimmtheit einschließt und so die Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at bildet, welche Hegel das Maß“ nennt. ” 2.1.2.4 R¨uckblick auf die Quantit¨atslogik* R¨uckblickend l¨asst sich nun auch der Gang der Quantit¨atslogik graphisch darstellen, wobei sich aufschlussreiche Entsprechungen zum Gang der Qualit¨atslogik ergeben. Wie die Qualit¨atslogik verl¨auft n¨amlich auch die Entwicklung der Quantit¨at u¨ ber die Bestimmung und Einschr¨ankung eines zun¨achst Unbestimmten zu einem Begrenzten, das sich als solches widerspricht und als Endliches zun¨achst im Zuge eines Progresses u¨ ber sich hinausgeht, der, wegen der Immanenz dieses Hinausgehens zum Selbstverh¨altnis umgebogen, auf eine deren Sein unmittelbar eins ist und daher nicht ver¨andert werden kann, ohne dass das Sein der Sache selbst aufgehoben wird. 141 21,31433−35. 142 Vgl. V10,131181−87.
123
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
Bestimmung wahrhafter Unendlichkeit f¨uhrt, in der das Verh¨altnis von Etwas und Anderem als Selbstverh¨altnis gesetzt ist:
Quantit¨at
Quantum
x Kontinuit¨at
x
und Diskretion
x
x Zahl
x x
Quantit¨at
Quantum
x
x x
Begrenzung
quantitative Unendlichkeit
Quantit¨at
direktes VH
x umgekehrtes VH
x x quant. VH
x Potenzverh¨altnis
2.1.3 Selbstvermittelte Bestimmtheit (Maß)* Die Betrachtung der Quantit¨at hat gezeigt, dass der logische Raum nicht rein quantitativ charakterisiert sein kann und daher eine rein topologisch charakterisierte res extensa ebensowenig wie etwa Quines neopythagor¨aische Vision einer rein quantitativ charakterisierten, vierdimensionalen Punktmannigfaltigkeit den Inbegriff einer m¨oglichen Welt abgibt143 . Dass quantitative Bestimmungen keine suisuffiziente Charakterisierung des logischen Raumes leisten, liegt aus logischer Perspektive an ihrem abstraktiven Charakter. Denn insofern Quanta auf dem Eins als Leerem aufbauen, das als solches nur abstraktiv u¨ ber ein Ausstreichen qualitativer Bestimmtheit zu verstehen ist, setzt Quantit¨at logisch die M¨oglichkeit qualitativer Bestimmtheit voraus. Dass der logische Raum daher nur durch ein Gef¨uge qualitativer und quantitativer Bestimmungen angemessen ¨ charakterisierbar ist, ist nun mit dem Ubergang zum Maß ausdr¨ucklich geworden. 143
Vgl. Q UINE 1976: 497ff.
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Im Maß sind Qualit¨at und Quantit¨at in Gestalt von solchem vereinigt, dem zugleich qualitative und quantitative Bestimmtheit zukommt. Denn das Maß hat sich daraus ergeben, dass sich sowohl die Qualit¨at wie die Quantit¨at im logischen Fortgang als unselbst¨andig erwiesen haben. Damit ist aber ausdr¨ucklich geworden, dass Qualit¨at und Quantit¨at keinen Selbstand haben, sondern bloß unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung sein k¨onnen144 . In Gestalt des Maßes ist jedoch zun¨achst nur die unmittelbare Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at gesetzt, insofern am quantitativen Verh¨altnis nur ein Nebeneinander von quantitativer oder gleichg¨ultig ver¨anderbarer und qualitativer Bestimmtheit hervorgetreten ist, welche mit der Sache eins ist. Damit hat sich noch keine u¨ bergreifende Bestimmung ergeben, an der Qualit¨at und Quantit¨at lediglich analytisch abhebbar w¨aren, sondern eine Einheit, in der sie unver¨andert nebeneinander bestehen, n¨amlich in Gestalt von solchem, dem sowohl qualitative wie quantitative Bestimmungen zukommen und das somit in einer bestimmten Menge von so und so Bestimmtem besteht. Damit stehen Qualit¨at und Quantit¨at im Maß zun¨achst bloß gleichg¨ultig nebeneinander, insofern sie innerhalb ihrer Einheit als unabh¨angig voneinander erscheinen. So kann ein Stoff etwa in variabler Menge vorliegen und umgekehrt die gleiche Menge auch die eines anderen Stoffes sein. Insofern sich Qualit¨at und Quantit¨at im logischen Fortgang aber bereits als unselbst¨andig erwiesen haben, kann es bei solcher scheinbaren Unabh¨angigkeit voneinander innerhalb ihrer im Maß gesetzten Einheit nicht bleiben. Indem Qualit¨at und Quantit¨at im Maß zun¨achst bloß unabh¨angig nebeneinander bestehen, das Maß an sich aber Ausdruck der Unselbst¨andigkeit von Qualit¨at und Quantit¨at einander gegen¨uber ist, muss seine Entwicklung zeigen, dass ihre Selbst¨andigkeit gegeneinander nur relativ, d. h. innerhalb gewisser Grenzen, nicht aber schlechthin besteht. Das Maß ist damit zun¨achst Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at, die einerseits schon Ausdruck ihrer Unselbst¨andigkeit ist, innerhalb derer sie aber zugleich noch unmittelbar nebeneinander bestehen. Unmittelbarkeit der Einheit bedeutet damit f¨ur die in ihr Bezogenen und ihre Beziehung, dass sie innerhalb gewisser Grenzen insofern voneinander unabh¨angig bleiben, als sie weder die logischen Eigent¨umlichkeiten des anderen annehmen noch mit diesem variieren. Umgekehrt m¨ussen sie außerhalb dieser Grenzen unmittelbar durcheinander bestimmt sein und sich damit abrupt voneinander abh¨angig erweisen. Nun war die Qualit¨at an sich als Bestimmtheit gefasst worden, die nicht gleichg¨ultig ver¨anderlich, sondern unmittelbar mit dem Sein der Sache eins ist, die Quantit¨at dagegen als gleichg¨ultige Bestimmtheit, die ver¨anderbar ist, ohne dass dadurch das Sein der Sache selbst aufgehoben w¨urde. Damit m¨ussen Qualit¨at und Quantit¨at im Maß als ihrer unmittelbaren Einheit einerseits in144
Vgl. Das Maaß ist das qualitative Quantum, zun¨achst als unmittelbares, ein Quantum, ” an welches ein Daseyn oder eine Qualit¨at gebunden ist“ [20,1414−5].
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
125
nerhalb gewisser Grenzen voneinander unabh¨angig sein, sodass die Quantit¨at unabh¨angig von der Qualit¨at ver¨andert werden kann. Umgekehrt m¨ussen sie sich jedoch außerhalb dieser Grenzen als Funktionen voneinander erweisen, insofern sie die logischen Eigent¨umlichkeiten der jeweils anderen annehmen und die Variation der einen sich abrupt als Variation der anderen erweist145 . Im Maß ist die Quantit¨at, etwa die Gr¨oße eines Baums, damit einerseits innerhalb eines gewissen Rahmens beliebig ver¨anderbar, nicht aber die Qualit¨at, insofern der Baum als solcher etwa keine Wiese werden kann. Umgekehrt wird aber erstens die Quantit¨at nicht u¨ ber alle Grenzen hinaus variieren k¨onnen und die Sache andererseits eine gewisse Variation ihrer Qualit¨at zulassen, ohne davon ber¨uhrt zu werden, der Baum etwa eine Ver¨anderung seiner F¨arbung. Der Weg vom Maß zum Wesen verl¨auft damit so, dass Qualit¨at und Quantit¨at zun¨achst den Schein ihrer Selbst¨andigkeit und Unabh¨angigkeit innerhalb ihrer Einheit ablegen, indem sie sich als ineinander umschlagend erweisen. Da sich so aber auch die Qualit¨at als ver¨anderlich erweist, ohne deswegen von der Quantit¨at ununterscheidbar zu werden146 , ist keine Bestimmtheit mehr unmittelbar eins mit der Sache. Indem sich Qualit¨at und Quantit¨at so aber als wechselnde Zust¨ande eines Substrats erweisen werden und dieses als das Erzeugende seiner Zust¨ande, verschwindet das Sein als unmittelbares Bestimmtsein im Wesen als selbst unbestimmtem Setzen von Bestimmtheit. Die Entwicklung des Maßes gliedert sich nach dem Gesagten in drei Schritte147 : Zun¨achst markiert es bloß eine unmittelbare Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at und damit qualitativ Bestimmtes von gewisser Gr¨oße, die beliebig ver¨anderbar erscheint. Diese erste Form des Maßes ist die spezifische Quantit¨at. Das unmittelbare Maß bildet darin insofern noch eine Quantit¨at, als mit ihm ein qualitativ Bestimmtes vorliegt, dessen quantitative Bestimmtheit beliebig ver¨anderbar scheint, ohne dass damit auch die Qualit¨at und so das Sein der Sache tangiert w¨urde. Dagegen wird zweitens im realen Maß ausdr¨ucklich, dass die quantitative Bestimmtheit der Sache nicht einfach grenzenlos ver¨anderbar ist, sondern ihre qualitative oder sachhaltige Bestimmtheit an eine Gr¨oßenbestimmung gekn¨upft ist, die nur innerhalb gewisser Grenzen ver¨andert werden kann. Das reale Maß bildet so im Gegensatz zur spezifischen 145 Vgl. In sofern im Maaß Qualit¨ at und Quantit¨at nur in unmittelbarer Einheit sind, so ” tritt ihr Unterschied auf eine ebenso unmittelbare Weise an ihnen hervor“[20,1417−9]. Indem ” die Quantit¨atsbestimmtheit so an dem Daseyn eine gedoppelte ist, das einemal die, an welche die Qualit¨at gebunden ist, das anderemal aber die, der unbeschadet jener hin- und hergegangen werden kann, so geschieht das Untergehen von Etwas, das ein Maaß hat, darin daß sein Quantum ver¨andert wird“ [21,33111−14]. 146 Die Qualit¨ at bleibt Bestimmtheit, die gegen¨uber anderer Bestimmtheit als unmittelbar oder isoliert auftritt, sodass Qualit¨aten einander nicht ausdr¨ucklich als Momente in sich haben (rot hat weiß nicht in sich wie 6 qua {5,4,3,2,1,0} die 3). 147 Vgl. 21,32630–32712 .
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Quantit¨at, die aufgrund ihrer beliebigen Bestimmbarkeit dem Sein entspricht, das Dasein des Maßes, insofern hier gesetzt ist, dass die Sache ein bestimmtes Maß hat, also einen begrenzten Spielraum der Gr¨oßenbestimmtheit, der nicht u¨ berschritten werden kann, ohne dass die Sache selbst u¨ berschritten wird. Das reale Maß bezeichnet so eine metrisch bestimmte Sache, die sich als begrenzte zu anderem verh¨alt, sich als endliche widerspricht und so einen Progress in Gang setzt, in dem sie einerseits ihr Maß u¨ berschreitet und vergeht, darin aber zugleich als wahrhafte Unendlichkeit des Maßes mit sich zusammengeht. Damit tritt drittens das Werden des Wesens ein, insofern mit der Kontinuit¨at der ¨ Sache im Uberschreiten ihres Maßes ein an ihm selbst weder qualitatives noch quantitatives Substrat auf den Plan tritt, das sich im Umschlagen qualitativer und quantitativer Bestimmungen durchh¨alt. Das Maß besteht seiner Superpositionsform nach in selbstvermittelter Unmittelbarkeit, denn als solches bildet es das Selbstverh¨altnis von Qualit¨at und Quantit¨at, insofern diese in ihm als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Einheit gesetzt sind:
Maß Quantit¨at Qualit¨at
In der unmittelbaren Form des Maßes sind Quantit¨at und Qualit¨at aber noch so vereinigt, dass es keine Rolle zu spielen scheint, welche Quantit¨at mit einer Qualit¨at und welche Qualit¨at mit einer Quantit¨at verkn¨upft ist, sofern nur u¨ berhaupt Verkn¨upfung vorliegt. Dagegen ist im realen Maß als vermittelter Gestalt diese scheinbare Gleichg¨ultigkeit oder Unmittelbarkeit von Qualit¨at und Quantit¨at gegeneinander beseitigt. Beide sind in ihrer Einheit nun ausdr¨ucklich aneinander gekoppelt, entsprechend nicht mehr gleichg¨ultig ver¨anderlich, sondern voneinander abh¨angig. Indem so aber die Ver¨anderung der einen zur Variation der anderen f¨uhrt und Qualit¨at und Quantit¨at damit ineinander umschlagen, ergibt sich das Werden des Wesens als Gestalt des Maßes, mit der ausdr¨ucklich wird, dass das Umschlagen von Qualit¨at und Quantit¨at ein substrathaftes Selbstverh¨altnis der Sache im Wechsel ihrer Zust¨ande verlangt, welches das Wesen ist:
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
127
Maß unmittelbar (gg. inneres Verh¨altnis) (¨außerlich) selbstvermittelt = Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at reales Maß
qualitative Quantit¨at unmittelbar unmittelbar selbstvermittelt selbstvermittelt unmittelbar (qual. Quantum) vermittelt (Verh¨altnis v. Maßen) Werden des Wesens unmittelbar selbstvermittelt selbstverm. (Selbstverh. im Maßprozess)
2.1.3.1 Gleichg¨ultiges Maß (Qualitative Quantit¨at)* Das Maß markiert als spezifisches oder qualitatives Quantum einfach qualitativ Bestimmtes von einer gewissen Gr¨oße. Das Maß der Sache ist so nur ihre tats¨achliche Gr¨oße, die als beliebig ver¨anderbar erscheint148 . Insofern ihre Gr¨oße begrenzt ist, muss sie sich jedoch zu anderem von anderer Gr¨oße verhalten, und ihre jeweilige spezifische Gr¨oße kann beiden darum nur in Beziehung aufeinander zukommen149 . Etwas von einer spezifischen Gr¨oße verh¨alt sich so zu anderem derselben qualitativen Bestimmtheit als spezifizierendes Maß, insofern diesem seine Maßzahl im Verh¨altnis auf jenes zukommt150. Welches qualitative Quantum dabei als Maßstab oder Maßeinheit angenommen wird, ist dabei gleichg¨ultig. Die Maßeinheit besteht nur darin, dass ein qualitatives Quantum in Bezug auf andere qualitative Quanta als Einheit gesetzt wird und so als dasjenige fungiert, mit dem das zu Messende verglichen wird. Messen besteht damit im Bestimmen der im Gemessenen vorhandenen Anzahl von Einheiten durch Vergleich mit der Maßeinheit. Der Maßstab gibt insofern die Regel des Messens ab, n¨amlich dasjenige, mit dem das zu Messende derart zu vergleichen ist, dass die Anzahl 148
Vgl. 21,33230−34. Die Entwicklung der spezifischen Quantit¨at vollzieht sich daher so: Die qualitative ” Quantit¨at ist zun¨achst ein unmittelbares specifisches Quantum; das zweytens, als sich zu anderem verhaltend, ein quantitatives Specificiren, ein Aufheben des gleichg¨ultigen Quantums wird. Dieses Maaß ist insofern eine Regel [...] drittens als Verh¨altnis von Qualit¨aten, die zun¨achst Ein Maaß haben; das sich aber ferner so zu einem Unterschiede von Maaßen in sich specificirt“ [21,3293−12]. 150 Vgl. Ein Maaß, als Maaßstab im gew¨ ohnlichen Sinn, ist ein Quantum, das als ” die an sich bestimmte Einheit gegen a¨ usserliche Anzahl willk¨urlich angenommen wird“ [21,33012−13]. 149
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
von Einheiten ermittelt wird, die ihm zugeh¨ort. Die Maßzahl ist dann die Anzahl von Einheiten, die dem Gemessenen im Verh¨altnis zur Einheit zukommt. Durch solches Messen ergeben sich Reihen qualitativ Gleicher, die sich nur durch ihre quantitative Bestimmung unterscheiden151 . Indem sich qualitative Quanta im Maßverh¨altnis als etwas und anderes zueinander verhalten, kann dieses Verh¨altnis kein a¨ ußeres bleiben, weil das Etwas an ihm selbst sein Anderes ist, sodass es auch in sich als Verh¨altnis qualitativer Quanta gesetzt werden muss. Da etwas von einer qualitativen Bestimmtheit aber nicht zugleich mehrere Gr¨oßenbestimmungen haben kann, jedoch in sich selbst als Gr¨oßenverh¨altnis gesetzt sein muss, weil es nicht nur in a¨ ußerlichem Verh¨altnis zu anderem von anderer Gr¨oßenbestimmtheit stehen kann, sondern sein Verh¨altnis zu solchem von anderer Gr¨oße auch Selbstverh¨altnis und als solches zu setzen ist, muss etwas an ihm selbst insofern verh¨altnishaft sein, als sein eigenes Maß wesentlich nicht nur durch ein Quantum, sondern durch ein Verh¨altnis von Quanta und damit als Intervall bestimmt und es darum solches ist, dessen Maß an ihm selbst in einem gewissen Gr¨oßenverh¨altnis besteht. Indem etwas damit aber ausdr¨ucklich nur innerhalb gewisser Gr¨oßenverh¨altnisse besteht, ist sein Maß nicht mehr gleichg¨ultig variabel, sondern als Bestimmtheit der Sache selbst und damit als reales Maß gesetzt. Dieses ist somit aber nicht mehr nur ein Quantum, das einem qualitativ Bestimmten tats¨achlich zukommt, sondern ein Verh¨altnis von Gr¨oßen, welches u¨ ber das Bestehen der Sache entscheidet, n¨amlich ein Intervall, welches die Grenzen festlegt, innerhalb derer ¨ die Sache bestehen kann, und dessen Uberschreitung zu ihrer Aufl¨osung f¨uhrt. Entsprechend kann ein Festk¨orper etwa nur innerhalb eines bestimmten Temperaturspielraums bestehen. 2.1.3.2 Sacheigent¨umliches Maß (Reales Maß)* Das reale Maß macht ausdr¨ucklich, dass einer Sache ihre Gr¨oßenbestimmtheit nicht einfach a¨ ußerlich ist, sondern jede Sache insofern ein Maß hat, als sich ihre Gr¨oße nur innerhalb eines begrenzten Spielraums bewegen kann. Dieses Maß betrifft so das Sein der Sache selbst und ist gerade deshalb rea” les“ Maß. Insofern das reale Maß begrenzt ist, tritt es nicht vereinzelt, sondern in einem Verh¨altnis realer Maße auf. Solche Verh¨altnisse markieren aber keine bloß a¨ ußerlichen Gr¨oßenunterschiede, wie sie zun¨achst beim Vergleich tats¨achlicher Gr¨oßen auftreten, sondern Verh¨altnisse, welche das Bestehen der Sachen selbst betreffen152 . Ein Beispiel solcher realer Maßverh¨altnisse sind die st¨ochiometrischen Verh¨altnisse, in denen Stoffe miteinander reagieren. Denn 151
Vgl. 21,33311−18. Vgl. Das Maaß, wie es so nunmehr reales ist, ist erstens ein selbst¨andiges Maaß einer ” K¨orperlichkeit, das sich zu anderen verh¨alt und in diesem Verhalten dieselben, so wie damit die selbst¨andige Materialit¨at, specificirt“ [21,34524−26]. Zweytens sind die dadurch entstehenden ” 152
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
129
im Gegensatz zu a¨ ußerlichen Gr¨oßenverh¨altnissen, etwa beliebigen Stoffmengen, betreffen st¨ochiometrische Verh¨altnisse das Sein der Stoffe selbst, weil sie dar¨uber entscheiden, ob ein Stoff mit einem anderen durchreagiert und so etwas qualitativ Neues ergibt oder bestehen bleibt. Insofern das reale Maß zeigt, dass qualitativ Bestimmtes nur innerhalb eines begrenzten Gr¨oßenspielraums bestehen kann, ist etwas durch dieses Maß als begrenzt gesetzt153 . Damit erbt es aber den Widerspruch des Begrenzten und muss u¨ ber die durch sein Maß festgelegte Grenze und damit u¨ ber sich selbst hinausgehen. Denn da es an seine Qualit¨at und diese an den durch das Maß bestimmten Spielraum gekoppelt ist, f¨uhrt das Ausreizen desselben zum Verlust der Qualit¨at und damit der Sache selbst. Indem etwas so sein Maß u¨ berschreitet, erweist sich die Abh¨angigkeit seiner Qualit¨at von seiner Quantit¨at. Mit Erreichen einer kritischen Gr¨oße schl¨agt also die Ver¨anderung der Quantit¨at abrupt in ¨ eine Anderung der Qualit¨at um. Indem die betreffende Qualit¨at im Zuge dieses Umschlags verschwindet, tritt, wie Hegel sagt, das Maßlose ein“. Wie schon ” im Vergehen des qualitativen Etwas kann aber auch das Hinausgehen von etwas u¨ ber sein Maß nicht zu nichts, sondern nur zu etwas von anderer qualitativer und quantitativer Bestimmtheit f¨uhren, womit sich das Maßlose als anderes Maß erweist, das seinerseits hinsichtlich seiner Quantit¨at ver¨anderlich ist, sodass der Umschlag der Qualit¨at in eine Ver¨anderung der Quantit¨at zur¨uckschl¨agt154 . Damit hat sich der Progress des Maßes ergeben, der, wie Hegel sagt, eine Knoten” linie“ bildet155 . Diese besteht in einer Abfolge qualitativer Bestimmungen, die jeweils an aneinandergrenzende Intervalle gekn¨upft sind. Dabei markieren die Knoten Intervallgrenzen, an denen Quantit¨at in Qualit¨at und Qualit¨at in Quantit¨at umschl¨agt. F¨ur die Temperaturver¨anderung des Wassers s¨ahe die Knotenlinie etwa so aus156 : fest 0K
fl¨ussig
gasf¨ormig
273,15K 373,15K
Nun beinhaltet der Progress des Maßes nicht bloß ein a¨ ußerliches Verh¨altnis von etwas und anderem, die qualitativ verschieden bestimmt und durch aneinander grenzende Intervalle bestimmt sind. Dass etwas von sich her sein Maß directen Verh¨altniße, an sich bestimmte und ausschließende Maaße (Wahlverwandschaften)“ [21,2464−5]. 153 Vgl. Das Quantum hat als Maaß aufgeh¨ ort Grenze zu seyn, die keine ist; es ist nun” mehr die Bestimmung der Sache, so daß diese, u¨ ber diß Quantum vermehrt oder vermindert, zu Grunde ginge“ [21,3309−11]. 154 Vgl. 20,14114−17. 155 21,3642. 156 Vgl. 21,36723−28.
130
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
u¨ berschreitet, bedeutet vielmehr, dass es dabei mit sich selbst zusammengeht. ¨ Dies meint aber nichts anderes, als dass etwas im Uberschreiten seines Maßes nicht einfach zugrunde geht, sondern im Umschlag von Qualit¨at und Quantit¨at ein Kontinuit¨atsmoment liegt157 . Was sich im Umschlag der Qualit¨aten und Quantit¨aten durchh¨alt, entsprechend selbst weder qualitativ noch quantitativ bestimmt und insofern auch nicht begrenzt ist, bildet somit gerade die Unendlichkeit des Maßes, welche Hegel als Materie“, Substrat“ oder Indif” ” ” ferenz“ bezeichnet158 . Dem sich in der Knotenlinie des Maßes durchziehenden Substrat stehen damit qualitative wie quantitative Bestimmungen als bloße Zust¨ande gegen¨uber159 . Damit verhalten sich Unendlichkeit und Endlichkeit des Maßes zun¨achst aber selbst wieder als etwas und anderes gegeneinander. Die Unendlichkeit des Substrats ist daher zun¨achst schlechte oder abstrakte Unendlichkeit. Es ist nun aufschlussreich zu sehen, wie sich die Knotenlinie als der Progress des Maßes vom qualitativen und quantitativen Progress unterscheidet160 . Der qualitative unendliche Progress bildete eine unfundierte Reihe, in der ein Glied nicht ausdr¨ucklich im anderen als von ihm unterschiedenen aufgehoben war, der quantitative dagegen eine wohlgeordnete Reihe, innerhalb derer ein Glied in seinem Nachfolger unterscheidbar erhalten blieb. Der Prozess des Maßes vereinigt beides, insofern er eine fundierte Abfolge von Intervallen bildet, diese jedoch an qualitative Bestimmungen gekoppelt sind, welche nicht als unterscheidbare Glieder ineinander aufgehoben sein k¨onnen. Fraglich ist dabei, ob es nur eine empirische Tatsache ist, dass Knotenlinien im Unterschied zur endlosen Ver¨anderung, die der qualitative unendliche Progress markiert, und zur Zahlreihe, die der quantitative Progress etabliert, bloß eine begrenzte Folge von Intervallen und Qualit¨aten darstellen, oder dies einen logischen Grund hat. Letzteres scheint der Fall: Denn w¨are die Knotenlinie endlos fortsetzbar, hieße dies einfach, dass es kein reales Maß gibt, weil die quantitative Bestimmung f¨ur das Sein der Sache schlicht gleichg¨ultig w¨are. Mit der 157
Vgl. TW8,229Z. Vgl. etwa Diese so sich in ihrem Wechsel der Maaße in sich selbst continuierende ” Einheit ist die wahrhaft bestehenbleibende, selbst¨andige Materie, Sache“ [21,37020−22]. 159 Vgl. Nun sind solche Verh¨ altnisse nur als Knoten eines und desselben Substrats be” stimmt. Damit sind die Maaße und die damit gesetzten Selbst¨andigkeiten zu Zust¨anden herabgesetzt. Die Ver¨anderung ist nur Aenderung eines Zustandes und das Uebergehende ist als darin dasselbe bleibend gesetzt“ [21,37119−23]. 160 Vgl. Die qualitative Unendlichkeit, wie sie am Daseyn ist, war das Hervorbrechen des ” Unendlichen am Endlichen, als unmittelbarer Uebergang und Verschwinden des Diesseits in seinem Jenseits. Die quantitative Unendlichkeit hingegen ist ihrer Bestimmtheit nach schon die Continuit¨at des Quantums, eine Continuit¨at desselben u¨ ber sich hinaus. [...] Aber diese Unendlichkeit der Specification des Maaßes setzt ebenso wohl das Qualitative wie das Quantitative als sich in einander aufhebend, und damit die erste, unmittelbare Einheit derselben, welche das Maaß u¨ berhaupt ist, als in sich zur¨uckgekehrt und damit selbst als gesetzt“ [21,3705−15]. 158
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
131
Wiederkehr der Qualit¨at in und aus der Quantit¨at hat sich aber erwiesen, dass diese selbst ein qualitatives Moment hat und insofern das Sein der Sache betreffen muss. Dies ist aber nur m¨oglich, wenn die Quantit¨at der Sache zwar unter Qualit¨atsumschlag ver¨andert werden kann, insofern die Qualit¨at auch quantitativ bestimmt und gleichg¨ultig ver¨anderbar sein muss, ohne dass die Quantit¨at darum grenzenlos ver¨anderbar und insofern selbst ohne qualitativen Charakter w¨are. Weil in der Bestimmung des Maßes liegt, dass die Quantit¨at qualitativ ist, kann die Knotenlinie also nicht endlos und die Gr¨oßenbestimmtheit einer Sache daher nicht v¨ollig beliebig ver¨andert werden. 2.1.3.3 Selbstvermittlung im Maßwandel (Werden des Wesens)* Dasjenige, was sich in der Knotenlinie des Umschlags qualitativer und quantitativer Bestimmungen durchh¨alt und somit an ihm selbst bestimmungslos ist, kann Hegel deshalb absolute Indifferenz“ nennen, weil dieses Sich-Durch” haltende als solches gleichg¨ultig gegen¨uber seinen variierenden Zust¨anden und Bestimmungen ist. Die absolute Indifferenz ist so die Invariante im Wechsel der Bestimmtheiten des Maßes161 . Zun¨achst steht die Indifferenz als bestimmungsloses Substrat ihren wechselnden Zust¨anden aber noch a¨ ußerlich gegen¨uber und bildet so die schlechte Unendlichkeit des Maßes. Denn die Zust¨ande sind am Substrat bloß unmittelbar vorhanden, ohne sich aus ihm zu ergeben. Zugleich ergibt sich auch ihr ¨ Ubergehen nicht aus diesem Substrat, sondern geht nur als a¨ ußerliches Geschehen an diesem vor162 . Damit ist aber nicht nur unbegreiflich, wie Substrat und Zust¨ande zusammenh¨angen k¨onnen, sondern vor allem bildet das Substrat als solches, was einander ausschließende Bestimmungen annimmt, diesen gegen¨uber aber selbst statisch auftritt, einen allseitigen Widerspruch163 . Da die absolute Indifferenz ein selbst Unbestimmtes ist, das beliebige Bestimmungen annehmen kann und diesen daher nicht fremd als anderes gegen¨ubersteht, kann ihr auch das Hervorgehen und der Wechsel ihrer Zust¨ande nicht a¨ ußerlich sein. Weil sie, als absolute, vielmehr Indifferenz gegen¨uber aller Bestimmtheit ist und zu dieser in einem Selbstverh¨altnis steht, kann auch 161
Vgl. 21,3739−13. So f¨uhrt Hegel aus: Das Ansich der Indifferenz und diß ihr Daseyn ist unverbunden; ” die Bestimmtheiten zeigen sich auf unmittelbare Weise an ihr; sie ist ganz in jeder derselben; deren Unterschied hiermit zun¨achst als ein aufgehobener, also quantitativer gesetzt; aber eben damit nicht als das Abstossen ihrer von sich selbst, sie nicht als selbstbestimmend, nur als a¨ usserlich bestimmtseyend und bestimmtwerdend“ [21,37527−32]. Das Absolute als Indiffe” renz hat nach dieser Seite den zweyten Mangel der quantitativen Form, daß die Bestimmtheit des Unterschieds nicht durch dasselbe determinirt ist, wie es daran den ersten hat, daß die Unterschiede an ihm nur u¨ berhaupt hervortreten, d. i. das Setzen desselben etwas Unmittelbares, nicht seine Vermittlung mit sich selbst ist“ [21,37537–3764]. 163 Vgl. 21,37715−20. 162
132
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
der Wechsel von Zust¨anden am indifferenten Substrat nicht bloß a¨ ußerlich vorkommen, sondern muss ihm selbst entspringen. Damit ist das F¨ursichsein des Maßes erreicht, insofern die absolute Indifferenz sich in aller Zust¨andlichkeit ausdr¨ucklich auf sich bezieht und diese selbst setzt. Die Indifferenz hat sich somit als an sich Bestimmungsloses erwiesen, an dem Bestimmtheit nicht nur a¨ ußerlich als Zustand vorhanden ist, sondern als dasjenige, dessen Bestimmen alle Bestimmtheit entspringt. Damit ist der Widerspruch der absoluten Indifferenz, insofern in ihr einander ausschließende Bestimmungen zun¨achst statisch zusammenzufallen schienen, dynamisch aufgel¨ost164 . Zugleich ist das Substrat so als selbst Unbestimmtes gesetzt, das reines Vermitteln oder Setzen von Bestimmtheit ist. Indem sich damit aber alle Bestimmtheit, die unmittelbar vorhanden sein oder bestimmtem anderem entspringen soll, aufgehoben hat, ist das Sein als Sph¨are der Unmittelbarkeit selbst aufgehoben. Das unfundierte Vermitteln oder Setzen von Bestimmtheit, welches sich ergeben hat, ist so zwar an sich selbst reine Unbestimmtheit, aber nicht mehr statische, die bloß abrupt ins Nichts umschl¨agt, wie das Sein, sondern Unbestimmtheit, die ausdr¨ucklich als reines Vermitteln oder Setzen von Bestimmtheit auftritt und so das Wesen bildet, mit dem die Sph¨are des Seins verlassen ist. Der Hervortritt des Wesens hat damit r¨uckwirkend alle Bestimmtheit des Seins, die zun¨achst als unmittelbar vorhanden erschien, als gesetzt und vermittelt erwiesen, womit sich das Sein – die bloß unmittelbar vorhandene Bestimmtheit – als Schein herausstellt, da alles Unmittelbare Resultat der reinen Vermittlung des Wesens sein muss. Als unbestimmtes Vermitteln oder Setzen von Bestimmtheit ist das Wesen aber unfundierte Operationalit¨at. N¨aher ist es als unbestimmtes Setzen von solchem, was selbst kein Setzen ist, n¨amlich von Bestimmtem, absolute Negativit¨at oder reines Vermitteln165.
164
Vgl. So der Widerspruch ihrer selbst und ihres Bestimmtseyns, ihrer an sich seyenden ” Bestimmung und ihrer gesetzten Bestimmtheit ist sie die negative Totalit¨at, deren Bestimmtheiten sich an ihnen selbst und damit diese ihre Grundeinseitigkeit, ihr Ansichseyn, aufgehoben haben. Gesetzt hiermit als das, was die Indifferenz in der That ist, ist sie einfache und unendliche negative Beziehung auf sich, die Unvertr¨aglichkeit ihrer mit sich selbst, Abstoßen ihrer von sich selbst“ [21,38212−18]. 165 Entsprechend gilt: Dieses Ganze, die an sich seyende Indifferenz, ist u ¨ berhaupt nicht ” mehr qualitativ oder quantitativ bestimmt; es ist nicht Summe oder Quantum, noch sonst eine qualitative Bestimmtheit. Die Bestimmtheit ist nicht mehr erste Negation, sondern absolute Negativit¨at“ [11,22733−36]. Die absolute Indifferenz bestand darin, dass sie das spe” cifisch Selbst¨andige sey, welches sich durch seine Negation mit sich selbst vermittle, und durch diese gereinigt das absolut Selbst¨andige sey“ [11,2303−5]. Die Bestimmtheit der an” sichseyenden Indifferenz ist hiermit die Unendlichkeit ihrer Selbst¨andigkeit, die absolute Ne28−29 gativit¨at“ [11,230 ]. Das Seyn als diese einfache Negativit¨at seiner selbst, ist das Wesen“ ” [11,23211−13].
133
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
2.1.3.4 R¨uckblick auf die Maßlogik* Der Maßlogik gem¨aß ist der logische Raum durch Ensembles korrelativer qualitativer und quantitativer Bestimmungen charakterisiert. Der Verlauf der Maßlogik zeigte jedoch, dass jede Bestimmtheit eines derartigen Ensembles als ver¨anderlich gefasst werden muss, w¨ahrend dem Ensemble selbst eine Kontinuit¨at im Zuge der Ver¨anderung seiner qualitativen und quantitativen Bestimmungen zugesprochen werden muss. Die Sachen k¨onnen ihr selbst¨andiges Bestehen daher nicht durch irgendwelche von ihnen unabl¨osbaren Bestimmungen haben, sondern allein durch einen integrativen Vollzug, der selbst nicht nach Art einer unmittelbar und unver¨anderlich vorliegenden Bestimmtheit gefasst werden kann. Bevor zum Wesen als Inbegriff dieses Vollzugs u¨ bergegangen wird, kann nun zun¨achst r¨uckblickend die logische Entwicklung des Maßes graphisch dargestellt werden, um im Anschluss daran charakteristische Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung der Seinslogik im Ganzen herauszustellen:
spezifisches Quantum
xspezifizierendes
x x
reales Maß
Maß
x Maßverh¨alt-
x x
spezifische Quantit¨at
nisse-
reales Maß
x
x x
F¨ursichsein im Maße
Knotenlinie
Maß
abs. Indifferenz
x abs. Widerspruch
x x
abs. Indifferenz
x Werden des Wesens
2.1.4 R¨uckblick auf die Seinslogik* ¨ Die folgende Ubersicht der Seinslogik im Ganzen soll nicht nur Invarianzen im Vergleich der seinslogischen Kategorienkreise herausstellen, sondern zugleich
134
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
so etwas wie eine Entwicklungslogik der durch Qualit¨at, Quantit¨at und Maß definierten Zyklen selbst. Zun¨achst sollen dabei in der Zusammenschau der ¨ drei Kreise Gemeinsamkeiten zwischen ihren Stationen und Uberg¨ angen und damit Regularit¨aten aufgewiesen werden. Gemeinsam ist den Zyklen, dass sie von einem Unmittelbaren ausgehen, das als solches zugleich unbestimmt, un¨ begrenzt und verh¨altnislos ist (1). Dessen immanentes Ubergehen f¨uhrt als immanente Vermittlung und Bestimmung des Unbestimmten (2) auf solches, was bestimmt, damit aber auch begrenzt und insofern verh¨altnishaft ist, als es u¨ ber seine Grenze in Beziehung zu anderem steht (3). Insofern sich dieses Vermittelte, Bestimmte und Endliche ausschließend auf seine Grenze und damit auf sich bezieht, widerspricht es sich, weist so u¨ ber sich hinaus und f¨uhrt so auf einen Progress (4). Insofern dessen Glieder von sich her u¨ ber sich hinauswei¨ sen, liegt in ihm zugleich ein Zusammengehen mit sich im Ubergang in anderes und damit Unendlichkeit als Selbstvermittlung im anderen. Ihrem resultativen Aspekt nach bildet diese ein statisch Selbstvermitteltes (5), in Gestalt dessen das Fremdverh¨altnis von etwas und anderem in ruhige Selbstbeziehung im anderen u¨ bergegangen ist. Ebenso entscheidend, wie die Regularit¨aten der drei seinslogischen Kreise zu erkennen, ist es jedoch, ihre Unterschiede herauszustellen oder genauer, die je besondere Weise aufzuzeigen, in der sich diese Regularit¨aten auspr¨agen. Denn im Zuge des logischen Fortgangs kommt es nicht so sehr darauf an, dass ein allgemeines Schema wiederholt wird, da solche Wiederholung keinen Fortschritt markiert, sondern von diesem gerade absieht. Dagegen ist es entscheidend zu sehen, dass sich im Zuge des logischen Fortgangs zwar Regularit¨aten ergeben, sich an ihrem jeweiligen Ort aber zugleich unterschiedlich auspr¨agen. Alles kommt daher darauf an zu verstehen, wieso sich diese Regularit¨aten auf je besondere Weise auspr¨agen. Obwohl die drei Kreise des Seins jeweils von einem Unmittelbaren ausgehen, das als solches unbestimmt und unbegrenzt ist, stellt sich diese Unmittelbarkeit jeweils unterschiedlich dar. Denn w¨ahrend die Unmittelbarkeit des reinen Seins als solche noch keine Vermittlung beinhaltet und das Sein so einfach das ist, in und an dem nichts zu unterscheiden ist, ist die Unmittelbarkeit der Quantit¨at und des Maßes selbst schon verh¨altnis-, beziehungsweise selbstverh¨altnishaft. Mit anderen Worten handelt es sich um Unmittelbares, das, obwohl unbestimmt und unbegrenzt, bereits Vermittlung voraussetzt. So markiert die reine Quantit¨at nicht einfach Unbestimmtes, in und an dem nichts zu unterscheiden ist, sondern eine als solche zwar unbestimmte und unbegrenzte Sph¨are nicht-diskreter Mannigfaltigkeit, in und aus der jedoch gerade diskrete Bestimmtheit ausgrenzbar ist. Die Unmittelbarkeit des Maßes ist dagegen insofern bereits selbstverh¨altnishaft, als Qualit¨at und Quantit¨at darin als unselbst¨andige Aspekte von Einem und damit ins Selbstverh¨altnis gesetzt sind.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
135
Indem das Maß Einheit von Qualit¨at und Quantit¨at ist, beinhaltet bereits seine unmittelbare Gestalt ein Verh¨altnis bestimmter Glieder, da Qualit¨at und Quantit¨at sich in ihm als etwas und anderes verhalten und insofern bestimmt sind. Die Unbestimmtheit des Maßes betrifft daher nicht die Glieder, aus denen es besteht, sondern deren Verh¨altnis, weil sie im Maß zun¨achst unmittelbar oder gleichg¨ultig gegeneinander auftreten und die Qualit¨at durch die Quantit¨at so in keiner Weise begrenzt zu werden scheint, sondern beliebige quantitative Bestimmungen annehmen kann. Indem sich die unmittelbare Ausgangsgestalt eines jeden Zyklus unter¨ schiedlich auspr¨agt, vollzieht sich auch der Ubergang von Unmittelbarkeit zu Vermittlung oder von Unbestimmtheit zu Bestimmtheit auf je charakteristische Weise. Denn da die Unmittelbarkeit des Seins noch keinerlei Unterschiede ¨ einschließt, kann ihr Ubergang zu Vermittlung und Bestimmtheit nur abrupter Umschlag sein, der sich daraus ergibt, dass sich das schlechthin Unbestimmte aufgrund seines eigenen Wesens entstellen und dabei zum Bestimmten f¨uhren muss. Dagegen beinhaltet die Unmittelbarkeit und Unbestimmtheit von Quantit¨at und Maß selbst schon Verh¨altnishaftigkeit oder inneren Unterschied. N¨aher muss an der reinen Quantit¨at deshalb Bestimmtheit und Begrenzung hervortreten, weil solches, was als nicht-diskrete Mannigfaltigkeit ausdr¨ucklich die M¨oglichkeit von Begrenzung in sich tr¨agt, nur dann von der bloßen Unbestimmtheit des Seins unterschieden ist, wenn die in ihm abhebbaren Unterschiede auch ausdr¨ucklich hervortreten und gesetzt werden. Die Unmittelbarkeit oder Gleichg¨ultigkeit, die f¨ur das Maß zun¨achst charakteristisch ist, hebt sich ihrerseits deshalb auf, weil zum Maß ein a¨ ußerliches Verh¨altnis zu anderem geh¨ort, worin es sich zugleich zu sich verh¨alt und so an ihm selbst als Verh¨altnis von Quanta bestimmt ist, die dem qualitativen Sein der Sache nicht mehr gleichg¨ultig gegen¨uberstehen, sondern die Grenzen markieren, innerhalb derer diese allein bestehen kann. ¨ Entsprechend der unterschiedlichen Weisen des Ubergehens zu den vermittelten oder bestimmten Gestalten des jeweiligen Kreises unterscheiden sich ¨ auch diese Gestalten charakteristisch: Weil im qualit¨atslogischen Ubergang zur Bestimmtheit durch das Verschwinden reiner Unmittelbarkeit erst Bestimmtes oder Vermitteltes hervortritt, ist das Dasein nichts, was schon von vornherein ausdr¨ucklich begrenzt ist und so im Verh¨altnis zu anderem steht. Dass zu seiner Bestimmtheit Grenze und damit Verh¨altnishaftigkeit geh¨oren, ergibt sich daher selbst erst im weiteren Fortgang. Zugleich markiert das qualit¨atslogisch Bestimmte, da es unmittelbar und erstmalig auftritt, selbst nichts, was seinerseits bestimmte Elemente enthielte. Dagegen meint Bestimmung im Zusammenhang mit der Quantit¨at nicht das abrupte Neuauftreten von Bestimmtheit, sondern Bestimmen eines schon latent Verh¨altnishaften durch Eintragung von Grenzen in eine Sph¨are der Bestimmbarkeit. Die Bestimmtheit der Quantit¨at ist daher
136
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
von vornherein Begrenzung der Quantit¨at“ 166 . Zugleich ist quantitatives Be” stimmen als Begrenzen das Setzen von solchem, was sich nicht – zun¨achst in sich ununterschieden – erst nachtr¨aglich als begrenzt und auf anderes bezogen erweist, sondern ergibt solches, was von vornherein als begrenzt gesetzt ist und zugleich, weil es auch innerhalb seiner bestimmbar und – vollst¨andig bestimmt – auch in sich bestimmt ist, als Zahl in sich verh¨altnishaft ist. Das reale Maß ist seinerseits insofern verh¨altnishaft, als die Qualit¨at in ihm nicht mehr unmittelbar mit gleichg¨ultiger Quantit¨at auftritt, sondern an ein Verh¨altnis von Quanta gebunden ist, welches ausdr¨uckt, innerhalb welcher Grenzen die Quantit¨at unbeschadet der Qualit¨at der Sache ver¨anderbar ist. Auch die Progresstypen, in Gestalt derer das jeweils Bestimmte, Begrenzte und somit Endliche aufgrund seines eigenen Widerspruchs u¨ ber sich hinausgeht, nehmen in Abh¨angigkeit davon, wie das, was u¨ ber sich hinausgeht, bestimmt ist, unterschiedliche Formen an. Denn insofern das qualitative Etwas ungegliedert ist und in sich daher keine Elemente oder Bestimmungen enth¨alt, von denen es zugleich unterscheidbar ist, womit es nicht nur a¨ ußerlich, sondern auch innerlich begrenzt w¨are, kann es im Zuge seiner Ver¨anderung auch nicht mit von ihm unterscheidbaren und zugleich f¨ur es konstitutiven Elementen ineins gesetzt werden und geht daher bloß in ein ungegliedertes anderes u¨ ber. Da es diesem gegen¨uber aber selbst ein anderes ist, zeichnet sich der qua¨ lit¨atslogische Progress dadurch aus, dass er eine Kette von Uberg¨ angen von etwas in anderes ohne erstes Glied er¨offnet, wobei die Glieder in ihre Nachfolger nicht als diskrete Elemente eingehen. Dagegen markiert das Quantum in Gestalt der Zahl ein in sich Gegliedertes, das deshalb u¨ ber sich hinausweist, weil es in sich wohlunterschiedene Elemente enth¨alt, die zugleich f¨ur es konstitutiv und von ihm verschieden sind. Indem der quantitative Progress damit aber darin gr¨undet, dass ein Quantum ausdr¨ucklich mit denjenigen Quanta vereinigt wird, die zugleich als seine Elemente f¨ur es konstitutiv und außerhalb seiner gesetzt sind, und dabei mit der Eins als demjenigen Quantum beginnt, welches in sich nur das Leere enth¨alt, bildet er eine fundierte Abfolge von Bestimmungen, die zugleich darum unterscheidbar sind, weil jedes die diskrete Einheit der ihm vorangehenden Glieder darstellt. Der unendliche Progress des in sich Verh¨altnishaften f¨uhrt so auf die fundierte Verschachtelung immer verwickelterer quantitativer Verh¨altnisse. Die Knotenlinie des Maßes wird ihrerseits dadurch gepr¨agt sein, dass es sich um den Progress von in sich Selbstverh¨altnishaftem handelt. Insofern das Maß n¨amlich Verh¨altnis von Qualit¨at und Quantit¨at ist, hat sein Progress in abwechselndem Umschlag der Qualit¨aten und Durchlaufen quantitativer Intervalle zu bestehen. Insofern Qualit¨at und Quantit¨at im Maß aber in einem Selbstverh¨altnis stehen, die Quantit¨at daher auch den Charakter der Qualit¨at annehmen muss und damit nicht mehr v¨ollig 166
21,19113.
2.1. Logik der Bestimmtheit (Sein)
137
beliebig ver¨anderbar sein kann, muss der Progress des Maßes nicht nur fundiert sein, sondern kann u¨ berhaupt nur endlich viele Glieder haben, weil sonst die Quantit¨at weiter als beliebig ver¨anderbare Bestimmtheit und damit ohne jeden Bezug auf Qualit¨at gesetzt w¨are. Diese Reihe bildet so notwendig eine begrenzte Abfolge von Qualit¨aten samt zugeh¨origer Intervalle. Entsprechend fasst Hegel den Progress im Maße auch nicht als unendlich, sondern als Knotenlinie. Die Selbstvermittlung, die sich aus dem unendlichen Progress ergibt, hat dabei zwei Aspekte, einen ingressiven, das Zusammengehen mit sich, welches Hegel als wahrhafte Unendlichkeit fasst, und einen resultativen, das Zusammengegangensein mit sich, das jeweils die dritte Hauptkategorie eines Kategorienkreises abgibt (F¨ursichsein, quantitatives Verh¨altnis, Indifferenz). Das Selbstverh¨altnis, das sich aus dem Progress ergibt, pr¨agt sich dabei in Abh¨angigkeit von seinen Gliedern unterschiedlich aus. Indem die qualitative Unendlichlichkeit ein Selbstverh¨altnis von solchen bildet, die nur unterschieden sein sollen, sich an ihnen selbst aber nicht unterscheiden lassen, f¨allt im F¨ursichsein aller bestimmte Unterschied in sich zusammen, wodurch es sich als das Leere erweist. Dagegen werden in Gestalt der quantitativen Unendlichkeit solche Bestimmungen in ein Selbstverh¨altnis gesetzt, die als Glieder einer wohlgeordneten Reihe unterscheidbar sind und es so auch als Verh¨altnisglieder bleiben. Hingegen markiert das im Maß erreichte Selbstverh¨altnis als Selbstbeziehung von solchem, dessen Qualit¨at und Quantit¨at ineinander umschlagen und sich so als ver¨anderbare Zust¨ande erweisen, ein an sich Unbestimmtes, das als Substrat beliebige Bestimmungen annehmen kann. Die Unendlichkeit des Maßes vereint so Eigent¨umlichkeiten von qualitativer und quantitativer Unendlichkeit, weil die Indifferenz wie das F¨ursichsein selbst nichts Bestimmtes ist, in ihr aber nicht einfach alle Bestimmungen in Leere zusammenfallen, sondern als Zust¨ande eines Substrats erhalten sind. In der R¨uckschau lassen sich nun auch methodische Gr¨unde f¨ur den voraussetzungslosen Fortgang sowohl von der unbestimmten Unmittelbarkeit eines Kreises zu seiner vermittelten und bestimmten Gestalt wie f¨ur das Hinausgehen des Bestimmten und Begrenzten zu selbstvermittelter Unendlichkeit und deren Aufhebung zu neuer Unmittelbarkeit angeben. Im Unterschied zur reinen Unmittelbarkeit des Seins, die einen Sonderfall darstellt, weil in ihr noch nichts zu unterscheiden ist, und deshalb u¨ ber sich hinausf¨uhrt, weil das Unbestimmte als solches seine eigene Entstellung zum Bestimmten ist, beruhen alle wei¨ teren Uberg¨ ange im Ausgang von unmittelbaren Bestimmungen darauf, dass es sich bei ihnen um Bestimmungen handelt, die unausdr¨ucklich bereits Vermittlung und innere Unterschiede einschließen und daher nur bestimmt gefasst und von der unterschiedslosen Unmittelbarkeit des Seins unterschieden werden k¨onnen, wenn zugleich ihre zun¨achst unabgehobenen inneren Unterschiede ausdr¨ucklich gemacht werden. Die dabei abgehobene Bestimmtheit ist als be-
138
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
grenzte ein Negatives, das sich ausschließend auf anderes Bestimmtes bezieht, und weist insofern durch ihren eigenen Widerspruch u¨ ber sich hinaus, weil sie zugleich selbst¨andig und unabh¨angig vom anderen gesetzt ist. Indem das Endliche sich n¨amlich ausschließend auf anderes bezieht, dieses jedoch Moment seiner f¨ur es konstitutiven Grenze ist, bezieht es sich ausschließend auf diese, damit aber auf sich selbst und f¨uhrt so u¨ ber sich hinaus. Das in Gestalt wahrhafter Unendlichkeit erreichte Selbstverh¨altnis von etwas und anderem legt sich seinerseits zu neuer Unmittelbarkeit entweder dadurch aus, dass innerhalb dieses Selbstverh¨altnisses Unterschiede deshalb zusammenfallen, weil es sich um ein unmittelbares Selbstverh¨altnis handelt, das noch kein distinktes Festhalten unterschiedlicher Aspekte erlaubt, oder darum, weil das betreffende Selbstverh¨altnis das Ausschließen von anderem ausschließt, so zugleich Negativit¨at oder Ausschluss einschließt, darin aber nur Ausschließen seiner selbst sein kann und darum Selbstent¨außerung sein muss. Gesamthaft stellt sich die Entwicklung der Seinslogik in ihren drei Hauptkreisen damit derart dar: Begrenzung der Quantit¨at
ess
x Qualit¨at
x Quantum
x x
r ak Att
Quantit¨at
tion
x
ess
reine Quantit¨at
xDasein
x
u e. P ro g r
Sein
ue P ro g r
Aufheben des Werdens
x x
wahrhafte Unendlichkeit F¨ursichsein
Sein
H
td rit t r o er v
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Q
¨t lita ua
Realisierung spezifische Quantit¨at
Maß
x
Kn o
x
tenl inie
xreales Maß
x
Unendlichkeit des Maßes absolute Indifferenz
quantitative Unendlichkeit quantitatives Verh¨altnis
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
139
2.2 Logik des Bestimmens (Wesen)* 2.2.1 Reines Bestimmen in sich (Das Wesen als Reflexion in ihm selbst)* Gesamthaft betrachtet ist durch die Seinslogik deutlich geworden, dass es kein universe of discourse geben kann, das sich aus Entit¨aten zusammensetzt, die statisch vorhanden und unabh¨angig voneinander allein durch intrinsische Bestimmungen charakterisiert sind. Das Resultat der Seinslogik ist insofern negativ: Diskrete Bestimmtheit kann es nicht als unmittelbar vorhandene geben, sondern nur als Resultat innerhalb eines relationalen Bestimmungsgef¨uges. Was Einheit und bedingte Selbst¨andigkeit von Entit¨aten im Wechsel ihrer qualitativen und metrischen Bestimmungen garantiert, kann dabei selbst keine unmittelbar vorliegende Bestimmung sein, sondern ist als Bestimmtheit setzende und integrierende Vollzugsform zu fassen. Dass der Garant von Bestimmtheit und Einheit selbst keine vorhandene Bestimmtheit aufweist, sondern als Bestimmt¨ heit erzeugender und integrierender Vollzug zu denken ist, bringt den Ubergang vom Sein zum Wesen auf den Punkt. Frei von jeder vorgegebenen seinslogischen Bestimmtheit besteht das Wesen zun¨achst in reinem Setzen, Vermitteln oder Bestimmen167 . Es ist damit unfundiert, schließt also weder Bestimmtheit ein, die dem Setzen vorgegeben w¨are, noch besteht es in einem Bestimmen oder Beziehen von bereits unmittelbar Vorhandenem168 . Mit dem Ende der Seinslogik hat sich n¨amlich erwiesen, dass alles unmittelbar Vorhandene nur scheinbar unmittelbar vorhanden ist, an sich aber dem Vermitteln des Wesens entspringt. Entsprechend wird sich dieses reine Vermitteln selbst ausdr¨ucklich als dasjenige erweisen m¨ussen, dem notwendig der Schein unmittelbaren Seins entspringt. Hegel kann das Wesen damit folgendermaßen bestimmen: Das Seyn oder die Unmittelbarkeit, welche durch die Negation ihrer selbst Vermittlung mit ” sich und Beziehung auf sich selbst ist, somit ebenso Vermittlung, die sich zur Beziehung auf sich, zur Unmittelbarkeit aufhebt, ist das Wesen“ 169 .
Unmittelbarkeit ist im Wesen also nicht einfach verschwunden, hat in ihm aber allein einen Ort, insofern sie reinem Vermitteln entspringt und nicht etwa unabh¨angig von diesem vorhanden ist. Wesenslogisch betrachtet ist alles Unmittelbare damit ebenso Vermittlung“, n¨amlich in keinem seiner Aspekte ” unabh¨angig von dieser170 . 167
Setzen“ meint Hervorbringen von Bestimmtheit und damit Erzeugen von Unterschie” den: Insofern das Tun ein Unterschied des Wesens von sich selbst ist und Dasein oder Be” stimmtheit dadurch hervorgebracht ist, ist das Tun Setzen“ [TW4,17]. 168 Vgl. Die Reflexion ist reine Vermittlung u ¨ berhaupt. [...] Die reine Vermittlung ist nur ” reine Beziehung, ohne Bezogene“ [11,29224−30]. 169 20,14213−16. 170 Im Wesen ist daher das Seyn nach seiner einseitigen Bestimmung, unmittelbares zu ”
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Besteht das Wesen im reinen Vermitteln oder Setzen von Bestimmtheit, so ist es nichts, was auch unabh¨angig von solchem Vermitteln oder Setzen vorliegen k¨onnte, sondern gerade nur im Zuge solchen Setzens es selbst. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das Wesen eine Bewegung markiert, die sich selbst durch ihr Resultieren erzeugt, weil reines Setzen von Bestimmtheit erst durch das Bestimmte, das es gesetzt hat, zu dem wird, was es ist, n¨amlich Setzen von Bestimmtem. Insofern das Wesen als reines Setzen also nicht unabh¨angig von oder vor solchem Setzen von Bestimmtheit bestehen kann, muss es immer schon Bestimmtheit gesetzt haben. Darin entspricht das Wesen der Unmittelbarkeit des reinen Seins. Denn es meint nichts, was zun¨achst an sich best¨unde und erst nachtr¨aglich zu Bestimmtheit f¨uhrte, sondern hat vielmehr immer schon auf Bestimmtheit gef¨uhrt. Dies bedeutet nichts anderes als dass es aus wesenslogischer Perspektive keinen ersten Ursprung geben kann. Denn in der unfundierten Operationalit¨at der vermeintlichen Ursprungsbestimmungen Sein, Wesen und Begriff liegt, dass es keinen Ursprung geben kann, der zun¨achst bestand und dann verlassen wurde, sondern der erste Ursprung ist allein das, was immer schon verlassen ist, was es insofern nie gegeben hat, sondern was erst r¨uckwirkend konstituiert wird, in oder nachdem es verlassen ist. Die Annahme eines einst oder immer noch vorhandenen ersten Ursprungs ist daher seinslogischer Schein par excellence und der Beginn der Wesenslogik eine kritische Zersetzung solchen unmittelbaren Ursprungsdenkens171 . Wesenslogisch ist der Ursprung daher allein das, was immer schon verlassen ist und was es so nur als r¨uckw¨artige Setzung gibt172 . Ein Setzen von Bestimmtheit, das sich immer schon vollzogen hat, kann sich als solches nicht zugleich in seinem Vollzug reflektieren. Dem reinen Bestimmen oder Setzen tritt das von ihm Gesetzte daher zun¨achst a¨ ußerlich als schon Vorhandenes gegen¨uber. Unmittelbares Setzen ist als unreflektiertes damit zun¨achst notwendig Voraussetzen, n¨amlich Setzen von solchem, was nicht als gesetzt, sondern als vorhanden auftritt. Indem sich unbedingtes Setzen immer schon Unmittelbares vorausgesetzt hat, hat es sich zugleich immer schon zu relativem herabgesetzt, n¨amlich zu sein, zu einem nur Negativen herabgesetzt, zu einem Scheine“ [20,14311−13]. Schein ist aber gerade dadurch, was er ist, dass er kein Selbst¨andiges und Unmittelbares, sondern ein Unselbst¨andiges und Vermitteltes bildet, das bloß als selbst¨andig und unmittelbar auftritt. 171 Vgl. Die Unmittelbarkeit kommt u ¨ berhaupt nur als R¨uckkehr hervor und ist das” jenige Negative, welches der Schein des Anfangs ist, der durch die R¨uckkehr negirt wird“ [11,25130−32], vgl. H OULGATE 1999b. 172 Der Ursprung hat in Hegels Denken durchaus seinen Platz, insofern er den logischen und geschichtlichen Fortgang als R¨uckgang in den Grund“ [etwa 21,3435−36] und Geist als ” R¨uckkehr-in-sich fasst; nur kann dies grunds¨atzlich keine R¨uckkehr zu etwas meinen, was es bereits unmittelbar gibt oder gegeben hat, sondern allein R¨uckkehr zu solchem, was es unmittelbar nie gegeben hat, weil es immer schon verlassen ist. Es ist daher entscheidend, dass Hegel betont, der Geist sei, u¨ berhaupt nur als Zur¨uckkommen aus der Natur“ [20,3823]. ”
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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solchem Setzen, das Gesetztem a¨ ußerlich gegen¨ubersteht und dieses als vorhanden vorfindet. Dass das Wesen unfundiertes Setzen oder Bestimmen ist, meint aber, dass es an sich nicht bloß Bestimmen von unmittelbar Vorhandenem sein kann. Denn dass sich das Sein als Schein erwiesen hat, bedeutet gerade, dass es solches unmittelbar Vorhandene grunds¨atzlich nicht geben kann. Das Wesen ist als Setzen daher zun¨achst nicht etwa Bestimmen von schon Vorhandenem, sondern urspr¨ungliches Erzeugen von Bestimmtheit. Hegel dr¨uckt dies so aus, dem Wesen komme zun¨achst kein Dasein zu, also keine vorgegebene Bestimmtheit, sondern diese entspringe erst seinem Setzen173 . Insofern die Bewegung des Wesens damit auf keinerlei vorgegebene Bestimmtheit angewiesen ist, ist sie selbstfundierend: Eine Bewegung, die aus sich kommt: denn das vorgefun” dene Unmittelbare, bei dem sie anf¨angt, ist ja nur das von ihr selbst Gesetzte, es ist nur der Schein des Anfangs“ 174 . Insofern sich das reine Setzen nicht reflektieren kann, setzt es sich zum relativen herab, indem ihm das Gesetzte als scheinbar Vorhandenes gegen¨ubertritt, das es nur a¨ ußerlich dadurch bestimmen kann, dass es es als so und so beschaffen setzt. Indem das Wesen damit zum Bestimmen von solchem wird, was ihm selbst entstammt, zugleich aber fremd gegen¨ubertritt, gewinnt es, mit Marcuse zu sprechen, im Zuge seines Sichauseinanderlegens gleichsam Zweidi” mensionalit¨at“ 175. Absolutes Setzen ist damit Setzen, das sich in seinem Setzen zun¨achst entgeht, dem Gesetzten als unmittelbar Vorhandenem gegen¨ubertritt und so zum Bestimmen und Aneignen von diesem wird. Dem reinen Bestimmen ist es damit eigent¨umlich, sich zum relativen herabzusetzen, das heißt dem Bestimmten, das es gesetzt hat, als scheinbar Vorhandenem gegen¨uberzutreten und es aus dieser Entfernung heraus bestimmend anzueignen. Erst im Zuge solchen relativen Bestimmens kann sich das Bestimmen reflektieren, weil es nun anderem gegen¨ubersteht, damit selbst bestimmt und fundiert ist und in seinem Vermitteln nicht unmittelbar verschwindet. Damit ist deutlich geworden, inwiefern Hegel das Wesen als absolute Re” flexion“ oder Scheinen-in-sich“ fassen kann176 . Denn es ist zun¨achst unreflek” tiertes Setzen von Bestimmtheit, das dem Gesetzten a¨ ußerlich gegen¨ubertritt und sich so zu bloß relativem Bestimmen von scheinbar unabh¨angig von ihm Vorhandenen herabsetzt. Das Wesen ist damit aber absolute Reflexion, weil es nichts ist, was sich bloß in einem von ihm unterschiedenen Medium spiegelt, sondern in sich. Die absolute Reflexion markiert daher, anschaulich gesprochen, keinen Vorgang, in dem ein Signal von einem von ihm verschiedenen Reflek173 Vgl. Indem das Wesen zuerst einfache Negativit¨ at ist, so hat es nun die Bestimmt” heit, welche es nur an sich enth¨alt, in seiner Sph¨are zu setzen, um sich Daseyn und dann sein F¨ursichseyn zu geben“ [11,24237−39]. 174 M ARCUSE 1932: 84. 175 M ARCUSE 1932: 79. 176 Vgl. etwa Das Wesen ist hiermit das Seyn als Scheinen in sich selbst“ [20,14313]. ”
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tor zur¨uckgeworfen wird, sondern einen solchen, in dem Quelle, Reflektor und Reflektiertes an sich zusammenfallen. Das Wesen bricht sich damit in solchem, das nur scheinbar von ihm verschieden ist, bezieht sich aber im Bestimmen desselben nur auf sich selbst. Es spielt als absolute Reflexion damit eine Art Versteckspiel mit sich und f¨uhrt auf Spiegelverh¨altnisse, worin etwas es in Bezug auf scheinbar Fremdes nur mit sich zu tun hat und somit wesentlich durch urspr¨ungliche Selbstverfremdung und nachtr¨agliche Wiederaneignung gekennzeichnet ist. Das Wesen ist also darum Reflexion oder Scheinen in sich, weil es sich in dem, woran es sich scheinbar a¨ ußerlich bricht, zugleich auf sich bezieht und insofern reflektiert. Sein reines Vermitteln ist so notwendig Erzeugen von Schein, n¨amlich von Unmittelbarkeit, die an sich nur Ausdruck dessen ist, dem sie als unabh¨angig von ihm vorhanden gegen¨ubertritt. Zwar k¨onnte der Gedanke eines Setzens, das sich selbst derart entgeht, indem es sich immer schon unbemerkt zu solchem ausgelegt hat, was ihm als vermeintlich unabh¨angig von ihm Vorhandenes gegen¨ubertritt und was es allenfalls nachtr¨aglich aneignen kann, als bloßes Gedankenspiel erscheinen. Insofern das Wesen aber logisch im subjektiven Begriff aufgehoben werden wird, geh¨ort eine solche Bewegung wesentlich zu Subjektivit¨at als solcher. Entsprechend ist geistiges Sein konstitutiv von sich distanziert, weil es sich in seiner eigenen T¨atigkeit zun¨achst notwendig entgeht. Ein unmittelbares, urspr¨ungliches und selbstdurchsichtiges Innesein von Subjekten ist daher unm¨oglich. Denn wenn geistiges Sein konstitutiv von sich distanziert ist, kann es sich in seinen eigenen Vollz¨ugen zun¨achst nicht angemessen begreifen, insofern Selbstgeleistetes ihm als Vorhandenes fremd entgegenkommt. Im Einklang mit dieser wesenslogischen Einsicht betont Hegel, dass Geist keinen Vollzug unmittelbar selbstdurchsichtigen Beisichseins meint, sondern wesentlich und allein in einer R¨uckkehr zu sich aus seinem Außersichsein besteht177 . Von dem Subjektivit¨at eigenen, urspr¨unglichen Sichentgehen und der konstitutiven Nachtr¨aglichkeit ihrer angemessenen Selbsterfassung geben Phylo- und Ontogenese des Menschen beredtes Zeugnis ab. Im Hinblick darauf bringt Hegels Reflexionslogik geschichtsphilosophische und erkenntnistheoretische Einsichten seiner Zeit auf den Begriff, die darauf hindeuten, dass Geschichte sich notwendig als nachtr¨agliches Zusichkommen vollzieht. Denn die Aneignung des Eigenen aus seiner Verfremdung zur Unmittelbarkeit markiert eine Bewegung, die erkenntnistheoretisch etwa in Kants kopernikanischer Wende und geschichtsphilosophisch im Aufkl¨arungsgedanken auf den Begriff gebracht wird. Damit werden n¨amlich die eigenen Leistungen des Subjekts, an die das Auftreten einer Erfahrungswelt ebenso wie bindende Gebote des Handelns gekn¨upft 177 An urspr¨ unglichem Innesein ist dazu nur der unbestimmte, leibhaft verk¨orperte Punkt pr¨areflexiver Selbstbeziehung vorausgesetzt, w¨ahrend sich die reflektierte Selbstbeziehung durch konstitutive Nachtr¨aglichkeit auszeichnet, vgl. M ARTIN 2009: 78.
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sind, als solche reflektiert und die Selbstverfremdung dieser Leistungen zu einer scheinbar einfach vorhandenen Welt der Tatsachen wie der Normen ausger¨aumt. Der Anfang der Wesenslogik bildet, in den Fußstapfen von Fichtes und Schellings Begriff unbewusster Produktion, nun aber eine Theorie, welche die konstitutive Nachtr¨aglichkeit, die Subjektivit¨at aufgrund ihres wesenslogischen Moments zukommt, formal auf den Begriff bringt und als solche entfaltet, w¨ahrend Hegels Vorg¨anger im Umkreis der Aufkl¨arung sie nur an eindr¨ucklichen Beispielen aufweisen. Dass Subjektivit¨at sich in ihren Leistungen zun¨achst notwendig entgeht, indem diese ihr als Fremdes gegen¨ubertreten, in und aus dem sie sich erst gewinnen muss, bildet so die wesenslogische Begr¨undung daf¨ur, dass es Geist nur als geschichtliches Zusichkommen zu sich geben kann178 . Entsprechend ist Herbert Marcuse darin zuzustimmen, der ei” gentliche systematische Ort“ kategorialer Grundlegung von Geschichtlichkeit in Hegels Logik sei der Beginn der Lehre vom Wesen179 . ¨ Indem mit dem Ubergang zum Wesen an sich alle unmittelbare Bestimmtheit weggefallen ist und sich als Schein des Wesens erwiesen hat, besteht dieses in reiner, selbstbez¨uglicher Operationalit¨at, der vermeintlich unmittelbare Bestimmtheit u¨ berhaupt erst entspringt. Das Wesen zeichnet sich damit also durch hybride Operationalit¨at aus, die ohne ein vorgegebenes Operandum auskommt. Entsprechend kennzeichnet Hegel das Wesen als absolute Negativit¨at“ oder ” unbedingte Negation, die nicht auf vorgegebene Argumente angewiesen ist180 . Das Wesen ist so als reines Vermitteln das Heraussetzen von solchem, was zwar zun¨achst nicht vorhanden war, ihm aber als vorhanden gegen¨ubertritt. Die selbstanwendende Operationalit¨at des Wesens unterscheidet sich da178 Das nachhegelsche Denken hat diesen Gedanken, zum Teil in ausdr¨ ucklicher Ankn¨upfung an Hegel, radikalisiert. Denn w¨ahrend es bei Hegel so scheinen kann, als sei das Zusichkommen des Geistes aus seiner konstitutiven Selbstentferntheit irgendwann zu einem Abschluss in selbstdurchsichtiger Klarheit gekommen, thematisieren Psychoanalyse und Marxismus Strukturen, in denen solches Sichentgehen sowohl im aufgekl¨arten Einzelnen, etwa in Form von Fehlleistungen und anderen psychopathologischen Ph¨anomenen, wie in einer aufgekl¨arten Gesellschaft, etwa als Ideologie und Fetischcharakter der Ware, fortbestehen. Strukturell wird die Logik solcher Selbstentfremdung jedoch im Reflexionskapitel der Wesenslogik erstmals entwickelt und kann damit auch sp¨ateren Denkern die Kategorien vorgeben. So greift Marx als Leser der Logik etwa die wesenslogische Spiegelmetapher auf: Das Geheimnisvolle ” der Warenform besteht also einfach darin, dass sie den Menschen die gesellschaftlichen Eigenschaften ihrer eigenen Arbeit als gegenst¨andliche Eigenschaften der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zur¨uckspiegelt“ [M ARX 1867: 86]. 179 M ARCUSE 1932: 79. 180 Indem die absolute Indifferenz am Ende der Seinslogik nicht mehr nur bestimmte Zust¨ande an sich haben soll, sondern operativer Quellpunkt dieser Zust¨ande sein soll, erweist ¨ sie sich im Ubertritt zum Wesen als unfundierte Operationalit¨at und n¨aher als sich allein auf sich beziehende und insofern absolute Negativit¨at: Die Bestimmtheit der ansichseyenden Indiffe” renz ist hiermit die Unendlichkeit ihrer Selbst¨andigkeit, die absolute Negativit¨at“ [11,23028−29].
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mit aber noch vom Begriff, der ebenfalls in selbstanwendender Negativit¨at besteht. Denn das Wesen ist selbstanwendende Operationalit¨at, die noch nicht als Selbstvermittlung ausdr¨ucklich ist, sondern als Setzen von anderem erscheint, diesem als Fremdem gegen¨ubertritt und mit ihm allenfalls nachtr¨aglich ein ausdr¨uckliches Selbstverh¨altnis bilden kann181 . Das reine Vermitteln des Wesens fundiert sich nun insofern zeitlos, als es immer schon Bestimmtes gesetzt hat und diesem selbst als Bestimmtes gegen¨ubertritt. Derart f¨uhrt unfundiertes Vermitteln auf Verh¨altnisse vermittelter Bestimmungen, die, insofern sie sich gegenseitig aufeinander und so verm¨oge der anderen auf sich zur¨uckbeziehen, ineinander scheinen“ oder in sich re” ” flektiert“ sind. Das Wesen legt sich damit zu Verh¨altnissen zwischen Relata aus, die an ihnen selbst ausdr¨ucklich aufeinander bezogen und durcheinander vermittelt sind: Im Wesen ist das Unterschiedene nur Schein, an ihm selbst bestimmt als Beziehung auf An” deres, und die Ver¨anderung u¨ berhaupt ein Setzen. [...] Ferner scheint deswegen der Begriff nur in der Sph¨are des Wesens, und er ist nur als ein Sollen, weil die Einheit der Reflexion noch Verh¨altnis oder das Verschiedene noch nicht in die einfache Einheit des Begriffes aufgenommen“ 182.
Dass das Selbstverh¨altnis, welches zum Begriff geh¨ort, im Wesen nur scheint, bedeutet gerade, dass in ihm Bestimmungen noch nicht ausdr¨ucklich ins Selbstverh¨altnis gesetzt sind, sondern nur dadurch, dass sie sich ausdr¨ucklich aufeinander beziehen, sodass sich jede im Bezug auf die andere auf sich zur¨uckbezieht, ihre Selbstbeziehung damit durch Fremdbeziehung vermittelt und insofern reflektiert ist. Indem das Wesen die Sph¨are der Vermittlung darstellt, sind f¨ur es damit Verh¨altnisse mit Gliedern bezeichnend, die zwar ausdr¨ucklich in innerem Bezug aufeinander stehen und f¨ureinander konstitutiv sind, zugleich aber nicht ausdr¨ucklich als Selbstverh¨altnis, sondern als Verh¨altnisse zwischen Relata gesetzt sind, die trotz ihrer inneren Beziehung aufeinander zugleich selbst¨andig bestehen sollen183 . 181 Vgl. Das Wesen ist der Begriff als gesetzter Begriff, die Bestimmungen sind im We” sen nur relative, noch nicht als schlechthin in sich reflectirt; darum ist der Begriff noch nicht als F¨ursich“ [20,1433−5]. Entsprechend ist mit dem Wesen der Begriff zwar schon gesetzt“, ” das heißt reine selbstanwendende Operationalit¨at besteht schon ausdr¨ucklich. Doch da sie hier noch nicht unmittelbar und ausdr¨ucklich als Selbstvermittlung gesetzt ist, sondern allenfalls nachtr¨aglich, damit aber bloß in bestimmter Hinsicht als solche offenbar wird und deshalb als Setzen von anderem erscheint, sind die Gestalten des Wesens noch nicht schlechthin in sich ” reflectirt“, also in jeder Hinsicht als Gestalten von Selbstvermittlung gesetzt. Der Begriff besteht in Form des Wesens darum zwar schon ausdr¨ucklich, ist aber noch nicht ausdr¨ucklich f¨ur sich als Selbstvermittlung. 182 V11,1117−15. 183 Vgl. 20,1436−9. Reflexionsbestimmungen wie Identit¨ at und Unterschied oder Form und Inhalt sind damit zugleich ausdr¨ucklich aufeinander bezogen oder unselbst¨andig und voneinander verschieden oder selbst¨andig: Die Bestimmungen im Wesen sind nur relativ. Grund hat ”
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Hegel zufolge entwickelt die Wesenslogik vornehmlich die Kategorien der ” Metaphysik und der Wissenschaften u¨ berhaupt“ 184 . Dies erkl¨art sich daraus, dass sie reine Begriffe thematisiert, die u¨ ber alles scheinbar unmittelbar Vor¨ handene auf das hinausweisen, was es erzeugt und erkl¨art185 . Der Ubergang zum Wesen f¨angt damit logisch die Einsicht ein, dass das Vorhandene nicht einfach, mit unmittelbarer Bestimmtheit ausgestattet, in sich ruht, sondern Gr¨unde hat, die selbst nicht unmittelbar vorhanden sind, sondern erst entdeckt werden m¨ussen. Die Bewegung, scheinbar auf sich Beruhendes auf solches zu u¨ berschreiten, was selbst nicht unmittelbar vorhanden und zugleich in der Lage ist, dieses scheinbar unmittelbar Vorhandene zu begr¨unden und erkl¨aren, und was insofern dessen Wesen ausmacht, ist in Reinform gerade wissenschaftlichem und philosophischem Denken eigent¨umlich, w¨ahrend seinslogische Bestimmungen, die nicht mit einer solchen Doppelb¨odigkeit oder Zweidimensionalit¨at des logischen Raumes rechnen, dem allt¨aglichen Denken n¨aher stehen186 . So pr¨agen die wesenslogischen Kategorien auch deshalb die Form der Wissenschaft, weil sie wesentlich Verh¨altnisbestimmungen sind und es, indem sie Beziehungen markieren, welche das Bezogene selbst angehen, nicht beim a¨ ußerlichen Nebeneinanderstellen von etwas und anderem belassen. Damit markiert die Wesenslogik die formale Verfassung einer Welt, die zugleich eine Vielzahl Selbst¨andiger kennt, die jedoch nicht einfach nebeneinander, sondern in Abh¨angigkeitsbeziehungen stehen, welche als Verh¨altnisse von Grund ¨ und Begr¨undetem, Kraft und Außerung oder Ursache und Wirkung erst aufzuweisen sind. Der entscheidende Mangel wesenslogischer Bestimmungen besteht aber darin, dass sie den Beitrag des Subjekts zur Etablierung des Beziehungsgef¨uges der Dinge nicht angemessen ber¨ucksichtigen. Im Wesen erscheinen Verh¨altnisbestimmungen daher als Bestimmungen der Sachen selbst, ohne dass ihr transzendentaler Charakter auf den Begriff gebracht w¨are. Da der Beitrag subjektseitigen Bestimmens noch nicht ausdr¨ucklich gefasst ist, eignet dem Wesen ein widerspr¨uchliches Schillern, da es zugleich die Selbst¨andigkeit der Dinnur Sinn in Beziehung auf Wirkung usw. Das sind lauter Kategorien, die nicht mehr schlechthin selbst¨andig sind, sondern sie sind bezeichnet mit dieser Reflexion, Beziehung auf ihr Anderes. Diese Kategorien sind alle mit dem Zeichen der Beziehung, damit ist alles ein Gesetztes, Vermitteltes, sein Sein ist nur durch Anderes“ [V10,13510−16], vgl. 11,24233−37. 184 20,14515−16. 185 Solche Erkenntniß ist ein vermitteltes Wissen, denn sie befindet sich nicht unmittelbar ” beym und im Wesen, sondern beginnt von einem Andern, dem Seyn, und hat einen vorl¨aufigen Weg, den Weg des Hinausgehens u¨ ber das Seyn oder vielmehr des Hineingehens in dasselbe zu machen“ [11,2428−12]. 186 Selbstverst¨ andlich spielen auch diese in den Wissenschaften eine Rolle, wie wesenslogische Bestimmungen umgekehrt ins allt¨agliche Denken einsickern. Dennoch ist deutlich, dass Kategorien wie Etwas, Anderes, und Grenze, Was und Wieviel allt¨agliche Kategorien sind, Wesen und Erscheinung, Form und Inhalt, Ursache und Wirkung dagegen wissenschaftliche.
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ge wie ihre innere Relativit¨at ausdr¨uckt187 . Innerhalb der Wesenslogik selbst bildet die Aufdeckung von Verh¨altnissen, die dem Denken zun¨achst einfach an den Dingen vorhanden scheinen, als Vermittlungsleistungen und damit die kritische Reflexion auf zun¨achst unreflektierte Konstitutionsformen nur eine Episode. 2.2.1.1 Zwischen Sein und Wesen (Unwesentliches und Schein)* Hegel schickt der wesenslogischen Darstellung reinen Vermittelns, das sich als unreflektiertes Setzen zun¨achst a¨ ußerlich in Gestalt von vermeintlich Vorhandenem gegen¨ubertritt, in der WdL zwei Abschnitte voraus, die das Verh¨altnis von Sein und Wesen behandeln. Da sich das Sein aber schon in das Wesen aufgehoben hat, k¨onnen diese Abschnitte im immanenten Fortgang der Logik nur als Zwischenspiel gelten, weil sie sich einem Zur¨uckbehalten des Seins dem We¨ sen gegen¨uber verdanken. Die Uberlegung, welche auf diese Gegen¨uberstellung f¨uhrt, l¨asst sich folgendermaßen verdeutlichen: Zwar hat sich das Sein als unmittelbar Vorhandenes aufgel¨ost und ist in der reinen Vermittlung des Wesens verschwunden. Dennoch war das Sein nicht nichts, sondern markierte eine Reihe unmittelbarer Bestimmungen. Damit muss nach dem Verh¨altnis von Sein und Wesen gefragt werden, das unmittelbar selbst noch seinslogisch scheinen und sich erst vermittelterweise als solches erweisen wird, was allein aus dem Wesen begriffen werden kann. Solange das Verh¨altnis von Sein und Wesen seinslogisch gefasst ist, stehen sich beide, scheinbar unabh¨angig voneinander, wie etwas und anderes a¨ ußerlich gegen¨uber und sind dabei sozusagen bloß mit unterschiedlichen Akzenten versehen. Das Sein ist als das, wor¨uber zu Recht hinausgegangen wurde, die unwesentliche Oberfl¨ache, das Wesen dagegen als solide Tiefe gekennzeichnet. Solange das Sein derart gefasst ist, erscheint es aber weiter als unmittelbares Etwas, bloß dass dieses nun als unwesentlich markiert ist188 . Da sich das Sein aber aufgehoben hat, kann es dem Wesen nicht doch wieder selbst¨andig, obgleich unwesentlich gegen¨ubertreten. Daher ist das Sein im Verh¨altnis zum Wesen nicht nur als unwesentlich, sondern als Schein, n¨amlich als solches zu setzen, was zwar vermeintlich selbst¨andig besteht, an sich aber keinen Selbstand hat und insofern nichtig ist. Dennoch bleibt auch so noch eine letzte Spur Unmittelbarkeit im Verh¨altnis 187 Bei den wesenslogischen Bestimmungen handelt es sich damit um Erzeugnisse des ” reflectirenden Verstandes, der zugleich die Unterschiede als selbst¨andig annimmt, und zugleich auch ihre Relativit¨at setzt;– beides aber nur neben- oder nacheinander durch ein Auch verbindet, und diese Gedanken nicht zusammenbringt, sie nicht zum Begriffe vereint“ [20,14516−20]. 188 Vgl. Der Unterschied von Wesentlichem und Unwesentlichem hat das Wesen in die ” Sph¨are des Daseyns zur¨uckfallen lassen, indem das Wesen, wie es zun¨achst ist, als unmittelbares seyendes, und damit nur als Anderes bestimmt ist gegen das Seyn“ [11,24517−20].
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von Sein und Wesen erhalten. Denn der Schein ist zun¨achst noch nicht ausdr¨ucklich vom Wesen her bestimmt: Er ist zwar als nichtig gesetzt, in seiner Bestimmtheit aber noch nicht als solches gefasst, was nicht einmal seine Nichtigkeit sich selbst, sondern allein dem Wesen verdankt. Daher muss auch die Unmittelbarkeit des Scheins noch negiert und dieser rein vom Wesen her verstanden werden. Denn er ist auch kein am Wesen vorhandenes Nichtiges, sondern allein von diesem gesetzt und daher der Schein des Wesens selbst: Der Schein ist das an sich Nichtige; es ist nur zu zeigen, daß die Bestimmungen, die ihn vom ” Wesen unterscheiden, Bestimmungen des Wesens selbst sind, und ferner, daß diese Bestimmtheit des Wesens, welche der Schein ist, im Wesen selbst aufgehoben ist“ 189 .
Das Wesen ist daher wesentlich Setzen von solchem, was unmittelbar scheint, an sich aber nur Ausdruck seines eigenen Setzens ist. Der Schein ist als bloß vermeintlich unmittelbar vorhandene Bestimmtheit daher nichts, was unmittelbar neben oder am Wesen vorhanden w¨are, sondern allein durch dieses gesetzt und eben darum Schein des Wesens. Im Ganzen vollzieht sich im logischen Niemandsland zwischen Sein und Wesen damit folgende Bewegung: Das Wesen aus dem Sein herkommend scheint demselben gegen¨uberzustehen; dies unmittel” bare Seyn ist zun¨achst das Unwesentliche. Allein es ist zweitens mehr als nur unwesentliches, es ist wesenloses Seyn, es ist Schein. Drittens dieser Schein ist nicht ein Aeusserliches, dem Wesen anderes, sondern er ist sein eigner Schein“ 190
Damit ist das Wesen reines Scheinen oder Setzen von solchem, was ihm als scheinbar nicht gesetzt und unmittelbar gegen¨ubertritt. Das Wesen ist somit aber Scheinen in sich, weil es keine Verbreitung in ein von ihm unterschiedenes Medium meint, sondern alles von ihm Unterschiedene nur aus und in ihm entspringt191 . Dies ist zun¨achst jedoch nur eine Forderung, die sich aus dem R¨uckblick auf das Sein und damit aus der Erinnerung ergibt, dass nicht mit dem Wesen, sondern mit dem Sein begonnen wurde. Dass das Wesen als reines Vermitteln Scheinen in sich ist, muss sich jedoch auch aus der Bestimmung des reinen Vermittelns selbst ergeben. Systematisch setzt die Wesenslogik daher mit der Darstellung des reinen Vermittelns ein und tr¨agt, weil dieses sich als Voraussetzen von scheinbar Unmittelbarem und nachtr¨agliche Aneignung oder Zur¨uckbeugung desselben erweist, den Titel Reflexion“. ” Die Einteilung der Wesenslogik ergibt sich dabei zwanglos aus der Bestimmung des Wesens als reiner Vermittlung. Denn an Vermittlung lassen sich zwei Aspekte unterscheiden, die von sich her auf einen dritten weisen, der sie 189 11,24727−30. Hegel f¨ uhrt weiter aus: Die Unmittelbarkeit, welche die Bestimmtheit am ” Scheine gegen das Wesen hat, ist daher nichts anderes als die eigene Unmittelbarkeit des Wesens; aber nicht die seyende Unmittelbarkeit, sondern die schlechthin vermittelte oder reflectirte Unmittelbarkeit“ [11,24739–2483]. 190 11,24417−22. 191 Vgl. 11,2489−12.
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u¨ bergreift. Vermittlung beinhaltet n¨amlich sowohl ingressiv Vermitteln wie resultativ Vermitteltes, welche sich beide von sich her als Aspekte von Vermittlung als u¨ bergreifender Einheit ausweisen, da es Vermitteln nicht ohne Vermitteltes und Vermitteltes nicht ohne Vermitteln geben kann192 . Das reine Vermitteln, welches die erste Gestalt des Wesens ausmacht, nennt Hegel gerade die Reflexion“. Diese ist insofern Scheinen oder Reflexion in ” sich, als ihre besonderen Gestalten kein Vermitteltes bezeichnen, das als solches abh¨angigen Selbstand gegen¨uber dem Vermittelnden und der Vermittlung gewinnt. Die Reflexionsbestimmungen markieren daher noch keine Bestimmungen eines Selbst¨andigen, das zugleich in innerer Beziehung zu anderem steht und so Vermitteltes ist, sondern bezeichnen als Formen reinen Vermittelns noch unselbst¨andige Wechselbeziehungen. Entsprechend werden in der Reflexionslogik Bestimmungen wie Identit¨at und Unterschied oder Form und Inhalt entwickelt, die keine erststufigen Bestimmungen darstellen, sondern bloß aufeinander bezogene und einander wechselseitig voraussetzende Aspekte an als selbst¨andig Gesetztem ausmachen, das zwischen solchen Aspekten hin- und hergehend betrachtbar ist. Reines Vermitteln f¨uhrt als solches aber wesentlich auf ein durchg¨angig Vermitteltes, das sich als solches gegen¨uber dem Vermitteln verselbst¨andigt. Denn ein Gesetztes oder Vermitteltes ist zwar solches, was nicht unmittelbar besteht, sondern sein Bestehen einem Setzen oder Vermitteln verdankt, mit dessen Vollendung jedoch bedingten Selbstand erlangt. Solches nur vermittelterweise und insofern abh¨angig Selbst¨andiges bezeichnet Hegel als Existenz“. ” Indem reines Vermitteln sich zum Vermittelten aufhebt oder als Grund zur Existenz u¨ bergeht, bedeutet dies seine eigene r¨uckwirkende Fundierung. Denn indem der Grund der Existenz, die er begr¨undet, nun als anderes gegen¨ubersteht, das von ihr begrenzt wird, dringt deren Bestimmung in sein Ansichsein ein. Er entpuppt sich so aber seinerseits als Begr¨undetes wie die Existenz umgekehrt als gr¨undend. Daraus ergibt sich ein Vermittlungszusammenhang, dessen Glieder, durch Hervorgang aus einem Grund zur Selbst¨andigkeit vermittelt, selbst Grund von anderem sind und so einen durchg¨angigen Zusammenhang abh¨angig-selbst¨andiger Existenzen bilden. Diesen Zusammenhang abh¨angigselbst¨andiger Existenzen fasst Hegel terminologisch auch als Erscheinung“. ” Denn es handelt sich um einen Bedingungszusammenhang ohne unbedingtes Anfangsglied, ein Gef¨uge abh¨angig Selbst¨andiger, die wechselseitig in Bedingungsverh¨altnissen stehen und so eine endlose Welt der Vermittlung er¨offnen. Entsprechend ist in dieser bloß relativen Sph¨are des Vermittelten das unfundier192
Vermittlung bedeutet wesenslogisch das Setzen eines anderen: Vermittlung ist ein An” fangen und ein Fortgegangenseyn zu einem Zweyten, so daß diß Zweyte nur ist, insofern zu demselben von einem gegen dasselbe Anderen gekommen worden ist“ [20,534−6]. Entsprechend kann Hegel die Wesenslogik als eine Sph¨are der Vermittlung“ fassen [21,467−11]. ”
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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te Vermitteln nur als untergeordneter Aspekt aufgehoben und zeigt sich bloß darin, dass jedes vermittelte Glied seinerseits anderes vermittelt. Sowohl das reine Vermitteln, das selbst noch keinen Begriff des Selbst¨andigen abgibt, wie das durchg¨angig Vermittelte, in dem es verschwunden und zum relativem Bedingen herabgesetzt ist, sind einseitige Gestalten von Vermittlung und daher als gleichberechtigte Aspekte einer u¨ bergreifenden Be¨ stimmung zu setzen. Dies geschieht im logischen Ubertritt zur Wirklichkeit, die ¨ als konkrete Einheit von Wesen und Erscheinung, Innerem und Außerem, Vermitteln und Vermitteltem bestimmt ist. In Form der Wirklichkeit wird so eine tragf¨ahige Einheit von Vermitteln und Vermitteltem erreicht, weil das Vermittelnde Bestand hat und nicht wie in der Reflexion unselbst¨andig und fl¨uchtig ist, zugleich aber mit dem Vermittelten nicht einfach auf gleicher Ebene steht, wie in der Erscheinung, sondern als Selbst¨andiges in u¨ bergreifender Einheit mit dem von ihm Abh¨angigen gesetzt ist, wie etwa im Verh¨altnis von Substanz und Akzidenz. Das Wesen ist somit zun¨achst unfundiertes Scheinen-in-sich, fundiert sich zweitens oder scheint in anderes, indem es von ihm verschiedenes anderes als bedingt selbst¨andig setzt und sich dabei selbst zum bedingten Glied eines endlichen Vermittlungszusammenhangs herabstuft, aus dem es drittens als selbst¨andiges Vermitteln hervortritt, das sein durch es Vermitteltes als von ihm Abh¨angiges in sich einbeh¨alt. Mit anderen Worten stellt sich das Wesen zun¨achst als bloßes und sich damit verfl¨uchtigendes Manifestieren dar, das darauf im Bedingungszusammenhang des Manifestierten aufgeht, aus dem es schließlich als selbst¨andiges Manifestieren hervortritt, das seine Manifestationen in sich einbeh¨alt: Das Wesen scheint zuerst in sich selbst oder ist Reflexion; zweitens erscheint es; drittens of” fenbart es sich. Es setzt sich in seiner Bewegung in folgende Bestimmungen: I. als einfaches, ansichseiendes Wesen in seinen Bestimmungen innerhalb seiner. II. als heraustretend in das Dasein oder nach seiner Existenz und Erscheinung; III. als Wesen, das mit seiner Erscheinung eins ist, als Wirklichkeit“ 193.
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11,24322−28.
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Wesen Vermittlung Reflexion in sich
Erscheinung Vermittlung vermittelt = Vermitteltes
Vermittlung unmittelbar = reines Vermitteln Wirklichkeit
Vermittlung selbstvermittelt
Das Wesen ist damit erstens reines Vermitteln in sich, stellt sich dann im Heraustritt zu anderem in Verh¨altnissen endlicher Existenzen dar und tritt drittens als unbedingtes Vermitteln auf, das sein Bedingtes in ein hierarchisches Gef¨uge einbeh¨alt. Die Entwicklung des Wesens l¨asst sich damit auch in vertrauten Kategorien der Seinslogik fassen: Seine Bewegung besteht darin, die Negation ” oder Bestimmung an ihm zu setzen, dadurch sich Daseyn zu geben und das als unendliches F¨ursichseyn zu werden, was es an sich ist“ 194 . Zun¨achst beinhaltet reines Vermitteln n¨amlich noch keinen Zusammenhang von etwas und ande¨ rem, er¨offnet aber als Gr¨unden der Existenz, das dem Ubergang des Seins zum Dasein entspricht, einen Spielraum bedingter Selbst¨andigkeit, bis schließlich ein Vermitteln erreicht wird, das sich in den von ihm gesetzten Bestimmungen ausdr¨ucklich auf sich bezieht und ihnen nicht mehr fremd gegen¨ubersteht195 . 2.2.1.2 Spiegelverh¨altnisse (Die Reflexion)* Das Wesen ist absolute Reflexion, da es sich in und aus sich selbst bricht“, ” insofern es sich ein von ihm Unterschiedenes als scheinbar unmittelbar Vorhandenes voraussetzt, auf das es sich dann bestimmend bezieht, wobei es sich selbst in anderer Gestalt entgegentritt und insofern spiegelt. Die absolute Reflexion setzt sich so zur relativen als Bestimmen von solchem herab, was ihr zun¨achst als unabh¨angig vorhanden gilt196 . Indem die absolute sich zur relativen Reflexion herabstuft und auf schon Vorhandenes bezieht, reflektiert sie sich in diesem zun¨achst nur insofern, als sie sich auf anderes als anderes bezieht, dadurch aber mittelbar auf sich 194
11,24313−16. Vgl. 11,24224−30. 196 Indem die Reflexion so das Aufheben des Setzens in ihrem Setzen ist, ist sie Voraus” setzen“ [11,25126]. 195
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zur¨uckverwiesen wird. Nun muss aber die relative Reflexion – als bestimmte Negation der absoluten – gegen¨uber dem von ihr Vorausgesetzten den Charakter des Bestimmens bewahren. W¨ahrend die absolute Reflexion unreflektiertes Voraussetzen ist, ist die relative daher reflektiertes Bestimmen des Vorausgesetzten als so und so beschaffen und begreift sich damit als nachtr¨agliches Reflektieren eines Urbilds. Reflexion bedeutet damit im Ganzen, dass reines Vermitteln sich immer schon unreflektiert als ein Schon vorausgesetzt hat, dem es reflektierend als dessen nachtr¨agliches Aneignen gegen¨ubertritt197 . Das Schon markiert als Vorausgesetztes an sich aber kein unmittelbar Vorhandenes, sondern das Resultat einer Setzung der Reflexion selbst, jedoch derart, dass sie sich solches gegen¨ubersetzt, das sie erst bestimmend anzueignen hat. Zur Entwicklung der Reflexion in besondere Gestalten geh¨ort daher, von einem vorausgesetzten Schon auszugehen und sich zu diesem bestimmend ins Verh¨altnis zu setzen. Dabei ergibt sich ihre Einteilung in die drei besonderen Formen der setzenden, bestimmenden und a¨ ußeren Reflexion zwanglos aus den verschiedenen M¨oglichkeiten, wie sich reflektiertes Bestimmen zum Schon ins Verh¨altnis setzt198 . Denn das Verh¨altnis zwischen dem Bestimmen und dem Schon, das es bestimmt, kann zun¨achst als unmittelbare Deckung reflektiert werden. Dies kennzeichnet die setzende Reflexion, die sich in unmittelbarer Einheit oder ¨ Ubereinstimmung mit dem von ihr vorausgesetzten Schon weiß. Doch als reflektiertes Verh¨altnis von Bild und Urbild muss sie zugleich notwendig zwischen sich und der vorausgesetzten Sache unterscheiden. Damit hebt sich die setzende Reflexion in a¨ ußere auf. Denn sind Bestimmen und Sache erst einmal als etwas und anderes unterschieden, zeigt sich die Sache notwendig als unmittelbares Ansichsein, das reflektierender Bestimmung unzug¨anglich erscheint. Die a¨ ußere Reflexion meint so, die Unmittelbarkeit der Sache grunds¨atzlich nicht erreichen zu k¨onnen, sondern sie nur in Bestimmungen zu setzen, welche ihr Ansichsein verfehlen199 . War die setzende Reflexion Bestimmen, das unmittelbar mit der Sache zur Deckung zu kommen meint, begreift sich die a¨ ußere so als vermitteltes Bestimmen, dem als solchem die Unm¨oglichkeit eingeschrieben ist, die Unmittelbarkeit der Sache selbst je zu erreichen. Reflexion auf dieses jenseitige Ansichsein weist es in seiner vermeintlichen Unmittelbarkeit jedoch als Chim¨are aus und leitet so zur bestimmenden Reflexion u¨ ber, die sich in einem vermittelten Selbstverh¨altnis zu ihrer Sache sieht. 197
Vgl. H AAS 2003: 101. Vgl. Diese reine absolute Reflexion, welche die Bewegung von Nichts zu Nichts ist, ” bestimmt sich selbst weiter. Sie ist erstlich setzende Reflexion; sie macht zweytens den Anfang von dem vorausgesetzten Unmittelbaren und ist so a¨ usserliche Reflexion. Drittens aber hebt sie diese Voraussetzung auf, und indem sie in dem Aufheben der Voraussetzung zugleich voraussetzend ist, ist sie bestimmende Reflexion“ [11,25014−19]. 199 Vgl. 11,2538−15. 198
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Denn w¨are diese in ihrem Ansichsein in der Tat durch reine Unmittelbarkeit gepr¨agt, w¨are sie nichts anderes als Nichts. Der Verlust, an dem die a¨ ußere Reflexion leidet, gr¨undet daher nicht in ihrem Unverm¨ogen, eine jenseits ihrer angesiedelte F¨ulle zu erreichen, sondern darin, dass das, was sie erreichen will, als schiere Unmittelbarkeit nichts ist. Der Sache muss daher, wenn sie Bestimmtheit und Bedeutung haben soll, selbst schon Vermittlung eingeschrieben und die Entfernung, die zun¨achst nur a¨ ußerlich als Abstand nachtr¨aglichen Bestimmens von der Unmittelbarkeit der Sache erschien, zugleich auch innere Entfernung der Sache von sich selbst sein200 . Denn wenn die Bedeutungshaftigkeit der Sache nicht auf einer unmittelbaren F¨ulle beruht, sondern sie schon an ihr selbst von sich entfernt und ihre wahre Bestimmung daher wesentlich vermittelt und nachtr¨aglich ist, steht die Nachtr¨aglichkeit der Reflexion ihrer Sache nicht einfach a¨ ußerlich gegen¨uber, sondern erreicht sie, insofern die bestimmende Reflexion sich selbst als Teil der Vermittlungsbewegung verstehen kann, die zur Sache geh¨ort und im Zuge derer sie ihre Bestimmtheit gewinnt. Das Selbstverh¨altnis von bestimmender Reflexion und Sache meint als vermitteltes daher nicht, jene verm¨oge, den Bedenken der a¨ ußeren Reflexion zum Trotz, die vermeintliche Unmittelbarkeit der Sache doch direkt zu erfassen, sondern vielmehr, dass sie mit der Sache selbst gerade insofern zur Deckung kommen kann, als diese ihre Bestimmtheit selbst nicht einfach unmittelbar, sondern im Zuge einer Vermittlungsbewegung hat. Dass die Bestimmtheit der Sache durch Vermittlung und Nachtr¨aglichkeit gepr¨agt ist, bedeutet, dass es der Sache wesentlich ist, sich im Prozess ihrer reflektierenden Bestimmung und Aneignung zu entfalten und dadurch an Eigenbestimmtheit zu gewinnen. Daher gilt, dass das Wesen der Sache nichts unmittelbar Vorhandenes ist, zu dem es bloß vorzustoßen g¨alte, sondern wesentlich die Bewegung ihrer reflektierenden Entfaltung201 . So kann die bestimmende Reflexion entdecken, dass das, was sie als fremd voraussetzte, ihr selbst entsprang, ohne dass dadurch zu einem vermeintlich Unmittelbaren zur¨uckgekehrt w¨urde, insofern sich gezeigt hat, dass die Wahrheit 200
Vgl. Das Unmittelbare ist auf diese Weise nicht nur an sich, das hieße f¨ur uns oder in ” der a¨ ußeren Reflexion, dasselbe, was die Reflexion ist, sondern es ist gesetzt, daß es dasselbe ist. Es ist n¨amlich durch die Reflexion als ihr Anderes bestimmt, aber sie ist es selbst, welche ¨ dieses Bestimmen negiert – Es ist damit die Außerlichkeit der Reflexion gegen das Unmittelbare aufgehoben“ [11,25330−35]. Es ist also vorhanden, daß die a¨ ußere Reflexion nicht a¨ ußere, ” sondern ebensosehr immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst ist oder daß das, was durch die setzende Reflexion ist, das an und f¨ur sich seyende Wesen ist. So ist sie bestimmende Reflexion“ [11,2541−5]. 201 Angemessenes Verstehen ist daher nie bloß repr¨ asentational, sondern beinhaltet zugleich einen performativen Aspekt. Weil die bestimmende Reflexion jedoch die setzende aufhebt und nicht etwa bloß a¨ ußerliche Reflexion ist, m¨ussen sich f¨ur sie Angemessenheitsbedingungen aufstellen lassen, sodass nicht jede beliebige Fortschreibung dem Wesen der Sache entspricht.
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der Sache notwendig nachtr¨aglich durch das reflektierte Zur¨uck zu ihr erreicht wird. Die bestimmende Reflexion markiert damit keinen R¨uckfall zu einem vermeintlich unmittelbaren Erfassen der Sache in ihrem vermeintlich unmittelbaren Ansichsein, sondern solches Bestimmen, das seine Nachtr¨aglichkeit als konstitutiv f¨ur die Sache selbst erkennt. Die drei Formen der Reflexion und ihre Abfolge lassen sich gut am Verstehen von Texten und Sprache u¨ berhaupt verdeutlichen und mit verschiedenen Auffassungen von Hermeneutik in Beziehung setzen202 . Die setzende Reflexi¨ on setzt voraus, dass eine Außerung nicht nur unmittelbar einen feststehenden Sinn hat, sondern dieser bereits vorhandene Sinn im Verstehen angemessen eingeholt werden kann. Da das Verstehen aber zu sp¨at kommt, so der Einwand der a¨ ußeren Reflexion, f¨uhrt es nicht auf den urspr¨unglichen Sinn selbst, der unerreichbar bleiben muss, sondern hat es nur mit seiner eigenen Auslegung eines selbst unerreichbaren Sinns zu tun. Beiden Formen der Reflexion und des Verstehens ist so aber die Voraussetzung eines bestimmten Sinns gemeinsam, der von sich her keine Vermittlung und Entwicklung aufweist, sondern gleichsam geballt in endg¨ultiger Bestimmtheit auftritt, nur dass er das eine Mal als fortbestehend und erreichbar, das andere Mal als verloren und unerreichbar begriffen wird. Diese Annahme ist aber darum irrig, weil der Urtext in seiner vermeintlich geballten Sinnf¨ulle selbst schon durch und durch vermittelt ist und seine Glieder ihre Bedeutung daher ihrerseits nicht einfach unmittelbar an sich haben, sondern in ihrem Zusammenhang, damit aber selbst schon durch konstitutive Nachtr¨aglichkeit gepr¨agt sind. Sollte solche Nachtr¨aglichkeit ganz ausgeschlossen sein, m¨usste jede sinnstiftende Abfolge und jede Deutung eines Ausdrucks im Lichte seines Zusammenhangs ausgeschlossen werden, womit kein bestimmter Sinn mehr u¨ brig bliebe. Ist der Herausbildung bestimmter Sinnf¨ulle damit aber notwendig Nachtr¨aglichkeit, weil r¨uckwirkende Mitbestimmung von Bedeutung eigen, sind solcher Bedeutungsbewegung keine inneren Grenzen gezogen, die sie an einem bestimmten Punkt abzubrechen erlauben, an dem die wahre Bedeutung vollst¨andig hervorgetreten ist und alles weitere nur noch a¨ ußerliche Deutung eines feststehenden Ursinns sein kann. Solches Abbrechen, wie n¨utzlich und n¨otig es pragmatisch auch sein mag, kann sich nicht auf unumst¨oßliche Grenzen berufen, weil der reinen Vermittlung des Wesens als solcher Kontinuierbarkeit eignet, sondern nur auf a¨ ußerliche Grenzen wie Werkeinheit, Autor oder Epoche. Daher w¨are es auch nicht angemessen zu sagen, die wahre Bedeutung der Antigone sei nur f¨ur Sophokles und seine Zeit gegeben gewesen, w¨ahrend ihr Hegels oder H¨olderlins Deutung notwendig a¨ ußerlich und fremd blieben, sondern vielmehr tragen diese etwas zur Bedeutung dieses Werks selbst bei203 . 202 203
Vgl. Zˇ I Zˇ EK 1991: 190f. An dieser Stelle findet Kants Diktum, es komme darauf an, einen Autor besser zu ver”
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Die Reflexion l¨asst als Voraussetzen eines Unmittelbaren, das sie vorfindet und von dem ihr reflektiertes Bestimmen seinen Ausgang nimmt, real zwei unterschiedliche Auspr¨agungen zu. Denn einmal kann das, was sie als vorhanden vorfindet, obwohl es einem Setzen entstammt, allein ihrem eigenen Setzen entstammen. Dies ist die logische Form derjenigen Selbstentfremdung, welche etwa in Mythos, Ideologie und Psychopathologie am Werk ist, insofern Subjekten ihre eigenen Leistungen hier als Fremdes entgegentreten. Oder die Reflexion setzt solches voraus, was gar nicht urspr¨unglich ihrem eigenen Setzen entspringt, sondern auch unabh¨angig von ihr bestand, f¨ur sie aber nur insofern vorhanden ist, als sie es voraussetzt. Dies trifft die Verfasstheit geschichtlichen Bewusstseins, dem Vergangenes zwar nicht unmittelbar gegeben ist, sondern nur, sofern es seinem Voraussetzen entspringt, ihm aber zugleich an sich vorangeht. Tradition meint insofern nicht Festhalten an Gegebenem, sondern Voraussetzen von bereits zuvor Gesetztem. Die bestimmende Reflexion vollendet deshalb die Reflexion, weil sie den scheinbar a¨ ußeren Unterschied, welcher der setzenden Reflexion entsprang, in ein ausdr¨uckliches Selbstverh¨altnis zur¨uckgenommen hat. Das Resultat der bestimmenden Reflexion ist so ein vermitteltes Selbstverh¨altnis. In dessen Reflexivit¨at liegt, dass die Relata des Verh¨altnisses von ihrer Selbstbeziehung auch unterschieden sind und die Selbstbeziehung, weil sie zwischen zwei Gliedern erst nachtr¨aglich zustandegekommen ist, deren Unterschiedenheit voraussetzt. Das reflexive Selbstverh¨altnis, das sich ergeben hat, meint somit Durchg¨angigkeit im Unterschied und damit ein Selbstverh¨altnis, das als solches auch einen ausdr¨ucklichen Unterschied seiner Glieder einschließen muss204 . Denn ohne solchen Unterschied g¨abe es nicht einmal zwei, die ins Selbstverh¨altnis gesetzt werden k¨onnen, sondern nur einfache Unmittelbarkeit. Das hergeleitete Selbstverh¨altnis oder die Durchg¨angigkeit im Unterschied fasst Hegel als Identit¨at“ 205 . Zu dieser geh¨ort qua Durchg¨angigkeit damit not” wendig Unterschied. Es k¨onnte jedoch scheinen, als schließe allenfalls das prozessuale Selbstverh¨altnis eines Sichentwickelnden solchen Unterschied zwischen seinen Gliedern ein. Entsprechend unterscheidet Hegel auch zwischen konkreter Identit¨at A=B und der abstrakten“ oder formellen“ A=A206 . Doch ” ” stehen, als er sich selbst verstand“ [K ANT, KrV, B370] seine formale Begr¨undung in Hegels Logik. Dass Auslegung ihrer Sache nicht schon qua Auslegung a¨ ußerlich bleibt, bedeutet nicht, jede Auslegung trage bereits als solche zum Verst¨andnis des Ausgelegten bei. Ein hinreichendes Kriterium f¨ur letzteres besteht darin, dass die betreffende Auslegung selbst in die weitere Geschichte der Auslegung ihrer Sache eingeht. 204 Damit wird an eine treffende Formulierung von Bruno Haas angekn¨ upft: Identit¨at ist ” Durchg¨angigkeit im Unterschied. Identit¨at ist Durchg¨angigkeit, also ist sie an ihr selbst auch Unterschied“ [H AAS 2003: 107]. 205 Vgl. 20,1467−9, V10,13639−42. 206 Vgl. TW8,238 Z.
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genau besehen ist auch letztere nicht ohne Unterschied denkbar. Denn Identit¨at beinhaltet deswegen Unterschied, weil sie ein Verh¨altnis ist, das zwischen zweien bestehen soll. Schl¨osse Identit¨at keinen Unterschied ein, k¨onnte sie auch kein Verh¨altnis sein, weil sonst u¨ ber die Unmittelbarkeit von einem gar nicht hinauszukommen w¨are. Denn jedes Hinaus u¨ ber ein Unmittelbares beinhaltet einen Unterschied gegen¨uber dem, wozu hinausgegangen wird, selbst wenn dieser zugleich zur¨uckgenommen wird. Der einzige Unterschied zwischen abstrakter und konkreter Identit¨at besteht daher darin, dass der Unterschied bei jener nicht der Sache nach bestehen soll, sondern nur f¨ur ein ihr a¨ ußerliches Betrachten. Entsprechend meint formelle Identit¨at zugleich Setzen und Zur¨ucknehmen eines Unterschieds207 . Dagegen ist der Unterschied der Glieder, zwischen denen Identit¨at vorliegen soll, sofern diese konkret ist, nicht allein in ein Drittes ausgelagert. Nicht die konkrete, sondern die abstrakte Auffassung der Identit¨at widerspricht sich, weil sie das, was sie u¨ berhaupt erst m¨oglich macht, zugleich als unwesentlich einstuft, n¨amlich den Unterschied. Die formelle Identit¨at widerspricht sich n¨aher insofern performativ, als sie das, was sie inhaltlich leugnet, n¨amlich den Unterschied, ihrer Form nach voraussetzt. Denn um auszudr¨ucken, dass zwischen a und b Durchg¨angigkeit besteht, muss zwischen a und b unterschieden werden. Dass der Identit¨at der Unterschied wesentlich ist, zeigt sich n¨aher auch daran, dass ein Setzen und vollst¨andiges Zur¨ucknehmen des Unterschieds, nichtssagend wird (A=A). Gehaltvolle Identit¨atsaussagen liegen nach Hegel (ebenso wie nach Wittgenstein) vielmehr nur vor, wo unterschiedliche Ausdr¨ucke verkn¨upft sind (A=B)208 . Nun soll Freges Unterscheidung von Sinn und Bedeutung erkl¨aren, wie solche gehaltvollen Identit¨atsaussagen m¨oglich sind. Sie dr¨ucken ihm zufolge aus, dass sich verschiedene Ausdr¨ucke, die sich auf unterschiedliche Weise auf eine Bedeutung beziehen, auf ein- und dieselbe Bedeutung beziehen. Dieser Analyse gelingt es, dem Anschein entgegen, aber weder, Identit¨at und Unterschied zu entkoppeln noch Identit¨at zu reduzieren. Scheinbar entflicht die Analyse Iden207
Wittgenstein dr¨uckt dies durch ein treffendes Bild aus: Ein Ding ist mit sich selbst ”’ identisch.‘ – Es gibt kein sch¨oneres Beispiel eines nutzlosen Satzes, der aber doch mit einem Spiel der Vorstellung verbunden ist. Es ist, als legten wir das Ding, in der Vorstellung, in seine eigene Form hinein, und s¨ahen, daß es paßt“ [W ITTGENSTEIN 1953: 350 (§216)]. Bruno Haas betont Die analytische Identit¨at wird durch den Satz der Identit¨at A=A ausgedr¨uckt. Aber ” selbst dieser Satz setzt voraus, dass A und A jeweils als dasselbe wiedererkannt werden, dass also das eine idem sich im Unterschied durchhalte“ [H AAS 2003: 108]. 208 Vgl. Die Form des Satzes [A=A] widerspricht ihm schon selbst, da ein Satz auch ” einen Unterschied zwischen Subject und Pr¨adicat verspricht, dieser aber das nicht leistet, was seine Form fordert“ [20,1478−10]. Wenn man sagt: Magnetismus ist, so erwartet man nicht ” wieder dasselbe, Magnetismus, sondern eine weitere Entwicklung, die jedoch in ihrer Totalit¨at dem Ersten gleichkommt. Die Erfahrung zeigt also, dass es falsch ist, dass die Menschen die Identit¨at zum Gesetz der Wahrheit machen“ [V10,138113–139118].
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tit¨at und Unterschied, sofern gehaltvolle Identit¨atsaussagen ausdr¨ucken sollen, dass sich zwei Ausdr¨ucke mit unterschiedlichen Sinnen auf eine Bedeutung beziehen. Dies ist aber deshalb keine Reduktion der Identit¨at, weil in einer wahren Identit¨atsaussage nicht einfach zwei unterschiedliche Ausdr¨ucke vorkommen, die sich an sich auf eine Bedeutung beziehen, sondern die Identit¨atsaussage ausdr¨uckt, dass sich diese unterschiedlichen Ausdr¨ucke auf dieselbe Bedeutung beziehen. Die Identit¨atsaussage dr¨uckt damit Bedeutungsidentit¨at aus, denn sie sagt, dass die Bedeutung von A“ mit der Bedeutung von B“ identisch ist und ” ” beinhaltet so auch auf der Bedeutungsebene Unterschied. Daher f¨uhrt die Unterscheidung von Sinn und Bedeutung auf einen Regress, denn wenn A=B“ ” zu analysieren ist als Die Bedeutung von A=Die Bedeutung von B“, ist dies ” wiederum zu analysieren als Die Bedeutung von Die Bedeutung von A‘=Die ” ’ Bedeutung von Die Bedeutung von B‘“ etc.209 . ’ ¨ Diese Uberlegungen zeigen, dass es nicht m¨oglich ist, Identit¨at unabh¨angig von Unterschied zu fassen oder beide fein s¨auberlich auf zwei verschiedenen Ebenen anzusiedeln. Das bedeutet jedoch nicht, nach Hegel fielen Identit¨at und Unterschied einfach zusammen. Vielmehr ist Identit¨at deshalb zugleich an Unterschied gekoppelt und von ihm unterschieden, weil sie Durchg¨angigkeit im Unterschied ist. Als Reflexionsbestimmung ist die Identit¨at dabei wesenslogisch noch nicht als dasjenige bestimmt, was selbst die Unterschiede setzt, zwischen denen sie als Durchg¨angigkeit besteht oder durch welche sie als Selbstverh¨altnis hindurchgeht, sondern Unterschiede erscheinen einfach als vorhan¨ den. Erst mit dem Ubergang zum Begriff als Selbstbestimmung wird damit eine angemessene Bestimmung der Identit¨at erreicht210 . Denn Selbstbestimmung meint solches, zu dem es zumal geh¨ort, unterschiedliche Gestalten zu setzen und das Durchg¨angige in der immanenten Abfolge dieser Gestalten zu sein211 . 2.2.1.3 Verh¨altnisbestimmungen (Reflexionsbestimmungen)* ¨ Mit dem Ubergang zur Identit¨at hat sich die Reflexion als Setzen und Zur¨ucknehmen von a¨ ußerlichem Unterschied zu einem reflektierten Selbstverh¨altnis vollendet, das seiner resultativen Seite nach statisch erscheint212 . Im 209
Vgl. dazu die instruktiven Ausf¨uhrungen in WOLFF 1986c: 100. Vgl. 20,14624−25. 211 Die Logik erbringt so den formalen Nachweis, dass die Selbstvermittlung von Subjektivit¨at die Grundform strikter Identit¨at ist, weil sie andere Formen von Identit¨at erst erm¨oglicht. Zur entsprechenden Unterscheidung Bishop Butlers zwischen loose and popular senses of ” identity“ und strict and philosophical senses“ vgl. C HISHOLM 1969. 212 Vgl. ”Um dieser Reflexion in sich willen erscheinen die Reflexionsbestimmungen als ” freye, im Leeren ohne Anziehung oder Abstossung gegeneinander schwebende Wesenheiten. In ihnen hat sich die Bestimmtheit durch die Beziehung auf sich befestigt und unendlich fixiert. Es ist das Bestimmte, das sein Uebergehen und sein bloßes Gesetztseyn sich unterworfen, oder seine Reflexion-in-anderes in Reflexion in sich umgebogen hat“ [11,25635−39]. 210
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damit er¨offneten Reich der Reflexionsbestimmungen sind die drei Momente der Reflexion, n¨amlich Vermittlung, Unterschied und Selbstbeziehung damit statisch aufgehoben. In dieser Sph¨are m¨ussen daher statische Bestimmungen in Paaren auftreten, die zugleich voneinander unterschieden und von sich her aufeinander bezogen sind und so vermittelst des jeweils anderen in reflexiven Selbstverh¨altnissen stehen, oder, wie Hegel sagt, in sich reflektiert“ sind. Denn ” indem A von sich her auf B bezogen ist oder in B scheint“ und B umgekehrt in ” A, bezieht sich A verm¨oge B auf sich oder ist vermittelst B in sich reflektiert213 . Dieser den Reflexionsbestimmungen eigent¨umliche Charakter vermeintlich statischen Reflektiertseins ineinander hat sich ansatzweise bereits an der Identit¨at ergeben, insofern diese als Durchg¨angigkeit im Unterschied von sich her auf diesen bezogen ist. Insofern sich zeigen l¨asst, dass auch der Unterschied nicht ohne den Bezug auf Identit¨at fassbar ist, ergibt sich so ein wechselseitiges Scheinen ineinander und damit die Reflexion-in-sich verm¨oge der Reflexionin-anderes. W¨ahrend die Reflexion als unmittelbares Setzen von Unterschieden Selbstverdopplung war, die in Form der bestimmenden Reflexion in ein vermitteltes Selbstverh¨altnis Unterschiedener zur¨uckgenommen wird, ist mit der Identit¨at als reflektiertem Selbstverh¨altnis die Sph¨are des Vermittelns verlassen und die des Vermittelten er¨offnet. So erscheinen Identit¨at und Unterschied als statische Verh¨altnisbestimmungen – nicht wesentlich als Leistungen eines Vermittelns oder Setzens. Zugleich sind sie aber immer noch Formen unfundierten Vermittelns (n¨amlich solche vermittelten unfundierten Vermittelns), denn sie markieren noch nichts Selbst¨andiges, was von sich her in Vermittlungsverh¨altnissen st¨unde. Derartiges wird erst mit der Existenz und n¨aher dem Ding erreicht, das – aus einem Grund hervorgegangen – zur Selbst¨andigkeit vermittelt und so bedingt eigenst¨andig ist. Dagegen markieren die Reflexionsbestimmungen selbst nichts Eigenst¨andiges, sondern zweitstufige Bestimmungen, die unausdr¨ucklich erststufige Bestimmungen voraussetzen, zwischen denen sie bestehen. Solche zweitstufigen Bestimmungen sind n¨otig, weil der logische Raum, wie schon die Seinslogik zeigte, prozesshaft bestimmt ist und selbst¨andig angesetzte Entit¨aten in ihm daher nicht unmittelbar statisch vorhanden sein k¨onnen, sondern wesentlich als sich im Zuge von Ver¨anderungen durchhaltende Einheiten charakterisiert sind, die als solche reidentifizierbar sein m¨ussen. Die wesenslogischen, zweitstufigen Bestimmungen wie Identit¨at und Differenz garantieren damit die M¨oglichkeit erststufiger, seinslogischer Bestimmtheit und bilden somit keine Kategorien, mittels derer nur nachtr¨aglich u¨ ber erststufige Bestimmtheit reflektiert wird. Erst- und zweitstufige Bestimmungen setzen einander somit wechselseitig voraus. Der entscheidende Mangel der Wesenslogik besteht dabei jedoch darin, dass Identit¨at und Unterschied noch unabh¨angig von subjektseitiger Ar213
Vgl. 11,2576−8.
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tikulation und insofern selbst verdinglicht auftreten. Aufgrund dessen wird sich wesenslogisch auch noch kein haltbarer Begriff weltseitiger Bestimmtheit ergeben. Die Reflexionsbestimmungen sind als unfundierte gerade insofern vermittelt, als sie, aus der Vollendung der Reflexion zur vermittelten Selbstbeziehung hervorgegangen, an ihnen selbst kein Vermitteln oder Setzen auszudr¨ucken scheinen, sondern als vorhandene Unterschiede und Beziehungen auftreten. Insofern die Reflexionsbestimmungen unfundierte Verh¨altnisbestimmungen sind, bilden sie Vergleichspr¨adikate. Sie markieren nicht einfach Verh¨altnisse, sondern Verh¨altnisse zwischen Sachen, die von diesen Verh¨altnissen unterscheidbar sind. Dabei geh¨oren die Reflexionsbestimmungen aber insofern zur Reflexion, als sie nicht erst ausdr¨ucklich an den Dingen gesetzt, sondern vorausgesetzt werden und dem Betrachter zun¨achst als vorhandene Verh¨altnisse zwischen den Dingen vorkommen. Diese treten so von sich her als identisch und different auf, denn w¨urden Identit¨at und Differenz nicht vorausgesetzt, g¨abe es keine wohlunterschiedenen Dinge. Zugleich sind die Reflexionsbestimmungen aber nicht nur Ausdruck setzender Reflexion und erscheinen so als unmittelbar vorliegende Verh¨altnisse zwischen Dingen, sondern werden von der bestimmenden Reflexion nachtr¨aglich als gesetzte Bestimmungen ausdr¨ucklich gemacht. Denn da sich die Dinge nicht selbst vergleichen, m¨ussen sie ihre Vergleichsbestimmungen wesentlich dem Betrachter verdanken. Den Reflexionsbestimmungen ist dieses Schillern, zugleich als vorhandene Bestimmungen der Dinge wie als Resultat von deren Vergleich zu erscheinen, wesentlich, insofern sie Bestimmungen der Reflexion sind, in denen sich deren Bewegung von der setzenden u¨ ber die a¨ ußere zur bestimmenden Reflexion darstellt. Der logische Fortgang von der Identit¨at zum Unterschied ergibt sich, wie angedeutet, daraus, dass die Identit¨at, bestimmt als Durchg¨angigkeit im Unterschied, an ihr selbst schon ausdr¨ucklich einen Bezug auf den Unterschied hat oder, technisch gesprochen, in diesen scheint214 . Der Unterschied ist damit bestimmt als Nichtdurchg¨angigkeit oder Zusammenhangslosigkeit. Insofern der Unterschied zun¨achst als bloße Nichtdurchg¨angigkeit bestimmt ist, ist er Verschiedenheit215 . Verschiedenheit meint damit Unterschied ohne Durchg¨angigkeit, also ohne dass die Unterschiedenen an ihnen selbst etwas gemeinsam h¨atten. Nun zeigt sich aber, dass sich die Verschiedenheit als reiner, unabh¨angig von einem Gemeinsamem und damit Identischen festgehaltener Unterschied aufhebt. Denn n¨aher betrachtet ist reine Verschiedenheit ohne
214
Vgl. 20,14727–1484. Vgl. Der Unterschied ist 1) unmittelbarer Unterschied, die Verschiedenheit, in der die ” Unterschiedenen, jedes f¨ur sich ist, was es ist, und gleichg¨ultig gegen seine Beziehung auf das Andere, welche also eine ihm a¨ ußerliche ist.“ [20,1486−9]. 215
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ein Moment der Durchg¨angigkeit selbst nichts anderes als Identit¨at216 . Denn rein Verschiedenes kann nicht von sich her auf anderes bezogen sein, weil es mit diesem sonst etwas gemeinsam h¨atte und damit Durchg¨angigkeit vorl¨age. Rein Verschiedene m¨ussen daher an sich ohne Bezug auf anderes sein, sind damit aber unbestimmt und fallen so in Unterschiedslosigkeit zusammen. Unterschied ist daher nur m¨oglich, wenn die Unterschiedenen zugleich ein Moment der Gemeinsamkeit oder Identit¨at aufweisen. Verschiedenheit kann daher kein Verh¨altnis zwischen solchen sein, die u¨ berhaupt keine Gemeinsamkeit aufweisen, sondern nur ein Verh¨altnis von solchen, deren Identit¨atsmoment nicht ausdr¨ucklich gesetzt ist. Insofern damit nicht nur aus Identit¨at Unterschied folgt, sondern umgekehrt auch Unterschied Identit¨at oder ein Moment der Durchg¨angigkeit zwischen den Unterschiedenen voraussetzt, kann es keine reine, identit¨atsfreie, zusammenhangslose Verschiedenheit geben. Diejenige Bestimmung, in welcher Unterschiedene ausdr¨ucklich mit dem Moment des Durchg¨angigen oder Gemeinsamen gesetzt und so an ihnen selbst als aufeinander bezogen bestimmt sind, ist der Gegensatz217 . An allem Verschiedenen, das sich damit nicht einfach zusammenhangslos gegen¨ubersteht, l¨asst sich daher Gegens¨atzlichkeit ausdr¨ucklich machen. So erscheinen ein Stein und ein Pferd zwar zun¨achst als bloß verschieden, sind sich aber etwa darin entgegengesetzt, dass das eine belebt, der andere unbelebt ist. Dass sich die Verschiedenheit dialektisch als Gegensatz erweist, bedeutet, dass Verschiedene nicht ohne ein Moment der Durchg¨angigkeit bestehen k¨onnen, sondern sowohl etwas gemeinsam haben oder ein Moment der Durchg¨angigkeit aufweisen m¨ussen wie umgekehrt ein Moment der Nichtdurchg¨angigkeit, dem gem¨aß sie einander ausschließen. Im Gegensatz als entwickelter Form des Unterschieds sind damit Identit¨at und Verschiedenheit aufgehoben. Dabei ist die aufgehobene Identit¨at als Moment der Durchg¨angigkeit oder Gemeinsamkeit Gleichheit, der aufgehobene Unterschied als Moment der Nichtdurchg¨angigkeit oder des gegenseitigen Ausschließens dagegen Ungleichheit218 . Gegens¨atzliche Bestimmungen sind zugleich durch ihr gemeinsames Mo216 Vgl. Der Unterschied sich auf sich beziehend, so ist er aufgehoben und ist identisch; ” nehmen wir den Unterschied f¨ur sich, da haben wir sogleich Identit¨at“ [V10,139139−41]. 217 Vgl. Der Unterschied des Wesens ist daher die Entgegensetzung, nach welcher das ” Unterschiedene nicht ein Anderes u¨ berhaupt, sondern sein Anderes sich gegen¨uber hat; d. h. jedes hat seine eigene Bestimmung nur in seiner Beziehung auf das Andere, ist nur in sich reflectirt, als es in das Andere reflectirt ist, und ebenso das Andere; jedes ist so des Anderen sein Anderes“ [20,14918−23], vgl. V11,117194−98. 218 Vgl. W¨ ahrend die bloß Verschiedenen sich als gleichg¨ultig gegeneinander erweisen, so ” sind dagegen die Gleichheit und die Ungleichheit ein Paar Bestimmungen, die sich schlechthin aufeinander beziehen“. Daher gilt, daß das Vergleichen nur einen Sinn hat unter der Voraus” setzung eines vorhandenen Unterschiedes, und ebenso umgekehrt das Unterscheiden nur unter der Voraussetzung vorhandener Gleichheit“ [TW8,242 Z.].
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ment oder die Hinsicht, in der sie einander gleichen, aufeinander bezogen, und schließen einander nach ihrem Differenzmoment, der Ungleichheit, aus. Insofern eines der Gegensatzglieder als unmittelbar genommen wird, ist es das Positive, das andere als Ausgeschlossenes das Negative. Diese Bestimmungen sind relativ, da das Ausgeschlossene ebenso als Ausschließendes, das Negative ebenso als Positives betrachtet werden kann. Zwar m¨ussen Entgegengesetzte nicht als negativ und positiv gesetzt werden, jedoch macht diese Unterscheidung das ausschließende Verh¨altnis ausdr¨ucklich, das zwischen ihnen besteht. Zu Entgegengesetzten geh¨ort zwar aufgrund ihres Differenzmoments die ausschließende Beziehung aufeinander. Zugleich bestehen sie aber als solche gleichg¨ultig nebeneinander und machen sich den logischen Raum nicht streitig, sondern bilden gerade nur darum Glieder eines Gegensatzes, weil sie in ihm nebeneinander auftreten. Die negative Beziehung der Gegens¨atze kann daher kein wechselseitiges Ausschließen aus dem logischen Raum sein, sondern muss Ausschluss in Bezug auf ein Drittes sein. Entgegengesetzte schließen einander also nicht aus, sofern sie gleichg¨ultig und selbst¨andig nebeneinander bestehen, sondern nur, insofern sie auf ein Drittes, ein Substrat bezogen werden219 . Auf ein solches Substrat m¨ussen sie bezogen werden, insofern ihre Unvereinbarkeit zwar in ihnen selbst gr¨undet, konkret aber nur in Bezug auf ein Drittes besteht. So schließen sich etwa Rot und Gr¨un nicht einfach an sich aus, sondern in Bezug auf ein x, das nicht zugleich rot und gr¨un sein kann. Der Gegensatz erweist sich so – notwendig auf ein (logisches) Substrat bezogen – als Widerspruch: Denn der Widerspruch ist das, was sich ergibt, wenn gegens¨atzliche Bestimmungen auf ein und dasselbe Substrat bezogen werden220 . Dass entgegengesetzte Bestimmungen einander nur in Bezug auf ein Drittes ausschließen, heißt gerade, dass diesem nicht zugleich beide gegens¨atzlichen Bestimmungen zukommen k¨onnen. Der Widerspruch ist insofern als ausgeschlossen gesetzt. Damit sind zwei Bestimmungen +a und –a nur als Gegens¨atze zu denken, indem sie auf ein Drittes bezogen werden, von dem gilt, dass es selbst nicht zugleich +a und –a sein kann. Freilich k¨onnen zwei Bestimmungen zugleich nur in Bezug auf solches als gegens¨atzlich gelten, was, die Vollst¨andigkeit der Disjunktion +a und –a vorausgesetzt, durch eine der beiden Bestimmungen gepr¨agt ist, nur nicht durch beide zugleich. Im Begriff des Gegensatzes liegt also der Begriff eines Substrats, in Bezug auf das gegens¨atzliche Bestimmungen einander widersprechen und das logisch allein dadurch bestimmt ist, nicht gleichzeitig +a und –a sein zu k¨onnen, zugleich aber entweder +a oder –a zu sein. Das Substrat, in Bezug auf das Bestimmungen gegens¨atzlich und der Widerspruch ausgeschlossen ist, muss daher aber sowohl 219 An dieser Stelle hat Brandoms Herleitung von Referenz aus materialer Inkompatibilit¨ at [vgl. B RANDOM 2009b: 43] ihre Entsprechung in Hegels Logik. 220 Damit wird an W OLFF 1986c: 108 angeschlossen.
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gleich +a oder –a sein und von +a und –a verschieden sein – denn sonst w¨are es selbst eines der Gegensatzglieder und kein Drittes, in Bezug worauf jene sich widersprechen221 . Der Gegensatz von +a und –a besteht also nur in Bezug auf ein Substrat, von dem zwar ausgeschlossen ist, dass es zugleich +a und –a ist. Der Ausschluss des logischen Widerspruchs setzt so aber gerade den realen Widerspruch des Substrats voraus, weil dieses allein dadurch bestimmt ist, zugleich keines und eines der beiden Gegensatzglieder zu sein: x6=+a ∧ x6=–a ∧ x=+a∨–a222 . Die Gegens¨atzlichkeit von Bestimmungen und das Ausgeschlossensein des Widerspruchs l¨asst sich daher nur in Bezug auf ein Substrat denken, das selbst real widerspr¨uchlich ist. Der reale Widerspruch eines Substrats ist damit als Bedingung der M¨oglichkeit logischer Gegens¨atze notwendig223 . Insofern das Substrat dasjenige ist, was allein dadurch bestimmt ist, positiv wie negativ bestimmt sein zu k¨onnen, ohne mit dem Positiven oder Negativen gleichsetzbar zu sein, ergibt sich aus dem Gegensatz der logische Unterschied von Form und Inhalt. Denn das Substrat |a|, das weder als +a noch als –a bestimmt ist, aber beide Bestimmungen annehmen kann, bildet so einen Inhalt, der in den einander ausschließenden Formen +a und –a auftreten kann. Da sich der Substratwiderspruch daraus ergibt, dass die logische Unvereinbarkeit von Gegens¨atzen in ein und derselben Hinsicht ausgedr¨uckt werden soll, kann er keine vertr¨agliche Einheit des Widersprechenden sein. Der reale Widerspruch, der daraus resultierte, dass das Substrat des Gegensatzes dem einen oder anderen Gegensatzglied gleich sein muss, zugleich aber mit keinem der beiden identisch sein kann, muss sich daher notwendig aufl¨osen. Der Widerspruch hat sich so zwar als notwendig erwiesen, jedoch nicht als solches, was bestehen kann, sondern als solches, was sich notwendig aufl¨ost. Die Realit¨at des Widerspruchs ergibt sich ebenso wie sein selbstaufl¨osender Charakter gera¨ de daraus, dass jedes Werden als Ubergang zwischen verschiedenen und damit 221
Die Argumentation in diesem Abschnitt orientiert sich an WOLFF 1986c: 103. Dieser reale Widerspruch, auf den die logische Bestimmung des Gegensatzes f¨uhrt, l¨asst sich nicht dadurch vermeiden, dass man annimmt, das Substrat des Widerspruchs sei nicht gleich +a∨–a, sondern habe nur entweder +a oder –a als Eigenschaft. Damit g¨alte vom Substrat x zwar widerspruchsfrei: ¬[+a(x)∧–a(x)] ∧ +a(x)∨–a(x) ∧ x6=+a ∧ x6=–a. Dass das Substrat aber mit keinem Gegensatzglied zusammenf¨allt, sondern weitere Bestimmungen aufweist, ist nur eine ad hoc Annahme zur Vermeidung des Widerspruchs. N¨aher besehen vermag sie diesen nicht zu vermeiden. Denn wenn das Substrat aus mehreren Bestimmungen a, b, c etc. bestehen soll, lassen sich diese konjunktiv zu einer einzigen Bestimmung ψ=a∧b∧c... vereinigen. Weil ψ aus Bestimmungen, die in Gegensatzverh¨altnissen stehen, zusammengesetzt ist, muss es selbst ein kontradiktorisches Gegenteil haben, n¨amlich –ψ=–(a∧ b∧ c). In Bezug auf x muss daher gelten x=+ψ∨–ψ ∧ x6=+ψ ∧ x6=–ψ. 223 Hegel l¨ asst sich daher nicht mit P OPPER 1962 und PATZIG 1988: 216ff. vorwerfen, den Unterschied zwischen Widerspruch und Realopposition durcheinanderzubringen, insofern er beides Widerspruch“ nennt. Denn dabei unterscheidet er sie sehr wohl, untersucht aber zu” gleich im Unterschied zu seinen Kritikern den logischen Zusammenhang der Unterschiedenen. 222
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Gegensatz einschließenden Bestimmungen als solches einen Umschlagspunkt voraussetzt, in dem Gegens¨atze ineins fallen224 . Bewegung und Zeit sind so Auspr¨agungen des realen Widerspruchs, erstere etwa als Einheit eines Hier und eines Nicht-Hier. Insofern der Substratwiderspruch die selbstaufl¨osende Einheit Unvertr¨aglicher ist, geht er zugrunde und erweist sich dabei – nicht nur im Wortspiel – als Grund225 . Denn das Substrat hat als sich aufl¨osender Widerspruch die Kapazit¨at zum Setzen von Bestimmtem, das von ihm unterschieden ist. Was aber die Kapazit¨at zum Setzen eines von ihm Unterschiedenen realisiert, ist Grund. Dass der Ineinsfall verschiedener Orte unvertr¨aglich ist, ist so etwa Grund daf¨ur, dass Bewegtes nicht bleibt, wo es ist. Die Aufl¨osung des Widerspruchs ist dabei nicht nur aus ontologischer, sondern auch aus epistemologischer Perspektive Grund. Denn das Auftreten logischer Widerspr¨uche verlangt gerade die Suche nach ihrer begr¨undeten Aufl¨osung. Da Gr¨unde aber nicht einfach vorhanden sind, sondern erst angesichts dessen, dass das Erkennen auf Widerspr¨uche st¨oßt, artikuliert werden, ist der Widerspruch nicht nur Anlass, sondern Grund der Artikulation von Begr¨undungen. 2.2.1.4 Heraustretenlassen zur Bestimmtheit (Grund u. Existenz)* Der Grund schließt die Sph¨are der Reflexion oder des unfundierten Vermittelns ab. Als gleichsam tr¨achtig gewordenes Vermitteln muss er das Hinausgehen u¨ ber sich oder Setzen eines von ihm Verschiedenen markieren, das als solches ein Vermitteltes ist. Was der Grund aus sich heraussetzt, nennt Hegel die Existenz“ 226 . Da der Grund dabei u¨ ber sich hinausf¨uhrt, ist das, wozu ” er f¨uhrt, vom Grund, aus dem es herausgesetzt ist, verschieden und ihm gegen¨uber selbst¨andig. Die Vermittlung des Grundes weist so u¨ ber sich hinaus und ist als Setzen von Eigenst¨andigem zugleich Tilgen der Vermittlung, da Vermitteln zur Unmittelbarkeit oder Selbst¨andigkeit227 . Existenz meint als bedingte Selbst¨andigkeit somit, dass etwas zwar nicht aus sich heraus Bestehen hat, jedoch – wenigstens auf Abruf – zur Selbst¨andigkeit vermittelt ist228 . 224
Vgl. hierzu P RIEST 1985. Vgl. Das Entgegengesetzte ist u¨ berhaupt dasjenige, welches das Eine und sein An” deres, sich und sein Entgegengesetztes, in sich selbst enth¨alt. Das Insichsein des Wesens, so bestimmt, ist der Grund“ [20,15125−27]. Das n¨achste Resultat der als Widerspruch gesetzten ” Entgegensetzung ist der Grund, welcher sowohl die Identit¨at als auch den Unterschied als aufgehoben und zu bloß ideellen Momenten herabgesetzt in sich enth¨alt“ [TW8,247 Z.]. 226 Vgl. Der Grund ist das Aufheben seiner selbst, und das, wozu er sich aufhebt, das Re” sultat seiner Negation, ist die Existenz. Diese als das aus dem Grund Hervorgegangene enth¨alt denselben in sich, und der Grund bleibt nicht hinter der Existenz zur¨uck, sondern er ist eben nur dies, sich aufzuheben und in Existenz zu u¨ bersetzen“ [TW8, 253 Z.]. 227 Vgl. 11,29219−24; V11,120277−78; V10,147380−83. 228 Vgl. Hegels Hinweis: Der Ausdruck Existenz (abgeleitet von existere) deutet auf ein ” Hervorgegangensein, und die Existenz ist das aus dem Grunde hervorgegangene, durch Aufhebung der Vermittlung wiederhergestellte Sein“ [TW8,253 Z.], vgl. V10,148408−11. 225
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Indem der Grund es an sich hat, dass sich das, was er aus sich heraus setzt, ihm gegen¨uber verselbst¨andigt, tritt ihm das, was er aus sich heraus setzt, als selbst¨andig gegen¨uber, so er sich zu diesem wie zu einem anderem verh¨alt. Damit ist der absolute Grund oder das reine Vermitteln zum relativen herabgesetzt: Der Grund ist so selbst ein Bestimmtes, das dem Begr¨undeten als selbst¨andig Gewordenem gegen¨ubersteht. Grund und Existenz entpuppen sich damit als relative Bestimmungen: Was Grund ist, ist zugleich in anderer Hinsicht gegr¨undet, und was gegr¨undet ist, ist zugleich in anderer Hinsicht Grund. Denn ein bestimmter Grund verdankt sich in seiner Bestimmtheit dem Bezug auf anderes, das ihn gr¨undet; und das, was ein Grund zu selbst¨andigem Bestehen heraus gesetzt hat, muss, als Substrat gegens¨atzlicher Bestimmungen, seinerseits von sich her Grund sein. Damit spannt die Existenz einen Zusammenhang zwischen solchen auf, die zugleich gr¨unden und gegr¨undet sind, und er¨offnet so eine Welt bedingt Selbst¨andiger, die in einem endlosen Zusammenhang des Gr¨undens und Gegr¨undetseins stehen229 . Damit sind (ontologische und epistemologische) Gr¨unde in dieser Sph¨are aber selbst relativ, weil sie nicht aus sich heraus Bestehen haben, sondern in Bestand und Geltung von Voraussetzungen abh¨angen230 . Diese Welt relativer Gr¨unde und Existenzen, die einen uferlosen Vermittlungszusammenhang bedingt selbst¨andiger Einheiten bildet, fasst Hegel als Sph¨are der Erscheinung231 . In ihr ist n¨amlich das reine, unbedingte und unfundierte Vermitteln des Wesens verschwunden. Jedes Vermittelnde ist hier selbst 229
So f¨uhrt Hegel aus: Die Existierenden sind, und zugleich scheint anderes in ihnen, das ” ist eine Welt gegenseitiger Abh¨angigkeit, jedes ist Grund und Begr¨undetes“ [V10,148410−12]. Die Existenz ist die unmittelbare Einheit der Reflexion-in-sich und der Reflexion-in-Anderes. ” Sie ist daher die unbestimmte Menge von Existierenden als in-sich-Reflektierten, die zugleich ebensosehr in-Anderes-scheinen, relativ sind, und eine Welt gegenseitiger Abh¨angigkeit und eines unendlichen Zusammenhangs von Gr¨unden und Begr¨undeten bilden. Die Gr¨unde sind selbst Existenzen und die Existierenden ebenso nach vielen Seiten hin Gr¨unde sowohl als Begr¨undete“ [20,1538−14]. 230 Dies ist ein Grund f¨ ur die Geringsch¨atzung, die Hegel dem bloß relativen Begr¨unden beimisst: In unserer reflexionsreichen und r¨asonierenden Zeit muss es einer noch nicht weit ge” bracht haben, der nicht f¨ur alles, auch f¨ur das Schlechteste und Verkehrteste, einen guten Grund anzugeben weiß. Alles, was in der Welt verdorben worden ist, das ist aus guten Gr¨unden verdorben worden“ [TW8,252 Z.], vgl. 20,15223–1532. Denn in einer Welt bloß endlicher Existenz l¨asst sich alles und jedes begr¨unden, insofern sich f¨ur alles Voraussetzungen angeben lassen, unter denen es eintr¨ate oder gerechtfertigt w¨are, nur dass diese selbst wiederum relativ sind und ihrerseits Voraussetzungen haben. 231 Das Wesen ist zun¨ achst Totalit¨at des Scheinens in sich, bleibt dann aber nicht bei ” dieser Innerlichkeit stehen, sondern tritt als Grund heraus in die Existenz, welche, als ihren Grund nicht in sich selbst, sondern in einem Anderen habend, eben nur Erscheinung ist. Wenn wir von der Erscheinung sprechen, so verbinden wir damit die Vorstellung einer unbestimmten Mannigfaltigkeit existierender Dinge, deren Sein schlechthin nur Vermittlung ist und welche somit nicht auf sich selbst beruhen“ [TW8,262 Z.], vgl. 11,32310−21.
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bedingt und vermittelt und daher nicht rein selbsttragend, obgleich zu bedingtem Selbstand gelangt. Da aber das Verh¨altnis von Grund und Begr¨undetem asymmetrisch ist, weil das, was ein Selbst¨andiges aus sich zum Selbstand heraussetzt, nicht seinerseits das, wodurch es herausgesetzt ist, aus sich heraussetzen kann, haben nicht nur die einzelnen Glieder dieses Zusammenhangs relativer Gr¨unde und Existenzen keinen unbedingten Selbstand, sondern auch der Zusammenhang im Ganzen kann deshalb nicht selbsttragend sein, weil an ihm immer der letzte Grund, der das Ganze tr¨uge, noch aussteht. Ein Zusammenhang, in dem jedes Glied seinen Selbstand einem anderen verdankt, kann, weil das Begr¨unden transitiv und asymmetrisch ist, grunds¨atzlich keinen selbsttragenden Charakter haben, wie ausgedehnt er auch sein mag, da in ihm immer Bedingtes zu finden ist, dessen Bedingung außer dem Ganzen liegt. Der so er¨offnete Vermittlungszusammenhang bildet also gerade darum die Sph¨are der Erscheinung, weil er eine Sph¨are bedingter Selbst¨andigkeit markiert, die f¨ur ihren Selbstand nicht aufkommen kann. Ihr Grund muss daher außer diesem Zusammenhang bedingter Gr¨unde liegen, ohne dass ein solches Außerhalb in der Sph¨are der Erscheinung selbst schon in Sicht w¨are. 2.2.2 Abh¨angige Bestimmtheit (Erscheinung)* Insofern die Existenz bedingt Selbst¨andiges markiert, kann der Grund in ihr nicht nur so aufgehoben sein, dass sie selbst Grund anderer Existenzen ist. Vielmehr muss er in ihr selbst aufgehoben und die Existenz so in sich Grund sein. Damit ist die Existenz, insofern sie ein bedingtes Selbst¨andiges markiert, das in sich Grund und derart in sich vermittelt ist, das Ding232 . Insofern im Ding der Unterschied von Grund und Existenz aufgehoben ist, zerf¨allt es in sich in Bedingendes und Bedingtes und ist insofern ein Ding mit Eigenschaften. Unter Eigenschaften sind die mannigfachen, bedingt selbst¨andigen Existenzen zu verstehen, die das Ding in oder an sich selbst hat. Insofern die Eigenschaften als abh¨angige zwar nicht unmittelbar selbst¨andig bestehen, sondern vielmehr Eigenschaften des Dings sind, als Existenzen jedoch andererseits einen bedingten Selbstand gegen¨uber diesem haben, sind sie ver¨anderlich oder nicht unmittelbar mit dem Ding eins, sodass dessen Eigenschaften wechseln k¨onnen, ohne dass es selbst – wie das Etwas mit der Ver¨anderung seiner Qualit¨at – vergeht233 . Indem sich der logische Raum als Zusammenhang des Existierenden und 232 Dieses bestimmt Hegel entsprechend: Das Ding ist die Totalit¨ at als die in Einem ge” setzte Entwicklung der Bestimmungen des Grundes und der Existenz. Es hat nach dem einen seiner Momente der Reflexion-in-Anderes, die Unterschiede an ihm, wonach es ein bestimmtes und concretes Ding ist. α) Diese Bestimmungen sind voneinander verschieden; an dem Dinge, nicht an ihnen selbst, haben sie ihre Reflexion-in-sich. Sie sind Eigenschaften des Dings, und ihre Beziehung auf dasselbe ist das Haben“ [20,1544−10], vgl. 20,15318−20. 233 Vgl. TW8,257 Z.
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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dieser als Mannigfaltigkeit von Dingen mit mannigfachen Eigenschaften erwiesen hat, sind nun alle Momente der Pr¨adikationsform hergeleitet – nur erscheinen sie noch verdinglicht. Insofern wesenslogisch n¨amlich noch nicht thematisch ist, dass zur Unterscheidung und Beziehung von Ding und Eigenschaften wesentlich ihre Thematisierung in subjektseitigen Urteilen geh¨ort, l¨asst sich die Einheit des Dings und sein Verh¨altnis zu seinen Eigenschaften, wie sich zeigen wird, noch nicht konsistent fassen, sondern zerf¨allt. Festhaltbar wird die Einheit des Dings und seiner Eigenschaften vielmehr erst mit der begrifflogischen Erkenntnis, dass sie wesentlich an ein begriffliches Ausgrenzen von Strukturen innerhalb eines inhomogen organisierten Objektkontinuums gekoppelt ist. Insofern die ver¨anderlichen Eigenschaften dem Ding gegen¨uber bedingt selbst¨andig sein sollen, ist dagegen aus wesenslogischer Perspektive nicht zu sehen, wie sie zugleich an es gebunden sein und von ihm zusammengehalten werden k¨onnen. Entl¨asst das Ding seine Eigenschaften aber zu selbst¨andiger Existenz, zerf¨allt es damit selbst234 . Dieses Zerfallen bringt logisch eine Schwierigkeit auf den Punkt, der sich B¨undel- und Substrattheorien des Dings ausgesetzt sehen. Denn wenn dessen Eigenschaften erst einmal verselbst¨andigt sind, ist nicht mehr zu sehen, wie sie gleichzeitig noch bedingt, n¨amlich an das Ding gekoppelt sein k¨onnen. Die gegen¨uber dem Ding verselbst¨andigten Eigenschaften nennt Hegel Materien“ – ein Mannigfaches, Ver¨anderliches, Un” gebundenes, dem gegen¨uber das Ding als bloße Form zur¨uckbleibt. Mit der Verselbst¨andigung der Eigenschaften zu Materien erreicht die Sph¨are der Erscheinung gleichsam ihren Zenit235 : Die Materien bilden so n¨amlich ein eigenst¨andiges, mannigfaltiges und ver¨anderliches Reich, dessen Bedingtheit nur noch abstrakt darin besteht, Erscheinung eines ungreifbaren Dings an sich sein zu sollen236 . Vom Ding ist durch die Aufl¨osung in Materien n¨amlich nichts u¨ briggeblieben als ein unbestimmter Schemen oder eine Form, die Einheit und Zusammenhang stiften soll und damit als Bedingendes das Gesetz der Erschei” nung“ genannt werden kann. Damit hat sich – zumindest im Ansatz – der Exis234 Vgl. dazu: Die Reflexion-in-Anderes ist aber auch im Grunde unmittelbar an ihr selbst ” die Reflexion-in-sich, daher sind die Eigenschaften ebensosehr mit sich identisch, selbst¨andig und von ihrem Gebundensein an das Ding befreit“ [20,15421−25]. Diese Einheit des Dings ist ” Auseinanderfallen in unterschiedene Bestehende, welche aber wieder nicht f¨ur sich bestehen“ 544−545 [V10,152 ]. 235 Vgl. 20,15612−14. 236 Hegel f¨ uhrt aus: Die Erscheinung ist, wie sich ergeben hat, das Ding als die negati” ve Vermittlung seiner mit sich selbst; die Unterschiede, welche es enth¨alt, sind selbst¨andige Materien, die der Widerspruch sind, ein unmittelbares Bestehen zu seyn und zugleich nur in fremder Selbst¨andigkeit also in der Negation der eigenen ihr Bestehen zu haben“ [11,3422−7]. Die Erscheinung ist das, was das Ding an sich ist, oder seine Wahrheit. Diese nur gesetzte, ” in das Andersseyn reflectirte Existenz ist aber ebenso das Hinausgehen u¨ ber sich in ihrer Unendlichkeit; der Welt der Erscheinung stellt sich die in sich reflectirte, an sich seyende Welt gegen¨uber“ [11,32327−31].
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
tenz gegen¨uber das Wesen als Abstraktes und Inneres jenseits der Erscheinung wieder hergestellt. Zugleich ist das Wesen aber gegen¨uber dem Selbstand der Erscheinung als anderes und damit als Ansichsein bestimmt, das gleichsam eine eigene Welt der Gesetze hinter der Erscheinungswelt bildet. So hat sich ein Gegensatz von u¨ bersinnlicher und sinnlicher Welt er¨offnet, von Bewegungslosem, ¨ Innerlichem und Einfachem einerseits und Ver¨anderlichem, Außerlichem und Mannifaltigem andererseits. Das Wesen kann aber nicht einfach jenseits der Erscheinung angesiedelt sein, weil es einen Bedingungszusammenhang zwischen ihm und der Erscheinung geben muss, wenn diese als solche bloß abh¨angigen Selbstand haben und das Wesen umgekehrt solches sein soll, was notwendig erscheint oder das Bestimmende der Erscheinung ist237 . Das Verh¨altnis von Wesen und Erscheinung kann daher nicht als Verdoppelung in Gestalt zweier Welten verstanden werden, die einander gleichberechtigt gegen¨uberstehen, weil so ihr innerer Vermittlungszusammenhang u¨ bersehen w¨urde und die Erscheinungswelt nur noch einmal verdoppelt jenseits ihrer selbst zu liegen k¨ame. Vielmehr ist das Verh¨altnis von Wesen und Erscheinung, da es dem Wesen wesentlich ist zu erscheinen, als ein Vermittlungszusammenhang zu setzen. Die logische Entwicklung der Erscheinung stellt sich damit gesamthaft so dar: Sie ist daher zuerst einfache Identit¨at mit sich, die zugleich verschiedene Inhaltsbestimmungen ” enth¨alt, welche sowohl selbst als deren Beziehung das im Wechsel der Erscheinung sich Gleichbleibende ist; – das Gesetz der Erscheinung. Zweytens aber geht das in seiner Verschiedenheit einfache Gesetz in den Gegensatz u¨ ber; das Wesentliche der Erscheinung wird ihr selbst entgegengesetzt und der erscheinenden Welt tritt die an sich seyende Welt gegen¨uber. Drittens geht dieser Gegensatz in seinen Grund zur¨uck; das Ansichseyende ist in der Erscheinung und umgekehrt ist das Erscheinende bestimmt als in sein Ansichseyn aufgenommen; die Erscheinung wird Verh¨altniß“ 238.
Damit bildet der Zusammenhang von Ding und Eigenschaft, Form und Materie, Ansichsein und Erscheinung ein beiden Seiten wesentliches Vermittlungsverh¨altnis, das Hegel als wesentliches Verh¨altnis“ fasst239 . Dieses markiert so ” den Vermittlungszusammenhang zwischen einfachem, innerlichem und unentfaltetem Ansichsein und der mannigfachen, a¨ ußerlichen Bestimmtheit, zu der es heraustritt. Die unmittelbare Form eines solchen Selbstverh¨altnisses von Ansichsein und Erscheinung ist aber offenbar das Verh¨altnis von Ganzem und Teilen240 . Denn das Ganze ist f¨ur sich einfach, unbestimmt und unentwickelt, insofern jede angebbare Bestimmtheit nur eine aber nicht die Bestimmung des Ganzen und in237
Vgl. 11,34520−21. 11,34214−23. 239 Vgl. Aber das erscheinende und das wesentliche Seyn stehen schlechthin in Beziehung ” aufeinander. So ist die Existenz drittens wesentliches Verh¨altniß; das Erscheinende zeigt das Wesentliche, und dieses ist in seiner Erscheinung“ [11,3241−4], vgl. 20,1596−11. 240 Vgl. 20,15915. 238
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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sofern bloß Teilbestimmung ist. Zugleich ist das Ganze dasselbe wie die Gesamtheit seiner untereinander und ihm gegen¨uber bestimmten Teile. Der Widerspruch von Ganzem und Teilen besteht so aber erstens darin, dass sich das Ganze, obwohl es selbst¨andig auftritt, nicht selbst als Grund seiner Teile ausweist, sodass Ganzes und Teile nur unmittelbar nebeneinander stehen und ein a¨ ußerlicher Teilungsgrund angenommen werden muss241 . Die Beziehung von Ganzem und Teilen markiert so auch noch keinen angemessenen Ausdruck des Verh¨altnisses von Wesen und Erscheinung. Sofern sich die Teilung des Ganzen n¨amlich nicht aus diesem selbst verstehen l¨asst, widerspricht sich das Verh¨altnis von Ganzem und Teilen insofern, als die Gesamtheit der Teile zwar dasselbe ist wie das Ganze, das Ganze aber deshalb nicht dasselbe wie die Gesamtheit seiner Teile, weil es verschiedene Teilungen zul¨asst242 . Anders gesagt: Weil das Ganze verschiedene Zerlegungen in Teile erlaubt, kann es von sich her mit keiner bestimmten Zerlegung in Teile gleichgesetzt werden. Eine Beziehung von Ansichsein und Erscheinung muss dagegen so gedacht werden, dass sich diese allein aus jenem selbst ergibt – nicht als statisches ¨ Verh¨altnis, das f¨ur den Ubertritt einen a¨ ußeren Grund in Anspruch nehmen muss, sondern als Selbstvermittlungszusammenhang. Damit hat sich aus dem ¨ Verh¨altnis von Teil und Ganzem aber dasjenige von Kraft und Außerung erge¨ ben, insofern die Kraft unentfaltet, innerlich und unbestimmt ist, die Außerung dagegen ein Bedingtes, Mannigfaches, Bestimmtes darstellt, zu dem jene sich ¨ auslegt, und zwar so, dass die Kraft in und als ihre Außerung ist243 . Insofern auch die Kraft noch Gestalt der Erscheinung ist, ist aber auch ihr Ver¨ mitteln nicht unbedingt, sondern zwar die eigene Außerung eines Inneren, die ¨ jedoch ihrerseits noch durch ein Außeres angestoßen werden muss244 . Auch das ¨ Verh¨altnis von Kraft und Außerung markiert daher noch keinen selbsttragenden ¨ Zusammenhang unbedingten Vermittelns, sondern ist auf Außeres angewiesen. Andererseits bezeichnet die Kraft aber bereits solches, was nicht einfach als ¨ Inneres unabh¨angig von seiner Außerung besteht, sondern nur in und durch diese. Indem dies logisch rein f¨ur sich herausgehoben wird, ist ein selbsttragen¨ der Zusammenhang von Innerem und Außerem erreicht, in dem diese keinerlei 241
Vgl. Das Verh¨altnis des Ganzen und der Teile ist das unmittelbare, daher das gedanken” lose Verh¨altniß und Umschlagen der Identit¨at-mit-sich in die Verschiedenheit“ [20,1609−11]. 242 Vgl. McTaggarts pr¨agnantes Beispiel: Great Britain, for example, consists of England, ” Scotland, and Wales. And it does not consist of anything except England, Scotland, and Wales. But these are not all the parts of Great Britain, for Surrey is also part of it“ [zitiert nach: C HISHOLM 1969: 90]. 243 Vgl. V10,154602–157708. 244 Vgl. Die Kraft ist nicht wie die Ursache T¨ atigkeit durch sich selbst, sondern sie muß ” durch ein Anderes sollizitiert werden, n¨amlich durch einen Reiz, der zwar selbst in ihr liegt, ¨ ¨ jedoch als ein Außeres. Die Außerung ist nur durch die Kraft, aber auch die Kraft ist nur durch ¨ die Außerung. Keines ist ohne das andere“ [V11,129550−54].
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Selbstand mehr gegeneinander haben, sondern unaufhebbar gekoppelt sind245 . Der Zusammenhang eines Inneren im Sinne unbestimmen, einfachen Sichvermittelns, das zugleich a¨ ußerlich zu bestimmter Mannigfaltigkeit herausgetreten ist, ohne damit u¨ ber sich selbst hinauszugehen oder sich zu verlieren, kann aber in Ankn¨upfung an den Sprachgebrauch Wirklichkeit“ genannt werden. So ist ” ein wirklicher“ Dichter einer, der nicht nur unbestimmte Einf¨alle und Pl¨ane ” mit sich herumtr¨agt, ohne sie umzusetzen, sondern sich in seinen Werken als Dichter erweist, bew¨ahrt und realisiert. 2.2.3 Einheit von Bestimmen und Bestimmtem (Wirklichkeit)* Mit der Wirklichkeit hat sich eine selbsttragende und auf kein Jenseits mehr ¨ verweisende Einheit von Vermitteln und Vermitteltem, Innerem und Außerem 246 ergeben . In Gestalt der Wirklichkeit hat sich somit das Wesen als unbedingtes Vermitteln aus der Sph¨are bedingter Vermitteltheit oder Existenz wieder erhoben, steht nun aber insofern in Einheit mit dieser, als das durch es Vermittelte nicht aus ihm heraustritt oder sich ihm gegen¨uber verselbst¨andigt, sondern als Abk¨unftiges in es einbehalten oder an ihm gesetzt ist. Die Wirklichkeit besteht so nicht mehr, wie anf¨anglich das Wesen, in unfundiertem und zugleich noch unentfaltetem Vermitteln, das noch nicht zu selbst¨andiger Bestimmtheit gelangt ist, noch bildet sie wie die Existenz ein bloß bedingt Selbst¨andiges, sondern vereint beides, indem sie als Vermittelndes zugleich bestimmt und selbst¨andig ist. In seinem Setzen oder Vermitteln bleibt das Wirkliche so in sich, setzt kein Selbst¨andiges aus sich heraus und sich zu einem Bedingtem herab, sondern beh¨alt das durch es Bedingte in sich ein. Die unmittelbare Gestalt einer solchen selbsttragenden Einheit von Innerem ¨ und Außerem ist das Absolute. Indem dieses in sich bleibt, kennt es kein Außerhalb, durch das es bedingt w¨are, sondern die an ihm gesetzte Bestimmtheit geh¨ort nur ihm selbst an und ist damit Modus oder bedingte Bestimmung des Unbedingten, das seinerseits durch sie nicht bedingt oder beschr¨ankt werden ¨ soll. Mit dem Absoluten als unmittelbarer Einheit von Innerem und Außerem kann es aber darum kein Bewenden haben, weil aus ihm selbst nicht deutlich wird, wie seine Modi aus und an ihm hervorgehen, und es diesen gegen¨uber da245 Von der Kraft gilt so: Ihre Aeußerung ist selbst das Aufheben der Verschiedenheit der ” beiden Seiten, welche in diesem Verh¨altnisse vorhanden ist, und das Setzen der Identit¨at, die an sich den Inhalt ausmacht. Ihre Wahrheit ist darum das Verh¨altnis, dessen beide Seiten nur als ¨ Inneres und Außeres unterschieden sind“ [20,1626−10]. 246 Vgl. Die Wirklichkeit ist die Einheit des Wesens und der Existenz; in ihr hat das ge” staltlose Wesen und die haltlose Erscheinung;- oder das bestimmungslose Bestehen und die bestandlose Mannichfaltigkeit ihre Wahrheit“ [11,3693−5]. Die Erscheinung zeigt nichts, was ” nicht im Wesen ist, und im Wesen ist nichts, was nicht manifestirt ist“ [20,16221−23]. Schick und Kruck charakterisieren die Wirklichkeit treffend als authentisches Ausdrucksverh¨altnis“ ” [K RUCK /S CHICK 1994: 92].
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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mit schlecht transzendent ist. Das Absolute verlangt damit eine Vermittlungs¨ bewegung von Innerem zu Außerem, da die Abh¨angigkeit der Modi sonst un¨ ausgewiesen bleibt. Die verlangte Vermittlungsform von Innerem und Außerem fasst Hegel als die Wirklichkeit“ im spezifischen Sinn eines Verwirklichungs” vollzugs. Als dessen Gestalten handelt Hegel die Modalit¨aten ab. Den unmittelbaren oder formalen Modalit¨aten haftet zun¨achst selbst noch ¨ die Unmittelbarkeit von Innerem und Außerem innerhalb ihrer durch das Absolute bezeichneten Einheit an. Denn insofern sie darin unvermittelt nebeneinander stehen, treten sie zun¨achst nur f¨ur sich als Aspekte hervor. Dabei ist jedoch wichtig, dass die derart abgehobenen Modalbestimmungen nur Abstraktionen der Wirklichkeit bilden und kein selbst¨andiges Bestehen beanspruchen k¨onnen247 . Dies wird sich ausdr¨ucklich daran zeigen, dass M¨oglichkeit und Zuf¨alligkeit gar nicht isoliert f¨ur sich festgehalten werden k¨onnen. Ein bloß Inneres, das noch nicht zu bestimmter Gestalt herausgetreten ist, ¨ l¨asst sich als das M¨ogliche, ein bloß Außeres dagegen als das Zuf¨allige fassen. M¨oglichkeit und Zuf¨alligkeit sind so an sich bloß abstrakt verselbst¨andigte Momente der durch die Wirklichkeit bezeichneten Einheit von Innerem und 248 . Das Zuf¨ ¨ ¨ Außerem allige ist als bloß Außeres solches, was keinen Grund oder Anhalt seiner Existenz am Inneren oder Wesen hat. Insofern das Zuf¨allige als grundlose Realit¨at dem M¨oglichen so wie etwas dem anderen gegen¨ubersteht, hat es dieses andere, das M¨ogliche, selbst in sich und ist als grundlos Reales solches, was ebenso gut, wie es ist, auch nicht sein k¨onnte, also Wirkliches mit dem Akzent bloßer M¨oglichkeit249 . Dagegen erh¨alt das M¨ogliche umgekehrt den Akzent, ebenso gut anstelle des zuf¨allig Wirklichen selbst wirklich sein zu k¨onnen. Das Zuf¨allige und das M¨ogliche, die zun¨achst als selbst¨andig erscheinen, obwohl sie an sich nur unselbst¨andige Aspekte des Wirklichen sind, erweisen sich von sich her als Abstraktionen, weil sie sich, rein f¨ur sich genommen, widersprechen und kollabieren. Denn das bloß Zuf¨allige fiele, wenn es rein f¨ur sich auftreten k¨onnte und nicht etwa nur als unselbst¨andiger Aspekt des wahrhaft, weil begr¨undet Wirklichen, ganz aus allen begr¨undbaren Zusammenh¨angen und damit aus dem logischen Raum heraus. Entsprechend kann das Zuf¨allige nur
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Hegels ontologischer Modalit¨atsbegriff steht damit demjenigen Kripkes n¨aher, der m¨ogliche Welten (kontrafaktisch) als m¨ogliche Verl¨aufe der wirklichen Welt fasst, statt mit Lewis m¨ogliche Welten zu einer Mehrzahl wirklich bestehender zu reifizieren, unter denen die aktuale nur eine bestimmte sein soll, n¨amlich die, in der wir selbst uns befinden. 248 Vgl. M¨ oglichkeit und Zuf¨alligkeit sind die Momente der Wirklichkeit, Inneres und ” Aeußeres, als bloße Formen gesetzt, welche die Aeußerlichkeit des Wirklichen ausmachen“ [20,1664−15]. 249 Vgl. Zuf¨alligkeit ist eine Wirklichkeit, die nur den Wert der M¨oglichkeit hat; das ” Zuf¨allige kann sein oder auch nicht“ [V10,160814−16].
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solches sein, was notwendig Anteil am Wirklichen und Notwendigen hat, weshalb Zuf¨alligkeit notwendig nur als Moment vorkommt. Auch die formelle oder f¨ur sich gesetzte M¨oglichkeit kollabiert250 . Wenn das M¨ogliche n¨amlich das ist, was wirklich werden kann, insofern es sich nicht widerspricht, ist alles m¨oglich: Denn alles, was sich nicht widerspricht, kann wirklich werden oder a¨ ußerliche Gestalt annehmen. Zugleich ist damit aber nichts m¨oglich oder alles unm¨oglich. Denn da es zu allem M¨oglichen ein Gegenteil gibt, kann M¨ogliches nur wirklich werden, wenn sein Gegenteil nicht auch wirklich werden kann, sondern vielmehr unm¨oglich ist. Damit hat sich der abstrakte Begriff der Notwendigkeit ergeben: Denn notwendig ist dasjenige, dessen Gegenteil unm¨oglich ist. Wird das M¨ogliche abstrakt genommen, ist alles unm¨oglich, weil Entgegengesetzte logisch den gleichen Anspruch darauf haben, wirklich werden zu k¨onnen, zugleich aber das Wirklichwerden voneinander ausschließen und insofern unm¨oglich sind. Dass A und ¬A beide m¨oglich sind oder wirklich werden k¨onnen, gilt nur so lange, wie M¨oglichkeit epistemisch verstanden wird, also nur in Bezug auf den Erkenntnisstand eines Betrachters besteht. In der Wesenslogik ist ein solcher Betrachter aber noch gar nicht thematisch, weshalb die Modalit¨aten ontologisch oder formal ¨ als Verh¨altnisse von Innerem und Außerem aufgefasst werden m¨ussen. A und ¬A k¨onnen aber nicht beide ontologisch m¨oglich sein, denn dass es etwa am 12.10.2090 regnet und nicht regnet, bezeichnet nichts, was beides unabh¨angig voneinander wirklich werden kann, und insofern ist alles ebenso m¨oglich wie unm¨oglich. Hegels Anliegen ist es damit zu zeigen, dass es bei logischer M¨oglichkeit (im Sinne von Widerspruchsfreiheit) kein Bewenden haben kann, sondern im Aus¨ gang von ihr ein immanenter Ubergang zu realer M¨oglichkeit (im Sinne von M¨oglichkeit unter realen Bedingungen) n¨otig wird. Daraus folgt nicht, dass der Begriff logischer M¨oglichkeit unbrauchbar ist, sondern nur, dass er bloß im Zusammenhang mit dem Begriff realer M¨oglichkeit brauchbar ist, der damit nicht einfach ein weiterer M¨oglichkeitsbegriff neben dem der logischen M¨oglichkeit ist. Rein aus der Perspektive der Widerspruchsfreiheit ist M¨oglichkeit eine nicht-relationale Bestimmung, die einem Sachverhalt aufgrund seiner internen Verfasstheit zukommt. Hegel versucht die Notwendigkeit, u¨ ber diesen nicht-relationalen M¨oglichkeitsbegriff hinauszugehen, dadurch zu erweisen, dass er miteinander inkompatible Bestimmungen, die jeweils isoliert als logisch m¨oglich gelten k¨onnen, aufeinander bezieht. Dabei zeigt sich, dass die 250
Vgl. Weil die M¨oglichkeit zun¨achst gegen das Concrete als Wirkliches die bloße Form ” der Identit¨at-mit-sich ist, so ist die Regel f¨ur dieselbe nur, daß Etwas sich in sich nicht widerspreche, und so ist Alles m¨oglich; denn allem Inhalte kann diese Form der Identit¨at durch die Abstraction gegeben werden. Aber Alles ist ebensosehr unm¨oglich“ [20,16516−21].
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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M¨oglichkeit inkompatibler Sachverhalte nicht unabh¨angig voneinander besteht: Denn in der Hinsicht, in der A das Zeug dazu hat, wirklich zu werden, kann nicht auch ¬A das Zeug dazu haben, da sonst ein Zustand m¨oglich w¨are, in dem die beiden inkompatiblen Sachverhalte zugleich wirklich (geworden) sind. Daher kann M¨oglichkeit nicht einfach absolut oder nicht-relational bestehen, sondern nur in gewisser Hinsicht. Da im Zusammenhang mit dem logischen, nicht-relationalen M¨oglichkeitsbegriff aber noch gar keine Hinsichten eingef¨uhrt sind, welche die Verwirklichbarkeit des M¨oglichen bedingen, die Notwendigkeit zur Einf¨uhrung solcher Hinsichten jedoch nachgewiesen wurde, muss zu einem M¨oglichkeitsbegriff u¨ bergegangen werden, demzufolge M¨oglichkeit nicht absolut, sondern nur unter bestimmten Bedingungen besteht – dem Begriff realer M¨oglichkeit. Diesem gem¨aß ist etwas also nicht einfach in sich m¨oglich oder unm¨oglich, sondern nur in Beziehung auf anderes, das ihm als Bedingung vorausgesetzt ist251 . Entsprechend gilt also, dass X m¨oglich, notwendig oder unm¨oglich ist, gesetzt, dass Y. Damit hat alles seinen realen Status als M¨ogliches, Notwendiges oder Unm¨ogliches nur in Bezug auf anderes: Wenn es morgen regnet, ist es notwendig, dass die Straße naß wird. Ist die Unterscheidung von M¨oglichkeit, Notwendigkeit und Unm¨oglichkeit aber relativ auf die Wirklichkeit von Bedingungen, ergibt sich ein Regress. Denn die M¨oglichkeit, Notwendigkeit oder Unm¨oglichkeit von Etwas besteht so nicht nur in Bezug auf eine feststehende Bedingung, sondern h¨angt davon ab, ob diese Bedingung ihrerseits m¨oglich, unm¨oglich oder notwendig ist. Wenn alles seinen Status als M¨ogliches oder Notwendiges so nur in Bezug auf anderes hat, das entsprechenden Status seinerseits nur in Bezug auf anderes hat, l¨asst sich zwischen Notwendigkeit, M¨oglichkeit und Notwendigkeit aber gar nicht real unterscheiden, weil die Unterscheidung keinen festen Anhalt hat252 . Ob etwas m¨oglich, notwendig oder unm¨oglich ist, h¨angt so n¨amlich von einer Reihe ab, die kein erstes Glied hat. Wenn sich zwischen M¨oglichkeit, Notwendigkeit und Unm¨oglichkeit damit nur hypothetisch unterscheiden l¨asst, kollabieren alle Modalit¨aten in bloße M¨oglichkeit, weil die Bedingungen f¨ur die Unterscheidungen der Modalit¨aten selbst bloße M¨oglichkeiten sind. Damit h¨atte sich wieder ergeben, dass alles
251 Vgl. Etwas ist real m¨ oglich, nur dadurch, dass es Bedingungen hat“ [V10,161850−51]. ” Wenn alle Bedingungen vorhanden sind, muß die Sache wirklich werden, und die Sache ist ” selbst eine der Bedingungen, denn sie ist zun¨achst als Inneres selbst nur ein Vorausgesetztes. Die entwickelte Wirklichkeit, als der in eins fallende Wechsel des Innern und Aeußern, der Wechsel ihrer entgegengesetzten Bewegungen, die zu einer Bewegung vereint sind, ist die Nothwendigkeit“ [20,16714−19]. 252 Vgl. Ob das Zuf¨ allige wirklich ist, kommt auf andere Zuf¨allige an. Diese Zuf¨alligen ” sind wieder m¨oglich, daher h¨angt die Zuf¨alligkeit selbst wieder von M¨oglichkeiten ab“ [V11,131608−10].
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
Widerspruchsfreie m¨oglich ist. Da diese Annahme aber schon widerlegt wurde, muss es solches geben, was seine Notwendigkeit aus sich heraus hat. Zwischen den Modalit¨aten ist also nur zu unterscheiden, wenn nicht alles bloß bedingtermaßen und damit nur m¨oglicherweise m¨oglich, notwendig oder unm¨oglich ist, weil dann alles bloß m¨oglich ist, sondern es solches gibt, was die Bedingung seiner Wirklichkeit nicht außer, sondern in sich hat, damit selbst hinreichende Bedingung seiner Wirklichkeit und insofern notwendig ist. Absolute Notwendigkeit in diesem Sinn ist also die Voraussetzung daf¨ur, u¨ berhaupt zwischen den Modalit¨aten unterscheiden zu k¨onnen253 . Sie ist dabei bestimmt als Selbstverwirklichung oder M¨oglichkeit, die in sich ihre eigene Verwirklichung hat254 . Da das (absolut) Notwendige seine Verwirklichung in sich hat, ist sein Gegenteil unm¨oglich. Denn das Notwendige ist f¨ur seine Verwirklichung nicht von a¨ ußeren Umst¨anden oder Bedingungen abh¨angig, sondern gerade dadurch definiert, sich allein durch sich selbst zu verwirklichen, damit aber unabh¨angig von allen besonderen Bedingungen und Umst¨anden und insofern unter allen m¨oglichen Bedingungen und Umst¨anden wirklich zu werden255 . Mit der absoluten Notwendigkeit hat sich solches ergeben, was sich seine eigene Wirklichkeit gibt oder selbst einzige notwendige und somit hinreichende Bedingung seiner Wirklichkeit und damit absolut selbst¨andig und selbstsetzend ist – die Substanz. Substanz meint als absolute Notwendigkeit kein unmittelbar Vorhandenes, sondern solches, was sich selbst die notwendige und hinreichende Bedingung seines Auftretens setzt und insofern causa sui ist256 . Mit der Substanz ist das absolute Verh¨altnis als Vollgestalt des Wesens erreicht. Absolutes Verh¨altnis“ meint dabei ein Verh¨altnis, das nicht zwischen ” Gliedern besteht, die auch solches beinhalten, was unabh¨angig von ihrem Verh¨altnis best¨unde, womit dieses nur relativ w¨are, sondern ein Verh¨altnis, das 253 Henrich fasst treffend zusammen: In Beziehung auf die Bedingungen, die selbst schon ” wirklich sind, ist das im ersten Sinne Zuf¨allige notwendig. Aber die Bedingungen sind an ihnen selbst wiederum gesetzte m¨ogliche, also auch bloß zuf¨allige. Jene Notwendigkeit ist also immer nur relative. Prinzipiell ist die Zuf¨alligkeit des Gesetzten durch sie keineswegs aufgehoben. Den Begriff der Bedingung einzuf¨uhren, war aber gerade dadurch gefordert, dass ein Grund f¨ur die Verwirklichung des M¨oglichen angenommen werden muß. Der Regressus der Bedingtheiten f¨uhrt nicht zu realer Notwendigkeit. Also muß dieser Begriff einer wirklich begr¨undeten Notwendigkeit so gedacht werden, dass in ihm das Setzen der eigenen Bedingungen impliziert ist. Das wirklich gewordene M¨ogliche ist nicht zuf¨allig, sondern notwendig, weil es sich selbst seine eigenen Bedingungen setzt“ [H ENRICH 1974: 163]. 254 Vgl. Von dem Notwendigen dagegen verlangen wir, daß es das, was es ist, durch sich ” selbst sei“ [TW8,289 Z.]. 255 Im Notwendigen ist dabei das Zuf¨ allige aufgehoben, weil es dem Notwendigen gegen¨uber zuf¨allig ist, aus welchen Bedingen es hervorgeht, insofern es aus beliebigen Umst¨anden hervorgeht, vgl. H ENRICH 1974: 163. 256 Vgl. Das Absolute, zuerst von der a ¨ ussern Reflexion ausgelegt, legt nun als absolute ” Form oder als Nothwendigkeit sich selbst aus; diß Auslegen seiner selbst ist sein sich-selbstsetzen, und es ist nur diß sich-setzen“ [11,39310−13].
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rein verh¨altnishaft ist und seine Glieder daher aus sich bezieht. Die Substanz ist aber insofern die unmittelbare Gestalt des absoluten Verh¨altnisses, als sie Selbstsetzung ist und damit keine von ihr verschiedenen Bedingungen außer ihr hat, sodass ihr Verh¨altnis zu diesen nur relativ w¨are. Insofern die Substanz unbedingtes Vermitteln ist, das in seinem Vermitteln in sich bleibt, kann das ¨ Mannigfache und Außerliche, was sie setzt, nicht als Existenz außer ihr bestehen. Vielmehr bleibt sie in ihrem Setzen in sich, sodass das Gesetzte als zu ihr selbst geh¨orig an ihr und damit als Akzidenz gesetzt ist. Weil die Substanz aber, da selbstsetzend und unbedingt, unabh¨angig von ihrem Setzen abh¨angiger ¨ Bestimmtheit – als in sich bleibendem Heraustreten zur Außerlichkeit der Akzidenzien – besteht, ist sie diesen gegen¨uber autark. Sie wird durch ihre Akzidenzien nicht eingeschr¨ankt und h¨angt nicht von ihnen ab, sondern nur diese von ihr, die damit unbeschr¨ankte Macht ist257 . Die Substanz ist so aber abgesehen davon, dass sie sich selbst setzt, noch nicht wesentlich als Selbstvermittelung bestimmt, sondern ihr Setzen der Akzidenzien ist etwas, das gleichsam bloß nebenbei an ihr als unbedingt Bestehendem vorgeht. Darum ist die Substanz noch eine Gestalt des Wesens oder des Vermittelns, nicht der reinen Selbstvermittlung des Begriffs, da dieser allein als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen bestimmt ist und seinem eigenen Vermitteln nicht, wie die Substanz, selbstgen¨ugsam und unber¨uhrt als einem Geschehen gegen¨ubersteht, das sich nur zus¨atzlich an ihm abspielt. Die Substanz ist daher bloß die selbstvermit¨ telte Gestalt unbedingten Vermittelns, weil es zu ihr zwar nichts Außerliches gibt, was ihr gegen¨ubertr¨ate und sie einschr¨ankte, sondern das, was sie setzt, als abh¨angige Bestimmung zu ihr selbst geh¨ort. Doch ist die Substanz gegen¨uber solcher Akzidentalit¨at selbst gleichg¨ultig und steht ihrem eigenen Vermitteln in sich so zugleich unber¨uhrt“ gegen¨uber. Sie ist so noch nicht als Subjekt ” gefasst, weil sie nicht allein als Selbstvermittlung bestimmt ist, sondern selbst unabh¨angig von ihrem eigenen Vermitteln der Akzidenzien bestehen soll. Insofern die Substanz ihrem eigenen Setzen gegen¨uber selbst¨andig und gleichg¨ultig bleibt, gewinnt das durch sie Gesetzte umgekehrt selbst den Charakter eines Selbst¨andigen und Gleichg¨ultigen. Das eigene Vermitteln der Substanz f¨uhrt daher, weil die Substanz ihm gleichg¨ultig und bezuglos gegen¨ubersteht, gerade nicht auf solches, was als Abh¨angiges an sie gebunden bleibt. Denn sonst m¨usste die Substanz, um ihre Akzidenzien in sich zu halten, an ihr selbst solches Miteinbehalten sein und d¨urfte dem Einzubehaltenden nicht gleichg¨ultig gegen¨uberstehen. Daher hat die Gleichg¨ultigkeit der Sub257
Vgl. Die Substantialit¨at ist daher nur das Verh¨altniß als unmittelbar verschwindend, ” sie bezieht sich auf sich nicht als Negatives, ist als die unmittelbare Einheit der Macht mit sich selbst in der Form nur ihrer Identit¨at, nicht ihres negativen Wesens; nur das eine Moment, nemlich das Negative oder der Unterschied, ist das schlechthin verschwindende, nicht aber das andere, das Identische“ [11,3968−13]. Die Substanz ist nur das sich als unterschiedslos ” Setzende, aber sie ist unterschieden vom Gesetzten“ [V10,168104−5].
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stanz gegen¨uber ihrem eigenen Setzen zur Folge, dass dem Gesetzten selbst gleichg¨ultiges Bestehen als andere Substanz zukommt258. Insofern die Substanz, an ihr selbst gleichg¨ultig bestehend, ein unabh¨angig von ihr ebenso gleichg¨ultig Bestehendes setzt, ist sie Ursache und ihre Wirkung selbst eine weitere Substanz. Stehen sich damit aber zwei Substanzen gegen¨uber, muss das zu ihnen geh¨orende Setzen oder Vermitteln durcheinander bedingt und damit zu einem relativen herabgesetzt sein. Als Ursachen auftretend setzen sie damit keine von ihnen verschiedenen Substanzen, sondern wirken nur aufeinander ein259 . Indem jede Substanz damit zugleich aktiv und passiv ist, hat sich die Wirklichkeit logisch als Sph¨are wechselwirkender Substanzen erwiesen. Deren Unterschied l¨asst sich jedoch, solange die Substanzen noch nicht als Selbstbestimmungszentren, sondern als wechselwirkende Dinge auftreten, nicht stringent festhalten260 . Dass Fremdbestimmung nur im Zusammenhang mit Selbstbestimmung m¨oglich ist, l¨asst sich am Modell zweier Substanzen herleiten, von denen die eine als aktive auf die andere als passive einwirken soll. Dabei l¨asst sich zeigen, dass solches Einwirken oder Bestimmen nur gedacht werden kann, wenn das, was bestimmt werden soll, derart in das Bestimmende selbst mit einbe¨ zogen ist, dass beide zusammenfallen, woraus sich der logische Ubergang zur Selbstbestimmung ergibt. Solange die aktive Substanz isoliert gefasst ist, kann das von ihr ausgehende Bestimmen noch kein Fremdbestimmen oder Einwirken auf anderes sein. Ein Einwirken auf anderes ist daher nur m¨oglich, sofern in seinen Vollzug von vornherein das einbezogen ist, worauf das Einwirken oder Bestimmen sich richtet. Das heißt aber, dass das Bestimmende nur durch das, was es bestimmt, zu einem 258 Entsprechend f¨ uhrt Hegel aus: Die Substanz ist Ursache, in sofern sie gegen ihr Ueber” gehen in die Accidentalit¨at in sich reflectirt und so die urspr¨ungliche Sache ist, aber ebensosehr die Reflexion-in-sich oder ihre bloße M¨oglichkeit aufhebt, sich als das Negative ihrer selbst setzt und so eine Wirkung hervorbringt, eine Wirklichkeit, die so nur eine Gesetzte, aber durch den Proceß des Wirkens zugleich nothwendig ist“ [20,17024–1714]. Diese in der Wirkung er” loschene Causalit¨at ist somit eine Unmittelbarkeit, welche gegen das Verh¨altniß von Ursache 28−30 und Wirkung gleichg¨ultig ist und es a¨ ußerlich an ihr hat“ [11,398 . Die Wirkung ist ein ” Gesetztes, ein Voraus und damit eine andere Wirklichkeit, eine andere Substanz, auf welche die 183−85 Wirkung geschieht“ [V10,171 ]. 259 Vgl. Diß ist nunmehr das Causalit¨ atsverh¨altniß in seiner Realit¨at und Endlichkeit. Als ” formell ist es das unendliche Verh¨altnis der absoluten Macht, deren Inhalt die reine Manifestation oder Nothwendigkeit ist. Als endliche Causalit¨at hingegen hat es einen gegebenen Inhalt, und verl¨auft sich als ein a¨ usserlicher Unterschied an diesem identischen, das in seinen Bestimmungen eine und dieselbe Substanz ist“ [11,3995−10]. 260 Vgl. Die in der Wechselwirkung als unterschieden festgehaltenen Bestimmungen sind ” α) an sich dasselbe; die eine Seite ist Ursache, urspr¨unglich, activ, passiv usf. wie die andere. [...] Der Unterschied der als zwei genannten Substanzen ist daher leer, und es ist an sich nur Eine, sich in ihrer Wirkung ebenso als Substanz aufhebende, als sich in diesem Wirken erst verselbst¨andigende Ursache vorhanden“ [20,17310−18].
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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Bestimmen oder Wirken wird. Ein Bestimmen ist damit nur m¨oglich, wenn das Bestimmende durch das, was es bestimmt, zum Bestimmen bestimmt wird. Die aktive Substanz kann damit nur aktiv sein, insofern sie zugleich passiv, und die passive nur passiv, indem sie zugleich aktiv ist. Damit hat sich jedoch ein Dilemma ergeben: Wenn Bestimmen nur unter der Bedingung des Bestimmtwerdens (zum Bestimmen) m¨oglich ist, scheint Bestimmen unm¨oglich, weil das, wodurch es m¨oglich sein soll, selbst schon die in Frage stehende Verfassung aufweisen muss, n¨amlich die des Bestimmens, was auf einen Regress f¨uhrt. Bestimmen ist daher nur m¨oglich, sofern das, was das Bestimmende (zum Bestimmen) bestimmt, nicht außerhalb des Bestimmenden, sondern in ihm liegt, wenn also Bestimmendes und Bestimmtes zusammenfallen. Insofern das zu Bestimmende das Bestimmende erst zu dem macht, was es sein soll, n¨amlich zum Bestimmenden, geh¨ort es nicht als Fremdes außerhalb, sondern als Moment in dieses, das in seinem Bestimmen damit aktiv und passiv zugleich und insofern Selbstbestimmung ist. Insofern das Bestimmende die Bedingung seines Bestimmens oder dasjenige, was es bestimmt, n¨amlich in sich selbst hat, ist solches Bestimmen gerade keine Fremd-, sondern Selbstbestimmung261. Als Fremdbestimmungszusammenhang wechselwirkender Substanzen bildet die Wirklichkeit somit keine suisuffiziente Bestimmung des logischen Raumes, sondern weist u¨ ber sich auf Selbstbestimmung hinaus262 . ¨ Mit dem immanenten Ubergang von der Fremd- zur Selbstbestimmung ist das Wesen als Spielraum bloßen Setzens oder Bestimmens von anderem verlassen. Dieser Spielraum erweist sich damit im R¨uckblick als verdinglichte Gestalt von Selbstbestimmung, da es Fremdbestimmung und Vermittlung an sich nur unter Voraussetzung von Selbstbestimmung geben kann, ein Kausalzusammenhang wechselwirkender Substanzen aber gerade unabh¨angig von Selbstbe¨ stimmung und Subjektivit¨at m¨oglich erscheint. Der Ubergang vom Wesen zum Begriff besteht dementgegen gerade im Nachweis, dass das Einwirken von etwas auf anderes Selbstbestimmung voraussetzt: Ein vermeintlich reiner Wechselwirkungszusammenhang zwischen Dingen ist damit nur eine verdinglich261
Entsprechend weist Hegel darauf hin, daß die aneinander Gebundenen in der Tat ein” ander nicht fremd, sondern nur Momente eines Ganzen sind, deren jedes in der Beziehung auf das andere bei sich selbst ist und mit sich selbst zusammengeht“ [TW8,303 Z.]. In der ” Wechselwirkung, zun¨achst nur als Reflexionsverh¨altnis aufgefasst, sollen zwei Substanzen gegeneinanderstehen. Aber ihre Substantialit¨at ist nichts als diese Totalit¨at ihres Bestimmens, des Gegenstoßes in sich, welcher die manifestierte Notwendigkeit, der Begriff, ist“ [V11,136776−80, Hervorhebung C. M.]. 262 Richard Winfield res¨ umiert treffend: Because what founds has its founding charac” ter determined by what it founds, reciprocal determinations result where each term is both cause and effect of the other. Since they are indistinguishable, leaving what determines and is determined one and the same, reciprocal interaction itself reverts into self-determination, leaving behind the two-tiered structure of foundational determining and introducing the free self-development constitutive of subjectivity“ [W INFIELD 2006: 61].
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
te Form, unter der Freiheit sich selbst erscheint. Inwiefern es vor dem Hintergrund von Selbstbestimmung dennoch Fremdbestimmung und Wechselwirkungszusammenh¨ange zwischen dinglich verfassten Substanzen geben kann, ¨ wird die Logik des objektiven Begriffs zeigen. Der logische Ubergang von der Fremd- zur Selbstbestimmung bedeutet n¨amlich nicht, Fremdbestimmung sei unm¨oglich und der logische Raum sei ad¨aquat allein durch Selbstbestimmung charakterisiert. Zwar hat sich das Verh¨altnis wechselwirkender Substanzen, insofern sie ihre Rollen tauschen, indem sich die bestimmte ebenso als bestimmend wie die bestimmende als bestimmt erweist und sie damit ineins fallen, aus einem Verh¨altnis vermeintlicher Fremdbestimmung in reine Selbstbestimmung und Selbstunterscheidung verwandelt263 . Im reinen Sichbestimmen muss jedoch die wesenslogisch hergeleitete Substanzmannigfaltigkeit ¨ aspekthaft enthalten sein. Der Ubergang von der Substanz zum Begriff oder Subjekt“ bringt daher keinen abstrakten Monismus mit sich, der eine Viel” heit (abh¨angig) selbst¨andiger Einheiten ausschließt. Vielmehr wird die logische Entfaltung reinen Sichbestimmens erweisen, dass dieses selbsttragendes Bestehen nur in Form einer Mannigfaltigkeit von Selbstbestimmunsgzentren haben kann, denen abh¨angiger Selbstand zukommt und die einander zugleich nicht einfach fremd gegen¨uberstehen, sondern sich etwas angehen. Wie die Entwicklung der Begriffslogik zeigt, sind Selbst¨andigkeit und Unselbst¨andigkeit im Begriff damit vollkommen ausgeglichen264 . Zugleich wird von derartigen Selbstbestimmunsgzentren her verst¨andlich werden, in welchem abgeleiteten Sinn Determinations- oder Wirkungszusammenh¨ange auch zwischen bloßen Dingen bestehen k¨onnen. Mit der Aufhebung des Verh¨altnisses wechselwirkender Substanzen in die Selbstvermittlung des Begriffs hat sich die Notwendigkeit, verstanden als Fremdbestimmung, in Freiheit als Selbstbestimmung aufgehoben265 . Aus be263 Vgl. Das Band der Notwendigkeit als solcher ist die Identit¨ at als noch innere und ver” borgene, weil sie die Identit¨at von solchen ist, die als Wirkliche gelten, deren Selbst¨andigkeit jedoch eben die Nothwendigkeit seyn soll. Der Verlauf der Substanz durch die Kausalit¨at und Wechselwirkung ist daher nur das Setzen, daß die Selbst¨andigkeit die unendliche negative Beziehung auf sich ist, – negative u¨ berhaupt, in der das Unterscheiden und Vermitteln zu einer Urspr¨unglichkeit gegeneinander selbst¨andiger Wirklichen wird, – unendliche Beziehung auf sich selbst, indem die Selbst¨andigkeit derselben eben nur als ihre Identit¨at ist. Diese Wahrheit der Notwendigkeit ist somit die Freiheit, und die Wahrheit der Substanz ist der Begriff, – die Selbst¨andigkeit, welche das sich von sich Abstoßen in unterschiedene Selbst¨andige, als diß Abstoßen identisch mit sich, und diese bei sich selbst bleibende Wechselbewegung nur mit sich ist“ [20,1745−19]. 264 So l¨ asst sich Hegels, eben schon zitierte, Bemerkung verstehen, der Begriff sei die ” Selbst¨andigkeit, welche das sich von sich Abstoßen in unterschiedene Selbst¨andige, als diß Abstoßen identisch mit sich, und diese bei sich selbst bleibende Wechselbewegung nur mit sich ist“ [20,17416−19]. 265 Vgl. Die Einheit der Substanz ist ihr Verh¨ altniß der Nothwendigkeit; aber so ist sie nur ”
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
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griffslogischer Perspektive kann sich daher die Frage, wo f¨ur Freiheit innerhalb eines durchg¨angigen Fremdbestimmungs- oder Notwendigkeitszusammenhangs Platz ist, nicht stellen, weil es Fremdbestimmung und Notwendigkeit selbst nur im Zusammenhang mit Selbstbestimmung geben kann266 . Wesenslogisch hatte sich die Notwendigkeit als Selbstverwirklichung dargestellt, die noch als Fremdverh¨altnis erscheint, w¨ahrend sie in Form des Begriffs als Selbstvermittlung ausdr¨ucklich ist, die sich als solche durchsichtig ist. Der Begriff ist dabei ebenso sehr die aufgehobene Notwendigkeit wie der aufgehobene Zufall, insofern auch das, was als grundlos außer jedem Vermittlungszusammenhang erschien und so gleichfalls ein bloßes Fremdverh¨altnis markierte, nun in ausdr¨uckliche Selbstvermittlungskontinuit¨at aufgenommen ist267 . Entsprechend geh¨ort es wesentlich zur Freiheit konkreter Subjekte, Zuf¨alliges in einen selbstbestimmten Sinnzusammenhang integrieren zu k¨onnen. Dass die Wirklichkeit wesentlich Selbstbestimmung und diese aufgehobene Fremdbestimmung ist, hat epistemologisch die Konsequenz, dass es, insofern es u¨ berhaupt Erkenntnis gibt, auch nicht-regressive Formen der Erkenntnis von Wirklichem geben muss, welche dessen Bestimmtheit nicht auf eine Bestimmung durch anderes zur¨uckf¨uhren, sondern aus ihm selbst erkl¨aren. Wie die Begriffslogik im Einzelnen zeigen wird, ist dies dann und nur dann m¨oglich, wenn Sachen wesentlich durch sich selbst bestimmt sein k¨onnen, so dass sich ihre besonderen Bestimmungen und deren Einheit aus ihrer globalen Verfassung ergeben und verstehen lassen. Die Begriffslogik wird entsprechend nachweisen, dass die ontologisch grundlegenden, n¨amlich von sich her durch Einzelheit ausgezeichneten Formen von Bestimmtheit Selbstbestimmungszentren sind – lebendige Individuen von einer gewissen allgemeinen Natur, die leibhaftig in einem inhomogen organisierten Kontinuum verankert sind. ¨ Zun¨achst ist mit dem logischen Ubergang von der Fremd- zur Selbstbestimmung jedoch nur der abstrakte Inbegriff reinen Bestimmens erreicht, das nicht mehr in sich gebrochen und damit als Fremdbestimmung erscheint, sondern von vornherein als Selbstbestimmung ausdr¨ucklich ist. Entsprechend kann Hegel sagen, mit dem Begriff sei das Reich der Subjectivit¨at oder der Frey” heit“ er¨offnet268 . Dabei markiert der Begriff zun¨achst nur die operationale Miinnre Nothwendigkeit; indem sie durch das Moment der absoluten Negativit¨at sich setzt, wird sie manifestirte oder gesetzte Identit¨at, und damit die Freyheit, welche die Identit¨at des Begriffs ist“ [12,1524−27]. 266 Vgl. unten Abschnitt 3.5.3. 267 Vgl. Die Nothwendigkeit wird nicht dadurch zur Freyheit, daß sie verschwindet, son” dern daß nur ihre noch innre Identit¨at manifestirt wird: eine Manifestation, welche die identische Bewegung des Unterschiedenen in sich selbst, die Reflexion des Scheins als Scheins in sich ist. – Umgekehrt wird zugleich die Zuf¨alligkeit zur Freyheit, indem die Seiten der Notwendigkeit, welche die Gestalt f¨ur sich freyer, nicht ineinander scheinender Wirklichkeiten haben, nunmehr gesetzt sind als Identit¨at“ [11,4093−11]. 268 11,40934−35, vgl. 12,1535 –161 .
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2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
nimalform oder Wurzel“ der Freiheit, n¨amlich reines Sichbestimmen ohne wi” derst¨andige Fremdheit. Diese Minimalform wird im Zuge der Begriffslogik erst zu entfalten sein, bis sich eine angemessene Bestimmung dessen ergibt, was es heißt, als lebendiges Individuum innerhalb einer gemeinsamen Welt frei zu sein. Zuvor ist jedoch noch ein R¨uckblick auf den Gesamtbau der Wesenslogik zu werfen. 2.2.4 R¨uckblick auf die Wesenslogik* Die Bestimmungen des Seins bestanden oder gr¨undeten in solchem, was als unabh¨angig gegen¨uber seiner a¨ ußerlichen Beziehung auf anderes auftrat. Insofern seinslogische Bestimmungen darum von sich her zun¨achst nicht ausdr¨ucklich auf ihre bestimmte Negation bezogen sind, sondern dieser Bezug nur latent be¨ steht, ist der Ubergang zu dieser das Verschwinden der Ausgangsbestimmung in ihrem Nachfolger – des Seins im Nichts, des Einen im Vielen etc. ¨ Insofern sich die Unmittelbarkeit des Seins mit dem Ubergang zum Wesen jedoch als Schein erwiesen hat, gr¨undet dieses nicht mehr in scheinbar unmittelbar vorhandener Bestimmtheit, sondern in reiner Operationalit¨at. Das Wesen bildet so die Sph¨are der Vermittlung schlechthin, und zwar prim¨ar nicht als Herstellen von Beziehungen zwischen unmittelbar Vorhandenem, sondern als selbstanwendende Operationalit¨at, die aus sich heraus erst Bestimmtheit und Verh¨altnisse hervortreten l¨asst. Denn selbstanwendende Operationalit¨at f¨uhrt als solche notwendig zu Neuem, das ein Vermitteltes ist. Weil das Wesen zugleich ausdr¨ucklich als Vermitteln bestimmt ist, kann es in dem, wozu es f¨uhrt, nicht verschwinden, weil sonst jeweils doch nur Unmittelbares vorhanden w¨are, sondern tritt dem, wozu es f¨uhrt, gegen¨uber und etabliert dadurch ausdr¨ucklich Verh¨altnisse. Das Wesen f¨uhrt als reine Vermittlung damit wesentlich auf Bestimmungen, die von vornherein von sich her aufeinander bezogen sind und f¨ur die dieser Bezug definitorisch ist. So geh¨ort etwa zur Identit¨at ausdr¨ucklich die Beziehung auf den Unterschied oder zur Ursache die auf die Wirkung, w¨ahrend seinslogisch zum Etwas nicht von vornherein der ausdr¨uckliche Bezug auf Anderes oder zum Einen nicht der auf das Viele geh¨orte. Da das Vermitteln des Wesens so aber auf Bestimmungen f¨uhrt, die in ausdr¨ucklichen Verh¨altnissen zu ihrer Negation stehen, treten wesenslogische Bestimmungen in Paaren auf269 . Aus dem Gedanken reiner Vermittlung l¨asst sich der Grundaufbau der Wesenslogik im R¨uckblick zwanglos einholen. Denn zun¨achst ist das Wesen als reines Vermitteln oder Setzen an ihm selbst zu betrachten. Noch unabh¨angig von seinem Heraustritt zum Vermittelten, dem es als Erscheinung bedingten 269
Die wesenslogischen Bestimmungen sind entsprechend Selbst¨andige, aber damit nur ” als solche, die in ihrer Einheit miteinander sind“ [11,24236−37]. Sie sind Erzeugnisse des re” flectirenden Verstandes, der zugleich die Unterschiede als selbst¨andig annimmt, und zugleich 16−18 auch ihre Relativit¨at setzt“ [20,145 ].
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
179
Selbstand einr¨aumt, ist es sozusagen bloße Selbstbespiegelung, n¨amlich Scheinen oder Reflexion in sich. Da es zu reinem Vermitteln aber geh¨ort, in einem Vermittelten zu resultieren, stellt der zweite Teil der Wesenslogik dieses Vermittelte oder abh¨angig Selbst¨andige – die Erscheinung – dar. Im Heraustritt zur Erscheinung erweist das Wesen so, nicht bloß Scheinen in sich zu sein, sondern wesentlich Scheinen in anderes. Dabei setzt sich das reine Vermitteln, dem die Erscheinung entstammt, im Zuge seines Heraustritts zu dieser selbst zu einem Bedingten herab und ist im Reich der Erscheinung so zun¨achst verschwunden. Sowohl das reine Vermitteln oder Scheinen, wie das bloß Vermittelte, die Erscheinung, bilden aber f¨ur sich jeweils nur einseitige Aspekte reiner Vermittlung. Erst die dritte Sph¨are des Wesens, die Wirklichkeit, bringt dieses daher als u¨ bergreifende Einheit von Vermittelndem und Vermitteltem oder erf¨ullte Vermittlung vollst¨andig zum Ausdruck. Da das Wesen erscheinen muss, weil seine reine Operationalit¨at u¨ berhaupt nur in und als ihr Heraustreten zur Erscheinung sein kann, was sie ist, kann das Wesen nicht vor oder unabh¨angig von solchem Heraustreten zur Erscheinung bestehen, sondern allein in Einheit mit dieser Selbstand haben. Der Gang der Wesenslogik l¨asst sich so auf die Qualit¨atslogik abbilden270 . Denn das Wesen ist zun¨achst als unfundiertes Vermitteln oder Setzen noch unbestimmt und entspricht insofern dem Sein, nur dass es Unbestimmtheit nicht als Unmittelbarkeit, sondern als reines Vermitteln ist. Durch Existenz und Erscheinung tritt es sozusagen zum Dasein oder zu Bestimmtheit heraus, die bedingten Selbstand hat, zugleich aber als Erscheinung auf ein anderes verweist, das außerhalb ihrer liegt. Mit der Wirklichkeit ist schließlich das F¨ursichsein des Wesens erreicht, weil es nun weder unabh¨angig von seinem Heraustritt zur Bestimmtheit noch als durch anderes bedingte Bestimmtheit gesetzt ist, sondern als unbedingtes Vermitteln oder Setzen, das sich in seiner Erscheinung auf sich bezieht und sie beherrscht. Die globale Struktur der Wesenslogik und ihre Architektonik l¨asst sich damit folgendermaßen darstellen (zun¨achst in der Terminologie des Setzens, dann in Hegels eigener Ausdrucksweise bezeichnet):
270
Vgl. 11,24237−39.
180
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
reflektiertes Setzen
reines Setzen
unmittelbares Gesetztsein
Setzen
vermitteltes Gesetztsein
Gesetztsein
sichvermittelndes Setzen
sichvermittelndes Gesetztsein
Setzung
unbedingtes Gesetztsein
Sichsetzen Selbstsetzung
Gesetzsein durch sich
Reflexion
Reflexionsbestimmungen
Existenz
Erscheinung als solche Erscheinung
Wesen als Reflexion in sich
wesentliches Verh¨altnis
Grund
Wesen
Absolutes
Wirklichkeit Wirklichkeit
absolutes Verh¨altnis
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
181
In der R¨uckschau auf Seins- und Wesenslogik l¨asst sich nun auch die ihnen eigene Methode (als Art und Weise logischen Fortgangs) vergleichen271 . Auf¨ grund der Unmittelbarkeit des Seins ist der Ubergang von der ersten Bestimmung innerhalb eines seinslogischen Kreises zu ihrer Negation selbst insofern unmittelbar, als er nicht im Herstellen eines Verh¨altnisses dieser Bestimmung zu ihrem Nachfolger, sondern in einem Verschwinden in diesen besteht, das ¨ ¨ Hegel als Ubergehen“ fasst. Dieses Ubergehen ist zwar entfaltendes Aus” dr¨ucklichmachen von solchem, was in der Ausgangsbestimmung schon unausdr¨ucklich angelegt und f¨ur deren Bestimmtheit notwendig ist, ohne an ihr schon abgehoben und angemessen ber¨ucksichtigt zu sein. Zugleich wird in ¨ diesem Ubergang zur Negation die unausdr¨uckliche Unmittelbarkeit des Anfangs selbst erst ausdr¨ucklich und so r¨uckwirkend zwischen einer als unmittelbar gesetzten Bestimmung und einer u¨ bergreifenden unterschieden (1). Der ¨ seinslogische Ubergang einer vermittelten Bestimmung zur konkreten Einheit mit ihrem unmittelbaren Vorg¨anger gleicht zwar schon insofern dem wesenslogischen Fortgang, als die zweite Bestimmung bereits ausdr¨ucklich auf ihren Vorg¨anger bezogen ist. Zugleich erscheint diese Beziehung aber noch als a¨ ußerliche, der gegen¨uber die betreffende Bestimmung selbst¨andig auftritt. Da aber die negative Beziehung auf anderes f¨ur sie konstitutiv ist, obwohl sie zugleich selbst¨andig auftritt, widerspricht sie sich performativ. Selbstand kann daher nur eine u¨ bergreifende Bestimmung beanspruchen, in der die beiden ersten Bestimmungen zu unselbst¨andigen Aspekten herabgesetzt sind. 1
X
1
X
2
X 2
X Im Unterschied zum Sein ist f¨ur die wesenslogischen Verh¨altnisbestimmungen von vornherein der Bezug auf ihre bestimmte Negation definitorisch. Sie sind so ausdr¨ucklich nur dadurch bestimmt, auf ihr Gegenst¨uck bezogen zu sein oder in es zu scheinen. Zugleich ist dieser Bezug insofern ein innerer, als es keinen Sinn ergibt anzunehmen, die betreffende Bestimmung bestehe an sich außerhalb ihres Verh¨altnisses auf oder ihres Scheinens in ihre andere, die Form etwa unabh¨angig vom Inhalt. Insofern wesenslogische Bestimmun¨ Vgl. Ubergehen in Anderes ist der dialektische Prozeß in der Sph¨are des Seins und ” Scheinen in Anderes in der Sph¨are des Wesens“ [TW8,308 Z.]. Vgl. 20,2306−10. 271
182
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
gen so ausdr¨ucklich als Paare ineinander scheinender Bestimmungen auftreten, ¨ beinhaltet der Ubergang vom unmittelbaren zum vermittelten Glied auch keine r¨uckw¨artige Desambiguierung von ersterem, weil dieses von vornherein als unmittelbar gesetzt ist. Da wesenslogische Bestimmungen so an ihnen selbst aufeinander verweisen oder ineinander scheinen, ist das Hinausgehen u¨ ber ein Ka¨ tegorienpaar auch kein Ubergehen, das Unterschiede erst ausdr¨ucklich macht. Der Grund zum Hinausgehen u¨ ber ein wesenslogisches Kategorienpaar ergibt sich vielmehr daraus, dass sie einerseits an ihnen selbst schon zeigen, dass sie f¨ur einander konstitutiv sind, zugleich aber als selbst¨andige Bestimmungen auftreten und sich so performativ widersprechen. Dieser Widerspruch l¨asst sich nur dadurch beheben, dass sie als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung eigenen Charakters gesetzt werden.
X X
1
2
X 2
X Aus der je unterschiedlichen Verfassung des Seins und des Wesens und des zugeh¨origen logischen Fortgangs ergibt sich im Großen ein unterschiedlicher Aufbau von Seins- und Wesenslogik, der r¨uckblickend verglichen werden kann. Weil die Seinslogik n¨amlich die Entfaltung unterschiedlicher Gestalten von Unmittelbarkeit ist, diese in sich aber keine unterschiedlichen Momente enth¨alt, zerf¨allt die Seinslogik in drei gleich gebaute Hauptzyklen, welche die unmittelbare, vermittelte und selbstvermittelte Gestalt von Unmittelbarkeit entwickeln. Die drei Hauptzyklen der Seinslogik sind so gleichsinnig organisiert und, auf je unterschiedliche Weise, alle durch Fortgang von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit und Begrenztheit, das Vergehen des Begrenzten, seine Auslegung zum unendlichen Progress und dessen R¨uckwendung zum Unendlichen als Selbstverh¨altnis im anderen gekennzeichnet. Das Wesen ist als reine Vermittlung dagegen im Unterschied zum Sein in sich aspekthaft und gegliedert. Denn zu Vermittlung geh¨oren als Aspekte Vermitteln, Vermitteltes und ihre u¨ bergreifende Einheit. Entsprechend dieser drei Aspekte des Wesens bilden dessen drei Hauptzyklen keine gleichsinnige Abfolge, an der sich Gemeinsamkeiten ausmachen lassen, welche einer Abfolgeordnung gen¨ugen, die f¨ur alle drei Zyklen gleich ist. Vielmehr bedingt die innere
2.2. Logik des Bestimmens (Wesen)*
183
Asymmetrie des Wesens gerade, dass sich dessen Entwicklung in Unterzyklen selbst asymmetrisch vollzieht: Denn der erste Kreis der Wesenslogik entwickelt das unfundierte Vermitteln f¨ur sich und stellt seine Entfaltung bis zu dem Punkt dar, an dem es u¨ ber sich zu einem in sich durchg¨angig Bestimmten oder Vermittelten hinaustritt, wobei das reine Vermitteln zun¨achst verschwindet. Der zweite Kreis der Wesenslogik, der das Vermittelte als solches darstellt, macht seinen Anfang entsprechend mit einem bedingten und durchg¨angig Vermittelten, in und aus dem das reine Vermitteln erst wieder schrittweise hervortreten muss. Im dritten Kreis ist unbedingtes Vermitteln dann als suisuffizientes Absolutes oder Substanz widerhergestellt. Der logische Fortgang innerhalb des ersten und zweiten Kreises der Wesenslogik vollzieht sich so genau gegenl¨aufig: Der erste Kreis beginnt mit reinem Vermitteln ohne Vermitteltes und endet mit Vermitteltem ohne Vermitteln. Der zweite f¨angt mit solchem Vermittelten an, l¨asst in und aus ihm das Vermitteln schrittweise wieder hervortreten und endet so mit der Wiederherstellung unbedingten Vermittelns, das nun aber im Vermittelten nicht mehr verschwindet, sondern sich darin selbst¨andig erh¨alt. Der dritte Kreis der Wesenslogik entspricht so als Vollgestalt suisuffizienter Vermittlung von seinem Richtungssinn her dem ersten, nimmt dabei nun aber die vermittelte Bestimmtheit, welche im zweiten erreicht wurde, in sein damit selbsttragendes Vermitteln mit hinein. ¨ 2.2.5 Ubergang zum Begriff* Durch ihre logische Entfaltung hat sich die Wirklichkeit als Zusammenhang wechselwirkender Substanzen entpuppt. Deren Unterschied ist jedoch, solange die Substanzen noch nicht als Selbstbestimmungszentren auftreten, noch insta¨ bil und f¨allt in sich zusammen272 . Mit dem Ubergang zum Begriff hat sich das Wesen dagegen als reiner Selbstvermittlungszusammenhang erwiesen, den Hegel als vollkommen durchsichtigen Unterschied“ fasst273 . Darin liegt, dass Un” terschied und Fremdheit, die dem Wesen eigent¨umlich waren, nicht etwa wieder in seinslogischer Unmittelbarkeit verschwinden, sondern nur ihre Undurchsichtigkeit oder Fremdheit gegeneinander verloren haben, indem sie ausdr¨ucklich als unterscheidbare Gestalten eines Selbstvermittlungszusammenhangs gesetzt, und insofern f¨ur einander durchsichtig sind. Der Begriff hebt damit Sein und Wesen auf oder ist Wiederherstellung des Seins aus und im Wesen274 . Denn er erbt die unfundierte Operationalit¨at 272 Vgl.
oben S. 174 Anm. 260 . 11,40932−36. 274 Vgl. Der Begriff ist hiermit die Wahrheit des Seyns und des Wesens, indem das Schei” nen der Reflexion in sich selber, zugleich selbst¨andige Unmittelbarkeit und dieses Seyn verschiedener Wirklichkeit unmittelbar nur ein Scheinen in sich selbst ist“ [20,17421−24], vgl. 20,17519−22; 12,128−12. 273
184
2. Kapitel: Vorstufen selbstdurchsichtigen Sichbestimmens (objektive Logik)
und Verh¨altnishaftigkeit des Wesens, doch erscheint diese in ihm nicht mehr a¨ ußerlich als Fremdverh¨altnis, sondern tritt u¨ ber die zu ihr geh¨orenden Unterschiede hinweg ausdr¨ucklich als Selbstvermittlung auf. Der Begriff ist so reines Sichvermitteln, Sichunterscheiden, Sichbestimmen. In Form des Begriffs ist damit die operationale Wurzel ausdr¨ucklich geworden, welcher der logische Fortgang unausdr¨ucklich von Anfang an entspringt. Sein und Wesen erweisen sich somit r¨uckwirkend selbst als Gestalten des Begriffs oder des Sichbestimmens, das in ihnen nur noch nicht als Sichbestimmen durchsichtig ist: Im Sein erscheint es in Gestalt unmittelbarer Bestimmtheit, die ihre immanente Operationalit¨at nur darin erweist, dass sie von sich her auf ih¨ ren Nachfolger f¨uhrt, ohne dass solches Ubergehen selbst schon ausdr¨ucklich zu ¨ ihrem Gehalt geh¨orte. Im Wesen ist dieses immanente Uberf¨ uhren zwar schon ausdr¨ucklich, f¨uhrt jedoch noch zu Fremdverh¨altnissen und tritt erst im Begriff als Selbstauslegung zu unterschiedlichen Gestalten auf. R¨uckblickend wird damit vom Begriff her die doppelte Einteilung der Logik, einerseits in die Seins-, Wesens- und Begriffslogik, andererseits in die objektive Logik, welche Sein und Wesen zusammennimmt, und die subjektive Logik, verst¨andlich. Denn im Hinblick darauf, ob Selbstbestimmung ausdr¨ucklich ist oder nicht, ergibt sich eine Zweiteilung der Logik275 . Insofern Selbstbestimmung aber sowohl in Gestalt unmittelbarer Bestimmungen, die ineinander ver¨ schwinden, ohne dass dieses Ubergehen selbst zu ihrem Gehalt geh¨orte, wie in Gestalt solchen Bestimmens auftritt, das noch nicht ausdr¨ucklich Selbstbestimmung ist, gliedert sich die objektive Logik, in der selbstbez¨ugliches Sichbestimmen und damit Subjektivit¨at noch nicht thematisch ist, zwanglos in die beiden Sph¨aren des Seins und des Wesens.
275
Vgl. 21,4526–463 ; TW4, 192f.
Kapitel 3
Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik) Mit dem Ausdruck Begriff“ bezeichnet Hegel reines, selbstbez¨ugliches Sich” bestimmen. Der logische Fortgang vom Sein zum Begriff l¨asst sich so darin auf den Punkt bringen, dass Sein als solches reines, selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sei. Was es mit dieser These konkret auf sich hat, muss die folgende Rekonstruktion der Begriffslogik zeigen. Dabei ist einleitend zun¨achst die interne Verfassung des Begriffs als reiner Selbstbeziehung, Selbstbestimmung und Selbstbesonderung zu kl¨aren (3.1). Zweitens ist aufzuzeigen, was ihn mit Begriffen im landl¨aufigen Sinn verbindet, indem er als Urform erwiesen wird, die sowohl besondere logische Formen des Begreifens wie die Begreifbarkeit von Wirklichem vermittels dieser Formen erm¨oglicht (3.2). Drittens ist der Begriff in dieser Funktion kontrastierend mit Kants transzendentaler Apperzeption und die Darstellung seiner Realisierung“ ” oder Selbstobjektivierung mit Kants transzendentalen Deduktion in Beziehung zu setzen, in welche in Hegels Augen noch ein unkritisch vorausgesetztes Moment a¨ ußerlicher Bedingtheit oder Endlichkeit eingeht, das durch Einf¨uhrung des Begriffs u¨ berwunden werden soll (3.2.1). Viertens m¨ussen verschiedene Strategien kritischer Rechtfertigung und Begr¨undung der Unbedingtheit des Begriffs diskutiert werden (3.2.2), bevor f¨unftens die Natur seiner Realisierung sowie die Art und Weise ihrer begriffslogischen Rekonstruktion betrachtet ¨ (3.2.3) und die Einteilung der Begriffslogik im Uberblick umrissen wird (3.2.4).
3.1 Der Begriff als unbedingtes selbstbez¨ugliches Sichbestimmen Indem alle Unmittelbarkeit der Substanzen gegeneinander und alle Fremdheit oder Vermitteltheit in ihrem Verh¨altnis verschwunden ist, besteht der Begriff in nichts als reiner Selbstbeziehung. Er bildet damit die minimale ontologische oder formale Wurzel des Selbstbewusstseins – noch unabh¨angig von dessen raum-zeitlicher Verk¨orperung. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff deshalb
186
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
nicht mit dem Selbstbewusstsein – sei dieses empirisch oder rein – gleichgesetzt werden darf, weil zum Selbstbewusstsein nach Hegel notwendig Bestimmtheit, Vereinzelung und Verleiblichung und damit abh¨angiger Selbstand oder Existenz im Hegelschen Sinn geh¨oren. Das Selbstbewusstsein ist als realphilosophische Kategorie also nicht mit dem Begriff gleichzusetzen, sondern bildet nur den Begriff, insofern er als Begriff zum Dasein gekommen ist“, n¨amlich als selbst” bez¨ugliches Sichbestimmen raumzeitlich vereinzelt auftritt. Was der Begriff ist, l¨asst sich daher nicht vom Selbstbewusstsein her kl¨aren, sondern dieses gibt nur einen ersten Anhaltspunkt daf¨ur ab, wo und wie der Begriff als solcher innerhalb des Ganzen der Realit¨at hervortritt, die als Sph¨are seiner zeitlosen Selbstauslegung zu verstehen ist1 . Die dem Selbstbewusstsein zukommende Selbstbeziehung l¨asst sich gem¨aß Fichtes Kritik am Reflexionszirkel, welche Hegel teilt, nicht als reflexive Relation verstehen, weil dadurch gar keine Selbstbeziehung, sondern nur eine Beziehung desselben bezeichnet ist2 . F¨ur Selbstbewusstsein und Selbstbeziehung reicht es aber nicht aus, dass etwas auf es selbst bezogen ist, sondern vielmehr muss es sich so auf sich beziehen, dass es f¨ur sich selbsthaft ist. Die Beziehung auf sich kann daher als solche keine a¨ ußere, sondern muss eine innere Beziehung sein. Dies bedeutet gerade nicht, Selbstbeziehung sei u¨ berhaupt keine Beziehung, sondern etwas rein Unmittelbares3. Denn reine Unmittelbarkeit hat sich l¨angst schon als Nichts, Werden, Dasein etc. erwiesen und aufgehoben. Dass Selbstbeziehung nicht als nachtr¨agliche, fundierte Beziehung von etwas verstanden werden kann, bedeutet daher nicht, die logische Form des Selbstbewusstseins k¨onne u¨ berhaupt keine Beziehung einschließen, wie in der sogenannten Heidelberger Schule des Selbstbewusstseins“ (Henrich, Pothast, ” Frank), gelegentlich mit polemischer Stoßrichtung gegen Hegel, behauptet wurde, weil Selbstbewusstsein so als reine Unmittelbarkeit im w¨ortlichen Sinne zu ” 1 So f¨uhrt Hegel aus: Ich beschr¨anke mich hier auf eine Bemerkung, die f¨ur das Auffas” sen der hier entwickelten Begriffe dienen kann und es erleichtern mag, sich darein zu finden. Der Begriff, insofern er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frei ist, ist nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein. Ich habe wohl Begriffe, d. h. bestimmte Begriffe, aber Ich ist der reine Begriff selbst, der als Begriff zum Daseyn gekommen ist“ [12,175−10]. Existenz aber meint nach Hegels Verst¨andnis Hervorgegangensein aus einem Grund und damit abh¨angigen Selbstand. Daher ist das Selbstbewußtsein eben der daseyende, also empirisch ” wahrnehmbare Begriff“ [12,19424−25]. Es ist darum ein Schritt in die falsche Richtung, den Begriff mit Pippin in terms of self-consciousness“ [P IPPIN 1989: 232] verstehen zu wollen, ” statt umgekehrt self-consciousness in terms of the notion“, n¨amlich als spezifische Auspr¨agung ” unbedingten, selbstbez¨uglichen Sichbestimmens. 2 Zu Fichtes Kritik am Reflexionszirkel vgl. die Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre sowie H ENRICH 1967. 3 So f¨ uhrt Hegel etwa im Zusammenhang seiner Fichtedeutung aus: Dieser Begriff, der ” unmittelbar Wirklichkeit, und diese Wirklichkeit, die unmittelbar Begriff ist, und zwar so, daß nicht ein dritter Gedanke u¨ ber diese Einheit ist, noch daß es eine unmittelbare Einheit ist, welche den Unterschied, die Trennung nicht an ihr h¨atte, ist Ich“ [TW20,389].
3.1. Der Begriff als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen
187
Nichte“ w¨urde4 . Selbstbeziehung kann damit nicht angemessen als Unmittelbarkeit gedacht werden, sondern beinhaltet notwendig Beziehung und Vermittlung. Vermittlung aber involviert Unterschied und damit Negation, insofern sie eine Bewegung von einem zu anderem markiert, das nicht schlichtweg das Erste ist – nur, dass es im Fall von Selbstbeziehung zugleich doch wieder das Erste sein soll. Zur Selbstbeziehung ist daher n¨otig, dass das Vermittelnde und das Vermittelte streng dasselbe und damit nicht als Erstes und Zweites unterscheidbar sind. Selbstbeziehung muss daher eine Bewegung markieren, die bei sich ankommt oder ihren eigenen Anfang erst erzeugt, und kann daher nur als reine R¨uckkehr in sich gedacht werden, also nicht als nachtr¨agliche R¨uckkehr zu etwas, das schon unabh¨angig von dieser R¨uckkehr besteht, sondern als solches, was nur als seine R¨uckkehr ist. Etwas anders betrachtet ist zur Selbstbeziehung Unterschied verlangt, da zu ihr Vermittlung geh¨ort. Da aber Selbstvermittlung gedacht werden soll, muss der Unterschied sozusagen instantan negiert oder zur¨uckgenommen werden. Selbstbeziehung ist daher ineins das Treffen und Zur¨ucknehmen einer Unterscheidung oder, wie Hegel auch sagt, ein Unterschied, der keiner ist“ 5 . ” Mit dieser paradoxen Bestimmung ist ausgedr¨uckt, dass Selbstbeziehung weder einfach in Unmittelbarkeit noch in einer nachtr¨aglichen Gleichsetzung von zun¨achst Beziehungslosem bestehen kann. Vielmehr beinhaltet Selbstbewusstsein als Beziehung zwar Unterschied, der aber zugleich, und nicht erst nachtr¨aglich, aufgehoben ist. Selbstbeziehung ist so Setzen und ineins damit Zur¨ucknehmen eines Unterschieds und darum Unterscheidung, die keine ist. Selbstbeziehung meint also einen Ausgang, der zugleich und ineins R¨uckkehr ist und damit reine R¨uckkehr in sich6 . Sie kann somit u¨ berhaupt nur als Ausgang oder Negation verstanden werden, die sich unmittelbar selbst tilgt, 4 So erkl¨ art Manfred Frank etwa daß, wenn einmal eine Dualit¨at von Momenten in die ” Dimension des Selbstbewußtseins eingef¨uhrt ist, ihre Pr¨areflexivit¨at nicht mehr erkl¨art werden kann“ [F RANK 1991a: 448f.]. Der Schluß, den eine zirkelfreie Theorie von Subjekti” vit¨at zu ziehen h¨atte, w¨are aber, daß Subjektivit¨at u¨ berhaupt kein Fall von Beziehung ist“ [F RANK 1991a: 583]. Wenn Frank Hegel dementsprechend vorwirft, er habe Selbstbewusstsein und Selbstbeziehung f¨alschlich nicht als reine Unmittelbarkeit gedacht, besteht dieser Vorwurf aber bloß darin, ihm vorzuwerfen, beim Nachdenken u¨ ber Selbstbewußtsein nicht auf das Denken verzichtet zu haben. Was es mit reiner Unmittelbarkeit auf sich hat und dass diese am allerwenigsten geeignet ist, einen tragf¨ahigen Begriff des Selbstbewusstseins abzugeben, davon ist der Beginn der Seinslogik der beredte Nachweis. Dort wird zugleich gezeigt, inwiefern selbst in reiner Unmittelbarkeit Vermittlung steckt, insofern sie es an sich hat, sich unmittelbar ins Nichts zu entstellen. 5 Vgl. Ich ist identisch mit seinem Unterschiede, aber so, daß das Unterschiedene unmit” telbar dasselbe ist und das Identische ebenso unterschieden ist; das ist Unterschied, der keiner ist“ [TW20,395; vgl. TW3,198]. 6 Damit schließe ich an Peter Reisingers treffende Formulierung an: Der Ausgang von ” sich ist eine R¨uckkehr zu sich“ [R EISINGER 1987: 247]. Nur w¨are genauer nicht von einem Ausgang von sich“ zu sprechen, da damit in der Strukturbestimmung des Selbst der Selbstbe”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
und damit als selbstanwendende Negation. Selbstbeziehung und Subjektivit¨at sind deshalb nach Hegel ihrer logischen Form nach als selbstbez¨ugliche Negation zu bestimmen und ein Selbst daher wesentlich negative Einheit mit sich“ 7 . ” Selbstbeziehung beinhaltet somit Negation und Unterschied, aber derart, dass sie ihren Unterschied aus sich bezieht und deshalb operational verfasst ist. Nun ist f¨ur Selbstbeziehung Unterscheidung ebenso sehr verlangt wie der absolute Zusammenfall der Unterschiedenen. Der verlangte Unterschied ist daher einer, der zugleich keiner ist, und kann deswegen nur aspektuell und fl¨uchtig sein. Zur Selbstbeziehung geh¨ort deshalb notwendig selbstanwendende Operationalit¨at oder reines Sichbestimmen. Denn dieses schließt noch vor aller Auslegung zur Bestimmtheit Unterschied ein, der keiner ist, weil es nicht Selbstbestimmung von etwas ist, als unbestimmtes Sichbestimmen jedoch einen Aspektunterschied von Operation und Operandum beinhaltet, die in ihm zugleich schlechthin zusammenfallen. Selbstbeziehung ist daher wesentlich selbstanwendende Operationalit¨at. Die Tatsache, dass Selbstbeziehung und Selbstbewusstsein mit spontaner T¨atigkeit einhergehen, ist deshalb nichts, was zu einem vermeintlich statischen Bezogensein auf sich bloß zus¨atzlich hinzuk¨ame. Der Begriff markiert damit aber zun¨achst kein fundiertes Sichbestimmen von etwas, das von diesem Sichbestimmen verschieden w¨are, sondern reines oder unfundiertes Sichbestimmen8. Die Rede von einer Selbstbestimmung des ” Begriffs“ kann daher irref¨uhren, sofern das Tautologische an ihr unbemerkt bleibt. Denn der Begriff ist nicht etwas, dem unter anderem auch die Eigenschaft zukommt, sich zu bestimmen, sondern meint zun¨achst nichts weiter als reine Selbstbestimmung. Solches Sichbestimmen ist insofern selbstanwendend, als es eine T¨atigkeit oder Operation darstellt, die keines von ihr verschiedenen Operandums bedarf, auf das sie erst anzuwenden w¨are, sondern ihr eigenes Operandum bildet und sich dergestalt von sich her in ein vom Ausgangspunkt unterschiedenes Resultat u¨ berf¨uhrt, in dem sie sich zugleich erh¨alt. Dass Hegel den Begriff derart als unbedingte selbstanwendende Operationalit¨at versteht, kommt etwa in seiner einleitend schon zitierten Bemerkung zum Ausdruck, daß der Gedanke und n¨aher der Begriff die unendliche Form oder die freie, ” sch¨opferische T¨atigkeit ist, welche nicht eines außerhalb ihrer vorhandenen zug schon vorausgesetzt w¨are, sondern zu sagen: Das Sich ist Ausgang, der zugleich und ineins R¨uckkehr ist, ein Selbst ist nur als reine R¨uckkehr. 7 Vgl. 21,10322−29; 21,24720−23. Die Einsicht in Hegels These von der negativen Ein” heit des Selbst“ besteht darin, dass Selbstbeziehung als Ausgang, der zugleich R¨uckgang ist, notwendig zugleich das Setzen und Aufheben von Unterschied involviert und somit Negation, die nicht erst sekund¨ar auf sich bezogen wird, sondern sich unmittelbar selbst tilgt. 8 Hegel kann den Begriff insofern auch als unendliche Beziehung auf sich“ fassen, ” n¨amlich nicht als Selbstbeziehung von solchem, was zugleich andere Bestimmtheit aufweist, die seiner Selbstbeziehung fremd und damit begrenzend gegen¨ubersteht: Die unendliche Be” ziehung des Begriffes auf sich selbst ist als die Negativit¨at das Selbstbestimmen“ [12,18220−21].
3.1. Der Begriff als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen
189
Stoffs bedarf, um sich zu realisieren“ 9 . Insofern die selbstbez¨ugliche Negation aber die Grundform solcher selbstanwendender Operationalit¨at markiert, kann Hegel den Begriff gerade auch als sich auf sich beziehende Negation“ oder ” absolute Negativit¨at“ charakterisieren10 . ” Da Selbstbeziehung notwendig selbstanwendende Operationalit¨at ist, kann es nicht einfach beim Unterschied, der keiner ist, bleiben. Vielmehr hat Selbstbeziehung es als selbstanwendende Operationalit¨at oder reines Sichbestimmen an sich, selbstinduziertes Setzen von neuer Bestimmtheit zu sein. Da aber mit dem Begriff die Vollgestalt selbstanwendender Negativit¨at erreicht und diese als Selbstbestimmung durchsichtig geworden ist, kann derartiges Setzen nicht ¨ mehr als Ubergang oder Scheinen in anderes auftreten, sondern ist als Selbstanreicherung mit Bestimmtheit ausdr¨ucklich, die sich in ihren je unterschiedlich bestimmten Gestalten nicht verliert, sondern sie selbst bleibt11 . Eine selbstanwendende Operation bildet n¨amlich ihre eigene Eingabe und f¨uhrt entsprechend von sich her zu einer Ausgabe12 . Diese wird von der Eingabe zwar unterschieden, nicht aber verschieden, sondern mit jener prozessual identisch sein. Denn die Operation u¨ berf¨uhrt ja sich selbst in dieses Resultat. Eine solche Operation kann sich in ihrem Prozessieren daher nicht verlieren und ist deshalb notwendig Selbstentfaltung. Geht man n¨amlich vom Begriff als noch unentwickelter selbstanwendender Operation aus, dem bloßen Skelett einer solchen, kann sich die Ausgabe von der Eingabe nicht durch Tilgung von Bestimmtheit unterscheiden, da sonst das Resultat nicht einmal mehr das Skelett selbstanwendender Operationalit¨at w¨are. Daher kann der Unterschied nur darin bestehen, dass die Ausgabe gegen¨uber der Eingabe Bestimmtheit hinzugewonnen hat. Daher ist das Operieren der selbstanwendenden Operation notwendig Selbstbestimmung und als selbstinduzierte Anreicherung mit Bestimmtheit Selbstbesonderung. Es liegt somit in der Natur reiner Beziehung auf sich, nicht statisch und unbestimmt zu bleiben, sondern sich, weil zu Selbstbeziehung selbstanwendende Operationalit¨at geh¨ort, zu besonderen Gestalten aus9
TW8,313 Z2. Vgl. oben Abschnitt 1.3.3. 11 Vgl. Beym Begriffe aber wurde gezeigt, daß wenn er in Beziehung auf Beharrlich” keit, Unzerst¨orbarkeit, Unverg¨anglichkeit betrachtet wird, er vielmehr darum das an und f¨ur sich seyende und Ewige ist, weil er nicht die abstracte, sondern concrete Einfachheit, nicht sich auf sich abstract beziehendes Bestimmtseyn, sondern die Einheit seiner selbst und seines andren ist, in das er also nicht so u¨ bergehen kann, als ob er sich darin ver¨anderte, eben darum, weil das Andre, das Bestimmtseyn, er selbst ist, und er in diesem Uebergehen daher nur zu sich selbst kommt“ [12,19536–1964.]. Peter Reisinger charakterisiert den Begriff, treffend als Selbsttransformation des absoluten Orts“ [R EISINGER 1987: 246] und damit als immanentes ” Sichverschieben, das zugleich an jedem Ort wieder bei sich ankommt. 12 Vgl. Von der speculativen Idee aus aber ist es ihr Selbstbestimmen, welches als die ” absolute Negativit¨at oder Bewegung des Begriffs urtheilt und sich als das Negative seiner selbst setzt“ [20,22910−12]. 10
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
zulegen. Als selbstanwendende Operationalit¨at hat der Begriff es damit an sich, sich von sich abzustoßen, ohne sich zu verlieren13 . Zu Selbstbeziehung geh¨ort ¨ daher notwendig ein Sich-als-anderes-setzen. Diese Uberlegung ist keine formale Spielerei, sondern die logische Begr¨undung daf¨ur, dass Selbstbewusstsein, Subjektivit¨at oder Geist, in Gestalt derer sich der Begriff real auspr¨agt, nichts Regloses bezeichnen, sondern sch¨opferische Bewegtheit in sich, die sich zu besonderen Gestalten auslegt, deren logische Formen Hegel im weiteren Verlauf der Begriffslogik zu entwickeln sucht. Dabei wird sich zeigen, dass es Selbstbeziehung selbst a priori eingeschrieben ist, ihr reales Bestehen in Form von leibhaftigen Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens zu haben, die in und aus einem organisierten Kontinuum hervortreten und sich durch Formen seelischer und geistiger T¨atigkeit auszeichnen. F¨ur solche T¨atigkeitsformen bildet die reine Selbstbeziehung des Begriffs den operationalen Keim oder, wie Hegel auch sagt, den Quellpunkt“. ” Insofern dem Begriff als noch ungestaltetem Sichbestimmen aber zun¨achst nichts Reales entspricht, scheint er f¨ur ein philosophisches Begreifen handfester Realit¨at nichts herzugeben, sondern bloß fragw¨urdige Setzung einer obsoleten Metaphysik zu sein. So verfehlt wie diese Annahme ist es umgekehrt, zu glauben, Hegels Begriffslogik lasse sich vom Vorwurf postulativer Metaphysik nur dadurch reinigen, dass man den Begriff sogleich im Sinn von Bekanntem deutet, sei es als Selbstbewusstsein wie in Pippins transzendentalphilosophischer Auslegung14 oder, Brandoms Lesart entsprechend, als Inbegriff inferentieller Z¨uge im intersubjektiven Spiel des Gebens und Nehmens von Gr¨unden15 . Dabei wird u¨ bersehen, dass der Begriff weder, wie eine dogmatisch metaphysische Deutung voraussetzt, weltabgetrenntes Bestehen f¨ur sich hat, noch, wie die nichtmetaphysische Deutung meint, unmittelbar mit einem bestimmten Aspekt der Wirklichkeit gleichzusetzen ist. Die Bedeutung der Begriffslogik besteht dagegen weder darin, eine ganz andere Wirklichkeit zu postulieren, noch darin, bloß einen bestimmten Aspekt vertrauter Wirklichkeit zu bezeichnen, sondern darin, durch eine Entfaltung von Grundbestimmungen der Wirklichkeit als Formen des Sichbestimmens den ontologischen Horizont des Ganzen in den Blick zu bringen. Wird der Begriff nicht von vornherein einschr¨ankend mit anderw¨arts her Bekanntem gleichgesetzt, kann seine begriffslogische Entfaltung ergeben, dass sich reines Sichbestimmen immer schon unzeitlich zu einem nomologisch determinierten Kontinuum ausgelegt hat, das durch physikalische, chemische und protobiologi13 In der Rechtsphilosophie heißt es pr¨ agnant: Ich bestimmt sich, indem es die Beziehung ” der Negativit¨at auf sich selbst ist“ [TW7,54]. 14 Vgl. P IPPIN 1989: 175ff. und P IPPIN 2001. 15 So kennzeichnet Brandom den Begriff als the whole evolving constellation of claims ” and concepts, of doxastic incompatiblity and inferential committments“ [B RANDOM 2005: 141; vgl. B RANDOM 2002: 211].
3.1. Der Begriff als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen
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sche Organisationsformen ausgezeichnet ist und in und aus dem notwendig eine Mannigfaltigkeit von Zentren seelischen und geistigen Sichbestimmens hervortritt. Obwohl die logische Entfaltung des Begriffs so darauf f¨uhren wird, dass dieser als solcher nur in Gestalt von seelischem und geistigem Sein existiert, l¨asst sich dessen Ort im Ganzen wie die ontologische Form seiner Vollz¨uge nur dann angemessen verstehen, wenn der Begriff nicht schon von vornherein als Inbegriff subjektseitiger Vollz¨uge oder ihres semantischen Gehalts gedeutet wird. Logisch markiert der Begriff zun¨achst vielmehr bloß reine Selbstbeziehung, die als solche und damit als Selbstbestimmung ausdr¨ucklich ist. Zwar bilden auch Sein und Wesen Gestalten reiner Beziehung auf sich, weshalb die Logik in all ihren Teilen eine Theorie der Selbstbeziehung ist, nur dass diese zun¨achst noch nicht als Selbstbeziehung und Selbstbestimmung ausdr¨ucklich ist, sondern als Unmittelbarkeit und Vermittlung erscheint16 . Die Einteilung in Seins-, Wesens- und Begriffslogik liefert so eine vollst¨andige Darstellung der m¨oglichen Formen von Selbstbeziehung. Denn wenn Selbstbeziehung als selbstanwendende Operationalit¨at wesentlich Selbstvermittlung ist, kann sie entweder ausdr¨ucklich als Sichvermitteln auftreten oder in Gestalt ihrer Aspekte Unmittelbarkeit und Vermittlung. Selbstbeziehung muss n¨amlich als absolute Einheit von Unmittelbarkeit und Vermittlung gedacht werden, da sie weder in der nachtr¨aglichen Vermittlung eines Unmittelbaren noch in einem Vermitteln, dessen Relata erst nachtr¨aglich identifiziert werden, bestehen kann. Vielmehr ist Selbstbeziehung als solche unmittelbar schon Vermittlung oder Ausgang von und zugleich R¨uckkehr zur Unmittelbarkeit. Daraus ergibt sich eine Dreigliederung der Gestalten von Selbstbeziehung, die vollst¨andig ist, weil sie ihren Einteilungsgrund aus der Selbstbeziehung selbst bezieht: 1. Selbstbeziehung als Unmittelbarkeit (Sein), die ihren Selbstbeziehungs¨ charakter nur in Umschlag und Ubergang, also im selbstinduzierten Verschwinden in anderes erweist. 2. Selbstbeziehung als Vermittlung (Wesen), die selbstanwendendes Setzen von anderem markiert und noch nicht als Selbst¨uberf¨uhrung in anderes ausdr¨ucklich ist. 3. Selbstbeziehung als Selbsvermittlung, in Gestalt derer ausdr¨ucklich ist, was sich an den anderen Gestalten nur zeigt, n¨amlich die Selbstanreicherung mit Bestimmtheit. Selbstbeziehung ist in der Seins- und Wesenslogik damit nur momenthaft thematisch, indem untergeordnete Aspekte ihrer selbst im Vordergrund stehen, w¨ahrend sich ihr Selbstbestimmungscharakter nur an dem zeigt, was mit den logischen Bestimmungen vor sich geht, n¨amlich ihrer Selbst¨uberf¨uhrung in wei16 Peter Reisinger zufolge ist Logik die einzige explizit geschriebene Theorie der Selbst” beziehung“ [R EISINGER 1987: 247]. Insofern Selbstbeziehung die logische Wurzel des Selbstbewusstseins ist, l¨asst sich die Logik mit Konrad Cramer auch als Theorie des Selbstbewusstseins fassen, in der das Selbstbewusstsein selbst noch gar nicht thematisch ist, sondern nur seine logische Form, vgl. C RAMER 1974: 599ff.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
tere Bestimmungen. Nun ist die Selbstbeziehung des Begriffs als reines Sichbestimmen oder selbstanwendende Negation unfundiert und der Begriff insofern unbedingt. Denn da das Operandum der selbstbez¨uglichen Negation sie selbst ist, ist ihr nichts Bestimmtes oder Substantielles vorgegeben. Dass absolute Negativit¨at unfundiert ist, bedeutet, dass sie immer nur sich selbst einfaltet: = ¬(¬(¬(...))). In Hegelscher Begrifflichkeit k¨onnte man dies auch so ausdr¨ucken, dass das Subjekt“ als unendliche Beziehung auf sich die Substanz“, verstan” ” den als selbsttragende Totalit¨at von Bestimmungen, erst fundiert, indem es sich unzeitlich zu ihr auslegt. Der Begriff bildet als unbedingtes Sichbestimmen so zugleich die angemessene Gestalt und Bestimmung von Unendlichkeit17 . Unendlich ist er nicht nur deshalb, weil selbstanwendende Operationalit¨at sich selbst einfaltet und so als in sich aktual unendliche Verschachtelung von Negationen ohne erstes Anfangsglied dargestellt werden kann. Vielmehr beinhaltet der Begriff als reine Selbstbestimmung die unersch¨opfliche operative Kapazit¨at zur Setzung neuer Bestimmtheit, da er das Sichauslegen zu neuen Gestalten ist, in denen er sich als selbstanwendende Operationalit¨at nicht verliert, sondern erh¨alt, weil er sich selbst in diese Gestalten u¨ berf¨uhrt, sodass diese seine selbstanwendende Operationalit¨at erben. Insofern der Begriff derart Selbstgestaltung ist, hat er seine besonderen Gestalten nicht einfach außer sich als Fremdes, an dem er sein Ende h¨atte. Der Begriff bildet so die logische Keimzelle f¨ur eine angemessene Bestimmung von Unendlichkeit, denn er beinhaltet als Selbstauslegung zu bestimmten Gestalten ebenso sehr echte Unterschiede, wie diese ihm nicht einfach fremd gegen¨uberstehen und ihn fix begrenzen. Die konkreten Weisen, wie selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich in von ihm unterschiedenem Bestimmtem auf sich beziehen und insofern unendlich sein kann, werden freilich erst im Ideeabschnitt entwickelt. Insofern alle vorangegangenen logischen Bestimmungen sich in den Begriff aufl¨osen und damit zeigen, dass sie in Wahrheit Gestalten des Begriffs sind, ohne zun¨achst als solche ausdr¨ucklich gewesen zu sein, und der Begriff sich als Selbstbestimmung umgekehrt zu einem Zusammenhang besonderer Gestalten auslegt, sind all diese Bestimmungen Gestalten oder Modifikationen von Selbstbestimmung18. Als Entfaltung der Gestalten unbedingter Selbstbestim17 So ist aus Hegels Vorlesung zur Geistphilosophie von 1825 der Ausspruch u ¨ berliefert: Die Unendlichkeit ist nur dieß sich zu bestimmen“ [25/1,20614]. In der Rechtsphilosophie ” heißt es: Der Erweis und die n¨ahere Er¨orterung dieses Innersten der Spekulation, der Unend” lichkeit als sich auf sich beziehender Negativit¨at, dieses letzten Quellpunktes aller T¨atigkeit, Lebens, Bewußtseins, geh¨ort der Logik als der rein spekulativen Philosophie an“ [TW7,55], und in dieser steht: Die unendliche Beziehung des Begriffes auf sich ist als die Negativit¨at das ” Selbstbestimmen“ [12,18220−21], vgl. auch TW11,530. 18 Die in der spekulativen Philosophie vollzogene theoretische Rekonstruktion der Entfaltung des Begriffs thematisiert damit solches, dessen Selbstentfaltung der Prozess der Wirklichkeit insgesamt ist, der sich die Philosophie selbst einordnet: Diese geistige Bewegung, die ”
3.1. Der Begriff als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen
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mung ist Hegels Logik damit ein System der Freiheit“, das die Mannigfaltigkeit ” des Wirklichen als mannigfache Gestalten von Selbstbestimmung zu erweisen sucht. Daraus folgt aber nicht, alles sei frei, da sich im Zuge der Begriffslogik sich selbst fremde Formen von Selbstbestimmung ergeben. Entscheidend ist daher nicht die abstrakte und daher mißverst¨andliche Generalthese, alles sei Gestalt von Selbstbestimmung, sondern die M¨oglichkeit, apriorisch besondere Formen von Wirklichkeit als Formen von Selbstbestimmung und damit am Ende auch Formen geistigen Seins, die Gestalten von Freiheit im eigentlichen Sinn markieren, aus dem Begriff zu entwickeln. Mit diesem Programm kn¨upft Hegel an Fichte und Schelling an, insofern es ein wesentliches Anliegen der klassischen deutschen Philosophie nach Kant war, die Wirklichkeit insgesamt aus dem Ich“ zu begreifen, oder, mit Schel” ling zu sprechen, das Ich zum Prinzip der Philosophie“ zu machen, und zwar ” kein individuelles Ich, sondern unbedingte Ichheit u¨ berhaupt19 . Hegels Begriffslogik l¨ost dieses Programm im Rahmen kritischer Ontologie und damit unanf¨allig gegen¨uber dem Vorwurf dogmatisch metaphysischer Voraussetzungen ein. Liegt an der Wurzel des endlichen Ich die reine Selbstbeziehung, die sich als u¨ berpers¨onliche selbstanwendende Operationalit¨at fassen und in ihrer unzeitlichen Auslegung zum Universum ansatzweise rekonstruieren l¨asst, wird das Programm, alles aus dem Ich abzuleiten, verst¨andich. Hegels Begriffslogik kann so in Kontinuit¨at mit einer philosophischen Tradition gesehen werden, die sie zugleich in entscheidenden Punkten verwandelt und angemessener einzul¨osen sucht. Wichtig ist dabei nicht nur, dass er das Absolute im Gefolge Schellings nicht als Selbstbewusstsein oder in einer Gestalt fasst, die als einseitig subjektiv gelten k¨onnte, sondern es dem Gegensatz von Subjektivem und Objektivem, der ihm erst entspringen soll, vorg¨angig fasst. Entscheidend ist vielmehr, dass Hegel Selbstbeziehung operationalisiert, indem er sie als selbstbez¨ugliche Negation fasst, und so als Form darzustellen vermag, die ihren Inhalt aus sich erzeugt, n¨amlich als selbstanwendende Operationalit¨at, die sich ohne a¨ ußere Zusatzannahmen auf theoretisch nachvollziehbare Weise zu Grundbestimmungen des Wirklichen entfalten l¨asst20 . Weil Selbstbeziehung solche Entfaltung aufgrund ihres operationalen Charakters selbst eingeschrieben ist, muss Hegel dabei nicht wie Fichte a¨ ußerlich ein Nicht-Ich ins Spiel sich in ihrer Einfachheit ihre Bestimmtheit und in dieser ihre Gleichheit mit sich selbst gibt, somit die immanente Entwicklung des Begriffs ist, ist die absolute Methode des Erkennens und zugleich die immanente Seele des Inhaltes selbst“ [21,816−19]. 19 Vgl. Fichte, GAI2,5518−22 und GAI2,255ff.; Schelling, SWI,149ff. 20 Vgl. Die oberfl¨ achliche Ansicht jeder meiner Schriften, schon der Ph¨anomenologie ” des Geistes, die im Jahre 1807, noch mehr meiner Logik, die im Jahre 1811ff. erschien, w¨urde zeigen, daß darin alle Formen, sie m¨ogen als Formen des Daseins oder des Denkens genommen werden, sich in denselben Begriff aufl¨osen, der nicht nur als Mittelpunkt von allem daselbst l¨angst vorgetragen, sondern erwiesen ist“ [TW11,240].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bringen oder, wie Schelling, einen theoretisch unbegreifbaren Sprung von absoluter Identit¨at zu besonderen Bestimmungen oder Potenzen“ annehmen, die ” zwar in jener entspringen sollen, ohne dass immanent angebbar w¨are, wie dies geschieht. Daraus, dass Hegel unbedingte Selbstbeziehung als selbstanwendende Operationalit¨at, reines Sichbestimmen oder absolute Negativit¨at fasst, folgt zugleich, dass sie anders als Schellings absolute Indifferenz keinen eigenen Selbstand jenseits der besonderen Gestalten, zu denen sie sich auslegt, beanspruchen kann, weil sie allein als Selbstauslegung zu solchen Gestalten bestimmt ist. Dass der Begriff nicht jenseits, sondern allein in den besonderen Gestalten, zu denen er sich auslegt, besteht, ergibt sich schon daraus, dass Hegel ihn als absolute Form“ fasst21 . Denn eine absolute Form meint solches, was ” Inhalte nicht bloß a¨ ußerlich einrahmt, sondern aus sich erzeugt22 . Hegels Rede vom Begriff als absoluter Form“ und der Logik als ihrer theoretischen Darstel” lung meint also nichts anderes als das, was hier frei rekonstruierend als selbstanwendende Operationalit¨at eingef¨uhrt wurde. In der Bestimmung des Begriffs als absoluter Form liegt aber gerade, dass dieser, als Form, kein selbst¨andiges Bestehen unabh¨angig von einem korrelativen Inhalt, zu dem er sich auslegt, besitzen kann. Der Begriff hat entsprechend keinen unmittelbaren seinslogischen Bestand, sondern nur in Form seiner besonderen Gestalten und zuh¨ochst in derjenigen u¨ bergreifenden Einheit mit ihnen, die Hegel als Idee“ bezeichnet und ” die sich real als Geist auspr¨agt: Man h¨ort nichts gew¨ohnlicher sagen, als daß der Begriff etwas Abstractes ist. Diß ist theils ” in sofern richtig, als das Denken u¨ berhaupt und nicht das empirisch concrete Sinnliche sein Element, theils als er noch nicht die Idee ist. In sofern ist der subjective Begriff noch formell, jedoch gar nicht als ob er je einen andern Inhalt haben oder erhalten sollte als sich selbst. Als die absolute Form ist er alle Bestimmtheit, aber wie sie in ihrer Wahrheit ist. Ob er also gleich abstract ist, so ist er das Concrete, und zwar das schlechthin Concrete, das Subject als solches. Das Absolut-Concrete ist der Geist, – der Begriff, insofern er als Begriff, sich unterscheidend von seiner Objectivit¨at, die aber des Unterscheidens unerachtet die seinige bleibt, existirt“ 23 .
Da Existenz Hervorgegangensein aus einem Grund meint, hat der Begriff selbst¨andiges Bestehen als solcher damit allein in Gestalt von Zentren geistigen Sichbestimmens, die aus einem Objektkontinuum leibhaftig hervortreten und dieses erkennend und handelnd in eine geschichtliche Welt des Geistes 21 Vgl. Diese absolute Form hat an ihr selbst ihren Inhalt oder Realit¨ at; der Begriff, indem ” er nicht die triviale, leere Identit¨at ist, hat in dem Momente seiner Negativit¨at oder des absoluten Bestimmens die unterschiedenen Bestimmungen; der Inhalt ist u¨ berhaupt nichts anderes als solche Bestimmungen der absoluten Form, – der durch sie selbst gesetzte, und daher auch ihr angemessene Inhalt“ [12,2534−38]. 22 So ist der Begriff laut Hegel als absolute Negativit¨ at das Formierende und Erschaffen” de“ [12,353−9]. 23 20,18020−30.
3.1. Der Begriff als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen
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verwandeln. Mit Hegels Begriff des Begriffs ist es daher unvereinbar, dass er als selbst¨andiges Unbedingtes jenseits seiner zeitlosen Ausgelegtheit zu einem Universum bestehen bleibt, in und aus dem er als Geist hervortritt. Der logische Fortgang vom Begriff zur Idee zeichnet dabei Natur und Geist apriorische Strukturen vor, noch ungeachtet von zufallsbestimmter Raum- und Zeitlichkeit, die erst mit der Selbstauslegung der Idee zur Natur ins Spiel kommt. Spekulation heißt so gerade, alles Reale im Hinblick auf die und als Auspr¨agung der absoluten Form zu betrachten24 . Spekulation ist dabei aber keine reduktive Zur¨uckf¨uhrung, weil sie Komplexes nicht bloß als Zusammensetzung von Einfachem fasst oder einer abstrakten Form unterordnet. Sie bestimmt und entwickelt vielmehr das Bestimmte und Endliche als Selbstausfaltung des Unendlichen. Dabei hat sie nicht den Anspruch, alles Einzelne aus der Form erkl¨aren zu k¨onnen, sondern aus dieser kategoriale Grundbestimmungen des Wirklichen, die zum Sein als solchem geh¨oren, apriorisch herzuleiten. Aus der Form ergibt sich n¨amlich, dass sie sich immer schon zu einer Sph¨are von solchem ausgelegt hat, was in seiner Einzelheit nicht aus ihr begriffen werden kann. Die Form ist nach diesem Aspekt ein Zufallsgenerator, der sich real nicht in Form durchg¨angig a priori herleitbarer Gestalten, sondern von solchem auspr¨agt, was innerhalb eines Ganzen mit notwendigen Strukturen, an denen es Anteil hat, selbst auch zuf¨allige Bestimmtheit aufweist, die den Formen des Begreifens jedoch ihrerseits nicht einfach fremd und darum empirisch erkennbar ist. W¨ahrend die Begriffslogik die apriorische Auslegung der Form zu besonderen Gestalten rekonstruiert, die durchsichtig sind auf ihre operationale Bildung und ihren inneren Aufbau, geh¨ort zur Selbstauslegung des Logischen zur Realit¨at notwendig die Selbstverunreinigung“ der Form, insofern ihr solche Be” stimmtheit entspringt, die im reinen Denken nicht ableitbar ist, aber dennoch am Begriff Teil hat und so in den Zusammenhang des erkennbaren Ganzen einbehalten ist25 .
24 Vgl. Das ist u¨ berhaupt das Gesch¨aft der Spekulation, daß sie alle Gegenst¨ande des ” reinen Gedankens, der Natur und des Geistes in Form des Gedankens und so als Einheit des Unterschiedes auffaßt“ [TW16,29]. 25 So betont Hegel, in der Logik w¨ urden die Gestalten der Form nur insofern betrachtet, als sie noch nicht die Form eines absoluten Andersseyns oder der absoluten Unmittelbarkeit ” haben“ [12,262–264]. Mit absolutem Andersseyn“ und absoluter Unmittelbarkeit“ ist aber ” ” gerade der schiere Zufallsaspekt bezeichnet, mit dem sich die Form in ihrer zeitlosen Selbstauslegung zur Realit¨at immer schon durchsetzt hat.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.2 Der Begriff als ontologische Form des Begreifens und der Begreifbarkeit Nachdem der spekulative Begriff als unbedingtes Sichbestimmen eingef¨uhrt wurde, das die Vollform selbstanwendender Operationalit¨at ist, gilt es zu fragen, was ihn u¨ berhaupt mit dem verbindet, was gew¨ohnlich unter Begriffen verstanden wird. Nun betont Hegel, der Begriff sei zwar nicht im Licht g¨angiger Auffassungen des Begrifflichen zu verstehen und zu beurteilen, m¨usse aber umgekehrt Aufschluss u¨ ber die Natur des Begrifflichen im u¨ blichen Sinn gew¨ahren. Obwohl es im logischen Fortgang n¨amlich einerseits allein auf immanente Ableitung und Rechtfertigung des Begriffs ankomme, muß wohl an sich in demje” nigen, was sonst als der Begriff des Begriffs vorgelegt wird, der hier deducirte zu erkennen seyn“ 26 . Der auff¨alligste Unterschied zwischen dem spekulativen und dem u¨ blichen Begriff des Begriffs besteht aber darin, dass Begriffe gemeinhin als intern verkn¨upfte semantische Gehalte in der Mehrzahl auftreten, w¨ahrend Hegel vom Begriff“ im Singular spricht, ohne diesen Ausdruck da” bei als distributiven Term zu gebrauchen. Darin liegt offenbar, dass mit ihm nicht ein beliebiger Begriff unter mehreren gemeint ist, sondern solches, was Begriffen in der Mehrzahl vorg¨angig ist und sie erst erm¨oglicht. Da der Begriff im Rahmen einer Theorie eingef¨uhrt wird, die den Gegensatz von Subjektivem und Objektivem im Hinblick auf begrifflichen Gehalt kritisch eingeklammert hat, kann der Begriff nicht bloß die logische Urform des Begrifflichen sein, sondern muss zugleich die gemeinsame Urform des Begreifens und des Begreifbaren darstellen27 . Er markiert damit dasjenige, was sowohl die besonderen logischen Formen des Begreifens wie die ontologische Form der Begreifbarkeit durch diese Formen m¨oglich macht und erkl¨art. Der Begriff ist damit der Garant daf¨ur, dass objektives Begreifen von Wirklichem u¨ berhaupt m¨oglich ist, indem die logischen Formen des Begreifens und der Spielraum der durch sie begreifbaren Wirklichkeit einer gemeinsamen logischen Wurzel entspringen und einander, ohne sich darum unmittelbar und durchg¨angig zu decken, nicht schlichtweg fremd sind28 . Aufgabe einer Theorie des Begriffs als logischer Urform des Begreifens wie des Begreifbaren ist daher erstens, aus ihr besondere logische Formen des Begreifens zu entwickeln, zweitens die logische Form der Begreifbarkeit objektseitiger Wirklichkeit durch die logischen Formen des Begreifens so darzustel26
12,1631−33. Zum Begriff als Form des Begreifens vgl. 12,1825−38. 28 Vgl. So viel ist auch vorl¨ aufig einzusehen, daß, indem der Gedanke sich von Dingen ” einen Begriff zu machen sucht, dieser Begriff (und damit auch dessen unmittelbarste Formen, Urteil und Schluß) nicht aus Bestimmungen und Verh¨altnissen bestehen kann, welche den Dingen fremd und a¨ ußerlich sind“ [20,6724−28]. 27
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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len, dass jener nicht selbst schon unmittelbar die Form des Begreifens zugesprochen wird, und drittens zu erkl¨aren, wie es m¨oglich ist, dass die Formen des Begreifens seitens epistemischer Subjekte erfolgreich zum Begreifen von Begreifbarem in Einsatz gebracht werden. Im Licht dieser drei Aufgaben gliedert sich die Begriffslogik in die Logik des subjektiven Begriffs, in der Begriff, Urteil und Schluss als logische Formen des Begreifens entwickelt werden, die Logik des objektiven Begriffs, der reine Begriffe mechanischer, chemischer und protobiologischer Organisationsformen entwickelt, die analog in ein Kontinuum eingebettet sind und verm¨oge begrifflicher Vollz¨uge aus diesem abgehoben werden k¨onnen, sowie die Logik der Idee, die unter anderem den Begriff der Artikulation des Objektkontinuums seitens erkennender Subjekte entwickelt. Die Begriffslogik ist aus diesem Blickwinkel nicht einfach Erkenntnistheorie, sondern Ontologie des Erkennens, weil sie onto-logische Voraussetzungen entfaltet, die eine Erkenntnis von Objekten erst erm¨oglichen29 . Dass der Begriff als absolute Form Ursprung der logischen Formen des Begreifens wie der Begreifbarkeit objektseitigen Seins in diesen Formen ist, bedeutet gerade nicht, letzterem selbst schon eine diskrete Gliederung gem¨aß dieser Formen zuzuschreiben und Objekterkenntnis daher als bloßes Abspiegeln eines vorhandenen Urbilds zu fassen30 . Dagegen erkl¨art Hegel die Begreifbar¨ keit durch die logischen Formen des Begreifens im Ubergang von der Logik des subjektiven zum objektiven Begriff gerade nicht so, dass er objektseitigem Sein bereits an sich eine Gliederung gem¨aß dieser Formen zuschreibt, sondern indem er nachweist, dass diese in ihm zur vermittelten Unmittelbarkeit eines organisierten Kontinuums gleichsam kondensiert oder kontrahiert sind. Diskrete Weltgliederung ist daher nichts unmittelbar Vorhandenes, was im empirischen Erkennen passiv zugehen k¨onnte, weil das Objektkontinuum zwar an sich organisiert, darum aber nicht schon diskret in weltseitige Urteile und Schl¨usse gegliedert ist, sondern bloß die logische Form der Begreif-, Beurteil- und Erschließbarkeit aufweist. 29 Der Begriff, den Hegel auch die logische Form“ [12,2018; 12,2539] nennt, l¨ asst sich ” in dieser Hinsicht fruchtbar mit Wittgensteins Begriff logischer Form“ in Beziehung setzen, ” ¨ die f¨ur Wittgenstein das ist, was eine Ubereinstimmung von Bild und Wirklichkeit m¨oglich macht: Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit gemein haben muß, um sie ” u¨ berhaupt, – richtig oder falsch – abbilden zu k¨onnen, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit“ [W ITTGENSTEIN 1921: 18, Satz 2.18]. Nur ist dieses Verst¨andnis der logischen Form von Hegel her betrachtet insofern unkritisch, als die Form darin nur vorausgesetzt, aber nicht hergeleitet wird, die Welt zweitens als schon von sich her gem¨aß der Form in diskrete Tatsachen gegliedert begriffen und Wahrheit daher als Abbildung gefasst sowie drittens u¨ bersehen wird, dass zur logischen Form notwendig bestimmte weltseitige Organisation geh¨ort und die Realit¨at von Leben und Geist daher nichts Kontingentes ist. 30 So betont Hegel h¨ aufiger: Um zu erfahren, was das Wahre in den Dingen sei, ist es mit ” der bloßen Aufmerksamkeit nicht abgetan, sondern es geh¨ort dazu unsere subjektive T¨atigkeit, welche das unmittelbar Vorhandene umgestaltet“ [TW8,79Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Insofern zu diskreter Bestimmtheit dagegen wesentlich inferentielle Artikulation, zu dieser aber die M¨oglichkeit von Korrektheit und Inkorrektheit geh¨ort, hat diskrete Bestimmtheit als solche einen normativen Aspekt. Ontologie ist ¨ damit wesentlich zugleich Deontologie, insofern sich mit dem Ubergang zum Begriff zeigt, dass dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig ein Moment begrifflichen Sollens geh¨ort. Entsprechend wird die Begriffslogik h¨aufig als Normativit¨atstheorie gedeutet31 . Allerdings muss dabei ein nicht-subjektivierendes Verst¨andnis von Normativit¨at zugrunde gelegt und genauer erkl¨art werden, inwiefern sie notwendiger Aspekt von Bestimmtheit u¨ berhaupt ist. Normativ ist solches, in Bezug worauf etwas angemessen sein soll und zugleich angemessen oder unangemessen ist. Zun¨achst hat sich Sein mit dem ¨ Ubergang zum Begriff jedoch nicht als Sollen, sondern als Selbstbestimmung erwiesen. Wie l¨asst sich daraus ein Normativit¨atsmoment gewinnen? Selbstbestimmung legt besondere Bestimmtheit fest, die sich aus ihr ergibt und der gegen¨uber sie das Allgemeinere ist. Insofern in Selbstbestimmung jedoch notwendig ein Zufallsmoment mit hinein spielt, entspricht ein Einzelnes dem Allgemeinen, unter das es f¨allt, nicht automatisch auch in seinen besonderen Beschaffenheiten. So kann ein Lebewesen seiner artspezifischen Lebensform oder ein Haus seinem Zweck mehr oder weniger angemessen sein. Ein Sollen folgt also daraus, dass ein selbstbestimmendes Allgemeines vorliegt, aus dem sich intrinsische Anforderungen an das ergeben, was unter es f¨allt, und dieses ihm zugleich nicht automatisch und ausnahmslos in seinen besonderen Bestimmungen entspricht. Daraus resultiert ein Sollen als Forderung nach Entsprechung zwischen der Besonderheit, die sich aus dem Allgemeinen als solchen ergibt, und der faktischen Besonderheit einer Sache. Eine Pointe von Hegels Begriffslogik wird dabei sein, dass zwischen internem Sollen und faktischem Sein einer Sache keine v¨ollige Nichtentsprechung bestehen kann, sondern dass dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig geh¨ort, dass es wenigstens partiell ein seiner allgemeinen Natur eingeschriebenes Sollen erf¨ullt und insofern angemessene Auspr¨agung dieser Natur ist. Sein ist damit wesentlich Verschr¨ankung von Entsprechung und Nichtentsprechung von Sein und Sollen und damit im Grundzug Erf¨ulltsein (das Hegel Idee“ nennt). ” ¨ Trotz dieser Uberlegung kann es problematisch erscheinen, inwiefern Bestimmtheit als solche einen wesentlich normativen Aspekt hat. Denn selbst wenn Bestimmtheit solches meint, was einem (internen) Sollen angemessen oder unangemessen sein kann, scheint Bestimmtheit selbst unabh¨angig von ihrem Bezug auf und ihrer Angemessenheit an ein Sollen vorliegen zu k¨onnen. 31
So behauptet Robert Pippin: Hegel’s theory of concepts is a theory of ought’s, norms, ” rules telling us how to make categorial distinctions, principles that govern material inferences, that prescribe what ought or ought not to be done, and so forth“ [P IPPIN 2008: 97], vgl. P INKARD 2002: 257.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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Entscheidend ist jedoch, dass Sein und Sollen aus begriffslogischer Perspektive notwendig verschr¨ankt sind: Dass ein Sollen nur bestehen kann, sofern ihm wenigstens partiell entsprochen ist, und Bestimmtes nur vorliegen kann, insofern es wenigstens partiell einem internen Sollen entspricht. Wie diese partielle Erf¨ullung im Hinblick auf Vollz¨uge des Lebens, Erkennens und Handelns aussieht, wird im Zusammenhang mit deren Darstellung im dritten Abschnitt der Begriffslogik gezeigt werden. Insofern die Begriffslogik nachweist, dass es unabh¨angig von leibhaftigen Selbstbestimmungszentren, welche die zu ihrer Natur geh¨origen internen Normen wenigstens partiell realisieren, nur ein inhomogen organisiertes Objektkontinuum geben kann, das nicht schon von sich her eindeutig in eigenst¨andige Entit¨aten zerf¨allt, kann es diskrete weltseitige Bestimmtheit nur dank der erkennenden Artikulation des Kontinuums durch Subjekte geben, die als solche jedoch nicht beliebig ist, sondern angemessen oder unangemessen sein kann. Damit haben weltseitige Entit¨aten nicht unabh¨angig von semantischer Normativit¨at diskrete Bestimmtheit – und zwar deshalb, weil sie als selbst¨andige Einheiten u¨ berhaupt nur durch begriffliche Artikulationsleistungen mitkonstituiert werden, die im Hinblick auf die Explikation des Objektkontinuums angemessen oder unangemessen sein k¨onnen. Was Hegels Auffassung des Begriffs als gemeinsamer Wurzel der Formen des Begreifens wie der Gestalten des Begreifbaren u¨ ber die Erkl¨arung der M¨oglichkeit objektiver Gegenstandserkenntnis hinaus theoretisch erst fruchtbar ¨ macht, ist, dass der Begriff kein leerer Ubereinstimmungsgarant bleibt, sondern sich aus ihm apriorisch besondere Formen des Begreifens und des Begreifbaren gewinnen lassen. Entsprechend leitet die Begriffslogik nicht nur besondere Formen des Begreifens, Urteilens und Schließens, sondern auch besondere Formen objektseitiger Begreifbarkeit her, n¨amlich Mechanismus, Chemismus und Teleologie. Was aber Mechanismus, Chemismus und Leben zu logischen Kategorien macht, ist gerade, dass sie keine realen Pr¨adikate sind, die einem unabh¨angig von ihnen fassbaren Einzelnen bloß zus¨atzlich beigelegt werden k¨onnen, sondern Real- und Erkl¨arungsgr¨unde der Einheit solcher Einzelner markieren. Die Formen des objektiven Begriffs erm¨oglichen so erst ontologische und epistemologische Gegenstandseinheit. Ihre begriffslogische Ableitung zeigt n¨amlich erstens, dass der Spielraum des Objektiven an sich auf verschiedenen Ebenen analog derart organisiert sein muss, dass er gem¨aß solcher Formen erkannt werden kann. Zugleich erlauben sie es als Formen des Begreifens dem Erkennenden erst, diskrete Gegenst¨ande anzusetzen, und machen so einen objektiven Erfahrungszusammenhang erst m¨oglich. Die Formen des objektiven Begriffs sind also deshalb genuin logisch, weil erst verm¨oge ihrer auf verschiedenen Ebenen analoge Strukturen aus einem organisierten Kontinuum abgehoben werden k¨onnen und dabei nicht etwa schon selbst¨andig vorhandenen und diskret gegebenen Einzelnen bloß noch be-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
stimmte Pr¨adikate beigelegt werden. W¨ahrend alle Erkl¨arungen als solche an den Formen des Urteilens und Schließens teil haben, geh¨oren zur logischen Form damit auch die besonderen Formen mechanischer, chemischer und (proto)biologischer Erkl¨arung. In Bezug auf ein Einzelnes der kategorialen Form A nehmen solche Erkl¨arungen etwa die Gestalt an, dass dieses Einzelne in Situation z x-t, weil es zu seiner kategorialen Form A geh¨ort, in Situationen vom Typ Z zu x-en. Dergestalt l¨asst sich etwa die Explosion in einer Kohlegrube beim Funkenschlag oder das pl¨otzliche Herabschießen eines am Himmel kreisenden Bussards angesichts einer Bewegung am Boden erkl¨aren. Solche Erkl¨arungen werden aber selbst nicht rein apriorisch sein, weil in die Selbstbesonderung des Begriffs und damit in die konkreten Formbegriffe von Einzelnem real der Zufall hineinspielt. Doch auch wenn spezifische Differenzen, welche in die Formbegriffe von Einzelnem eingehen, nicht apriorisch gefunden werden k¨onnen, ist der Begriff der Garant daf¨ur, dass sich darin zugleich allgemeine, apriorisch herleitbare Formtypen auspr¨agen und das Universum darum kein rein kontingenter Haufen Materie ist. Da sich der Begriff n¨amlich aus der voraussetzungslosen Entfaltung dessen ergeben hat, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig geh¨ort, liefert seine logische Entfaltung zu besonderen mechanischen, chemischen und biologischen Seins- und Erkl¨arungsformen den Nachweis, dass diese nicht bloß zuf¨allig auftreten, sondern zum Sein als solchem notwendig dazu geh¨oren. Der Begriff ist u¨ ber seine Bedeutung im Rahmen einer apriorischen Ontologie der Erkenntnis hinaus so auch Realgrund von Einheit, – nicht in dem Sinne, dass aus ihm das Vorliegen bestimmter Einzelner hergeleitet werden k¨onnte, die angemessen gem¨aß besonderer, durch ihn mitgegebener Begriffe gegenst¨andlicher Einheit artikulierbar sind, jedoch so, dass sich aus ihm ergibt, dass es solche Einzelnen geben muss und dass diese ihre Einheit gerade ihrer kategorialen Form verdanken. In seiner Vereinzelung ist das begrifflich Allgemeine so dasjenige, was die Einheit einer Sache, sei es eines Planetensystems oder einer Am¨obe, in der ihr eigenen Organisiertheit ausmacht und insofern, wie Hegel in Anklang an Aristoteles sagt, die Seele des Konkreten, dem es ” innewohnt“ 32. Da sich aber im Objektkontinuum verschiedene Organisationsebenen u¨ berlagern, ist dieses noch nicht von sich her eindeutig in selbst¨andiges Einzelnes vom Typ physikalischer, chemischer und protobiologischer Objekte gegliedert, sondern solche Objekte sind nur verm¨oge der Formen physikalischer, chemischer und biologischer Erkl¨arung aus ihm abhebbar. Dagegen bezeichnen die Organisations- und Einheitsformen, die Hegel als Gestalten der Idee abhandelt, die kategoriale Form von Zentren beseelten und geistigen Lebens, die schon von sich her eindeutig als selbst¨andige Einzelne ausgezeichnet sind. 32
12,3422−23.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
201
Die Selbstbesonderung des Begriffs nimmt damit in Gestalt des Objekts und der Idee zwei grundlegend verschiedene Formen an. Denn wie im logischen ¨ Ubergang zur Objektivit¨at gezeigt wird, hat sich der Begriff immer schon zeitlos zu einem nomologisch determinierten Objektkontinuum ausgelegt, das auf verschiedenen Ebenen mechanisch, chemisch und biologisch organisiert, jedoch noch nicht von sich her in selbst¨andige Einzelne gegliedert ist, welche aus ihm nur verm¨oge epistemischer Vollz¨uge abgehoben werden k¨onnen. Dazu, dass die logischen Formen des Begreifens in solchen Vollz¨ugen in Anschlag kommen k¨onnen, ist es aber n¨otig, dass der subjektive Begriff gleichsam als solcher leibhaftig in und aus dem Objektontinuum hervortritt. In Gestalt von Zentren beseelten und geistigen Lebens muss der Begriff so leibhaftige Existenz als solcher gewinnen, und seine Selbstbesonderung kann sich deshalb real als zeitliche Entwicklung von Lebenszentren und geschichtliche Gestaltung des Objektkontinuums zu einer Welt des Geistes auspr¨agen. 3.2.1 Hegels Begriff und Kants transzendentale Apperzeption Laut Hegels eigener Auskunft bietet Kants Lehre von der transzendentalen Apperzeption eine erste Hilfestellung zum Verst¨andnis des Begriffs, obwohl dieser keineswegs mit jener gleichgesetzt werden kann33 . Gem¨aß Kants Auffassung der urspr¨unglichen Synthesis der transzendentalen Apperzeption sind Gegenstandserkenntnis und Erfahrungseinheit nichts, was einem Subjekt passiv gegeben w¨are, sondern entspringen wesentlich selbstbewussten Vollz¨ugen, zu denen die Kategorien als besonderen Funktionen der Einheitsstiftung geh¨oren34 . Insofern die Kategorien nach Hegels Kantdeutung aber der Selbstbesonderung selbstbewussten Denkens entspringen und allein dank der Kategorien Objektivit¨at m¨oglich ist, weist die transzendentale Apperzeption formale Eigent¨umlichkeiten des Begriffs auf, n¨amlich Selbstbesonderung und Konstitution von Objektivit¨at35. Transzendental betrachtet markiert der Begriff daher keinen bestimmten Begriff, sondern jene selbst unbestimmte einheitsstiftende 33 Vgl. Kant hat diese Betrachtung durch den h¨ ochst wichtigen Gedanken eingeleitet, ” daß es synthetische Urtheile a priori gebe. Diese urspr¨ungliche Synthesis der Apperception ist eines der tiefsten Prinzipien f¨ur die speculative Entwicklung; sie enth¨alt den Anfang zum wahrhaften Auffassen der Natur des Begriffs, und ist jener leeren Identit¨at oder abstracten Allgemeinheit, welche keine Synthesis in sich ist, vollkommen entgegengesetzt“ [12,2224−30]; vgl. auch 21,4812−21. 34 Vgl. K ANT, KrV, B131ff. 35 So referiert Hegel in der Begriffslogik Kants Auffassung, durch die Categorien, welche ” diese objectiven Bestimmungen sind, werde das Mannichfaltige gegebener Vorstellungen so bestimmt, daß es zur Einheit des Bewußtseyns gebracht werde. – Nach dieser Darstellung ist die Einheit des Begriffs dasjenige, wodurch etwas nicht blosse Gef¨uhlsbestimmung, Anschauung oder auch blosse Vorstellung, sondern Object ist, welche objective Einheit die Einheit des Ich mit sich selbst ist“ [12,1819−29]. Diese Objectivit¨at hat der Gegenstand somit im Begriffe, und ” dieser ist die Einheit des Selbstbewußtseyns, in die er aufgenommen worden; seine Objectivit¨at
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Aktivit¨at des Selbstbewusstseins, der besondere Begriffe ebenso wie die Einheit der Erfahrung erst entspringen. Der Begriff als solcher ist laut Hegel aber schon deswegen nicht mit der Synthesisaktivit¨at des Ich-denke gleichzusetzen, in die ein analytisch abhebbares Anschauungsmoment eingeht, weil damit dem unbedingten Sichbestimmen, in dem der Begriff zun¨achst besteht, ein Aspekt fremden Bedingtseins unterlegt w¨are, das es zugleich unverst¨andlich macht, wie sich ein Erkennen, in dessen T¨atigkeit solche Bedingungen momenthaft eingehen, auf die Sachen selbst beziehen und dabei nicht bloß relative sondern absolute Objektivit¨at beanspruchen kann. Entsprechend wirft Hegel Kant gerade vor, die Objektivit¨at, die der transzendentalen Apperzeption entspringt, bloß relativ gedacht zu haben, indem er von ihr ein fremdes Ansich unterscheidet und behauptet, unsere Erkenntnis sei auf Gegenst¨ande der Erfahrung eingeschr¨ankt“ 36 . ” Zwar wird sich im Zuge der Begriffslogik ergeben, inwiefern der Begriff, zur logischen Form empirischen Erkennens gestaltet, in der Tat ein Moment sinnlichen Bedingtseins in seine selbstbestimmten Vollz¨uge einschließt. Deshalb ist er aber keineswegs von vornherein als solches bedingte Sichbestimmen zu fassen, sondern dieses nur eine besondere Gestalt, zu der er sich auslegt. Entscheidend ist die Verortung der begriffslogischen Abhandlung des Erkennens am Ende der Logik darum, weil so allein das, wodurch der zum empirischen Erkennen gestaltete Begriff bedingt ist, ihm selbst nichts schlechthin Fremdes zu sein braucht, sondern seinerseits schon als erkennbare Gestalt des Begriffs erwiesen ist, womit erst einsichtig wird, dass epistemische Selbstbestimmung ihrem Anspruch auf objektive Erkenntnis der Sachen selbst zumindest der M¨oglichkeit nach Gen¨uge zu leisten vermag. Zugleich ist es in Hegels Augen m¨oglich, wenn man nicht mit Kant einfach voraussetzt, aller Begriffsgebrauch sei auf Anschauung angewiesen, sondern die voraussetzungslose Entfaltung des reinen Denkens verfolgt, aus dem Denken allein apriorisch Grundbestimmungen dessen zu entfalten, was zum Sein als solchen notwendig dazugeh¨ort. Kant behauptet dagegen, die Kategorien lieferten uns keine Erkenntnis von Dingen ” als nur durch ihre m¨ogliche Anwendung auf empirische Anschauung“ 37 . Zwar sollen nach Hegels Kantdeutung die Kategorien als besondere Funktionen von Einheitsstifung allein der transzendentalen Apperzeption entsprinoder der Begriff ist daher selbst nichts anderes, als die Natur des Selbstbewußtseins“ [12,1837– 191 ]. 36 K ANT , KrV, B166. Dagegen wendet Hegel ein, der Begriff sei zun¨ achst als das Objec” tive der Erkenntniß angegeben worden, somit als die Wahrheit. Aber auf der andern Seite wird derselbe als etwas bloß subjectives genommen, aus dem sich die Realit¨at, unter welcher, da sie der Subjectivit¨at gegen¨ubergestellt wird, die Objectivit¨at zu verstehen ist, nicht herausklauben lasse; und u¨ berhaupt wird der Begriff und das Logische f¨ur etwas nur formelles erkl¨art, das, weil es von dem Inhalt abstrahire, die Wahrheit nicht enthalte“ [12,1918−24]. 37 K ANT , KrV, B147.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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gen38 . Dabei wirft er Kant jedoch vor, ihren Hervorgang theoretisch unaufgekl¨art gelassen zu haben. So gesteht Kant selbst: Von der Eigent¨umlichkeit un” seres Verstandes aber, nur vermittelst der Kategorien und nur gerade durch die Art und Anzahl derselben Einheit der Apperzeption a priori zustande zu bringen l¨asst sich ebenso wenig ferner ein Grund angeben, als warum wir gerade diese und keine andern Funktionen zu Urteilen haben“ 39 . Von Kantischer Warte ist dies jedoch deshalb keine Unterlassung, weil den Kategorien nur funktionale Einheit als Prinzipien der Einheitsstiftung zukommt, sie deswegen aber nicht aus dem Begriff des Selbstbewusstseins ableitbar sein m¨ussen, sondern in ihrem Gehalt nicht weiter zur¨uckgef¨uhrt werden k¨onnen40 . Dies l¨asst sich aus Hegels Sicht wieder darauf zur¨uckf¨uhren, dass Kant keinen angemessenen Begriff der Struktur von Selbstbewusstsein ausgebildet hat, welcher dessen selbstanwendende Operationalit¨at aufwiese, deren explizite logische Entfaltung die Kategorien als ihre besonderen Gestalten zu entwickeln erlaubte. Ein angemessenes Verst¨andnis der Begriffslogik kann seinen Ausgang daher nicht von Kants transzendentaler Apperzeption nehmen, sondern diesen Bezug nur im Vor¨ubergehen aufgreifen, indem, wie hier angedeutet, zugleich Verwandtschaft und Unterschiede der Konzeptionen aufgewiesen werden. Ihre argumentative Tragkraft hat eine Rekonstruktion der Begriffslogik dagegen allein aus der Immanenz des voraussetzungslosen Fortgangs zu gewinnen, aus dem sich ein hinreichend klarer Begriff des Begriffs als unfundiertem Sichbestimmen ergibt. Auch die transzendentale Deduktion der objektiven G¨ultigkeit reiner Begriffe als Bedingung der Identit¨at des Subjekts im Zuge seiner Auseinandersetzung mit Erscheinungen bildet nicht nur kein Lehrst¨uck der Kantischen Philosophie, u¨ ber das in der Forschung hinreichend Einigkeit best¨unde, um es zum verl¨asslichen Ausgangspunkt der Hegeldeutung zu machen, sondern vor allem ist Hegels eigene Stellung gegen¨uber diesem Lehrst¨uck durch und durch zwiesp¨altig, weil er es sowohl affirmativ im Licht seiner eigenen Bestimmung des Begriffs deutet wie umgekehrt r¨ugt, dass es diese verfehle41 . So ist, wie Hegel immer wieder betont, der Begriff nicht mit dem Selbstbewusstsein, sei es empirisch oder rein, einzeln oder allgemein, ineins zu setzen42 . Denn Selbstbewusstsein ist als solches keine Kategorie der Logik, son38
Vgl. 12,1736–188. K ANT, KrV, B145f. 40 Konrad Cramer spricht treffend von Kants Theorie der bloß funktionalen, aber nicht ” bedeutungsm¨aßigen Einheit der Kategorien“ [C RAMER 1983: 145]. 41 Hegels Haupteinwand gegen eine Gleichsetzung der transzendentalen Deduktion objektiver Geltung reiner Begriffe mit der Selbstobjektivierung des Begriffs liegt darin, dass jene nur die einem endlichen und bedingten epistemischen Sichbestimmen entspringende relative Objektivit¨at empirischer Realit¨at markiere, die zugleich noch in die Klammer transzendentaler Idealit¨at gesetzt ist. 42 Zahlreiche gegenw¨ artige Deutungen der Begriffslogik sind damit in einem schlechten 39
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
dern bezeichnet f¨ur Hegel allein selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, insofern es leibhaft raum-zeitlich verk¨orpert ist43 . Dagegen markiert der subjektive Begriff allein die ontologische Form der Selbstbeziehung, sofern dabei noch von aller R¨aumlichkeit und Zeitlichkeit ihrer Auspr¨agung als Selbstbewusstsein abgesehen ist44 . So schreibt Hegel an einer h¨aufiger und auch in dieser Abhandlung bereits zitierten Stelle: Der Begriff, insofern er zu einer solchen Existenz ge” diehen ist, welche selbst frey ist, ist nichts anderes als das Ich oder das reine Selbstbewußtseyn“ 45. Darin liegt aber, dass der Begriff als solcher gerade nicht mit dem Selbstbewusstsein in gleich welcher Spielart gleichgesetzt werden kann. Vielmehr fasst Hegel das Selbstbewusstsein ausdr¨ucklich bloß als bestimmte, wenngleich ausgezeichnete Ausformung des Begriffs, in Gestalt derer er selbst¨andige Existenz als solcher, d. h. als sich auf sich als solches beziehendes selbstbez¨ugliches Sichbestimmen hat. Darin liegt aber erstens, dass der Begriff auch zu solcher Existenz kommt, die nicht frei ist, n¨amlich zu Gestalten nat¨urlichen Seins. Zweitens sind solche Existenzen selbst nicht Gegenstand der Logik, sondern der Realphilosophie. Wird der Begriff dagegen drittens von vornherein mit endlichem Selbstbewusstsein gleichgesetzt, ist nicht mehr begreifbar, wie er zugleich zeitloser Grund einer Realit¨at sein kann, die nicht nur f¨ur und im Selbstbewusstsein besteht. Setzt man den Begriff von vornherein mit anderswoher gel¨aufigen Vorstellungen von Selbstbewusstsein gleich, kann die Begriffslogik ihre Rolle als kritische Ontologie nicht mehr erf¨ullen. Denn indem Konkretes an die Stelle seines Sinne kantianisierend, indem sie genau dies tun, zugleich aber denjenigen Lehrst¨ucken der Kantischen Philosophie wie dem anschauenden Verstand und den Postulaten der praktischen Vernunft, die f¨ur Kant einen Zugang zum Unbedingten erm¨oglichen und die eigentliche philosophische N¨ahe von Kant und Hegel begr¨unden, nicht angemessen Rechnung tragen. Gegen die Gleichsetzung des Begriffs mit selbstbewussten Vollz¨ugen oder dem Inbegriff sprachlichen Gebens und Nehmens von Gr¨unden bei Pippin und Brandom spricht etwa Hegels Hinweis, Diese concreten Gestalten gehen die logische Wissenschaft sowenig an, als die concreten For” men, welche die logischen Bestimmungen in der Natur annehmen und welche Raum und Zeit, alsdenn der sich erf¨ullende Raum und Zeit als unorganische Natur, und die organische Natur seyn w¨urden. Es ist hier auch der Begriff nicht als Actus des selbstbewußten Verstandes, nicht der subjective Verstand zu betrachten, sondern der Begriff an und f¨ur sich, welcher ebensowohl eine Stuffe der Natur, als des Geistes ausmacht“ [12,1939–2014]. 43 Nur deshalb kann Hegel schreiben, dass das Selbstbewußtsein eben der daseyen” de, also empirisch wahrnehmbare, reine Begriff, die absolute Beziehung auf sich selbst ist“ 24−25 [12,194 ]. Die zun¨achst verwunderliche Behauptung, das Selbstbewusstsein sei der empi” risch wahrnehmbare“ Begriff, wird verst¨andlich, wenn man sich verdeutlicht, dass reine Selbstbeziehung real an Sprache und Leiblichkeit gekn¨upft ist. Nur so kann sie selbst¨andige Bestimmtheit annehmen und hat damit empirisch wahrnehmbare Gestalt. Selbstbewusst sind nach Hegel daher allein sterbliche, sprachf¨ahige Wesen, die erstpersonal auf sich Bezug nehmen k¨onnen [vgl. 20,424–33]. 44 Vgl. 21,4915−18. 45 12,177−8.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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selbstkonkretisierenden Seins- und Erkl¨arungsprinzips gesetzt wird, kann dieses die ihm eigent¨umliche Erkl¨arung nicht mehr gew¨ahren und die Logik keinen Begriff des realen Selbstbewusstseins mit erst zu entfaltenden Charakteren kritisch vorbereiten. Einen solchen bereitet sie aber in der Tat bloß vor. Wird n¨amlich im Ideeabschnitt das leibhaftig vereinzelte Herausragen des Begriffs im und aus dem Kontinuum seiner objektseitigen Selbstauslegung in Gestalt lebendiger Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens thematisch, geht es auch hier noch nicht um das reale, empirisch verk¨orperte Selbstbewusstsein. In der Logik ist das Objektkontinuum n¨amlich noch gar nicht seiner Dimensionalit¨at nach als raumzeitlich ausgezeichnet und in seiner empirischen, zufallsbestimmten Gestalt thematisch, sondern nur nach kategorialen Formen bestimmt, welche apriorisch Gestalten organisierter, selbsthafter Einheit auszeichnen, die in und aus ihm abhebbar sind. Selbstbewusstsein meint f¨ur Hegel dagegen den notwendig zeitlichen und an intersubjektive Anerkennungsverh¨altnisse gebundenen Vollzug, in dem ein leibhaftiges, sterbliches Subjekt sich ausdr¨ucklich auf sich selbst bezieht, indem es sein Urteilen und Handeln als sein eigenes weiß und u¨ berhaupt nur darum urteilt und handelt. Ist der Begriff in der Logik noch vor seiner Selbstauslegung zu empirischer Existenz und Vereinzelung als endliches Selbstbewusstsein thematisch, er¨offnet Hegels affirmativer Bezug auf Kants Begriff eines anschauenden Verstandes eher als derjenige auf die transzendentale Deduktion einen Zugang aus Kantischer Perspektive zu dem, was Hegel unter dem Begriff versteht46 . Denn der intuitive Verstand meint nach Kant unbedingtes, reines Sichkonkretisieren und kein bedingtes epistemisches Sichbestimmen47. Die Pointe von Hegels ontologischer Bestimmung des Begriffs liegt freilich darin, das unbedingte Sichbestimmen des Begriffs nicht bloß als Idee eines eigenen g¨ottlichen Verstandes anzusetzen, u¨ ber deren Realit¨at wir theoretisch nichts ausmachen k¨onnen48 , sondern zu zeigen, inwiefern eine logisch als notwendig erwiesene unzeitliche Selbstauslegung solchen unbedingten Sichbestimmens u¨ berhaupt erst verst¨andlich macht, dass endliches Sichbestimmen im Erkennen und Handeln auf eine Sph¨are, in der es leibhaft verankert ist, u¨ berzugreifen vermag, 46
Vgl. Die Vorstellung eines intuitiven Verstandes, innerer Zweckm¨aßigkeit usf. ist das ” Allgemeine zugleich als an ihm selbst concret gedacht. In diesen Vorstellungen allein zeigt daher die Kantische Philosophie sich speculativ. [20,9329–944 ]. Es wird immer als etwas Ver” wunderungsw¨urdiges ausgezeichnet werden, wie die Kantische Philosophie [zwar] dasjenige Verh¨altnis des Denkens zum sinnlichen Dasein, bei dem sie stehenblieb, f¨ur ein nur relatives Verh¨altnis der bloßen Erscheinung erkannte und eine h¨ohere Einheit beider in der Idee u¨ berhaupt und z. B. in der Idee eines anschauenden Verstandes sehr wohl anerkannte und aussprach, doch bei jenem relativen Verh¨altnisse und bei der Behauptung stehengeblieben ist, daß der Begriff schlechthin von der Realit¨at getrennt sei und bleibe“ [12,256−12]. 47 Vgl. K ANT , KU, B346f. 48 Vgl. K ANT , KrV, B649.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ohne dass dabei das Gespenst eines Dings an sich wieder auftauchen k¨onnte. Die Begriffslogik im Ganzen liefert hierf¨ur den Nachweis. Soll die transzendentale Deduktion ihrerseits den Nachweis erbringen, dass die Kategorien als Funktionen der Einheitsstiftung des Selbstbewusstseins zugleich objektiv g¨ultige Gegenstandserkenntnis erm¨oglichen, findet dieses ¨ Lehrst¨uck seine begriffslogische Entsprechung im Ubergang vom Begriff zur Objektivit¨at, der damit sozusagen Hegels transzendentale Deduktion bildet. Nur ¨ leistet dieser Ubergang nach Hegels eigener Auffassung in G¨anze, was in Kants Beweis nur halbherzig geleistet ist, n¨amlich den Nachweis, dass unsere begrifflichen Vollz¨uge Objektivit¨at in einem schlechthin letzten und auf kein Ansich hintergehbaren Sinn beanspruchen k¨onnen49 . Dieser Nachweis ist nach Hegel aber nur dann m¨oglich, wenn begriffliches Sichbestimmen nicht von vornher¨ ein durch eine – sei es noch so unbedeutende – Form von Außerlichkeit bedingt sein soll50 . Er darf daher nicht von vornherein als endliche Erkenntnist¨atigkeit verstanden werden, sondern ist vielmehr als schlechthin unbedingtes Sichbestimmen zu fassen, das sich immer schon zeitlos zu einer Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins auslegt hat, in und aus der endliche Zentren abh¨angigselbst¨andigen Sichbestimmens erst hervortreten, die sich im empirischen Erkennen auf jene beziehen und sie in begrifflichen Vollz¨ugen zu artikulieren ¨ verm¨ogen, in welche ein Moment sinnlicher Außerlichkeit eingeht, die als ¨ Außerlichkeit aber nur relativ auf ein endliches Zentrum epistemischen Sichbestimmens besteht, dabei aber selbst nichts schlechthin Begriffsfremdes ist und dem Objektivit¨atsanspruch solchen endlichen und damit falliblen Erkennens daher nicht grunds¨atzlich entzogen ist. Dass der Begriff im Rahmen kritischer Ontologie nicht von vornherein als abh¨angige Selbstbestimmung des Selbstbewusstseins, sondern als unbedingtes Sichbestimmen zu fassen ist, heißt umgekehrt nicht, dass er als solches selbst¨andiges Bestehen jenseits der Sph¨are seiner objekt- und subjektseitigen Selbstauslegung h¨atte. Vielmehr entwickelt die Begriffslogik das logische De49 Dagegen setzt Hegel an Kants Auffassung aus: Schon der Ausdruck: Synthesis leitet ” leicht wieder zur Vorstellung einer a¨ usserlichen Einheit und blossen Verbindung von solchen, die an und f¨ur sich getrennt sind. Alsdann ist die Kantische Philosophie nur bei dem psychologischen Reflexe des Begriffs stehen geblieben und ist wieder zur Behauptung der bleibenden Bedingtheit des Begriffes durch ein Mannichfaltiges der Anschauung zur¨uck gegangen“ [12,2230−36]. Auch geh¨ort hierher, daß der Begriff wieder ohne das Mannichfaltige der An” schauung inhaltslos und leer seyn soll, ungeachtet er a` priori eine Synthesis sey; indem er diß ist, hat er ja die Bestimmtheit und den Unterschied in sich selbst. Indem sie die Bestimmtheit des Begriffs, damit die absolute Bestimmtheit, die Einzelheit, ist, ist der Begriff Grund und Quelle aller endlichen Bestimmtheit und Mannichfaltigkeit“ [12,231−6]. 50 Das Verh¨ altnis von Kantischer und Hegelscher Deduktion der objektiven Geltung reiner Begriffe kann damit treffend mit McDowell und R¨odl als Elimination von Externalit¨at gefasst ¨ werden [vgl. M C D OWELL 2007, R ODL 2007]. Wie weit Kants Deduktion selbst schon im Lichte solcher Elimination gedeutet werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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sign oder die apriorische Form einer Welt, zu der unbedingtes Sichbestimmen sich zeitlos auslegt, um in ihr als solches zeitlich in Gestalt beseelten und geistigen Lebens wirklich zu sein. Inwiefern der Begriff dennoch nicht einfach in der raum-zeitlich realen Sph¨are seiner Selbstauslegung aufgeht, obwohl er nicht jenseits von ihr besteht, wird abschließend erst von seiner Gestalt als absolute Idee her zu beurteilen sein. In jedem Fall setzt Hegel das endliche Selbstbewusstsein, in Gestalt dessen der Begriff als solcher zu selbst¨andiger Existenz kommt, nicht einfach mit dem Begriff gleich. Kants transzendentale Apperzeption gilt ihm insofern auch nur als psychologischer Reflex“ des Begriffs, ” n¨amlich als Ausp¨agung in Gestalt endlichen Selbstbewusstseins51. Dagegen ist der Begriff als unbedingte Selbstgestaltung der operative Inbegriff von allem. Legt er aber sich selbst zu besonderen Gestalten aus, kann er ihnen nicht auch abgetrennt als unbedingtes Ansich gegen¨uberstehen, das als solches zugleich ¨ bloß endlich w¨are. Sofern daher begriffslogisch eine Uberwindung der Endlichkeit von leibhaftigen Zentren bedingten Sichbestimmens m¨oglich ist, kann diese nur darin bestehen, dass diese sich auf die unbedingte Wurzel in sich selbst zur¨uckwenden und die Wirklichkeit ihnen als deren Selbstauslegung konkret wird. Insofern der Fortgang der Begriffslogik zeigt, dass unbedingtes Sichbestimmen es an sich hat, sich zeitlos zu einem nomologisch determinierten Kontinuum objektseitigen Seins auszulegen, aus dem eine Mehrzahl von Personen als Zentren abh¨angig selbst¨andigen Sichbestimmens hervortreten muss, kann unbedingtes Sichbestimmen im Widerspruch zu Kants Idee eines anschauendem Verstandes grunds¨atzlich keinen seinslogischen Bestand jenseits der Welt als Sph¨are seiner Ausgestaltung haben, sondern gewinnt als solches allein in denjenigen welthaft situierten Vollz¨ugen des Erkennens und Handeln leibhaftiger Subjekte Gegenwart, die Hegel als absoluten Geist fasst52 .
51 Vgl. Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet werden, daß sie ” den Geist als Bewußtseyn aufgefaßt hat, und ganz nur Bestimmungen der Ph¨anomenologie, nicht der Philosophie desselben enth¨alt. Sie betrachtet Ich als Beziehung auf ein Jenseitsliegendes, das in seiner abstracten Bestimmung das Ding-an-sich heißt; und nur nach dieser Endlichkeit faßt sie sowohl die Intelligenz als den Willen. Wenn sie im Begriffe der reflectirenden Urtheilskraft zwar auf die Idee des Geistes, die Subject-Objectivit¨at, einen anschauenden Verstand u.s.f., wie auch auf die Idee der Natur kommt, so wird diese Idee selbst wieder zu einer Erscheinung, n¨amlich einer subjectiven Maxime, herabgesetzt“ [20,42225–4237]. Hegels Charakterisierung ist aber mindestens insofern ungerecht, als wir nach Kant gerade verm¨oge unseres praktischen Vernunftgebrauchs an ein Unbedingtes heranreichen, das nach Hegels Kantdeutung auch f¨ur den Willen ein bloßes Jenseits bleiben soll. 52 Zum absoluten Geist vgl. unten Abschnitt 4.7.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.2.2 Begr¨undungen des Begriffs Wie deutlich geworden sein sollte, b¨urdet Hegel dem Begriff einiges an realer Gr¨undungs- und theoretischer Erkl¨arungsleistung auf. Vor der Darstellung seiner logischen Entfaltung ist daher noch ein Blick auf verschiedene Strategien der Rechtfertigung und Begr¨undung des Begriffs zu werfen. Nun vermag der Begriff seine theoretische Fruchtbarkeit zwar eigentlich erst unter Beweis zu stellen, indem sich im Zuge seiner logischen Entwicklung ein einheitlicher Zusammenhang ontologischer und epistemischer Grundbegriffe mit einem Aufwand gewinnen l¨asst, der denjenigen anderer Theorien deshalb unterschreitet, weil das einzige Vehikel der Theoriebildung die Explikation selbstanwendender Operationalit¨at selbst ist. Dergestalt wird der Begriff logisch nicht nur durch einen Gedankengang, der zu ihm hinf¨uhrt, begr¨undet, sondern zugleich durch das gerechtfertigt, was sich aus ihm an konkretem, apriorischem Wirklichkeitsverst¨andnis ergibt. Dennoch kann der Begriff seine strenge Begr¨undung innerhalb der Logik nicht aus solchem beziehen, was ihn bereits ausdr¨ucklich voraussetzt. Der sozusagen offizielle“ Beweis des Be” griffs besteht aber in nichts weniger als dem logischen Fortgang vom Sein zum Begriff. Ein solcher Beweis wurde im Vorangehenden zwar umrissen, soll jedoch nicht die einzige St¨utze des Begriffs bilden. Denn erstens ist der Gang der objektiven Logik so verwickelt, dass die vorgelegte Rekonstruktion sicher nicht als l¨uckenloser Beweis gelten kann. Immerhin sollte sie deutlich gemacht haben, dass der Begriff kein willk¨urliches Konstrukt ist, sondern Ergebnis der performativen Widerspr¨uchlichkeit seiner logischen Vorg¨anger. Insofern er sich im Rahmen thematisch voraussetzungslosen Denkens als Ergebnis der Aufl¨osung solcher Widerspr¨uche ergibt, ist er keine beliebige Annahme, sondern notwendig, insofern er sich auch dann ergibt, wenn zun¨achst nichts vorausgesetzt wird, und damit unabh¨angig von allen kontingenten Annahmen ist. Neben dem Durchlauf durch das Ganze der objektiven Logik sind jedoch auch Begr¨undungen des Begriffs als selbstbez¨uglicher Grundoperation m¨oglich, die weniger verwickelt und damit u¨ berschaubarer sind. So zeigte die im ersten Kapitel entwickelte Reflexion auf die M¨oglichkeit voraussetzungslosen Denkens, dass logische Kategorien, sofern sie u¨ berhaupt auf nachvollziehbare Weise von sich her auf andere f¨uhren, nicht nur die Eigenschaft haben k¨onnen, sich bestimmt zu negieren, sondern Gestalten selbstbez¨uglicher Negativit¨at sein m¨ussen. Insofern sich damit auch nur ein St¨uck des logischen Fortgangs vom Sein aus stringent als immanente Entfaltung darstellen l¨asst, ist damit schon gezeigt, dass der Begriff als Inbegriff selbstbez¨uglicher Negativit¨at keine beliebige Annahme darstellt, sondern durch die Realit¨at voraussetzungslosen Denkens gerechtfertigt ist. Auf andere Weise zeigt sich die Unhintergehbarkeit des Begriffs in der Unumg¨anglichkeit des L¨ugnerparadoxons. Denn dieses kann als indirekter Aus-
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
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druck selbstbez¨uglicher Negation im semantischen Aufstieg verstanden werden, insofern der L¨ugner derjenige Satz ist, dessen einziger Gehalt darin besteht, seine Wahrheit zu negieren. Der L¨ugner ist aber insofern nicht rundwegs eliminierbar, weil man sich von ihm nicht lossagen kann, indem man ihn verneint, da er dies bereits selbst tut und man ihn so nur best¨atigt53 . Alle Versuche, ihn zu eliminieren, m¨ussen darum ausdr¨ucklich oder unausdr¨ucklich den Charakter von Verboten negativer Selbstbeziehung haben. Da ein solches Verbot aber selbst negativen Charakter hat und sich, wenn es allgemeing¨ultig sein und den L¨ugner nicht nur lokal beseitigen soll, auch auf sich selbst zu erstrecken hat, sind alle Versuche, den L¨ugner global und nicht nur innerhalb formaler Systeme auf bestimmten Sprachstufen zu beseitigen, selbst Gestalten der L¨ugnerparadoxie54 . Mit der Selbstbeziehung der bestimmten Negation nimmt Hegel insofern etwas in Anspruch, was sich ohnehin nicht rundwegs beseitigen l¨asst. Insofern l¨asst sich die Nichteliminierbarkeit des L¨ugners zwar als extensionaler Ausdruck der Absolutheit selbstbez¨uglicher Negativit¨at deuten. F¨ur deren logische Entfaltung hat dies jedoch keine Bedeutung, da der L¨ugner, indem er seine eigene Falschheit aussagt, seinem Gehalt nach viel komplexer ist als die Grundoperation und zugleich als Form extensionaler Negation nur auf eine Oszillation vorausgesetzter Wahrheitswerte f¨uhrt, nicht aber zur geregelten Entfaltung der logischen Gestalten der selbstbez¨uglichen bestimmten Negation. Sollen die begriffslogischen Kategorien aus selbstanwendender Operationa¨ Mit diesen Uberlegungen zum L¨ugner als indirektem Ausdruck selbstbez¨uglicher Negativit¨at im semantischen Aufstieg wie zu seiner Nichteliminierbarkeit folge ich KOCH 1999. Allerdings deutet Koch die Nichteliminierbarkeit des L¨ugners nicht als Ausdruck der Absolutheit selbstbez¨uglicher Negativit¨at, sondern als Ausdruck unserer unaufhebbaren Endlichkeit und der hoffnungslosen Widerspr¨uchlichkeit unseres Denkens – wohl deshalb, weil er in diesem Zusammenhang nicht zwischen extensionaler und bestimmter Negation unterscheidet. Nur die Selbstbeziehung der letzteren erm¨oglicht die produktive und konsistente Entfaltung besonderer Gestalten selbstbez¨uglicher Negativit¨at, welche die Logik vorf¨uhrt, w¨ahrend die Selbstbeziehung der extensionalen Negation auf die theoretisch fruchtlose, weil inkonsistente Kippschal” tung“ des L¨ugners f¨uhrt. 54 Tarski war sich entsprechend dar¨ uber im Klaren, dass sich der L¨ugner nur in solchen formalen Sprachen beseitigen l¨asst, die nicht ihr eigenes Wahrheitspr¨adikat enthalten [vgl. TARSKI 1944: 348ff.]. Dagegen ist die Umgangssprache insofern semantisch geschlossen, als es innerhalb ihrer selbst m¨oglich ist, u¨ ber die Wahrheit ihrer S¨atze zu sprechen. Semantische Selbstbeziehung l¨asst sich aber widerspruchsfrei nur in einer Metasprache f¨ur eine Objektsprache verbieten, nicht jedoch im Rundumschlag f¨ur alles Sprachliche u¨ berhaupt. Die M¨oglichkeit semantischer Geschlossenheit oder semantischer Selbstbeziehung l¨asst sich also deshalb nicht generell verbieten, weil die Sprache, in der dieses Verbot formuliert ist von diesem Verbot ausgenommen sein muss, da dieses sonst auch von sich selbst verbietet, was es zugleich in Anspruch nimmt und so den L¨ugner reproduziert. Unsere semantisch geschlossene Sprache l¨asst sich aber auch aufgrund der im Selbstbewusstsein evidenten M¨oglichkeit sprachlicher Selbstbeziehung nicht in eine unendliche Hierarchie tarskischer Metasprachen aufl¨osen, von der u¨ berdies mit WANDSCHNEIDER 1993a gezeigt werden k¨onnte, dass sie, streng begrifflich gefasst, selbst gerade Ausdruck des L¨ugners ist. 53
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
lit¨at entfaltet werden, ist es hilfreich, sich zun¨achst anderswo nach derartigen Operationen umzusehen, sowohl, um den Eindruck zu zerstreuen, es handele sich bei ihrer Annahme um eine Hegelsche Idiosynkrasie, als auch, um andere Theorien nach terminologischen Ressourcen f¨ur eine stringente Darstellung der Grundoperation abzuklopfen. Nun sind selbstanwendende Operationen in verschiedenen logischen und mathematischen Theorien m¨oglich, etwa in nichtklassischen Mengenlehren oder der als Lambda-Calculus bekannten allgemeinen Funktionentheorie55 . Die einzige ausgearbeitete Theorie neben derjenigen Hegels, die auf einer selbstanwendenden Operation aufbaut und ihren Werteverlauf entwickelt, scheinen jedoch George Spencer Browns Laws of Form in ihrer durch Louis Kauffman und Francisco Varela zu einem Calculus of Self-reference entwickelten Gestalt zu sein56 . Spencer-Brown hat in seinem Werk einen ebenso einfachen wie leistungsstarken Kalk¨ul aufgestellt, der auf einer einzigen Operation, dem Treffen einer Unterscheidung, und zwei diesbez¨uglichen Axiomen aufbaut. Das Treffen einer Unterscheidung wird dabei r¨aumlich als Markieren eines Unterschieds zwischen einem Innen (i) und einem Außen (a) veranschaulicht und durch ein entsprechendes Symbol, den sogenannten mark“, ange” zeigt:
55
W¨ahrend in der klassischen Zermelo-Fraenkelschen Mengenlehre unmittelbare und mittelbare Selbstelementschaft durch das Fundierungsaxiom ausgeschlossen ist, ist sie, worauf im Zusammenhang mit der Hegelschen Grundoperation bereits KOCH 1999 hingewiesen hat, in Peter Aczels Non-Wellfounded-Set-Theory widerspruchsfrei m¨oglich und in ihr damit die Einermenge ihrer selbst konstruierbar, die u¨ ber die Selbstanwendung der Mengenbildung definiert ist und f¨ur die entsprechend gilt: Ω={Ω}. Auch in Alonzo Churchs intensionaler Funktionentheorie, dem Lambda-Calculus, der Funktionen nicht extensional als Menge geordneter Tupel von Elementen aus Argument- und Wertebereich fasst, sondern intensional als Operationsvorschriften u¨ ber einen Argumentbereich begreift, sind Operationen, die ihr eigenes Argument bilden, grunds¨atzlich m¨oglich: A function is an operation which may be applied on one thing ” (the argument) to yield another thing (the value of the function). It is, of course, not excluded that the range of arguments or range of values of a function should consist wholly or partly of functions. In particular it is not excluded that one of the elements of the range of arguments of a function f should be the function f itself. This possibility has frequently been denied, and indeed, if a function is defined as a correspondence between two previously given ranges, the reason for the denial is clear. Here, however, we regard the operation or rule of correspondence, which constitutes the function, as being first given, and the range of arguments then determined as consisting of the things to which the function is applicable“ [C HURCH 1941: 1f.]. Damit ist der typenfreie Lambda-Calculus freilich wie die nat¨urliche Sprache inkonsistent, darum aber theoretisch nicht weniger fruchtbar. Die Ressourcen f¨ur eine strenge Rekonstruktion der Logik, die in typenfreien Lambda-Calculi liegen, k¨onnen in dieser Arbeit nicht entfaltet werden, scheinen aber gegen¨uber mehwertigen und parakonsistenten Logiken wesentlich vielversprechender. 56 Vgl. S PENCER B ROWN 1979, VARELA 1975, K AUFFMAN /VARELA 1980, K AUFF MAN 2008.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
211
a i
=
In Spencer-Browns-Kalk¨ul ist nun operationale Selbstanwendung m¨oglich, die dadurch ausgedr¨uckt wird, dass der mark in seinen eigenen Anwendungsbereich eintritt und so zum re-entry mark wird. Der re-entry mark markiert nicht mehr einfach einen Unterschied, sondern ein sich selbst unterscheidendes Unterscheiden oder kurz Selbstunterscheidung. Als selbstanwendende Operation muss diese zu etwas f¨uhren, was Ergebnis selbstbez¨uglichen Unterscheidens ist. Dieses Ergebnis kann damit aber nur in der ausdr¨ucklichen Unterscheidung zwischen selbstbez¨uglichem Unterscheiden und solchem bestehen, was nicht selbstbez¨ugliches Unterscheiden ist. Entsprechend markiert Selbstunterscheidung einen Unterschied zwischen ihr selbst (innen) und anderem (außen). Da dieser Unterschied aber gerade aus selbstanwendendem Unterscheiden selbst hervorgeht, ist er nichts von diesem einfach Verschiedenes, sondern bloß eine entwickeltere Gestalt selbstanwendenden Unterscheidens: = Entsprechend muss auch diese Gestalt selbstanwendenden Unterscheidens ihrerseits auf eine Unterscheidung zwischen ihr selbst und solchem f¨uhren, was sie nicht ist. Obwohl der wortsprachliche Ausdruck schnell un¨uberschaubar wird, hat man an der graphischen Darstellung des re-entry marks ein anschauliches Modell f¨ur den selbstbesondernden Charakter selbstanwendender Operationalit¨at. Selbstbez¨ugliches Unterscheiden legt sich n¨amlich rekursiv zu immer komplexeren Gestalten seiner selbst aus, weil jedes Resultat seiner Selbstanwendung Argument erneuter Selbstanwendung ist:
Sowohl Spencer-Brown wie Varela und Kauffman, welche die Theorie des reentry axiomatisiert haben und unter dem Titel Form-Dynamik“ untersuchen, ” gehen davon aus, vom re-entry her Zeit und Strukturbildung im Universum verstehen zu k¨onnen57 . Zwar kommen sie insofern mit Hegel u¨ berein, der es als Aufgabe ansieht, die Selbstunterscheidung des Begriffs apriorisch als Unterscheidung des Universums in und aus sich zu begreifen58 . Die auf dem re-entry 57
Vgl. K AUFMAN /VARELA 1980, S PENCER -B ROWN 1993, K AUFFMAN 2002. So formuliert Hegel im Zuge seiner Fichtedeutung pr¨agnant: Dieser absolute Begriff ” oder diese an und f¨ur sich selbst seiende Unendlichkeit ist es nun, welche in der Wissenschaft zu entwickeln ist und deren Unterscheidung als alle Unterscheidung des Universums aus sich selbst darzustellen ist“ [TW20,390]. 58
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
aufbauende Formtheorie nimmt aber einerseits den Begriff der Unterscheidung zu Unrecht als elementar an59 . Zugleich wird die Entwicklung der Grundoperation, weil sie von vornherein mit der Bildung geometrischer Formen verquickt ist, bloß aggregativ verstanden und kann daher nicht zur Entfaltung konkreter Bestimmungen f¨uhren. Daher ist es nicht gelungen, die Theorie des re-entry ontologisch fruchtbar zu machen und das Versprechen, das in ihr liegt, einzul¨osen. Hegels Ansatz beim selbstbez¨uglichen Sichbestimmen als selbstanwendender Negativit¨at scheint insofern wesentlich fruchtbarer. Der Begriff bildet als Inbegriff von Selbstbeziehung das, wovon man nicht absehen kann, ohne es dabei unausdr¨ucklich vorauszusetzen. So zeigt sich seine Unhintergehbarkeit realphilosophisch in der Unhintergehbarkeit des Selbstbewusstseins, womit Hegel an eine Grundfigur neuzeitlicher Philosophie anschließt. Denn sofern die denkende Selbstbeziehung unbestreitbar und unhintergehbar ist, ist es damit erst recht der Begriff als reine Form der Beziehung auf sich, die im Selbstbewusstsein nur in konkreter, endlicher Gestalt real ist. Damit besteht Hegel, wie auf andere Weise schon Descartes, darauf, die Unhintergehbarkeit endlichen Selbstbewusstseins sei nicht aus sich heraus, sondern nur von einem Unbedingten her zu verstehen, welches sich das endliche Selbstbewusstsein aber im voraussetzungslosen Denken, in dem es seine eigene ontologische Wurzel rein f¨ur sich ergreift, zur Klarheit zu bringen vermag. Als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen markiert der Begriff so (bloß) den formalen Inbegriff des performativen Charakters wesentlich selbstbewusster Vollz¨uge. Wesentlich selbstbewusst sind Vollz¨uge, die es nicht geben kann, ohne dass von ihnen erstpersonal gewusst wird, sondern die gerade nur zustande kommen, sofern der Vollziehende sich des jeweiligen Vollzugs als seines eigenen bewusst ist. Entsprechende Vollz¨uge gibt es u¨ berhaupt nur als Leistungen selbstbez¨uglichen Sichbestimmens – Urteile beispielsweise nur als selbstbez¨ugliches Erheben von Geltungsanspr¨uchen und Handlungen nur als Vollz¨uge, die sich selbst als Realisierungen von Absichten verstehen60 . 59 Der Ansatz bei Differenz als elementarem Begriff ist vom Hegelschen Standpunkt in entscheidenden Hinsichten fragw¨urdig. Denn erstens wird das Unterscheiden als Einzeichnen von Unterschieden ins Leere vorgestellt. Damit ist erstens nicht nachgewiesen, wie man von der Leere zum Unterschied kommt. Entsprechend wird auch nicht voraussetzungslos bei bloßer Unbestimmtheit begonnen und gezeigt, inwiefern sich diese, von sich her zu Bestimmtheit auslegt, die sich ihrerseits erst als Unterschied von Etwas und Anderem zu erweisen hat. Zweitens beinhaltet die Theorie von vornherein ein anschauliches Element, das Einzeichnen von Unterscheidungen in einen Raum, statt sich rein begrifflich zu artikulieren und die geometrische Veranschaulichung allenfalls zwecks u¨ bersichtlicher Darstellung zu gebrauchen. Schließlich wird unkritisch angenommen, Unterscheidungen erzeugten sich sozusagen von selbst, statt selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und damit Subjektivit¨at zu entspringen. 60 Aus dem wesentlich selbstbewussten Charakter von Vollz¨ ugen folgt nicht automatisch, dass ihr Subjekt u¨ ber einen privilegierten Zugang zu ihnen und damit u¨ ber infallibles Wissen von ihnen verf¨ugt, da nicht schon jeder Anspruch auf einen wesentlich selbstbewussten Vollzug
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
213
Dieter Henrich zufolge bleibt Hegel jedoch der Reflexionstheorie des Selbstbewusstseins verhaftet. Dieser Vorwurf kann zweierlei bedeuten, n¨amlich entweder, Hegel fasse Selbstbeziehung als nachgeordnete R¨uckbeziehung von etwas, was an sich noch keinen Selbstbezug aufweist, und u¨ bersehe dabei, dass dadurch echte Selbstbeziehung, wie sie im Selbstbewusstsein real ist, nicht erkl¨art wird, oder er sehe zwar, dass reflexive R¨uckwendung nur auf eine abk¨unftige Form von Selbstbeziehung f¨uhrt, f¨ur welche die Selbsthaftigkeit des Sichzur¨uckwendenden schon vorausgesetzt ist, lasse diese urspr¨ungliche Selbsthaftigkeit aber im Dunkeln oder denke sie mangels Alternative implizit doch wieder nach dem Modell der R¨uckwendung. Anscheinend meint Henrich seinen Vorwurf gerade im zweiten Sinn61 . Dass dies an Hegels Verst¨andnis von Selbstbeziehung vorbeigeht, l¨asst sich bereits von daher vermuten, dass Hegel diesen Vorwurf seinerseits Kant gegen¨uber erhebt. Kant sehe einerseits die Schwierigkeit der Reflexionstheorie, das, was sie erkl¨aren will, bereits voraussetzen zu m¨ussen, fasse diese Zirkularit¨at aber nicht als Mangel eines bestimmten Begriffs von Selbstbewusstsein auf, sondern lege sie als Unstimmigkeit gleichsam diesem selbst zur Last, wenn er sagt, dass wir uns um das Ich in einem best¨andigen Zirkel herumdrehen, indem wir uns seiner Vorstellung jederzeit schon ” bedienen m¨ussen, um irgend etwas von ihr zu urteilen; eine Unbequemlichkeit, die davon nicht zu trennen ist, weil das Bewußtsein an sich nicht sowohl eine Vorstellung ist, die ein besonderes Objekt unterscheidet, sondern eine Form derselben u¨ berhaupt“ 62.
Hegels eigene Auffassung besteht nun aber nicht darin, den unbequemen Zirkel, den Kant im Selbstbewusstsein findet, unproblematisch zu finden, sondern einen Begriff der Form von Selbstbewusstsein vorzulegen, der den Zirkel einerseits vermeidet und ihm andererseits eine abk¨unftige, nicht-viti¨ose Bedeutung in der Strukturbestimmung reflexiven Selbstbewusstseins einr¨aumt: Aber l¨acherlich ist es wohl, diese Natur des Selbstbewußtseyns – daß Ich sich selbst denkt, daß ” Ich nicht gedacht werden kann, ohne daß es Ich ist, welches denkt – eine Unbequemlichkeit und als etwas Fehlerhaftes einen Cirkel zu nennen, – ein Verh¨altnis, wodurch sich im unmittelbaren empirischen Selbstbewußtseyn die absolute, ewige Natur desselben und des Begriffes offenbart, deswegen offenbart, weil das Selbstbewußtseyn eben der daseyende, also empirisch wahrnehmbare, reine Begriff, die absolute Beziehung auf sich selbst ist, welche als trennendes Urtheil sich zum Gegenstande macht und allein dies ist, sich dadurch zum Cirkel zu machen“ 63. (unter einer bestimmten Selbstbeschreibung) durch die Realit¨at eines solchen Vollzugs gedeckt sein muss, sondern nur, dass derartige Vollz¨uge nur als Gehalte wissender Selbstbeziehung existieren k¨onnen. 61 Vgl. Anders als Fichte hat er sich niemals von der Reflexionstheorie des Selbstbewußt” seins gel¨ost und damit daf¨ur gesorgt, daß der gesamte Hegelianismus in der Bewußtseinstheorie dogmatisch und unproduktiv geblieben ist. Beharrlich beschreibt er das Selbstbewußtsein als Zusichkommen eines solchen, das an sich schon Selbstbeziehung ist,- somit ganz nach dem Reflexionsmodell, das bereits alles voraussetzt“ [H ENRICH 1970: 281]. 62 K ANT , KrV, B404. 63 12,19419−27.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Entscheidend ist Hegels Aussage, der reine Begriff sei die absolute Beziehung ” auf sich“ und diese selbst zirkelfrei. Wie bereits erl¨autert liegt darin, dass Hegel Selbstbeziehung als absolute Beziehung auf sich“ fasst, n¨amlich gerade, dass ” er sie nicht als nachtr¨agliche Beziehung auf sich von solchem versteht, was von sich her noch nicht selbsthaft ist, da dies nur eine relative Beziehung auf sich w¨are. Dagegen fasst Hegel urspr¨unglichen Selbstbezug nicht zirkul¨ar als fundierte R¨uckwendung von etwas auf sich, sondern als reine R¨uckkehr oder instantanes Setzen und Zur¨ucknehmen von Unterscheidung. Dass, was so als reine Beziehung auf sich urspr¨unglich selbsthaft ist, sich nachgeordneterweise in Form reflexiven Bewusstseins zum Gegenstand macht“ und urteilend auf ” sich als es selbst bezieht, wof¨ur pr¨areflexive Selbstbeziehung schon vorausgesetzt ist, markiert allein den Ort f¨ur einen Zirkel im Selbstbewusstsein. Dieser ist aber darum nicht viti¨os, weil er Selbstbeziehung nicht erkl¨aren soll, sondern nur eine nachgeordnete Form von Selbstbeziehung markiert, n¨amlich dass solches, was an sich schon selbsthaft ist, sich ausdr¨ucklich als solches erfasst64 . Zwar stimmt Hegel mit Fichte so darin u¨ berein, dass zum Verst¨andnis von Selbstbeziehung und Selbstbewusstsein der Begriff reiner, unfundierter T¨atigkeit unverzichtbar ist65 . Ob diese jedoch mit Fichte als Selbstsetzung“ ” oder mit Hegel als Sichbestimmen“ gefasst wird, bringt entscheidende Un” terschiede mit sich. Denn wird urspr¨unglicher Selbstbezug als Selbstsetzung begriffen, ist zwar deutlich, inwiefern sein Unterschied von sich zugleich kein Unterschied ist. Doch da sich Selbstsetzung, weil sie von Fichte nicht sogleich als Bestimmung, sondern als Seinssetzung gefasst wird, nicht unumwunden als selbstanwendende Operationalit¨at verstehen l¨asst, wie dies beim reinen Sichbestimmen m¨oglich ist, insofern dieses offenbar von sich her auf Bestimmtheit f¨uhrt, die zun¨achst nicht besteht, hat Fichte in Hegels Augen die Schwierigkeit, vom reinen Sichsetzen nicht immanent, sondern nur durch a¨ ußerlich eingef¨uhrtes Entgegengesetzen weiterzukommen66 . Aus der reflexiven Unhintergehbarkeit von Selbstbewusstsein folgt in Hegels Augen zugleich nicht, dass wir u¨ ber einen unmittelbar einleuchtenden Begriff desselben verf¨ugen, von dem die Philosophie ausgehen kann, ohne ihn rechtfertigen zu m¨ussen. Eine philosophische Theorie hat ihren Selbstbewusstseinsbegriff daher zu begr¨unden und nicht einfach vorauszusetzen. Deshalb kann sie nicht thematisch mit dem Selbstbewusstsein einsetzen, sondern muss viel bescheidener mit bloßer Un64 Die Unbegr¨ undetheit von Henrichs und Franks Kritik an Hegels Selbstbewusstseinsbegriff bringt Konrad Cramer auf den Punkt, indem er betont, Hegel sehe sowohl die ” grunds¨atzlichen Unzul¨anglichkeiten der Reflexionstheorie vom Selbstbewußtsein und die verlegene, nichtssagende Antwort der Unmittelbarkeitsthese“ [C RAMER 1974: 603], vgl. auch S CHALHORN 2000, I BER 2002. 65 Vgl. TW20,388. 66 Vgl. Fichte hat nun nur diesen Begriff aufgestellt; allein zur Wissenschaft, zur Reali” sierung aus sich selbst, hat er ihn nicht gebracht“ [TW20,390].
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
215
bestimmtheit beginnen, aus deren Entfaltung sich ein begr¨undeter Begriff von Selbstbeziehung und Selbstbewusstsein erst zu entwickeln hat. Darin liegt jedoch, wie schon gezeigt, nicht, Selbstbeziehung k¨onne auf etwas zur¨uckgef¨uhrt werden, was selbst nicht Selbstbeziehung ist67 . Vielmehr steckt bereits in der Unbestimmtheit des Anfangs unausdr¨ucklich die reine Beziehung auf sich, die sich im Umschlag erweist. Doch erst die Begriffslogik vermag eine angemessene Explikation der unhintergehbaren, im unmittelbaren Anfang aber bloß unausdr¨ucklich enthaltenen reinen Beziehung auf sich zu liefern. Dieser Explikation wenden wir uns nun zu. 3.2.3 Realisierung des Begriffs Hegel nennt den Weg der selbstinduzierten Anreicherung des Begriffs mit sachhaltiger Bestimmtheit die Realisirung des Begriffs“ 68 . Damit ist kein parado” xer Sprung von einem bloß Gedachten zu dessen Sein, sondern ein zeitloser Vorgang gemeint, verm¨oge dessen sich unbedingte Selbstbestimmung immer schon zu einem Spielraum selbsttragender Bestimmtheit ausgelegt hat, in und aus dem sie in Gestalt von Zentren beseelten und geistigen Lebens hervortritt. Was Hegel Begriff“ nennt, ist n¨amlich kein bloßer Gedanke, der als solcher erst ” noch des Seins bed¨urftig w¨are. Mit der Aufgabe aller Voraussetzungen wurde zu Beginn der Logik gerade von allem abgesehen, was subjektiver Einfall oder bloßer Gedanke heißen k¨onnte. Die Bestimmungen, die im logischen Fortgang hervortreten, k¨onnen daher keine leeren Begriffe sein, sondern markieren solches, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig dazugeh¨ort. Mit dem Ende der Wesenslogik hat sich nun aber gerade der Begriff oder absolutes Sichbestimmen als Vollgestalt dessen erwiesen, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig dazugeh¨ort. Insofern die Begriffslogik zeigen wird, dass zum Begriff seinerseits die zeitlose Selbstauslegung zu einem Kontinuum geh¨ort, innerhalb dessen er leibhaft als solcher in Gestalt von Zentren selbstbez¨uglichen ¨ Sichbestimmens hervortritt, kann von einem erschlichenen Ubergang eines bloßen Begriffs zum Sein bei Hegel keine Rede sein, weil der Begriff kein bloßer Begriff und Sein das wenigste ist, was ihm zugesprochen werden kann. Obgleich der Begriff also immer schon das Sein als Moment einschließt, folgt daraus noch nicht die Selbst¨andigkeit seines Seins. Solche kann ihm, wie die Begriffslogik zeigen wird, gerade nicht zukommen, solange er als subjektiver noch unentwickelt und unbestimmt in der Luft“ h¨angt, sondern gerade ” nur, insofern er sich zeitlos zu einem selbsttragenden Ganzen gestaltet hat. Insofern ist der Begriff als solcher eine Fiktion, seine reale Wirksamkeit aber unendlich, insofern er sich immer schon zur Realit¨at ausgelegt hat. Realisie” rung des Begriffs“ meint damit, dass es zum Begriff als solchen geh¨ort, sich 67 68
Vgl. oben S. 83 f. und Abschnitt 3.1. 12,5315; 20,20010.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
immer schon zeitlos in eine selbsttragende Gestalt u¨ berf¨uhrt zu haben. N¨aher hat diese Selbstauslegung eine logische (d. h. apriorisch rekonstruierbare) und eine außerlogische Seite. Die logische Seite besteht darin, dass unbestimmtes Sichbestimmen sich notwendig stufenweise aus sich heraus mit Bestimmtheit anreichert, die außerlogische hingegen darin, dass es sozusagen die Z¨ugel schießen l¨asst und sich, mit zuf¨alliger Bestimmtheit anreichert, zeitlos zur Realit¨at des nat¨urlichen Universums auslegt, in dem es in Gestalt von Zentren bestimmten Sichbestimmens hervortritt69 . Im gegenw¨artigen Zusammenhang soll es zun¨achst nur um die logische Realisierung des Begriffs gehen. Dessen Sichbestimmen wird in seiner logischen Realit¨at oder Objektivit¨at als Spielraum selbsttragenden Bestimmtseins zwar zun¨achst verschwinden. Damit kommt die Realisierung aber noch nicht ans Ende, sondern der weitere logische Fortgang wird in ihrer Fortsetzung mit anderen Mitteln bestehen. Insofern n¨amlich selbsttragendes Bestimmtsein-durchsich ebenso einseitige Gestalt von Selbstbestimmung ist wie das unfundierte Sichbestimmen, das sich logisch zu ihr auslegt, muss die Vollgestalt des Begriffs in Zentren bestimmten Sichbestimmens bestehen, die in und aus dem Spielraum seines objektseitigen Bestimmtseins hervortreten und in Form derer er nicht mehr in der Luft h¨angt, sondern insofern selbsttragend ist, als sich seine Selbstanreicherung mit neuer Bestimmtheit nun auf der Grundlage selbsttragenden Bestimmtseins vollziehen kann. Die in Gestalt der Idee erreichte konkrete Einheit von Sichbestimmen und selbsttragendem Bestimmtsein pr¨afiguriert damit beseeltes Leben und leibhaft verk¨orperten Geist als reale Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens, die ihren abh¨angigen Selbstand nur vor dem Hintergrund eines vorgegebenen, obgleich selbstbestimmt anzueignenden und auszugestaltenden Naturkontinuums haben. 3.2.4 Aufriss der Begriffslogik Die in der Begriffslogik entwickelten Kategorien sind ausdr¨ucklich als logische Realisierungsformen absoluter Selbstbestimmung darzustellen. Eine solche Darstellung ist deshalb m¨oglich, weil der Begriff eine selbstanwendende Operation darstellt, deren Werteverlauf rekursiv als Abfolge von ¨ Uberlagerungsgestalten mit kontrolliert angebbarer Bedeutung darstellbar ist. Wenn nun Bestimmungen wie Urteil, Objekt oder Idee in der Begriffslogik als Gestalten reiner Selbstbestimmung zu entwickeln sind, lassen sich die entsprechenden Begriffe nicht unumwunden in einem anderswoher bereits gel¨aufigen Sinn auffassen. Es gen¨ugt daher nicht, lediglich gewisse Eigent¨umlichkeiten zu nennen, durch die sich Hegels Verst¨andnis solcher Bestimmungen von g¨angigen Auffassungen unterscheidet. Vielmehr sind sie zun¨achst allein durch Entfaltung 69
Zur außerlogischen Seite der Realisierung des Begriffs vgl. unten Abschnitt 3.5.11.
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
217
der Grundoperation als besondere Gestalten des Begriffs zu entwickeln. Entsprechend f¨uhrt Hegel alle weiteren Grundbestimmungen seiner Philosophie, die auf den Begriff folgen, sei es die Idee, die Natur oder den Geist, direkt oder indirekt als Gestalten des Begriffs ein. Solche Bestimmungen haben in seiner Philosophie damit einen wohldefinierten, technischen Sinn, der nur dann angemessen erfassbar ist, wenn sie als komplexe Gestalten der Grundoperation dargestellt werden. Entsprechend sind die im landl¨aufigen Sinn logischen Formen Begriff, Urteil und Schluss, die Hegel im ersten Abschnitt der Begriffslogik abhandelt, nicht einfach mit ihren formallogischen Entsprechungen gleichzusetzen. Hegel r¨aumt der formalen Logik in diesem Abschnitt der Logik nicht einfach einen Ehrenplatz ein, da er diese Formen als Gestalten des Begriffs im Singular darstellt, was formallogisch keinen Sinn ergibt. Sie sind daher auch nicht einfach im Lichte g¨angiger Auffassungen des Logischen zu verstehen und zu beurteilen, sondern in ihrer eigenst¨andigen Bedeutung aus der selbstbez¨uglichen Negation herzuleiten. Zugleich kann und muss aber, wenn ihr technischer Sinn derart gesichert ist, jeweils gefragt werden, was sie mit ihren formallogischen oder nat¨urlichsprachlichen Pendants verbindet. Insofern zu Beginn der Logik der Gegensatz von Subjektivem und Objektivem mit allen anderen Voraussetzungen weggefallen ist, lassen sich die logischen Kategorien nicht einseitig auf besondere Ph¨anomene beziehen, welche entweder subjekt- oder objektseitig anzusiedeln w¨aren, sondern liegen diesem Unterschied voraus70 . Entsprechend thematisiert Hegel mit Urteil und Schluss nicht etwa bloße Formen des Denkens, sondern bestimmt sie auf eine Weise, die es erlaubt, alle Dinge“ zu Urteilen und Schl¨ussen zu erkl¨aren. Damit schreibt ” Hegel den Dingen aber nicht etwa selbst schon diskrete, propositionale Gliederung gem¨aß der logischen Formen des Begreifens zu, sondern nur die ontologische Form der Begreifbarkeit durch die Formen des Begreifens. Der erste Abschnitt der Begriffslogik wird zeigen, dass diskrete weltseitige Bestimmtheit wesentlich semantischen Charakter hat, insofern sie nur im Zusammenhang mit einer Artikulation in Begriffen, Urteilen und Schl¨ussen bestehen kann. Der dritte Abschnitt der Begriffslogik wird nachweisen, dass semantische Gehalte ihrerseits notwendig einen pragmatischen Aspekt haben, insofern es sie nicht unabh¨angig von ihrer Artikulation in Vollz¨ugen leibhaftiger Subjekte geben kann, obwohl ihre Geltungsdimension unabh¨angig von diesen Vollz¨ugen ist. Die Begriffslogik beginnt somit gerade nicht mit einem Verst¨andnis von Begriff, Urteil und Schluss als Gehalten subjektseitiger Vollz¨uge, obwohl sich im Nachhinein zeigen wird, dass die in ihr entwickelten reinen Formen nur als Gehalte solcher Vollz¨uge bestehen k¨onnen. Zun¨achst hat sich, was Hegel Begriff nennt, jedoch nicht als subjektseitige Form des Denkens 70
Vgl. 20,18319−25; 20,19212.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
¨ ergeben, sondern als reines Sichbestimmen. Nur darum kann der Ubergang zum zweiten Abschnitt der Begriffslogik zeigen, dass und inwiefern objektseitiges Sein (wenn es unter Abstraktion von Subjektivit¨at gefasst wird) selbst eine Gestalt von (sich fremder) Selbstbestimmung ist, der die Artikulierbarkeit durch Begriffe, Urteile und Schl¨usse eignet, die wesentlich Gehalte der Vollz¨uge von Subjekten sind, welche selbst Teil der Welt sind, die sie artikulieren. Obwohl ein realer Unterschied von Subjektivem und Objektivem in der Logik damit nichts zu suchen hat, tritt diese Unterscheidung in ihr dennoch zweifach als logische auf. Logisch unterscheidet sich das Subjektive vom Objektiven aber durch Selbstbeziehung und Selbstbestimmung. Entsprechend ergibt sich die Zweiteilung der Logik in objektive und subjektive daraus, dass in ihrem ersten Teil noch keine ausdr¨ucklichen Formen selbstbez¨uglichen Sichbestimmens thematisch sind und Selbstbeziehung hier noch nicht explizit als unfundierte Bewegung auftritt. Dagegen werden in der subjektiven Logik Formen selbstbez¨uglichen Sichbestimmens als solche betrachtet. Zugleich kehrt innerhalb der subjektiven Logik der logische Gegensatz von Subjektivem und Objektivem als Unterschied von subjektivem und objektivem Begriff wieder. Dieser Unterschied erkl¨art sich daraus, dass sich an Selbstbestimmung die beiden Aspekte des Sichbestimmens und des Selbst-Bestimmten unterscheiden lassen. Diesem Unterschied lassen sich Subjektivit¨at und Objektivit¨at insofern zuordnen, als Sichbestimmen selbstbez¨ugliche T¨atigkeit meint, das Bestimmtsein-durch-sich dagegen die eigent¨umliche Selbst¨andigkeit objektseitigen Seins. Obwohl der Unterschied von subjektivem und objektiven Begriff nicht unmittelbar real ausgelegt werden darf, deuten die von Hegel gew¨ahlten Bezeichnungen wie Ur” teil“ und Schluss“ oder Chemismus“ und Mechanismus“ doch darauf hin, ” ” ” dass den betreffenden logischen Formen eine besondere N¨ahe zu realphilosophischen Ph¨anomenbereichen zukommt, die eher subjekt- oder objektseitig angesiedelt sind. Die Anforderung an eine angemessene Rekonstruktion der Begriffslogik ist daher dreifach. Sie muss erstens der Versuchung widerstehen, begriffslogische Bestimmungen direkt im Licht realer Ph¨anomene zu deuten, anstatt sie als diesen vorg¨angige logische Formen zu entwickeln. Dabei muss sich zweitens eine Auffassung derselben ergeben, die erkl¨art, inwiefern sie sich nicht einseitig auf subjekt- oder objektseitiges Sein beziehen. Entsprechend ist etwa zu kl¨aren, in welchem Sinn Hegel davon sprechen kann, dass ein Ding ein Urteil sei oder es einen Mechanismus des Geistes gebe. Drittens muss dabei aber deutlich werden, inwiefern eine besondere N¨ahe zwischen bestimmten begriffslogischen Formen und bestimmten realen Ph¨anomenen besteht, mit denen sie die Bezeichnung gemeinsam haben. ¨ Zur besseren Ubersicht sei der folgenden Rekonstruktion der Begriffslogik ein Aufriss ihrer Hauptkategorien vorausgeschickt. Dieser greift der logischen
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
219
Entwicklung zwar insofern vor, als er die betreffenden Formen nicht auseinander entwickelt, sondern sie als Superpositionsformen der Grundoperation und so als Glieder einer statischen Einteilung darstellt, w¨ahrend sich diese im logischen Fortgang erst schrittweise im Ausgang von Bestimmungen aufbaut, in denen sp¨ater unterschiedene Kategorien zun¨achst noch unabgehoben ineins fallen. Dennoch beinhaltet die Einteilung bloß, was am Begriff als reiner Selbstbestimmung zwanglos ablesbar ist. An reiner Selbstbestimmung ( ) lassen sich n¨amlich eine unmittelbare, eine vermittelte und eine selbstvermittelte Form unterscheiden:
Begriff Selbstbestimmung
subjektiver Begriff Sichbestimmen
objektiver Begriff
ad¨aquater Begriff = Idee
(Selbst-)Bestimmtes Sichbest. = (Selbst-)Bestimmtes
Dabei markiert der unmittelbare Begriff ( ) als ingressive Gestalt von Selbstbestimmung selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, das Hegel terminologisch als subjektiven Begriff“ oder Subjektivit¨at“ fasst. Alternativ kann Hegel deshalb ” ” auch vom formellem Begriff“ sprechen, weil der Begriff eine sich zur Be” stimmtheit auslegende Form markiert, die ihren durchg¨angig bestimmten Inhalt als Sichbestimmen gerade noch nicht gewonnen hat und insofern noch in der ” Luft h¨angt“. Zum formellen Begriff geh¨ort dabei aber nicht nur unbestimmtes Sichbestimmen vor aller selbstgewonnenen Bestimmtheit, sondern die gesamte logische Bewegung, im Zuge derer die absolute Form sich mit Bestimmtheit anreichert, solange es sich dabei nur um bestimmtes Sichbestimmen und nicht schon um durchg¨angiges Bestimmtsein-durch-sich handelt, in dem das Sichbestimmen mit seinem Heraustritt zur Objektivit¨at terminiert. Am subjektiven Begriff lassen sich wieder drei Unterformen abheben. Entsprechend unterscheidet Hegel den Begriff im engeren Sinn als unmittelbares Sichbestimmen sowohl vom vermittelten, das er mit dem Urteil identifiziert, wie vom Sichbestimmen als Selbstverh¨altnis, dem Schluss:
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
einfacher Begriff
Urteil
Schluss
einstelliges zweistelliges Sichbestimmen Sichbestimmen Sichbest. als Selbstverh¨altnis
Da unfundiertes Sichbestimmen sich im Zuge seiner Entwicklung mit Bestimmtheit anreichert, sind seine Unterformen nicht nur besondere Weisen des Sichbestimmens, sondern zugleich schon Formen des (obgleich noch unvollst¨andigen) Bestimmtseins-durch-sich71. Da sich aber bereits am unmittelbaren Sichbestimmen ( ), das Hegel den Begriff als solchen“ nennt72 , ein ingres” siver und ein resultativer Aspekt unterscheiden lassen, wird hier von einfa” cher Selbstbestimmung“ (statt von einfachem Sichbestimmen“) gesprochen. ” Der Begriff als solcher besteht damit in der Selbstbestimmung von Einem und kann insofern n¨aher als einstellige Selbstbestimmung gefasst werden. Deren Eigenart wird deutlicher, wenn sie von vermittelter oder zweistelliger Selbstbestimmung ( ) abgehoben wird, die sich in einem Verh¨altnis unterschiedener Pole vollzieht. Unter welchen Umst¨anden aber kann ein solches Verh¨altnis eine Form der Selbstbestimmung sein? Offenbar dann, wenn das bestimmende Glied das zu bestimmende weder einfach verdoppelt, da es sonst zu keiner Bestimmung kommt, noch ihm eine ihm a¨ ußerliche Bestimmung hinzusetzt, da dies keine Bestimmung der Sache selbst, sondern Fremdbestimmung w¨are. In einem Verh¨altnis zweier Glieder kann sich Selbstbestimmung daher nur vollziehen, wenn beide unterschiedene Gestalten desselben sind und das Bestimmende darum solches, was im Zu-Bestimmenden unabgehoben angelegt ist, eigens als abgehoben setzt und das Verh¨altnis damit ein Explikationsverh¨altnis ist. Hegel nennt ein solches zweistelliges, explikatives Selbstverh¨altnis naheliegend Urteil“. Als Schluss“ fasst Hegel dagegen die selbstvermittelnde Gestalt des ” ” Sichbestimmens ( ), in der sich Begriff und Urteil als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Form aufeinander beziehen. Entsprechend ist der Schluss seinem Urteilsaspekt nach ein Explikationsverh¨altnis, in dem der Begriff aber 71 Urteil und Schluss bilden deshalb Formen noch unvollst¨ andigen Bestimmtseins-durchsich, weil ihr Subjekt nicht schon in jeder Hinsicht ausdr¨ucklich bestimmt sein kann, weil es sonst gar nicht mehr durch Pr¨adikate bestimmt zu werden brauchte und insofern alle Urteile tautologisch, damit aber u¨ berfl¨ussig w¨aren. 72 12,317 .
3.2. Der Begriff als Form des Begreifens und der Begreifbarkeit
221
insofern wesentlich auftritt, als es nicht direkt, sondern nur verm¨oge eines Mittelbegriffs vollziehbar ist. Im Unterschied zu den gerade umrissenen Formen des Sichbestimmens besteht das Selbst-Bestimmte als vermittelte Gestalt von Selbstbestimmung ( ) im durchg¨angig bestimmten Endpunkt unfundierten Sichbestimmens. Es ist darum selbst kein t¨atiges Sichbestimmen und vom subjektiven“ Begriff als ” objektiver“ abgehoben. Hegel fasst diesen auch als reellen Begriff“, wobei ” ” reell“ hier sachhaltig meint – und das heißt eben durchg¨angig bestimmt73. ” Dennoch markiert die Sph¨are des objektiven Begriffs nicht einfach prozessloses Bestimmt-Sein, da das Sichbestimmen des subjektiven Begriffs in seiner bestimmten Negation als unselbst¨andiger Aspekt verwandelt erhalten und diese insofern selbst prozessual verfasst sein muss. Da sie aber gerade durch durchg¨angige Bestimmtheit ausgezeichnet ist, kann ihre Prozessform nicht wie diejenige der Subjektivit¨at in Selbstanreicherung mit Bestimmtheit bestehen, sondern nur in der determinierten Umwandlung vorhandener. So zeichnet die Logik des objektiven Begriffs der Natur ihre Prozessform vor. Zun¨achst selbst¨andig auftretend und jeweils f¨ur sich betrachtet bilden subjektiver und objektiver Begriff an sich nur unselbst¨andige Aspekte von absoluter Selbstbestimmung. In Gestalt der Idee sind Sichbestimmen und durchg¨angig Bestimmtes dann als unabtrennbare Aspekte von Selbstbestimmung ausdr¨ucklich vereint. Die Idee ist so die selbstvermittelte Gestalt des Begriffs ( ), in der Subjektivit¨at und Objektivit¨at als bloße Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung auftreten ( ≡ ). Da unfundiertes Sichbestimmen und durchg¨angiges Bestimmtsein nun nicht mehr verselbst¨andigt und Selbstbestimmung damit nicht mehr einseitig auftritt, sondern ihre angemes73
Durchg¨angig bestimmt ist die Objektivit¨at im Verh¨altnis zum unfundierten Sichbestimmen, das sich zu ihr auslegt und das als Selbstanreicherung mit Bestimmtheit im Unterschied zu dem, worin es terminiert, noch unvollst¨andig bestimmt ist. Die Sph¨are der Objektivit¨at ist damit aber auch in dem Sinn durchg¨angig bestimmt, dass sie sich aus sich heraus nicht mit Bestimmtheit anzureichern vermag. Dagegen liegt in ihrer durchg¨angigen Bestimmtheit nicht, dass sie nicht Dank in und aus ihr heraustretender Subjekte, deren logische Verfasstheit Hegel im Abschnitt zur Idee entwickelt, sowohl durch erkennendes Abheben zuvor unabgehobener Bestimmtheit wie durch selbstbestimmte Gestaltung zu einer Welt des Geistes Bestimmtheit hinzugewinnen k¨onnte, nur dass dieser Zugewinn grunds¨atzlich nicht dem objektseitigen Sein, sondern der Freiheit der in und aus ihm hervortretenden Zentren beseelten und geistigen Lebens entstammen kann. Kants Satz der durchg¨angigen Bestimmtheit des Seienden“, wonach jedem ” Seienden aus der Sph¨are aller m¨oglichen Pr¨adikate jeweils das eine oder sein kontradiktorisches Gegenteil zukommen muss [K ANT, KrV, B599f.], gilt daher aus Hegelscher Perspektive nur f¨ur die Sph¨are der Objektivit¨at in Abstraktion von den leibhaft in und aus ihr hervortretenden Subjekten, deren sch¨opferische Freiheit eine innere Offenheit der geistigen Welt begr¨undet, die grunds¨atzlich nicht schon im Hinblick auf eine Sph¨are aller Pr¨adikate als durchg¨angig bestimmt und abgeschlossen gelten kann. Zu einer Auslegung von Kants Satz, gem¨aß derer seine Auffassung von Freiheit ihn zu einer entsprechenden Einschr¨ankung des Geltungsbereichs dieses Satzes zwingt, vgl. ROHS 1978.
222
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sene Vollgestalt hat, kann Hegel die Idee auch als den ad¨aquaten Begriff“ be” zeichnen74 . In Gestalt der Idee hat das Sichbestimmen sozusagen seinen logischen Wiederauftritt in und an durchg¨angig Bestimmtem. Darin dr¨uckt sich aus, dass selbstbez¨ugliches Sichbestimmen und selbsttragendes Bestimmtsein gar nicht unabh¨angig voneinander zu haben sind und Subjektivit¨at daher nur im konkreten Verbund mit Objektivit¨at, n¨amlich leibhaftig geerdet, m¨oglich ist. So zeichnet die Idee realen Formen des Lebens und Geistes ihre logische Form vor.
3.3 Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at) 3.3.1 Unmittelbares einstelliges Sichbestimmen (Allgemeines) Im Allgemeinen als Anfangsbestimmung der Begriffslogik fallen mehrere, sp¨ater unterschiedene Bestimmungen mit verschiedener Zahl von Unmittelbarkeitsebenen zun¨achst unabgehoben ineins. Die unmittelbarste und damit anf¨angliche Gestalt von Selbstbestimmung l¨asst sich denken, indem sie auf erster Stufe als Sichbestimmen (oder ingressive Selbstbestimmung) vom SelbstBestimmten (oder resultativer Selbstbestimmung), auf zweiter als einstellige Selbstbestimmung von zweistelliger und auf dritter als einstelliges Sichbestimmen von einstellig Bestimmtem oder Besonderem unterschieden wird:
Allgemeines Besonderes Selbstbestimmung unmittelbar = Sichbestimmen unm. = einstellige Selbstbestimmung unm. = einstelliges Sichbestimmen
Selbstbestimmung unmittelbar = Sichbestimmen unmittelbar = einstellige Selbstbestimmung vermittelt = einstellig Bestimmtes
Da diese Unmittelbarkeitsstufen zun¨achst noch nicht voneinander abgehoben sind, ist das Allgemeine, mit dem der Gang der Begriffslogik einsetzt, noch nicht ausdr¨ucklich als dreifach unmittelbare Selbstbestimmung von anderen Formen der Selbstbestimmung unterschieden und f¨allt daher mit undifferenzierter Selbstbestimmung ineins. Obwohl Selbstbestimmung also anf¨anglich noch nicht ausdr¨ucklich als einstelliges Sichbestimmen von anderen Begriffsgestalten abgehoben ist, steht das schlechthin Allgemeine dennoch insofern am Anfang der Begriffslogik, als sich Selbstbestimmung zun¨achst wie selbstverst¨andlich von ihrem ingressiven Aspekt her als einfaches Sichbestimmen 74
12,1733.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
223
pr¨asentiert. Ausdr¨ucklich hebt sich dieses erst im Zuge des logischen Fortgangs als Sichbestimmen vom Selbst-Bestimmtem und als Form einstelligen Sichbestimmens von zweistelligem ab. Als unmittelbare Selbstbestimmung ist das schlechthin Allgemeine einfaches Sichbestimmen noch unangesehen aller Bestimmtheit und damit selbst bestimmungsloser Bestimmtheitsquell. Entsprechend seiner noch unentfalteten Produktivit¨at fasst Hegel es als den unbe” stimmten“ oder reinen“ Begriff75 . Dessen selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, ” der operationale Inbegriff des Selbstbewusstseins, kann deswegen als das Allgemeine schlechthin gelten, weil ihm alle besonderen Begriffe oder bestimmten Formen von Allgemeinheit entspringen sollen. Angesichts dessen ist zu fragen, was diese Bestimmung des Allgemeinen als unbestimmtem Sichbestimmen mit g¨angigeren Auffassungen von Allgemeinheit verbindet. Als Sichbestimmen ist das schlechthin Allgemeine erstens solches, zu dem Bestimmtheit hinzukommt und das insofern selbst unbestimmter oder eben allgemeiner“ als das Bestimmte ist, das sich aus ihm ergibt. ” Zweitens geht das Sichbestimmen in dieses Bestimmte als solches selbst ein, so wie nach g¨angigem Verst¨andnis allgemeine Bestimmungen als Merkmale in besondere Begriffe eingehen. Drittens kann das Sichbestimmen sich zu unterschiedlichen, miteinander inkompatiblen Bestimmungen auslegen, die damit besondere Begriffe sind und im Hinblick auf die es, wie das Allgemeine nach gew¨ohnlichem Verst¨andnis, das ist, was in allen identisch und gemeinsam ist. Entsprechend kann Hegel behaupten, Allgemeinheit und Besonderheit verhielten sich abstrakt genommen wie Identit¨at und Unterschied zueinander76 . Jedoch behauptet Hegel weiter: Das Allgemeine ist das mit sich Identische ” ausdr¨ucklich in der Bedeutung, dass in ihm zugleich das Besondre und Ein77 zelne enthalten sey“ . Mit der Behauptung, das Allgemeine enthalte“ das ” Besondere scheint Hegel aber nicht nur von u¨ blichen Auffassungen von Allgemeinheit abzuweichen, sondern dieses widerspr¨uchlich zu bestimmen. Denn offenbar enth¨alt oder impliziert das Allgemeine seine Besonderungen gerade nicht, weil es sonst entweder wegen der Inkompatibilit¨at der besonderen Bestimmungen untereinander widerspr¨uchlich w¨are oder, wenn es nur eine solche ¨ Bestimmung implizierte, kein besondere Bestimmungen Ubergreifendes w¨are, sondern selbst eine solche besondere Bestimmung und sich auch damit widerspr¨ache. Deshalb muss das Allgemeine scheinbar gleichg¨ultig und unbestimmt im Hinblick darauf gefasst werden, was seine besonderen Auspr¨agungen voneinander unterscheidet. Ein solches Allgemeines nennt Hegel das abstrakte“ ” und unterscheidet es vom konkreten“, dem seine Besonderung nicht einfach ” a¨ ußerlich sein soll. Dabei fasst Hegel konkrete Allgemeinheit nicht etwa als 75
Vgl. TW4,102; TW4,192; 12,3319. Vgl. TW8,314. 77 20,18010−12. 76
224
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
statisches Enthaltensein des Besonderen im Allgemeinen und damit manifest widerspr¨uchlich, sondern prozessual als operationale Selbstanreicherung mit Bestimmtheit. Dar¨uber hinaus beansprucht er zugleich, nicht bloß eine Alternativkonzeption zu abstrakter Allgemeinheit vorzulegen, sondern behauptet, dass diese zwar untergeordnet ihr Recht hat, dabei aber u¨ berhaupt nur von konkreter Allgemeinheit, die sich n¨aher als essentielle Allgemeinheit auspr¨agt, her m¨oglich und verst¨andlich ist. Im weiteren Fortgang der Begriffslogik, insbesondere in der Lehre von Urteil und Schluss, hat Hegel daher zu zeigen, dass abstrakte Allgemeinheit nicht konsistent aus sich heraus zu verstehen ist. Mo¨ tiviert werden kann dies bereits an dieser Stelle durch die Uberlegung, dass der Unterschied von Allgemeinem und Besonderem u¨ berhaupt nur aufrecht zu erhalten ist, wenn das Allgemeine seine Differenzen selbst bestimmt, weil Spezifikation andernfalls bloß symmetrische Verkn¨upfung gleichrangiger Bestimmungen w¨are und der Unterschied von Allgemeinem und Besonderem sich so auf den von Einfachem und Komplexem reduzierte. In diesem Fall w¨are Allgemeinheit allenfalls noch quantitativ als faktische Kopplung oder “konstante Verkn¨upfung“ solcher gleichrangiger Bestimmungen in allen Einzelf¨allen, die diese Bestimmungen instantiieren, zu verstehen. In der Schlusslogik wird Hegel jedoch zeigen, dass der induktive Schluss auf eine durchg¨angige Verkn¨upfung von Bestimmungen in allen Einzelf¨allen u¨ berhaupt nur tragf¨ahig sein kann, wenn ein selbstbesonderndes Allgemeines in seinem Sinn unterstellt wird. Zugleich wird Hegel zu zeigen versuchen, dass selbst¨andige Einzelheit u¨ berhaupt nur insofern denkbar ist, sofern es Formen selbstspezifizierender Allgemeinheit gibt, aus der sich Anforderungen an die besonderen Bestimmungen ihrer Instanzen (n¨amlich von Zentren beseelten und geistigen Lebens) ergeben und damit zugleich die M¨oglichkeit, die Einheit konkreter Einzelner in ihren besonderen Bestimmungen zu verstehen. Zun¨achst versteht Hegel das selbstbesondernde Allgemeine gegen¨uber diesen aristotelischen Konnotationen jedoch nicht als bestimmtes Artallgemeines, von dem her die selbst¨andige Einheit eines konkreten Einzelnen verst¨andlich wird, sondern als Allgemeinheit schlechthin, deren zeitloser Selbstauslegung erst eine Sph¨are entspringen soll, in der solche Einzelne hervortreten k¨onnen. Das schlechthin Allgemeine erm¨oglich und erkl¨art so erst die bestimmte Allgemeinheit der Gattungen und Arten und legt insofern die Erkl¨arungsebene tiefer als diese. Das schlechthin Allgemeine darf dabei als selbst unbestimmtes Sichbestimmen nicht so verstanden werden, als komme ihm ein selbst¨andiges Bestehen jenseits des Bestimmten zu, zu dem es sich auslegt. Der allgemeine Begriff legt sich darum nicht erst irgendwann zu selbstgesetzter Bestimmtheit aus, sondern muss immer schon u¨ ber sich hinaus sein und sich zeitlos zur Bestimmtheit ausgelegt haben, da er als unfundiertes Sichbestimmen nicht die Selbstbestimmung von solchem markiert, was auch unabh¨angig von seinem Sichbestimmen
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
225
bestehen k¨onnte, sondern als reines Sichbestimmen gerade nur besteht, insofern er sich bestimmt, sich damit aber, um zu sein, was er ist, immer schon bestimmt haben muss. Indem das Allgemeine so u¨ ber sich auf das Besondere hinausweist, ist es, mit Hegel zu sprechen, als Moment des Begriffs selbst der ” ganze Begriff“ 78 . Die Selbstbestimmung des Begriffs kennt damit grunds¨atzlich keinen zun¨achst f¨ur sich bestehenden Anfang oder Ursprung, schließt mit dem Allgemeinen jedoch einen ingressiven Aspekt ein, der auf einen resultativen bezogen ist79 . Als reines Sichbestimmen hat sich das schlechthin Allgemeine so zwar immer schon in besondere Bestimmtheit u¨ berf¨uhrt. Weil es sich selbst bestimmt, verschwindet es in dieser jedoch nicht einfach, sondern setzt sich zu einem unselbst¨andigen Aspekt einer besonderen Gestalt seiner selbst herab. Das schlechthin Allgemeine ist so die reine Form des Sichbestimmens, die sich im Wechsel der bestimmen Gestalten, zu denen sie sich auslegt, aspekthaft durchh¨alt. Daher wird der allgemeine Begriff laut Hegel nicht mit in das ” Werden gerissen, sondern kontinuiert sich ungetr¨ubt durch dasselbe und hat die Kraft unver¨anderlicher, unsterblicher Selbsterhaltung“ 80. Die Selbsterhaltung des Allgemeinen in der Auslegung zu seinen bestimmten Gestalten kann dabei nicht als Aufhebung im Hegelschen Sinn verstanden werden. Denn Aufhebung bedeutet, dass ein zun¨achst selbst¨andig auftretender Inhalt als unselbst¨andiger Aspekt einer u¨ bergreifenden Einheit gesetzt wird und sich dabei nicht gleich bleibt, sondern in Funktion desjenigen Inhalts modifiziert wird, mit dem er in diese Einheit eingeht. So ist etwa das Sein – zun¨achst unbestimmte F¨ulle u¨ berhaupt –, durch das Nichts modifiziert, im Dasein als Einschluss bestimmter F¨ulle oder Realit¨at aufgehoben. Umgekehrt ist das Nichts – zun¨achst unbestimmte Leere u¨ berhaupt –, modifiziert durch das Sein, im Dasein als Negation oder Ausschluss gewisser F¨ulle aufgehoben. Diese Modifikation kann deshalb nicht als Spezifikation verstanden werden, weil der Modifikator einer aufzuhebenden Bestimmung X die bestimmte Negation von X ist. Da beide einander ausschließen, kann ¬X nicht einfach erg¨anzend zu X hinzutreten, w¨ahrend dieses gleich bleibt. Spezifikation besteht dagegen gerade darin, dass zu einer gleichbleibenden allgemeinen Bestimmung eine mit ihr kompatible Bestimmtheit differenzierend hinzutritt. Da das Allgemeine als Sichbestimmen nichts anderes als Selbstspezifikation ist, kann seine Auslegung zu einer bestimmten Gestalt nicht als Aufhebung ge78
Vgl. 20,17921−22. Friedrike Schick ist so zwar darin zuzustimmen, das Allgemeine sei kein dem Prozess ” entr¨uckter Ursprung der Vermittlung“. Daraus folgt aber nicht, es sei nicht Ende und nicht ” Anfang des Prozesses, sondern der Prozess selbst“ [S CHICK 1994: 190]. Denn w¨are das Allgemeine einfach der Prozess des Sichbestimmens, dann w¨are es nicht vom Begriff u¨ berhaupt zu unterscheiden. Als ingressiver oder prozessierender Aspekt im Prozess ist es jedoch sowohl von diesem wie vom Besonderen als resultativem unterscheidbar. 80 12,3424−26. 79
226
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
dacht werden. Insofern das Allgemeine sich spezifiziert, legt es sich n¨amlich zu besonderen Gestalten aus, in denen es sich – nun zwar Moment – selbst gleich bleibt81 . Hegel charakterisiert die Allgemeinheit entsprechend als Gleichheit ” mit sich selbst in ihrer Bestimmtheit“ 82. Insofern das Allgemeine damit in seinen unterschiedlichen Besonderungen das gleiche ist, ist es allen gemeinsam und insofern im Wortsinn all-gemein. Hegel fasst die Auslegung des Allgemeinen zum Besonderen entsprechend auch nicht als Aufhebung, sondern als Sich-Herabsetzen. Besteht der logische Fortgang im unausdr¨ucklichen oder ausdr¨ucklichen Sichbestimmen des Begriffs, ist er also nicht nur durch Aufhebung, sondern ebenso durch Herabsetzung charakterisiert. Die logische Entfaltung einer implizit unmittelbaren Bestimmung kann n¨amlich sowohl als Aufhebung dieser Bestimmung in eine vermittelte Bestimmung und r¨uckwirkendes Unterscheiden zwischen der nun als unmittelbar gesetzten Ausgangsbestimmung und einer u¨ bergreifenden Bestimmung begriffen werden, wie auch quer dazu als Herabsetzung einer u¨ bergreifenden zu einer vermittelten und einer als unmittelbar gesetzten: X
X
( )
Herabsetzung
X
X
X
X
( )
Aufhebung
Als unselbst¨andiger Aspekt seiner besonderen Gestalten bildet das Allgemeine sozusagen das immanente Antriebsmoment ihrer Fortbestimmung, das Hegel daher die Seele des Concreten“ 83 nennt. Da aber Besonderes als konkretes ” Ganzes Gestalt von Selbstbestimmung ist, entwickelt es sich dabei als Ganzheit und wird nicht etwa vom Allgemeinen als real abtrennbarem Teil gesteuert. Als reine Bestimmtheitsproduktivit¨at noch unangesehen der produzierten Bestimmtheit ist das schlechthin Allgemeine nicht einfach unbestimmt, sondern schließt Bestimmtheit zwar nicht ausdr¨ucklich jedoch verm¨oge seiner operationalen Kapazit¨at in sich. Es ist sozusagen die bloße Eingabeseite selbstanwen81 Dieses Argument gilt offenbar nicht nur f¨ ur das reine Sichbestimmen oder unbestimmte Allgemeine, welches hier thematisch ist, sondern ebenso f¨ur die Besonderung eines selbst schon bestimmten Allgemeinen. Auch dieses erh¨alt sich unver¨andert in seinen Besonderungen und Instanzen. So ist etwa das Menschsein nicht von Mensch zu Mensch ein anderes, sondern u¨ berall das gleiche. 82 Vgl. 20,1797. 83 Vgl. 12,3422.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
227
dender Operationalit¨at, noch ungeachtet ihrer Ausgabeseite. Insofern sich jedoch im Fortgang der Logik alle Bestimmungen in den allgemeinen Begriff aufgel¨ost und damit nachtr¨aglich als Gestalten desselben erwiesen haben, enth¨alt das Allgemeine virtuell sogar jede nur m¨ogliche Bestimmtheit und ist darum mit Hegels Worten das absolut Fruchtbare, das alles in sich befasst“ 84 . ” Seine Fr¨uchte erbringt das Allgemeine, indem es sich als unbestimmtes Sichbestimmen selbstinduziert zu besonderer Bestimmtheit auslegt und insofern bestimmt negiert. Es ist so die sch¨opferische Macht als die absolute Negati” vit¨at, die sich auf sich selbst bezieht“ 85 und sich dabei durch sich selbst zur ” Bestimmtheit und Besonderung negiert“ 86 . Indem das Allgemeine die reine Selbstnegation noch ungeachtet ihrer bestimmten Resultate markiert, ist es als unendliche Einheit der Negativit¨at mit sich“ 87 nicht schon in dem Sinn unend” lich, dass es in konkrete Einheit mit dem Bestimmten, zu dem es sich auslegt, gesetzt und insofern in seinem anderen bei sich w¨are. Unendlich ist der allgemeine Begriff daher nur insofern, als dass er sich nicht ausschließend auf anderes bezieht, an dem er seine Grenze h¨atte, sondern vielmehr bloß auf sich selbst ( ). Unbestimmt und unterschiedslos enth¨alt das Allgemeine so gleichsam als selbststartendes, sch¨opferisches Programm alle m¨ogliche Bestimmtheit virtuell in sich und hat es damit an sich ein solches Einfaches zu seyn, welches durch ” die absolute Negativit¨at den h¨ochsten Unterschied und Bestimmtheit in sich enth¨alt [...] das Einfache, welches eben so sehr das reichste in sich selbst ist“ 88 . N¨aher ist dieses operational Reichste laut Hegel sogar die h¨ochst einfache Be” stimmung“ 89, also das Einfachste u¨ berhaupt. Insofern sich n¨amlich alle seinsund wesenslogischen Mitbewerber um den Rang des Einfachsten als instabile (Vor-)Gestalten reinen Sichbestimmens entpuppt haben, sind sie allenfalls vermeintlich einfacher und damit an sich komplexer als dieses. Nach diesen Ausf¨uhrungen d¨urfte die Bestimmung des Allgemeinen, die Hegel gibt, nachvollziebar sein: Der Begriff ist zuerst so die absolute Identit¨at mit sich, daß sie diß nur ist, als die Negation der ” Negation, oder als die unendliche Einheit der Negativit¨at mit sich selbst. Diese reine Beziehung des Begriffs auf sich, welche dadurch diese Beziehung ist, als durch die Negativit¨at sich setzend, ist die Allgemeinheit des Begriffs“ 90.
Dabei markiert die absolute Identit¨at“ mit sich offenbar nichts dem Allge” meinen Eigent¨umliches, sondern eignet dem Begriff u¨ berhaupt, insofern er als 84
V10,18088−89. 12,3634−35. 86 TW13,147. 87 12,3318−19. 88 12,3325−33. 89 12,3322 . 90 12,3317−21. 85
228
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Selbstbestimmung in der Kontinuit¨at seiner Gestalten besteht und dies nicht etwa nur unausdr¨ucklich und damit bloß relativ, sondern ausdr¨ucklich und insofern absolut“. Das Eigent¨umliche des Allgemeinen ist aber, dass es absolute ” Identit¨at mit sich nur“ als selbstbez¨ugliche Negation ist, also in noch nichts ” weiter als selbst unbestimmtem Sichbestimmen besteht. Da die Identit¨at mit seinen bestimmten Gestalten im Allgemeinen damit noch nicht als solche gesetzt, sondern es erst auf dem Sprung zu ihr ist, ist es diese Identit¨at nur ingressiv oder als sich setzend“. ” 3.3.1.1 Bestimmte Gestalten des Allgemeinen Als unbedingtes Sichbestimmen ist das schlechthin Allgemeine zwar selbst unbestimmt, verweist jedoch zugleich von sich her auf Bestimmtheit, in Gestalt derer es sich setzt. Insofern es sich selbst in Gestalt dieser Bestimmtheit setzt, ist diese zun¨achst so zu denken, dass sie unmittelbar in es aufgenommen und gerade nicht von ihm abgesetzt ist. Damit hat sich eine bestimmte Gestalt einfachen Sichbestimmens, das heißt ein Allgemeines ergeben, das sich vom unbestimmten Sichbestimmen oder schlechthin Allgemeinen, das zun¨achst betrachtet wurde, als bestimmte Allgemeinheit unterscheidet. Hegels Begriff des Allgemeinen r¨uckt mit diesem Schritt u¨ blichen Auffassungen von Allgemeinheit von sich her ein St¨uck n¨aher, insofern auch er es erlaubt, Allgemeines als bestimmt zu denken. Nun kann die Bestimmtheit, die sich aus dem Sichbestimmen ergibt, aber auch ausdr¨ucklich von diesem abgesetzt werden, woraus sich die Kategorie des Besonderen ergibt. Vom bestimmten Allgemeinen unterscheidet sich dieses also gerade dadurch, dass in ihm die Bestimmtheit vom Sichbestimmen unterscheidend abgesetzt oder f¨ur sich genommen“ ist, w¨ahrend sie im bestimmten ” Allgemeinen unmittelbar in dieses zur¨uckgenommen oder re-flektiert“ ist. Ent” sprechend gilt nach Hegel: Insofern das Allgemeine die Bestimmtheit in sich hat, ist sie nicht nur die erste Negation, ” ” sondern auch die Reflexion derselben in sich. Mit jener ersten Negation f¨ur sich genommen ist es Besonderes, wie es sogleich wird betrachtet werden; aber es ist in dieser Bestimmtheit wesentlich noch allgemeines. Diese Seite muß hier noch aufgefaßt werden“ 91.
W¨ahrend also das Sichbestimmen im Besonderen Moment des Bestimmten ist, ist im bestimmten Allgemeinen umgekehrt Bestimmtheit Moment des Sichbestimmens. Das bestimmte Allgemeine ist so das, was besondere Bestimmungen in sich einbeh¨alt, das Besondere dagegen das, was zun¨achst vom Allgemeinen abgesetzt ist, das es freilich zugleich als Moment enth¨alt. Das bestimmte Allgemeine kann damit als die logische Form von Wesens- oder Gattungsallgemeinheit verstanden werden. Wie schon angedeutet, geh¨ort zum Begriff n¨amlich nicht nur die Selbstanreicherung mit neuer Bestimmtheit, sondern ob91
12,3531−35.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
229
jektseitig auch die geregelte Umwandlung bereits vorliegender. Insofern Bestimmtheit nun aber in das Allgemeine aufgenommen ist und dieses sich als solches im Wandel von Bestimmtheit durchh¨alt, geh¨ort jene Bestimmtheit zu dem sich in solchem Wechsel Gleichbleibenden. Das bestimmte Allgemeine ist so Allgemeinheit, welche besondere, sich wandelnde Bestimmungen in die Einheit einer Sache zusammenh¨alt, damit zugleich Real- und Erkl¨arungsgrund ihrer Einheit und insofern essentielle Allgemeinheit: Die Bestimmtheit ist als bestimmter Begriff aus der Aeusserlichkeit in sich zur¨uckgebogen; ” sie ist der eigne, immanente Charakter, der dadurch ein Wesentliches ist, dass er in die Allgemeinheit aufgenommen und von ihr durchdrungen, von gleichem Umfange, identisch mit ihr sie ebenso durchdringt, es ist der Charakter, welcher der Gattung angeh¨ort, als die von dem Allgemeinen ungetrennte Bestimmtheit“ 92 .
Indem sich die Bestimmtheit, zu der sich das Allgemeine auslegt, auf dieses zur¨uckbezieht, zugleich aber von ihm unterschieden und darum von ihm abgesetzt ist, ergibt sich das Besondere. Besonderheit im engeren Sinn meint also Bestimmtheit, zu der sich das Allgemeine auslegt, insofern diese nicht wie die Gattungsbestimmtheit unmittelbar in es einbehalten, sondern von ihm abgehoben, damit aber wechselhaft und verg¨anglich ist. ¨ Mit dem Ubergang von der Allgemeinheit zur Besonderheit hat sich nicht einfach eine neue Kategorie ergeben, sondern das Allgemeine differenziert sich dabei r¨uckwirkend und teilt sich somit ein: Das Besondere tritt damit grunds¨atzlich nicht einzeln, sondern als Mehrzahl einander ausschließender Arten einer u¨ bergreifenden Bestimmung auf. Die Selbsteinteilung, in der sich eine zun¨achst gegensatzlose Kategorie zu einer vermittelten Gestalt besondert und dabei selbst r¨uckwirkend in eine u¨ bergreifende und eine als unmittelbar gesetzte, damit aber gleichfalls besondere differenziert, wurde im Zuge des logischen Fortgangs st¨andig vollzogen. Dabei legt sich ein zun¨achst unausdr¨ucklich Allgemeines zu besonderen Gestalten seiner selbst aus. Diese bisher nur anhand konkreter F¨alle vollzogene Bewegung wird in der Begriffslogik mit der Selbstbesonderung der Allgemeinheit als solche thematisch. Dabei bildet die logische Entfaltung von Allgemeinheit und Besonderheit zugleich selbst eine Instanz ¨ dieser Bewegung. Mit dem Ubergang von der Allgemeinheit zur Besonderheit teilt sich die Allgemeinheit n¨amlich r¨uckwirkend in bestimmte Allgemeinheit als ihre unmittelbare Gestalt, in der Bestimmtheit unmittelbar ins Allgemeine einbehalten und damit Gattungsbestimmtheit ist, sowie Besonderheit als vom Allgemeinen abgesetzte Bestimmtheit ein. Die bestimmte Allgemeinheit ist so zwar nicht ihrem Gehalt, wohl aber ihrem Status nach ein Besonderes, n¨amlich wie das seinem Gehalt nach Besondere ein Bestimmteres als unbestimmte Allgemeinheit. Hegels Begriff der Besonderheit ist also wesentlich zweideutig: So meint Besonderheit in Einklang mit u¨ blichem Verst¨andnis einfach das Be92
12,366−11.
230
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
stimmtere gegen¨uber dem Allgemeinen als Unbestimmterem, das in jenes eingeht. Zugleich meint Besonderheit aber im spezifisch spekulativen Sinn solche Bestimmtheit, die nicht unmittelbar ins Allgemeine aufgenommen und damit konkrete oder essentielle Bestimmtheit ist, sondern außer ihm gesetzt und damit akzidentell ist. 3.3.1.2 Reale Auspr¨agungen des Allgemeinen und philosophiegeschichtliche Bez¨uge Von anderen Auffassungen begrifflicher Allgemeinheit unterscheidet sich die Hegelsche damit vornehmlich dadurch, dass sie das Allgemeine nicht als Abstraktum denkt, das nur durch a¨ ußeren Zusatz von Differenzen spezifiziert werden kann, sondern als selbstbesondernd. Es kann daher nichts sein, was seinen Besonderungen bloß gemeinschaftlich, zugleich aber von ihnen verschieden w¨are. Denn insofern es nichts anderes als Selbstbesonderung ist, legt es sich selbst zur Besonderheit aus. So ist nach Hegel das Allgemeine des Begriffs nicht bloß ein Gemeinschaftliches, welchem gegen¨uber das Be” sondere seinen Bestand f¨ur sich hat, sondern vielmehr das sich selbst Besondernde (Spezifizierende) und in seinem Anderen in ungetr¨ubter Klarheit bei sich selbst Bleibende.“ 93.
Solche Selbstbesonderung pr¨agt sich jedoch in wesentlich unterschiedenen Formen aus: Erstens als zeitlose Selbstauslegung des Begriffs zu einem begrifflich artikulierbaren Objektkontinuum; zweitens als Entwicklung des Lebendigen und Geschichte des Geistes; drittens als denkende Entfaltung reiner Begriffe in der Philosophie. Sofern f¨ur die Selbstauslegung des Allgemeinen zur durchg¨angigen Bestimmtheit objektseitigen Seins Zeit noch keine Rolle spielt, hat sich das Allgemeine je schon unzeitlich zu diesem ausgelegt und daher kein eigenst¨andiges Bestehen als solches. Hegels Ansicht des Allgemeinen ist damit nominalistisch, insofern dem Allgemeinen nur im und f¨ur den Geist abgetrenntes Bestehen als solches zukommt. Da aber objektseitige Realit¨at nichts anderes als die vollendete Selbstbesonderung des Allgemeinen ist, ist Hegels Auffassung desselben zugleich auf ungew¨ohnliche Weise realistisch, indem sie die Sachen als Selbstkonkretion des Allgemeinen und dieses insofern nicht in, sondern qua re denkt. Diese Auffassung l¨auft keineswegs auf die Absurdit¨at hinaus, die Welt als eine Ansammlung abstrakter Entit¨aten begreifen zu wollen. Vielmehr wird die Bestimmung des Einzelnen, in der einstelliges Sichbestimmen kulminiert, das Allgemeine als bloßen Aspekt des Einzelnen erweisen, der dessen besondere Bestimmungen in selbst¨andiger Einheit zusammenh¨alt. Im Unterschied zu Zentren beseelten und geistigen Lebens als paradigmatisch Einzelnen sind dinghafte, durch eine allgemeine Natur zusammengehaltene Einzelne aber nicht schon an sich diskret von ihrer Umgebung abgehoben. Zugleich 93
TW8,312 Z1.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
231
ist begriffliche Bestimmtheit in ihnen sozusagen dicht gelagert, weshalb objektseitige Realit¨at nicht schon von sich her in selbst¨andige B¨undel begrifflich artikulierter Bestimmungen zerf¨allt. N¨aher wird sich zeigen, dass sie auf unartikulierte und insofern im semantischen Sinn nicht-begriffliche Weise begrifflich und deshalb zwar begrifflich erkennbar ist, ohne von sich her schon semantisch artikuliert, d. h. propositional gehaltvoll zu sein. Insofern das Allgemeine“ u¨ blicherweise nicht als selbstbesondernd, son” dern nur als Bestimmbares und seinen Besonderungen daher bloß abstrakt Gemeinsames verstanden wird, k¨onnte es scheinen, als spreche Hegel unter diesem Titel einfach von etwas anderem. Dagegen ist jedoch zu zeigen, dass sich zumindest vom klassischen Begriff des Gattungsallgemeinen als eines durch Differenzen Spezifizierbaren her die Annahme eines selbstbesondernden Allgemeinen auf gewisse Weise nahe legt, zugleich aber der abstrakten Auffassung des Allgemeinen untergeordnet gewisse Berechtigung zukommt, die sich durchaus von Hegels Begriff selbstbesondernder Allgemeinheit her einholen l¨asst. Die klassische, aristotelische Auffassung definitorischer Einteilung als Besonderung eines Gattungsallgemeinen durch Hinzusetzen von Differenzen weist n¨amlich aufgrund asymmetrischer Kombinationseigenschaften von Genus und Differenz eine Eigent¨umlichkeit auf, die auf ein selbstbesonderndes Allgemeines hindeutet. Denn best¨unde die Besonderung eines Allgemeinen einfach darin, dass einer Bestimmung eine von ihr logisch unabh¨angige Bestimmung hinzugesetzt w¨urde, stellte das Besondere eine beliebige Verkn¨upfung voneinander unabh¨angiger Bestimmungen dar. Da eine solche Verkn¨upfung aber symmetrisch ist, m¨usste jedes ihrer Glieder sowohl als Allgemeines oder Genus wie als Bestimmendes oder Differenz gelten k¨onnen. Damit fiele nicht nur der Unterschied von Gattung und Differenz weg, sondern der Unterschied von Allgemeinem und Besonderem reduzierte sich auf den des Einfachen und Komplexen94. Als derartige beliebige Verkn¨upfung statt als Zusatz spezifischer Differenzen zu einem Allgemeinen begreift etwa Hume und der an ihn anschließende Empirismus die Definition: Complex ideas may, perhaps, be well ” known by definition, which is nothing but an enumeration of those parts or simple ideas, that compose them“ 95 . So m¨usste sich etwa der Mensch sowohl als vern¨unftiges Lebewesen wie als lebendiges Vernunftwesen definieren lassen. Nach klassischer Auffassung sind solche Einteilungen jedoch insofern asymmetrisch, als die Differenz, obgleich nicht schon im Genus enthalten, zugleich genusspezifisch ist. Entsprechend ist der Mensch deshalb als vern¨unftiges Lebewesen und nicht lebendiges Vernunftwesen zu definieren, weil Vern¨unftigkeit nur Lebewesen, nicht aber Lebloses spezifiziert. Die Differenz ist effektiv also nur mit dem Genus kombinierbar, ihre Kombination mit dessen kontradiktori94 95
Vgl. hierzu die konzisen Ausf¨uhrungen in S CHICK2006a: 121f. H UME 1748: 39.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
schem Gegenteil hingegen leer96 . Umgekehrt ist das Genus jedoch nicht nur mit der Differenz, sondern auch mit deren kontradiktorischem Gegenteil nichtleer kombinierbar (G∧d, G∧d). Entsprechend gibt es vern¨unftige und nichtvern¨unftige Lebewesen, nicht aber lebendige und nicht-lebendige Vernunftwesen. Falls man solche Asymmetrien nicht als zuf¨allig betrachten m¨ochte, legen sie nahe, dass eine spezifische, nicht-analytische Verkn¨upfung zwischen einem Allgemeinen und seinen Differenzen m¨oglich sein muss. Das Allgemeine bestimmt in diesem Fall seine ihm eigent¨umlichen Differenzen selbst, ohne dass diese darum analytisch in ihm enthalten w¨aren. Daf¨ur, dass ein derartiges selbstbesonderndes Allgemeines notwendig angenommen werden muss, wird Hegel in der Urteils- und Schlusslogik durch den Nachweis argumentieren, dass in allen Urteilen und Schl¨ussen implizit ein selbstbesonderndes Allgemeines vorausgesetzt ist. Zugleich erbringt der Fortgang der Begriffslogik (wie implizit bereits der bisherige logische Fortgang) auch insofern den Beweis selbstbesondernder Allgemeinheit, als sie immanent im Ausgang vom allgemeinen Begriff besondere Formen des Begrifflichen wie Urteil und Schluss entwickelt. Wird das Allgemeine derart als selbstbesondernd gefasst, ergeben sich seine spezifischen Differenzen aus ihm selbst, ohne in ihm schon ausdr¨ucklich enthalten zu sein, da es sonst kein Allgemeines, sondern bereits selbst Besonderes w¨are. F¨ur das spekulative Allgemeine trifft dies deshalb zu, weil es seine Differenzen nicht schon ausdr¨ucklich, sondern nur virtuell verm¨oge seiner operationalen Bestimmungskapazit¨at enth¨alt. Gem¨aß dem Superpositionsmodell von Selbstbesonderung sind diese Differenzen dem jeweils bestimmten Allgemeinen, das sich durch sie weiter bestimmt, insofern eigent¨umlich, als sie formell zwar als Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung charakterisierbar, ihrer konkreten Bedeutung nach jedoch gerade Funktionen des jeweiligen Allgemeinen sind, das sich in ihnen bestimmt. So bedeutet Vermittlung als spezifische Differenz des Begriffs etwas anderes, n¨amlich sein Bestimmtsein als Objektivit¨at, denn als spezifische Differenz des Urteils, wo sie f¨ur dessen Zweistelligkeit steht. Da die funktionale Abh¨angigkeit einer spezifischen Differenz von ihrem Allgemeinen nicht analytisch sein kann, weil sie sonst selbst schon Art dieses Allgemeinen w¨are, hat die abstrakte Auffassung von Allgemeinheit eine gewisse Berechtigung. Denn die Differenz kann so als vom Allgemeinen unabh¨angig und das Besondere als Konjunktion selbst¨andiger Glieder erscheinen, 96 Aristoteles bringt dies in der Topik auf die Formel, die Differenzen f¨ uhrten ihr eigenes Genus mit sich [144b16-17]. Wie FALCON 1996: 382f. im Anschluss an Topik 144b28-30 zeigt, sind davon empirisch insofern Abstriche zu machen, als Differenzen nicht notwendig eindeutig die n¨achsth¨ohere Gattung mit sich f¨uhren m¨ussen, sofern sie nur u¨ berhaupt eindeutig eine h¨ohere Gattung mit sich f¨uhren. So f¨uhrt die Differenz zweif¨ußig zwei n¨achsth¨ohere Gattungen mit sich, n¨amlich die des fliegenden und des gehenden Lebewesens, ist zugleich aber spezifische Differenz von Lebewesen.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
233
obwohl Differenz und Besonderes an sich Funktionen des Allgemeinen sind. Dass die funktionale Abh¨angigkeit der Differenzen vom jeweiligen Allgemeinen nicht unmittelbar erkennbar ist, macht den Eindruck, Einteilen sei ein Verkn¨upfen selbst¨andiger Bestimmungen, zwar verst¨andlich. Diese Ansicht beruht aber nicht einfach auf einem nahe liegenden Irrtum, sondern hat insofern ihre sachliche Berechtigung, als die Selbstbesonderung des Allgemeinen nach Hegel empirisch und insofern in den meisten F¨allen einen Zufallsaspekt einschließt97 . Weil dieser erst mit der zeitlosen Selbstauslegung des Begriffs zur Natur in dessen Selbstbesonderung hineinspielt, geh¨ort solche Zuf¨alligkeit zwar eigentlich nicht in die Logik. Da die realphilosophischen Instanzen begriffslogischer Kategorien die Selbstbesonderung des Begriffs ihretwegen aber nur gebrochen realisieren, ist sie schon hier anzusprechen, wie auch Hegel es im Zuge der ¨ begriffslogischen Abhandlung des Allgemeinen tut. Ein Ubergang zwischen A und B heiße zuf¨allig, wenn B grunds¨atzlich nicht aus A erkl¨arbar ist. Damit ist gemeint, dass B, wenn nicht schon bekannt, auch nicht aus A herleitbar, und selbst wenn schon bekannt, nicht aus A verstehbar ist. Zwar k¨onnte die Behauptung, die Selbstbesonderung des Allgemeinen habe eine zuf¨allige Seite, insofern widerspr¨uchlich erscheinen, als Zuf¨alliges grundlos scheint, Allgemeines aber Grund seiner Besonderungen sein soll. Nach der gegebenen Bestimmung schließt Zuf¨alligkeit eines B gegen¨uber einem A aber keineswegs seinen Hervorgang aus A aus, sondern nur die Erkl¨arbarkeit von B aus A. So gehen etwa beim radioaktiven Zerfall eines Atoms die Zerfallsprodukte zwar aus diesem hervor, obwohl etwas an ihnen aus dessen Charakteristika grunds¨atzlich nicht erkl¨arbar ist, n¨amlich der Zeitpunkt solchen Hervorgehens. Insofern in die Selbstbesonderung des Begriffs der Zufall hineinspielt, hat dies f¨ur die Einteilung eines Allgemeinen im Denken zur Folge, dass die betreffenden Differenzen grunds¨atzlich nicht aus diesem ableitbar sind. Damit hat aber die Auffassung von Einteilung als Zusatz eigenst¨andiger Differenzen ihre relative Berechtigung, insofern Zahl und Gehalt solcher Differenzen nur empirisch bestimmbar, nicht jedoch apriorisch ableitbar sind. Zu empirischer Allgemeinheit geh¨ort daher wesentlich Abstraktheit. Hegels Standardbeispiel hierf¨ur ist die Anzahl der Papageienarten samt ihrer artspezifischen Merkmale. Obgleich solche zuf¨alligen Gestalten des Begriffs nicht aus diesem herleitbar sind, sind sie gleichwohl Aspekte seiner Selbstbesonderung. Sie haben daher keinen absoluten Selbstand, sondern treten nur als unselbst¨andige Aspekte an 97 Solche empirische Brechung macht Spezifikation darum aber noch nicht notwendig zu beliebiger Verkn¨upfung unabh¨angiger Bestimmungen. Dar¨uber hat Aristoteles mit seinem vergleichsweise gr¨oßeren Interesse an Empirie intensiver nachgedacht als Hegel und entsprechende Regeln wie diejenige aufgestellt, beim Einteilen habe man darauf zu achten, nicht beliebige Bestimmungen, sondern Differenzen der vorangehenden Differenz hinzuzusetzen [A RISTOTELES, Met. Z12, 1038a9-10]. Zu dieser und weiteren aristotelischen Einteilungsregeln vgl. FALCON 1997.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
solchem auf, was immer auch apriorisch erkl¨arbare Aspekte hat. So geh¨oren zu einer durch das ontologisch zuf¨allige Merkmal X definierten Papageienart als einer Form des Lebendigen kategoriale Aspekte, die sich rein begrifflich herleiten lassen. Ihre zuf¨alligen Merkmale entziehen sich dem Begriff auch insofern nicht, als sie der Artikulation und Erkl¨arung durch empirische Begriffe zug¨anglich sind98 . W¨ahrend empirische Begriffe wesentlich durch abstrakte Allgemeinheit gekennzeichnet sind, spielt auch in ihren Gehalt aspekthaft konkrete Allgemeinheit mit hinein. Das abstrakt Allgemeine ist ohne Bezug auf besondere Auspr¨agungen seiner selbst definierbar und bestimmt. So geh¨ort ein Bezug auf besondere Arten von Gesteinen nicht zum Gehalt des Begriffs Gestein. Die M¨oglichkeiten, Gesteine etwa im Hinblick auf ihren materiellen Aufbau einzuteilen, beruhen so auf dem Zusatz differenzierender Bestimmungen, die dem Begriff des Gesteins selbst a¨ ußerlich sind und sich nicht aus ihm ergeben. Das konkret Allgemeine f¨uhrt einen Bezug auf besondere Auspr¨agungen dagegen insofern mit sich, als es nicht unabh¨angig von einem derartigen Bezug bestimmt und definierbar ist. So ist etwa der Begriff einer biologischen Art nur unter Bezug darauf definiert und bestimmt, was es heißt, ein gedeihendes Exemplar dieser Art zu sein. In den Gehalt konkreter Universalien geht damit ein Bezug auf besondere Auspr¨agungen ein. Alle solchen Auspr¨agungen m¨ussen als solche dem Allgemeinen, unter das sie fallen, in einem gewissen Maß entsprechen, also f¨ur die Subsumtion unter es hinreichende Bestimmungen aufweisen und damit gewissen Subsumtionsbedingungen gen¨ugen. Sofern es jedoch angemessene und unangemessene Auspr¨agungen dieses Allgemeinen geben kann und diese im Hinblick auf das Allgemeine selbst angemessen oder unangemessen sind, m¨ussen sich die besonderen Bestimmungen, durch die etwas dem Allgemeinen, unter das es f¨allt, angemessen ist (=Angemessenheitsbedingungen), aus diesem Allgemeinen selbst ergeben und damit wesentlich zu dessen Begriff geh¨oren. Angemessenheitsbedingungen legen damit ideale Anforderungen 98 Obwohl das Zuf¨ allige so in die Selbstbesonderung des Begriffs mit einbezogen ist, bringt der Zufall also eine Selbstpluralisierung der onto-logischen Grundform mit sich, die dem Einzelnen irreduzible Selbst¨andigkeit einr¨aumt, es zugleich aber in den Zusammenhang des Ganzen mit einbeh¨alt. Zum Einzelnen geh¨ort n¨amlich, dass in es Bestimmungen eingehen, die grunds¨atzlich nicht aus dem Begriff erkl¨arbar und insofern irreduzibel sind. Hegel selbst fasst die Zuf¨alligkeit in der Selbstauslegung des Begriffs ausdr¨ucklich als Zulassen selbst¨andiger Mannigfaltigkeit: Der Natur, weil sie das Aussersichseyn des Begriffes ist, ist es freygegeben, ” in dieser Verschiedenheit sich zu ergehen, wie der Geist, ob er gleich den Begriff in Gestalt des Begriffs hat, auch aufs Vorstellen sich einl¨aßt, und in einer unendlichen Mannichfaltigkeit desselben sich herumtreibt. [...] Beyde zeigen wohl allenthalben Spuren und Ahndungen des Begriffs, aber stellen ihn nicht in treuem Abbild dar, weil sie die Seite seines freyen Aussersichseyns sind; er ist die absolute Macht gerade darum, daß er seinen Unterschied frey zur Gestalt selbst¨andiger Verschiedenheit, a¨ ußerlicher Notwendigkeit, Zuf¨alligkeit, Willk¨ur, Meynung entlassen kann“ [12,3910−20].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
235
daf¨ur fest, dass es sich um ein wahres, gutes oder sch¨ones A handelt. Insofern sich die besonderen Bedingungen der Angemessenheit an ein konkretes Allgemeines aus diesem selbst ergeben, wird die, an sich irref¨uhrende, Wendung verst¨andlich, das konkrete Allgemeine sei dasjenige Allgemeine, das zugleich eine seiner Arten“ ist99 , n¨amlich die ausgezeichnete, ihm angemessene Art“. ” ” Im Unterschied zu dieser stehen die unangemessenen Auspr¨agungen eines konkreten Allgemeinen im Zeichen der Partikularit¨at und damit der Beliebigkeit, weil sie nur dadurch gekennzeichnet sind, u¨ ber die Erf¨ullung von Subsumtionsbedingungen hinaus Bestimmungen aufzuweisen, die mit den Angemessenheitsbedingungen inkompatibel sind, ohne dass sich diese Bestimmungen aus dem konkreten Allgemeinen selbst erg¨aben. Insofern es beliebig verschiedene Umst¨ande geben kann, welche die Angemessenheitsbedingungen verfehlen, zur Subsumtion unter das betreffende Allgemeine aber hinreichen, weist die Menge der Subsumtionsbedingungen eine gewisse, indefinite Variabilit¨at auf100 . Subsumtionsbedingungen sind insofern logisch von Angemessenheitsbedingungen abh¨angig, als sie sich nicht definit auflisten lassen, da es potentiell unbegrenzt viele Weisen gibt, wie etwas seine Bestform verfehlen kann, sondern nur einen offenen Spielraum zul¨assiger Abstriche von dieser umreißen. Das konkrete Allgemeine ist damit insofern der Spielraum seiner besonderen Auspr¨agungen, als zu seinem Gehalt u¨ ber Bedingungen der Subsumtion unter es hinaus Angemessenheitsbedingungen geh¨oren, gem¨aß derer etwas eine ad¨aquate Auspr¨agung dieses Allgemeinen ist. Ein konkretes Allgemeines ist als Begriff mit immanent eingebauten Gelingensbedingungen daher sozusagen kein null-, sondern ein eindimensionaler Begriff, n¨amlich ein Allgemeines, das ein evaluativ gradiertes Intervall aufspannt und damit einen Spielraum des Gelingens und Nichtgelingens markiert. 3.3.1.3 Exkurs zur methodischen Kontrollierbarkeit von Dialektik Wenn spezifische Differenzen grunds¨atzlich nicht analytisch vom jeweiligen Allgemeinen abh¨angen und insofern nicht aus diesem deduzierbar sind, ist fraglich, wie u¨ berhaupt zwischen zuf¨alligen und notwendigen Aspekten der Selbstbesonderung des Begriffs unterscheidbar sein soll. Nun ist gem¨aß der formalen Darstellung logischer Kategorien als Superpositionsformen die Differenz eines Allgemeinen zwar Funktion desselben und der Begriffsmomente Unmittelbarkeit (u), Vermittlung (v) oder Selbstvermittlung (s). Da aber diese Abh¨angigkeit keine externe ist, lassen sich die Differenzen und damit die beVgl. etwa Zˇ I Zˇ EK 2003: 87. Die offene Menge disjunktiv bestimmer Subsumtionsbedingungen ist damit logisch und epistemisch durch Bezug auf die Angemessenheitsbedingungen bestimmt, die von ihnen auf jeweils unterschiedliche, f¨ur die Subsumtion unter das betreffende Allgemeine jedoch noch hinreichende Weise unterboten wird. 99
100
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sonderen Formen eines Allgemeinen nicht mechanisch-additiv, sondern nur in einem kreativen Denkakt erzeugen. So k¨onnen etwa die Idee des Lebens beziehungsweise des Geistes nur durch einen sch¨opferischen Denkakt als Antwort auf die Frage gewonnen werden, auf welche grundlegendste Weise ein Zentrum selbstbez¨uglichen Sichbestimmens unmittelbar oder vermittelt sein kann. Obwohl sich besondere Gestalten des Begriffs daher nicht durch a¨ ußerliche Verkettung, sondern nur durch sch¨opferische Denkakte gewinnen lassen, muss sich der damit verkn¨upfte Anschein von Willk¨ur ausr¨aumen und die Berechtigung solcher Akte methodisch ausweisen lassen, wenn Dialektik rational nachvollziehbar sein soll. Daher muss es Kriterien geben, welche die Stellung von Kategorien im logischen Fortgang sowie u¨ ber sie getroffene Aussagen entweder zu rechtfertigen oder zur¨uckzuweisen erlauben. Gibt es solche Kriterien, ist ¨ der Ubergang zwischen logischen Kategorien nicht einfach zuf¨allig, weil ihr Zustandekommen wenigstens im Nachhinein als geregelt ausgewiesen werden kann. So besteht immanenter Fortgang zwar darin, dass Kategorien, in ihrer eigenen Bestimmtheit gefasst, obgleich zun¨achst unausdr¨ucklich, den abgrenzenden Verweis auf andere, reicher bestimmte in sich tragen. Kontrollierbar ist der immanente Fortgang aber darum, weil sich logische Kategorien eineindeutig Superpositionsformen zuordnen lassen. Diese sind insofern kompositional verfasst, als ihre begriffsschriftliche Notation aus selbst¨andigen Grundzeichen gem¨aß wohlbestimmter Verkn¨upfungsregeln aufgebaut ist. Entsprechend muss es einen Isomorphismus zwischen den f¨ur sich abgehobenen Aspekten einer Kategorie und den Teilen einer Superpositionsform geben. Eine solche Isomorphie zwischen Superpositionsform und analysierter Kategorie erlaubt damit die methodische Kontrolle des Fortgangs. Denn dann und nur dann wenn eine analysierte Kategorie eineindeutig auf diejenige Superpositionsform abbildbar ist, die ihrer Stellung im logischen Fortgang entsprechen muss, l¨asst sich ihre Berechtigung nachtr¨aglich ausweisen. F¨ur die Kategorie des Allgemeinen etwa l¨asst sich diese Zuordnung folgendermaßen darstellen:
s u u u
Selbstbestimmung ingressiv einstellig ingressiv
Sichbestimmen
Allgemeines
¨ Wenn nun alle logischen Bestimmungen als konkrete Uberlagerungsgestalten der selbstbez¨uglichen Negation darstellbar sind, kann unterschiedlichen Kategorien nicht dieselbe Superpositionsform zugeordnet werden. Ergibt die Analyse unterschiedlicher Kategorien dieselbe Superpositionsform, muss daher mindestens eine von ihnen unvollst¨andig analysiert sein. Obwohl logische Katego-
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
237
rien als konkrete Gestalten des Begriffs nicht mit Superpositionsformen gleichgesetzt werden k¨onnen, k¨onnen diese beim Nachvollzug des logischen Fortgangs damit sowohl der methodischen Kontrolle wie als Merkzeichen dienen. Analog ist etwa eine musikalische Notation nicht etwa deshalb zu verwerfen, weil Punkte in einem Liniensystem die superadditive Gestaltqualit¨at von Akkorden nicht einfangen k¨onnen. Vielmehr ist etwa das Ein¨uben und Auff¨uhren einer Symphonie u¨ berhaupt nur m¨oglich, weil sich eine konkrete Klanggestalt in eine digitale Notation herunterbrechen l¨asst, die zweckm¨aßigerweise nicht die nat¨urlicher Sprachen ist. Da die logische Entwicklung des Begriffs in seiner Auslegung zu konkreten Gestalten seiner selbst besteht, die nicht schon in ihre Aspekte analysiert sind, ¨ ist Dialektik vollziehbar, ohne dass Uberg¨ ange zwischen Kategorien auf die gerade angedeutete Weise notiert, analysiert und kontrolliert werden. Beides ist nicht f¨ur ihren Vollzug, sondern nur f¨ur ihren rationalen Nachvollzug unerl¨asslich. So ist Hegel zwar ein un¨ubertroffener Meister der immanenten Entfaltung von Begriffen, weist diese jedoch oft nur unzureichend analytisch aus. Die Analyse logischer Kategorien als Superpositionsformen kann und soll das mit einem sch¨opferischen Denkakt verbundene, immanente Erzeugen solcher Gestalten nat¨urlich nicht ersetzen, sondern zeigt einerseits bloß den Umkreis ¨ an, in dem sie zu suchen sind, und macht dialektische Uberg¨ ange andererseits nachtr¨aglich methodisch kontrollierbar, indem sie zu entscheiden erlaubt, ob eine Bestimmung zu Recht als Nachfolger einer anderen gilt oder nicht. Grunds¨atzlich muss sich aber nicht nur das Auftreten einer Bestimmung an einer bestimmten Stelle des logischen Fortgangs anhand der Zuordnung zu einer Superpositionsform ausweisen lassen. Vielmehr m¨ussen anhand dieser Form auch Aussagen u¨ ber logische Kategorien und ihr Verh¨altnis zu anderen u¨ berpr¨ufbar sein. Denn solche Aussagen m¨ussen ihren Anhalt in den Kategorien selbst haben und sich, da diese isomorph auf eine Superpositionsform abbildbar sind, anhand von jener ausweisen lassen. ¨ Wie eine solche Uberpr¨ ufung m¨oglich ist, soll zun¨achst nur f¨ur Aussagen u¨ ber eine Kategorie angegeben und erst darauf f¨ur solche u¨ ber Verh¨altnisse zwischen mehreren untersucht werden. Aussagen u¨ ber eine Kategorie m¨ussen ihren Anhalt offenbar im Verh¨altnis zwischen dieser und ihren eigenen Aspekten haben. Im Hinblick darauf k¨onnen nun zwei Arten solcher Aspekte unterschieden werden, n¨amlich unechte und echte Momente. Anschließend wird gezeigt, wie diese sich einer Superpositionsform zuordnen und auf eine Kategorie Bezug nehmende Aussagen entsprechend u¨ berpr¨ufen lassen. 3.3.1.3.1 Unechte Momente Dem unechten Moment einer Kategorie entspricht eine zusammenh¨angende Teilmenge ihrer Superpositionsstufen. Zusammenh¨angend“ wird eine solche ”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Teilmenge genannt, wenn sie alle Superpositionsstufen enth¨alt, die zwischen ihrer niedrigsten und ihrer h¨ochsten Stufe liegen. Ein solches Moment ist also einer Auswahl von Gliedern der Superpositionsform zugeordnet, die einer Kategorie entspricht101 . Es wird deshalb unecht“ genannt, weil es zwar ein ” unselbst¨andiger Bedeutungsaspekt dieser Kategorie ist, aber dennoch f¨ur sich genommen dieselbe Bedeutung hat wie als Glied derselben. Dagegen haben die sogleich zu betrachtenden echten Momente f¨ur sich genommen nicht die gleiche Bedeutung wie als Glieder einer Kategorie. Zun¨achst sind die unechten Momente jedoch noch weiter in Allgemeinheits- und Differenzmomente einzuteilen: Ein Allgemeinheitsmoment ist ein unechtes Moment, das die erste Superpositionsebene einschließt. Es wird hier so genannt, weil die Kategorie, der es angeh¨ort, eine besondere Form seiner selbst darstellt. So ist etwa das Sichbestimmen Allgemeinheitsmoment des Urteils und dieses entsprechend eine besondere Form des Sichbestimmens:
Dagegen ist ein Differenzmoment ein unechtes Moment, welches die erste Superpositionsebene nicht mit einschließt. So ist Zweistelligkeit etwa Differenzmoment des Urteils:
Das Differenzmoment wird hier so genannt, weil ein solches Moment, dem die niedrigste Superpositionsstufe n zukommt, unmittelbar oder mittelbar spezifische Differenz aller Allgemeinheitsmomente mit maximaler Superpositionsstufe ≤n–1 bildet. So ist etwa Zweistelligkeit als Differenzmoment des Urteils spezifische Differenz des Sichbestimmens. 101
Eine Kategorie n-ter Stufe hat offenbar n eingliedrige sowie (n-m+1) m-gliedrige und n
daher insgesamt ∑ i = i=2
n(n+1) 2
–1 unechte Momente.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
239
Nun kann das Verh¨altnis zwischen einer Kategorie und ihren unechten Momenten ausgedr¨uckt werden, indem diese von jener pr¨adiziert werden. Denn sowohl Allgemeines wie Differenz k¨onnen wahrheitsgem¨aß von einem Besonderen ausgesagt werden. Entsprechend ist das Urteil etwa zugleich eine Form des Sichbestimmens und zweistellig. Solche Aussagen sind anhand der Superpositionsform ihres logischen Subjekts u¨ berpr¨ufbar. Entsprechend l¨asst sich etwa die Aussage, das negative Urteil sei eine Form zweistelligen Sichbestimmens, an der Superpositionsform des negativen Urteils ausweisen:
s u v u v
S¨atze, die von einer Kategorie ihre unechten Momente pr¨adizieren, sind zwar analytisch, m¨ussen aber deshalb nicht trivial sein, weil Kategorien begriffliche Ganzheiten sind, die klar gedacht werden k¨onnen, ohne u¨ ber eine distinkte Analyse zu verf¨ugen. Daher kann es etwa aufschlussreich sein zu sagen, das Urteil sei die zweistellige Form des Sichbestimmens. 3.3.1.3.2 Echte Momente Echte Momente sind solche Bedeutungsaspekte einer Kategorie, die nur unter Ver¨anderung ihres Sinns unabh¨angig von der Bestimmung, deren Aspekt sie sind, fassbar und insofern nicht isolierbar sind. So ist etwa der Begriff als Moment des Urteils nicht mehr, was er f¨ur sich ist, n¨amlich einstellige Selbstbestimmung, sondern vielmehr Pol zweistelliger Selbstbestimmung oder Urteilsglied. Seine Nicht-Isolierbarkeit dr¨uckt sich begriffsschriftlich dadurch aus, dass der Formelausschnitt, welcher ihn als Moment bezeichnet, eine Superpositionsebene schneidet:
Echte Momente lassen sich in Haupt- und Nebenmomente einteilen. Ein Hauptmoment ist nicht-isolierbarer Aspekt einer Kategorie im Ganzen, ein Nebenmoment dagegen ein solcher Aspekt eines isolierbaren Aspekts derselben. W¨ahrend Nebenmomente mit anderen Worten lokale unselbst¨andige Aspekte einer Bestimmung darstellen, bilden Hauptmomente globale unselbst¨andige
240
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Aspekte. Solche hat Hegel zumeist im Sinn, wenn er von Momenten spricht102 . Hauptmomente sind also Momente im engeren Sinn. Als Beispiel kann das positive Urteil angef¨uhrt werden, welches das Hauptmoment des negativen Urteils bildet:
Als echtes Moment bildet das positive Urteil einen Bedeutungsaspekt des negativen, ohne dass dieses als Verkn¨upfung des positiven Urteils mit etwas anderem analysierbar w¨are103 . Die Anzahl der Hauptmomente einer Bestimmung ist Funktion ihrer h¨ochsten Superpositionsebene. Denn eine unmittelbare Bestimmung hat keinen nicht-isolierbaren globalen Bedeutungsaspekt, eine vermittelte einen und eine selbstvermittelte zwei:
X
X
X
Eine Bestimmung mit einem Hauptmoment ist eine Negation, insofern sie sich ausschließend auf eine unmittelbare Bestimmung bezieht, die zugleich als unselbst¨andiger Aspekt in ihr aufgehoben ist. Eine Bestimmung mit zwei Hauptmomenten ist eine Negation der Negation, weil sie sich ausschließend sowohl 102
Hegel f¨uhrt den Begriff des Moments in der Logik folgendermaßen ein: Etwas ist ” nur insofern aufgehoben, als es in die Einheit mit seinem Entgegengesetzten getreten ist; in dieser n¨aheren Bestimmung als ein Reflektiertes kann es passend Moment genannt werden“ [21,953−5]. 103 Der einstellige Begriff ist als Urteilsglied Hauptmoment des Urteils. Da das Urteil aber zwei Glieder hat, k¨onnte man annehmen, es habe zwei Hauptmomente. Außer dem Begriff hat das Urteil aber kein weiteres Hauptmoment, nur dass jener in ihm gedoppelt auftritt. Hingegen hat der Schluss zwei Hauptmomente, n¨amlich (Mittel-)Begriff und Urteil. Je nach Kategorie k¨onnen Hauptmomente also einfach auftreten (wie etwa das positive Urteil im negativen) oder verdoppelt (wie der Begriff im Urteil), ohne dass im zweiten Fall darum zwei Hauptmomente vorl¨agen.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
241
auf eine positive wie auf eine negative Bestimmung bezieht, die in ihr aufgehoben sind. So sind etwa das Besondere und das Urteil Negationen, das Einzelne und der Schluss dagegen Negationen von Negationen. Dass x echtes Moment von Y ist, l¨asst sich nicht pr¨adikativ als Subsumtion ausdr¨ucken. Denn weil x nur ein unselbst¨andiger und untergeordneter Aspekt der betreffenden Bestimmung ist, kann diese nicht als ein x oder eine besondere Gestalt von x aufgefasst werden. So ist der (einstellige) Begriff zwar Moment des Urteils, das Urteil darum aber kein (einstelliger) Begriff, sondern dieser vielmehr unselbst¨andiger Aspekt von jenem. Da eine zun¨achst f¨ur sich betrachtete Bestimmung X nicht unver¨andert in eine andere als echtes Moment eingeht, ist zu unterscheiden zwischen der Bestimmung X und ihrer Entsprechung X*, welche sozusagen die Momentform von X darstellt. Die Aussage, X sei Moment von Y, ist daher doppeldeutig. Denn sie kann entweder bedeuten, dass X selbst unselbst¨andiger Aspekt von Y ist, oder dass X von sich her auf ein X* f¨uhrt, das ein solcher Aspekt von Y ist. 3.3.2 Vermitteltes einstelliges Sichbestimmen (Besonderes) Das Besondere bildet die vermittelte oder resultative Form einstelligen Sichbestimmens und damit den bestimmten Begriff104 . Im Gegensatz zum bestimmten Allgemeinen ist die Bestimmtheit im Besonderen dabei nicht unmittelbar in das Sichbestimmen aufgenommen, sondern von ihm abgesetzt. Das Besondere ist in seiner Bestimmtheit so vom Gattungsallgemeinen abgesetzt und insofern der begriffslogische Nachfolger variabler oder qualitativer Bestimmtheit im gew¨ohnlichen Sinn105 . Unmittelbar markiert das Besondere eine konkrete Bestimmung, an der Allgemeinheit und Bestimmtheit noch nicht als Aspekte abgehoben sind. Da diese Aspekte jedoch zu ihm geh¨oren, m¨ussen sie sich an ihm abheben lassen. Damit sind wir von der unmittelbaren Form des Besonderen zu seiner vermittelten u¨ bergegangen. Es tritt darin statisch als Verh¨altnis wohlunterschiedener Glieder, des Allgemeinen und seiner Bestimmtheit, auf. Auf diese Weise haben wir die gew¨ohnliche Auffassung des Besonderen als Verkn¨upfung eines Allgemeinen mit einer von ihm unnabh¨angigen Differenz eingeholt. Das Besondere erscheint so nicht als Ergebnis von Selbstbesonderung, sondern als Verkn¨upfung selbst¨andiger Bestandteile, womit die Allgemeinheit der Differenz gegen¨uber als abstrakte Form auftritt: Diese Allgemeinheit, mit welcher das Bestimmte bekleidet ist, ist die abstracte. Das Besondre ” hat die Allgemeinheit in ihm selbst als sein Wesen; insofern aber die Bestimmtheit des Unter-
104
Vgl. 12,3230−31. Vgl. Die Bestimmtheit als solche geh¨ort dem Seyn und dem Qualitativen an; als Be” stimmtheit des Begriffs ist sie Besonderheit“ [12,378−9]. 105
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
schieds gesetzt ist, und dadurch Seyn hat, ist sie Form an demselben, und die Bestimmtheit als solche ist der Inhalt“ 106.
Die Auffassung des Besonderen als a¨ ußerlicher Verkn¨upfung von abstrakt Allgemeinem und spezifischer Differenz entspricht so zwar einer Stufe seiner logischen Entfaltung. An sich ist sein Differenzmoment jedoch kein vom Allgemeinen unabh¨angiger Zusatz, sondern aus diesem selbst entfaltet. Damit hat sich die selbstvermittelte Gestalt des Besonderen ergeben, in der Allgemeinheit und Differenz als unterschiedene Glieder eines Selbstverh¨altnisses gesetzt sind. Die Auffassung des Besonderen als a¨ ußerlicher Verkn¨upfung von Allgemeinem und spezifischer Bestimmtheit hat damit innerhalb der Logik nicht das letzte Wort. N¨aher h¨alt Hegel die Auffassung, wonach sich das Besondere aus Allgemeinem und Differenz zusammensetzt, sogar f¨ur widerspr¨uchlich: Zur Definition, d. i. zur Angabe des Begriffs wird allgemein die Angabe der Gattung und der ” specifischen Differenz gefordert. Sie gibt also den Begriff nicht als etwas Einfaches, sondern in zwey z¨ahlbaren Bestandst¨ucken. Aber darum wird solcher Begriff doch wohl nicht ein zusammengesetztes sein sollen. [...] Der zusammengesetzte Begriff ist wohl nicht mehr als ein h¨olzernes Eisen“ 107.
Zwar begr¨undet Hegel an dieser Stelle nicht, wieso er die Vorstellung des Besonderen als eines Zusammengesetzten f¨ur widerspr¨uchlich h¨alt. Wie bereits angedeutet, w¨urde eine solche a¨ ußerliche Verkn¨upfung den Unterschied von Allgemeinem und Differenz aber hinf¨allig werden lassen und somit den Unterschied von Allgemeinem und Besonderem auf den von Einfachem und Zusammengesetzten reduzieren. Die weitere begriffslogische Entwicklung wird zeigen, dass nicht nur g¨angige Urteils- und Schlussformen unverst¨andlich w¨aren, wenn es keine interne Verkn¨upfung von Allgemeinem und Besonderem g¨abe, sondern auch die Einheit von Gegenst¨anden und Lebewesen ohne ein selbstbesonderndes Allgemeines unbegreiflich w¨are. Indem das Allgemeine in Einheit mit seinen besonden Bestimmungen, die es zu einem Ganzen zusammenh¨alt, oder das Sichbestimmen als solches, was sich in seinen mannigfachen Bestimmungen auf sich bezieht, auftritt, sind wir logisch beim Einzelnen angelangt:
Allgemeines
Selbstbestimmung
Besonderes
unmittelbar unmittelbar selbstvermittelt
Sichbestimmen einstelliges Sichbestimmen einstellig Sichbestimmendes
Insofern das Besondere oder einstellig Bestimmte n¨amlich auf das Sichbestimmen zur¨uckweist, ergibt sich damit nicht einfach wieder das Allgemei106 107
12,3931−35. 12,4511−15;27−28.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
243
ne, sondern die u¨ bergreifende Einheit von besonderer Bestimmtheit und allgemeinem Sichbestimmen in Einem – das Einzelne. Dieses ist so als konkretes Selbstverh¨altnis von Allgemeinem und Besonderem bestimmt, das von jenem in selbstbez¨uglicher Einheit zusammengehalten wird108 . 3.3.3 Selbstvermitteltes einstelliges Sichbestimmen (Einzelnes) In Gestalt des Einzelnen ist besondere Bestimmtheit nicht mehr vom Allgemeinen abgesetzt, sondern in dieses zur¨uckgenommen und von ihm in eine selbst¨andige Einheit integriert. Hegel fasst das Einzelne daher als Reflexion ” des Begriffs aus seiner Bestimmtheit in sich selbst“ 109 . Das Einzelne besteht damit in der konkreten Einheit von Sichbestimmen und Selbst-Bestimmtem. Durch Einbeziehung zerstreuter Bestimmtheit hat sich in ihm die Mannigfaltigkeit aufgehoben, die zum Besonderen als Bestimmtem geh¨ort. Das Einzelne ist dergestalt die konkrete Selbstbeziehung des Bestimmten. ¨ Der logische Ubergang vom Besonderen zum Einzelnen besteht entsprechend nicht darin, dass zu jenem etwas Bestimmtes vereinzelnd hinzutr¨ate, sondern in der Zur¨uckbindung zerstreuter Bestimmtheit an die allgemeine Form des Sichbestimmens. Das Allgemeine kann als Sichbestimmen n¨amlich jeden bestimmten Inhalt, zu dem es sich besondert hat, auch ausdr¨ucklich integrieren. Entsprechend charakterisiert Hegel das Einzelne als die sich in ihren Be” sonderheiten nur mit sich selbst zusammenschließende Allgemeinheit“ 110. Als 111 sich auf sich selbst beziehende Bestimmtheit“ bezieht sich das Einzelne in ” seiner Bestimmtheit nicht wie das Besondere ausschließend auf anderes, sondern allein auf sich und ist insofern unmittelbar. Durch seine Selbstbeziehung nicht auf anderes angewiesen und ihm gegen¨uber inert ist es selbst¨andig oder substantiell“ 112 . Insofern die logische Grundform von Allgemeinheit in gat” tungsm¨aßig bestimmtem, selbstbez¨uglichem Sichbestimmen besteht, sind die paradigmatischen Instanzen des Einzelnen, in Gestalt derer jenes partikulare Bestimmtheit in selbst¨andiger Einheit zusammenh¨alt, Zentren beseelten und geistigen Lebens, womit Hegel den aristotelischen Substanzbegriff in subjektivit¨atstheoretischer Vewandlung einholt. Sich in seiner besonderen Bestimmtheit auf sich beziehend schließt das Einzelne zwar Bestimmtheit ein, ist als Ganzes jedoch zun¨achst global unbestimmt. Ihm kann n¨amlich deshalb keine spezifische Bestimmtheit zugeordnet werden, weil diese den ausschließenden 108 Vgl. Die Bestimmtheit in der Form der Allgemeinheit ist zum Einfachen mit dersel” ben verbunden; dies bestimmte Allgemeine ist die sich auf sich beziehende Bestimmtheit, die bestimmte Bestimmtheit oder als absolute Negativit¨at f¨ur sich gesetzt. Die sich auf sich selbst beziehende Bestimmtheit aber ist die Einzelnheit“ [12,4310−14]. 109 12,496−7. 110 TW13,148. 111 12,4312−13. 112 20,18016.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Bezug auf anderes und damit Besonderheit bedeutete. Das Einzelne bezieht sich unmittelbar jedoch nur auf sich und stellt so die Wiedereinfaltung besonderer Bestimmtheit in unartikulierte Einheit dar. An sich kann das Einzelne aber nicht einfach bestimmungslos sein, da es in seiner globalen Unbestimmtheit unabgehoben Bestimmtheit einfaltet. In der Unmittelbarkeit seiner Selbstbeziehung sind seine bestimmten Aspekte aber gerade nicht voneinander abgehoben. Damit ist es global unterschiedslos und unbestimmt, durch Abhebung seiner in ihm unabgehobenen Aspekte jedoch als so und so Bestimmtes artikulierbar. Als reines Sich-auf-sich-Beziehen in seiner besonderen Bestimmtheit ist das Einzelne das F¨ursichsein des Begriffs. Indem einstelliges Sichbestimmen in Gestalt des Einzelnen aus seiner ersten Negation, der Besonderheit, in sich zur¨uckgekehrt ist, ist es als Negation der Negation charakterisiert. Da in ihm aber alle ausdr¨uckliche Bestimmtheit getilgt ist, hat sich in ihm zugleich die reine negative Selbstbeziehung wieder hergestellt. Die Einzelheit ist insofern der aus dem Unterschiede in die absolute Negativit¨at ” sich reflektirende Begriff“ 113 . Als Einzelheit faltet absolute Negativit¨at jedoch im Unterschied zum schlechthin Allgemeinen reale Bestimmtheit in sich ein und nicht wie dieses (verm¨oge seiner operationalen Bestimmtheitskapazit¨at) bloß virtuelle: Die Einzelheit hat als die sich auf sich beziehende bestimmungslose Negativit¨at Bestimmung ” als gleichg¨ultiges, jedoch nicht selbst¨andiges, sondern aufgehobenes Dasein an ihr“ 114 .
Als kennzeichnend f¨ur das Einzelne wird nun h¨aufig seine Nichtinstanziierbarkeit angesehen. Diese besteht darin, dass es zu einem Einzelnen keine Mehrzahl von Besonderungen desselben geben kann. Das Individuationsproblem ist damit die Frage, was es eigentlich ist, das ein Einzelnes nicht-besonderbar macht115 . Aus der dialektischen Bestimmung des Einzelnen l¨asst sich eine Antwort auf diese Frage gewinnen. Dazu ist zu zeigen, dass sich aus der Bestimmung des Einzelnen als in selbstbez¨ugliche Einheit zusammengenommener Besonderheit seine Nichtinstanziierbarkeit ergibt und Nichtinstanziierbarkeit umgekehrt einen Bezug auf selbstbez¨ugliche Einheit verlangt. Zum Einzelnen geh¨ort, dass Sichbestimmen sich in mannigfach Bestimmtem auf sich bezieht. Im Einzelnen ist dieses Bestimmte damit nicht einfach eigenst¨andiger Bestandteil, sondern an ihm selbst auf das Allgemeine bezogen und so als unselbst¨andiges Glied des Einzelnen gesetzt. Nun m¨usste das Einzelne auch bei seiner vermeintlichen Differenzierung den Charakter der Ein113
12,3232−33. TW4,21. 115 So schreibt Peter Strawson: That general things may have instances and individual ” instances of general things may not [...] is, perhaps, an unexceptionable statement of the general distinction between the two categories, but scarcely seems to count as an explanation of it“ [S TRAWSON 1974: 23]. 114
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
245
zelheit behalten. Daher h¨atten alle potentiell differenzierenden Bestimmungen in das, was sie differenzieren sollen, als unselbst¨andige Glieder einzugehen und k¨onnten zu ihm nicht als eigenst¨andige Bestandteile hinzutreten. Als unselbst¨andige Aspekte von ein und demselben gesetzt, k¨onnten sie dieses aber gerade nicht differenzieren. Denn nur solche Bestimmungen k¨onnen differenzieren, deren Zusatz etwas gerade deshalb zu Zweien macht, weil sie in es nicht als Glieder desselben eingehen, sondern, einander ausschließend, dasjenige, dem sie hinzugesetzt werden, selbst zu inkompatibler Zweiheit auslegen116 . Das Einzelne ist also darum nicht instanziierbar, weil Bestimmtheit in es nur unter der Bedingung eintreten kann, dass sie Moment seiner Selbstbeziehung wird. Denn, wie gezeigt, k¨onnen Bestimmungen etwas nur dann differenzieren, wenn es sich in ihnen gerade nicht auf sich bezieht, sondern sie als eigenst¨andige Zus¨atze seine Besonderung verantworten. Deren Resultate bez¨ogen sich in der differenzierenden Bestimmung damit aber nicht mehr auf sich und w¨aren darum keine Einzelnen mehr. Da die Instanzen von Einzelnem aber dessen Einzelheit erben und so selbst Einzelne sein m¨ussten, ist das Einzelne damit nicht instanziierbar. Damit ist gezeigt, dass aus dem spekulativen Begriff des Einzelnen seine Nichtinstanziierbarkeit folgt. Umgekehrt ist jedoch auch aus Nichtinstanziierbarkeit der spekulative Begriff des Einzelnen als Selbstbeziehung des Besonderen herzuleiten. Solange Bestimmtes n¨amlich nicht in selbstbez¨ugliche Einheit zur¨uckgebogen ist, ist nicht zu sehen, warum es nicht durch weitere Bestimmungen differenzierbar sein sollte. Die Vermutung, es gebe maximal konsistente Bestimmtheitsmengen, bed¨urfte selbst der Rechtfertigung. Sie l¨asst sich ¨ aber deshalb nicht rechtfertigen, weil ein Besonderes n-ter Uberlagerungsstufe durch die Begriffsmomente Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermitt¨ lung logisch widerspruchsfrei zu Besonderungen n+1-ter Uberlagerungsstufe differenziert werden kann. Einzelnes ist daher nicht aufgrund der Art oder Anzahl der in es eingehenden Bestimmungen nicht-instanziierbar, sondern allein aufgrund ihrer Integration in selbstbez¨ugliche Einheit. Einzelnes ist genau darum einzeln, weil es nicht differenzierbar ist. Versteht man Bestimmen als Differenzieren, ist das Einzelne damit a¨ ußerlich nicht weiter bestimmbar, beinhaltet insofern ein Maximum an einstelliger Bestimmtheit und ist somit absolut bestimmt“ 117. Auf diese Weise l¨asst sich auch He” gels merkw¨urdige Charakterisierung des Einzelnen als bestimmte Bestimmt” 116 Dass ein Einzelnes nicht instanziierbar ist, heißt nicht, ein Einzelnes k¨ onne nicht unter bestimmten Umst¨anden in zwei Einzelne desselben Typs geteilt werden. Nur sind die Ergebnisse solcher Teilung nicht Instanzen des ersten Einzelnen, sondern zwei verschiedene Einzelne vom Typ des ersten. Denn dass X und Y Instanzen von A sind, heißt, dass A in ihnen dasselbe ist. Dagegen ist es beispielsweise unsinnig zu sagen, ein Regenwurm X, aus dessen Zertrennung die Regenw¨urmer Y und Z hervorgehen, sei in beiden dasselbe und sie seine Instanzen. 117 TW4,193.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
heit“ 118 verstehen. Denn die bestimmten Formen des Allgemeinen und Besonderen unterscheiden sich vom Einzelnen dadurch, dass sie im Gegensatz zu diesem noch nicht maximal und insofern noch unbestimmt bestimmt sind. Maximal bestimmt ist das Einzelne gegen¨uber den anderen Begriffsmomenten zugleich auf ausgezeichnete Weise ein Ganzes: Jedes Moment des Begriffs ist selbst der ganze Begriff, aber die Einzelnheit, das Subjekt, ist ” der als Totalit¨at gesetzte Begriff.“ 119
Zwar sind auch Allgemeines und Besonderes insofern der ganze Begriff“, ” als einstelliges Sichbestimmen und einstellig Bestimmtes gar nicht unabh¨angig voneinander fassbar sind, sondern sowohl aufeinander wie auf ein Ganzes, dessen Aspekte sie sind, verweisen. Nicht nur per Verweis pr¨asent, sondern als solche gesetzt, ist dieses Ganze jedoch erst im Einzelnen. Auch das Einzelne bestimmt sich, da es Gestalt von Selbstbestimmung ist. Weil es sich als Einzelnes jedoch nicht besondern kann, kann es sich nur in sich differenzieren und ist so zugleich der gesetzte Verlust seiner selbst“ 120 . Weil ” einstellige Selbstbestimmung und Selbstbesonderung im Einzelnen ihre Vollgestalt erreicht hat, f¨uhrt die Selbstbesonderung des Einzelnen als immanente Aufspaltung n¨amlich notwendig u¨ ber einstellige Selbstbestimmung hinaus: Als Einzelheit kehrt er [sc. der Begriff] in der Bestimmtheit in sich zur¨uck; damit ist das Be” stimmte selbst Totalit¨at geworden. Seine R¨uckkehr in sich ist daher die absolute, urspr¨ungliche Theilung seiner“ 121 .
Insofern dieser urteilende Selbstaufschluss des Einzelnen nicht auf einem Hinzusetzen neuer Bestimmtheit beruhen kann, muss er in der abhebenden Entfaltung von Bestimmtheit bestehen, die im Einzelnen schon unabgehoben enthalten ist. Die Entwicklung des Einzelnen vollzieht sich daher nicht wie die des Allgemeinen als einstellige Selbstanreicherung mit neuer Bestimmtheit, sondern als unterscheidende Entfaltung von im Einzelnen bereits eingefalteter Bestimmtheit. Die Glieder zweistelligen Sichbestimmens, zu dem sich das Einzelne auslegt, m¨ussen die Ressourcen ihrer Bestimmtheit also im Einzelnen selbst haben. 118
Vgl. 12,4310−14; 12,6831; 11,40927−28. 20,17021−23. 120 12,4319. 121 12,5223−26. Hegel begreift die urspr¨ ungliche Teilung des Einzelnen sowohl als Selbstaufspaltung zu mehreren Einzelnen wie als innere Selbstaufspaltung oder Urteil im engeren Sinn. Eine Aufspaltung zu mehreren Einzelnen scheint aber nur denkbar, wenn die Kontinuit¨at des Einzelnen mit sich in seiner Selbstvermittlung abreißt. Damit bedeutet Hegels Annahme solcher Aufspaltung aber einen R¨uckfall zur seinslogischen Repulsion des Eins zu vielen Eins und kann daher in der Begriffslogik keinen Ort haben. Dagegen muss sich die urspr¨ungliche Teilung des Einzelnen als Gestalt des Sichbestimmens und Entwickelns denken lassen und das Urteil daher als innerer Selbstaufschluss des Einzelnen verstanden werden. 119
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
247
Hegel versteht das Urteil damit auf grunds¨atzlicher Ebene als Selbsturteil oder Selbstaufschluss eines Einzelnen. Insofern die grundlegenden Einzelnen aber Zentren beseelten und geistigen Lebens und nicht etwa beliebige Entit¨aten sind, geh¨ort zu ihnen als Einzelnen damit notwendig solcher innere Selbstaufschluss. Insofern die ontologisch grundlegenden Einzelnen in sich Verschr¨ankungen der Entsprechung und Nichtentsprechung von allgemeiner Natur und realer Besonderheit darstellen, in ihrer Besonderheit ihrer allgemeinen Natur also mehr oder weniger gerecht werden, ist das Einzelne als solches wesentlich in sich gespalten in einen Aspekt, der seinem intrinsischen Sollen entspricht, und einen, der dies nicht tut122 . Damit sind Einzelne urspr¨unglich in sich geteilt oder urteilen ” sich in sich“ 123 . Insofern zum Einzelnen zugleich wesentlich Selbstbeziehung geh¨ort, besteht damit die Verschr¨ankung von Entsprechung und Nichtentsprechung ihres intrinsischen Seins und Sollens f¨ur sie – und zwar real unmittelbar als Differenz von Angenehmem und Unangenehmem124 . Dabei meint das Urteil des Einzelnen als urspr¨ungliche Teilung in nuce noch kein Bestimmen von etwas als etwas, sondern ein inneres Abheben zwischen etwas und anderem u¨ berhaupt, das Voraussetzung f¨ur die R¨uckbeziehung von abgehobener Allgemeinheit auf ein Einzelnes ist, welche zum Urteil im Vollsinn geh¨ort. Insofern die Pole des explikativen Selbstverh¨altnisses, zu dem sich das Einzelne auslegt, aber mit unterschiedlichen“ Begriffsbestimmungen belegt sein ” m¨ussen, gelangen wir zum Urteil als zweistelliger Beziehung unterschiedlicher Begriffsmomente. So hat sich ein Verh¨altnis ergeben, in dem unterschiedliche Begriffsmomente an unterschiedenen Polen auftreten, – das Urteil als Explikationsverh¨altnis von Einzelnem und Allgemeinem: Die sich als bestimmt set” zende Einzelnheit setzt sich nicht in einem a¨ usserlichen, sondern in einem Begriffsunterschied; sie schließt also das Allgemeine von sich aus, aber da dieses ein Moment ihrer selbst ist, so bezieht es sich ebenso wesentlich auf sie“ 125 . 3.3.3.1 Einzelnes: Reale Beispiele und philosophiegeschichtliche Bez¨uge Im Vergleich mit anderen Auffassungen zeichnet sich der spekulative Begriff des Einzelnen dadurch aus, dass er von Einzelheit nicht einfach als Tatsache ausgeht, die zu erkl¨aren ist, sondern Begriff und Realit¨at von Einzelheit auf voraussetzungslosem Weg u¨ berhaupt erst herzuleiten versucht und dabei der Sache nach Schwierigkeiten beseitigt, die sich aus anderen Auffassungen von Einzelheit ergeben. Deren Erfolg ist grunds¨atzlich nicht nur daran zu bemessen, ob sie eine Erkl¨arung f¨ur Nichtinstanziierbarkeit liefern, sondern zugleich danach, ob sie die Einheit der in einem Einzelnen vereinigten Bestimmungen befriedigend 122
Vgl. 20,18416−20. Vgl. 20,18322−24. 124 Vgl. 20,4703−10. 125 12,5215−19.
123
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
erkl¨aren k¨onnen. Indem er beides leistet, umschifft der spekulative Begriff des Einzelnen zugleich die Klippen postulativer Metaphysik. Anders als B¨undelund Substrattheorien, von denen er nun abzugrenzen ist, bringt er n¨amlich keine Entit¨aten ins Spiel, die dem Alltagsverstand fremd sind und u¨ berhaupt nur zum Zweck einer Erkl¨arung von Einzelheit eingef¨uhrt werden. So ergibt sich aus ihm auch keine Ausweitung, sondern vielmehr eine Einschr¨ankung des Kreises dessen, was im strengen Sinn als einzeln gelten kann. B¨undeltheorien konstruieren das Einzelne als Menge von Eigenschaften und erkl¨aren seine Nichtinstanziierbarkeit durch deren maximale Konsistenz126. Nun wurde die Annahme, endliche Eigenschaftsmengen k¨onnten maximal konsistent sein, bereits als haltlos erwiesen. Geht man jedoch von einer unendlichen Menge von Eigenschaften aus, ließen sich m¨ogliche Einzelne immerhin als unendliche konsistente Teilmengen von dieser konstruieren. Doch auch so erkl¨art die B¨undeltheorie des Einzelnen allenfalls seine Nichtinstanziierbarkeit, nicht jedoch den Zusammenhalt seiner Eigenschaften. An ihnen selbst h¨atten diese n¨amlich keinen Zusammenhang, sondern w¨aren nur a¨ ußerlich durch die Mengenbildung vereinigt. Wie jedoch das Ergebnis der a¨ ußerlichen Anwendung einer Operation auf etwas, das an ihm selbst zusammenhangslos ist, etwas anderes sein soll als ein theoretisches Konstrukt, ist kaum einsehbar. Best¨unde das Einzelne ferner einfach in einer Menge wohlunterschiedener Eigenschaften, m¨ussten deren Elemente an ihnen selbst schon von ihr und voneinander abgehoben sein127 . Ein Einzelnes ist als solches aber offenbar nicht automatisch eine Struktur, deren Elemente als solche diskret voneinander abgehoben sind und die insofern an sich schon artikuliert ist. Die Substrattheorie der Einzelheit vermeidet diese Schwierigkeit, da ihr zufolge das Einzelne aus einem nichtinstanziierbaren Substrat besteht, dem, selbst eigenschaftslos, bestimmte Eigenschaften anhaften128 . So r¨atselhaft dieses Anhaften auch sein mag, scheint es zumindest keine ausdr¨uckliche Abhebung der Eigenschaften zu verlangen. Scheinbar beseitigt die Substrattheorie zugleich eine weitere Schwierigkeit der B¨undeltheorie. Eine Mannigfaltigkeit Einzelner, die sich in ihren deskriptiven Eigenschaften nicht unterscheiden, ist n¨amlich immerhin denkbar. Soll dennoch am Prinzip der Identit¨at des Ununterscheidbaren festgehalten werden, muss sich kl¨aren lassen, was solche deskriptiv Ununterscheidbaren zu mehreren macht. Eine derartige Erkl¨arung kann im Rahmen der B¨undeltheorie aber nicht 126 Vgl. etwa die Auffassung von Einzelheit, die Robert Adams Leibniz zuschreibt: What ” makes a thing an individual [...] is that, in the logical construction of its concept, differentia is added to differentia until a concept is reached so specific that no new content can consistently be added to it.“ [A DAMS 1979: 174]. 127 So gilt: A collection does not merely lump several objects together into one: it keeps ” the things distinct and is a further entity over and above them“ [P OTTER 2004: 22]. 128 Vgl. etwa H OFFMANN 2004a.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
249
geleistet werden, sofern sie das Einzelne gerade nur aus deskriptiven Eigenschaften aufbaut. Dagegen gew¨ahrleistet die Substrattheorie die Verschiedenheit deskriptiv Ununterscheidbarer durch diejenige ihrer selbst eigenschaftslosen Substrate. Damit verquickt die Substrattheorie jedoch zwei Probleme, die logisch voneinander unabh¨angig sind, n¨amlich die Frage, was etwas zu einem Einzelnen macht, mit der, wodurch es sich von anderem unterscheidet. Die Unabh¨angigkeit beider Fragen l¨asst sich daran erkennen, dass die Frage, was etwas zu einem Einzelnen macht, auch dann gestellt werden kann, wenn man annimmt, es sei das Einzige, was es u¨ berhaupt gibt. Entsprechend ist die Frage, wodurch mehrere Einzelne mehrere und nicht Eines sind, offenbar eine andere als die, wodurch ein Einzelnes einzeln ist, denn die Alternative zu Einzelheit ist nicht Verschiedenheit, sondern Instanziierbarkeit. Dasjenige, wodurch sich Eines von Anderem unterscheidet, muss daher keineswegs auch das sein, was es zu einem Einzelnen macht129 . Entsprechend behandelt auch Hegel die Einzelheit des Einzelnen unabh¨angig von der Frage, was mehrere Einzelne voneinander unterscheidet. Dagegen verquickt die Substrattheorie beides wie selbstverst¨andlich, indem sie das Einzelne aus allgemeinen Eigenschaften und einem Individuator aufbaut, der zugleich die Verschiedenheit dieses Einzelnen von m¨oglichen anderen zu garantieren hat, die von ihm deskriptiv nicht zu unterscheiden sind. Es l¨asst sich jedoch zeigen, dass die Annahme individuierender Substrate f¨ur die Erkl¨arung des Einzelnen und seiner Verschiedenheit von deskriptiv Ununterscheidbaren weder notwendig ist noch hinreicht. Denn erstens kann die Substrattheorie ebenso wenig wie die B¨undeltheorie erkl¨aren, was die Eigenschaften des Einzelnen zusammenh¨alt. Da sie Substrate und Eigenschaften n¨amlich zun¨achst unabh¨angig voneinander fasst, ist nicht zu sehen, auf welche Weise bestimmte Eigenschaften in einer intimen Beziehung zu bestimmten Substraten stehen k¨onnen. Die Metapher vom Anhaften entbehrt daher eines Gehalts, der sich auch begrifflich ausweisen ließe. So bleibt die Substrattheorie auf halbem Weg zu einer befriedigenden Erkl¨arung des Einzelnen stehen. Dagegen vereinigt der spekulative Begriff des Einzelnen sozusagen in einem Guss, was in der Substrattheorie nur nebeneinander steht, indem er den Zusammenhalt des Einzelnen dadurch erkl¨art, dass sich unbestimmtes Sichbestimmen in be129 Die angef¨ ¨ uhrten Uberlegungen folgen Hector-Neri Casta˜nedas Unterscheidung von Individualit¨at und Nichtidentit¨at: The problem of individuation is different from the problem of ” diversity: even if it is false that indiscernibles by properties are identical, such indiscernibles may be different from another by something other than what makes them individuals. What individuates an individual, without necessarily differentiating it from other individuals, confers the categorial nature of individuality upon the individual in question, even if the latter were the only individual in the world. What individuates a certain individual makes it exactly the same ˜ in individuality as any other individual.“ [C ASTA NEDA 1975: 135ff.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sonderen Bestimmungen auf sich bezieht. Zweitens f¨uhrt die Annahme, der Individuator eines konkreten Einzelnen m¨usse selbst ein primitives Einzelnes sein, in einen Regress. W¨aren Substrate n¨amlich schlechthin individuell, ließen sie sich nicht einmal allgemein als Substrate oder Individuatoren ansprechen. Dass sie Individuatoren sind, ist jedoch etwas, das ihnen allen gemeinsam ist. Weil vermeintlich rein individuelle Substrate damit selbst schon Allgemeinheit beinhalten, ist der Unterschied zwischen ihnen und allgemeinen Eigenschaften unhaltbar. Daher l¨asst sich Einzelheit auch nicht auf ihrer Grundlage erkl¨aren. Eine wesentliche Lehre aus der Begriffslogik ist vielmehr, dass Allgemeines, Besonderes und Einzelnes real gar nicht getrennt zu haben sind, sondern nur unaufl¨oslich verflochten. Wenn aber dasjenige, was Einzelnes zu Einzelnem macht, nicht auch das zu sein braucht, wodurch sich dieses von allem anderen unterscheidet, gibt es keinen Grund, schlechthin unvergleichliche Individuatoren anzunehmen, aufgrund derer Einzelnes einzeln sein soll. Einzelheit kann ihren Grund stattdessen in einer bestimmten formalen Verfassung haben, die allen Einzelnen als solchen gerade gemeinsam ist. Entsprechend siedelt die spekulative Auffassung des Einzelnen das Individuationsproblem nicht auf der Ebene besonderer Bestandteile, sondern auf der ihres Zusammenhangs an. Einzelheit ist entsprechend das, was bestimmte Mannigfaltigkeit erst zu einer eigenst¨andigen Einheit macht. Einzelheit beruht damit nicht auf einer besonderen oder schlechthin unvergleichlichen Bestimmung, die in eine solche Einheit eingeht, sondern auf der allgemeinen, operationalen Form, die solche Bestimmungen in selbstbez¨ugliche Einheit zusammenfasst. Damit gr¨undet Einzelheit nicht in einer besonderen Bestimmung, sondern in der Form des Zusammenhangs besonderer Bestimmungen, n¨amlich darin, dass sich unbestimmtes Sichbestimmen in ihnen auf sich bezieht und sie in selbstbez¨ugliche Einheit einbezieht. Diese Integration erkl¨art somit nicht nur die Nichtinstanziierbarkeit des Einzelnen, sondern zugleich den Zusammenhalt seiner Bestimmungen. Denn diese sollen hier nicht bloß a¨ ußerlich zusammengefasst sein oder einem Substrat auf r¨atselhafte Weise anhaften, sondern werden von selbst unbestimmter Selbstbeziehung im anderen integriert. Indem sich das Einzelne als Einzelnes in seinen besonderen Bestimmtheiten nur auf sich bezieht, ist es global unbestimmt, faltet aber zugleich Bestimmtheit ein. Entsprechend ist es unabh¨angig von seiner Urteilung an sich nicht schon in voneinander abgehobene Bestimmungen oder gar propositional gegliedert. So ist das Einzelne seinen Bestimmungen nach zwar nicht unmittelbar begrifflich artikuliert, jedoch begreifbar, sofern Begreifen meint, Bestimmungen urteilend an Einzelnem abzuheben und auf es zur¨uckzubeziehen130 . 130
Zum Begreifen f¨uhrt Hegel aus: Die Gegenst¨ande des Bewußtseyns sollen nicht die” se einfachen, nicht Vorstellungen oder abstracte Gedankenbestimmungen bleiben, sondern
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
251
Indem sich das Einzelne in seinen besonderen Bestimmungen auf sich bezieht, l¨asst sich auch die Verschiedenheit deskriptiv Ununterscheidbarer erkl¨aren, ohne auf primitive Individuatoren zur¨uckzugreifen. Denn ein Einzelnes bezieht sich nur in seinen Bestimmtheiten auf sich, nicht dagegen in denen eines deskriptiv Ununterscheidbaren. Die Identit¨at des Ununterscheidbaren ist daher zwar nicht dadurch gew¨ahrleistet, dass sich deskriptiv Ununterscheidbare auch aus einer Außenperspektive durch vermeintlich unvergleichliche Substrate unterscheiden, wohl aber aus einer Binnenperspektive durch die indexikalischen Eigenschaften, die zum Einzelnen aufgrund seiner Selbstbez¨uglichkeit notwendig geh¨oren131 . Hegel erkl¨art das Einzelne also, ohne es zun¨achst in Eigenschaften und Individuatoren, die selbst schon Einzelne sein sollen, zu zerlegen, um es aus diesen Bestandteilen auf ontologisch fragw¨urdige Weise wieder zusammenzusetzen. Sein Begriff des Einzelnen beruht vielmehr darauf, dass sich aus der reflexiven Schließung besonderter Bestimmtheit ein nicht weiter Differenzierbares ergibt, dessen bestimmte Glieder an ihnen selbst durch die selbst unbestimmte Form der Selbstbeziehung in Bestimmtem zusammengehalten sind132 . Zwar lassen sich von der Logik an dieser Stelle noch keine Angaben zu besonderen Typen des Einzelnen erwarten. Dennoch ist schon absehbar, dass die logische Form des Einzelnen den Spielraum konkreter Einzelheit gegen¨uber u¨ blichen Auffassungen erheblich einschr¨anken wird. Denn wenn das Einzelne dadurch bestimmt ist, dass es besondere Bestimmtheit einschließt, in der es sich auf sich bezieht, ist Einzelheit mindestens an rudiment¨are Subjektivit¨at gekn¨upft. Das Einzelne ist insofern im ontologischen Sinn Subjekt, das aufgrund
begriffen werden, d. h. ihre Einfachheit soll mit ihrem innern Unterschied bestimmt seyn.“ [12,4524−26]. 131 Vgl. etwa K OCH 2006a: 313–36 (§§43–45). Wie sich zeigen wird, ist von der Warte des objektiven Begriffs ein Universum, das sich durch deskriptiv ununterscheidbare Verschiedenheit auszeichnet, freilich auch deshalb unm¨oglich, weil sich apriorisch herleiten l¨asst, dass das Objektkontinuum, das sich real als nat¨urliches Universum auspr¨agt, asymmetrisch entlang einer Determinationsachse organisiert sein muss. 132 Innerhalb analytischer Theorien der Einzelheit steht dieser Auffassung besonders Casta˜neda nahe. Denn auch er behandelt das Individuationsproblem als logisch unabh¨angig von der Frage, was Einzelne voneinander unterscheidet, und erkl¨art Einzelheit nicht durch einen Individuator, der selbst schon Individuum sein soll. Zugleich siedelt auch er Individuation nicht auf der Ebene der im Einzelnen vereinigten Bestimmungen oder Bestandteile an, sondern fasst sie als Resultat einer Operation u¨ ber solche Bestimmungen: Most ontologists who have discus” sed the problem of individuation have not recognized within the category of abstract entities the richness of the subcategory of operators on universals or properties. The indivduator is precisely ˜ an operator that applied to sets of properties yields an ordinary individual“ [C ASTA NEDA 1975: 138f.]. Allerdings begreift Casta˜neda diese Operation doch nur als a¨ ußerliche Anwendung eines Operators auf eine Eigenschaftsmenge, Hegel dagegen als Selbstbeziehung der reinen Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens in besonderen Bestimmungen auf sich.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
seiner selbstbez¨uglichen Bestimmtheit zugleich selbst¨andig ist133 . Demgem¨aß f¨uhrt Hegel als Gestalten von Einzelheit Leben, Geist, Gott“ an und bezeichnet ” die Einzelheit als Princip der Individualit¨at und Pers¨onlichkeit“ 134 . Das Ein” zelne ist jedoch deshalb nur Anfang der Pers¨onlichkeit, weil deren ontologische Form offenbar entwickelter ist als die des Einzelnen. So geh¨ort zum Personsein etwa nicht bloß, sich in besonderen Bestimmungen unmittelbar auf sich, sondern zugleich auch auf anderes Einzelnes beziehen zu k¨onnen und sich f¨ur sich selbst von diesem urteilend zu unterscheiden. Sofern es wesentlich f¨ur das Einzelne ist, sich in besonderen Bestimmungen auf sich zu beziehen, k¨onnen wirkliche Einzelne nur Lebewesen mit Innenseite sein. Denn einem Lebewesen kommt laut Hegel genau dadurch ein Innen zu, dass es sich in besonderem, a¨ ußerlich Bestimmten zu sich selbst verh¨alt. So sind besondere Ausschnitte eines r¨aumlichen Außereinander nur deswegen Glieder eines gesp¨urten Leibes, weil sich in ihnen ein selbst unbestimmtes Selbst auf sich bezieht. Das bedeutet aber umgekehrt, dass ein solches Außereinander von sich her keine strenge Einzelheit kennt, sondern ein Kontinuum darstellt, das der logische Fortgang als inhomogen organisiert erweisen wird135 . Entsprechend lassen sich organisierte Ausschnitte desselben zwar nicht-willk¨urlich als diskrete Einzelne ansetzen; sie haben ihren Selbststand darum aber nicht absolut, sondern nur in Bezug auf abhebende Subjekte. Gegenst¨ande sind daher nur in einem abk¨unftigen Sinn als Einzelne zu betrachten136 . Ontologisch grundlegende Einzelne sind damit Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens, die durch eine allgemeine Natur oder gattungsm¨aßige Bestimmtheit gepr¨agt sind, der sie in ihren besonderen Bestimmungen mehr oder weniger angemessen sein k¨onnen, n¨amlich Zentren pr¨areflexiv oder reflexiv selbsthaften Lebens. Ontologisch abgeleitete Einzelne sind dagegen solche, die entweder seitens erkennender Subjekte u¨ ber begriffliche Unterscheidungen aus einem inhomogen or133 Hegel fasst das Einzelne entsprechend als Subjekt“ und charakterisiert es als substan” ” tiell“ [20,18014−16]. 134 12,4934−35. 135 An der Auffassung, die ontologisch grundlegenden Einzelnen seien beseelte Lebewesen, scheint Hegel nur die Begr¨undung und die subjektivit¨atstheoretische Auffassung von Beseeltheit eigent¨umlich, w¨ahrend er die Auffassung selbst etwa mit Aristoteles teilt: Jedenfalls ist ” es Hegels Ansicht, daß anorganischen Objekten, erst recht aber Entit¨aten, wie es Raum, Zeit, mechanische Punktsysteme, Licht etc. sind, diejenige Individualit¨at fehlt, die erforderlich w¨are, um als bestimmte reale Einzeldinge identifiziert zu werden. In dieser ontologischen Auszeichnung der organischen Welt vor der nichtorganischen stimmt Hegels Theorie der Seele mit der aristotelischen u¨ berein“ [WOLFF 1992: 131]. 136 Ihrem Ergebnis nach ist Hegels logische Ableitung des Einzelnen so zugleich die durchgef¨uhrte Kritik der Auffassung, die das sinnlich Einzelne als das eigentlich und wahrhaft ” Konkrete nimmt“ [S CHICK 1994: 218]. Denn, was man gemeinhin unter Concretem versteht“, ” ist nach Hegel kein Einzelnes, sondern nur eine a¨ ußerlich zusammengehaltene Mannichfaltig” 1−2 keit“ [20,181 ].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
253
ganisierten Kontinuum abgehoben und als selbst¨andige Gegenst¨ande angesetzt werden oder Artefakte und Institutionen, die sich den poietischen und praktischen Vollz¨ugen von Selbstbestimmungszentren verdanken. Wenn Einzelheit im selbstbez¨uglichen Zusammenschluss zerstreuter Besonderheit besteht, ist das unmittelbare Gegebensein fester Grenzen zwischen Einzelnen ein seinslogischer Schein. Denn Grenzen sind dann nicht einfach vorhanden, sondern verdanken sich leibhaft verk¨orpertem, selbstbez¨uglichem Sichbestimmen. Aufgrund ihrer ontologischen Verfassung l¨asst sich Einzelheit als solche nicht deskriptiv feststellen, sondern nur zuschreiben. Denn wenn sich nur Bestimmtes beschreiben l¨asst, Einzelheit aber darin besteht, dass sich ein unbestimmtes Selbst in Bestimmtem auf sich bezieht, kann Einzelheit selbst nicht deskriptiv festgestellt, sondern nur an- oder zuerkannt werden. Dass sich etwas in seinen beschreibbaren Bestimmungen auf sich bezieht, ist damit selbst keine deskriptive Bestimmung. Da Hegel aber die ontologische Notwendigkeit des Einzelnen abgeleitet hat, ergibt sich allein aus dem Vorliegen von Einzelnem im Universum, dass eine Beschreibung desselben nach all seinen Eigenschaften grunds¨atzlich unvollst¨andig w¨are, weil ihr das unbestimmte Sich-aufsich-Beziehen in Bestimmtem entginge, das zum Einzelnen als solchem geh¨ort. 3.3.4 Zweistelliges Sichbestimmen (Urteil) Das Urteil hat sich ergeben, indem das einstellige Sichbestimmen des Begriffs u¨ ber sich auf eine Form des Sichbestimmens hinausweist, das sich als Verh¨altnis vollzieht. Das Urteil ist damit insofern eine Gestalt von Selbstbestimmung, als sein eines Glied nur ausdr¨ucklich setzt, was im anderen unabgehoben enthalten ist. Dennoch sind die Urteilsglieder nicht einfach unselbst¨andige Aspekte von einem, sondern treten zugleich als eigenst¨andige Stellenglieder eines Verh¨altnisses auf. Als Gestalt von Selbstbestimmung ist dieses zweistellige Verh¨altnis von Begriffsmomenten nichts Statisches, jedoch nicht mehr wie der Begriff einstelliges, sondern vielmehr vermitteltes, n¨amlich zweistelliges Sichbestimmen oder Diremtion des Begriffs durch sich selbst“ 137 durch ” Gegeneinanderstellen seiner Bestimmungen“ 138. Als Form des Sichbestim” mens besteht das Urteil damit nicht einfach in einer a¨ ußerlichen Beziehung selbst¨andiger Glieder, sondern in einem Bestimmungsverh¨altnis zwischen zwei voneinander abgesetzten Pole desselben139 . Es ist damit Sichbestimmen, das sich in Form eines Verh¨altnisses zweier selbst¨andig auftretender Glieder realisiert: 137
12,556. 12,537. 139 Entsprechend ist das Urteil laut Hegel der Begriff, der sich bestimmt, und zwar so, daß ” die Bestimmungen als unterschieden gesetzt sind, aber doch so, daß sie zugleich als Einheit 65−67 gesetzt sind“ [V10,179 ]. 138
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Selbstbestimmung Sichbestimmen unmittelbar vermittelt
Sichbestimmen im Verh¨altnis
W¨ahrend die Begriffsmomente im Zusammenhang einstelliger Selbstbestimmung jeweils f¨ur sich, wenngleich aufeinander verweisend, auftraten, sind sie im Zusammenhang zweistelliger Selbstbestimmung zugleich voneinander abgehoben und als Zu-Bestimmendes und Bestimmendes innerhalb eines u¨ bergreifenden Verh¨altnisses aufeinander bezogen. Bestimmen meint dabei, einem X eine von ihm unterschiedene Bestimmtheit hinzuzusetzen. Sichbestimmen kann damit aber nicht heißen, einem X eine von ihm unterschiedene Bestimmtheit a¨ ußerlich hinzuzusetzen, sondern vielmehr nur eine solche Bestimmtheit, in der X sich wiederfindet. Als R¨uckbeziehung einer Bestimmung auf ein Zu-Bestimmendes bildet das Urteil damit ein Verh¨altnis des Ausdr¨uckens oder Explizierens. Solche Explikation besteht dabei weder in der a¨ ußerlichen Projektion einer Bestimmtheit auf etwas noch in der bloßen Wiederholung desselben, sondern im r¨uckbeziehenden Abheben an ihm zun¨achst unabgehobener Bestimmtheit. Weder f¨ugt das Explicans dem Explicandum damit einfach etwas hinzu noch verdoppelt es dasselbe bloß, sondern es setzt ihm ausdr¨ucklich hinzu, was es unausdr¨ucklich bereits einschließt, indem es, was unabgehoben zu ihm geh¨ort, nun als abgehobene Bestimmtheit auf dieses bezieht. Als Einzelnes ist das Explicandum n¨amlich eine global unbestimmt auftretende, jedoch in sich besondere Bestimmtheit einfaltende Einheit, an der das Explicans diese Bestimmtheit als solche aber erst ausdr¨ucklich abhebt. Das Urteil ist so unterscheidendes Ausdr¨ucklichmachen oder Abscheiden bestimmter Unterschiede an einem in sich nicht ausdr¨ucklich Unterschiedenen, wenngleich Unterscheidbaren140 . Insofern das Einzelne n¨amlich nicht aus diskreten Bestandteilen zusammengesetzt ist, sind Unterschiede in oder an ihm nicht einfach vorhanden. Die Abhebung von Unterschieden im Urteil setzt daher nicht vorgegebene Unterschiede noch einmal, sondern l¨asst sie erstmals hervortreten und ist damit Urunterscheidung. Entsprechend kann Hegel das Urteil, der seinerzeit gel¨aufigen spekulati-
140 Vgl. Das Subject ohne Pr¨ adicat ist, was in der Erscheinung, das Ding ohne Eigen” schaften, das Ding-an-sich ist, ein leerer unbestimmter Grund; es ist so der Begriff in sich selbst, welcher erst am Pr¨adicate eine Unterscheidung und Bestimmtheit erh¨alt“ [12,5723−26]. Entsprechend gilt: Das Subject hat erst im Pr¨adicate seine ausdr¨uckliche Bestimmtheit und ” Inhalt“ [20,1853−4].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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ven Etymologie folgend, als urspr¨ungliche Theilung des urspr¨unglich Einen“ ” fassen141 . Obwohl erstmaliges Abheben von Unterschieden, markiert das Urteil als Ausdrucksverh¨altnis keine willk¨urliche Projektion von Bestimmungen, die das Beurteilte nichts angingen. Dieses ist daher auch kein schlechthin Bestimmungsloses, an dem nichts zu unterscheiden w¨are. Urteilendes Unterscheiden setzt vielmehr ein Unterscheid- oder Beurteilbares voraus, das als solches in sich gegliedert sein muss. Das Einzelne erf¨ullt diese Bedingung, indem es, global unbestimmt, zugleich allgemeine und besondere Bestimmtheit einfaltet ¨ und so das Beurteilbare schlechthin ist. Diese formalen Uberlegungen lassen sich folgendermaßen veranschaulichen. An einem (hier um des Beispiels willen als Einzelnes angesetzten) Farbfleck ist etwa der Unterschied von Form, Farbton, Helligkeit und S¨attigung nirgends vorfindlich. Diese Bestimmungen machen keine voneinander abgehobenen Bestandteile des Flecks aus, die an ihm selbst¨andig vorhanden w¨aren. Dennoch projiziert das urteilende Abheben von Kreisform und Helligkeitsstufe nichts Beliebiges auf den Fleck, sondern bringt an ihm seine eigenen Aspekte zur ausdr¨ucklichen Abhebung. Zum Urteil geh¨ort so die diskrete Umorganisation eines analog organisierten und insofern einfachen Komplexes oder das r¨uckbeziehende Abheben einer allgemeinen Bestimmung an einem Einzelnen, das diese zun¨achst unabgehoben einfaltet. Der dialektische Urteilsbegriff ist damit weder realistisch noch nominalistisch, sondern objektiv-idealistisch. Denn diesem Begriff zufolge bildet ein von einem Einzelnen urteilend abgehobenes Allgemeines zwar keinen selbst¨andigen Gegenstand, mit welchem dieses Einzelne weltseitig zu einer Tatsache als einem Verh¨altnis selbst¨andiger Relata verbunden w¨are, welches das Urteil bloß abspiegelte. Um des Objektivit¨atsanspruchs des Urteils willen kann das pr¨adikative Allgemeine aber ebenso wenig, dem Einzelnen a¨ ußerlich, bloß im Denken des Urteilenden vorhanden sein. Richtiges Urteilen muss daher wesentlich im Abheben von Bestimmungen bestehen, die im Einzelnen unabgehoben angelegt sind. Indem Einzelnes in sich unabgehobene Bestimmtheit einschließt, ist es, unabh¨angig von seinem Gedachtwerden in Urteilsakten erkennender Subjekte, an ihm selbst schon gedanklich verfasst oder objektiv-ideell. Insofern das Allgemeine im Einzelnen aber unabgehoben kondensiert ist und dieses, sofern es kein Zentrum beseelten Lebens ist, seinerseits unabgehoben in ein Objektkontinuum eingebettet ist, ¨ bildet dieses sozusagen eine Analogsprache142 . Urteilen ist damit Ubersetzen der analogen Sprache der Dinge in eine digitale, welche Bestimmtheit, die in ihnen ununterschieden ist, an ihnen jedoch unterscheidbar, ausdr¨ucklich als solche abhebt und auf sie zur¨uckbezieht. Die Richtigkeit des Urteils beruht damit 141 142
12,558−9. Vgl. S ELLARS 1983; KOCH 2006a: 174–92 (§§23–24); KOCH 2008.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
nicht auf Widerspiegelung oder Abbildung, insofern Beurteiltes und Urteil nicht durch einen Isomorphismus verbunden sind, der diskrete Elemente einer Struktur diskreten Elementen einer anderen zuordnete. Vielmehr l¨asst das Urteil am Beurteilten erst diskrete Struktur hervortreten, die in ihm freilich unabgehoben angelegt ist. Aus dem spekulativen Urteilsbegriff ergibt sich daher keine Abbild-, sondern eine Explikationstheorie des Urteils. Das Urteil besteht epistemologisch somit nicht im denkenden Verdoppeln von Tatsachen, sondern in einer apophantischen Verdoppelung von Einzelnem, indem es dieses nach seiner allgemeinen Bestimmtheit sehen l¨asst: Im subjectiven Urtheil will man einen und denselben Gegenstand doppelt sehen, das einemal ” in seiner einzelnen Wirklichkeit, das andremal in seiner wesentlichen Identit¨at oder in seinem Begriffe“ 143.
Das Urteil ist der Sache also nicht dadurch treu, dass es diese unver¨andert wiederg¨abe, sondern indem es sie auf ein von ihr abgehobenes Allgemeines bezieht, das sachseitig noch gar nicht f¨ur sich vorhanden ist. Die Richtigkeit des Urteils besteht daher darin, ausdr¨ucklich zu entfalten, was die Sache selbst nur unentfaltet ist.144 . Insofern das Urteil an einem Unbestimmt-Scheidbaren erst bestimmte, in ihm angelegte, aber nicht ausdr¨ucklich vorhandene Unterschiede hervortreten l¨asst, hat es den Charakter der Sch¨opfung145 . Es ist jedoch keine creatio ex nihilo, sondern sozusagen ex concreto, n¨amlich aus der unmittelbarunentfalteten Einheit des Einzelnen. 3.3.4.1 Das Urteil als logische Form Anders als die vorangehenden Ausf¨uhrungen nahe legen m¨ogen, ist das Urteil in der Logik nicht schon dezidiert als Form des Erkennens thematisch und daher als Explikationsverh¨altnis und nicht etwa durch den bloßen Anspruch auf ein solches bestimmt. Entsprechend f¨uhrt Hegel das Urteil noch unangesehen der Unterscheidung von subjektseitigem Denken und weltseitigem Sein ein: Das Urtheil wird gew¨ohnlich in subjectivem Sinn genommen, als eine Operation und Form, ” die blos im selbstbewußten Denken vorkomme. Dieser Unterschied ist aber im Logischen noch nicht vorhanden.“ 146.
Dabei meint Form“ des Urteils einfach das, was zum Urteil rein als solchem ” dazugeh¨ort. Zur logischen Form des Urteils geh¨ort, wie angedeutet, zun¨achst allein, was ihm rein aufgrund seiner Verfasstheit als Explikationsverh¨altnis zukommt. Sofern sich aus der Form des Urteils jedoch ergeben wird, dass es 143
12,5934−36. Vgl. Das Urtheil ist die Diremtion des Begriffs durch sich selbst; diese Einheit ist daher ” der Grund, von welchem aus es nach seiner wahrhaften Objectivit¨at betrachtet wird“ [12,556−8]. 145 Vgl. Das Urteil ist, was wir Sch¨ opfung heißen“ [V10,183181]. ” 19−21 146 20,183 . 144
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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zu ihm als solchem geh¨ort, sich in besonderen Arten auszupr¨agen, wird sich von Urteilsformen in der Mehrzahl sprechen lassen. Diese besonderen Formen geh¨oren dann deswegen zu einer Untersuchung der Urteilsform als solcher, weil ihre Einteilung nirgendwo anders her gewonnen ist, als aus dieser Form selbst. Die Urteilslogik untersucht die Form des Etwas als Etwas noch unabh¨angig davon, dass es sich dabei um einen Gehalt handelt, der in subjektseitigen Vollz¨ugen artikuliert wird. Dagegen h¨atte eine epistemologisch-pragmatische Theorie der Urteilsform zu untersuchen, was dazu geh¨ort, dass sich ein Subjekt denkend und sprechend auf etwas als so und so beschaffen bezieht. Dass dies noch nicht das Thema der Urteilslogik ist, bedeutet aber nicht, es k¨onne die Form des Etwas-als-Etwas real jemals anders denn als Gehalt von Vollz¨ugen geben, in denen Subjekte sich denkend und sprechend auf etwas als etwas beziehen. Da die epistemologisch-pragmatische Form des Urteils aber verwickelter ist als seine logische Form, setzt eine begr¨undete Ansicht von jener die Untersuchung von dieser voraus. Mehr als letzteres ist von Hegels Urteilslogik in systematischer Absicht nicht zu erwarten. In ihr wird noch nicht gefragt, wie sich ein urteilendes Subjekt u¨ berhaupt auf Einzelnes beziehen und an diesem in wahrheitsf¨ahigen Urteilen Bestimmungen abheben kann. Die Urteilslogik bereitet eine Antwort auf diese epistemologisch-pragmatische Frage, die im Rahmen der Logik ihren Ort erst im Kapitel zum Erkennen hat, entsprechend bloß vor147 . Ein Vollbegriff realer Urteilspraxis ist jedoch u¨ berhaupt nicht von der Logik, sondern erst von der Philosophie des Geistes zu erwarten. Denn erst hier kann verhandelt werden, wie sich ein raum-zeitlich verk¨orpertes Subjekt sprachlich angemessen auf Einzelnes innerhalb eines raum-zeitlichen Zusammenhangs beziehen und dieses in Urteilen zutreffend charakterisieren kann. Die Urteilslogik liefert daher nur semantische Bausteine zu einer epistemologisch-pragmatischen Theorie der Urteilspraxis, die als solche zugleich auf naturphilosophische, wahrnehmungstheoretische, sprachphilosophi¨ sche und u¨ berhaupt geistphilosophische Uberlegungen angewiesen ist. Eine epistemologisch-pragmatische Theorie des Urteilens wird aber nur dann erkl¨aren k¨onnen, wie wir im Urteilen objektseitige Realit¨at zu erfassen verm¨ogen, wenn das Urteil nicht sogleich als bloße Form des Denkens, sondern in gewissem Sinn ebenso als Form objektseitigen Seins verstanden wird. Genau in diesem Sinne verlangt Hegel: Das Urtheil ist ganz allgemein zu nehmen: alle Dinge sind ein Urtheil, – d. h. sie sind Einzelne, ” welche eine Allgemeinheit oder innere Natur in sich sind; oder ein Allgemeines, das vereinzelt ist“ 148 .
Wie die Logik im Ganzen behandelt auch die Urteilslogik n¨amlich keine blo147 148
Vgl. unten Abschnitt 3.5.2. 20,18321−24, vgl. V10,182179–183182.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ßen Formen des Denkens, sondern reine Formen noch unangesehen der Entgegensetzung von Denken und Sein und hat daher onto-logische Bedeutung. Allerdings ist Hegel ungenau, wenn er auch Dinge als Urteile begreift, insofern er das Urteil zugleich als Form ausdr¨ucklichen Abhebens von Bestimmungen fasst, solches Abgehobensein aber keinewegs an sich schon weltseitig in Form diskreter Tatsachen ansetzen will. Unbeseeltem weltseitigem Sein kommt insofern nicht selbst schon die Form des Urteils zu, sondern nur die logische Form der Beurteilbarkeit durch die Form des Urteils. Die Dinge sind daher Urteile nur cum grano salis, n¨amlich Urteile in der analogen Sprache der Welt, in welcher Einzelnes und Allgemeines kondensiert und gerade noch nicht ausdr¨ucklich voneinander abgehoben sind. In diesem Sinn ist Hegels Behauptung zu lesen, die Dinge seien Urteile, insofern sie Einzelne sind, welche eine All” gemeinheit oder innere Natur in sich sind“. Dagegen wird erst das Erkennen, indem es die analoge Sprache der Dinge in die propositionale Form des Urteils u¨ bersetzt, die Urteilsform ausdr¨ucklich vollziehen und dergestalt Welt in ihrer Begreifbarkeit hervortreten lassen. Dass dem ontologischen Charakter des Urteils Rechnung getragen wird, erm¨oglicht so ein kritisch-realistisches Verst¨andnis von Urteilsrichtigkeit, dem gem¨aß Subjekte urteilend erfassen k¨onnen, was ist, ohne darum eine vermeintlich bereits in diskrete Tatsachen gegliederte Wirklichkeit bloß abzuspiegeln149 . 3.3.4.2 Die Glieder des Urteils (Subjekt und Pr¨adikat) Da der Begriff im Urteil als zweistellige Selbstbestimmung auftritt, m¨ussen dessen Stellen mit Begriffsmomenten belegt sein. Denn nur so kann zwischen ihnen u¨ berhaupt ein Ausdrucksverh¨altnis bestehen. Da ein solches zugleich nur dann vorliegt, wenn sich seine Glieder voneinander unterscheiden und eines das andere nicht bloß wiederholt, muss sich das Einzelne im Urteil auf ein von ihm unterschiedenes und von ihm abgehobenes Begriffsmoment beziehen. Das Urteil ist so eine Beziehung der als selbst¨andig und gleichg¨ultig ” gesetzten Momente“ des Begriffs150 . Aufgrund seines explikativen Charakters m¨ussen die Urteilsglieder in Begriffsmomenten bestehen, die sich aufgrund seines Verh¨altnischarakters jedoch eigenst¨andig gegen¨uberstehen. Daher sind die Urteilsstellen unmittelbar nicht mit begriffslogischen Bestimmungen belegt, die sich schon von sich her als Momente von Einem ausweisen, sondern mit seins- und wesenslogischen Bestimmungen, die den Anschein eines Fremdverh¨altnisses ins Spiel bringen. Diese Bestimmungen kehren im Urteil jedoch 149 Indem das Urteil nicht sogleich als Form des Erkennens genommen wird, ist es auch m¨oglich zu verstehen, dass Hegel bestimmte Gestalten beseelten Lebens und geistigen Seins wie Krankheit und Tod, Eigentum und Verbrechen im strengen Sinn als Auspr¨agungen besonderer Urteilsformen fassen kann, vgl. TW8,324 Z., 12,704−14. 150 12,3113.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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nicht unmodifiziert, sondern gerade in der Rolle von Begriffsmomenten wieder. Nur so lassen sie sich als Glieder eines explikativen Selbstverh¨altnisses verstehen. Denn nur insofern sie als Gestalten von Selbstbestimmung auftreten, verhalten sich etwa seinslogische Bestimmungen nicht einfach fremd gegeneinander, sondern k¨onnen einander ausdr¨ucken. Da die Urteilsglieder damit bloß selbst¨andig gesetzte Pole von Einem ausmachen, besteht zwischen ihnen keine grundlegende Fremdheit und das Urteil markiert so an sich kein Fremdverh¨altnis, sondern ein Selbstverh¨altnis151. Dem Anschein ihrer Selbst¨andigkeit entgegen haben die Urteilsglieder damit kein eigenes Bestehen außerhalb des Urteilszusammenhangs: Die Copula: ist, kommt von der Natur des Begriffs, in seiner Ent¨außerung identisch mit sich ” zu seyn; das Einzelne und das Allgemeine sind als seine Momente solche Bestimmtheiten, die nicht isolirt werden k¨onnen.“ 152
Entsprechend l¨asst sich am Realen weder die Einzelheit von Allgemeinheit abtrennen noch hat diese ein eigenes Bestehen unabh¨angig von ihrer Vereinzelung. So kann weder dieser Hund unabh¨angig von seinem Hundsein bestehen noch kommt dem Hundsein als solchen ein eigenes Bestehen zu. Aus dem gleichen Grund wird sich auch epistemologisch weder eine Bezugnahme auf Einzelnes unabh¨angig vom Bezug auf allgemeine Bestimmungen dieses Einzelnen noch eine Beziehung auf Allgemeines unabh¨angig von der Bezugnahme auf paradigmatische Instanzen dieses Allgemeinen durchf¨uhren lassen. Semantisch wird sich diese Nichtisolierbarkeit der Urteilsmomente daran zeigen, dass die Referenz auf Einzeldinge notwendig begriffliche Momente mit einschließt und umgekehrt die Bedeutungshaftigkeit genereller Termini nicht unabh¨angig von F¨allen paradigmatischer Bezugnahme auf Einzelnes zustande gebracht werden kann. Zwar bilden die Urteilsglieder Pole eines explikativen Selbstverh¨altnisses. Indem sie in der unmittelbaren Form des Urteils jedoch zun¨achst mit abstrakten Begriffsbestimmungen – Einzelnem und Allgemeinem – belegt sind, ist die von der Urteilsform als solcher geforderte Ausdrucksidentit¨at in der Belegung ihrer Glieder noch nicht konkret eingel¨ost153 . Denn eine unmittelbare, abstrakt 151
Vgl. Das Urtheil hat zu seinen Seiten u¨ berhaupt Totalit¨aten, welche zun¨achst als we” sentlich selbst¨andig sind. Die Einheit des Begriffes ist daher nur erst eine Beziehung von Selbst¨andigen; noch nicht die concrete, aus dieser Realit¨at in sich zur¨uckgekehrte, erf¨ullte Einheit. [...] Es kann nun die Betrachtung des Urtheils von der urspr¨unglichen Einheit des Begriffs oder von der Selbst¨andigkeit der Extreme ausgehen. [...] Daß aber der Begriff im Urteil als Erscheinung ist, indem seine Momente darin Selbstst¨andigkeit erlangt haben, – an diese Seite der Aeusserlichkeit h¨alt sich mehr die Vorstellung“ [12,5437–5512]. 152 20,1839−12. 153 Eine solche explikative Identit¨ at ist laut Hegel durch die Form des Urteils nicht deshalb gefordert, weil er pr¨adikatives und identifizierendes Sein verwechselte, wie Russell ihm vorwirft [vgl. RUSSELL 1914: 48f.]. Vielmehr beansprucht ein Urteil ja, sein Subjekt selbst in
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
allgemeine Bestimmung dr¨uckt das Einzelne gerade nicht ersch¨opfend, sondern nur einem Aspekt nach aus154 . Weil das Explicans das Explicandum zun¨achst nicht ersch¨opft, f¨uhrt die Logik des Urteils auf besondere Formen, die Schritte auf dem Weg zur angemessenen Einl¨osung des explikativen Selbstverh¨altnisses markieren. Dass das Urteil solche Stufen durchl¨auft, bedeutet aber nicht, es bilde zun¨achst noch kein solches Verh¨altnis, sondern nur, dass der ihm eingeschriebene Anspruch explikativ zun¨achst nur unvollst¨andig eingel¨ost ist. Indem das Urteil n¨amlich einerseits als explikatives Selbstverh¨altnis gesetzt, andererseits der Ausdrucksanspruch durch die Belegung seiner Stellen zun¨achst noch nicht ersch¨opfend eingel¨ost ist, bildet das Urteil einen performativen Widerspruch. Dieser treibt als Anspruch, das durch die Urteilsform geforderte explikative Selbstverh¨altnis angemessen einzul¨osen, die Entwicklung der Urteilsformen voran: Zun¨achst erscheinen beide Seiten als auseinanderfallend, sie sind unterschieden; jede gilt in ” dem Unterschied als unmittelbar. [...] Dem Begriffe nach sind sie aber identisch; die Kopula spricht diese Identit¨at aus. Die Identit¨at an sich muß gesetzt werden und das leere ist erf¨ullt werden. Das ist die Fortbestimmung des Urteils“ 155 .
Logisch kann solches Fortbestimmen nicht darin bestehen, die beigelegte Bestimmung um weitere desselben Typs zu erg¨anzen, sondern sie derart zu entwickeln, dass sich ein neuer Explikationstyp, eine neue Urteilsform ergibt. Insofern sich alle urteilslogischen Bestimmungen aus dem Grundbegriff zweistelligen Sichbestimmens zu ergeben haben, muss auch die Unterscheidung von Subjekt und Pr¨adikat einen solchen logischen und nicht etwa bloß grammatischen Unterschied darstellen. Nun waren die Stellen des Urteils zwar zun¨achst mit Einzelheit und Allgemeinheit belegt. Weil die Urteilsglieder im Zuge der Auslegung des Urteils zu besonderen Urteilsformen jedoch unterschiedliche Begriffsmomente durchlaufen, k¨onnen Subjekt und Pr¨adikat nicht durch solche Belegung mit spezifischen Begriffsmomenten definiert sein156 . Da das Urteil ein Bestimmungsverh¨altnis darstellt, m¨ussen sich Subjekt und Pr¨adikat vielmehr gem¨aß ihrer Rollen in diesem Verh¨altnis unterscheiden lassen. Insofern das Subjekt“ das markiert, was, seiner Bezeichnung gem¨aß, dem ” Bestimmen zu Grunde liegt“, nimmt es die Rolle des Zu-Bestimmenden, das ” der ihm eigent¨umlichen Bestimmtheit auszudr¨ucken, ohne dass dieses von vornherein in seiner eigent¨umlichen Bestimmtheit verf¨ugbar w¨are. 154 Vgl. Subjekt und Pr¨ adikat im unmittelbaren Urteil ber¨uhren so einander gleichsam nur ” an einem Punkt, aber sie decken einander nicht“ TW8, 323Z. 155 V10,185258−65. 156 Vgl. Begriffsbestimmungen selbst k¨ onnten f¨ur die zwey Seiten des Urteils [...] nicht ” gebraucht werden, [...] weil die Natur der Begriffsbestimmung sich hervorthut, nicht ein abstractes und festes zu sein, sondern ihre entgegengesetzte in sich zu haben, und an sich zu setzen; indem die Seiten des Urtheils selbst Begriffe, also die Totalit¨at seiner Bestimmungen sind, so m¨ussen sie dieselben alle durchlauffen und an sich zeigen“ [12,544−9].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Pr¨adikat hingegen diejenige der Bestimmung ein157 . Diese Rollen sind offenbar mit einem Bestimmtheitsgef¨alle verbunden, da die Bestimmung solche Bestimmtheit ausdr¨ucklich macht, welche am Zu-Bestimmenden selbst noch nicht ausdr¨ucklich gesetzt ist158 . Sofern am Subjekt Bestimmungen erst durch Pr¨adikation zur Abhebung kommen, ist das Pr¨adikat dem Subjekt gegen¨uber das Bestimmtere. Zugleich sollen Subjekt und Pr¨adikat nach Hegel jedoch auch umgekehrt als das Bestimmtere und das Allgemeinere einander gegen¨uber ste” hen“ 159 . Diese gegenl¨aufigen Verteilungen des Bestimmtheits¨ubergewichts auf Subjekt und Pr¨adikat widerstreiten einander aber h¨ochstens scheinbar. Denn das Pr¨adikat muss das Subjekt zwar an ausdr¨ucklicher Bestimmtheit u¨ bertreffen. Indem es dabei aber nur einen bestimmten Aspekt des Subjekts ausdr¨ucklich macht, ohne es ersch¨opfend auszudr¨ucken, ist das Subjekt zugleich unausdr¨ucklich bestimmter als das Pr¨adikat. Zum Urteil geh¨ort also ein gegenl¨aufiges Bestimmtheitsgef¨alle seiner Glieder. In dessen stufenweise vollzogenem Ausgleich besteht die Auslegung des Urteils zu seinen besonderen Formen. Erst mit deren letzter ist ein Explikationsverh¨altnis erreicht, in dem das Pr¨adikat das Subjekt und das Urteil die Sache nicht mehr bloß nach gewissen Teilaspekten, sondern ihrem globalen Charakter nach ausdr¨uckt. 3.3.4.3 Logische Form Gelegentlich wird Hegels Lehre von den Urteilsformen die inhaltliche Belas” tung“ logischer Formen nachgesagt160 . Sofern die Logik aber bloß die Form von Urteilen oder Aussagen unter Absehen von ihrem Inhalt zu betrachten hat, bedeutet die inhaltliche Belastung logischer Formen nichts anderes als ihre Vermengung mit Außerlogischem. Um zu beurteilen, ob sich Hegel einer derarti-
157 Logische und grammatische Bestimmung von Subjekt und Pr¨ adikat decken sich zumeist. Wo sie auseinanderfallen, folgt Hegel terminologisch jedoch eher dem grammtischen Gebrauch statt den logischen Verh¨altnissen. So ist im partikul¨aren Urteil Einige F sind G das grammatische Subjekt Einige F bestimmter als das Pr¨adikat G. Daher dr¨uckt hier nicht etwa das grammatische Pr¨adikat G das Subjekt Einige F aus, sondern umgekehrt bestimmt dieses das Pr¨adikat, indem es ihm einige F-Instanzen zuspricht: Das Wesentliche ist daher hier das ” Allgemeine oder das Pr¨adicat; es macht daher das zu Grunde liegende aus, an welchem das Subject zu messen, und ihm entsprechend zu bestimmen ist“ [12,7210−12]. Indem Hegel vom Pr¨adikat als einem dem Bestimmen durch das Subjekt Zugrundeliegenden spricht, k¨onnen diese Ausdr¨ucke hier nur grammatische, nicht aber logische Bedeutung haben. Das partikul¨are Urteil l¨asst sich grammatisch jedoch so umformen, dass grammatisches und logisches Subjekt zusammenfallen: G hat einige F-Instanzen. 158 Das Subject ohne Pr¨ adicat ist [...] der Begriff in sich selbst, welcher erst am Pr¨adicat ” eine Unterscheidung und Bestimmtheit erh¨alt“ [12,5723−26]. 159 12,5332−33. 160 Vgl. H OSLE ¨ 1988: 237.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
gen Vermengung schuldig macht, gilt es zun¨achst, den Begriff der logischen Form n¨aher zu bestimmen. Allgemein l¨asst sich unter der logischen Form einfach das verstehen, was verschiedenen Aussagen im Hinblick auf ein bestimmtes Kriterium gemeinsam ist. Verschiedene Aussagen haben entsprechend deshalb dieselbe Form, weil sie sich im Hinblick auf dieses Kriterium gleich verhalten161 . So leisten aus formallogischem Blickwinkel nur diejenigen Aspekte einer Aussage einen Beitrag zu ihrer logischen Form, verm¨oge derer sie unter bestimmte Regeln des Schließens f¨allt162 . Daher haben etwa die Aussagen A ist blau und A ist ein Blauwal pr¨adikatenlogisch deshalb dieselbe Form, weil die Unterschiede zwischen ihnen hinsichtlich der Weise, wie sie unter Schlussregeln fallen, bedeutungslos sind. Daraus, dass zwei Aussagen dieselbe logische Form haben, folgt also, dass es eine derartige Zuordnung zwischen Bestandteilen dieser Aussagen gibt, dass alle g¨ultigen Schl¨usse aus der einen g¨ultig bleiben, sofern in ihnen alle Bestandteile von dieser durch entsprechende Bestandteile der anderen Aussage ersetzt werden. Die logische Form inhaltlich zu belasten, bedeutet dann, einen Formunterschied zwischen Aussagen zu behaupten, die hinsichtlich des gew¨ohnlich als entscheidend angesehenen Kriteriums in ihrer Form u¨ bereinstimmen. Sofern es aber unterschiedliche logisch bedeutsame Kriterien g¨abe, hinsichtlich derer sich verschiedene Aussagen als formgleich oder formverschieden erweisen, k¨onnten Unterschiede, die nach einem Kriterium keinen Beitrag zur logischen Form liefern, nach einem anderen einen derartigen Formunterschied begr¨unden. Die logische Bedeutung solcher Unterschiede zu betonen, hieße dann nur unter Voraussetzung eines anderen Kriteriums, die logische Form inhaltlich zu belasten, neutral betrachtet dagegen nur, sie anders zu bestimmen. Hegel beansprucht jedoch gegen¨uber der formalen Logik nicht einfach bloß ein anderes Verst¨andnis logischer Form. Vielmehr unternimmt er es, in Urteilsund Schlusslogik zu zeigen, dass die formallogische Auffassung von Urteil und Schluss, die alle einstelligen Pr¨adikate gleich behandelt, u¨ berhaupt nur widerspruchsfrei sein kann, wenn unausdr¨ucklich ein Formunterschied zwischen qualitativen, dispositionalen, sortalen und intrinsisch-evaluativen Pr¨adikaten ange161 Kruck und Schick bemerken: Im Rahmen der Hegelschen Urteilslehre heißt Form‘ ” ’ nicht das, was u¨ brig bleibt, wenn man vom Inhalt des Gesagten ganz absieht‘, sondern das ’ ’ Allgemeine des Inhalts‘“ [K RUCK /S CHICK 1996: 177]. Dies trifft zwar zu, betrifft aber nichts, was Hegels Urteilslogik eigent¨umlich w¨are. Denn in jedem interpretierten Kalk¨ul gehen die f¨ur die Anwendung von Schlussregeln bedeutsamen Aspekte von Aussagen mit gewissen allgemeinen Unterscheidungen einher, etwa derjenigen von Gegenstand und Eigenschaft: Jede ” Individuenkonstante muss ein (wirklich existierendes) Objekt benennen“ und Jedes Pr¨adikat ” wird durch eine bestimmte Eigenschaft oder Relation derselben Stelligkeit wie das Pr¨adikat interpretiert“ [BARWISE /E TCHEMENDY 1999: 20-23]. 162 Vgl. F REGE 1879: 3 und im Anschluss daran R ODL ¨ 2004: 23ff.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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nommen und ein konkretes Allgemeines im Hegelschen Sinn unterstellt wird. Andernfalls ergeben gemeinhin als g¨ultig aufgefasste Schlussformen keinen Sinn oder f¨uhren auf widerspr¨uchliche Resultate, weil sie etwa ihr Subjekt als Einheit auffassen, von der mannigfache Bestimmungen pr¨adizierbar sind, ohne diese Unterstellung mit eigenen Mitteln rechtfertigen zu k¨onnen, oder allgemeine Zusammenh¨ange zwischen generischen Bestimmungen auf eine Weise zu erschließen unternehmen, die nur Sinn ergibt, wenn ein selbstbesonderndes Allgemeines im Hegelschen Sinn angenommen wird. Anliegen von Hegels Urteils- und Schlusslogik ist daher zwar keineswegs, formale Logik und induktive Forschungslogik zu widerlegen, sondern zu zeigen, dass sie nur unter Voraussetzungen auf g¨ultige Resultate f¨uhren, die von ihnen selbst nicht gedeckt sind und insofern Abstraktionen darstellen. Insofern das Urteil dialektisch als Explikationsverh¨altnis bestimmt ist, ist seine logische Form das, wodurch sich unterschiedliche Urteile explikativ gleich oder ungleich verhalten. Die Urteilsform markiert damit gleichsam den explikativen Aufwand, der in einem Urteil steckt. W¨ahrend formallogisch Pr¨adikate der gleichen Stellenzahl von derselben logischen Form sind, ergibt sich aus dem dialektischen Urteilsbegriff Hegels ein feiner unterschiedenes Verst¨andnis logischer Form, dem gem¨aß bestimmte Unterschiede zwischen Typen gleichstelliger Pr¨adikate zu einem Unterschied in der logischen Form der Urteile f¨uhren, in denen sie vorkommen. Dies kann sich dann von pr¨adikatenlogischer Warte aus so darstellen, als werde die logische Form inhaltlich belastet. Ausdr¨ucke, die pr¨adikatenlogisch dieselbe Form aufweisen, k¨onnen vom dialektischen Standpunkt dagegen genau dann unterschiedliche Form haben, wenn sie unterschiedlichen explikativen Aufwand involvieren. So kennt die Pr¨adikatenlogik deshalb nur eine einzige einstellige Elementarform ohne logische Konstanten, weil alle Aussagen, die unter die Form f(a) fallen, unter dieselben Gesetze des Schließens fallen163 . Dagegen geh¨oren die Urteile a ist blau und a ist ein Blauwal aus Hegels Sicht unterschiedlichen logischen Formen an, weil das erste eine einfache, das zweite jedoch eine komplexe Explikation darstellt, die Urteile der ersten Form voraussetzt, zugleich aber ihrem Typ nach solches ausdr¨ucklich macht, was von Urteilen der ersten Form unausdr¨ucklich vorausgesetzt wird. Je nachdem, ob Pr¨adikate unmittelbare Eigenschaften oder Qualit¨aten, Dispositionseigenschaften, sortale oder intrinsich-evaluative Bestimmungen bezeichnen, geh¨oren formallogisch formgleiche Urteile daher verschiedenen Explikationsstufen und insofern im dialektischen Sinn verschiedenen logischen Formen an.
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Unter logischen Konstanten werden hier diejenigen Elemente von Aussagen verstanden, deren Ersetzung unweigerlich zu einer Ver¨anderung der logischen Form f¨uhrt.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.3.4.4 Urteil und Satz Da das Urteil logisch als explikatives Selbstverh¨altnis eingef¨uhrt wurde und als solches die eigent¨umliche Bestimmtheit der Sache selbst ausdr¨ucklich machen soll, dr¨uckt nicht bereits jede Aussage als solche ein Urteil aus, sondern nur, insofern ihr Pr¨adikat eine Bestimmtheit des Subjekts selbst abhebend explizit macht. Wird das Pr¨adikat am Subjekt gar nicht explikativ abgehoben, sondern ihm bloß a¨ ußerlich beigelegt, liegt nach Hegel kein Urteil, sondern bloß ein Satz vor. W¨ahrend Urteile als solche Antworten auf die Frage geben, was ihr Subjekt selbst sei, legt ein Satz ihm bloß a¨ ußerlich etwas bei. Dieser terminologische Unterschied von Urteil“ und Satz“ l¨asst sich an” ” hand der betreffenden Ausdr¨ucke erl¨autern. Denn w¨ahrend der Ausdruck Ur” teil“ auf eine Bewegung hindeutet, die Eines unterscheidend zur Zweiheit entfaltet, legt die Bezeichnung Satz“ umgekehrt ein a¨ ußerliches Zusammensetzen ¨ ” von Zweien nahe. Diese Außerlichkeit des Satzes kann sich dem logischen Charakter seiner Unterscheidung vom Urteil gem¨aß sowohl epistemisch wie ontologisch auspr¨agen. Ontologisch setzt er sein Subjekt in externe Beziehungen, die keinen Beitrag zur Frage, was es selbst sei, liefern. So ist etwa Als New” ton starb, w¨utete im Norden Bayerns ein heftiges Unwetter“ ein Satz, aber kein ¨ Urteil. Epistemologisch beruht die Außerlichkeit des Satzes auf bloßem Verkn¨upfen, das als solches unvermittelt vollziehbar ist und entsprechend keine Denkarbeit oder explikativen Aufwand erfordert. W¨ahrend die Pr¨adikation im Urteil das Hinachten aufs Subjekt verlangt, wird das Pr¨adikat im Satz anderswo hergenommen und aufs Subjekt bezogen. Die Unterscheidung von Urteil und Satz markiert als logische damit keinen Unterschied zwischen Gedanken und ihrem sprachlichen Ausdruck, sondern betrifft die Frage, ob eine Aussage explikatives Abheben oder a¨ ußerliches Beilegen von Bestimmtheit ausdr¨uckt164 . Was die Pr¨adikation qualitativer Bestimmungen angeht, l¨asst sich der Unterschied zwischen Urteil und Satz epistemologisch daran festmachen, ob die betreffende qualitative Bestimmung auf das Subjekt hinachtend abgehoben oder diesem anderw¨arts her beigelegt wird. So ist f¨ur das Beilegen einer Farbqualit¨at im Wahrnehmungsurteil etwa Hinsehen verlangt, w¨ahrend bloßes Raten nur auf S¨atze f¨uhrt. Weiter h¨angt der Unterschied von Satz und Urteil dar¨uber hinaus epistemo164 Hegel betont, dass ein Satz zwar im grammatischen Sinne ein Subject und Pr¨ adicat ” hat, aber darum noch kein Urtheil ist. Zu letzterem geh¨ort, daß das Pr¨adicat sich zum Subject nach dem Verh¨altnis von Begriffsbestimmungen, also als ein Allgemeines zu einem Besondern oder Einzelnen verhalte“ [12,5532−35]. Dass sich Subjekt und Pr¨adikat nur im Urteil als Begriffsbestimmungen verhalten, bedeutet gerade, dass bloß in diesem das Pr¨adikat das Subjekt nach seiner eigenen Bestimmtheit entwickelt, insofern der Begriff nichts anderes ist als reines Sichentwickeln und ein Verh¨altnis von Begriffsbestimmungen somit ein explikatives Selbstverh¨altnis. Dagegen besteht die Verbindung von Subjekt und Pr¨adikat im Satz gerade in bloßem Verkn¨upfen und ergibt so ein Fremdverh¨altnis.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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logisch davon ab, ob die Aussage unmittelbar vollzogen wird oder inferentiell mit anderen Aussagen vermittelt auftritt. So k¨onnen Dispositions- oder Gattungsbestimmungen am Subjekt nicht zugleich unmittelbar und explikativ abgehoben werden, obwohl sie ihm nat¨urlich in S¨atzen unmittelbar beigelegt werden k¨onnen. Freilich wird im Rahmen empirischer Urteilspraxis das nichtinferentielle Beilegen von Pr¨adikaten dann noch als Urteil gelten k¨onnen, wenn der Urteilende grunds¨atzlich in der Lage ist, sein Urteil u¨ ber Zwischenschritte explikativ auszuweisen und zu rechtfertigen165 . Mathematisch l¨asst sich der Unterschied von Urteil und Satz am Beweis ¨ erl¨autern. Denn dieser l¨asst sich gerade als mittelbare Uberf¨ uhrung von S¨atzen in Urteile verstehen. Demnach besteht ein Beweis nicht einfach darin, einen Satz durch Anwendung von Ableitungsregeln aus vorausgesetzten S¨atzen zu folgern. Vielmehr hat der Beweisaufwand explikative Funktion, indem auf dem Weg u¨ ber voraussetzungs¨armere Urteile aufgewiesen wird, dass einem mathematischen Gegenstand in der Tat diejenigen Bestimmungen zukommen, die ihm der zu beweisende Satz beilegt. Wenn der Satz sich vom Urteil dadurch unterscheidet, dass in ihm Bestimmungen nicht am Subjekt abgehoben, sondern anderw¨arts hergenommen werden, ist zu fragen, woher diese Bestimmungen kommen. Ontologisch werden sie externe Relationen sein; epistemologisch k¨onnen sie sich bloßem Vermuten verdanken, womit S¨atze bloß ins Blaue hinein getroffene Behauptungen sind, die keinen eigenen Denkaufwand erfordern. S¨atze k¨onnen freilich auch gleichsam erstarrte oder in Sprachh¨ulsen satzm¨aßig aufbewahrte Urteile sein und bilden damit das, was u¨ brig bleibt, wenn ehemals explikative Vollz¨uge zum epistemischen Pr¨ateritum werden. Sofern Urteile explikative Vollz¨uge sind, unser mechanisches Ged¨achtnis aber bloße Wortfolgen rekapituliert, k¨onnen eigentlich nur S¨atze, nicht aber Urteile auswendig gelernt werden, obgleich auch die F¨ahigkeit zu Urteilen u¨ ber den entsprechenden Gegenstandsbereich ein¨ubbar sein mag. S¨atze k¨onnen sich weiter auch daraus ergeben, dass eine Person ihre Urteile anderen mitteilt, insofern der H¨orer oder Leser dabei zun¨achst mit einer satzartigen Verkn¨upfung von Subjekt und Pr¨adikat konfrontiert sein kann, letzteres nicht durch eigene Denkanstrengung am Subjekt abgehoben und insofern erst explikativ zu bew¨ahren hat, damit ihm das Mitgeteilte zum beurteilbaren Inhalt wird. Entsprechend sind Hegels Standardbeispiele f¨ur S¨atze gerade Nachrichten u¨ ber Geschehnisse, die eine Person selbst nicht erlebt hat, weshalb die betref165 Dies wird ihn zugleich in die Lage versetzen, Gegenst¨ ande, die dem Beurteilten qualitativ a¨ hneln, aber unter ein anderes komplexes Pr¨adikat fallen, hinsichtlich desselben trennscharf auseinanderzuhalten. Dagegen k¨onnen zwar bestimmte h¨ohere Tiere etwa dazu gebracht werden, auf bestimmte Artefakttypen verl¨asslich zu reagieren, ohne ihre Reaktion jedoch explikativ ausweisen zu k¨onnen und Imitate von Originalen zu unterscheiden [vgl. B RANDOM 2000, 102ff.]. Solche Reaktionen k¨onnen im logischen Sinn daher bestenfalls als satzartig, nicht aber als Urteile gelten.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
fende Aussage f¨ur sie zun¨achst ein a¨ ußerliches Beilegen von Bestimmungen ausdr¨uckt, das sie nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar explikativ zu vollziehen vermag166 . In Urteile k¨onnen solche Nachrichten gerade durch Untersuchungen verwandelt werden, welche die explikative Berechtigung der Aussage vermitteltermaßen erweisen oder widerlegen. Eine wichtige hermeneutische Aufgabe f¨ur das Verstehen philosophischer Texte besteht damit gerade darin, Aussagen, die sich zun¨achst als S¨atze oder bloße Thesen u¨ ber ihren Gegenstand darstellen, als Urteile zu begreifen, ohne dass man diesen Urteilen darum schon zustimmen m¨usste. Die Aneignung von S¨atzen als Urteile zeigt erst, dass sie ihren Subjekten nicht bloß willk¨urlich Pr¨adikate beilegen, sondern es unternehmen, an ihrer Sache Bestimmungen ab¨ zuheben, die ihr eigent¨umlich sind. Solche Uberf¨ uhrung von S¨atzen in Urteile wird nur vermittels anderer Urteile m¨oglich sein, und zwar entweder, indem im Text vorkommende Aussagen als Begr¨undungen anderer erfasst werden oder Begr¨undungen nachgeliefert werden, die im Text gar nicht ausdr¨ucklich auftreten. Entsprechend ist es auch ein Anliegen der vorliegenden Rekonstruktion der Logik, Aussagen, die zun¨achst als abstruse S¨atze anmuten k¨onnen, als Urteile und damit als nachvollziehbare Explikationen ihrer Sache zu exponieren und verst¨andlich zu machen. 3.3.4.5 Urteilsarten als Explikationstypen Das Urteil als logische Form zu untersuchen, bedeutet zwar, es unter Absehen von allem Inhaltlichen und damit bloß im Hinblick darauf zu betrachten, was zu ihm als solchem dazugeh¨ort. Sofern sich aus einer solchen Betrachtung jedoch gerade besondere Formen des Urteils ergeben, werden auch diese mit zur logischen Form des Urteils geh¨oren. Nun markiert das Urteil seiner Form nach ein explikatives Selbstverh¨altnis, das eine Sache nach ihrer eigent¨umlichen Bestimmtheit ausdr¨ucklich und damit aus sich heraus verst¨andlich machen soll167 . 166
Vgl. So ist die Nachricht: mein Freund N. ist gestorben, ein Satz, und w¨are nur dann ein ” Urtheil, wenn die Frage w¨are, ob er wirklich tot oder nur scheintot w¨are“ [12,565−7]. Nur dann ” w¨urde ein Satz wie Es f¨ahrt ein Wagen vor¨uber“ ein und zwar subjektives Urteil sein, wenn es ” zweifelhaft sein k¨onnte, ob das vor¨uber sich Bewegende ein Wagen sei oder ob der Gegenstand sich bewege und nicht vielmehr der Standpunkt, von dem wir ihn beobachten; wo das Interesse also darauf geht, f¨ur eine noch nicht geh¨orig bestimmte Vorstellung die Bestimmung zu finden“ [20,1848−14]. 167 Friedrike Schick bringt diesen, dem Urteil eigent¨ umlichen Charakter zweistelliger Selbstbestimmung folgendermaßen auf den Punkt: Dass die Forderung der Selbstbestimmung ” dem Wahrheitsanspruch des Denkens eingeschrieben ist, geh¨ort zu den Beweiszielen, die am Ende der Wesenslogik eingeholt sein sollen. Wenn Fragen der Form gestellt werden: Was ” macht dieses – irgendeine zur Bestimmung oder Erkl¨arung vorgesetzte Sache – zu dem, was es ist?“, so ist darin genau jene Forderung pr¨asent. Verlangt ist eine Unterscheidung von Bestimmendem und Bestimmtem. Die Unterscheidung ist also eine, die u¨ ber die in Rede stehende Sache auch nicht hinausf¨uhren, sie nicht in anderem reflektieren will, eine, in der sie nur in sich
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Der mit der Urteilsform verbundene Anspruch, das Subjekt selbst im Pr¨adikat angemessen auszudr¨ucken, l¨asst sich aber gar nicht unmittelbar einl¨osen. Denn unmittelbar vermag eine Bestimmung ein Einzelnes nicht ersch¨opfend, sondern allenfalls nach einem qualitativen Aspekt auszudr¨ucken. Das Urteilsverh¨altnis w¨are daher erst eingel¨ost, wenn seine Glieder verm¨oge ihrer konkreten Belegung ein ersch¨opfendes Ausdrucksverh¨altnis bildeten. Um in einem solchen zur Deckung zu kommen, k¨onnen Subjekt und Pr¨adikat einander aber nicht unmittelbar gegen¨uber stehen, sondern m¨ussen sich von sich her als Glieder eines explikativen Selbstverh¨altnisses ausweisen. Solange das Urteil den mit seiner Form verbundenen Anspruch aber nur aspekthaft einl¨ost, bildet es einen performativen Widerspruch – nicht nur, weil es den ihm eingeschriebenen Anspruch nicht vollst¨andig einl¨ost, sondern darum, weil diese Unvollst¨andigkeit prek¨ar ist, insofern das Urteil sein als definit beanspruchtes Subjekt in seiner eigent¨umlichen Bestimmtheit gar nicht unabh¨angig von seiner angemessenen pr¨adikativen Bestimmung im Griff und verf¨ugbar hat. Dieser Widerspruch treibt die Entwicklung der besonderen Urteilsformen voran, welche als Explikationsstufen Schritte auf dem Weg zur angemessenen, weil ersch¨opfenden Einl¨osung der Urteilsform darstellen168 . Im Zuge der Entfaltung der Urteilsformen muss das Explicans insofern bestimmter sein als das Explicandum, als es an diesem noch unabgehobene Bestimmtheit ausdr¨ucklich machen soll, am Explicandum umgekehrt aber nur solche Bestimmtheit ausdr¨ucklich gesetzt sein kann, die bereits urteilend zur Abhebung gekommen ist. Sofern eine Pr¨adikationsform das Urteilssubjekt zun¨achst aber gar nicht angemessen, n¨amlich nach seiner eigent¨umlichen Bestimmtheit, ausdr¨uckt, wird sie ihm entsprechend abzuwandeln sein, w¨ahrend das Subjekt selbst gleich bleibt. Sind jedoch alle formalen M¨oglichkeiten der Abwandlung der Pr¨adikationsform durchlaufen, ohne dass der Anspruch der Urteilsform angemessen eingel¨ost ist, bleibt nur, das Pr¨adikat, welches immerhin eine Teilexplikation lieferte, dem Subjekt zuzuschlagen. Dadurch gewinnt dieses aber ¨ einen Uberschuss an ausdr¨ucklicher Bestimmtheit gegen¨uber dem Pr¨adikat, wodurch es zu einem Rollentausch kommt, in dem das bisherige Explicandum zum neuen Explicans wird und umgekehrt. Anders als die bloße Variation des Pr¨adikats, die zu einer neuen Urteilsform desselben Urteilstyps f¨uhrt, wird diese Rollenumkehrung so zugleich einen neuen Urteilstyp ergeben. unterschieden sein soll. Gesucht ist eine nicht-tautologische, erkl¨arungskr¨aftige Beziehung der Sache auf sich selbst – umgekehrt ausgedr¨uckt, ein Unterscheiden, das keine R¨uckf¨uhrung auf anderes ist“ [S CHICK 2006e: 152]. 168 Christian Iber formuliert treffend: Durch seine Form, die behauptete Identit¨ at von Sub” jekt und Pr¨adikat, verspricht das Urteil zwar anzugeben, was sein Gegenstand ist. Doch die meisten Urteilsformen l¨osen dieses Versprechen nicht ein. Die in ihnen fehlende inhaltliche Deckungsgleichheit zwischen Subjekt und Pr¨adikat widerspricht der formal behaupteten Identit¨at beider“ [I BER 2006: 120].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Auf diese Weise wird es im Zuge der Darstellung der Urteilsformen stufenweise zu einer Steigerung des Komplexit¨atstyps der Urteilsglieder kommen. Das Ziel dieser Entwicklung ist aber dann erreicht, wenn das Urteil als ersch¨opfendes Ausdrucksverh¨altnis ausdr¨ucklich ist, seine beiden Glieder also mit einer Totalit¨at von Begriffsmomenten als unterschiedlichen Gestalten von Einem belegt sind, sodass ihre Verkn¨upfung keine tautologische Wiederholung darstellt, sondern eine Totalit¨at die andere expliziert, indem das Pr¨adikat ausdr¨uckt, was die Sache selbst ist. Dabei m¨ussen sich die besonderen Urteilsformen als Schritte zu diesem Ziel allein aus der Natur des Urteils als zweistelligem Explikationsverh¨altnis ergeben. Die konkrete Belegung von Subjekt und Pr¨adikat in solchen Urteilsformen kann dabei allein von der Explikationsstufe, welche die Urteilsform definiert, bestimmt sein. Subjekt und Pr¨adikat m¨ussen in solchen Formen damit Funktionen der Explikationsstufe sein. Da die Urteilsformen aber ¨ Uberlagerungsgestalten des Urteils sind, sind die Argumente dieser Funktionen die Charaktere Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung und ihre Ausgabewerte Belegungen der Urteilsglieder mit Begriffsmomenten. Dabei sollen die Urteile logische oder reine Formen markieren, weshalb in ihnen jeder Bestandteil explikative Bedeutung haben muss. Daher m¨ussen in ihnen die Belegungen der Urteilsglieder derselben Explikationsstufe angeh¨oren wie die Urteilsform selbst. Andernfalls ergibt sich eine Form, in der nicht alles explikative Funktion hat und die daher keine reine Urteilsform darstellt, sondern inhaltlich belastet ist. Dagegen werden reale Instanzen der Urteilsformen gerade aufgrund solcher inhaltlicher Belastung keine reinen, sondern unreine Urteile sein, insofern sie Elemente beinhalten, die keine explikative Funktion aufweisen. Umgekehrt stellt die Urteilslogik reine Formen dar, in denen alles in Funktion l¨uckenloser Explikation steht. Aus der Bedingung, dass in einer Urteilsform alles explikative Funktion haben muss, ergeben sich mehrere konkrete Anforderungen an die besonderen Formen des Urteils. So darf die Explikationsstufe des Subjekts die des Pr¨adikats weder u¨ berschreiten noch unterlaufen. Das logische Pr¨adikat muss daher grunds¨atzlich eine am Subjekt noch nicht ausdr¨ucklich gesetzte Bestimmtheit abheben. Sofern dieses zun¨achst aber noch keine ausdr¨ucklich abgehobene Bestimmtheit aufweist, hat das Pr¨adikat ihm gegen¨uber einen Bestimmtheitsvorsprung. Diesen beh¨alt es auch auf den folgenden Stufen, insofern das Subjekt seine ausdr¨ucklich abgehobenen Bestimmungen ausschließlich vorg¨angigen Pr¨adikationen verdanken kann, die in den Folgepr¨adikaten aufgehoben sind. Insofern am Subjekt daher keine Bestimmtheit ausdr¨ucklich abgehoben sein kann, die nicht vom Pr¨adikat impliziert wird, kann es seinem Formtyp nach keiner h¨ohereren Explikationsstufe angeh¨oren als dieses. Andernfalls
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liegt keine Stufe eines immanenten Explikationsprozesses und damit keine reine Urteilsform vor. Zur Erl¨auterung k¨onnen die folgenden Urteile dienen: Dieser ionische Tem” pel ist grau. Das Graue da ist ein ionischer Tempel“. Wird, wie im ersten Urteil, ein bereits generisch bestimmtes Subjekt durch ein qualitatives Pr¨adikat bestimmt, ist solches Bestimmen seinem Formtyp nach nicht als explikativ zu verstehen. Denn damit etwas generisch bestimmt sein kann, muss es bereits qualitativ bestimmt sein. Dies trifft freilich nur auf die Stufenfolge von Pr¨adikationstypen u¨ berhaupt zu, aber gerade nicht auf einzelne, inhaltlich belastete Urteile, und l¨asst sich an einzelnen Beispielen daher nur unzureichend erkl¨aren. So lassen sich nat¨urlich Situationen denken, in denen das erste Urteil explikative Funktion hat, beispielsweise, wenn jemand eine farbig retuschierte Aufnahme gezeigt bekommt und behaupt wird: Dieser ionische Tempel ist ” (eigentlich) grau“. Umgekehrt darf in reinen Urteilsformen aber auch die Stufe des Pr¨adikats diejenige des Subjekts nicht u¨ berschreiten. Das heißt, das Pr¨adikat darf nicht die Artikulation von Unterscheidungen und Bestimmungen voraussetzen, welche am Subjekt noch gar nicht ausdr¨ucklich gesetzt sind. Andernfalls w¨are ein Explikationsschritt u¨ bersprungen. Weil die Entwicklung der Urteilsformen aber immanente Entfaltung sein soll, ließe sich eine so gewonnene Form nicht mehr als explikativ verstehen. Die Explikationsstufe des Pr¨adikats kann daher nicht das Expliziertsein einfacherer Bestimmungen voraussetzen, die am Subjekt noch gar nicht abgehoben sind. So kann die Form des unmittelbaren Urteils, das ein noch nicht ausdr¨ucklich bestimmtes Subjekt expliziert, von diesem nur Qualit¨aten pr¨adizieren, nicht aber komplexe dispositionale oder generische Pr¨adikate, deren Explikation andere Urteile voraussetzt. Allerdings ist es eine Pointe der immanenten Entfaltung der Urteilsformen, dass die vermeintliche Selbstgen¨ugsamkeit unmittelbarer Urteile und Pr¨adikate ein seinslogischer Schein ist, insofern solche vermeintlich rein unmittelbaren Urteile, denen im logischen Empirismus Basis- oder Protokolls¨atze entspr¨achen, unausdr¨ucklich Vermittlung und damit den Bezug auf dispositionale, sortale und intrinsischevaluative Pr¨adikate beinhalten und daher keine semantisch selbsttragende Ur¨ teilsschicht bilden k¨onnen, die das Fundament eines optionalen Uberbaus bildet, der auf ihm konstruktiv errichtet werden kann. Die logische Entfaltung der Urteilsformen f¨uhrt so nicht nur von einfacheren zu komplexen Urteilsformen, welche jene ausdr¨ucklich voraussetzen. Sofern sich diese Entfaltung n¨amlich immanent vollzieht, m¨ussen die komplexeren Urteilsformen unausdr¨ucklich schon in den einfacheren angelegt sein und damit etwas explizit machen, was zu diesen einfacheren Formen selbst schon geh¨ort. Doch was heißt es, komplexere Urteilsformen seien in einfacheren schon unausdr¨ucklich im Spiel? Epistemologisch bedeutet es, dass, um u¨ berhaupt urtei-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
len zu k¨onnen, gewisse Annahmen getroffen werden m¨ussen, ohne dass diese darum in Gestalt eigener Urteilsformen artikuliert sein m¨ussten. Solche Unterstellungen m¨ussen also nicht in eigenen Ausdrucksformen thematisch sein, sondern k¨onnen etwa bloß pragmatisch mitunterstellt sein. So braucht etwa das in der Warnung Achtung, die Vase ist aus Glas “ unausdr¨ucklich angelegte ” hypothetische Urteil, wenn man sie fallen lasse, zerbreche sie, ebenso wie die Annahme, wenn auf Glas ein gewisser Druck ausge¨ubt w¨urde, zerbreche es notwendig, nicht selbst urteilsf¨ormig artikuliert sein, sondern kann bloß darin angelegt sein, dass ich mit der Vase vorsichtig umgehe oder anderen rate, es zu tun. Da die einzelne Vase ihre Zerbrechlichkeit dabei aber noch gar nicht unter Beweis gestellt hat, werde ich nur deshalb vorsichtig mit ihr umgehen, weil ich unausdr¨ucklich bestimmte Annahmen mache, die Dispositionen und allgemeine, gesetzm¨aßige oder notwendige Zusammenh¨ange betreffen169 . Weiter sind nicht bloß in einfacheren Pr¨adikationstypen unausdr¨ucklich komplexere angelegt und mitunterstellt, sondern einfache Urteile wie etwa das qualitative Dieses Ding da ist rot“ setzen bereits die Einzelheit und Identifizierbar” keit ihres Subjekts voraus, ohne diese selbst schon garantieren und erkl¨aren zu k¨onnen und u¨ ber sie zu verf¨ugen. Vom abstrakt idealistischen Standpunkt der formalen Logik, die so tut, als sei der Gegenstand außerhalb der Praxis sei” ner realen Identifizierung bestimmt und die benennende Beziehung l¨angst gekl¨art“ 170 , weicht Hegels Urteilslehre so gerade dadurch ab, dass sie schrittweise ausdr¨ucklich macht, wodurch die unterstellte Einheit und Identifizierbarkeit des Urteilssubjekts u¨ berhaupt gedeckt ist und so auf das Notwendigkeits- und das Begriffsurteil f¨uhrt, die verm¨oge der Explikation wesentlicher und intrinsischevaluativer Allgemeinheit erst die in einfacheren Urteilstypen bloß unterstellte Einheit und Identifizierbarkeit ihres Urteilssubjekts erkl¨aren und einholen. Daran wird deutlich, dass einfachere Urteilstypen und eine Auffassung von Pr¨adikation, die alle Pr¨adikate als abstrakt Allgemeines gleich behandelt, unausdr¨ucklich doch einen Unterschied von Pr¨adikationstypen voraussetzen. Der Fortgang der Urteilslehre wird dabei im Einzelnen zeigen, dass einfachere Formen von Pr¨adikaten selbst schon implizit Charaktere der komplexeren Pr¨adikate an sich haben, die, rein f¨ur sich herausgehoben, auf einen h¨oheren Pr¨adikationstyp und damit auf eine neue Urteilsform f¨uhren. So involvieren qualitative Bestimmungen, weil sich seinslogische Unmittelbarkeit als Schein erwiesen hat, notwendig ein Moment der Vermittlung, haben daher selbst den Unterschied von Sein und Schein an sich und k¨onnen darum 169 Brandom bringt dies pr¨ agnant auf den Punkt: Anyone who has the practical ability to ” deploy purely descriptive‘ vocabulary, already knows how to do everything he needs to know ’ how to do to deploy modal vocabulary as well. He need not actually do so, since practically undertaking those inferential commitments does not require that one have available a language with vocabulary permitting one to do that by saying something“ [B RANDOM 2009b: 56]. 170 S TEKELER -W EITHOFER 1992a: 368.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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nicht in Urteile eingehen, die ein vermeintlich irrtumsfreies Fundament von Erkenntnis zu bilden verm¨ogen. Darin stimmt Hegel mit Sellars’ Kritik am Mythos des Gegebenen“ u¨ berein, im Rahmen derer dieser zeigt, dass auch ” f¨ur vermeintlich selbstausweisende qualitative Pr¨adikate ein Unterschied von Anschein und Wirklichkeit besteht und auch qualitative Urteile daher rechtfertigungsbed¨urftig sind171 . Denn nicht alles, was etwa gr¨un aussieht, ist darum schon gr¨un, da auch gelbe Gegenst¨ande in blauem Licht gr¨un erscheinen. Umgekehrt geh¨ort es zur Bedeutung von x ist gelb“, dass x in blauem Licht gr¨un ” aussieht. Qualit¨aten verm¨ogen aber, wie Sellars weiter zeigt, auch dann, wenn sie in die Klammer bloß subjektiven Anscheins gesetzt sind, nicht als unmittelbare Bestimmungen ein irrtumsfreies Fundament der Erkenntnis abzugeben, weil x scheint gelb“ gar kein Urteil ist, sondern nur ausdr¨uckt, dass ein epis” temisches Subjekt, welches die Tendenz hat, so zu urteilen, sich dessen enth¨alt und insofern gar nicht urteilt. Aussagen, die keine Urteile ausdr¨ucken, k¨onnen aber auch nicht die Grundlage f¨ur den konstruktiven Aufbau komplexerer Urteile bilden172 . Geh¨ort nun zu qualitativen Pr¨adikaten ein Moment dispositionaler Vermitteltheit, sofern etwas dann gelb ist, wenn es die Disposition hat, in blauem Licht gr¨un auszusehen, so geh¨ort zu Dispositionspr¨adikaten ihrerseits unausdr¨ucklich schon ein Bezug auf Quantit¨at, Universalit¨at, Gesetzlichkeit und Notwendigkeit. Denn dass nur ein Gegenstand als Einzelner einmalig eine Disposition hat, l¨asst sich gar nicht verst¨andlich machen. Von einem Einzelnen eine Disposition auszusagen, setzt vielmehr unausdr¨ucklich voraus, dass nicht nur dieses Einzelne, sondern alle Einzelnen dieses Typs X ihre Disposition D unter Umst¨anden vom Typ U unter Beweis stellen, indem sie diese in einem ihr entsprechenden Vorgang vom Typ V realisieren. Da dabei nicht nur unterstellt ist, dies sei f¨ur alle faktischen Einzelnen vom Typ X der Fall, weil die Verkn¨upfung von Gegenstandstyp X und Disposition D auch so ungedeckt und unverst¨andlich w¨are, ist mit jedem dispositionalen Urteil u¨ ber Einzelnes unausdr¨ucklich schon unterstellt, dass es gesetzm¨aßige Zusammenh¨ange zwischen allgemeinen Bestimmungen gibt, die als solche in hypothetischen Urteilen, kontrafaktischen Konditionalen und alethischen Notwendigkeitsaussagen ausdr¨ucklich gemacht werden k¨onnen173 . In der Annahme, eine Beere sei giftig oder ein Stoff was¨ Sellars dr¨uckt dies folgendermaßen aus: Uber den Begriff des Gr¨unseins zu verf¨ugen involves the ability to tell what colors objects have by looking at them – which, in turn, involves ” knowing in what circumstances to place an object if one wishes to ascertain its color by looking at it“ [S ELLARS 1956: 43]. 172 Entsprechend res¨ umiert Sellars: I have, in effect, been claiming that being red is logi” cally prior, is a logically simpler notion, than looking red; the function “x is red“ to “x looks red to y“. In short, that it just won’t do to say that x is red is analyzable in terms of x looks red to y“ [S ELLARS 1956: 37]. 173 Auch darin stimmt Hegel mit Sellars u ¨ berein: It is only because the expressions in ” 171
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
serl¨oslich, stecken daher unausdr¨ucklich und in nuce schon Toxikologie und Chemie sowie die ihnen entsprechenden Urteilstypen. Da es logisch unsinnig ist anzunehmen, etwas habe eine Disposition nur einmal als Einzelnes, etwa diese eine Beere sei in einem einzigen Fall giftig oder dieses Pulver sei ein einziges Mal wasserl¨oslich gewesen, ist in der Pr¨adikation dispositionaler Bestimmungen schon die Einheit und Identifizierbarkeit des Subjekts u¨ ber eine Prozessstrecke hinweg unterstellt – ebenso wie die Annahme, es habe die betreffende Disposition nicht in seiner Einzelheit, sondern verm¨oge seiner allgemeinen Natur. Insofern in qualitativen Urteilen, ihrer vermeintlichen Unmittelbarkeit zum Trotz, schon ein Moment von Dispositionalit¨at und in dieser ein Bezug auf Gattungsallgemeinheit und alethisch notwendige Beziehungen zwischen allgemeinen Bestimmungen steckt, ist in den Formen qualitativer Beurteilung unausdr¨ucklich schon die M¨oglichkeit und Notwendigkeit urteilsm¨aßiger Artikulation alethisch notwendiger Beziehungen zwischen generischen Bestimmungen angelegt. Da diese aber nicht von einem Spielraum der Einzelheit losgel¨ost sein sollen, sondern eine Sph¨are realer Einzelner, die durch Gesetzesaussagen beschreibbar sind, mitunterstellt wird, diese jedoch nicht bloß unmittelbar oder zuf¨allig gesetzm¨aßig und notwendig verfasst sein kann, ist damit unausdr¨ucklich schon ein selbstbesonderndes Allgemeines oder Absolutes unterstellt, das die nomologische Erkl¨arbarkeit des Realen garantiert174 . Wenn es ein selbstbesonderndes Allgemeines gibt, dann muss es aber auch eine ihm entsprechende Urteilsform geben. Als solche wird sich zun¨achst das disjunktive Urteil ergeben, das die Besonderung eines Gattungsallgemeinen in seine Arten ausdr¨uckt, die darum als Selbstbesonderung verstanden werden muss, weil sonst unverst¨andlich w¨are, dass die Gattung der Totalit¨at ihrer Arten a¨ quivalent ist. N¨aher wird das konkrete Allgemeine aber erst im Begriffsurteil ausdr¨ucklich, welches als intrinsisch-evaluatives Werturteil ausdr¨uckt, dass ein Einzelnes verm¨oge seiner besonderen Beschaffenheit seiner terms of which we describe objects, locate these objects in a space of implications, that they describe at all, rather than merely label“ [S ELLARS 1957: §108]. Brandom erl¨autert diesen Satz folgendermaßen: Sellars has claimed that the activity of describing is unintelligible except as ” a part of a pragmatic package that includes also not just the making of inferences, but the making of counterfactually robust inferences. The sort of inferences involved in explanation, and licensed by explicitly modal statements of laws. [...] One cannot know how to use vocabulary in matter of factual descriptions ( The cat is on the mat‘) and not have any grip on how to use mo’ dal, counterfactual and dispositional vocabulary ( It is necessary for live cats to breathe‘, That ’ ’ cat would leave the mat if she saw a mouse‘). Although explicitly modal vocabulary is an in principle option superstructure on practices of deploying descriptive vocabulary, what it expresses cannot be mysterious in principle, to those who can engage in those base-level practices“ [B RANDOM 2009b: 56ff.]. 174 Sellars und Brandom sind aus Hegelscher Sicht nicht konsequent genug, wenn sie diesen Schritt nicht auch noch mit Hegel mitgehen, der im Rahmen der Logik freilich nicht allein durch ¨ derartige urteilstheoretische Uberlegungen gerechtfertigt ist.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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allgemeinen Natur X entspricht und insofern ein gutes, wahres oder sch¨ones X ist, was nur verst¨andlich ist, wenn das Allgemeine selbst festlegt, welche besonderen Beschaffenheiten ein Einzelnes zu einem guten, wahren oder sch¨onen Exemplar seiner Gattung machen. Nachdem die dialektische Entwicklung der Urteilsformen derart intuitiv durch epistemologische, semantische und pragma¨ tische Uberlegungen motiviert und vorgezeichnet ist, k¨onnen wir uns nun ihrer strengen Entfaltung zuwenden175 . 3.3.4.6 Das Daseinsurteil Das Daseinsurteil bildet als unmittelbare Form des Urteils den einfachsten Urteilstyp u¨ berhaupt. Unmittelbar ist es insofern, als in ihm ein noch nicht ausdr¨ucklich bestimmtes Subjekt durch ein nicht-inferentiell beilegbares Pr¨adikat ausgedr¨uckt werden soll. Damit markiert dieser Urteilstyp eine Ausdrucksbeziehung zwischen einem an sich zwar Bestimmtheit einfaltenden, ausdr¨ucklich jedoch noch nicht bestimmtem Einzelnen und einer unmittelbaren Bestimmung oder Qualit¨at. Auf diese Weise bilden Subjekt und Pr¨adikat als solche zwar Glieder eines Ausdrucksverh¨altnisses, stellen sich ihrer Belegung nach aber als bloß a¨ ußerlich aufeinander bezogen dar und verhalten sich damit wie Daseinsbestimmungen. Nun l¨asst sich ein unmittelbares Subjekt durch eine Qualit¨at seinerseits unmittelbar, vermittelt oder selbstvermittelt ausdr¨ucken und das Daseinsurteil demgem¨aß einteilen. Denn w¨ahrend das qualitative Pr¨adikat im positiven Urteil direkt auf das Einzelne bezogen wird, geschieht dies im negativen Urteil indirekt, insofern dem Subjekt eine qualitative Bestimmung nur vermittels der Verneinung einer anderen beigelegt wird. So dr¨uckt etwa das negative Urteil X ” ist nicht blau“ nach Hegelschem Verst¨andnis aus, dass X zwar nicht die blaue, jedoch eine andere Farbe zukommt. Im unendlichen Urteil ist die Ausdrucksbeziehung zwischen solchen unmittelbaren Urteilsgliedern schließlich insofern als Selbstverh¨altnis gesetzt, als jedes Urteilsglied nur noch f¨ur sich selbst steht. So dr¨uckt das unendliche Urteil Der Geist ist nicht rot“ bloß aus, dass Geist ” eben Geist und rot eben rot ist.
175 Hegel teilt das Urteil in vier Hauptarten mit je drei Unterarten ein. Bereits ein Blick in das Inhaltsverzeichnis der WdL erweist diese tetradische Einteilung als Ausnahme. Dennoch u¨ bernimmt Hegel die Unterscheidung von vier Urteilstypen und zw¨olf Urteilformen darum nicht einfach aus der Tradition. Auf den etwas technischen Beweis der Vollst¨andigkeit der Hegelschen Urteilstafel sei an dieser Stelle verzichtet. Die tetradische Einteilung ergibt sich andeutungsweise daraus, dass im Urteil der Unterschied von impliziter und expliziter Unmittelbarkeit auf besondere Weise zum Tragen kommt und es daher sowohl einen unausdr¨ucklich wie einen ausdr¨ucklich als unmittelbar auftretenden Urteilstyp gibt, das Daseins- und das Reflexionsurteil.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Daseinsurteil
(
)
positives Urteil
negatives Urteil (
)
(
(
)
)
unendliches Urteil
Da das einzelne Subjekt des Daseinsurteils an ihm selbst noch nicht ausdr¨ucklich bestimmt ist, nimmt es in ihm die Rolle des Zu-Bestimmenden ein, das Pr¨adikat oder qualitativ Allgemeine dagegen die des Bestimmenden. Ergibt sich eine Nichtentsprechung beider, wird daher das Pr¨adikat abzuwandeln sein, w¨ahrend das Subjekt als dem Bestimmen Zugrundeliegendes unver¨andert bleibt. Im Zuge der Entwicklung des Daseinsurteils bildet das Einzelne daher das gleichbleibende Urteilssubjekt, w¨ahrend das allgemeine Pr¨adikat hingegen in Funktion der jeweiligen Explikationsstufe abgewandelt wird. 3.3.4.6.1 Positives Urteil Das positive Urteil ist sowohl seinen Gliedern wie ihrer Beziehung nach unmittelbar und bildet damit die einfachste Urteilsform u¨ berhaupt. Sein Subjekt ist als unmittelbar Einzelnes zwar noch nicht ausdr¨ucklich bestimmt, faltet jedoch unausdr¨ucklich Bestimmtheit und damit den Bezug auf anderes ein, der jedoch erst im Reflexionsurteil ausdr¨ucklich werden wird. Das Pr¨adikat wiederum dr¨uckt das Subjekt durch eine unmittelbare Bestimmung aus, die als allgemeine mehrerem gemeinsam sein kann. Diese Qualit¨at ist an sich ebenfalls durch ihre Bestimmtheit negativ auf andere bezogen und daher nicht schlechthin unmittelbar, insofern sie in materialen Implikations- und Inkompatibilit¨atsverh¨altnissen zu anderen Bestimmungen steht. Ausdr¨ucklich wird dieses Bezogensein jedoch ¨ erst im negativen Urteil und n¨aher beim Ubergang zum Reflexionsurteil, der deutlich machen wird, dass scheinbar unmittelbare Pr¨adikate selbst ein dispositionales Moment und insofern Vermittlung beinhalten. Nun treten im positiven Urteil aber nicht nur die Urteilsglieder noch unmittelbar auf, sondern auch
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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der Bezug zwischen ihnen soll im unmittelbaren, nicht-inferentiellen Grundakt des Explizierens bestehen, der keine andere Explikation voraussetzt, also im einfachen Abheben und R¨uckbeziehen einer qualitativen Bestimmtheit auf das Subjekt176 . Dieser Grundakt des Abhebens und Zur¨uckbeziehens von unabgehobener Bestimmtheit ist zwar allen Urteilsformen als solchen gemeinsam177 . Bei den entwickelteren pr¨agt dieses unvermittelte Abheben jedoch nicht mehr das Urteil insgesamt, sondern nur einen Aspekt von ihm. Denn hier wird an einem schon ausdr¨ucklich Bestimmten und insofern vermittelten Subjekt eine komplexe und insofern ihrerseits vermittelte Bestimmung abgehoben. Solches Abheben setzt den Vollzug vorg¨angiger Abhebungen voraus und ist insofern selbst nicht unmittelbar. Insofern das positive Urteil die denkbar einfachsten Urteilsglieder auf denkbar einfachste Weise verkn¨upft, hat es selbst keine Unterarten. Nun stehen Subjekt und Pr¨adikat im positiven Urteil aber in einem Ausdrucksverh¨altnis, in welchem ein qualitativ-allgemeines Pr¨adikat Bestimmtheit zur Abhebung bringt, die das einzelne Subjekt nur unabgehoben pr¨agt. Unmittelbar nebeneinander gestellt scheinen Einzelnes und Allgemeines jedoch ganz verschiedenen Sph¨aren anzugeh¨oren. Da sie im Urteil jedoch als Glieder eines explikativen Selbstverh¨altnisses auftreten, sind sie derart in Funktion voneinander zu fassen, dass ein solches Verh¨altnis zwischen ihnen u¨ berhaupt m¨oglich wird. Hegel spricht diesbez¨uglich von der Wechselbestimmung des Subjects und ” Pr¨adicats“ 178 . Einzelnes und abstrakt Allgemeines scheinen einander zun¨achst n¨amlich einfach fremd gegen¨uberzustehen. Da ihre Beziehung jedoch ein explikatives Selbstverh¨altnis darstellen soll, muss dem Einzelnen selbst der Charakter eines abstrakt Allgemeinen, das heißt Gemeinschaftlichen, zukommen. Denn wenn es durch ein qualitativ Allgemeines ausgedr¨uckt wird, das als solches mehrerem gemeinschaftlich sein kann, ist es durch eine derartige Bestimmung nicht ersch¨opfend ausdr¨uckbar. Daher muss das Subjekt ein Einzelnes 176 Vgl. Wie die beyden Begriffsbestimmungen bestimmt sind, so ist es auch ihre Be” ziehung, das: ist, Copula; sie kann ebenso nur die Bedeutung eines unmittelbaren, abstracten Seyns haben. Von der Beziehung, welche noch keine Vermittlung oder Negation enth¨alt, wird dieß Urtheil das Positive genannt“ [12,6037–614]. 177 Vgl. In jedem, auch dem in seiner Form reicher bestimmten Urtheile aber wird der Satz ” von diesem bestimmten Inhalt behauptet: das Einzelne ist allgemein; insofern nemlich jedes Urtheil auch abstractes Urtheil u¨ berhaupt ist“ [12,6111−14]. Das heißt aber nur, dass alle Urteile ein in der betreffenden Hinsicht noch nicht ausdr¨ucklich Bestimmtes durch eine potentiell mehrerem gemeinsame Bestimmung ausdr¨ucken. Wie das disjunktive Urteil, in dem eine allgemeine Gattung durch ihre besonderen Arten bestimmt wird, zeigt, muss das Zu-Bestimmende jedoch kein Einzelnes sein. Ebenso wenig muss das Bestimmende ein Allgemeines darstellen, wie an den Reflexionsurteilen deutlich wird, welche ein Allgemeines u¨ ber die Umf¨ange seiner einer spezifischen Bedingung gen¨ugenden Instanzen bestimmen. 178 12,6219 .
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sein, das in einer Einheit mehrerer Qualit¨aten besteht und in diesem Sinn selbst als allgemein oder gemeinschaftlich charakterisiert ist. Umgekehrt muss das qualitative Allgemeine, wenn es das Einzelne angemessen ausdr¨ucken soll, dessen Charakter nicht weiter differenzierbarer Bestimmtheit teilen und somit in einer singul¨aren Qualit¨at bestehen. Das Pr¨adikat hat dem Subjekt daher nicht bloß eine allgemeine Qualit¨at, etwa R¨ote, sondern eine vereinzelte Instanz derselben, etwa dieses bestimmte Rot, zuzuordnen179 . Gem¨aß dieser wechselseitigen Angleichung von Subjekt und Pr¨adikat dr¨uckt das positive Urteil ein als allgemein oder gemeinschaftlich charakterisiertes Einzelnes durch ein vereinzeltes Allgemeines aus. Trotz dieser Wechselbestimmung bleibt jedoch das dem Allgemeinen assimilierte Einzelne Einzelnes und das dem Einzelnen assimilierte Allgemeine Allgemeines. Denn als gemeinschaftliches schließt das Einzelne zwar eine unbestimmte Vielheit von Qualit¨aten ein, bildet aber u¨ berhaupt nur deshalb ein urteilsm¨aßig ausdr¨uckbares Ganzes oder ein Subjekt, weil es nicht mit einem B¨undel solcher Qualit¨aten gleichgesetzt werden kann. Im Daseinsurteil wird die Einheit des Subjekts jedoch bloß unterstellt, ohne dass ausdr¨ucklich w¨are, wodurch sie gew¨ahrleistet ist. Immerhin ist aber bereits ausdr¨ucklich geworden, dass sie durch solches gew¨ahrleistet sein muss, was selbst keine Qualit¨at ist180 . Zugleich bleibt auch das vereinzelte Allgemeine weiter Allgemeines und kann damit, wie etwa der vermeintlich singul¨are Rotton dieser bestimmten Rose, mehreren Einzelnen gemeinsam sein. Die wechselseitige Angleichung von Einzelnem und qualitativ Allgemeinem hat ihre Unangemessenheit damit nicht beseitigt, sondern nur deutlicher hervortreten lassen: Das Subjekt ist durch die ihm im positiven Urteil beigelegte Qualit¨at deshalb nicht ersch¨opfend ausdr¨uckbar, weil es eine unbestimmte Menge von Qualit¨aten einschließt. Umgekehrt reicht ein Pr¨adikat nicht hin, die Qualit¨at genau dieses Einzelnen trennscharf ausdr¨ucklich zu machen, ohne letzteres da179
Vgl. Indem wir die Wechselbestimmung des Subjects und Pr¨adicats im Urtheile zu” sammenstellen, so ergibt sich also das gedoppelte, 1) daß das Subject zwar unmittelbar als das Seyende oder Einzelne, das Pr¨adicat aber das Allgemeine ist. Weil aber das Urtheil die Beziehung beyder und das Subject durch das Pr¨adicat als allgemeines bestimmt ist, so ist das Subject das Allgemeine; 2) ist das Pr¨adikat im Subjecte bestimmt; denn es ist nicht eine Bestimmung u¨ berhaupt, sondern des Subjects; die Rose ist wohlriechend; dieser Wohlgeruch ist nicht irgendein unbestimmter Wohlgeruch, sondern der der Rose; das Pr¨adicat ist also ein einzelnes“ [12,6219−27]. 180 Friedrike Schick zeichnet im Ausgang von dieser Uberlegung ¨ pr¨agnant das weitere Programm der Urteilslehre vor: Mit der Auskunft, dass der Gegenstand als der eine seiner vielen ” Qualit¨aten auch ein Allgemeines sei, ist freilich die Frage erst aufgeworfen, noch nicht beantwortet, wie er dies sei. Die Einheit des Gegenstands wird hier erst unbegriffen zugrunde gelegt. Ihr eine begriffene oder allgemeine Fassung zu geben ist das allgemeine Movens, das die weitere Ausdifferenzierung der Urteilsformen in Urteile der Reflexion, Urteile der Notwendigkeit und Urteile des Begriffs initiiert“ [S CHICK 2006e: 455].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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bei ausdr¨ucklich in Anspruch zu nehmen und so tautologisch zu werden (Diese Rose hat die Qualit¨at dieser Rose). Nun ist das Urteil seiner Form nach aber als explikatives Selbstverh¨altnis bestimmt. Das Pr¨adikat soll damit ausdr¨ucken, was das Subjekt selbst ist. Da ein qualitatives Allgemeines aber offensichtlich nicht ausdr¨ucken kann, was einer Sache oder einem Urteilssubjekt Einheit gibt, kann es grunds¨atzlich nicht ausdr¨ucken, was dieses selbst ist, sondern allenfalls solches, was an ihm selbst ist. Insofern es nur einen Teilaspekt seines Subjekts ausdr¨ucklich zu machen vermag, dessen Einheit es doch unausdr¨ucklich voraussetzt, ohne sie rechtfertigen und sein Subjekt global in den Griff bekommen zu k¨onnen, widerspricht das positive Urteil seiner eigenen Form. Damit hat sich an ihm eine Nichtzusammenstimmung mit sich ergeben: Das Einzelne ist nicht dieses unmittelbar oder qualitativ Allgemeine. Da das Einzelne dem positiven Urteil als dasjenige zugrundeliegt, was das Pr¨adikat angemessen auszudr¨ucken hat, geht die Unangemessenheit auf das Konto von letzterem. Die Negation, die sich ergeben hat, bezieht sich daher nicht auf die Urteilsbeziehung u¨ berhaupt, sondern nur auf das unmittelbare Beilegen einer Qualit¨at. Was sich aus der bestimmten Negation des positiven Urteils ergibt, ist daher selbst ein Urteil, n¨amlich das negative. 3.3.4.6.2 Negatives Urteil Auch das negative Urteil bildet als Urteil ein Ausdrucksverh¨altnis. Die Verneinung tilgt in ihm daher nicht die Ausdrucksbeziehung als solche, sondern zeigt nur durch Ausstreichen einer bestimmten das Vorliegen einer anderen an. Als Belegung von deren Pr¨adikat kommt aber nur in Frage, was sich aus dem positiven Urteil ergibt, n¨amlich ein qualitativ Allgemeines und eine Verneinung. Entsprechend verlangt uns die Immanenz des logischen Fortgangs noch etwas Geduld ab, bis wir die Sph¨are der Qualit¨at und des Daseinsurteils verlassen k¨onnen, indem sich an diesem selbst Bestimmungen ausdr¨ucklich machen lassen, die es unausdr¨ucklich voraussetzt und die selbst keine Qualit¨aten mehr sind. Dagegen dr¨uckt das negative Urteil ein Einzelnes noch durch ein qualitatives Pr¨adikat aus, das jedoch nicht mehr unmittelbar gegeben, sondern indirekt u¨ ber seine materiale Inkompatibilit¨at mit einem anderen angezeigt ist. So bildet das negative Urteil die vermittelte Gestalt des Daseinsurteils. Aus der Verneinung einer Qualit¨at ergibt sich aber immanent nur dann eine Beziehung des Subjekts auf eine andere, mit ihr inkompatible, wenn die negierte von sich her auf eine u¨ bergreifende Sph¨are von Qualit¨aten verweist. Insofern die Negation den Bezug des Einzelnen auf eine solche allgemeine Sph¨are daher unangetastet l¨asst, kommt diesem notwendig eine andere Qualit¨at zu, die derselben Sph¨are angeh¨ort wie die negierte. So negiert etwa das Urteil X ist nicht-rot vom Einzelnen nur R¨ote, nicht aber Farbigkeit u¨ berhaupt, und dr¨uckt
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
damit, dialektisch verstanden, aus, dass X eine andere Farbe zukommt als die rote181 . Damit macht das negative Urteil deutlich, dass Qualit¨aten keine rein unmittelbaren und isolierten Bestimmungen sein k¨onnen, sondern untereinander in Verh¨altnissen des gegenseitigen Ausschließens (materialer Inkompatibi¨ lit¨at) und Ubergreifens (materialer Implikation) stehen und so eine Hierarchie abstrakt allgemeiner und besonderer Bestimmungen bilden m¨ussen. Hegels Begriff des negativen Urteils weicht damit sowohl vom kantischen wie vom formallogischen ab. Denn nach Kants Verst¨andnis tilgt die Negation gerade die vom Urteil ausgedr¨uckte Beziehung von Subjekt und Pr¨adikat, w¨ahrend sich die Verneinung, formallogisch betrachtet, u¨ berhaupt nicht auf den Urteilsinhalt bezieht, sondern nur den ihm zugeordneten Wahrheitswert umkehrt. Dagegen f¨allt dem dialektischen Begriff des negativen Urteils zufolge allein das Pr¨adikat in den Einzugsbereich der Verneinung, durch welche das Subjekt zugleich mittelbar auf ein anderes Pr¨adikat derselben allgemeinen Sph¨are bezogen wird. Diese termlogische Auffassung des negativen Urteils ist dabei ¨ nicht einfach willk¨urlich oder ein Uberbleibsel der klassischen Syllogistik, sondern ergibt sich aus Hegels Begriff des Urteils als Explikationsverh¨altnis. Denn als Explikationsverh¨altnis dr¨uckt auch das negative Urteil sein Subjekt durch sein Pr¨adikat auf spezifische Weise aus und weist nicht bloß eine Ausdrucksbeziehung zwischen Subjekt und Pr¨adikat ab. Dagegen erbringt das negative Urteil sowohl der kantischen wie der formallogischen Auffassung nach keine eigene Explikationsleistung, sondern weist bloß den Wahrheitsanspruch eines anderen Urteils ab. Indem dialektisch dagegen auch das negative Urteil, wenngleich indirekt, eine Explikationsbeziehung zwischen einem Einzelnen und einer Qualit¨at, nun innerhalb einer Hierarchie, ausdr¨uckt, unterliegt es dem gleichen Widerspruch wie das positive. Denn es kann seinem Anspruch, das seiner Form eingeschriebene, explikative Selbstverh¨altnis konkret einzul¨osen, nicht gerecht werden, widerspricht sich und negiert sich insofern selbst. Da das negative Urteil seinem Subjekt aber keine bestimmte Qualit¨at beilegt, sondern das Beilegen einer solchen in ihm nur unbestimmt angedeutet ist, verneint seine Negation auch nicht das Beilegen einer bestimmten Qualit¨at, indem es seinem Subjekt indirekt eine andere beilegt. Damit w¨urde bloß die Form des negativen Urteils wiederholt. Vielmehr muss die Negation des negativen Urteils die Urteilsbeziehung u¨ berhaupt verneinen, ohne das Einzelne dadurch positiv auf ein anderes Allgemeines zu beziehen. So dr¨uckt etwa das unendliche Urteil Der Geist ist ” kein Elefant“ weder aus, der Geist sei ein anderes Tier noch bestimmt es ihn sonst irgendwie mittelbar. Die Aufhebung der Urteilsbeziehung in Gestalt des unendlichen Urteils setzt 181 Selbstverst¨ andlich haben in nat¨urlichen Sprachen Instanzen des negativen Urteils eine vage und kontextvariante Bedeutung, weil es zu einer durch ein nat¨urlichsprachliches Pr¨adikat ausgedr¨uckten Qualit¨at oft kein eindeutig bestimmtes n¨achstes Allgemeines gibt.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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explikationslogisch aber die Form des negativen Urteils voraus. Denn w¨ahrend das negative Urteil von einem Einzelnen eine beliebige Bestimmtheit negiert, zeigt das unendliche Urteil die Negation von etwas Bestimmtem an, n¨amlich der Urteilsform als solcher182 . Das unendliche Urteil markiert damit die Anwendung der Negation auf die Urteilsform als solche, indem das negative Urteil sich auf eine bestimmte Beziehung von Subjekt und Pr¨adikat richtet und dieser den Charakter eines explikativen Selbstverh¨altnisses abspricht. 3.3.4.6.2 Unendliches Urteil Das unendliche Urteil dr¨uckt so die grunds¨atzliche Unangemessenheit zwischen Einzelnem und Allgemeinem aus und negiert damit die Urteilsform als solche. Dieses Urteil ist insofern unendlich, als es sein Subjekt u¨ berhaupt nicht positiv bestimmt, womit es andere Bestimmungen von ihm ausschl¨osse. Seine Unendlichkeit ist aber schlechte Unendlichkeit, weil sie nur um den Preis jeglicher Bestimmtheit, der Urteilsbeziehung als solcher, erkauft ist. Auch in seiner Auffassung des unendlichen Urteils weicht Hegel damit von Kant ab. Grob gesagt, sind bei beiden die Begriffe des negativen und unendlichen Urteils vertauscht, insofern bei Hegel das unendliche, bei Kant aber das negative Urteil die Urteilsbeziehung u¨ berhaupt kappt, w¨ahrend bei Hegel das negative und bei Kant das unendliche Urteil eine positive Beziehung des Subjekts auf ein anderes Pr¨adikat als das verneinte ausdr¨uckt. Was Kant unendliches Urteil“ nennt, ” kann f¨ur Hegel aber deswegen nicht so heißen, weil es das Subjekt durch Absprechen eines bestimmten Pr¨adikats indirekt auf eine andere, wenngleich nicht explizit gegebene Bestimmung aus der Sph¨are der dem ersten kontradiktorisch entgengesetzten Pr¨adikate bezieht, durch die es bestimmt und insofern begrenzt ist. Genau besehen haben die von Kant und Hegel unter diesen Titeln verhandelten Urteilsformen beim jeweils anderen aber gar keine Entsprechung. So wird nach Kant im unendlichen Urteil einem als existierend vorausgesetzten Subjekt zwar ein bestimmtes Pr¨adikat abgesprochen. Da aber die Existenz des Subjekts impliziert, dass ihm irgendwelche Pr¨adikate zukommen, wird es dabei auf die Sph¨are der dem negierten Pr¨adikat kontradiktorisch entgegengesetzten Pr¨adikate bezogen, ohne dass freilich bestimmt w¨are, welches Pr¨adikat aus dieser Sph¨are ihm zukommt183. So l¨asst das im Kantischen Sinn unendliche Urteil Die Welt ist nicht begrenzt“ offen, ob sie unendlich oder endlos ist. Dagegen ” 182 So dr¨ ucken unendliche Urteile nach Hegel die v¨ollige Unangemessenheit des Sub” jekts und Pr¨adikats“ aus. Solche S¨atze wie der Geist ist kein Elephant“ oder der L¨owe ist ” ” kein Tisch“ sind zwar die Wahrheit des unmittelbaren, sogenannten qualitativen Urteils, allein ” 16−18 u¨ berhaupt keine Urteile“ mehr [20,187 ]. 183 Vgl. Das unendliche Urteil zeigt nicht bloß an, daß ein Subjekt unter der Sph¨ are eines ” Pr¨adikats nicht enthalten sei, sondern daß es außer der Sph¨are desselben in der unendlichen Sph¨are irgendwo liege; folglich stellt dieses Urteil die Sph¨are des Pr¨adikats als beschr¨ankt vor.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bezieht zwar auch das negative Urteil im Hegelschen Sinn sein Subjekt indirekt auf ein anderes Pr¨adikat als das verneinte. Dieses soll jedoch nicht irgendwo in der Sph¨are der diesem kontradiktorisch entgegengesetzten Pr¨adikate liegen, sondern in der Sph¨are der n¨achsth¨oheren Allgemeinheit als einer dem Pr¨adikat nur kontr¨ar entgengesetzten Sph¨are. Umgekehrt hebt Kants Begriff des negativen Urteils die Urteilsbeziehung als solche auf, wobei offen bleibt, ob das Subjekt nicht existiert oder ihm das betreffende Pr¨adikat nicht zukommt184 . Dagegen ist Hegel auch im unendlichen Urteil auf die Existenz des Einzelnen festgelegt, sodass bloß die Ausdrucksbeziehung zwischen ihm und seinem Pr¨adikat außer Kraft gesetzt ist, ohne dass damit ein anderes Ausdrucksverh¨altnis indirekt angezeigt w¨are. Sofern aber auch die Negation im unendlichen Urteil bestimmte Negation ist und auch dies daher noch etwas Urteilshaftes an sich haben soll, muss sich selbst noch das Durchstreichen der Ausdrucksbeziehung zwischen Einzelnem und Allgemeinem als Ausdrucksbeziehung begreifen lassen. Daher kann das unendliche Urteil nur ein besonderes Ausdrucksverh¨altnis negieren, obgleich dieses bisher als Ausdrucksverh¨altnis u¨ berhaupt erschien, n¨amlich dasjenige zwischen unmittelbar Einzelnem und qualitativ Allgemeinem. Insofern sich das unendliche Urteil einerseits noch als Ausdrucksverh¨altnis verstehen lassen muss, es eine explikative Selbstbeziehung zwischen Subjekt und Pr¨adikat aber gerade verneint, k¨onnen seine Glieder, auf sich selbst zur¨uckgeworfen, jedes nur sich selbst ausdr¨ucken. Das unendliche Urteil stellt damit, positiv gefasst, bloß das Einzelne als Einzelnes und das Allgemeine als Allgemeines dar. Demgem¨aß ist das unendliche Urteil tautologisch und damit die selbstvermittelte Gestalt des Daseinsurteils. Denn es bestimmt unmittelbare Urteilsglieder insofern, als diese ihm zufolge nicht einander, sondern jedes nur sich selbst ausdr¨ucken. Dergestalt hebt das unendliche Urteil sowohl das positive wie das negative auf, indem es seine Glieder einerseits unmittelbar durch sich selbst ausdr¨uckt und zugleich die Ausdrucksbeziehung zwischen ihnen verneint: E ist E und nicht A, A ist A und nicht E. Derart tautologisch erscheint das unendliche Urteil mehr als leerer Schein ” eines Urteils“, weil es nicht an einem unausdr¨ucklich Bestimmten zuvor unabgehobene Bestimmtheit r¨uckbeziehend abhebt, sondern jedes nur als das setzt, was es schon ist. Doch im Scheitern der Ausdrucksbeziehung liegt unter der Hand ein Erfolg. Denn durch die tautologische Form des unendlichen Urteils haben seine Glieder, Einzelnes und Allgemeines, eine neue Gestalt ge[...] In verneinenden Urteilen affiziert die Negation immer die Kopula; in unendlichen wird nicht die Kopula, sondern das Pr¨adikat durch die Negation affiziert“ [K ANT 1800: A161f.]. 184 Vgl. Nach Kant ist es ganz allgemein der Sinn der Verneinung, nur Irrt¨ umer abhalten ” zu sollen, ohne etwas u¨ ber die Existenz von Gegenst¨anden zu sagen, w¨ahrend bejahende und unendliche Urteile diese Existenz unterstellen“ [WOLFF 1995: 28].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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wonnen. Sie sind jetzt n¨amlich nicht mehr unmittelbar, als abstrakt Einzelnes und Allgemeines, sondern reflektiert gesetzt: Das Einzelne als Einzelnes, das Allgemeine als Allgemeines. Das Verh¨altnis von Einzelnem-als-Einzelnem und Allgemeinem-als-Allgemeinem, das sich aus dem unendlichen Urteil ergeben hat, bildet daher selbst eine neue Form der Beziehung von Einzelnem und Allgemeinem und so eine neue Urteilsform: Das Einzelne als Einzelnes ist das Allgemeine als Allgemeines. Damit ist aber die Sph¨are des Daseinsurteils verlassen, in dem Einzelnes und Allgemeines als an ihnen selbst beziehungslose oder unmittelbare Urteilspole auftreten, die das Urteil nachtr¨aglich ins Verh¨altnis setzt. Nun sind Einzelnes und Allgemeines dagegen als solche gesetzt und heben sich damit von sich her voneinander ab. 3.3.4.7 Das Reflexionsurteil Das Reflexionsurteil bezieht das Einzelne als Einzelnes auf das Allgemeine als Allgemeines185. Einzelnes und Allgemeines treten damit nicht mehr, wie im Daseinsurteil, unmittelbar, also von sich her ohne Beziehung aufeinander auf, sondern sind als unmittelbar gegeneinander gesetzt. Dass das Reflexionsurteil und seine Glieder als unmittelbar gesetzt sind, bedeutet, dass sie zwar nicht von sich her konkret auf das jeweils andere bezogen sind, zugleich aber ausdr¨ucklich voneinander abgesetzt sind und zumindest insofern aufeinander verweisen. N¨aher l¨asst sich dies so verstehen, dass die Urteilsglieder zwar typm¨aßig aufeinander bezogen sind, nicht aber konkret. Nun wurde das abstrakt Allgemeine als ein Gemeinschaftliches bestimmt. Das Pr¨adikat des Reflexionsurteils muss sich daher von sich her als Gemeinschaftliches ausweisen und damit typm¨aßig auf mehrere Einzelne bezogen sein. Dabei wird es zugleich ein komplexes Pr¨adikat bilden, das ein Gemeinschaftliches aus mehreren Qualit¨aten markiert. Es kann n¨amlich deshalb keine einfache Qualit¨at mehr sein, weil sich eine Qualit¨at als unmittelbare Bestimmung von sich her nicht ausdr¨ucklich als mehrerem gemeinschaftlich ausweist: Eine Qualit¨at wie R¨ote k¨onnte (zumindest scheinbar) auch bloß einem einzigen Ding in einem einzigen Fall zukommen. Nun muss aber die Qualit¨at aus dem Daseinsurteil im Pr¨adikat des Reflexionsurteils als dessen bestimmter Negation zugleich erhalten sein. Dieses Pr¨adikat muss daher eine Bestimmung sein, welche mehrere Einzelne in a¨ ußerliche Beziehung setzt; und zwar deshalb in eine a¨ ußerliche, weil die Einzelnen ihrerseits unmittelbar als Einzelne gesetzt und damit a¨ ußerlich voneinander abgehoben sein m¨ussen. Ein solches Pr¨adikat muss damit aber ein Verh¨altnispr¨adikat sein, das mehrere Einzelne im Hinblick 185 Vgl. Das Subject ist in dem nunmehr entstandenen Urtheil ein Einzelnes als solches, ” ingleichen das Allgemeine nicht mehr abstracte Allgemeinheit oder einzelne Eigenschaft, sondern gesetzt als Allgemeines.“ [12,713−5].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
auf einen komplexen Gehalt a¨ ußerlich aufeinander bezieht und hinsichtlich ihrer unmittelbaren Eigenschaften oder Qualit¨aten vergleicht186 . Als solches wird es dabei zugleich mehrere Qualit¨aten konkret in sich vereinen und so ein Gemeinschaftliches nicht nur von Einzelnem, sondern auch von Qualit¨aten ausdr¨ucken, ohne darum selbst noch eine qualitative Bestimmung zu sein187 . Das Reflexionsurteil tr¨agt seine Bezeichnung also deshalb, weil es mehrere Einzelne hinsichtlich solcher Bestimmungen reflektierend, also zwischen ihnen gedanklich hin und her gehend, in Beziehung setzt, welche sich ihrerseits der reflektierenden Zusammennahme qualitativer Bestimmungen zu einem einzelnen, konkreten Pr¨adikat verdanken188 . Die Beispiele solcher Reflexionspr¨adikate, welche Hegel anf¨uhrt, sind entsprechend Dispositionspr¨adikate wie hart“, elas” ” tisch“, n¨utzlich“ oder giftig“. Solche Pr¨adikate fassen n¨amlich zugleich eine ” ” Menge von Qualit¨aten konkret zusammen und implizieren eine Mannigfaltigkeit Einzelner, die in a¨ ußerlichen Beziehungen stehen. Denn dass etwas hart ist, hat nicht unmittelbar mit ihm allein zu tun, sondern bedeutet etwa, dass es im Kontakt mit anderem dessen qualitative Oberfl¨acheneigenschaften charakteristisch zu ver¨andern vermag. Dass das grammatische Subjekt des Reflexionsurteils ein Einzelnes ist, das als Einzelnes gesetzt ist, bedeutet, dass es sich von sich her als Instanz eines Allgemeinen ausweisen muss. Da es n¨aher als unmittelbar Einzelnes gesetzt sein muss, kann es sich explizit aber nur a¨ ußerlich als auf ein Allgemeines bezogen ausweisen. Dass es derart a¨ ußerlich als Instanz eines Allgemeinen auftritt, bedeutet damit, dass es als Element in die Extension eines Allgemeinen gesetzt ist. Denn so ist es zugleich auf ein Allgemeines bezogen und an ihm selbst, qua Element, bloß Einzelnes unter Einzelnen, die zum Begriffsumfang des Allgemeinen nur a¨ ußerlich zusammengenommen sind. Indem das Einzelne derart als Instanz gesetzt ist, f¨allt es in die Sph¨are der Quantit¨at. Die Elemente eines durch ein abstrakt Allgemeines bestimmten Begriffsumfangs sind n¨amlich Einzelne als Einzelne und damit als Einzelne unter anderen Einzelnen gesetzt. Entsprechend sind die Stufen des Reflexionsurteils Quantit¨atsstufen, n¨amlich singul¨ares, partikul¨ares und universelles Urteil. Das Subjekt des Reflexionsurteils muss dabei nicht-pr¨adikativ und inso186 Vgl. Das Urteil der Reflexion unterscheidet sich u ¨ berhaupt dadurch vom qualitativen ” Urteil, daß das Pr¨adikat desselben nicht mehr eine unmittelbare, abstrakte Qualit¨at, sondern von der Art ist, daß das Subjekt durch dasselbe sich auf anderes bezogen erweist. [TW8,325 Z.]. 187 Entsprechend ist das Allgemeine im Reflexionsurteil gesetzt als Allgemeines, das sich ” durch die Beziehung Unterschiedener als in eins zusammengefaßt hat oder, nach dem Inhalt verschiedener Bestimmungen u¨ berhaupt betrachtet, das sich Zusammennehmen mannichfaltiger Eigenschaften und Existenzen“ [12,715−8]. 188 Vgl. Ein solches Urteil ist somit ein Urteil der Reflexion, indem Reflektieren u ¨ berhaupt ” das Fortgehen zu mehreren Bestimmungen eines Gegenstandes und das dadurch zustande kommende Zusammenfassen derselben in einer Einheit ist“ [TW4,145].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
283
fern unausdr¨ucklich durch eine allgemeine Bestimmung F als Dieses F, Einige F oder Alle F ausgezeichnet sein. Eine solche nicht-pr¨adikative Bestimmung muss dem Subjekt des Reflexionsurteils deshalb anh¨angen, weil die Identit¨at des Subjekts u¨ ber eine Ver¨anderung seiner Qualit¨aten hinweg garantiert sein muss. Denn die M¨oglichkeit einer solchen wird durch das ihm ausdr¨ucklich urteilend beigelegte Dispositionspr¨adikat nahe gelegt, welches die M¨oglichkeit einer Wechselwirkung Einzelner und damit der wechselseitigen Ver¨anderung ihrer qualitativen Eigenschaften impliziert, ohne selbst schon die Identit¨at des Urteilssubjekts u¨ ber solche Wechselwirkung und Ver¨anderung hinweg garantieren und so die zum Urteil verlangte Definitheit desselben sicherstellen zu k¨onnen. Daher wird die nicht-pr¨adikative Bestimmung im Subjektausdruck unausdr¨ucklich schon ein sortales Pr¨adikat oder eine Gattungsbestimmung sein, wie etwa im Urteil Diese Pflanze ist giftig“. Implizit ist diese Bestimmung aber ” insofern, als erst auf der Ebene der Notwendigkeitsurteile Gattungsbestimmungen als solche pr¨adiziert und so als eigenst¨andige Urteilsglieder ausdr¨ucklich werden. Entsprechend wird erst die Entwicklung des Reflexionsurteils das substantiell Allgemeine als solches explizit machen. Nun hatte sich das abstrakt Allgemeine im Daseinsurteil als unangemessen ¨ zur Explikation des Einzelnen erwiesen. Deshalb kehrt sich mit dem Ubergang zum Reflexionsurteil auch die Explikationsrichtung um. In ihm bestimmt entsprechend nicht mehr ein allgemeines Pr¨adikat ein einzelnes Subjekt. Vielmehr dr¨uckt nun umgekehrt eine bestimmte Menge Einzelner ein Allgemeines aus. Dieses wird entsprechend quantitativ durch seinen Umfang, gemessen am Umfang des nicht-pr¨adikativ Allgemeinen, bestimmt. Einige F sind G“ heißt ent” sprechend: G hat einige F-Instanzen“ etc.189 . Das Reflexionsurteil hebt dabei ” insofern das Daseinsurteil auf, als das begr¨undete Beilegen von Dispositionspr¨adikaten das Beilegen einer Reihe qualitativer Bestimmungen voraussetzt. Das Beilegen von Pr¨adikaten wie n¨utzlich“, giftig“, zahm“ oder leitf¨ahig“ ” ” ” ” kann explikativ n¨amlich gar nicht unmittelbar erfolgen, weil solche Pr¨adikate eine Sache nicht isoliert charakterisieren, sondern ihre Wechselwirkung mit anderen betreffen, die mit qualitativen Ver¨anderungen einhergeht. Daher haben nach Hegel Urteile wie A ist rot“ und A ist giftig“, die nach kantischem und ” ” formallogischem Verst¨andnis die gleiche Form aufweisen, deshalb unterschiedliche logische Form, weil sich in ihrem Gehalt unterschiedlicher explikativer Aufwand niederschl¨agt. 189 Vgl. Noch ist u ¨ ber die Bestimmung, wie sie im Reflexionsurtheile in ihrer Bewegung ” erscheint, die Bemerkung zu machen, daß im Urtheile des Daseyns die Bewegung derselben sich am Pr¨adicate zeigte, weil dieses Urtheil in der Bestimmung der Unmittelbarkeit war, das Subject daher als das Zugrunde liegende erschien. Aus gleichem Grund verl¨auft sich im Reflexionsurtheile die Fortbewegung des Bestimmens am Subjecte. [...] Das Wesentliche ist daher hier das Allgemeine oder das Pr¨adicat; es macht daher das zu Grunde liegende aus, an welchem das Subject zu messen, und ihm entsprechend zu bestimmen ist“ [12,724−12].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Mit der logischen Unterscheidung qualitativer und dispositionaler Pr¨adikate ist dabei, wie schon angedeutet, nicht behauptet, qualitative Bestimmungen ließen sich unmittelbar und irrtumsimmun von ihren Subjekten pr¨adizieren, beinhalteten somit kein dispositionales Moment, sodass die betreffenden Urteile als unmittelbares Fundament des Erkennens dienen k¨onnten190 . Solche reine Unmittelbarkeit w¨are seinslogischer Schein. Aus dem Anschein, x sei rot, folgt daher keineswegs, dass x rot ist, sondern nur, dass es, falls Normalbedingungen vorliegen, rot ist. Damit involvieren also auch Qualit¨aten ein Moment der Dispositionalit¨at. Denn dass x rot ist, bedeutet insofern, dass x die F¨ahigkeit hat, unter Normalbedingungen rot zu erscheinen. Dieses dispositionale Moment des Qualitativen macht den logischen Unterschied von Qualit¨aten und Dispositionen, Daseins- und Reflexionsurteilen aber keineswegs hinf¨allig. Denn Qualit¨aten sind im Vergleich mit Dispositionspr¨adikaten insofern unmittelbar, als immerhin der unmittelbare Anschein bestehen kann, x komme eine Qualit¨at zu, was f¨ur Dispositionen nicht der Fall ist. So kann zwar der unmittelbare Anschein bestehen, ein Stoff sei gelb, nicht aber, er sei durch Erhitzen verfl¨ussigbar oder wasserl¨oslich. Zugleich ist es m¨oglich, dass einem logischen Subjekt eine Qualit¨at nur einmalig zukommt, w¨ahrend es unsinnig ist, zu behaupten, etwas habe die Disposition zu etwas nur in einem einzigen Fall gehabt. Entsprechend ist es unsinnig zu sagen, etwas sei nur in einem einzigen Fall giftig gewesen, nicht aber, es sei nur einmal rot gewesen. Dieser Dispositionspr¨adikaten logisch anhaftende Bezug auf mehrere F¨alle erkl¨art gerade, weshalb die Reflexionsurteile im Zeichen der Quantit¨at stehen, und treibt ihre Entwicklung voran. Die Entwicklungsstufen des Reflexionsurteils betreffen entsprechend unterschiedliche quantitative Bestimmungen seines grammatischen Subjekts, da dieses im Reflexionsurteil das Ver¨anderliche bildet, das sich nach dem Pr¨adikat richten und dieses ausdr¨ucken muss. Je nachdem, ob das Subjekt als unmittelbar, vermittelt oder selbstvermittelt bestimmt ist, ergibt sich damit das singul¨are, partikul¨are oder universelle Urteil. Denn das Einzelne als solches bildet, unmittelbar oder beziehungslos gesetzt, bloß ein Einzelnes, vermittelt oder bezogen gesetzt, ein Verh¨altnis und damit eine Mehrzahl Einzelner, und selbstvermittelt, ¨ als Ubergreifendes der beiden vorangehenden Formen, eine Vielheit Einzelner, die als Einheit gesetzt und damit Allheit ist.
190
Vgl. oben S. 269.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
285
Urteil der Reflexion
singul¨ares Urteil
partikul¨ares Urteil
universelles Urteil
3.3.4.7.1 Singul¨ares Urteil Das singul¨are Urteil dr¨uckt die F¨ahigkeit eines Einzelnen aus, an anderem bestimmte Wirkungen hervorzurufen oder solche seitens eines anderen zu erfahren. Hegels Beispiele sind etwa: Diese Pflanze ist giftig“ oder Dieses Tier ist ” ” zahm“. Nun muss eine solche Disposition aber, wie gezeigt, grunds¨atzlich unter mehreren Umst¨anden zum Tragen kommen k¨onnen. K¨onnte sie bloß in einem Fall zum Tragen kommen, ließe sich n¨amlich nicht sagen, sie komme u¨ berhaupt zum Tragen. Denn die Disposition eines Einzelnen zu einer bestimmten, unwiederholbaren Wirkung etabliert gar keinen bestimmten Zusammenhang zwischen dieser Wirkung und jenem Einzelnen und markiert daher auch nur vermeintlich eine Disposition. Entsprechend l¨asst sich nicht sinnvoll behaupten, eine bestimmte Pflanze sei bloß ein einziges Mal giftig gewesen, weil die Giftwirkung dann ebenso einmalig von allem anderen, mit dem der Vergiftete in Beziehung kam, ausgegangen sein k¨onnte und somit vom Ausgehen einer Wirkung gar nicht die Rede sein kann. Eine Disposition liegt also anders als eine qualitative Bestimmung an einem Einzelnen nicht einfach vor, sondern besteht in dessen F¨ahigkeit, unter bestimmten Umst¨anden bestimmte qualitative Ver¨anderungen an sich oder anderem zum Vorliegen zu bringen. Unausdr¨ucklich steckt im singul¨aren Urteil durch den Bezug auf Wirkungen, die unter bestimmten Typen von Umst¨anden auftreten, der Bezug auf kontrafaktische Allgemeinheit und so in nuce bereits das hypothetische und allgemein das Notwendigkeitsurteil. Denn die F¨ahigkeit des Einzelnen muss unabh¨angig von ihrer Realisierung in der Verfasstheit dessen gr¨unden, dem sie zugeschrieben wird. Damit kann sie diesem aber nicht
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
unmittelbar als Einzelnem, sondern nur aufgrund seiner substantiellen Verfasstheit zukommen. Da sich eine Disposition n¨amlich u¨ ber verschiedene Umst¨ande hinweg erstrecken k¨onnen muss, kann sie nicht in der variablen qualitativen Verfasstheit des Einzelnen gr¨unden, sondern nur in seiner wesentlichen Bestimmtheit. So ist ein Stoff etwa nicht deshalb giftig, weil und insofern er weiß ist, sondern weil und insofern er eine bestimmte chemische Substanz darstellt. Nun ist die substantielle Verfasstheit von Einzelnem aber nicht unmittelbar verf¨ug- und beurteilbar, sondern nur u¨ ber Urteilsformen artikulierbar, die gerade schon Dispositionspr¨adikate beinhalten. Die substantielle Verfasstheit einer Sache markiert nicht, was sie unmittelbar in Isolation ist, sondern die Weise ihrer Selbstfortsetzung in der Verwicklung mit anderem. Entsprechend sieht man einem Stoff auch nicht an, dass er Natriumacetat ist, sondern kann dies etwa nur verm¨oge einer Schmelzpunktbestimmung feststellen. W¨ahrend Reflexionsurteile, die Dispositionseigenschaften aussagen, unausdr¨ucklich also auf die substantielle Bestimmtheit ihrer Subjekte vorausweisen, setzen Notwendigkeitsurteile, die solche Bestimmtheit pr¨adizieren, ausdr¨ucklich schon die explikative Abhebung dispositionaler Bestimmungen und damit Reflexionsurteile voraus. Weil der Bezug auf substantielle Bestimmtheit explikationslogisch nicht unmittelbar, sondern nur verm¨oge reflektierender Abhebung von dispositionalen Bestimmungen an mehreren Einzelnen erreichbar ist, kann vom singul¨aren Urteil nicht unmittelbar zum Notwendigkeitsurteil u¨ bergegangen werden. Entsprechend geht etwa auch real die botanische Klassifikation nicht der Einteilung von Pflanzen in giftige und heilsame voraus, sondern entwickelt sich umgekehrt aus dieser. Die Disposition eines Einzelnen aber nicht einfach ins Blaue hinein zu behaupten, sondern urteilend ausdr¨ucklich zu machen, setzt explikationslogisch damit den Bezug auf ihm gleichende Einzelne derselben substantiellen Verfassung voraus, ohne dass letztere zun¨achst ausdr¨ucklich urteilend verf¨ugbar w¨are. Eine Disposition kann einem Einzelnen n¨amlich gar nicht unmittelbar zukommen und zugeschrieben werden, sondern nur im Hinblick darauf, dass es oder anderes von der gleichen Verfassung diese Disposition auch in anderen F¨allen an den Tag legt. So impliziert die eigene Sterblichkeit die Sterblichkeit anderer und l¨asst sich nicht unabh¨angig von der festgestellten Sterblichkeit anderer aussagen. Die Pr¨adikation von Dispositionseigenschaften setzt damit den Bezug auf eine Mehrzahl von Einzelnen der gleichen Verfasstheit voraus191 . Damit 191 Diese Verfassung ist als substantielle zun¨ achst nur unterstellt, nicht aber verf¨ugbar. Nicht verf¨ugbar ist sie, weil sie explikationslogisch erst u¨ ber Reflexionsurteile gewonnen werden muss, unterstellt darum, weil Dispositionalit¨at aus logischen Gr¨unden nur vorliegen kann, wenn Verschiedenes desselben Typs unter gleichen Umst¨anden typm¨aßig gleiche Wirkungen hervorruft. Ob qualitativ Gleiches auch demselben dispositionsrelevanten Substanztyp angeh¨ort, ist ihm aber unmittelbar gar nicht anzusehen – eine Diskrepanz, der schon so mancher Pilz- oder Beerensammler zum Opfer gefallen sein mag.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
287
sind wir immanent vom singul¨aren zum partikul¨aren Urteil Einige F sind G u¨ bergegangen, welches eine zun¨achst unausdr¨uckliche Voraussetzung von jenem ausdr¨ucklich macht. 3.3.4.7.2 Partikul¨ares Urteil Nun soll sich aus dem partikul¨aren Urteil Einige F sind G laut Hegel zugleich seine negative Form ergeben, die einigen F die Disposition G abspricht192 . Zwar leuchtet dies f¨ur die von Hegel als Beispiele angegebenen Dispositionspr¨adikate ein. So k¨onnen aus logischen Gr¨unden etwa u¨ berhaupt nur darum einige K¨orper hart sein, weil einige weich sind. Dagegen ist jedoch nicht ersichtlich, warum dies f¨ur alle Dispositionspr¨adikate zutreffen sollte. So folgt etwa daraus, dass einige Menschen sterblich sind, keineswegs, dass andere es nicht sind. Der logische Zusammenhang des partikul¨aren Urteils mit seiner Negativform muss daher anders verstanden werden. Zwar ergibt sich daraus, dass einige F G sind, nicht, dass einige F nicht G sind, wohl aber, dass es Einzelne anderen substantiellen Typs gibt, welche nicht G sind. Denn wenn eine Disposition G einem Einzelnen nur aufgrund seiner bestimmten substantiellen Verfassung zukommt, kann sie nicht ausnahmslos allen Einzelnen zukommen. Vielmehr muss es dann auch Einzelnes von anderer Verfassung geben, dem diese Dispositionseigenschaft gerade nicht zukommt. Nun kann Einzelnes seine dispositionale Verfasstheit, wie gezeigt, nicht als Einzelnes, sondern nur verm¨oge seines substantiellen Typs haben, obwohl dieser selbst explikativ nur u¨ ber reflektierendes Abheben dispositionaler Eigenschaften erreichbar ist. Zu einem Gegenstandstyp F kann aber nur dann eine Disposition geh¨oren, wenn sich nicht bloß einige F als G erweisen. Daher verlangt die Pr¨adikation ¨ von Dispositionalit¨at den Ubergang zum universellen Urteil, welches die betreffende Disposition allen Einzelnen dieses Typs zuspricht. 3.3.4.7.3 Universelles Urteil Wie gezeigt muss Einzelnes, wenn ihm u¨ berhaupt eine Disposition zukommen und zugesprochen werden soll, diese Disposition mit anderen Einzelnen derselben substantiellen Verfassung teilen. Anders gesagt verweisen Dispositionseigenschaften auf Kausalerkl¨arungen und damit darauf, dass Einzelne aufgrund ihrer allgemeinen Natur imstande sind, unter bestimmten Umst¨anden einen bestimmten Effekt hervorzubringen. Die unterstellte Allgemeinheit bezieht sich daher nicht bloß auf alle realen Einzelnen, sondern auf den gesetzm¨aßigen Zusammenhang einer allgemeinen Natur mit einer Disposition. Insofern Dispositionsbestimmungen Einzelnen aus logischen Gr¨unden nur verm¨oge ihrer allge192 So ist das partikul¨ are Urteil laut Hegel unmittelbar eben sowohl negativ als posi” tiv“ [20,18814−15]. Das partikul¨are Urteil ist ebensowohl positiv als negativ. Wenn nur einige ” K¨orper elastisch sind, so sind die u¨ brigen nicht elastisch“ [TW8,327 Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
meinen Natur zukommen k¨onnen, unterstellt das universelle Urteil Alle F sind G damit einen Zusammenhang zwischen allgemeinen Bestimmungen. Daher kann in ihm auch ausdr¨ucklich durch die Einzelnen gek¨urzt werden und der generische Zusammenhang statt dessen im kategorischen Urteil Das F ist G rein herausgestellt werden. Gem¨aß solcher K¨urzung fallen die Begriffsumf¨ange weg, welche das Reflexionsurteil als solches in Beziehung setzt. Damit hat sich ein neuer Urteilstyp ergeben, der intensionale Beziehungen von Besonderheit und Allgemeinheit ausdr¨uckt, und zwar nicht zwischen beliebigen, sondern zwischen substantiellen Bestimmungen. Diese waren im Reflexionsurteil bloß vorausgesetzt, werden nun aber ausdr¨ucklich thematisiert. Die im universellen Urteil nur hinsichtlich des Verh¨altnisses ihres Umfangs zu einem anderen Begriffsumfang thematische generische Bestimmung F bildet so das Subjekt eines neuen Urteils, das einen Zusammenhang zwischen ihr selbst und einer allgemeineren Bestimmung ausdr¨uckt193 . 3.3.4.8 Das Notwendigkeitsurteil Qualitative und dispositionale Bestimmungen und die ihnen entsprechenden Urteilsformen erlauben es nicht, eine Sache als Einheit und ihre besonderen Charakteristika aus der ontologischen Form ihrer Einheit zu verstehen. Die¨ ses Defizit ist durch den logischen Ubergang zu einer Form des Urteils behoben worden, dessen Pr¨adikate die globale Verfassung oder allgemeine Natur einer Sache ausdr¨ucken, dem Urteil der Notwendigkeit. Die in ihm involvierte Notwendigkeit ist zun¨achst alethisch, insofern das Notwendigkeitsurteil (Verh¨altnisse zwischen) Bestimmungen artikuliert, die einer Sache, solange sie existiert, notwendig zukommen und insofern wesentliche Bestimmungen sind. Das Urteil der Notwendigkeit macht damit Zusammenh¨ange zwischen generischen Bestimmungen ausdr¨ucklich. Es expliziert Bestimmungen, die im Gegensatz zu Qualit¨aten oder beliebigen Dispositionspr¨adikaten einer Sache ¨ Der Ubergang zum Notwendigkeitsurteil macht eine implizite Voraussetzung der vorangegangenen Urteilsformen ausdr¨ucklich, n¨amlich dass in deskriptive Urteile implizit modale Bestimmungen eingehen, weil solche Bestimmungen u¨ berhaupt nur einen definiten Gehalt haben k¨onnen, wenn zu ihnen kontrafaktische Robustheit geh¨ort. Zum begrifflichen Gehalt von weich“ geh¨ort etwa, dass etwas, was weich ist, notwendig verformt w¨urde, wenn bestimm” ter Druck auf es wirken w¨urde. Robert Brandom bezeichnet die entsprechende Einsicht, die ¨ auch im Ubergang vom Reflexions- zum Notwendigkeitsurteil steckt, als modale Kant-SellarsThese: The ability to use ordinary empirical descriptive terms such as green‘, rigid‘, and ” ’ ’ mass‘ already presupposes grasp of the kinds of properties and relations made explicit by mo’ ¨ dal vocabulary“ [B RANDOM 2008b: 96f.]. Der dialektische Ubergang vom Reflexions- zum Notwendigkeitsurteil macht u¨ ber die der Kant-Sellars-These entsprechende Einsicht hinaus zugleich ausdr¨ucklich, dass zur M¨oglichkeit von Pr¨adikation notwendig die M¨oglichkeit sortaler Pr¨adikation geh¨ort. 193
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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notwendig zukommen und ihre Einheit, Kontinuit¨at und Identit¨at garantieren. Die entsprechenden sortalen Pr¨adikate kennzeichnen ihre Sache damit global und garantieren zugleich sowohl die bisher prek¨are Einheit und Identifizierbarkeit der Subjekte der vorangehenden Urteilstypen wie die Einheit ihrer Erkl¨arung durch Urteile. Solche substantiellen Bestimmungen k¨onnen einem Einzelnen daher nicht in beliebiger Zahl und Verh¨altnissen zukommen, sondern m¨ussen als Arten einer h¨ochsten, gattungsm¨aßigen Bestimmtheit miteinander verkn¨upft sein. Das Notwendigkeitsurteil dr¨uckt so nicht bloß Bestimmungen aus, die einer Sache wesentlich zukommen, weil sie ihre Einheit garantieren, sondern thematisiert, indem es solche Bestimmungen explizierend aufeinander bezieht, notwendige Beziehungen zwischen ihnen und nicht etwa bloß zuf¨allige wie diejenige von Einzelnem und Qualit¨at, wo weder das Einzelne notwendig gerade diese Qualit¨at hat noch eine Qualit¨at notwendig gerade diese Instanz. Auch das Pr¨adikat des Notwendigkeitsurteils muss deshalb mit einer wesentlichen Bestimmung belegt sein, weil es dem generisch bestimmten Subjekt notwendig zukommen soll und die Pr¨adikation qualitativer und dispositionaler Bestimmungen durch die vorherigen Urteilsformen ohnehin ausgereizt ist. Indem Subjekt und Pr¨adikat im Notwendigkeitsurteil mit generischen Bestimmungen belegt sind, die zueinander im Verh¨altnis von Besonderem und Allgemeinem stehen, bildet es den vermittelten Typ des Urteils. Denn anders als das Daseinsund das Reflexionsurteil dr¨uckt es einen Explikationszusammenhang zwischen solchen Bestimmungen aus, die von sich her aufeinander bezogen sind. Diese innerliche Beziehung der Urteilsglieder ist schon am kategorischen Urteil unmittelbar ersichtlich. Dieses dr¨uckt n¨amlich den Zusammenhang zwischen einer besonderen Art (beziehungsweise ihrer Instanz) und ihrer Gattung aus. Das kategorische Urteil wird von Hegel n¨amlich mal so gefasst, dass es ein Einzelnes von besonderer Art nach seiner Gattungsbestimmtheit ausdr¨uckt ( Diese ” Rose ist eine Pflanze“), und mal so, dass es direkt ein generisches Verh¨altnis zwischen Art- und Gattungsbestimmung markiert ( Die Rose ist eine Pflanze“). ” So ist die Rose im Allgemeinen und damit auch diese einzelne das, was sie ist, nur, insofern sie Pflanze ist. Weil zum Einzelnen als solchem notwendig eine solche wesentliche Verfassung geh¨ort, die seine Identit¨at in der Verwicklung mit anderem garantiert, sind Einzelne laut Hegel selbst kategorische Urteile194 . Zun¨achst f¨allt das Notwendigkeitsurteil mit dem kategorischen als seiner unmittelbaren Gestalt noch unabgehoben zusammen. W¨ahrend das Notwendigkeitsurteil aber einfach wesentliche Bestimmungen verkn¨upft und, da solche Bestimmungen an ihnen selbst aufeinander verweisen, die vermittelte Gestalt des Urteils darstellt, bildet das kategorische Urteil seine unmittelbare Unterform. Denn das kategorische Urteil verkn¨upft generische Bestimmungen, wie 194
Vgl. Alle Dinge sind ein kategorisches Urteil, d. h. sie haben ihre substantielle Natur, ” welche die feste und unwandelbare Grundlage derselben bildet“ [TW8,328 Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
etwa Rose- und Pflanzesein, nur unvermittelt, w¨ahrend das hypothetische und das disjunktive Urteil ihren Zusammenhang als vermittelt ausdr¨ucken. Das Notwendigkeitsurteil hebt dabei insofern die vorherigen Urteilsarten auf, als das Explizieren wesentlicher Bestimmungen, durch die sich etwas im Zusammenhang mit anderem erh¨alt und als Einzelnes identifizier- und erkl¨arbar ist, die Pr¨adikation qualitativer und dispositionaler Bestimmungen voraussetzt. Denn dasjenige, wodurch sich eine Sache in a¨ ußerer Wechselwirkung mit anderem erh¨alt, ist nicht unmittelbar an ihr vorhanden und steht ihr nicht einfach ins Gesicht geschrieben. So ist etwa die urteilende Bestimmung von etwas als bestimmte chemische Substanz nicht unmittelbar m¨oglich, sondern setzt urteilendes Herausheben ihrer Qualit¨aten und Dispositionen zu chemischen Reaktionen voraus. Entsprechend geh¨oren laut Hegel die Urteile Dieser Ring ist ” gelb“ und Dieser Ring ist aus Gold“ grunds¨atzlich verschiedenen Urteilsfor” men an, w¨ahrend sie pr¨adikatenlogisch die gleiche Form haben195 . Zugleich l¨asst sich ein Urteil, das Besonderes durch Allgemeines bestimmt, u¨ berhaupt nur als explikativ verstehen, wenn es mit sortalen Pr¨adikaten belegt ist. Denn bei qualitativen Pr¨adikaten ergibt sich das Allgemeine unmittelbar durch materiale Implikation aus dem Besonderen. S¨atze wie Dieses Rote ist farbig“ ex” plizieren daher nichts. Deshalb kann Einzelnes unmittelbar durch allgemeine qualitative Bestimmungen ausgedr¨uckt werden und muss dazu nicht zun¨achst seiner besonderen qualitativen Bestimmtheit nach expliziert werden. Farbigkeit l¨asst sich daher ebenso unmittelbar pr¨adizieren wie R¨ote. Dagegen l¨asst sich grunds¨atzlich nur urteilsvermittelt und damit inferentiell ausmachen, dass etwas von einer gewissen artspezifischen Verfasstheit einer bestimmten Gattung angeh¨ort, da diese eine komplexe Bestimmung bildet, welche die urteilende Abhebung qualitativer und dispositionaler Bestimmtheiten voraussetzt. Nur darum kann es eine Entdeckung sein, dass eine nach Ph¨anotyp und dispositionalen Eigenschaften bestimmte Art unter eine allgemeine Gattung f¨allt. W¨ahrend man daher nicht entdecken kann, dass Rot eine Farbe ist, kann es eine Entdeckung sein, dass eine neu beschriebene Lebensform eine Tier- und keine Pflanzenart ist oder ein besonderer Stoff ein chemisches Element. Dies l¨asst sich n¨amlich nicht unmittelbar beurteilen, sondern ist nur durch urteilende Abhebung qualitativer und dispositionaler Eigenschaften herausfindbar. Urteile wie Bakterien ” sind Lebewesen“ oder Gold ist ein Element“ geh¨oren daher einer ganz anderen ” Explikationsordnung an als die S¨atze W¨urfel sind K¨orper“oder Das Rote ist ” ” farbig“, die im Normalfall nichts explizieren und insofern auch keine Urteile sind. 195 Vgl. Wenn z. B. die Urtheile: die Rose ist roth, die Rose ist eine Pflanze, oder: dieser ” Ring ist gelb, er ist Gold, in Eine Classe zusammengeworfen, und eine so a¨ usserliche Eigenschaft, wie die Farbe einer Blume als ein gleiches Pr¨adicat mit ihrer vegetabilischen Natur genommen wird, so wird ein Unterschied u¨ bersehen, der dem gemeinsten Auffassen auffallen muß“ [12,7816−23].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
291
Urteil der Notwendigkeit
kategorisches Urteil
hypothetisches Urteil
disjunktives Urteil
Das kategorische Urteil verkn¨upft generische Bestimmungen nur unmittelbar. Eine solche bloße Verkn¨upfung langt aber nicht hin, die Beziehung von Art und Gattung als innere Vermitteltheit in ihrer Notwendigkeit auszudr¨ucken, n¨amlich explizit zu machen, dass Subjekt- und Pr¨adikatbegriff im kategorischen Urteil nicht nur zuf¨allig zusammenkommen, sondern in einem internen, begrifflichen Zusammenhang stehen. Da spezifische generische Bestimmtheit jedoch an sich auf allgemeine bezogen ist, l¨asst sich das kategorische Urteil zu einer Urteilsform auslegen, welche die notwendige Beziehung zwischen beiden ausdr¨ucklich macht. Solche Notwendigkeit ist aber nur explizierbar, indem das unmittelbare Sein der Urteilsglieder aufgehoben und allein ihre Verkn¨upfung als solche ausgedr¨uckt wird. So wird statt Die Rose ist eine Pflanze“ nur noch ” geurteilt: Wenn etwas eine Rose ist, dann ist es eine Pflanze“. Dabei dr¨uckt das ” Wenn-Dann“ gerade die Notwendigkeit der Verkn¨upfung aus, insofern es sie ” unabh¨angig vom faktischen Sein der Verkn¨upften setzt196 . Im hypothetischen Urteil ist das Besondere mit dem Allgemeinen daher nicht mehr bloß an sich notwendig verkn¨upft, sondern vielmehr als notwendig verkn¨upft gesetzt. Damit bildet das hypothetische Urteil die vermittelte Gestalt des Notwendigkeitsurteils. Die bisherige Entwicklung der Urteilslogik hat damit ergeben, dass bereits einfache qualitative oder deskriptive Urteile unausdr¨ucklich die M¨oglichkeit alethisch notwendiger Verkn¨upfung zwischen (generischen) Bestimmungen vor196
Vgl. Das hypothetische Urtheil enth¨alt nicht, daß A ist oder daß B ist, sondern nur ” wenn eines ist, so ist das andere; nur der Zusammenhang der Extreme ist gesetzt, als seyend, nicht sie selbst. Vielmehr ist in dieser Nothwendigkeit jedes gesetzt, als eben so sehr das Seyn eines anderen“ [12,7914−18].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
aussetzen. Im Rahmen der Hegelschen Urteilslehre ist damit eine auch Kant wesentliche Einsicht eingeholt197 . Indem das hypothetische Urteil die alethisch notwendige Beziehung einer Bestimmung auf eine allgemeinere ausdr¨uckt, zeigt es jene als besondere Form dieses Allgemeinen an. An sich auf das Allgemeine bezogen, muss das Besondere aber zugleich als bestimmte Gestalt von diesem unterschieden und gem¨aß seiner spezifischen Bestimmtheit ausschließend auf andere Besonderungen desselben Allgemeinen bezogen sein. Aus der Verkn¨upfung einer generischen Bestimmung mit einer allgemeineren im hypothetischen Urteil geht daher indirekt hervor, dass dieses Allgemeine noch andere Besonderungen hat als die im hypothetischen Urteil gesetzte. Somit hat sich aus dem hypothetischen Urteil explikativ das disjunktive ergeben, welches ein Allgemeines als in seine besonderen Arten differenziert setzt. Damit bildet das disjunktive Urteil die selbstvermittelte Gestalt des Notwendigkeitsurteils. Denn es dr¨uckt nicht wie das hypothetische Urteil die notwendige Beziehung zwischen generischen Bestimmungen aus, die zugleich voneinander verschieden sind, sondern setzt solche Bestimmungen in ein Selbstverh¨altnis198. Denn dass ein Allgemeines A entweder B oder C ist, dr¨uckt nichts anderes aus als die Identit¨at der Gattung mit der Gesamtheit ihrer Arten. Obwohl das disjunktive Urteil damit ein Selbstverh¨altnis zwischen seinen Gliedern ausdr¨uckt, bildet es noch eine Gestalt des vermittelten Urteils. Denn f¨ur sich genommen sind die in ihm auftretenden Artbestimmungen mit der Gattung zwar notwendig verbunden, zugleich aber von ihr verschieden. Umgekehrt dr¨uckt das disjunktive Urteil die Gattung nicht als selbstbesondernd aus, sondern l¨asst offen, woraus sich ihre Arten ergeben. Das Selbstverh¨altnis zwischen der Gattung und der Totalit¨at ihrer Arten, welches das disjunktive Urteil gesamthaft artikuliert, ist daher seiner M¨oglichkeit nach noch unexpliziert. Das Urteil dr¨uckt seiner Form nach jedoch einen Explikationsanspruch aus. Das Verh¨altnis von Gattung und Arten kann dabei nicht u¨ ber Einzelnes vermittelt sein, da dieses im Notwendigkeitsurteil keine Rolle spielen kann. Zugleich k¨onnen die Differenzen aber deswegen nicht a¨ ußerlich zum Allgemeinen hinzukommen, das sie besondern, weil die Identit¨at des Allgemeinen mit der Gesamtheit seiner Arten sonst unverst¨andlich w¨are. Daher m¨ussen die Arten, in welche das disjunktive Urteil die Gattung einteilt, in dieser schon unausdr¨ucklich angelegt sein. W¨aren sie es nicht, k¨onnte sich die Bestimmung des Gattungsallgemeinen durch die Gesamtheit seiner besonderen Arten nur einem 197
Vgl. oben S. 288 Anm. 193 . So enth¨alt das disjunktive Urteil laut Hegel erstens die concrete Allgemeinheit oder ” die Gattung, in einfacher Form, als das Subject; zweytens dieselbe aber als Totalit¨at ihrer unterschiedenen Bestimmungen. A ist entweder B oder C. Diß ist die Notwendigkeit des Begriffs, worin erstens die Dieselbigkeit beyder Extreme, einerley Umfang, Inhalt und Allgemeinheit ist; zweytens sind sie nach der Form der Begriffsbestimmung unterschieden“ [12,8021−26]. 198
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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a¨ ußeren Zusatz von Bestimmungen verdanken und w¨are deshalb kein Urteil. Das disjunktive Urteil setzt daher unausdr¨ucklich voraus, dass sich das Gattungsallgemeine als selbstbesondernd explizieren l¨asst. Da das disjunktive Urteil das Allgemeine aber bloß in Arten einteilt, ohne es ausdr¨ucklich als selbstbesondernd zu setzen, l¨asst sich diese Voraussetzung nur durch einen neuen Urteilstyp einl¨osen. Da in ihm Selbstbesonderung als solche thematisch ist, nennt Hegel diesen das Urteil des Begriffs“. Erst die Selbstbesonderung und Ver” einzelung des Begriffs macht die in jedem Urteil unausgesprochen enthaltene Unterstellung ausdr¨ucklich und verst¨andlich, dass es eine Sph¨are von Einzelnen gibt, die wirklich durch wesentliche Bestimmungen gepr¨agt sind, welche untereinander in notwendigen Verh¨altnissen stehen, und l¨ost so die objektividealistische Grundunterstellung jedes empirischen Urteils ein. Wenn Allgemeines selbstbesondernd zu denken ist, stellt sich nicht nur die Frage, ob ein Einzelnes unter ein Allgemeines f¨allt oder nicht, sondern ob es besonderen Angemessenheitsbedingungen oder internen Normen, die sich aus seiner allgemeinen Natur ergeben, entspricht oder nicht. In scheinbar rein deskriptiven sortalen Pr¨adikationen, die aufgrund des mit ihnen verbundenen hierarchischen Gef¨uges von Gattung und Art ein selbstbesonderndes Allgemeines voraussetzen, steckt logisch daher schon die M¨oglichkeit intern-evaluativer Urteile, welche die Angemessenheit oder Unangemessenheit der besonderen Bestimmungen eines Einzelnen an seine allgemeine Natur ausdr¨ucken. Diese ¨ M¨oglichkeit wird mit dem Ubergang zum Begriffsurteil explizit gemacht199 . 3.3.4.9 Das Begriffsurteil W¨ahrend das disjunktive Urteil die Selbstbesonderung des Allgemeinen nur voraussetzt, macht das Begriffsurteil sie ausdr¨ucklich. Indem es Selbstbesonderung als solche thematisiert, bildet es die selbstvermittelte Gestalt des Urteils. Die Selbsbesonderung des Begriffs l¨asst sich in einem einzelnen Urteil jedoch nicht als solche vorf¨uhren, sondern nur anzeigen, da die logischen Etappen von Selbstbesonderung allenfalls in einer Abfolge und Verkettung von Urteilen 199 Der Ubergang ¨ vom Notwendigkeits- zum Begriffsurteil entspricht insofern formal einer Einsicht, welche Brandom als normative Kant-Sellars-These bezeichnet: In order to ” apply or deploy ordinary, empirical, descriptive vocabulary [...] one must already be able to do everything needed to introduce normative vocabulary“ [B RANDOM 2008b: 110]. Wer empirisch-deskriptives Vokabular verwendet, hat laut Brandom deshalb schon alle F¨ahigkeiten zur Einf¨uhrung explizit normativen Vokabulars, weil er einen rudiment¨aren Begriff des Behauptens haben muss und dies ein normativer Begriff ist. Im Rahmen der Hegelschen Logik ¨ beruht der Ubergang von deskriptivem zu normativem Vokabular dagegen auf dem Nachweis, dass zum Urteil als solchem die M¨oglichkeit von Urteilen u¨ ber Einzelnes von gattungsm¨aßiger Bestimmtheit, d. h. die M¨oglichkeit sortaler Pr¨adikationen, und zu sortalen Pr¨adikationen die M¨oglichkeit der internen Bewertung von Einzelnem mit Hinblick auf die Angemessenheit oder Unangemessenheit an seine allgemeine Natur geh¨ort.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
angemessen artikuliert werden k¨onnen. Anzeigen l¨asst sie sich in einem einzelnen Urteil aber immerhin dann, wenn dieses eine Entsprechung von Allgemeinem und Besonderem ausdr¨uckt. Damit ist nicht die Subsumtion eines Besonderen unter ein Allgemeines gemeint, sondern, dass ein unter ein Allgemeines subsumiertes Einzelnes diesem gerade verm¨oge seiner besonderen Bestimmtheit entspricht. Denn verm¨oge seiner Besonderheit kann Einzelnes einem Allgemeinen nur entsprechen, wenn sich seine besondere Bestimmtheit aus diesem und nicht etwa anderswoher ergibt. Das Pr¨adikat des Begriffsurteils dr¨uckt daher das Verh¨altnis von Besonderem und Allgemeinem als Entsprechungsverh¨altnis aus. Da das Einzelne aber dasjenige ist, was f¨ur die Explikation durch ein derartiges Pr¨adikat in Frage kommt, weil es, wenngleich unartikuliert, gerade in einem Selbstverh¨altnis von Allgemeinem und Besonderem besteht200 , nimmt es die Subjektstelle des Begriffsurteils ein. Dieses dr¨uckt also ein Einzelnes als Entsprechung von Besonderem und Allgemeinem aus. Auf diese Weise schließt das Begriffsurteil die Entwicklung der Urteilsformen ab, weil es das Einzelne nach dem entfaltet, was es an sich ist, n¨amlich eine Einheit besonderer Bestimmungen, die durch ein Allgemeines in selbst¨andiger Einheit zusammengehalten sind. Dabei zeigt das Begriffsurteil Selbstbesonderung insofern an, als es das Einzelne nicht einfach als abstrakte Einheit eines Allgemeinen und der besonderen Bestimmungen darstellt, die jenes zusammenh¨alt. Damit w¨are nur der l¨angst eingef¨uhrte Begriff des Einzelnen wiederholt. Vielmehr muss das Pr¨adikat, indem es sich auf die Angemessenheit von allgemeiner und besonderer Bestimmtheit bezieht, die Selbstbesonderung des Allgemeinen auf bisher noch nicht thematische Weise ausdr¨ucken. W¨ahrend das Begriffsurteil entsprechend der logischen Ressourcen, die sich aus dem Notwendigkeitsurteil ergeben, an seiner Subjektstelle zun¨achst bloß mit einem Einzelnen belegt ist, das als Fall eines Gattungsallgemeinen auftritt, wird seine logische Entfaltung darauf f¨uhren, dass auch das Subjekt als Totalit¨at der Begriffsmomente gesetzt ist. Indem das damit erreichte apodiktische Urteil derart zwei unterschiedliche Gestalten ein- und derselben Totalit¨at verkn¨upft, bildet es ein ersch¨opfendes Ausdrucksverh¨altnis, welches die Sache selbst in der eigent¨umlichen Einheit ihrer besonderen Bestimmungen expliziert und so den Urteilsanspruch einl¨ost. Soll ein solches ersch¨opfendes explikatives Selbstverh¨altnis aber u¨ berhaupt etwas ausdr¨ucklich machen und nicht einfach die beurteilte Sache verdoppeln, muss diese in ihm zweimal auf unterschiedliche Weise gesetzt sein. Daher wird seine Subjektstelle mit einem deskriptiv charakterisierten Einzelnen von besonderer Beschaffenheit belegt sein, das als Fall einer allgemeinen Natur gesetzt ist, w¨ahrend das Pr¨adikat dieses Einzelne hinsichtlich der Angemessenheit seiner 200
Vgl. oben Abschnitt 3.3.3.1 zum Einzelnen.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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besonderen Bestimmungen an seine allgemeine Natur (seinen Begriff) evaluiert. Insofern der Begriff damit einen internen Maßstab vorgibt, dem das Einzelne verm¨oge seiner besonderen Beschaffenheit entsprechen kann oder nicht, sind die Pr¨adikate des Begriffsurteils intrinsisch-evaluative Bestimmungen wie gut, sch¨on und wahr. Dabei dr¨uckt das Wahrheitspr¨adikat nicht propositionale, sondern materiale Wahrheit aus und bildet so das allgemeinste Pr¨adikat, welches anzeigt, dass etwas in seiner besonderen Beschaffenheit seiner allgemeinen Natur entspricht und so etwa ein wahrer“ Freund oder ein wahres“ Kunstwerk ” ” ist. Das Begriffsurteil macht damit ein evaluatives Moment ausdr¨ucklich, das in die vorangegangenen Urteilsformen unausdr¨ucklich eingeht und sich daraus ergibt, dass Einzelheit ein konkretes Allgemeines voraussetzt, zu dem angemessene und unangemessene Auspr¨agungen geh¨oren. Zwischen abstrakter und konkreter Allgemeinheit l¨asst sich damit folgendermaßen unterscheiden: Abstrakt allgemein ist eine Bestimmung, unter die etwas nur entweder f¨allt oder nicht f¨allt, ohne, insofern es unter sie f¨allt, auf angemessene oder unangemessene Weise unter sie zu fallen. So ist beispielsweise eine Fl¨ussigkeit, insofern sie Wasser ist, eben Wasser und kann dies nicht auf angemessenere oder unangemessenere Weise sein. Darum ist schmutziges Wasser nichts, was, insofern es Wasser ist, auf unangmessene Weise Wasser ist, sondern ist bloß mit solchem vermengt, was selbst kein Wasser ist. Konkrete Allgemeinheit l¨asst dagegen angemessene und unangemessene Auspr¨agungen zu. So ist ein kranker Dackel das, was er ist, n¨amlich ein Dackel, auf unangemessene, n¨amlich seiner eigenen Natur und damit ihm selbst nicht entsprechende Weise. Zu organischem und geistigem Sein geh¨oren somit (als immanente Einheits- und Erkl¨arungsgr¨unde) Begriffe mit eingebauten Evaluationsstandards: Dass etwas seinem Begriff verm¨oge seiner besonderen Beschaffenheiten und Vollz¨uge entspricht oder nicht, bedeutet, dass es seiner eigenen Natur mehr oder weniger gerecht wird, und insofern nach seinem eigenen Maßstab – und nicht etwa im Hinblick auf einen externen – als angemessen oder unangemessen beurteilt werden kann. Trotz des evaluativen Charakters von Begriffsurteilen und der Beschr¨ankung ihres Bezugsbereichs auf einen vermeintlichen ontologischen Sonderfall – n¨amlich Zentren pr¨areflexiven und reflexiven Lebens und von diesen Abh¨angiges – macht das Begriffsurteil eine implizite Voraussetzung von Urteilen mit beliebigem Bezugsbereich explizit. Denn wenn intern-evaluierbare, sortal charakterisierte Einzelne die einzigen von sich her selbst¨andigen und insofern ontologisch grundlegenden Entit¨aten sind, ist ein angemessener Begriff der Beurteilung Einzelner nur im Zusammenhang mit einem Begriff der Beurteilung solcher ontologisch grundlegender Einzelner gewinnbar. Als allgemeine Form des Begriffsurteils hat sich ergeben: Dieses Einzelne ” der allgemeinen Natur X ist dieser Natur durch seine besondere Beschaffenheit
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
angemessen“ oder kurz: Dieses besondere X ist gut, wahr oder sch¨on“. Da” mit hebt das Begriffsurteil die vorangegangenen Urteilstypen auf, insofern eine Angemessenheit des Besonderen an das Gattungsallgemeine nur m¨oglich und explizierbar ist, wenn das Einzelne diesem gerade in seinen variablen qualitativen und dispositionalen Bestimmungen entspricht, weshalb im Begriffsurteil die tragenden Bestimmungen der vorhergehenden Urteilsformen aspekthaft erhalten sind. So bilden in einem wahren Kunstwerk etwa unmittelbare Details, Wirkdispositionen und Gattungsform einen in die konkrete Allgemeinheit des Werks integrierten und aus ihr verst¨andlichen Zusammenhang. Insofern in die besondere Beschaffenheit des Einzelnen der Zufall mit hineinspielt, fungiert das konkrete Allgemeine in den realen Beispielen von Begriffsurteilen, die Hegel angibt, nicht umstandslos als das, was die besondere Beschaffenheit des Einzelnen de facto bestimmt. Entsprechend ergeben sich die besonderen qualitativen und dispositionalen Eigenschaften eines Einzelnen nicht unmittelbar aus seiner generischen Bestimmtheit. Vielmehr k¨onnen dessen besondere Beschaffenheiten innerhalb gewisser Grenzen sowohl in Entsprechung wie in Nichtentsprechung zu seiner allgemeinen Natur stehen. Ob etwas ein gutes oder schlechtes Haus ist, wird daher etwa wesentlich davon abh¨angen, ob seine besondere Gestaltung seiner generischen funktionalen Bestimmung entspricht, von dieser unabh¨angig ist oder ihr sogar zuwider l¨auft. Demgem¨aß k¨onnen konkrete Begriffsurteile ebenso sehr die Nichtentsprechung wie die Entsprechung zwischen den besonderen Beschaffenheiten des Einzelnen und seinem Begriff ausdr¨ucken. Zur konkreten Allgemeinheit geh¨oren damit einerseits Bedingungen, die hinreichend daf¨ur sind, dass etwas unter ein solches sortales Allgemeines f¨allt (Subsumtionsbedingungen). Zugleich m¨ussen zu diesem Allgemeinen aber auch Bedingungen geh¨oren, unter denen etwas eine sch¨one, gute oder wahre Instanz dieses Allgemeinen ist (Angemessenheitsbedingungen)201. Insofern die Angemessenheitsbedingungen von Instanzen eines bestimmten Begriffs nicht automatisch erf¨ullt werden, solche Erf¨ullung jedoch angemessen w¨are, haben sie normativen Charakter: Sie dr¨ucken aus, wie ein A sein soll. Weil sie sich aus dem Allgemeinen selbst ergeben, insofern sie die Angemessenheit an dieses und nicht in Bezug auf einen externen Maßstab ausdr¨ucken, haben sie den Charakter interner Normen. Das Begriffsurteil ist daher die logische Form intrinsischer Evaluation sortal durch Subsumtion unter ein konkretes Allgemeines charakterisierter Einzelner. Indem ein solches Allgemeines Auspr¨agungen zul¨asst, die ihm in ihrer besonderen Beschaffenheit angemessen oder unangemessen sind, ist es selbst damit gar nicht unabh¨angig vom Bezug auf besondere Formen der angemessenen Auspr¨agung seiner selbst bestimmt und fassbar. 201
Vgl. oben Abschnitt 3.3.1.2.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Denn was es heißt, angemessene Auspr¨agung dieses Allgemeinen zu sein, ergibt sich aus diesem selbst und geh¨ort insofern mit zu seinem Begriff. Im konkreten Allgemeinen verschr¨anken sich so eine deskriptive und eine evaluative Komponente. Denn Subsumtionsbedingungen erlauben einerseits f¨ur sich genommen die Subsumtion unter das Allgemeine, markieren das Subsumierte jedoch zugleich als angemessene oder unangemessene Auspr¨agung seiner allgemeinen Natur – je nachdem, ob zugleich auch die Angemessenheitsbedingungen erf¨ullt sind oder nicht. Insofern in Urteile, die ontologisch paradigmatische Einzelne sortal im Hinblick auf ihre globale Verfassung klassifizieren, damit wesentlich Begriffe eingehen, die eine intern-evaluative oder normative Komponente aufweisen, ist Ontologie zugleich Deontologie und eine abstrakte Entgegensetzung von Sein und Sollen grunds¨atzlich verfehlt. Die Form konkreter Allgemeinheit erlaubt es, eine Sache aus sich heraus zu verstehen, d. h. ihre jeweils besondere Verfassung aus ihrer allgemeinen Natur – n¨amlich als Realisierung ihres Begriffs – zu erkl¨aren. Eine solche Erkl¨arung stellt die Sache als nicht-kontingente Einheit ihrer besonderen Bestimmungen dar. Dass sich etwa ein Lebewesen auf die Weise ern¨ahrt, die seiner artspezifischen Lebensform entspricht, ist im Hinblick auf diese Form nicht-kontingent. Die besonderen Formen konkreter Allgemeinheit m¨ussen sich jeweils auf solches beziehen, was sich bestimmt oder als Resultat von Selbstbestimmung verstanden werden kann und zugleich durch Kontingenz gepr¨agt ist. Denn nur unter diesen Bedingungen liegt ein selbstbesonderndes Allgemeines vor, das aus sich heraus intrinsische Angemessenheitsbedingungen festlegt, denen seine Instanzen nicht schon automatisch gen¨ugen. Die besonderen Typen konkreter Allgemeinheit sind entsprechend Formen des Organischen und Geistigen (Urteile, Handlungen, Artefakte, Institutionen). Die besonderen apriorischen Formen konkreter Allgemeinheit wie Leben, Erkennen und Handeln, die Hegel im Abschnitt zur Idee herleiten wird, sind Bestimmungen, die dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, geh¨oren und daher notwendig ¨ instantiiert sind. Uber die damit verbundene Instanziierung von Subsumtionsbedingungen hinaus ist jedoch auch eine partielle Erf¨ullung der Angemessenheitsbedingungen ontologisch notwendig202 . Entsprechend wird die Darstellung besonderer Formen konkreter Allgemeinheit im Abschnitt zur Idee“ zeigen, dass ” Unangemessenheit an ein konkretes Allgemeines nur verschr¨ankt mit Angemessenheit m¨oglich ist: Die Angemessenheitsbedingungen m¨ussen real in gewisser Hinsicht erf¨ullt sein, damit sie in gewisser Hinsicht nicht erf¨ullt sein k¨onnen203 . 202
Vgl. zum logischen und epistemologischen Zusammenhang beider Bedingungsformen die instruktiven Ausf¨uhrungen in Kapitel 4.6 von K NAPPIK 2012, wo terminologisch von Minimal- und Erfolgskriterien die Rede ist. 203 Wie genau die partielle Nichterf¨ ullung von Angemessenheitsbedingungen mit ihrer par-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Seinem Begriff oder seiner allgemeinen Natur muss Einzelnes in seinen besonderen Bestimmungen zwar notwendig in einem gewissen Maß gen¨ugen, wenn es u¨ berhaupt Instanz dieses Allgemeinen sein soll. So hat etwa jeder Organismus oder jedes Werk, um zu sein, was es ist, seiner allgemeinen Funktion durch seine besonderen Bestimmungen in gewissem Ausmaß zu entsprechen, indem etwa die Organe des Lebewesens seine Selbsterhaltung oder die Raumaufteilung das Hauses das Wohnen erm¨oglichen. Dennoch geht durch die Sache ein Bruch von Sollen und Sein, insofern einerseits (¨uber die Erf¨ullung von Subsumtionsbedingungen hinaus) unterschiedliche Grade der Angemessenheit m¨oglich sind und andererseits noch jedes Einzelne eine Entkoppelung von besonderer Bestimmtheit und allgemeiner Natur durchzumachen hat, an der es schließlich zu Grunde geht204 . Denn je mehr sich die besonderen Beschaffenheiten der Sache gegen¨uber ihrer allgemeinen Natur verselbst¨andigen, desto n¨aher steht sie ihrem Untergang. Nun setzt die Angemessenheit oder Unangemessenheit besonderer Beschaffenheiten eines Einzelnen an seine allgemeine Natur ein selbstbesonderndes Allgemeines voraus, weil sich die Kriterien solcher Angemessenheit aus dem Allgemeinen selbst ergeben m¨ussen, ohne selbst zu den notwendigen und hinreichenden Bedingungen der Subsumtion unter dieses Allgemeine zu geh¨oren. Denn andernfalls w¨aren unangemessene Auspr¨agungen eines Allgemeinen gar keine Auspr¨agungen desselben. Dagegen sind ein falsches Leben, ein schlechter Roman oder ein kranker Dackel trotz allem noch ein Leben, ein Roman oder ein Dackel. Zugleich lassen sich solche unangemessenen Auspr¨agungen nicht als besondere Arten ihres Allgemeinen verstehen, die sich aus diesem durch a¨ ußerlichen Zusatz von ihm unabh¨angiger Differenzen ergeben. Denn erstens ist ein kranker Dackel keine besondere Art Dackel und ein schlechter Roman keine besondere Art des Romans neben dem Schelmen- und dem Entwicklungsroman. Vielmehr besteht die Angemessenheit oder Unangemessenheit eines Einzelnen, um die es geht, nicht im Hinblick auf einen beliebigen Maßstab, sondern soll interne Angemessenheit oder Unangemessenheit sein. Entsprechend m¨ussen sich die Kriterien seiner angemessenen Auspr¨agung aus dem Allgemeinen (im Sinne der Subsumtionsbedingung) selbst ergeben, ohne darum unmittelbar in seine Bestimmung als Allgemeines einzugehen. Nun l¨asst sich die Besonderung eines Allgemeinen aber nicht mechanisch, sondern nur in einem sch¨opferischen Denkakt erfassen. Insofern in die Besonderung eines Allgemeinen zugleich der Zufall hineinspielt, ist daher f¨ur viele Begriffe mit intern-evaluativer Komponente keine abschließbare Liste besontiellen Erf¨ullung verschr¨ankt sein muss, wird sich dabei je gesondert f¨ur die Formen des Lebendigen, des Erkennens und Handelns ergeben. 204 Von der je einzelnen Sache sagt Hegel, es sei ihre Wahrheit, daß sie in sich gebrochen ” ist in ihr Sollen und ihr Seyn; dies ist das absolute Urtheil u¨ ber alle Wirklichkeit“ [12,8814−16].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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derer Bestimmungen angebbar, die ein Einzelnes zu einer guten Instanz seiner Gattung machen. Insofern verlangt das Begriffsurteil eine andere Form des Urteilsverm¨ogens als die vorangegangenen Urteilstypen. Denn im Begriffsurteil wird ein Einzelnes nicht einfach unter ein vorgegebenes Allgemeines subsumiert oder als Fall einer Regel gesetzt. Ein Urteil u¨ ber einen Roman, das diesen als gut oder schlecht ausweist, besteht daher nicht etwa in seiner Subsumtion unter einen vermeintlich definiten Begriff des guten Romans“, der durch auf” listbare Merkmale allgemein charakterisiert w¨are, so dass sich aus ihm notwendige und hinreichende Kriterien erg¨aben, die es bloß noch anzuwenden g¨alte. Vielmehr ist gar nicht allgemein angeb- und absehbar, auf welche Weise die Romanform derart verwirklicht werden kann, dass das entsprechende Werk dank seiner besonderen Beschaffenheit ein guter oder schlechter Roman ist. Einen Roman als gut oder schlecht zu bewerten, heißt daher zwar, ihn in seiner besonderen Beschaffenheit als gelungene oder misslungene Konkretion der Romanform zu erkennen, ohne dass er damit ein vorgegebenes Schema erf¨ullte. Daher lassen sich gute Romane nicht nach Rezept schreiben und jeder gute Roman er¨offnet eine bisher ungeahnte Perspektive darauf, was ein Roman sein kann, ebenso wie ein gutes Leben nicht nach vorgegebenem Rezept gelebt werden kann, obgleich es im Hinblick auf bestimmte allgemeine Verbindlichkeiten zu leben ist. Mag das a¨ sthetische Urteil auch einen Extremfall darstellen, so verlangen konkrete Begriffsurteile doch grunds¨atzlich besonderes Urteilsverm¨ogen, insofern es keine definitiv feststehenden Kriterien daf¨ur gibt, eine Sache in ihrer besonderen Beschaffenheit als angemessene oder unangemessene Auspr¨agung ihrer allgemeinen Natur zu beurteilen. Dass es keine derartigen definiten Kriterien interner Evaluation geben kann, liegt im Hinblick auf die intern-evaluative Komponente biologischer Speziesbegriffe daran, dass deren Instanzen die Art nicht notwendig angemessen auspr¨agen, sich zugleich aber nur empirisch herausfinden l¨asst, was angemessene Auspr¨agungen sind. Im Hinblick auf realphilosophische Begriffe von Geistigem ergibt sich der nicht-definite Charakter aus der Grundverfassung des Geistes als sich geschichtlich auslegendem Sichbestimmen, das sich endg¨ultiger Fixierung entzieht. Doch gerade wenn ein Allgemeines eine unabsehbare Mannigfaltigkeit angemessener und unangemessener Auspr¨agungen zul¨asst, kann seine Bewertung nicht einfach subjektiver Stellungnahme u¨ berlassen sein. Vielmehr verlangt sie urteilenden Scharfblick, der erlaubt, auch dort, wo es keine schematischen Kriterien gibt, zu begr¨undeten Urteilen zu kommen. Daher geht es auch im Begriffsurteil darum, Bestimmungen der Sache selbst explizierend aufzuweisen. Das Begriffsurteil ist damit insofern die h¨ochste Urteilsform, als es in ihm weder mit einem Zuschreiben von Qualit¨aten und Dispositionen noch mit einfacher Subsumtion unter Gattungs- und Artbestimmungen getan ist,
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
die durch notwendige und hinreichende Bedingungen fassbar sind. Wer begr¨undetermaßen angeben kann, ob und inwiefern etwas dank seiner besonderen Beschaffenheit in Entsprechung mit seiner allgemeinen Natur steht, obwohl dazu das Subsumieren unter vorgegebene Standards nicht automatisch hinreicht, erweist daher nach Hegel erst eigentlich Urteilsverm¨ogen: Wenn ich sage, das Gem¨alde hat diese Farbe, ist von diesem Meister, so schreibt mir kein ” Mensch Urteilskraft zu; erst wenn ich sage, das Gem¨alde ist sch¨on, und weiß es anzugeben, warum, so urteile ich wahrhaft“ 205.
¨ Nach diesen allgemeinen Uberlegungen zum Begriffsurteil nun zu seiner Ein¨ teilung. Es dr¨uckt das Einzelne als Ubereinstimmung von besonderer Beschaffenheit und allgemeiner Natur aus. Dies ist wiederum unmittelbar, vermittelt oder selbstvermittelt m¨oglich:
Urteil des Begriffs
problematisches Urteil
assertorisches Urteil
apodiktisches Urteil
Das assertorische Urteil dr¨uckt unmittelbar aus, dass ein Einzelnes seiner allgemeinen Natur angemessen ist. An einem einzelnen Subjekt ist diese ¨ Ubereinstimmung aber gar nicht unmittelbar ablesbar206 . Daher kann am Einzelnen ebenso gut die Nicht¨ubereinstimmung zwischen besonderen Beschaffenheiten und allgemeiner Natur gesetzt werden. Das assertorische Urteil weicht so dem problematischen. 205
V10,189412−15. Vgl. Das assertorische Urteil enth¨alt an seinem zun¨achst unmittelbaren Subjecte ” nicht die Beziehung des Besonderen und Allgemeinen, welche im Pr¨adicat ausgedr¨uckt ist“ 19−21 [20,198 ]. Das bloss Subjective der Assertion dieses Urtheils besteht also darin, daß der an ” sich seyende Zusammenhang des Subjects und Pr¨adicats noch nicht gesetzt, oder, was dasselbe ist, daß er nur a¨ usserlich ist; die Copula ist noch ein unmittelbares, abstractes Seyn“ [12,863−6]. 206
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Diesem gem¨aß steht das Einzelne nur m¨oglicherweise dank seiner besonde¨ ren Beschaffenheit in Ubereinstimmung mit seiner allgemeinen Natur. Dabei hat der Modaloperator ontologische und nicht bloß epistemische Valenz in Bezug auf ein beurteilendes Subjekt. Er zeigt n¨amlich an, dass in das Verh¨altnis von Allgemeinem und Besonderem der Zufall hineinspielt und die besondere Beschaffenheit des Einzelnen seiner allgemeinen Natur daher angemessen sein kann oder auch nicht207 . Dabei bildet das problematische Urteil deshalb die vermittelte Gestalt des Begriffsurteils, weil in ihm das Einzelne nicht umstandslos als Entsprechung von Besonderem und Allgemeinem gesetzt ist, sondern nur die M¨oglichkeit solcher Entsprechung ausgedr¨uckt wird. Das bedeutet aber, dass das Einzelne nicht unmittelbar in solcher Entsprechung steht, sondern nur verm¨oge eines Dritten, welches dar¨uber entscheidet, ob eine solche Entsprechung vorliegt oder nicht. Dieses Dritte ist im problematischen Urteil jedoch nur unbestimmt angedeutet, aber nicht ausdr¨ucklich gesetzt. Was die Entsprechung eines Einzelnen mit seiner allgemeinen Natur vermittelt, kann freilich nur die besondere Beschaffenheit dieses Einzelnen selbst sein. Diese ist daher in einem neuen Urteil eigens zu thematisieren. So ergibt sich das apodiktische Urteil, das die besondere Beschaffenheit eines Einzelnen ausdr¨ucklich als Grund seiner Angemessenheit an seine allgemeine Natur setzt208 : Dieses so und so beschaffene X steht dank seiner besonderen Beschaffenheit ” in Entsprechung zu seiner allgemeinen Natur“, beispielsweise: Dieses Haus, ” so und so beschaffen, ist gut“ 209 . Das apodiktische Urteil bildet so die selbstvermittelte Gestalt des Begriffsurteils, die das assertorische und das problematische Urteil aufhebt. Denn im apodiktischen Urteil ist das Einzelne wie im assertorischen Urteil als Einheit von Allgemeinem und Besonderem ausgedr¨uckt, dies jedoch nicht mehr unmittelbar, sondern nach Durchgang durch die Vermittlung des problematischen Urteils, das selbst gar kein explikatives Selbstverh¨altnis darstellt, weil es nur die M¨oglichkeit andeutet, die Entsprechung oder Nichtentsprechung von Besonderem und Allgemeinem von einem Einzelnen auszusagen. Das apodiktische Urteil bildet auch insofern die Selbstverh¨altnisform des Begriffsurteils, als es nicht nur das Einzelne als Einheit von Allgemeinem und Besonderem ausdr¨uckt, sondern in ihm zugleich beide Urteilsglieder, obgleich einmal in deskriptivem, das andere Mal in evaluativem Gewand, als Totalit¨aten der Begriffsmomente gesetzt sind, also als Einheiten von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem: 207 Vgl. Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache, ihre negative ” Einheit mit sich selbst; diese macht ihre Subjectivit¨at aus. Aber eine Sache ist auch wesentlich zuf¨allig und hat eine a¨ usserliche Beschaffenheit; diese heißt ebensosehr deren blosse Subjectivit¨at, jener Objectivit¨at gegen¨uber. [...] Als dieses Gedoppelte ist das Subject des Urtheils hier gesetzt“ [12,8713−20]. 208 Vgl. 12,8734 –881 . 209 Vgl. 20,19027−29; 12,8734−35.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Subject und Pr¨adicat entsprechen sich, und haben denselben Inhalt, und dieser ” Inhalt ist selbst die gesetzte concrete Allgemeinheit“ 210. Insofern es sein Subjekt nach seiner globalen Natur hinsichtlich des Zusammenhangs seiner besonderen Bestimmungen mit dieser ausdr¨uckt, ist mit dem apodiktischen Urteil die Sache selbst in ihrem konkreten Wesen expliziert und die Urteilsform erf¨ullt, sodass es keine weiteren Urteilsformen geben kann. ¨ 3.3.4.10 Hegels Urteilskritik und der Ubergang zum Schluss Mit dem Ende der Urteilslogik ist die logische Entfaltung des Begriffs aber nicht etwa zum Abschluss gekommen. Denn nach Hegels Auskunft reicht das Urteil als solches grunds¨atzlich nicht hin, Selbstbesonderung angemessen auszudr¨ucken und ist insofern bereits als Form falsch“ 211 . Um diese Urteilskritik ” verstehen zu k¨onnen, ist erstens zu untersuchen, was genau das Urteil in Hegels Augen zur Darstellung der Wahrheit disqualifiziert, und zweitens zu kl¨aren, inwiefern der Schluss, auf den es logisch hinausweist, seine M¨angel beseitigt und derart eine angemessenere Form der Wahrheit sein kann. Nun ist die Urteilsform als solche nach Hegel insofern mangelhaft, als sie nicht hinreicht, die dem Begriff und seinen realen Gestalten eignende Prozessualit¨at auszudr¨ucken: Die philosophische Wahrheit l¨asst sich nicht in einem einzelnen Urtheil ausdr¨ucken, der Geist, ” Leben, Begriff u¨ berhaupt ist nur in Bewegung in sich, die gerade im Urtheil get¨odtet ist.“ 212 .
Da das Urteil logisch als zweistelliges Explikationsverh¨altnis bestimmt ist, kann sein Mangel jedoch nicht einfach darin liegen, Bewegung“ im Sinne im” manenter Entwicklung rundwegs auszuschließen. Entsprechend setzt Hegel der Prozessualit¨at des Begriffs auch nicht einfach die vermeintliche Statik des Urteils entgegen, sondern betont nur, ein einzelnes Urteil reiche nicht hin, die 210
12,883−4. So ist es laut Hegel das Unm¨ogliche und Ungereimte, in dergleichen Formen, wie ein ” positives Urtheil und wie das Urtheil u¨ berhaupt ist, die Wahrheit fassen zu wollen“ [12,286−8]. Anderswo scheint Hegel das Begriffsurteil von dieser Kritik an der Urteilsform jedoch auszunehmen: Die fr¨uheren Urtheile sind in diesem Sinne nur ein Subjectives, denn sie beruhen auf ” einer Abstraction und Einseitigkeit, in der der Begriff verloren ist. Das Urtheil des Begriffs ist vielmehr das objektive und die Wahrheit gegen sie“ [12,8428−31]. Jedoch beseitigt das Begriffsurteil, indem es ein Einzelnes in seiner besonderen Bestimmtheit als angemessene Auspr¨agung eines konkret Allgemeinen ausdr¨uckt und dieses als das darstellt, was die Einheit von jenem garantiert und erkl¨art, zwar den Mangel der anderen Urteilsformen, dass in ihnen das Explikationsverh¨altnis, welches sie als Urteile bilden sollen, nicht angemessen eingel¨ost ist, sondern das Pr¨adikat das Subjekt nur einem Aspekt nach ausdr¨uckt. Dennoch vermag das Begriffsurteil selbst nur eine punktuell angemessene Explikation der globalen Verfassung eines Einzelnen zu leisten, weil es der inh¨arenten Dynamik des Begriffs nicht gerecht wird und insofern zwar den anderen Urteilsformen gegen¨uber das Wahre ist, mit ihnen aber die Unwahrheit der Urteilsform als solcher teilt. 212 13,7632−34. 211
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eigent¨umliche Prozessform des Begriffs, die er als Bewegung in sich“ fasst, ” angemessen auszudr¨ucken. Nun kann solche Bewegung in sich aber nicht darin bestehen, dass sich etwas bewegt, was unabh¨angig von seiner Bewegung fassbar ist. Denn solche Bewegung w¨are keine Bewegung in sich, sondern Bewegung an anderem. Be” wegung in sich“ meint daher nichts anderes als reine Selbstbewegung oder immanente Entwicklung. Da diese aber nur als Bewegung ist, was sie ist, kann solche Bewegung keinen von ihr unterscheidbaren, selbst bewegungsfreien Anfang und kein von ihr unterscheidbares, bewegungsfreies Ende haben. Die reine Selbstbewegung des Begriffs ist daher keine Bewegung zwischen fixierbaren Extremen, durch die sie begrenzt w¨are, und insofern nicht endliche, sondern unendliche Selbstbewegung. Dagegen hat das Urteil in Gestalt seines Subjekts einen statisch vorgegebenen Ausgangspunkt. Insofern dieser der Urteilsbewegung vorausliegt, stellt sie keine reine Selbstbewegung dar; und indem das Urteil so im Ausgang von einem vorgegebenen Anfang auf eine Bestimmung f¨uhrt, welche jenen abschließend zu explizieren beansprucht, vollzieht sich seine Bewegung zwischen fixen Extremen. Als Ausdrucksbewegung zwischen solchen selbst bewegungsfrei verstandenen Extremen bildet das Urteil daher ein endliches Verh¨altnis213 , w¨ahrend sich an der unendlichen Selbstbewegung des Begriffs gerade keine absoluten Anfangs- und Endpunkte unterscheiden lassen, die seine Bewegung begrenzten. Dagegen stellt das Urteil aufgrund seiner Form die Bewegung des Begriffs und die Auslegung der Sache als abschließbar vor. Dass sich die Sache aber urteilend nicht definitiv feststellen l¨asst, bedeutet nicht, Urteile erlaubten grunds¨atzlich nicht, eine Sache in ihrer eigenen, wesentlichen Verfassung zu explizieren. Nur kann dies nicht auf einen Punkt f¨uhren, an dem alles Wesentliche gesagt w¨are, weil der Sache ihre eigene Selbstauslegung eingeschrieben ist. Da eine Entsprechung von allgemeiner Natur und realer Besonderheit eines Einzelnen nur im Zusammenhang mit Selbstbestimmung m¨oglich und beurteilbar ist, zu Selbstbestimmung aber wesentlich Entwicklung geh¨ort, kann die Artikulation einer solchen Entsprechung in einem Urteil ein Einzelnes zwar global, aber zugleich doch nur punktuell charakterisieren. Denn sowohl die ontologisch grundlegenden Einzelnen wie die zu ihrer generischen Verfassung geh¨orenden Subsumtions- und Angemessenheitsbedingungen entwickeln sich. Im Hinblick auf die Einzelnen bedeutet dies, dass die Entsprechung von allgemeiner Natur und besonderer Beschaffenheit nichts statisch Vorhandenes, sondern im Fluss ist und immer wieder neu hergestellt werden muss. Diesem immanenten Sichvermitteln der Sache – der inneren Schlussf¨ormigkeit des Einzelnen – muss daher auch eine semantische Form entsprechen, die solche Dynamik auszudr¨ucken vermag – der Schluss. Dieser artikuliert damit nicht bloß die punktuel213
Vgl. Der Standpunkt des Urteils ist die Endlichkeit“ [20,18416]. ”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
le Entsprechung von Allgemeinem und Besonderem als isolierte Station eines Selbstvermittlungszusammenhangs, sondern den begr¨undeten Zusammenhang verschiedener solcher Stationen214 . Dagegen kann das apodiktische Urteil als Vollgestalt der Urteilsform den globalen Charakter seines Subjekts zwar punktuell, jedoch nie ein f¨ur alle Mal abschließend bestimmen; und zwar nicht, weil es ihn notwendig verfehlte, sondern weil immer Wesentliches zu sagen bleibt, da der Begriff als absolutes Sichauslegen gerade das urteilend Unersch¨opfliche ist. Zugleich vollzieht das Urteil an seinem Subjekt zwar eine Explikationsbewegung, dr¨uckt es selbst aber nicht als Explikationsbewegung aus215 . Es expliziert sein Subjekt, ohne diese Explikation selbst noch aus ihm heraus verst¨andlich zu machen, weshalb die Bewegung dem Subjekt a¨ ußerlich erscheint. Die reine Selbstbewegung des Begriffs l¨asst sich in ihrer Kontinuit¨at aber konkret weder in einem einzelnen Urteil noch in einer Aneinanderreihung von solchen, sondern nur im Schluss als einer Verkettung beurteilbarer Inhalte ausdr¨ucken, die die Trennung der Bewegung von ihren Extremen aufhebt. Im Unterschied zum Urteil, das nur endliche Bewegtheit auszudr¨ucken vermag, bildet der spekulative Schluss die Form unendlicher Bewegtheit, in deren Zusammenhang alles vermeintlich Statische nur Fixpunkt oder Knoten reiner Selbstvermittlung ist216 . Das Urteil ist dagegen nicht nur der Unendlichkeit solcher reiner Selbstbewegung unangemessen, sondern reicht in Hegels Augen ¨ nicht einmal aus, den Ubergang zwischen zwei Stationen derselben angemessen auszudr¨ucken. Denn diese sind durch einen Entwicklungszusammenhang verbunden, der sich durch ein einzelnes Urteil gar nicht fassen l¨asst: Das Ur” theil ist eine identische Beziehung zwischen Subject und Pr¨adicat [...] Ist nun aber der Inhalt speculativ, so ist auch das Nichtidentische des Subjectes und Pr¨adicates wesentliches Moment, aber dies ist im Urtheil nicht ausgedr¨uckt“ 217 . Dazu w¨are vielmehr konkret ineins zu denken, dass die Bewegung erstens zu einem vom Subjekt unterschiedenen Ergebnis f¨uhrt, das mit jenem jedoch insofern zugleich identisch ist, als es sich selbst zu diesem auslegt218 . Angemessen 214 Der dynamisch-inferentielle Charakter semantischen Gehalts ist dabei nur eine besondere reale Auspr¨agung der Schlussf¨ormigkeit des Begriffs, die etwa auch die Entwicklungsform lebendiger Individuen oder die geschichtliche Dynamik von Institutionen charakterisiert. 215 Dieser Aspekt von Hegels Urteilskritik ist in der Ph¨anomenologie besonders deutlich: Indem der Begriff das eigene Selbst des Gegenstandes ist, das sich als sein Werden darstellt, ist ” es nicht ein ruhendes Subject, das unbewegt die Accidenzen tr¨agt, sondern der sich bewegende und seine Bestimmungen in sich zur¨ucknehmende Begriff. In dieser Bewegung geht jenes ruhende Subject selbst zugrunde; es geht in die Unterschiede und den Inhalt ein und macht vielmehr die Bestimmtheit, d. h. den unterschiedenen Inhalt wie die Bewegung desselben aus, statt ihr gegen¨uberstehen zu bleiben“ [9,4234–433]. 216 Vgl. unten Abschnitt 4.4 zu den drei Schl¨ ussen. 217 21,786−11. 218 Dieser Zusammenhang kann auch nicht einfach in zwei statisch und damit schluss-
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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l¨asst sich dies nach Hegel aber nur als Kreis- oder Schlussbewegung fassen. Damit zur immanenten Herleitung der Schlussform. 3.3.5 Selbstvermittelndes Sichbestimmen (Der Schluss) 3.3.5.1 Logischer Hervorgang des Schlusses Im Urteil macht das Pr¨adikat unausdr¨uckliche Bestimmtheit des Subjekts ausdr¨ucklich, ohne dieses Ausdr¨ucklichmachen selbst zu thematisieren. Da die Kopula die Urteilsglieder n¨amlich bloß unmittelbar verkn¨upft, bleibt das Explikationsverh¨altnis zwischen ihnen unthematisch. Das Urteil expliziert sein Subjekt daher, ohne M¨oglichkeit und Notwendigkeit solchen Explizierens seinerseits zu explizieren, das heißt zu begr¨unden. Der Schluss ist damit, logisch betrachtet, keine optionale Form der Verkn¨upfung beurteilbarer Inhalte, sondern eine Form, die im Urteil bereits unausdr¨ucklich angelegt und unterstellt ist. Denn da alle Pr¨adikate ein Moment der Vermittlung beinhalten, ist kein Urteil unmittelbar durch sich selbst gerechtfertigt, sondern verlangt nach Begr¨undung, die gerade nur durch einen schlussf¨ormigen Zusammenhang von Urteilen geleistet werden kann. Zugleich setzen die entwickelten Urteilsformen, welche eine Sache nach ihrer eigenen Natur explikativ ausdr¨ucklich machen und damit erkl¨aren sollen, (zumindest implizit) Urteile einfacherer Form voraus und sind insofern grunds¨atzlich inferentiell vermittelt. Als ontologische Form markiert der Schluss aber nicht bloß den Erkenntnisgrund einer Sache, sondern auch ihren Realgrund219 . Denn da das Urteilssubjekt als Gestalt des Begriffs nichts unmittelbar Feststehendes ist, sondern prozessual verfasst, kann es seine Einheit nur haben, insofern es sich fortw¨ahrend mit sich zusammenschließt. Die in einem Urteil ausgedr¨uckte Entsprechung von Subjekt und Pr¨adikat ist daher nichts unmittelbar Vorhandenes, frei nebeneinandergestellten Urteilen ausgedr¨uckt werden: Der Mangel wird zum Behuf, die ” speculative Wahrheit auszudr¨ucken, zun¨achst so erg¨anzt, daß der entgegengesetzte Satz hinzugef¨ugt wird. [...] Allein so entsteht der weitere Mangel, dass diese S¨atze unverbunden sind, somit den Inhalt nur in der Antinomie darstellen, w¨ahrend doch ihr Inhalt sich auf ein und dasselbe bezieht, und die Bestimmungen, die in den zwei S¨atzen ausgedr¨uckt sind, schlechthin vereinigt sein sollen, eine Vereinigung, welche dann nur als eine Unruhe zugleich unvertr¨aglicher, als eine Bewegung angesprochen werden kann“ [21,7815−22]. 219 ¨ Friedrike Schick res¨umiert den Ubergang von Urteil zum Schluss in dieser Hinsicht pr¨agnant: W¨ahrend die Pole eines Urteils im Urteil als zusammengeh¨orend nur erst ausgesagt ” werden, kann sich im Schluss zeigen, dass sie tats¨achlich zusammengeh¨oren. In dieser Hinsicht l¨asst das Urteil f¨ur sich genommen in der Tat einen zweiten Vermittlungsbedarf offen: Indem es seinen Gegenstand bestimmt, kl¨art es nicht zugleich, warum (oder inwiefern) die ausgesagte Bestimmung sich zum Gegenstand der Bestimmung verh¨alt. Diese inhaltliche oder sachliche Ausf¨uhrung des im Urteil ausgesagten Verh¨altnisses von Bestimmung und Sache – die Angabe nicht nur eines Erkenntnisgrundes, sondern auch eines Realgrundes der Sache – scheint so die zweite maßgebliche allgemeine Bestimmung zu sein, die Hegel dem Schluss vindiziert“ [S CHICK 2006c: 394].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sondern (ontologisch eben so sehr wie epistemisch) vermittelt und damit erkl¨arungsbed¨urftig. Der immanente Selbstzusammenschluss der Sache ist als deren Realgrund dem Schluss als Form der Erkl¨arung so nicht einfach fremd, sondern das, was die schlussf¨ormige Erkl¨arung einer Sache erkl¨art, indem sie besondere Vorg¨ange an ihr als Beitr¨age zu ihrer Erhaltung und Entfaltung deutet. Da der Schluss eine Form des Denkens und Seins ist, ist dabei unterstellt, dass auch die Sph¨are objektseitigen Seins als solche nach ihrer Bestimmtheit erschließbar sein muss. Obgleich sich das Urteil an ihm selbst als unvollst¨andig ausweist und u¨ ber sich hinaus zum Schluss f¨uhrt, welcher die Entsprechung zwischen den Urteilsgliedern ausdr¨ucklich thematisiert und zu begr¨unden unternimmt, bildet diese Vermittlung den unmittelbaren Urteilsgliedern gegen¨uber zun¨achst einfach ein Drittes. Insofern dieses zu ihnen a¨ ußerlich hinzukommt, verh¨alt es sich zu jedem von ihnen selbst nur als Unmittelbares. Daher bildet der Mittelbegriff, der bei der Auslegung des Urteils zum Schluss hervortritt, zun¨achst einfach eine den Extremen gegen¨uber eigenst¨andige Bestimmung. Er repr¨asentiert und begr¨undet das Explikationsverh¨altnis zwischen diesen daher nur, insofern er ihre Beziehung untereinander vermittelt. Da seine Verh¨altnisse zu den Extremen aber selbst unmittelbar und daher ebenfalls vermittlungsbed¨urftig sind, macht auch der Schluss die M¨oglichkeit und Notwendigkeit der Explikationsverh¨altnisse zwischen seinen Gliedern zun¨achst nicht ersch¨opfend klar. Daher erben die unmittelbaren Formen des Schlusses die Unvollst¨andigkeit und Vermittlungsbed¨urftigkeit des Urteils. So sind die Extreme des unmittelbaren Schlusses, der sich aus der Entfaltung des apodiktischen Urteils ergibt, zwar nicht direkt, sondern u¨ ber eine Beschaffenheit des beurteilten Subjekts verkn¨upft. Da dieses aber mehrere Beschaffenheiten beinhaltet, markiert die Mitte des Schlusses zun¨achst einfach eine besondere Beschaffenheit unter anderen220 . F¨ur diese unmittelbare Mitte besteht daher selbst Vermittlungsbedarf. Denn nicht nur verh¨alt sie sich zu den Extremen, welche sie zusammenschließt, auf unmittelbare und damit selbst vermittlungsbed¨urftige Weise, sondern l¨asst als unmittelbare Bestimmung zugleich offen, ob sie in einer zuf¨alligen oder wesentlichen Beziehung zur Sache steht, deren Beurteilung sie vermittelt. Der sich damit abzeichnende Vermittlungsregress, welcher die Schlusslogik vorantreibt, wird sich in ihrem Verlauf daher erst aufheben und der Schluss erst dann eine selbsttragende Form annehmen, wenn die Mitte selbst nicht mehr in einem vermittlungsbed¨urftigen Verh¨altnis zu den Extremen steht, die sie zusammenschließt, indem sie sich als Selbstvermittlung des Begriffs erweist. 220
Vgl. Im apodiktischen Urteil haben wir ein Einzelnes, welches durch seine Beschaf” fenheit sich auf sein Allgemeines, d. h. auf seinen Begriff bezieht. Das Besondere erscheint hier als die vermittelnde Mitte zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, und dies ist die Grundform des Schlusses“ [TW8,333 Z.].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Denn erst wenn die Mitte als Quelle und Vermittlungsgrund der Schlussglieder gesetzt ist, wird eine Schlussfigur erreicht, welche nicht in Voraussetzungen gr¨undet, f¨ur die sie selbst nicht einstehen kann. Obwohl seine Mitte zun¨achst also nicht ausdr¨ucklich als spekulativer Begriff auftritt, bildet der Schluss als solcher von vornherein die selbstvermittelte Gestalt des Sichbestimmens, da er sich aus dem Urteil ergibt, das logisch als vermitteltes oder verh¨altnishaftes Sichbestimmen gefasst wurde. Das Urteil besteht n¨amlich in einem Verh¨altnis unterschiedener Glieder, von denen eines das andere ausdr¨uckt oder bestimmt. Dieses Bestimmen ist aber insofern Selbstbestimmung, als das Pr¨adikat am Subjekt nicht einfach Bestimmtheit setzt, welche dieses nichts angeht, sondern in ihm selbst unausdr¨ucklich angelegte Bestimmtheit ausdr¨ucklich macht. Das Urteil setzt damit zwar Bestimmungen ins Verh¨altnis, welche an sich zu Einem geh¨oren. Dieses Explizieren tritt aber darum bloß als Vermittlung und nicht als Selbstvermittlung auf, weil das Urteil Bestimmungen bezieht, welche sich nicht schon an ihnen selbst als Glieder desselben ausweisen. Nur deswegen kann das Pr¨adikat des Urteils zuvor unabgehobene Bestimmtheit des Subjekts u¨ berhaupt erst ausdr¨ucklich machen. Dagegen bildet der Schluss insofern das selbstvermittelte Sichbestimmen, als er in einem Explikationsverh¨altnis besteht, welches zugleich ausdr¨ucklich Z¨uge eines Selbstverh¨altnisses tr¨agt. Dieser Selbstverh¨altnischarakter ist zwar allen Formen des Schlusses gemeinsam, pr¨agt sich in ihnen jedoch unterschiedlich aus. W¨ahrend er sich am Ende der Schlusslogik darin zeigen wird, dass sich die Schlussglieder als unselbst¨andige Aspekte reinen Sichvermittelns ausweisen, zeigt er sich zun¨achst nur daran, dass der Schluss mehrere Urteile derart verkn¨upft, dass in ihm dieselben Urteilsglieder je zweimal auftauchen. Da seine Mitte zun¨achst n¨amlich nicht ausdr¨ucklich als Selbstexplikation des Begriffs, sondern als statisches Drittes gegen¨uber den Extremen auftritt, besteht auch das Selbstverh¨altnis, welches den Schluss zun¨achst charakterisiert, bloß in abstrakt identischer Verdoppelung. Ein Vermittelndes kann unmittelbar vorhandene Extreme n¨amlich nur verkn¨upfen, indem seine unmittelbare Verkn¨upfung mit diesen die vermittelte Verkn¨upfung zwischen ihnen herstellt, sodass jedes der Schlussglieder zweimal auftaucht:
A-B, B-C → A-C Der unmittelbare Schluss ist damit dreigliedrig. Denn er kann das Explikationsverh¨altnis zwischen den Gliedern des Urteils nur thematisieren, sofern er die im Urteil erreichte Beziehung unterschiedener Begriffsmomente bewahrt. Daher m¨ussen die Urteilsglieder zun¨achst ausdr¨ucklich von der Vermittlung zwischen
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ihnen unterschieden sein. Von den Urteilsgliedern zun¨achst unterschieden, kann die Vermittlung aber ihrerseits nicht unmittelbar als die reine Selbstvermittlung des Begriffs gesetzt sein, der die Urteilsglieder und ihre Verkn¨upfung an sich entspringen, sondern nur als unmittelbare Bestimmung nach Art der Extreme. Damit liegt die Verkn¨upfung der Schlussglieder zun¨achst außer ihnen und ist so als Form‘ des Schlusses von seinem Inhalt‘ unterscheidbar. Im unmittelbaren ’ ’ Schluss fallen Unmittelbarkeit oder Inhalt und Vermittlung oder Form daher zun¨achst auseinander. Dennoch bildet er insofern schon die selbstvermittelte Form des Sichbestimmens, als dessen unmittelbare und vermittelte Gestalten, Begriff und Urteil, in ihm zu unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Einheit herabgesetzt sind: Urteil Begriff Selbstbestimmung Sichbestimmen unmittelbar selbstvermittelt
Schluss
W¨ahrend das Urteil n¨amlich unterschiedene Begriffsmomente verkn¨upft, ohne diese Verkn¨upfung selbst zu thematisieren, macht der Schluss sie durch seinen Mittelbegriff thematisch und bildet insofern die Einheit von Begriff und Urteil221 . Denn er besteht zwar wie das Urteil in einem Explikationsverh¨altnis, doch tritt in ihm zugleich der Begriff als dasjenige auf, was das Verh¨altnis von Subjekt und Pr¨adikat des Schlusssatzes vermittelt und begr¨undet. Dabei erscheint der Begriff den Extremen gegen¨uber zun¨achst als Drittes und damit bloß als ein, nicht aber als der Begriff. Die Entwicklung der Schlussfiguren wird jedoch zeigen, dass diese u¨ berhaupt nur operieren k¨onnen, wenn in ihnen das reine Sichbestimmen des Begriffs von Anfang an unausdr¨ucklich vorausgesetzt ist. Die Entwicklung der besonderen Schlussformen hat daher nicht die Aufgabe, den Begriff als reines Sichbestimmen erst noch zu rechtfertigen, was durch die objektive Logik bereits geleistet ist. Seine logische Entfaltung hat mit der Auslegung zu Urteil und Schluss jedoch auf Formen gef¨uhrt, in denen er nicht mehr ausdr¨ucklich auftritt. Daher kann die Schlusslogik immerhin als eine Art zweiter Beweis des spekulativen Begriffs gelesen werden, sofern sie zeigt, dass auch solche Schlussfiguren, in denen er keine Rolle zu spielen scheint, ihn unausdr¨ucklich voraussetzen222 . Im Zuge der Schlusslogik wird 221 Vgl. Der Schluss hat sich als die Wiederherstellung des Begriffes im Urtheile und ” somit als die Einheit und Wahrheit beyder ergeben“ [12,901−2]. 222 So verfolgt Hegel laut Georg Sans mit der Entwicklung der verschiedenen Formen ” des Schließens das ehrgeizige Ziel zu beweisen, dass gew¨ohnliche Schl¨usse ein Verst¨andnis von der Natur des Begriffs voraussetzen, das weitgehend seiner eigenen Konzeption entspricht“ [S ANS 2006: 220].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
309
der Begriff damit sozusagen innerhalb seines eigenen Reichs in seine Befugnisse wiedereingesetzt, weshalb Hegel von einer Wiederherstellung des Begriffs“ ” sprechen kann. Entsprechend werden in der Schlusslehre nicht nur immanent besondere Schlussformen entfaltet, sondern zugleich nachgewiesen, dass solche Formen, in denen der spekulative Begriff gar nicht ausdr¨ucklich auftaucht, nur widerspruchsfrei und sinnvoll sein k¨onnen, wenn unausdr¨ucklich ein selbstbesonderndes Allgemeines unterstellt wird, das sowohl in seiner Auspr¨agung als Gattungsallgemeinheit die Einheit der Urteilssubjekte wie als Unbedingtes die Erschließbarkeit objektiver Realit¨at und den in der Schlussform als solcher vorausgesetzten notwendigen Zusammenhang allgemeiner Bestimmungen gew¨ahrleistet und erkl¨art. Indem die Schlusslogik entsprechend auf eine Vermittlungsfigur f¨uhren wird, deren Glieder als Aspekte reinen Sichvermittelns bestimmt sind, leistet der Schluss die angemessene Artikulation der Einheit von Identit¨at und Unterschied, die im unmittelbaren Begriff als reinem Sichbestimmen nur unentfaltet angelegt ist. Denn im vollendeten Schluss bildet jedes Glied eine Bestimmung, die sich zu einem von ihr Unterschiedenen auslegt, das durch seine eigene Selbstauslegung zu jenem zur¨uckf¨uhrt, sodass sich eine in sich geschlossene, bewegte Einheit von Identit¨at und Unterschied ergibt. Anders als der einfache Begriff, der in Gestalt des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen gleichsam nur Momentaufnahmen von Phasen des Sichbestimmens bot, und das Urteil, welches solche unterschiedene Begriffsgestalten bloß unmittelbar verkn¨upft, wird der vollendete Schluss das Sichbestimmen so als selbsttragende Kreisbewegung erweisen, in der jedes Glied gleichermaßen als Ausgangspunkt, Mitte und Resultat erscheint. Damit f¨uhrt die Entwicklung des Schlusses auf die vollst¨andige Artikulation reinen Sichbestimmens223. Dieser Abschluss des Sichbestimmens wird so aber gerade auf dessen Selbstauslegung zu solchem f¨uhren, was nicht mehr Sichbestimmen, sondern als seine Vollendung Selbst-Bestimmtes ist. Sind die Glieder des vollendeten Schlusses n¨amlich alle gleichermaßen nur durch ihre Vermittlungsrollen einander gegen¨uber bestimmt, hebt sich ihr Unterschied in unmittelbare Einheit auf, die das logische Resultat durchg¨angiger Selbstbestimmung ist.
223 So ist der Schluss nach Hegels Auskunft der vollst¨ andig gesetzte“ [12,9010] oder ” der explizierte Begriff“ [V10,191457] und damit die vollst¨andige Darstellung des Begriffs“ ” ” [TW4,149]. Insofern ist Klaus D¨usings Auffassung zuzustimmen, die Schlusslehre stelle He” gels differenziertesten Versuch dar, die logische Begreifbarkeit der konkreten Allgemeinheit zu ¨ erweisen“ [D USING 1986: 25].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.3.5.2 Bezeichnung, Abgrenzung und historische Bez¨uge* Der Schluss ist deshalb die angemessene Artikulationsform des Begriffs, weil dieser als Sichbestimmen zwar notwendig u¨ ber jede seiner Gestalten hinausf¨uhrt, sich dabei aber nicht verliert, sondern insofern in sich zur¨uckkehrt, ¨ als dieses Ubersichhinausgehen sein eigenes Sichbestimmen ist. Der Schluss markiert damit ein Sich¨offnen oder einen Aufschluss, welcher derart zu Neu¨ em f¨uhrt, dass sich dabei zugleich die Einheit des Sich-Offnenden wiederherstellt. Dies gilt selbst f¨ur das formelle Schließen im u¨ blichen Sinne, insofern der pr¨adikative Aufschluss des Subjekts im Schlusssatz zu diesem zur¨uckf¨uhrt: A ist B und B ist C, also kommt C auch A zu. Die Schlussform im Hegelschen Sinn artikuliert jedoch ganz allgemein die onto-logische Verfassung von Prozessen des Sichentwickelns. Dabei k¨onnen ¨ sich Offnung und Schließung in den besonderen Schlussformen unterschiedlich gestalten. So besteht etwa ein unbedingter Entschluss in Reinform darin, sich aus sich heraus zu Neuem auszulegen, ein relativer dagegen darin, sich anderem gegen¨uber zu o¨ ffnen und in einen Integrationsprozess mit ihm einzutreten. In jedem Fall ist die Wiederherstellung der Sache, ihr Zusammenschluss mit sich, ¨ von ihrer Entfaltung oder Offnung unterschieden und f¨allt mit dieser nicht einfach ineins. Wenn die Einheit der Sache n¨amlich unmittelbar vorhanden w¨are und erhalten bliebe, k¨onnte sie nur auf einem unbewegtem Substrat beruhen, dem Entwicklung und Selbstbestimmung gerade abgingen. Was sich dagegen entwickelt und bestimmt, hat seine Einheit aus seinem Sich¨offnen heraus neu herzustellen und beh¨alt sie nicht einfach. Weil es seine Einheit immer wieder neu zu gewinnen hat, ist sich Entwickelndes zugleich lebendig und kann dem Vergehen anheimfallen. Insofern in jedes reale Sichentwickeln n¨amlich der Zufall mit hineinspielt, ist der Zusammenschluss eines Wirklichen mit sich kein ontologischer Automatismus, sondern schließt ein Moment kontingenten Gelingens ein. So ist etwa eine Person als in abh¨angig selbst¨andiger Vereinzelung existierende Instanz des Begriffs kein schlicht vorhandenes Selbst, sondern hat sich aus jeder Erfahrung, die sie macht, urteilend zur Einheit ihrer selbst im Zusammenhang der Erfahrungswelt zusammenzuschließen, woran sie scheitern kann. Indem die logische Kategorie des Schlusses die Prozessform des Sichentwickelns und Sichbestimmens artikuliert, bezieht sie sich nicht von vornherein einseitig auf ein inferentielles Verkn¨upfen beurteilbarer Inhalte224 . Ihre Bezeichnung leitet sich daher auch nicht spezifisch vom Schluss als semanti224 Vgl. Diß durch abgesonderte S¨ atze fortschreitende Schliessen ist nichts als eine sub” jective Form; die Natur der Sache ist, daß die unterschiedenen Begriffsbestimmungen der Sache in der wesentlichen Einheit vereinigt sind. [...] Alle Dinge sind der Schluß, ein Allgemeines, das durch die Besonderheit mit der Einzelnheit zusammengeschlossen ist; aber freylich sind sie nicht aus drey S¨atzen bestehende Ganze“ [12,9514−16,20−22].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
311
scher Form her, sondern von der onto-logischen Struktur sich-¨offnenden Zusammenschließens mit sich. Wie die vorangehenden begriffslogischen Kategorien markiert damit auch der Schluss keine bloße Form des Denkens, die im Gegensatz zu weltseitigem Sein st¨unde, dem die Schlussform vermeintlich fremd ist, sondern ist dem Unterschied von subjektseitigem Denken und weltseitigem Sein vorgeordnet. Daher hat sich der Schluss in seinen realen Auspr¨agungen auch nicht auf die Gehalte inferentieller Vollz¨uge zu beschr¨anken, sondern kann eine Organisationsform des Realen u¨ berhaupt ausmachen. Nur unter dieser Voraussetzung ist es m¨oglich zu verstehen, dass nach Hegel alle Dinge der Schluß“ ” sind. Die auf den Schluss folgende begriffslogische Entwicklung wird diese Behauptung dadurch einl¨osen, dass sie unterschiedliche Gegenstandstypen in ihrer schlussf¨ormigen Verfasstheit darstellt. Aus der Verlegenheit, die Hegels onto-logischer Schlussbegriff zun¨achst hervorrufen mag, hilft auch ein R¨uckgriff auf die klassische Syllogistik nicht heraus225 . Denn bei den syllogistischen Figuren der Tradition handelt es sich um logische Formen, die zwar Beschaffenheiten von Wirklichem erschließen k¨onnen, dessen Organisationsform aber nicht selbst als schlussf¨ormig erweisen sollen. Entsprechend sind im Nachvollzug von Hegels Schlusslogik alle anderswoher genommenen Erwartungen hinsichtlich ihres Gegenstands hinter der immanenten Entfaltung selbstvermittelten Sichbestimmens zur¨uckzustellen. Zu betonen, dass nicht bloß bestimmte Denkvollz¨uge, sondern Wirkliches an ihm selbst schlussm¨aßig verfasst sei, heißt dennoch nicht behaupten, beliebige Gegenst¨ande seien in ihrer schlussf¨ormigen Organisation einfach vorhanden, sodass unser Erkennen sich in seinen Urteilen und Schl¨ussen einseitig nach ihnen zu richten habe. Vielmehr wird der logische Fortgang zeigen, dass Objekte im Kontinuum objektseitigen Seins, das sich real als Natur auspr¨agt, nicht einfach vorhanden sind, sondern als selbst¨andige, identifizierbare Einheiten erst durch subjektseitige Schlussleistungen artikuliert und insofern mitkonstituiert werden. Die (Proto-)Schlussf¨ormigkeit der Dinge besteht damit prim¨ar in ihrer Artikulierbakeit durch derartige Schlussleistungen. Dies bedeutet aber nicht, alle schlussm¨aßig verfassten Einheiten k¨amen nur durch inferentielle Vollz¨uge aus dem Objektkontinuum zur Abhebung. Vielmehr wird die Logik des Lebendigen erweisen, dass dieses, insofern es sich durch Innerlichkeit ausgezeichnet, selbst¨andige Einheiten bildet, die als solche nicht erst durch Erkenntnisvollz¨uge eines Betrachters erzeugt werden. Im Gegensatz zu unbeseelten Naturobjekten 225 So haben die sogenannten Figuren des Schlusses“ laut Hegel einen sehr gr¨ undlichen ” ” Sinn, der auf der Nothwendigkeit beruht, daß jedes Moment als Begriffsbestimmung selbst das Ganze und der vermittelnde Grund wird. Welche Bestimmungen aber sonst die S¨atze haben, ob sie universelle usf. oder negative sein d¨urfen, um einen richtigen Schluss in den verschiedenen Figuren herauszubringen, dies ist eine mechanische Untersuchung, die wegen ihres begrifflosen Mechanismus und ihrer inneren Bedeutungslosigkeit mit Recht in Vergessenheit gekommen ist“ [20,19614−21].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
gewinnen lebendige Individuen ihre Selbst¨andigkeit daher nicht erst dank der Schlussvollz¨uge erkennender Subjekte, sondern dank ihrer eigenen, selbsthaftschlussf¨ormigen Organisationsform, die ihre Bewegung, Nahrungssuche und Fortpflanzung charakterisiert. Aber selbst wo schlussf¨ormig organisierte Objekte wie das mechanische, chemische und protobiologische nicht von sich her selbst¨andig vorhanden sind, sondern als diskrete Einheiten erst in ihrerseits schlussf¨ormigen Erkl¨arungen angesetzt werden, weisen sie von sich her die ontologische Form der Artikulierbarkeit durch die logische Form des Schlusses auf. 3.3.5.3 Zur realen Auspr¨agung des Schlusses* Hegels These von der schlussf¨ormigen Organisation selbst¨andiger Ganzheiten ist, anders lautenden Behauptungen zum Trotz, kein ontologisch verbr¨amter Begr¨undungszirkel, der nichts zum spezifischen Begreifen realer Ph¨anomene beizutragen vermag226 . Eine solche Annahme u¨ bers¨ahe, dass Hegel mit seiner These von der schlussf¨ormigen Verfasstheit der Dinge nicht prim¨ar eine Form epistemischer Rechtfertigung im Sinn hat. Vielmehr markiert die Schlussform innerhalb von Hegels ontologischer Logik eine Verfasstheit der Sache selbst. Daher stellt der am Ende der Schlusslogik erreichte Schlusskreis, dessen Glieder sowohl Pr¨amissen wie Resultate sind, auch keinen Begr¨undungszirkel dar. Alle Dinge als schlussf¨ormig zu begreifen, bedeutet zugleich nicht, ein und dasselbe Schema unver¨andert auf Verschiedenstes anzuwenden, wodurch zu einer Erkenntnis von dessen eigent¨umlichen Verfasstheit nichts beigetragen w¨are. Vielmehr wird der weitere logische Fortgang zeigen, dass unterschiedliche Gegenstandstypen auch in unterschiedlichen Schlussformen organisiert sind. Eine schlussontologische Betrachtung realer Ph¨anomene ist zugleich darum aufschlussreich, weil Reales die reibungslose Autonomie schlusslogischer Selbst226 So neuerdings S PAHN 2007: 135 in Anlehnung an H OSLE ¨ 1988. H¨osle liest die Schlusslogik als Versuch, dem Regressproblem im Begr¨unden zu entgehen, der jedoch auf einen Begr¨undungszirkel hinauslaufe. Die reflexive Letztbegr¨undung, welche nach H¨osles Auffassung allein den Regress abbrechen kann, ist bei Hegel aber schon durch den Beginn der Logik geleistet. Denn diese setzt damit ein, dass ein Denken, welches seine eigene Unhintergehbarkeit nicht nur abstrakt fassen, sondern konkret begreifen will, denkend alle Voraussetzungen aufgibt, um zu untersuchen, ob und was sich dann ergibt. Was sich derart ergibt, beruht damit aber auch nicht auf inhaltlichen Voraussetzungen, die erst noch reflexiv als unhintergehbar auszuweisen w¨aren. H¨osle bleibt dagegen einer wesenslogischen Vorstellung der Wissensfundierung verhaftet, insofern er Letztbegr¨undung nicht als Selbstentfaltung eines thematisch voraussetzungslosen Anfangs, sondern als nachtr¨aglichen Nachweis der Nichtabstrahierbarkeit von vorgegebenen Voraussetzungen denkt. Dagegen ist Hegels Logik eine Theorie der Selbstfundierung, die nicht auf vorgegebene Inhalte zur¨uckgreifen muss, sondern Bestimmtheit im Ausgang von bloßer Unbestimmtheit gewinnt, um solche Selbstfundierung in der Begriffslogik schließlich nicht mehr bloß unausdr¨ucklich zu vollziehen, sondern als solche zu thematisieren und in ihrer schlussf¨ormigen Verfasstheit darzustellen.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
313
fundierung nur gebrochen realisiert. Daher kann es erhellend sein zu sehen, wo und wie der Kreislauf durchg¨angiger Selbstvermittlung in der Sache durchbrochen ist. Zugleich k¨onnen dabei solche Auffassungen selbst¨andiger Ganzheiten zur¨uckgewiesen werden, die untergeordnete Aspekte derselben einseitig als bestimmend ansetzen, und damit ihrer Autonomie zuwiderlaufen, in der gerade kein Glied einseitig fundierend ist. Wenn Freiheit sich als Selbstfundierung schlussf¨ormig artikuliert, kann eine schlusstheoretische Betrachtung dazu beitragen, Paradoxien aufzul¨osen, die sich dann ergeben, wenn einzelne Glieder eines schlussf¨ormig organisierten Zusammenhangs unfundierten Sichbestimmens einseitig als fundierend betrachtet werden. Dabei handelt es sich nicht nur um theoretische Schwierigkeiten, da die Autonomie autonomief¨ahiger Ganzheiten real gerade dadurch gest¨ort sein kann, dass einzelne Glieder einseitig als fundierend aufgefasst und eine reibungslose Selbstbestimmung des Ganzen dadurch verhindert wird227 . Nun sind aber im Spielraum der Objektivit¨at, der sich real als Natur auspr¨agt, keine unfundierten Schlusskreisl¨aufe m¨oglich. Denn da durchg¨angiges Bestimmtsein unfundiertes Sichbestimmen ausschließt, kann hier allenfalls Bestimmtes solches Bestimmtes mithervor¨ rufen, das seinerseits ein funktionales Aquivalent von jenem mithervorruft. Da die logische Idee, die sich real als Seelisches und Geistiges auspr¨agt, dagegen die Sph¨are selbst¨andigen Sichbestimmens markiert und dieses sich schlussf¨ormig artikuliert, muss der Geist in der Tat durch unfundiertes Sich-mit¨ sich-Zusammenschließen gepr¨agt sein. Insofern eine Lektion des Ubergangs von der Objektivit¨at zur Idee jedoch sein wird, dass Selbstbestimmung nur im Verbund mit einem Moment vorg¨angigen Bestimmtseins selbst¨andig sein kann, vollzieht sich geistiges Sichbestimmen nicht in einem Vakuum, sondern vor einem Hintergrund des Schon-bestimmt-Seins und Sich-bestimmt-Habens. Daher machen Vollz¨uge schlussf¨ormiger Selbstanreicherung mit Bestimmtheit immer nur einen Aspekt geistiger Realit¨at aus, der f¨ur ihre Autonomie allerdings entscheidend ist. Dieser Aspekt wird im folgenden Beispiel, das die schlusslogische Prozessform geistiger Autonomie erl¨autern soll, isoliert betrachtet: Die dreifache Schlussstruktur des Sichbestimmens, in der jedes Glied fundierend und fundiert ist, l¨asst sich am freien Sprechen erl¨autern. Damit ist nicht die Mitteilung bereits artikulierter Gedanken gemeint, sondern ein Sprechen, das bestimmte Gedanken in seinem Vollzug erst hervorbringt. Solches Sprechen kann frei genannt werden, insofern es dem eigenen Sichbestimmen des Sprechenden entstammt. Dabei fundiert einerseits die selbst noch indefinite Sprechintention das Gesagte in seiner Bestimmtheit. Denn nur insofern das Gesagte 227 Vgl. Hegels schlusslogisches Verst¨ andnis von Staatsformen [TW8,356]. Aufschlussreiche Erl¨auterungen von Hegels Einsatz des Schlussbegriffs in seiner praktischen Philosophie finden sich in H ENRICH 1982c, W OLFF 1985 und systematisch entwickelt in V IEWEG 2012.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
der Selbstbestimmung einer Person entstammt, kann in deren Sprechen nicht bloß Sinn von ungef¨ahr auftauchen, der ihr bloß a¨ usserlich in den Mund gelegt wird, sondern die Person selbst sprechen und f¨ur das Gesagte verantwortlich zeichnen. Andererseits nimmt die f¨ur sich indefinite Sprechintention erst im Ausgesprochenen Gestalt an und wird so umgekehrt durch dieses fundiert. Das jeweilige Meinen hat seine Bestimmtheit daher nur r¨uckwirkend als Gemeinthaben des Gesagten. So konstituieren das unbestimmte Meinen und das bestimmte Gesagte einander wechselseitig. Drittens kann das Sprechen aber nur dann als frei gelten, wenn zwischen Meinen und Sagen nichts dazwischen” ¨ kommt“, sondern beide u¨ bereinstimmen. Solche Ubereinstimmung l¨asst sich aber nicht als Entsprechung zweier unabh¨angig voneinander gegebener Gr¨oßen verstehen, da die reine Sprechintention f¨ur sich ja noch gar keine Bestimmtheit ¨ hat. Eine Ubereinstimmung von Meinen und Sagen kann daher nicht unmittelbar bestehen, sondern nur, insofern sie vom Sprechenden ausdr¨ucklich oder unausdr¨ucklich affirmiert wird. Der Zusammenschluss von Meinen und Sagen erfolgt also, indem der Sprecher das Gesagte entweder r¨uckwirkend als das u¨ bernimmt, was er gemeint hat, oder sich davon distanziert. F¨ur freies Sprechens ist diese r¨uckwirkende Identifikation des Gesagten mit dem Gemeinten mitkonstitutiv. Denn nimmt das Subjekt stattdessen unmittelbar vom Gesagten Abstand, bildeten Meinen und Sagen im betreffenden Sprechakt keine Momente reibungslosen Sichbestimmens, dem vielmehr leiblich oder geistig etwas ” dazwischen kommt“ 228 . Freies Sprechen bildet so einen dreifachen Schluss, in dem sich Autonomie dadurch realisiert, dass sich die unbestimmte Sprechintention in der Sinnbestimmtheit des Gesagten artikuliert, welches der Intention erst r¨uckwirkend Bestimmtheit verleiht, sofern sich der Sprecher nicht ausdr¨ucklich 228
In begriffslogischen Kategorien heißt letzteres: Was den Schluss reibungslosen Sichaussprechens unterbricht, geh¨ort entweder bloß dem Bestimmtsein des Subjekts an oder entstammt seinerseits dessen Sichbestimmen. Die schlusslogische Ansicht freien Sprechens impliziert damit kein v¨ollig autonomes Subjekt, dass sich jederzeit reibungslos ausspricht. Die Autonomie des Sichaussprechens kann jedoch nur unterbrochen sein, wenn sie zugleich ansatzweise wiederhergestellt ist. Denn zwischen Meinen und Sagen kommt nur dann etwas dazwischen, wenn das Subjekt dieses Dazwischenkommen in einem eigenen Akt wenigstens ansatzweise konstatiert, welcher die St¨orung zugleich korrigierbar macht. Allerdings kann diese Korrektur dann verwickelt sein, wenn das, was das freie Sichaussprechen des Subjekts unterbrach, seinem eigenen Sichbestimmen entstammt und nicht etwa dem Versagen seiner Sprechwerkzeuge. Das ein¨ zige Kriterium solcher Fehlleistungen“ kann aber nur sein, ob die Außerung, von der sich die ” Person distanziert hat, mit anderen Ausdrucksleistungen derselben in einen koh¨arenten Zusammenhang gebracht werden kann oder nicht. Begriffslogisch betrachtet hat die Psychoanalyse daher nicht mit dem Unbewussten als einer verborgenen Instanz zu tun, welche die Selbstbestimmung eines Ich untergr¨abt, sondern mit Selbstbestimmung, welche sich selbst st¨ort und in Sinnzusammenh¨angen ausspricht, von denen sich die Person zugleich distanziert. Es kann bei ¨ einer Analyse“ daher nur darum gehen, den Gehalt von Außerungen, die zwar als sinnvoller ” Ausdruck einer Person verstehbar sind, von dieser jedoch verworfen werden, in ein reicheres Selbstverst¨andnis miteinzubeziehen.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
315
vom Gesagten distanziert, sondern dieses als Gemeintes u¨ bernimmt. Zwar vollziehen sich solche Schl¨usse“ real nicht aus dem Nichts heraus, sondern nur in ” einem Zusammenhang des schon Gesprochen- und Geh¨orthabens. Damit spielt ins Sprechen zwar fundierte Bestimmtheit mit hinein, was aber nichts daran a¨ ndert, dass sich in ihm zugleich unfundiertes Sichbestimmen ereignet, n¨amlich bisher Ungesagtes gesagt und schon Gesagtes bekr¨aftigt oder verworfen wird. 3.3.5.4 Zur Kritik am Hegelschen Schlussbegriff* Spekulative Schl¨usse sind dadurch gekennzeichnet, zu ihrem Ausgangspunkt zur¨uckzuf¨uhren und diesen so zugleich als Resultat zu setzen. Aufgrund dieses R¨ucklaufs in ihren Anfang scheinen solche Schl¨usse anders als Schl¨usse im u¨ blichen Sinn gerade nichts Neues zu erschließen229 . Nun artikuliert sich spekulatives Denken aber wesentlich in solchen Schl¨ussen. Denn nichts anderes meint Hegels Formel von der Philosophie als einem Kreis von Kreisen“ 230 . ” Wenn nach Hegel u¨ berhaupt alles Vern¨unftige ein Schluss und damit an die Figur des R¨ucklaufs in sich gekn¨upft ist, ergibt sich daraus scheinbar ein geschlossenes Um-sich-Kreisen, das der Offenheit des Wirklichen und dem Auftritt von Neuem nicht gerecht werden kann231 . Dagegen artikuliert die von Hegel entworfene spekulative Schlussform jedoch die kategoriale Verfassung des Sichbestimmens und Sichentwickelns, die als solche statische Geschlossenheit gerade ausschließt. Die Schlussform macht so begreifbar, wie etwas sich Neuem gegen¨uber o¨ ffnen oder Neues hervorbringen kann, ohne sich dadurch zu verlieren. Dies ist aber nur m¨oglich, wenn das, was sich derart o¨ ffnet, seine Einheit dabei zugleich wiederherstellt und sich insofern schließt“. Dabei reproduziert es seine Einheit jedoch nicht einfach, ” sondern schließt in sie das im Aufschluss neu Erschlossene mit ein. Eine von Hegel h¨aufig bem¨uhte Metapher hierf¨ur sind Ern¨ahrungs- und Wachstumsprozesse, im Zuge derer sich etwas gerade und nur dadurch, dass es solches, was nicht es selbst ist, in sich aufnimmt, als es selbst wiederherstellt und entwickelt232 . 229 So hat laut Konrad Utz der Schluss in der Hegelschen Spekulation nicht die Funktion, ” zu neuen Ufern aufzubrechen, sondern vornehmlich diejenige, Vorangegangenes abzuschließen“ [U TZ 2006: 185]. 230 20,5626. 231 So kritisiert etwa Schelling Hegels Philosophie, mit ihr sei die Pr¨atension einer vollen” deten Systematisierung, d. h. der Anspruch verbunden, daß alle Begriffe umfaßt, und außer dem Kreis der umfassten kein anderer m¨oglich sei. Wenn sich nun aber Begriffe aufzeigen ließen, von denen jenes System nichts weiß, oder die es nur in einm ganz anderen als dem echten Sinn in sich aufzunehmen wußte?“ [S CHELLING 1827: 121]. 232 Vgl. Unser Tun ist immer, uns mit uns selbst zusammenzuschließen durch Vermittlung ” der Nahrungsmittel, Luft; vermittelst dieses Prozesses sich Wirklichkeit zu geben und wirklich zu sein“ [V10,191480−83].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
¨ Diese innere Verkn¨upfung von Offnung und Schließung zeigt sich nach Hegel in der Sprache daran, dass die synonymen Ausdr¨ucke Entschließen“ ” und Beschließen“ w¨ortlich Aufmachen“ beziehungsweise Zumachen“ be” 233 ” ” deuten . Ein spekulativer Schluss ist daher immer zugleich Ent-Schluss und Be-Schluss. Dabei meint Entschluss‘ nicht notwendig einen intentionalen Akt, ’ ¨ sondern ist Hegels technischer Ausdruck f¨ur selbstbestimmte Offnung. Solches ¨ Sich-Offnen ist insofern grunds¨atzlich unabschließbar, als das reine Sichbestimmen des Begriffs in seiner Selbstanreicherung mit Bestimmtheit nicht verloren geht, sondern sich in jeder erreichten Bestimmtheit erh¨alt. Jeder Beschluss eines Kreises des Sichbestimmens ist damit zugleich der Ausgangspunkt einer neuen Entschließung234. Dabei vollzieht sich dieses Sich¨offnen nicht bloß als immanente Selbsterweiterung, welche Neues nur aus sich heraus gewinnt und insofern im Sich¨offnen doch in sich eingeschlossen bleibt, sondern notwendig auch als Sich¨offnen gegen¨uber anderem. Die weitere Entfaltung der spekulativen Schlussform wird n¨amlich zeigen, dass es selbst¨andiges Sichbestimmen nicht einfach als monistisches Subjekt geben kann, welches sich selbsterweiternd nur mit sich zusammenschl¨osse. Vielmehr hat sich reines Sichbestimmen notwendig immer schon zu einem Spielraum des Bestimmtseins ausgelegt, vor dessen Hintergrund es allein wirkliches Sichbestimmen in Gestalt einer Mannigfaltigkeit von Zentren abh¨angig selbst¨andigen Sichbestimmens geben kann. In einen Kontext des Bestimmtseins eingebettet, vollzieht sich deren Selbstbestimmung immer nur auf der Grundlage vorgegebener und gerade nicht selbstgesetzter Bestimmtheit und im Austausch mit dem Spielraum, in den sie eingelassen sind. Der schlusslogische Begriff der Selbstbestimmung erlaubt und n¨otigt daher gerade, die Autonomie von solchem zu denken, was nicht absolut selbst¨andig und in toto selbstvermittelt ist, sondern zugleich von anderem abh¨angt. Nachdem wir mit diesen ¨ Uberlegungen der Schlusslogik schon weit vorausgeeilt sind, nun zu ihrer Einteilung. 3.3.5.5 Einteilung der Schlusslogik* Die Schlusslogik f¨uhrt schrittweise zur Tilgung der Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren Inhalt der Schlussglieder und ihrer schlussm¨aßigen Verkn¨upfungsform, die ihnen zun¨achst a¨ ußerlich erscheint. Dadurch wird der 233 Vgl. Der subjektive Zweck ist ein Schluss; in der deutschen Sprache heißt es: Ich bin ” entschlossen, es ist beschlossen – entschließen bedeutet zun¨achst aufmachen und beschließen etwas festmachen. Man sagt aber ganz richtig beides: Ich entschließe mich, ich schließe den ¨ einfachen Abgrund des Ich auf, das Entschließen ist Außerung, Heraustreten des Inhalts, aber er tritt nur heraus in mir“ [V10,206957−63]. 234 Hegel formuliert diesen Gedanken im Zuge seiner Fichtedeutung metaphorisch so: Die ” Welt ist eine Blume, die aus einem Samenkorn ewig hervorgeht“ [TW20,390].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
317
Schluss von einer Gestalt, deren Glieder auf a¨ ußere Verkn¨upfung angewiesen scheinen, zu einem selbsttragenden Vermittlungszusammenhang, in dem unmittelbar vorgegebene Unterscheidungen verschwunden und alle Glieder nur durch ihre Vermittlungsrolle bestimmt sind. Das damit angedeutete Ziel der Schlusslogik wird aber nicht deshalb erreicht, weil es von vornherein festst¨unde. Zwar l¨asst es sich, wie gerade geschehen, insofern vorwegnehmen, als der Schluss das reine Sichbestimmen des Begriffs artikuliert, aus dem er sich u¨ ber das Urteil entwickelt hat. Reines Sichbestimmen kann aber keine Gestalt ausbilden, die letztg¨ultig auf a¨ ußere Vermittlung angewiesen ist, sondern nur, solange ihre eigene Vermittlung ihr noch a¨ ußerlich scheint. Daher ist das Durchlaufen sich selbst a¨ ußerlicher Formen der Selbstvermittlung nur Durchgangsstation f¨ur deren angemessene Artikulation. Die Entwicklung von Schlussformen, deren Glieder ihre Vermittlung nicht selbst leisten, zum selbsttragenden Schluss setzt diesen dennoch nicht ausdr¨ucklich als Ziel voraus, sondern ergibt sich Schritt f¨ur Schritt aus einer Betrachtung der jeweils erreichten Schlussform. Dabei wird sich zeigen, dass die jeweiligen Schlussfiguren nur deshalb schl¨ussig sind, weil sie die Schl¨ussigkeit ihres logischen Nachfolgers unausdr¨ucklich voraussetzen. Der logische Fortgang wird dabei so verlaufen, dass jede inhaltliche Belegung in einem bestimmten Schlusstyp alle schlusslogischen Rollen (Ober-, Mittel- und Unterbegriff) durchl¨auft. Damit erweist sich die inhaltliche Belegung der Schlussglieder als gleichg¨ultig, sodass diese nur noch durch ihre schlusslogische Rolle bestimmt sind. Dabei kommt es jedoch zun¨achst zum Wiederauftauchen inhaltlicher Bestimmungen in anderen Schlusstypen, bis die Glieder des Schlusses am Ende absolut vermittelt und allein durch ihre schlusslogische Rolle definiert sind, womit eine absolute Einheit des Inhalts und der ” Form und der Bewegung“ erreicht ist235 . Diese Entwicklung vollzieht sich u¨ ber drei Haupttypen: Den Daseinsschluss, in dem unmittelbare oder nicht an ihnen selbst aufeinander verweisende Bestimmungen a¨ ußerlich verkn¨upft sind; den Reflexionsschluss, der an ihnen selbst vermittelte Bestimmungen zusammenschließt, und den Notwendigkeitsschluss, dessen Glieder Bestimmungen sind, die zueinander in wesensnotwendigen Verh¨altnissen stehen und insofern ein spekulatives Selbstverh¨altnis bilden. Aus dem apodiktischen Urteil u¨ bernimmt der Daseinsschluss an Vorgaben ein Einzelnes, ein Allgemeines und eine besondere Bestimmtheit, welche das Einzelne mit dem Allgemeinen zusammenschließt. Daher ist die Grundform des Schlusses E-B-A. Die Begriffsmomente Allgemeines, Besonderes und Einzelnes figurieren zwar in allen Schlusstypen, nehmen in ihnen jedoch jeweils unterschiedliche Bedeutung an. So verkn¨upft der Daseinsschluss ein unmittelbares Subjekt E durch eine isolierte Beschaffenheit B mit einer Bestimmung 235
12,30817−18.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
A, die mehrerem gemeinsam sein kann und insofern ein abstrakt Allgemeines bildet. Dagegen sind Allgemeines, Besonderes und Einzelnes im Reflexionsschluss in a¨ ußerliche Verweisungsverh¨altnisse gesetzt und damit klassenlogisch als Menge, Teilmenge und Element bestimmt. Im Notwendigkeitsschluss stehen die Begriffsmomente hingegen in wesentlichen Verh¨altnissen und pr¨agen sich so als Gattung, Art und deren Instanz aus. Zwischen diesen besteht dabei insofern ein Selbstverh¨altnis, als das Einzelne nicht ohne seine Art und Gattungsbestimmtheit bestehen k¨onnte, die Art nicht ohne die Gattung und die Gattung umgekehrt ihr eigene Differenzen und Arten hat. Insofern sie darum schließlich als konkretes Allgemeines zu setzen ist, steht auch sie von sich her in einem Selbstverh¨altnis zum Besonderen und Einzelnen, die sich als Ausdruck ihrer logischen Selbstkonkretion verstehen lassen. Damit l¨asst sich die Belegung der Glieder in den Haupttypen des Schlusses zusammenfassend festhalten: E B A
Daseinsschluss unmittelbar Einzelnes qualitative Beschaffenheit abstraktes Allgemeines
Reflexionsschluss Element Teilmenge Menge
Notwendigkeitsschluss Instanz Art Gattung
3.3.5.6 Der Daseinsschluss* Der Schluss des Daseins bildet die unmittelbare Form des Schlusses. Seine Mitte markiert daher eine unmittelbar f¨ur sich stehende und insofern qualitative Bestimmung, die ihrem Subjekt bloß als beliebiges Merkmal beigelegt wird, ohne seine Einheit zu garantieren, und ihrerseits Subjekt beliebiger Merkmalspr¨adikation ist236 . Indem die Mitte des Daseinsschlusses in den Pr¨amissen also unmittelbar auf zwei weitere Bestimmungen bezogen ist, vermittelt sie den Zusammenschluss dieser Extreme auf eine ihr und ihnen a¨ ußerliche Weise. Die Glieder des Daseinsschlusses schließen sich daher nicht selbst miteinander zusammen, sondern sind bloß a¨ ußerlich verkn¨upft. Daher fallen im Daseinsschluss die Schlussglieder oder der Inhalt und die Form ihrer schlussm¨aßigen Verkn¨upfung auseinander. Hegel nennt solches Schließen gerade deshalb sub” jektiv“ oder formell“, weil ihre spezifische Verkn¨upfung zum Schluss nicht ” 237 in den Verkn¨upften selbst angelegt ist . Die realen Auspr¨agungen der Daseinsschl¨usse sind darum genau solche, in denen ein schließendes Subjekt die Schlussglieder nach externen Gesichtspunkten ausw¨ahlt. Der Daseinsschluss hat seine Bezeichnung also daher, dass sich seine Glie236 Vgl. Zun¨ achst ist nun der Schluß wie das Urteil unmittelbar. [...] Die Abstraktion, ” indem sie die Selbst¨andigkeit der Extreme festh¨alt, setzt ihnen [ihre] Einheit als eine ebenso feste, f¨ur sich seiende Bestimmtheit entgegen und fasst dieselbe auf diese Art vielmehr als Nichteinheit denn als Einheit“ [12,9116;21−24]. 237 Vgl. 12,9320−25; TW4,150.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
319
der zueinander daseinslogisch wie etwas und anderes verhalten, die einander nichts angehen, sondern bloß a¨ ußerlich verkn¨upft sind. Auch wenn Hegel die besonderen Gestalten des Daseinsschlusses als Figuren“ bezeichnet, spielt in ” ihnen anders als in der klassischen Syllogistik weder die Stellung der Mitte gegen¨uber den Extremen noch die Qualit¨at und Quantit¨at der Urteile eine Rolle. Vielmehr unterscheiden sie sich nur im Hinblick darauf, durch welches der Begriffsmomente (Allgemeinheit, Besonderheit, Einzelheit) die Mitte bestimmt ist. Seine Belegung mit gegeneinander unmittelbaren Gliedern erbt der Daseinsschluss vom apodiktischen Urteil. Denn dieses verkn¨upft Einzelnes und Allgemeines durch eine besondere Bestimmtheit, die in keinem n¨aher bestimmten Verh¨altnis zu jenen zu stehen braucht und ihnen gegen¨uber insofern unmittelbar ist238 . Entsprechend der charakteristischen Unmittelbarkeit des Daseinsschlusses sind die Begriffsmomente in ihm spezifisch bestimmt: Das Besondere meint in ihm einfach eine isolierte Beschaffenheit unter anderen, das Allgemeine ein abstrakt Gemeinschaftliches und das Einzelne ein unartikuliertes Selbst¨andiges. Als Beschaffenheit unter anderen Beschaffenheiten steht die Mitte des Daseinsschlusses zwar im Zeichen der Besonderheit (was in unseren Formeln der Daseinsschl¨usse durch den Index B angezeigt wird) und die Grundform des Daseinsschlusses ist daher E-B-A. In den verschiedenen Figuren des Daseinsschlusses tritt die Mitte aber selbst wiederum als unmittelbar, vermittelt und selbstvermittelt auf und ist dadurch als Besonderes (BB ), Einzelnes (EB ) und Allgemeines (AB ) weiterqualifiziert. Denn w¨ahrend sie zun¨achst einfach als besondere Bestimmtheit unter anderen erscheint, wird sie sodann ausdr¨ucklich isoliert oder vereinzelt und schließlich als andere Bestimmtheiten zusammenhaltend und insofern als Gemeinschaftliches oder Allgemeines auftreten. Die logische Entfaltung des Daseinsschlusses zu besonderen Figuren ergibt sich daraus, dass seine Mitte eine Beziehung zwischen einander gegen¨uber unmittelbaren Extremen nur vermitteln kann, wenn sie den Extremen nicht ihrerseits unmittelbar oder gleichg¨ultig gegen¨ubersteht, sondern sich an ihr selbst auf diese bezieht. Daher muss die in den Pr¨amissen der ersten Figur bloß vorausgesetzte Beziehung der Mitte auf die Extreme, welche sie erst zur Mitte macht, ihrerseits erwiesen werden. Darum ist von der ersten Figur des Daseinsschlusses zu zwei weiteren Schl¨ussen fortzuschreiten, welche die Pr¨amissen von jener rechtfertigen. Diese weiteren Figuren sollen damit aber nicht nur die Pr¨amissen eines an sich schon g¨ultigen Schlusses begr¨unden. Vielmehr macht der Fortgang 238
So sind laut Hegel die Extreme um ihrer Unmittelbarkeit willen als sich nur auf sich ” beziehende Bestimmtheiten, insgesamt ein einzelner Inhalt. Die Besonderheit macht zun¨achst insofern die Mitte aus, als sie die beyden Momente, der Einzelnheit und Allgemeinheit unmittelbar in sich vereinigt“ [12,9222−25].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
zu weiteren Figuren des Daseinsschlusses Bedingungen ausdr¨ucklich, unter denen die erste Figur u¨ berhaupt erst als Schluss gelten kann: Wenn n¨amlich ihre Mitte kein Unmittelbares, sondern an ihr selbst mit den Extremen vermittelt ist. Zun¨achst kann eine Vermittlung zwischen der Mitte und den Extremen einer Figur aber nur dadurch erwiesen werden, dass sie in Schl¨ussen erschlossen wird, in welchen die Extreme der ersten Figur ihrerseits unmittelbar als Mitte auftreten, deren Vermittlung mit den jeweiligen Extremen ebenso zu rechtfertigen ist. Daher wird die Entwicklung des Daseinsschlusses auf einen Kreis dreier Schl¨usse f¨uhren, von denen jeder f¨ur seine eigene G¨ultigkeit die G¨ultigkeit der beiden anderen voraussetzt. Zwar l¨ost dieser Zirkel das Problem schlussf¨ormiger Vermittlung gegeneinander unmittelbarer Bestimmungen nicht, sondern macht nur ausdr¨ucklich, dass Schl¨usse an sich nur dann m¨oglich sind, wenn ihre Glieder gegeneinander nicht einfach unmittelbar, sondern von sich her aufeinander bezogen sind. Zugleich wird der Zirkel so aber zu einer Schlussform u¨ berleiten, in der dies der Fall ist. Indem in den drei Schl¨ussen des Daseins n¨amlich jedes Begriffsmoment jede schlusslogische Rolle einnimmt, hebt sich die anf¨angliche Zuordnung der Begriffsmomente zu bestimmten schlusslogischen Rollen auf. Dadurch wird sich ein Schlusstyp ergeben, dessen Glieder an ihnen selbst auf die anderen verweisen, und der ausdr¨ucklich macht, was implizit vorausgesetzt ist, damit Schl¨usse des ersten Typs u¨ berhaupt g¨ultig sein k¨onnen. Nach dieser Vorausschau auf die Entwicklung des Daseinsschlusses kann nun zu seiner Einteilung u¨ bergegangen werden. Der Daseinsschluss gliedert sich vierfach. Da sich die erste Figur E-BB -A aus der schlussf¨ormigen Ausbuchstabierung des apodiktischen Urteils ergibt, besteht ihre Mitte einfach in einer besonderen Beschaffenheit unter anderen Beschaffenheiten der Sache. In Abh¨angigkeit davon, welche Beschaffenheit als Mitte fungiert, ergeben sich jedoch Schl¨usse mit einander widersprechenden Konklusionen. Daher wird die vermittelnde Beschaffenheit in der zweiten Figur B-EB -A ausdr¨ucklich als isoliert oder vereinzelt gesetzt und der Schluss auf diese aus dem Zusammenhang mit den anderen herausgenommene Beschaffenheit der Sache relativiert. Soll die damit in Beschaffenheiten zerfallende Sache aber u¨ berhaupt eine Sache sein, muss sie mit ihren besonderen Beschaffenheiten durch eine u¨ bergreifend-allgemeine Bestimmung zusammengeschlossen sein, welche diese Einheit garantiert. So ergibt sich die dritte Figur E-AB -B, deren Mitte als Allgemeines gesetzt ist. Haben damit alle Begriffsmomente innerhalb des Daseinsschlusses alle schlusslogischen Rollen durchlaufen, erweist sich ihr Unterschied als f¨ur diesen Schlusstyp gleichg¨ultig. Dadurch wird sich als vierte Figur der mathematische Schluss ergeben, welcher die Gleichheit seiner Extreme erschließt und sie so ins Selbstverh¨altnis setzt.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
321
3.3.5.6.1. Erste Figur* Die erste Figur des Daseinsschlusses hat sich durch schlussf¨ormige Ausbuchstabierung des apodiktischen Urteils ergeben. Dieses hat insofern selbst schon unausdr¨ucklich Schlussstruktur, als in ihm eine besondere Beschaffenheit den Grund f¨ur die Urteilsbeziehung zwischen Subjekt und Pr¨adikat abgeben soll. Wird sie ihnen gegen¨uber als Drittes abgehoben, vermag sie die Mitte eines Schlusses zu bilden. Insofern diese Mitte bloß eine unter mehreren besonderen Beschaffenheiten des Subjekts markiert und dieses unangesehen seiner anderen Beschaffenheiten mit einer allgemeinen Bestimmung zusammenschließt, welche ihm zukommen soll, ergeben sich je nach Belegung der Mitte einander widersprechende Schlussfolgerungen239 . Denn die besonderen Beschaffenheiten der Sache verhalten sich als bestimmte an sich nicht einfach gleichg¨ultig gegeneinander, sondern stehen zumindest unausdr¨ucklich in Ausschlussverh¨altnissen, die dann zum Widerspruch f¨uhren, wenn sie die Sache nicht nur in gewisser Hinsicht, sondern global charakterisieren sollen. Ein Beispiel f¨ur einen solchen Widerspruch l¨asst sich im Anschluss an Hegel folgendermaßen konstruieren240 : Das Subjekt des Schlusssatzes bezeichne einen Dieb, das Pr¨adikat die Recht- oder Unrechtm¨aßigkeit seines Tuns. Um die Rolle des Mittelbegriffs konkurrieren die mit dem Diebesgewerbe verbundene Selbsterhaltung beziehungsweise Sch¨adigung anderer. Nun ist Selbsterhaltung ein Recht, die Sch¨adigung anderer dagegen ein Unrecht. Je nachdem, ob die Selbsterhaltung oder die Sch¨adigung anderer als Mitte angesetzt werden, ergeben sich daher einander widersprechende Schlussfolgerungen: Der Dieb erh¨alt sich durch seine T¨atigkeit Selbsterhaltung ist ein Recht Also handelt der Dieb rechtm¨aßig
Der Dieb sch¨adigt andere Sch¨adigung anderer ist ein Unrecht Also handelt der Dieb unrechtm¨aßig
Die hierdurch verdeutlichte (implizite) Widerspr¨uchlichkeit der ersten Figur stellt ein schlusslogisches Argument gegen die B¨undeltheorie der Einzeldinge dar, weil sie deren vernichtende schlusslogische Konsequenzen ausdr¨ucklich 239
Vgl. Nicht nur aber ist f¨ur ein Subject eine unbestimmte Menge von Schl¨ussen gleich ” m¨oglich, und ein einzelner Schluß seinem Inhalt nach zuf¨allig, sondern diese Schl¨usse, die dasselbe Subject betreffen, m¨ussen auch in den Widerspruch u¨ bergehen. Denn der Unterschied u¨ berhaupt, der zun¨achst gleichg¨ultige Verschiedenheit ist, ist ebenso wesentlich Entgegensetzung“ [12,9614−18]. 240 Vgl. Eine Handlung, Diebstahl, ist Erwerb des Eigentums, und das ist etwas Recht” liches; er [sc. der Dieb] erh¨alt sich dadurch, das ist seine Pflicht, da ist diese Handlung vollkommen gerechtfertigt; nach einem anderen medius terminus folgt daraus, daß ers H¨angen verdient“ [V10,193546−550]. In der Logik gibt Hegel ein analoges Beispiel [12,9631−35], das Friedrike Schick zum Ausgangspunkt einer minuti¨osen Rekonstruktion von Hegels Kritik des formellen Schließens gemacht hat, vgl. S CHICK 2003.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
macht. Nach der B¨undeltheorie besteht die Sache in einem Aggregat unmittelbarer und gleichberechtiger Bestimmungen241. Nach dem soeben vorgef¨uhrten Argument sind um den Preis widerspruchsfreier Rede aber gar keine globalen Urteile u¨ ber ein solches B¨undel m¨oglich, da aus ihnen widerspr¨uchliche Folgerungen gezogen werden k¨onnen. B¨undel sind also etwas, u¨ ber das man als Ganzes nicht urteilen kann, ohne sich unausdr¨ucklich zu widersprechen. Warum sollte man aber auf der M¨oglichkeit widerspruchsfreien Urteilens u¨ ber die Sache im Ganzen beharren und nicht annehmen, man k¨onne eben immer nur u¨ ber bestimmte Hinsichten derselben urteilen? – Deswegen, weil diese doch immer Hinsichten einer Sache sein sollen. Nimmt man eine solche Sache an, nimmt man daher auch die M¨oglichkeit an, u¨ ber sie als ganze zu sprechen und urteilen. Dies ist dem dargestellten Argument zufolge im Rahmen der B¨undeltheorie aber gerade unm¨oglich. Die widerspr¨uchlichen Folgerungen, die aus der ersten Figur gezogen werden k¨onnen, zeigen, dass diese Form f¨ur sich genommen keine G¨ultigkeit hat, weil in ihr die Pr¨adikation eines isolierten Aspekts der Sache ihre globale Beurteilung vermitteln soll, dazu aber nicht hinreicht. Daher kann die erste Figur nur Geltung beanspruchen, wenn ihre Mitte als das gesetzt wird, was sie unausdr¨ucklich ist, n¨amlich ein isolierter, zuf¨alliger und vereinzelter Aspekt der Sache, der als solcher kein unbedingtes Urteil u¨ ber diese vermitteln kann, sondern nur ein auf diese zuf¨allige Mitte hin eingeschr¨anktes. Dadurch ergibt sich als zweite Figur der Daseinsschluss, in dem nicht einfach eine unmittelbare Beschaffenheit als Mitte auftritt, sondern diese Beschaffenheit als unmittelbar und vereinzelt gesetzt und die Schlussfolgerung auf dieses Einzelne hin relativiert ist242 . 3.3.5.6.2 Zweite Figur* Die zweite Figur des Daseinsschlusses hat damit die Form B-EB -A. Ihr Subjekt markiert ein Besonderes, insofern es ein Ensemble mannigfacher Beschaffenheiten bildet, w¨ahrend die Mitte eine solche Beschaffenheit bezeichnet, welche den anderen gegen¨uber vereinzelt und damit zuf¨allig ist243 . Die Schl¨usse der zweiten Figur beanspruchen ihre Geltung damit nicht schlechthin, sondern sind 241
Vgl. oben Abschnitt 3.3.3 Einzelnen. Vgl. Das wahrhafte Resultat [der ersten Figur] ist, daß zwei Bestimmungen nur zuf¨allig ” verbunden sind. Es kommt auf den medius terminus an, der so oder so sein kann. Die zwei termini [extremi] sind nur auf einzelne Weise verbunden. Indem wir dies in der Form des Schlusses ausdr¨ucken, so ist die Einzelheit das Verbindende“ [V10,195588−93]. 243 Vgl. Die Wahrheit des ersten qualitativen Schlusses ist, dass Etwas mit einer qua” litativen Bestimmtheit als einer allgemeinen nicht an und f¨ur sich zusammengeschlossen ist, sondern durch eine Zuf¨alligkeit, oder in einer Einzelnheit“ [12,9936–1001]. Die zweite Figur dr¨uckt die Wahrheit der ersten aus, daß die Vermittlung in der Einzelheit geschehen, hiermit ” etwas Zuf¨alliges ist“ [20,19521−22]. 242
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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auf diese zuf¨allige und vereinzelte Mitte hin relativiert: X hat die unmittelbare Beschaffenheit Y Insofern etwas die Beschaffenheit Y hat, ist es A Also ist X, insofern es Y ist, A
So kann etwa geschlossen werden: Ein Dieb erh¨alt sich durch seine T¨atigkeit selbst. Insofern eine T¨atigkeit der Selbsterhaltung dient, ist sie rechtm¨aßig. Also handelt der Dieb, insofern er sich durch seine T¨atigkeit erh¨alt, rechtm¨aßig. Insofern er durch seine T¨atigkeit jedoch anderen Schaden zuf¨ugt, handelt er unrechtm¨aßig. Die zweite Figur erlaubt damit nicht, ein unbedingtes Urteil u¨ ber die Sache zu begr¨unden, sondern rechtfertigt bloß Urteile, die nur im Hinblick auf Aspekte der Sache G¨ultigkeit beanspruchen k¨onnen: X ist A, ¨ insofern es Y ist. Uber die zweite Figur, die damit nur relative Beurteilungen der Sache zul¨asst, ist logisch nicht deshalb hinauszugehen, weil von vornherein vorausgesetzt w¨urde, eine Sache m¨usse auch begr¨undbare globale Beurteilungen zulassen. Vielmehr ist solches Hinausgehen deshalb notwendig, weil u¨ berhaupt nur dann, wenn eine globale Beurteilung der Sache m¨oglich ist, auch solche Schl¨usse gezogen werden k¨onnen, deren Geltung auf ihre isolierten Aspekte hin relativiert sind. Denn eine hinsichtlich gewisser Bestimmungen erschlossene Sache kann, soll sie u¨ berhaupt eine Sache sein, nicht einfach in zerstreute Beschaffenheiten zerfallen, die einander nichts angehen. Sollen solche unmittelbaren Beschaffenheiten zur Einheit einer Sache zusammengehalten sein, muss es vielmehr auch Bestimmungen geben, welche ihr nicht nur in einer bestimmten Hinsicht, sondern global zukommen und insofern ein sach¨ubergreifendes Allgemeines bilden. Daher muss es eine Schlussform geben, deren Mitte keine vereinzelte Beschaffenheit, sondern eine solche sach¨ubergreifende, allgemeine Bestimmung ist. 3.3.5.6.3 Dritte Figur* In der dritten Figur E-AB -B schließt damit eine allgemeine Bestimmung ein Einzelnes mit der F¨ulle seiner besonderen Beschaffenheiten zusammen: Das Einzelne ist ein Allgemeines Das Allgemeine u¨ bergreift besondere Beschaffenheiten Also hat das Einzelne besondere Beschaffenheiten
¨ Solange das Allgemeine aber nur abstrakt als gemeinschaftlich Ubergreifendes gefasst ist, l¨asst sich auf diese Weise gar nicht erschließen, welche besonderen Beschaffenheiten das Einzelne hat, sondern bloß, dass es solche Beschaffenheiten einschließt. Mit der Herleitung der dritten Figur hat in der Abfolge der Schlussfiguren
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
jedes Begriffsmoment die Rolle der Extreme und der Mitte eingenommen. Zugleich setzt jede Figur f¨ur ihre eigene Geltungsm¨oglichkeit die der anderen voraus. Denn nicht nur machen die zweite und dritte Figur Voraussetzungen ausdr¨ucklich, unter denen die erste u¨ berhaupt als Schluss gelten kann, und die dritte Figur solche, unter denen dies f¨ur die zweite der Fall ist. Vielmehr setzt auch ein Schluss der dritten Figur die M¨oglichkeit von Schl¨ussen der zweiten und ersten voraus. Denn eine allgemeine Mitte setzt die Existenz besonderer, vereinzelt setzbarer Bestimmungen voraus, die sie u¨ bergreift und die gleichfalls in Schl¨ussen als Vermittler fungieren k¨onnen; und ein Schluss, der mit einer vereinzelten Mitte operiert, kann dies nur, insofern diese gegen¨uber anderen, besonderen Beschaffenheiten der Sache isoliert gesetzt ist, die ebenso als Mitte eines Schlusses auftreten k¨onnen. Da die einzelnen Figuren einander so wechselseitig voraussetzen, muss jedes Begriffsmoment Mitte oder Extrem sein und so alle schlusslogischen Rollen einnehmen k¨onnen, um eine spezifische einzunehmen. Kann aber jedem Begriffsmoment in den Figuren des Daseinsschlusses jede schlusslogische Rolle zukommen, ist die anf¨angliche Zuordnung bestimmter Begriffsmomente zu bestimmten Rollen weggefallen. K¨onnen diese Rollen mit beliebigen Begriffsbestimmungen belegt werden, ist zur M¨oglichkeit des Schlusses nicht verlangt, dass seine Glieder mit bestimmten Begriffsmomenten belegt sind244 . Damit ergibt sich eine Schlussform, die Bestimmungen unangesehen dessen verkn¨upft, ob und wie sie sich zueinander als Begriffsmomente verhalten. Da die asymmetrischen Pr¨adikationsverh¨altnisse zwischen Schlussgliedern aber gerade daran gekn¨upft waren, dass sie sich zueinander als Allgemeines, Besonderes und Einzelnes verhalten, ist damit die Asymmetrie in ihrem Verh¨altnis weggefallen. Der Schluss verkn¨upft daher Bestimmungen, die zueinander in symmetrischen Verh¨altnissen stehen und deren schlusslogische Rollen austauschbar sind, sodass jede Subjekt, Pr¨adikat und Mitte sein kann. 3.3.5.6.4 Mathematischer Schluss* Damit hat sich eine Schlussform ergeben, deren Glieder wechselseitig die Rolle des Subjekts und des Pr¨adikats einnehmen k¨onnen und entsprechend in ei¨ nem Verh¨altnis der Gleichheit oder Aquivalenz stehen245 . So ist das asymmetrische Verh¨altnis von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem, welches die vorangegangenen Figuren pr¨agte, einem symmetrischen Verh¨altnis 244 Vgl. Jedes Moment hat jede Stelle erhalten; es ist als ein durchaus vermitteltes ge” setzt; oder die Bestimmungen als reine Formen, und der Inhalt als durchaus durch die Form selbst bestimmt; Vertilgung des urspr¨unglichen (unmittelbaren) Inhalts“ [12,3054−6]. Richard Winfield res¨umiert treffend: Insofar as the universal, particular and individual can no longer ” be distinguished by what role they play in inference, their form of distinctions as much as their contents have become a matter of indifference“ [W INFIELD 2006: 115]. 245 Vgl. 20,19712−17.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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gewichen, dessen Glieder sich zueinander nicht mehr nach Art unterschiedlicher Begriffsmomente, sondern als gleichwertige Bestimmungen verhalten. Ein Schluss zwischen gleichwertigen Bestimmungen kann aber nur darin bestehen, dass aus der unmittelbaren Gleichheit zwischen Mitte und Extremen auf die vermittelte Gleichheit der Extreme untereinander geschlossen wird. Dieser Schluss dr¨uckt damit die Transitivit¨at der Gleichheit aus und bildet insofern den selbstvermittelten Daseinsschluss, als in ihm eine Gleichheit unmittelbarer, also nicht ausdr¨ucklich aufeinander verweisender Bestimmungen erschlossen wird. Hegel kann diesen Schluss mathematisch“ nennen, insofern das ver” mittelte Gleichsetzen nicht unmittelbar als gleich ausgewiesener Bestimmungen Kernst¨uck mathematischen Beweisens ist246 . Zwar ist der ausdr¨uckliche Unterschied des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen im mathematischen Schluss verschwunden. Da er aber die vorangegangenen Figuren des Daseinsschlusses aufhebt, welche durch diese Begriffsunterschiede gepr¨agt waren, werden sie im mathematischen Schluss unausdr¨ucklich erhalten sein und aus ihm verwandelt wieder hervortreten. Der mathematische Schluss erschließt zwar die Gleichheit seiner Extreme, ist aber nur deshalb ein Schluss, weil sich seine Glieder auch unterscheiden, denn dass A gleich A ist, kann und braucht dagegen nicht erschlossen werden. Die Glieder des mathematischen Schlusses k¨onnen damit aber nicht mehr mit qualitativen Bestimmungen belegt sein wie in den vorausgehenden Figuren des Daseinsschlusses. Denn Qualit¨aten sind Bestimmungen, die aufgrund ihrer Unmittelbarkeit keine unterschiedlichen Weisen des Gegebenseins zulassen, weshalb im Hinblick auf sie Unterschied zugleich Verschiedenheit ist. Wenn unterschiedene Qualit¨aten damit verschieden sind, der mathematische Schluss jedoch unterschiedene Bestimmungen gleichsetzt, k¨onnen diese Bestimmungen keine Qualit¨aten sein247 . Da der mathematische Schluss zugleich unterschiedene und unmittelbare, also nicht direkt aufeinander verweisende Bestimmungen verlangt, welche mittelbar als gleich erweisbar sind, kann er nicht mit qualitativen, sondern nur mit quantitativen Bestimmungen belegt sein. Denn Quanta sind solche unmittelbaren Bestimmungen, hinsichtlich derer ein Unterschied zwischen Unterschiedenheit und Verschiedenheit m¨oglich ist. Als Mengen bestehen sie n¨amlich in Vereinigungen von Elementen, welche auf unterschiedliche Weise zu einem Ganzen gruppiert sein k¨onnen. Daher sind unterschiedliche Anordnungen von Elementen gleichsetzbar, sofern sich eine eineindeutige Zuordnung zwischen diesen Elementen herstellen l¨asst. 246
Vgl. etwa Wittgensteins Behauptung: Das Wesentliche der mathematischen Methode ” ist es, mit Gleichungen zu arbeiten“ [W ITTGENSTEIN 1921: 104, Satz 6.2341]. 247 Daher gibt es keine qualitative Mathematik, also keine Anwendung der Gleichsetzungsmethode auf Qualit¨aten.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Solche Gruppierungen sind zugleich unmittelbar gegeneinander, insofern sie nicht direkt und explizit auf von ihnen unterschiedene bezogen sind, mit denen sie gleichgesetzt werden k¨onnen. So k¨onnen beispielsweise 2356+38976 und 41332 gleichgesetzt werden, weil es sich um unterschiedliche Anordnungen derselben Elemente handelt, ohne dass die eine Anordnung darum unmittelbar auf die andere bezogen w¨are. Da die Extreme des mathematischen Schlusses damit nicht unmittebar gleichsetzbar sind, kann ihre Gleichheit nur vermittelst einer Zergliederung erschlossen werden. Damit kehren im mathematischen Schluss aber die scheinbar verschwundenen Begriffsunterschiede in verwandelter Weise wieder. Die Vermittlung, die ihnen durch die vorangegangenen Daseinsschl¨usse zuteil wurde, hat an ihnen n¨amlich ihre Spuren hinterlassen, insofern sie nun nicht mehr unvermittelt nebeneinander stehen, sondern an ihnen selbst aufeinander verweisen. Als quantitative Bestimmungen erscheinen Allgemeines, Besonderes und Einzelnes nun n¨amlich in mengentheoretischem Gewand. Denn w¨ahrend die Elemente relativ betrachtet Einzelne sind, bildet die Menge als u¨ bergreifende Einheit ihrer Elemente ein Allgemeines, das eine Mehrzahl von Teilmengen hat, die durch verschiedene Elemente bestimmt sind, einander somit zumindest teilweise ausschließen und insofern als Besondere gelten k¨onnen. Zugleich sind die mengentheoretisch charakterisierten Begriffsmomente nicht mehr einfach isoliert gegeneinander, sondern insofern an ihnen selbst aufeinander bezogen, als die Mengen nur durch ihre Teilmengen und Elemente bestimmt sind und diese umgekehrt, insofern sie als solche gesetzt sind, auf die u¨ bergreifende Menge verweisen. Mit dem Wiederauftauchen der Begriffsmomente in klassenlogisch verwandelter Gestalt ergibt sich als neuer Schlusstyp der Schluss der Reflexion, dessen Glieder sich zueinander nicht mehr einfach unmittelbar verhalten, sondern ¨ als Elemente, Teilmengen und Mengen in Verh¨altnissen der Uberund Unter¨ ordnung stehen248 . Der Ubergang zu diesem vermittelten Schlusstyp ist deshalb notwendig, weil erst er eine Voraussetzung einl¨ost, unter der die scheinbar unmittelbaren Daseinsschl¨usse mit beziehungslos auftretenden Schlussgliedern u¨ berhaupt m¨oglich sind. Denn aus ihnen selbst war nicht einsichtig, wie ihre unmittelbare Mitte derart an sich mit den Extremen verkn¨upft sein kann, dass sie deren Beziehung untereinander vermittelt249. 248 Hegel spricht hinsichtlich dieses Schlusstyps von einer auf Vermittlung gegr¨undeten Vermittlung: Diß Vorausgesetzte einer jeden jener Vermittlungen, ist nicht bloß eine gegebene ” Unmittelbarkeit u¨ berhaupt wie im mathematischen Schlusse, sondern es ist selbst eine Vermittlung, nemlich f¨ur jeden der beyden andern Schl¨usse. Was also wahrhaft vorhanden ist, ist nicht die auf eine gegebene Unmittelbarkeit, sondern die auf Vermittlung sich gr¨undende Vermittlung“ [12,10526−30]. 249 Solange sich die Schlussglieder zueinander als daseinslogische Bestimmungen verhielten, ließ sich ihr Verh¨altnis allenfalls als unmittelbares Enthaltensein denken. Dass verschiedene
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Diese Voraussetzung konnte auch der Kreis daseinslogischer Figuren selbst nicht einl¨osen, da die in ihm vollzogenen wechselseitigen Vermittlungen noch auf der wechselseitigen Unmittelbarkeit der Schlussglieder beruhen. Insofern der mathematische Schluss dagegen Resultat wechselseitiger Vermittlung ist, treten die Begriffsunterschiede aus ihm nicht mehr gegeneinander unmittelbar hervor, sondern stehen ausdr¨ucklich an ihnen selbst miteinander in Beziehung. Auf diese Weise l¨ost der Reflexionsschluss, der sich aus dem mathematischen durch Wiederhervortreten der Begriffsunterschiede ergibt, unausdr¨uckliche Voraussetzungen ein, unter denen die vorangegangenen Figuren u¨ berhaupt als Schl¨usse gelten k¨onnen. Denn nur wenn sich Mitte und Extreme an ihnen selbst aufeinander beziehen, ist die M¨oglichkeit solcher Schl¨usse zu verstehen, deren Extreme einander scheinbar fremd gegen¨uberstehen; andernfalls k¨onnte ihre ¨ Mitte die Extreme nicht zusammenschließen. Mit dem Ubergang vom Daseins¨ zum Reflexionsschluss wiederholt sich damit schlusslogisch der Ubergang vom Sein zum Wesen, indem sich die Unmittelbarkeit der Daseinsschl¨usse als Schein erweist und deutlich wird, dass solche Schl¨usse u¨ berhaupt nur vollziehbar sind, weil ihre Glieder an sich nicht einfach unmittelbar und inert gegeneinander, sondern aufeinander bezogen sind. Insofern die Schlussglieder nun in mengentheoretischen Einschlussverh¨altnissen stehen, kann der unmittelbare Daseinsschluss klassenlogisch reformuliert und damit r¨uckwirkend seine M¨oglichkeit eingeholt werden. Einzelnes ist demnach dadurch vermittelst eines Besonderen mit einem Allgemeinen zusammengeschlossen, dass es Element einer Menge ist, die ihrerseits Teilmenge einer umfassenderen Menge ist. Auf diese Weise hat sich als unmittelbarer Reflexionsschluss der Schluss der Allheit ergeben: B⊂A E∈B E∈A 3.3.5.7 Der Reflexionsschluss* Der Reflexionsschluss bildet die vermittelte Form des Schlusses, insofern seine Glieder zwar an ihnen selbst aufeinander verweisen, dabei aber kein ausdr¨uckliches Selbstverh¨altnis bilden. Seine Glieder stehen im Zeichen des Einzelnen, insofern Menge und Teilmenge als klassenlogische Formen des AllgeEinzelne Instanzen desselben Allgemeinen sein k¨onnen, war, solange dieses einfach als unmittelbare Bestimmung gefasst ist, nicht zu verstehen. Denn als solche kann es nicht in mehreren, unmittelbar voneinander verschiedenen Einzelnen zugleich sein: Wenn A in E ist, E und E* aber unmittelbar verschieden und isoliert, so kann A als gleichermaßen unmittelbares nicht auch in E* sein. Diese Aporie ist im Reflexionsschluss vorl¨aufig beseitigt, da es hier kein unmittelbares Enthaltensein eines Unmittelbaren in unmittelbar Verschiedenem geben soll, sondern bloß unmittelbar Verschiedene auf unterschiedliche Weise zu verschiedenen Mengen vereinigt sind.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
meinen und Besondern auf einzelnen Elementen aufbauen. Nach dem Durchgang durch die Vermittlungen des Daseinsschlusses ist das Einzelne aber nicht mehr einfach unmittelbar, sondern als Einzelnes von allgemeiner Bestimmtheit gesetzt. Daher sind die im Reflexionsschluss auftretenden Mengen – etwa diejenige der Menschen – auch keine Zusammenfassungen wahlloser Elemente, sondern Klassen von Einzelnen, die eine gewisse allgemeine Bestimmung aufweisen. Auch die Mitte des Reflexionsschlusses steht im Zeichen des Einzelnen. Insofern dieses als Einzelnes von allgemeiner Bestimmtheit auftritt, ist seine Einzelheit zur Allgemeinheit erweitert“ 250 . Ein Einzelnes allein kann gar nicht ” zwischen anderen Einzelnen oder Mengen von solchen vermitteln. Daher muss die Mitte des Reflexionsschlusses in der Menge der Einzelnen einer gewissen allgemeinen Bestimmtheit bestehen und ist als solche Allheit, n¨amlich die Menge all solcher Einzelner251 . In den unterschiedlichen Gestalten des Reflexionsschlusses nimmt damit jeweils eine Allheit Einzelner die Rolle der Mitte ein. Diese ist dabei aber jeweils unterschiedlich als unmittelbar, vermittelt und selbstvermittelt bestimmt und damit durch unterschiedliche Begriffsmomente gepr¨agt252 . Zun¨achst nimmt im Schluss der Allheit eine unmittelbare Menge Einzelner die Position der Mitte ein. Eine Allheit Einzelner einer allgemeinen Natur ist aber dann unmittelbar, wenn sie an ihr selbst weder als Resultat der Vereinigung dieser Einzelnen noch als Ausgangspunkt f¨ur ihre Erweiterung um weitere Einzelne gesetzt ist. Nun ist eine solche Menge an ihr selbst aber bloß auf ihre Elemente bezogen. Eines der Extreme dieser Schlussform muss daher in einem solchen Element bestehen. Eine Menge kann eine Vermittlung eines ihrer Elemente aber nur leisten, sofern sie als Teilmenge einer u¨ bergreifenden Menge gesetzt ist, da sie selbst dieses Element weder mit ihren anderen Elementen noch mit ihren Teilmengen vermitteln kann. Indem die Mitte des Schlusses als Teilmenge gesetzt ist, bildet sie damit ein Besonderes. Denn eine Teilmenge ist insofern Besonderes, als die u¨ bergreifende Menge mehrere Teilmengen unter sich hat, die zueinander in ausschließenden Verh¨altnissen stehen. Der Schluss der Allheit E-B∀E -A lautet damit: 250
12,11111. Vgl. Uebersehen wir den Gang der Schl¨usse der Reflexion, so ist die Vermittlung ” u¨ berhaupt die gesetzte, oder concrete Einheit der Formbestimmungen der Extreme; die Reflexion besteht in diesem Setzen der einen Bestimmung in der andern; das Vermittelnde ist so die Allheit. Als der wesentliche Grund derselben aber zeigt sich die Einzelnheit, und die Allgemeinheit nur als a¨ usserliche Bestimmung an ihr, als Vollst¨andigkeit“ [12,1187−12]. 252 Dass die Begriffsmomente A, B und E, welche in jeweils unterschiedlichen Reflexionsschl¨ussen die Mitte einnehmen, eine Allheit Einzelner charakterisieren, wird im Folgenden durch ihre Indizierung mit ∀E“ ausgedr¨uckt. ” 251
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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E ist ein B Alle B’s sind A’s Also ist E ein A
¨ Dieser Schluss wird sich jedoch als zirkul¨ar erweisen und nur durch Ubergang zum Induktionsschluss zirkelfrei reformulierbar sein. Dessen Mitte bildet als vermittelte Allheit keine einfachhin als bestehend angesetzte Menge Einzelner, sondern eine Ansammlung Einzelner, die zugleich als Ergebnis wie als Ausgangspunkt einer Erweiterung um weitere Einzelne gesetzt ist. Die Mitte steht damit insofern im Zeichen der Einzelheit, als sie einfach eine vermittelte Ansammlung Einzelner bildet und nicht als definit bestimmte Menge gesetzt ist. Entsprechend kommt es f¨ur den Induktionsschluss B-E∀E -A nicht auf den Umfang dieser Ansammlung Einzelner an, sondern nur darauf, dass es alle ” bisherigen“ sind: Alle bisherigen B’s sind A’s Also sind u¨ berhaupt alle B’s A’s
Eine beschr¨ankte Ansammlung Einzelner, die in einer besonderen und einer allgemeinen Bestimmtheit u¨ bereinkommen, reicht aber allein nicht hin, eine von Einzelheit unabh¨angige Beziehung zwischen Besonderem und Allgemeinem zu erschließen. Vielmehr kann sie eine solche Beziehung u¨ berhaupt nur vermitteln, wenn die Einzelnen eine allgemeine Natur haben, aus der sich diese Beziehung erkl¨art. Damit ergibt sich ein Schluss, dessen Mitte im Zeichen des Allgemeinen steht und darum eine Ansammlung Einzelner markiert, die im Schluss nicht als Einzelne, sondern verm¨oge ihrer allgemeinen Natur vermitteln. Auf diese Weise vereinigt der Analogieschluss E-A∀E -B die beiden vorangegangen Schl¨usse: Alle bisherigen Einzelnen der allgemeinen Natur A sind B Ein weiteres Einzelnes E hat dieselbe allgemeine Natur A Also ist E ebenfalls ein B
In den Reflexionsschl¨ussen nimmt damit zun¨achst die unmittelbare Menge aller Einzelnen von gewisser allgemeiner Beschaffenheit die Position der Mitte ein, darauf eine vermittelte Ansammlung solcher Einzelner und schließlich eine vermittelte Ansammlung solcher Einzelner in Funktion ihrer allgemeinen Natur. 3.3.5.7.1 Schluss der Allheit* Der Schluss der Allheit bildet den unmittelbaren Reflexionsschluss. Er entspricht der singul¨aren Form des Modus Barbara in der klassischen Syllogis-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
tik. Seine Glieder sind Einzelne von bestimmter allgemeiner Beschaffenheit und Mengen solcher Einzelner. Letztere erscheinen als unmittelbar bestehend und durch den Umfang ihrer Elemente bestimmt. Allgemeines und Besonderes treten hier also extensional als Mengen ihrer Instanzen auf253 . Eine solche Bestimmung des Allgemeinen A durch den Umfang seiner Instanzen ist jedoch zirkul¨ar, insofern das einzige Kriterium daf¨ur, eine Instanz von A zu sein, darin besteht, in der Menge der Instanzen von A enthalten zu sein: A={x|x∈A}. Daher kann ein Universale nicht durch die Menge seiner Instanzen bestimmt sein, wenn nicht etwa jede beliebige Menge von Einzelnen ein Universale sein soll. Da Einzelne objektseitig aber gar nicht unabh¨angig von ihrer Artikulation in Urteilen, welche sie durch allgemeine Bestimmungen charakterisieren, selbst¨andig vorhanden sind, ist auch letzteres unm¨oglich. Daher kann Allgemeines nicht einseitig durch den Umfang seiner einzelnen Instanzen bestimmt sein. Hegel selbst gibt jedoch ein anderes, schlusslogisches Argument gegen die Annahme einer einseitigen Fundierung des Allgemeinen im Einzelnen: Wie die Entwicklung der Reflexionsschl¨usse zeigen wird, sind bei extensionaler Auffassung des Allgemeinen n¨amlich gar keine zirkelfreien Schl¨usse m¨oglich. Wie schon angedeutet, hat der Schluss der Allheit die Form E-B∀E -A. Denn in ihm vermittelt eine Menge, die Teilmenge einer u¨ bergreifenden Menge ist und sich zu dieser daher als Besonderes zu einem Allgemeinen verh¨alt, das Enthaltensein eines ihrer einzelnen Elemente in der u¨ bergreifenden Menge. Dies trifft etwa auf das klassenlogisch gefasste Standardbeispiel f¨ur den Modus Barbara zu: Alle Menschen geh¨oren zur Menge der Sterblichen Sokrates geh¨ort zur Menge der Menschen Also geh¨ort Sokrates zur Menge der Sterblichen
Nun ist aber das Allgemeine, die u¨ bergreifende Menge, als deren Element das Einzelne hier erschlossen wird, an ihm selbst schon als Vereinigung Einzelner gegeben. Die Menge, als deren Element das Einzelne erwiesen werden soll, ist daher schon ausdr¨ucklich durch das Enthaltensein dieses Einzelnen in ihr bestimmt. Insofern Besonderes und Allgemeines in ihnen nur u¨ ber den Umfang ihrer einzelnen Elemente bestimmt sind, sind Allheitsschl¨usse damit zirkul¨ar, weil sie verm¨oge ihres Obersatzes die G¨ultigkeit des Schlussatzes schon voraussetzen254 . Sind etwa die Mengen der Menschen und der Sterblichen nur 253 Dem w¨ urde heute eine Bestimmung von Universalien als Mengen von Individuen in m¨oglichen Welten entsprechen, vgl. etwa L EWIS 1999. 254 Vgl. Das Subject erh¨ alt durch den Schlußsatz ein Pr¨adicat als eine Folge; der Obersatz ” aber enth¨alt in sich schon diesen Schlußsatz; der Obersatz ist also nicht f¨ur sich richtig, oder ist nicht ein unmittelbares, vorausgesetztes Urtheil, sondern setzt selbst schon den Schlußsatz voraus, dessen Grund er seyn sollte“ [12,11223−25].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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u¨ ber den Umfang der in ihnen zusammengenommenen Einzelnen bestimmt, so ist die Menge der Sterblichen, als deren Element Sokrates durch den Schluss erwiesen werden soll, schon ausdr¨ucklich durch sein Enthaltensein in ihr definiert. Insofern ein solcher Schluss daher nichts erschließt, was nicht schon ausdr¨ucklich in seinen Pr¨amissen enthalten w¨are, ist er ein bloßer Scheinschluss. Nun sind Schl¨usse im Modus Barbara aber f¨ur alle anderen syllogistischen Figuren grundlegend, insofern diese aus ihnen hergeleitet werden k¨onnen. Solange Klassen nur u¨ ber die in ihnen zusammengenommenen Einzelnen bestimmt sind, k¨onnen Syllogismen daher nur zirkul¨are Resultate erbringen, da ihre Schlussfolgerungen in den Pr¨amissen schon ausdr¨ucklich enthalten sind. Damit hat sich ein schlusslogisches Argument gegen die rein extenstionale Bestimmung von Intensionen ergeben, das zugleich einen Einwand gegen die klassenlogische Auffasung des Schließens darstellt. Die Unterordnung eines Einzelnen unter ein Allgemeines kann im echten Sinn nur erschlossen werden, wenn das Allgemeine nicht schon unmittelbar als Menge Einzelner bestimmt ist. Der performative Widerspruch des Allheitsschlusses, ein schlussf¨ormiges Gebilde zu sein, das nichts erschließt, kann daher nur beseitigt werden, wenn das Verh¨altnis von Besonderem und Allgemeinem so gefasst wird, dass die Unterordnung des Einzelnen unter das Allgemeine nicht in jedem Fall schon unmittelbar gegeben und insofern trivial ist. Zwar ist eine Vermeidung der aufgewiesenen Zirkularit¨at dadurch m¨oglich, dass das Verh¨altnis von Besonderem und Allgemeinem nicht extensional, sondern intensional gefasst wird, womit direkt vom Reflexionsschluss zum Notwendigkeitsschluss u¨ bergegangen w¨are. Soll eine solche intensionale Beziehung aber nicht bloß aus Verlegenheit angenommen werden, muss zun¨achst versucht werden, den Zirkel mit dem, was sich unmittelbar aus ihm ergibt, und damit mit Mitteln zu beseitigen, die ihrerseits extensional sind. Nun macht der Zirkel des Allheitsschlusses ausdr¨ucklich, dass die in seinem Obersatz ausgedr¨uckte extensionale Beziehung von Besonderem und Allgemeinem nicht unmittelbar besteht, sondern durch das Einzelne vermittelt ist255 . In diesem Zirkel ist also bereits eine neue Schlussform angelegt, in der Einzelnes das klassenlogische Verh¨altnis von Besonderem und Allgemeinem vermittelt. Ein solches kann nach der Lektion des Allheitsschlusses aber nur dann erschlossen werden, wenn Besonderes und Allgemeines nicht schon als Umf¨ange ihrer Instanzen fertig gegeben sein sollen. Daher darf das Inklusionsverh¨altnis zwischen Besonderem und Allgemeinem zun¨achst nur f¨ur eine begrenzte An255
Vgl. Nach dem n¨ahern Inhalt des Reflexionsschlusses zeigte sich, daß das Einzelne in ” unmittelbarer, nicht einer erschlossenen Beziehung auf sein Pr¨adicat steht, und daß der Obersatz, die Verbindung eines Besondern mit einem Allgemeinen, durch die Beziehung der Einzelnheit, die in jenem vorhanden ist – der Einzelnheit als Allheit, – vermittelt ist“ [12,1139−15].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sammlung Einzelner ausdr¨ucklich bestehen, aus der ein generelles Einschlussverh¨altnis erst erschlossen wird256 . Ein Schluss, der anhand einer begrenzten Zahl von F¨allen ein allgemeines Inklusionsverh¨altnis erschließt, ist nun aber gerade der Induktionsschluss, der sich somit als unausdr¨uckliche Voraussetzung des Allheitsschlusses ergeben hat. Er macht deutlich, dass Begriffsumf¨ange und durch sie festgelegte Verh¨altnisse zwischen Begriffen nicht einfach unmittelbar gegeben sind, sondern durch Betrachtung von Begriffsinstanzen gewonnen werden m¨ussen. Der Induktionsschluss macht so zugleich den Mangel des Allheitsschlusses wett, weil erst durch ihn die Unterordnung eines Einzelnen unter ein Allgemeines zirkelfrei erschließbar ist, indem daraus, dass alle bisherigen B’s A’s sind, geschlossen wird, dass auch alle weiteren B’s A’s sind. 3.3.5.7.2 Induktionsschluss* Der Induktionsschluss macht ausdr¨ucklich, was der Schluss der Allheit unausdr¨ucklich voraussetzt, dass n¨amlich die Inklusion des Besonderen im Allgemeinen u¨ ber das Einzelne vermittelt ist. Die Extreme des Induktionsschlusses k¨onnen damit aber keine Bestimmungen mehr sein, die unmittelbar durch Umf¨ange ihrer Instanzen gegeben sein sollen, da so bloß der Zirkel des Allheitsschlusses wiederholt w¨are. Daher kann auch die Allheit Einzelner, welche nun die Mitte bildet, nicht unmittelbar als definiter Begriffsumfang gesetzt sein, sondern nur in einer Ansammlung Einzelner von einer gewissen Beschaffenheit bestehen, die sowohl als Ergebnis wie als Ausgangspunkt von Vermittlung, n¨amlich einer Erweiterung um weitere Einzelne, gesetzt und insofern als alle ” bisherigen“ Einzelnen dieser Beschaffenheit bestimmt ist257 . Im Induktionsschluss B-E∀E -A nimmt damit eine vermittelte Allheit Einzelner die Rolle der Mitte ein. Daraus, dass alle bisherigen Einzelnen sowohl B wie A sind, wird geschlossen, dass grunds¨atzlich und unabh¨angig von diesen Einzelnen alle B A sind: Gold ist Metall, Silber ist Metall, ebenso Kupfer, Blei usw. Dies ist ” der Obersatz. Dazu kommt der Untersatz: alle diese K¨orper sind elektrische 256
Im Induktionsschluss nehmen damit laut Hegel die Einzelnen die Mitte ein [vgl. 12,11318−22]. Zugleich bestimmt Hegel die Mitte der Reflexionsschl¨usse generell als Allheit [vgl. 12,1187−10]. Damit steht die Mitte des Induktionsschlusses im Zeichen einer durch Einzelheit gepr¨agten Allheit. Entsprechend sind es im Induktionsschluss auch nicht einfach einige Einzelne, welche eine Beziehung von Besonderem und Allgemeinem vermitteln. Denn eine solche k¨onnen sie allenfalls dann vermitteln, wenn die betreffende Ansammlung Einzelner ausnahmslos ist, das heißt also, wenn sie in allen bisherigen Einzelnen besteht. 257 Der dialektische Sturz aus der abstrakten Sph¨ are des Allheitsschlusses auf den Boden der Induktion ergibt auch erkenntnislogisch Sinn: Denn nicht nur sind Begriffe niemals unmittelbar u¨ ber die Umf¨ange ihrer Instanzen gegeben. Vielmehr sind zumindest empirische Begriffe auch nicht einfach unabh¨angig von ihren Instanzen bestimmt und legen ihre Umf¨ange daher nicht schon an sich definit fest, sondern entwickeln sich familien¨ahnlich im Zuge ihrer Applikation.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Leiter, und daraus resultiert der Schlußsatz, dass alle Metalle elektrische Leiter sind. Hier ist also die Einzelheit als Allheit das Verbindende“ 258 . Zwar beseitigt der Induktionsschluss so die Zirkularit¨at seines Vorg¨angers. Er ist jedoch insofern selbst mangelhaft, weil unklar bleibt, wie eine beschr¨ankte Ansammlung Einzelner ein allgemeines, unbeschr¨anktes Verh¨altnis vermitteln kann, das von diesen Einzelnen unabh¨angig ist. Solange Einzelne nur als isolierte Einheiten gelten, die bloß a¨ ußerlich zu Klassen zusammengenommen werden, verm¨ogen sie eine u¨ ber ihre Einzelheit hinausgehende Beziehung solcher Klassen nicht zu gew¨ahrleisten. Entsprechend ist nicht ersichtlich, weshalb daraus, dass ein Einschlussverh¨altnis zwischen zwei Klassen, zu denen eine beschr¨ankte Anzahl Einzelner bloß a¨ ußerlich-vergleichend zusammengenommen ist, folgen sollte, dass sich diese Klassen unter Aufrechterhaltung des Einschlussverh¨altnisses unbeschr¨ankt erweitertern lassen. So bleibt offen, wieso etwa daraus, dass alle bisherigen Metalle Leiter waren, folgen sollte, dass grunds¨atzlich alle Metalle Leiter sind. Ein Induktionsschluss setzt f¨ur seine Geltung daher unausdr¨ucklich voraus, dass Einzelne nicht bloß a¨ ußerlich zu Klassen gruppiert werden k¨onnen, sondern eine allgemeine Natur haben, aufgrund derer sie in konkreten F¨allen allgemeing¨ultige Beziehungen zwischen solchen Klassen vermitteln k¨onnen. Die Bedingung der M¨oglichkeit von Induktionsschl¨ussen ist damit, dass es nicht nur Einzelnes gibt, das a¨ ußerlich zu Klassen zusammengenommen werden kann, sondern Einzelnes an ihm selbst eine generische Verfasstheit aufweist und darum Bez¨uge zwischen generischen Bestimmungen aus Beziehungen zwischen Einzelnen von derartiger Bestimmtheit erschlossen werden k¨onnen. Die Pointe von Hegels Kritik am Induktionsschluss ist daher nicht, dass dieser auf einem logischen Fehler beruht, sondern bloß, dass Schl¨usse dieser Form nur unter Voraussetzungen gelten k¨onnen, welche sie selbst nicht ausdr¨ucklich machen. Eine Ansammlung Einzelner kann ein von ihr unabh¨angiges Verh¨altnis zwischen Besonderem und Allgemeinem nur vermitteln, sofern das Einzelne nicht nominalistisch als unmittelbare Einzelheit genommen wird, sondern an ihm selbst eine allgemeine Natur aufweist259 . Die empiristische Schlussform schlechthin ist damit nur unter Bedingungen operabel, die einem empiristischen Nominalismus zuwiderlaufen: Nur wenn Einzelnes an ihm selbst generisch bestimmt ist, k¨onnen allgemeing¨ultige Beziehungen zwischen Besonderem und Allgemeinem anhand einer beschr¨ankten Zahl einzelner F¨alle erschlossen werden. Damit hat sich eine neue Schlussform ergeben, welche diese Voraussetzung des Induktionsschlusses ausdr¨ucklich 258
TW8,342 Z. Vgl. Der Schluß durch Induction gr¨undet sich daher wohl auf eine Unmittelbarkeit, ” aber nicht auf die auf die er sich gr¨unden sollte, auf die seyende Unmittelbarkeit der Einzelnheit, sondern auf die an und f¨ur sich seyende, auf die allgemeine“ [12,1152−5]. 259
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
macht und in der Einzelnes nicht mehr unmittelbar, sondern ausdr¨ucklich als Einzelnes von einer allgemeinen Natur die Verkn¨upfung der Extreme vermittelt260. 3.3.5.7.3 Analogieschluss* Zwar markiert die Mitte im Analogieschluss – wie in allen Schl¨ussen der Reflexion – eine Allheit Einzelner261 . Diese ist nun aber insofern als Allgemeines gesetzt, als nun ausdr¨ucklich Einzelnes von einer allgemeinen Natur einen Zusammenschluss zwischen dieser und einer anderen Bestimmung vermitteln soll. Der Analogieschluss E-A∀E -B bildet so die Einheit der beiden vorangegangenen Schlussformen. Denn seine Mitte besteht weder unmittelbar in allen Einzelnen einer allgemeinen Verfassung noch in allen bisherigen Einzelnen, sondern ausdr¨ucklich in allen bisherigen Einzelnen in Funktion ihrer allgemeinen Natur. Damit bildet der Analogieschluss den selbstvermittelten Reflexionsschluss, insofern die Einzelnen, welche seine Mitte ausmachen, ausdr¨ucklich als Instanzen einer ihnen selbst wesentlichen Gattung gesetzt sind und mit dieser insofern in einem Selbstverh¨altnis stehen. Im Analogieschluss nimmt damit Einzelnes, das als Instanz einer Gattung gesetzt ist, die Rolle der Mitte ein, insofern daraus, dass es eine gewisse Beschaffenheit hat, geschlossen wird, dass auch anderes Einzelnes derselben Gattung diese Beschaffenheit hat262 . Das Problem des Analogieschlusses ist, dass seine Mitte zwar als ein Einzelnes von einer gewissen allgemeinen Natur gesetzt ist. Gerade dadurch erweist sie sich jedoch als zweideutig, da nicht ausdr¨ucklich ist, ob das Einzelne seine besondere Beschaffenheit aufgrund seiner allgemeinen Natur oder dank seiner zuf¨alligen Einzelheit hat263 . Einzelnes von allgemeiner Natur 260 Vgl. Die Wahrheit des Schlusses der Induction ist daher ein solcher Schluss, der eine ” Einzelnheit zur Mitte hat, die unmittelbar an sich selbst Allgemeinheit ist, – der Schluss der Analogie“ [12,11515−17]. 261 Zwar k¨ onnte es von den von Hegel selbst gegebenen Beispielen f¨ur Analogieschl¨usse her scheinen, als bilde in diesen einfach ein Einzelnes von einer gewissen allgemeinen Natur die Mitte. Hegel weist in seinen Bemerkungen zum Reflexionsschluss jedoch darauf hin, dass in dessen unterschiedlichen Gestalten jeweils unterschiedliche bestimmte Allheiten Einzelner die Rolle der Mitte einnehmen und nicht bloß ein Einzelnes f¨ur sich [vgl. 12,11810−12]. Ein Analogieschluss, der unbesehen auf einem Einzelnen einer allgemeinen Natur aufbaut und daraus, dass diesem eine gewisse Bestimmtheit zukommt, schließt, dass diese auch weiteren Einzelnen dieser Natur zukommt, k¨onnte nicht einmal den Anflug von G¨ultigkeit beanspruchen. Vielmehr ist daf¨ur verlangt, dass nicht zugleich auch Einzelne dieser Natur gegeben sind, welchen die zu vermittelnde Bestimmtheit nicht zukommt. Daher ist f¨ur die m¨ogliche Geltung des Analogieschlusses notwendig, dass alle bisherigen Einzelnen einer allgemeinen Natur die betreffende Bestimmtheit haben, welche er f¨ur ein weiteres Einzelnes dieser Natur erschließt. 262 Vgl. Im Schluß der Analogie wird daraus, daß Dingen einer gewissen Gattung eine ge” wisse Eigenschaft zukommt, geschlossen, daß auch anderen Dingen derselben Gattung dieselbe Eigenschaft zukommt“ [TW8,343 Z.]. 263 Vgl. Wenn zwar das eine Subject dieselbe allgemeine Natur hat, als das andere, so ist ”
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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und besonderer Beschaffenheit kann anderes Einzelnes derselben Natur aber nur dann mit derselben Beschaffenheit zusammenschließen, wenn es diese Beschaffenheit aufgrund seiner allgemeinen Natur und gerade nicht bloß in seiner zuf¨alligen Einzelheit hat. Ist das vermittelnde Einzelne mit seiner besonderen Beschaffenheit nicht aufgrund seiner allgemeinen Natur verkn¨upft, gilt der Analogieschluss dagegen nicht. Hegels Beispiel hierf¨ur ist: Die Erde ist ein Himmelsk¨orper, der bewohnt ist. Der Mond ist ein Himmelsk¨orper. Also ist der Mond bewohnt264 . Ein Analogieschluss kann also nur Geltung beanspruchen, wenn die allgemeine Natur der in ihm vermittelnden Einzelnen an ihr selbst mit der besonderen Bestimmtheit verbunden ist, welche jene Einzelnen von weiteren Einzelnen dieser Natur zu erschließen erlauben sollen. Der Analogieschluss l¨asst sich damit nur einl¨osen, sofern die in ihm auftretenden generischen Bestimmungen an ihnen selbst und nicht bloß vermittelst sie instanziierender Einzelner verkn¨upft sind. 3.3.5.7.4 Die drei Schl¨usse der Reflexion* Nun sind alle M¨oglichkeiten durchlaufen, mit einer klassenlogisch im Einzelnen fundierten Mitte Schl¨usse zu bilden, sei diese gesetzt als Besonderes, n¨amlich als unmittelbar vollst¨andig gegebene Teilmenge einer u¨ bergreifenden Menge im Schluss der Allheit, sei sie gesetzt als vermittelte Ansammlung Einzelner im Induktionsschluss oder als Einzelnes von allgemeiner Natur im Schluss der Analogie. Dabei hat sich erwiesen, dass solche Schlussformen, isoliert betrachtet, um g¨ultig zu sein, ihre Konklusionen schon voraussetzen und insofern zirkul¨ar sind265 . Die Pointe von Hegels Behandlung der Reflexionsschl¨usse ist aber nicht, dass diese Formen nichts erschließen, sondern vielmehr deshalb keine autonome Sph¨are von Schlussformen bilden k¨onnen, weil die M¨oglichkeit g¨ultiger Schl¨usse dieser Form eine unausdr¨uckliche Voraussetzung hat, die erst mit dem Notwendigkeitsschluss ausdr¨ucklich thematisch wird: Konkrete Allgemeinheit. Der Allheitsschluss erschließt n¨amlich die Unterordnung eines Einzelnen unter ein Allgemeines, das selbst schon ausdr¨ucklich durch seine einzelnen Elemente bestimmt ist, und verlangt daher eine anders als durch den unbeschr¨ankten Umfang ihrer Instanzen gefasste Bestimmung von Allgemeinheit. Die im Induktionsschluss erschlossene Verallgemeinerung kann ihrerseits nur dann von einer beschr¨ankten Menge Einzelner geleistet werden, sofern diese nicht schlichtweg Einzelne sind, sondern eine allgemeine Natur haben. Daher es unbestimmt, ob dem einen Subject die Bestimmtheit, die auch f¨ur das andere erschlossen wird, verm¨oge seiner Natur, oder verm¨oge seiner Besonderheit zukommt“ [12,11713−16]. 264 Vgl. 12,11528−30. 265 Vgl. Im Schlusse der Reflexion ist diß an ihm selbst gesetzt, daß der Obersatz seinen ” Schlußsatz voraussetzt. [...] dass der Reflexionsschluß nur ein a¨ ußerlicher Schein des Schließens ist“ [12,1331−3;6−7].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
setzt der Induktionsschluss eine nicht vom Einzelnen her zu fassende Form von Allgemeinheit voraus. Schließlich erfordert der Analogieschluss anstelle eines Einzelnen von allgemeiner Natur ein Allgemeines, das von sich her in notwendigen Verh¨altnissen zu weiteren generischen Bestimmungen steht und damit ein konkretes Allgemeines sein muss. Die Explikation dieser Voraussetzung zeigt, dass klassenlogische Schl¨usse, deren Glieder auf Einzelnem aufbauen, nur g¨ultig sein k¨onnen, sofern Einzelnes an ihm selbst eine allgemeine Natur hat, zu der ein interner Zusammenhang generischer Bestimmungen geh¨ort. Im Durchgang durch die verschiedenen Reflexionsschl¨usse, die das Besondere und Allgemeine vom Einzelnen her fassen und Verkn¨upfungen zwischen generischen Bestimmungen nur u¨ ber deren Umf¨ange zulassen, hat sich also gezeigt, dass solche Schl¨usse nur dann g¨ultig sein k¨onnen, wenn notwendige intensionale Beziehungen zwischen generischen Bestimmungen als solchen bestehen. Die Reflexionsschl¨usse, die auf dem Einzelnen aufbauen und das Besondere und Allgemeine diesem nachordnen, k¨onnen damit nur Geltung beanspruchen, wenn es ein konkretes Allgemeines gibt, das an ihm selbst zum Einzelnen und Besonderen in notwendigen Verh¨altnissen steht266 . Nur aufgrund letzterer k¨onnen dann auch besondere
266
Urteile und Schl¨usse k¨onnen damit zwar grunds¨atzlich nur gelten, weil Einzelnes an ihm selbst allgemein ist. Auf welche Weise es dies ist, ist an dieser Stelle der Logik aber noch nicht bestimmt. Seine Allgemeinheit kann weder verdinglichend als statisches Enthaltensein des Allgemeinen im Einzelnen gefasst werden noch l¨asst sie sich so verstehen, als w¨urde Allgemeinheit erst durch epistemische Vollz¨uge in die Welt investiert. Vielmehr entwickelt Hegel im weiteren Verlauf der Begriffslogik eine differenzierte Typik an ihr selbst allgemeiner Einzelheit im Ganzen objektiver Wirklichkeit. Dabei wird sich ergeben, dass das Allgemeine im Einzelnen nicht statisch enthalten ist, sondern in konstitutiven Prozessformen besteht, gem¨aß derer sich Objekte in der Wechselwirkung mit anderen entwickeln und erhalten. Weiter wird sich zeigen, dass die Prozessformen physikalischer, chemischer und biologischer Objekttypen nicht erst durch erkennende Subjekte in die Welt hineininvestiert werden. Da solche Objekte aber Organisationen in einem Kontinuum bilden, in dem sie nicht schon von sich her als selbst¨andige Einheiten ausgezeichnet sind, sondern als solche erst in epistemischen Vollz¨ugen abgehoben werden, sind sie zwar an ihnen selbst allgemein bestimmt. F¨ur sich wird ihre allgemeine Natur aber erst ausdr¨ucklich, wenn Einzelne im Erkennen vermittelst begrifflicher Vollz¨uge als selbst¨andige Objekte angesetzt werden. Im Gegensatz zu solchen Objekttypen gewinnen Zentren seelischen und geistigen Lebens, die in und aus dem Objektkontinuum hervortreten, ihren Selbstand nicht erst dank der artikulierenden Urteilsvollz¨uge eines a¨ ußeren Betrachters. Dergestalt pr¨agen sie schon an sich eigenst¨andig allgemeine Prozessformen des Sichbeziehens und Sichbestimmens aus. Zugleich gestalten Selbstbestimmungszentren das Kontinuum objektseitigen Seins durch ihre Vollz¨uge zu einer Welt, in der auch solche Einzelne auftreten, welche durch diese Vollz¨uge nicht bloß wie Objekttypen artikuliert, sondern u¨ berhaupt erst erzeugt werden. Die eigent¨umliche generische Verfasstheit von Artefakten besteht damit in Allgemeinheit, die allein durch geistige Vollz¨uge investiert ist. Insofern solche Allgemeinheit in geschichtlichen Vollz¨ugen erst erzeugt und nicht bloß artikuliert wird, ist sie selbst ver¨anderlich und entwickelt sich im Zuge der Konstitution ihrer Instanzen selbst mit. Dagegen ist f¨ur die Allgemeinheit,
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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klassenlogische Schl¨usse g¨ultig sein, die scheinbar nur auf Einzelnen und ihrer a¨ ußerlichen Zusammenfassung aufbauen. Insofern generische Bestimmungen von sich her miteinander verkn¨upft sind, stehen sie in notwendigen Verh¨altnissen. Dies erkl¨art, weshalb Hegel den Schlusstyp, der solche Verh¨altnisse generischer Bestimmungen erschließt, als Schluss der Notwendigkeit“ bezeichnet. In diesem Schluss m¨ussen die Be” griffsmomente verwandelt auftreten, weil Allgemeines und Besonderes nun an ihnen selbst und nicht mehr nur als Klassen von Einzelnen bestimmt sind. Damit hat das Einzelne die tragende Rolle, die es in den Reflexionsschl¨ussen besaß, verloren. Als tragender Grund hat sich vielmehr ein Allgemeines ergeben, das von sich her mit seinen Besonderungen verkn¨upft ist. Auf diese Weise hat sich das konkrete Allgemeine im Fortgang der Schlusslogik als implizite Bedingung der M¨oglichkeit von Schl¨ussen u¨ berhaupt erwiesen, obwohl es erst im Notwendigkeitsschluss ausdr¨ucklich auftritt. Insofern Einzelnes und Besonderes damit aber nicht unabh¨angig von ihrer allgemeinen Natur bestehen und mit dieser notwendig verflochten sind, hat sich aus der vermittelten die selbstvermittelte Form des Schlusses ergeben. Denn wenn die Schlussglieder nur deshalb zu Schl¨ussen verbunden sein k¨onnen, weil sie unterschiedliche Ausfaltungen ein- und desselben u¨ bergreifenden Allgemeinen sind, ergibt sich ein Schluss, der in einer Vermittlung durch Auf” hebung von Vermittlung“ besteht. Seine Glieder stehen n¨amlich nicht mehr in a¨ ußerlichen Verh¨altnissen, sondern einem konkreten Selbstverh¨altnis und schließen sich im Schluss daher nicht mit Anderem, sondern mit aufgehobe” nem Anderen, mit sich selbst“ zusammen267 . 3.3.5.8 Der Notwendigkeitsschluss* Zwar wird der logische Fortgang den Notwendigkeitsschluss insofern als selbstvermittelt erweisen, als seine Glieder am Ende wechselseitig derart aufeinander bezogen sind, dass keines ohne die anderen bestehen kann. Zun¨achst stehen sie aber nur einseitig in wesentlichen Beziehungen, insofern sich das Allgemeine zum Besonderen und Einzelnen nicht mehr vermeintlich zuf¨allig oder a¨ ußerlich verh¨alt wie im Daseins- und Reflexionsschluss, sondern f¨ur ihre Existenz und Identit¨at ausdr¨ucklich als notwendig auftritt. Denn aus dem Analogieschluss hat sich ein Einzelnes von einer allgemeinen Natur ergeben, die ihrerseits in einem notwendigen Verh¨altnis zu einem u¨ bergreifendem Allgemeinen steht und insofern eine besondere Art von diesem bildet. Der kategorische Schluss E-BA -A, der sich aus diesen Gliedern ergibt, besteht daher im Zusammenschluss des Einzelnen mit seiner Gattung verwelche Prozessformen im Objektkontinuum auszeichnet, nur der Prozess ihrer Artikulation geschichtlich, nicht aber das artikulierte Allgemeine selbst. 267 20,2007−8.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
mittelst einer besonderen Art. Umgekehrt scheint aber das Gattungsallgemeine zun¨achst nicht schon von sich her auf besondere Arten und einzelne Instanzen bezogen, sodass sich diese scheinbar nur durch a¨ ußerlichen Hinzutritt differenzierender Bestimmungen ergeben. Der kategorische Schluss bildet damit insofern den unmittelbaren Notwendigkeitsschluss, als seine Glieder zwar einseitig in wesensnotwendigen Verh¨altnissen zueinander stehen sollen, ansonsten aber statisch und isoliert nebeneinander stehen. Nun tritt das Besondere aber notwendig als Mehrzahl einander ausschließender Arten einer Gattung auf. Deshalb kann Einzelnes durch unterschiedliche Arten mit seiner Gattung zusammengeschlossen sein, welche sich umgekehrt in mehreren, einander ausschließenden Arten auspr¨agt. Insofern die Glieder des kategorischen Schlusses aber als unmittelbar f¨ur sich bestehend gefasst sind, treten das Besondere und Allgemeine in ihm verdinglicht auf. Damit ist jedoch unverst¨andlich, wie sich das Allgemeine in mehreren besonderen Arten auspr¨agen soll. Denn ein Unmittelbares und Statisches kann offenbar nicht zugleich in Mehrerem enthalten sein, was sich untereinander ausschließt. Offenbar kann solche verdinglichte Allgemeinheit mit ihren besonderen Arten nicht von sich her, sondern nur unter einer zus¨atzlichen Bedingung in Gestalt eines Einzelnen verkn¨upft sein. Wirklich ist die Verkn¨upfung von Allgemeinem und Besonderem deshalb nur vermittelst des Einzelnen. Damit hat sich der hypothetische Schluss als Schlussform ergeben, in der das Einzelne die reale Verkn¨upfung von Besonderem und Allgemeinem vermittelt: Wenn B, dann A E ist B E ist A
Freilich m¨ussen sich auch die an sich bloß hypothetischen Beziehungen der anderen Arten auf die u¨ bergreifende Gattung an ihnen selbst ausweisen lassen. Sofern dies aber nicht durch unmittelbares Enthaltensein der Gattung in ihnen m¨oglich ist, kann auch hier nur Einzelnes die Verkn¨upfung leisten. Eine Verkn¨upfung besonderer Arten mit einem Allgemeinen ist aber nur durch verschiedene Einzelne m¨oglich, da sich einander ausschließende Arten nicht in demselben Einzelnen auspr¨agen k¨onnen. Damit ergibt sich aber die Frage, wie sich ein und dasselbe Allgemeine in verschiedenen Einzelnen auspr¨agen kann. Da somit das Problem, auf welche Weise sich ein und dasselbe Allgemeine in mehreren Arten auspr¨agen kann, durch die Annahme, f¨ur diese Beziehung komme das Einzelne auf, nicht gel¨ost, sondern nur verschoben wurde, kann die Schwierigkeit nur noch in der verdinglichten Auffassung des Allgemeinen selbst liegen. Denn offenbar kann ein und dasselbe Unmittelbare nicht zugleich in mehrerem enthalten sein, was sich entweder untereinander ausschließt oder
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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isoliert voneinander besteht. In solchen k¨onnte nicht ein und dasselbe Unmittelbare, sondern allenfalls mehrere, genau gleiche enthalten sein. Die Annahme von genau Gleichen f¨uhrt aber erneut auf ein Allgemeines und damit zur Wiederkehr des Problems. Daher kann ein- und dasselbe Allgemeine sich nur dann in mehreren Besonderen und Einzelnen auspr¨agen, wenn es nichts Unmittelbares und Statisches, sondern selbstbesondernd ist. Wird das Allgemeine als selbstbesondernd gefasst, liegt darin n¨amlich, dass es sich in besonderen Gestalten auspr¨agt, die als solche untereinander verschieden sind, ohne in ihnen darum selbst verschieden zu sein268 . Damit hat sich innerhalb der Schlusslogik erneut ergeben, dass das Verh¨altnis der Gattung zu ihren besonderen Arten und einzelnen Instanzen als Selbstbesonderung und das Allgemeine somit konkret zu fassen ist. Damit sind aber nicht nur das Einzelne und Besondere von sich her ans Allgemeine gekoppelt, sondern dieses umgekehrt an jene. So hat sich eine Schlussform ergeben, die das Verh¨altnis von Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem als Selbstvermittlung artikuliert269 . Diese kommt im disjunktiven Schluss dadurch zum Ausdruck, dass das Allgemeine hier sowohl als u¨ bergreifende Gattung wie als Sph¨are seiner besonderen Arten und, weil diese einander ausschließen, als vereinzelte Art gesetzt ist: A ist B oder C oder D A ist nicht C oder D Also ist A B
Dass das Verh¨altnis von Gattungsallgemeinheit und Arten als Selbstbesonderung und nicht als a¨ ußerliches Hinzusetzen von Differenzen zu fassen ist, l¨asst sich bereits am Obersatz des disjunktiven Schlusses allein deutlich machen. ¨ Denn dieser dr¨uckt die Aquivalenz des Gattungsallgemeinen A mit der Disjunktion seiner Arten aus: A ≡ Ad ∨ Ad*. Eine solche Gleichsetzung erg¨abe aber keinen Sinn, wo Differenzen a¨ ußerlich zu einer Bestimmung hinzuk¨amen. So gilt beispielsweise nicht: 5 ≡ 5+3 ∨ 5+4. Da der disjunktive Schluss Voraussetzungen ausdr¨ucklich macht, unter denen die anderen Schlussformen u¨ berhaupt erst g¨ultig sein und Sinn ergeben k¨onnen, sind Schl¨usse u¨ berhaupt nur m¨oglich, wenn ihnen implizit ein selbstbesonderndes Allgemeines zugrundeliegt, obzwar dieses nicht ausdr¨ucklich unterstellt zu werden braucht. Vielmehr wird erst im disjunktiven Schluss ma268 Uber ¨ die Art und Weise der Selbstbesonderung des Allgemeinen ist damit noch nichts ausgemacht. Wie sich zeigen wird, pr¨agt sie sich sowohl zeitlos in Gestalt mechanischer, chemischer und protobiologischer Organisationsformen des Objektkontinuums wie zeitlich in der Entwicklung beseelten Lebens und geschichtlich als Geist aus. 269 Vgl. Wenn wir uns an die Form des disjunktiven Schlusses halten, so haben wir darin ” ein und dasselbe expliziert in die Unterschiede des Ganzen“ [V10,198691−93].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
nifest, dass die Schlussglieder nicht einfach verschieden sein k¨onnen, sondern unterschiedliche Gestalten der Selbstbesonderung des Begriffs darstellen m¨ussen270 . Indem diese nun wieder thematisch geworden ist, sind wir damit aber nicht einfach wieder zur reinen Selbstbestimmung zur¨uckgefallen, von der die Begriffslogik ausging. Vielmehr ist Selbstbestimmung nun als dreigliedriger, schlussf¨ormiger Vermittlungszusammenhang der Begriffsmomente gesetzt und damit vollst¨andig artikuliert. Die weitere logische Entfaltung wird zeigen, dass es nicht bloß ein solches konkretes Allgemeines geben muss, sondern dass sich aus diesem selbst apriorisch Typen notwendig instanziierter Gattungsallgemeinheit entwickeln lassen, in Gestalt derer es sich auspr¨agt. 3.3.6 Der Entschluss des Begriffs zur Objektivit¨at 3.3.6.1 Kreisschluss Die Schlusslogik f¨uhrt auf eine Figur durchg¨angiger Vermittlung. Diese ist insofern selbsttragend, als ihre Glieder nicht bloß a¨ ußerlich verkn¨upft sind, sondern ihre Vermittlung selbst leisten. Das bedeutet, dass sie umgekehrt keine unmittelbare Bestimmung aufweisen, welche ihnen unabh¨angig von ihrer Rolle im Schluss zukommt, sondern u¨ berhaupt nur durch den Zusammenhang mit dessen anderen Gliedern bestimmt sind. Da die Schlussglieder ihre Bestimmung so nur als Aspekte reiner Selbstvermittlung haben, ist damit der Unterschied zwischen Schlussform und inhaltlicher Belegung der Schlussglieder verschwunden. Diese spekulative Schlussfigur ist somit angemessener Ausdruck der Selbstvermittlung des Begriffs. Denn die Aspekte reinen Sichbestimmens k¨onnen keine unmittelbare Bestimmtheit aufweisen, sondern allein durch und im Vermittlungszusammenhang mit den anderen bestimmt sein. Daher ist der spekulative Schluss ein dreifacher Schluss, denn jedes Schlussglied ist f¨ur die Bestimmtheit der anderen konstitutiv. Da die Schlussglieder keine ihnen unabh¨angig vom Schlusszusammenhang zukommende Bestimmtheit mehr aufweisen, muss es ihnen wesentlich sein, sich von sich her zu anderem auszulegen und insofern Ausgang von Selbstbestimmung zu sein. Zugleich ist jedes Ergebnis solchen Sichbestimmens und insofern Selbst-Bestimmtes. Drittens vermittelt jedes solche Ergebnis zugleich auch die u¨ bergreifende Einheit von Sichbestimmen und Selbst-Bestimmtem. Das Allgemeine, Besondere und Einzelne oder das Sichbestimmen, das Selbst-Bestimmte und ihre Einheit markieren im vollendeten Schluss damit keine einseitigen Unterschiede. Vielmehr bildet vollst¨andig artikulierte Selbstvermittlung einen 270 So dr¨ uckt der disjunktive Schluss nach Hegel aus, dass die Unterschiede, die zun¨achst ” jeder f¨ur sich ausgel¨oscht sind, als ideell gesetzt sind; die Bestimmtheiten sind negiert, ein Zusammenschließen nicht mit Anderem, sondern mit aufgehobenem Anderem, mit sich selbst. Das ist die Realisierung des Begriffs; eine in sich zur¨uckgegangene Totalit¨at, deren Unterschiede ebenso Totalit¨aten sind“ [V10,198695−700].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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Schluss, in dem jedes Glied jede schlusslogische Rolle einnimmt und damit in gleicher Hinsicht Anfang, Mitte und Ende ist:
Die vorangegangenen Schl¨usse unterscheiden sich vom spekulativen damit dadurch, dass ihre Glieder noch unmittelbare Bestimmtheit aufweisen, die unabh¨angig von ihrer schlusslogischen Rolle auftritt. Aufgrund dessen nehmen sie im Zusammenhang dreier logisch zusammengeh¨origer Schl¨usse zwar jeweils jede Rolle ein, ohne deshalb ihre Unterscheidbarkeit zu verlieren. Ihre Verkn¨upfung zu einem Zusammenhang dreier Schl¨usse ist ihrer unmittelbaren Bestimmtheit gegen¨uber insofern a¨ ußerlich, was sich folgendermaßen veranschaulichen l¨asst:
r u q
In der durchg¨angigen schlusslogischen Vermittlung des Begriffs weisen die Schlussglieder dagegen keine Eigenbestimmtheit gegen¨uber ihrer schlusslogischen Rolle mehr auf. Weil sie zugleich jeweils alle schlusslogischen Rollen einnehmen und insofern funktional gleich bestimmt sind, fallen mit ihrer vollst¨andigen Selbstvermittlung aber gerade die diskreten Unterschiede zwischen den Schlussgliedern weg. Da damit jedoch auch die M¨oglichkeit der Vermittlung zwischen ihnen entf¨allt, hebt sich die vollendete schlusslogische Selbstvermittlung in vermittelte Unmittelbarkeit auf. Damit hat sich aus dem Zusammenhang reiner Selbstvermittlung, der als selbsttragender Dreischluss artikuliert war, logisch eine Form von Unmittelbarkeit ergeben. Denn mit der durchg¨angigen Vermittlung der Schlussglieder ist deren Restunmittelbarkeit gegeneinander verschwunden und der diskrete Unterschied zwischen ihnen in vermittelte Unmittelbarkeit zusammengefallen:
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
b
Das so erreichte Unmittelbare nennt Hegel die Objektivit¨at“ oder das Objekt“ ” ” u¨ berhaupt. Dieses markiert damit kein schlichtweg Unmittelbares, sondern Unmittelbarkeit, die Ausdruck durchg¨angiger Selbstvermittlung ist271 . Das Objekt ist damit auf kein Außerhalb angewiesen, sondern selbst¨andig. Als Endpunkt durchg¨angigen Sichbestimmens bildet es das allein durch sich selbst Bestimmte. Hegel fasst diesen selbsttragenden Charakter als sein An-und-f¨ur” sich-Sein“ 272 . Dass das Objekt an und f¨ur sich ist, bedeutet also, dass es in durch sich Bestimmtem und nicht etwa bloß gegenst¨andlichem Bestimmtsein besteht, zu dem der Bezug auf ein von ihm verschiedenes Subjekt geh¨ort. Der Aufhebung des Sichbestimmens in Unmittelbarkeit entsprungen, schließt die Objektivit¨at Bestimmtheit ein und stellt keinen R¨uckfall zur unbestimmten Unmittelbarkeit des Seins dar. Als Endpunkt von Selbstbestimmung ist sie in ihrem Bestimmtsein selbst-bestimmt und unterscheidet sich so zugleich von daseinslogischer Bestimmtheit, die etwas nur in Abgrenzung von solchem hat, was es nicht ist. Im Gegensatz zur selbsttragenden Bestimmtheit, die sich aus ihm ergeben hat, war das unfundierte Sichbestimmen darum noch unselbst¨andig, weil es im Zuge seiner logischen Selbstanreicherung mit Bestimmtheit sozusagen noch in der Luft hing und noch kein selbsttragendes Bestimmtsein-durch-sich erreicht hatte. Obzwar von a¨ ußeren Vorgaben unabh¨angig, war das reine Sichbestimmen n¨amlich immer noch insofern auf ein Außerhalb verwiesen, als seine Gestalten es selbst jeweils nur nach bestimmten Aspekten entfalteten und dabei u¨ ber sich auf noch unentfaltete Aspekte hinauswiesen. Da unfundiertes Sichbestimmen noch keinen selbsttragenden Charakter hat, sondern seine Gestalten jeweils u¨ ber sich hinausweisen, k¨onnen sie auch keine f¨ur sich selbst¨andigen realen Auspr¨agungen haben. Erst die 271
Hegel spricht diesbez¨uglich von einem Ausgleich“ der Vermittlung: Das Objekt ist ” der Schluss, dessen Vermittlung ausgeglichen und daher unmittelbare Identit¨at geworden ist“ ” [12,13327−28]. Ein Schluss, dessen Vermittlung unausgeglichen ist, w¨are dagegen gerade ein solcher, in dem bestimmte Glieder einseitig vermittelnd oder vermittelt auftreten. Nimmt dagegen jedes jede m¨ogliche Rolle im Vermittlungszusammenhang an, l¨asst sich sagen, ihre Vermittlung sei ausgeglichen. 272 Vgl. Auf dem gegenw¨ artigen Standpunkt unserer Abhandlung hat zun¨achst die Objec” tivit¨at die Bedeutung des an und f¨ur sich seyenden Begriffes, des Begriffes, der die in seiner Selbstbestimmung gesetzte Vermittlung, zur unmittelbaren Beziehung auf sich selbst aufgehoben hat. Diese Unmittelbarkeit ist dadurch selbst unmittelbar und ganz vom Begriff durchdrungen“ [12,13129−33].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
343
vollst¨andige Artikulation des reinen Sichbestimmens im spekulativen Schluss f¨uhrt daher auf solches, was als durch sich Bestimmtes selbsttragend ist. Daher ist erst mit der Objektivit¨at eine logische Bestimmung erreicht, die sich real als Selbst¨andiges auspr¨agen kann. Was Hegel Objektivit¨at“ oder absolutes Ob” ” jekt“ nennt, bildet daher nichts anderes als die logische Minimalbestimmung des Universums im Sinn eines selbsttragenden Ganzen. Entsprechend markiert die Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at noch keine Entwicklung zwischen selbst¨andigen Begriffsgestalten, sondern die logi¨ sche Konstitution von Selbst¨andigkeit. Daher kann sich dieser Ubergang auch nicht in einem realen, zeitlichen Prozess auspr¨agen, sondern markiert die je schon erf¨ullte Voraussetzung aller realen zeitlichen Prozesse273 . 273 Zumindest dies liegt in Hegels ansonsten verwirrender Gleichsetzung des logischen Entschlusses zur Objektivit¨at mit dem ontologischen Gottesbeweis: Vom Begriff ist nun zun¨achst ” gezeigt worden, daß er sich zur Objectivit¨at bestimmt. Es erhellt von selbst, daß dieser letztere Uebergang seiner Bestimmung nach dasselbe ist, was sonst in der Metaphysik als der Schluß vom Begriffe, n¨amlich vom Begriffe Gottes auf sein Daseyn oder als der sogenannte ontologische Beweis vom Daseyn Gottes vorkam“ [12,1277−11]. Diesem Beweis zufolge ist der Begriff Gottes aber keine bloße M¨oglichkeit, die erst irgendwann verwirklicht w¨urde, sondern ist immer schon verwirklicht. Verwirrend ist an Hegels Gleichsetzung, dass seine Bestimmung des Objekts vom Gottesbegriff der Tradition radikal abweicht. Denn Objektivit¨at“ meint zun¨achst ein selbsttragendes ” Ganzes, dem Selbstbewusstsein und Freiheit gerade abgehen. Daher wird Hegels Gleichset¨ zung gelegentlich als irref¨uhrend verworfen [vgl. H OSLE 1988: 241]. Der begriffslogische Fortgang zeigt jedoch, dass sich das Reich objektseitigen Seins notwendig in und aus sich auf eine Mannigfaltigkeit von Zentren abh¨angigen Sichbestimmens u¨ berschreitet, welche es dank ihrer selbstbestimmten Erkenntnis- und Handlungsvollz¨uge in eine Welt sich verwirklichender Freiheit verwandeln [vgl. etwa TW11,528]. Anstatt die Gleichsetzung des Entschlusses zur Objektivit¨at mit dem ontologischen Gottesbeweis zur¨uckzuweisen, l¨asst sie sich daher auch als Ausdruck eines verwandelten Gottesbegriffs lesen. Demnach existierte Gott nicht unabh¨angig von einem Reich selbsttragenden Bestimmtseins, in und aus dem notwendig Zentren abh¨angigselbst¨andigen Sichbestimmens hervortreten, sondern h¨atte als werdender Gott seine Wirklichkeit nur in Gestalt dieser Welt, mit der Hegel ihn gelegentlich gleichsetzt. So bildet laut Hegel das Object u¨ berhaupt das eine noch weiter in sich unbestimmte Ganze, die objective Welt ” u¨ berhaupt, Gott, das absolute Object“ [20,20031−32]. Eine solche Gleichsetzung von Welt und Gott k¨onnte zwar als dessen Verendlichung erscheinen. Die Begriffslogik f¨uhrt mit der absoluten Idee jedoch auf den Inbegriff der Gestalten von Selbstbestimmung, die sich auf sich als Realit¨at unbedingten Sichbestimmens beziehen. Die Gleichsetzung Gottes mit einem selbsttragenden Ganzen, das sich aus sich heraus auf die Gesamtheit seiner Gestalten als Verwirklichung unbedingten Sichbestimmens bezieht, wird aber nicht einfach als Verendlichung gelten k¨onnen. Ein Moment der Endlichkeit ist zwar nicht in der absoluten Idee als solcher, jedoch darin aufgespart, dass sich das Ganze in den einzigen uns bekannten realen Auspr¨agungen solchen unbedingten Selbstbezugs nicht als Ganzes oder ¨ Ubersubjekt auf sich bezieht, sondern verm¨oge bestimmter Vollz¨uge von Zentren abh¨angigselbst¨andigen Sichbestimmens. Sofern sich Kunst, Religion und Philosophie mit Hegel als solche selbstbestimmten Vollz¨uge verstehen lassen, die aufs Ganze gehen und damit reale Auspr¨agungen der absoluten Idee sind, bilden sie dennoch nicht einfach endliche Vollz¨uge, sondern die einzigen uns real vertrauten Gestalten der Selbstbeziehung des Ganzen. Selbst wenn
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Eine Schwierigkeit der Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at besteht so aber darin, dass man sich unter ihr eine konkrete Entwicklung weder vorstel¨ len kann noch soll274 . Andernfalls muss dieser Ubergang als Metabasis eis allo genos erscheinen, nach der aus einer bloßen Form des Denkens die handfeste Wirklichkeit realer Objekte herausgezaubert wird275 . Eine solche Auffasung beruht jedoch auf einem zweifachen Missverst¨andnis. Denn erstens fasst Hegel den Schluss logisch gar nicht als bloße Form des Denkens, der auf wundersame Weise reale Objekte entspringen sollen. Zweitens markiert der Entschluss zur Objektivit¨at die logische Konstitution von Selbst¨andigkeit und meint daher nichts, was sich real als zeitliche Entwicklung auspr¨agen k¨onnte, sondern je schon zeitlos geschehen ist. ¨ Ebenso wenig l¨asst sich gegen den schlusslogischen Ubergang von der Subjektivit¨at zur Objektivit¨at einwenden, er stelle einen R¨uckfall vom hochgradig vermittelten Verweisungszusammenhang zwischen den Momenten des subjektiven Begriffs zu logisch l¨angst u¨ berwundener Unmittelbarkeit dar276 . Zwar ist der subjektive Begriff insofern hochgradig (selbst-)vermittelt, als er in all seinen Gestalten nicht auf anderes, sondern nur auf andere Aspekte seiner selbst hinausweist und insofern Teil und Ganzes zugleich ist. Dennoch sind diese Gestalten gerade deshalb bloße Stationen auf dem Weg zu durchg¨angiger Selbstvermitteltheit, weil sie jeweils noch u¨ ber sich auf andere Aspekte des Ganzen hinausweisen und daher noch keine selbsttragende Gestalt desselben bilden. Sie n¨otigen zwar dazu, vermittelst dieser anderen Aspekte zum artikulierten Ganzen durchg¨angiger Selbstvermittlung u¨ berzugehen, ohne dass dieses in ihnen selbst schon erreicht w¨are. Da sie noch keinen artikulierten Zusammenhang durchg¨angiger Selbstvermittlung darstellen, sondern bloß u¨ ber sich auf einen solchen hinausweisen, sind sie damit noch durch einen Unmittelbarkeitsr¨uckstand einander und dem Ganzen gegen¨uber gekennzeichnet. So bestimmt im Urteil zwar ein Glied das andere, ohne dieses Bestimmen selbst zu thematisieren. Ebenso sind die Schlussglieder zun¨achst nicht allein durch ihre Rolle im Vermittlungszusammenhang bestimmt, sondern weisen ihm gegen¨uber noch Eigenbestimmtheit auf, der gegen¨uber der Schluss als a¨ ußerliche Form erscheint. Eine selbsttragende Gestalt durchg¨angiger Vermittlung ist dasich diese Gestalten als unvollkommene Auspr¨agungen des H¨ochsten erweisen ließen und die Geschichte des Absoluten in ihnen darum noch nicht zum Abschluss gekommen sein k¨onnte, vermag Hegels Realphilosophie doch aus methodischen Gr¨unden nicht u¨ ber sie hinauszugehen und fernere Epochen der Geschichte Gottes oder des absoluten Geistes konkret vorwegzunehmen. (Vgl. dazu unten Abschnitt 4.6 zu den drei Schl¨ussen.) 274 Vgl. 20,20014−19. 275 Vgl. T RENDELENBURG 1840: 383; S CHICK 1994: 255ff.; I BER 2006: 135. Die Selbstbestimmung des Absoluten zur vermittelten Unmittelbarkeit der Welt hat ihren engsten Vorl¨aufer in der vorkritischen Metaphysik wohl in Gestalt von Cusanus’ Lehre von der Kontraktion Gottes zur Welt. 276 Vgl. H OSLE ¨ 1988: 241.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
345
gegen erreicht, wenn die Glieder des Schlusses nur noch durch ihre Rolle im Vermittlungszusammenhang bestimmt sind, damit aber jeweils alle Rollen in diesem einnehmen, somit ununterscheidbar werden und in der vollendeten Selbstvermittlung des Objekts zusammenfallen. Dieses bildet damit keinen R¨uckfall zu bloßer Unmittelbarkeit, sondern geht aus der Vollendung von Selbstvermittlung als der Begriff hervor, der die in seiner Selbstbestimmung ” gesetzte Vermittlung zur unmittelbaren Beziehung auf sich selbst aufgehoben ¨ hat“ 277 . Zur angef¨uhrten Kritik am Ubergang vom Schluss zum Objekt kann es daher nur kommen, wenn der Begriff nicht pr¨azise als Selbstbestimmung gefasst und in seiner selbstanwendenden Operationalit¨at schrittweise entfaltet wird. Andernfalls ergibt sich der Fortgang vom reinen Sichbestimmen der Subjektivit¨at zum selbsttragenden Bestimmtsein des Objekts (und dar¨uber hinaus zu ihrer Einheit im selbsttragenden Sichbestimmen der Idee) zwingend und einfach. Zwar kann sich der Entschluss absoluten Sichbestimmens zur Sph¨are selbsttragender Bestimmtheit, wie gezeigt, nicht als zeitliche Entwicklung auspr¨agen. Da sich diese Sph¨are aber in einer Theorie ergibt, die auf voraussetzungslosem Weg entfaltet, was zum Sein als solchem geh¨ort, muss es ein solches durch sich bestimmtes Ganzes wirklich geben. Umgekehrt kann ein Ganzes u¨ berhaupt nur dann schlechthin selbst¨andig sein, wenn es nicht bloß bestimmt, sondern durch sich bestimmt ist. In der Seinslogik wurde n¨amlich gezeigt, dass etwas unmittelbare Bestimmtheit nur in Abgrenzung von anderem haben kann, in ihr darum aber auf ein Außerhalb angewiesen ist und gerade kein selbsttragendes Ganzes bildet. Darum kann ein bestimmtes Ganzes nur selbst¨andig sein, soweit sich seine Bestimmtheit als Ausdruck seiner Selbstbestimmung und nicht als unmittelbar Vorhandenes verstehen l¨asst. Die seinslogische Annahme unmittelbar vorhandener Bestimmtheit hatte sich durch den logischen Fortgang n¨amlich als widerspr¨uchlich erwiesen. Denn es ist nicht nur so, dass unmittelbar Vorhandenes seine Bestimmtheit nur in Abgrenzung von anderem haben und in dieser Bestimmtheit darum nicht selbst¨andig sein kann. Weil Unmittelbares seine Abgrenzung von anderem selbst gar nicht zu leisten vermag, kann es Bestimmtheit vielmehr u¨ berhaupt nicht unmittelbar, sondern nur als Resultat von Vermittlung geben. Da aber Selbst¨andiges diese Vermittlung nur selbst leisten kann, muss es die ontologische Form des Bestimmtseins-durch-sich aufweisen. Selbst¨andig kann ein Ganzes in seiner Bestimmtheit also nur sein, wenn es sie nicht einfach hat, sondern durch sich selbst bestimmt ist. Das selbsttragende Ganze objektseitiger Realit¨at kann daher nichts einfach Vorhandenes sein. Vielmehr besteht seine logische Grundverfassung im selbstbestimmten Bestimmtsein, zu dem sich der Begriff immer schon zeitlos ausgelegt hat. Daher muss sich aber auch die reale Auspr¨agung solchen selbsttragenden Be277
12,13131−32.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
stimmtseins, das nat¨urliche Universum, als Ausdruck von Selbstbestimmung verstehen lassen, die in ihm gleichsam zeitlos zu durchg¨angiger Bestimmtheit geronnen ist. Zwar wurde diese metaphorische Behauptung soeben logisch begr¨undet, mag aber dennoch abwegig wirken. Gel¨aufigen Auffassungen objektseitiger Realit¨at ließe sie sich jedoch n¨aher bringen, wenn gezeigt w¨urde, dass sich aus der logischen Kategorie des Selbst-Bestimmten gewisse Grundz¨uge des nat¨urlichen Universums ableiten lassen. Obzwar die Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at n¨amlich keine reale Entsprechung in Form einer zeitlichen Entwicklung hat, l¨asst sich der Gedanke virtueller Erzeugung von Bestimmtheit durch Schließung selbstanwendender Operationalit¨at auch unabh¨angig von Hegels spekulativer Logik anhand mathematischer und physika¨ lischer Uberlegungen verdeutlichen. Entsprechend soll in einem ersten Exkurs gezeigt werden, dass sich die Eigenwerte mathematischer Operationen als Ausdruck von deren Selbstanwendung verstehen lassen, in der Ein- und Ausgabe zusammenfallen. Damit erweisen sich Eigenwerte als scheinbar unmittelbare Bestimmungen, die sich aus selbstanwendender Operationalit¨at ergeben. In einem weiteren Exkurs wird dann gezeigt, dass sich gewisse Z¨uge der physikalischen Ansicht der Wirklichkeit als eines Materiefeldes als konkrete Aus¨ pr¨agungen des logischen Ubergangs zur Objektivit¨at verstehen lassen. Dabei wird wesentlich sein, dass Elementarteilchen – die grundlegenden physikalischen Objekte – nicht als substantielle Bausteine der Wirklichkeit aufgefasst, sondern als Eigenwerte eines Feldoperators und damit als etwas verstanden werden, dessen Bestimmtheit kein bloß unmittelbares Faktum, sondern Auspr¨agung unfundierter Operationalit¨at ist. Die Darstellung der Elementarteilchen als Operatoreigenwerte l¨asst sich so als physikalische Ausbuchstabierung des ¨ logischen Ubergangs vom Schluss zur Objektivit¨at verstehen. In beiden F¨allen wird n¨amlich scheinbar unmittelbar vorliegende Bestimmtheit aus der zyklischen Schließung unfundierter Operationalit¨at erkl¨art. 3.3.6.2 Eigenwertbetrachtung Dass eine selbstanwendende Operation aus sich heraus Bestimmtheit abwirft, indem in ihr Vermittelndes und Vermitteltes zusammenfallen, ist nichts, was sich nur anhand selbstbez¨uglicher Negativit¨at als Grundoperation der Logik zeigen ließe. Vielmehr kann nachgewiesen werden, dass sich die Eigenwerte mathematischer Operationen als Ausdruck von deren freiem Operieren verstehen lassen. Der Eigenwert X einer Operation ist dadurch definiert, dass die einoder n-fache Anwendung dieser Operation auf ihn zu ihm selbst zur¨uckf¨uhrt: Op(n)√(X)=X. So√sind etwa Null und Eins Eigenwerte der Wurzeloperation, da gilt n 1=1 und n 0=0. Eigenwerte“ der Operation k¨onnen solche Werte hei” ßen, weil sie sich aus ihrer Operativit¨at allein ergeben und insofern ihre eige”
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
347
nen Werte“ sind. Sie bilden sozusagen Bestimmtheitsknoten, die sich aus dem freien Operieren einer Operation ergeben, das nicht auf vorgegebene Argumente angewiesen ist, sondern selbstanwendend aus sich heraus zu Bestimmtheit f¨uhrt. Zun¨achst scheint es jedoch, als seien Eigenwerte nur anderswoher vorgegebene, nicht aber aus der Selbstanwendung einer Operation gewinnbare Werte, die bloß unter Anwendung der betreffenden Operation auf sie invariant sind. Nun lassen sich Eigenwerte aber als Grenzwerte von Folgen darstellen, die durch einen Startwert a0 und eine Rekursionsgleichung an =f(an-1 ) definiert sind. Denn dass die Folge an konvergiert, bedeutet gerade, dass der Grenz¨ubergang lim an auf einen Wert f¨uhrt, der unter der Anwendung des Operators f invarin→∞ ant ist. Darauf, dass Eigenwerte sich aus dem freien Operieren einer Operation ergeben, deutet nun aber hin, dass solche Folgen zumindest innerhalb gewisser Intervalle unabh¨angig vom Startwert a0 gegen ein und denselben Grenzwert konvergieren278 . Denn dass die Grenzwerte rekursiv dargestellter Folgen von vorgegebenen Startwerten unabh¨angig sind, weist gerade darauf hin, dass sie allein durch die jeweilige Operation selbst bestimmt sind. Allgemein begr¨unden l¨asst sich diese Vermutung, indem die Eigenwertgleichung Op(n) (X)=X aus der Annahme einer Selbstanwendung von Op entwickelt wird279 : Wenngleich eine selbstanwendende Operation ihr eigenes Operandum bildet, k¨onnen Operator und Operandum in ihr nicht schlicht zusammenfallen, da sonst bloß unterschiedslose Unmittelbarkeit vorl¨age. Daher muss sich eine selbstanwendende Operation derart entfalten lassen, dass dem durch sie mitgegebenen Aspektunterschied von Operator und Operandum Rechnung getragen wird. Dazu ist zun¨achst zwischen dem Operator Op und dem Einzugsbereich (...) zu unterscheiden, der von seinem Operandum eingenommen wird: Op(...) √ So konvergiert etwa die Folge an+1 = an unabh¨angig von ihren von Null verschiedenen Startwert a0 beziehungsweise a*0 gegen Eins: a0 =0,5 a*0 =12√ √ a1 = √0.5 = 0,7071... a*1 = √12 = 3,4641... a2 = √0, 7071... = 0,8410... a*2 = √3, 461... = 1,8612... a3 = √0, 8410... = 0,9200... a*3 = √1, 8612... = 1,3643... a4 = √0, 9200... = 0,9576... a*4 = √1, 3643... = 1,1680... a5 = √0, 9576... = 0, 9786... a*5 = √1, 1680... = 1,0807... a6 = √0, 9786... = 0, 9892... a*6 = √1, 0807... = 1,0396... a7 = 0, 9892... = 0,9946... a*7 = 1, 0396... = 1,0196... ... ... lim an = 1 lim a∗n = 1 278
n→∞ 279
n→∞
Zur Idee, Eigenwerte einer Operation als Ausdruck von deren unfundiertem Operieren darzustellen und aus einer Operatorenverkettung ohne erstes Operandum herzuleiten, vgl. ¨ F ORSTER 2000, K AUFFMAN 2003, K AUFFMAN 2005.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
H¨atte der Operator aber ein von ihm verschiedenes Operandum, w¨are seine Anwendung keine Selbstanwendung. In den Einzugsbereich des Operators kann daher nur der Operator selbst fallen: Op(Op) Soll eine Operatorverkettung Ausdruck selbstanwendender Operationalit¨at sein, k¨onnen ihre Glieder jedoch nicht bloß in gleichen Operatoren bestehen, sondern m¨ussen streng identisch sein. Gleiche Operatorenpwerden durch √ verschiedene Einzugsbereiche jedoch differenziert. So sind in 3 zwar zwei gleiche Operatoren verkn¨upft, doch bilden sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Einzugsbereiche nicht denselben Operator, sondern solche verschiedener Stufe. Die Entfaltung selbstanwendender Operationalit¨at kann daher nicht auf einen solchen Stufenunterschied f¨uhren. Ein solcher liegt aber vor, solange eine Operatorverkettung ein Argument hat, das nicht seinerseits in einer Operatorverkettung besteht. Daher kann eine endliche Verkettung von Operatoren wie die folgende, in der jeder Operator einen von ihm verschiedenen Einzugsbereich hat, nicht als Ausdruck von selbstanwendender Operationalit¨at verstanden werden:
Op4 (Op3 (Op2 (Op1 ))) In Insofern eine selbstanwendende Operation den Aspektunterschied von Operator und Operandum einschließt, muss dieser also auch im Operandum wiederkehren, da dieses nichts anderes als die selbstanwendende Operation selbst ist. Eine selbstanwendende Operation kann daher nur als unendliche Operatorverkettung ohne erstes Anfangsglied ausgedr¨uckt werden280 :
Op
= Op(Op(Op(...)))
In dieser Operatorverkettung ist jeder geklammerte Kettenabschnitt sowohl Operandum oder Vermittelndes f¨ur eine Operatoranwendung als auch Ergebnis einer solchen oder Vermitteltes: 280 Mathematische, logische und informatische Beispiele solcher Entfaltung von Selbstbeziehung zu unfundierten Operatorketten finden sich etwa in L¨ofgrens Aufsatz Unfoldment of ¨ self-reference in logic and computer science [L OFGREN 1979] oder in BARWISE /M OSS 1996.
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
349
f¨ur Vermittelndes
Op(Op(Op(...))) durch Vermitteltes
Nun hat in der unfundierten Operatorverkettung, welche sich aus der Entfaltung selbstanwendender Operationalit¨at ergibt, jeder Operator denselben Einzugsbereich, weil sonst gar keine Selbstanwendung vorl¨age. Denn jedes Argument eines Operators muss nicht nur seinerseits Operator sein, sondern derselbe Operator wie derjenige, in dessen Einzugsbereich es steht. Deshalb k¨onnen und m¨ussen scheinbar unterschiedene Operatorketten gleichgesetzt werden, beispielsweise Op(Op(Op(...)))=Op(Op(...)). M¨oglich ist diese Gleichsetzung, da jede solche Kette nichts anderes als eine unfundierte Verschachtelung von Operatoren ist. Wird eine solche Verschachtelung durch X abgek¨urzt, kann dieser Ausdruck damit in sich selbst eingesetzt werden. Im einfachsten Fall ergibt sich: X X = Op(Op(Op(...))) = Op(X)
Auf diese Weise folgt aus der unfundierten Operatorverkettung Op(Op(...)) eine geordnete Reihe von Eigenwertgleichungen X=Op(X), X=Op(Op(X)) usw. als Ausdruck selbstanwendender Operationalit¨at. Diese lassen sich zu einer allgemeinen Eigenwertgleichung zusammenfassen, welche unfundierte Operatorketten gleichsetzt, die sich durch n-Operatoren unterscheiden: X=Op(n) (X). Die allgemeine Eigenwertgleichung ist damit Ausdruck der Schließung selbstanwendender Operationalit¨at, in der Vermittelndes und Vermitteltes zusammenfallen. Da ihr Operandum n¨amlich keine unmittelbare Eigenbestimmtheit gegen¨uber seiner Vermittlung aufweist und so unabh¨angig von dieser nichts ist, f¨uhrt die Vermittlung zum Vermittelnden zur¨uck. Darum k¨onnen und m¨ussen Vermittelndes und Vermitteltes gleichgesetzt werden. Die operative Schließung im Sinne dieser Gleichsetzung von Vermittelndem und Vermitteltem f¨uhrt nun aber gerade auf unmittelbare Bestimmtheit. Denn die Eigenwertgleichung X=Op(n) (X) legt ja, sofern l¨osbar, bestimmte Werte fest, welche L¨osung dieser Gleichung sind. Solche Werte sind damit Bestimmungen, die sich aus der
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Selbstanwendung der Operation herleiten lassen281 . Sie sind deshalb nicht bloß unter Anwendung der betreffenden Operation invariant, sondern ergeben sich aus ihrer Selbstanwendung und sind damit Ausdruck ihrer freien Operationalit¨at. Insofern sich solche Eigenwerte e1 und e2 aus einer selbstanwendenden Operation Op ergeben, ist diese mit ihnen identisch ( Op = e1 und Op = e2 ), w¨ahrend sie untereinander nat¨urlich verschieden sind (e1 6= e2 ). So gilt beispielsweise zwar √ = 1 und √ = 0, aber 06=1. Die spekulative Identit¨at selbstanwendender Operationalit¨at (des Unendlichen) mit dem Bestimmten oder Endlichen, zu dem jene sich auslegt, teilt daher nicht die Transitivit¨at der Identit¨at endlicher Bestimmungen untereinander. Dies leuchtet deshalb ein, weil selbstanwendende Operationalit¨at selbstbesondernd ist. Denn was sich besondert, legt sich zu Bestimmungen aus, die nur, weil sie voneinander verschieden sind und einander ausschließen, Besonderungen eines Allgemeinen sein k¨onnen282 . Was sich zu ihnen auslegt, ist mit ihnen aber darum identisch, weil 281 Thomas Buchheim hat eingewandt, die M¨oglichkeit, aus unfundierten Operatorketten bestimmte Werte abzuleiten, werde an dieser Stelle dadurch erschlichen, dass X“ zun¨achst als ” Abk¨urzung f¨ur eine solche Operatorverkettung, dann aber – in der Eigenwertgleichung – als Variable, also als indefiniter Stellvertreter f¨ur bestimmte Werte fungiert. Eine Erschleichung l¨age aber nur dann vor, wenn vorausgesetzt w¨urde, dass die Eigenwertgleichung l¨osbar ist. Dagegen dient der Einsatz von X“ dazu herauszufinden, ob eine unfundierte Operatorverkettung ” auf bestimmte Werte f¨uhrt. Da gewisse Eigenwertgleichungen l¨osbar sind, zeigt die Herleitung, dass zumindest die Selbstanwendung bestimmter Operatoren bestimmte Werte abwirft. Die Zul¨assigkeit operationaler Selbstanwendung steht dabei außer Frage, weil die immanente Entfaltung reinen Denkens auf reines Sichbestimmen als einfachste Form selbstanwendender ¨ Operationalit¨at und der Ubergang zum bestimmten Sichbestimmen auf (die Zul¨assigkeit) bestimmte(r) Formen selbstanwendender Operationalit¨at gef¨uhrt hat. Dass jede zul¨assige Form selbstanwendender Operationalit¨at auf bestimmte Werte f¨uhrt, ergibt sich daraus, dass Operationen, angewandt auf ein (zul¨assiges) Operandum, regelhaft bestimmte Resultate ergeben. Dies bedeutet aber, dass das Resultat der Operationsanwendung von der Anwendung der Operation auf ihr Operandum unterscheidbar sein muss. Wenn Op(a)“ mit keinem anderen Ausdruck ” gleichgesetzt werden k¨onnte, k¨onnte Op(a)“ nicht Ausdruck der Anwendung einer Operation ” auf ein zul¨assiges Operandum sein. Daher muss die Selbstanwendung von Operationen ein von dieser Anwendung unterscheidbares Resultat haben. Unterscheiden kann sich das Resultat der Operationsanwendung von dieser aber nur durch Bestimmtheit. Deshalb muss unbestimmtes, unfundiertes Operieren auf bestimmte Resultate f¨uhren. 282 Die etwa von William James und Bertrand Russell vertretene kritische Annahme, Hegels Monismus des Begriffs schließe reale Verschiedenheit und lokale Bestimmtheit aus, verfehlt daher ihr Ziel. James behauptet etwa: The world is philosophy’s own; a Single Block, of which, ” if she once get her teeth on any part, the whole shall inevitably become her prey and feed her all-devouring theoretic may“ [JAMES 1882: 192]. Bei Russell heißt es: The view of Hegel is ” that the character of any portion of the universe is so profoundly affected by its relations to the other parts and to the whole, that no true statement can be made about any part except to assign its place in the whole. Since its place in the whole depends upon all the other parts, a true statement about its place in the whole will at the same time assign the place of every other part in the whole. Thus there can be only one true statement“ [RUSSELL 1945: 743, vgl. RUSSELL 1914: 48].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
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es sich selbst zu ihnen besondert. Dieses Identische in allem Verschiedenen kann als solches gerade das Absolute“ genannt werden. ” Eigenwerte k¨onnen auch als Fixpunkte“ einer Operation bezeichnet wer” den, insofern sich deren freies Operieren in ihnen zu bestimmten Werten fixiert. Sie sind damit unmittelbare Bestimmungen, die sich aus der durchg¨angigen Selbstvermittlung einer Operation ergeben. Die vorangegange¨ nen Uberlegungen haben damit deutlich gemacht, dass Eigenwerte unmittelbare Bestimmungen sind, die selbst keinen operationalen Charakter haben, sich aber als Ausdruck selbstanwendender Operationalit¨at verstehen lassen. Auf die¨ se Weise l¨asst sich der von Hegel behauptete Ubergang von der durchg¨angigen Selbstvermittlung des Schlusses zur Unmittelbarkeit des Objekts innerhalb des Paradigmas operationaler Selbstanwendung einholen283 . Nun soll der Begriff aber keine bestimmte mathematische Operation sein, sondern die einfachste Operation u¨ berhaupt. Die Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at wird sich daher nicht in mathematischen Eigenwerten auspr¨agen, sondern vielmehr wird das selbsttragende Ganze der Wirklichkeit als Ausdruck operationaler Schließung zu verstehen sein. 3.3.6.3 Physikalische Auspr¨agung Zwar entspricht der logischen Schließung selbstanwendender Operationalit¨at oder der Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at kein realer Prozess. Insofern sich eine Sph¨are selbsttragender Bestimmtheit im Rahmen voraussetzungslosen Denkens ergeben hat, muss es aber auch real eine solche Sph¨are geben. Entsprechend l¨asst sich erwarten, dass die logische Konstitution objektseitigen Seins durch operationale Schließung selbstanwendender Operationalit¨at eine Entsprechung in der Physik hat. Diese Erwartung wird eingel¨ost, insofern Elementarteilchen als grundlegende physikalische Objekte keine unmittelbaren, isolierten Einheiten bilden, sondern sich als Eigenwerte eines Feldoperators verstehen lassen. Da Eigenwerte aber, wie gezeigt, als Ausdruck selbstanwendender Ope283
In diesem Licht werden Hegels ansonsten wohl r¨atselhafte Behauptungen nachvollziehbar: Der Schluss ist die Vermittlung, der vollst¨andige Begriff in seinem Gesetztseyn. Seine ” Bewegung ist das Aufheben dieser Vermittlung, in welcher nichts an und f¨ur sich, sondern jedes nur vermittels eines Andern ist. Das Resultat ist daher eine Unmittelbarkeit, die durch Aufheben der Vermittlung hervorgegangen, ein Seyn, das ebensosehr identisch mit der Vermittlung und der Begriff ist, der aus und in seinem Andersseyn sich selbst hergestellt hat.“ [12,1264−10]. Der Sinn des Schlusses ist dieser, daß jedes Moment als das Ganze gesetzt ist, ” und somit ist dann an sich nur eine Einheit vorhanden mit aufgehobenen Unterschieden, also die Bestimmung der Unmittelbarkeit. Das ist das Objekt“ [V10,198704−7]. Was Hegel Objekt“ ” nennt, meint damit ein Unmittelbares, das sich aus Selbstvermittlung durch Ineinsfall ihrer zun¨achst unterschiedenen Aspekte ergibt. Dass jedes Moment als das Ganze gesetzt ist“, zeigt ” sich in der Eigenwertgleichung gerade durch Gleichsetzung des Operandums mit dem Ganzen aus Operator und Operandum.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
rationalit¨at begreifbar sind, hat der logische Entschluss zur Objektivit¨at damit eine reale physikalische Entsprechung. Elementarteilchen bilden daher gerade keine elementaren Einheiten, die bloß als einzelne facta bruta hinzunehmen w¨aren, welche nichts miteinander zu tun haben. Vielmehr ergeben sie sich etwa im Rahmen der Feldtheorie der Elementarteilchen aus der Gleichung f¨ur den die Materie repr¨asentierenden Feldoperator als dessen Eigenwerte284 . Entsprechend sind Elementarteilchen keine substantiellen Einheiten, sondern in ihrer jeweiligen Bestimmtheit Ausdruck der dem Materiefeld zugeh¨origen Operationalit¨at. Dass die grundlegenden physikalischen Objekte als Operatoreigenwerte darstellbar sind, kann damit gerade als physikalische Entsprechung zur logischen Schließung selbstanwendender Operationalit¨at zum Objekt verstanden werden. Zwar gehen die Elementarteilchen nat¨urlich nicht im Zuge einer realen Entwicklung aus dem ” Feldoperator hervor“, so als g¨abe es zun¨achst diesen Operator und die zu ihm geh¨orige Gleichung, der dann in einem wundersamen Akt wirkliche Teilchen entspr¨angen“ 285 . Dennoch ist die Feldgleichung keine bloße Darstellung von ” Eigenschaften anderweits bereits bestimmter Substanzen. Vielmehr bestimmt der Feldoperator ja, welche Elementarteilchen es geben kann und legt sie insofern fest. Damit h¨angt zusammen, dass die Elementarteilchen als Ausdruck fundamentaler Symmetrien gelten k¨onnen. Denn Symmetrie meint gerade die Invarianz unter bestimmten Transformationen. So ist der Kreis insofern drehsymmetrisch, als ihn jede Drehung auf sich selbst abbildet. In der Elementarteilchenphysik meint Invarianz unter Transformation, dass bestimmte Parameter bei der Wechselwirkung und Umwandlung von Elementarteilchen ineinander erhalten bleiben. Dass die Umwandlung der Elementarteilchen gewissen Symmetrien gen¨ugt, ist aber insofern keine bloße Eigenschaft derselben, als die Bestimmtheit der Elementarteilchen aus der Grundgleichung f¨ur den Feldoperator, welche diese Symmetrien ausdr¨uckt, hergeleitet werden kann. Von der Warte der modernen Physik aus ergibt sich damit eine objektiv-idealistische Ansicht objektseitigen Seins, die bei Heisenberg ausdr¨ucklich an Platons Naturphilosophie angelehnt ist und der die physikalisch grundlegenden Objekte nicht einfach als 284
Dazu f¨uhrt Heisenberg aus: Es handelt sich bei dieser Grundgleichung um eine nicht” lineare Wellengleichung f¨ur einen Feldoperator, der als der mathematische Repr¨asentant der Materie gelten kann. Diese Wellengleichung ist mathematisch a¨ quivalent einem komplizierten System von Integralgleichungen, die Eigenwerte und Eigenl¨osungen besitzen. Diese Eigenl¨osungen stellen die Elementarteilchen dar“ [H EISENBERG 1958: 57]. 285 Gelegentlich dr¨ ucken sich Physiker metaphorisch tats¨achlich so aus: Diskretheit ent” springt bloß als eine Struktur aus den Gesetzen, die das Geschehen beherrschen. Diese sind keineswegs v¨ollig verstanden; aber ein wahrscheinlich zutreffendes Analogon aus der Physik greifbarer K¨orper ist die Art, wie etwa die einzelnen Partialt¨one einer Glocke sich ergeben aus der begrenzten Gestalt der Glocke und den Gesetzen der Elastizit¨at, denen an sich nichts ¨ Diskontinuierliches anhaftet“ [S CHR ODINGER 1962: 104].
3.3. Logik des Sichbestimmens (Subjektivit¨at)
353
vorhanden gelten, sondern den Grund ihrer Bestimmtheit in Symmetrien haben sollen286 . Vom logischen Blick auf die physikalische Realit¨at her sind die Elementarteilchen damit insofern keine elementaren Substanzen, als gezeigt wurde, dass es eine Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins geben muss, deren Bestimmtheit sich aus der Schließung selbstanwendender Operationalit¨at ergibt, und nachgewiesen wurde, dass sich die Eigenwerte von Operationen aus deren Selbstanwendung herleiten lassen und damit in der Tat als Ausdruck ihres freien Operierens zu verstehen sind. Physikalisch eingel¨ost wird dies eben dadurch, dass sich Elementarteilchen als Eigenwerte des Feldoperators verstehen lassen, der die Symmetrieeigenschaften der Materie ausdr¨uckt. Daf¨ur, dass Elementarteilchen nicht einfach selbst¨andig vorhandene Einheiten sind, sondern Knotenpunkte operationaler Selbstbeziehung, spricht u¨ ber die logische Ableitung hinaus folgendes: W¨aren Elementarteilchen atomare Einheiten und nicht etwa Ausdruck selbstanwendender Operationalit¨at, so w¨are weder die f¨ur ihre naturwissenschaftliche Untersuchung vorausgesetzte Annahme, ihre Umwandlung gehorche allgemeing¨ultigen Gesetzen, zu rechtfertigen noch die M¨oglichkeit ihrer gegenseitigen Umwandelbarkeit u¨ berhaupt verst¨andlich. Denn w¨aren sie einfach unmittelbar-eigenst¨andige Einheiten, gingen sie einander nichts an und m¨ussten wie demokritsche Atome gegeneinander inert sein. Ihre wechselseitige Umwandelbarkeit bedeutet gerade, dass sie nicht unmittelbar an ihnen selbst bestimmt sein k¨onnen, sondern vielmehr bloß fl¨uchtige Gestalten von Einem, n¨amlich der einen Operationalit¨at des Materiefelds sind, die in ihnen unterschiedliche Zustandsformen annimmt287 . Solche Objekte sind daher im Einklang mit Hegels Schließungsgedanken bestimmte, ineinander umwandelbare Gestalten, welche die Grundoperation des Sichbestimmens vor dem Hintergrund ihrer je schon vollzogenen Auslegung zum Spielraum selbsttragender Bestimmtheit annimmt.
286
So f¨uhrt Heisenberg aus: Es liegt nahe, bei der Klassifizierung der Elementarteilchen ” von einer Analyse jener Z¨uge in den Beobachtungen und in dem zugrundeliegenden Naturgesetz auszugehen, die in der klassischen Physik als Erhaltungss¨atze bezeichnet worden sind, z. B. die Erhaltung der Energie, des Impulsmoments, des Drehimpulses, der Ladung usw. Die Physiker haben von den Mathematikern gelernt, dass Erhaltungss¨atze mit Symmetrien verbunden, dass sie also durch die Gruppenstruktur des zugrunde liegenden Naturgesetzes bedingt sind. [...] Die verschiedenen station¨aren Zust¨ande des Systems k¨onnen als verschiedene Darstellungen der Gruppe aufgefasst werden.“ [H EISENBERG 1967: 4]. 287 Vgl. Alle Elementarteilchen k¨ onnen ineinander umgewandelt werden, sie bestehen also ” gewissermaßen aus dem gleichen Stoff Energie oder Materie. Daher m¨ussen die Naturgesetze sich auf die Materie schlechthin, nicht auf einzelne Elementarteilchen beziehen. Die Elementarteilchen, die station¨aren Formen der Materie, m¨ussen als Folgerungen aus den Naturgesetzen verstanden werden“ [H EISENBERG 1965: 214].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.4 Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at) 3.4.1 Die logische Bestimmung der Objektivit¨at Mit den vorangegangenen Andeutungen zur physikalischen Auspr¨agung des Entschlusses zur Objektivit¨at wurde der weiteren logischen Entwicklung naturphilosophisch vorgegriffen. Denn logisch hatte sich bisher nur die Sph¨are der Objektivit¨at schlechthin, aber noch keine Mannigfaltigkeit von Objekten ergeben. Ob und wie eine solche aus der Bestimmung des Objekts folgt und welcher ontologische Status ihr zukommt, muss nun in Wiederaufnahme des im strengen Sinne logischen Fortgangs gekl¨art werden. Der Spielraum der Objektivit¨at hat sich aus der durchg¨angigen Vermittlung, zu der sich reines Sichbestimmen im Schluss auslegt, durch Wegfall aller auf a¨ ußere Vermittlung verweisenden Unterschiede zwischen den Schlussgliedern ergeben. Als resultativer Aspekt von Selbstbestimmung oder vermittelte Unmittelbarkeit, zu der reines Sichbestimmen sich auslegt, ist das Objekt aber SelbstBestimmtes oder selbsttragendes Bestimmtsein. Dies meint, dass die Objektivit¨at Bestimmtheit einschließt, darin jedoch nicht wie seinslogisch Bestimmtes auf ein Außerhalb bezogen ist, sondern f¨ur ihre Bestimmtheit selbst einsteht und insofern selbst¨andig ist. Denn die Objektivit¨at ist gerade das, was aus reiner Selbstbestimmung dadurch zeitlos hervorgeht, dass alle Außenbez¨uge wegfallen. Entsprechend charakterisiert Hegel das Objekt als concretes, in sich ” vollst¨andiges Selbstst¨andiges“ 288 . Konkret“ ist das Objekt, insofern es als Ge” stalt von Selbstbesonderung Bestimmtheit und Unterschiede einschließt, ohne jedoch aus selbst¨andigen Bestandteilen nachtr¨aglich zusammengesetzt zu sein. Denn da es sich gerade aus dem Wegfall diskreter Unterschiede ergibt, k¨onnen seine Bestimmungen keine selbst¨andigen Elemente eines Aggregats, sondern nur unselbst¨andige Aspekte eines gegliederten Ganzen sein. Selbst¨andig“ ist ” dieses Ganze gerade darum, weil es nur durch sich bestimmt und auf kein Außerhalb angewiesen ist. In sich vollst¨andig“ ist es im Vergleich mit dem Sich” bestimmen, aus dem es sich logisch ergibt. Denn im Zuge von dessen logischer Selbstanreicherung mit Bestimmtheit weist jede seiner Gestalten noch u¨ ber sich auf andere Aspekte seiner selbst hinaus und ist insofern noch unvollst¨andig, w¨ahrend die unfundierte Selbstanreicherung mit Bestimmtheit in Gestalt des Objekts gerade zum Abschluss gekommen ist. Die logische Bestimmung des Objekts soll nicht etwa anderswoher gel¨aufige Vorstellungen von Objekten auf den Punkt bringen und kann daher auch nicht nach Maßgabe solcher Vorstellungen als angemessen oder unangemessen bewertet werden. Zun¨achst sind Objekt“ und Objektivit¨at“ daher nur austausch” ” bare Bezeichnungen f¨ur die logisch hergeleitete Struktur selbsttragenden Be288
20,20023−24.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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stimmtseins und nichts weiter. Daher sind von vornherein zwei Vermutungen abzuhalten, die sich von g¨angigen Objektbegriffen her nahelegen: Erstens ist das Objekt nicht schon von vornherein als Gegenstand eines Bewusstseins bestimmt, da es als solcher gerade unselbst¨andig w¨are. Objekt meint im Hegelschen Sinn daher zun¨achst nicht das Korrelat von Erkenntnisleistungen eines Subjekts289 . Der dialektische Sinn des Ausdrucks bezieht sich damit zun¨achst nur auf denjenigen Aspekt seiner gew¨ohnlichen Bedeutung, nach dem ein Objekt etwas von subjektseitiger Bezugnahme Unabh¨angiges darstellt. Zweitens geht es Hegel zun¨achst auch nicht um ein Objekt unter m¨oglichen anderen. Vielmehr bildet das Objekt oder die Objektivit¨at die logische Bestimmung des Spielraums, in und aus dem Objekte in der Mehrzahl ebenso wie erkennende Subjekte u¨ berhaupt erst hervortreten k¨onnen. Das Objekt zeichnet so dem Ganzen der Natur und des Geistes den ontologischen Rahmen vor. Da die Objektivit¨at die vermittelte Gestalt von Selbstbestimmung ist, ist das reine Sichbestimmen, aus dem sie als seine bestimmte Negation hervorgeht, in ihr nicht einfach verschwunden, sondern muss im Ganzen selbsttragenden Bestimmtseins als unselbst¨andiger Aspekt verwandelt erhalten sein: Sichbestimmen Selbst-Bestimmtes
Im Objekt ist damit zwar das unfundierte Sichbestimmen als solches verschwunden. Da es in ihm zugleich aber verwandelt als untergeordneter Aspekt erhalten ist, bildet das Reich der Objektivit¨at kein statisches Ganzes. Dem Charakter durchg¨angigen und vollst¨andigen Bestimmtseins untergeordnet, kann sein Selbstbestimmungsaspekt aber keine unfundierte Selbstanreicherung mit neuer Bestimmtheit meinen, sondern nur Selbstbestimmung, die sich auf der Grundlage schon vorhandener Bestimmtheit vollzieht und sich n¨aher als Selbstorganisation solcher Bestimmtheit zu u¨ bergreifenden Einheiten mit emergenten Eigenschaften erweisen wird. Die logische Entfaltung der Objektkategorien wird Hegels Objektbegriff 289 Vgl. Daß das Objekt auch Gegenstand und einem Anderen Aeußeres ist, dies wird sich ” nachher bestimmen, in sofern es sich in den Gegensatz zum Subjectiven setzt; hier zun¨achst als das, worein der Begriff aus seiner Vermittlung u¨ bergegangen ist, ist es nur unmittelbares, unbefangenes Object, so wie ebenso der Begriff erst in dem nachherigen Gegensatze als das Subjective bestimmt wird“ [20,20025−30]. Burbidge markiert diesen Unterschied von Objektivit¨at und Gegenst¨andlichkeit treffend so: Nach Hegel muss der Begriff der Objektivit¨at von ” der Bestimmung der Gegenst¨andlichkeit unterschieden werden. Auf den Gegenstand, der einem Subjekt gegen¨ubersteht, bezieht sich das Bewußtsein als auf etwas, was außerhalb der Sph¨are seiner selbst liegt. Die Objektivit¨at dagegen ist durch die Tatsache charakterisiert, dass sie an und f¨ur sich ist, ohne dass sie auf etwas anderes bezogen werden muss, um das zu sein, was sie ist“ [B URBIDGE 2002: 226].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
u¨ blichen Auffassungen dadurch wieder ein St¨uck n¨aher r¨ucken, indem sie erweist, dass er logisch weder auf ein Objektverst¨andnis verpflichtet ist, das keine Vielheit von Objekten zu denken erlaubt, noch auf einen unkritischen Objektbegriff, dem zufolge Erfahrungsgegenst¨ande einfach unabh¨angig von begrifflichen Vollz¨ugen erkennender Subjekte vorhanden sein sollen. Es wird sich n¨amlich erstens zeigen, dass zum Spielraum der Objektivit¨at eine Mannigfaltigkeit aufeinander aufbauender Objekte und Objekttypen geh¨ort. Insofern in und aus der Sph¨are der Objektivit¨at zweitens leibhaftige Zentren des Erkennens und Handelns hervortreten m¨ussen, zeichnet der weitere Verlauf der Begriffslogik der epistemischen Artikulation von Gegenst¨andlichkeit ihre logische Form vor. Die durch die Stationen des mechanischen, chemischen und biologischen Objekts bezeichnete Selbstorganisation des Spielraums der Objektivit¨at ist damit zwar insofern von Vollz¨ugen erkennender Subjekte unabh¨angig, als erst unter ihrer Voraussetzung in und aus dem Objektkontinuum leibhaftige Zentren des Erkennens und Handelns hervortreten k¨onnen. Da mechanische, chemische und biologische Objekte aber Organisationsformen eines inhomogenen Kontinuums bilden, wird sich zugleich zeigen, dass sie dieses zwar unabh¨angig von Erkenntnisvollz¨ugen pr¨agen, als selbst¨andige, wohlunterschiedene und identifizierbare Einheiten aber nicht einfach vorhanden sind, sondern durch begriffliche Vollz¨uge seitens Erkennender mitkonstituiert werden, die sie als solche erst zur Abhebung bringen. Nun ist das Objekt zwar aus der schlusslogischen Aufhebung diskreter Unterschiede in vermittelte Unmittelbarkeit hervorgegangen. Da diese aber Endpunkt zeitloser Selbstbestimmung ist, welche das Setzen besonderer Bestimmtheit beinhaltet, muss die Objektivit¨at trotz des Wegfalls diskreter Unterschiede besondere Bestimmungen in sich einschließen. Solche k¨onnen aber u¨ berhaupt nur bestehen, wenn sie einander und dem Ganzen gegen¨uber einen gewissen Selbstand aufweisen. Andererseits k¨onnen sie, aus dem Wegfall diskreter Unterschiede und a¨ ußerlicher Verkn¨upfung hervorgegangen, gerade keinen solchen Selbstand beanspruchen, weil sie ihren Zusammenhang sonst nicht aus sich heraus h¨atten, sondern bloß a¨ ußerlich verkn¨upft w¨aren. Auf a¨ ußerliche Verkn¨upfung angewiesen w¨are ein solches Ganzes aber gerade nicht selbsttragend. Die Objektivit¨at scheint damit widerspr¨uchlich bestimmt, insofern sie in sich in eine Vielheit von Objekten zerf¨allt, die zugleich selbst¨andig und unselbst¨andig sein sollen290 . Aus einem etwas anderen Blickwinkel zeigt sich dieser Widerspruch als In290 So f¨ uhrt Hegel aus: Das Objekt ist unmittelbares Seyn durch die Gleichg¨ultigkeit gegen ” den Unterschied, als welcher sich in ihm aufgehoben hat, und ist in sich Totalit¨at, und zugleich indem diese Identit¨at nur die ansichseyende der Momente ist, ist es ebenso gleichg¨ultig gegen seine unmittelbare Einheit; es ist ein Zerfallen in Unterschiedene, deren jedes selbst die Totalit¨at ist. Das Object ist daher der absolute Widerspruch der vollkommenen Selbst¨andigkeit des Mannichfaltigen, und der ebenso vollkommenen Unselbst¨andigkeit der Unterschiedenen“ [20,2048−14]. Taylor spricht von einer absolute contradiction, which consists in the fact that ”
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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einsfall von Unbestimmtheit und Bestimmtheit. Denn einerseits geht das Objekt logisch aus dem Verschwinden der Begriffsunterschiede in unterschiedslose Unmittelbarkeit hervor, die als solche offenbar ein unbestimmtes Ganzes bildet. Denn was weder innere noch a¨ ußere Unterschiede aufweist, scheint unbestimmt. Andererseits muss das Objekt als Endpunkt von Selbstbestimmung Bestimmtheit gerade einschließen291 . Der Widerspruch zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit des Objekts l¨asst sich jedoch vorl¨aufig aufl¨osen, wenn die Annahme fallen gelassen wird, ein Ganzes k¨onne nur bestimmt sein, falls es unterschiedene Teile hat, die ihrerseits bestimmt sind. Dagegen hindert ein Ganzes aber nichts daran, als Ganzes bestimmt zu sein, ohne deshalb auch lokal bestimmt zu sein, sofern es wenigstens konditional bestimmt ist292 . Es ist dann nicht lokal durch unterschiedene Bestimmungen gepr¨agt, sondern nur global durch die Bedingung, dass in ihm besondere Unterschiede, sofern sie auftreten w¨urden, nur in bestimmten Kopplungen auftreten k¨onnen. Insofern entspr¨ache das Objekt als bestimmtes Ganzes, innerhalb dessen bestimmte Unterschiede jedoch nicht einfach vorliegen, physikalisch einem verschr¨ankten System, das globale Bestimmtheit und lokale Unbestimmtheit vereint. F¨ur ein solches System gilt nach Schr¨odinger n¨amlich gerade: Das Ganze ist in einem bestimmten Zustand, die Teile f¨ur sich genom” men nicht“ 293 . Nun kann aber der Spielraum der Objektivit¨at kein absolut verschr¨anktes Ganzes markieren, in dem alles mit allem derart innig verkn¨upft ist, dass in ihm u¨ berhaupt keine Unterschiede besonderer Teile und somit gar keine lokale Bestimmtheit vorliegt. Da die Objektivit¨at n¨amlich ein selbsttragendes Ganzes bildet, das Resultat von Selbstbesonderung ist, Besonderes aber wesentlich voneinander verschieden ist, muss sie auch wirklich und nicht bloß der M¨oglichkeit nach besondere Bestimmungen und Unterschiede einschließen. Die Notwenthe real is at once a totality, whose parts are thus inwardly related, and yet also made up of parts which are integral and independent“ [TAYLOR 1975: 319]. 291 Burbidge res¨ umiert treffend: Als unmittelbar ist das Objekt unbestimmt und ununter” scheidbar, w¨ahrend es als an und f¨ur sich seiend eine Totalit¨at ist, die alle Bestimmungen in sich selbst integriert hat“ [B URBIDGE 2002: 231]. 292 Die quantenphysikalische Auspr¨ agung eines solchen Ganzen in Gestalt eines verschr¨ankten Systems beschreibt Schr¨odinger folgendermaßen: Maximale Kenntnis von einem ” Gesamtsystem schließt nicht notwendig maximale Kenntnis aller seiner Teile ein, auch dann nicht, wenn dieselben v¨ollig voneinander abgetrennt sind und einander zur Zeit nicht beeinflussen. Es kann n¨amlich sein, dass ein Teil dessen, was man weiß, sich auf die Beziehungen oder Bedingtheiten zwischen den Teilsystemen bezieht folgendermaßen: wenn eine bestimmte Messung am ersten System dieses Ergebnis hat, so gilt f¨ur eine bestimmte Messung am zweiten ¨ diese und diese Erwartungsstatistik“ [S CHR ODINGER 1935: 826]. 293 S CHR ODINGER ¨ 1935: 827. F¨ur Schr¨odinger beruht diese Unbestimmtheit der Teile nicht etwa auf der Unkenntnis eines Betrachters, sondern ist die objektive Unbestimmtheit des Systems selbst, vgl. ebd. 828.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
digkeit solcher lokaler Bestimmtheit ergibt sich auch daraus, dass der objektive Begriff die Selbstbestimmung des subjektiven aufhebt und zur Objektivit¨at daher, wie gezeigt, die Selbstorganisation von Bestimmtheit geh¨ort. Die Organisation von Bestimmtheit zu in sich gegliederten Einheiten kann sich aber nur vollziehen, wo schon organisierbare Ausgangsbestimmtheit vorliegt. Der Spielraum der Objektivit¨at bildet daher ein System, das wenigstens zum Teil immer schon entschr¨ankt sein muss. Die logische Bestimmung der Objektivit¨at erlaubt damit zu begr¨unden, dass die Realit¨at ein verschr¨anktes Ganzes bilden kann, das jedoch notwendig wenigstens partiell entschr¨ankt ist294 . Verschr¨anktheit ist u¨ berhaupt nur m¨oglich, weil der Spielraum der Objektivit¨at nicht aus von Grund auf selbst¨andigen Einheiten zusammengesetzt ist. Als Sph¨are der zeitlosen Selbstauslegung des Begriffs k¨onnen seine Teile vielmehr nicht-lokal gekoppelt sein. Da aber zugleich logisch nachgewiesen ist, dass zum selbstragenden Ganzen notwendig die Selbstorganisation von Bestimmtheit geh¨ort, ist zugleich ein Grund f¨ur die vom Standpunkt der Physik r¨atselhafte Teilentschr¨ankung des Systems zugunsten des Hervortretens lokaler Bestimmtheit gegeben295 . Zwar ist der Spielraum der Objektivit¨at damit immer schon durch besondere Bestimmungen gepr¨agt. Solche k¨onnen in ihm aber nicht einfach selbst¨andig bestehen, sondern m¨ussen von sich her verkn¨upft sein, da sonst kein selbsttragendes Ganzes vorl¨age. Dieses kann auch deshalb nicht einfach aus selbst¨andigen Einheiten zusammengesetzt sein, weil es gerade aus dem schlusslogischen Wegfall a¨ ußerer Unterschiede hervorgegangen ist. Daher kann die Objektivit¨at Bestimmtheit und Unterschied nur vor dem Hintergrund des Wegfalls diskreter Bestimmtheit und Unterschiede einschließen. Wie gezeigt k¨onnen ihre besonderen Glieder aber nicht einfach dadurch zum Ganzen vereinigt sein, dass jedes alle anderen in sich hat, da es sonst gerade keine lokale 294 Hans Primas bringt das physikalische Problem von Ver- und Entschr¨ankung folgendermaßen auf den Punkt: Mit Schr¨odinger nennen wir wechselwirkungsfreie Systeme in Korrela” tionszust¨anden verschr¨ankte Systeme, die nicht durch direkte Wechselwirkungen verursachten Korrelationen in verschr¨ankten Systemen nennen wir Einstein-Podolsky-Rosen (EPR) Korrelationen. Da alle in der Naturforschung diskutierten Systeme in einer gewissen Wechselwirkung miteinander stehen, ist zu erwarten, dass ausnahmslos alle Systeme miteinander EPR korreliert sind. Wenn diese Sicht ernstgenommen wird, ist das ganze Universum ein verschr¨anktes System und damit ein unteilbares Ganzes“. Nun setzt aber jede Beschreibung des Universums Entschr¨ankung und lokale Bestimmtheit voraus. Primas f¨ahrt daher fort: Man dr¨uckt diese ” Situation vielleicht am besten in der Form eines Paradoxons aus: Die Welt ist ein total verschr¨anktes System, doch muss in jeder Beschreibung der Welt die Existenz nicht-verschr¨ankter Systeme postuliert werden“ [P RIMAS 1985: 114]. 295 David Bell gibt in seinem Aufsatz Six possible worlds of quantum mechanics kritisch sechs verschiedene Erkl¨arungsversuche von Entschr¨ankung wieder, die jedoch alle insofern unbefriedigend bleiben, als sie Entschr¨ankung – am prominentesten in Gestalt vieler Welten oder eines a¨ ußeren Betrachters – ad hoc voraussetzen, statt sie zu erkl¨aren [vgl. B ELL 2004].
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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Bestimmtheit g¨abe. Die Sph¨are der Objektivit¨at kann deshalb zwar nur dann ein selbsttragendes Ganzes bilden, das besondere Bestandteile einschließt, wenn diese an ihnen selbst zum Ganzen verkn¨upft und damit insofern unselbst¨andig ¨ sind, als jeder Bestandteil von sich her einen Ubergang in anderes aufweisen muss. Soll er aber zugleich eigene Bestimmtheit und bedingten Selbstand haben, muss seine Unselbst¨andigkeit als Glied des Ganzen mit der Wahrung seines Selbstands gegen¨uber dessen anderen Gliedern vereinbar sein. Die Sph¨are der Objektivit¨at muss daher ein Kontinuum oder Feld bilden, dessen Glieder nicht einfach selbst¨andig, sondern zwar an ihnen selbst Anfang von anderem sind, ohne es jedoch von bestimmtem anderen zu sein, dieses damit an oder in sich zu haben und so mit ihm zusammenzufallen. Dass das absolute Objekt ein Kontinuum bildet, erkl¨art zugleich, wie es Verschiedenheit vor dem Hintergrund des Wegfalls diskreter Unterschiede einschließen kann296 . Denn obwohl in ihm nichts unmittelbar und in Isolation Bestimmtheit hat, sondern an ihm ¨ selbst durch Uberg¨ anglichkeit gepr¨agt ist, ist es von allem bestimmten anderen verschieden, das als solches, mathematisch gesprochen, außerhalb seiner Um” gebung“ liegt. Damit ist der Widerspruch zwischen Selbst¨andigkeit und Unselbst¨andigkeit der Untereinheiten, der den Spielraum der Objektivit¨at zu pr¨agen schien, aufgel¨ost. Denn dessen besondere Glieder sind zugleich unselbst¨andig, insofern sie von sich her u¨ berg¨anglich in ihre Umgebung sind, und selbst¨andig, insofern sie darum nicht schon bestimmtes anderes außer ihnen zugleich in sich haben sollen. Das Reich der Objektivit¨at muss also ein Kontinuum darstellen, das als Endpunkt von Selbstbesonderung nicht nur durch verschiedene, sondern durch spezifische Bestimmtheit gepr¨agt ist. Daher kann das Objektkontinuum kein homogenes, sondern nur ein inhomogenes Ganzes bilden. Denn zwischen den Gliedern eines homogenen Kontinuums gibt es gerade keine spezifischen Unterschiede. Der Spielraum der Objektivit¨at muss daher gleichsam variable Bestimmtheitsdichte aufweisen oder ein in sich gegliedertes Kontinuum darstellen. Damit ist logisch gezeigt, dass ein selbsttragendes Ganzes notwendig in einem inhomogenen Kontinuum besteht und dass es notwendig ein solches Kontinuum gibt. Als Kandidat f¨ur seine reale Auspr¨agung bietet sich ein Energieoder Materiefeld an, das kein gleichf¨ormiges, sondern ein strukturiertes Ganzes bildet297 . Obgleich der Spielraum der Objektivit¨at damit notwendig ein geglie296 William James’ monismuskritische Unterstellung verfehlt daher grunds¨atzlich ihr Ziel: The noiseless step of continuity, seems something that Hegel cannot possibly understand. All ” or nothing is his one idea. For him each point of space, of time, each feeling in the ego, each quality of being is clamouring: I am the all. There is naught else but me‘“ [JAMES 1882: 202]. ’ 297 Insofern sich zeigen l¨ asst, dass das Objektkontinuum nicht nur inhomogen gegliedert, sondern auch entlang einer selbst ungerichteten Determinationsachse asymmetrisch in Form mechanischer, chemischer und biologischer Objekte organisiert sein muss [vgl. dazu den n¨achsten Abschnitt], ist bereits mit der Entfaltung des objektiven Begriffs gezeigt, dass ein un-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
dertes Ganzes ist, setzt sich dieses nicht einfach aus selbst¨andigen Einheiten zusammen, weil seine Untereinheiten von sich her u¨ berg¨anglich in eine Umgebung sind. Solche Untereinheiten bilden daher gleichsam nur Knotenpunkte oder Verdichtungen in einem Zusammenhang ohne fixe Grenzen. Besondere Objekte im Objektkontinuum markieren daher von sich her keine diskreten Einheiten, die f¨ur sich selbst¨andig vorhanden w¨aren, sondern bloß analog ins Kontinuum eingebettete Strukturen298 . Zu behaupten, dass die Objektivit¨at logisch ein Kontinuum selbsttragenden Bestimmtseins markiere, bedeutet nicht, raum-zeitliche Bestimmungen in die Logik hineinzutragen. Denn die logische Bestimmung des Kontinuums, dass in ihm Bestimmtes dadurch zusammenh¨angt, dass es an an ihm selbst Ausg¨ange in eine Umgebung hat, ohne darum zugleich Eing¨ange in bestimmtes anderes in sich zu tragen, beinhaltet keinen Bezug auf spezifisch Raum-Zeitliches. Zwar verf¨ugt ein Kontinuum u¨ ber eine Dimension, insofern seine Glieder dadurch bestimmt sind, an ihnen selbst auf spezifische Weise u¨ berg¨anglich in eine Umgebung zu sein. Denn die Dimension ist ein Maß f¨ur die Menge der Ausg¨ange in eine Umgebung, die ein Element des Kontinuums an sich hat299 . Die M¨achtigkeit der Menge solcher Ausg¨ange ist logisch aber gar nicht bestimmt. Hegels Behandlung der Objekttypen in der Logik unterscheidet sich gleichf¨ormig, jedoch symmetrisch organisiertes Universum wie das Blacksche Kugeluniversum aus logischen Gr¨unden keine m¨ogliche Welt ist [vgl. B LACK 1952: 68]. 298 Hermann Weyl f¨uhrt zum feldtheoretischen Begriff der Materie anhand des Elektrons aus: Wenn alle physikalisch wesentlichen Eigenschaften des Elektrons an dem umgebenden ” Felde und nicht an dem im Feldzentrum steckenden substantiellen Kerne h¨angen, so muss man sich fragen, ob die Annahme eines derartigen Kernes u¨ berhaupt n¨otig ist oder wir ihn nicht ganz entbehren k¨onnen. Die letzte Frage beantwortet die Feldtheorie mit Ja; ein Materieteilchen wie das Elektron ist f¨ur sie lediglich ein kleines Gebiet des elektrischen Feldes, in welchem die Feldst¨arke enorm hohe Werte annimmt und wo demnach auf kleinstem Raum eine gewaltige Feldenergie konzentriert ist“ [W EYL 1924: 35]. 299 Mathematisch l¨ asst sich der Dimensionsbegriff folgendermaßen fassen: A set will be ” of dimension n, if it is not of any lower dimension and if each point of S can be enclosed within an arbitrarily small region whose boundary intersects S in a set of dimension n-1“ [C OURANT 1996: 250]. Eine Punktmenge S hat also die Dimension n, wenn ein Punkt von S in beliebig enge Grenzen eingeschlossen werden kann, von deren Elementen eine Menge mit der Dimension n-1 zu S geh¨ort, wenn ein Punkt von S also gleichsam unmittelbar an eine Punktmenge der Dimension n-1 grenzt. Die Dimension einer Punktmenge h¨angt somit davon ab, wie viele in ihr selbst gelegene Ausg¨ange in anderes ihre Elemente haben, und damit von der M¨achtigkeit der Menge dieser Ausg¨ange. So hat ein Punkt des Eindimensionalen zwei solche Ausg¨ange und die M¨achtigkeit der Menge seiner Ausg¨ange in anderes ist damit Null. Dagegen hat ein Punkt des Zweidimensionalen eine eindimensionale Menge von Aug¨angen in anderes, der damit die M¨achtigkeit ℵ0 zukommt; ein Punkt des Dreidimensionalen eine Menge von Ausg¨angen mit der M¨achtigkeit ℵ1 usw. Logisch ist nun aber die Dimensionalit¨at des Objektkontinuums gerade noch nicht bestimmt. Zur Rekonstruktion von Hegels naturphilosophischer Ableitung realer Dimensionalit¨at vgl. WANDSCHNEIDER 1982 und H OULGATE 2005a: Kapitel 6.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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daher gerade dadurch von ihrer naturphilosophischen Darstellung, dass erst mit dieser bestimmte Dimensionalit¨at ins Spiel kommt. Umgekehrt k¨onnen sich die logischen Objekttypen darum real in Spielr¨aumen unterschiedlicher Dimensionalit¨at auspr¨agen und brauchen sich daher auch nicht auf nat¨urliche, r¨aumlich ausgedehnte Ph¨anomene zu beschr¨anken, sondern k¨onnen auch die Eigenzeit des Geistigen bestimmen. Nur darum kann Hegel etwa eine bestimmte Form des Ged¨achtnisses als mechanisch charakterisieren, ohne damit einen ausgedehnten K¨orper im Sinn zu haben. 3.4.2 Zur Prozessform der Objektivit¨at Da sich die Objektivit¨at als Sph¨are selbsttragenden Bestimmtseins aus der Aufhebung des Sichbestimmens ergeben hat, muss dieses in ihr als untergeordneter Aspekt erhalten sein. Weil das Sichbestimmen in ihm aufgehoben ist, bildet der Spielraum der Objektivit¨at kein statisches Ganzes, sondern ist durch eine eigene Form von Prozessualit¨at gepr¨agt. Zugleich muss das in ihm aufgehobene Sichbestimmen dem Bestimmtsein aber in zweierlei Hinsicht untergeordnet und entsprechend modifiziert sein. Grunds¨atzlich muss sich das aufgehobene Sichbestimmen vom reinen Sichbestimmen des subjektiven Begriffs unterscheiden, das im Reich des Bestimmtseins gerade verschwunden ist. Daher kann die Prozessform der Objektivit¨at nicht mehr in unfundierter Selbstanreicherung mit neuer Bestimmtheit bestehen. Da das Sichbestimmen dem Bestimmtsein untergeordnet sein muss, kann es sich vielmehr nur um Selbstbestimmung auf der Grundlage von Bestimmtheit oder ein Sichbestimmen handeln, das durch vorgegebene Bestimmtheit determiniert ist300 . Da der selbstinduzierte Bestimmtheitszuwachs in der Sph¨are selbsttragenden Bestimmtseins gerade zum Abschluss gekommen ist, muss das Sichbestimmen dessen durchg¨angigem Bestimmtsein zweitens auch insofern untergeordnet sein, als dieses keinen globalen Bestimmtheitszuwachs durchmachen kann. Andernfalls w¨are es kein durchg¨angiges Bestimmtsein, sondern noch durch Selbstanreicherung mit Bestimmtheit gekennzeichnet und damit eine Gestalt unfundierten Sichbestimmens. Daher muss das Objektkontinuum zwar durch einen Prozess fundierter Selbstanreicherung mit Bestimmtheit gepr¨agt sein, insofern das Objekt die bestimmte Negation des Sichbestimmens ist. Da solches fundiertes Sichbestimmen objektseitigem Bestimmtsein aber im Ganzen untergeordnet zu sein hat, kann und muss es dieses nur aspektuell kennzeichnen, sodass sich der Spielraum der Objektivit¨at zwar lokal durch 300 Weil zu einem Selbst Selbstbeziehung und unfundierte Selbstanreicherung mit Bestimmtheit geh¨oren, l¨asst sich bei dem in der Objektivit¨at aufgehobenen Sichbestimmen u¨ berhaupt nur uneigentlich von Sichbestimmen“ oder Sichentwickeln“sprechen, so wie man ” ” sagt, das Sonnensystem oder eine Pflanze entwickele sich“. Hier ist das Sichbestimmen dem ” Bestimmtsein vollst¨andig untergeordnet und daher nur Quasi-Sichbestimmen.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
fundierten Bestimmtheitszuwachs auszeichnet, global aber gerade keinen solchen Bestimmtheitszuwachs durchmachen kann. Der fundierte, lokale Bestimmtheitszuwachs, welcher das Reich der Objektivit¨at pr¨agt, l¨asst sich n¨aher charakterisieren: In vorgegebener Bestimmtheit gr¨undend markiert diese Prozessform keinen Bestimmtheitszuwachs aus dem Nichts unbestimmten Sichbestimmens heraus, sondern vollzieht sich durchg¨angig auf der Grundlage bereits vorhandenen Bestimmtseins. Durch vorhandene Bestimmtheit determinierter Bestimmtheitszuwachs kann so aber nicht etwa in einem Schließen vermeintlich noch ausgesparter Bestimmtheitsl¨ucken bestehen, sondern sich nur u¨ ber den Zusammentritt bereits vorhandener Bestimmtheit zu zusammengesetzten Einheiten vollziehen, die auf einer neuen Organisationsebene angesiedelt sind. Die Objektivit¨at ist damit ein Reich lokaler Selbstorganisation“ von Bestimmtheit. Dabei tritt schon vorhandene Be” stimmtheit determiniert zu u¨ bergreifenden Einheiten mit Bestimmungen zusammen, welche nur diesen, nicht aber den Einheiten zukommen k¨onnen, in denen sie gr¨unden. Die unterschiedlichen Objekttypen, welche Hegel im Objektivit¨atsabschnitt darstellt, das mechanische, chemische und biologische Objekt, lassen sich als Stationen solcher Organisationsbildung verstehen. Da sich die Sph¨are der Objektivit¨at aber nicht aus selbst¨andigen, elementaren Einheiten zusammensetzt, handelt es sich bei diesem Bestimmtheitszuwachs durch Organisation um die analoge Strukturbildung in einem Kontinuum. In diesem sind also nicht schon an sich diskrete Bausteine vorhanden, die zu u¨ bergreifenden Einheiten zusammentr¨aten. Vielmehr sind Prozesse im Kontinuum nur als Organisationsprozesse begreifbar, sofern aus ihm erkennend Einheiten abgehoben und als selbst¨andige Gegenst¨ande angesetzt werden. Die Ansetzung selbst¨andiger mechanischer, chemischer und biologischer Objekte ist daher eine Frage der Betrachtungsebene, ohne dass solche Einheiten an sich schon in einem absoluten Sinn selbst¨andig vorhanden w¨aren. Da es sich um analoge Strukturen oder Bestimmtheitsknoten im Kontinuum handelt, die stetig in ihre Umgebung eingebettet sind, verl¨auft die Organisationsbildung zwar unabh¨angig von erkennenden Subjekten. Die Ansetzung organisierter Ausschnitte des Kontinuums als distinkter, identifizierbarer und von ihrer Umgebung unterschiedener Einzelner wird sich jedoch wesentlich als Leistung artikulierenden Erkennens erweisen. Objektbezogene Erkenntnis ist so gleichsam Einzeichnen fixer Unterschiede in ein durch analoge Strukturbildung ausgezeichnetes inhomogenes Kontinuum. Solches Einzeichnen ist genau darum nicht beliebig, weil es gem¨aß der zum Denken als solchen geh¨orenden kategorialen Formen des mechanischen, chemischen und teleologischen Objekts erfolgt, ohne darum objektseitig bereits selbst¨andig vorhandene Einheiten bloß abzuspiegeln. Selbst¨andig vorhanden ist objektseitig nur das eine gegliederte Kontinuum oder Feld der Objektivit¨at selbst. Dennoch unterliegt dieses Kontinuum insofern an
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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ihm selbst einer Organisationsbildung, als entwickeltere Objektformen nicht in allen, sondern erst in nachgeordneten Prozessstufen in und aus ihm abhebbar sind. Nun kann der determinierte Bestimmtheitszuwachs durch Organisation vorhandener Bestimmtheit nicht einfach so verstanden werden, als unterliege diese einer Anordnung von außen. Solche Anordnung k¨onnte n¨amlich gerade nicht die Prozessform eines selbst¨andigen Ganzen bilden. Daher muss die Organisation von den organisierten Bestimmtheiten selbst ausgehen. Zur Objektivit¨at geh¨ort damit notwendig die lokale Organisation vorhandener Bestimmtheit zu u¨ bergreifenden Einheiten. Weil die Objektivit¨at das Reich durchg¨angigen Bestimmtseins ist, muss diese Organisationsbildung kausal determiniert und es selbst nomologisch geschlossen sein. Denn wenn sich die Organisation von Bestimmtheit durch Wechselwirkung zwischen Untereinheiten des Kontinuums vollzieht, ver¨andert sich deren Bestimmtheit dabei selbst. Ist das Objektkontinuum aber ein Reich durchg¨angigen Bestimmtseins, muss solche Ver¨anderung von Bestimmtheit von ihrem bloßen Verschwinden und Neuauftauchen unterscheidbar sein. Ver¨anderung ist von unmittelbarem Neuauftauchen von Bestimmtheit aber nur unterscheidbar, wenn der Bestimmtheitswandel determiniert und das Reich der Objektivit¨at damit nomologisch geschlossen ist301 . Nun ist die nomologische Geschlossenheit der Sph¨are durchg¨angigen Bestimmtseins aber symmetrisch, insofern sie darin besteht, dass ein Querschnitt durch das Kontinuum entlang einer Determinationsachse mit jedem anderen Querschnitt nach Gesetzen durchg¨angig verkn¨upft ist302 . Das bedeutet, dass die abgeleitete Organisationsbildung im Kontinuum strenggenommen nur eine gerichtete Variation von Organisiertheit entlang einer selbst ungerichteten Determinationsachse darstellt:
Einsinnig als lokale Zunahme von Organisiertheit l¨asst sie sich daher nur von der Gerichtetheit unfundierten Sichbestimmens her verstehen, die im Objektkontinuum als solche jedoch gerade verschwunden ist. Die Rede von einer Entwicklung oder Selbstorganisation des Objektkontinuums hat also insofern 301
Darauf, dass Hegel die Determinationsform des Objektkontinuums nomologisch versteht, deutet, dass das Gesetz in seiner Bestimmung des Objekts eine zentrale Rolle spielt, vgl. 12,14524–14623. 302 Vgl. dazu K OCH 2006a: 474–86 (§64).
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
keinen Anhalt in diesem selbst, als allein die Projektion der absoluten Gerichtetheit in ihm leibhaft verankerter Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens auf die Determinationsachse es erlaubt, die Organisationsvarianz des Objektkontinuums eindeutig als lokale Zunahme von Organisiertheit auszuzeichnen:
b
b
b
b
b
b
Die Organisation vorhandener Bestimmtheit zu u¨ bergreifenden Einheiten l¨asst sich, unter dieser Einschr¨ankung, als Zunahme von Ordnung verstehen. Solche Zunahme von Ordnung ist aber insofern ein fundierter Bestimmtheitszuwachs, als Ordnung eine Einschr¨ankung der Verkn¨upfungsm¨oglichkeiten vorgegebener Elemente und damit eine Bestimmung ihres Verh¨altnisses bedeutet. Die QuasiSelbstbestimmung im Reich des Objektiven ist damit insofern Zunahme von Ordnung, weil diese ein Zustandekommen von Bestimmtheit auf der Grundlage vorhandener Bestimmtheit und nicht etwa die unfundierte Anreicherung mit neuer Bestimmtheit markiert. Zugleich wurde aber gezeigt, dass Selbstbestimmung dem Bestimmtsein im Reich der Objektivit¨at auch derart untergeordnet sein muss, dass dieses im Ganzen gerade nicht an Bestimmtheit gewinnt. Daher kann auch die Zunahme von Ordnung die Sph¨are objektseitigen Seins nicht global charakterisieren. Der Spielraum der Objektivit¨at muss daher zugleich durch lokale Zunahme und globale Nichtzunahme von Ordnung gekennzeichnet sein. Aus der Bestimmung der Objektivit¨at l¨asst sich damit ein logischer Vorl¨aufer zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik herleiten – n¨amlich dass die Ordnungsbestimmtheit eines selbsttragenden Ganzen global nicht zunehmen kann. Da sich aus der logischen Bestimmung des Objektkontinuums aber zugleich ergibt, dass dieses lokal einen Organisationsprozess durch determiniertes Zusammentreten vorhandener zu u¨ bergeordneter Bestimmtheit durchmachen muss, ist das gleichzeitige Auftreten lokaler Selbstorganisation und globaler Nichtzunahme von Ordnung im Universum keine empirische Tatsache, welche dieses bloß zuf¨allig charakterisierte, sondern kommt jedem selbsttragenden Ganzen oder jeder m¨oglichen Welt notwendig zu.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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3.4.3 Emergenz im Spielraum des Objektiven ¨ Die vorangehenden Uberlegungen haben das Reich der Objektivit¨at als verschr¨anktes Ganzes erwiesen, das sich mindestens stellenweise immer schon zu einem Kontinuum entschr¨ankt hat, das durch ungleichf¨ormige Bestimmtheitsverteilung gepr¨agt ist und dessen Untereinheiten auf gesetzm¨aßig bestimmte Weise lokal zu organisierten Einheiten mit h¨oherstufigen Bestimmungen zusammentreten. Das Objektkontinuum ist damit durch Selbstorganisation oder die Bildung u¨ bergreifender Einheiten mit Systemeigenschaften gepr¨agt, die auf der Ebene der Bestandteile noch nicht vertreten waren. Die logische Entwicklung des objektiven Begriffs wird damit von einfacheren zu komplexer organisierten Objekttypen f¨uhren303 . Nun l¨asst sich Emergenz gerade als Auftreten systemischer Bestimmtheit auf der Grundlage einer Verkn¨upfung von Elementen fassen, welche solche Bestimmtheit selbst nicht aufweisen (k¨onnen)304 . Die der Objektivit¨at eigent¨umliche fundierte Selbstbestimmung f¨uhrt damit zur Bildung u¨ bergreifender Einheiten mit emergenten Eigenschaften, die ihrerseits die Grundlage f¨ur weitere emergente Bestimmtheitsbildung abgeben. Nun ist aber zwischen schwacher und starker Emergenz zu unterscheiden, je nachdem ob emergente Systemeigenschaften auf die Systemelemente zur¨uckf¨uhrbar sind oder nicht305 . Schwache Emergenz liegt vor, wenn die emergenten Eigenschaften des Systems durch dessen Untereinheiten und ihr Verh¨altnis eindeutig bestimmt sind und diese Abh¨angigkeit im Prinzip auch erkennbar ist. Dagegen liegt starke Emergenz vor, wenn die emergenten Eigenschaften des Systems zwar nur auf der Grundlage seiner Untereinheiten auftreten, durch diese aber nicht schon eindeutig bestimmt sind. Da die Untereinheiten f¨ur die emergenten Bestimmungen des Systems damit nur notwendig, nicht aber hinreichend sind, stellen diese ihnen gegen¨uber ein wirklich Neues dar und sind damit auch nicht erkennend auf jene zur¨uckf¨uhrbar. Insofern der logische Fortgang auf besondere, kategoriale Formen objektseitigen Seins f¨uhrt, kann die Organisationsbildung im Objektkontinuum nicht nur durch schwache Emergenz gepr¨agt sein. Denn gem¨aß des Aufhebungspostulats k¨onnen entwickeltere Kategorien nicht einfach als a¨ ußere Verkn¨upfungen ihrer Vorg¨anger verstanden werden, sondern bilden diesen gegen¨uber eigenst¨andige 303
Georg Sans macht insofern zu Unrecht einen Gegensatz zwischen Selbstorganisati” on der Materie“ und Realisierung des Begriffs“ [vgl. S ANS 2002: 64] aus. Hegel begreift ” die in der Logik entwickelten Objekttypen jedoch gerade als organisierte Ganzheiten [vgl. 20,2078−10] und fasst auch die Abfolge ihrer Entsprechungen in der Natur als Stufenleiter niedriger und h¨oherer Organisationen [vgl. TW9,249 Z.]. Jedoch ist Sans insoweit zuzustimmen, als die Selbstorganisation des Universums hin zum Leben nur untergeordneter Aspekt der Realisierung des Begriffs ist und nur von diesem her angemessen zu verstehen ist. 304 Vgl. S TEPHAN 2000: 18ff. 305 Vgl. ebd.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Gehalte. Daher geh¨ort zur Organisationsbildung im Objektkontinuum begrifflich irreduzibler Bestimmtheitszuwachs, der jedoch auf Grundlage elementarer Objekte erfolgt, deren eigene Ver¨anderungen nomologisch determiniert sind. Die Strukturbildung im Objektkontinuum muss daher durch starke Emergenz gekennzeichnet sein. Damit sollten sich h¨oherentwickelte Objekttypen nicht auf elementare, mechanische Objekttypen zur¨uckf¨uhren lassen306 . Dabei vollzieht sich die reale Herausbildung komplexerer Objekttypen nicht nur aufgrund kontingenter Anfangsbedingungen. Vielmehr l¨asst sich aus der logischen Verfassung der Objektivit¨at ableiten, dass es in ihr zu einem Prozess der Organisationbildung kommen muss, der u¨ ber solche Objekttypen verl¨auft. 3.4.4 Erkennbarkeit objektseitigen Seins Insofern Hegel die Objektivit¨at nicht schon als Gegenst¨andlichkeit f¨ur ein Erkennen, sondern als logische Verfassung eines selbsttragenden Ganzen einf¨uhrt, ¨ bilden weder der Ubergang von der Schlusslogik zu ihr noch die Logik des Objekts u¨ berhaupt eine Theorie epistemischer Gegenstandskonstitution307. Denn da erst die Objektivit¨at ein selbsttragendes Ganzes ausmacht, hat sich unbedingtes Sichbestimmen je schon r¨uckhaltlos zu ihr ausgelegt308 . Damit markiert das Reich der Objektivit¨at zwar weder das Resultat epistemi306 Zu einer Begr¨undung f¨ur die epistemische und ontologische Eigenst¨andigkeit der (experimentellen) Chemie siehe unten S. 395 Anm. 363 . Die Eigenst¨andigkeit der Biologie ergibt sich daraus, dass Lebendiges als selbstfortsetzende Einheit aus dem Objektkontinuum nur mit Hinblick auf eine artspezifische Lebensform abgehoben werden kann, der es mehr oder weniger angemessen sein kann und die sich daher gar nicht in rein deskriptiven – mechanischen oder chemischen – Begriffen ausdr¨ucken l¨asst, vgl. unten S. 407. 307 Eine derartige Auffassung liegt Pippins transzendentalphilosophischer Interpretation der Begriffslogik zugrunde [vgl. P IPPIN 1989: 232ff.]. Eine solche Deutung ist sowohl historisch wie systematisch unangemessen. Denn erstens grenzt Hegel den subjektiven Begriff ausdr¨ucklich vom Selbstbewusstsein ab, in dem er sich real auspr¨agt. Auch dass er die Aus¨ legung des Begriffs zur Realit¨at oder n¨aher des Schlusses zur Objektivit¨at mit dem Ubergang vom Denken zum Sein im ontologischen Gottesbeweis gleichsetzt, macht deutlich, dass es dabei nicht allein um Gegenstandskonstitution seitens eines endlichen Erkennens geht, sondern ¨ um einen Prozess, der diesem vorgeordnet ist. Wird der Ubergang vom Schluss zur Objektivit¨at schon erkenntnistheoretisch verstanden, bleibt erstens unklar, weshalb das Erkennen in der Logik erst nach der Objektivit¨at abgehandelt wird. Zweitens bleibt unbegriffen, wie und wieso das Subjekt des Erkennens zugleich innerhalb der Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins, die es erkennt, verankert sein kann. Drittens l¨asst sich so nicht begr¨unden, dass und inwiefern sich Subjekte im Erkennen angemessen auf objektive Realit¨at beziehen k¨onnen, die sie durch ihre Erkenntnisleistungen nicht erst schaffen, obgleich artikulierend mitkonstituieren. 308 Wenn Christian Iber gegen Hegels idealistische Pr¨ amisse“ der Selbstauslegung des Be” griffs zur Objektivit¨at ins Feld f¨uhrt: Nicht die Dinge sind Urteile, sondern, das Nachdenken ” u¨ ber Dinge besteht aus Urteilen. Das Urteil ist eine Form objektiven Wissens u¨ ber Dinge und der Schluss die Begr¨undung dieses Wissens“ [I BER 2006b: 121], entzieht sich diese Behauptung selbst die Grundlage, weil sich auf ihrer Grundlage nicht mehr verstehen l¨asst, inwiefern
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scher Konstitutionsleistungen endlicher Subjekte noch ein je schon Erkanntes, jedoch ein durch und durch Erkennbares. Zwar ergibt es sich logisch aus der Auslegung des Begriffs zu einem Kontinuum durchg¨angigem Bestimmtseins, in dem alle diskreten Unterschiede zusammengefallen sind. Da diese Unterschiede aber Begriffsunterschiede waren, ist im Kontinuum Begreif-, Beurteilund Erschließbares sozusagen dicht gelagert und es daher erkennend artikulierbar. Gegenst¨ande und Tatsachen sind in ihm damit zwar nicht als diskret voneinander abgehobene Einheiten einfach vorhanden, jedoch in Vollz¨ugen des Begreifens, Urteilens und Schließens als solche abhebbar. Dabei meint dieses Abheben nicht einfach willk¨urliches Setzen von Einschnitten. Vielmehr f¨uhrt die Logik auf bestimmte, apriorisch herleitbare Organisationstypen, das mechanische, chemische und teleologische Objekt und ihre Unterformen, gem¨aß derer das Objektkontinuum artikulierbar sein muss, sodass ihre Abhebung kein willk¨urliches Grenzziehen bedeutet, sondern durchaus ein formgerechtes Zer” legen des Gegenstands nach Gliedern, wie er naturgem¨aß sich bestimmt“ 309 . Denn die apriorische Ableitung der Objektkategorien bedeutet, dass das Objektkontinuum von sich her gem¨aß der durch sie bezeichneten Formen des Begreifens erkennbar sein muss. Da die logischen Objekttypen aber einander u¨ berlagernde Organisationsebenen markieren und nicht etwa bloß verschiedene Einheiten auf derselben Ebene und die ihnen entsprechenden Objekte ins Kontinuum bloß analog eingebettet sind, bilden diese objektseitig keine Ansammlung selbst¨andig von sich her bestehender Einheiten. Die entsprechenden Objektkategorien sind daher insofern schwebende“ Begriffe als sie Strukturen bezeich” nen, die ins Objektkontinuum unabgehoben eingebettet sind und dieses damit zwar an ihm selbst pr¨agen, ohne an ihnen selbst als selbst¨andige Einzelne ausgezeichnet zu sein. Obwohl sie vielmehr erst durch epistemische Vollz¨uge als eigenst¨andige Theorieobjekte konstituiert werden, markieren sie doch zugleich die artikulierbare Verfasstheit des Kontinuums an ihm selbst. Durchg¨angig bestimmt ist das Objektkontinuum also im Sinne seiner nicht-willk¨urlichen Bestimmbarkeit gem¨aß der kategorialen Formen des mechanischen, chemischen und teleologischen Objekts. Dabei sind diese in der Logik entwickelten Objektkategorien keine empirischen Bestimmungen, sondern reine Strukturbegriffe und insofern transzendental, als sie nicht etwa in der Anschaung gegebenen Einheiten beigelegt, sondern Bedingung eines Anschauung involvierenden Auszeichnens gegenst¨andlicher Einheiten im Gesamtzusammenhang der Erfahrung sind. Sie bilden damit keine realen Pr¨adikate oder Bestimmungen an Einzelnem, sondern Bestimmungen, denen organisierte Einheiten im Objektkontinuum ihre Ansetzung als selbst¨andige Einzelne erst verdanken. So sind sie in sich die Dinge selbst in irgendeiner Weise um die Form des Urteils k¨ummern, die doch objek” tives Wissen“ von ihnen garantieren soll. 309 P LATON , Phaidros 265e.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
unterschiedlicher Hinsicht sowohl Erkenntnis- wie Realgrund von Einheit, weil das Objektkontinuum einerseits notwendigerweise und nicht bloß zuf¨allig so organisiert ist, dass es ihnen gem¨aß artikulierbar ist, sie aber andererseits erst als Erkl¨arungsformen diskrete Gegenstandseinheit konstituieren und so Garanten der Einzelheit und Identit¨at von Erfahrungsgegenst¨anden sind, die allein im Hinblick auf sie u¨ ber eine Prozessstrecke hinweg als identische Einheiten verfolgt werden k¨onnen. Real werden in das empirische Auszeichnen besonderer Objekttypen jedoch durchaus der Zufall und ein Moment willk¨urlicher Grenzziehung mit hineinspielen. ¨ Da sich aus dem Ubergang vom Schluss zur Objektivit¨at die grunds¨atzliche Begreif-, Beurteil- und Erschließbarkeit der Verfasstheit des Objektkontinuums ¨ ergibt, bildet dieser Ubergang, wenn man so will, Hegels transzendentale Deduktion. Denn wenn eine solche Sph¨are durchg¨angiger Bestimmtheit notwendig zum Sein qua Sichbestimmen geh¨ort, reines Sichbestimmen sich aber notwendig in Begriffen, Urteilen und Schl¨ussen artikuliert, sind diese Formen dem Objektkontinuum nicht einfach fremd, sondern es vermittelst ihrer artikulierund erkennbar310 . Der logische Fortgang von der Objektivit¨at zur Idee wird zeigen, dass das Objektkontinuum nicht nur erkennbar ist, sondern deshalb auch wirklich erkannt werden muss, weil das Sichbestimmen des Begriffs in und aus der Sph¨are seiner Selbstauslegung zu durchg¨angiger Bestimmtheit in Gestalt von Zentren bedingten Sichbestimmens hervortreten muss. Empirische Objekterkenntnis ist aber gerade insofern eine Form bedingten (Sich)Bestimmens, als die entsprechenden Urteilsakte zwar selbstbestimmte Vollz¨uge sind, in die jedoch ein rezeptives Moment hineinspielt. Daher erschafft urteilende Zuwendung ihren Gegenstand nicht einfach, sondern ist darauf angewiesen, dass sich ihr ein Spielraum artikulierbarer Bestimmtheit er¨offnet. 310 Auf diese Weise l¨ asst sich Hegels notorische Versicherung rechtfertigen: Das ver” schlossene Wesen des Universums hat keine Kraft in sich, welche dem Mute des Erkennens Widerstand leisten k¨onnte; es muss sich vor ihm auftun und seinen Reichtum und seine Tiefen ihm vor Augen legen und zum Genusse bringen“ [TW10,404]. Diese Behauptung ist damit trotz gegenteiligen Anscheins kein Ausdruck epistemischer Vermessenheit. Vielmehr ergibt sie sich aus der logischen Einsicht, dass das nat¨urliche Universum als durch sich bestimmtes Ganzes f¨ur Zentren abh¨angigen Sichbestimmens, die in ihm notwendig hervortreten, erkennbar sein muss. Vern¨unftig nicht ausweisbar und insofern vermessen w¨are es dagegen zu meinen, es k¨onne irgendwo im Ganzen objektseitiger Realit¨at etwas geben, das grunds¨atzlich nicht erkennbar ist. Aus Hegels logischer Einsicht, dass dieses Ganze in jedem seiner Aspekte erkennbar ist, folgt freilich nicht, es k¨onne jemals in all seinen Aspekten erkannt werden [∀x♦e(x) 9 ♦∀xe(x)]. Ebenso wenig ergibt sich aus ihr, es k¨onne nicht auch solches geben, was zu einem bestimmten Zeitpunkt grunds¨atzlich noch nicht erkannt werden kann. Denn die Erkennbarkeit objektseitigen Seins betrifft gerade nur solches, was bereits bestimmt ist. Die geschichtliche Welt des Geistes als Prozess realen Sichbestimmens ist dagegen wesentlich unabgeschlossen und nach ihrer zuk¨unftigen Entwicklung daher auch nicht im Erkennen vorwegnehmbar.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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Objektseitige Realit¨at ist damit nur deshalb erkennbar, weil das Erkannte als Sph¨are organisierten, begrifflich artikulierbaren Bestimmtseins ebenso wie das Erkennen als in ihr leibhaftig verankertes (Sich)Bestimmen ein- und derselben ontologischen Wurzel entstammen, n¨amlich dem reinen Sichbestimmen des Begriffs, das f¨ur sich genommen keinen Selbstand hat, sondern sich immer schon zum Kontinuum objektseitigen Seins ausgelegt hat, in und aus dem erkennende Subjekte leibhaftig hervortreten. Auf diese Weise erkl¨art sich nicht nur, dass objektive Gegenstandserkenntnis m¨oglich ist, sondern zugleich, inwiefern sie fehlschlagen kann. Denn soll solche Erkenntnis die Sache selbst erfassen k¨onnen, kann das Verh¨altnis beider nicht weniger sein als ein Selbstverh¨altnis. Soll jedoch zugleich Irrtum m¨oglich sein, kann das Erkennen nicht schon in unmittelbarer Identit¨at mit der zu erkennenden Sache stehen. Nur wenn die erkennend etablierte Identit¨at eine vermittelte ist, kann bei ihrer Herstellung n¨amlich etwas dazwischen kommen. Soll die Identit¨at zwischen Erkennen und Erkanntem aber vermittelt sein, muss sie zwischen solchem zustande kommen, was sich zugleich unterscheidet. Eben dies ergibt sich aus Hegels Bestimmung der Objektivit¨at. Denn danach erfasst Gegenstandserkenntnis nicht einfach vorhandene Objekte, sondern artikuliert gem¨aß kategorialer Formen Unterschiede, die im Objektkontinuum bloß unabgehoben angelegt sind. Der Seinsstatus von Objekten wird damit erst von der Idee des Erkennens her abschließend zu begreifen sein, insofern epistemische Vollz¨uge f¨ur ihr Hervortreten als selbst¨andige, identifizierbare Einheiten verantwortlich sind, die im Kontinuum der Objektivit¨at nicht einfach schon vorhanden sind. Insofern die logischen Typen des mechanischen, chemischen und teleologischen Objekts verschiedene, einander u¨ berlagernde Organisationsebenen bezeichnen, k¨onnen sie gerade nichts markieren, was unabh¨angig vom Abheben solcher Ebenen absoluten Selbstand beanspruchen k¨onnte. Insofern sich das Objektkontinuum damit zwar nicht schon an sich eindeutig in wohlunterschiedene Einheiten gliedert, andererseits aber auch keine homogene Sph¨are bildet, in die beliebige Unterschiede eingezeichnet werden k¨onnten, sondern organisiert ist, kann das Erkennen seine artikulatorischen Schnitte je nach Blickrichtung zwar auf verschiedenen Organisationsebenen setzen und mechanische, chemische und biologische Objekte voneinander unterscheiden, ohne darum beliebig zu sein311 . Solches Abheben von Objekten ist darum nicht beliebig, weil die Objektkategorien keine willk¨urlichen Gehalte sind, sondern zum Denken als solchem geh¨oren, und das Kontinuum derart inhomogen organisiert sein muss, dass seine lokale Artikulierbarkeit gem¨aß dieser Kategorien garantiert ist312 . 311
Hoffmann schreibt treffend: Die Objektwelten entfalten sich freilich nicht alter” nativlos, sondern durchaus im Sinne konkurrierender Auslegungen des objektiven Ganzen“ [H OFFMANN 2004: 377]. 312 Analogisch verdeutlichen l¨ asst sich die Artikulierbarkeit des Objektkontinuums an ei-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Hegels Begriff der Objektivit¨at macht damit eine kritische Auffassung von Gegenst¨andlichkeit m¨oglich, der gem¨aß Gegenst¨ande als wohlunterschiedene Einheiten nicht unabh¨angig von begrifflichen Vollz¨ugen erkennender Subjekte bestehen. Zugleich ist die entwickelte Auffassung von Objektivit¨at insofern realistisch, als das Objektkontinuum ihr zufolge nicht bloß als Korrelat subjektseitiger Konstitutionsleistungen, sondern auch an sich besteht. Daher kann das Erkennen zugleich in der Sph¨are, die es artikuliert, leibhaft verankert sein. Insofern erst das Erkennen das organisierte Kontinuum auf verschiedenen Ebenen der Theoriebildung zu einer diskreten Welt identifizierbarer Gegenst¨ande entfaltet, erfasst es weder bloß Erscheinungen noch unumwunden Dinge an sich, sondern Erscheinungen, welche die Sachen selbst sind. 3.4.4.1 Einteilung der Objektivit¨at Der objektive Begriff pr¨agt sich logisch in einer unmittelbaren, einer vermittelten und einer selbstvermittelten Gestalt aus313 , die Hegel als Mechanismus, Chemismus und Teleologie abhandelt. Der Logik des Objekts gem¨aß ist es damit kein Zufall, dass das Universum in mechanische, chemische und biologische Strukturen organisiert ist, deren kategoriale Formen im Objektivit¨atskapitel entwickelt werden. Dabei handelt es sich um Systembegriffe, die Formen der Organisation von Untereinheiten des Objektkontinuums zu u¨ bergreifenden Einheiten markieren314 . Die Objekttypen charakterisieren dabei Systeme zunehmender Selbst¨andigkeit. Im Zusammenhang mit Systemen kann Selbstst¨andigkeit aber nur zunehmende Integration der Untereinheiten ins organisierte Ganze und damit Bestimmung ihrer selbst und ihrer Verh¨altnisse durcheinander und das Ganze bedeuten. Die unmittelbare Objektform nennt Hegel das mechanische Objekt. Dabei meint Unmittelbarkeit, dass es sich bei ihm sozusagen um einen Bestimmtheitsknoten im Kontinuum handelt, der selbst keine inneren Unterschiede und Beziehungen aufweist oder als in sich gleichf¨ormig betrachtet werden kann. Mechanische Objekte sind damit strukturlos gefasste Einheiten oder aus solchen zusammengesetzt. Als reale Auspr¨agung solcher Zusammensetzung gilt Hegel etwa ein aus selbst homogen aufgefassten K¨orpern bestehendes Planetensystem. Entsprechend geh¨oren auch komplexe Objekte zum unmittelbaren Typ objektseitiger Bestimmtheit, sofern sie Ausschnitte des Objektkontinuums nem Tapetenmuster, das ein zusammenh¨angendes Ganzes bildet, an dem mit Blick auf bestimmte geometrische Formen gewisse wiederkehrende Teilformen fokussierend abhebbar sind. Dem Moment der Fokussierung entspricht, dass die aus dem Objektkontinuum abgehobenen Objekte hinter den besonderen, sie zur Abhebung bringenden kategorialen Formen gegebenenfalls insofern zur¨uckfallen k¨onnen, als sie ihrem Begriff nicht vollauf entsprechen. 313 Vgl. 12,1321−13. 314 Vgl. H ARTMANN 1999: 363.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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markieren, die derart aus selbst unstrukturierten Einheiten zusammengesetzt sind, dass ihre Bestandteile im Ganzen dieselbe kausale Relevanz wie außerhalb desselben haben. Insofern das mechanische Objekt von sich her nicht durch besondere innere Unterschiede gekennzeichnet ist, sondern ein gleichf¨ormiges Bestimmtheitspaket bildet, kann es nicht bloß mit besonderen Objekten wechselwirken, sondern unspezifisch mit allen anderen. Als unmittelbare Einheiten k¨onnen mechanische Objekte im Zuge solcher Wechselwirkung auch entweder bloß unmittelbar erhalten bleiben oder aber verschwinden. Daher besteht die Wechselwirkung zwischen ihnen entweder nur in der ¨ Ubertragung sich im Objektkontinuum ungehindert fortpflanzender Wirkungen, die Zustands¨anderungen hervorrufen, im Zuge derer die Objekte selbst erhalten bleiben, oder f¨uhrt zu ihrem unmittelbaren Verschwinden in andere mechanische Objekte. Denn insofern mechanische Objekte logisch zwar nicht bestimmungs-, aber strukturlos sind, bleiben sie auch in ihrem Zusammenwirken entweder als homogene Einheiten erhalten oder es gehen aus ihnen andere Objektpakete hervor, die als solche ebenfalls strukturlos sind. Die M¨oglichkeit zu letzterem liegt gerade darin, dass Objekte nicht als substantielle Einheiten zu fassen sind, welche gegeneinander spr¨ode sind315 , sondern bloß Gestalten des einen absoluten Objekts bilden, zu dem sich der Begriff immer schon ausgelegt hat316 . Als vermittelter Objekttyp bildet das chemische Objekt im Unterschied zum mechanischen eine in sich verh¨altnism¨aßige Einheit, in die mechanische Objekte als unselbst¨andige Bestandteile eingehen. Das chemische Objekt markiert damit insofern die vermittelte Gestalt der Objektivit¨at, als es wesentlich in sich strukturiert und aus Einheiten zusammengesetzt ist, die im Ganzen andere kausale Eigenschaften haben als unabh¨angig voneinander. Da ein solches Ganzes verm¨oge seiner inneren Gliederung eine besondere Struktur aufweist, reagiert das chemische Objekt nicht einfach mit allem und jedem, sondern auf besondere Weise mit besonderen anderen. Im chemischen Prozess bleiben die Wechselwirkenden daher auch weder unmittelbar erhalten noch verschwinden sie spurlos in anderen Objekten. Denn da der chemische Prozess in spezifischen Verh¨altnissen in sich gegliederter Einheiten gr¨undet, gehen aus ihm solche Einheiten hervor, deren innere Gliederung durch diejenigen der Ausgangseinheiten 315
Vgl. 12,13427−30. Es ist aufschlussreich, mit dieser Bestimmung des mechanischen Objekts Heisenbergs Charakteristik der Elementarteilchen zu vergleichen: Die verschiedenen Elementarteilchen ” k¨onnen als verschiedene Formen betrachtet werden, in denen die fundamentale Substanz, die man Materie oder Energie nennen mag, existieren kann. [...] Die bekannte Formel Jedes Ele’ mentarteilchen besteht aus allen anderen Elementarteilchen‘ scheint eine gute Beschreibung der paradoxen Situation zu geben, mit der wir in den Experimenten konfrontiert werden“ [H EISENBERG 1967: 2]. 316
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
und die Art ihres Zusammenwirkens bestimmt sind, im einfachsten Fall durch Zusammentritt zu einer chemischen Verbindung. Das teleologische Objekt markiert die selbstvermittelte Objektform und bildet den logischen Inbegriff selbstlosen organischen Seins oder bloßen Lebens. Gem¨aß seiner selbstvermittelnden Natur ist es damit weder als ungegliedert betrachtbar wie das mechanische Objekt noch bloß in sich verh¨altnishaft wie das chemische, sondern selbstverh¨altnism¨aßig. Da die Objektivit¨at ein Reich durchg¨angigen Bestimmtseins markiert, kann solche Selbstverh¨altnism¨aßigkeit aber weder schon darin bestehen, dass sich selbstbez¨ugliches Sichbestimmen in Bestimmtem auf sich bezieht, noch darin, dass es sich als unfundiertes Sichbestimmen erst zur Bestimmtheit auslegt. Vielmehr muss der Selbstvermittlungscharakter des teleologischen Objekts vollst¨andig in objektseitiger Bestimmtheit fundiert sein. Es ist daher ein durchg¨angig Bestimmtes, das nur in der Hinsicht als selbstvermittelnd gelten kann, insofern gewisse Strukturen und Prozesse im Objektkontinuum als Beitr¨age zur Realisierung seiner Lebensform (im Sinne artspezifischer Strukturen und Prozesse) betrachtet werden k¨onnen. Selbstvermittlung meint damit, dass sich das teleologische Objekt entweder auf eine seiner Lebensform angemessene Weise entwickelt oder seinen a¨ ußerlich gest¨orten Zustand auf einen durch sie bestimmten Zustand hin ver¨andert. Solche Selbstvermittlung kann sich damit als Ausbildung neuer Strukturen gem¨aß eines durch die Lebensform vorgezeichneten Entwicklungstyps, als Wiederherstellung bereits vorhandener wie auch als Selbstreplikation vollziehen317 . Hegels Bestimmung der Teleologie wird damit als kategorialer Ausdruck selbstvermittelnder Organisationsformen im Objektkontinuum und nicht als oder mit Bezug auf subjektive Zwecksetzung gedeutet, die sich nicht als Form objektseitigen Seins verstehen l¨asst und darum den logischen Fortgang vom Mechanismus zum beseelten Leben durchbr¨ache. Ein solches Verst¨andnis der Teleologie k¨onnte jedoch problematisch erscheinen, insofern die Idee des Lebens, die Hegel erst nach der Teleologie abhandelt, gerade solche selbstvermittelnden Organisationsformen zu bezeichnen scheint und insofern mit der Teleologie zusammenzufallen droht318 . Diesem Eindruck entgegen sollte man jedoch nicht schließen, eine eigenst¨andige Behandlung des Lebens in der Logik 317 Die Prozessform des selbstvermittelnden Objekts und damit die logische Form des bloß Lebendigen kann darum nicht in bloßer Selbsterhaltung und Reproduktion bestehen, weil dies gerade nichts dem Lebendigen Eigent¨umliches ist, sondern auch schon f¨ur bestimmte Formen des Chemismus gilt. Als Einheit von Mechanismus und Chemismus muss die Teleologie dagegen gerade die dem Chemismus eigene Prozessualit¨at mit der Selbsterhaltung des mechanischen Objekts vereinen, seine Selbstvermittlung somit echte Ver¨anderung in sich einschließen und seine Form daher wesentlich als Entwicklungsform bestimmt sein. 318 Entsprechend schreibt Taylor: Although Life is the category which comes after, and ” out of Teleology, living things, conceived outside of a possible reduction to mechanism provide the best example of Hegels category here“ [TAYLOR 1975: 321].
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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sei deshalb u¨ berfl¨ussig, weil mit der Kategorie des Teleologischen schon alles Wesentliche zur kategorialen Verfassung des Lebendigen gesagt sei319 . Vielmehr unterscheidet Hegel logisch gerade zwischen zwei Organisationsformen, deren n¨achstliegende reale Auspr¨agungen umgangssprachlich beide als Leben“ ” charakterisierbar sind. Der Unterschied zwischen dem teleologischen Objekt und der Idee des Lebens beinhaltet n¨amlich sowohl einen Wechsel der Betrachtungsweise wie grundlegende Unterschiede der Organisationsform. Denn das teleologische Objekt markiert als solches nur eine als selbstvermittelnd erkl¨arbare Organisationsform im Kontinuum objektseitigen Seins, zu der selbst kein selbstbez¨ugliches Sichbestimmen geh¨ort, das sich in Bestimmtem auf sich selbst bezieht. Das teleologische Objekt bildet so nur den Inbegriff organischen Seins in einem innerlichkeitslosen Außen und kann, insofern es kein Selbst und damit auch keinen Selbstand hat, auch nur f¨ur einen Betrachter, der es als im Hinblick auf eine artspezifische Lebensform abhebt, als selbstvermittelnd gelten. Das (beseelte) Leben ist dagegen logisch durch Hervortritt pr¨areflexiver Selbstbeziehung an einem teleologischen Objekt bestimmt und schließt daher Innerlichkeit ein. Aufgrund dessen unterscheidet sich die Selbstvermittlung des Lebendigen im engeren Sinn auch grundlegend von der des teleologischen Objekts. Denn dadurch, dass sich Lebendiges auf sich und anderes bezieht, kann es sich begehrend auf solches richten, was ihm zu seiner Selbstreproduktion abgeht. Das teleologische Objekt ist in seiner Selbstvermittlung dagegen ganz darauf angewiesen, dass ihm die Gunst der Umst¨ande das Material derselben zuspielt. Will man den logischen Unterschied von Teleologie und Leben auf reale Unterschiede abbilden, wird man ihn daher grob auf Pflanze und Tier beziehen, n¨amlich auf selbstvermittelnde Organisationsformen einmal ohne und einmal mit Innerlichkeit und geschlechtlicher Fortpflanzung. Da Lebendiges in diesem Sinne aber immer auch teleologisches Objekt ist, f¨allt nichts leichter als seine Reduktion auf dieses. 3.4.4.2 Zur Rekonstruktion von Hegels logischer Objekttypologie Mechanismus, Chemismus und Leben in einer ontologischen Logik zu behandeln, k¨onnte verfehlt scheinen, sofern diese Bestimmungen allein der Kompetenz der Naturwissenschaften oder allenfalls der Naturphilosophie unterstehen320 . Solche Kritik w¨urde jedoch unbesehen den terminologischen Sinn der entsprechenden Ausdr¨ucke in Hegels Logik mit ihren g¨angigen Bedeutungen gleichsetzen. Zwischen einer logischen und einer naturphilosophischen Betrachtung der Objekttypen l¨asst sich jedoch klar unterscheiden. Die Logik behandelt sie n¨amlich als Organisationsformen des Kontinuums selbsttragenden 319 320
¨ So im Anschluss an H OSLE 1988 neuerdings S PAHN 2007: 136. So schon T RENDELENBURG 1840: 78.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Bestimmtseins noch unangesehen von dessen spezifischer Dimensionalit¨at. Da die r¨aumliche und zeitliche Verfasstheit von Objekten aber gerade durch die Dimensionalit¨at des Kontinuums bestimmt ist, in dem sie auftreten, konstruiert die Logik solche Objekttypen noch unabh¨angig von ihrer raum-zeitlichen Auspr¨agung. Umgekehrt setzt Hegels Naturphilosophie mit der Ableitung von Dimensionalit¨at ein und bringt so erst Raum, Zeit und Materie ins Spiel. Die erneute Behandlung der Objekttypen innerhalb der Naturphilosophie weist damit gegen¨uber der Logik einen entscheidenden Mehrwert auf321 . Auch insofern die Logik des objektiven Begriffs das den Formen objektbezogener Erkl¨arung wie dem verm¨oge solcher Formen Erkl¨arbaren vorg¨angig Gemeinsame meint, was ihr Zusammenstimmen in angemessener Objekterkenntnis erst erm¨oglicht, d¨urfen die logischen Formen der Objektivit¨at nicht mit ihren realen Auspr¨agungen gleichgesetzt werden. Obwohl die nat¨urlichsprachlichen Ausdr¨ucke f¨ur objektlogische Kategorien und ihre realen Auspr¨agungen sich u¨ berschneiden m¨ogen, ist ihr Bedeutungsunterschied ebenso wesentlich wie klar. Sie zusammenzuwerfen w¨are, mit Stekeler-Weithofer zu sprechen, a¨ hnlich irref¨uhrend, wie wenn man den Begriff der Person mit dem der Iden” tit¨at identifizierte oder dann auch die allgemeine logische Kategorie des Gegenstandes mit der des besonderen physischen Dinges“ 322 . Entsprechend ist grunds¨atzlich zu unterscheiden zwischen teleologischem Objekt und Pflanze, lebendigem Individuum und Tier, Gattungsprozess und Fortpflanzung, Leib und biologischem K¨orper, Idee des Geistes und menschlichem Dasein etc. Die Verwendung der erstgenannten Ausdr¨ucke bedeutet entsprechend keineswegs, in die Logik w¨urde Außerlogisches hineingetragen. Nach ihrer Dimensionalit¨at logisch noch nicht bestimmt, brauchen sich die logischen Objekttypen auch nicht notwendig in der vierdimensionalen physikalischen Raumzeit auspr¨agen, sondern k¨onnen dies ebenso in der eigent¨umlichen Zeitform des Geistigen. So nennt Hegel als geistige Auspr¨agungen des Mechanismus etwa die Gewohnheit und als Auspr¨agung des Chemismus die durch unwillk¨urliche Attraktion oder Abstoßung gepr¨agte Weise, wie Personen auf- und miteinander reagieren“. ” Die Behauptung, logische Objekttypen pr¨agten sich real sowohl in nat¨urlichen wie in geistigen Ph¨anomenen aus, k¨onnte jedoch bloß metaphorisch scheinen323 . W¨ortlich genommen rechtfertigt dieser Einwand aber gerade die Behandlung der Objekttypen als logischer Bestimmungen. Wenn n¨amlich etwa der Begriff des Mechanischen metaphorisch auf Geistiges bezogen werden kann, kommen Nat¨urliches und Geistiges gerade in einem Dritten u¨ berein, 321 Insofern behaupten H¨ osle und Spahn zu Unrecht, Hegel handele die in der Logik dargestellten Objekttypen in der Naturphilosophie einfach unver¨andert noch einmal ab, vgl. ¨ H OSLE 1988: 247 und S PAHN 2007: 175. 322 S TEKELER -W EITHOFER 2002: 60. 323 Vgl. H OSLE ¨ 1988: 247.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
375
das selbst weder nat¨urlich noch geistig, sondern als u¨ bergreifendes logisch ist. Mit dem Einwand wird jedoch eher gemeint sein, dass zwischen nat¨urlichen Objekttypen und ihren vermeintlichen geistigen Pendants u¨ berhaupt nur vage Entsprechungen bestehen. Die Anforderung an eine Darstellung der Objektkategorien ist daher dreifach: Erstens sind sie als logische Bestimmungen darzustellen und von einer Vermengung mit Naturkategorien freizuhalten. Zweitens ist nachzuweisen, dass sie sich als logische Bestimmungen in einem klar fassbaren Sinn sowohl nat¨urlich wie geistig auspr¨agen k¨onnen. Drittens ist aufzuweisen, inwiefern die Abfolge der Objekttypen der realen Selbstorganisation des nat¨urlichen Universums hin zum Leben ihre apriorische Form vorzeichnet. Wie ihre Bezeichnungen nahe legen, handelt es sich bei den Objekttypen n¨amlich trotz allem um Bestimmungen, die sich global allein als nat¨urliche Ph¨anomene auspr¨agen k¨onnen, an Geistigem dagegen bloß untergeordnete Aspekte bilden. Da die Objekttypen n¨amlich Gestalten des Bestimmtseins sind, die logische Form des Geistes jedoch bestimmtes Sichbestimmen, das bloß ein Moment vorgegebenen, von ihm anzueignenden Bestimmtseins einschließt, k¨onnen die Organisationsformen des Bestimmtseins Geistiges nicht global pr¨agen, sondern nur, insofern sie seinem Sichbestimmen untergeordnet sind. Solange der Geist solche Formen wie den Mechanismus der Gewohnheit seinen selbstbestimmten Zwecken unterordnet und f¨ur sich arbeiten l¨asst, steigern sie seine Reichweite. Verselbst¨andigt kehren sie sich dagegen als Formen der Unfreiheit gegen ihn und k¨undigen seinen Verfall zu bloß nat¨urlichem Bestimmtsein an. Von einer naturwissenschaftlichen unterscheidet sich die logische Darstellung der Objekttypen nicht nur dadurch, dass deren spezifische Dimensionalit¨at in ihr noch keine Rolle spielt, sondern zugleich durch Ausschluss des Zuf¨alligen. Dessen Ber¨ucksichtigung markiert u¨ berhaupt den unverzichtbaren Mehrwert einer naturwissenschaftlichen Objekttheorie gegen¨uber einer philosophischen. Denn aus der Logik l¨asst sich zwar noch der Zufall, nicht aber Zuf¨alliges selbst herleiten, insofern in ihr gezeigt wird, dass ein selbsttragendes Ganzes notwendig durch Bestimmungen gepr¨agt ist, die sich grunds¨atzlich nicht rein apriorisch aus dem Begriff herleiten lassen, obwohl sie an ihm teilhaben und insofern empirisch erkennbar sind324 . Dabei kann sich das Zuf¨allige, soweit naturwissenschaftlich von Belang, im nomologisch geschlossenen Reich der Objektivit¨at sowohl in kontingenten Anfangsbedingungen, der besonderen Form der Naturgesetze oder ihrer statistischen Natur auspr¨agen. Aus der logischen Notwendigkeit des Zufalls folgt daher, was real ohnehin außer Frage steht, n¨amlich dass Naturwissenschaft sowohl in ihren theoretischen wie in ihren angewandten Formen der Philosophie gegen¨uber eigenst¨andig und unverzichtbar ist. Dennoch fallen ihre Gegenstandsbereiche nicht einfach auseinan324
Vgl. unten die Abschnitte 3.5.11 und 4.1.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
der. Vielmehr f¨uhrt die philosophische Entfaltung des Begriffs auf allgemeinste Objekttypen und Prozesstrukturen, deren unersch¨opflich verwickeltere Auspr¨agung Gegenstand der Naturwissenschaft ist. Da Hegels logische Objekttheorie beansprucht, auf apriorischem Weg allgemeinste Bestimmungen zu entfalten, welche sich in der Natur in h¨ochst verwickelter Weise auspr¨agen, ist es philosophisch unergiebig, sie am Stand der Naturwissenschaften ihrer Zeit zu messen. Dadurch w¨urde der Anspruch verfehlt, logische Kategorien darzustellen und nicht etwa empirische Forschung philosophisch aufzuarbeiten. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass Hegel in der Logik des objektiven Begriffs stellenweise vom Stand der Wissenschaften seiner Zeit zehrt. Dies ist heuristisch verst¨andlich, da es wesentlich einfacher ist, Kategorien darzustellen, deren reale Auspr¨agungen schon begrifflich aufgearbeitet sind. Allerdings kann so der damalige Stand der Naturforschung stellenweise ungl¨ucklich in Hegels logische Ausf¨uhrungen mit hineinspielen. Umgekehrt kann die Gedankenf¨uhrung jedoch ¨ auch an solchen Stellen, deren reale Auspr¨agungen, wie etwa der Ubergang zum Leben, zu Hegels Zeit wissenschaftlich noch kaum untersucht waren, besondere Unsicherheiten aufweisen. Will man dem Anspruch von Hegels logischer Objekttheorie gerecht werden, wird man sie so zwar klar von Absichten und Ergebnissen naturwissenschaftlicher Forschung trennen m¨ussen. Zugleich beansprucht diese Theorie jedoch, apriorisch Organisations- und Prozessformen zu entwickeln, die ihre reale Auspr¨agung in empirisch untersuchten Zusammenh¨angen haben. Daher ist es hermeneutisch angemessen, Bez¨uge zwischen der Logik des objektiven Begriffs und Erkenntnissen naturwissenschaftlicher Forschung nach Hegel anzudeuten, wie es hier versucht wird325 . Die Entfaltung der Organisationstypen eines selbsttragenden Ganzen, die als logische Formen immer zugleich Seins- und Erkl¨arungsformen desselben markieren, beansprucht keinen Eingriff in den Zust¨andigkeitsbereich der Naturwissenschaft, sondern eher eine apriorische Aufkl¨arung von onto-logischen Bedingungen ihrer M¨oglichkeit326 . So erf¨ullt die ontologische Logik eine Tendenz, die umgekehrt auch von Seiten naturwissenschaftlicher Grundlagenreflexion ausgeht. Zwar geht es in den Naturwissenschaften n¨amlich um Ausarbeitung von Theorien, welche einen Gegenstandsbereich so umfassend und genau wie m¨oglich erkl¨aren und dabei alle verf¨ugbaren theoretischen und empirischen Hilfsmittel miteinbeziehen, ohne dass zwischen beiden immer scharf zu unterscheiden w¨are. Dennoch schließt naturwissenschaftliche Grundlagenforschung immer auch Versuche ein, die allgemeinste Verfasstheit eines Gegenstandsbereichs logisch“ zu entwickeln. So hat etwa Einstein sein physikalisches Grund” interesse als logisches bezeichnet: Was mich eigentlich interessiert, ist, ob Gott ” 325 326
Vgl. WANDSCHNEIDER 1985a. Vgl. WANDSCHNEIDER 1985b.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
377
die Welt h¨atte anders machen k¨onnen; das heißt, ob die Forderung nach logischer Einfachheit u¨ berhaupt eine Freiheit in der Wahl der Anfangsbedingungen, Naturkonstanten, Kr¨afteverh¨altnisse l¨asst“ 327 . An der Grenze von Chemie und Biologie spricht etwa Manfred Eigen von einer logischen Stufenfolge“ der ” ¨ Herausbildung belebter Materie328 . Zwar deuten solche Uberlegungen auf eine Logik der Natur“ hin, lassen jedoch offen, was hierbei unter Logik“ zu verste” ” hen ist. Anscheinend sind eher Einfachheits¨uberlegungen leitend als der Blick auf formale Logik, in der es um Folgerungsbeziehungen ohne unmittelbare ontologische Bedeutung geht. Da die Rede vom Einfachen aber selbst vieldeutig ist, der Begriff jedoch mit guten Gr¨unden als Kandidat f¨ur das Einfachste u¨ berhaupt gehandelt werden kann329 , l¨asst sich Hegels logische Objekttheorie zumindest als m¨ogliche philosophische Einl¨osung der Idee apriorischer Naturlogik auffassen. Naturlogische Einfachheits¨uberlegungen w¨aren damit solche, welche die Verfasstheit des Spielraums der Objektivit¨at, der sich real als Natur ausgepr¨agt, aus der immanenten Entfaltung des Einfachsten u¨ berhaupt, n¨amlich des Begriffs, begreifbar machen, ohne dabei auf kontingente Zusatzannahmen zur¨uckgreifen zu m¨ussen. 3.4.5 Das unmittelbare Objekt (Mechanismus) Der Mechanismus bildet die unmittelbare Gestalt der Objektivit¨at und charakterisiert als Systembegriff nicht bloß eine Prozessform, sondern den Inbegriff eines Zusammenhangs wechselwirkender Objekte. Einzelne mechanische Objekte markieren dabei unmittelbare Einheiten im Kontinuum nomologisch determinierten Bestimmtseins. Als Ausschnitte desselben k¨onnen sie ihre Unmittelbarkeit nur darin haben, innerer Vermittlung zu entbehren und insofern ungegliedert zu sein330 . Solche ungegliederten Einheiten bilden jedoch nur die einfachste Form des mechanischen Objekts, auf der dessen logische Entwicklung aufbaut331 . Doch selbst ein nicht bloß zuf¨allig zusammengesetztes System mechanischer Objekte steht noch im Zeichen der Unmittelbarkeit, insofern sei327
Zitiert nach C ALAPRICE 2010: 344. E IGEN 1982: 60. 329 Vgl. oben den Abschnitt zum allgemeinen Begriff 3.3.1. 330 Ihrer realen Auspr¨ agung nach m¨ussen mechanische Objekte nat¨urlich keine homogenen Einheiten bilden. Vielmehr gen¨ugt es, dass sie als solche oder in solchen Fundiertes aufgefasst werden k¨onnen. So kann etwa die klassische Mechanik inhomogene Ausschnitte des Kontinuums so betrachten, als seien sie homogen, und sie deshalb als Massenpunkte behandeln. Dagegen lassen sich chemische Objekte – ihrer logischen Form nach vermittelt – grunds¨atzlich nicht als ungegliederte Einheiten behandeln, ohne dass der chemische Charakter der Betrachtung verloren ginge. 331 Derartige homogene mechanische Objekte bilden keineswegs unteilbare Einheiten. Denn atome Einheiten sind keine Objekte, weil sie keine Totalit¨aten sind“ [12,13430]. Auch die ” einfachsten mechanischen Objekte stellen laut Hegel also Ganzheiten dar. Denn als Ausschnitte des Kontinuums sind sie an ihnen selbst u¨ berg¨anglich in anderes und damit komplex. 328
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ne Elemente in ihm als kausal eigenst¨andige Einheiten erhalten bleiben. Daher k¨onnen sie auch als Glieder eines solchen Systems derart mit seiner Umgebung in Wechselwirkung treten, als seien sie selbst¨andig. So kann etwa ein Massenpunkt innerhalb eines Systems von Massenpunkten immer noch als einzelner Massenpunkt betrachtet werden. Dagegen verhalten sich die Elemente eines chemischen Objekts innerhalb desselben kausal anders als außerhalb. So hat etwa Wasserstoff in H2 O andere kausale Eigenschaften als in H2 . Selbst nicht spezifisch gegliedert treten mechanische Objekte auch nicht bloß mit spezifischen Objekten in Wechselwirkung. Insofern das Reich der Objektivit¨at einen Kausalzusammenhang bildet, kann ein mechanisches Objekt vielmehr unspezifisch mit allen anderen wechselwirken. Als wesentlich ungegliederte Einheiten k¨onnen mechanische Objekte in ihrer Wechselwirkung mit anderen dabei entweder bloß eine Zustands¨anderung durchmachen, im Zuge derer sie als solche erhalten bleiben, oder spurlos in andere Objekte u¨ bergehen. Denn ¨ da sie ungegliedert sind, f¨uhren solche Uberg¨ ange auf ihrerseits ungegliederte Einheiten, in denen die Ausgangselemente entsprechend nicht als unterscheidbare Glieder erhalten sein k¨onnen. Darum behalten und verlieren mechanische Objekte ihren Selbstand unmittelbar. Dagegen k¨onnen chemische Objekte als wesentlich gegliederte Einheiten ihren Selbstand nicht einfach verlieren, sondern bleiben grunds¨atzlich als wohlunterscheidbare Elemente im Resultat ihrer Wechselwirkung erhalten. Dass mechanische Wechselwirkung in unmittelbaren Einheiten gr¨undet, bedeutet nicht, solche Einheiten tr¨aten nicht von sich aus miteinander in Wechselwirkung. Denn da der Mechanismus die kategoriale Verfassung eines selbsttragenden Ganzen bezeichnet, muss sich die Wechselwirkung zwischen seinen Untereinheiten aus diesen selbst ergeben und kann nicht auf a¨ ußerlichen Anstoß angewiesen sein. Im Zuge der logischen Entwicklung des Mechanismus besteht zwar zun¨achst der Anschein, mechanische Objekte tr¨aten nur aufgrund ihnen selbst a¨ ußerlicher Umst¨ande miteinander in Beziehung. Dieser Anschein wird durch den logischen Fortgang jedoch korrigiert ¨ werden – eine Korrektur, der physikalisch etwa der Ubergang von einer kinematischen zu einer dynamischen Betrachtung von Massenpunkten entspricht332 . Da das Reich der Objektivit¨at ein Kontinuum bildet, sind mechanische Objekte in ihm nicht einfach als wohlunterschiedene, selbst¨andige Einheiten oder
332 Burbidges Abgrenzung des mechanischen vom chemischen Objekt stellt daher trotz ihrer Pr¨agnanz eine unangemessene Vereinfachung dar: A mechanical object is complete in itself ” and indifferent to whatever happens to it. Any movement or change intervenes from outside. In contrast, a chemical object is to be oriented towards another“ [BURBIDGE 1996: 80]. Diese Bestimmung mechanischer Objekte trifft n¨amlich nur, was Hegel formellen Mechanismus“ ” nennt. F¨ur diesen gilt in der Tat: Die Wirksamkeit auf anderes bleibt eine a¨ ußerliche Bezie” 7−8 ¨ hung“ [20,205 ]. Diese Außerlichkeit erweist der logische Fortgang jedoch als Abstraktion, indem er zeigt, dass mechanische Objekte von sich her in Wechselwirkung treten.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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Substanzen vorhanden333 . Im Objektivit¨atsabschnitt ist der Beitrag des Subjekts zur Abhebung mechanischer Objekte aber noch nicht ausdr¨ucklich Thema. Ohnehin kann dieser Beitrag nicht in willk¨urlichem Abgrenzen bestehen, sondern muss einen Anhalt in der inhomogenen Verfasstheit des Kontinuums selbst haben, das die logische Form der Erkl¨arbarkeit durch die Formen mechanischer Erkl¨arung aufweist. Letzteres bedeutet, dass, etwa im Gegensatz zu Quines Begriff physikalischer Objekte, nicht jeder beliebige Ausschnitt des Kontinuums sinnvoll als mechanisches Objekt angesetzt werden kann334 . Vielmehr ist die Voraussetzung solcher Absetzung, dass es sich um solches handelt, was als wechselwirkend mit anderem erkl¨arbar und so u¨ ber eine Prozessstrecke hinweg als Einheit weiterverfolgbar sein muss335 . Die logische Entwicklung des Mechanismus verl¨auft u¨ ber eine unmittelbare, eine vermittelte und eine selbstvermittelte Stufe, die Hegel terminologisch als formellen“, differenten“ und absoluten Mechanismus“ fasst. Dabei ergeben ” ” ” sich zunehmend organisiertere Objekttypen mit je entwickelterem Selbstand, in Gestalt derer Selbstbestimmung, soweit dies in den Grenzen nomologisch 333 In diesem Sinne betont Hegel h¨ aufiger, mechanische Objekte seien in ihrer Bestimmtheit unbestimmt: Indem das Object nun Totalit¨at des Bestimmtseyns ist, aber um seiner Un” bestimmtheit und Unmittelbarkeit willen nicht die negative Einheit desselben, so ist es gegen die Bestimmungen als einzelne, an und f¨ur sich bestimmte, sowie diese selbst gegeneinander gleichg¨ultig [...] ein gewisses Arrangement von Theilen und Seiten“ [12,1351−11]. Die Rede von Bestimmtheit und Unbestimmtheit der Objekte l¨asst sich n¨amlich gerade so deuten, sie seien als Einheiten zwar bestimmt, jedoch insofern unbestimmt, als sie von sich her gar nicht eindeutig zu bestimmten Einheiten zusammengefasst sind. Ihre Einheit kommt ihnen selbst nur a¨ ußerlich im Hinblick auf ihre Wechselwirkung mit anderen und die erkennende Abhebung aus dem Kontinuum zu. Daher bilden solche Objekte auch nur eine formale Totalit¨at“ [12,13528], ” insofern ihre Einheit a¨ ußerliche Form ist. 334 Vgl. Q UINE 1976. Hegels Objektbegriff ist zugleich wesentlich spezifischer als derjenige, mit dem Brandom an ihn anschließt. Brandom definiert ein Objekt n¨amlich als etwas, im Hinblick worauf Eigenschaften inkompatibel sind [vgl. B RANDOM 2002: 182]. Nun erf¨ullt aber jeder beliebige Ausschnitt des Objektkontinuums - jedes physikalische Objekt im Quineschen Sinne - diese Anforderung. Im Hegelschen Sinne kann dennoch nicht jeder beliebige Ausschnitt des Objektkontinuums als Objekt gelten, sondern nur etwas, was sich gem¨aß der kategorialen Formen des mechanischen, chemischen und teleologischen Objekts aus dem Objektkontinuum abheben und als wiederidentifizierbare Einheit ansetzen l¨asst. 335 Vgl. 12,1375−11. Entsprechend ist Thomas S¨oren Hoffmann zuzustimmen, dass es auf ” rein mechanischer Grundlage eine zwingende Einteilung der a¨ ußeren Objekte nicht gibt; die objektive Einteilung ist vielmehr ihre Selbstunterscheidung, ihr Wille zur Macht, den sie gegeneinander zeigen“ [H OFFMANN 2004: 378]. Damit ist metaphorisch ausgedr¨uckt, dass mechanische Objekte nicht einfach vorhanden sind, sondern nur solche Einheiten des Kontinuums sinnvoll als Objekte aufgefasst werden k¨onnen, die sich u¨ ber ihre Wechselwirkung mit anderen hinweg verfolgen lassen. Ihre Einheit und ihren Status als mechanische Objekte haben sie damit nur dadurch, dass sie als sich in der Interaktion mit anderen erhaltend fassbar sind: das mecha” nische Object ist u¨ berhaupt nur Object als Product, weil das, was es ist, erst durch Vermittlung 31−33 eines Andren an ihm ist“ [12,139 ].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
determinierten Bestimmtseins m¨oglich ist, immer angemessener verwirklicht ist. 3.4.5.1 Formeller Mechanismus Unmittelbar betrachtet bilden mechanische Objekte einfache Einheiten, die sich nicht von sich her aufeinander beziehen und miteinander in Wechselwirkung treten, sondern nur aufgrund von solchem, was ihnen a¨ ußerlich ist. Da dieses ¨ Außerliche aber selbst im Objektkontinuum verortet sein muss, kann es sich dabei nur um variable Zust¨ande der Objekte selbst handeln, real etwa ihren ¨ Bewegungszustand. Wechselwirkung besteht damit gerade in der Ubertragung solcher Zust¨ande. Dass mechanische Objekte verm¨oge ihnen selbst zuf¨alliger und a¨ ußerlicher Zust¨ande in Wechselwirkung treten, kann in einem selbsttragenden Ganzen aber nicht das letzte Wort sein. Vielmehr m¨ussen dessen Elemente f¨ur ihre Prozesse selbst einstehen. Der formelle Mechanismus bildet damit eine Abstraktion, da sich nach ihm die zur Wechselwirkung notwendigen Zust¨ande nicht aus den Wechselwirkenden selbst ergeben, sondern eine ihnen a¨ ußerliche Form darstellen. Gem¨aß dieser Betrachtungsweise liegt in den Objekten selbst gar keine ihnen wesentliche Tendenz zur Wechselwirkung. Vielmehr ist ihre Wirksam” keit auf anderes [...] eine a¨ ußerliche Beziehung“ 336 . Reale Auspr¨agung solcher Beziehungen sind etwa Druck- und Stoßprozesse, in die Objekte nur insofern eintreten, wie es sich aus ihrem zuf¨alligen Bewegungszustand ergibt. Zwar sind mechanische Objekte gerade als solche Einheiten bestimmt, die sich in Wechselwirkungszusammenh¨angen erhalten. Zugleich geht diese Wechselwirkung aber auf Bedingungen zur¨uck, die in ihnen selbst nicht notwendig angelegt, sondern ihnen a¨ ußerlich sind. Sofern sie an ihnen selbst keine Tendenz zueinander haben, bleiben sie sich in ihren Wechselwirkungen daher a¨ ußerlich und treten nicht von sich her zu u¨ bergreifenden Einheiten zusammen (vgl. Druck- und Stoßprozesse). Die Interaktion mechanischer Objekte kann ¨ daher nur in einer Ubertragung variabler Zust¨ande bestehen, im Zuge derer das F¨ursichsein der Objekte selbst erhalten bleibt337 . Zwar sind mechanische Objekte somit wesentlich dadurch bestimmt, sich in Wechselwirkungsprozessen zu erhalten. Zugleich k¨onnen sie aber keine unzerst¨orbaren Einheiten bilden, die aus jeder solchen Wechselwirkung unber¨uhrt hervorgehen. In diesem Fall w¨aren sie n¨amlich gegeneinander gleichg¨ultige Substanzen und nicht bloß unterschiedliche Gestalten des Begriffs in seiner Selbstauslegung zur Objektivit¨at. Daher m¨ussen sie in ihrer Wechselwirkung 336
20,2057−8. Vgl. Der mechanische Prozeß enth¨alt daher α. die unmittelbar durchdringende Mit” teilung einer Bestimmtheit und β. die in sich bleibende Gleichg¨ultigkeit des Objekts und die Erhaltung seiner Selbst¨andigkeit in dem Bestimmtwerden“ [V11,168778−79]. 337
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
381
auch zerst¨orbar sein und spurlos in andere Objekte verschwinden k¨onnen. Ihre Selbst¨andigkeit ist daher kein seinslogisches Eigentum, das ihnen an sich zuk¨ame, sondern nur verliehen und darum auch verlierbar. So ist nach Hegel diese ihre gleichg¨ultige Selbstst¨andigkeit ein blosses Gesetztseyn; sie sind dar” um f¨ahig, sich zu vermischen und zu aggregiren, und als Aggregat zu einem Objecte zu werden“ 338 . Da solche Wechselwirkungsprozesse qualitativ unspezifisch sind, muss es einen Grad ihrer Intensit¨at geben, bei dem es nicht mehr bloß zu Zustandsver¨anderungen der Objekte kommt, sondern diese selbst verschwinden und spurlos in anderen Objekten aufgehen. Ein mechanisches Objekt hat daher keine unbedingte, sondern nur relative Selbst¨andigkeit: Seine ” relative Unselbst¨andigkeit manifestirt sich darin, daß seine Einzelheit nicht die Capacit¨at f¨ur das Mitgetheilte hat, daher von demselben zersprengt wird“ 339 . Da das Reich der Objektivit¨at nomologisch geschlossen ist, muss nicht nur die Zustandsver¨anderung, sondern auch die Umwandlung mechanischer Objekte in andere Gesetzen unterstehen. Dass Systemzust¨ande nicht einfach beliebig aufeinander folgen, sondern einander bestimmen, bedeutet aber, dass in ihrer Abfolge bestimmte Parameter invariant bleiben. Da bei der Umwandlung von Objekten in andere erstere selbst verschwinden, bleiben weder die Objekte noch ihre Anzahl notwendig erhalten. Dennoch muss es aufgrund der nomologischen Bedingung Parameter geben, welche von dieser Umwandlung nicht ber¨uhrt werden. Da dies nicht die Objekte selbst sind, k¨onnen es nur abstrakte Rollen oder Rollenverh¨altnisse von Objekten sein340 . Aus der Wechselwirkung der Objekte kann daher nicht einfach ein beliebiges System neuer Objekte hervorgehen, sondern dieses muss sich durch Parameter auszeichnen, die durch das Ausgangssystem und Gesetze der Umwandlung bestimmt sind. Es scheint dabei keinen Grund zu geben, weshalb diese Parameter Einzelobjekten zugeordnet sein m¨ussten. So gibt es etwa keinen Grund daf¨ur, dass, wenn in einem 338 12,13723−26. 339
12,14116−18. Im Zuge der Umwandlung der Objekte bleiben also nicht Substanzen oder unzerst¨orbare Objekte, sondern abstrakte Systemparameter erhalten. Entsprechend schreibt Hegel u¨ ber das mechanische Objekt: Das Seyende hat hier nicht mehr die Bestimmung einer ” Substanz, sondern eines Objects“ [12,1374−5] und erl¨autert dies folgendermaßen: Durch diese ” Gleichg¨ultigkeit ebensowohl gegen ihren Uebergang, als gegen ihre Selbstst¨andigkeit sind die ¨ Substanzen Objecte“ [12,13726−27]. Mit Gleichg¨ultigkeit gegen Ubergang wie Selbst¨andigkeit ist gemeint, dass ein Objekt je nach a¨ ußeren Umst¨anden beides kann: sich als Selbst¨andiges erhalten oder in anderes verschwinden. Erhalten werden dabei nicht Objekte, sondern abstrakte Verh¨altnisse zwischen den wechselnden Objekten, die das System konstituieren. Das Identische im Wandel sind damit nicht Substanzen, sondern abstrakte Systemparameter, das heißt Gesetzm¨aßigkeiten des Systems. Das Gesetz ist damit sozusagen die Seele der vorhin entwi” ckelten objectiven Totalit¨at, die an und f¨ur sich bestimmte Identit¨at des Systems“ [12,1464−6], also ein Bleibendes, das selbst nicht Ding unter Dingen ist, sondern deren Wechselspiel bestimmt. 340
382
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
System ein Objekt mit dem Parameter x vorkommt, auch in seinem Nachfolgezustand ein Objekt mit diesem Parameter vorkommen muss. Immerhin m¨ussten aber die Einzelparameter x und y des Systems ein Verh¨altnis Z bilden, das auch durch die Einzelparameter v und w des n¨achsten Zustands realisiert ist. Was erhalten bleibt, w¨aren dann nicht Rollen, sondern Rollenverh¨altnisse341. Aus die¨ sen Uberlegungen ergibt sich somit so etwas wie ein logischer Anfangsgrund der Erhaltungss¨atze und Symmetrien, also konkreter Invarianzen, welche die wechselseitige Umwandlung von Elementarteilchen real kennzeichnen. Haben mechanische Objekte die Zust¨ande, aufgrund derer sie mit anderen in Wechselwirkung treten, aber nicht von sich her, sondern nur a¨ ußerlich, so k¨onnen sie solche Zust¨ande nur durch andere erhalten, welche sie wieder von anderen haben usw. Der formelle Mechanismus f¨uhrt damit auf einen Regress, in dem jedes Objekt seine Zust¨andlichkeit anderen Objekten verdankt: Der ” formelle Mechanismus betrifft die relativen Objekte, und in der mechanischen Welt ist alle Bestimmung nur eine relative, durch ein anderes Objekt gesetzte ins Unendliche fort“ 342 . Der formelle Mechanismus ist daher aber mit dem Begriff eines selbsttragenden Ganzen unvereinbar. Da die Objektivit¨at jedoch als selbsttragendes Ganzes bestimmt ist, kann der formelle Mechanismus keine angemessene Bestimmung der Objektivit¨at im Ganzen liefern. Daher k¨onnen Objekte nicht nur vermittelst ihnen a¨ ußerlicher Zust¨ande miteinander in Beziehung treten, sondern m¨ussen dies auch von sich aus tun. Damit hat sich die Kategorie des differenten Mechanismus ergeben, dem gem¨aß Objekte von sich her auf von ihnen verschiedene bezogen sind. 3.4.5.2 Differenter Mechanismus Dem differenten Mechanismus gem¨aß m¨ussen mechanische Objekte von sich her miteinander in Wechselwirkung treten. Dabei ist jedoch der formelle Mechanismus nicht einfach abgetan, sondern als untergeordneter Aspekt des mechanischen Systems erhalten. Denn wenn Objekte von sich her miteinander in Wechselwirkung treten, erkl¨art sich daraus zugleich die M¨oglichkeit ihrer a¨ ußerlichen Wechselwirkung. Zwar m¨ussen mechanische Objekte grunds¨atzlich von sich her in Beziehung treten k¨onnen. Da es sich bei ihnen aber um homogene Einheiten handelt, wird die Intensit¨at ihrer Wechselwirkung mit anderen nur von ihrer Gr¨oßenbestimmtheit abh¨angen. Daraus ergibt sich, dass Objekte, deren reale Wechselwirkung aufgrund ihrer Kleinheit zu vernachl¨assigen ist, verm¨oge ihrer Wechselwirkung mit anderen derartige Zustandsbestimmungen aufweisen k¨onnen, welche ihre formelle Wechselwirkung untereinander erm¨oglichen (vgl. einen Apfel, der auf seinem Weg zur Erde einer M¨ucke begegnet). 341 342
¨ Vgl. S CHR ODINGER 1962. V11,167737−39.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
383
Die eigene Tendenz von Objekten, miteinander in Beziehung zu treten, l¨asst sich terminologisch auch als ihre Anziehung“ fassen. Da Objekte Totalit¨aten ” darstellen, muss diese Anziehung auch innerhalb ihrer selbst am Werk sein. Damit muss der Anziehung jedoch in den Objekten selbst etwas entgegenstehen. Sie kann n¨amlich deshalb keine widerstandslose und das heißt unmittelbare Erf¨ullung finden, weil das System mechanischer Objekte sonst unmittelbar zum Punkt unterschiedsloser Unmittelbarkeit kontrahierte. Ein solcher seinslogischer R¨uckfall ist aber darum ausgeschlossen, weil die Objektivit¨at, wie schon gezeigt, notwendig ein inhomogenes Kontinuum bildet. Dass die Anziehung der Objekte daher nicht unmittelbar Erf¨ullung finden kann, bedeutet, dass ihr etwas entgegenstehen muss, dem gegen¨uber sie sich nur vermittelterweise verwirklichen kann. Den Objekten muss daher nicht nur die Anziehung, sondern zugleich der Widerstand gegen selbige innewohnen. Das Wechselspiel von Anziehung und Abstoßung verhindert so den Zusammenfall der Objekte in unterschiedslose Einheit. Logisch ergibt sich daraus der Inbegriff eines Arrangements von Objekten, in dem diese zugleich ihre Selbst¨andigkeit wahren und durcheinander zusammengehalten und bestimmt sind, sodass sie ihre Zust¨ande nicht einfach unabh¨angig, sondern in Funktion voneinander haben. Der differente Mechanismus macht damit eine Voraussetzung ausdr¨ucklich, unter der die a¨ ußerlichen Wechselwirkungen, welche den formellen Mechanismus charakterisierten, u¨ berhaupt erst m¨oglich sind. Daher kann Hegel auch vom realen Mechanismus“ im Gegensatz zum formellen sprechen343 . Denn jetzt ” bilden die Zust¨ande und Prozesse der Objekte keine a¨ ußerliche Form mehr, sondern liegen wesentlich in deren sachhaltiger Bestimmtheit selbst begr¨undet. Dass Objekte Totalit¨aten sind, die sich im Zuge der Wechselwirkung mit anderen behaupten, war zun¨achst nur vorausgesetzt. Nun m¨ussen mechanische Aggregate aber einen Zusammenhalt aus sich heraus haben, wenn sie sich in der Wechselwirkung mit anderen behaupten sollen344 . Sollen Aggregate im Kontinuum aber aus sich heraus Zusammenhang haben, der sie als Einheiten auszeichnet, m¨ussen sie Strukturen bilden, die in sich durch die Anziehung zwischen ihren Teilen zusammengehalten sind. Da sie sich voneinander dabei typm¨aßig nicht unterscheiden, muss die Anziehung, die ein mechanisches Ob343
In der WdL spricht Hegel vom realen Mechanismus“, in der Enzyklop¨adie dagegen ” vom differenten“. ” 344 Vgl. Die Unselbst¨ andigkeit, nach der das Object Gewalt leidet, hat es nur in so” fern es selbst¨andig ist“ [20,20520−21]. Es schließt sich durch die Negation seiner, seine Un” selbst¨andigkeit, mit sich selbst zusammen und ist erst so selbst¨andig. So zugleich im Unterschiede von der Aeußerlichkeit und diese in seiner Selbst¨andigkeit negirend, ist diese negative Einheit mit sich, Centralit¨at, Subjectivit¨at, – in der es selbst auf das Aeußerliche gerichtet und bezogen ist. Dieses ist ebenso central in sich und darin ebenso nur auf das andere Centrum bezogen, hat ebenso seine Zentralit¨at im Anderen“ [20,20523–2062] – letzteres, weil das, was das Objekt zentriert – n¨amlich zu einem macht – dasselbe ist, was es dezentriert, n¨amlich zu anderen Objekten hinzieht.
384
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
jekt in ihm selbst zu einer Einheit macht, als die es sich in Wechselwirkungen mit anderen bew¨ahrt, es zugleich auch auf diese anderen beziehen und ihre Wechselwirkung so erst verantworten. Was die Objekte in sich zusammenh¨alt und zu Einheiten macht, bezieht sie daher zugleich aufeinander und l¨asst sie in Prozesse eintreten, im Zuge derer sie sich als Einheiten bew¨ahren k¨onnen. Auf diese Weise l¨ost sich das Problem, wie ein System wechselwirkender Objekte in seiner Prozessualit¨at selbsttragend sein kann. Die Attraktion, welche die mechanischen Objekte innerhalb ihrer selbst wie auf von ihnen unterschiedene aus¨uben, ist als solche die Tendenz, jegliches Außereinander in unterschiedloser Einheit aufzuheben. Damit w¨are aber die durch kontinuierliches Außereinander gekennzeichnete Sph¨are der Objektivit¨at samt der in ihr notwendig hervortretenden Mannigfaltigkeit unterscheidbarer Objekte auf den unterschiedslosen Punkt des Seins zur¨uckgefallen, mit dem die Logik begann. Der Tendenz zum unterschiedslosen Ineinsfall muss daher eine Tendenz entgegenstehen, die ihren unmittelbaren und unbeschr¨ankten Erfolg verhindert, – die Abstoßung oder Repulsion. Die Tendenz, das Außereinander der Objekte aufzuheben und sie zur vollkommenen Identit¨at zu bringen, kann in der Sph¨are der Objektivit¨at also nicht zum Ziel kommen. Denn die Objektivit¨at ist das selbsttragende Reich besonderten und damit endlichen Bestimmtseins. Weil Besonderes als solches von anderem Besonderen gerade verschieden ist, kann es mit diesem zwar zu u¨ bergreifender Einheit vereinigt werden oder sich in typm¨aßig anderes verwandeln, mit ihm jedoch nie in unterschiedslose Einheit zusammenfallen oder identisch werden. Die Anziehung zwischen mechanischen Objekten, die von der Warte des Begriffs aus als Tendenz zur spekulativen Identit¨at-in-Differenz gewertet werden kann, kann daher im Reich der Objektivit¨at grunds¨atzlich nicht erf¨ullt werden. Denn das Besondere ist von anderem Besonderen gerade verschieden. Eine spekulative Identit¨at des Bestimmten und Besonderen mit einem von ihm unterschiedenen Zentrum ist dagegen nur m¨oglich, wenn dieses Zentrum nicht selbst Besonderes und Bestimmtes ist, sondern ein unbestimmtes Selbst, das als anderes-seiner-selbst beliebige Bestimmtheit integrieren und mit ihr in ein Selbstverh¨altnis-im-anderen eintreten kann. Daher gilt: Im Falle der ” K¨orper zeigen sich diese als unselbst¨andig, denn sie gehen nach ihrem Zentrum, aber es ist noch Mechanismus, denn sie bleiben noch außereinander; erst das Subjekt, das Empfindende, Denkende hat sein Zentrum gefunden“ 345 . Denn es kann sich in Bestimmtem, das als solches von ihm zugleich unterscheidbar ist, etwa einem schmerzenden Glied, auf sich selbst beziehen. Dagegen kann Bestimmtes untereinander gerade nicht in spekulative Identit¨at eintreten. Da die Sph¨are der Objektivit¨at n¨amlich das Reich festgestellter Bestimmtheit markiert, wird die Tendenz der Objekte, sich in Einheit zu setzen, durch die gegenl¨aufige 345
V10,200753−56.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
385
Tendenz, sich voneinander abzuhalten, konterkariert346 . Verm¨oge ihrer wechselseitigen Anziehung k¨onnen sich mechanische Objekte aber nicht nur nicht zu einfacher Einheit zusammenziehen, sondern sich auch nicht zu einem homogenen Superobjekt zusammenfinden. Denn wie gezeigt, muss die Objektivit¨at gerade ein inhomogenes Kontinuum bilden, in dem organisierte Objekte auf der Grundlage der Wechselwirkung einfacherer hervortreten347 . Statt vom differenten Mechanismus zur homogenen Einheit eines vermeintlichen Superobjekts zur¨uckzufallen, ist vielmehr ausdr¨ucklich zu machen, was daraus folgt, dass ein System unterschiedener Objekte durch Verh¨altnisse der Anziehung und Abstoßung bestimmt ist. Bisher hat sich n¨amlich nur ergeben, dass den Objekten solche wechselseitige Anziehung und Abstoßung innewohnen muss. Dagegen wurde noch nicht ausdr¨ucklich gemacht, welche Folgen solche innere Anziehung und Abstoßung f¨ur die Objekte und ihr Verh¨altnis hat. Vielmehr erscheinen sie bisher immer noch in zuf¨alligen Konstellationen wie im formellen Mechanismus. Sind Objekte aber von sich her durch wechselseitige Anziehung und Abstoßung bestimmt, muss es ein System von Objekten geben, in dem jedes Objekt sowohl an sich wie im Verh¨altnis zu den anderen in Funktion der den Objekten selbst eigenen Anziehung und Abstoßung steht. Damit ist ein System von Objekten zu denken, in dem diese ihre Selbst¨andigkeit und ihren Zusammenhang u¨ berhaupt nur vermittelst ihrer wechselseitigen Anziehung und Abstoßung haben. Auf diese Weise hat sich aus dem differenten der absolute Mechanismus als System von Objekten ergeben, in dem Anziehung und Abstoßung in einer stabilen Konfiguration zum Ausgleich gekommen sind. 3.4.5.3 Absoluter Mechanismus Der absolute Mechanismus stellt das u¨ bergreifende Dritte zu formellem und differentem Mechanismus dar: W¨ahrend jener unmittelbare Einheiten markiert, die in sich verh¨altnislos sind, dieser dagegen von den Objekten selbst ausgehende Verh¨altnisse, bezeichnet der absolute Mechanismus in sich verh¨altnishafte 346 Real pr¨ agt sich diese gegenl¨aufige Tendenz in der Gravitation als Einheit von schwerer und tr¨ager Masse aus: Die Materie h¨alt sich in ihr selbst durch das Moment ihrer Negativit¨at, ” Verschiedenheit oder abstrakter Vereinzelung auseinander; sie hat Repulsion. Ihr Aussereinander ist aber eben so wesentlich, weil diese Verschiedenen ein und dasselbe sind, die negative Einheit dieses aussersichseyenden F¨ursichseyns [...]. Die Materie hat daher Attraction. Die Einheit dieser Momente ist die Schwere“ [13,1253−9]. Houlgate f¨uhrt treffend aus: Gravity is in ” fact the union of attraction and repulsion. It is the movement in which matter seeks to unite with other matter that it simultaneously repels and excludes from the space it occupies. This moment of repulsion is an ineliminable feature of gravitating matter and, indeed, constitutes its distinctive impenetrability. Accordingly, it prevents matter from ever achieving its goal of a complete unity with other matter“ [H OULGATE 2005a: 134]. 347 Vgl. oben Abschnitt 3.4.2.
386
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Einheiten von Objekten. Er bildet so die selbstvermittelte Gestalt des mechanischen Objekts. Denn er markiert nicht mehr bloß Verh¨altnisse zwischen verschiedenen Objekten, sondern eine u¨ bergreifende Einheit solcher Objekte, in der die Zust¨ande der einzelnen vom Arrangement des Ganzen abh¨angen, sodass sie sich nicht einfach fremd aufeinander beziehen, sondern ihre Beziehung auf anderes, insofern sie f¨ur den eigenen Zustand von jedem verantwortlich ist, so selbstverh¨altnisartig ist, wie dies in einem Verh¨altnis verschiedener homogener Einheiten innerhalb eines Kontinuums nur m¨oglich ist. Die reale Herausbildung solcher Systeme im makroskopischen (astronomischen) und mikroskopischen (atomaren und molekularen) Bereich ist damit logisch kein Zufall. In Gestalt des absoluten Mechanismus sind Objekte nicht einfach zuf¨allig verbunden, sondern ihr Selbstand, ihre eigenen Zust¨ande und ihre Verh¨altnisse zu anderen Objekten sind durch das System der Objekte selbst bestimmt. In einem solchen System hat ein Objekt seinen Selbstand nicht einfach von sich her; im Gleichgewicht von Anziehung und Abstoßung sind die Objekte vielmehr zugleich voneinander abgesetzt und, in gemessenem Abstand, miteinander verkn¨upft. So gilt f¨ur die reale Auspr¨agung des absoluten Mechanismus als Planetensystem: Die Planeten sind Selbst¨andige, Zentrum, aber zugleich un” selbst¨andig, denn sie gehen um die Sonne, haben ihr Zentrum außer ihnen“ 348 . Zugleich haben sie ihre Zust¨andlichkeit nicht einfach unabh¨angig vom Ganzen, sondern in Funktion der anderen. So bildet der absolute Mechanismus einen selbsttragenden, ausbalancierten Zusammenhang von Objekten, in dem deren Selbst¨andigkeit, Zustand und Verh¨altnisse keine Sache a¨ ußerlichen Zufalls, sondern durch das System selbst bestimmt sind und sich daher erhalten349 . Dass im absoluten Mechanismus der formelle und differente aufgehoben sind, muss f¨ur seine interne Verfasstheit Folgen haben. Grunds¨atzlich kann er keine statische Konstellation des Ausgleichs zwischen Anziehung und Abstoßung bilden, da er sonst gar keine Prozessform markierte. Daher muss es eine stabile Ungleichverteilung von Anziehung und Abstoßung geben, durch die sich die Elemente des Systems in Zentrum und Peripherie unterscheiden. Dass die Anziehung des Zentrums die der peripheren Objekte u¨ berwiegt, bedeutet einfach, dass diese in Abh¨angigkeit von ihm eine Zustands¨anderung erleben, es selbst jedoch nicht, ohne dass dies zum Kollaps des Systems f¨uhrt. Auf diese Weise ist im absoluten Mechanismus zun¨achst nur der reale Mechanismus als Zustands¨anderung aufgehoben, die ein Objekt an anderen verm¨oge Attraktion 348
V10,201779−81. Houlgate res¨umiert: Hegel goes on to argue that matter must set itself at a certain ” distance from itself through its very own gravity. In this way, he claims, matter will become absolutely free, because its motion towards others and its separation from others will both be determined wholly by matters inherent nature. [...] In the system of interrelated, independent celestial bodies matter fully maintains both its gravitational attraction towards and repulsion of other matter“ [H OULGATE 2005a: 146]. 349
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
387
und Repulsion hervorruft. Soll auch der formelle Mechanismus im absoluten aufgehoben sein, muss es Systemelemente geben, die nur a¨ ußerlich miteinander wechselwirken, nicht aber aufgrund ihrer eigenen Anziehung untereinander. Diese Elemente k¨onnen aber keine von sich her ans Zentrum gebundenen Objekte sein. Denn solche m¨ussen ja eine aufeinander und das Zentrum abgestimmte, stabile Konstellation bilden, in der es gerade nicht zu zuf¨alligen Wechselwirkungen zwischen einander a¨ ußerlichen Objekten kommt. Da a¨ ußerlich wechselwirkende Elemente aber auch nicht allein in a¨ ußerlichen Beziehungen stehen k¨onnen, weil sie sonst gar nicht zum System des absoluten Mechanismus geh¨orten, m¨ussen sie ihr Zentrum in den peripheren Objekten haben, untereinander aber a¨ ußerlich wechselwirken. Daher sind periphere Objekte selbst relative Zentren f¨ur an sie gebundene Trabanten, die untereinander a¨ ußerlich-zuf¨allig wechselwirken. Auf diese Weise ist aus der Bedingung, dass der absolute Mechanismus den formellen und differenten aufheben muss, begr¨undet, dass das System des absoluten Mechanismus laut Hegel aus einem absoluten“ sowie ” relativen Zentren“ bestehen muss, von denen ihrerseits die unselbst¨andigen ” ” Objecte, in denen der formale Mechanismus einheimisch ist“, ins System einbezogen werden350 . Selbsterhaltung zeichnet den absoluten Mechanismus damit insofern aus, als er nicht einfach statisch ist, sondern die Wechselwirkungsweisen des formellen und differenten Mechanismus aufhebt. Zugleich unterscheidet er sich von diesen aber dadurch, dass die Zustands¨anderungen weder dem System der Objekte a¨ ußerlich sind, wie im formellen, noch instabil, wie im differenten Mechanismus. Weil die Objekte im System vielmehr koordiniert sind, sind auch ihre Zustands¨anderungen koordiniert, sodass sich die Koordination des Ganzen erh¨alt. Das System des absoluten Mechanismus bildet so ein selbsttragendes Ganzes, das seine Organisation im Zuge seiner eigenen Prozesse erh¨alt, sich insofern mit sich zusammenschließt und damit schlussf¨ormig verfasst ist. Nachdem die drei Formen des Mechanismus entwickelt sind und im Hinblick auf reale Auspr¨agungen in der Natur betrachtet wurden, kann nun untersucht werden, inwiefern sich diese logischen Formen auch auf geistige Verh¨altnisse beziehen lassen. 3.4.5.4 Mechanik des Geistes?* Um Hegels Beziehung der Kategorien des Mechanismus auf geistige Verh¨altnisse zu verstehen und beurteilen zu k¨onnen, gilt es, von der Vorstellung nat¨urlicher Auspr¨agungen des Mechanismus abzusehen und die betreffenden Kategorien rein als logische Formen in den Blick zu nehmen. Zugleich ist zu beachten, dass mechanische Kategorien den Geist nach Hegel nicht ersch¨opfend 350
20,20612−13.
388
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
charakterisieren k¨onnen, weil dieser seiner ontologischen Verfasstheit gem¨aß nicht in objektseitigem Bestimmtsein aufgeht, sondern eine in sich verschr¨ankte Einheit von Bestimmtsein und Sichbestimmen markiert. Daher k¨onnen die Formen objektseitigen Bestimmtseins im Geist nur eine untergeordnete Rolle spielen und m¨ussen dabei von Selbstbestimmung durchdrungen und verwandelt sein. Nun thematisiert der Mechanismus Verh¨altnisse besonderer, einander a¨ ußerlicher Einheiten innerhalb eines Kontinuums, das Sph¨are der Selbstauslegung von Einem ist. Mechanische Objekte sind damit voneinander verschiedene Einheiten, die sich jedoch nicht einfach beziehungslos gegen¨uberstehen, sondern als Ausschnitte eines Kontinuums an ihnen selbst zu einem Ganzen zusammengespannt sind. Vor diesem Hintergrund lassen sich nun auch gewisse Aspekte personalen und geistigen Seins verstehen. Denn da eine Person nach Hegel nicht als rein geistige Substanz bestehen kann, sondern notwendig leibhaftig verk¨orpert in und aus der Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins hervortritt, ist sie niemals ein solipsistisches Bewusstsein, sondern teilt von vornherein mit anderen eine gemeinsame Sph¨are. An der Wurzel bildet so auch der Zusammenhang der Geister ein Kontinuum, ist geistige Gemeinschaft gleichurspr¨unglich wie individuelles F¨ursichsein351 . Wie Objekte bestehen auch Personen daher nicht einfach f¨ur sich, sondern haben ihren abh¨angigen Selbstand nur vor dem Hintergrund einer Sph¨are geistiger Unselbst¨andigkeit. Dabei ist dieser Selbstand aber mit demjenigen von Objekten nicht zu vergleichen, da erst Personen Zentren strikten Sichaufsichbeziehens und damit paradigmatisch Einzelne darstellen. Aufgrund dieses Sichaufsichbeziehens sind Personen solches, was sich gegen die Mitteilung von Fremdem im Kontinuum des Geistigen verschließen und sie an sich abprallen lassen kann: Die Pers¨onlichkeit ist eine unendlich intensivere H¨arte, als die Objekte ha” 352 ben“ . Solches Sichverschließen ist aber nur dort m¨oglich, wo eines der Mitteilung von anderem grunds¨atzlich offensteht. Darin kommen Objekte und Personen also u¨ berein: Sie sind besondere, voneinander abgesetzte Einheiten innerhalb eines Kontinuums, das Sph¨are der Selbstbesonderung des Allgemeinen oder Begriffs ist, und k¨onnen u¨ berhaupt nur darum miteinander in Beziehung treten und f¨ur die Mitteilung von Bestimmungen seitens eines Fremden empf¨anglich sein. Nur weil es in allem Besonderen ein solches Gemeinsames gibt, ist u¨ berhaupt Mitteilung m¨oglich, sei diese nat¨urlich oder geistig. Denn weil es das ist, was sich in allen besonderen Gestalten als es selbst erh¨alt, ist das Allgemeine im Gegensatz zum Einzelnen, das sich nur auf sich bezieht und daher als solches in sich verschlossen bleibt, das Mitteilbare. Indem dieses sowohl in Form eines nat¨urlichen Ausdrucksre351 352
Vgl. unten S. 494. 12,1385−6.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
389
pertoires wie in Gestalt von Sprache, Sitten etc. die Individuen immer schon untergr¨undig verbindet und durchdringt, ist dieses Gemeinschaftliche dem reflektierten Sichbestimmen des Einzelnen vorg¨angig und bildet so eine zun¨achst in feststehender Bestimmtheit vorgegebene, insofern aber objekthafte Sph¨are des Geistigen. Zwar kommen Objekte und Personen so darin u¨ berein, dass sie von vornherein in eine gemeinsame Sph¨are eingebettet sind und dass durch ihre partikulare Verfasstheit hindurch ein gemeinsames Band geht, das ihnen erlaubt, sich einander mitzuteilen. Dennoch unterscheiden Personen sich dadurch von Objekten, dass diese unreflektierte Einbettung ihren selbstbestimmten Vollz¨ugen untergeordnet ist. Da Personen sich n¨amlich durch strikte Selbstbeziehung auszeichnen, k¨onnen sie sich einander gegen¨uber verschließen, und da sie Zentren vermittelten Sichbestimmens sind, unterliegt ihre Existenz keiner vorab determinierten Bestimmtheitsfolge, sondern reichert sich in reflektierten Vollz¨ugen mit Bestimmtheit an. Da Geist seiner Form nach jedoch bestimmtes Sichbestimmen ist, das sich mit neuer Bestimmtheit anreichert, gibt es auch im Geistigen Verh¨altnisse des Bestimmtseins. Insofern die Idee als logische Form des Geistes den Mechanismus aufhebt, ist es damit auch im Geistigen m¨oglich, dass das Moment des Bestimmtseins in den Vordergrund tritt, w¨ahrend das Band des Sichbestimmens unausdr¨ucklich bleibt. Der Mechanismus ist daher u¨ berall dort im Geistigen zu Hause, wo kein ausdr¨uckliches Sichbestimmen stattfindet, sondern Bestimmtes a¨ ußerlich in Beziehung tritt und verkn¨upft wird. In solchen Vollz¨ugen ist sich der Geist damit in sich selbst a¨ ußerlich353 : Wie der materielle Mechanismus, so besteht auch der geistige darin, dass die im Geiste Be” zogenen sich einander und ihm selbst a¨ ußerlich bleiben. Eine mechanische Vorstellungsweise, ein mechanisches Ged¨achtnis, die Gewohnheit, eine mechanische Handlungsweise bedeuten, dass die eigent¨umliche Durchdringung und Gegenwart des Geistes bei demjenigen fehlt, was er auffasst und tut“ 354 .
Zwar gibt es im Geistigen keine nomologisch determinierte Abfolge von Bestimmtheit. Dennoch sind der Aufhebung des Mechanismus im bestimmten Sichbestimmen gem¨aß Vollz¨uge m¨oglich, in denen Bestimmtes nicht ausdr¨ucklich selbstbestimmt aufeinander folgt, sondern nach einem Automatismus, in dem der Auftritt einer Bestimmung den einer anderen derart nach sich zieht, dass ihre Abfolge scheinbar vorausbestimmt ist. Da solche Mechanismen – etwa Gewohnheiten oder Assoziationsketten – aber geistig und Geist seinem Wesen nach Selbstbestimmung ist, sind sie keine unaufl¨oslichen Zwangsl¨aufigkeiten, sondern k¨onnen selbstbestimmt eingeleitet und grunds¨atzlich auch wieder aufgel¨ost werden. Mechanische Vollz¨uge des 353 So spricht Hegel etwa davon, der Geist mache sich als Ged¨achtnis in ihm selbst zu ” ¨ einem Außerlichen“ [20,4629−10]. 354 12,13316−21.
390
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Geistes markieren so innerhalb eines durch Selbstbestimmung gepr¨agten Spielraums Verh¨altnisse von Bestimmungen, in die Selbstbestimmung (und damit Begriff, Urteil und Schluss als deren elementare Formen) nicht ausdr¨ucklich mit hineinspielt, die aber zugleich Verkn¨upfungen von solchem sind, was untergr¨undig in einen selbstbestimmten Zusammenhang eingebunden ist. 3.4.5.4.1 Formeller Mechanismus: Ged¨achtnis und Gewohnheit* Dies wird deutlich an geistigen Vollz¨ugen, die ihrer logischen Verfasstheit nach dem formellen Mechanismus zuzurechnen sind und zu denen laut Hegel Gewohnheiten, Handlungsroutinen sowie bestimmte Ged¨achtnisleistungen geh¨oren. Entscheidend ist, dass solche Abl¨aufe keine rein a¨ ußerlichen Verkn¨upfungen von Elementen bilden, sondern durch sie zugleich ein Band der Selbstvermittlung hindurch geht. Augenf¨allig ist dies am Auswendiglernen, das Hegel als Leistung des me” chanischen Ged¨achtnisses“ begreift. Dabei werden n¨amlich Einheiten, die als solche Ausdruck von propositionaler Selbstbestimmung und damit nicht einfach Ketten einander a¨ ußerlicher Elemente, sondern Sinnzusammenh¨ange sind, schließlich nur noch als a¨ ußerliche Abfolge von Lauten wiedergegeben, ohne dass noch auf Sinn und inneren Bezug geachtet wird355 . Solches Ineins von a¨ ußerlicher Verkn¨upfung und unausdr¨ucklich gewordener, innerlicher Verbindung kommt gerade in der Wendung zum Ausdruck, man k¨onne etwas in- und ” auswendig“ wissen: Das Mechanische des Ged¨achtnisses besteht eben nur darin, dass hier gewisse Zeichen, T¨one ” usw. in ihrer bloß a¨ ußerlichen Verbindung aufgefasst und dann in dieser Verbindung reproduziert werden, ohne dass dabei ausdr¨ucklich die Aufmerksamkeit auf deren Bedeutung und innere Verbindung gerichtet zu werden braucht“ 356.
Dabei ist entscheidend, dass solche mechanischen Vollz¨uge im Geistigen anders als solche in der Natur keine pr¨azedenzlosen Abl¨aufe sein k¨onnen, sondern notwendig den Charakter der Wiederholung schon vollzogener haben. Dies liegt eben daran, dass die genuine Vollzugsform des Geistes Selbstbestimmung ist. Selbstbestimmte Vollz¨uge sind aber genau darum selbstbestimmt, weil ein bestimmter Vollzug nicht schon von selbst unausweichlich den n¨achsten Zug festlegt, sondern allenfalls einen bestimmten Vollzug als sinnvoll nahelegt. Da mechanische Vollz¨uge aber Ketten mit Gliedern bilden, von denen eines das andere automatisch nach sich zieht, k¨onnen sie im Geistigen nichts Urspr¨ungliches sein, sondern m¨ussen auf urspr¨unglich selbstbestimmte
355
Der ausdr¨uckliche Bezug auf die Sinneinheit kann, als Reflexionsmoment, den Mechanismus der Verkn¨upfung gerade stocken lassen: Man weiß bekanntlich einen Aufsatz erst dann ” recht auswendig, wenn man keinen Sinn bei den Worten hat“ [20,46119−20]. 356 TW8,354 Z.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
391
Vollz¨uge zur¨uckgehen, die sie mechanisch wiederholen. Der Mechanismus des Geistes ist im Gegensatz zu dem der Natur daher wesentlich reproduktiv357 . 3.4.5.4.2 Differenter Mechanismus: Mitteilung, Begierde, Geselligkeit* Wie der differente Mechanismus die logische Form der Anziehung und Abstoßung zwischen nat¨urlichen K¨orpern abgibt, so gew¨ahrt er zugleich Einsicht in die selbstbestimmten Entscheidungen vorausliegende Dynamik interpersonaler Beziehungen, zu denen laut Hegel Begierde, Geselligkeitstrieb und Mitteilung geh¨oren. F¨ur den differenten Mechanismus war kennzeichnend, dass Anziehung und Abstoßung erstens unspezifisch zwischen beliebigen Systemelementen auftreten, daher zweitens nicht zu einer spezifisch gegliederten Verbindung, sondern bloß zu unspezifischer Aggregation f¨uhren, drittens aber von den Systemelementen selbst ausgehen und nicht durch a¨ ußerliche Faktoren bewirkt werden. Dass der differente Mechanismus auch im Geistigen als untergeordneter Aspekt enthalten ist, macht verst¨andlich, dass Personen keine in sich abgeschlossenen Einheiten sind, die einander nichts angehen, sondern sowohl unspezifisch zueinander hingezogen sind, wie sie sich einander unspezifisch vom Leibe halten. Dabei m¨ussen sich Personen f¨ur ihr unspezifisches Interesse an anderen ebenso wie f¨ur die Neigung, sich die anderen vom Leibe zu halten, nicht erst entscheiden. Dennoch haftet ihnen die Tendenz zu unspezifischer Attraktion und Abstoßung nicht a¨ ußerlich an, sondern geh¨ort zu ihrer eigenen Verfasstheit. Diese unspezifische Dynamik ist damit aber zu Recht im Hinblick auf ihre logische Form als Mechanismus zu fassen – als Form des Bestimmtseinsdurch-sich. Da Personen ihrer ontologischen Form nach Zentren bestimmten Sichbestimmens sind, geh¨ort zu ihnen immer auch Bestimmtheit, die zwar nicht selbst gesetzt ist, zugleich aber ihrem eigenen Bestimmtsein angeh¨ort und nicht etwa in oder an ihnen etwas anderes ist als sie selbst. Dabei beschr¨anken sich intersubjektive Verh¨altnisse nat¨urlich nicht auf solche personalem Sein von vornherein mitgegebenen Verh¨altnisse unspezifischer Anziehung und Abstoßung. Wie alles Mechanische haben solche Verh¨altnisse im Geistigen vielmehr nur untergeordnete Bedeutung und bilden den Hintergrund, vor und gegen den sich selbstbestimmte Interaktionsformen herausbilden k¨onnen. Im Einzelnen scheint Hegels Zuordnung von Geselligkeit und Begierde zur unspezifischen Dynamik des differenten Mechanismus durchaus ph¨anomenangemessen. Denn Geselligkeit und Begierde markieren im Unterschied zu den chemischen“ Ph¨anomenen Freundschaft und Liebe gerade Ten” denzen zur Bildung unspezifischer interpersonaler Aggregate“. ’ Ein weiteres vom differenten Mechanismus her fassbares Ph¨anomen ist das der Mitteilung. Dass Personen einander u¨ berhaupt etwas mitteilen k¨onnen, ist nur zu verstehen, wenn es in ihnen etwas gibt, was ihre Vereinzelung u¨ bergreift. 357
Vgl. TW8,354 Z.
392
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Dieses kann sich aber nur der operativen Kapazit¨at zur Artikulation bestimmter Allgemeinheit verdanken, die als solche in allen einzelnen Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens und nirgendwo sonst am Werk ist. Denn das Allgemeine wurde eingef¨uhrt als das, was sich in jeder besonderen Gestalt erh¨alt. Dagegen ist Einzelnes nicht mitteilbar, weil es gerade dadurch ausgezeichnet ist, sich nur auf sich selbst zu beziehen. Nun existiert das Allgemeine, wie oben gezeigt, aber nicht selbst¨andig, sondern an Einzelnem. Daher muss Einzelnes Vehikel der Mitteilung von Allgemeinem sein. Wenn Allgemeines aber nicht selbst¨andig existiert, ist die Frage, wodurch Einzelnes zum Vehikel von Allgemeinem werden kann. Nach Hegel ist dies die Mitteilungssituation selbst. Aus logischen Gr¨unden ergibt sich n¨amlich, dass Einzelnes nur in und durch die intersubjektive Mitteilungssituation selbst die Bedeutung eines Allgemeinen gewinnt. Denn nur wenn dasselbe Einzelne von mehreren als ein anderes als es selbst genommen wird, kann es allgemeine Bedeutung annehmen. Weil jedes selbstbestimmte Einzelne die operative Kapazit¨at des Allgemeinen hat und dieses sich in besonderen Gestalten als es selbst erh¨alt, ist Mitteilung m¨oglich. Dabei ist der Auftritt des Allgemeinen immer zugleich an seine Partikularisation gebunden, da es f¨ur jedes Einzelne selbst besondere Gestalt annimmt: Beydes, die Erhebung der einzelnen Bestimmtheit zur Allgemein” heit, in der Mittheilung und die Particularisation derselben [...] ist ein und dasselbe“ 358 . Daraus folgt, dass zwar Verst¨andigung oder gemeinsames Auffassen eines Gemeinsamen m¨oglich ist, dieses jedoch zugleich immer ein je besonderes Auffassen des Allgemeinen sein wird. Ist das schlechthin Allgemeine das gemeinsame Band in allem Verschiedenen, kann es eine Ebene des Verst¨andnisses bilden, die allen einzelnen Zeichenvollz¨ugen mit bestimmtem Inhalt vorausliegt und ein Element der Mitteilung darstellt, f¨ur das der Einzelne sozusagen von Haus aus offen ist, weil es auch sein“ Allgemeines ist, das er mit allen gemeinsam hat: Das an und ” ” f¨ur sich Allgemeine ist das Objective als solches sowohl im Geistigen als im K¨orperlichen, wogegen die Einzelnheit der a¨ ußeren Objecte wie auch der Personen ein unwesentliches ist, das ihm keinen Widerstand leisten kann. Die Gesetze, Sitten, vern¨unftige Vorstellungen u¨ berhaupt, sind im Geistigen solche Mittheilbare, welche die Individuen auf eine bewusstlose Weise durchdringen“ 359 . Jede Gemeinschaft von Personen durchzieht daher eine Element der Mitteilbarkeit, das jeder willk¨urlichen Verst¨andigungsleistung vorausliegt, daher zur Ebene mechanischen Bestimmtseins des Geistes geh¨ort und sich sowohl in einem naturw¨uchsigen Ausdrucksrepertoire wie in historischen Praxisformen auspr¨agt, die Personen wie selbstverst¨andlich und unreflektiert miteinander teilen. In ihrem Bestimmtsein zugleich selbstbestimmt, sind Personen der Mittei358 359
12,1392−4. 12,13814−18.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
393
lung von Allgemeinem nicht einfach ausgeliefert, wogegen Objekte sich der mechanischen Mitteilung von Zust¨anden gegen¨uber nicht verschließen k¨onnen. Im Unterschied zu der unendlich intensiveren H¨arte“ der Person gilt dagegen ” f¨ur Objekte: Die formelle Totalit¨at des Objects u¨ berhaupt, welche gegen die ” Bestimmtheit gleichg¨ultig, somit keine Selbstbestimmung ist, macht es zum Unterschiedenen von andern, und die Einwirkung daher zu einer ungehinderten Continuierung der Bestimmtheit des einen in dem anderen“ 360 . Indem eine Person selbst¨andig wird, ergreift sie sich selbst, die zun¨achst versenkt in leibliches und umweltliches Bestimmtsein existiert, ausdr¨ucklich und kann sich so in gewissem Maße von der mechanischen Durchdringung durch das vorgegebene Allgemeine der Sitten und Gebr¨auche einer Gemeinschaft emanzipieren361 . Nach diesem Exkurs zu geistigen Auspr¨agungen des Mechanismus nun zur¨uck zur logischen Betrachtungsebene. Die verschiedenen Stufen des Mechanismus markieren ein zunehmendes Maß an Systemstabilit¨at und damit objektseitiger Selbstbestimmtheit: Auf der Ebene des formellen Mechanismus wechselwirken die Objekte nur a¨ ußerlich, weisen von sich her aber keine Tendenz zur Wechselwirkung auf. Sie haben daher auch keine Neigung zur Zusammenordnung, sondern ihre Wechselwirkung markiert entweder nur die Zustandsver¨anderung eines Objekts oder seine Zersprengung. Dagegen haben die Objekte innerhalb des differenten Mechanismus eine innere Tendenz zur Vereinigung, halten sich aber zugleich voneinander ab. Schließlich bilden die Objekte des absoluten Mechanismus ein austariertes Gleichgewicht, halten sich in stabilen Konstellationen n¨amlich so voneinander ab, dass sie eingebunden ins System ihre Selbst¨andigkeit bewahren und sie nicht zuf¨allig durch beliebige Umst¨ande verlieren k¨onnen. Nach der ersten Ansicht sind die Beziehungen und Wechselwirkungen den Objekten selbst a¨ ußerlich, nach der zweiten treten sie von sich her miteinander in Wechselwirkung; und nach der dritten ist auch die Konstellation, aus der heraus sie sich aufeinander beziehen, durch sie selbst bestimmt. 3.4.6 Das vermittelte Objekt (Chemismus) ¨ 3.4.6.1 Ubergang zum Chemismus Die Elemente des mit dem absoluten Mechanismus erreichten Systems sind, als mechanische Objekte, in sich homogen, wie etwa die idealisierten K¨orper eines Planetensystems. Zugleich m¨ussen sie als Elemente des Systems aber durch ihre Beziehungen zueinander bestimmt sein. In sich homogen und untereinander gleichartig, kann ihre Natur selbst nicht spezifisch durch das System bestimmt 360
12,1383−6. Ob auch Hegels Beziehung der Kategorie des absoluten Mechanismus auf den Staat einen Erkenntnisgewinn bedeutet, soll hier nicht weiter untersucht werden; vgl. dazu H ENRICH 1982a und W OLFF 1985. 361
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sein, sondern nur ihre Zust¨andlichkeit, etwa ihre Bewegungszust¨ande. Der absolute Mechanismus markiert daher ein System gleichartiger, homogener Objekte, deren Zust¨ande durch ihre Beziehungen untereinander bestimmt sind, die aber zugleich, ihrer eigenen Natur nach, nicht durch das System bestimmt sind. Da diese Natur ihre nomologische Verfasstheit ist, m¨ussen sie als Elemente des Systems dieselben Wirkungen auf Objekte außerhalb desselben haben, die sie h¨atten, wenn sie nicht Elemente des Systems w¨aren. Entsprechend k¨onnten die anderen Systemelemente entfernt werden und das zur¨uckbleibende h¨atte immer noch dieselben kausalen Eigenschaften wie zuvor. Die Kategorie eines Systems von Elementen, die bloß in ihrer Zust¨andlichkeit durcheinander bestimmt sind, l¨asst sich aber nur in Abgrenzung von der Kategorie eines Systems von Elementen fassen, die nicht bloß in ihrer Zust¨andlichkeit, sondern auch ihrer Natur nach durch das System bestimmt sind. Damit ist in der Kategorie des mechanischen Systems unausdr¨ucklich die des chemischen enthalten362 . Wird dieser ¨ Bezug ausdr¨ucklich gemacht, ist damit der logische Ubergang zum Chemismus als vermittelter Form der Objektivit¨at vollzogen. Die Kategorie des chemischen Objekts markiert so ein System von Elementen, die nicht bloß ihrer Zust¨andlichkeit, sondern auch ihrer kausalen Natur nach durch die Beziehungen, in denen sie zueinander stehen, bestimmt sind. Insofern bildet ein solches System eine unvergleichlich innigere Einheit als ein mechanisches. Entsprechend hat ein chemisches System oder Objekt kausale Eigenschaften, die sich nicht additiv aus den Eigenschaften seiner Elemente ergeben. Anders als im Hinblick auf ein mechanisches System ist es daher nicht nur m¨oglich, sondern unumg¨anglich, es als gegliederte Einheit und nicht bloß als Aggregat kausal selbst¨andiger Einzelobjekte zu betrachten oder es in seiner Wirkung nach außen als homogen zu fassen. Die Elemente eines chemischen Objekts sind entsprechend wesentlich durcheinander modifiziert, insofern sie außerhalb desselben andere kausale Eigenschaften haben als innerhalb. So wirkt etwa Chlor als solches bleichend, als Bestandteil von Natriumchlorid jedoch keineswegs. Da der Chemismus bestimmte Negation des Mechanismus ist und dieser in ihm als untergeordneter Aspekt erhalten sein muss, m¨ussen in das chemische Objekt Bestandteile eingehen, die f¨ur sich genommen mechanische Objekte 362 So f¨ uhrt Hegel aus: Die Unmittelbarkeit der Existenz, welche die Objecte im absoluten ” Mechanismus haben, ist an sich darin, daß ihre Selbst¨andigkeit durch ihre Beziehungen auf einander, also durch ihre Unselbst¨andigkeit vermittelt ist, negirt. So ist das Object als in seiner Existenz gegen sein Anderes different zu setzen“ [20,20712−16]. Demnach sind also die Objekte innerhalb eines mechanischen Systems trotz ihrer gegenseitigen Vermittlung ausdr¨ucklich noch unmittelbar und selbst¨andig gegeneinander, weil die Vermittlung nur ihre Zust¨ande betrifft. An ” sich“ oder unausdr¨ucklich ist aber in dieser wechselseitigen Bestimmtheit durcheinander schon die Kategorie solcher Objekte enthalten, die wesentlich durch ihre Beziehungen aufeinander bestimmt sind.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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darstellen363 . Aus der ontologischen Verfasstheit chemischer Objekte als in sich gegliederter Einheiten erkl¨art sich die Art ihrer Wechselwirkung mit anderen Objekten. Insofern sie n¨amlich in sich spezifisch gegliedert sind, k¨onnen sie sich verm¨oge der in ihnen aufgehobenen Attraktion und Repulsion nicht unterschiedslos auf alle, sondern nur auf spezifische chemische Objekte beziehen und mit diesen zu ihrerseits spezifisch gegliederten Objekten zusammentreten. Dass chemische Objekte als Totalit¨aten, deren Elemente es zum stabilen Ausgleich ihrer wechselseitigen Anziehung und Abstoßung gebracht haben, u¨ berhaupt miteinander reagieren, will Hegel dadurch erkl¨aren, dass sie zwar spezifisch gegliederte Einheiten sind, sich in ihrer Bestimmtheit aber nicht auf sich selbst beziehen. Da zu Bestimmtheit als solcher der Bezug auf anderes geh¨ort, chemische Objekte sich jedoch nicht auf sich selbst als anderes beziehen k¨onnen, m¨ussen sie sich selbst in Gestalt von anderen außer sich und darum die Tendenz haben, sich mit diesen anderen zu verbinden364 . Da chemische Objekte in 363 Aus Hegels eigener Darstellung geht nicht hervor, dass das chemische Objekt auf mechanischen und n¨aher auf den Zentralsystemen des absoluten Mechanismus aufbauen muss. Daher scheint es auch nicht durch einen Bau bestimmt, der solche Zentralsysteme beinhaltet, sondern allein durch seine Reaktionseigenschaften: Die chemisch-differenten Objekte sind ” das, was sie sind, ausdr¨ucklich nur durch ihre Differenz und sind so der absolute Trieb, sich durch und aneinander zu integrieren“ [TW8,357]. Entsprechend ist Hegel zufolge ein chemi” sches Object nicht aus ihm selbst begreiflich, und das Seyn des Einen ist das Seyn eines And13−14 ren“ [12,149 ]. Zwar d¨urfte diese Auffassung heutigen Verfechtern der Eigenst¨andigkeit der Chemie gegen¨uber der Physik entgegenkommen [vgl. P RIMAS 1985, S CHUMMER 1998]. Dass chemische Substanzen von sich her nur mit bestimmten anderen reagieren, ist aber u¨ berhaupt nur erkl¨arbar, wenn man sie als spezifisch gegliedert begreift. In diese Richtung deutet Hegel selbst mit der Bemerkung: Das differente Objekt hat eine immanente Bestimmtheit, ” welche seine Natur ausmacht“ [20,20720−21]. Diese innere Bestimmtheit muss es aber auch sein, welche chemischen Objekten die Tendenz verleiht, mit anderen zu reagieren. Daher sind innerer Bau und spezifische Reaktivit¨at aneinander gekoppelt. Dennoch kann die experimentelle Chemie gegen¨uber der (Quanten-)Mechanik epistemische Eigenst¨andigkeit beanspruchen, weil die reinen“ Substanzen, mit denen sie operiert, sich nicht notwendig durch einen gleichar” tigen Bau ihrer molekularen Einheiten auszeichnen, sondern dadurch, dass sie durch standardisierte Trennverfahren gewonnen wurden [vgl. S CHUMMER 1998, 138ff.]. So ist beispielsweise fl¨ussiges Wasser ein reiner Stoff, kann aber nicht als Stoff, welcher aus H2 O Molek¨ulen be” steht, charakterisiert werden. Ja man weiß nicht einmal, welche Polymere von H2 O in fl¨ussigem Wasser alle vorkommen“ [P RIMAS 1985, 161]. 364 Vgl. Das chemische Object, hiermit der Widerspruch seines unmittelbaren Gesetzt” seyns und seines immanenten individuellen Begriffs ist ein Streben, die Bestimmtheit seines Daseyns aufzuheben und der objectiven Totalit¨at des Begriffs die Existenz zu geben“ [12,14917−20]. Entsprechend beginnt der chemische Prozess laut Hegel mit der Vorausset” zung, daß die gespannten Objecte, so sehr sie es gegen sich selbst, es zun¨achst eben damit gegen einander sind, – ein Verh¨altniß, welches ihre Verwandtschaft heißt. Indem jedes durch seinen Begriff im Widerspruch gegen die eigene Einseitigkeit der Existenz steht, somit diese aufzuheben strebt, ist darin unmittelbar das Streben gesetzt, die Einseitigkeit des andren aufzuheben, und durch diese gegenseitige Ausgleichung und Verbindung die Realit¨at dem Begriffe, der beide Momente enth¨alt, gem¨aß zu setzen“ [12,14925−31].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sich spezifisch gegliedert sind, beziehen sie sich dabei an sich nicht bloß auf ein anderes Objekt, sondern auf eine Mehrzahl von Objekttypen, mit denen sie Verbindungen eingehen k¨onnen. Zugleich ist jede solche Verbindung selbst wieder eine wesentlich in sich gegliederte Einheit im Objektkontinuum und darum ein eigenes chemisches Objekt. Hegels Erkl¨arung der Reagibilit¨at chemischer Substanzen durch Hinweis darauf, dass diese sich als bestimmte Einheiten in Gestalt von anderem außer sich haben m¨ussen, mag mehr nach einer logischen Einkleidung realer Vorg¨ange denn nach dialektischer Begr¨undung aussehen365 . Eine vielleicht befriedigendere Begr¨undung l¨asst sich folgendermaßen geben: Chemische Objekte wurden als wesentlich in sich gegliederte Einheiten eingef¨uhrt, deren Elemente in Beziehungen der Attraktion und Repulsion stehen und unter gegenseitiger Modifikation derart zum Ausgleich gekommen sind, dass sie ein stabiles Ganzes bilden. Dass Elemente u¨ berhaupt von sich her eine solche Konstellation bilden, setzt aber voraus, dass diese stabiler ist als die Elemente f¨ur sich. Im Begriff des chemischen Objekts liegt daher schon, dass es stabilere und weniger stabile Objektkonstellationen gibt. Damit folgt aus dem Begriff des chemischen Objekts aber seine Reaktionsf¨ahigkeit: Denn wenn es stabilere und weniger stabile Konstellationen gibt, m¨ussen chemische Objekte untereinander unter Modifikation der Ausgangsobjekte Konstellationen bilden k¨onnen, die stabiler sind als jene. Zugleich werden nicht alle chemischen Objekte unterschiedslos miteinander reagieren, da in der Form des Stabilit¨atsgef¨alles ebenso die M¨oglichkeit angelegt ist, dass chemische Objekte getrennt stabiler sind als in ihrer Vereinigung. Die Reagibilit¨at eines chemischen Objekts erstreckt sich daher nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Objekte. Jedes Objekt ist somit von sich her auf eine bestimmte Menge anderer bezogen, mit denen es zu reagieren vermag366 . Das System chemischer Substanzen bildet insofern ein Netzwerk367 . 365
Vgl. H ARTMANN 1999, 370. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass Hegel den Chemismus als disjunktiven Schluss fasst [vgl. 20,15217−20]. Eine Verbindung AB ist n¨amlich an sich sowohl als Disjunktion ihrer Produkte wie als Totalit¨at ihrer Elemente bestimmt: AB ist an sich ABC oder ABD oder ABE und an sich A und B. 367 Hegel spricht diesbez¨uglich von der Relativit¨at der unmittelbaren Substanzen und Ei” genschaften“ [20,3438−9]. F¨ur die logische Struktur chemischen Wissens gilt aber nach heutiger wissenschaftstheoretischer Einsicht: Instead of studying isolated objects to be measured, com” pared and put into a classificatory scheme, dynamic relations between objects constitute the basic set of chemical knowledge. [...] The logical structure of systematical chemical knowledge is a network structure. In other words, the chemical network, with chemical substances as the nodes and chemical relations as the connections, forms the chemical core of experimental chemistry“[S CHUMMER 1998: 135]. Dieser asymmetrisch-relationale Charakter des Chemischen kommt aber auch in Hegels Charakterisierung zum Ausdruck: Im Chemismus sind die sich ” zueinander verhaltenden Materien zwar durch ihren Begriff aufeinander bezogen (chemische 366
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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W¨ahrend auch mechanische Objekte von sich her durch Anziehung und Abstoßung aufeinander bezogen sind, aufgrund ihrer homogenen Natur jedoch gleichartig auf alle anderen, bilden chemische Objekte durch ihre innere Gliederung besondere Arten oder Substanztypen, die sich nur mit bestimmten anderen verbinden. Im Gegensatz zum mechanischen Objekt geh¨ort daher beim chemischen die Beziehung auf anderes, und die Art und Weise dieser Bezie” hung seiner Natur an“ 368 . Da chemische Objekte in sich gegliederte Einheiten sind, die mit bestimmten anderen reagieren k¨onnen, kann die logische Form ihrer Klassifikation nicht einfach hierarchisch sein. Insofern die chemische Klassifikation sich n¨amlich auf Reagibilit¨atstypen bezieht, weil f¨ur chemische Objekte die Wechselwirkung mit anderen wesensbestimmend ist, chemische Objekte aber in sich gegliedert sind, werden nicht ihr globaler Bau, sondern lokale Teilkonstellationen Reaktions- und damit Objekttypen bestimmen. Teilkonstellationen hat ein Objekt aber mehrere, weshalb es mehreren Substanzklassen angeh¨oren kann, etwa verm¨oge der -COOH Gruppe den Carbons¨auren und verm¨oge der Benzogruppe den Aromaten369 . Der Chemismus l¨asst sich logisch in einen unmittelbaren, einen vermittelten und einen selbstvermittelnden Prozesstyp einteilen. Den Anfang macht dabei die Synthese, im Zuge derer sich Ausgangsobjekte, die selbst unzusammengesetzt und insofern unmittelbar sein k¨onnen, zu einem neuen Objekt verbinden. Die vermittelte Form des Chemismus ist dagegen die Analyse. Denn eine solche ist nur m¨oglich, wo von einem chemischen Objekt ausgegangen wird, das trennbar, hiermit zusammengesetzt und insofern als vermittelt charakterisiert ist. Als selbstvermittelnde Gestalt des Chemismus, die zur Teleologie u¨ berleitet, ergibt sich die logische Verkn¨upfung von Synthese und Analyse. Ein Selbstverh¨altnis ist im Chemismus aber nur m¨oglich, sofern Edukt und Produkt des Prozesses typidentisch sind. Denn eine chemische Reaktion kann nur stattfinden, wenn beide nicht schon unmittelbar identisch sind, da A→A gar keine chemische Reaktion bezeichnet. Daher muss die selbstvermittelte Prozessform des Chemismus Selbstverdoppelung sein370 . Diese kann aber nur einen eigenen Reaktionstyp bilden, sofern nicht einfach die Kopie eines selbst Verwandtschaft) und enthalten somit an sich ihr Produkt, welches nicht schon durch das vorher Vorhandene, ihm Gleiche sich erzeugt. Seine Hervorbringung ist aber keine Selbsterhaltung. Es ist daher nur ein neutrales Produkt, d. h. in welchem die T¨atigkeit, die nur den getrennten Materien zukommt, erloschen“ [TW4,31]. 368 12,3438−9. 369 Vgl. S CHUMMER 1998: 144. 370 Hegel selbst charakterisiert die dritte Gestalt des Chemismus allenfalls andeutungsweise als Selbstvermittlung beziehungsweise Selbstverdopplung. In der Enzyklop¨adie spricht er pr¨agnant u¨ berhaupt nur von zwei Prozessen – Reduktion des Differenten“ zum Neutralen ” und Differentiierung des Indifferenten“ –, ohne dass die Verfasstheit des angedeuteten dritten ” 20−28 Prozesses klar w¨urde [20,208 ].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
unver¨anderten Edukts synthetisiert wird, da sonst durch dieses gek¨urzt werden kann: AB + A* + B* → AB + A*B* ⇔ A* + B* → A*B*. Daher muss im Zuge chemischer Selbstvermittlung die Replikation des Edukts an dessen Analyse gekoppelt sein. Dies ist aber nur m¨oglich, wenn in ihm Analyse und Synthese so vereint sind, dass die Synthese des Produkts an die Analyse der zu replizierenden Verbindung gebunden ist: AB + A* + B* → AB* + A*B. 3.4.6.2 Synthese und Analyse Hegel fasst die chemische Synthese ebenso wie die anderen Reaktionsformen als Schl¨usse und damit als Wechselwirkungen auf, die nicht unmittelbar ablaufen, sondern eines Vermittlers bed¨urfen. Allerdings ist Hegels Begr¨undung und Auffassung solcher Vermittlung logisch nicht schl¨ussig und empirisch gewendet falsch. Laut Hegel sollen chemische Objekte n¨amlich einerseits durch a¨ ußere Gewalt“ von ihrer Verbindung abgehalten sein, andererseits aber ein ” a¨ ußeres Medium den Reaktionsvermittler bilden, dank dessen sie reagieren k¨onnen371 . Nicht nur widerspricht letzteres, unmittelbar genommen, ersterem, sondern die Behauptung, chemische Objekte seien nur durch a¨ ußere Gewalt von ihrer Verbindung abgehalten, l¨asst sich logisch nicht begr¨unden, insofern es keinen Anhaltspunkt daf¨ur gibt, dass sie nicht durch sich selbst von ihrer Reaktion abgehalten sind. Umgekehrt ist die Annahme, sie k¨onnten nur in einem von ihnen unterschiedenen Medium reagieren, empirisch falsch. Man denke nur an die Reaktion zweier Fl¨ussigkeiten, die dazu keiner dritten bed¨urfen. Dennoch l¨asst sich Hegels Behauptung, chemische Reaktionen seien nicht unmittelbar m¨oglich, sondern bed¨urften eines Vermittlers, apriorisch rechtfertigen, wenn dieser Vermittler nicht als Medium, sondern als Katalysator begriffen wird. Ein solcher muss aber logisch aus folgendem Grund angenommen werden: Chemische Objekte sind Einheiten, deren Glieder Konstellationen bilden, welche sich durch besondere Stabilit¨at auszeichnen. Da in einem chemischen Objekt jedes Glied seine Bestimmtheit dank der anderen hat, mit denen es in 371 Vgl. Insofern jedes gesetzt ist als an ihm selbst sich widersprechend und aufhebend, so ” sind sie nur durch a¨ ussere Gewalt in der Absonderung voneinander und von ihrer gegenseitigen Erg¨anzung abgehalten. Die Mitte, wodurch nun diese Extreme zusammengeschlossen werden, ist erstlich die an sich seyende Natur beider, der ganze, beyde in sich haltende Begriff. Aber zweytens, da sie in der Existenz gegeneinanderstehen, so ist ihre absolute Einheit, auch ein unterschieden von ihnen existirendes, noch formales Element;– das Element der Mitteilung, worin sie in a¨ usserliche Gemeinschaft miteinander treten. [...] im K¨orperlichen hat das Wasser die Function dieses Mediums“ [12,14932–1507].
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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diesem Objekt verbunden ist, kann die Verbindung zweier chemischer Objekte zu einem neuen nicht ohne innere Umorganisation der Ausgangsobjekte vonstatten gehen. Denn die Bestandteile chemischer Objekte gehen gerade nicht unver¨andert in diese ein, sondern sind als Glieder einer u¨ bergreifenden Einheit durcheinander modifiziert. Da chemische Objekte in sich Konstellationen von gewisser Stabilit¨at darstellen, mag zwar das Ergebnis ihrer m¨oglichen Verbindung an sich stabiler sein als die Ausgangsobjekte und daher eine Tendenz zu seiner Bildung bestehen. Weil es aber nicht unmittelbar, sondern nur vermittelst innerer Umorganisation von jenen aus zu erreichen ist, muss der Weg zu ihm u¨ ber ein Zwischenstadium f¨uhren, in dem die innere Organisation der Ausgangsobjekte schon aufgebrochen ist, ohne dass die Stabilit¨at des Endprodukts bereits erreicht w¨are. Insofern dieser Zwischenzustand damit aber instabiler ist als Edukte und Produkt, besteht keine unmittelbare Tendenz zu seiner Bildung. Eine Reaktion wird daher nur m¨oglich sein, sofern sich die Reaktanden ¨ im Ubergang ihre Stabilit¨at von einem Dritten leihen, indem die Gliederung der Ausgangsobjekte, w¨ahrend sie an sich schon eine innere Umorganisation durchmachen, sozusagen zum Schein noch dadurch aufrecht erhalten wird, dass ein Vermittler stabilisierend einspringt. Dieser Katalysator kann dabei nat¨urlich keine chemische Verbindung mit den Reaktanden bilden, da sich sonst ein Stabilisierungsregress erg¨abe. Er muss seine vermittelnde Rolle logisch daher ohne eigene innere Umorganisation einnehmen und geht daher unver¨andert aus der Reaktion hervor. Die chemische Synthese f¨uhrt auf ein Produkt, in dem die Ausgangsobjekte verschwunden sind. Weil Attraktion und Repulsion darin zu stabilem Ausgleich gekommen sind, reagieren sie im Produkt selbst nicht mehr miteinander. Dieses ist vielmehr ein Neutrales, und der chemische Prozess ist als solcher daher nicht selbsterhaltend, sondern kommt in seinem Produkt zum Erliegen372 . Da der Prozess chemischer Verbindung damit nicht zu seinem Ausgangspunkt zur¨uckf¨uhrt, zu seiner eigenen M¨oglichkeit aber reaktionsf¨ahige Substanzen voraussetzt, kann er f¨ur seine Voraussetzungen nicht selbst einstehen373 . Insofern der Chemismus als Form der Objektivit¨at aber ein selbsttragendes System von Prozessen sein soll, muss es neben der Synthese einen weiteren Prozesstyp geben, welcher die Voraussetzungen von jener bereitstellt. Die zweite chemische Prozessform ist daher die Analyse, die Aufspaltung einer Verbindung in Bestandteile. Dabei ist die Analyse logisch deshalb die vermittelte Form des Chemismus, weil sie anders als die Synthese, die von logisch nicht n¨aher bestimmten und insofern unmittelbaren Objekten ihren Ausgang nehmen kann, nur m¨oglich ist, insofern sie von vermittelten, n¨amlich synthe372
Vgl. TW4,31. So hat laut Hegel die chemische T¨atigkeit eine Voraussetzung und geht f¨ur sich in das ” Erl¨oschen u¨ ber, ohne sich selbst wieder f¨ur sich anfachen zu k¨onnen“ [V11,169810−12]. 373
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
tisch verbundenen und damit zugleich trennbaren chemischen Objekten ausgeht374 . Nach Hegels Angaben soll die Analyse freilich nicht wieder zur¨uck auf logisch nicht n¨aher bestimmte Reagibilia, sondern auf elementare chemische Objekte f¨uhren, die gegeneinander indifferent sind375 Dem entgegen scheint eine direkte logische Kopplung der Analyse an eine Zerlegung in elementare Substanzen nicht zwingend. Epistemologisch gewendet ist jedoch die Einsicht bedeutsam, dass aus der Logik des Chemismus zwar folgt, dass es elementare chemische Objekte geben muss, diese jedoch nicht den Ausgangspunkt chemischen Wissens bilden m¨ussen, sondern selbst ein Vermitteltes sein k¨onnen. Denn wie der historische Entwicklungsgang der Chemie zeigt, k¨onnen Stoffprozesse ohne Hinblick auf elementare Substanzen untersucht werden. Vielmehr kommt es zun¨achst nur darauf an, dynamische Verh¨altnisse zwischen homogenen Stoffen zu untersuchen – ihre Reaktionseigenschaften – ohne Hinblick darauf, ob diese Stoffe chemisch elementar sind oder nicht. Wenn aber chemische Substanzen durch ihre Reaktionseigenschaften und Reaktionen durch chemische Substanzen definiert sind, ist das chemische Netzwerk unfundiert, was im Reich des Objektiven als Sph¨are durchg¨angigen Bestimmtseins nicht m¨oglich ist. Daher muss es an sich chemische Objekte geben, die nicht durch ihre Reaktionen mit anderen Objekten definiert sind. Sollen diese Substanzen aber u¨ berhaupt chemisch bestimmt sein, ist dies damit nur durch eine spezifische Form der Nicht-Reaktivit¨at m¨oglich. Da aber alle chemischen Objekte als solche durch die F¨ahigkeit zum Eingehen von Verbindungen ausgezeichnet sind, muss die Nicht-Reaktivit¨at, welche die grundlegenden chemischen Objekte auszeichnet, in ihrer NichtAnalysierbarkeit bestehen376 . 3.4.6.3 Chemismus geistiger Verh¨altnisse?* Da der Chemismus eine logische und keine naturphilosophische Kategorie ist, muss auch Geistiges Aspekte aufweisen, die ihm gem¨aß charakterisierbar sind. Hinweise darauf finden sich in umgangssprachlichen Wendungen wie derjeni-
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Vgl. 12,15034−36. Vgl. Die Diremtion, welche die reale Neutralit¨at der Mitte daher in ihm [sc. dem Analy” seprozess] erf¨ahrt, ist, daß sie nicht in gegeneinander differente, sondern indifferente Momente zerlegt wird“ [12,15115−17]. Diese elementarischen Objekte sind hiermit von der chemischen ” Spannung befreyt; es ist in ihnen die urspr¨ungliche Grundlage derjenigen Voraussetzung, mit welcher der Chemismus begann, durch den realen Proceß gesetzt worden“ [12,15128−30]. 376 Dies bedeutet, dass auch eine mechanische Charakterisierung elementarer chemischer Objekte m¨oglich scheint, n¨amlich als mechanische Systeme mit einem einzigen Zentrum. Solche mechanischen Systeme sind aber im Gegensatz etwa zu Planetensystemen nur deshalb chemische Elemente, weil sie miteinander unter Ver¨anderung ihrer kausalen Natur zu mehrzentrigen Systemen zusammentreten k¨onnen. 375
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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gen, dass zwischen zwei Personen die Chemie“ nicht stimme, die dann auch ” kaum eine engere Verbindung“ eingehen werden377 . ” Um den Bezug von Kategorien des Chemismus auf geistige Zusammenh¨ange jedoch vom Verdacht eines Kategorienfehlers zu befreien, muss die logische Form, um die es dabei geht, ohne Anklang an nat¨urliche Ph¨anomene gefasst werden378 . Die Kategorie des Chemismus markiert Prozesse, in denen sich Bestimmtes von sich her, wenngleich katalytisch vermittelt, mit anderem Bestimmten zu u¨ bergreifenden Einheiten mit neuen Systemeigenschaften verbindet, indem in sich gegliederte Ausgangseinheiten, einander erg¨anzend, zu vergleichsweise stabilen Konstellationen zusammentreten. Dabei weisen die Ausgangseinheiten weder die Tendenz auf, sich mit allem und jedem zu verbinden, noch bloß mit einem einzigen, sondern mit einer bestimmten Menge bestimmter anderer – und zwar mit je spezifischem Resultat. Entsprechende Tendenzen zur Bildung u¨ bergreifender Konstellationen erkennt Hegel in solchen intersubjektiven Verh¨altnissen, in denen sich Personen nicht – wie im bloß Geselligen – unangesehen ihrer besonderen Natur mehr oder weniger beliebig aggregieren, sondern Verbindungen eingehen, in denen sie einander spezifisch erg¨anzen379 . Darin, dass Hegel die logische Form von Freundschaft und Liebe nicht als besondere Form der Selbstbestimmung, sondern des Bestimmtseins-durch-sich fasst, liegt, dass der Eintritt in solche Beziehungen ein Moment der Attraktion einschließt, das keiner selbstbestimmten Entscheidung entspringt, gleichwohl aber im eigenen Bestimmtsein der Personen selbst gr¨undet. In Freundschaft und Liebe pr¨agt sich die logische Form des Chemismus auch insofern aus, als es sich dabei nicht um bloße Aggregationen handelt, sondern um spezifische Bindungen, die Personen nicht unmittelbar, sondern nur vermitteltermaßen eingehen. Dabei k¨onnen nach Hegels Auskunft beliebige Zeichensysteme als solche die Rolle des Vermittlers einnehmen380 . Dagegen brauchen mechanische Attraktionsverh¨altnisse, da sie unspezifisch sind, keinen solchen Vermittler381 . 377 Ihre klassische literarische Darstellung hat die Betrachtung zwischenmenschlicher Beziehungen im Licht chemischer Verh¨altnisse in Goethes Wahlverwandtschaften gefunden. Deren Protagonisten reflektieren in einem denkw¨urdigen Gespr¨ach [im vierten Kapitel des ersten Teils] auf die chemische Verwandtschaft“ der Geister. ” 378 Vgl. 12,148 24−27. 379 Vgl. 12,14824−27. 380 Vgl. Im K¨orperlichen hat das Wasser die Function dieses Mediums; im Geistigen, ” insofern in ihm das Analogon eines solchen Verh¨altnisses stattfindet, ist das Zeichen u¨ berhaupt, und n¨aher die Sprache daf¨ur anzusehen“ [12,1507−9]. 381 Geselligkeit, verstanden als unspezifisch-unmittelbare Aggregation, wird in Reinform etwa durch eine Gruppe von M¨annern verk¨orpert, die sich schweigend am Wirtshaustisch zusammengefunden haben. Auch die Begierde kann sich derart unspezifisch und unvermittelt Erf¨ullung verschaffen. So berichtet die Protagonistin Alma in Ingmar Bergmans Film Persona von ihrer in einer abgelegenen Bucht ohne vorherigen Wortwechsel vollzogenen sexuel-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Auch hier kommt jedoch der Einwand zum Tragen, der bereits gegen Hegels Behauptung vorgebracht wurde, der chemische Prozess bed¨urfe eines seinerseits chemischen Mediums. Dementgegen ist das Medium, innerhalb dessen sich chemische Prozesse vollziehen, logisch einfach das Objektkontinuum u¨ berhaupt und im Geistigen die Sprache als das individuell Allgemeine. Ins Kontinuum eingebettet, brauchen chemische Prozesse nicht noch einmal ein eigenes chemisches Medium und kommen umgekehrt verm¨oge eines solchen nicht schon automatisch zustande. Entsprechend vermittelt auch die Sprache als solche noch nicht Freundschaft oder Liebe, sondern gibt nur einen Spielraum ab, in dem ein spezifischer Anlass als Katalysator“ solche Beziehun” gen in Gang bringen kann. Die Sprache selbst ist daher kein Vermittler spezifischer intersubjektiver Beziehungen, sondern das Medium intersubjektiver Beziehung u¨ berhaupt, in dem spezifische Zeichenvollz¨uge spezifische Beziehungen vermitteln k¨onnen. Zu Freundschaft und Liebe kommt es daher nicht unmittelbar, sondern nur, wenn Personen anhand bestimmter Zeichen, zun¨achst unwillk¨urlich, ihre gegenseitige Entsprechung erkennen. Da Geist leibhaftige Selbstbestimmung vor dem Hintergrund vorgegebener Bestimmtheit ist, bildet die in der unreflektierten Disponiertheit von Personen gr¨undende, wechselseitige Attraktion oder Abstoßung nichts, dem diese einfach ausgeliefert w¨aren. Solche Tendenzen spielen vielmehr nur eine untergeordnete, wenngleich unverzichtbare Rolle f¨ur Aufbau und Fortbestand intersubjektiver Beziehungen, die von den Beteiligten jedoch auch selbstbestimmt ver¨andert werden k¨onnen382 . Eben dies dr¨uckt Hegel aus, indem er vom Chemismus als bloß formaler Grundlage“ solcher Beziehungen spricht383 . Dabei ” meint Grundlage“, dass eine unwillk¨urliche Affinit¨at f¨ur das Zustandekom” men solcher Beziehungen unverzichtbar ist. Freundschaft und Liebe sind entsprechend keine Kopfgeburten, die reflektierten Entscheidungen zweier Akteure entspringen. Zugleich ist diese Grundlage bloß formal“, insofern sie dar” auf angewiesen ist, durch selbstbestimmte Vollz¨uge mit Inhalt gef¨ullt zu werden. Die nach ihrem chemischen“ Aspekt unwillk¨urliche Verbindung einan” der geistig verwandter Personen erschließt so eine neue Sph¨are, in der jeder sich spezifisch bestimmen kann und muss. Freundschaft und Liebe er¨offnen damit einen M¨oglichkeitsspielraum und bilden insofern eine Form, die mit Inhalt gef¨ullt werden kann, insofern innerhalb ihrer spezifische, selbstbestimmte Vollz¨uge m¨oglich sind, die außerhalb ihrer oder in anderen Konstellationen nicht m¨oglich w¨aren. In Hegels scheinbar eigenwilliger Beziehung der Kategolen Vereinigung mit einem zuf¨allig vorbeikommenden Fremden. Die v¨ollig unspezifische, sich gleichsam automatisch die Bahn brechende Attraktion verleiht dem berichteten Erlebnis einen ungeheuer verst¨orenden Charakter. 382 Vgl. Es ist aber im Geistigen nicht bloß dieser chemische Prozeß zu beachten; es ist ” dieser keineswegs das Letzte und H¨ochste“ [V11,170840−41]. 383 12,1492.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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rien des Mechanismus und Chemismus auf geistige Verh¨altnisse steckt damit eine wichtige Einsicht in die logische Form von Intersubjektivit¨at: Da Personen bedingt selbst¨andige Zentren bestimmten Sichbestimmens sind, gewinnen sie ihre Autonomie n¨amlich nur vor dem Hintergrund von Beziehungen, die in naturhaft vorgegebener Bestimmtheit gr¨unden. Zugleich nehmen sie durch selbstbestimmte Vollz¨uge Bestimmtheit an, die zwar ihre eigene, weil selbstgesetzte ist, als solche aber nicht st¨andig zur Disposition steht, sondern zu einer festen Eigent¨umlichkeit oder zweiten Natur der Person wird. Insofern daher intersubjektive Beziehungen in vorgegebener oder zur zweiten Natur gewordener Bestimmtheit von Personen gr¨unden, entspringen sie nicht einfach freischwebenden Vollz¨ugen willentlichen Sichbestimmens. Der seit Feuerbach gel¨aufige Vorwurf, in Hegels Logik fehle eine Besinnung auf die logische Form von Intersubjektivit¨at384, ist damit nicht aufrecht zu erhalten. Wie seine Ausf¨uhrungen im Mechanismus- und Chemismuskapitel zeigen, geht in Hegels logische Bestimmung selbst¨andiger Subjektivit¨at – die Idee des Geistes – immer schon Intersubjektivit¨at mit ein. Dabei behandelt Hegel im Zusammenhang mit Mechanismus und Chemismus jedoch nur diejenigen formalen Aspekte intersubjektiver Beziehungen, die nicht der willk¨urlichen Selbstbestimmung, sondern dem vorg¨angigen, erst selbstbestimmt anzueignenden oder umgekehrt zur zweiten Natur gewordenen Bestimmtsein von Personen angeh¨oren und so ein unwillk¨urliches Band zwischen ihnen spannen. Vor diesem Hintergrund kann es, wenn Hegel im Ideeabschnitt Formen reflektierten theoretischen und praktischen Sichbestimmens behandelt, nicht um Vollzugsformen und Gestalten solipsistischer Subjekte gehen. So wird sich im Zuge der logischen Entfaltung des Lebensbegriffs zeigen, dass Lebendiges immer nur in der Mehrzahl als Replikations- und Interaktionszusammenhang von Lebenszentren auftreten kann. Insofern die Idee des Lebens ihrerseits in der logischen Form des Geistes aufgehoben ist, sind auch Erkennen und Handeln notwendig als Vollz¨uge einer interagierenden Mannigfaltigkeit lebendiger Zentren reflektierten Sichbestimmens zu fassen und nie als Vollz¨uge isolierter Subjekte. Trotz dieser intersubjektiven Einbindung sind Erkennen und Handeln ihrer Grundform nach jedoch Vollz¨uge Einzelner (die nat¨urlich mit denjenigen anderer verwoben sind) und entspringen nicht reflektiert koordinierten und geplanten Selbstbestimmungsakten einer Gruppe. Dass eine Gruppe reflektiert und koordiniert als Gruppe handelt, scheint dagegen ein abgeleiteter Fall, den Hegel zu Recht erst realphilosophisch abhandelt. Wenn er die Grundform selbstbestimmter Vollz¨uge als solcher in den Blick nimmt, setzt er daher zwar weiter voraus, dass diese in eine intersubjektive Sph¨are eingebettet sind, ohne diese Seite in der Logik selbst ausdr¨ucklich thematisieren zu m¨ussen. 384
¨ Vgl. F EUERBACH 1839: 18ff., H OSLE 1988: 123ff., 263ff.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.4.6.4 Chemische Selbstvermittlung Grunds¨atzlich lassen sich alle verwickelteren chemischen Prozesse als Kombinationen elementarer Analyse- und Syntheseschritte verstehen und bilden daher keine eigenst¨andigen logischen Formen. In solchen zusammengesetzten Prozessen markieren Synthese und Analyse klar voneinander unterscheidbare Beitr¨age. Wie gezeigt, fordert die Synthese aber logisch die Analyse, da sie f¨ur die Reagibilia, welche sie voraussetzt, nicht selbst aufkommt. Umgekehrt setzt die Analyse das Verbundensein solcher Reagibilia zu einem Trennbaren voraus. Da Synthese und Analyse so wechselseitig aufeinander verweisen, zugleich aber f¨ur sich stehen, ist als dritte Form des Chemismus ihr konkretes Ineins zu denken, das als solches die selbstvermittelnde Gestalt des Chemismus darstellt385 . Hegel begreift dieses Dritte als Stoffkreislauf, der sich real etwa in Gestalt athmosph¨arischer Prozesse auspr¨age386 . In Stoffkreisl¨aufen sind Synthese und Analyse aber nur additiv nach dem Grundschema A+B → AB → A+B gekoppelt. Da sie sich logisch aber zugleich wechselseitig voraussetzen und scheinbar selbst¨andig auftreten, k¨onnen sie in ihrer Einheit als bestimmter Negation nicht bloß derart a¨ ußerlich verbunden sein. Die dritte Gestalt des Chemismus kann daher nicht in einer Abfolge von Synthese und Analyse bestehen, sondern nur in einem Prozess, der zugleich synthetisch und analytisch ist. Ein solcher Prozess kann damit auch nicht in der Analyse von einem bestehen, die bloß mit der Synthese eines anderen gekoppelt ist. Vielmehr muss in ihm die Analyse selbst Synthese des Analysierten und umgekehrt die Synthese Analyse des Synthetisierten sein. Damit muss das Dritte zu Analyse und Synthese aber in chemischer Replikation oder Selbstverdoppelung bestehen. Denn da die Analyse zugleich Synthese des Analysierten sein muss, kann der Prozess nicht auf eine andere Substanz f¨uhren als die, von der er ausgeht. Zugleich ist der Chemismus aber logisch dadurch gekennzeichnet, dass in ihm Ausgangs- und Endpunkt des Prozesses voneinander verschieden sind. W¨aren sie identisch wie in A→A, l¨age daher gar kein chemischer Prozess vor. Die gesuchte Einheit von Analyse und Synthese kann jedoch, wie gesagt, ebenso wenig in der Trennung und Wiederzusammensetzung desselben bestehen, da es sich sonst um getrennte Prozesse handelte und nicht um einen Prozess, der ineins Analyse und Synthese ist. Daher muss die dritte Form des Chemismus eine Synthese sein, die nur vermittelst der Analyse eines anderen Objekts desselben Typs zustande kommt: AB + A* + B* → AB* + A*B 385
Vgl. V11,170823−32. So heißt es in der Logikvorlesung von 1817, der absolute Chemismus sei in sich der ” meteorologische Prozess“ [V11,170832]. 386
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
405
Dabei k¨onnen sich zwei Substanzen A* und B* also nicht unmittelbar, sondern nur dadurch verbinden, dass sich ein Objekt vom Typ des zu bildenden aufspaltet, mit ihnen zu zwei Objekten dieses Typs verbindet und damit verdoppelt. Die dritte Gestalt des Chemismus markiert als Form chemischer Selbstvermittlung damit nicht einfach das Erhaltenbleiben eines chemischen Objekts, sondern die u¨ ber seine Aufspaltung vermittelte Bildung zweier Objekte des Ausgangstyps, seine Replikation also387 . Als Replikation ist die selbstvermittelnde Gestalt des Chemismus zugleich autokatalytisch. Autokatalyse liegt n¨amlich dann vor, wenn Objekte vom Typ des Reaktionsprodukts in einem Prozess selbst die Rolle des Reaktionsvermittlers einnehmen. Im dargestellten Prozess ist die Erzeugung des Produkts aber gerade nur vermittelst eines Objekts vom Typ dieses Produkts m¨oglich. Allerdings reagiert der Katalysator hier im Unterschied zu sonstigen katalytischen Prozessen selbst mit388 : AB
AB + A + B
2AB
In der Logik liegt damit zumindest im Ansatz der Schl¨ussel zur Bedeutung autokatalytisch-selbstreplikativer Prozesse als ontologischer Voraussetzung des Lebendigen. Wie gezeigt, geh¨ort zur logischen Form des Chemismus n¨amlich die Prozessform autokatalytischer Selbstreplikation, aus der sich ihrerseits die Organisation des Objektkontinuums zu selbst noch objektlogisch zu bestimmenden Formen bloßer Lebendigkeit ergibt. 3.4.7 Das selbstvermittelnde Objekt (Teleologie) Das teleologische Objekt oder die ontologische Form bloß Lebendigen bildet die selbstvermittelnde Gestalt des Objekts. Selbstvermittlung meint dabei, dass das Objekt in Prozesse der Ver¨anderung eintritt, im Zuge derer es seinen Organisationstyp realisiert und sich dadurch erh¨alt. Das selbstvermittelnde Ob387
Das einzige empirisch prominente Beispiel einer solchen u¨ ber die Aufspaltung einer Substanz vermittelten chemischen Selbstverdoppelung scheint die Nucleins¨aure-Replikation zu sein. Dass zu Hegels Zeit damit keine F¨alle chemischer Selbstvermittlung bekannt waren, macht Hegels Unsicherheit hinsichtlich der dritten Form des Chemismus, die etwa in der Enzyklop¨adie ¨ nicht erw¨ahnt wird, wie hinsichtlich des Ubergangs vom Chemismus zur Teleologie heuristisch verst¨andlich. In der Begriffslehre von 1809/10 fasst er jedoch ausdr¨ucklich den Gedanken che¨ mischer Selbsterhaltung und begreift diese als Ubergang zum Zweck: Die h¨ohere Einheit [sc. ” als die synthetische Vereinigung] ist daher, daß die T¨atigkeit sich im Produkt erh¨alt oder daß das Produkt selbst produzierend ist, somit die Neutralisierung der Momente ebenso ihre Entzweiung oder das Erl¨oschen des Prozesses in der Vereinigung der Extreme das Wiederanfachen desselben ist. Die T¨atigkeit dieses produzierenden Produkts ist somit Selbsterhaltung. Es bringt nur sich hervor, das schon da ist“ [TW4,155f.]. 388 Der selbstvermittelnde oder autokatalytische Charakter dieser Prozessform wird von Hegel der Sache nach selbst hervorgehoben, wenn er betont, dass sich das Ausgangsobjekt in diesem Prozess selbst eine Mitte gibt“ [12,15216]. ”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
jekt bildet damit die konkrete Einheit des mechanischen und chemischen389 . Wie das chemische Objekt tritt das bloß Lebendige in Prozesse echter innerer Ver¨anderung ein, im Zuge derer es jedoch nicht wie das chemische Objekt in ein von ihm verschiedenes, allenfalls typm¨aßig Gleiches u¨ bergeht, sondern wie das mechanische erhalten bleibt. Anders als dieses erh¨alt es sich jedoch gerade nur im Zuge von Prozessen seiner inneren Ver¨anderung. Darum kann das Eigent¨umliche des teleologischen Objekts auch nicht darin bestehen, dass es, wie h¨aufig vom Lebendigen behauptet wird, seine Organisation bloß erh¨alt. Denn auch das mechanische Objekt erh¨alt seinen Organisationstyp, wie man sich an den Bewegungen in einem Planetensystem veranschaulichen kann. Dagegen hebt das teleologische Objekt nur darum die Prozessform des Chemismus auf und hat dadurch erst seine eigent¨umliche Bestimmtheit, weil seinem Organisationstyp selbst Entwicklung eingeschrieben ist, sodass es diesen Typ gerade nur realisiert und sich dadurch erh¨alt, dass es sich ihm entsprechend ver¨andert. Nur darum kann das teleologische Objekt als selbstvermittelnd gelten. Ein solcher Organisationstyp, dem selbst Entwicklung eingeschrieben ist, wird hier im Anschluss an Michael Thompson eine Lebensform“ genannt390 . ” Entsprechend ist etwa ein Embryo nicht einfach deshalb lebendig, weil er einen statischen Organisationstyp aufrecht erh¨alt, sondern weil er sich gem¨aß der ihm entsprechenden Lebensform entwickelt. Als Gestalt der Objektivit¨at ist die Teleologie nun nicht mit Zweckverh¨altnissen u¨ berhaupt gleichzusetzen, sondern nur mit solchen, die sich im Objektkontinuum abspielen. Die Teleologie markiert damit nicht etwa eine Prozessform, die seelische oder geistige Vollz¨uge beinhaltet, sondern die kategoriale Verfassung von bloßem oder unbeseeltem Leben. Ein bloß Lebendiges ist insofern zweckrealisierend, als es sich nicht einfach gleich bleibt, sondern seinen Organisationstyp sowohl aufrecht erh¨alt wie seiner Lebensform eingeschriebene Sollwerte – unter Ver¨anderung seiner aktuellen Organisation – im Zuge seiner Entwicklung u¨ berhaupt erst realisiert. Das teleologische Objekt ist dabei den Einwirkungen mechanischer und chemischer Objekte ausgesetzt, die seine Organisation st¨oren und bedrohen, weil es nicht f¨ur sich auftreten kann, sondern nur eingebettet in ein Kontinuum, das durch solche Prozesse gekennzeichnet ist391 . Insofern zu bloß Lebendigem daher notwendig die Selbstbehauptung gegen¨uber St¨orungen geh¨ort, hat eine Lebensform als Inbegriff artspezifischer Strukturen und Prozesse in Bezug auf ein lebendiges Individuum 389 Vgl. Der Zweck hat sich als das Dritte zum Mechanismus und Chemismus ergeben; er ” ist ihre Wahrheit“ [12,15922−23]. 390 Vgl. T HOMPSON 2008: 25ff. 391 Außerhalb des bloß Lebendigen bleiben n¨ amlich deshalb anorganische Prozesse erhalten, weil es im Objektkontinnum, wie oben gezeigt, nicht zur globalen Ordnungszunahme kommen kann. Daher kann es teleologische Objekte nur lokal und somit auch nicht in Gestalt eines teleologischen Superobjekts geben.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
407
intern-normativen Charakter, da dieses seiner Lebensform zwar nicht vollauf, jedoch in gewissem Maß gen¨ugen muss und je nach Ausmaß der Entsprechung gedeiht oder nicht. Die Zweckform des teleologischen Objekts ist innere Zweckm¨aßigkeit392 . Denn sie vollzieht sich in Form der Entwicklung und Selbsterhaltung eines Objekts und damit in der systemeigenen Realisierung von Sollwerten innerhalb desselben. Dagegen setzt a¨ ußere Zweckm¨aßigkeit, im Zuge derer etwas einen Zweck außer sich realisiert, gerade subjektseitige Innerlichkeit voraus. ¨ Daher kann die Zweckm¨aßigkeit in der Sph¨are objektseitiger Außerlichkeit nur innere sein, w¨ahrend erst leibhaftige Innerlichkeit oder beseeltes Leben, das sich (re)pr¨asentierend auf das Objektkontinuum bezieht, in diesem Zwecke a¨ ußerlich zu realisieren vermag. Erst mit dem Hervortritt des Begriffs als solchen in Form der Innerlichkeit beseelten Lebens vermag Lebendiges, in sich einen zweckrealisierenden Bezug auf solches auszubilden, was außer ihm liegt. Daher bildet a¨ ußere Zweckm¨aßigkeit keine Gestalt des teleologischen Objekts, sondern die Form der Teleologie, wie sie im beseelten Leben und Geist aufgehoben ist. Seinem logischen Hervorgang aus der Selbstvermittlung des chemischen Objekts gem¨aß, geh¨ort zum teleologischen Objekt nicht nur die F¨ahigkeit zur Erhaltung des eigenen Organisationstyps, sondern zugleich die zur Replikation in Gestalt von Objekten desselben Organisationstyps. Innere Zweckm¨aßigkeit ist daher aus logischen Gr¨unden nur in Anbindung an selbsterhaltende, replikationsf¨ahige Einheiten m¨oglich. Wie l¨asst sich die Kopplung von Zweckrealisierung an Selbsterhaltung und Selbstreplikation erkl¨aren? Da das teleologische Objekt in einen Spielraum kausaldeterminierten Bestimmtseins eingebettet ist, k¨onnen sich die zu seiner Lebensform geh¨origen Zwecke nicht in Konkurrenz zur Kausaldetermination verwirklichen, sondern nur mit deren eigenen Mitteln. Daher muss ein Zweck im System schon vor seiner Realisierung repr¨asentiert sein und die Differenz zwischen einem Soll- und einem Istwertrepr¨asentanten, solange der Zweck nicht realisiert ist, kausal die Ver¨anderung des Objekts bis zum Erreichen des Sollwerts steuern. Nun lassen sich auch gewisse mechanische und chemische Prozesse als derart kausal gesteuerte Realisierung eines Sollwerts beschreiben, etwa der Wechsel von Ebbe und Flut oder Stoffkreisl¨aufe. Dennoch k¨onnten solche Prozesse nur dann als zweckm¨aßig gelten, wenn sie in entwicklungsf¨ahige, selbsterhaltende und selbstreplikative Einheiten eingebunden sind und einen Beitrag zu Realisierung ihrer Lebensform leisten. Nur im Hinblick auf einen Organisationstyp, zu dem Entwicklung und 392 Vgl. Hegels, an Kant anschließende, Bestimmung innerer Zweckm¨ aßigkeit: Die innere ” Zweckm¨aßigkeit ist die, daß etwas an sich selbst gegenseitig ebensosehr Zweck als Mittel, sein eigenes Produkt und dies Produkt das Produzierende selbst ist“ [TW4,29].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Selbstreplikation geh¨oren, k¨onnen einzelne Prozesse im Objektkontinuum daher als zweckhaft und organisierte Ausschnitte des Objektkontinuums als belebt gelten. Von einem solchen Organisationstyp l¨asst sich aber nur im Zusammenhang mit mehreren Objekten sprechen, die in Replikationszusammenh¨angen stehen, weil sich anders gar nicht kl¨aren l¨asst, was an der Organisation eines Einzelnen, das seinem artspezifischen Orgainsationstyp nur partiell entsprechen muss, typisch ist und was nicht. 3.4.7.1 Die logische Form der Teleologie Nun kann ein Prozess im Objektkontinuum u¨ berhaupt nur dann als zweckrealisierend gelten, wenn er zu einem System geh¨ort, das einen in ihm repr¨asentierten Sollwert von sich her realisiert. Innere Zweckm¨aßigkeit ist daher durch prozessuale Identit¨at-in-Differenz ausgezeichnet. Denn damit ein Prozess u¨ berhaupt als zweckrealisierend gelten kann, darf sein Ziel nicht schon von Anfang an verwirklicht sein, weil sonst gar kein Prozess eintr¨ate: Die Realisierung eines Zwecks liegt allenfalls dann vor, sofern er im Zuge eines Prozesses erst verwirklicht wird. Dieser muss damit von einem vom realisierten Zweck verschiedenen Ausgangspunkt beginnen. Als Realisierung eines Sollwerts kann ein solcher Prozess aber nur gelten, wenn sein Ergebnis das zu realisierende Ziel selbst verwirklicht und nichts anderes als dieses. Zweckm¨aßigkeit liegt daher nur vor, wo zu realisierender und realisierter Zweck in einem Verh¨altnis prozessualer Identit¨at-in-Differenz stehen. Denn w¨aren zu realisierender und realisierter Zweck nicht verschieden, w¨aren alle Zwecke immer schon realisiert. W¨aren zu realisierender und realisierter Zweck nicht identisch, ließen sich Zwecke niemals realisieren, weil jede Realisierung auf etwas anderes f¨uhrte als das, was realisiert werden sollte. Nun ist das Reich der Objektivit¨at aber gerade dadurch ausgezeichnet, dass ¨ es in ihm Identit¨at-in-Differenz nur als Uberg¨ anglichkeit in eine Umgebung gibt, worin gerade der Kontinuumscharakter der Objektivit¨at besteht393 . Umgekehrt bedeutet dies aber, dass bestimmte Ausschnitte des Kontinuums gerade nicht miteinander identisch sein k¨onnen, sondern schlichtweg verschieden voneinander sind. Da distinkte Ausschnitte des Objektkontinuums nicht identisch sein k¨onnen, dies aber f¨ur das Zweckverh¨altnis als notwendig erwiesen wurde, zeichnet Zweckm¨aßigkeit Objekte und Prozesse im Objektkontinuum daher nicht an sich, sondern nur f¨ur einen Betrachter aus. Der Zweckbegriff ist in seiner Anwendung auf Verh¨altnisse objektseitigen Seins insofern im Anschluss 393 Vgl. oben Abschnitt 3.4. Solche Uberg¨ ¨ anglichkeit meint nicht, dass ein Ausschnitt des Kontinuums mit vermeintlich n¨achsten Nachbarn identisch w¨are. Denn sofern seine Nachbarn distinkt fassbar sind, bilden sie nichts, was der betreffende Ausschnitt des Kontinuums schon an sich selbst h¨atte. An sich hat er nur den unbestimmten Ausgang in eine Umgebung, ist darum aber nicht identisch mit bestimmtem anderem.
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
409
an Kant als Reflexionsbegriff zu fassen394 . Im Objektkontinuum sind der zu realisierende Zweck – objektseitig durch einen bestimmten Systemzustand repr¨asentiert – und der realisierte Zweck daher an sich einfach verschieden. Ein solches Fremdverh¨altnis kann daher nur f¨ur einen Betrachter als zweckrealisierend gelten, insofern ein bestimmter Systemparameter f¨ur etwas anderes genommen wird, als er an sich ist, und der erreichte Systemzustand dann als dessen Realisierung aufgefasst werden kann. So ist etwa ein bestimmtes Druckgef¨alle, dessen Ausgleich bei ung¨unstigen Lichtverh¨altnissen das Schließen der Blattspalt¨offnungen einer Pflanze herbeif¨uhrt, an sich vom geschlossenen Zustand der Spalt¨offnungen schlichtweg verschieden. Dennoch ist die logische Form innerer Zweckm¨aßigkeit dem bloß Lebendigen nicht einfach fremd, insofern entsprechende Ausschnitte des Objektkontinuums teleologisch erkl¨arbar sind, also bestimmte objektseitige Prozesse gerade unter der Annahme ihrer Zweckm¨aßigkeit im Hinblick auf die Realisierung einer artspezifischen Lebensform als einheitliche Zusammenh¨ange begriffen werden k¨onnen. Insofern ein teleologisches Objekt seiner Lebensform aber nur partiell zu entsprechen braucht, bildet das, im Hinblick worauf Prozesse im Objektkontinuum als zweckm¨aßig erkl¨arbar sind, selbst nichts, was ein solches Objekt an sich charakterisiert. Doch wie kann ein Betrachter, der eine Lebensform in den Blick nimmt, im Verh¨altnis zweier verschiedener Zust¨ande u¨ berhaupt ein Verh¨altnis prozessualer Identit¨at-in-Differenz sehen und Prozesse im Objektkontinuum als zweckrealisierend erkl¨aren? Im Unterschied zum Reich objektseitigen Seins geh¨ort prozessuale Identit¨at-in-Differenz gerade zum Wesen leibhaftiger Subjektivit¨at. Denn da diese durch selbst¨andiges Sichbestimmen ausgezeichnet ist, ist es ihr eingeschrieben, aus sich heraus Bestimmungen zu setzen, die weder sie noch anderes zuvor schon aufgewiesen haben. Selbstbestimmung ist darum notwendig Sich-als-Anderes-Setzen. Da derart neu gesetzte Bestimmtheit aber dem Sichbestimmen selbst entspringt, kann sie nicht einfach etwas von ihm Verschiedenes sein, sondern muss zu ihm in einem Verh¨altnis prozessualer Identit¨at-in-Differenz stehen. Nur weil es wirkliches Sichbestimmen gibt, sind daher Zwecke auch wirklich realisierbar. Denn geistig betrachtet meint Zweckrealisierung nichts anderes, als ein Erstrebtes derart umzusetzen, dass das Erreichte nichts anderes ist als das Erstrebte, ohne mit ihm darum unmittelbar identisch zu sein. Damit kann Zweckm¨aßigkeit im Spielraum der Objektivit¨at nur insofern realisiert sein, als Prozesse im Hinblick auf eine Lebensform als zweckm¨aßig erkl¨arbar, obgleich nicht schon an sich als zweckm¨aßig ausgezeichnet sind. Dagegen zeichnet Zweckm¨aßigkeit Prozesse im Reich beseelten und geistigen Seins nicht nur f¨ur einen Betrachter, sondern an sich aus, weil Selbstbestimmung hier leibhaftige Realit¨at hat. Mit der teleologischen Erkl¨arbarkeit objektseitiger Prozesse stellen sich so 394
Vgl. Kant, KU, B301.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
drei Probleme, aus deren Beantwortung sich die Einteilung der Teleologie in eine unmittelbare, vermittelte und selbstvermittelte Gestalt ergibt. Da das Objektkontinuum ein Reich wirklichen Bestimmtseins markiert, ein zu verwirklichender Zweck aber ein bloß M¨ogliches zu sein scheint, ist zun¨achst zu fragen, inwiefern er schon vor seiner Realisierung durch eine wirkliche Bestimmung des Objekts repr¨asentiert sein kann. Da diese Frage den Zweck vor seiner Realisierung betrifft, hat sie es mit seiner unmittelbaren Gestalt zu tun. Zweitens ist zu fragen, wie der objektinterne Repr¨asentant eines Zwecks kausal einen Prozess steuern kann, der zur Realisierung des Zwecks f¨uhrt. Die zweite Frage betrifft damit die Vermittlung des Zwecks, die, wie Hegel zeigt, auf ein Mittel angewiesen ist. Die dritte Frage bezieht sich auf das Problem, wie solche Vermittlung mit dem Erreichen ihres Ziels zum Abbruch kommen kann, und betrifft damit den realisierten Zweck. Dieser bildet insofern die selbstvermittelte Gestalt der Teleologie, als in ihm Sollen und Sein zusammenfallen und damit ein Selbstverh¨altnis bilden. Nun weicht die vorangegangene Darstellung des Teleologiebegriffs von Hegels Behandlung desselben in einem entscheidenden Punkt ab. Hegel rechnet zur Teleologie n¨amlich von vornherein auch Vollz¨uge, welche Zentren subjektseitigen Sichbestimmens voraussetzen, die objektseitigem Sein gegen¨ubertreten und in ihm bewusst Zwecke realisieren. Ihre reale Entsprechung h¨atten solche Vollz¨uge daher in reflektierten Handlungen. Hegel rechnet zur Teleologie somit gerade auch die a¨ ußere, an Subjektivit¨at gebundene Zweckm¨aßigkeit395 . Dem widerspricht aber Hegels eigene Verortung der Teleologie im logischen Entwicklungsgang. Denn die Teleologie wird ausdr¨ucklich als Gestalt der Objektivit¨at bzw. als Form des Objekts eingef¨uhrt396 . Die Sph¨are der Objektivit¨at zeichnet sich aber gerade durch durchg¨angiges Bestimmtsein aus, in und aus dem die Selbstbestimmung des Begriffs gerade noch nicht als eigenst¨andige Subjektivit¨at leibhaftig hervorgetreten ist. Daher widerspricht die Behandlung bewusst zweckgerichteter Vollz¨uge einer Verortung unter der Rubrik der Objektivit¨at. Hegels Ausf¨uhrungen zur selbstbewussten Zweckt¨atigkeit haben ihren systematischen Ort daher erst in der Idee und werden darum auch erst dort besprochen werden. Weiter geh¨ort die logische Form von intentionalen Vollz¨ugen nicht nur nicht in ein Kapitel, das Formen objektseitigen Seins behandelt. Vielmehr w¨urde dadurch zugleich die Kontinuit¨at des logischen Entwicklunsgangs 395 So erkl¨art er etwa: Der teleologische Proceß ist die Uebersetzung des distinct als Be” ¨ griff existirenden Begriffs in die Objectivit¨at“ [12,1671−2]. Die behauptete Ubersetzung in Objektivit¨at soll aber zugleich nichts anderes sein als eine Gestalt von Objektivit¨at. 396 F¨ ur Hegels eigene Unsicherheit bez¨uglich einer angemessenen Verortung der Teleologie in der Logik spricht zugleich, dass die Teleologie in fr¨uhen Fassungen der Logik h¨aufig ihren Ort ver¨andert. So geh¨ort der Zweck in der N¨urnberger Logik von 1808 in die Schlusslogik [vgl. TW4,28f.], in der Logik von 1809/10 geht er Mechanismus und Chemismus voran [TW4,154ff.].
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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vom Chemismus zum beseelten Leben unterbrochen, da zu bewussten, zweckgerichteten Vollz¨ugen offenbar eine logisch entwickeltere Form von Innerlichkeit geh¨ort, als es diejenige bloß beseelten Lebens ist397 . Ein wichtiger Grund dieser mit der Teleologie verbundenen Schwierigkeiten liegt darin, dass mit dem alltagssprachlichen Zweckbegriff unterschiedliche logische Formen verkn¨upft sind, die einerseits Prozesse im Kontinuum objektseitigen Seins, andererseits Prozesse gerichteten Sichbestimmens markieren, welche die Innerlichkeit beseelten Lebens oder gar die reflektierte Selbstbestimmung des Geistes voraussetzen. 3.4.7.2 Der subjektive Zweck (Zweckrepr¨asentant) Ein teleologisches Objekt muss in der Lage sein, Systemzust¨ande gesteuert von einem Istwert zist in einen Sollwert zsoll zu u¨ berf¨uhren. Damit diese ¨ Uberf¨ uhrung zielgerichtet ablaufen kann, muss der Sollwert schon vor seiner Realisierung im System verk¨orpert sein, sodass die Abweichung des Seins vom verk¨orperten Sollen dessen Verwirklichung kausal steuern kann. Da der zu realisierende Sollwert im System zun¨achst aber gerade noch nicht realisiert sein kann, weil der Zweck sonst schon verwirklicht w¨are, muss es einen realen Systemparameter rs geben, welcher den Sollwert vertritt oder repr¨asentiert398 . N¨aher muss rs ein konstanter Parameter sein, weil die Realisierung des Soll397 Mit Blick auf die Realphilosophie argumentiert H¨ osle daher zu Recht: Die Teleolo” gie kann schwerlich vor dem Leben kommen, da ihr realphilosophisches Pendant die endliche Zweckt¨atigkeit eines selbstbewußten Geistes ist, die ja etwas Komplexeres sein muss als das ¨ Leben“ [H OSLE 1988: 243]. Entsprechend weicht Hegel in seiner Naturphilosophie hinsichtlich der Teleologie von der durch die logische Entwicklung nahe gelegten Abfolge ab, der er sonst folgt: The logical discussion of teleology, which bridges the gap between chemism and ” life in the logic, has no place within the Philosophy of Nature“ [BURBIDGE 2007: 107]. Zudem ¨ deutet Hegel in der Naturphilosophie einen direkten Ubergang vom Chemismus zum Leben an: Der chemische Prozeß ist ein Analogon des Lebens; die innere Regsamkeit des Lebens, die ” man da vor sich sieht kann in Erstaunen setzen. K¨onnte er sich durch sich selbst fortsetzen, so w¨are er das Leben“ [TW9,292 Z.]. Wie oben gezeigt ist f¨ur ein Verst¨andnis des Lebens jedoch die Ber¨ucksichtigung objektseitiger Zweckrealisierung unerl¨aßlich. 398 Damit folge ich Dieter Wandschneiders aufschlussreichen Uberlegungen ¨ zu den objektiven Realisierungsbedingen organischer Zweckm¨aßigkeit: Daß das System durch sys” temeigene Sollwerte gesteuert ist, bedeutet, daß es gleichsam ein Programm seiner selbst in sich enth¨alt. Innerhalb des Systems ist das System damit selbst noch einmal in Gestalt eines solchen Programms seiner selbst enthalten“ [WANDSCHNEIDER 1988: 94]. Entsprechend gilt: Sollbestimmungen sind hier auch nur Seinsbestimmungen, aber auf der Repr¨asen” tantenebene“ [WANDSCHNEIDER 1988: 97]. Dass Sollbestimmungen im Rahmen objektseitiger Zweckm¨aßigkeit nur Seinsbestimmungen sind, gilt freilich nur mit Einschr¨ankungen. Wandschneiders Deutung scheint darin zu stark vom Beispiel des Regelkreises abh¨angig, von dem er ausgeht. Als Zweckrepr¨asentanten kommen aber nicht nur mechanische, sondern auch chemische Objekte in Frage. Diese haben aber an sich die Disposition dazu, ihre kausalen Eigenschaften unter bestimmten Umst¨anden unstetig zu ver¨andern. Daher muss der Sollwertrepr¨asentant nicht ein aktualer Parameter neben dem Istwertrepr¨asentanten sein, sondern kann
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
werts nur dann zielgerichtet ablaufen kann, wenn dieser im Zuge dessen konstant repr¨asentiert bleibt und der Zielzustand damit unabh¨angig vom jeweiligen Systemzustand feststeht. Besteht der Sollwertrepr¨asentant aber unabh¨angig vom jeweiligen Systemzustand, kann er dessen Ver¨anderung auf den Sollwert hin nicht alleine steuern. Denn da er unabh¨angig vom jeweiligen Systemzustand ist, ist er auch unabh¨angig davon, ob das System den Sollwert schon erreicht hat oder noch nicht. In einem zielgerichteten Prozess muss das Steuerelement aber daf¨ur verantwortlich sein, dass mit Erreichen des Sollwerts die weitere Ver¨anderung der Zustandsgr¨oße zum Abbruch kommt. Dies ist damit nur m¨oglich, wenn es neben dem Sollwertrepr¨asentanten auch einen Istwertrepr¨asentanten R gibt, der als Vertreter einer variablen Zustandsgr¨oße selbst variabel sein muss. Soll der Istwertrepr¨asentant zugleich eine Bedeutung f¨ur die gesteuerte Ver¨anderung der Zustandsgr¨oße haben, muss eine Abh¨angigkeit zwischen dem variablen Wert des Istwertrepr¨asentanten und der Ver¨anderung des Systemzustands hin auf den Sollwert bestehen. Eine gesteuerte Ver¨anderung des Systems ist dann dadurch m¨oglich, dass es genau so lange zu einer Ver¨anderung der Zustandsgr¨oße in Richtung auf den Sollwert kommt, solange der Istwertrepr¨asentant einen vom Sollwert abweichenden Wert repr¨asentiert399 . Dabei kann im Kontinuum objektseitigen Seins die Beziehung zwischen Repr¨asentant und Repr¨asentiertem nur darin bestehen, dass es sich um kovariierende Gr¨oßen handelt. Ein einfaches Modell f¨ur ein durch systemeigene Sollwerte kausal gesteuertes System l¨asst sich anhand eines Thermostaten geben400 . Hier ist der Sollwert auch in einer Disposition zur unstetigen Ver¨anderung kausal relevanter Eigenschaften bei Erreichen des Sollwerts bestehen. Auf diesem Prinzip beruhen gesteuerte physiologische Prozesse. 399 Die dargestellte Form zweckrealisierender Prozesse im Objektkontinuum trifft sich mit Ernst Mayrs Charakterisierung teleonomischer Prozesse. Dabei bezeichnet Mayr eine koordinierte Menge von Sollwertrepr¨asentanten als Programm: The key word in the definition of ” teleonomic is programm. The importance of the recognition of the existence of programs lies in the fact that a program is something material and something existing prior to the initiation of the teleonomic process. This shows that there is no conflict between teleonomy and causality“ [M AYR 1992: 127f.]. Die Abhandlung zweckgerichteter Prozesse im Objektivit¨atsabschnitt der Logik kann es damit legitimerweise nur mit teleonomischen Prozessen zu tun haben. Allerdings ist der Begriff des Teleonomischen Mayrs Auffassung entgegen nicht der einzige legitime Nachfolger des Teleologiebegriffes. Vielmehr wird der weitere logische Fortgang auf zweckgerichtete Vollzugsformen seelischen und geistigen Seins f¨uhren, die auf teleonomische Prozesse irreduzibel sind. 400 Damit soll der Unterschied zwischen der logischen Form von Organismen und derjenigen von Artefakten nicht heruntergespielt werden. Beide kommen zwar darin u¨ berein, im Hinblick auf einen Begriff als ein Ensemble von Strukturen und Prozessen, dem ihre besondere Beschaffenheit in einem gewissen Maß angemessen zu sein hat, erkl¨arbar zu sein, ohne ihm vollauf entsprechen zu m¨ussen. Artefakte verdanken aber sowohl ihre Existenz wie ihre Ansetzung als selbst¨andige Einzelne der Artikulation und Realisierung ihres Begriffs seitens vern¨unftiger Lebewesen, w¨ahrend Organismen ihre Existenz anderen Wesen ihresgleichen und
3.4. Logik des Durch-sich-Bestimmten (Objektivit¨at)
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eine bestimmte Systemtemperatur. Der variable Temperaturrepr¨asentant R besteht etwa in einem Stab, dessen L¨ange mit der Systemtemperatur kovariiert, der Sollwertrepr¨asentant rs dagegen in derjenigen, durch das System vorgegebenen L¨ange, bei der der Stab durch Ber¨uhrung einen elektrischen Kontakt unterbricht. Die Solltemperatur wird dann dadurch zielgerichtet angesteuert, dass das System solange durch einen Heizdraht aufgeheizt wird, bis der Temperaturwertrepr¨asentant R gleich rs wird und der Heizprozess dadurch zum Abbruch kommt. 3.4.7.3 Das Mittel und seine Realisierung Wie dieses Beispiel nahe legt, kann ein Zweck objektseitig nicht unmittelbar realisiert werden, sondern nur durch Wirkung einer Ursache, die eine Zustands¨anderung des Systems hin zum Sollwert hervorruft. Begr¨unden l¨asst sich dies damit, dass Neues im Reich objektseitigen Bestimmtseins nicht aus dem Nichts hervorgerufen werden kann, sondern nur dadurch, dass Bestimmtes an anderem Bestimmten eine determinierte Ver¨anderung bewirkt. Die Ursache, welche die Realisierung des Zwecks vermittelt, ist als solche von den die Zweckrealisierung steuernden Systemrepr¨asentanten zu unterscheiden und bildet insofern das Mittel zur Realisierung des Zwecks. Dieses Mittel wird im Allgemeinen vom unmittelbaren Zweck beziehungsweise seinem Repr¨asentanten nicht nur unterscheidbar, sondern auch verschieden sein. Da Repr¨asentation und Realisierung n¨amlich verschiedene Funktionen sind, f¨ur deren Ineinsfall sich logisch kein Grund anf¨uhren l¨asst, kann der Sollwertrepr¨asentant allenfalls zuf¨allig unmittelbar selbst die kausale Macht zur Realisierung des repr¨asentierten Zwecks haben401 . So hat etwa im Thermostaten der Temperaturrepr¨asentant selbst nicht die F¨ahigkeit, unmittelbar die Aufheizung des Systems zu bewirken. Zur Realisierung des Sollwerts reicht es aber aus, dass der Repr¨asentant das Wirken eines von ihm verschiedenen Mittels regelt, welches die kausale Macht hat, den Sollzustand herbeizuf¨uhren. Dass der Sollwertrepr¨asentant das Wirken des Mittels regelt, bedeutet im Fall des Thermostaten, dass das Mittel nur so lange die Ver¨anderung einer Zustandsgr¨oße hervorruft, wie der Istrepr¨asentant vom Sollwertrepr¨asentanten verschieden ist. Der Zweck kann seine Realisierung entsprechend entweder aktiv oder passiv steuern. So ist es zwar m¨oglich, aber nicht notwendig, dass er die Wirkung des nur die Ansetzung als selbstvermittelnde Einzelne im Objektkontinuum epistemischen Artikulationsleistungen vern¨unftiger Lebewesen verdanken. 401 Logisch l¨ asst sich die Notwendigkeit des Mittels auch so begr¨unden: Aufgrund seiner Bestimmtheit ist der unmittelbare Zweck ebenso wie sein Repr¨asentant begrenzt und endlich. Letzterer hat daher auch nur eingeschr¨ankte kausale Reichweite. Deshalb kann der Zweck zu seiner Realisierung auf ein Mittel angewiesen sein, das eine kausale Macht hat, die seinem Repr¨asentanten selbst abgeht: Der Zweck bedarf eines Mittels, weil er endlich ist“ [12,16234– ” 1631].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Mittels kausal in Gang setzt. Entscheidend f¨ur die Steuerung der Ver¨anderung hin zum Zielzustand ist nur, dass es solange zu einer gerichteten Ver¨anderung der Zustandsgr¨oße kommt, wie Soll- und Istrepr¨asentant verschieden sind. Der Zweck kann entsprechend auch durch Unterlassung wirken, insofern er selbst nicht das Wirken der ihn realisierenden Ursache anst¨oßt, sondern vielmehr das Wirken einer Ursache solange nicht unterbricht, bis der Sollwert erreicht ist. Der Zweckrepr¨asentant muss also nicht notwendig selbst wirken, bis er realisiert ist, sondern kann eine Ursache solange wirken lassen, bis der Sollwert erreicht ist, und ihr Wirken dann unterbrechen. Indem der unmittelbare Zweck sich nicht direkt, sondern u¨ ber ein Mittel realisiert, wird er von den kausalen Wechselwirkungen, die seine Verwirklichung mit sich bringt, nicht oder nicht direkt tangiert. Dass etwas sich im Zuge der Realisierung von Zwecken selbst erh¨alt und sich statt seiner ein Mittel wechselwirkend aufreiben l¨asst, bezeichnet Hegel als List der Vernunft“ 402 . Beson” ders ingeni¨os ist diese List dann, wenn ein Zweck durch Unterlassung wirkt, weil er dabei u¨ berhaupt nicht in eine Wechselwirkung eintritt, die seinen Repr¨asentanten vor seiner Realisierung zerst¨oren k¨onnte. Mit der Realisierung des Zwecks ist die selbstvermittelte Vollgestalt des Zwecks erreicht: Der Zweck bringt etwas hervor, aber das Produkt ist, was der ” Zweck selbst ist“ 403 . Da das Wirken des Mittels daran gekoppelt ist, dass der Repr¨asentant des Istwerts einen vom Sollwert verschiedenen Wert repr¨asentiert, kommt die gesteuerte Ver¨anderung des Systems genau dann im Zielzustand zum Abbruch, wenn der Istwertrepr¨asentant den Sollwert repr¨asentiert.
3.5 Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee) 3.5.1 Der logische Hervorgang der Idee In Abh¨angigkeit von der Betrachtungsebene sind zwei unterschiedliche logi¨ sche Uberg¨ ange von der Objektivit¨at zur Idee m¨oglich, n¨amlich entweder vom teleologischen Objekt aus (1) oder vom objektiven Begriff u¨ berhaupt (2). (1) In der logischen Form des teleologischen Objekts oder des bloß Leben402 Vgl. Dass der Zweck sich aber in die mittelbare Beziehung mit dem Object setzt und ” zwischen sich und dasselbe ein anderes Object einschiebt, kann als die List der Vernunft angesehen werden. [...] In der unmittelbaren Beziehung auf dasselbe tr¨ate er selbst in den Mechanismus oder Chemismus und w¨are damit der Zuf¨alligkeit und dem Untergang seiner Bestimmung, an und f¨ur sich seyender Begriff zu seyn, unterworfen. So aber stellt er ein Object als Mittel hinaus, l¨aßt dasselbe statt seiner sich a¨ ußerlich abarbeiten, gibt es der Aufreibung preis und erh¨alt sich hinter ihm gegen die mechanische Gewalt“ [12,1661−10]. 403 V11,171867−68. Entsprechend kann man laut Hegel von der teleologischen Th¨ atigkeit ” sagen, dass in ihr das Ende der Anfang, die Folge der Grund, die Wirkung die Ursache sey“ [12,16717−18].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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digen liegt, dass sich im Objektkontinuum organisierte Ausschnitte im Hinblick auf einen allgemeinen Typ von Strukturen und Prozessen – eine Lebensform – auszeichnen lassen, in Bezug auf die solche Ausschnitte als selbstvermittelnde Einheiten gelten k¨onnen. Einzelne Prozesse lassen sich damit insofern als zweckgerichtet verstehen, als sie Beitr¨age zur Realisierung und Erhaltung der durch die Lebensform des entsprechenden teleologischen Objekts bestimmten Entwicklungs-, Organisations- und Replikationsform leisten. Eine objektiv-teleologische Erkl¨arung ist damit eine solche, die einen Vorgang im Objektkontinuum als Beitrag zur Realisierung einer solchen Lebensform verstehbar macht. Nun ist die logische Form des teleologischen Objekts zugleich eine Form des Denkens und Seins. Als Form des Denkens erlaubt sie, einzelne Prozesse in einem Ausschnitt des Objektkontinuums als Zusammenhang zu sehen und als Beitr¨age zur Realisierung der Lebensform eines im Hinblick auf diese erst als Einheit konstituierten Objekts zu erkl¨aren. Damit ein Ausschnitt des Objektkontinuums derart als selbstvermittelnd erkl¨arbar ist, muss er damit aber zugleich an sich gewisse Organisiertheit und Zusammenhang aufweisen, aufgrund derer er sich im Hinblick auf eine Lebensform als Einheit auszeichnen l¨asst. Zentral f¨ur das Verst¨andnis des teleologischen Objekts oder bloßen Lebens ist es jedoch zu sehen, dass der Ausschnitt des Kontinuums, der im Hinblick auf eine Lebensform als selbstvermittelnde Einheit ausgezeichnet werden kann, nicht schon an sich ein selbst¨andiges Einzelnes bildet. Denn das Objektkontinuum ist zwar an sich inhomogen organisiert, doch gibt es in ihm keine Selbste und daher nichts, was schon von sich her als selbst¨andiges Einzelnes ausgezeichnet w¨are. So wurde bereits gezeigt, dass mannigfach Bestimmtes nur dann von sich her als selbst¨andiges Einzelnes gelten kann, wenn sich unbestimmtes selbstbez¨ugliches Sichbestimmen – ein Selbst – in dieser mannigfachen Bestimmtheit auf sich bezieht und sie so in selbst¨andiger Einheit zusammenh¨alt. Dagegen sind selbstlose Ausschnitte des Objektkontinuums, die seitens eines Erkennenden im Hinblick auf eine Lebensform als Einheiten ausgezeichnet werden k¨onnen, nicht schon an sich als Einzelne ausgezeichnet. Was im Hinblick auf eine Lebensform als ein Objekt, etwa als Am¨obe, gelten kann, kann daher etwa im Hinblick auf die Form des chemischen Objekts ebenso gut als Ansammlung zahlreicher Objekte gelten. Die einzelnen Prozesse, welche als Beitr¨age zur Realisierung einer Lebensform erkl¨art werden k¨onnen, bilden gleichfalls keine prozessualen Selbstverh¨altnisse im strengen Sinn. Denn ein Prozess im Objektkontinuum ist zwar nur deshalb angemessen als zweckrealisierend beschreibbar, weil sein Endzustand gesteuert erreicht wird, also schon vor seiner Realisierung repr¨asentiert ist, und das Verh¨altnis von repr¨asentiertem und realisiertem Zweck insofern als teleologisches Selbstverh¨altnis beschrieben werden kann. Dabei handelt es sich aber um einen Prozess innerhalb einer Sph¨are, in der es keine
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Selbste und damit auch keine Selbstverh¨altnisse gibt, und daher nur um einen Vorgang, der von einem Betrachter als Selbstvermittlung beschreibbar ist, ohne es deswegen auch an sich zu sein. Denn an sich sind die Ausschnitte des Objektkontinuums, die den zu realisierenden Zweck repr¨asentieren, einfach vom realisierten Zweck verschieden. Gibt es im Objektkontinuum keine Selbste, dann auch keine Selbstvermittlung im strengen Sinn, sondern nur Prozesse, die als Selbstvermittlung erkl¨arbar sind, wenn ein Einzelnes im Hinblick auf eine Lebensform herausgehoben wird, zu deren Realisierung diese Prozesse einen Beitrag leisten. Daher ist die Selbstvermittlung des bloß Lebendigen nur Quasi-Selbstvermittlung und der Begriff bloßen Lebens daher kein Begriff von selbst¨andigem Einzelnem, das sich im strengen Sinn selbst erh¨alt. Das teleologische Objekt oder die logische Form bloßen Lebens markiert dabei kein reales Pr¨adikat, sondern eine logische Form. Denn im Hinblick auf diese Form k¨onnen Strukturen und Prozesse im Objektkontinuum erst erkl¨arend als selbsterhaltende Einzelne ausgezeichnet werden. Dabei ist diese logische Form aber nicht nur Erkl¨arungs-, sondern in einem schwachen Sinn auch Realgrund von Einheit, weil das Objektkontinuum notwendig durch organisierte Strukturen gepr¨agt sein muss, die im Hinblick auf die Form des teleologischen Objekts als zweckrealisierende Einheiten erkl¨arbar sind, und es damit zum Sein als solchem geh¨ort, sich zu derart erkl¨arbarer Organisation auszulegen, was nicht f¨ur jedes beliebige, inhomogen organisierte Kontinuum zutrifft. Wenn zum teleologischen Objekt wesentlich Prozesse geh¨oren, die als Beitr¨age zur Realisierung seiner Lebensform erkl¨art werden k¨onnen, kann die logische Form des teleologischen Objekts nicht ohne Bezug auf den Begriff des Einzelnen erkl¨art werden. Eine Lebensform ist n¨amlich ein Allgemeines oder eine Gattung als Inbegriff artspezifischer Strukturen und Prozesse, im Hinblick auf die etwas als selbstvermittelnde Einheit gelten kann. Da aber Allgemeines, wie zu Beginn der Begriffslogik gezeigt, nicht unabh¨angig von seiner Vereinzelung existieren kann, ergibt die Rede von einer Realisierung der Lebensform ohne Bezug auf Einzelnes keinen Sinn. Da nur Einzelnes sich im Zuge von Prozessen, die sein Vergehen herbeif¨uhren k¨onnten, seiner Lebensform gem¨aß erhalten und realisieren kann, kann die logische Form des teleologischen Objekts damit nicht ohne Bezug auf den Gedanken eines Einzelnen erkl¨art werden, das seine Lebensform realisiert und erh¨alt. Insofern im Objektkontinuum an sich aber gar keine Einzelnen vorkommen, bezeichnet die logische Form des teleologischen Objekts solche organisierten Ausschnitte des Kontinuums, die so erkl¨art werden k¨onnen, als ob sie zu einem Einzelnen geh¨orten, das sich und seine Organisationsform erh¨alt. Die logische Form des teleologischen Objekts oder bloßen Lebens bezieht sich damit auf Ausschnitte des Objektkontinuums, die, wenn sie als solche ab-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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gehoben werden, so beschrieben werden m¨ussen, als realisiere ein Einzelnes eine artspezifische Lebensform. Der Begriff bloßen Lebens ist daher ein Reflexionsbegriff, der gleichsam zwischen Objektivit¨at und Subjektivit¨at schwebt ¨ und so den Ubergang zu ihrer konkreten Einheit macht. Denn zwar sind im Objektkontinuum an sich keine sich und ihre Organisationsform im Zuge von Ver¨anderungen erhaltenden Einzelnen vorhanden, jedoch Strukturen abhebbar, die angemessen nur so zu erkl¨aren sind, als erhalte sich ein Einzelnes durch Realisierung seiner Lebensform. Entsprechend sind die aus einem solchen Kontinuumsausschnitt abhebbaren Strukturen und Prozesse nicht einfach zusammenhangslos, sondern k¨onnen als Beitr¨age zur Realisierung der Lebensform eines teleologischen Objekts erkl¨art werden. Die logische Form des teleologischen Objekts ist daher der Begriff von solchem, das zugleich angemessen als Einzelnes erkl¨arbar ist, das seine Lebensform realisiert, dabei an sich aber gar kein Einzelnes ist, sondern ein unselbst¨andiger Ausschnitt des Objektkontinuums. Damit liegt in der logischen Form des teleologischen Objekts oder bloßen Lebens aber selbst schon der Bezug auf und die Abgrenzung von beseeltem oder selbsthaftem Leben. Denn die logische Form bloßen Lebens meint ein Arrangement abhebbarer Strukturen und Prozesse im Objektkontinuum, deren Zusammenhang unter der Annahme erkl¨arbar ist, dass sie Beitr¨age zur Realisierung der Lebensform eines Einzelnen bilden, obwohl an sich gar kein selbst¨andiges Einzelnes vorliegt. In der logischen Form von solchem, was dadurch definiert ist, f¨ur uns als Einzelnes erkl¨arbar zu sein, das sich in seiner Lebensform erh¨alt, ohne darum schon an sich ein sich in seiner Lebensform erhaltendes Einzelnes zu sein, liegt aber schon die abgrenzende Beziehung auf solches, was auch an sich ein Einzelnes ist, das sich in seiner Lebensform erh¨alt404 . Die logische Form bloßen Lebens ist daher nicht unabh¨angig von derjenigen beseelten Le404 ¨ Sebastian Ostritsch hat eingewandt, der skizzierte Ubergang vom bloßen zum selbsthaft Lebendigen beruhe auf einem vergleichbaren Fehlschluss wie die Behauptung, weil es Vorg¨ange gebe, die als Hexerei erkl¨arbar sind, ohne Hexerei zu sein, m¨usse es auch Vorg¨ange geben, die nicht nur derart erkl¨art werden k¨onnen, sondern wirklich Hexerei sind. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass der Begriff des bloß Lebendigen nicht beliebig ist, sondern sich im Rahmen voraussetzungslosen Denkens ergibt und daher zur explikativen Abhebung von Strukturen und Prozessen im Objektkontinuum alternativlos ist. Zuzustimmen ist ¨ Ostritsch darin, dass der skizzierte Ubergang bloß reflexionslogischen Charakter hat. Ein genuin ¨ begriffslogischer Ubergang vom bloßen zum beseelten Leben ergibt sich daraus, dass das bloß Lebendige zwar nur im Hinblick auf die Entsprechung von Begriff (qua artspezifischer Lebensform) und Objektivit¨at (qua organisiertem Kontinnumsausschnitt) als Einzelnes ausgezeichnet ist, sein Begriff ihm aber zugleich a¨ ußerlich bleibt. Denn als artspezifische Lebensform markiert er ein Sollen, dem ein teleologisch organisierter Ausschnitt des Objektkontinuums zwar notwendig (partiell) angemessen ist, das aber selbst nirgendwo im Objektkontinuum vorkommt. Daher ist logisch zu einer Form des Lebendigen u¨ berzugehen, das nicht nur im Hinblick auf eine Lebensform als Einzelnes ausgezeichnet werden kann, sondern an dem diese Form selbst auftritt und das daher von sich her als (Verschr¨ankung der) Entsprechung (und Nichtentsprechung) von Begriff und Objektivit¨at ausgezeichnet ist.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bens, so als sei diese von ihr aus nur durch a¨ ußerliche Zusatzannahmen erreichbar, sondern schließt sie bereits unausdr¨ucklich mit ein. Aus der Explikation ¨ der logischen Form bloßen Lebens ergibt sich daher immanent der Ubergang zur Form selbsthaften oder beseelten Lebens als Inbegriff von solchem, was nicht nur f¨ur uns, sondern auch an sich als Einzelnes einer bestimmten Lebensform ausgezeichnet und damit durch echte Selbstvermittlung gekennzeichnet ist. In der logischen Form bloßen Lebens liegt so bereits die abgrenzende Beziehung auf den Begriff von solchem, was mehr ist als bloßes Leben, n¨amlich selbsthaftes Leben. Der Begriff bloßen Lebens l¨asst sich daher u¨ berhaupt nur ¨ verstehen, wenn zugleich der Ubergang zum Begriff selbsthaften Lebens gemacht wird. Die logische Form bloßen Lebens weist sich insofern von sich her als mangelhaft aus und leitet zur Form selbsthaften Lebens u¨ ber. Da sich ¨ dieser immanente Ubergang in einer ontologischen Logik ergibt, kann es auch real nicht beim bloßen Leben bleiben, sondern muss notwendig selbsthaftes Leben geben. Weil ein Ausschnitt des Objektkontinuums aber nur dann in ein selbst¨andiges Einzelnes integriert sein kann, wenn dieses ein Selbst ist, kann die logische Form beseelten Lebens nicht mehr eine Form des Objekts markieren. Vielmehr muss sie eine logische Form darstellen, zu der selbstbez¨ugliches Sichbestimmen geh¨ort und die damit ein Wiederhervortreten des subjektiven Begriffs beinhaltet. Da die logische Form beseelten Lebens als bestimmte Negation das bloße Leben als unselbst¨andigen Aspekt einschließen muss, kann solches selbstbez¨ugliche Sichbestimmen seine Einzelheit nur darin haben, dass es sich in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums, der damit ein Leib ist, auf sich bezieht. Das beseelte Leben markiert so die konkrete Einheit von selbsthaftem Sichbeziehen und teleologisch organisiertem Bestimmtsein – Subjektivit¨at und Objektivit¨at – und damit die unmittelbare Gestalt dessen, was Hegel Idee“ nennt. ” Die Form beseelten Lebens ergibt sich damit aus dem logischen Wiederhervortritt selbstbez¨uglichen Sichbestimmens in konkreter Einheit mit objektseitigem Sein. Da nur selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich in Bestimmtem auf sich beziehen kann, sind daher nur, wo selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich als anderes-seiner-selbst in objektseitig Bestimmtem auf sich bezieht, Prozesse der Ver¨anderung dieses Bestimmten m¨oglich, die an sich und nicht nur f¨ur einen Betrachter die Selbstvermittlung eines Einzelnen markieren. Dagegen bezeichnet die Form bloßen Lebens noch Selbsterhaltung“ und Selbstvermittlung“ ” ” ohne ein Selbst, das sich erh¨alt und vermittelt. Da es im Objektkontinuum nicht zu Selbstverh¨altnissen kommt und die Realisierung von Zwecken an sich daher immer außer dasjenige f¨allt, was ihre Realisierung herbeif¨uhrt, ist im Bereich selbstloser Zweckm¨aßigkeit, wenn man so will, alles intermedi¨ar, da an sich nichts Glied eines zweckrealisierenden
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Selbstverh¨altnisses ist, obgleich es so erkl¨arbar ist, als ob es dies sei405 . Erst im selbsthaften Leben als (bedingt) selbst¨andigem Sichbestimmen f¨allt der realisierte Zweck an sich nicht außer dasjenige, was ihn herbeif¨uhrt, da ein selbstvermittelndes Einzelnes in seinen Vollz¨ugen in Kontinuit¨at mit sich bleibt und so zweckrealisierend gerade zu sich kommt. Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens k¨onnen sich daher in den von ihnen realisierten Zwecken auf sich beziehen, sind damit selbst ihr Zweck und insofern Selbst-Zweck. Nur wo solche Selbstverh¨altnisse von zu realisierendem und realisiertem Zweck vorliegen, kann daher von Zweckm¨aßigkeit gesprochen werden, die an sich besteht406 . Die ontologische Form von Vollz¨ugen, die in diesem Sinne selbstzweckhaft sind, nennt Hegel Idee“. ” Aus der logischen Form des teleologischen Objekts hat sich, wie gezeigt, die zun¨achst unentwickelte Form selbsthaften Lebens ergeben. Die Idee des Lebens markiert dabei zun¨achst nur die ontologische Form von solchem, was sich an sich selbst in einem organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht und so von sich her als selbst¨andiges Einzelnes ausgezeichnet ist. Hegels Begriff des lebendigen Individuums“ bezeichnet damit zun¨achst die ” konkrete, unreflektierte Einheit eines Selbst, das sich in objektseitig Bestimmtem, einem Leib, auf sich bezieht und so eine als selbst¨andig ausgezeichnete Einheit bildet, in Gestalt derer sich das Kontinuum objektseitigen Seins logisch aus sich heraus transzendiert hat407 . Da ein Selbst aber nichts Statisches ist, sondern selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, muss sich aus der unmittelbaren Gestalt selbsthaften Lebens auch die ihm eigene Prozessform herleiten lassen. Dass ein lebendiges Individuum seine Lebensform realisiert und erh¨alt, wird dabei, weil sein Lebensvollzug durch unreflektiertes, selbstbez¨ugliches Sichbestimmen informiert ist, etwas grunds¨atzlich anderes bedeuten als f¨ur unbeseeltes Leben. Insofern beseeltes Leben die Prozessform des bloß Lebendigen aufhebt, kann es freilich immer objektivierend allein im Hinblick auf diese als bloßer Organismus betrachtet werden, obwohl seine kategoriale Eigenart so gerade verfehlt wird. (2) Soeben wurde gezeigt, dass die Explikation der logischen Form des te405 Entsprechend ist es laut Hegel ganz gleichg¨ ultig, ein durch den a¨ ußeren Zweck be” stimmtes Objekt als ausgef¨uhrten Zweck oder nur als Mittel zu betrachten“ [12,16835−36]. 406 Vgl. Die Bewegung des Zweckes hat nun diß erreicht, daß das Moment der Aeusser” lichkeit nicht nur im Begriff gesetzt, er nicht nur ein Sollen und Streben, sondern als concrete Totalit¨at identisch mit der unmittelbaren Objectivit¨at ist“ [12,1728−11]. Damit ist der Begriff wesentlich diß, als f¨ursichseyende Identit¨at von seiner ansichseyenden Objectivit¨at unterschie” den zu seyn und dadurch Aeusserlichkeit zu haben, aber in dieser a¨ usserlichen Totalit¨at die selbstbestimmende Identit¨at derselben zu seyn. So ist der Begriff nun die Idee“ [12,17214−17, Hervorhebung C. M.]. 407 Diese immanente Selbsttranszendenz ist nicht zeitlich zu verstehen, da ein gerichteter Zeitfluss erst in Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens entspringt, statt dass diese in einer an sich verfließenden Zeit auftauchen, vgl. unten Abschnitt 3.5.3.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
leologischen Objekts oder bloßen Lebens immanent auf die Form selbsthaften Lebens f¨uhrt. Diese ist als unmittelbare Gestalt der Idee der Inbegriff von Einzelnem, das sich in objektseitig Bestimmtem auf sich bezieht und sich in Prozessen erh¨alt, die im strengen Sinn als Selbstvermittlung gelten k¨onnen. Da die logische Form beseelten Lebens selbstbez¨ugliches Sichbestimmen einschließt, dieses aber im Spielraum objektseitigen Bestimmtseins keinen Platz hat, folgt ¨ aus dem Ubergang zur Idee des Lebens, dass der Spielraum der Objektivit¨at grunds¨atzlich nicht das Ganze der Wirklichkeit ausmachen kann, sondern zu deren Vollgestalt notwendig abh¨angig selbst¨andige Zentren leibhaftigen Sichbestimmens geh¨oren. Die Vollgestalt des Ganzen, zu der u¨ ber die Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins hinaus notwendig derartige Zentren abh¨angig-selbst¨andigen Sichbestimmens geh¨oren, die leibhaft im Objektkontinuum verankert sind, ergibt sich logisch noch auf einem anderen Weg als u¨ ber die Explikation des teleolo¨ gischen Objekts. Die Notwendigkeit des Ubertritts zur Idee l¨asst sich n¨amlich auch direkt aus der logischen Bestimmung der Objektivit¨at herleiten. Ebenso wie das unfundierte Sichbestimmen oder der subjektive Begriff weist sich n¨amlich auch das Durch-sich-Bestimmte oder der objektive Begriff als einseitiger Aspekt von Selbstbestimmung aus, weil in ihm nur dessen resultativer Aspekt ausdr¨ucklich, das Sichbestimmen als solches jedoch verschwunden ist. Da die Begriffslogik aber die immanente Entfaltung des Begriffs als reiner Selbstbestimmung ist, kann sie nicht mit einer Bestimmung enden, die wie die Objektivit¨at nur einen einseitigen Aspekt von Selbstbestimmung markiert, sondern muss auf eine Form f¨uhren, in der die f¨ur sich jeweils einseitigen Hauptgestalten des Begriffs – selbstbez¨ugliches Sichbestimmen und selbsttragendes Bestimmtsein-durch-sich – zu Aspekten einer u¨ bergreifenden Einheit herabgesetzt sind. Diese Einheit zu setzen, ist im Hinblick auf das Sichbestimmen und das Durch-sich-Bestimmte keine a¨ ußerliche Forderung, weil beide von sich her aufeinander verweisen und sich so als unselbst¨andig ausweisen. So weist nicht nur das unfundierte Sichbestimmen von sich her u¨ ber sich hinaus auf ein Durchsich-Bestimmtes, sondern dieses als Selbst-Bestimmtes zur¨uck auf ein Sichbestimmen, das in ihm als solches gerade untergegangen ist. Im Hinblick auf den Spielraum der Objektivit¨at gilt n¨amlich f¨ur den Begriff: Eins mit der Sache ist er in sie versenkt; seine Unterschiede sind objective Existenzen, in denen ” er selbst wieder das Innre ist. Als die Seele des objectiven Daseyns muß er sich die Form der Subjectivit¨at geben, die er als formeller Begriff unmittelbar hatte; so tritt er in der Form des Freyen, die er in der Objectivit¨at noch nicht hatte, ihr gegen¨uber, und macht darin die Identit¨at mit ihr, die er an und f¨ur sich als objectiver Begriff mit ihr hat, zu einer auch gesetzten.“ 408.
408
12,3024−30.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Erst in Form der Idee wird also die konkrete Identit¨at von Sichbestimmen und Bestimmtsein-durch-sich gesetzt“, das heißt ausdr¨ucklich. Dagegen ist der Be” griff in der Sph¨are der Objektivit¨at insofern versenkt“, als er das Objektkonti” nuum nicht als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, sondern nur verm¨oge dessen begreif- und erkl¨arbarer Organisiertheit pr¨agt. Insofern beide Seiten des Begriffs so einerseits u¨ ber sich auf die jeweilig andere hinausweisen, andererseits aber unabh¨angig voneinander auftreten, sind sie performativ widerspr¨uchlich ¨ und machen damit den Ubergang zu einer Bestimmung n¨otig, in der sie derart vereinigt sind, dass ihre konkrete Einheit, auf die der performative Widerspruch nur abstrakt hindeutet, ausdr¨ucklich gesetzt ist. Die Idee markiert als konkrete Einheit von Subjektivit¨at und Objektivit¨at damit nichts Neues, was im bisherigen Entwicklungsgang der Logik noch nicht angelegt w¨are, sondern macht nur explizit, was sich in diesem schon ergeben hat. 3.5.2 Die logische Bestimmung der Idee Der Ausdruck Idee“ bezeichnet die logische Vollgestalt des Begriffs und hat ” damit eine exakte terminologische Bedeutung. Zu deren Erl¨auterung ist daher nicht auf die Bedeutungsgeschichte dieses Ausdrucks zur¨uckzugehen, sondern die immanente logische Bestimmung der Idee als Einheit des Begriffs und der ” Objectivit¨at“ 409 aufzunehmen – eine Formel, die Hegel jedoch aus sp¨ater zu er¨orternden Gr¨unden in gewisser Hinsicht f¨ur unzureichend h¨alt. Im Rahmen unserer operationalen Rekonstruktion haben wir den subjektiven Begriff als unfundiertes Sichbestimmen gedeutet, den objektiven hingegen als Sph¨are selbsttragenden Bestimmtseins-durch-sich, zu der sich jenes je schon unzeitlich ausgelegt hat. Aufgrund dessen besteht zwischen beiden an sich ein Selbstverh¨altnis, ohne dass dieses zun¨achst ausdr¨ucklich w¨are. Vielmehr ist erst in Form der Idee als Einheit des Begriffs und der Objektivit¨at das Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und selbsttragender Bestimmtheit explizit geworden. Die Idee markiert so eine in sich gegliederte Einheit, deren unselbst¨andige Aspekte selbstbez¨ugliches Sichbestimmen und selbsttragendes Bestimmtsein sind. W¨ahrend unfundiertes Sichbestimmen zun¨achst nur die unselbst¨andige Form von Subjektivit¨at u¨ berhaupt bezeichnet, tritt es erst in dieser konkreten Einheit mit selbsttragendem Bestimmtsein als (zun¨achst abh¨angig) selbstst¨andiges Sichbestimmen auf. Die Idee markiert damit im Unterschied zum subjektiven Begriff eine Bestimmung, die anders als dieser nicht bloß abstrakte Formmerkmale von Subjektivit¨at ausdr¨uckt, sondern die ontologische Form abh¨angig-selbst¨andiger Subjekte, die leibhaft in und aus einem Kontinuum objektseitigen Bestimmtseins hervortreten, das sie durch ihre
409
20,2154−5; 11,17424−25.
422
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
theoretischen und praktischen Vollz¨uge zu einer gemeinsamen Welt des Geistes gestalten. Insofern sich selbsttragendes Sichbestimmen nicht freischwebend, sondern nur in Anbindung an objektseitiges Sein vollzieht, markiert es als Moment der Idee immer zugleich ein Bestimmen des Objektkontinuums, was im Folgenden durch die Schreibung (Sich)Bestimmen“ ausgedr¨uckt werden soll. ” W¨ahrend das unfundierte Sichbestimmen des subjektiven Begriffs zun¨achst kein Sichbestimmen von etwas und insofern nullstellig war, ist das konkrete (Sich)Bestimmen der Idee dagegen zweistellig. Denn als Selbstbestimmung eines leibhaft im Objektkontinuum verankerten Subjekts markiert es zugleich das Bestimmen von anderem und hat damit sowohl eine Subjekt- wie eine Objektstelle. Diese Doppelung von Selbstbestimmung und Bestimmung von anderem l¨asst sich leicht am Beispiel des empirischen Urteilens erl¨autern. Denn Urteilen ist sowohl Bestimmen von etwas als etwas wie zugleich Sichbestimmen, weil es als spontane T¨atigkeit ein selbstbestimmter Vollzug und kein Widerfahrnis oder bloßes Vorkommnis ist. Urteilend bestimmt ein Subjekt daher nicht nur anderes, sondern macht sich zugleich selbst zu einem anderen, indem es, mit Brandom zu sprechen, seinen epistemischen Kontostand“ a¨ ndert. ” Von einem g¨angigen Verst¨andnis von Identit¨at her k¨onnte es nun problematisch scheinen, die Idee als Identit¨at“ von Begriff und Objektivit¨at zu fas” sen, wie Hegel es tut, da die Ausdr¨ucke Begriff“ und Objektivit¨at“ offen” ” bar nicht wahrheitswerterhaltend durcheinander ersetzbar sind. Denn der Begriff markiert selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, Objektivit¨at dagegen selbstloses Bestimmtsein-durch-sich. Die Rede von einer Identit¨at von Begriff und ” Objektivit¨at“ meint in erster Linie aber auch gar nicht, Begriff“ und Objekti” ” vit¨at“ bezeichneten unterschiedliche Gegebenheitsweisen desselben. Vielmehr markiert die Identit¨atsformel eine konkrete Einheit, deren analytisch unterscheidbare, real jedoch unabtrennbaren Aspekte Begriff und Objektivit¨at sind. Sofern Sichbestimmen und Bestimmtsein-durch-sich aber Gegens¨atzliches bezeichnen, scheint die Annahme einer solchen u¨ bergreifenden Einheit, in der beide in ein konkretes Selbstverh¨altnis eingehen, widerspr¨uchlich410 . Ein solches Selbstverh¨altnis kann aber deshalb sinnvoll behauptet werden, weil unfundiertes Sichbestimmen sich logisch selbst zu selbsttragendem Bestimmtseindurch-sich als anderem-seiner-selbst auslegt und dieses umgekehrt von sich her auf jenes zur¨uckweist. Identit¨at von Begriff und Objektivit¨at“ meint damit ” ein konkretes Verh¨altnis der Identit¨at-in-Differenz zwischen selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und selbsttragendem Bestimmtsein, das sich real in Gestalt beseelten und vern¨unftigen Lebens auspr¨agt. Die Idee markiert so keine bloße 410 So hat die Idee laut Hegel den h¨ artesten Gegensatz in sich“ [12,17720]. Entsprechend ” gelte: Der Verstand hat leichte Arbeit, alles, was von der Idee gesagt wird, als in sich wider” sprechend aufzuzeigen“ [13,9916−17].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
423
Vorstellung, dank derer sich Zentren beseelten und vern¨unftigen Lebens auf irgendetwas beziehen, sondern das, was solche Zentren sind, obwohl dazu wesentlich geh¨ort, sich auf sich und ihre eigenen Vollz¨uge zu beziehen. Nun wurde im Zusammenhang mit dem Begriffsurteil gezeigt, dass etwas seinem Begriff als einheitsstiftender, integrativer Form mehr oder weniger angemessen sein kann. Die Idee markiert damit den Inbegriff der Vollz¨uge von Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens, in denen diese ihr eigenes, selbstbestimmendes Wesen angemessen realisieren. Insofern alles Endliche als solches Aspekte aufweist, in denen es seinem eigenen Wesen zuwider l¨auft, geh¨ort zur realen Auspr¨agung der Idee so die Verschr¨ankung der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Objektivit¨at. Das von der Idee markierte, real derart in sich gebrochene Selbstverh¨altnis soll Begriff und Objektivit¨at als spezifische Relata verkn¨upfen. Eine solche Identit¨at anzunehmen, bedeutet daher nicht, den Satz der Identit¨at und damit zugleich denjenigen vom ausgeschlossenen Widerspruch f¨ur die Rede u¨ ber Beliebiges außer Kraft setzen zu wollen. Zugleich soll nicht etwa Verschiedenes, das in Abstraktion voneinander feststeht, als identisch behauptet, sondern diejenige Einheit bezeichnet werden, in der beide als unselbst¨andige Aspekte eines konkreten Ganzen auftreten411 . Daher geht mit der durch die Idee bezeichneten Subjekt-Objekt-Identit¨at auch nicht die unsinnige Annahme einher, objektseitig Bestimmtes k¨onne mit beliebigem objektseitig Bestimmten, das von ihm verschieden ist, zugleich identisch sein. Nat¨urlich ist auch von der Warte spekulativer Logik die Sonne nicht der Mond und der Tisch nicht der Stuhl. Die Idee markiert aber gar kein Verh¨altnis zwischen objektseitig Bestimmtem untereinander, sondern die u¨ bergreifende Einheit von subjektseitigem Sichbestimmen und objektseitigem Sein. Sich in solchem, was von ihm unterschieden ist, auf sich beziehen, kann selbstbez¨ugliches Sichbestimmen aber deshalb, weil es als Negativit¨at das Andere-seiner-selbst ist412 . Insofern der Begriff als Anderes-seiner-selbst an seinem anderen, objektseitigem Sein, keine un¨uberwindliche Grenze hat, sondern sich in ihm auf sich beziehen und es in eine Einheit beseelten oder vern¨unftigen Lebens integrieren kann, kann er damit im Unterschied zu objektseitig Bestimmtem, dem alles andere objektseitig Bestimmte bloß a¨ ußerlich ist, zu Recht als das Unendliche gelten. Die Identit¨at-in-Differenz, welche zur Idee geh¨ort, besteht entsprechend allein zwischen Begriff und Objektivit¨at, Unendlichem und Endlichem, w¨ahrend sich Endliches untereinander durch bloße Verschiedenheit auszeichnet. 411 Entsprechend hat Hegel folgende Warnung ausgesprochen, die von Kritikern wie Popper und Patzig u¨ berlesen wird: Der Verstand, welcher sich an die Idee macht, ist der gedoppelte ” Mißverstand, daß er erstlich die Extreme der Idee, sie m¨ogen ausgedr¨uckt werden, wie sie wollen, insofern sie in ihrer Einheit sind, noch in dem Sinne nimmt, als ob sie nicht in ihrer concreten Einheit, sondern Abstractionen derselben w¨aren“ [13,9931–1002]. 412 Vgl. etwa oben Abschnitt 1.3.2.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Zwar k¨onnte es scheinen, als sei damit allenfalls gezeigt, dass sich aus der logischen Form der Idee keine triviale Identit¨at von allem und jedem ergibt, die Idee aber dennoch ein Hirngespinst ohne reale Bedeutung sei. Da sie sich jedoch als Abschlussbestimmung voraussetzungsloser Ontologie ergeben hat, muss es nicht nur Reales von der ontologischen Form der Idee geben, sondern erst dieses kann die Vollgestalt dessen ausmachen, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig geh¨ort. Wie die Einteilung des Ideeabschnitts in der WdL nahe legt, ist Hegel der Auffassung, ohne Bezug auf die Idee als konkretes Selbstverh¨altnis von subjektseitigem Sichbestimmen und objektseitigem Sein ließen sich beseeltes Leben und Geist, Erkennen und Handeln nicht verstehen. Denn damit ist gerade solches bezeichnet, was subjektseitiges Sichbestimmen und objektseitiges Sein u¨ bergreift. Die logische Entwicklung der Idee wird so einen Schl¨ussel zu Grundproblemen der Philosophie des Geistes wie der Erkenntnis- und Handlungstheorie liefern. W¨ahrend diese Probleme in den folgenden Abschnitten angegangen werden, sei zun¨achst nur gezeigt, dass bereits die M¨oglichkeit eigenleiblichen Sichsp¨urens die Annahme eines konkreten Selbstverh¨altnisses von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein voraussetzt. Offenbar werden im eigenleiblichen Empfinden verschiedene Regionen eines teleologisch organisierten Ausschnitts des Objektkontinuums als Glieder eines Leibs empfunden. Im Objektkontinuum selbst hat jedoch alles alles andere nur außer sich, sodass Verschiedenes hier nie ineins zusammenkommen kann und ein solches Ineins in Begriffen objektseitigen Seins nicht zu fassen ist. Begreifbar ist es vielmehr nur, weil ein Selbst als anderes-seiner-selbst eine Mannigfaltigkeit objektseitigen Außereinanders in ein empfundenes Ineins integrieren kann413 . Dabei integriert ein Selbst aber nicht einfach etwas von ihm Unterscheidbares, sondern bezieht sich darin auf sich. Entsprechend ist schon eigenleibliches Sichsp¨uren durch die Form konkreter Identit¨at-in-Differenz von Selbstbeziehung und objektseitigem Sein gepr¨agt. Die konkrete Einheit eines Selbst und seines Leibes l¨asst sich n¨amlich weder einseitig als Identit¨at noch als Differenz begreifen: Einerseits bin ich zwar nicht mit meinem Leib identisch, was sich etwa daran zeigt, dass die Ersetzung des Ausdrucks ich“ durch mein ” ” Leib“ sinnvolle S¨atze im Wittgensteinschen Sinne ungrammatisch“ machen ” kann und Szenarien denkbar sind, in denen ich nicht weiß, welchen K¨orper ich f¨ur meinen Leib halten soll, ohne mir dar¨uber unklar sein zu k¨onnen, f¨ur wen ich den halten soll, der dies nicht weiß414 . Andererseits k¨onnen Selbst und Leib aber auch nicht als verschieden gelten. In diesem Fall w¨are ein Ph¨anomen 413
So kann Hegel etwa sagen, Ich, das vollkommen Leere, woraus alle Bestimmung weg” gelassen, das vollkommen Allgemeine“ sei der absolute Raum, worin unendlich Vieles Platz ” 16−18 hat“ [25/1,168 ]. 414 Vgl. etwa C ASTA NEDA ˜ 1999: 89ff.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
425
wie Schmerz unverst¨andlich. Denn w¨are mein Leib einfach ein von mir verschiedener K¨orper, w¨are unerkl¨arlich, dass ein Vorgang in diesem mich unmittelbar selbst betrifft und leiden l¨asst. Nur weil zu einem Selbst wesentlich die Selbstbeziehung-in-anderem geh¨ort, kann ich mich in meinem Leib, der von mir zugleich unterscheidbar ist, selbst sp¨uren. Die logische Form der Idee erlaubt gerade zu verstehen, dass und weshalb selbstbez¨ugliches Sichbestimmen zwar nicht einfach mit einem Leib gleichgesetzt werden kann, zugleich aber nicht ohne einen solchen zu bestehen vermag. Denn die Idee macht als spekulative Identit¨at von Subjektivit¨at und Objektivit¨at gerade ausdr¨ucklich, dass es Subjektivit¨at nicht f¨ur sich geben kann, sondern nur, wenn selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht. Die durch die Idee bezeichnete Einheit l¨asst sich damit nicht so auffassen, als seien in ihr Selbst¨andige, die auch unabh¨angig voneinander bestehen k¨onnen, bloß a¨ ußerlich verkn¨upft. Sind subjektseitiges Sichbestimmen und objektseitiges Sein in der Idee aber nicht so vereinigt, wie sie in vermeintlicher Unabh¨angigkeit voneinander zu fassen w¨aren, kann sich aus der Behauptung ihrer Identit¨at auch nicht die Trivialit¨at eines sie thematisierenden Satzsystems ergeben. Denn kontradiktorisch entgegengesetzte Bestimmungen lassen sich der Idee allenfalls zugleich, nicht aber unabh¨angig voneinander zuschreiben. Daher hat die Abtrennungsregel A&B | A, B im entsprechenden Satzsystem keine G¨ultigkeit. Da solche aber verlangt ist, um aus einem Widerspruch jeden beliebigen Satz zu folgern415 , ist ein Satzsystem, das die Momente der Idee in analytischer Abhebung ausdr¨uckt, auch nicht inkonsistent, sondern parakonsistent, n¨amlich widerspr¨uchlich, ohne darum trivial zu sein416 . Zwar lassen sich in der Idee als unselbst¨andige Aspekte vereinigte Bestimmungen derart analytisch abheben. Da die Idee selbst aber kein a¨ ußerliches Verh¨altnis markiert, l¨asst sich ihre Einheit aus solchen verselbst¨andigten Aspekten nicht begreifen. Entsprechend lassen sich etwa an Sprache zwar abstraktiv bedeutungslose Schallwellen und reine Bedeutungen“ unterscheiden, obwohl ” Sprache sich keineswegs additiv aus beidem zusammensetzt. Ihrer konkreten Form nach lebensweltlich vertraut wird Sprache und u¨ berhaupt Reales von der Verfasstheit der Idee dann unverst¨andlich, wenn man es aus anderem als ihm selbst erkl¨aren will, etwa aus vermeintlich selbst¨andigen Bestandteilen. Gerade darin, (nur) durch sich selbst verst¨andlich zu sein, zeigt sich vielmehr die Absolutheit der Idee. Dies bedeutet jedoch nicht, die Idee bezeichne schlechthin Unerkl¨arbares und Unanalysierbares. Denn erstens f¨uhrt der logische Fortgang immanent auf die Idee als Vollgestalt des Begriffs. Zweitens lassen sich 415 416
Vgl. P OPPER 1962. Vgl. P RIEST 1989.
426
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
an der Idee analytisch sowohl konkrete Momente wie abstrakte Aspekte abheben, obwohl sie aus letzteren nicht a¨ ußerlich zusammengesetzt ist. Drittens lassen sich komplexere Gestalten der Idee logisch sehr wohl aus einfacheren entwickeln und verstehen. Schließlich k¨onnen reale Vollz¨uge von der ontologischen Form der Idee angemessen gerade aus sich heraus, n¨amlich durch Bezug auf den bestimmten Begriff erkl¨art werden, den sie realisieren. Solche Erkl¨arungen, die nicht auf etwas außerhalb des Erkl¨arten verweisen, k¨onnen mit Recht absolut“ genannt werden. So lassen sich Vollz¨uge eines Lebewesens ” unter Umst¨anden, die der Realisierung seiner artspezifischen Lebensform entsprechen, durch Verweis auf diese Form erkl¨aren, statt, wie bei misslingenden oder gest¨orten Vollz¨ugen, auf a¨ ußere Umst¨ande rekurrieren zu m¨ussen. Ebenso kann die Wahrheit von Urteilen nicht erkl¨arend auf etwas von ihnen Verschiedenes zur¨uckgef¨uhrt und das Erkennen aus nichts anderem als dem Erkenntnisverm¨ogen selbst erkl¨art werden. Zwar reicht die Formel Einheit von Begriff und Objektivit¨at“ als eine Art ” Stenogramm zur Bezeichnung der Idee hin, f¨uhrt nach Hegels Auffassung jedoch in gewisser Hinsicht in die Irre417 . Einheit“ und Identit¨at“ bezeich” ” nen n¨amlich gew¨ohnlich Verh¨altnisse, die sich als solche nicht steigern lassen: Zwar scheint der Gedanke einer Einheit oder Identit¨at Entwicklung nicht grunds¨atzlich, wohl aber dies auszuschließen, dass im Zuge solcher Entwicklung die Einheit oder Identit¨at als solche vertieft wird. Dagegen muss die Idee logisch und real aber nicht nur als sich entwickelnde Einheit begriffen werden, sondern diese Entwicklung zugleich als Vertiefung der Einheit, in der sie besteht. Entsprechend entwickeln sich nicht nur ihre Glieder, sondern zugleich die Intensit¨at des Selbstverh¨altnisses zwischen ihnen. Da die Idee n¨amlich eine Einheit bezeichnet, deren Glieder nicht unabh¨angig von ihrer Beziehung bestehen, muss sich mit ihrer Entwicklung zugleich ihre Beziehung entwickeln. Zur Idee geh¨ort aber darum wesentlich Entwicklung, weil ihre Glieder zun¨achst nur unmittelbar in sie eingehen, zu dem in sie eingehenden Sichbestimmen aber wesentlich immanente Entwicklung geh¨ort. Diese vollzieht sich als Moment der Idee aber nicht freischwebend, sondern nur in konkreter Anbindung an objekt417 Gegen¨ uber Einheit von Begriff und Objektivit¨at“ ist die von Hegel h¨aufiger gebrauchte ” Wendung Einheit von Begriff und Realit¨at“ nach seiner eigenen Auskunft [12,1764−9] inso” fern ungenau, als mit der Idee keine Einheit von Sichbestimmen und beliebigem Bestimmtsein gemeint ist. Denn Realit¨at“ bezeichnet als Daseinskategorie sachhaltig Bestimmtes, das als ” solches u¨ ber sich auf anderes hinausweist, ohne dass die Weise seines Zusammenhangs mit diesem bestimmt und dieser Zusammenhang als selbsttragendes Ganzes in den Blick gebracht w¨are. Objektivit¨at“ meint dagegen gerade ein selbsttragendes Kontinuum des Bestimmtseins, ” das in seiner Bestimmtheit nicht unbestimmt auf ein Außerhalb hinausweist. Die logische Verfassung konkreter Subjektivit¨at vermag die Idee aber nur bezeichnen, weil die in sie eingehende Bestimmtheit nicht unbestimmt u¨ ber sich auf anderes hinausweist. Erst die Idee markiert daher selbsttragendes Sichbestimmen, w¨ahrend es bestimmtes Sichbestimmen als Einheit von Begriff und Realit¨at schon auf der Stufe formeller Subjektivit¨at gibt, etwa in Form des Einzelnen.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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seitiges Sein. Daher ist das Sichbestimmen der Idee immer zugleich Bestimmen des Objektkontinuums. So markiert die Idee ein konkretes, sich entwickelndes Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein, zu dem so wesentlich seine Selbststeigerung oder Vertiefung in sich geh¨ort. Dabei hat die Selbststeigerung der Idee nicht nur von einem unmittelbaren zu einem vermittelten, sondern zugleich von einem lokalen zu einem globalen Selbstverh¨altnis-im-anderen zu f¨uhren. Denn abh¨angig-selbst¨andiges (Sich)Bestimmen, das sich als lebendiges Individuum zun¨achst nur unmittelbar in einem Leib auf sich bezieht, ist an sich der Begriff, n¨amlich Gestalt unbedingten Sichbestimmens, das in und aus dem Objektkontinuum als Sph¨are seiner zeitlosen Selbstauslegung leibhaftig als lebendiges Individuum hervorgetreten ist. Da der Begriff unbedingte Selbstentfaltung ist, kann es bei der unmittelbaren, a¨ ußerlich bedingten Gestalt der Idee als lokalem Selbstverh¨altnis zwischen einem Selbst und seinem Leib nicht bleiben. Vielmehr m¨ussen sich weiter ausgreifende Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und Objektivit¨at ergeben. Entsprechend wird der logische Fortgang u¨ ber die Form unmittelbarer, eigenleiblicher Selbstbestimmung hinaus zu entwickelteren Formen erkennenden und handelnden Ausgreifens auf das Objektkontinuum f¨uhren. Die Idee markiert entsprechend kein statisches, unmittelbares und lokales, sondern ein sich entfaltendes und steigerndes Selbstverh¨altnis von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein, indem sich aus ihr im Ausgang von der punktuellen Selbstbeziehung lebendiger Individuen ein u¨ ber verschiedene logische Stufen charakterisierbarer, selbstbestimmter Ausgriff auf das Objektkontinuum ergibt, im Zuge dessen dieses erst in eine diskret in Gegenst¨ande und Tatsachen gegliederte, sinnerf¨ullte Welt des Geistes verwandelt wird. Bevor diese besonderen Stufen logisch entwickelt werden, ist aber zun¨achst noch das Verst¨andnis von Hegels allgemeiner Bestimmung der Idee zu vertiefen. Hegel bezeichnet diese auch als den ad¨aquaten Begriff“ 418 . Damit ist angezeigt, dass ” erst die Idee der angemessene Ausdruck oder die Vollgestalt des Begriffs ist. Angemessen ist Selbstbestimmung erst gefasst, wenn sie nicht einseitig in Gestalt unfundierten Sichbestimmens oder selbsttragenden Bestimmtseins auftritt, sondern ihre beiden Seiten als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Einheit gesetzt sind. Daher kann selbstbez¨ugliches Sichbestimmen erst in seiner leibhaftigen Einheit mit selbsttragendem Bestimmtsein real bestehen, w¨ahrend es f¨ur sich bloß den formellen Begriff“ oder die Form des Freien“ bildet419 , ” ” da unfundiertes Sichbestimmen nichts bezeichnet, was als solches Selbstand beanspruchen k¨onnte. Umgekehrt ist auch das Reich fundierten Bestimmtseins f¨ur sich noch keine angemessene Gestalt von Selbstbestimmung, weil selbst418 419
12,3031−32. Vgl. 12,3026−27.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bez¨ugliches Sichbestimmen in ihm als solches gerade verschwunden ist420 . Erst indem selbstbez¨ugliches Sichbestimmen in und aus dem Objektkontinuum als solches hervortritt421 , ist in Gestalt leibhaft im Objektkontinuum verankerter Subjektivit¨at eine Gestalt von Selbstbestimmung erreicht, welche f¨ur sich bestehen kann und dabei zugleich aneignend und gestaltend, erkennend und handelnd auf das Objektkontinuum auszugreifen vermag422 . Meint die Angemessenheit des Begriffs als Idee grunds¨atzlich, dass seine zun¨achst einseitig auftretenden Aspekte nun im Rahmen ihrer u¨ bergreifenden Einheit verwandelt zum Tragen kommen, ist diese Angemessenheit insofern selbst steigerbar, als es, wie gezeigt, entwickeltere und unentwickeltere, damit aber angemessenere und unangemessenere Auspr¨agungen dieser Einheit geben muss. Entsprechend muss der angemessene Begriff – die Idee – aufgrund ihrer Irreduzibilit¨at zwar je schon verwirklicht und das Unbedingte insofern je schon real sein, ist damit aber nicht schon unmittelbar in sich vollendet. Vielmehr geh¨ort zur Idee selbst eine Folge logisch charakterisierbarer Stufen der Angemessenheit von Begriff und Objektivit¨at, die real nicht alle schon unmittelbar verwirklicht sein k¨onnen, sondern in einem zeitlichen Vermittlungsprozess realisiert werden, und f¨ur die jeweils noch ein Moment der Nichtentsprechung von Begriff und Objektivit¨at konstitutiv ist, das auf der n¨achsten Stufe u¨ berwunden wird. Dabei entwickelt die Logik nur apriorische Formbestimmungen dieser Stufen, die von der pr¨areflexiven Selbstbeziehung des Lebendigen in seinem Leib bis zur denkenden Beziehung des Geistes auf das Ganze der Wirklichkeit als Prozess der Selbstgestaltung unbedingten Sichbestimmens reichen und erst in der Realphilosophie im Durchgang durch eine F¨ulle empirischer Gestalten des Lebens und Geistes ph¨anomenal bew¨ahrt werden. Die Idee markiert so diejenige Dimension des Seins, welche durch die kon420
Vgl. V11,165679−86. Hegel res¨umiert: Die Idee hat sich nun gezeigt als der wieder von der Unmittelbarkeit, ” in die er im Objecte versenkt ist, zu seiner Subjectivit¨at befreyte Begriff, welcher sich von seiner Objectivit¨at unterscheidet, die aber ebensosehr von ihm bestimmt und ihre Substantialit¨at nur in jenem Begriffe hat. Die Identit¨at ist daher mit Recht als Subject-Object bestimmt worden“ [12,17615−19]. 422 Erst die Idee bildet als Inbegriff selbstbestimmter Artikulation und Gestaltung des Objektkontinuums zu einer Welt die wahrhafte Objectivirung“ [12,17113] des Begriffs. Denn erst ” als Idee hat der Begriff sowohl Selbststand wie Freiheit, vereinigt selbsttragendes Bestimmtsein und selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen. Dagegen fehlt ihm in Form der Objektivit¨at die Form ” des Freien“, das selbstbez¨ugliche Sichbestimmen. Umgekehrt ist der subjektive Begriff bloß die Form der Freyheit“ [12,3031], weil selbstbez¨ugliches Sichbestimmen hier noch unselbst¨andig ” in der Luft h¨angt. Entsprechend existieren Begriffe, Urteile und Schl¨usse als Formen unfundierten Sichbestimmens auch nicht f¨ur sich, sondern sind Formen, die nur in und dank der selbstbestimmten Vollz¨uge leibhaftiger Subjekte artikuliert werden k¨onnen. Der subjektive Begriff markiert im Gegensatz zur Idee daher noch nicht die logische Verfassung selbst¨andiger Subjektivit¨at und wirklicher Freiheit, sondern bloß abstrakte Formeigenschaften von Subjektivit¨at und Freiheit. 421
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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krete Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitiger Bestimmtheit er¨offnet wird und sich real in Gestalt einer Welt beseelten und geistigen Lebens auspr¨agt. Da diese Einheit logisch und zeitlich zun¨achst selbst noch unentwickelt auftritt, von sich her aber selbstvermittelnd ist, geh¨ort zur Idee notwendig der durch verschiedene logische Stufen charakterisierbare Prozess der realen Herausbildung vermittelter Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein423 . Die Idee markiert daher zugleich Verh¨altnisse des In-anderem-bei-sich-Seins und In-anderem-zusich-Kommens. Dabei verwandelt sich das, was in anderem zu sich kommt, in Abh¨angigkeit davon, worin und wie es zu sich kommt, selbst. So bezieht sich eine Person im Unterschied zu einem bloß empfindungsf¨ahigen Wesen erkennend nicht einfach auf ihren Leib, sondern zugleich auf eine von diesem verschieden gesetzte Welt. Im Erkennen tritt die Person dabei nicht einfach als einzelne, leibseelische Einheit auf; vielmehr kommt in ihren Urteilsvollz¨ugen begriffliche Allgemeinheit als solche zur Existenz, die in Form wahrer Urteile, deren Geltung von der Partikularit¨at der Person, die sie artikuliert, unabh¨angig ist, in einem explikativen Selbstverh¨altnis zu objektseitigem Sein zu stehen vermag. In Hegels Augen ist erst von dem f¨ur die Idee konstitutiven Selbstverh¨altnis von Sichbestimmen und Bestimmtsein her ein angemessenes Verst¨andnis des Verh¨altnisses von Endlichem und Unendlichem m¨oglich. Denn selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen markiert als sich entwickelnde Selbstbeziehungin-anderem dasjenige, was an anderem keine un¨uberwindliche Grenze hat, sondern sich integrierend auf es zu beziehen vermag424 . Zugleich kommt selbsttragendem Sichbestimmen, das als beseeltes und geistiges Leben wirklich ist, gem¨aß der in ihm verk¨orperten selbstanwendenden Operationalit¨at ein unersch¨opfliches Potential zur Anreicherung mit neuer Bestimmtheit zu, das sich real als Entwicklung beseelten und Geschichte vern¨unftigen Lebens auspr¨agt. Dagegen wird objektseitiges Sein von anderem objektseitigen Sein bloß a¨ ußerlich begrenzt und ist als solches endlich. 423 Entsprechend kann Hegel sagen: Die Identit¨ at der Idee mit sich selbst ist eins mit dem ” Processe“ [12,17714−15]. Die Idee ist wesentlich Process, weil ihre Identit¨at nur insofern die ” absolute und freie des Begriffs ist, insofern sie die absolute Negativit¨at und daher dialektisch ist. [...] Weil die Idee Proceß ist, ist der Ausdruck f¨ur das Absolute: die Einheit des Endlichen und Unendlichen, des Denkens und Seyns usf. wie oft erinnert falsch; denn die Einheit dr¨uckt abstracte, ruhig beharrende Identit¨at aus“ [20,21818−21]. 424 So gilt dass die Endlichkeit in uns unbeschadet der Unendlichkeit ist, daß das Sein bei ” einem Anderen meinem Insichsein keinen Eintrag thut; ich habe diesen absoluten Widerspruch in mir, aber auch dieß den Widerspruch ertragen zu k¨onnen, in der Beschr¨anktheit doch frei, unbeschr¨ankt zu sein. – Dies ist der abstrakte Begriff des Geistes“ [25/1,1708−12]. Der abstrakte, noch rein logische Begriff des Geistes ist aber gerade die Idee. Das Prinzip des Geistes ist so ” seine Identit¨at mit sich im Anderssein, im Unterschiede. Ich habe ein Anderes mir gegen¨uber, ich durchdringe es zugleich, idealisiere es, so daß es nicht ein Anderes mir gegen¨uber bleibt“ [25/1,1721−4].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Die als konkretes Selbstverh¨altnis von subjektseitigem Sichbestimmen und objektseitigem Sein, abstrakt Unendlichem und Endlichem gefasste wahrhafte Unendlichkeit soll dabei keineswegs alles einschließen, was es gibt. Entsprechend markiert die Idee keine All-Inklusion – und zwar schon deshalb nicht, weil nicht alles unmittelbar in eine konkrete Einheit von subjektseitigem Sichbestimmen und objektseitigem Sein integriert ist, sondern die Idee der Prozess solcher Integration ist. Noch unerkannte und unbestimmte Aspekte des Objektkontinuums fallen daher ebenso aus der Idee heraus wie falsche Urteile, insofern diese gerade kein explikatives Selbstverh¨altnis zu objektseitigem Sein etablieren. Daher ist keineswegs alles Moment der Idee. Insofern alles jedoch Gestalt der Selbstauslegung des Begriffs ist, kann es nichts geben, was sich dem integrierenden Ausgriff selbstbez¨uglichen Sichbestimmens auf objektseitiges Sein grunds¨atzlich entz¨oge. Die Idee erweist ihre Unendlichkeit und Unbedingtheit so zwar nicht dadurch, dass sie schlichtweg alles Beliebige einschließt, wohl aber darin, dass das, was außerhalb ihrer ist, nicht unabh¨angig von ihr zu bestehen vermag, sie jedoch unabh¨angig von ihm425 . 3.5.2.1 Der Grundsatz der Wechselbestimmung Die Idee wurde als konkrete Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein eingef¨uhrt. Dabei meint Konkretheit, dass diese Einheit nicht aus selbst¨andigen Bestandteilen zusammengesetzt ist. Stehen ihre Glieder daher in einem internen Verh¨altnis, m¨ussen sie durcheinander modifiziert sein. Eine Kontrastierung zwischen den Momenten der Idee einerseits innerhalb ihrer konkreten Einheit und andererseits in Abstraktion von dieser ist darum m¨oglich, weil sie sich im logischen Fortgang zun¨achst unabh¨angig voneinander ergeben ¨ haben und erst mit dem Ubergang zur Idee deutlich wurde, dass sie als solche keinen Selbstand haben, sondern wesentlich innerhalb einer u¨ bergreifenden Einheit auftreten, ohne dass darum schlichtweg alles in diese Einheit einbezogen w¨are, obgleich nichts unabh¨angig von ihr zu bestehen vermag. Nun muss die Modifikation der Momente der Idee gegen¨uber ihrem isolierten Auftritt wechselseitig sein. Denn die einzige Weise, wie sich an einem A zeigen kann, dass es in interner Einheit mit B steht, liegt darin, dass es durch B modifiziert ist. Eine solche Modifikation der Glieder eines Konkretum durcheinander kann aber nicht darin bestehen, dass jedes das andere derart an oder in sich tr¨agt, dass es selbst schon die u¨ bergreifende Einheit beider bildet. Denn damit w¨are das Problem, ihre Einheit zu verstehen, nicht gel¨ost, sondern nur verschoben. Daher m¨ussen die Glieder eines konkreten Ganzen trotz ihrer wechselseitigen Modifikation durcheinander zugleich noch voneinander und von ihrer Einheit unterscheidbar sein. Die wechselseitige Modifikation solcher Glieder 425
Vgl. unten S. 450.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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kann daher keine symmetrische Operation sein, weil deren Resultate ununterscheidbar w¨aren. Das Prinzip ihrer Einheit muss daher zugleich ein Prinzip der Einheit und des Unterschieds der Vereinigten sein, das nicht nur ihren inneren Zusammenhang, sondern zugleich ihre Unterschiedenheit innerhalb dieses Zusammenhangs garantiert. Dies l¨asst sich auch so ausdr¨ucken, dass der Modifikator dem Modifizierten nicht gleich-, sondern untergeordnet sein muss. Das Kriterium solcher Unterordnung wird dann darin bestehen, dass das Glied eines Konkretum global nur als Form seines u¨ bergeordneten, nicht aber des untergeordneten Moments zu fassen ist. Daher wird es ungeachtet der Modifikation durch dieses global entweder als subjekt- oder als objektseitiges Moment der Idee, als Form bestimmten Sichbestimmens oder objektseitigen Bestimmtseins einzuordnen sein. So sind etwa leibseelische Einheiten nicht etwa aus einem subjektseitigen und einem objektseitigen Bestandteil a¨ ußerlich zusammengesetzt, sondern Ganzheiten, deren Glieder wechselseitig durcheinander modifiziert sind. Dennoch haben diese Momente, je nachdem, ob in ihnen subjektseitiges Sichbestimmen oder objektseitiges Bestimmtsein die Oberhand hat, global entweder subjekt- oder objektseitigen Charakter. So ist die Empfindung subjektseitig angesiedelt, jedoch notwendig Empfindung eines Leibes, dieser dagegen objektseitiges Moment der unmittelbaren Idee, darum aber kein bloßer Ausschnitt des Objektkontinuums, sondern ein empfindend einbezogener. Analog sind Aussagen keine rein subjektseitigen Gebilde, sondern weisen aufgrund ihrer Zeichenhaftigkeit ein Moment objektseitigen Bestimmtseins auf und sind nur darum sprachlich, global aber dennoch auf der Subjektseite anzusiedeln. Umgekehrt bilden die in solchen Aussagen artikulierten Tatsachen objektseitige Momente der Idee, weil sie zwar nicht einfach im Objektkontinuum vorhanden sind, sondern aus diesem erst aussagend abgehoben werden, aber dennoch artikuliertes, objektseitiges Sein markieren. Der Gedanke, das Prinzip der konkreten Einheit Unterschiedener m¨usse zugleich deren Unterschiedenheit innerhalb ihrer Einheit gew¨ahrleisten, ist ein Grundsatz von Wolfgang Cramers deduktiver Monadologie426 . Der Bezug auf diese kann mit Blick auf Hegels Bestimmung der Idee deshalb fruchtbar sein, weil Cramer nicht nur eine formale Theorie der Stufen beseelten und geistigen Lebens entwickelt, welche den im Ideeabschnitt nach ihrer logischen Form entwickelten Gestalten solchen Seins entsprechen, sondern ebenso wie Hegel 426 Vgl. Ist Einheit des Unterschiedenen dann ist ein Prinzip des Unterschieds und ein ” Prinzip der Einheit. Dies ist aber dasselbe Prinzip, wenn die Einheit notwendig und der Unterschied notwendig ist. Denn ist die Einheit der beiden Unterschiedenen notwendig, dann sind sie wesentlich nur in ihrer Einheit unterschieden und in der Einheit nur in der Unterschiedenheit. Also w¨are es ein falscher Begriff von Einheit, sich zwei Realit¨aten von verschiedenem Seinsmodus zu denken – Leib und Seele –, die nur zusammenh¨angen und eine Verbindung miteinander eingehen.“ [C RAMER 1957: 42].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
selbstbez¨ugliches Sichbestimmen als Prinzip dieser Entwicklung ansetzt. Indem Cramer die Monade, den Inbegriff von Zentren beseelten und geistigen Lebens, als u¨ bergreifende Einheit von Sichbestimmen und Selbst-Bestimmtem fasst, innerhalb derer das Sichbestimmen als Prinzip der Einheit selbst zu einem, obgleich dem bestimmenden Moment herabgesetzt ist, weist sie dieselbe logische Struktur auf wie die Idee427 . Dabei setzt Cramer seine Monadologie zwar gelegentlich affirmativ in Beziehung zu Hegel, sieht jedoch nicht den begriffslogischen Charakter seiner Bestimmung der Monade. Mit dieser meint Cramer keine bloße Innerlichkeit, sondern eine leibseelische Einheit. Dass Cramer mit seinem Grundsatz der Einheit von Einheit und Unterschied einen Begriff leibseelischer Einheit als zugleich unzusammengesetzter und in sich gegliederter gewinnen m¨ochte, verleiht seinem Ansatz dabei noch keinen realphilosophischen Charakter gegen¨uber Hegels logischer Betrachtung. Denn auch Hegel fasst die unreflektierte Einheit von Sichbestimmen und objektseitigem Sein schon in der Logik in Kategorien von Seele und Leib. Cramers Monadologie hat aber daher realphilosophischen Charakter, weil er selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sogleich als zeitliches Zeugen“ versteht und eine Sph¨are, in ” welche die Monade leibhaft eingebettet ist, einerseits bloß voraussetzt, sie andererseits sogleich als r¨aumlich fasst und dabei weitere, bloß empirisch aufgenommene Bestimmungen ins Spiel bringt. 3.5.2.2 Zur sprachlichen Bezeichnung der Idee Wie der Vergleich mit Cramers Monadologie noch einmal unterstrichen hat, markiert die Idee als u¨ bergreifende Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein die logische Verfassung von solchem, was weder einfach als subjektiv noch objektiv fassbar ist. Sie ist gerade absolut, insofern Ideelles nicht aus solchem erkl¨arbar ist, was nicht selbst schon die ontologische Form der Idee aufweist. Dennoch ist die Idee selbst nichts Unerkl¨arliches, da sich aus ihren logischen Vorgestalten verst¨andlich machen l¨asst, dass es eine auf diese nicht zur¨uckf¨uhrbare Gestalt geben muss, in die sie als unselbst¨andige Aspekte eingehen und an der sie sich abstraktiv abheben lassen. Da die Idee, in die sie als unselbst¨andige Aspekte eingehen, als selbsttragendes Sichbestimmen operationalen Charakter hat, l¨asst sie sich zudem logisch in eine aus sich heraus verst¨andliche Stufenfolge besonderer Gestalten entfalten und in ihren besonderen Formen verst¨andlich machen. Nat¨urlichsprachliche Ausdr¨ucke wie Tier“, Person“, Sprache“, Wahr” ” ” ” 427 Vgl. Die Monade ist Einheit von Realit¨ aten differenter Seinsmodi, deren Prinzip zu” gleich eines der Momente in der Einheit ist. Sichbestimmen ist nicht nur Prinzip und Realit¨at zugleich, sondern auch Prinzip des Unterschieds und Unterschiedenes zugleich. [...] Da Sichbestimmen Prinzip und Moment ist, wird vom beherrschenden Moment gesprochen. Das andere Moment heiße determinierendes Moment“ [C RAMER 1957: 43].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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heit“ oder Handlung“ beziehen sich auf solches, was weder nur subjektiv, in” nerlich oder ideell noch bloß objektiv, a¨ ußerlich oder reell, sondern Auspr¨agung der Idee als konkreter Subjekt-Objekt-Einheit ist. So lassen sich Tiere und Personen weder als k¨orperlose Seelen oder Geistwesen noch als bloße K¨orper begreifen, besteht Sprache weder in reinen“ Bedeutungen noch in bedeutungslo” sen Lauten, sind empirische Wahrheiten und Tatsachen weder etwas rein“ Ge” dankliches noch einfach objektseitig vorhanden, verbleiben Handlungen weder in einem Raum subjektseitiger Vorhaben und Zwecke noch lassen sie sich ohne Bezug auf einen solchen verstehen. Aporien ergeben sich dann, wenn man solche konkreten Auspr¨agungen der Idee, die lebensweltlich nur zu vertraut sind, aus solchem zu erkl¨aren sucht, was nicht selbst schon die Form der Idee aufweist, sondern bloß abstraktiv an ihr abhebbar ist. Die Logik der Idee bildet daher eine apriorische Begr¨undung daf¨ur, warum eine reduktive Erkl¨arung solcher Ph¨anomene unm¨oglich ist, und zeigt zugleich, dass darum nicht schon auf Erkl¨arungen u¨ berhaupt verzichtet werden muss: Leben und Geist k¨onnen nur aus sich selbst, n¨amlich aus ihrer eigenen, sich entwickelnden Form heraus verstanden und erkl¨art werden. Die Logik der Idee schließt eine reduktive Erkl¨arung des Seelischen und Geistigen so nicht einfach zugunsten der Beruhigung bei ihrer normalsprachlichen, lebensweltlichen Unhintergehbarkeit aus. Vielmehr leistet die Ideenlehre eine apriorische Begr¨undung dieser Unhintergehbarkeit im Rahmen voraussetzungslosen Denkens. Indem dieses erweist, dass Sein als Sichbestimmen gefasst werden muss und ein nomologisch determiniertes Kontinuum, zu dem sich jenes je schon unzeitlich ausgelegt hat, nur einseitiger Aspekt, nicht aber Vollgestalt von Selbstbestimmung sein kann, kann auch der Vollbegriff dessen, was ist, sich nicht allein auf dieses Kontinuum beziehen, sondern muss den Bezug auf Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens einschließen, die, leibhaft im Objektkontinuum verankert, bestimmend auf dieses u¨ bergreifen und es im Zuge ihrer theoretischen und praktischen Vollz¨uge zu einer diskret gegliederten Welt des Geistes gestalten, die allein die Vollgestalt des notwendig Wirklichen ist. Eine angemessene, sprachliche Bezeichnung f¨ur die u¨ bergreifende Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein m¨usste morphologisch deutlich machen, dass es weder um eine unanalysierbare noch um eine a¨ ußerlich zusammengesetzte Einheit geht. Der Ausdruck Idee“ ist daf¨ur ” aber wenig geeignet – nicht nur deshalb, weil er morphologisch einfach ist, sondern auch darum, weil seine allt¨agliche Bedeutung zumindest nahe legen kann, er beziehe sich auf ein Abstraktum, das in der Wirklichkeit gerade nicht zu finden ist, anstatt der Inbegriff selbst¨andiger Wirklichkeit zu sein428 . 428 Hegel kn¨ upft mit der Bezeichnung Idee“ nat¨urlich nicht an diesen landl¨aufigen Sinn, ” sondern sowohl an Kants Auffassung der Idee als Totalit¨atsbegriff wie an Platons Verst¨andnis der Ideen an, die nach Hegels aristotelischer Auslegung keine gleichsam existierenden Dinge, ”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Idee“ ist deshalb keine sprechende Bezeichnung f¨ur die ontologische Ver” fassung der Ganzheiten, um die es geht. Dass Hegel auch von ad¨aquatem ” Begriff“ spricht, macht zwar etwas von der inneren Verh¨altnishaftigkeit der Idee deutlich. Doch auch aus diesem Ausdruck ergibt sich weder, worin diese Angemessenheit besteht, noch, dass der Begriff seinerseits in Abgrenzung vom gel¨aufigen Verst¨andnis dieses Ausdrucks zu fassen ist. Dabei markiert die Idee die ontologische Form von lebensweltlich nur allzu Vertrautem, n¨amlich von Zentren seelischen und geistigen Lebens innerhalb einer bedeutungshaften Welt, die letztere in ihren selbstbestimmten theoretischen und praktischen Vollz¨ugen ausbilden. Wird der Begriff terminologisch als Sichbestimmen“ gefasst, bildet der ” Ausdruck Selbst-Bestimmung“ dagegen eine sprechende Bezeichnung f¨ur die ” ontologische Form der Idee als konkreter Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Bestimmtsein-durch-sich429. Denn der Ausdruck Selbstbestimmung“ ist morphologisch zusammengesetzt, ohne nahe ” zu legen, er meine ein a¨ ußerlich Zusammengesetztes. Zugleich schließt der Doppelsinn des Suffixes -ung die Aspekte des Sich-Bestimmens und des Bestimmtseins-durch-sich in der Einheit eines Ausdrucks zusammen. Die Idee meint somit ein Sichbestimmen, das als durch-sich-bestimmtes wirklich ist und aus sich heraus Bestand und Begreifbarkeit hat. Zugleich geh¨ort zum Ausdruck Selbst-Bestimmung“ eine weitere sprechende Zweideutigkeit, insofern damit ” zugleich das (vorg¨angige) Bestimmtsein eines (leibhaftigen) Selbst und sein spontanes Sichbestimmen gemeint sein kann. Die Idee markiert aber darum zugleich ein bestimmtes Selbst und ein sich selbst Bestimmendes, weil bestimmtes Sichbestimmen zum einen Bestimmtheit voraussetzt, die, ihm vorgegeben, erst selbstbestimmt von ihm anzueignen ist, sich als Sichbestimmen aber andererseits von sich her mit neuer Bestimmtheit anreichert, in der es sich setzt. Als ontologische Form selbsttragenden Sichbestimmens bildet die Idee insofern das Unbedingte, als sie dasjenige ist, was in keiner besonderen, fixierbaren Bestimmung aufgeht und damit jede endg¨ultige Feststellung unterl¨auft. Als selbst¨andiger Gestalt selbstanwendender Operationalit¨at ist der Idee n¨amlich das immanente Hinausgehen u¨ ber alle je vorhandene Bestimmtheit eingeschrieben. Daraus, dass sich die Idee nicht in fixierenden Bestimmungen fassen l¨asst, nur in einer anderen Welt oder Region“ bezeichnen, außerhalb welcher die Welt der Wirklich” keit sich befindet“. Vielmehr gelte: Die Platonische Idee ist nichts anderes als das Allgemeine ” oder der bestimmte Begriff des Gegenstands; nur in seinem Begriff hat Etwas Wirklichkeit“ [21,3426−28]. Daher ist laut Hegel zu fordern: Wenn von der Idee gesprochen wird, so hat man ” sich darunter nicht etwas Fernes und Jenseitiges vorzustellen. Die Idee ist vielmehr das durchaus Gegenw¨artige“ [TW8,369 Z.]. Sie hat ihr antikes Gegenst¨uck also im immanenten Eidos, dem aristotelischen logos enhylos [zu letzterem vgl. BUCHHEIM 2009]. 429 Dagegen ist der Ausdruck Subjekt-Objekt“ seinerseits nicht sprechend, weil das R¨atsel ” gerade darin besteht, wie das damit bezeichnete Verh¨altnis zu denken ist.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
435
ist aber nicht zu folgern, die Logik ergebe am Ende, es k¨onne keine angemessene Bestimmung des Unbedingten gegeben werden, und ende so mit der Reflexion darauf, dass sich im logischen Fortgang des Bestimmens noch jede Bestimmung zur Charakterisierung des logischen Raumes als unzul¨anglich erweist430 . Der Schluss daraus, dass sich das Unbedingte nicht in fixierende Bestimmungen einfangen l¨asst, darauf, es sei nicht bestimmbar, k¨onnte n¨amlich nur dann Geltung beanspruchen, wenn jede Bestimmung fixierend zu sein h¨atte. Da sich mit der Idee aber eine logisch stabile, operationale Bestimmung des unbedingten Ganzen ergeben hat, ist das Unbedingte sehr wohl angemessen bestimmbar, insofern dieser Bestimmung gerade ihre unersch¨opfliche Selbsterweiterung eingeschrieben ist. So ergibt sich aus der Bestimmung des Unbedingten als Idee, dass dieses als Selbstbestimmung zu fassen ist, welche in einem bestimmbaren Kontinuum selbsttragenden Bestimmtseins in Gestalt von Zentren beseelten und geistigen Lebens hervortritt, die u¨ ber alles je Vorhandene durch ihre sch¨opferischen Vollz¨uge hinausgehen, deren u¨ bergreifender Zusammenhang sich real als Geschichte des Geistes auspr¨agt431 . Nun bestimmt Hegel die Idee auch als das Wahre“ 432 . Dies wird ” verst¨andlich, wenn man die mit dem Wahrheitsbegriff u¨ blicherweise verbundene Unterstellung ber¨ucksichtigt, es handele sich bei Wahrheit um etwas, das weder allein auf der Seite des denkenden Bestimmens noch auf derjenigen objektseitigen Seins zu suchen sei, sondern notwendig in einem Verh¨altnis beider bestehe. Nimmt man Kants erkenntniskritische Einsicht hinzu, dieses Verh¨altnis k¨onne nicht als a¨ ußerliche Beziehung des Denkens auf eine schlechthin unabh¨angig von ihm bestimmte Wirklichkeit gedacht werden, markiert Wahrheit gerade ein internes Verh¨altnis zwischen denkendem Bestimmen und objektseitigem Sein und damit ein Verh¨altnis von der ontologischen Form der Idee. Jedoch begreift Hegel propositionale Wahrheit nur als besondere Form der Idee oder Wahrheit schlechthin. Sein allgemeinerer Wahrheitsbegriff hat seine nat¨urlichsprachlichen Wurzeln in Wendungen wie ein wahrer Freund“ oder ” ein wahres Kunstwerk“, denen wir bereits im Zusammenhang mit dem Be” griffsurteil begegnet sind433 . Mit solchen Wendungen wird gerade ausgedr¨uckt, 430
Vgl. G ABRIEL 2007; KOCH 2007a; KOCH 2007b. Ein entscheidendes Moment der Endlichkeit ist in der uns vertrauten, realen Auspr¨agung der Idee darin aufgespart, dass sie den Weg des Geistes markiert, sich aus der Sph¨are der Objektivit¨at als ihrer zeitlosen Voraussetzung erst im Zuge einer geschichtlichen Entwicklung sterblicher Zentren abh¨angigen (Sich)Bestimmens als absoluter Geist zu gewinnen, dessen ewige Geschichte wir so nur unzul¨anglich u¨ berblicken, vgl. unten die Abschnitte 4.7 und 4.8. 432 So nennt er sie das objectiv Wahre, oder das Wahre als solches“ [12,1733−4]. N¨ aher ” gilt: Die Idee ist das objektiv Wahre oder der ad¨aquate Begriff, in welchem das Dasein durch ” seinen ihm inwohnenden Begriff bestimmt und die Existenz als selbst produzierendes Produkt in a¨ ußerer Einheit mit dem Zweck ist“ [TW4,157]. 433 Vgl. oben Abschnitt 3.3.4.9. 431
436
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
dass etwas in seinen besonderen Beschaffenheiten seiner allgemeinen Natur als demjenigen entspricht, was diesen Beschaffenheiten Einheit gibt und sie zu er¨ kl¨aren erlaubt. Mit dem Ubergang zur Idee hat sich ergeben, dass eine solche allgemeine Natur immer eine bestimmte Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens ist, wie im Fall beseelten oder vern¨unftigen Lebens, oder sich von einer solchen herleitet, wie etwa im Fall von Artefakten. Insofern die Entsprechung von Begriff und Realit¨at, bestimmtem Sichbestimmen und objektseitigem Sein nichts unmittelbar Vorhandenes ist, sondern sich erst vollbringt oder mittelbar vollbracht hat, ist alles, was die ontologische Form der Idee aufweist, im Hinblick darauf bewertbar, wieweit es dank seiner besonderen Bestimmungen seinem Begriff entspricht. Zu allen Formen der Idee geh¨ort daher ein internnormatives Moment, im Hinblick worauf ihre Instanzen als wahr oder unwahr bewertet werden k¨onnen. Daher kann es wahre Kunstwerke und falsche Freunde geben, nicht aber wahre Atome und falsche Sonnensysteme434 . Insofern der Begriff selbstbez¨ugliche Vollzugsformen markiert, die mit internen Gelingensbedingungen einhergehen, haben Zentren beseelten und geistigen Lebens intern teleologischen Charakter: Sie sind zu Vollz¨ugen imstande, die auf ein Gelingen aus und zu ihm imstande sind, das sie nicht außer, sondern in sich finden – und zwar derart, dass sich die betreffenden Vollzugszentren ihres eigenen Ausseins auf solches Gelingen sowie dessen Erf¨ullung oder Fehlschlags selbst inne sein k¨onnen. Zu den besonderen Formen der Idee geh¨oren jeweils besondere Formen der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Realit¨at sowie der Bewertbarkeit ihrer Instanzen im Hinblick auf solche Entsprechung435 . Der derart verstandene Sollensaspekt der Idee macht aber nur ein Moment der Idee aus. Denn die Idee markiert nicht bloß die ontologische Form gesollter ¨ Ubereinstimmung von bestimmtem Sichbestimmen und objektseitigem Sein, ¨ sondern immer auch ihre wirkliche Ubereinstimmung, und bezeichnet daher solches, in dem die Realit¨at der Norm notwendig wenigstens partiell angemessen ist. In die verschiedenen Formen der Idee gehen dabei jeweils besondere Formen des Begriffs ein, die mit besonderen Subsumtions- und Angemessenheitsbedingungen verbunden sind, welche auf je besondere Weise logisch und ontologisch miteinander verschr¨ankt sind: Weil sie die intrinsische Angemessenheit der Realisierung von Subsumtionsbedingungen bezeichnen, stehen die 434 Entsprechend unterstreicht Hegel an zahlreichen Stellen, dass ein reales Auseinandertreten von Begriff und Objektivit¨at nur im Organischen und Geistigen m¨oglich sei [vgl. etwa TW13,157f.; 12,1757−11]. Jedoch finden sich in Hegels Naturphilosophie Passagen, denen zufolge auch im Anorganischen Unterscheidungen zwischen guten und schlechten Auspr¨agungen bestimmter Begriffe m¨oglich scheinen [vgl. TW9,218Z.]. Zur logischen Unterscheidung der (Nicht)Entsprechung von Begriff und Objektivit¨at in derartigen F¨allen von derjenigen im Bereich des Organischen und Geistigen vgl. M ARTIN 2012. 435 Vgl. unten Abschnitt 3.5.2.7.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
437
Angemessenheitsbedingungen in interner logischer Beziehung zu diesen, statt von ihnen unabh¨angige Zusatzbedingungen zu sein436 . Insofern die Erf¨ullung der Subsumtionsbedingungen notwendige Bedingung der Realisierung der Angemessenheitsbedingungen ist, stehen diese zu jenen in einem materialen Implikationsverh¨altnis: Real m¨ussen die Subsumtionsbedingungen erf¨ullt sein, damit etwas seiner eigenen Natur entsprechende Angemessenheitsbedingungen erf¨ullen kann. Umgekehrt k¨onnen Angemessenheitsbedingungen nur dann in gewissen F¨allen nicht erf¨ullt sein, wenn sie in anderen erf¨ullt sind. So k¨onnen etwa gewisse artspezifische Lebensfunktionen eines einzelnen Lebewesens nur versagen, sofern sie bei anderen Lebewesen derselben Art intakt waren, weil es die betreffende Funktion oder das Lebewesen, bei dem sie versagt, sonst nicht g¨abe. Entsprechend kann es falsche Urteile nur in einem Zusammenhang mit wahren und b¨ose Handlungen nur vor dem Hintergrund von guten geben. Als Vollgestalt des Begriffs bildet die Idee die logische Vollform selbstanwendender Operationalit¨at. Mit der Idee als selbsttragendem Sichbestimmen, das sich in objektseitigem Sein auf sich bezieht, ist n¨amlich ausdr¨ucklich, dass die selbstbez¨ugliche Negation zu ihrer bestimmten Negation, der Objektivit¨at, in einem Selbstverh¨altnis steht. In der Idee tritt Negativit¨at daher als mit sich ” identische Negativit¨at auf“, ist also zum Selbstverh¨altnis mit ihrer bestimmten Negation – objektseitigem Sein – entfaltet, das seinerseits als unselbst¨andiger Aspekt dieses u¨ bergreifenden Selbstverh¨altnisses in ihm aufgel¨oßt“ ist437 . In” sofern die Negativit¨at oder operationale Form des Sichbestimmens in die Idee aspekthaft eingeht, ist es gerade dieses Negativit¨atsmoment, was daf¨ur verantwortlich zeichnet, dass die Idee nichts Statisches, sondern ein sich entwickelndes Selbstverh¨altnis im anderen markiert. Damit gilt: Die Idee ist wesentlich ” Proceß, weil ihre Identit¨at nur die absolute und freye des Begriffes ist , insofern 438 sie die absolute Negativit¨at und daher dialektisch ist“ . Hegel bezeichnet selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, insofern es in Gestalt lebendiger Individuen in und aus der Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins hervortritt, auch als Zentrum“ oder wahrhafte Zentralit¨at“ 439 . Da bereits o¨ fter ” ” von Zentren“ selbstbez¨uglichen Sichbestimmens gesprochen wurde, gilt es ” 436
Vgl. oben Abschnitt 3.3.1.2. 12,1777−8. So ist die Idee die einfache Wahrheit, die Identit¨at des Begriffes und der Ob” jektivit¨at als Allgemeines, in welchem der Gegensatz und das Bestehen des Besonderen in seine mit sich identische Negativit¨at aufgel¨oßt und als Gleichheit mit sich selbst ist“ [12,1775−8]. 438 13,1012−3. 439 Vgl. Dem Inhalte nach ist diese Objectivit¨ at die Totalit¨at des Begriffes, die aber dessen ” Subjectivit¨at, oder negative Einheit sich gegen¨uberstehen hat, welche die wahrhafte Centralit¨at ausmacht, nemlich seine freye Einheit mit sich selbst. Dieses Subject ist die Idee in der Form der Einzelnheit, als einfache, aber negative Identit¨at mit sich, das lebendige Individuum“ [12,18318−22]. Dagegen ist das Ungl¨uck der Materie dies ewige Streben nach Einheit, die sie ” nicht erreicht. Der Geist in seiner Freiheit hingegen ist es, der sein Zentrum erreicht, in dem das Erreichen zur Existenz gekommen ist“ [V13,24614−17]. 437
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
nun endlich, den begrifflichen Gehalt dieser Metapher einzul¨osen. In der Rede vom Zentrum“ schwingt offenbar ein r¨aumliches Moment mit. Dies ist zwar ” nicht v¨ollig unangemessen, insofern selbst¨andiges (Sich)Bestimmen u¨ ber das Moment objektseitigen Bestimmtseins, das es in eine Einheit beseelten oder vern¨unftigen Lebens einbezieht, in das Objektkontinuum eingebettet ist, welches sich real als Raum auspr¨agt. N¨aher ist mit der Rede vom Zentrum aber selbst nichts R¨aumliches und erst recht kein Raumpunkt angezeigt, sondern die Wurzel selbstbez¨uglichen Sichbestimmens, das sich in solchem, was nicht es selbst ist, auf sich zu beziehen und derart erkennend und handelnd auf es u¨ berzugreifen vermag. Die begriffslogische Unterscheidung von Zentrum und Peripherie ist damit keine metrische, weil sie nicht meint, dass ein solches Zentrum von allen Punkten einer Peripherie gleich weit entfernt w¨are. Als wahr” hafte Zentralit¨at“ meint selbstbez¨ugliches Sichbestimmen n¨amlich kein relatives, sondern ein absolutes Zentrum, dessen Zentralit¨at dadurch bestimmt ist, auf solches, was es außer sich hat, erkennend und handelnd ausgreifen zu k¨onnen, ohne sich dabei zu verlieren, w¨ahrend seine Peripherie das ist, was auf sich eingeschr¨ankt bleibt und es gerade nicht vermag, einbeziehend auf anderes u¨ berzugreifen. In der Idee sind Begriff und Objektivit¨at, Sichbestimmen und selbsttragendes Bestimmtsein als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Einheit gesetzt. In begriffsschriftlicher Notation l¨asst sich dies gem¨aß Formel (1) darstellen, w¨ahrend in (2) die Hauptmomente der Idee voneinander abgehoben sind. Dass die Glieder der Idee gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmung durcheinander modifiziert sind, ist in Formel (3) dargestellt.
(1) Selbstverh¨altnis Subjektivit¨at
Objektivit¨at
(2)
(3) .
3.5.2.3 Die Idee als ontologische Form des beseelten Lebens und des Geistes Mit der Idee gipfelt die Logik in einer Bestimmung der ontologischen Form von Leben und Geist als den Gestalten, in denen selbstbez¨ugliches Sichbestimmen,
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
439
in ein vorausgesetztes Kontinuum objektseitigen Bestimmtseins eingebettet und bestimmend u¨ ber dieses ausgreifend, selbst¨andiges Bestehen hat. Damit ist die Idee laut Hegel ewige Sch¨opfung, ewige Lebendigkeit und ewiger Geist“ 440 . ” Dass diese Behauptung keineswegs schlecht-metaphysisch in ein abstraktes Jenseits hinausweist, ergibt sich aus Hegels Versicherung: Wenn von der Idee ” gesprochen wird, so hat man sich darunter nicht etwas Fernes und Jenseitiges vorzustellen. Die Idee ist vielmehr das durchaus Gegenw¨artige“ 441 . Die logische Form der Idee f¨angt daher apriorisch die Verfassung von solchem ein, was sich raumzeitlich als Welt des Lebens und Geistes auspr¨agt. Als Sch¨opfung“ ist ” die Idee deshalb charakterisierbar, weil in ihr in Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens eine Produktivit¨at am Werk ist, die jede fixierbare Totalit¨at durch Setzen von neuer Bestimmtheit integrierend u¨ berschreitet und sich so als geschichtlich offene Welt des Geistes auspr¨agt442 . Ewig“ ist die Idee dabei, wie ” sp¨ater genauer erl¨autert werden wird, nicht deshalb zu nennen, weil sie schlicht außerhalb gerichteter Zeit angesiedelt w¨are, sondern weil sie nicht in der Zeit als einer unabh¨angig von ihr verfließenden Gr¨oße vorfindlich ist und in einer solchen daher auch keinen Anfang nimmt. Vielmehr markiert sie, indem erst mit ihr gerichtetes Sichbestimmen aus dem an sich richtungslosen Objektkontinuum hervortritt, das, was solcher Richtungslosigkeit gegen¨uber der Quell gerichteten Sich-Forttreibens von Zeit bildet und in dem daher auch allein die Ressourcen f¨ur die bestimmte Negation des Zeitflusses in zeiterf¨ullte Ewigkeit gesucht werden k¨onnen. Die Idee bezeichnet in ihrer realen Auspr¨agung als beseeltes Leben und Geist daher nichts, was bloß in der Zeit hervortritt, sondern bildet den Grund zeitlichen Sich-Forttreibens. Was aber selbst nicht in der Zeit ist, sondern Quellpunkt von Zeit als gerichteter Gr¨oße, kann, in einem zun¨achst abstrakten Sinn, ewig“ genannt werden443 . ” Insofern die Idee die logische Form des Geistes markiert, ergeben sich aus ihrer Betrachtung L¨osungsans¨atze f¨ur eine Reihe von Grundproblemen der Erkenntnistheorie, Handlungstheorie und Philosophie des Geistes wie das Wahrheitsproblem, das K¨orper-Seele-Problem und verschiedene Aporien der Freiheit. Logischen Charakter haben diese Probleme und die Ans¨atze zur ihrer L¨osung, insofern sich zeigen l¨asst, dass sie sich in reinen Begriffen formulieren lassen, die noch keinen ausdr¨ucklichen Bezug auf Raum, Zeit und Materie und erst recht keine Berufung auf empirische Ph¨anomene verlangen, sondern Bestimmungen sind, die sich allein aus der begriffslogischen Entfaltung reinen Sichbestimmens entwickeln lassen. Dass die genannten Probleme eine begriffs440
20,21719−20. TW8,369 Z. 442 Vgl. etwa unten Abschnitt 4.8. 443 Zum konkreten Begriff der Ewigkeit vgl. Abschnitt 3.5.9 zur absoluten Idee und Abschnitt 4.7 zum absoluten Geist. 441
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
logische L¨osung zulassen, ergibt sich also daraus, dass sie in Kategorien des Sichbestimmens formuliert und wenigstens im Ansatz gel¨ost werden k¨onnen. Um diese L¨osungsans¨atze als solche verst¨andlich zu machen, m¨ussen sie jedoch auf g¨angige Problemformulierungen bezogen werden, in denen außerlogische Begriffe auftauchen, ohne dass damit ein Hineintragen realphilosophischer Kategorien und Probleme in die Logik erfolgt. In der Logik sind Leben und Geist u¨ berhaupt noch nicht in ihrer realen, raum-zeitlichen Auspr¨agung thematisch noch werden sie unter Bezugnahme auf empirische Ph¨anomene betrachtet. Vielmehr wird rein apriorisch die onto-logische Formbestimmung des Lebens und Geistes entwickelt, die ihrer raumzeitlichen Auspr¨agung vorgeordnet und zugleich in jeder empirischen Bezugnahme auf Leben und Geist unausdr¨ucklich vorausgesetzt ist. Auf diese Weise l¨asst sich Hegels Aussage verstehen, die Idee oder die Wahrheit sei die innere Natur des Geistes und der ” Welt “ [21,4133 ]. Damit bilden auch solche logischen Bestimmungen wie Leiblichkeit oder Fortpflanzung, die auf empirische Ph¨anomene hinzudeuten scheinen, im Ideeabschnitt keinen Eintrag von Außerlogischem, sondern sind als terminologische Ausdr¨ucke f¨ur apriorische Entfaltungsstufen selbsttragenden Sichbestimmens aufzufassen444 . Ein Vorzug der Begriffslogik liegt somit darin, scheinbar voneinander unabh¨angige Probleme wie das K¨orper-Seele-Problem und das Wahrheitsproblem als besondere Auspr¨agungen einer u¨ bergreifenden logischen Form verstehbar zu machen und anzugehen445 . Diese Grundform betrifft gerade das Verh¨altnis von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Bestimmtsein oder kurz von Denken und Sein. Sofern die Idee diejenige logische Form ist, in Gestalt derer dieses Verh¨altnis angemessen gefasst ist, und sie zugleich eine operationale Form bildet, aus der sich besondere Unterformen entwickeln lassen, garantiert sie nicht nur einen einheitlichen L¨osungsansatz im Hinblick auf besondere Probleme derselben allgemeinen Form, sondern vermeidet zugleich eine abstrakte L¨osung, die sich u¨ berall nur auf ein und dieselbe Struktur beruft, ohne den Eigent¨umlichkeiten des jeweils in Frage stehenden Verh¨altnisses gerecht werden zu k¨onnen. 444
Vgl. oben Abschnitt 3.4.4.2. Dass eine logische Behandlung von Bestimmungen des Erkennens und Handelns nichts ist, was Hegel eigent¨umlich w¨are, zeigt bereits die Existenz intensionaler Sonderlogiken wie epistemischer oder deontischer Logik. Allerdings handelt es sich dabei um den Versuch, Verh¨altnisse zwischen Begriffen der jeweiligen Gebiete zu formalisieren und axiomatisieren. Hegel h¨alt eine solches Verfahren f¨ur ein philosophisches Verst¨andnis solcher Begriffe jedoch nicht f¨ur hinreichend. Der Vorzug ihrer Abhandlung im Rahmen seiner spekulativen Logik besteht darin, sie nicht einfach als gegeben voraussetzen zu m¨ussen, um dann zu versuchen, die Gesamtheit ihrer Beziehungen auf der Basis eines Minimums vorausgesetzter Bez¨uge zu entwickeln. Vielmehr erm¨oglich es der voraussetzungslose Ansatz, solche Bestimmungen u¨ berhaupt erst geordnet herzuleiten. Nur so k¨onnte es auch gelingen, eine zusammenh¨angende logische Behandlung solcher Begriffe zu geben, die in verschiedenen intensionalen Sonderlogiken getrennt und ohne jeden Bezug aufeinander behandelt werden. 445
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
441
Auch wenn die zur Idee geh¨origen logischen Formen beseelten und geistigen Lebens nicht mit Bezug auf unsere empirische Urteilspraxis entwickelt werden, sondern Bestimmungen apriorischer Ontologie sind, als deren einzige Quelle die selbstbez¨ugliche Grundoperation zugelassen ist, l¨asst sich die Apriorizit¨at und Logizit¨at der aus ihr entwickelten Formen beziehungsweise der Begriffe, die ihnen in nat¨urlicher Sprache entsprechen, auch im Hinblick auf ihre Funktion im Rahmen empirischer Urteilspraxis erl¨autern. Die Formen des beseelten Lebens und Geistes markieren n¨amlich nichts, was unmittelbar in der Wahrnehmung ausweisbar w¨are, sondern bilden, in ihrer epistemologischen Funktion – wie alle begriffslogischen Kategorien – Formen der Einheitsstiftung zwischen Wahrnehmungen. Denn weil die Idee Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens markiert, das als solches nirgendwo im Kontinuum objektseitigen Seins vorhanden und damit auch nicht sinnlich erfahrbar ist, obwohl es in dieses leibhaft eingebettet ist, markiert die Idee zwar nichts unmittelbar Wahrnehmbares und in diesem Sinn Feststellbares446 . Weil ihre Innerlichkeit aber ins objektseitige Außereinander hereinreicht und es bestimmt, bezeichnet die Idee in epistemologischer Funktion solches, was der urteilenden Artikulation von Wahrnehmungen erst Sinn und Zusammenhang zu geben vermag. Empirischen Bezug haben die begrifflichen Formen der Idee daher nicht unmittelbar, sondern dadurch, dass sie es erm¨oglichen, begr¨undete Zusammenh¨ange zwischen Wahrnehmungsurteilen herzustellen und dadurch Wahrgenommenes erst begreifbar zu machen und zu einem Erfahrungszusammenhang zu organisieren. So ist etwa das langsame Kreisen und j¨ahe Herabschießen eines Bussards empirisch beobachtbar und konstatierbar, also als bewegtes Objekt in der Wahrnehmung ausweisbar. Dagegen ist die Annahme, es handele sich bei dem bewegten Objekt um ein wahrnehmungsf¨ahiges Lebewesen auf Nahrungssuche, das ein Beutetier entdeckt habe, nichts, was sich selbst wahrnehmen ließe, sondern eine Unterstellung, die es erm¨oglicht, isolierte Wahrnehmungsurteile in einen durch Gr¨unde verkn¨upften Zusammenhang zu organisieren. Derart unter die Form des Lebendigen als eine Form des Begreifens gebracht, ist vom Bussard nicht einfach zu sagen, er kreise erst eine Weile und stoße dann hinab, sondern er kreise zun¨achst, weil er noch kein Beutetier ausgemacht hat, und stoße dann herab, weil er eines wahrgenommen hat. Die der Idee entsprechenden, reinen Begriffe sind in diesem Sinn keine inhaltlichen Bestimmungen, sondern Formen des Begreifens, insofern sie es erlauben, einen begr¨undeten Zusammenhang zwischen wahrnehmungsbezogenen Urteilen herzustellen. Im Unterschied zur Kantischen Auffassung haben Begriffe wie derjenige des beseelten Lebens ihre Bedeutung f¨ur Hegel aber nicht allein als Prinzipien reflektierender Einheitsstiftung zwischen Wahrnehmungen, sondern bilden zugleich konstitutive Bestimmungen einer ohne jeden Anschauungs- und Wahrnehmungsbezug 446
Vgl. Hegels Bemerkung, die Idee sei nichts Handgreifliches“ [21,3420]. ”
442
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
auskommenden apriorischen Ontologie. Daher l¨asst sich mit apriorischer Gewissheit behaupten, dass es eine Mannigfaltigkeit von Zentren beseelten und geistigen Lebens geben muss, selbst wenn angesichts eines wahrgenommenen Einzelnen keine zweifelsfreie Gewissheit dar¨uber m¨oglich sein sollte, ob es sich wirklich um ein Zentrum selbstbez¨uglichen Sichbestimmens handelt oder nicht447 . Gegen eine kantianisierende Lesart, wonach derartige Formen des Denkens bloß regulative Prinzipien der Organisation unserer Wahrnehmungen u¨ ber die abstrakt kausalgesetztliche Erfahrung hinaus seien, l¨asst sich mit Hegel einwenden, die Annahme, die kategorialen Formen beseelten und vern¨unftigen Lebens verm¨ochten einen begr¨undeten Zusammenhang zwischen Wahrnehmungsurteilen stiften, ergebe u¨ berhaupt nur Sinn, wenn zugleich angenommen wird, durch sie sei eine artikulierbare Verfasstheit des Seins selbst getroffen448 . Zugleich werden diese Formen im Rahmen einer kritischen Ontologie entfaltet, die es aufgrund ihrer Voraussetzungslosigkeit von vornherein mit Bestimmungen des Denkens wie des weltseitigen Seins zugleich zu tun hat. Sie markieren daher auch von vornherein ebenso sehr Formen des Begreifens wie des Begreifbaren, von denen wir wissen k¨onnen, dass sie reale Entsprechungen haben. 3.5.2.4 Die Unbedingtheit der Idee und des Geistes Zwar ist die Idee als Form seelischen und geistigen Lebens Resultat des logischen Fortgangs. Da dieser aber keine zeitliche Entwicklung markiert und erst die Idee diejenige Gestalt des Begriffs bildet, in der er nicht mehr einseitig gesetzt und bloß nach Teilaspekten ausdr¨ucklich ist, bezeichnet erst die Idee die logische Vollgestalt des Seins, an der die vorausgehenden logischen Bestim447 Dass sich Fremdseelisches und Geistiges empirisch weder unmittelbar wahrnehmen noch zweifelsfrei ausweisen l¨asst, bedeutet nicht, Geistiges sei nicht als solches erlebbar und werde immer nur seitens eines zun¨achst einsamen Subjekts erschlossen. Wie die Logik des Lebendigen zeigen wird, unterscheidet beseeltes Leben n¨amlich notwendig pr¨apropositional zwischen solchem, was mit seinem eigenleiblichen Sichbestimmen mitgeht und solchem, was ihm widersteht. Sofern von der Logik her daher immerhin die M¨oglichkeit besteht, dass andere Zentren beseelten Lebens mit der eigenleiblichen Selbstbestimmung eines Lebendigen mitgehen, braucht f¨ur lebendige Individuen die Trennlinie zwischen Eigenem und Fremdem zun¨achst nicht zwischen sich als Einzelnen und allem anderen zu verlaufen. Vielmehr lebt ein solches Individuum mit Lebendigem derselben Art ein zun¨achst undifferenziert gemeinsames Leben mit, aus dem sich f¨ur es die Unterscheidung zwischen ihm selbst und allem anderen erst herausbildet. Im Mitleben einer undifferenziert-gemeinsamen Lebensform liegt damit die logische M¨oglichkeit nicht-inferentiellen Wissens um andere Personen und eine Bedingung der M¨oglichkeit nicht-inferentiell erlebter Verst¨andlichkeit und Bedeutung. 448 Daher behauptet Sebastian R¨ odl im Zusammenhang mit Hegels Lebensbegriff zu Unrecht: Es wird oft gesagt, ein Lebewesen erhalte sich selbst. Das ist eine logische Aussa” ge, die allein die Form des Denkens beschreibt, die der reine Begriff des Lebens bezeichnet“ ¨ [R ODL 2007a: 137; Hervorhebung C. M.].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
443
mungen nur unselbst¨andige Aspekte bilden. Daher ist die Idee zwar f¨ur uns ein Resultat, an sich jedoch gerade die Form des irreduzibel Selbst¨andigen. Ihre Irreduzibilit¨at zeigt sich daran, dass sie nicht additiv aus solchem begreifbar ist, was nicht selbst die logische Form der Idee hat449 . Aus der Unbedingtheit der Idee folgt, dass auch ihre realen Auspr¨agungen, beseeltes und geistiges Leben, keine Resultate einer zeitlichen Entwicklung aus oder einer Verursachung durch objektseitiges Sein sein k¨onnen450 . Vielmehr bildet erst ein nomologisch determiniertes Kontinuum objektseitigen Seins, aus dem Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens herausragen, die es in ihren Vollz¨ugen zu einer Welt des Geistes gestalten, den irreduziblen Vollbegriff selbst¨andiger Wirklichkeit. Aus der Irreduzibilit¨at der Idee ergibt sich so ein Argument f¨ur Hegels Ablehnung einer kausal erkl¨arbaren, zeitlichen Evolution beseelten und geistigen Lebens aus selbstlosem Sein, die damit nicht einfach auf zeitgebundenen Vorurteilen Hegels beruht451 . Diese Ablehnung hat vielmehr tiefe logische und n¨aher zeittheoretische Gr¨unde. Denn da sich das Objektkontinuum durch symmetrische nomologische Determination auszeichnet, kann es keine absolut gerichtete Prozessganzheit und Zeit als gerichtete Gr¨oße daher keine Bestimmung objektseitigen Ansichseins sein. Damit kann es aber auch keine Entwicklung objektseitigen Seins geben, die erst auf einen Punkt f¨uhrt, an dem selbsthaftes Leben seinen Anfang nimmt. Vielmehr tritt erst mit Zentren abh¨angig-selbst¨andigen Sichbestimmens, zu denen als solchen Gerichtetheit geh¨ort und die so den Quellpunkt von Zeit als gerichteter Gr¨oße abgeben, u¨ berhaupt die M¨oglichkeit eines Anfangens im Sinne des Hervortretens von Neuem innerhalb einer gerichteten Abfolge ein. Beseeltes Leben und Geist k¨onnen daher selbst keinen objektseitig determinierten Anfang in der Zeit nehmen, weil Zeit als gerichtete Gr¨oße selbst erst mit ihnen anf¨angt. Von einer Evolution beseelten und geistigen Lebens l¨asst sich daher nur im Sinne eines Genitivus subjectivus, nicht jedoch eines Genitivus objectivus sprechen. Entsprechend kann beseeltes und geistiges Leben im Objektkontinuum auch keine hinreichenden Bedingungen seines Auftretens haben. Dass der Spielraum objektseitigen Seins nomologisch geschlossen ist, bedeutet n¨amlich erstens, dass jeder Schnitt“ durch das Kon” 449 Entsprechend f¨ uhrt Hegel aus: Die Idee ist das Resultat dieses Verlaufs, welches je” doch nicht so zu verstehen ist, als ob dieselbe ein nur, d. h. ein durch anderes als sie selbst Vermitteltes w¨are. Vielmehr ist die Idee ihr eigenes Resultat und als solches das ebenso unmittelbare als Vermittelte. Die bisher betrachteten Stufen des Seins und des Wesens und ebenso des Begriffs und der Objektivit¨at sind in diesem ihrem Unterschied nicht ein Festes und auf sich Beruhendes, sondern es haben sich dieselben als dialektisch erwiesen, und ihre Wahrheit ist nur die, Momente der Idee zu sein“ [TW8,370 Z.]. 450 Daher kann Hegel sagen: Der an und f¨ ur sich seiende Geist ist nicht das bloße Resultat ” der Natur, sondern in Wahrheit sein eigenes Resultat; er bringt sich selber aus seinen Voraussetzungen, die er sich macht, aus der logischen Idee und der a¨ ußeren Natur hervor“ [TW10,24 Z.], vgl. 25/1,1420−29. 451 Diesen Vorwurf erhebt etwa WANDSCHNEIDER 2000.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
tinuum quer zur Determinationsachse mit jedem anderen derart gesetzm¨aßig verkn¨upft ist, dass sich aus ihm nach Gesetzen gerade die Bestimmtheit dieses anderen Schnitts und nichts dar¨uber hinaus ergibt452 . Da aber zur Idee das unbestimmte Moment selbstbez¨uglichen Sichbestimmens geh¨ort, objektseitig Bestimmtes aber nur mit objektseitig Bestimmtem in determiniertem Zusammenhang stehen kann, kann dieses auch nicht Ursache von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen sein. Zugleich l¨asst sich gem¨aß der ontologischen Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens nicht sinnvoll annehmen, dieses k¨onne von objektseitigem Sein verursacht werden. Denn da der Begriff keine a¨ ußere Beziehung desselben, sondern strikte Selbstbeziehung markiert, lassen sich keine von ihm unterschiedenen Bestandteile denken, deren Zusammentritt solchen Selbstbezug gesetzm¨aßig zustande bringen k¨onnte. Schließlich markiert die Idee als interne Einheit von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein solches, was nicht aus zun¨achst getrennten Bestandteilen bloß a¨ ußerlich zusammengesetzt ist und sich aus solchen daher auch nicht kausal ergeben kann. Aufgrund dessen kann Hegel zu Recht behaupten, beseeltes Leben und Geist seien unbedingt und allein ihr eigener Anfang. Denn es lassen sich keine objektseitigen Bedingungen angeben und beibringen, die zusammen f¨ur ihr Auftreten hinreichend sind. Aus der Logik ergibt sich daher, dass das selbsttragende Ganze objektseitigen Seins ein (auf der jeweiligen Betrachtungsebene) nomologisch geschlossenes Blockuniversum sein muss, in und aus dem notwendig nomologisch irreduzible Zentren beseelten und vern¨unftigen Lebens hervortreten, die nichts sind, was in einem zun¨achst selbstlosen Universum erst irgendwann kausal hervorgebracht w¨urde453 . Haben beseeltes und geistiges Leben zwar keine hinreichenden Bedingungen in objektseitigem Sein, liegt in der logischen Form der Idee als konkretem Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein andererseits, dass sich beseeltes Leben und Geist nicht unabh¨angig von ihrer Einbettung in ein Kontinuum objektseitigen Seins verstehen lassen. Obwohl Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens daher nicht kausaldeterminiert in und aus der Sph¨are objektseitigen Seins hervortreten, haben sie in ihr doch notwendige Bedingungen ihres Auftretens. Der logische Durchgang durch die besonderen Formen der Objektivit¨at hat n¨amlich gezeigt, dass es zur Sph¨are der zeitlosen Selbstauslegung unfundierten Sichbestimmens zu 452 Dass sich die nomologische Geschlossenheit des Objektkontinuums real in statistischen Gesetzen auspr¨agt, ist f¨ur die logische Begr¨undung der Irreduzibilit¨at des Geistes gleichg¨ultig. 453 Damit ist ein Aspekt von Hegels Behauptung argumentativ eingeholt, die Idee sei nichts zeitlich Entstandenes, sondern ewige Sch¨opfung, ewige Lebendigkeit und ewiger Geist“ ” ¨ [20,21719−20]. Realphilosophisch gilt entsprechend, dass der Ubergang von der Natur“ zum ” Geist den Sinn hat, daß die Natur dies ist, sich ewig zu idealisieren, ewig nur der Hervorgang ” des Geistes zu sein“ [V13,16411−15; Hervorhebung C. M.].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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durchg¨angiger Bestimmtheit geh¨ort, durch Stufen mechanischer, chemischer und teleologischer Organisationsbildung ausgezeichnet zu sein. Solche Formen objektseitigen Seins sind daher, in die Idee aspekthaft eingehend, notwendige Bedingungen des realen Hervortritts beseelten und vern¨unftigen Lebens. Dessen Verortung im Objektkontinuum l¨asst sich graphisch folgendermaßen veranschaulichen: Da das Objektkontinuum einen nomologisch geschlossenen Zusammenhang markiert, der lokal durch einander voraussetzende Stufen von Organisiertheit gepr¨agt ist, wird die nomologisch determinierte Verfassung des Kontinuums durch eine Achse bezeichnet, die gem¨aß der Symmetrie nomologischer Determination keine ausgezeichnete Richtung aufweist. Diese Determinationsachse ist daher keine Zeitachse im u¨ blichen Verst¨andnis, weil sie nicht f¨ur eine gerichtete A- oder B-Reihe im McTaggartschen Sinn steht, sondern f¨ur eine ungerichtete C-Reihe454 . Ihre Achsenpunkte bezeichnen dabei Querschnitte durch das Kontinuum, die mit anderen Querschnitten nomologisch verkn¨upft sind. Dass das Kontinuum entlang seiner ungerichteten Determinationsachse lokal durch logisch unterscheidbare Formen der Ordnungsbildung gepr¨agt ist, l¨asst sich durch sich einander ann¨ahernde Linien anzeigen. Dass diese aufeinander zulaufen, zeigt eine lokale Ordnungszunahme an, der global eine Nichtzunahme von Ordnung entgegensteht. Dabei markieren jeweils zwei aufeinander zulaufende Linien die mechanische (m), chemische (c) und teleologische (t) Organisation des Objektkontinuums entlang seiner ungerichteten Determinationsachse. Wichtig ist, dass sich aufgrund der Ungerichtetheit des Kontinuums objektivierend nicht von einer lokalen Zunahme von Ordnung sprechen l¨asst, weil dies schon eine Gerichtetheit der Determinationsachse voraussetzte. Objektivierend betrachtet zeichnet sich das Kontinuum daher lediglich entlang seiner ungerichteten Determinationsachse durch eine lokale Asymmetrie im Hinblick auf das Vorliegen logisch unterscheidbarer Typen von Organisiertheit aus, ohne dass dieser Assymetrie eine eindeutige Richtung zugeordnet und sie entsprechend als Zu- oder Abnahme von Ordnung zu fassen w¨are. Vielmehr ist richtungsneutral von einer lokalen Ordnungsvarianz entlang der Determinationsachse zu sprechen: m c c
t t
Ordnungskanal
m Determinationsachse
454
Vgl. M C TAGGART 1908: 462.
446
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Erst mit dem zeitlosen Auftreten leibhaftigen (Sich)Bestimmens, das als solches gerichtet ist, l¨asst sich dessen absolute Gerichtetheit auch auf die Determinationsachse im Ganzen projizieren. Da aber der Auftritt leibhaftigen (Sich)Bestimmens notwendige Voraussetzungen in der lokalen Organisation des Kontinuums hat, n¨amlich mechanische, chemische und teleologische Bedingungen, kann es nicht an beliebiger Stelle im Kontinuum auftreten, sondern nur in einer begrenzten Region n¨otiger Organisiertheit innerhalb des Ordnungskanals. Weil solche Organisiertheit f¨ur ihr Bestehen notwendig ist, kann die reale, zeitliche Entwicklung von Selbstbestimmungszentren nur mit der Verengung des Ordnungskanals mit- und ihr nicht etwa entgegenlaufen. Erst durch die absolute Gerichtetheit von Zentren selbsthaften Lebens gewinnt die ungerichtete C-Zeit des Objektkontinuums damit u¨ berhaupt eine Richtung. Die Gerichtetheit der u¨ ber den Spielraum selbsthaften Lebens hinausreichenden B-Zeit l¨asst sich daher nur als (mathematische) Projektion der an selbstbestimmte Vollz¨uge gekn¨upften Gerichtetheit auf die Determinationsachse im Ganzen verstehen. Entsprechend ist im folgenden Diagramm mit g die Generationsfolge von Zentren selbsthaften Sichbestimmens markiert, durch die erst absolute Gerichtetheit ins Kontinuum kommt455 : m c c m
t g t
Ordnungskanal Richtungsprojektion Determinationsachse
Den leibhaftigen Hervortritt selbstbez¨uglichen Sichbestimmens in und aus der Sph¨are objektseitigen Seins fasst Hegel gelegentlich in Ankn¨upfung an ein Bild Schellings als Blitz“ des Lebendigen, der in die Natur einschl¨agt“ 456 . Unserer ” ” 455 Da leibhaftiges (Sich)Bestimmen als Mannigfaltigkeit von Zentren beseelten und geistigen Lebens auftreten muss, die eine Generationsfolge bilden [vgl. unten Abschnitt 3.5.4.5], ist gerichtete Zeit kein Medium, das einem vermeintlich u¨ berindividuellen (Sich)Bestimmen entspringt, und in das einzelne Lebens- und Geistzentren bloß hineingestellt sind. Vielmehr kann sich eine u¨ bergreifende Lebens- und Geschichtszeit erst durch die Verwobenheit individueller Eigenzeiten konstituieren. Dabei werden Zentren bloß beseelten Lebens auf ihre Eigenzeit beschr¨ankt bleiben, w¨ahrend Zentren geistigen Lebens u¨ ber sie ausgreifen und so geschichtliche Zeit konstituieren. – Da es uns aber nur um die logischen Wurzeln gerichteter Zeit im leibhaftigen (Sich)Bestimmen, nicht aber um die reale Gestalt der Zeit geht, k¨onnen die hiermit verbundenen Fragen an dieser Stelle außer Betracht bleiben. 456 ¨ So schreibt Hegel bereits in der Differenzschrift: Der Punkt des Ubergangs von der sich ” als Natur konstruierenden Identit¨at zu ihrer Konstruktion als Intelligenz, ist das Innerlichwerden
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
447
Rekonstruktion gem¨aß kann dieses Bild kein Eingreifen einer jenseitigen Macht in ein nat¨urliches Geschehen bezeichnen, weil es an sich weder ein nat¨urliches Geschehen noch eine jenseitige Macht geben kann. Vielmehr geht es um den zeitlos-zeitkonstituierenden Hervortritt von Zentren beseelten und geistigen Lebens aus dem Objektkontinuum, der aus dessen Verfasstheit selbst nicht erkl¨art werden kann. ¨ Dass der logische Ubergang von der Objektivit¨at zur Idee notwendig ist, bedeutet jedoch, dass das selbsttragende Kontinuum objektseitiegen Seins, das sich real als unbeseelte Natur auspr¨agt, seinen Selbststand nur haben kann, insofern in und aus ihm zeitlos leibhaftige Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten. Realphilosophisch hat dies zur Folge, dass das nomologisch geschlossene Kontinuum unbeseelter Natur grunds¨atzlich nicht das Seiende im Vollsinn ausmachen kann, von dem Seelisch-Geistiges in irgendeinem Sinn abk¨unftig ist457 . Von der Warte der Logik ist allein die Idee, die sich real als beseeltes Leben und Geist auspr¨agt, als irreduzible Vollgestalt des Seins das schlechthin Wirkliche. Angesichts dieser Behauptung ist jedoch zu beachten, dass logisch nicht alles, was es gibt, schon als wirklich gelten kann, sondern nur das, was ein Selbstverh¨altnis von Innen und Außen markiert458 . Zugleich bildet die Idee nichts, was unabh¨angig von objektseitigem Sein zu begreifen w¨are. Die Behauptung, die Idee oder beseeltes Leben und Geist seien das einzig Wirkliche, ist daher nicht Ausdruck eines versponnenen subjektiven Idealismus oder Panpsychismus459. Der logische Fortgang hat jedoch ergeben, dass das Obdes Lichts der Natur, – der, wie Schelling sagt, einschlagende Blitz des Ideellen in das Reelle, und sein Sich-selbst-Konstituieren als Punkt“ [TW2,111]. In einem Zusatz zur Naturphilosophie wird dieses Bild wieder aufgegriffen: Wenn also auch die Erde in einem Zustand war, wo ” sie kein Lebendiges hatte, nur den chemischen Prozeß usw., so ist doch, sobald der Blitz des Lebendigen in die Materie einschl¨agt, sogleich ein bestimmtes, vollst¨andiges Gebilde da, wie Minerva aus Jupiters Haupte bewaffnet springt. Die Mosaische Sch¨opfungsgeschichte macht es insofern noch am besten, als sie ganz naiv sagt: Heute entstanden die Pflanzen, heute die Tiere und heute der Mensch. Der Mensch hat sich nicht aus dem Tiere herausgebildet, noch das Tier aus der Pflanze; jedes ist auf einmal ganz, was es ist. An solchem Individuum sind auch Evolutionen“ [TW9,348 Z.]. Allein an“ Individuen sind Evolutionen, und zwar nicht deshalb, weil ” Hegel einem durch die Evolutionstheorie u¨ berholten Entwicklungsparadigma anhinge, sondern deshalb, weil allein in leibhaftigen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens gerichtete Zeit entspringt und nirgendwo sonst. 457 Daher kann Hegel behaupten, daß alles, was Materie heißt, sosehr es der Vorstellung ” Selbst¨andigkeit vorspiegelt, als ein gegen den Geist Unselbst¨andiges erkannt wird“ [TW10,47]. Entsprechend ist es laut Hegel unwahr, daß die Natur selbst¨andig ist gegen den Geist“ ” [25/1,17911−12]. Vielmehr gelte: Der Geist ist h¨oher zu achten als die Natur; dieser Stand” punkt erfordert aber, die Idealit¨at als die Wahrheit der Natur selbst zu betrachten, diese Freiheit des Geistes als das Eine und Einzige zu nehmen, was wahrhaft wirklich ist, nicht bloß als das H¨ohere“ [V13,15404−8]. 458 Vgl. oben Abschnitt 2.2.3. 459 Vielmehr gilt laut Hegel: Der Geist ist zugleich Setzen der Natur und zugleich Negati”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
jektkontinuum nicht insofern unselbst¨andig sein kann, als es bloß Moment subjektseitigen Sichbestimmens oder Vorstellens ist, sondern nur insofern, als es nicht bestehen kann, ohne dass in und aus ihm leibhaftige Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten. Da im Spielraum der Objektivit¨at als inhomogenem Kontinuum diskrete Einzelne aber nicht einfach vorhanden sind, sondern das Kontinuum bloß derart bestimmt ist, dass organisierte Einheiten erkennend aus ihm abgehoben und als Gegenst¨ande angesetzt werden k¨onnen, von sich her selbst¨andiges Einzelnes daher erst in Gestalt von leibhaftigen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in und aus dem Kontinuum hervortritt und dieses so nichts markiert, was wenigstens als Ganzes unabh¨angig von solchem Hervortreten bestehen k¨onnte, hat Hegels Behauptung, die Natur oder das Materielle seien als solche unwirklich und unselbst¨andig einen n¨uchternen Sinn. Denn offenbar kann dann weder ein materielles Ganzes noch ein Ensemble materieller Einzeldinge selbst¨andiges Bestehen unabh¨angig von beseeltem Leben und Geist beanspruchen. Damit ist nicht gemeint, es gebe nur Geistiges oder Immaterielles, sondern nur, dass Materialit¨at nichts bezeichnet, was unabh¨angig davon Bestand haben k¨onnte, dass es Zentren seelischen und geistigen Lebens gibt. Umgekehrt bezeichnet aber auch selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen nichts, was f¨ur sich wirklich sein k¨onnte, sondern dies, wie ¨ der Ubergang zur Idee zeigt, nur ist, insofern es leibhaft im Kontinuum objektseitigen Bestimmtseins verankert ist, das es durch seine begrifflichen Vollz¨uge zu einer Welt diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen artikuliert. Dass nur die Idee und nicht der Begriff oder die Objektivit¨at Selbstand beanspruchen kann, l¨asst sich auch so ausdr¨ucken, weder Prinzip (Sichbestimmen) noch Prinzipiat (Durch-sich-Bestimmtes) k¨onnten selbst¨andig bestehen, sondern nur die konkrete Einheit beider, in welcher das Prinzip selbst zu einem Moment des Ganzen herabgesetzt ist. Damit unterscheidet sich Hegels ontologische Bestimmung des Unbedingten sowohl von Positionen, welche ihrem Prinzip eigenen Selbstand gegen¨uber dem Prinzipiierten einr¨aumen, wie von einem – sei es parmenideischen oder bradleyschen – Monismus, der das Wirkliche als eminente Einheit fasst und allein dieser Realit¨at zuspricht. Denn dass allein die Einheit von Prinzip und Prinzipiat letzten Selbststand hat, bedeuon dieses Andersseins und damit Setzen der Natur als seiner Welt, dieß Setzen ist zugleich eine Voraussetzung als selbst¨andige Natur. Aber zugleich hat die Natur Realit¨at im gew¨ohnlichen Sinne [...] sie ist Realit¨at und Idealit¨at, die a¨ usseren Gegenst¨ande sind und sind zugleich f¨ur die Vorstellung, dies ist ihre Idealit¨at“ [25/1,2011−6; Hervorhebung C. M.]. Dabei meint das erstgenannte Setzen die zeitlose Ent¨außerung der Idee zur Natur [vgl. unten Abschnitt 3.5.11], die Negation dieses Andersseins dagegen den zeitlosen Hervortritt beseelten und geistigen Lebens in und aus dieser. Nur aufgrund der Zeitlosigkeit dieses Geschehens“ kann Hegel von einem ” Zugleich“ sprechen. Dass es sich beim zeitlosen Hervortritt von Zentren beseelten und geisti” gen Lebens aber um einen Hervortritt aus einem Naturkontinuum handeln soll, das nicht bloß vorgestellt, sondern real ist, wird im zweiten Teil des Zitats unabweisbar deutlich.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
449
tet nicht, es bestehe schlicht alles in solcher Einheit, sondern nur, dass alles, was nicht in ihr besteht, insofern unselbst¨andig ist, als es ohne Bezug auf solches, was in dieser Einheit besteht, nicht bestehen k¨onnte. Entsprechend gibt es objektseitig sehr wohl Ausschnitte des Objektkontinuums, die weder wahrnehmend in die leibseelische Einheit eines lebendigen Individuums einbezogen noch urteilend erkannt oder handelnd bestimmt werden – etwa Galaxien, von denen niemand weiß. Ebenso gibt es subjektseitig sehr wohl falsche Urteile, die objektseitiges Sein als solches gerade verfehlen und insofern keine Formen konkreter Subjekt-Objekt-Einheit, sondern bloß subjektiv sind. Aus der Absolutheit der Idee folgt nicht, dass es solches nicht gibt, sondern nur, dass damit in beiden F¨allen nichts bezeichnet ist, was unabh¨angig von der Realit¨at der Idee Bestand haben k¨onnte. Es ist daher ebenso ausgeschlossen, dass es ein nomologisch determiniertes Kontinuum geben k¨onnte, in und aus dem nicht irgendwo erkennende Subjekte hervortreten, wie es unm¨oglich ist, dass solche Subjekte falsch urteilen, ohne dass diese falschen Urteile im Zusammenhang mit anderen Urteilen st¨anden, in denen sie sich angemessen auf objektseitige Realit¨at beziehen460 . Wie schon angedeutet bildet erst die Idee die angemessene Bestimmung des wahrhaft Unendlichen, weil erst mit ihr eine logisch stabile Bestimmung des Unendlichen m¨oglich ist, wonach dieses dem Endlichen nicht entgegengesetzt ist, sondern es einzubeziehen vermag. Denn als u¨ bergreifendes Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen (das als solches das Andere-seinerselbst ist, sich daher in jeder Bestimmtheit auf sich beziehen kann und an dieser damit keine un¨uberwindliche Beschr¨ankung hat) und objektseitigem Sein (das insofern begrenzt ist, weil es sich nicht selbst in anderem auf sich bezieht, sondern nur als endliches Moment in das Andere-seiner-selbst einbezogen werden kann) markiert die Idee die sich entwickelnde Form selbstbestimmten Bei-sichSeins-im-Anderen. Umgekehrt ist ein angemessenes Verst¨andnis des Endlichen seinerseits erst von der Idee her m¨oglich. Denn Endlichkeit kann nicht seinslogisch als bloßes Vorhandensein von Grenzen zwischen etwas und anderem gefasst werden461 . Vielmehr hat sich in der Begriffslogik ergeben, dass etwas nur bestimmte Grenzen haben kann, insofern selbst¨andiges (Sich)Bestimmen es aus dem Kontinuum abhebt. Endlichkeit wird als fixe Begrenztheit daher notwendig von selbst¨andigem (Sich)Bestimmen mitkonstituiert. Erst von der Idee her wird zugleich deutlich, inwiefern nicht alles Endliche bereits unmittelbar ins wahrhaft Unendliche einbezogen ist, sondern durchaus außer diesem und 460
Zur n¨aheren Begr¨undung vgl. unten S. 536. So ist aus einer Vorlesung Hegels die Bemerkung u¨ berliefert: Endlichkeit ist u¨ berhaupt ” das was ein Ende hat, eine Schranke. Dieß ist aber erst eine oberfl¨achliche Bestimmung“ 33−34 [25/1,19 ]. Gerade diese oberfl¨achliche Bestimmung“ wird aber gew¨ohnlich als Hegels ” Begriff der Endlichkeit ausgegeben. 461
450
3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
insofern wahrhaft endlich sein kann, ohne dass das wahrhaft Unendliche durch das wahrhaft Endliche darum selbst beschr¨ankt und verendlicht w¨urde. Wenn die Idee n¨amlich die logische Form eines selbsttragenden Ganzen markiert, zum dem ein Prozess der Herausbildung vermittelter Selbstverh¨altnisse von leibhaftigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein geh¨ort, kann nicht alles schon umstandslos in ein solches Selbstverh¨altnis einbezogen sein, das somit prozesslos w¨are. Darum liegt in der logischen Form der Idee, dass es solches geben muss, was nicht Glied eines u¨ bergreifenden Selbstverh¨altnisses von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein ist und damit außer das Unendliche f¨allt. Die Idee ist damit insofern prozesshaft, als sie nicht einfach die Fortsetzung von Vollz¨ugen meint, die ihr Gelingen in sich finden, sondern wesentlich die Etablierung neuartiger intern-teleologischer Vollz¨uge, die sich real aus Zusammenh¨angen heraus ereignet, in denen Gelingen und Fehlschlag miteinander verschr¨ankt sind. Da aber erst die Idee die Vollgestalt eines selbsttragenden Ganzen markiert, muss das, was außer sie f¨allt, zwar nicht nichts, notwendig aber von der Idee abh¨angig und insofern unselbst¨andig sein. Das wahrhaft Endliche ist daher solches, ohne das zwar das Unendliche weiter bestehen k¨onnte, das jedoch selbst, obwohl es kein Moment des wahrhaft Unendlichen ist, keinen Selbstand unabh¨angig von diesem beanspruchen kann462 . In diesem Sinn ist Hegels Behauptung zu verstehen, das wahrhaft Endliche sei eine Realit¨at, die ihrem Begriff nicht entspricht463 . Denn darin liegt, dass es weder in solchem besteht, zu dem es keinen Begriff (keine allgemeine Natur) gibt, noch in einem Begriff ohne Realit¨at, sondern an die Entsprechung von Begriff und Realit¨at gekoppelt und damit an wahrhafte Unendlichkeit gebunden ist, dabei jedoch gerade dasjenige an diesem Entsprechungsverh¨altnis ist, worin Begriff und Realit¨at einander unangemessen sind. Insofern ist alles Schlechte und Unwahre wahrhaft endlich. Da die Idee aber gerade ein Prozess des Einbeziehens dessen ist, was außer sie f¨allt, ohne sich außer ihr halten zu k¨onnen – ein Prozess, den wir real nur unvollst¨andig u¨ berblicken – ist das Endliche das, was als solches ein Ende nehmen muss, ohne dass es um es schade w¨are, n¨amlich eben das Unwahre und Schlechte als solches. Zwar beinhaltet die Idee unmittelbar – als Idee des Lebens – nur ein unmittelbares Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein in Gestalt der leiblichen Selbstbeziehung und Selbstbewegung lebendiger Indivi462 Hegel f¨uhrt aus: Die endlichen Dinge sind darum endlich, insofern sie die Realit¨at ihres ” Begriffs nicht vollst¨andig an ihnen selbst haben, sondern dazu anderer bed¨urfen“ [12,17515−17]. Daß die Idee ihre Realit¨at nicht vollkommen durchgearbeitet, sie unvollst¨andig dem Begriffe ” unterworfen hat, davon beruht die M¨oglichkeit darauf, daß sie selbst einen beschr¨ankten Inhalt hat, daß sie, so wesentlich sie Einheit des Begriffs und der Realit¨at, eben so wesentlich auch deren Unterschied ist“ [12,17524−28]. 463 Vgl. Die wahre Endlichkeit ist eine Realit¨at, die ihrem Begriff nicht angemessen ist“ ” [25/1,1934–201 ].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
451
duen. Das bedeutet aber nicht, es k¨onne logisch bei Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens als verstreuten Inseln der Selbstbestimmung in einem unartikulierten Kontinuum objektseitigen Bestimmtseins bleiben. Dass die Idee wesentlich Prozess ist, bedeutet logisch vielmehr, dass sich aus ihrem Begriff Formen der Transformation des unreflektierten, lokalen Selbstverh¨altnisses von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein, das lebendige Individuen charakterisiert, zu vermittelten Formen des Ausgriffs auf das Objektkontinuum im Ganzen ergeben. Entsprechend wird die Logik der Idee darauf f¨uhren, dass es notwendig Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens gibt, die u¨ ber ihr unmittelbares, leibliches Dasein hinaus bestimmend auf das unartikulierte Kontinuum objektseitigen Seins u¨ bergreifen und es dabei erkennend, handelnd und verstehend in eine gemeinsame Welt des Geistes verwandeln464 . So spielt sich vern¨unftiges Leben real auch nicht in der Natur, sondern in einer Welt ab, insofern sich die Prozesshaftigkeit der Idee gerade als Transformation von Natur in Welt auspr¨agt. W¨ahrend das Objektkontinuum nur durch unselbst¨andige Formen von Organisiertheit gepr¨agt ist, denen gem¨aß Einzelne erkennend aus ihm abgehoben und als selbst¨andige Gegenst¨ande angesetzt werden k¨onnen, die als solche aber nicht schon an sich in ihm vorhanden sind, markiert die unmittelbare Idee die logische Form abh¨angig-selbst¨andiger Einzelheit in einer (Um)Welt. Denn erst indem selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich in einem organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht, sondert sich aus diesem solches aus, was seinen Selbstand von sich her hat, weil in ihm besondere Bestimmtheit dadurch zusammengehalten ist, dass sich ein Selbst in dieser bestimmend auf sich bezieht. An unreflektierten Einheiten von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein – lebendigen Individuen – nennt Hegel das Moment generisch bestimmten (Sich)Bestimmens – und gelegentlich auch die konkrete Einheit des Individuums – Seele“, das Moment integrierten, ” objektseitigen Seins Leib“ 465 . Solche lebendigen Einzelnen von der Form der ” Idee sind negative Einheiten“, insofern sich selbstbez¨ugliches Sichbestimmen ” oder kurz: ein Selbst in solchem, was selbst kein Selbst ist, einbeziehend auf sich bezieht. Erst derartige Einheiten markieren die Form des wesentlich, weil an sich Selbst¨andigen: Das Leben ist nur als diese negative Einheit seiner Objectivit¨at und Besonderung sich auf sich ” beziehendes, f¨ur sich seyendes Leben, eine Seele. Es ist damit wesentlich Einzelnes, welches auf die Objectivit¨at sich als auf ein Anderes, eine unbelebte Natur bezieht“ 466.
464 Daher gilt realphilosophisch, daß der Geist nicht sein kann ohne die Natur; der Geist ” ist an die Natur gebunden, wenn es auch nur w¨are um anzufangen“ [25/1,16613−14]. 465 Vgl. dazu unten Abschnitt 3.5.4.1. 466 12,18133−36.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Diese Einsicht in die ontologische Form selbst¨andiger Einzelheit erkl¨art, weshalb f¨ur Hegel allein die Seele – das sich in mannigfacher, besonderer Bestimmtheit pr¨areflexiv auf sich beziehende Selbst – Substanz zu heißen verdient und dabei objektseitiges Sein in Gestalt eines Leibes als ver¨anderliches und insofern akzidentelles Moment einbezieht und bestimmt467. 3.5.2.5 Die Idee – jenseits von Pluralismus und Monismus Von Hegels abschließender Bestimmung des Seins als Idee her l¨asst sich ein kritischer Blick auf die gel¨aufige Kennzeichnung seines Denkens als ontologischer Monismus werfen. Ein solcher l¨asst sich durch die Annahme kennzeichnen, im Grunde“ gebe es nur eine einzige Entit¨at oder einen einzigen Typ von ” Entit¨aten468 . Die in der Logik der Idee gipfelnde kritische Ontologie kann aber deshalb nicht angemessen als monistisch oder pluralistisch gekennzeichnet werden, weil Eines und Vieles logische Formen sind, die sich im logischen Fortgang schon fr¨uh als ungeeignet zur globalen Bestimmung des logischen Raumes erwiesen haben469 . Die von der Idee markierte ontologische Form des Ganzen als selbsttragendem Kontinuum, in und aus dem notwendig eine Mannigfaltigkeit abh¨angig-selbst¨andiger Zentren beseelten und vern¨unftigen Lebens hervortritt, 467
Insofern die Seele als u¨ bergreifendes Konkretum von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein zu fassen ist, kann sie real weder als materiell noch als abstrakt immateriell gelten, sondern ist, selbst immateriell, das, was Materielles in die konkrete Einheit selbsthaften Lebens einbezieht. Entsprechend gilt, daß die Seele nicht ein materielles ” Außereinander ist, nicht nur ein Immaterielles dem Materiellen gegen¨uber [...] Es wird hier also nicht die Immaterialit¨at der Seele behauptet der Materie gegen¨uber, sondern daß jene allein das wahrhaft Reale und Selbst¨andige ist“ [V13,27684−89]. 468 Ein ontologischer Monismus der ersten Art wurde insbesondere im angloamerikanischen Hegelianismus vertreten und hat nicht nur ber¨uhmte Gegner wie William James auf den Plan gerufen, sondern zugleich in der Formierungsphase der analytischen Philosophie eine Negativfolie abgegeben, vor der Moore und Russell ihr philosophisches Unternehmen zu profilieren suchten. Der von ihnen bek¨ampfte monistische Grundgedanke von Denkern wie Bradley war dabei, das Viele k¨onne nur insofern Vieles sein, wenn die Vielen untereinander verbunden sind. Was aber von sich her verbunden sei, sei eines. Also gebe es letztlich nur Eines. Eine derartige Position scheint Hegel selbst nicht einmal in der Frankfurter Fr¨uhzeit seines Denkens vertreten zu haben. Denn schon in dieser versucht er, den mit H¨olderlin und Schelling geteilten monistischen Grundgedanken mit der Erfahrung wirklicher Zerrissenheit und realer Trennungen zusammen zu denken. Dennoch wurde und wird Hegel im Gefolge der Debatten um den Britischen Hegelianismus h¨aufig selbst ein solcher ontologischer Monismus zugeschrieben. Den locus classicus hierf¨ur bildet William James’ Charakteristik Hegels als eines monistischen Denkers des Absoluten in A pluralistic universe [vgl. JAMES 1909]. Noch in j¨ungster Zeit hat etwa Rolf-Peter Horstmann Hegel einen ontologischen Monismus der Vernunft unterstellt: Da ” eine monistische Position eine solche ist, in der eine einzige Entit¨at als letztlich und allein wirklich behauptet wird, hat man Hegels Konzeption zu Recht einen Monismus der Vernunft‘ ’ genannt“ [H ORSTMANN /E MUNDTS 2002: 34]. 469 Vgl. oben Abschnitt 2.1.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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die es bestimmend zu einer gemeinsamen Welt des Geistes artikulieren und gestalten, l¨asst sich daher gar nicht abstrakt in Kategorien der Einheit oder Vielheit charakterisieren, weil in ihr Einheit und Vielheit auf verschiedenen Ebenen verschr¨ankt sind. Folgt aus der Idee etwa deshalb ein Monismus, weil ihr gem¨aß selbst¨andige Einzelne, die notwendig in der Mehrzahl auftreten, nie zusammenhangslos bestehen k¨onnen, sondern nur leibhaft verankert in einem Kontinuum, das sie zu einer gemeinsamen Welt gestalten? Oder ergibt sich aus der Idee darum ein Pluralismus, weil sie ausschließt, das Kontinuum objektseitigen Seins k¨onne unabh¨angig davon Selbststand haben, dass in ihm eine Mannigfaltigkeit sich auf sich beziehender und insofern abh¨angig-selbst¨andiger Selbstbestimmungszentren hervortritt? Hegels ontologische Grundposition l¨asst sich offenbar weder einseitig als monistisch noch als pluralistisch begreifen, weil solche Kategorien die Komplexit¨at dieser Position grunds¨atzlich unterlaufen. Eine Lektion der Logik ist vielmehr, dass es letztlich weder nur Eines noch bloß Vieles gibt und Einzelheit sich u¨ berhaupt nicht als isolierte Vorhandenheit von Einem, sondern nur von einem verk¨orperten Selbst her verstehen l¨asst, das sich in einem Ausschnitt eines inhomogen organisierten Kontinuums auf sich bezieht. Dass selbst¨andige Einzelne ihren abh¨angigen Selbstand nur vor dem Hintergrund eines solchen Kontinuums und innerhalb einer gemeinsamen Welt des Geistes haben, zu dem sie dieses gestalten, bedeutet daher nicht, alles sei in Wahrheit eins. Ebenso wenig ergibt sich aus der logischen Bestimmung des Seins als Idee ein typologischer Monismus, demzufolge es nur einen Typ selbst¨andiger Entit¨aten“ gibt, n¨amlich ” eine Mannigfaltigkeit von Zentren selbsthaften Lebens. Damit w¨urde bloß bei der unmittelbaren Gestalt der Idee als beseeltem Leben stehen geblieben, ohne zu ber¨ucksichtigen, dass die Idee zugleich den Prozess selbstbestimmten Ausgreifens lebendiger Individuen auf das Objektkontinuum markiert, im Zuge dessen dieses zu einer gegliederten Welt des Geistes gestaltet wird, die nicht bloß durch isolierte Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, sondern durch eine gemeinsame, sich an allgemeinen Normen orientierende Praxis des Erkennens und Handelns gepr¨agt ist, die sich in Urteilen, Schl¨ussen, Handlungen, Artefakten und Institutionen realisiert. Die Frage, ob dies Entit¨aten“ eines ein” zigen Typs sind oder nicht, ist weder aufschlussreich noch u¨ berhaupt sinnvoll. ¨ 3.5.2.6 Die Idee als Innerlich-Außerliches Hegel bestimmt die Idee auch als das Wirkliche im Sinne u¨ bergreifender Einheit eines Innen und eines Außen470 . Um diese Bestimmung zu verstehen, gilt es zun¨achst den begrifflichen Gehalt der Metapher von Innen und Außen her470 Vgl. Die Idee ist das Wahre und auch das allein Wirkliche; das Wirkliche ist Einheit ” ¨ ¨ des Inneren und Außeren; hier ist das Außerliche als Totalit¨at des Objektiven, das Subjektive hat darin seinen Gehalt, das ist die Wirklichkeit“ [V10,20958−62]; vgl. auch V11,17733−34.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
auszuheben und zu zeigen, inwiefern die Idee eine Einheit von Innerem und ¨ Außerem bezeichnet, die sich aus beidem nicht bloß a¨ ußerlich zusammensetzt. Innen und Außen sind im logischen Kontext nicht r¨aumlich zu verstehen und daher treffender als Ineinander und Außereinander zu fassen. Der subjektive Begriff oder das bloß formelle Sichbestimmen markiert n¨amlich insofern ein Ineinander, als zu begrifflichem Sichbestimmen ein Zusammenhang voneinander unterschiedener Bestimmungen geh¨ort, die sich zugleich von sich her aufeinander beziehen und voneinander abgehoben sind und so als Begriffe, Urteile und Schl¨usse ein inferentiell organisiertes Netz miteinander durch Inkompatibilit¨ats- und Folgebeziehungen verflochtener Bestimmungen bilden, deren artikulierte Verschr¨anktheit abk¨urzend als Ineinander gekennzeichnet werden kann. Dagegen markiert die Objektivit¨at logisch insofern ein Außereinander, als sie an sich nicht in selbst¨andige Einheiten organisiert ist, die von sich her zugleich unterscheidend auf bestimmtes anderes bezogen und von ihm abgehoben sind, sondern bloß durch solches gepr¨agt ist, was von sich her u¨ berg¨anglich ist in eine Umgebung, ohne von dieser ausdr¨ucklich abgehoben zu sein. Die Idee markiert insofern ein konkretes Selbstverh¨altnis von In- und Außereinander, als sie in selbstbez¨uglichem Sichbestimmen besteht, das sich in objektseitig Bestimmtem auf sich bezieht. Ihrer logischen Form nach markieren Seelisches und Geistiges damit nichts rein Innerliches, sondern immer nur ¨ Innerlichkeit, die sich in Außerem auf sich bezieht und notwendig an solchem 471 erscheint . Selbst der unentfaltete Punkt reiner Selbstbeziehung existiert daher nicht abgetrennt f¨ur sich, sondern nur als lebendiges Individuum, das sich in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des objektseitigen Außereinander auf sich bezieht und derart leibhaftig verk¨orpert ist. Auch das reflektierte (Sich)Bestimmen, das zur Idee des Geistes geh¨ort, vollzieht sich nicht rein ” innerlich“, sondern beinhaltet immer ein objektseitiges Moment und scheint ¨ daher nur in und an Außerlichem auf – paradigmatisch etwa als Sprache. Eine f¨ur die Philosophie des Geistes zentrale Einsicht, die sich aus der Logik der Idee ergibt, ist daher, dass Geist nichts bloß Innerliches sein kann. Denn erstens kann es eigenleibliche Empfindung als pr¨areflexive Beziehung eines Selbst und seines K¨orpers nicht unabh¨angig von teleologisch organisierten Ausschnitten des Objektkontinuums geben. Zweitens gibt solches unmittelbares Sichbeziehen in objektseitig Bestimmtem selbst nicht den Vollbegriff der Idee und des Geistes ab. Daher bildet das Problem der Qualia oder des ph¨anomenalen Selbst gerade nicht das entscheidende hard problem“ der ” 471
Zur Idee geh¨ort objektseitiges Sein damit nur, insofern es von selbst¨andigem (Sich)Bestimmen u¨ bergriffen und einbezogen wird: Die Idee ist daher, dieser Objectivit¨at un” geachtet, schlechthin einfach, und immateriell, denn die Aeusserlichkeit ist nur als durch den Begriff bestimmt, und in seine negative Einheit aufgenommen“ [12,17634−37]. Entsprechend ¨ kann Hegel den Geist bestimmen als weder das uns und sich selbst Außerliche noch das sich ” selbst schlechthin Innerliche“ [TW11,517].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
455
Philosophie des Geistes. Die Idee markiert als ontologische Form des Geistes n¨amlich nicht bloß unmittelbares Sichbeziehen in objektseitig Bestimmtem, sondern den Prozess der Herausbildung begriffs- und urteilsvermittelter Einheiten von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein. ¨ An solche Außerlichkeit gekoppelt, vollzieht sich die Entfaltung leibhaftigen Sichbestimmens aber nie in einem luftleeren Raum reiner Gedanken, sondern ¨ ist notwendig an ein Moment der Außerlichkeit gebunden und kann sich auch nur darum in einer gemeinsamen Welt des Geistes auspr¨agen. Ideell oder geistig im Vollsinn sind daher nicht etwa Schmerzen oder Farbeindr¨ucke, sondern ¨ sprachliche Außerungen, Kunstwerke oder Institutionen. Seiner ontologischen Form nach markiert Geist entsprechend nichts, was wesentlich privat w¨are. Denn der unentfaltete Punkt pr¨areflexiver Selbstbeziehung, die sich in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums empfindend auf sich bezieht, markiert nur die erste, unmittelbare Gestalt der Idee, nicht aber die ontologische Form des Geistes. Alle geistigen Vollz¨uge beinhalten als Gestalten selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens dagegen Prozesse, die in das Kontinuum objektseitigen Seins ausgreifen und insofern grunds¨atzlich nicht privat sind. Idee und Geist k¨onnen daher nur insofern innerlich“ genannt wer” den, weil sie nicht unmittelbar auf ihren begrifflichen Gehalt durchsichtig sind, dieser also nicht einfach wahrgenommen und mit H¨anden gegriffen werden kann, sondern dazu die Teilhabe an einer gemeinsamen Praxis vern¨unftigen Lebens verlangt ist. Verst¨andlich wird Geistiges daher nicht durch Wahrnehmung, liegt aber nat¨urlich auch nicht hinter“ dem Wahrnehmbaren in einer ” vermeintlich privaten Innerlichkeit, sondern ist an das Mitleben einer gemeinsamen, geschichtlichen Praxis gekn¨upft. Das Problem des Geistes betrifft daher wesentlich die M¨oglichkeit des Mitlebens innerhalb einer gemeinsamen, bedeutungshaften Welt und nicht die M¨oglichkeit eines privaten Bewusstseins. Die M¨oglichkeit und Form solchen Mitlebens markiert jedoch selbst kein logisches Problem mehr, kann aber mit den in der Logik entwickelten begrifflichen Mitteln angegangen werden472 . Erst vor dem Hintergrund einer gemeinsamen, geschichtlichen Form vern¨unftigen Lebens k¨onnen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens lernen, ihre geistigen Vollz¨uge innerhalb der Grenzen des eigenen Leibes anzuhalten und ihnen insofern abgeleitete Innerlichkeit zu verschaffen, die f¨alschlich f¨ur das grundlegende Ph¨anomen gehalten werden kann. In Form der unmittelbaren, leiblichen Selbstbeziehung des lebendigen Individuums, deren logische Form Hegel als Sensibilit¨at“ bezeichnet, besteht ” das f¨ur die Idee kennzeichnende Selbstverh¨altnis von Begriff und Objektivit¨at gleichsam nur punktuell, n¨amlich bloß unreflektiert und lokal. Mit der Idee kann es bei einem derartigen punktuellen Selbstverh¨altnis im anderen aber kein Bewenden haben. Da zu selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen n¨amlich wesent472
Vgl. zum Mitleben unten S. 494.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
lich die Selbstauslegung zu Urteil und Schluss geh¨ort, kann es auch als Moment der Idee nichts Unmittelbares bleiben, sondern hat als selbstanwendende Operationalit¨at wesentlich propositionale und inferentielle Vermittlung an sich. Da der Begriff in der Idee zugleich nicht das Relat eines a¨ ußerlichen, sondern Glied eines internen Verh¨altnisses ist, markiert solches Sichvermitteln notwendig die Selbstvermittlung des konkreten Ganzen. Daher besteht der zur Idee geh¨orige Prozess in der Entfaltung eines konkreten, zun¨achst jedoch unentfalteten und bloß lokal auftretenden Selbstverh¨altnisses unmittelbarer Relata zu einem aufs Ganze ausgreifenden, vermittelten Selbstverh¨altnis vermittelter Relata. So geh¨ort zur Idee der Prozess der Herbeif¨uhrung vermittelter Selbstverh¨altnisse von begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein. Da ihre vermittelte Einheit nicht unmittelbar besteht, m¨ussen die Relata, die zun¨achst unentfaltet in der einfachen Einheit eigenleiblichen Empfindens vereinigt sind, in einen relativen Gegensatz auseinandertreten. Dieser reale Dualismus von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein, Seele und Leib, kann deshalb aber nur relativ sein, weil er ihre unmittelbare Einheit aufheben muss. Seele und Leib bilden daher real eine konkrete Einheit und kein Verh¨altnis substantiell Unterschiedener, sind in ihrer Einheit darum aber nicht unmittelbar derart innig verf¨ugt, dass sie nicht auch miteinander in Widerstreit treten k¨onnten. Nur setzt solcher Widerstreit ihre unmittelbare Einheit aufhebend voraus und ist daher bloß relativ. Als einfaches Beispiel eines solchen relativen Gegensatzes von Seele und Leib wie seiner vermittelten Aufl¨osung kann ein Sachverhalt angef¨uhrt werden, der noch zur Sph¨are beseelten Lebens und nicht schon zu der des Geistes geh¨ort. So bezieht sich ein lebendiges Individuum in seinem Leib zwar unmittelbar auf sich und sp¨urt sich insofern. Dies bedeutet aber noch nicht, dass es seinen Leib auch schon unmittelbar zu bestimmen vermag. Insofern ein Lebewesen etwa erst lernen muss, sich kontrolliert zu bewegen, gleicht es den relativen Gegensatz zwischen seiner pr¨areflexiven Selbstbestimmung, etwa dem Drang sich aufzurichten, und der Schwerf¨alligkeit seines Leibes erst schrittweise zum vermittelten Selbstverh¨altnis gesteuerter Selbstbewegung aus. Da nun aber der Begriff als Moment selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, das in lebendigen Individuen am Werk ist, an sich nicht nur an dessen Leib, sondern am Objektkontinuum im Ganzen sein anderes hat, beschr¨ankt sich die Herausbildung vermittelter Selbstverh¨altnisse von Begriff und Objektivit¨at nicht etwa darauf, dass Individuen ihren Leib kontrolliert zu beherrschen lernen. Vielmehr markieren die weiteren Stufen der Idee den bestimmenden Ausgriff lebendiger Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens u¨ ber ihre Leiblichkeit hinaus auf das Objektkontinuum. Ein solcher erkennender und handelnder Ausgriff leibhaften (Sich)Bestimmens auf das Objektkontinuum ist deshalb m¨oglich, weil die Objektivit¨at als Sph¨are der Selbstauslegung des Begriffs,
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
457
in der solche Zentren leibhaft verankert sind, diesen nicht als unerreichbares Jenseits fremd gegen¨ubersteht, sondern als solches ausgezeichnet ist, worin selbst¨andiges (Sich)Bestimmen sich bestimmend auf sich beziehen kann473 . Entsprechend lassen sich Erkennen und Handeln als besondere Formen selbstbestimmten Bestimmens von objektseitigem Sein oder genauer als Formen der selbstbestimmten Etablierung vermittelter Selbstverh¨altnisse von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein fassen. 3.5.2.7 Einteilung der Idee Da die Idee die selbstanwendende Operationalit¨at des Begriffs einschließt, lassen sich die logischen Stufen ihres Prozesses, der von einem unmittelbaren und lokalen Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein in Form des lebendigen Individuums zum globalselbstvermittelten der absoluten Idee f¨uhrt, aus ihrem Begriff selbst herleiten474 . Im logischen Fortgang werden entwickeltere Formen dieses Selbstverh¨altnisses aus weniger entwickelten entfaltet. Vorgreifend k¨onnen sie als Superpositionsformen der Idee auch direkt durch deren Einteilung in eine unmittelbare, vermittelte und selbstvermittelte Gestalt gewonnen werden, die Hegel terminologisch als Idee des Lebens“, Idee des Geistes“ und absolute Idee“ ” ” ” fasst:
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Vgl. Das Object ist, weil es an sich die Totalit¨at des Begriffs ist, das unbestimmte, ” jedoch aller Bestimmungen empf¨angliche, aber eben so gegen alles gleichg¨ultig bleibende“ [13,909−11]. 474 Dabei haben die Ausdr¨ ucke Selbstbestimmung“ und Selbstvermittlung“ auf jeder Stu” ” fe in Abh¨angigkeit von der globalen Verfasstheit dessen, was sich bestimmt, unterschiedliche Bedeutung. So bleibt das (Sich)Bestimmen und Sichvermitteln des lebendigen Individuums auf dessen umweltsituierte Leiblichkeit eingeschr¨ankt. Dagegen bleibt ein leibhaftiges Subjekt im Erkennen nicht auf seine Leiblichkeit beschr¨ankt. Empirische Wahrheit als Selbstverh¨altnis von Subjektivit¨at und Objektivit¨at zu fassen, meint daher nicht, ein Selbstverh¨altnis zwischen einem lebendigen Individuum und weltseitigen Tatsachen zu behaupten, sondern zwischen Urteil und Schluss als vermittelten Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens und objektseitigem Sein.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Idee
Idee des Lebens
Idee des Geistes
absolute Idee
Diese Einteilung der Idee l¨asst sich daraus verstehen, dass es unangemessenere und angemessenere Formen der Entsprechung von Begriff und Objektivit¨at gibt: F¨ur die Vorgestalten der absoluten Idee ist jeweils noch ein spezifisches Moment der Nichtentsprechung von Begriff und Realit¨at konstitutiv. Entsprechend weisen die besonderen Formen der Idee deswegen u¨ ber sich hinaus, weil sie Entsprechungsverh¨altnisse markieren, zu denen grunds¨atzlich noch Momente der Nichtentsprechung von Begriff und Objektivit¨at geh¨oren. Dabei kann die Unangemessenheit von Begriff und Objektivit¨at selbst auf unangemessenere oder angemessenere Weise zum Tragen kommen. Bloß Lebendiges ist als Vorgestalt der Idee darin defizit¨ar, dass seine artspezifische Lebensform, insofern es dieser nicht entspricht, nicht in, sondern außer ihm liegt – n¨amlich in anderen Lebewesen, die jeweils bestimmte Aspekte dieser Form angemessen auspr¨agen, und einem Betrachter, der die betreffende Lebensform als solche heraushebt, welche das Lebewesen nur unangemessen auspr¨agt. Ein Zentrum bloß beseelten Lebens hat seinen Mangel als erste Gestalt der Idee darin, dass die Tatsache, dass es seine Lebensform unangemessen auspr¨agt, f¨ur es selbst nur diffus als Empfindung von Schmerz da ist, ohne dass es sein Wesen f¨ur sich als solches zur Abhebung bringt und seine Unangemessenheit an es als solche weiß. Etwas anders akzentuiert ist das bloß selbsthafte Leben darin defizit¨ar, dass es zwar f¨ur sich als Entsprechungsverh¨altnis bestimmt ist, das Verh¨altnis, das es ist, f¨ur es aber gar nicht als Verh¨altnis, sondern nur unmittelbar als Empfindung besteht475 . Endliches, vern¨unftiges Leben zeichnet sich demgegen¨uber durch ein Wissen um das seiner Natur eingeschriebene Moment der Nichtentsprechung von Begriff und Objektivit¨at – die eigene Endlichkeit – aus. Da von diesem Moment der Nichtenstprechung nur im Kontrast zur Vollentsprechung von Begriff und Objektivit¨at gewusst werden kann, ist endlicher Geist darum mehr als er selbst, weil f¨ur ihn die Idee einer Vollenstprechung von Begriff und 475
Vgl. unten S. 479 Anm. 502 .
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
459
Objektivit¨at – die absolute Idee – in spezifischen geistigen Vollz¨ugen punktuell Gestalt gewinnen muss. Die logische Abfolge der verschiedenen Formen der Idee markiert damit je angemessenere Weisen, wie Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ihr allgemeines, operationales Wesen realisieren k¨onnen. Als erste Gestalt der Idee markiert die Form beseelten Lebens ein unmittelbares Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Bestimmtsein. Die Unmittelbarkeit muss dabei sowohl die Glieder dieses Verh¨altnisses wie ihre Beziehung kennzeichnen. Insofern sich selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen als unmittelbares in Gestalt beseelten Lebens noch nicht zum Urteil als Form vermittelten (Sich)Bestimmens ausgelegt hat, geh¨ort zu ihm auch noch kein Sichbeziehen auf etwas als etwas, sondern nur der assimilierende Einbezug pr¨apropositional bezogener Ausschnitte des Objektkontinuums. Zugleich sind selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen und objektseitiges Sein im Lebendigen unmittelbar vereinigt, sodass sich jenes nicht f¨ur sich von seiner eigenen, umweltsituierten Leiblichkeit zu unterscheiden vermag, sondern darin pr¨areflexiv aufgeht. Gem¨aß der Idee des Geistes als seiner vermittelten Form legt sich selbsttragendes (Sich)Bestimmen dagegen urteilend zu einem Subjekt-ObjektVerh¨altnis mit ausdr¨ucklich voneinander abgehobenen Seiten aus und bestimmt das damit von ihm unterschiedene Objektkontinuum zu einer diskret in Gegenst¨ande und Tatsachen gegliederten Welt. Dabei ist das Verh¨altnis von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein nicht nur an sich vermittelt, sondern wird zugleich als vermittelt bezogen, indem sich selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen reflexiv auf sich als erkennendes und handelndes Individuum bezieht und vom Zusammenhang objektseitigen Seins unterscheidet, in den es leibhaft eingebettet ist. Die f¨ur die Idee des Geistes charakteristische urteilende Vermittlung von begrifflich vermitteltem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein gliedert sich selbst wiederum in Vollz¨uge des Erkennens, Handelns und Verstehens. Denn das unmittelbare Herbeif¨uhren eines urteilsvermittelten Selbstverh¨altnisses von urteilendem Sichbestimmen und objektseitigem Sein, kurz das bloß urteilende Bestimmen, markiert deshalb die logische Form des Erkennens, weil dieses ein Urteilen ist, das seine Erf¨ullung bereits im Urteilen selbst findet. Dagegen findet das Handeln, als praktisch werdendes Urteilen, solche Erf¨ullung nicht schon unmittelbar in der urteilenden Bestimmung seines Ziels, sondern nur in dessen erst noch herbeizuf¨uhrender Verwirklichung476 . Drittens bildet schließlich das selbstvermittelte (Sich)Bestimmen oder Verstehen die konkrete Einheit von Erkennen und Han476 In seiner Einteilung der Idee fasst Hegel auch das Wollen oder die praktische Idee als Form der Idee des Erkennens (die er auch die Idee des Geistes“ [12,19631] nennt). Dass Hegel ” die logische Form des Handelns als besondere Form des Erkennens fasst, ist nicht Ausdruck eines vermeintlichen Theoretizismus, sondern dessen, dass auch das Handeln eine Form urteilenden Bestimmens von Welt ist.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
deln. Eine solche dritte Form der Idee des Geistes fehlt in Hegels Logik der Idee jedoch. Anders als das Erkennen, das sich auf von handelndem Bestimmen unabh¨angiges, objekseitiges Sein bezieht, l¨asst sich aber auch solches urteilendes (Sich)Bestimmen denken, das sich auf handelnd herbeigef¨uhrte Bestimmungen des Objektkontinuums richtet und insofern das Verstehen einer Welt des Geistes ist. Als vermitteltes Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein ist die Idee des Geistes durch eine relative Entgegensetzung von Denken und Sein, Person und Welt gepr¨agt. Erkennendes, handelndes und verstehendes Bestimmen beziehen sich entsprechend immer nur auf begrenzte Ausschnitte objektseitigen Seins, niemals auf das Ganze. In Form der absoluten Idee als selbstvermittelter Gestalt des Verh¨altnisses von begrifflichem (Sich)Bestimmen und weltseitigem Sein ist der relative Gegensatz beider dagegen zugunsten eines Verh¨altnisses u¨ berwunden, in dem solches (Sich)Bestimmen sich auf das selbsttragende Ganze, in dem es leibhaft verankert ist, als Ausdruck oder Gestalt unbedingten Sichbestimmens bezieht. Diese logische Form der leibhaft verk¨orperten Selbstbeziehung des Ganzen als Sph¨are der Selbstauslegung unbedingten Sichbestimmens markiert die Verfassung aller aufs Ganze gehenden geistigen Vollz¨uge, in denen sich die Idee einer Vollentsprechung von Begriff und Realit¨at ausdr¨uckt und die sich real in Kunst, Religion und Philosophie auspr¨agen. Wie schon angedeutet, l¨asst sich die Idee als Schl¨ussel zu einer ganzen Reihe philosophischer Probleme verstehen, die das Verh¨altnis von subjekt- und objektseitigem Sein betreffen und jeweils auf besondere logische Stufen der Idee bezogen werden k¨onnen. Im Zuge der Entfaltung dieser besonderen logischen Formen wird daher jeweils in eigenen Abschnitten gezeigt werden, inwiefern sich von ihnen her Ans¨atze zur L¨osung der jeweiligen Probleme ergeben. Dabei l¨asst sich folgende Zuordnung zwischen philosophischen Problemen und Formen der Idee treffen: Der Idee im Allgemeinen l¨asst sich die objektive Freiheitsaporie zuordnen, welche die Vereinbarkeit der nomologischen Geschlossenheit des Objektkontinuums mit der Realit¨at selbstbez¨uglichen Sichbestimmens betrifft, das in jenem reale Wirkung zeigt. Der unmittelbaren Idee entspricht das K¨orper-Seele-Problem als Frage nach der einheitlichen Verfasstheit selbhaften Lebens. Zur Idee des Erkennens geh¨ort das Wahrheitsproblem im Sinne der Frage, ob und wie es sich verstehen l¨asst, dass urteilendes (Sich)Bestimmen sich angemessen auf objektseitiges Sein beziehen kann. Schließlich markiert die subjektive Freiheitsaporie als Verlegenheit, wie Freiheit, ungeachtet der Fra-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ge nach ihrer objektiven Realit¨at, aus Sicht des Handelnden zu verstehen ist – ein Problem, das sich auf die Idee des Wollens beziehen l¨asst477 . 3.5.3 Objektive Freiheitsaporie und ontologische Anfangsgr¨unde der Zeit Mit Blick auf das Verh¨altnis von Objektivit¨at und Idee ergibt sich folgendes Problem: Das Objektkontinuum markiert eine nomologische geschlossene Sph¨are durchg¨angigen Bestimmtseins. Dass diese Sph¨are nomologisch geschlossen ist, bedeutet, dass sich durch sie derart eine Achse legen l¨asst, dass jeder Querschnitt zu dieser Achse einen Systemzustand darstellt, der mit jedem anderen Querschnitt symmetrisch nach Gesetzen verkn¨upft ist, sodass die Bestimmtheit des einen die des anderen festlegt. Nun u¨ berformt die Idee das Objektkontinuum in Gestalt interner Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Bestimmtsein. Als wirkliches (Sich)Bestimmen charakterisiert, geh¨ort zu ihr das selbstinduzierte Setzen von neuer Bestimmtheit, die als solche nicht durch schon vorhandene Bestimmtheit determiniert sein kann. Da das selbstbestimmte Neusetzen von Bestimmtheit aufgrund seines integrativen Verh¨altnisses zum Objektkontinuum aber nicht in einer eigenen Sph¨are jenseits von diesem angesiedelt sein kann, muss das (Sich)Bestimmen der Idee leibhaft in die Sph¨are objektseitigen Seins hineinreichen und dieses so notwendig zugleich bestimmen. Daraus scheint sich der Widerspruch zu ergeben, dass im Reich objektseitigen Seins alles Bestimmte l¨angs der Determinationsachse nomologisch l¨uckenlos mit allem anderen verkn¨upft ist, zugleich aber durch Zentren leibhaftigen (Sich)Bestimmens im Objektkontinuum neue Bestimmtheit gesetzt wird, die keine Ursache in diesem hat, womit seine nomologische Geschlossenheit durchbrochen scheint. Insofern das Objektkontinuum als nomologisch geschlossene Sph¨are durchg¨angiger Bestimmtheit erwiesen wurde, die Idee hingegen als selbstbestimmtes Bestimmen von jenem, besteht die Schwierigkeit somit darin, wie beides vereinbar sein kann. Da die Objektivit¨at die logische Form unbeseelter Natur und die Idee diejenige des Mentalen markiert, bezeichnet die Frage nach ihrem Verh¨altnis die logische Form des Problems mentaler Verursachung oder der objektiven Freiheitsaporie als Problem der Vereinbarkeit der objektiven Realit¨at von Freiheit mit der nomologischen Geschlossenheit des Physischen. Im Folgenden wird gezeigt, dass sich aus der Kl¨arung des logischen Verh¨altnisses von Objektivit¨at und Idee ein Ansatz zur L¨osung dieser Aporie ergibt, die h¨aufig als Kern des Leib-Seele-Problems gehandelt wird. Dazu muss zun¨achst gezeigt werden, dass sich die u¨ bliche Formulierung dieses Problems 477 Die Unterscheidung zweier Freiheitsaporien u ¨ bernehme ich der Sache nach von Anton Koch, der von einer externen“ und einer internen Freiheitsantinomie“ spricht, vgl. ” ” KOCH 2006a: 47; 307.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
in begriffslogische Kategorien u¨ bersetzen l¨asst. Eine Standardformulierung des Leib-Seele-Problems mit Hinblick auf die M¨oglichkeit mentaler Verursachung ist folgende: (1) Die physische Welt ist nomologisch geschlossen. (2) Mentale Entit¨aten sind kausal wirksam. (3) Aus der nomologischen Geschlossenheit der physischen Welt folgt die kausale Wirkungslosigkeit mentaler Entit¨aten478 . Wird angenommen, die objektive Realit¨at von Freiheit sei an ein reales Wirksamwerden von Subjekten gekn¨upft, lassen sich als alternative Formulierungen von (2) und (3) angeben: (2*) Freiheit hat objektive Realit¨at. (3*) Die objektive Realit¨at von Freiheit ist mit der nomologischen Geschlossenheit des Physischen unvereinbar. Das Problem l¨asst sich nun begriffslogisch reformulieren, wobei f¨ur die einzelnen Thesen zugleich begrifflogische Begr¨undungen angegeben werden k¨onnen, statt sie lediglich als plausible Annahmen einzuf¨uhren: (1’) Das Objektkontinuum ist nomologisch geschlossen. (These der nomologischen Geschlossenheit) (2’) Selbst¨andiges (Sich)Bestimmen ist im Objektkontinuum wirksam. (These der Wirksamkeit des Mentalen) (3’) Aus der nomologischen Geschlossenheit des Objektkontinuums folgt die Wirkungslosigkeit selbst¨andigen (Sich)Bestimmens im Objektkontinuum. (Inkompatibilit¨atsthese) Ihre begriffslogische Begr¨undung hat die These der nomologischen Geschlossenheit darin, dass die Sph¨are durchg¨angigen Bestimmtseins, die sich aus der zeitlosen Auslegung des Schlusses zur Objektivit¨at ergibt, als derart geschlossen erwiesen wurde479 . Dass das Objektkontinuum gem¨aß der Inkompatibilit¨atsthese ein Wirksamwerden selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in ihm ausschließt, ergibt sich daraus, dass alles Bestimmte entlang der Determinationsachse l¨uckenlos durch anderes Bestimmtes determiniert ist und daher keine M¨oglichkeit besteht, den Grund seines Auftretens im Wirksamwerden von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen zu suchen. Dieses muss im Objektkontinuum gem¨aß der These der Wirksamkeit des Mentalen aber deshalb wirksam 478 479
¨ Vgl. B R UNTRUP 1996: 20; vgl. auch B IERI 1981. Vgl. oben Abschnitt 3.4.2.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
463
werden, weil es als leibhaftiges (Sich)Bestimmen in internem Verh¨altnis zum Objektkontinuum steht und damit bestimmend auf dieses ausgreift. Die drei Thesen des Trilemmas scheinen zusammen inkonsistent: Die nomologische Geschlossenheit des Physischen, die Wirksamkeit des Mentalen im Physischen und die Unvereinbarkeit der nomologischen Geschlossenheit des Physischen mit der Wirksamkeit des Mentalen sind scheinbar nicht widerspruchsfrei zugleich zu haben. Ein solches, durch eine inkonsistente Triade von S¨atzen definiertes Problem l¨asst sich entweder l¨osen oder aufl¨osen. Eine L¨osung des Problems best¨unde darin zu zeigen, dass die S¨atze, dem Anschein entgegen, widerspruchsfrei vereinbar sind, eine Aufl¨osung dagegen darin, einen der S¨atze als bloß scheinbar plausibel aufzugeben. H¨aufig wird angenommen, das Leib-Seele-Problem lasse keine L¨osung, sondern nur eine Aufl¨osung zu480 . Die begriffslogische Reformulierung des Problems zeigt jedoch, dass Hegel durch seine kritische Ontologie auf alle drei Thesen verpflichtet ist, sodass von ihm nur eine L¨osung, aber keine Aufl¨osung des Trilemmas zu erwarten ist. Denn aufgrund von (1’) ist an der nomologischen Geschlossenheit des Physischen (1) nicht zu r¨utteln. Weil zur Realit¨at der Idee zugleich geh¨ort, dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen bestimmend auf die Sph¨are der Objektivit¨at u¨ bergreift (2’), muss das Mentale im Physischen wirksam werden (2) und Freiheit insofern Realit¨at haben (2*). Da die nomologische Geschlossenheit des Objektkontinuums aber das Wirksamwerden selbstbez¨uglichen Sichbestimmens in ihm ausschließt (3’), ist die Wirksamkeit des Mentalen im Physischen zugleich ausgeschlossen; und da Freiheit f¨ur Hegel wesentlich an selbstbestimmtes Bestimmen objektseitigen Seins gekn¨upft ist (3), kann Freiheit nicht mit der nomologischen Geschlossenheit der physischen Welt vereinbar sein (3’). Daher ist es verfehlt, Hegel die kompatibilistische These (¬3*) zuzuschreiben, Freiheit sei mit der durchg¨angigen nomologischen Geschlossenheit objektseitiger Realit¨at vereinbar481 . Der dialektische Ansatz 480
Vgl. Dieses Problem kann nicht gel¨ost werden, da es keine M¨oglichkeit gibt, die ” ¨ drei S¨atze miteinander in Ubereinstimmung zu bringen. Das Problem muss aufgel¨ost werden. Es aufzul¨osen heißt, einen der drei S¨atze aufzugeben“ [B IERI 1981: 7]. F¨ur eine L¨osung pl¨adiert dagegen unter Bezug auf einen an Hegel anschließenden Begriff des Geistes etwa H UTTER 2006a. 481 So etwa P IPPIN 1999. Hegels Auffassung der objektiven Realit¨at selbstbestimmten Bestimmens zeigt sich etwa daran, dass ihm zufolge der Begriff – das Sichbestimmen – als Zweck die a¨ usserliche Objektivit¨at absolut bestimmt“ [12,15919]. Entsprechend soll gelten: ” Die sch¨opferische Macht des Geistes besteht darin, daß er an und f¨ur sich ist und zugleich ” gegen sein Ansichsein f¨ur sich ist, daß er seine sich selbst gleiche Substanz, an der er die Mate¨ rie hat, als Negatives seiner, als Außerliches bestimmt und sich als absolutes Subjekt dagegen verh¨alt“ [TW4,281]. Weil der Begriff die sch¨opferische Form“ [8,307 Z.] ist, ist auch der Geist ” unendlich sch¨opferisch“ [TW10,31 Z.] und unendlich reicher, als die Natur“ [12,19232]. All ” ” dies reimt sich nicht auf eine kompatibilistische Deutung, die argumentativ ohnehin keinen Anhalt in der Logik findet.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
zur L¨osung des Trilemmas besteht darin zu zeigen, dass den zusammen vermeintlich inkonsistenten Thesen eine unausgesprochene Voraussetzung zugrunde liegt, die sie in der Tat inkompatibel macht, jedoch beseitigt werden kann, wodurch der vermeintliche Widerspruch im Verh¨altnis der Thesen verschwindet und ihre Vereinbarkeit deutlich wird. Hier noch einmal das Trilemma: (1’) Das Objektkontinuum ist nomologisch geschlossen. (2’) Selbst¨andiges (Sich)Bestimmen ist im Objektkontinuum wirksam. (3’) Die nomologische Geschlossenheit des Objektkontinuums schließt die Wirksamkeit selbst¨andigen (Sich)Bestimmens in ihr aus. Der dialektische L¨osungsansatz ergibt sich daraus, dass die unausdr¨uckliche Annahme aufgegeben wird, es gebe nur eine, von sich her zeitlich gerichtete Sph¨are objektseitigen Seins, in der selbst¨andiges (Sich)Bestimmen zugleich wirksam werden m¨usse, ohne es sein zu k¨onnen. Wird dagegen die Annahme aufgegeben, es k¨onne nur eine Sph¨are objektseitigen Bestimmtseins geben, dann wird denkbar, dass Selbstbestimmung objektiv wirksam werden kann, ohne dass dies der nomologischen Geschlossenheit des Objektiven zuwiderliefe, n¨amlich dann, wenn die objektseitige Wirksamkeit des (Sich)Bestimmens nicht im Eingriff in eine in sich nomologisch geschlossene, zeitlich gerichtete Sph¨are objektseitigen Seins besteht, sondern darin, eine gerichtete Abfolge von zusehends reicher bestimmten, in sich aber jeweils nomologisch geschlossenen, selbst jedoch ungerichteten Sph¨aren objektseitigen Seins herbeizuf¨uhren. Demgem¨aß hat das (Sich)Bestimmen, das zur Idee geh¨ort, dadurch objektive Realit¨at, dass es eine gerichtete Abfolge zusehends reicher bestimmter Sph¨aren objektseitigen Seins herbeif¨uhrt, obwohl jede dieser Sph¨aren in sich nomologisch geschlossen ist. Anders gesagt: Die Wirklichkeit des (Sich)Bestimmens, die objektive Realit¨at von Freiheit, hat ihren Ort nicht in einer gerichteten, sondern zwischen mehreren, selbst ungerichteten Sph¨aren objektseitigen Seins, die in sich nomologisch geschlossen sind, sodass das Durchbrechen nomologischer Geschlossenheit in Beziehung auf eine Sph¨are zugleich ihre r¨uckwirkende Wiederherstellung in Gestalt einer reicher bestimmten, anderen ist482 . Das selbstbestimmte Neusetzen von Bestimmtheit ist daher mit der nomologischen Geschlossenheit objektseitigen Seins deshalb widerspruchsfrei vereinbar, weil es Setzen von Bestimmtheit ist, das zwar durch die Sph¨are, 482
Dies ist, knapp formuliert, der ingeni¨ose Grundgedanke von Anton Kochs metakom” patibilistischer Freiheitstheorie des Zeitpfeils“ [vgl. KOCH 2006a: 526–33 (§70)], der die ¨ Uberlegungen dieses Abschnitts entscheidende Einsichten verdanken. Ein solcher Metakompatibilismus l¨asst sich bei Hegel selbst nicht finden, sondern ist Kochs originelle Leistung. Wie hier gezeigt werden soll, l¨asst sich der metakompatibilistische Grundgedanke jedoch im Rahmen von Hegels kritischer Ontologie der Sache nach frei rekonstruktiv einholen.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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aus der heraus das Setzen erfolgt, nicht determiniert ist, jedoch auf eine neue Sph¨are f¨uhrt, in der die nomologische Geschlossenheit r¨uckwirkend wiederhergestellt ist. Die L¨osung des Trilemmas und die Beantwortung der Frage, wie selbst¨andiges (Sich)Bestimmen objektive Realit¨at haben k¨onne, ist damit nur m¨oglich, weil das Objektkontinuum nicht schon an sich eine gerichtete Abfolge von Zust¨anden darstellt, sondern den Charakter eines Blockuniversums hat. Denn andernfalls w¨are ein solcher Zustand durch seinen zeitlichen Vorg¨anger selbst schon nomologisch determiniert und f¨ur die objektseitige Realit¨at des (Sich)Bestimmens bliebe kein Raum. Nun hat die ontologische Bestimmung des Objektkontinuums aber ergeben, dass sich dieses durch nomologische Determiniertheit entlang einer Determinationsachse auszeichnet. Weil solche Determiniertheit jedoch symmetrisch ist, bildet die Sph¨are der Objektivit¨at an sich keine entlang ihrer Determinationsachse asymmetrisch ausgerichtete Abfolge von Zust¨anden, sondern einen ungerichteten Determinationszusammenhang483 . Aus der ontologischen Form des Objektkontinuums l¨asst sich daher auch die reale Gerichtetheit der Zeit als A- und B-Reihe nicht erkl¨aren. Die Wirksamkeit selbst¨andigen (Sich)Bestimmens begr¨undet dagegen eine gerichtete Abfolge von Objektkontinua zunehmender Bestimmtheit, da selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen einsinnig als selbstinduzierte Anreicherung mit oder als Neusetzen von Bestimmtheit ausgezeichnet ist und nicht umgekehrt als Tilgen von Bestimmtheit gefasst werden kann. Das Trilemma l¨asst sich damit so reformulieren, dass der Widerspruch verschwindet: (1) Eine Sph¨are objektseitigen Seins ist in sich nomologisch geschlossen (2) Die nomologische Geschlossenheit einer Sph¨are objektseitigen Seins schließt das Wirksamwerden selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in ihr aus. (3) Selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen hat objektive Wirksamkeit als Herbeif¨uhren einer gerichteten Abfolge zusehends reicher bestimmter Sph¨aren objektseitigen Seins. Die logische Begr¨undung der objektiven Wirksamkeit selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens und damit der objektiven Realit¨at von Freiheit bildet so zugleich eine apriorische Herleitung des Zeitpfeils, der sich aus der Verfassung des Objektkontinuums als solcher gerade nicht begreifen l¨asst, und wird dadurch zus¨atzlich gest¨utzt. Denn wenn das Objektkontinuum durch symmetrische Determination ausgezeichnet ist, besteht in ihm alles gleichberechtigt nebeneinander, sodass Zeit als gerichtete Abfolge aus ihm nicht zu erkl¨aren ist. 483 Entsprechend ist das Objektkontinuum einfach als Totalit¨ at seiner Querschnitte zur Determinationsachse und damit als Blockuniversum definiert, nicht durch eine Abfolge von Zust¨anden, von denen jeweils nur einer real sein kann.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Obwohl gezeigt wurde, dass das Objektkontinuum entlang seiner ungerichteten Determinationsachse durch lokale Ordnungsassymetrie ausgezeichnet sein muss, der global eine umgekehrte Tendenz entgegen steht, k¨onnen diese Assymetrien selbst n¨amlich keine absolute Gerichtetheit begr¨unden, weil es sich dabei nur um Assymetrien entlang einer Achse handelt, die selbst keine eindeutige Gerichtetheit aufweist484 . Daher liefert der Nachweis der objektiven Realit¨at leibhaftigen (Sich)Bestimmens zugleich eine Erkl¨arung f¨ur die – ansonsten unverst¨andliche – absolute, zeitliche Gerichtetheit des Realen, von der aus die lokale (bzw. globale) Asymmetrie des Objektkontinuums erst eindeutig als Ordnungszunahme (bzw. Ordnungsabnahme) ausgezeichnet werden kann. Gerichtete Zeit und Freiheit sind damit nichts, was jemals in der objektseitigen Realit¨at zu finden w¨are, insofern jedes Objektkontinuum in sich ungerichtet und nomologisch geschlossen ist. Selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen ist vielmehr das selbst unbestimmte Zwischen, das die nomologische Geschlossenheit des Objektkontinuums aufhebt, sie r¨uckwirkend in Gestalt eines reicher bestimmten Objektkontinuums wiedereinsetzt und so die Quelle der Zeit als gerichteter Abfolge bildet. Freiheit durchbricht daher keine determinierte Abfolge, sondern konstituiert erst eine Abfolge in sich jeweils determinierter Zusammenh¨ange:
b b
b b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b
b b
Determinationsachse
Selbstbestimmung Zeit
b b b
Determinationsachse
Demnach ist das unfundierte Neusetzen von Bestimmtheit durch ein leibhaft im Objektkontinuum verankertes Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens dadurch mit der durchg¨angigen nomologischen Determination von jenem kompatibel, dass jedes derartiges Neusetzen r¨uckwirkend ein Wiedereinsetzen nomologischer Geschlossenheit in Gestalt eines um die neugesetzte Bestimmtheit ganzheitlich erweiterten, nomologisch geschlossenen Kontinuums markiert. Somit besteht der durch die Idee markierte Bestimmungsprozess in einer stetigen Aufhebung der nomologischen Geschlossenheit objektseitigen Seins durch Vollz¨uge leibhaftigen (Sich)Bestimmens und ihrer ebenso stetigen Wiedereinsetzung in Gestalt von um die neugesetzte Bestimmtheit erweiterten Objektkontinua. 484
Dass alle Versuche, den Zeitpfeil physikalisch, etwa aus dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zu erkl¨aren, absolute Gerichtetheit nicht herleiten, sondern voraussetzen, zeigt auf dem gegenw¨artigen Stand der Physik Huw Prices Buch Time’s Arrow and Archimedes’ Point [P RICE 1996].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
467
Dass seelisches und geistiges (Sich)Bestimmen sich zwar nicht deterministisch erkl¨aren lassen, der nomologischen Determination des Objektiven jedoch r¨uckwirkend unterordnen und diese insofern nicht abstrakt, sondern bestimmt negieren, bedeutet nichts anderes, als dass Freiheit, obwohl objektiv real, keine Wunder zu vollbringen vermag. Denn da selbstinduziertes (Sich)Bestimmen nur in leibhaft verk¨orperten Vollz¨ugen wirklich sein kann, kann es auch nicht irgendwo beliebig Neues hinzaubern oder die Vergangenheit auswechseln, sondern allein Vorhandenes derart von seinem jeweiligen Ort aus erg¨anzen, dass diese Erg¨anzung auf ein neues Ganzes f¨uhrt, das seinerseits nomologisch geschlossen ist, in dem die Naturgesetze also weiter in Kraft sind. Dass freie Vollz¨uge sich r¨uckwirkend ihre objektseitigen Ursachen voraussetzen sollen, kann nur so lange verwunderlich erscheinen, als man Zentren leibhaftigen (Sich)Bestimmens bloß auf einem objektivierend gefassten Zeitstrahl verortet, anstatt zu sehen, dass Richtung und Fortsetzung des Strahls dem (Sich)Bestimmen selbst erst entspringen. Entsprechend ist nicht nur die Zukunft offen, sondern die Vergangenheit selbst noch unabgeschlossen, darum aber nicht beliebig auswechselbar, sondern nur insofern offen, als sie durch Vollz¨uge des (Sich)Bestimmens, die sich ihre eigenen Ursachen voraussetzen, nachtr¨aglich erg¨anzt wird485 . Wenn erst das im Kontinuum objektseitigen Seins leiblich verankerte (Sich)Bestimmen letzterem eine eindeutige Gerichtetheit verleiht, bedeutet dies, dass es Zeit als gerichtetes Verfließen real erst im Zusammenhang mit solchem selbsttragenden (Sich)Bestimmen – beseeltem und geistigem Leben – geben kann, w¨ahrend ein Objektkontinuum entlang seiner Determinationsachse an sich nur durch eine ungerichtete Folge von Zust¨anden ausgezeichnet ist, die in McTaggarts Terminologie als C-Reihe zu fassen w¨are und in der sozusagen alles zugleich besteht. Dass erst selbst¨andiges (Sich)Bestimmen einen gerichteten Fluss in Gang setzt, bildet damit eine logische St¨utze f¨ur Hegels nur scheinbar obsolete Behauptung, Geist gehe nicht zeitlich aus Nat¨urlichem hervor, sondern trete mit diesem zeitlos zumal hervor486 . 485
Nur solche r¨uckw¨artige Erg¨anzung und Erf¨ullung des Geschehenen macht eine Aufhebung von Zeit in erf¨ullte Ewigkeit und damit den Erl¨osungsgedanken der christlichen Tradition u¨ berhaupt denkm¨oglich. Denn gerettet und erl¨ost werden soll der konkrete Mensch, die leibseelische Person [vgl. 1Kor15,44]. Erl¨osung kann daher, wenn u¨ berhaupt, nicht in deren ¨ Uberf¨ uhrung in eine Sph¨are bestehen, die Leiblichkeit und Zeitlichkeit abstrakt negiert, weil personale Identit¨at u¨ ber solche Transferierung hinweg undenkbar ist und das Erl¨oste damit nicht mehr das sein k¨onnte, was erl¨ost werden sollte. Zu Hegels Begriff der Ewigkeit als bestimmter Negation der Zeit vgl. unten die Abschnitte 3.5.9 und 4.7. 486 So f¨ uhrt Hegel in einer Vorlesung zur Philosophie des subjektiven Geistes aus: Wir ” fangen von dem Punkte an, daß die absolute Idee das Andere ihrer selbst setzt, und so ist Natur und Geist einander gegen¨uber. Diese Stellung dauert jedoch nur einen Augenblick, denn ebenso ewig wie die Erschaffung ist, so ewig ist auch die Erl¨osung der Idee aus diesem Anderssein“ [25/1,17819−24]. Dass die Konstitution der Natur (qua Selbstauslegung der absoluten
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Die Halbordnung des Objektkontinuums, die sich real als B-Reihe auspr¨agt, ist so erst Resultat der Projektion der Gerichtetheit geistigen (Sich)Bestimmens auf die an sich ungerichtete Determinationsachse eines Objektkontinuums487:
Determinationsachse
Selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen ist als je gegenw¨artiger Quellpunkt das kontinuierlich zeitzeugende Zwischen zwischen unterschiedlichen Sph¨aren objektseitigen Seins. Entsprechend geh¨ort zu jedem Jetzt seine eigene, durch es ausgerichtete Determinationsachse oder B-Reihe, weil jedes (Sich)Bestimmen sich aus einem Kontext unterschiedlicher, n¨amlich je reicherer Bestimmtheitsf¨ulle heraus vollzieht. Idee) ewige Erschaffung sei, bedeutet, dass diese Konstitution kein zeitlicher Prozess sein kann. Entscheidend ist, dass das Andere-der-Idee, die Natur, keinen zeitlichen Selbstand als bloße Natur haben soll, sondern laut Hegel im selben Augenblick“ wie ihre Konstitution auch ihre ” “Erl¨osung“ eintritt, was hier zun¨achst nur den realen Auftritt des Geistes meint. Entsprechend der Ungerichtetheit und Unzeitlichkeit der bloßen Natur, lehnt Hegel auch eine die Zeitrichtung auf die unbeseelte Natur projizierende Vorstellung einer Naturevolution ab: Das Hervorgehen ” in der Natur ist ein ewiges, es ist nicht ehemals gewesen, sondern es ist Jetzt und immer, nicht in der Zeit“ [N2,22]. Insofern in Gestalt beseelten Lebens dagegen gerichtetes Sichbestimmen auftritt, ergibt der Gedanke einer zeitlichen und geschichtlichen Entwicklung von Zentren beseelten und vern¨unftigen Lebens Sinn. 487 W¨ ahrend logisch mit Blick auf die Idee als Inbegriff bestimmten (Sich)Bestimmens nur der Grund der Zeitrichtung thematisch werden kann, ist der Unterschied der Zeitekstasen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein realphilosophischer. Er l¨asst sich jedoch als Auspr¨agung des Unterschieds von Bestimmtem, (Sich)Bestimmen und dessen Wozu verstehen. Die Gegenwart w¨are somit die Zeit des (Sich)Bestimmens, die Zukunft der Spielraum von dessen Wozu und die Vergangenheit das Reich des schon Bestimmten. Hegel ist in seiner realphilosophischen Abhandlung der Zeit jedoch inkonsequent. Denn einerseits weist er deutlich darauf hin, dass die Zeit einem unreflektierten und darum auch intentional nicht zu stoppenden Sichbestimmen entspringt: Die Zeit ist dasselbe Prinzip als das Ich=Ich des reinen Selbstbewußt” seyns; aber dasselbe oder der einfache Begriff noch in seiner g¨anzlichen Aeußerlichkeit und 23−27 Abstraction“ [20,247 ]. Dennoch behandelt Hegel die Zeit und die Zeitekstasen nicht in der Philosophie des Geistes, sondern in der Naturphilosophie. Daf¨ur, dass er es besser wusste, sprechen jedoch Stellen wie diese: Die Weltgeschichte, wissen wir, ist also u¨ berhaupt die ” Auslegung des Geistes in der Zeit, wie die Idee als Natur sich im Raume auslegt“ [TW12,95f.].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
469
Bestimmtheit
Selbstbestimmungsachse
Determinationsachsen
Dass das Objektkontinuum von sich her keine absolute Gerichtetheit aufweist, sondern diese erst verm¨oge der inneren Gerichtetheit und Entwicklung leibhaft in ihm verankerter Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ins Spiel kommt, bedeutet nicht, diese Gerichtetheit, die sich real als gerichteter Zeitfluss auspr¨agt, sei etwas bloß Subjektives“ und damit irreal. Der Nachweis ” der objektiven Realit¨at des (Sich)Bestimmens liefert vielmehr die Grundlage f¨ur den Nachweis der objektiven Realit¨at des Zeitpfeils. Denn die Idee markiert nichts Subjektives, das im Gegensatz zur Objektivit¨at st¨unde, sondern das konkrete Selbstverh¨altnis von Subjektivit¨at und Objektivit¨at. Daher l¨asst sich nur sagen, der Zeitfluss sei notwendig an (leibhaftige) Subjektivit¨at gekoppelt, ohne darum etwas bloß Subjektives zu sein, das nicht auch objektiv real w¨are. Denn die gerichtete Entfaltung selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens besteht nicht nur f¨ur dieses selbst, sondern seine Realit¨at als Idee bedeutet, dass das jeweilige Kontinuum objektseitigen Seins an sich durch leibhaft in ihm verk¨orpertes (Sich)Bestimmen bestimmt wird und so einen gerichteten Bestimmtheitszuwachs erf¨ahrt, der aus ihm selbst heraus jedoch nicht zu erkl¨aren ist488 . 3.5.3.1 Ontologische Aspekte des K¨orper-Seele-Problems Von der Idee als integrativer Einheit von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein her lassen sich weitere Aspekte des Problemzusammenhangs untersuchen, der unter dem Titel Leib-Seele-Problem“ bekannt ist. ” Dieser Titel ist darum irref¨uhrend, weil Leib“ umgangssprachlich den ge” sp¨urten K¨orper eines lebendigen Individuums bezeichnet. Der Begriff des Leibes setzt daher eine integrative Einheit von K¨orper und Seele bereits voraus. Hegel fasst das Problem daher genauer als Frage nach der Gemeinschaft der See” le und des K¨orpers“ 489 . Dies bedeutet nicht, das Verh¨altnis von Leib und Seele 488 Die schwierigen Fragen, welche dies realphilosophisch, n¨ amlich sowohl im Hinblick auf Natur und Naturwissenschaft wie f¨ur das Verst¨andnis von Geist und Geschichte aufwirft, k¨onnen ihm Rahmen dieser Untersuchung zur Logik nicht angegangen werden. 489 Vgl. 20,3896−7. Im Anschluss hieran spricht Wolff vom K¨ orper-Seele-Problem“ [vgl. ” W OLFF 1992]. Aus logischer Perspektive meint K¨orper“ einen teleologisch organisierten Aus” schnitt des Objektkontinuums, Leib“ hingegen einen entsprechenden Ausschnitt insofern er ” von selbstbez¨uglichem (Sich)bestimmen unmittelbar integriert ist.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
k¨onne nicht seinerseits Fragen aufwerfen. Nur setzen diese bereits eine L¨osung des K¨orper-Seele-Problems voraus. Dass gekl¨art ist, inwiefern K¨orper und Seele eine u¨ bergreifende Einheit bilden, bedeutet n¨amlich nicht, dass damit schon alle Fragen nach ihrem Zusammenhang gekl¨art sind. Denn auch solches, was an sich unselbst¨andiges Glied einer u¨ bergreifenden Einheit ist, kann zugleich relativen Selbstand beanspruchen und zu einem anderen Glied der Einheit in einen relativen Gegensatz treten, sodass sich die Frage nach einem Ausgleich des Gegensatzes und der Bildung einer vermittelten Einheit h¨oherstufig erneut stellt. Da zur Idee gerade die durch Leben und Geist markierte Verwandlung eines unmittelbaren Selbstverh¨altnisses von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein in ein vermitteltes geh¨ort, kennt Hegel neben dem K¨orperSeele-Problem auch h¨oherstufige Leib-Seele-Probleme. Mit Blick auf das Verh¨altnis von K¨orper und Seele kann erstens gefragt werden, wie deren Beziehung unmittelbar, n¨amlich noch unter Abstraktion von der einer leibseelischen Einheit eigenen Aktivit¨at zu fassen ist. Zweitens kann gefragt werden, ob und inwiefern eine leibseelische Einheit seitens des Objektkontinuums a¨ ußerlich determiniert werden kann (Problem mentaler Determination), und drittens, inwiefern eine solche Einheit umgekehrt kausal Einfluss auf ihre Umgebung nehmen kann (Problem mentaler Verursachung). W¨ahrend die dritte Frage soeben schon beantwortet wurde, soll nun gezeigt werden, inwiefern sich von der ontologischen Form der Idee her auch eine Antwort auf die erste und zweite ergibt. Diese Antwort ist wieder daran gekn¨upft, die betreffenden Probleme begriffslogisch zu reformulieren und so in Kategorien des (Sich)Bestimmens zu u¨ bersetzen, wodurch sie im Idealfall verschwinden sollten. Es wird also erstens nach der u¨ bergreifenden Einheit von objektseitigem Sein und selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen gefragt – und zwar noch ohne Hinblick auf die eigenen, spontanen Vollz¨uge einer solchen Einheit. Zweitens wird untersucht, inwiefern eine derartige Einheit a¨ ußerlich determiniert werden kann. Drittens wird von da her Licht auf die Frage fallen, wie Selbstbestimmungszentren das Objektkontinuum bestimmen k¨onnen, auf die damit noch einmal zur¨uckzukommen ist. In Frage steht zun¨achst aber nicht mehr, ob leibseelische Einheiten das Objektkontinuum bestimmen k¨onnen – das Problem mentaler Verursachung – sondern, ob und inwiefern solche Einheiten selbst a¨ ußerlich determiniert werden k¨onnen. Nur vor dem Hintergrund materialistischer Vorannahmen wird u¨ bersehen, dass es mindestens ebenso r¨atselhaft ist, wie leibseelische Einheiten, insofern sie sich wesentlich selbst bestimmen, u¨ berhaupt a¨ ußerlich bestimmt werden k¨onnen – das Problem mentaler Determination. Der folgende L¨osungsansatz hat von der ontologischen Form der Idee auszugehen. Diese wurde als konkrete Einheit von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein eingef¨uhrt und muss so als internes Selbstverh¨altnis mit unter-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
471
scheidbaren Gliedern gefasst werden. Dabei m¨ussen sich diese Glieder von sich her aufeinander beziehen, innerhalb ihrer Einheit jedoch zugleich unterscheidbar sein, weshalb ein Glied nicht schon an sich die u¨ bergreifende Einheit mit seinem anderen bilden, sondern dieses nur untergeordnet an sich haben kann. Aus dieser Unterordnung l¨asst sich nun sowohl die M¨oglichkeit a¨ ußerlichen Bestimmens wie a¨ ußerlichen Bestimmtwerdens verstehen. Insofern objektseitiges Sein selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen untergeordnet ist, kann dieses durch es nicht a¨ ußerlich determiniert werden – was seinem (Sich)bestimmen widerspr¨ache – jedoch bedingt, n¨amlich im Spielraum seines (Sich)Bestimmens eingeschr¨ankt. Insofern sich subjektseitiges Bestimmen in seinem Vollzug umgekehrt objektseitigem Sein unterzuordnen hat, kann es dieses nur so bestimmen, dass dessen nomologische Geschlossenheit nicht einfach durchbrochen wird. Wirkliches Bestimmen kann es zugleich aber nur sein, wenn es das Objektkontinuum wirklich ver¨andert. Daher l¨asst sich mentale Verursachung, ¨ wie gezeigt, nur als Uberf¨ uhrung in sich nomologisch geschlossener Sph¨aren durchg¨angigen Bestimmtseins ineinander denken, dergestalt, dass leibhaftiges (Sich)Bestimmen diesen Sph¨aren jeweils nicht-diskret Bestimmtheit hinzuf¨ugt – und damit ihre nomologische Geschlossenheit durchbricht – jedoch so, dass sie dabei jeweils r¨uckwirkend wiederhergestellt wird. (1) Das Problem des unmittelbaren Verh¨altnisses von Idee und Objektivit¨at l¨asst sich als Frage formulieren, ob und inwiefern das Seelische und Geistige u¨ ber Physischem superveniert. Ein logischer Ansatz zur Beantwortung dieser Frage ist umso mehr von Interesse, als Hegel eine solche Supervenienzthese gelegentlich zugeschrieben wird490 . Dabei l¨asst sich der Supervenienzbegriff im Anschluss an Kim folgendermaßen erkl¨aren: Eine Eigenschaft S superveniert u¨ ber einer Menge von Eigenschaften B, wenn f¨ur alle x gilt, dass sie, wenn sie die Eigenschaften B haben, auch die Eigenschaft S haben. Sind B physische und S eine mentale Eigenschaft, folgt aus dieser Bestimmung des Supervenienzbegriffs durch Kontraposition, dass es keine Ver¨anderung mentaler Eigenschaften ohne Ver¨anderung physischer geben kann. Je nachdem, ob das Supervenienzverh¨altnis bloß faktisch oder notwendig besteht, l¨asst sich zwischen schwacher und starker Supervenienz unterscheiden: ∀x[B(x)→S(x)] bzw. 2∀x[B(x)→S(x)]491 . Der Supervenienzbegriff bezieht sich damit aber auf die Eigenschaften von Individuen. Sind als solche allein m¨ogliche Welten zugelassen, folgt aus Hegels Logik die starke Supervenienz des Mentalen u¨ ber das Physische, weil die 490 Vgl. Willem deVries’ Behauptung: As a matter of fact, the retention of matter as the ” basic set of objects/events upon which all others supervene is thoroughly consistent with Hegel’s idealism [...] Given the global nature of the supervenience relation, there is no dependence relation between individual spiritual phenomena, only one form of general dependence of the spiritual on the material“ [D E V RIES 1988: 43f.]. 491 Vgl. K IM 1984.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Idee notwendig real und deshalb in jeder m¨oglichen Welt Mentales leibhaftig verk¨orpert ist. Dieses Supervenienzverh¨altnis ist aber insofern trivial, weil es umkehrbar ist. Denn da auch in jeder m¨oglichen Welt Physisches wirklich sein muss, superveniert auch das Physische u¨ ber das Mentale. Der Supervenienzbegriff soll sich jedoch gew¨ohnlich auf Eigenschaften von Individuen innerhalb von Welten beziehen. Damit l¨asst sich aus logischen Gr¨unden aber deutlich machen, dass er sich gar nicht sinnvoll auf das Verh¨altnis von Objektivit¨at und Idee oder Physischem und Mentalem beziehen l¨asst. Denn im Objektkontinuum sind gar keine basalen, selbst¨andigen Einzeldinge vorhanden, denen bestimmte objektseitige Eigenschaften so zukommen k¨onnen, dass ihnen damit zugleich bestimmte seelische oder geistige Eigenschaften zukommen492 . Dagegen wurde gezeigt, dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht, einen solchen Ausschnitt u¨ berhaupt erst in ein selbst¨andiges Einzelnes einbezieht. Mentale Eigenschaften supervenieren daher in keinem nichttrivialen Sinn u¨ ber den physischen Eigenschaften vermeintlich basaler Individuen, weil diese u¨ berhaupt nur dadurch als Individuen ausgezeichnet sind, dass sie Einheiten von der ontologischen Form der Idee und damit Zentren beseelten oder vern¨unftigen Lebens sind. Man k¨onnte jedoch versuchen, Supervenienz nicht auf im Objektkontinuum vermeintlich selbst¨andig vorhandene Einzelne, sondern auf Ausschnitte des Kontinuums zu beziehen, ohne den Anspruch zu erheben, es handele sich dabei um von sich her selbst¨andige Einzelne. Supervenienz des Mentalen bedeutete dann nur: Wenn ein Ausschnitt des Objektkontinuums bestimmte objektivierend artikulierbare Eigenschaften hat, muss er auch bestimmte mentale Eigenschaften aufweisen. Der Allquantor quantifizierte dann bloß u¨ ber Ausschnitte des Objektkontinuums und nicht u¨ ber unkritisch als vorhanden angesetzte Einzeldinge. Im logischen Fortgang wurde jedoch gezeigt, dass erst die Idee als Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein den Vollbegriff des Wirklichen abgibt, der auf objektseitiges Sein ontologisch und 492 Aus der Begriffslogik ergibt sich, dass deVries’ Rede von Materie als basaler Menge ” von Objekten/Eigenschaften“ keinen Sinn ergibt. Denn eine Menge basaler Objekte setzt wohlunterschiedene, selbst¨andige Einzelne als Elemente voraus. Dagegen markiert die Objektivit¨at zwar ein inhomogen organisiertes Kontinuum, in dem aber gerade keine selbst¨andigen Einzelnen als wohlunterschiedene Einheiten einfach vorhanden sind. Daher gibt es auch keinen Sinn, in dem Objekte und Ereignisse als Ausschnitte dieses Kontinuums basal sein k¨onnten. Denn die Annahme etwas k¨onne basal sein, setzt voraus, es sei ein Selbst¨andiges, das die Grundlage von anderem ist, was auf ihm aufbaut, k¨onne selbst aber auch unabh¨angig von letzterem vorhanden sein. Weder einzelne Objekte noch das Objektkontinuum im Ganzen sind in diesem Sinne basal, weil die Logik des objektiven Begriffs zeigt, dass die Sph¨are der Objektivit¨at weder eine Menge selbst¨andiger Einzelner noch ein Einzelnes darstellt, das f¨ur sich selbst¨andig sein kann und auf dem dann, nachtr¨aglich, irgendetwas anderes aufbaut.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
473
epistemisch irreduzibel ist. Das Mentale kann als Auspr¨agung der Idee daher keine hinreichenden, sondern bloß notwendige Bedingungen in der Sph¨are der Objektivit¨at haben und daher auch nicht u¨ ber bestimmte Ausschnitte des Objektkontinuums supervenieren. Denn in diesem Fall erg¨abe bereits eine vollst¨andige Beschreibung des Objektkontinuums den Vollbegriff des Wirklichen, weil aus ihr alles weitere folgte. Da aber bestimmtes (Sich)Bestimmen nicht auf anderes als es selbst zur¨uckgef¨uhrt und nur aus sich selbst verstanden werden kann, weil jede andere Erkl¨arung externe Verh¨altnisse bem¨uhen m¨usste, kann auch leibhaft verk¨orperter Geist, als der solches (Sich)Bestimmen sich real auspr¨agt, nicht u¨ ber Physischem supervenieren493 . Es kann daher keine spezifische Menge objektivierend fassbarer Bestimmungen geben, aus deren Instanziiertsein das Instanziiertsein spezifischer seelischer oder geistiger Bestimmungen gesetzm¨aßig folgte. Insofern Seelisches und Geistiges von der ontologischen Form der Idee her keine hinreichenden, sondern nur notwendige Bedingungen in objektseitigem Sein hat, zeichnet es sich diesem gegen¨uber durch starke Emergenz aus: Einem Ausschnitt des Objektkontinuums k¨onnen Bestimmungen korreliert sein, die auf dessen objektivierend fassbaren Eigenschaften epistemisch und ontologisch irreduzibel sind. Dass das Mentale nicht u¨ ber das Physische supervenieren kann, ergibt sich daraus, dass die Idee sich zur Sph¨are der Objektivit¨at weder wie zu einem von ihr verschiedenen Jenseits verh¨alt noch mit ihr zusammenf¨allt, sondern sie als das irreduzibel Reichere verwandelnd einbezieht. Insofern die Idee als selbst¨andiges (Sich)Bestimmen das unterscheidende Einbeziehen objektseitigen Seins markiert, ist sie weder unfundiertes Sichbestimmen noch an sich unartikulierte Objektivit¨at, sondern diskrete Artikulation von an sich Unartikuliertem, obgleich Artikulierbarem. Darin liegt, dass die diskrete Gliederung des von sich her bloß Artikulierbaren aus ihm selbst nicht abgeleitet werden kann. Das diskrete Artikulieren von selbst nicht diskret Artikuliertem ist daher irreduzibel reicher als dieses, ohne darum handgreiflich u¨ ber dieses hinauszugehen: Der Reichtum der Idee oder des Geistigen gegen¨uber der Armut der Objektivit¨at ist daher nichts abstrakt Selbst¨andiges, sondern selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich in handgreiflich Bestimmtem auf sich bezieht und dieses dadurch nicht um etwas substantiell Bestimmtes erg¨anzt, sondern es durch Hinzuf¨ugen von artikulatorischen Unterbrechungen oder Schnitten bestimmt. Synchron ist Geist damit nicht insofern reicher als das Objektkontinuum, als zu ihm noch weitere, substantielle Bestimmtheit geh¨oren w¨urde als zu diesem, sondern insofern er die selbst nicht objektivierbare, selbstbez¨ugliche Negativit¨at ist, die das organisierte Kontinuum erst in eine diskret gegliederte 493 Aus begriffslogischer Sicht kann es keine Ver¨ anderung im Geistigen ohne Ver¨anderung im Physischen geben. In diesem schwachen, indefiniten Sinn superveniert das Geistige tats¨achlich u¨ ber dem Physischen.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Welt der Gegenst¨ande und Tatsachen verwandelt, indem sie in ihm ein Gef¨uge artikulatorischer Schnitte einzieht. Entsprechend meint Sprache etwa nichts als eine diskrete, ineinander scheinende Gliederung von Schallwellen, welche sich aus diesen weder ableiten l¨asst noch ihnen eine unabh¨angig vom sprachlichen Ausdruck verf¨ugbare Bedeutung bloß a¨ ußerlich anklebt. Das entscheidende Mehr, durch das sich die Gestalten der Idee gegen¨uber dem Objektkontinuum auszeichnen, ist damit mit Bezug auf einen einzelnen Querschnitt zur Determinationsachse kein eigenst¨andiges, handgreifliches Dar¨uberhinaus, sondern sich auf sich beziehende Negativit¨at oder selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das dem einbezogenen Ausschnitt des Objektkontinuums erst bedingten Selbstand, diskrete Gliederung und Bedeutung innerhalb eines artikulierten Zusammenhangs verleiht. Auf diese Weise l¨asst sich der Unterschied angeben, der zwischen einer Person und dem Sumpfmen” schen“ Donald Davidsons besteht – einem Gesch¨opf, das durch einen unwahrscheinlichen, aber naturgesetzlich m¨oglichen Blitzeinschlag in einen Sumpf entstehen und materiell vollkommen gleich aufgebaut sein soll, wie der im selben Unwetter um des Beispiels willen zu Tode gekommene Davidson494 . Offenbar gibt es damit n¨amlich keinen objektivierbaren Unterschied zwischen Davidson im Augenblick vor und dem Sumpfmenschen in demjenigen nach dem Blitzeinschlag. Zwischen beiden besteht zwar kein objektivierend angebbarer, aber dennoch ein entscheidender Unterschied: Im einen bezieht selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich auf sich, im anderen nicht. Denn da der Auftritt von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen, das sich in objektseitigem Sein auf sich bezieht, keine hinreichenden Bedingungen in diesem hat, bildet der Sumpfmensch nur einen unselbst¨andigen Ausschnitt des Objektkontinuums, Davidson dagegen ein sich auf sich beziehendes Einzelnes. Der einzige Unterschied zwischen ihm und dem Sumpfmenschen besteht daher darin, dass es sich beim einen um bloße Materie handelt, beim anderen dagegen um ein selbstbewusstes Individuum. Zwar bildet das entscheidende Mehr der Idee gegen¨uber der Objektivit¨at oder des Geistigen gegen¨uber der Natur daher nichts zu einem einzelnen Zeitpunkt handgreiflich Bestimmtes, sondern besteht in unbestimmtem selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmen. Diachron scheint zu solchem (Sich)Bestimmen jedoch das selbstinduzierte Neusetzen von Bestimmtheit zu geh¨oren, die grunds¨atzlich nicht objektivierend verstanden werden kann und so vermeintlich doch ein f¨ur sich fassbares Mehr gegen¨uber objektseitigem Sein abgeben m¨usste. Da selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen als Moment der Idee aber nicht losgel¨ost von objektseitigem Sein auftritt, sondern solches gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmung als untergeordnetes Moment einbezieht, sind alle Akte selbstinduzierten Setzens von Bestimmtheit an leibliche Vollz¨uge gebun494
Vgl. DAVIDSON 1987: 19.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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den. Das von einem Objektivit¨atsmoment und damit von leiblichen Vollz¨ugen unabh¨angige Neusetzen von Bestimmtheit w¨urde dagegen die logische Form der Zauberei abgeben – eines in das Objektkontinuum zwar leibhaft eingebetteten (Sich)Bestimmens, das darin Ver¨anderungen hervorruft, ohne dabei durchg¨angig an ein Moment objektseitigen Seins gekn¨upft zu sein. Dass ein lebendiges Individuum im Objektkontinuum leibhaft verankertes (Sich)Bestimmen bildet, das bestimmend auf dieses u¨ bergreift, bedeutet damit zwar, dass objektseitiges Sein dabei einen Bestimmtheitszuwachs erf¨ahrt, der aus ihm selbst nicht gesetzm¨aßig erkl¨arbar ist. Da aber zugleich gezeigt wurde, dass damit die nomologische Geschlossenheit des Objektkontinuums nicht einfach durchbrochen wird, sondern zugleich r¨uckwirkend in Gestalt eines reicher bestimmten, nomologisch geschlossenen Kontinuums wieder eingesetzt wird, und diese kontinuierliche Wiedereinsetzung real nichts anderes als das Verfließen der Zeit ist, ergibt sich in der Tat, dass das Mehr der Idee und des Geistes gegen¨uber dem Objektkontinuum grunds¨atzlich keine abstrakte, rein geistige Substanz sein kann, sondern allein objektivierend nicht einzufangendes, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das, notwendig leiblich verk¨orpert, u¨ ber jeden Zustand objektseitigen Seins hinausweist, indem es diesen in ein reicher bestimmtes Ganzes einbezieht und dabei im Objektkontinuum artikulatorische Unterschiede eintr¨agt, die zwar nicht mit H¨anden zu greifen sind, es aber erst zu einer diskreten, bedeutungsvollen Welt machen. So gelingt es zu keinem Zeitpunkt, ein rein“ geistiges Mehr gegen¨uber dem Physischen anzugeben. Das ” entscheidende Mehr besteht allein in selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen, das zwar nichts Bestimmtes, jedoch Quelle aller diskreten Bestimmtheit ist, da es das unartikulierte und bedeutungslose Objektkontinuum in die diskret gegliederte, bedeutungsvolle Welt der Gegenst¨ande und Tatsachen verwandelt, in der wir leben. (2) Die Frage, ob Zentren beseelten und vern¨unftigen Lebens a¨ ußerlicher Determination unterliegen k¨onnen, f¨uhrt auf folgende Aporie, welche sich spiegelbildlich zu derjenigen mentaler Verursachung verh¨alt: (a) Zentren beseelten und geistigen Lebens zeichnen sich durch Selbstbestimmung aus. (b) Selbstbestimmung und a¨ ußerliches Determiniertwerden schließen einander aus. (c) Zentren beseelten und geistigen Lebens werden – leibhaftig im Objektkontinuum verankert – a¨ ußerlich determiniert. Ein Ansatz zur L¨osung dieser Aporie liegt in der Feststellung, dass zu selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen zugleich die Selbstbeziehung in einem Ausschnitt des nomologisch determinierten Objektkontinuums wie selbst-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bez¨ugliches (Sich)Bestimmen geh¨oren, das als solches nicht a¨ ußerlich determiniert werden kann, weil es sonst kein Sichbestimmen w¨are. Leibseelische Einheiten sind daher nach ihrem Moment organisierten Bestimmtseins a¨ ußerlich bestimmbar – insofern sind a¨ ußerliche Einwirkungen auf den Leib eines lebendigen Individuums m¨oglich. Da solche Individuen als ganze aber durch selbsttragendes (Sich)Bestimmen integriert werden, k¨onnen sie als solche nicht a¨ ußerlich determinierbar sein. Was die ontologische Form der Idee hat, kann daher nicht als Selbstbestimmungszentrum, sondern nur als organischer K¨orper determiniert werden. Daraus folgt, dass Zentren seelischen und geistigen (Sich)Bestimmens als solche durch ihre Umgebung im Objektkontinuum nicht a¨ ußerlich determiniert, sondern nur bedingt werden k¨onnen. Da ihr k¨orperliches Sein und dessen a¨ ußerliche Determination ihrem selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmen untergeordnet sind, kann solche Determination den Spielraum des (Sich)Bestimmens, solange dieses besteht, zwar einschr¨anken, aber nicht zunichte machen. Leibhaftige Zentren abh¨angigselbst¨andigen (Sich)Bestimmens sind so zwar aufgrund der organisierten Bestimmtheit, die sie an das Objektkontinuum bindet, a¨ ußerlichen Einfl¨ussen ausgesetzt. Verm¨oge des Moments selbstbez¨uglichen Bestimmens durchkreuzen sie solches Bestimmtwerden jedoch, das sich daher nicht einfach widerstandslos in und durch sie fortsetzt. Hegel kann deshalb sagen, Lebendiges und Geistiges br¨achen a¨ ußere Ursachen ab. Darin liegt, dass Einzelnes von der ontologischen Form der Idee zwar nicht schlichtweg unerreichbar f¨ur a¨ ußere Einfl¨usse ist. Da es aber ein Zentrum wirklichen (Sich)Bestimmens ist, bilden solche Einwirkungen keine Kausalketten, die sich unaufhaltsam durch es fortsetzten, sondern werden von ihm insofern abgebrochen, als sie ihm nur Rahmenbedingungen seines Sichbestimmens vorgeben k¨onnen, die dessen Spielraum zwar einschr¨anken, ihn aber nicht zunichte machen k¨onnen495 . 495 So f¨ uhrt Hegel aus: Die Natur des Geistes ist es aber noch in viel h¨oherem Sinne, als ” der Charakter des Lebendigen u¨ berhaupt, nicht ein anderes Urspr¨ungliches in sich aufzunehmen oder nicht eine Ursache sich in ihn kontinuieren zu lassen, sondern sie abzubrechen und zu verwandeln“ [11,40038–4013]. Wenn Hegel an gleicher Stelle von einer unstatthafte[n] An” wendung des Causalverh¨altnisses auf Verh¨altnisse des physisch-organischen und des geistigen Lebens“ spricht, kann dies nicht bedeuten, seelisches und geistiges Leben sei u¨ berhaupt keinen a¨ ußerlichen Einwirkungen unterworfen – dann k¨onnte es sie auch nicht abbrechen – sondern nur, dass diese es nicht zwangsl¨aufig und durchg¨angig bestimmen, sondern seinem eigenen (Sich)Bestimmen untergeordnet werden. Hegel kann deshalb durchaus sagen: Das Empfin”¨ dende ist hierbei von außen bestimmt, d. h. seine Leiblichkeit wird von etwas Außerlichem bestimmt“ [TW10,402 Z.] und In der Empfindung als solcher ist eine bestimmte Einwirkung, ” Affektion meiner, was an mich kommt ist ein bestimmtes Anderes“ [25/1,1897−8]. Zugleich gilt aber: Das Empfinden ist nun das Unterbrechen dieses Zusammenhangs, das Negieren der ” Wirkung des Fremden“ [25/1,18830−31.]. N¨aher r¨aumt Hegel ein, die geistige T¨atigkeit k¨onne im einzelnen Subjecte dem Spiele ganz zuf¨alliger k¨orperlicher Beschaffenheit, a¨ usserlicher ” Einfl¨usse und einzelner Umst¨ande unterworfen“ sein [12,19734−35].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Ein leibhaftiges Selbst, das sich in einem Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht, ist aufgrund seiner Leiblichkeit durchaus Einwirkungen aus dem es umgebenden Objektkontinuum ausgesetzt. Denn indem sich von diesem ausgehende Kausalketten durch jenen Ausschnitt hindurch fortpflanzen, ver¨andern sie das, worin sich dieses Einzelne unmittelbar einbeziehend auf sich bezieht, seinen Leib. Kausal determiniert wird damit aber nicht das selbstbez¨ugliche (Sich)Bestimmen, sondern das objektseitig Bestimmte, worin dieses sich auf sich bezieht. Da zu einem Selbst aber nicht bloß die unmittelbare Selbstbeziehung in Bestimmtem, sondern selbst¨andiges (Sich)Bestimmen geh¨ort, wird die vermeintliche Unmittelbarkeit der empfindenden Selbstbeziehung in Bestimmtem und die Passivit¨at des Bestimmtwerdens wesentlich durch dessen Selbstbestimmung durchkreuzt496 . Entsprechend h¨alt Hegel es f¨ur einen Kategorienfehler, seelisches und geistiges Leben kausal zu betrachten und verweist zur Begr¨undung gerade auf die Idee als ontologische Form solchen Lebens497 . Insofern leibseelische Einheiten ihrer ontologischen Verfassung nach Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein bilden, m¨ussen sie leiblich im Objektkontinuum verankert sein. Entsprechend ist Hegels Abweisung kausaler Erkl¨arung solcher Einheiten nicht so zu verstehen, als seien diese keinerlei objektseitigen Einfl¨ussen ausgesetzt. Vielmehr stehen sie aufgrund ihrer Leiblichkeit durchaus solchen Einfl¨ussen offen. Da eine leibseelische Einheit zugleich aber wesentlich durch selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen gepr¨agt ist, das sich in objektseitigem Sein, einem K¨orper, auf sich bezieht, pflanzen sich a¨ ußere Einwirkungen auf diesen nicht einfach ungehindert in und durch solche Zentren bestimmten (Sich)Bestimmens fort, sondern werden deren Selbstbestimmung untergeordnet. Entsprechend wird laut Hegel das, was auf das Lebendige wirkt, von diesem selbstst¨andig bestimmt, ” ver¨andert und verwandelt“ 498 . Dass die Idee beseelten und geistigen Lebens ein internes Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein markiert, bedeutet damit nichts anderes, als dass sie die ontologische Form leibhaft im Objektkontinuum verankerter 496 Da Selbstbeziehung zugleich Selbstbestimmung ist, ist das f¨ ur die Idee kennzeichnende Sichbeziehen in Bestimmtem niemals unabh¨angig von ihrem (Sich)Bestimmen. Daher sind leibseelische Einheiten in keinem Moment ihres Seins rein passiv. Sie sind zwar insofern bestimmt, als sie notwendig in objektseitigem Sein auf solches bezogen sind, was nicht ihrem eigenen (Sich)Bestimmen entstammt, sondern diesem vorgegeben ist. Da sie sich aber zugleich selbst bestimmen, informiert ihr (Sich)Bestimmen dieses Vorgegebene, das damit keine real abtrennbare Schicht ihres Seins ausmacht, sondern nur einen analytisch abhebbaren Aspekt. 497 So schreibt Hegel im Zuge seiner wesenslogischen Abhandlung des Kausalit¨atsbegriffs: Haupts¨achlich ist noch die unstatthafte Anwendung des Causalit¨atsverh¨altnisses ” auf Verh¨altnisse des physisch-organischen und des geistigen Lebens zu bemerken [...] welche Verh¨altnisse aber der Idee angeh¨oren und bey ihr erst zu betrachten sind“ [11,40026–4014]. 498 11,40029−31.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Individuen markiert, die sich weder durch unbedingte Selbstbestimmung noch durch a¨ ußerliche, gesetzm¨aßige Determiniertheit auszeichnen, sondern durch bedingtes (Sich)Bestimmen, das a¨ ußerlich vorgegebene Bestimmtheit einbezieht, diese jedoch selbst¨andig aneignen und verwandeln kann, statt ihr einfach ausgeliefert zu sein. So markiert die Idee zun¨achst die ontologische Form von solchem, was weder freischwebendes Sichbestimmen noch durchg¨angig bestimmt ist, sondern nur als konkrete Einheit zu verstehen ist, die beides aufhebt, n¨amlich als bestimmtes und damit a¨ ußerliche Bedingungen selbstbestimmt einbeziehendes (Sich)Bestimmen. Solches bedingtes (Sich)Bestimmen kann aber darum nicht als a¨ ußerlich determiniert betrachtet und gesetzm¨aßig erkl¨art werden, weil ein nomologisches Verh¨altnis nur zwischen Bestimmtheiten gleicher M¨achtigkeit bestehen kann, w¨ahrend selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen gerade die selbstinduzierte Anreicherung mit Bestimmtheit ist, die in vorhandener Bestimmtheit keinen hinreichenden Grund hat499 . (3) Um die Vollzugsform selbstbestimmten Neusetzens von Bestimmtheit zu verstehen, muss der Begriff bedingten (Sich)Bestimmens gekl¨art werden. Dass die Idee – als ontologische Form lebendiger Individuen – bedingtes (Sich)Bestimmen markiert, bedeutet zweierlei: Erstens handelt es sich dabei nicht um kontextfreies, von vorgegebener Bestimmtheit losgel¨ostes Neusetzen von Bestimmtheit. Umgekehrt l¨asst sich dieses Neusetzen auch nicht nomologisch so verstehen, dass bereits bestehende Bestimmtheit zwingend andere Bestimmtheit festlegt, sodass unfundiertes Neusetzen von Bestimmtheit gar nicht ins Spiel kommt. Da die Idee ein internes Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein markiert, vollzieht sich die Selbstbestimmung eines lebendigen Individuums gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmtheit von Subjektivit¨at und Objektivit¨at notwendig gebunden an eigenleibliche Bestimmtheit. Im Zusammenhang selbstbestimmten Sichbestimmens bleibt solche Bestimmtheit keine unmittelbare Vorgabe, sondern wird selbstbestimmt angeeignet. Dabei kann das Schon-bestimmt-Sein eines Selbstbestimmungszentrums f¨ur das selbstbestimmte Setzen von weiterer Bestimmtheit nicht hinreichen, da sonst gar kein Moment unfundierten (Sich) Bestimmens im Spiel w¨are. Die Bedingungen bedingten (Sich)Bestimmens k¨onnen daher keine hinreichenden, sondern allenfalls notwendige Bedingungen f¨ur ein selbstbestimmtes Neusetzen von Bestimmtheit sein. Da bedingtes (Sich)Bestimmen eine konkrete 499 Das selbstinduzierte Neusetzen von Bestimmtheit, das durch schon vorhandene zwar nicht eindeutig bestimmt, jedoch nicht ohne sinnvollen Zusammenhang mit dieser ist, l¨asst sich am Schreiben eines Buches veranschaulichen, wobei zwar nicht bereits mit dem ersten Satz alles weitere feststeht, dieses Weitere aber auch nicht ohne Zusammenhang mit dem Vorherigen produziert wird.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Ganzheit bildet, m¨ussen seine Bedingungen derart in die neugesetzte Bestimmtheit miteingehen, dass diese und ihre Bedingung konkret verwoben sind. Wie genauer gezeigt werden wird, unterscheidet sich geistiges (Sich)Bestimmen von demjenigen bloß beseelten Lebens dadurch, dass die Bedingungen seines (Sich)Bestimmens zumindest implizit begrifflich informiert, obgleich nicht notwendig in expliziten Urteilen artikuliert sind, und es diese Bedingungen darum reflektieren und in gewissem Maß ver¨andern kann. Dennoch sind solche Bedingungen auch im Zusammenhang bloß beseelten Lebens, das sie nicht zu reflektieren und gezielt zu ver¨andern vermag, nicht so geartet, dass sie bestimmte Vollz¨uge des Lebewesens erzwingen, sondern derart, dass sich dessen Vollz¨uge vor dem Hintergrund gewisser Bedingungen aus sich selbst verstehen lassen: Unter seiner Entfaltung zutr¨aglichen Bedingungen brauchen und k¨onnen die Vollz¨uge eines gedeihenden, lebendigen Individuums also nicht aus etwas von ihm verschiedenen erkl¨art werden, sondern bilden aus ihm und seiner Lebensform heraus verst¨andliche Weisen der Realisierung seines artspezifischen Begriffs. 3.5.4 Unreflektiertes selbst¨andiges (Sich)Bestimmen (Idee des Lebens) 3.5.4.1 Die ontologische Form beseelten Lebens Die Idee des Lebens markiert die logische Form von Zentren bloß beseelten oder unreflektiert selbsthaften Lebens. Als erste und einfachste Gestalt der Idee ist sie damit durch ein unmittelbares Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein charakterisiert500 . Hegels terminologische Ausdr¨ucke f¨ur die Hauptmomente dieses Selbstverh¨altnisses sind Seele“ und Leib“. Dabei meint Seele“ das Moment einbeziehen” ” ” den, selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, Leib“ dagegen denjenigen teleo” logisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums, in welchem solches (Sich)Bestimmen sich unmittelbar, d. h. unreflektiert auf sich bezieht501 . Die Unmittelbarkeit leibhaftiger Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens l¨asst sich dahingehend erl¨autern, dass solches selbstbez¨ugliche Sichbestimmen, welches es der Logik des subjektiven Begriffs gem¨aß an sich hat, sich zu Urteil und Schluss als seinen Vermittlungsgestalten auszulegen, im bloß beseelten Leben noch unentfaltet auftritt502 . Da das Urteil aber die logische Form unterscheiden500
Vgl. 13,10110. Vgl. Leib heißen wir an dem Lebendigen die Objektivit¨at, die Seele ist der Begriff ” des Lebendigen, die Allgemeinheit des Leibes. Vermittelst der Seele sind die Einzelheiten des Leibes zu einer großen Einheit aufgel¨ost.“ [V11,17877−80]. Entsprechend gilt: Der Begriff des ” Lebens ist die Seele, und dieser Begriff hat den Leib zu seiner Realit¨at“ [TW8,374 Z.], vgl. 4−6 20,219 . 502 Weil der subjektive Begriff diese Vermittlung an sich hat, ist die Idee des Lebens noch nicht die Vollgestalt der Idee. Denn ihr Mangel besteht darin, daß hier Begriff und Realit¨at ” 501
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
den Abhebens und Beziehens auf etwas als etwas ist, liegt in der Unmittelbarkeit bloß beseelter Lebenszentren, dass diese nicht f¨ur sich als Einzelne da sind und sich auf etwas als so und so bestimmtes anderes zu beziehen verm¨ogen, sondern ganz in ihrer umweltsituierten Leiblichkeit aufgehen oder, wie Hegel sagt, in diese versenkt“ sind503 . ” Die Idee des Lebens markiert damit die ontologische Form leibhaftiger Zentren pr¨areflexiv-pr¨apropositionalen (Sich)Bestimmens. Denn insofern die ausdr¨uckliche Selbstabhebung abh¨angig-selbst¨andigen (Sich)Bestimmens von anderem einschließlich der Unterscheidung zwischen sich und seiner momentanen leibseelischen Zust¨andlichkeit Reflexion heißen kann, markiert die unmittelbare Idee gerade die logische Form pr¨areflexiver Subjektivit¨at. Die Idee des Lebens bildet damit auch nicht den vermeintlich generischen Begriff des Lebendigen u¨ berhaupt, der die gemeinsame Verfasstheit aller realen Gestalten des Lebendigen von der Am¨obe bis zum Menschen ausdr¨uckt, sondern markiert nur die logische Form solcher Lebenszentren, in denen leibhaft verk¨orpertes selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich pr¨areflexiv-pr¨apropositional in teleologisch organisierten Ausschnitten des Objektkontinuums auf sich bezieht, also gerade die Form bloß beseelten Lebens, unter die weder selbstloses Leben noch reflektiert-selbsthaftes oder vern¨unftiges Leben fallen, dessen logische Form Hegel als Idee des Geistes“ 504 einf¨uhrt und als Urteilsgestalt der Idee cha” rakterisiert505 . Entsprechend l¨asst sich sagen, das bloß beseelte Leben sei das Vor-Urteil der Idee, der Geist dagegen ihr Urteil. Die Idee des Lebens bezeichnet somit nur die logische Form bloß beseelten Lebens, w¨ahrend das teleologische Objekt die Form unbeseelten, die Idee des Geistes hingegen diejenige vern¨unftigen Lebens markiert506 . Wollte man die Stufenfolge logischer Formbegriffe teleologisches Objekt – Idee des Lebens – Idee des Geistes grob auf reale Ph¨anomene beziehen, entspr¨ache dem teleologischen Objekt das pflanzli-
einander noch nicht wahrhaft entsprechen. Der Begriff des Lebens ist die Seele, und dieser Begriff hat den Leib zu seiner Realit¨at. Die Seele ist gleichsam ergossen in ihre Leiblichkeit, und so ist dieselbe nur erst empfindend, aber noch nicht freies F¨ursichsein“ [TW8,374 Z.]. 503 Hegel spricht diesbez¨ uglich auch von einer unmittelbaren Einheit von Begriff und Realit¨at: Die Idee, insofern der Begriff mit seiner Realit¨at unmittelbar vereint ist und sich nicht ” zugleich davon unterscheidet und heraushebt, ist das Leben“ [TW4,202]. Darin ist der Begriff so zwar von seiner a¨ usserlichen Realit¨at unterschieden und f¨ur sich gesetzt, doch diß sein ” F¨ursichseyn hat er nur als die Identit¨at, welche eine Beziehung auf sich als versenkt in seine ihm unterworfene Objectivit¨at oder auf sich als inwohnende, substantielle Form ist“ [12,19213−16], vgl. V11,17865−71. 504 12,19631. 505 Vgl. 12,1923−4. 506 Hegels Begriff der Seele bezieht sich so im Gegensatz zur aristotelischen Tradition, die auch eine vegetative Seele kennt, ausschließlich auf Formen leibhaft verk¨orperten selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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che, der Idee des Lebens das tierische und der Idee des Geistes das menschliche Leben. Dass die Idee des Lebens in Hegels Begriffsuniversum nur die logische Form tierischen Seins bezeichnet, k¨onnte als unangemessene Verengung des Lebensbegriffs erscheinen. Besser h¨atte er, so scheint es, den Ausdruck Leben“ dem generischen Begriff des Lebens vorbehalten, dessen Arten ” und Unterarten bloßes, beseeltes und vern¨unftiges Leben bilden. Diesem Eindruck entgegen zeigt Hegels scheinbar eigenwilliger Gebrauch des Ausdrucks Leben“ jedoch eine wichtige philosophische Einsicht an, n¨amlich ” diejenige, dass es keinen solchen generischen Begriff des Lebens gibt. Der im Objektivit¨atsabschnitt entwickelte Minimalbegriff des Lebendigen als organisierter Einheit im Objektkontinuum, die im Hinblick auf eine artspezifische Lebensform als selbstvermittelnd ausgezeichnet werden kann, ohne an sich durch Selbstvermittlung ausgezeichnet zu sein, ist n¨amlich gar kein Begriff abh¨angig-selbst¨andiger Einzelheit507 . Er kann daher auch keinen generischen Begriff des Lebendigen bilden, dessen vermeintliche Arten beseeltes und unbeseeltes Leben sich durch das Hinzukommen bzw. Fehlen von Beseeltheit als spezifischer Differenz unterscheiden. Eine solche scheinbar selbstverst¨andliche Auffassung der Einteilung des Lebendigen ist aber gerade aus der logischphilosophischen Tradition her gel¨aufig. So wird der generische Begriff des Lebendigen (corpus animatum) im porphyrischen Baum als traditioneller Gattungspyramide in empfindungsf¨ahiges (corpus animatum sensibile=animal) und nicht-empfindungsf¨ahiges Leben (corpus animatum insensibile) eingeteilt und jenes seinerseits in vern¨unftiges und nicht-vern¨unftiges Leben508 : Lebendiges (animatum corpus) bloßes (insensibile)
beseeltes (sensibile)
bloß beseeltes (irrationale) 507
vern¨unftiges (rationale)
Terminologisch ließe sich der Unterschied zwischen bloßem und beseeltem Leben dadurch ausdr¨ucken, dass man von Lebendigem einerseits als Organismus“ oder lebendem Sys” ” tem“ spricht, andererseits als Lebewesen“ oder lebendigem Individuum“. Aus der Rede von ” ” Organismen und lebenden Systemen folgt n¨amlich nicht, dass es sich um selbsthafte, an sich als Einzelne ausgezeichnete Einheiten handelt, w¨ahrend die Rede von Lebewesen und lebendigen Individuen gerade dies nahe legt. Entsprechend ist es (im Wittgensteinschen Sinn) ungrammatisch, von Lebewesen zu sagen, sie seien Organismen, grammatisch dagegen nur, sie h¨atten einen Organismus. 508 Vgl. Porphyrios’ Isagoge (2a15-25) sowie zum porphyrischen Baum S CHROEDER H EISTER 2005; zu Hegels Auseinandersetzung mit der (neu-)platonischen Trias Sein – Leben – Erkennen vgl. H ALFWASSEN :1999: 373ff.; 432ff.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Hegel bricht offenbar mit dieser Tradition, weil der logische Minimalbegriff des Lebens gar keine Form selbst¨andiger Einzelheit markiert, die im Hinblick darauf eingeteilt werden k¨onnte, ob zu ihr Empfindungsf¨ahigkeit (oder Beseeltheit im engeren Sinne) differenzierend hinzutritt oder nicht509 . Vielmehr markiert die, beseeltem Leben eigene, unmittelbare Selbstbeziehung in objektseitig Bestimmtem erst die ontologische Form abh¨angig-selbst¨andiger Einzelheit, die dem bloß Lebendigem an sich gerade abgeht. Der Begriff bloßen Lebens ist daher kein Begriff selbst¨andiger Einzelheit, der im Hinblick darauf spezifiziert werden k¨onnte, ob zu dieser Empfindungsf¨ahigkeit (oder Beseeltheit im Sinne pr¨areflexiver Selbstbeziehung) hinzukommt oder nicht, weil das, was hier hinzukommen soll, selbst¨andige Einzelheit erst mitkonstituiert. Daher spricht Hegel auch erst im Lebenskapitel von lebendigen Individuen“. ” Offenbar bilden die Begriffe unbeseelten und beseelten Lebens oder dessen, was zwar als selbstvermittelndes Einzelnes erkl¨arbar ist, ohne an sich ein solches Einzelnes zu sein, und dessen, was auch an sich ein solches Einzelnes ist, keine Bestimmungen, die sich als Arten einer u¨ bergreifenden Gattung des Lebendigen fassen lassen. Denn im einen Fall handelt es sich um den Begriff von solchem, was an sich gar kein selbstvermittelndes Einzelnes ist, obgleich es zur Erkl¨arung von Prozessen im Objektkontinuum als derartige Einheit angesetzt werden kann, im anderen Fall dagegen um solches, was sich an sich durch selbstvermittelnde Einzelheit auszeichnet. Wenn sich unbeseeltes und beseeltes Leben aber nicht als Arten einer gemeinsamen Gattung des Lebens zueinander verhalten, stellt sich die Frage, wie ihr Verh¨altnis stattdessen zu fassen ist. Dem logischen Fortgang vom bloßen zum beseelten Leben gem¨aß handelt es sich um ein Aufhebungsverh¨altnis. Dies bedeutet einerseits, dass auch beseeltes Leben notwendig auf derartige organisierte Ausschnitte des Objektkontinuums angewiesen ist, wie sie zur logischen Form des bloßen Lebens geh¨oren. Da der Inbegriff solcher organisierten Ausschnitte aber nicht als Gattung des Lebendigen u¨ berhaupt gefasst werden kann, k¨onnen solche Organisationsformen nicht derart in beseeltes Leben eingehen, wie sie im bloßen Leben zur Geltung kommen, und daher nichts sein, was bloßem und beseeltem Leben einfach gemeinsam w¨are. Da die Idee beseelten Lebens n¨amlich eine konkrete Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und teleologisch organisiertem Bestimmtsein markiert, kann die Organisations- und Prozessform bloßen Lebens nicht unver¨andert in das beseelte eingehen, sondern muss darin durch die Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens informiert sein. Entsprechend teilt beseeltes Le509
Was hier als Tradition hingestellt wird, ist selbst nur Verw¨asserung einer aristotelischen Tradition. Aristoteles behauptet in De anima II,3 n¨amlich gerade, es k¨onne keine allgemeine Definition von Seele“ und Leben“ geben. Hegels Logik des Lebendigen bedeutet insofern, ” ” subjektivit¨atstheoretisch verwandelt, ein Zur¨uck zu Aristoteles.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ben mit unbeseeltem nicht einfach derart eine Organisations- und Prozessform, dass selbstbez¨ugliches Sichbestimmen zu dieser nur hinzukommt, sondern Selbsterhaltung, Ordnungstransfer und Fortpflanzung markieren hier wesentlich anderes, n¨amlich Prozesse, die ohne ein Moment pr¨areflexiven Sichbeziehens und Bestimmens nicht angemessen fassbar w¨aren. Empfindung, Wahrnehmung und begierdegetriebene Selbstbewegung bestimmen in beseeltem Leben daher entscheidend die Weise der Selbsterhaltung, Ern¨ahrung und Fortpflanzung mit. Obwohl beseeltes und unbeseeltes Leben damit keine Arten einer vermeintlichen Gattung des Lebens bezeichnen, ist der Ausdruck Leben“ dennoch nicht ” einfach a¨ quivok. Vielmehr geht die Form unbeseelten Lebens, durch selbstbez¨ugliches Sichbestimmen modifiziert, in diejenige beseelten Lebens ein. Objektivierend kann so aber auch beseeltes Leben nach der Seite seiner organischen Verfasstheit unter Absehen davon betrachtet werden, dass diese zu einer leibseelischen Einheit geh¨ort, obwohl deren globale Verfassung so gerade verfehlt wird. Die Formen bloßen und beseelten Lebens sind logisch aber nicht nur dadurch verkn¨upft, dass jene in diese als unselbst¨andiger Aspekt eingeht, sondern auch dadurch, dass diese Formen immanent aufeinander folgende Stationen des logischen Fortgangs markieren. In der Form bloßen Lebens liegt n¨amlich selbst schon unausdr¨ucklich der Verweis auf diejenige des beseelten. Sie ist daher nichts, was sich auch ohne den Bezug auf und die Abgrenzung von der Form selbsthaften Lebens angemessen verstehen ließe. Entsprechend liegt ¨ in der Form bloßen Lebens selbst die M¨oglichkeit eines explikativen Ubergangs zur Form beseelten Lebens, und Beseeltheit meint darum keine vom Begriff bloßen Lebens unabh¨angige Bestimmung, sondern ergibt sich aus diesem. Denn im Begriff dessen, was sich als selbstvermittelndes Einzelnes erkl¨aren l¨asst, ohne an sich ein solches zu sein, liegt selbst schon der Verweis auf solches, was sich auch an sich als selbstvermittelndes Einzelnes auszeichnet. Dieser begriffliche Zusammenhang zwischen der Form bloßen und derjenigen beseelten Lebens hat dabei zugleich ontologische Bedeutung, da sie sich im Rahmen einer voraussetzungslosen Untersuchung dessen ergeben, was dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig dazugeh¨ort. Entsprechend ist die Realit¨at des beseelten Lebens gegen¨uber dem unbeseelten kein bloßer Zufall und ein Universum, in dem es nur unbeseeltes Leben gibt, logisch unm¨oglich. Gesamthaft betrachtet markiert die logische Stufenfolge bloßes Leben – beseeltes Leben – vern¨unftiges Leben keine Reihe von Bestimmungen, die zueinander in Verh¨altnissen von Gattung und Art stehen. Vielmehr bilden sie eine logische Stufenfolge, in der jede Bestimmung in ihren Nachfolger als unselbst¨andiges Moment modifiziert eingeht und sich dieser aus seinem Vorg¨anger explikativ entfalten l¨asst. Konkret ergibt sich dieser Zusammenhang daraus, dass hinsichtlich der Ausgangsform bloßen Lebens oder selbstvermit-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
telnder Einheiten im Objektkontinuum zu kl¨aren ist, ob solche Einheiten nur zwecks Erkl¨arung von Prozessen im Objektkontinuum als selbstvermittelnde Einheiten angesetzt werden, ohne an sich selbst¨andiges Bestehen zu haben, oder auch an sich selbstvermittelnde Einzelne markieren. Markieren sie solche, ist seinerseits zu kl¨aren, ob solche selbstvermittelnden Einzelnen sich ausdr¨ucklich auf sich als selbst¨andige Einzelne beziehen oder nur f¨ur uns als solche fassbar sind. Denn da die Form beseelten Lebens u¨ bergreifende Einheiten von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein auszeichnet, gibt deren Selbstbez¨uglichkeit Anlass zur Frage, ob sie sich reflektierend auf sich als selbst¨andige Einzelne beziehen oder nicht. In der logischen Form pr¨areflexiv selbsthaften Lebens liegt daher schon der Bezug auf reflexiv-selbsthaftes Leben und damit auf Geist. Pr¨areflexiv-selbsthaftes Leben weist sich n¨amlich von sich her als defizit¨ar aus, insofern es zwar f¨ur sich verh¨altnishaft – n¨amlich als Verschr¨ankung der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Objektivit¨at – bestimmt ist, ohne dass dieses Verh¨altnis f¨ur es als solches – statt bloß unmittelbar empfunden – best¨unde, so dass ihm das, was es ist, zugleich noch a¨ ußerlich ist. Weil der Begriff selbstvermittelnder Einheiten im Objektkontinuum nur gefasst werden kann, wenn gekl¨art wird, ob diese Einheiten an sich als selbstst¨andige Einzelne bestehen oder nicht, und, wenn sie als solche bestehen, ferner zu kl¨aren ist, ob in ihrem Selbstbezug liegt, dass sie f¨ur sich als selbst¨andige Einzelne da sind oder nicht, k¨onnen die logischen Formen bloßen, beseelten und vern¨unftigen Lebens angemessen u¨ berhaupt nur in wechselseitiger Abgrenzung voneinander, nicht aber einzeln gefasst werden. Die logische Stufenfolge bloßes – beseeltes – vern¨unftiges Leben markiert damit eine Reihe selbstvermittelnder Einheiten, die entweder nur f¨ur uns oder zwar an sich, nicht aber f¨ur sich oder sowohl an wie f¨ur sich als solche Einheiten bestehen. Auch die Form beseelten Lebens kann damit nicht als Gattung gelten, zu der sich bloß beseeltes und vern¨unftiges Leben als Arten verhalten. Denn urteilendes (Sich)Bestimmen kommt zum unmittelbaren Selbstverh¨altnis beseelten Lebens nicht einfach erg¨anzend hinzu, sondern hebt dieses auf. Entsprechend bleibt dessen Unmittelbarkeit nicht als solche erhalten, sondern wird durch urteilende Vermittlung informiert und verwandelt. Damit durchdringt urteilende Vermittlung im vern¨unftigem Leben auch solche Vollz¨uge, welche ihm mit bloß beseeltem Leben gemeinsam sind. Deshalb folgt aus dieser Gemeinsamkeit nicht, es lasse sich in beseeltem und vern¨unftigem Leben eine Schicht identischer Funktionen ausmachen. Vielmehr geht die Vollzugsform beseelten Lebens in diejenige des vern¨unftigen derart ein, dass sie durch diese, das Denken, informiert und verwandelt wird510 . Empfindung, Wahrnehmung, Ern¨ahrung und Fortpflanzung 510
Hegel bringt diesen urspr¨unglich aristotelischen Gedanken folgendermaßen auf den Punkt: Es kann in unseren Tagen nicht oft genug daran erinnert werden, daß das, wodurch ”
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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markieren so keine Vollz¨uge, die beseeltem und vern¨unftigem Leben einfach gemeinsam w¨aren, sondern sind im vern¨unftigen Leben begrifflich informiert und bezeichnen daher wesentlich anderes als im bloß beseelten Leben. Dass vern¨unftiges Leben keine Art beseelten Lebens ist, bedeutet nichts anderes, als dass die Bestimmung des Menschen als animal rationale unangemessen ist, sofern sie, im Widerspruch zum aristotelischen Verst¨andnis dieser Formel, so verstanden wird, als gebe es eine Gattung der Animalit¨at, welche eine Schicht von F¨ahigkeiten und Vollz¨ugen markiert, die vern¨unftigem und bloß beseeltem Leben schlichtweg gemeinsam sind511 . Dagegen sind Gestalten vern¨unftigen Lebens, deren logische Form Hegel als Idee des Geistes“ ” bezeichnet, nicht als besondere Arten bloß beseelten oder animalischen Lebens zu begreifen, sondern markieren den Begriff von Lebendigem, das zwar Tierhaftes in sich hat – jedoch so, dass dieses seiner eigenen Seinsweise untergeordnet ist, welche nicht diejenige bloß beseelten Lebens oder pr¨areflexivpr¨apropositionalen, sondern reflektierten, urteilsf¨ahigen (Sich)Bestimmens ist. Das spezifisch Gemeinsame von bloß beseeltem und vern¨unftigem Leben ist daher nicht die vermeintliche Gattung Beseeltheit oder Animalit¨at, sondern besteht vielmehr darin, dass beides Formen leibhaft im Objektkontinuum verankerter Zentren abh¨angig-selbst¨andigen Sichbestimmens sind. Die logischen Zusammenh¨ange zwischen den verschiedenen Formen des Lebendigen lassen sich damit folgendermaßen darstellen:
sich der Mensch vom Tiere unterscheidet, das Denken ist. In alles, was ihm zu einem Innerlichen, zur Vorstellung u¨ berhaupt wird, was er zu dem Seinigen macht, hat sich die Sprache eingedr¨angt, und was er zur Sprache macht und in ihr a¨ ußert, enth¨alt eingeh¨ullter, vermischter oder herausgearbeitet eine Kategorie; so sehr nat¨urlich ist ihm das Logische, oder vielmehr: dasselbige ist seine eigent¨umliche Natur selbst. Stellt man aber die Natur u¨ berhaupt, als das Physikalische, dem Geistigen gegen¨uber, so m¨ußte man sagen, daß das Logische vielmehr ¨ das Ubernat¨ urliche ist, welches sich in alles Naturverhalten des Menschen, in sein Empfinden, Anschauen, Begehren, Bed¨urfnis, Trieb eindr¨angt und es dadurch u¨ berhaupt zu einem Menschlichen, wenn auch nur formell, zu Vorstellungen und Zwecken macht“ [21,1025–114 ; Hervorhebungen C. M.]. In j¨ungerer Zeit hat John McDowell prominent die Auffassung vertreten, begriffliche Spontaneit¨at durchdringe im Menschen verwandelnd diejenigen F¨ahigkeiten und Vollz¨uge, die ihm mit den Tierern vermeintlich gemeinsam sind, vgl. M C D OWELL 1994: 108ff.; M C D OWELL 2005. 511 Derart versteht die Formel etwa Hubert Dreyfus in der Debatte mit McDowell u ¨ ber den Mythos des Mentalen“, als den er McDowells Annahme der Information niederer Seelenfunk” tionen durch begriffliche Spontaneit¨at auffasst [vgl. D REYFUS 2007].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Einteilung
Selbstbestimmung (Begriff) Bestimmtsein-durch-sich (Objektivit¨at) Mechanismus und Chemismus
selbst¨andiges Sichbestimmen (Idee)
bloßes Leben bloß beseeltes Leben vern¨unftiges Leben (Teleologie) (Idee des Lebens) (Idee des Geistes)
Aufhebung Teleologische Objekte markieren organisierte Ausschnitte des Objektkontinuums, die im Hinblick auf eine Lebensform als selbsterhaltende und selbstvermittelnde Einheiten erkl¨arbar sind512 . Da eine solche Lebensform einen spezi512
Zwar ist Michael Thompson, der im Anschluss an Hegel zeigt, dass Lebendigkeit kein reales Pr¨adikat, sondern eine logische Form ist, darin zuzustimmen, dass Selbsterhaltung kein zirkelfreies Kriterium von Lebendigkeit ist [vgl. T HOMPSON 2008: 33ff.]. Denn da der Begriff des bloß Lebendigen keine an sich selbst¨andige Einzelheit meint, sondern nur einen Zusammenhang von Strukturen und Prozessen im Objektkontinuum markiert, im Hinblick auf die Einzelne als selbstvermittelnd erkl¨arbar sind, muss angegeben werden, was sich im Zuge dieser Selbsterhaltung eigentlich erh¨alt. Die dem Lebendigen eigent¨umliche Selbsterhaltung kann aber nicht im Erhaltenbleiben von etwas Beliebigem, sondern nur im Erhalt der Lebendigkeit selbst bestehen. Selbsterhaltung ist daher kein zirkelfreies Kriterium des Lebens, weil sie im Zusammenhang mit Lebendigem nichts anderes meint, als am Leben zu bleiben. Lebendigkeit ist daher kein reales Pr¨adikat, das man selbst¨andigen Einzelnen zuschreiben k¨onnte, sondern erlaubt es als logische Form u¨ berhaupt erst, Strukturen und Prozesse im Kontinuum objektseitigen Seins als selbstvermittelnde Einheiten aufzufassen und zu erkl¨aren. Allerdings ist die Rede von Selbsterhaltung und der Gebrauch des Reflexivpronomens im Sprechen u¨ ber Lebendiges, Thompsons Auffassung entgegen, nicht einfach gleichbedeutend mit der Annahme von Strukturen und Prozessen im Objektkontinuum, die unter Bezug auf artspezifische Lebensformen als selbstvermittelnde Einheiten angesetzt und erkl¨art werden k¨onnen [vgl. T HOMPSON 2008: 45]. ¨ Thompson bezieht diese Aquivalenzthese, die f¨ur bloß Lebendiges triftig ist, daher zu Unrecht auf Lebendiges u¨ berhaupt mit Einschluss des beseelten Lebens. Insofern dieses sich n¨amlich an sich als Zentrum selbstbez¨uglichen Sichbestimmens auszeichnet, das sich in einem organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums auf sich bezieht, dergestalt leiblich sp¨urt und als leibhaftiges Sichbestimmen durch Selbstbewegung auszeichnet, ist das Reflexivpronomen in der Rede von der Selbsterhaltung lebendiger Individuen nicht eliminierbar und Selbsterhaltung nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen von Strukturen und Prozessen, die durch Bezug auf eine artspezifische Lebensform objektivierend erkl¨art werden k¨onnen. W¨ahrend die Selbsterhaltung eines Protozoon in der Tat nicht mehr als einen derartigen Zusammenhang von Strukturen und Prozessen im Objektkontinuum meint, der durch Bezug auf die Form der f¨ur Protozoen artspezifischen Strukturen und Vollz¨uge erkl¨arbar ist, trifft dies f¨ur Thompsons Standardbeispiel, den Rotluchs, nicht zu. Zwar kann auch sein Verhalten durch Bezug auf einen Inbegriff artspezifischer Vollz¨uge erkl¨art werden, doch wird diese Erkl¨arung nicht ohne Verweis auf leibliche
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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fischen Entwicklungstyp bezeichnet, ist die Selbsterhaltung eines Organismus nicht als statisches Gleichbleiben, sondern als prozessual zu verstehen513 . Zugleich markieren Organismen Regionen komplexer Organisation oder hoher Ordnungsdichte, die im Objektkontinuum keine abgeschotteten Enklaven darstellen, sondern dem Angriff mechanischer und chemischer Prozesse ausgesetzt sind. Als Ausschnitte des Objektkontinuums sind sie darum notwendig offene Systeme, deren Organisation grunds¨atzlich bedroht ist. Ihre eigene Organisation erhalten k¨onnen teleologische Objekte daher nur, insofern sie sich so verstehen lassen, dass in ihnen eine Differenz von Soll- und Istwertrepr¨asentant die gesteuerte Wiederherstellung der ihrer Lebensform entsprechenden Organisation gegen¨uber St¨orungen herbeizuf¨uhren vermag. Die aktive Entfaltung und Erhaltung arteigener Ordnungsbestimmtheit kann sich im Kontinuum nomologisch determinierten Bestimmtseins aber nicht durch unfundiertes Neusetzen von Ordnung vollziehen, da objektseitiges Sein eine absolute Zunahme von Ordnung gerade ausschließt, sondern nur durch einen Transfer von Ordnung aus der Umgebung eines teleologischen Objekts in dieses. Daher muss sich seine Entwicklung und Selbsterhaltung wesentlich als gesteuerter Ordnungstransfer vollziehen, im Zuge dessen es seine Organisationsform dadurch erh¨alt, wiederherstellt oder entwickelt, dass es Ordnung aus seiner Umgebung bezieht und Unordnung in diese verschiebt. Nun unterstehen die beseeltem und unbeseeltem Leben vermeintlich gemeinsamen Lebensfunktionen im beseelten Leben aber dessen selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und k¨onnen so auch f¨ur das Lebendige selbst da sein, insofern dieses sich in seinem Leib als dem Ort seiner Lebensfunktionen auf sich bezieht. Dabei ist die Grundlebensfunktion die Entwicklung und Erhaltung der eigenen Organisation durch gesteuerten Ordnungstransfer aus der Umgebung. In die pr¨areflexive Selbstbeziehung eines lebendigen Individuums einbezogen, besteht das Ordnungsgef¨alle von organismischem Sein und Sollen daher auch f¨ur das lebendige Individuum selbst als Empfindung von Schmerz und Mangel. Indem zugleich die zweckm¨aßige Tendenz zum Ausgleich dieses Gef¨alles in die Selbstbestimmung des Lebendigen einbezogen ist, ist dessen Dasein durch Begierde und Trieb gepr¨agt, d. h. durch die selbstinduzierte Tendenz
Selbstbeziehung und pr¨areflexive Subjektivit¨at auskommen. Im Fall selbsthaften Lebens ist der Gebrauch des Reflexivpronomens in der Rede vom Lebendigen daher nicht gleichbedeutend mit der Erkl¨arbarkeit von Prozessen im Objektkontinuum durch Bezug auf eine Lebensform, weil in die Bestimmung der betreffenden Lebensform selbst wiederum reflexive Ausdr¨ucke einzugehen haben. Der Rotluchs erh¨alt, bewegt und ern¨ahrt sich daher in ganz anderem Sinn als das Protozoon, weil er im Gegensatz zu diesem ein Zentrum selbstbez¨uglichen Sichbestimmens ist, dessen Vollz¨uge f¨ur dieses selbst da sind und von ihm aktiv betrieben werden. 513 Hegel bringt dies auf die pr¨agnante Formel: Das Leben erh¨alt sich (Doppelsinn) so, ” dass es sich bekommt“ [V10,211152].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
zum Ausgleich des als Schmerz oder Mangel empfundenen Ordnungsgef¨alles ¨ durch Ubergriff auf spezifische Ausschnitte des Objektkontinuums. Obwohl Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens leibhaft ins Objektkontinuum eingebettet sind, k¨onnen ihre Vollz¨uge nicht gesetzm¨aßig determiniert sein. Denn als Zentren objektseitig bestimmten (Sich)Bestimmens sind sie in ihren Vollz¨ugen zwar durch objektseitige Bestimmtheit bedingt, nicht aber determiniert. Allerdings k¨onnen die bedingt-selbstbestimmten Vollz¨uge beseelten Lebens noch nicht als frei gelten. Denn aufgrund der Vorpropositionalit¨at und Pr¨areflexivit¨at solchen Lebens kommen die Bedingungen seines (Sich)Bestimmens nicht f¨ur es selbst zur Abhebung, sondern gehen in es unmittelbar-unabgehoben mit ein514 . Daher kann bloß beseeltes Leben die Bedingungen, durch die sein (Sich)Bestimmen informiert ist, nicht reflektieren und darum auch nicht von seinen unmittelbaren Neigungen Abstand nehmen, sie beurteilen, bewerten und begr¨undetermaßen ver¨andern. Die pr¨areflexive Selbstbestimmung des bloß beseelten Lebendigen fasst Hegel terminologisch als Willk¨ur“ und grenzt sie sowohl von kausaler Determi” nation wie von Freiheit ab515 . Willk¨urlich“ mag pr¨areflexiv-pr¨apropositionales ” (Sich)Bestimmen deshalb genannt werden, weil ihm das urteilsm¨aßige Maßnehmen an Gr¨unden abgeht. Weil sich derartiges (Sich)Bestimmen nicht begrifflich artikuliert, kann es sich auch nicht an allgemeinen Normen orientieren. Da es darum auch keine ausdr¨ucklichen Zwecksetzungen vornehmen kann, vollzieht sich seine Selbstbestimmung je nur punktuell als Selbstbewegung aus der jeweiligen Situation heraus und ohne reflektierten Abstand zu dieser. Allerdings geht bloß beseeltem Leben mit der begrifflichen nicht schon u¨ berhaupt jede selbstbestimmte Orientierung ab. Vielmehr wird die logische Form des Triebs zeigen, dass sich das lebendige Individuum in einem inhomogenen Feld orientiert, das, obgleich nicht urteilend artikuliert, mit attraktiven und repulsiven T¨onungen besetzt ist, die sich nicht objektivierend erkl¨aren lassen, sondern unreflektierten Bestimmungsleistungen des Lebendigen selbst entstammen516 . 514
Entsprechend f¨uhrt Hegel aus: Das Thier hat Triebe, aber es ist dadurch nicht von ” außen determiniert. Es hat nicht Hunger, weil es Speise sieht, sondern die Triebe fangen in ihm an. Doch darum ist das Thier noch nicht frei, denn die ganze Natur auch das Leben selbst steht noch unter der Notwendigkeit; und dieß liegt darin, daß die Seele als thierische Seele eins ist mit der Empfindung und Erregung ihres Triebes“ [25/1,111−6]. 515 So ist laut Hegel das Leben als Seele, als der Begriff seiner selbst, der in sich voll” kommen bestimmt ist, das anfangende, sich selbst bewegende Princip“ [12,18323−24]. Daher gilt: Das Thier kann sich von jedem Orte losmachen, es bewegt sich nicht nach einem Gesetz, ” sondern nach Willk¨uhr“ [25/1,18719−20]. 516 Hegels realphilosophische Behauptung, das Tier habe nicht Hunger, weil es Speise ” sieht, sondern die Triebe fangen in ihm an“ [25/1,112−3], hat ihren sachlichen Grund daher in seiner Logik des Triebs. Die attraktive Besetzung eines Ausschnitts des Anschauungsfelds, welche diesen als Nahrung qualifiziert, ist entsprechend nichts, was einem von einem Lebewe-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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3.5.4.2 Einteilung der Vollz¨uge beseelten Lebens Zwar markiert die erste Gestalt der Idee als Inbegriff beseelten Lebens die ontologische Verfassung leibhaftiger Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die nicht in der Lage sind, sich urteilend auf sich und anderes zu beziehen. Obwohl sie daher im Bann pr¨areflexiver, pr¨apropositionaler Unmittelbarkeit stehen, geh¨oren zu ihnen als Selbstbestimmungszentren dennoch elementare spontane Vollz¨uge. Die logischen Formen der besonderen Vollz¨uge beseelten Lebens ergeben sich daraus, dass sich pr¨apropositionales (Sich)Bestimmen unmittelbar, vermittelt oder selbstvermittelt auspr¨agen kann. Entsprechend l¨asst sich die logische Form beseelten Lebens in den unmittelbaren Prozess des Lebendigen in sich, den vermittelten Prozess seines Austauschs mit artverschiedenem anderem und einen selbstvermittelnden Prozess einteilen, im Zuge dessen es sich auf anderes derselben Art bezieht517 :
Das lebendige Individuum (Insichsein des Lebendigen)
Der Lebensprozess (Vermittlung mit anderem)
Die Gattung (Selbstvermittlung im anderen)
Im logischen Fortgang ergeben sich diese Vollzugsformen immanent auseinander. So wird sich zeigen, dass im Prozess des Lebendigen in sich, seiner Empfindung und Selbstbewegung, schon der Verweis auf seinen Austausch mit anderem, die Assimilation, und in dieser wiederum der Verweis auf die Vermittlung mit anderem derselben Art, den Gattungsprozess, liegt. Skizzenhaft ¨ lassen sich die entsprechenden logischen Uberg¨ ange folgendermaßen vorwegnehmen: Weil sich leibhaft verk¨orpertes, pr¨areflexiv-selbstbez¨ugliches Sichbestimmen in Bestimmtem unmittelbar auf sich bezieht, eignet ihm Empfinsen bezogenen Ausschnitt des Objektkontinuums unmittelbar anhaftete, sondern Ergebnis einer unreflektierten Besetzung. 517 Vgl. Der erste Prozeß ist, sich durch sich selbst mit sich zusammenzuschließen; der ” zweite, durch ein abstrakt Anderes sich mit sich zusammenzuschließen; das dritte Verh¨altnis ist das der Einheit von beiden, Beziehung auf Anderes, das seiner Gattung ist“ [V10,212187−91].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
dungsf¨ahigkeit oder Sensibilit¨at. Als leibhaftiges (Sich)Bestimmen geh¨ort zu ihm zugleich Aktivit¨at, die durch eigenleibliche Empfindung bedingt ist, und damit Irritabilit¨at. Da leibhaftiges (Sich)Bestimmen nicht isoliert, sondern im Objektkontinuum verankert auftritt und daher Wirkungen ausgesetzt ist, die seinem (Sich)Bestimmen nicht unmittelbar unterstehen, st¨oßt durch Irritabilit¨at gepr¨agtes, eigenleibliches (Sich)Bestimmen auf solches, was ihm Widerstand leistet. Da dieser Widerstand verm¨oge seiner Sensibilit¨at f¨ur das Lebendige selbst besteht, muss es damit pr¨apropositional zwischen Eigenem und Fremdem unterscheiden – ein Vollzug, den Hegel das Voraussetzen einer Welt“ ” nennt. Solches Voraussetzen ist unreflektiertes Besetzen von Ausschnitten des Empfindungsraums mit attraktiven und repulsiven Charakteren. Da derartiges Besetzen jedoch nur angemessen gefasst werden kann, wenn es als Bestimmen gefasst wird, das im Empfinden selbst verbleibt und nicht etwa schon (proto)praktisch ist, liegt in der Form empfindenden Voraussetzens die abgrenzende Beziehung auf (proto)praktisches Bestimmen von vorausgesetztem Fremdem und damit den realen Austausch des Lebendigen mit von ihm Verschiedenem, das ihm sinnlich gegeben ist. Dieser Prozess gr¨undet n¨aher darin, dass selbsthaft Lebendiges das zu Lebendigem geh¨orige Gef¨alle von intraorganismischem Sollen und Sein, seiner pr¨areflexiven Selbstbeziehung gem¨aß, selbst leiblich als Schmerz und Bed¨urftigkeit empfinden muss. Insofern Assimilation der Ausgleich dieses Gef¨alles durch gesteuerten Ordnungstransfer aus der Umgebung des lebendigen Individuums in dieses ist und verm¨oge seines Voraussetzens von anderem auch f¨ur das Lebendige selbst solches da sein kann, was seinem Mangel abzuhelfen vermag, geh¨ort zum lebendigen Individuum Begierde. Ist Assimilation der begierdegeleitete Prozess pr¨areflexiv-(proto)praktischen Einbeziehens von solchem, was ein als Mangel empfundenes Ordnungsgef¨alle zwischen intraorganismischem Sollen und Sein auszugleichen vermag, l¨asst sich dieser Prozess aber u¨ berhaupt nur bestimmt fassen, wenn ausdr¨ucklich gemacht wird, dass das assimilierte andere nicht von derselben Art ist wie das assimilierende Individuum. In der logischen Form der Assimilation liegt daher selbst schon der abgrenzende Bezug auf die Form des Austauschs mit solchem, was von derselben Art ist wie das lebendige Individuum, und damit der Gattungsprozess. 3.5.4.3 Der Prozess des lebendigen Individuums in sich Der Prozess des lebendigen Individuums in sich l¨asst sich naheliegend im Hinblick darauf einteilen, dass es sich erstens als Zentrum pr¨areflexivselbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in einem teleologisch organisierten Ausschnitt des Objektkontinuums – seinem Leib – auf sich beziehen muss (Sensibilit¨at) und als Zentrum leibhaftigen (Sich)Bestimmens zugleich, durch seine Sensibilit¨at zwar nicht determiniert obgleich bedingt, unmittelbar eigenleiblich bestimmt (Irritabilit¨at). Insofern ein Zentrum beseelten Lebens u¨ ber seinen Leib
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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empfundenen Einwirkungen von außen untersteht und der empfundene Leib darum nicht um- und widerstandslos dem t¨atigen Bestimmen des Individuums gehorcht, ergibt sich drittens die Empfindung von solchem, das dem eigenleiblichem Bestimmen widersteht und insofern pr¨areflexiv als Fremdes vorausgesetzt wird. Im wesenslogischen Begriff des Voraussetzens, den Hegel dabei ins Spiel bringt, liegt zweierlei: Empfundenes pr¨asentiert sich dem lebendigen Individuum zwar nicht einfach von sich her mit dem Charakter des Fremden, sondern verdankt diesen Charakter dem Zusammenspiel mit einer Bestimmungsleistung des Individuums, indem dieses Empfundenem erst den Charakter des Fremden verleiht, insofern es seinem leiblichen (Sich)Bestimmen widersteht. Da solches unmittelbare Sichbestimmen aber pr¨apropositional und pr¨areflexiv ist, reflektiert es dieses Verleihen nicht als solches und verleiht Empfundenem den Charakter des Fremden daher derart, dass es diesen voraussetzt. Voraussetzen markiert n¨amlich solches Setzen von Bestimmtheit, das sich nicht als Setzen reflektiert, so dass es an sich Selbstgeleistetes bloß unmittelbar vorfindet. Die Reihe Sensibilit¨at-Irritabilit¨at-Voraussetzen markiert somit die logische Abfolge von unmittelbarem Bestimmtsein (Sensibilit¨at), der dadurch bedingten Aktivit¨at (Irritabilit¨at) sowie der Empfindung des Gehemmtseins dieser Aktivit¨at518. Die skizzierte Einteilung des inneren Lebensprozesses lebendiger Individu518
Gem¨aß Hegels Bestimmung markiert die Sensibilit¨at das rein nur in sich selbst Er” zittern der Lebendigkeit [...] das Insichseyn, nicht als abstracte Einfachheit, sondern eine unendlich bestimmbare Receptivit¨at, welche in ihrer Bestimmtheit nicht ein mannichfaltiges und a¨ usserliches wird, sondern schlechthin in sich reflectirt ist“ [12,18526−29]. Dabei ist die Rede vom Erzittern in sich“ eine holistische Metapher: Aufgrund der Verfasstheit des Emp” findungsraums kann sich eine punktuelle Einwirkung auf den K¨orper im empfundenen Leib n¨amlich ganzheitlich fortpflanzen und bedingt nicht einfach eine gleichfalls bloß punktuelle Ver¨anderung. Dies liegt daran, dass die in die Einheit des Sichbeziehens aufgenommene Bestimmtheit keine Mannigfaltigkeit darstellt, die anderes nur außer sich hat, wie dies im (entschr¨ankten) Objektkontinuum der Fall ist, sondern in eine Einheit eingeht, in der Mannigfaltiges, das sich objektseitig a¨ ußerlich ist, ineins besteht, indem etwa auseinanderliegende Glieder des K¨orpers in die u¨ bergreifende Empfindung eines Leibes eingehen: Die Sensibilit¨at ist damit Daseyn der in sich seyenden Seele“, insofern sich unbestimmtes selbstbez¨ugliches Sichbestim” men in bestimmtem Sein derart auf sich bezieht, dass es ihm an sich a¨ ußerliche Bestimmtheit in ein (momentan) als Ganzes bezogenes Ineins integriert: Die Sensibilit¨at kann somit als das Da” sein der in sich seienden Seele betrachtet werden, da sie alle Aeusserlichkeit in sich aufnimmt, dieselbe aber in die vollkommene Einfachheit der sich gleichen Allgemeinheit zur¨uckf¨uhrt“ [12,18532−35]. Dagegen markiert die Irritabilit¨at laut Hegel die Er¨offnung der Negativit¨at, ” welche im einfachen Selbstgef¨uhl eingeschlossen“ ist [12,18537−38]. Hiermit ist gemeint, dass selbstbez¨ugliches Sichbestimmen im einfachen Gef¨uhl unmittelbaren Bestimmtseins noch nicht zum Tragen kommt, sich als solches aber entfalten muss. Irritabilit¨at meint nun aber gerade solches sinnlich informierte (Sich)Bestimmen. Im eigenleiblichen (Sich)Bestimmen liegt zugleich die Empfindung des solchem Bestimmen gegen¨uber Widerst¨andigen und insofern das Voraussetzen von Fremdem: Die Selbstbestimmung des Lebendigen ist sein Urtheil oder Verendli” chung, wonach es sich auf das Aeusserliche als auf eine vorausgesetzte Objectivit¨at bezieht, und in Wechselwirkung damit ist“ [12,1861−3].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
en weicht insofern von derjenigen Hegels ab, als dieser das Voraussetzen zwar erw¨ahnt, jedoch nicht dieses, sondern die Reproduktion, verstanden als immanentes Zehren des Organismus von sich, als dritte Form ansetzt519 . Solches Zehren, das sich real als Mobilisierung von Energiereserven vollziehen mag, ist aber nichts, wof¨ur die Selbstbeziehung des Organismus konstitutiv ist, und bildet daher keine spezifische Prozessform beseelten Lebens, sondern ist den objektivierend fassbaren Lebensprozessen zuzurechnen, die im Teleologiekapitel ihren systematischen Ort haben. Was Hegel in der Logik Sensibilit¨at“ nennt, markiert die pr¨apropositionale ” Beziehung leibhaftiger Zentren pr¨areflexiven Sichbestimmens auf ihnen in Gestalt eines teleologisch organisierten Ausschnitts des Objektkontinuums vorgegebene Bestimmtheit520. Da diese Beziehung ein internes Verh¨altnis markiert, muss derart einbezogene Bestimmtheit im Vergleich dazu, wie sie außer diesem Verh¨altnis als bloßer Ausschnitt des Objektkontinuums auftritt, verwandelt sein. Denn w¨ahrend in letzterem alles bloß außereinander ist und daher nirgendwo ein Ineins von Mannigfaltigem vorliegt, bedeutet dessen Integration in die Selbstbeziehung des Lebendigen, dass solches, was an sich außereinander ist, in ein Ineins zusammengenommen ist, das Hegel darum den absoluten ” Raum“ nennt, weil in ihm solches, was an sich außer und insofern nur relativ aufeinander ist, in ein ganzheitliches Zumal einbezogen ist. Ein Zentrum selbstbez¨uglichen Sichbestimmens ist entsprechend ein im Kontinuum leibhaft verankertes Einzelnes, f¨ur das solches, was im Kontinuum nur außereinander ist, zumal und ineins ist. Sensibilit¨at markiert somit gerade die unmittelbare Weise, wie objektseitiges Sein in die Einheit eines Zentrums selbstbez¨uglichen Sichbestimmens einbezogen ist. Lebendige Individuen sind verm¨oge ihrer Sensibilit¨at damit notwendig einbeziehend. Verm¨oge des unmittelbaren Einbezogensein eines organisierten Ausschnitts des Objektkontinuums in die Empfindungseinheit eigenleiblicher Selbstbeziehung bezieht beseeltes Leben nun aber keine Menge bereits diskret voneinander abgehobener Gegenst¨ande mit distinkten Eigenschaften, sondern nur ein gegliedertes Feld. Denn in der Unmittelbarkeit des Einbezogenseins liegt gerade, dass ein organisierter und damit gegliederter Ausschnitt des Objektkontinuums noch unabh¨angig von begrifflichen Bestimmungsleistungen einbezogen wird und das Einbezogene sich von sich her daher weder diskret in identifizierbare Gegenst¨ande gliedert noch gem¨aß an ihm abgehobener Eigenschaften als so und so bestimmt auftritt. Da ein Lebewesen, leiblich im Kontinuum nomologisch geschlossenen Bestimmtseins verankert, dem Angriff von Einwirkungen aus seiner Umgebung ausgesetzt ist, welche sich in seinem eigenleiblichen Empfinden niederschla519 520
Vgl. 12,18613ff. . Vgl. TW10,95f. Z.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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gen, und sich zugleich durch empfindungsinformierte, eigenleibliche Selbstbestimmung oder Irritabilit¨at auszeichnet, empfindet es auch solches, was es nicht wie seinen Leib unmittelbar, sondern allenfalls mittelbar bestimmen und ver¨andern kann. Empfindungsinformiertes eigenleibliches (Sich)Bestimmen st¨oßt daher empfindend auf den Unterschied zwischen solchem, was seiner eigenleiblichen Aktivit¨at gehorcht, und solchem, was ihr entweder u¨ berhaupt widersteht oder dem es sich allenfalls mittelbar durch Ver¨anderung der eigenleiblichen Orientierung im Kontinuum zu entziehen vermag. Darin, dass leibhaftiges (Sich)Bestimmen in seinem Vollzug auf von ihm nicht oder nicht unmittelbar Bestimmbares st¨oßt, gr¨undet das pr¨apropositional-voraussetzende Unterscheiden von Eigenem und Fremdem. Solches voraussetzende Unterscheiden fasst Hegel zwar als Urteil des Begriffs“ 521 . Jedoch kann dies im Hinblick ” auf Zentren pr¨apropositionalen Sichbestimmens noch kein abhebendes Bezugnehmen auf etwas als etwas meinen, sondern bloß ein Unterscheiden get¨onter Teilfelder im Empfindungsraum, die unreflektiert mit den Charakteren des Widerst¨andigen oder Mitg¨angigen besetzt sind522 . Das Urteil“, das zum lebendigen Individuum als Einzelnem geh¨ort523 , ” ist damit bloß Vor-Urteil oder pr¨apropositionaler, innerer Selbstaufschluss, zu dem die Unterscheidung von etwas und anderem, Mitg¨angigem und Widerst¨andigem, Eigenem und Fremdem geh¨ort. Die logische Form beseelten Lebens beinhaltet damit zwar die unterscheidende Beziehung auf etwas und anderes, jedoch keine urteilende Beziehung auf etwas als etwas. Doch was bedeutet es, zwar auf etwas (und anderes) bezogen zu sein, ohne sich auf es als so und so bestimmtes beziehen zu k¨onnen? Es bedeutet erstens, sich auf dieses Etwas nicht als anderes oder von einem selbst verschiedenes beziehen zu k¨onnen und damit nicht zwischen sich und anderem als solchem unterscheiden zu k¨onnen. Zweitens bedeutet es, auch nicht zwischen dem Etwas und seinen Bestimmungen unterscheiden zu k¨onnen, die damit seinslogische Qualit¨aten bleiben, welche unmittelbar mit der Sache eins sind und insofern als unabl¨osbare T¨onungen u¨ ber diese verbreitet sind. Drittens ergibt sich daraus ein Benommensein des Lebendigen durch das von ihm Bezogene, n¨amlich das Fehlen der M¨oglichkeit, 521 Vgl. Das Urtheil des Begriffs geht als frei aber dazu fort, das Objective als eine ” selbstst¨andige Totalit¨at aus sich zu entlassen, und die negative Beziehung des Lebendigen auf sich macht als unmittelbare Einzelnheit die Voraussetzung einer ihm gegen¨uberstehenden unorganischen Natur“ [20,22011−14], vgl. 12,1861−3. Damit geht der innerhalb des Individuums ” eingeschlossene Proceß des Lebens“ laut Hegel in die Beziehung zur vorausgesetzten Objec” tivit¨at als solcher u¨ ber“ [12,18634−35]. 522 So spricht Hegel in der Naturphilosophie von der Wahrnehmung des Tieres als einem dumpfen Unterscheiden“ im Zuge dessen nicht etwa wiederidentifizierbares Einzelnes ” als so und so bestimmt abgehoben wird, da Einzelnes und Allgemeines im Empfinden noch verschmolzen sind: Es findet hier nur die dumpfe Unterscheidung statt, indem das Andere nur ” Anderes u¨ berhaupt ist, ohne daß es zu einem in sich Unterschiedenen k¨ame“ [TW9,465 Z.]. 523 Vgl. oben Abschnitt 3.3.3.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sich von dessen Anmutungen oder T¨onungen zu distanzieren. Denn was sich nicht auf etwas als so und so beschaffen beziehen kann, vermag damit auch nicht, von einer bestimmten Beschaffenheit oder T¨onung des Bezogenen abzusehen – so, wie etwa eine Person davon absehen kann, dass sie einen anderen als unangenehm erlebt –, sondern ist der attraktiven oder repulsiven T¨onung der Sache ausgeliefert und damit insofern unfrei, als es nicht zwischen verschiedenen sachangemessenen Erfordernissen abw¨agen und m¨ogliche Verhaltensweisen als angemessen oder unangemessen bewerten kann. Da das vom lebendigen Individuum selbst nicht reflektierte Kriterium daf¨ur, ob etwas im Zuge voraussetzenden Unterscheidens von Eigenem und Fremdem auf der einen oder anderen Seite zu liegen kommt, darin besteht, ob es mit dem eigenleiblichen (Sich)Bestimmen des Individuums mitgeht“ oder ihm ” widersteht, liegt in solchem Voraussetzen nicht, dass sich ein lebendiges Individuum damit schon f¨ur sich als Einzelnes von allem unterschiede, was an sich von ihm verschieden ist. Vielmehr besteht die M¨oglichkeit, dass anderes mit dem voraussetzenden Individuum mitgeht“. Aufgrund solchen Mitgehens ” oder Mitlebens m¨ussen andere Individuen nicht unmittelbar auf der Seite des Fremden landen. Darin, dass zum Eigenen also vorpropositional auch andere Lebewesen geh¨oren k¨onnen und damit so etwas wie vorpropositionale Gemeinschaft m¨oglich ist, in der das lebendige Individuum noch nicht zwischen Ich und Wir unterscheidet, liegen die logischen Anfangsgr¨unde der M¨oglichkeit nichtinferentiellen Wissens um Fremdseelisches. Wenn sich die F¨ahigkeit eines lebendigen Individuums, zwischen sich und anderen zu unterscheiden, f¨ur es n¨amlich erst vor dem Hintergrund eines vorpropositionalen Miteinander ausbildete, w¨are der Bezug auf andere Subjekte nichts, was ein zun¨achst einsames, f¨ur sich bestehendes Subjekt erst zu erschließen h¨atte. Aus dem Mitleben wird logisch so zumindest die M¨oglichkeit einsichtig, dass die Unterscheidung zwischen Ich und Welt f¨ur das Individuum selbst nicht prim¨ar ist, sondern sich aus der urspr¨unglicheren Unterscheidung von Eigenem und Fremdem herausbildet und die Welt so von vornherein, wenngleich unreflektiert, als gemeinsam erlebt wird. Dadurch wird im Ansatz zugleich die M¨oglichkeit begreiflich, dass das Verstehen geistigen Ausdrucks nicht rein inferentiell zu sein hat, obwohl Geistiges nicht unmittelbar erleb- und verstehbar ist, sondern das Verstehen an eine gemeinsame, geschichtliche Praxis gekn¨upft ist, die eine artspezifisch gemeinsame Lebensform u¨ berformt. Insofern die Lebensform des Geistes als Gestalt der Idee nichts unmittelbar Vorhandenes, sondern wesentlich prozesshaft ist, ist die erlebbare Verst¨andlichkeit geistiger Vollz¨uge und Gestalten an das Mitleben in einem geschichtlichen Zusammenhang ge¨ kn¨upft. Daher sind etwa die sprachlichen Außerungen anderer weder unmittelbar verst¨andlich noch ist ihre Bedeutung etwas, was sich ein Individuum, das zun¨achst nur sich selbst verst¨andlich ist, aus f¨ur es zun¨achst Bedeutungslosem
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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zu erschließen h¨atte, sondern etwas, das im Zusammenhang geschichtlichen Mitlebens verst¨andlich wird524 . 3.5.4.4 Der Lebensprozess gegen anderes (Assimilation) Das Voraussetzen von anderem kann nicht bloß bedeuten, dass das voraussetzende Individuum empfindend zwischen solchem unterscheidet, was den Charakter des Fremden oder Widerst¨andigen beziehungsweise des Eigenen oder Mitg¨angigen hat. Die Unterscheidung von Eigenem und Fremdem kann dem Empfindungsraum n¨amlich nicht einfach zwei Gesichter verleihen, die einander a¨ ußerlich sind. Denn im Absetzen von etwas und anderem liegt, dass beide ihre Bestimmtheit nur haben, insofern sie von sich her ausschließend aufeinander bezogen sind und so ihr jeweils anderes als untergeordnetes Moment in sich haben. Im voraussetzenden Unterscheiden von Eigenem und Fremdem liegt daher, dass das Eigene ins Fremde und das Fremde ins Eigene reflektiert sein muss und f¨ur das Lebendige darum zugleich Fremdes im Eigenen und Eigenes im Fremden auftreten muss. Im Eigenen außer sich zu sein, markiert aber gerade die logische Form des Schmerzes, w¨ahrend zur logischen Form von Bed¨urftigkeit und Begierde geh¨ort, das Eigene im Fremden außer sich zu haben. Genauer ergibt sich der logische Begriff des Schmerzes daraus, dass das Gef¨alle von organismischem Sein und Sollen, das zu teleologischen Objekten als solchen geh¨ort, im beseelten Leben derart aufgehoben sein muss, dass es vom Lebendigen selbst pr¨apropositional bezogen und damit empfunden wird. Der logische Begriff des Schmerzes markiert entsprechend die empfindend bezogene innerorganismische Abweichung zwischen Sein und demjenigen Sollen, das durch die Lebensform des betreffenden Lebendigen vorgegeben ist und den Inbegriff seines Gedeihens ausmacht. Dass Lebendiges Schmerz empfindet, bedeutet aber gerade, dass es in sich solches tr¨agt, was seinem Gedeihen widersteht, und insofern in sich außer sich ist oder im Eigenen das Fremde auszuhalten hat. Da ein Lebewesen keine Insel organisierter Bestimmtheit im Objektkontinuum ist, sondern, leiblich in diesem verankert, dem Angriff a¨ ußerer M¨achte ausgesetzt ist, und da sein Lebensprozess darin besteht, seine eigene Form diesem Angriff entgegen gesteuert zu entfalten und aufrecht zu erhalten, ist f¨ur beseeltes Leben die Empfindung der Abweichung von eigenleiblichem Sein 524 Der Begriff des Mitlebens markiert zwar keine logische Form, doch l¨ asst sich die M¨oglichkeit des Mitlebens aus der logischen Form des Lebens einsehen. Damit wird in der Logik selbst zwar nicht ausdr¨ucklich thematisch, dass Individuen derselben Art ihre Lebensvollz¨uge koordiniert durchf¨uhren und derart eine gemeinsame Lebens- und Praxisform ausbilden. Die reale M¨oglichkeit hierzu wird dagegen aus der Logik verst¨andlich. Daher sollte die Idee zwar nicht unumwunden als Begriff einer gemeinsamen Lebens- und Praxisform gedeutet [vgl. S TEKELER -W EITHOFER 2004: 169ff.], zugleich aber von der Problematik derselben auch nicht einfach losgel¨ost werden.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
und Sollen und damit Schmerz konstitutiv, dieser also keine bloß zuf¨allige Begleiterscheinung beseelten Lebens, sondern ontologisch notwendig525 . Weil die Seinsweise des lebendigen Individuums jedoch gerade das sich mit sich zusammenschließende Realisieren und Erhalten seiner Lebensform ist, geh¨ort zu ¨ ihm nicht nur Schmerz, sondern ebenso notwendig dessen Uberwindung und Aufl¨osung. Der Schmerz ist als Empfindung eines Fremden in sich damit aber nicht ohne Bezug auf das umgekehrte Verh¨altnis m¨oglich, sich außer sich oder sein Eigenes im Fremden zu haben. Denn dass Lebendiges sich voraussetzend auf ein widerst¨andiges Außerhalb bezieht, bedeutet, dass es sich darin zugleich auf solches beziehen kann, was dem als Schmerz bezogenen Gef¨alle von eigenleiblichem Sein und Sollen Abhilfe zu verschaffen vermag. Die Empfindung des Mangels oder der Bed¨urftigkeit besteht entsprechend darin, zugleich das Fremde im Eigenen zu haben und damit Schmerz zu leiden, und das Eigene, was ihm Abhilfe verschaffen k¨onnte, außer sich zu haben, kurz, ein Außersich in sich und sich zugleich außer sich zu haben526 . Die Empfindung des Mangels richtet sich daher von sich her auf solches in der vom lebendigen Individuum vorausgesetzten Umgebung, dessen es bedarf, um die Abweichung von Sein und Sollen in ihm und damit den Schmerz zu beseitigen527 . Entsprechend ist der selbstbestimmte Vollzug, in dem Lebendiges sich sein Eigenes außer ihm aneignet, zugleich Enteignung des Fremdem in ihm528 . Dem Mangel durch Assimilation abzuhelfen, heißt daher zugleich, den Schmerz zu beseitigen529 . 525
Entsprechend ist laut Hegel der Begriff in die absolute Ungleichheit seiner mit sich ” entzweyt, und indem er ebenso die absolute Identit¨at in dieser Entzweyung ist, so ist das Lebendige f¨ur sich selbst diese Entzweyung und hat das Gef¨uhl dieses Widerspruchs, welches der Schmerz ist. Der Schmerz ist daher das Vorrecht lebendiger Naturen; weil sie der existirende Begriff sind, sind sie eine Wirklichkeit von der unendlichen Kraft, daß sie in sich die Negativit¨at ihrer selbst sind, daß diese ihre Negativit¨at f¨ur sie ist“ [12,18731–1882]. 526 Hegel f¨ uhrt aus: Nur ein Lebendiges f¨uhlt Mangel; denn nur es ist in der Natur der ” Begriff, der die Einheit seiner selbst und seines bestimmten Entgegengesetzten ist; dadurch ist es Subject. Wo eine Schranke ist, ist sie eine Negation nur f¨ur ein Drittes; eine a¨ usserliche Reflexion; Mangel aber ist sie, insofern in Einem eben so das Dar¨uberhinausseyn vorhanden, der Widerspruch als solcher gesetzt ist“ [13,16332–1643.]. So kann Hegel sagen: Von dem ” Schmerz f¨angt das Bed¨urfniß und der Trieb an“ [12,1886−7]. 527 Da Lebendiges eine bestimmte, seiner artspezifischen Lebensform mehr oder weniger entsprechende Organisation hat, bedeutet die empfundene Differenz von Sein und Sollen immer einen spezifischen Mangel, weshalb sich unterschiedliche Arten beseelten Lebens jeweils auf Unterschiedliches außer ihnen beziehen, das ihrem spezifischen Mangel abzuhelfen vermag: Das Leben ist in ihm der Widerspruch, das ist das Gef¨uhl des Mangels, des Bed¨urfnisses, und ” dieser Mangel ist spezifisch partikularisiert. Jedes Tier hat seine besondere unorganische Natur“ [V10,212176−78]. Diese S¨atze skizzieren eine ontologische Grundlegung des ethologischen Umweltbegriffs. 528 Vgl. etwa 12,18719−25. 529 Real kann nat¨ urlich nicht jedem physischen Schmerz durch Assimilation Abhilfe ver-
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Aus der Empfindung von Bed¨urftigkeit ergibt sich nicht, dass ein lebendiges Individuum ausdr¨ucklich nach assimilierbaren Instanzen von Zutr¨aglichem suchen kann, das seinem Mangel Abhilfe zu verschaffen vermag, da es gar keinen Begriff des ihm Zutr¨aglichen auszubilden vermag. Der Mangel ist daher nicht schon Ausgangspunkt eines Suchens, das nicht nur an, sondern auch f¨ur sich zielgerichtet ist, sondern nur f¨ur die blinde Regung, dem Schmerz abzuhelfen, die sich in leiblicher Selbstbewegung als Suche manifestiert, die zwar orientiert ist, ohne ein ausdr¨uckliches Ziel zu haben. Solchem Suchen kann sich das Gesuchte daher erst zeigen, sobald es als einzelnes Etwas ins Wahrnehmungsfeld eintritt. Entsprechend sucht etwa der Bussard nicht nach einer Maus, sondern sein Suchen ist insofern f¨ur ihn, obgleich nicht an sich, ziellos, als es sein Ziel erst erh¨alt, wenn er eine bestimmte Maus sieht. Die Begierde geht also f¨ur sich selbst nicht unbestimmt auf ein beliebiges Exemplar von Zutr¨aglichem aus, sondern kann ihren Anhalt nur in einzelnem Zutr¨aglichen finden, in Gestalt dessen sich Lebendiges insofern außer sich findet, als das Zutr¨agliche solches in seiner vorausgesetzten Umgebung ist, durch dessen Einbezug es sich in sich in sein Eigenes wiedereinzusetzen vermag530 . Die Begierde ist so gerade die Empfindung, sich in Gestalt eines zu assimilierenden Einzelnen außer sich zu haben. Bed¨urftigkeit und Begierde haben damit den Schmerz als Empfindung des Fremdem im Eigenen zu ihrer Voraussetzung, weil sie selbst in der unbestimmten beziehungsweise bestimmten Beziehung auf solches im Fremden bestehen, das dem Schmerz und damit der Empfindung, sich außer sich zu haben, abzuhelfen vermag. Pr¨areflexives Sichbestimmen, das durch solches in sich außer sich seiende Sich-außer-sich-Haben informiert oder bedingt ist und dessen Aufhebung betreibt, indem es das Entbehrte in sich einzubeziehen sucht, ist Trieb. Logisch gefasst ist der Trieb damit unmittelbares, objektseitig bedingtes (Sich)Bestimmen, das zugleich die Aneignung des Eigenen im Fremden und die Enteignung des Fremdem im Eigenen betreibt, oder, anders gesagt, leibhaft verk¨orpertes, pr¨areflexives (Sich)Bestimmen, das, f¨ur sich selbst außer sich, das Seinige aus seiner vorausgesetzten Umgebung in sich zu setzen sucht. Blind ist der Trieb insofern, als er Gestalt vorpropositionalen (Sich)Bestimmens ist, das seine Bedingtheit weder zu reflektieren noch von ihr Abstand zu nehmen verschafft werden, weil es Typen innerorganismischen Ordnungsgef¨alles geben kann, f¨ur die ein Lebendiges nicht ger¨ustet ist, insofern es nicht imstande ist, einen gesteuerten Ordnungstransfer aus der Umgebung herbeizuf¨uhren, der sein Gedeihen wiederherstellt. 530 Die Realisierung des Triebs ist damit kein mechanischer Ablauf und darum nichts Passives, sondern Gestalt a¨ ußerlich bedingten (Sich)Bestimmens: Insofern das Object gegen das ” Lebendige zun¨achst als ein gleichg¨ultiges Aeusserliches ist, kann es mechanisch auf dasselbe einwirken; so aber wirkt es nicht als auf ein Lebendiges; insofern es sich zu diesem verh¨alt, wirkt es nicht als Ursache, sondern erregt es. Weil das Lebendige Trieb ist, kommt die Aeusserlichkeit an und in dasselbe nur, insofern sie schon an und f¨ur sich in ihm ist; die Einwirkung auf das Subject besteht daher nur darin, daß dieses die sich darbietende Aeusserlichkeit entsprechend findet“ [12,18818−25].
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mag, und u¨ berhaupt nur an, nicht jedoch f¨ur sich nach Einzelnem von einem bestimmten Typ sucht, darum aber jedes Einzelne solchen Typs, das ihm unterkommt, unangesehen seiner Besonderheit ergreift. Dieses Ergreifen kann Assimilation“ genannt werden, weil das Lebendige ” und u¨ berhaupt alles Einzelne von der ontologischen Form der Idee das, was es integriert, nicht unver¨andert l¨asst, sondern notwendig zu einem unselbst¨andigen Aspekt des internen Verh¨altnisses macht, in dem es besteht, und sich insofern angleicht531 . 3.5.4.5 Der Gattungsprozess Mit der Assimilation hat sich gezeigt, dass leibhaft verk¨orpertes selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich nicht nur in solcher Bestimmtheit auf sich bezieht, die ihm eigenleiblich vorgegeben ist, sondern die begierdegetriebene Macht hat, auf seine Umgebung auszugreifen und sich von ihm zun¨achst verschiedenes anderes als unselbst¨andiges Glied einzuverleiben. Erst damit sind Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens Substanzen in einem anspruchsvollen Sinn, weil sie sich nicht nur im Wandel ihrer objektseitigen Bestimmtheit erhalten, sondern sich solche Bestimmtheit t¨atig integrieren. Da Zentren beseelten Lebens durch solche Integration ihre Lebensform realisieren, die an einen spezifischen Typ von Strukturen und Prozessen gekn¨upft ist, liegt es in ihrem Begriff, sich nicht Beliebiges einzuverleiben, sondern solches, was zur Realisierung ihrer spezifischen Lebensform beitr¨agt. Da zweitens bereits das bloß Lebendige grunds¨atzlich nicht in der Einzahl, sondern nur innerhalb eines Replikationszusammenhangs von Lebendigem derselben Lebensform auftritt, geh¨ort der betreffende Assimilationstyp grunds¨atzlich nie zu einem einzigen Individuum, sondern zu mehreren derselben Gattung. W¨ahrend ein lebendiges Individuum im Empfinden bloß vereinzelt ist, erweist sich sein Gattungscharakter damit insofern in der Auseinandersetzung mit seiner Umgebung, als es sich erstens typm¨aßig Bestimmtes assimilierend unterordnet und so im Wechsel seiner besonderen Bestimmungen seine eigene Lebensform erh¨alt532 . 531 Da selbstbez¨ ugliches (Sich)Bestimmen, artspezifisch konkretisiert, dasjenige am lebendigen Individuum ist, was sich und die Einheit desselben in allem Wandel erh¨alt und insofern seine Substanz ist, besteht Assimilation darin, dass das lebendige Individuum Bestimmtheit aus dem Objektkontinuum in die Einheit seines substantiellen (Sich)Bestimmens aufnimmt: Mit ” der Bem¨achtigung des Objects geht daher der mechanische Prozess in den innern u¨ ber, durch welchen das Individuum sich das Object so aneignet, daß es ihm die eigent¨umliche Beschaffenheit benimmt, es zu seinem Mittel macht, und seine Subjectivit¨at ihm zur Substanz gibt“ [12,1891−4]. 532 Vgl. Indem das lebendige Individuum, das in seinem ersten Proceß sich als Subject und ” Begriff in sich verh¨alt, durch seinen zweiten seine a¨ ußerliche Objectivit¨at sich assimilirt, und so die reelle Bestimmtheit in sich setzt, so ist es nun an sich Gattung, substantielle Allgemeinheit“ [20,22021−24].
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Damit l¨asst sich die logische Form des spezifischen Replikationstyps beseelten Lebens auch unabh¨angig von Hegels problematischem Bezug auf eine Selbstbesonderung der Gattung in verschiedene Geschlechter herleiten533 . Denn aus der notwendigen Mehrfachverk¨orperung der Gattung und der voraussetzenden Beziehung des Individuums auf ein Außerhalb ergibt sich nicht nur real die M¨oglichkeit des Aufeinandertreffens von Individuen derselben Gattung, sondern zugleich logisch die Notwendigkeit zu spezifizieren, ob sich ein Individuum in der Auseinandersetzung mit seiner Umgebung auf Individuen derselben Gattung bezieht oder nicht. Im Begriff der Assimilation als Wechselwirkung des lebendigen Individuums mit solchem anderen, das nicht von seiner eigenen Gattung ist, liegt daher schon der abgrenzende Bezug auf die Auseinandersetzung mit solchem, das von seiner eigenen Gattung ist. Daher kann der logische Begriff der Assimilation nicht unabh¨angig von dem des Gattungsprozesses gefasst werden, und dieser l¨asst sich explikativ aus jenem gewinnen. Da die Idee die konkrete, sich entwickelnde Einheit von selbstbez¨uglichem Sichbestimmen und objektseitigem Sein markiert, geh¨ort zu ihrer logischen Entfaltung die formelle Auszeichnung von Vollz¨ugen, im Zuge derer solches, was zun¨achst nicht Glied einer derartigen Einheit ist, in diese einbezogen wird. Gem¨aß den mit der Idee logisch mitgegebenen Prozessformen k¨onnen sich die Prozessglieder daher nicht a¨ ußerlich bleiben, sondern m¨ussen in interne Verh¨altnisse eintreten. Entsprechend muss auch die Wechselwirkung zwischen Individuen derselben Gattung auf eine f¨ur Zentren beseelten Lebens spezifische Form von Einheit f¨uhren. Die Wechselwirkung zwischen Individuen derselben Gattung kann daher aus logischen Gr¨unden kein Assimilationsprozess sein. Denn hierbei k¨ame es gar nicht darauf an, dass Assimilierendes und Assimiliertes derselben Gattung angeh¨oren. Daher ist eine solche Vereinigung zweier gattungsgleicher Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens zu denken, in der keines zum Objekt degradiert und der Substantialit¨at des anderen akzidentell untergeordnet wird, sondern ein Prozess, f¨ur den es unverzichtbar ist, dass die beteiligten Individuen zur selben Gattung geh¨oren, was gerade nicht (notwendig) der Fall ist, wenn eines das andere assimiliert und so zum Objekt herabsetzt. Eine symmetrische Wechselwirkung zwischen zwei Zentren selbst¨andigen Sichbestimmens kann jedoch nicht darin bestehen, dass sie zu einem solchen Zentrum verschmelzen. Denn zwei bloß beseelte Einzelne k¨onnen deshalb an sich nicht zu einem werden, weil lebendige Individuen gerade abh¨angigselbst¨andiges Sichbestimmen auszeichnet, das sich in Bestimmtem auf sich bezieht, weshalb die Selbstbeziehung des einen an sich nicht mit der Selbstbeziehung des anderen zusammenfallen kann. 533 So ist die Besonderung der Gattung laut Hegel die Beziehung des Subjekts auf ein ” anderes Subjekt seiner Gattung, und das Urteil ist das Verh¨altnis der Gattung zu diesen so gegeneinander bestimmten Individuen; die Geschlechtsdifferenz“ [20,22024−28].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Ein Austausch zwischen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, der zu einer kategorial neuen Form des Lebensprozesses f¨uhrt, kann daher nur ein Prozess sein, im Zuge dessen nicht etwa zwei Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens zu einem werden, sondern gemeinsam ein neues, von ihnen verschiedenes Zentrum hervorbringen534 . Symmetrisch kann dieser Prozess nur sein, sofern in das neue Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens gleichermaßen organismische Bestimmtheit beider Ausgangszentren eingeht und dabei ein Individuum hervortritt, das von beiden verschieden ist, w¨ahrend ihm die Form selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens sowie die spezifische Lebensform mit diesen gemeinsam ist. ¨ 3.5.4.6 Logischer Ubergang vom beseelten Leben zum Geist Der Gattungsprozess beinhaltet damit ein Verh¨altnis von Einzelnen derselben Gattung, ohne dass diese sich auf sich als Einzelne einer Gattung beziehen. Statt von einem Fremdverh¨altnis zwischen Einzelnen derselben Gattung kann man aber ebenso gut von einem Selbstverh¨altnis der Gattung in verschiedenen Einzelnen sprechen. Reflexionslogisch betrachtet liegt im Begriff des Gattungsprozesses daher schon derjenige des Geistes. Denn da zum Gattungsprozess ein Selbstverh¨altnis des Allgemeinen in verschiedenen Einzelnen geh¨ort, ist sein Begriff gar nicht fassbar, ohne ihn von dem eines Selbstverh¨altnisses des Allgemeinen im selben Einzelnen abzugrenzen. Der Begriff von Einzelnem einer Gattung, das sich auf sich als Einzelnes einer Gattung beziehen kann und in dem damit das Allgemeine als solches seinen Auftritt hat, ist aber der Begriff von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die zur Artikulation des Allgemeinen als solchen f¨ahig sind, und damit die Idee des Geistes. ¨ Begriffslogisch pointiert ergibt sich die Notwendigkeit des Ubergangs vom beseelten Leben zum Geist daraus, dass jenes zwar als (Verschr¨ankung von) Entsprechung (und Nichtentsprechung) von Begriff und Realit¨at bestimmt ist, diese Entsprechung f¨ur es aber gar nicht als solche, sondern nur unmittelbar als Empfindung besteht. Das beseelte Lebendige widerspricht seiner ontologischen Form, Entsprechung von Begriff und Realit¨at zu sein, insofern grunds¨atzlich, weil die Entsprechung zwar f¨ur es ist, ohne als solche f¨ur es zu sein: Es ist als Entsprechungsverh¨altnis bestimmt, ohne dass die Verh¨altnisglieder an ihm oder f¨ur es u¨ berhaupt als solche auftreten. Entsprechend verhalten sich im Gattungsprozess Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens derselben Gattung zueinander, ohne dass dabei die Gattung 534 Im Gattungsprozess begegnet sich die Gattung so nur in vereinzelter Gestalt: Die Gat” tung ist nun zwar die Vollendung der Idee des Lebens, aber zun¨achst ist sie noch innerhalb der Sph¨are der Unmittelbarkeit; diese Allgemeinheit ist daher in einzelner Gestalt wirklich. [...] Das Individuum ist daher zwar an sich Gattung, aber es ist die Gattung nicht f¨ur sich; was f¨ur es ist, ist nur erst ein anderes lebendiges Individuum“ [12,19018−24].
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als solche u¨ berhaupt auftr¨ate. Aufgrund der unmittelbaren Verschmolzenheit von Allgemeinem und Einzelnem im beseelten Leben f¨uhrt auch die geschlechtliche Verbindung lebendiger Individuen derselben Gattung so nur auf ein weiteres Individuum derselben Gattung, ohne dass dieses auf sich als Vereinzelung des Gattungsallgemeinen bezogen w¨are, welche diesem entspricht. Daher f¨uhrt der Gattungsprozess auf einen infiniten Progress, in dem immer nur unmittelbar Einzelnes derselben Gattung produziert wird, ohne dass das Entsprechungsverh¨altnis als solches ausdr¨ucklich wird. Da beseeltes Leben eine Gestalt selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ist und dieses sich notwendig urteilsm¨aßig artikuliert, kann es logisch nicht bei pr¨areflexiven, pr¨apropositionalen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ¨ bleiben. In deren logischer Form liegt vielmehr der immanente Ubergang zur vermittelten Gestalt der Idee und damit zur logischen Form von Zentren urteilsvermittelten (Sich)Bestimmens, welche die (Verschr¨ankung der) Entsprechung (und Nichtentsprechung) von Begriff und Realit¨at – wesentlicher Allgemeinheit und besonderer Vereinzelung –, die sie an und f¨ur sich sind, auch als sol¨ che zu artikulieren verm¨ogen. Dieser Ubergang ist hier nicht als vermeintlich ¨ zeitlicher Evolutionsprozess, sondern als logischer Ubergang thematisch. Abstrakt ergibt er sich daraus, dass f¨ur selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich in besonderer Bestimmtheit auf sich bezieht, angegeben werden muss, ob es sich auf sich als selbstvermittelndes Einzelnes bezieht oder nicht, weshalb in der pr¨areflexiven Gestalt der Idee als bloß beseeltes Leben schon die Abgrenzung von einer reflektierten liegt. Konkreter liegt, wie angedeutet, in der Form des Gattungsprozesses als eines Verh¨altnisses verschiedener Einzelner derselben Gattung schon die Abgrenzung von einem Selbstverh¨altnis der Gattung im selben Einzelnen und damit die Idee des Geistes, also des Allgemeinen, das als solches an Einzelnem zur Abhebung kommt, dessen (Sich)beziehen und (Sich)Bestimmen sich damit urteilsvermittelt und reflektiert in allgemeinen Bestimmungen artikuliert535 . In Gestalt des Geistes kommt also das Allgemeine als solches in und am Einzelnen zur Existenz536 .
¨ Der Ubergang von der unmittelbaren zur vermittelten Idee ist damit Das Werden ” des sich zu sich selbst verhaltenden, als allgemein und frey f¨ur sich existirenden Begriffes“ [12,18213−14]. Der Geist ist so die Idee, welche sich zu sich als Idee verh¨alt, das Allgemeine, ” das die Allgemeinheit zu seiner Bestimmtheit und Daseyn hat“ [12,19129−31]. 536 Hegel l¨ ¨ asst den Ubergang vom Leben zum Geist in der Logik u¨ ber den Tod verlaufen. Der Tod ist aber offenbar seiner logischen Form nach die abstrakte Negation des Lebens, der Geist dagegen die bestimmte, weil das beseelte Leben in ihm als untergeordnetes Moment aufgehoben ist. Logisch besteht keine Notwendigkeit, die abstrakte Negation des Lebens f¨ur sich festzuhalten, weil die Form des logischen Fortgangs die bestimmte Negation ist. Daher scheint der Tod eine realphilosophische Kategorie zu sein, deren R¨atsel an dieser Stelle weder gel¨ost werden k¨onnen noch m¨ussen. 535
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
3.5.5 Reflektiertes selbst¨andiges (Sich)Bestimmen (Idee des Geistes) Die Idee des Geistes ist die vermittelte Idee537 . Damit bezeichnet sie als deren zweite logische Gestalt ein konkretes Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein, das im Zeichen der Vermittlung steht und sich als solches reflektiert. Vermittlung bedeutet hier, dass die pr¨areflexive, pr¨apropositionale Versenktheit eines Zentrums selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in seine umweltsituierte Leiblichkeit aufgehoben ist und ein solches Zentrum damit sowohl zwischen sich und anderem wie zwischen sich und seiner momentanen Zust¨andlichkeit zu unterscheiden vermag, womit es sich gerade durch reflexive Selbstbeziehung auszeichnet. Da die vermittelten Formen des (Sich)Bestimmens Urteil und Schluss sind, markiert die Idee des Geistes wesentlich selbstbewusste Vollz¨uge inferentiell eingebetteten, urteilsbestimmten Ausgreifens auf das Objektkontinuum, dessen besondere Formen Erkennen und Handeln sind. Dass die Idee Prozess ist, bedeutet, dass die f¨ur die Idee des Geistes kennzeichnende Vermittlung kein statisches Verh¨altnis meinen kann. Entsprechend bezeichnet die Idee des Geistes den Prozess urteilsbestimmter, inferentiell vermittelter Verwandlung der unmittelbaren Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein, die das beseelte Leben pr¨agen. Dass Geist seiner ontologischen Form nach dieser Verwandlungsprozess ist, bedeutet, dass die begriffliche Vermittlung von leibhaftiger Selbstbestimmung und Sein real ebenso wesentlich schon erreicht, wie erst noch herbeizuf¨uhren ist. Die f¨ur die Idee des Geistes kennzeichnende Vermittlung markiert daher die Verschr¨ankung von Realit¨at und Ausstand propositional und inferentiell geleisteter Vermittlung von leibhaftiger Subjektivit¨at und Objektkontinuum. Insofern Erkennen, Handeln und Verstehen die besonderen Formen dieser Vermittlung sind, markiert die Idee des Geistes die ontologische Verfassung einer Welt, die ebenso sehr schon erkannt, handelnd bestimmt und verstanden ist, wie sie erst noch zu erkennen, handelnd zu bestimmen und zu verstehen ist. Da die Idee im (selbst)bestimmten Einbeziehen von objektseitig Bestimmbarem in ein internes Verh¨altnis von Subjektivit¨at und Objektivit¨at und damit in eine begrifflich artikulierte Welt des Geistes besteht, die erst die Vollgestalt des Wirklichen 537 In den Einteilungen und Kapitel¨ uberschriften der Logik bezeichnet Hegel diese als Idee ” des Wahren“ [12,19933] oder als das Erkennen“ [20,22116]. Da ihre besonderen Formen aber ” Erkennen und Wollen sein sollen, tragen der allgemeine Begriff und eine seiner Arten die gleiche Bezeichnung. Verst¨andlich wird dies daraus, dass der allgemeine Begriff urteilsvermitteltes Bestimmen von Bestimmbarem meint und sowohl das Erkennen im engeren Sinn wie das Wollen und Handeln Formen solchen Bestimmens sind. Da Hegel von letzterem jedoch gelegentlich auch als Idee des Geistes“ [12,19637] spricht, wird dieser Bezeichnung hier um der Eindeu” tigkeit willen der Vorzug gegeben. Dabei markiert die Idee des Geistes im Unterschied zur absoluten Idee nur die ontologische Form des endlichen Geistes.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ist, muss sich die inferentielle Vermittlung, in deren Zeichen sie steht, sowohl auf dieses Verh¨altnis selbst (3) wie auf seine Glieder (1-2) erstrecken. (1) Dass das einbeziehende Moment selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens im Zeichen von Vermittlung steht, bedeutet, dass Zentren geistigen Lebens die f¨ur das beseelte Leben kennzeichnende, unartikulierte Verschmelzung von Einzelheit und Allgemeinheit aufbrechen, indem sie sich zum Urteil als Form r¨uckbeziehenden Abhebens von allgemeiner Bestimmtheit an Bestimmbarem auslegen – insofern bildet die Idee des Geistes das Urteil der Idee“ 538 . Da die ” Idee selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen markiert, muss sich ein Zentrum geistigen Lebens im Vollzug urteilenden Bestimmens zugleich unterscheidend auf sich selbst als Subjekt dieses Vollzugs beziehen (k¨onnen). Insofern die Idee des Geistes damit wesentlich die F¨ahigkeit markiert, sich urteilend auf sich selbst zu beziehen, ist sie die Idee als Idee“ 539 oder die ausdr¨uckliche Entsprechung ” von Begriff und Objektivit¨at. Dass zur Selbstbeziehung des Geistes urteilendes Unterscheiden geh¨ort, bedeutet, dass sich ein Zentrum geistigen Lebens, statt in seiner umweltlich situierten Leiblichkeit aufzugehen, als t¨atiges Einzelnes versteht und dabei ausdr¨ucklich zwischen sich und anderem unterscheidet. Da die Idee die Verschr¨ankung der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Realit¨at markiert, muss diese Verschr¨ankung von Zentren geistigen Lebens als solche reflektiert werden540 . Sie wissen sich als Einzelne daher einer Form von Allgemeinheit verpflichtet, der sie in ihren einzelnen Vollz¨ugen nicht schon automatisch gen¨ugen und die daher normativen Charakter hat, im Hinblick auf dessen Erf¨ullung sie ihre eigenen Vollz¨uge rechtfertigen k¨onnen m¨ussen541 . (2) Als Geist vermag leibhaft verk¨orpertes selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen ausdr¨ucklich zwischen sich, seiner je wechselnden Zust¨andlichkeit, objektseitigem Sein in Gestalt a¨ ußerer Gegenst¨ande sowie anderen Lebenszentren zu unterscheiden542 . 538
Vgl. 12,1923−4. So ist nach Hegel die Idee des Erkennens die Idee, welche sich zu sich als Idee verh¨alt“ ” [12,19129−30], vgl. TW11,549f. 540 Vgl. In dieser Idee tritt der Begriff und die Wirklichkeit auseinander“ [TW4,158]. ” 541 Im Gegensatz zur pr¨areflexiven Subjektivit¨at bloß beseelten Lebens ist eine Person als Einzelnes von der ontologischen Form der Idee, wie Hegel in seiner Rechtsphilosophie n¨aher ausf¨uhrt, ein Subjekt, f¨ur das diese Subjektivit¨at ist, denn in der Person bin ich schlechthin f¨ur ” mich; sie ist die Einzelheit der Freiheit im reinen F¨ursichsein. Als diese Person weiß ich mich frei in mir selbst und kann von allem abstrahieren, da nichts vor mir als die reine Pers¨onlichkeit steht, und doch bin ich als Dieser ein ganz Bestimmtes: so alt, so groß, in diesem Raume, und was alles f¨ur Partikularit¨aten noch sein m¨ogen. Die Person ist also in einem das Hohe und das ganz Niedrige; es liegt in ihr diese Einheit des Unendlichen und schlechthin Endlichen, der bestimmten Grenze und des durchaus Grenzenlosen. Die Hoheit der Person ist es, welche diesen Widerspruch aushalten kann, den nichts Nat¨urliches in sich hat oder ertragen k¨onnte“ [TW7,95 Z.]. 542 Laut Hegel existiert die Idee frei f¨ur sich, in sofern sie die Allgemeinheit zum Elemente ” ihrer Existenz hat, oder die Objectivit¨at selbst als der Begriff ist, die Idee sich zum Gegenstand 539
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Insofern das voraussetzende Unterscheiden von Eigenem und Fremdem bereits zum bloß beseelten Leben geh¨orte, folgt aus seiner Aufhebung ins urteilsvermittelte (Sich)Bestimmen n¨amlich, dass dieses sich sowohl von seiner eigenen Zust¨andlichkeit wie von objektseitigem Sein zu unterscheiden vermag. Dass das von ihm einbezogene objektseitige Sein nun im Zeichen urteilender Vermittlung steht, bedeutet damit zweierlei: Zum einen wird es nicht nur empfindend bezogen, sondern als urteilend Artikulierbares, das propositionales (Sich)Bestimmen zu einer Welt diskreter Gegenst¨ande von gewisser allgemeiner Verfassung artikuliert, die verm¨oge ihrer Verfassung in u¨ bergreifenden, modal robusten Zusammenh¨angen stehen543 . (3) Dass urteilende und inferentielle Vermittlung ein internes Verh¨altnis von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein pr¨agt, bedeutet, dass sich solches (Sich)Bestimmen in seinem Vollzug nicht freischwebend vollziehen kann, sondern wesentlich an objektseitiges Sein gekn¨upft ist, das es zu artikulieren vermag. Dass solches objektseitiges Sein seine diskrete Bestimmtheit nicht unabh¨angig von urteilendem Bestimmen hat, bedeutet umgekehrt, dass es nicht schon an sich in ein holistisches Gef¨uge diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen gegliedert ist. Die Idee des Geistes markiert damit den Prozess urteilsvermittelten, selbstbestimmten Einbeziehens von objektseitigem Sein in einen begrifflich artikulierten Weltzusammenhang, der wesentlich an Zentren vern¨unftigen Lebens gekn¨upft ist, die in ihm leibhaft verankert sind544 . Dass sich ein solches weltkonstitutives Selbstverh¨altnis von urteilendem (Sich)Bestimmen und objekthat. Ihre zur Allgemeinheit bestimmte Subjectivit¨at ist reines Unterscheiden innerhalb ihrer, – Anschauen, das sich in dieser identischen Allgemeinheit h¨alt. Aber als bestimmtes Unterscheiden ist sie das fernere Urteil, sich als Totalit¨at von sich abzustoßen, und zwar zun¨achst als a¨ ußerliches Universum vorauszusetzen“ [20,22118−24]. Dass die Objektivit¨at selbst als der Be” griff ist“, bedeutet, dass urteilend einbezogenes, objektseitiges Sein seine diskrete Gliederung in von einander abgehobene Gegenst¨ande und Tatsachen nicht unmittelbar an sich hat, sondern nur dank der in subjektseitigen Vollz¨ugen in es investierten begrifflichen Allgemeinheit. Dabei hat die Idee sich zum Gegenstand“, insofern sich urteilendes Bestimmen zwar wesentlich als ” solches reflektiert, es im urteilend Bestimmten mit selbstgesetzter begrifflicher Allgemeinheit zu tun hat und insofern reines Unterscheiden“ innerhalb seiner ist, das sich jedoch im Resul” tat solchen Unterscheidens zun¨achst nicht reflektiert, sondern es als von sich her gegliedertes Universum voraussetzt. 543 Vgl. oben S. 288 Anm. 193 . 544 An sich wird so in einer Th¨ atigkeit der Gegensatz, die Einseitigkeit der Subjectivit¨at ” mit der Einseitigkeit der Objectivit¨at aufgehoben. Aber dieß Aufheben geschieht zun¨achst nur an sich; der Prozeß als solcher ist daher unmittelbar selbst mit der Endlichkeit dieser Sph¨are behaftet und zerf¨allt in die gedoppelte, als verschieden gesetzte Bewegung des Triebs“ [20,22217−21]. Endlich ist das urteilsvermittelte, weltintegrierende Bestimmen des Objektkontinuums im Erkennen und Handeln, insofern es sich f¨ur sich zugleich abstrakt von der derart bestimmten Welt unterscheidet und diese nicht selbst als Gestalt unbedingten Sichbestimmens begreift, die an sich dieselbe ontologische Wurzel hat wie es selbst.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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seitigem Sein u¨ berhaupt herausbilden kann, setzt voraus, dass Einbeziehendes und Einbezogenes, Bestimmendes und Bestimmbares einander nicht fremd gegen¨uberstehen, sondern unterschiedliche Gestalten ein- und derselben ontologischen Wurzel sind. Ihre zu einer Welt des Geistes artikulierte Einheit besteht darum nicht schon unmittelbar, weil die zeitlose Selbstkontraktion des Begriffs zur Objektivit¨at immer schon auf eine Sph¨are vermittelter Unmittelbarkeit gef¨uhrt hat, die zwar nicht von sich her diskret bestimmt, jedoch urteilend bestimmbar ist. Umgekehrt ist leibhaftiges selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen als solches nicht schon unmittelbar urteilsm¨aßig verfasst, sondern gewinnt solche Verfasstheit erst im Vollzug seines urteilenden Selbstaufschlusses. Daher markiert die Idee des Geistes einen Prozess, im Zuge dessen sich leibhaftiges selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen zu einem Gef¨uge von Urteilen und Schl¨ussen auslegt und dabei objektseitiges Sein erkennend und handelnd bestimmt. So bildet die Idee des Geistes die gemeinsame ontologische Form von Theorie und Praxis. Insofern sie deren gemeinsame Form bezeichnet, mag sie selbst abstrakt erscheinen. Dass Erkennen und Handeln nur besondere Weisen der Etablierung u¨ bergreifender Selbstverh¨altnisse von urteilsvermitteltem (Sich)Bestimmen und urteilend Bestimmbarem sind, wird in der Folge deutlicher werden. Zuvor ist jedoch noch zu untersuchen, inwiefern die Idee des Geistes diejenige des Lebens als bestimmte Negation aufhebt. Denn offenbar muss in der vermittelten Idee die unmittelbare aufgehoben und in ihr damit als untergeordneter Aspekt verwandelt erhalten sein. Daher kann es Geist nicht unabh¨angig von lebendiger Individualit¨at geben, die sich zum Schauplatz f¨ur den Auftritt begrifflicher Allgemeinheit als solcher macht. Dass beseeltes Leben im Geist aufgehoben ist, bedeutet zweierlei: Erstens setzt die theoretische und praktische Herausbildung urteilsvermittelter, weltintegrativer Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein das Bestehen eines unmittelbaren Verh¨altnisses von beidem in Form umweltsituierter, leibseelischer Einzelheit voraus. Dass Geist der Prozess begrifflicher Vermittlung von Subjektivit¨at und Objektivit¨at ist, bedeutet so zwar, dass dieser Prozess auf ihre welthafte Einheit f¨uhrt, die nicht einfach besteht, sondern durch ihn erst herbeigef¨uhrt wird. Urteilende Subjektivit¨at und urteilsvermittelt bestimmbares Sein m¨ussen daher gewissen Selbstand einander gegen¨uber aufweisen, weil nur solches, was nicht unmittelbar zusammenf¨allt, in Erkenntnis- und Handlungsvollz¨ugen zu u¨ bergreifender Einheit integriert werden kann. Dass die urteilende Vermittlung von Subjektivit¨at und Objektivit¨at jedoch zugleich einen Punkt ihrer unmittelbaren Einheit voraussetzt, bedeutet, dass ihre Selbst¨andigkeit einander gegen¨uber nur relativ sein kann und darum grunds¨atzlich keinen un¨uberwindbaren Graben aufspannt. Ein solcher ist in
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Form der irreduziblen, leibseelischen Einheit lebendiger, wahrnehmungsf¨ahiger und t¨atig auf eine Umwelt ausgreifender Individuen immer schon, obgleich bloß lokal und pr¨apropositional, u¨ berbr¨uckt. Entsprechend bezieht selbsthaft Lebendiges je schon pr¨areflexiv und pr¨apropositional objektseitiges Sein ein, weshalb Subjekte im Erkennen und Handeln nicht erst einen Abgrund zwischen sich und der beurteilten Realit¨at zu u¨ berbr¨ucken haben. Zweitens setzt die urteilende Vermittlung von Subjektivit¨at und Objektivit¨at nicht nur ihre unmittelbare Einheit in Gestalt leibseelischer Einzelheit voraus. Dass diese Unmittelbarkeit im Geist aufgehoben ist, bedeutet zugleich, dass sie nicht einfach neben Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens her weiterbesteht, sondern von begrifflicher Vermittlung durchdrungen ist. Daher sind die beseeltem Leben eigenen Charaktere der Empfindung, Begierde und Trieb im Geist durch die F¨ahigkeit zu urteilendem (Sich)Bestimmen informiert und verwandelt. Geist ist daher keine besondere Art beseelten Lebens und der Mensch real keine besondere Art von Tier, obgleich er Tierhaftes in sich aufhebt. Dass die unmittelbaren Charaktere und Vollz¨uge beseelten Lebens, im Geist aufgehoben, durch begriffliche Vermittlung informiert sind, bedeutet nicht, sie zeichneten sich nun selbst durch ausdr¨uckliches, urteilsvermitteltes Bestimmen aus, weil sie sonst keine Formen begrifflich informierter Unmittelbarkeit, sondern urteilender Vermittlung w¨aren. Ebenso wenig ist damit jedoch gemeint, dass leibhaftige Subjekte bloß u¨ ber die F¨ahigkeit verf¨ugten, von gewissen, selbst begriffsfreien Vollz¨ugen zur¨uckzutreten und u¨ ber diese nachtr¨aglich zu reflektieren. Vielmehr werden in dem von selbsthaft Lebendigem einbezogenen Feld, insofern es im Geist von begrifflicher Vermittlung durchsetzt ist, diskrete, wiederidentifizierbare Einzelne mit allgemeinen Charakteren zur Abhebung kommen, ohne dass solche Abhebung an ausdr¨uckliche Urteilsvollz¨uge gekn¨upft w¨are545 . Von begrifflicher Spontaneit¨at informiert, pr¨asentiert die Sinnlichkeit Zentren geistigen (Sich)Bestimmens daher nicht etwa ein Feld, das nur diffus in get¨onte, fluktuierende Teilfelder zerfiele, sondern in und aus dem sich wohlunterschiedene Gegenst¨ande mit unterscheidbaren Charakteren abheben, ohne 545 Entsprechend weisen Hegel zufolge alle geistigen Zust¨ ande dank der zu ihnen geh¨origen Abhebung von so und so charakterisierten Einzelnen einen begrifflichen Gehalt auf: Im Ich ist ” nun vielfacher innerer und a¨ ußerer Inhalt, und je nachdem dieser Inhalt beschaffen ist, verhalten wir uns sinnlich anschauend, vorstellend, erinnernd usf. Bei allem aber ist das Ich, oder in allem ist das Denken. Denkend ist somit der Mensch immer, auch wenn er nur anschaut; betrachtet er irgend etwas, so betrachtet er es immer als ein Allgemeines, fixiert Einzelnes, hebt es heraus, entfernt dadurch seine Aufmerksamkeit von anderem, nimmt es als ein Abstraktes und Allgemeines, wenn auch nur formell Allgemeines“ [TW8,83]. Dass der begriffliche Gehalt von Anschauungen und Vorstellungen sich nur durch formelle Allgemeinheit auszeichnen soll, bedeutet, dass hier nur die M¨oglichkeit besteht, ihn durch Artikulation materialer Inkompatibilit¨ats- und Folgebeziehungen auf andere, in die geistige Einheit eines Ich einbezogene Gehalte zu beziehen und dadurch genauer zu bestimmen.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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dass sich solches Abgehobensein allein ausdr¨ucklichen Urteilsvollz¨ugen verdankte. Dass die unmittelbare Idee in der vermittelten, die ontologische Form beseelten Lebens in derjenigen des Geistes aufgehoben ist, bedeutet umgekehrt, dass in urteilendes (Sich)Bestimmen aspekthaft Charaktere bloß beseelten Lebens eingehen. Entsprechend kann Hegel von einem Trieb des Wissens“ spre” chen546 , ohne sich eines Kategorienfehlers schuldig zu machen oder bloß metaphorisch zu sprechen. Logisch markiert der Trieb zwar eine Vollzugsform bloß beseelten Lebens, n¨amlich leibhaftiges, von der Empfindung, sich außer sich zu haben informiertes, pr¨areflexives (Sich)Bestimmen, das sich sein Außer-sich anzueignen sucht, indem es sich mit diesem t¨atig zusammenschließt. Doch hat auch vern¨unftiges (Sich)Bestimmen sich in Gestalt von Erkennbarem, jedoch noch Unerkanntem außer sich, zu dem es zwar an sich in demjenigen begrifflich vermittelten Verh¨altnis zu stehen vermag, das empirische Wahrheit auszeichnet, faktisch jedoch noch nicht steht. Daher ist auch urteilsvermittelndes (Sich)Bestimmen insofern Trieb, als es vom Streben in Atem gehalten ist, die Fremdheit von noch unerkannt Einbezogenem aufzuheben, indem es sich dieses urteilend zu eigen macht. Da ad¨aquate Verh¨altnisse von begrifflich vermitteltem selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein nicht unmittelbar bestehen, sondern Geist der Prozess ihrer Herbeif¨uhrung ist, besteht logisch die M¨oglichkeit, dass dabei etwas dazwischen kommt, was den Versuch fehlschlagen l¨asst. Solche Fehlschl¨age werden gerade aufs Konto desjenigen am urteilenden (Sich)Bestimmen gehen, was selbst nicht urteilendes (Sich)Bestimmen, sondern der in ihm aufgehobenen Unmittelbarkeit bloß beseelten Lebens zuzurechnen ist, also Leiblichkeit und Empfindung, Sinnlichkeit und Trieb. Die Herbeif¨uhrung vermittelter Selbstverh¨altnisse von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein birgt daher f¨ur sich sowohl die M¨oglichkeit des Gelingens wie des Fehlschlags in sich, weshalb die Sph¨are des Geistes ausdr¨ucklich normativ gepr¨agt ist. Denn da die ontologische Form der Idee durch das Herbeif¨uhren urteilsvermittelter Selbstverh¨altnisse von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein definiert ist, ist das Nichtzustandekommen solcher Verh¨altnisse ihrem Zustandekommen nicht gleichwertig und darum als Fehlschlag bewertbar, weil es eine Realit¨at ist, die dem Wesen oder Begriff dessen, wozu sie geh¨ort, unangemessen ist. Aus der ontologischen und epistemologischen Verschr¨ankung der gelingenden Realisierung ihres (biologischen oder vern¨unftigen) Wesens mit derartigen Fehlschl¨agen – daraus, dass jedes interne Gelingen real nur partiell sein kann – ergibt sich die spezifische Entwicklungsform von Zentren beseelten und geistigen Lebens: Sich nicht dauerhaft in intern vollendeten Vollz¨ugen sammeln zu 546
20,22229.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
k¨onnen, sondern u¨ ber diese zu neuen Vollz¨ugen hinauszustreben, in denen sich Gelingen und Fehlschlag ihrerseits verschr¨anken. Dabei geh¨oren zu den unterschiedlichen Formen der Idee des Geistes als Inbegriff wesensgem¨aßer Selbstverh¨altnisse von Selbstbestimmung und Sein unterschiedliche Formen des Gelingens und des Fehlschlags. Im Erkennen ist dies der Unterschied von Richtigem und Falschem, w¨ahrend zum Handeln, weil es das Erkennen aufhebt, zwei Typen der Angemessenheit oder Unangemessenheit geh¨oren: Denn praktisches (Sich)Bestimmen kann nicht nur ein von ihm verfolgtes Ziel im Zuge seiner Realisierung verfehlen und insofern fehlschlagen. Vielmehr sind mit der operationalen Form des (Sich)Bestimmens als solcher virtuell gewisse allgemeinverbindliche Ziele mitgegeben, deren Inbegriff das Gute ist, sodass eine Handlung, die ihr besonderes Ziel erreicht, dennoch fehlschlagen kann, indem dieses dem Maßstab des Guten zuwiderl¨auft. 3.5.5.1 Einteilung der Geistesidee Insofern Hegel die Idee des Geistes in Erkennen und Handeln als ihre besonderen Formen einteilt547 und den Geist wesentlich als T¨atigkeit“ bestimmt548, ist ” der generische Begriff zu Erkennen und Handeln gerade derjenige der T¨atigkeit. Entsprechend markieren Denken und Erkennen zwar besondere T¨atigkeiten, aber unmittelbar keine Handlungen549 . Daraus, dass Hegel das Erkennen als erste, das Handeln als zweite Form der Idee des Geistes einf¨uhrt, ergibt sich, dass das Erkennen als unmittelbares urteilendes (Sich)Bestimmen zu fassen ist, das Handeln dagegen als vermitteltes. Die relative Unmittelbarkeit des Erkennens gegen¨uber dem Handeln meint, 547 Vgl. 20,2133 . Statt von Handeln“ [12,23037] spricht Hegel in der Enzyklop¨ adie vom ” Wollen“ [20,22710]. Seine Ausf¨uhrungen machen jedoch deutlich, dass es um die ontologische ” Form solchen Wollens geht, das kein bloßes Wollen bleibt, sondern sich realisiert, und damit um Handeln. In der WdL betitelt Hegel das betreffende Kapitel als Idee des Guten“ [12,2312] und ” kennzeichnet die thematische Idee damit durch ihre angemessene Vollgestalt. Am treffendsten, weil umfassendsten, scheint jedoch der Ausdruck praktische Idee“ [12,23037]. ” 548 Vgl. 20,22217. 549 Dabei meint Erkennen inferentiell vermitteltes, urteilendes (Sich)Bestimmen, dem es wesentlich ist, angemessene Verh¨altnisse zu objektseitigem Sein zu etablieren. Darin liegt jedoch nicht, das Erkennen markiere einfach die ontologische Form inferentiell eingebetteter Artikulation wahrer Urteile. Vielmehr geh¨ort zu der ihm eigent¨umlichen Vermittlung auch die M¨oglichkeit des Fehlschlags. Wie alle Gestalten der Idee bezeichnet deshalb auch das Erkennen eine ontologische Form, der es wesentlich ist, angemessene und unangemessene Auspr¨agungen zu haben – jedoch so, dass die unangemessenen gegen¨uber den angemessenen insofern parasit¨ar sind, als sie nicht ohne den Zusammenhang mit diesen bestehen k¨onnten. Hegels Begriff des Erkennens hat damit keine Entsprechung in der u¨ blichen philosophischen Terminologie, sofern dieser Ausdruck auf wahres, begr¨undetes Urteilen eingeschr¨ankt ist, w¨ahrend Denken“ bloßes ” Urteilen oder gar bloßes Erw¨agen unangesehen von Wahrheit und Falschheit meint. Dagegen markiert Hegels Begriff des Erkennens inferentiell eingebettetes Urteilen, das zwar wesentlich wahr ist, falsches Urteilen jedoch als unselbst¨andigen Modus einschließen kann.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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dass es keine (Selbst)Bestimmung im Ausgang von oder gem¨aß eines Urteils ist, sondern im Artikulieren von Urteilen besteht550 . Entsprechend ist das Erkennen als solches nicht (notwendig) ein (Sich)Bestimmen gem¨aß eines urteilend angebbaren Ziels. Aus der Unmittelbarkeit erkennenden (Sich)Bestimmens folgt, dass man sich nicht vornehmen kann, zu urteilen, dass p, ohne dadurch zu urteilen, dass p, w¨ahrend man sich urteilend vornehmen kann, etwas zu tun, ohne es wirklich zu tun551 . Das Erkennen ist damit unmittelbares, urteilendes Ausgreifen auf objektseitiges Sein, insofern es bereits mit der Artikulation von Urteilen am Ziel ist, in denen es objektseitige Realit¨at zwar expliziert, dabei aber selbst unver¨andert l¨asst. Dagegen bildet das Handeln die vermittelte Gestalt urteilenden (Sich)Bestimmens, weil es mit der urteilenden Artikulation eines Ziels dasselbe nicht schon erreicht hat, sondern dadurch zu realisieren hat, dass es weltseitiges Sein auf die entsprechende Weise bestimmt. Zwar markieren Erkennen und Handeln ihrer ontologischen Form nach beide Vollz¨uge urteilenden (Sich)Bestimmens und damit T¨atigkeiten. Dennoch ist das Erkennen selbst kein Handeln, weil es nicht notwendig (und durchg¨angig) ein Realisieren von Absichten ist. Handeln ist dagegen als solches zweckrealisierendes urteilsvermitteltes (Sich)Bestimmen. Das Erkennen kann damit auf neue Urteile f¨uhren, ohne dass sich diese notwendig und in jedem Fall als Realisie¨ rung von Absichten erg¨aben. Der logische Ubergang von der Form des Erkennens zu der des Handelns wird jedoch u¨ ber das Beweisen als diejenige Form des Erkennens f¨uhren, die selbst am offensichtlichsten zweckrealisierend ist. Denn w¨ahrend ich erkennen kann, dass p, ohne dies vorher beabsichtigt zu haben, ist das Beweisen ein Erkennen, das Absichten wie Ich will beweisen, dass p“ ” realisiert. Damit wird sich noch innerhalb des Erkennens selbst eine besonde¨ re Form zweckrealisierender T¨atigkeit ergeben, von der aus ein Ubergang zum Handeln als zweckrealisierender T¨atigkeit u¨ berhaupt m¨oglich ist. Markiert das Handeln die vermittelte Gestalt urteilenden (Sich)Bestimmens, hat es seinen Ausgang von einem Urteilen zu nehmen. Entsprechend setzt es das Erkennen sowohl in Gestalt einer artikulierten Welt wie urteilender Zwecksetzung voraus, der gem¨aß es sich und anderes bestimmt. Im Vermittlungscharakter des Handelns liegt dabei nicht nur, mittelbare Realisation urteilenden 550 Darin liegt nicht, das Erkennen sei als Artikulation isolierter Urteile zu fassen. Aus der logischen Aufhebung des Urteils in den Schluss folgt vielmehr, dass sich das Urteilen notwendig in einem Zusammenhang m¨oglicher Begr¨undungen und Folgerungen vollzieht. Dennoch markiert das Erkennen kein (Sich)Bestimmen, das sich als solches (notwendig) gem¨aß eines Urteils vollzieht, sondern als Urteilen realisiert. 551 Dabei kann die T¨ atigkeit, die man sich vornimmt, selbst ein Erkennen sein. Doch nimmt man sich dabei in einem Urteil vor, etwas bisher nur grob Beurteiltes durch das F¨allen anderer, spezifischerer Urteile zu artikulieren. Der einzige Fall, in dem ich unmittelbar urteile, dass p, und dieses Vorhaben dann in einem vermittelten Urteil, dass p, einl¨ose, ist das Beweisen, dessen ¨ logische Form den Ubergang vom Erkennen zum Handeln bezeichnet.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
(Sich)Bestimmens zu sein, das anders als das Erkennen nicht schon mit Urteilen am Ziel ist, die sich auf bereits vorliegende Bestimmtheit beziehen, sondern sich gem¨aß solcher Urteile bestimmt, die Sachverhalte zum Inhalt haben, die erst zu realisieren sind. Dass urteilendes (Sich)Bestimmen als Handeln im Zeichen der Vermittlung steht, bedeutet zugleich, dass es kein Bestimmen objektseitigen Seins ist, das dieses an sich unmittelbar bel¨asst, wie es ist, sondern auf es selbst ver¨andernd u¨ bergreift. Erst eine dritte Gestalt der Idee des Geistes, die bei Hegel jedoch fehlt, k¨onnte im Unterschied zum Erkennen als ontologischer Form urteilenden Ausgriffs auf das Objektkontinuum das urteilende Bestimmen einer Welt markieren, die leibhaftiges urteilsvermitteltes (Sich)Bestimmen bereits handelnd gestaltet hat: Die ontologische Form des Verstehens einer gemeinsamen Welt des Geistes. Die Idee des Geistes l¨asst sich damit folgendermaßen einteilen: Idee des Erkennens
Idee des Handelns
(Idee des verstehenden Seins in einer Welt des Geistes)
Wie erl¨autert, markiert die Idee des Geistes die ontologische Form einbeziehenden Ausgreifens leibhafter Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens auf das Objektkontinuum. Solches Einbeziehen kann in zwei Richtungen verlaufen, n¨amlich entweder vom objektseitigen Sein zum (Sich)Bestimmen oder von diesem zu jenem. Dass urteilendes (Sich)Bestimmen von objektseitigem Sein bedingt wird, kennzeichnet dabei das (empirische) Erkennen, dass urteilendes (Sich)Bestimmen von sich her weltseitiges Sein bedingt, das Handeln. Dabei ist es entscheidend, das Vermittlungsverh¨altnis zwischen dem Subjekt als leibhaftem Zentrum urteilenden (Sich)Bestimmens und dem Objekt als inhomogen organisiertem, bestimmend einbezogenem Kontinuum nicht a¨ ußerlich aufzufassen. Denn erstens setzen die Seiten dieses Vermittlungsverh¨altnisses einen Punkt unmittelbarer Einheit voraus und bilden deshalb keinen absoluten, sondern nur einen relativen Gegensatz, sodass die Bedingung das Bedingte nur mittelbar u¨ ber dasjenige treffen kann, worin sie bereits mit ihm eins ist. Daher kann das Objektkontinuum das urteilende (Sich)Bestimmen, den Geist, nicht direkt, sondern nur verm¨oge der eigenleiblichen Empfindung oder Sensibilit¨at des vern¨unftigen Lebewesens bedingen. Umgekehrt ist handelndes Bestimmen
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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von weltseitigem Sein an leibhaftige Selbstbestimmung gebunden und vermag die Welt nicht etwa freischwebend zu bestimmen. Zweitens markiert die Idee ein internes Verh¨altnis von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein. Das urteilende Einbeziehen von etwas in dieses Verh¨altnis kann daher nicht darin bestehen, dass etwas a¨ ußerlich durch anderes bedingt wird. Vielmehr muss sich das Bedingende dem Bedingten anpassen und kann in diesem so nur als untergeordnetes Moment wirksam werden, ohne dessen eigener Verfassung dabei zu widerstreiten. Entsprechend kann empirisches Erkennen nicht als a¨ ußerliche Determination eines Zentrums selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens durch das Objektkontinuum verstanden werden, weil dies seinem Wesen als (Sich)Bestimmen zuwiderliefe. Urteilendes (Sich)Bestimmen kann als empirisches Erkennen durch objektseitiges Sein daher nur aspekthaft bedingt, nicht aber gesetzm¨aßig determiniert werden; und solches Bedingen ist nur dadurch m¨oglich, dass ein Leib Wirkungen aus dem Objektkontinuum ausgesetzt ist, die das leibhaft verk¨orperte selbstbez¨ugliche (Sich)Bestimmen zugleich sinnlich einbezieht und abbricht. Urteilendes (Sich)Bestimmen wird daher nicht durch vermeintlich schon objektseitig an sich bestehende Gegenst¨ande und Tatsachen determiniert, sondern in seinen selbstbestimmten Urteilsvollz¨ugen nur durch das an sich noch nicht diskret gegliederte, obgleich inhomogen organisierte Kontinuum in der Umgebung seines Leibes bedingt. Sinnlich einbezogen bildet objektseitiges Sein als Gegebenes“ keinen selbst¨andigen, sondern nur einen un” selbst¨andigen Beitrag zu epistemischer Selbstbestimmung. Die Abhebung diskreter Gegenst¨ande mit artikulierten Eigenschaften in und aus dem Zusammenhang von sinnlich Einbezogenem kann einem Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens daher selbst nicht gegeben sein, sondern verdankt sich notwendig Explikationsleistungen urteilenden (Sich)Bestimmens, die das artikulierbare Sein, das ein lebendiges Individuum verm¨oge seiner Sensibilit¨at einbezieht, durchdringen. Umgekehrt hat sich urteilendes (Sich)Bestimmen, das objektseitiges Sein handelnd bestimmt, dem so Bestimmten zugleich unterzuordnen. Denn da Handeln zielgerichtetes (Sich)Bestimmen ist, das in ein zu einer Welt gestaltetes Objektkontinuum eingebunden ist, kann sich solches Bestimmen nicht freischwebend vollziehen, sondern ist notwendig an Leiblichkeit gebunden. Dass sich handelndes (Sich)Bestimmen der Verfassung objektseitigen Seins, das es bestimmt, unterzuordnen hat, bedeutet zugleich, dass es diesem von seinem Ort aus nicht einfach beliebige Bestimmtheit a¨ ußerlich hinzusetzen kann, sondern sich dessen nomologischer Verfasstheit unterordnen muss. Handelndes (Sich)Bestimmen ist daher zwar insofern nicht determiniert, als es selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit ist, aber dennoch insofern an Gesetze objektseitigen Seins gebunden, als es Neusetzen solcher Bestimmtheit sein muss,
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
die diesem r¨uckwirkend einordbar sein muss und den Naturgesetzen insofern nicht zuwiderl¨auft552 . 3.5.6 Die theoretische Idee (Das Erkennen) Die Idee des Erkennens markiert die unmittelbare Form urteilender Etablierung interner Selbstverh¨altnisse von begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein553 . Aufgrund der Reflektiertheit solchen (Sich)Bestimmens ist das Erkennen auch f¨ur sich die Etablierung solcher Verh¨altnisse. Es unterscheidet so zwischen seinen eigenen Urteilsvollz¨ugen und objektseitigem Sein, das es nach dessen eigener Verfasstheit zu artikulieren unternimmt. Da solches Artikulieren eine Vermittlung markiert, im Zuge derer etwas dazwischen kommen kann, kann das Erkennen gelingen oder fehlschlagen. Entsprechend weist das im Erkennen beanspruchte Verh¨altnis von Urteil und objektseitigem Sein zwei verschiedene Status auf, weshalb das Urteil als Form des Erkennens zweiwertig ist. Da das Erkennen sich als urteilende Etablierung vermittelter Selbstverh¨altnisse zu objektseitigem Sein reflektiert, besteht die M¨oglichkeit seines Fehlschlags auch f¨ur es selbst. Ein Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens weiß sein Urteilen daher wesentlich als zweiwertig und sich selbst als fehlbar. An der urteilenden Vermittlung von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein lassen sich so zwar das Urteilen und der Urteilsinhalt als zwei Aspekte unterscheiden. Die Wahrheit oder Falschheit von letzterem ist real aber nicht von Urteilsvollz¨ugen abl¨osbar. Denn wenn begriffliche Allgemeinheit als solche nicht abstrakt f¨ur sich existiert und Erkennen die Etablierung interner Selbstverh¨altnisse von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein ist, kann es Urteilswahrheit nur als Ergebnis solcher Vollz¨uge geben, n¨amlich in Gestalt eines selbstbestimmt artikulierten Verh¨altnisses von Urteilsinhalt und Sache554 . Insofern das Erkennen die unmittelbare Einheit von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein aufhebt, vollzieht sich urteilendes (Sich)Bestimmen nicht freischwebend, sondern ist durch einen Aspekt unmittelbarer, sinnlich einbezogener Bestimmtheit bedingt. Weil das urteilende Bestimmen von anderem sich als solches reflektiert, ist diese Bedingtheit zugleich f¨ur es, sodass es sich nicht einfach als ungebunden, sondern als angewiesen auf artikulierbare Vorgaben erf¨ahrt555 . Insofern das Erkennen so an und f¨ur sich durch objektseitiges Sein 552
Vgl. oben Abschnitt 3.5.3. Entsprechend gilt vom Erkennen: Sein Proceß ist, den concreten Inhalt derselben [der ” objektiven Welt, C. M.] f¨ur sich als identisch mit dem Begriffe und umgekehrt diesen als identisch mit der Objectivit¨at zu setzen“ [12,19921−23]. 554 Entsprechend kann Hegel die theoretische Idee in der WdL als Idee des Wahren“ ” [12,19933] bezeichnen, in der enzyklop¨adischen Logik dagegen vom Erkennen“ [20,2233] ” sprechen. Diese Idee ist damit jeweils von einem ihrer Aspekte, ihrem resultativen und ihrem prozessualen her bezeichnet. 555 Vgl. V10,216313−26. 553
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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bedingt ist und sich auf dieses als von ihm verschiedenes bezieht, ist es endlich556 . Damit markiert die Idee des Erkennens zun¨achst nur von objektseitigem Sein informiertes, begriffliches (Sich)Bestimmen, also die ontologische Form ¨ empirisch bedingter Gegenstandserkenntnis. Der Ubergang zum unbedingten Erkennen, dessen ontologische Form die absolute Idee ist, wird nicht etwa in der Erkenntnis bestehen, dass epistemische Bedingtheit durch objektseitiges Sein nur vermeintlich besteht. Vielmehr streift empirisch bedingtes Erkennen seine a¨ ußerliche Bedingtheit allein dadurch ab, dass es sich auf das Ganze, das nie gegeben werden kann, bezieht, indem es sich als voraussetzungsloses Denken von aller a¨ ußeren Bedingtheit befreit und von da her auch objektseitiges Sein, das ihm im empirischen Erkennen scheinbar fremd gegen¨ubersteht, als Gestalt unbedingter Selbstbestimmung begreifen kann. Eine a¨ ußere Bedingtheit empirischer Erkenntnis besteht so zwar in der Tat, ist jedoch anders zu verstehen, als unmittelbar nahe liegen mag. Denn da das Erkennen bloß bedingtes, urteilendes (Sich)Bestimmen markiert, kann es durch objektseitiges Sein nicht kausal determiniert sein557 . Eine solche Determination kann deshalb nicht vorliegen, weil das durch die Idee markierte, einbeziehende Verh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein nicht in einer a¨ ußerlichen Beziehung zwischen voneinander unabh¨angigen Seiten besteht. Denn das Objektkontinuum gliedert sich, wie schon mehrfach betont, nicht unabh¨angig von epistemischen Vollz¨ugen in diskrete Tatsachen im Sinne objektseitiger Urteilsgehalte. Stellt die Objektivit¨at keine bereits von sich her gegenst¨andlich und propositional gegliederte Sph¨are dar, kann das Erkennen auch nicht durch vermeintlich diskrete Bestandst¨ucke objektseitiger Realit¨at determiniert werden. Insofern es kein a¨ ußerliches Verh¨altnis zwischen selbst¨andigen Seiten herstellt, die, in dieses Verh¨altnis einbezogen, unver¨andert bleiben, sondern diskrete, begriffliche Gliederung erst herbeif¨uhrt, geht objektseitiges Sein ins Erkennen nicht als selbst¨andiges Bestandstst¨uck ein, das das Erkennen determiniert. Als bedingtes (Sich)Bestimmen ist das Erkennen so zwar T¨atigkeit, zu der ein untergeordnetes Moment der Rezeptivit¨at geh¨ort. Dies bedeutet jedoch nicht, sinnlich Gegebenes habe selbst schon propositionalen und inferenti-
556 Vgl. Indem daher in diesem Erkennen der Begriff das Object als das seinige setzt, gibt ” sich die Idee zun¨achst nur einen Inhalt, dessen Grundlage gegeben und an dem nur die Form der Auesserlichkeit aufgehoben worden. Dieß Erkennen beh¨alt insofern in seinem ausgef¨uhrten Zwecke noch seine Endlichkeit“ [12,20033−37]. 557 Hegel formuliert dies so: Der Gegenstand, der f¨ ur den Begriff ist, ist daher hier zwar ” auch ein gegebener, aber er tritt nicht als einwirkendes Objekt, oder als Gegenstand wie er als solcher f¨ur sich selbst beschaffen sey, oder als Vorstellung in das Subject ein, sondern dieses verwandelt ihn in eine Begriffsbestimmung: es ist der Begriff, der im Gegenstand sich beth¨atigt, darin sich auf sich bezieht, und dadurch, daß er sich an dem Objecte seine Realit¨at gibt, Wahrheit findet“ [12,1993−8].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ell artikulierten Charakter, sondern nur, dass es in urteilendes (Sich)Bestimmen als unselbst¨andiges, bloß analytisch benennbares Moment eingeht. 3.5.6.1 Epistemische Selbstbestimmung Da objektseitiges Sein sich nicht selbst artikuliert und Urteile keine Wirkungen solchen Seins, sondern inferentiell eingebettete Leistungen eines von objektseitigem Sein bloß bedingten (Sich)Bestimmens sind, ist das Erkennen wesentlich frei558 . Denn auch empirische Urteile sind Leistungen bedingten selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens und keine passiven Widerfahrnisse, sondern Vollz¨uge, die ihr Subjekt sich als seine eigene, auf die Artikulation von Allgemeing¨ultigem hin orientierte Leistungen zuschreiben k¨onnen muss. Solches Urteilen kann jedoch nur darum, weil es u¨ ber seine Leiblichkeit durch objektseitiges Sein bedingtes (Sich)Bestimmen ist, das sich nicht isoliert, sondern in inferentiellen Zusammenh¨angen mit anderen Urteilen entfaltet, mehr sein als willk¨urliches, kontextfreies Affirmieren beurteilbarer Inhalte. Insofern epistemisches (Sich)Bestimmen an die Vollz¨uge einer Mannigfaltigkeit leibhaftig im Objektkontinuum verankerter Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens gekoppelt ist, besteht epistemische Freiheit wesentlich in der selbstbestimmten, durch die Formen des Begreifens, Urteilens und Schließens vermittelten Integration von Andersheit auf drei verschr¨ankten Ebenen: als F¨ahigkeit zur Selbstzuschreibung einer Mannigfaltigkeit wechselnder geistiger Vollz¨uge und Gehalte, als F¨ahigkeit zum Erfassen und Beanspruchen allgemeiner, unabh¨angig von der Partikularit¨at des Erfassenden bestehender Geltung und als F¨ahigkeit, objektseitiges Sein in wahren Urteilen durchsichtig werden zu lassen559 . ¨ Insofern die F¨ahigkeit, das Gef¨uge der eigenen Uberzeugungen selbstbestimmt zu erweitern, unabh¨angig davon ist, ob es in einem Kontext nur eine oder verschiedene, gleichermaßen rational erscheinende Weisen gibt, dies zu tun, ist epistemische Freiheit nicht inkompatibilistisch als subjektivem Belieben unterworfene Wahl zwischen affirmierbaren Gehalten zu verstehen. F¨ur eine kompatibilistische Auffassung scheint zu sprechen, dass wir dasjenige f¨ur wahr halten sollten, wof¨ur es auf der Grundlage bereits gef¨allter Urteile den besten Anhalt gibt. Von Hegelscher Warte ist diese Annahme jedoch zur¨uckzuweisen. Denn sie setzt voraus, dass epistemische Freiheit in der durch bestimmte, bereits verf¨ugbare Gr¨unde eindeutig bestimmten Auswahl aus einem Arsenal beurteilbarer Inhalte besteht, die ihrerseits fix bestimmt sind. Da zu Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens aber wesentlich die selbstin558 Vom Erkennen kann Hegel darum sagen: Der Begriff ist als Begriff f¨ ur sich, insofern ” er frey als abstracte Allgemeinheit oder als Gattung existirt“ [12,1925−6]. 559 K NAPPIK 2011 umreißt instruktiv diese drei Aspekte epistemischer Freiheit und charakterisiert sie als intersituative Ichidentit¨at, intersubjektive Ichidentit¨at und Subjekt-ObjektIdentit¨at.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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duzierte Anreicherung mit neuer begrifflicher Bestimmtheit geh¨ort, kann epistemische Freiheit nicht (nur) in Vollz¨ugen bestehen, deren Gehalt schon vorab durch bereits gef¨allte Urteile bestimmt ist. Als rationale Selbstanreicherung mit Bestimmtheit muss epistemische Freiheit vielmehr wesentlich in der F¨ahigkeit gr¨unden, produktiv mit Situationen zurechtzukommen, in denen es zun¨achst noch keinen Anhalt f¨ur das Richtige gibt – sei es, weil einander ausschließende Gehalte sich gleichberechtigt gegen¨uber stehen, oder weil unklar ist, ob und wie ein Begriff in der betreffenden Situation angemessen zu gebrauchen ist. Sowohl die produktive Bew¨altigung von Antinomien und Aporien durch Artikulation neuer Bestimmungen wie die F¨ahigkeit zur sinnvollen, den bisherigen Gebrauch erweiternden Verwendung von Begriffen in Situationen, in denen das Richtige nicht schon automatisch durch vorgegebene semantische Festlegungen bestimmt ist, lassen sich nicht kompatibilistisch verstehen. Denn selbst wenn es jeweils nur eine rationale Weise der sch¨opferischen Neubildung oder Fortbestimmung von Begriffen g¨abe, k¨onnte diese Weise nicht schon ausdr¨ucklich ¨ durch bereits artikulierte Gehalte und Uberzeugungen festgelegt sein. Epistemische Freiheit besteht daher weder in einer grundlosen Wahl zwischen bereits verf¨ugbaren Gehalten noch in der Realisierung eines seinem Gehalt nach bereits vorab bestimmten Vollzugs, sondern in der F¨ahigkeit, in einer Situation, in der das Richtige auf der Grundlage bereits artikulierter Gehalte noch gar nicht bestimmt scheint, neue Bestimmtheit auf eine Weise zu artikulieren, die sich als rational und sinvoll rechtfertigen l¨asst. Sinnvoll ist die Artikulation neuer Bestimmtheit, wenn durch sie die Schwierigkeit, auf die sie antwortet, beseitigt wird; rational, wenn sie nachtr¨aglich als begr¨undete L¨osung dieser Schwierigkeit ausgewiesen werden kann. Nachtr¨aglich muss dieser Ausweis deshalb sein, weil die betreffende Schwierigkeit innerhalb des zun¨achst verf¨ugbaren Begriffsrahmens gerade nicht aufzul¨osen war, sondern nur durch Artikulation neuer Bestimmtheit. Ist diese erst artikuliert, l¨asst sich auch zeigen, dass sie die betreffende Schwierigkeit wirklich beseitigt560 . Beispiele epistemischer Freiheit in diesem Sinn sind etwa das produktive Hinausgehen u¨ ber einander entgegengesetzte, performativ widerspr¨uchliche Bestimmungen innerhalb der Logik oder die sinnvolle Modifikation der Anwendungsbedingungen- und Anwendungsfolgen eines Begriffs angesichts neuer empirischer Befunde. Da das Erkennen im Herstellen vermittelter Selbstverh¨altnisse von (Sich) Bestimmen und Bestimmbarem besteht und die vermittelten Formen begrifflichen Sichbestimmens gerade Urteil und Schluss sind, realisiert gegenstandsbezogenes Erkennen damit Selbstverh¨altnisse zwischen solchen begrifflichen Gehalten und objektseitigem Sein. Das Erkennen markiert so minimal einen Prozess, im Zuge dessen leibhaft im Objektkontinuum verankertes (Sich)Bestimmen urteilend und schließend auf objektseitiges Sein u¨ bergreift 560
Vgl. dazu oben S. 235 f. und unten S. 597 f.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
und dadurch explikative Selbstverh¨altnisse zwischen diesem und den von ihm artikulierten begrifflichen Gehalten herstellt561 . Ein solches Selbstverh¨altnis liegt gebrochen selbst dann vor, wenn ein artikuliertes Urteil falsch ist, weil es dies nur sein kann, sofern es u¨ berhaupt Bezug auf objektseitiges Sein hat, zu dem es insofern wenigstens aspekthaft im Selbstverh¨altnis steht, es aber zugleich pr¨adikativ unangemessen expliziert. Dass das Urteilen ein Vollzug leibhaftigen (Sich)Bestimmens und durch ein Moment objektseitigen Seins bedingt ist, bedeutet, dass es nicht unmittelbar auf Gegenst¨andlichkeit auszugreifen vermag, sondern dieses Ausgreifen daran gebunden ist, dass der Urteilende Ausschnitte des Objektkontinuums sinnlich einbezieht. Objektbezogenes Urteilen weist daher, wie gezeigt, einen untergeordneten Aspekt des Gegebenseins auf, der jedoch im Zuge der immanenten Auslegung des Erkennens zu entwickelteren Formen des Urteilens und Schließens zusehends an Bedeutung verliert. Begriffslogisch wurde das Urteil – noch unabh¨angig von seiner Artikulation durch lebendige Individuen und seinem Bezug auf objektseitiges Sein – als explikatives Selbstverh¨altnis zwischen Subjekt und Pr¨adikat eingef¨uhrt. Das Urteilen unterscheidet sich als Vollzugsform des Erkennens aber wesentlich vom Urteil, wie es in der Urteilslogik thematisch war. Denn dort wurde das Urteil nur als explikatives Selbstverh¨altnis zwischen unterschiedlichen Begriffsmomenten eingef¨uhrt. Da damit aber nur eine abstrakte Form unfundierten Sichbestimmens bezeichnet war, markierte es noch keine Vollz¨uge, verm¨oge derer sich erkennende Subjekte bestimmend auf objektseitiges Sein beziehen, und so zugleich noch nichts, was f¨ur sich selbst¨andig vorliegen k¨onnte. Dagegen kennzeichnet das Urteilen als Moment des Erkennens Vollz¨uge eines Zentrums abh¨angig-selbst¨andigen (Sich)Bestimmens, das leibhaftig im Objektkontinuum verankert ist und durch Artikulation von Urteilen bestimmend auf dieses u¨ bergreift. Die Abstraktion des Urteils wird zur Konkretion des Urteilens so erst als Moment des Erkennens, weil dieses einen Prozess meint, in dem leibhaftige Subjekte inferentiell eingebettete Urteile artikulieren, die weder als bloße Gedanken ohne Objektbezug an sich schon bestehen noch objektseitiges Sein bloß abspiegeln sollen, sondern in explikativem Verh¨altnis zu solchem Sein stehen, indem sie es als so und so beschaffen bestimmen. Das Urteilen ist damit zugleich (Sich)Bestimmen und Bestimmen. Denn erstens widerf¨ahrt es dem Urteilenden nicht einfach noch fasst“ und affirmiert er dabei bereits an sich ” schon seinslogisch vorhandene Gedanken, sondern vielmehr ergibt sich das 561
Dabei schießt das Urteilen, wie die begriffslogische Entwicklung der Urteils- und Schlussformen gezeigt hat und etwa am Notwendigkeitsurteil oder dem Induktionsschluss besonders deutlich ist, gem¨aß seiner internen, strengen Allgemeinheit nicht nur u¨ ber das objektseitige Sein, das in es eingeht, sondern grunds¨atzlich u¨ ber alles objektseitige Sein u¨ ber, etwa, indem es kontrafaktisch robuste Gesetzesaussagen affirmiert, die sich nicht nur auf das beziehen, was faktisch der Fall ist.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Urteil aus seiner eigenen Artikulationst¨atigkeit562. Solches Sichauslegen zum Urteil ist aber darum zugleich Artikulation von objektseitigem Sein, weil die Idee keine Form bloßen Sichbestimmens darstellt, sondern Selbstverh¨altnisse von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein markiert. Urteilen meint als Form des Erkennens also, dass ein leibhaft im Objektkontinuum verankertes Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens derart explikative Selbstverh¨altnisse von Subjekt und Pr¨adikat artikuliert, dass diese ihrerseits in einem explikativen Selbstverh¨altnis zu objektseitigem Sein stehen und dieses artikulieren. Da die Idee interne Verh¨altnisse markiert, deren Glieder einander gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmung als untergeordnete Aspekte an sich haben, bezieht sich urteilendes (Sich)Bestimmen nicht nur seinem Gehalt nach auf Objektivit¨at, sondern auch das Urteilen selbst ist an ein Moment objektseitigen Seins gekn¨upft. Da urteilendes (Sich)Bestimmen n¨amlich leiblich im Objektkontinuum verankert ist, ist das Urteilen nicht nur aspekthaft u¨ ber die Sinnlichkeit des Urteilenden durch objektseitiges Sein bedingt, sondern das Urteilen kann sich selbst nur vollziehen, insofern es ein Moment objektseitigen Seins an sich hat, und daher notwendig zeichenvermittelt ist. 3.5.6.2 Die ontologische Form epistemischer Wahrheit Eine Darstellung der Theorie epistemischer Wahrheit, die Hegel im Abschnitt u¨ ber das Erkennen entwickelt, muss ber¨ucksichtigen, dass Hegel den Wahrheitsbegriff, wie schon erl¨autert, nicht nur im Sinn propositionaler Wahrheit versteht, die er terminologisch sogar h¨aufiger als Richtigkeit“ fasst, sondern ” zugleich im Sinn materialer oder ontologischer Wahrheit, dem gem¨aß sich von
562 Dass Denken (und Urteilen) kein Fassen (und Bejahen) an sich vorhandener Fregescher Gedanken sei, sondern selbstbestimmte Artikulation von Gedanken, ist nicht Ausdruck eines Psychologismus, der die M¨oglichkeit allgemeiner Geltung unterminiert. Denn obwohl beurteilbare Inhalte nicht schon an sich seinslogisch vorhanden sind, sondern allein Vollz¨ugen leibhaftigen (Sich)Bestimmens entspringen, kommen solche Vollz¨uge, insofern sie ihrem Gehalt nach begriffliche Allgemeinheit artikulieren, nicht bloß als partikulare Vollz¨uge eines Einzelnen in Betracht. Da jede Person eine in einem eigenen Ausschnitt des Objektkontinuums leibhaft vereinzelte und partikularisierte Gestalt des Allgemeinen qua reinem Sichbestimmen ist, f¨uhren ihre je einzelnen Urteilsvollz¨uge nicht auf solches, was nur die Bedeutung partikularer Einzelheit h¨atte. Da in solchen Vollz¨ugen vielmehr die allgemeine, operationale Form des (Sich)Bestimmens am Werk ist, artikuliert urteilendes (Sich)Bestimmen von seiner je besonderen Warte aus Gehalte, die von der Einzelheit der Vollz¨uge, in denen sie artikuliert werden, unabh¨angig sind, ohne dass Urteilen darum ein bloßes Fassen von Gedanken w¨are, denen unmittelbares Ansichsein in einem eigenen Seinsbereich zuzusprechen w¨are. Begriffslogisch l¨asst sich das Allgemeine nicht zu einem solchen Reich abstrakter Entit¨aten hypostasieren, sondern besteht nur dank einer operativen Kapazit¨at, welche sich allein in einzelnen Vollz¨ugen einzelner Subjekte verwirklicht, ohne deshalb auf solches zu f¨uhren, was selbst bloß als Einzelnes zu gelten h¨atte.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
einem wahren“ Freund oder einem wahren“ Kunstwerk sprechen l¨asst563 . ” ” Beide Wahrheitsbegriffe stehen aber nicht unverbunden nebeneinander, sondern propositionale Wahrheit bildet eine besondere Form ontologischer Wahrheit564 . Die Idee markiert n¨amlich Prozesse der Herausbildung von Selbstverh¨altnissen zwischen selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein. Solche Selbstverh¨altnisse lassen sich nach logisch unterscheidbaren Vermittlungsstufen gliedern. Insofern sie nicht unmittelbar vorliegen, sondern erst herbeigef¨uhrt werden, kann ihre Herbeif¨uhrung fehlschlagen. Daher geh¨ort zu jeder logischen Stufe der Idee im Hinblick darauf, ob sich das f¨ur sie kennzeichnende Selbstverh¨altnis von allgemeinem (Sich)Bestimmen und besonderer Bestimmtheit in einem einzelnen Fall angemessen auspr¨agt oder nicht, eine spezifische Form der Wahrheit oder Unwahrheit. Dass urteilendes (Sich)Bestimmen in demjenigen Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und ob563 Beide Wahrheitsbegriffe kontrastiert Hegel folgendermaßen: Unter Wahrheit versteht ” man zun¨achst, daß ich wisse, wie etwas ist. Dies ist jedoch die Wahrheit nur in Beziehung auf das Bewußtsein oder die formelle Wahrheit, die bloße Richtigkeit. Dahingegen besteht die Wahrheit im tieferen Sinn darin, daß die Objektivit¨at mit dem Begriff identisch ist. Dieser tiefere Sinn der Wahrheit ist es, um den es sich handelt, wenn z. B. von einem wahren Staat oder von einem wahren Kunstwerk die Rede ist. Diese Gegenst¨ande sind wahr, wenn sie das sind, was sie sein sollen, d. h. wenn ihre Realit¨at ihrem Begriff entspricht“ [TW8,369 Z.]. Auf die entsprechende Doppelung des Wahrheitsbegriffs bei Hegel hat pr¨agnant bereits Theunissen hingewiesen [vgl. T HEUNISSEN 1978a]. Wenn Robert Stern diese beiden Seiten des Hegelschen Wahrheitsbegriffs als propositionale“ und materiale“ Wahrheit unterscheidet [S TERN 1993: ” ” 645f.] und behauptet, Hegel sei an propositionaler Wahrheit im landl¨aufigen Sinne kaum interessiert ( Hegel is largely unconcerned with the question of truth as correctness“), u¨ bersieht ” er, dass Hegel in der Logik des Erkennens eine elaborierte Theorie epistemischer oder propositionaler Wahrheit entwickelt: Wenn die objective Wahrheit zwar die Idee selbst ist, als die ” dem Begriff entsprechende Realit¨at, und ein Gegenstand insofern an ihm Wahrheit haben kann oder nicht, so ist dagegen der bestimmtere Sinn der Wahrheit dieser, daß sie es f¨ur oder im subjectiven Begriff, im Wissen sey“ [12,20017−20]. Christoph Halbig hat gegen¨uber Stern daher zu Recht herausgestellt, dass Hegel u¨ ber einen pointierten Begriff sowohl ontologischer wie propositionaler Wahrheit verf¨ugt und zugleich gezeigt, dass beide nicht einfach unverbunden nebeneinander stehen: Ontologische und propositionale Wahrheit implizieren einander wech” selseitig: Identit¨at von Gehalt des Urteils und Beurteiltem kann nur deshalb erreicht werden, weil die Wirklichkeit als Gegenstand des Urteils bereits begrifflich strukturiert ist. Umgekehrt wird erst durch die epistemischen Leistungen des Subjekts diese begriffliche Struktur im Modus des F¨ur-sich-Seins angeeignet und expliziert“ [H ALBIG 2003: 40]. 564 Wolfgang K¨ unne behauptet, die Begriffe der materialen und propositionalen Wahrheit seien v¨ollig verschieden“ und bestreitet damit implizit, dass zwischen beiden ein Verh¨altnis ” ¨ logischer Uberund Unterordnung bestehen k¨onne. Zugleich wirft er Hegel vor, den materialen Wahrheitsbegriff dem propositionalen gegen¨uber grundlos als tiefer“ auszuzeichnen ” ¨ [K UNNE 2003: 105]. Hegels Auszeichnung des materialen Wahrheitsbegriffs ergibt sich jedoch gerade daraus, dass ein materialer Begriff der Wahrheit als Entsprechung von Begriff und Objektivit¨at erlaubt, propositionale Wahrheit im Widerspruch zu K¨unnes erster These als eine besondere Form innerhalb einer logischen Stufenfolge derartiger Entsprechungsverh¨altnisse einzuordnen.
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jektseitigem Sein resultiert, in dem propositionale Wahrheit besteht, ist damit ein besonderer Fall solcher, durch die Form ontologischer Wahrheit bezeichneter Selbstverh¨altnisse. So wie ein Urteil begriffliche Allgemeinheit involviert und je nach dem, ob diese in einem angemessenen oder unangemessenen Verh¨altnis zu objektseitigem Sein steht, wahr oder falsch ist, ist auch ein Freund in Abh¨angigkeit davon ein wahrer oder falscher, ob er der Form der Freundschaft, der er sein Handeln unterstellt hat, in seinen besonderen Vollz¨ugen entspricht oder nicht. Insofern Selbstverh¨altnisse von allgemeinem (Sich)Bestimmen und besonderem Bestimmtsein nicht unmittelbar angemessen verwirklicht, sondern selbstbestimmt zu verwirklichen sind, kann Einzelnes n¨amlich Instanz einer allgemeinen Form sein, ohne dass es dieser darum auch in seiner besonderen Verfassung angemessen ist, womit es eine unwahre Instanz dieses Allgemeinen bildet565 . Dieser materiale Wahrheitsbegriff ist insofern gestuft, als ein Selbstverh¨altnis von Begriff und Realit¨at, das im Hinblick auf eine Stufe als wahr zu bewerten ist, relativ auf eine andere, sofern diese ein entwickelteres Verh¨altnis bezeichnet, als unwahr gelten kann. Dies erkl¨art, wieso Hegel die Wahrheit empirischer Urteile gelegentlich pejorativ als bloße Richtigkeit abtun kann566 . Die qualitativen Urteile, die er zumeist als Beispiele anf¨uhrt, markieren im Vergleich zu entwickelteren Formen des Erkennens n¨amlich ein unentfaltetes, gleichsam bloß punktuelles, f¨ur das Erkennen mit einem abstrakten Gegensatz zwischen sich und der Welt behaftetetes Selbstverh¨altnis von begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein. 565 Zwar setzt ontologische Wahrheit propositional artikulierte Vollz¨ uge voraus, da sie mit solchem zu tun hat, was nicht unabh¨angig von Subjektivit¨at bestehen kann und Subjektivit¨at nicht unabh¨angig von propositional artikulierten, inferentiell verwobenen Vollz¨ugen besteht. Dennoch l¨asst sich der ontologische Wahrheitsbegriff nicht auf den epistemischen zur¨uckf¨uhren, wie Tilo Wesche meint [vgl. W ESCHE 2009: 360]. Entsprechend deutet Wesche Hegels Standardbeispiele folgendermaßen: Als ein wahrer Freund“ erweist sich jemand, ” ” u¨ ber den man sich in seinem Urteil nicht get¨auscht hat, weil er Erwartungen erf¨ullt, die man in einen Freund setzt. [...] Ein wahres Kunstwerk“ bew¨ahrt sich in der Zeit im Gegensatz zu ” solchen, u¨ ber die sich ein modisches Urteil get¨auscht hat“ [ebd., 360]. Damit scheint Wesche behaupten zu wollen, etwas k¨onne das, was es ist, nur entweder sein oder nicht sein, und zu bestreiten, dass etwas seine charakteristische Seinsverfassung angemessen oder unangemessen auspr¨agen kann. Aus dieser Auffassung ergibt sich ein relativistisches Verst¨andnis von Werturteilen, da alle Bewertungen ihrer Sache bloß a¨ ußerlich sein k¨onnen, wenn nichts im Hinblick darauf bewertbar ist, ob es seiner eigenen Verfassung gerecht wird oder nicht. Im Unterschied zu Wesches Auffassung ist ein unwahrer Freund aber nicht (notwendig) jemand, der unrichtigerweise als Freund beurteilt wurde, obwohl er kein Freund ist, sondern kann auch jemand sein, der in entscheidenden Situationen nicht zu seiner Freundschaft steht. Ebenso ist ein Kunstwerk, das es nicht verdient, wahr“ genannt zu werden, darum nicht bloß scheinbar, an sich also gar ” kein Kunstwerk, sondern kann auch ein nicht besonders gelungenes Kunstwerk sein – und zwar unabh¨angig von einer etwaigen modischen Fehleinsch¨atzung seines Rangs. 566 Vgl. TW8,322 Z.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Empirisches Erkennen kann nur deshalb wahr sein, weil das organisierte Objektkontinuum den Formen des Begriffs, Urteils und Schlusses nicht als fremdes Jenseits gegen¨ubersteht, das mit diesen Formen nichts zu schaffen hat, sondern sich aus der zeitlosen Selbstauslegung des Begriffs zu einem nomologisch geschlossenen, durchg¨angig bestimmbaren Ganzen ergibt. Dieses ist aufgrund seiner vermittelten Unmittelbarkeit, die der durchg¨angigen Selbstvermittlung des Begriffs entspringt, zwar nicht schon an sich in diskrete Einzelne mit begrifflich artikulierten Eigenschaften gegliedert. Da es aber nichts als die Sph¨are der Selbstauslegung des Begriffs zu einem inhomogenen Kontinuum darstellt, bildet es dem subjektiven Begriff (als Inbegriff reiner epistemischer Formen) gegen¨uber nichts Fremdes, sondern ist durchg¨angig begreifbar. Als Sph¨are der Selbstauslegung des Begriffs zu vermittelter Unmittelbarkeit, in der begrifflich artikulierte Unterschiede nur unabgehoben angelegt sind, ist objektseitiges Sein gerade darum wesentlich begreifbar, weil es gem¨aß der Formen des Begreifens, Urteilens und Schließens artikuliert werden kann567 . Es bildet damit eine Sph¨are des Begreif-, Beurteil- und Erschließbaren, ohne darum an sich schon propositional in diskrete Tatsachen gegliedert zu sein. Dass es begrifflich artikulierbar ist, bedeutet nicht, auf es seien beliebige begriffliche Unterscheidungen projizierbar. Da das Kontinuum an ihm selbst notwendig inhomogen organisiert ist, kann angemessenes epistemisches (Sich)Bestimmen auf es gerade nicht beliebige diskrete Strukturen projizieren, sondern es angemessen nur gem¨aß der kategorialen Formen begreifen, die in der Logik des objektiven Begriff dargestellt wurden. Da das Kontinuum jedoch an sich auf verschiedenen Ebenen organisiert ist, denen die kategorialen Formen Mechanismus, Chemismus und Teleologie entsprechen, gibt es nicht nur eine M¨oglichkeit, das Kontinuum in Vollz¨ugen empirischen Erkennens angemessen zu artikulieren, sondern verschiedene, die darum aber keineswegs beliebig sind. Insofern das Objektkontinuum notwendig inhomogen organisiert und damit lokal durch besondere, artikulierbare Strukturen gepr¨agt ist, die in kategorial informierten begrifflichen Vollz¨ugen zur Abhebung gebracht werden k¨onnen, ist seine Begreifbarkeit wesentlich Beurteilbarkeit und die Zweistelligkeit des Urteils, anders als etwa Quine annimmt, epistemologisch unverzichtbar. Denn aufgrund der lokal-inhomogenen Organisation des Kontinuums kann sich be567 Vgl. Hegels Behauptung: Aber damit, daß sie [die Objektivit¨ at, C. M.] als ein an-sich” seyendes Jenseits gilt, hat sie die Bestimmung der Bestimmbarkeit durch den Begriff darum wesentlich, weil die Idee der f¨ur sich seyende Begriff und das schlechthin in sich unendliche ist, worin das Object an sich aufgehoben, und der Zweck nur noch ist, es f¨ur sich aufzuheben; das Object ist daher zwar von der Idee des Erkennens als an sich seyend vorausgesetzt, aber wesentlich in dem Verh¨altniß, dass sie, ihrer selbst und der Nichtigkeit dieses Gegensatzes gewiß, zur Realisierung ihres Begriffes in ihm komme“ [12,20132−39]. Das Object ist u¨ berhaupt ” das schlechthin Bestimmbare, und in der Idee hat es diese wesentliche Seite, nicht an und f¨ur 27−29 sich gegen den Begriff zu seyn“ [12,201 ].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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greifendes Abheben von Gegenst¨anden und Tatsachen nicht nur entweder auf das Kontinuum im Ganzen oder auf letztlich willk¨urliche Ausschnitte desselben beziehen, sondern auf eine nicht willk¨urliche – n¨amlich den kategorialen Formen objektseitigen Seins gem¨aße – Weise auf organisierte Ausschnitte desselben, obwohl diese Ausschnitte an sich keinen Selbstand unabh¨angig von ihrer kategorial vermittelten Abhebung im Erkennen haben. N¨aher ist das Objektkontinuum nicht nur begreif-, und beurteil-, sondern auch erschließbar, weil es entlang seiner Determinationsachse insofern nomologisch determiniert und damit gesetzm¨aßig bestimmt ist, als aus der Beschaffenheit von Querschnitten zur Determinationsachse diejenige anderer Querschnitte zumindest im Prinzip nach Gesetzen herleitbar sein muss. Hegels Begriff der Objektivit¨at und des empirischen Erkennens ist insofern objektiv-idealistisch, als diesem Begriff gem¨aß keineswegs alles unmittelbar erkennend einbezogen wird (obgleich objektseitiges Sein wesentlich erkennbar ist), insofern auch unartikulierte Ausschnitte des Objektkontinuums Gestalt des Begriffs und damit begreifbar sind, ohne darum notwendig schon begriffen oder erkannt zu sein568 . Daraus, dass jeder Ausschnitt des Objektkontinuums erkennbar (⋄E) ist, folgt dabei nicht, es sei m¨oglich, jemals alle Ausschnitte des Objektkontinuums zu erkennen (∀x⋄Ex9 ⋄∀xEx). Letzteres ist nicht nur deshalb ausgeschlossen, weil objektseitiges Sein hinsichtlich der in ihm dicht gelagerten Bestimmtheit unaussch¨opfbar ist, sondern auch darum, weil Zentren begrifflichen (Sich)Bestimmens, die leibhaft in einem Ausschnitt des Objektkontinuums verankert sind, allein ihre Umgebung im empirischen Erkennen zug¨anglich ist. Doch auch wenn es nicht m¨oglich ist, alles zu erkennen, ist mittelbar insofern eine Erkenntnis des Ganzen m¨oglich, als es m¨oglich ist, Bestimmungen und Gesetze zu artikulieren, die entweder jeden Ausschnitt des Ganzen, allge568 Den entsprechenden Begriff objektiver Idealit¨ at erl¨autert Hegel folgendermaßen: Wenn ” man sagt, der Gedanke als objektiver Gedanke sei das Innere der Welt, so kann es so scheinen, als solle damit den nat¨urlichen Dingen Bewusstsein zugeschrieben werden. Wir f¨uhlen ein Widerstreben dagegen, die innere T¨atigkeit der Dinge als Denken aufzufassen, da wir sagen, der Mensch unterscheide sich durch das Denken vom Nat¨urlichen. Wir m¨ussten demnach von der Natur als dem Systeme des bewusstlosen Gedankens reden, als von einer Intelligenz, die, wie Schelling sagt, eine versteinerte sei“ [TW8,81 Z1]. Diese Bedeutung des Denkens und seiner ” Bestimmungen ist n¨aher darin ausgedr¨uckt, wenn die Alten sagen, der Nous regiere die Welt, – oder wenn wir sagen, es sei Vernunft in der Welt, worunter wir verstehen, die Vernunft sei die Seele der Welt, wohne ihr inne, sei ihr immanentes, ihre eigenste, innerste Natur, ihr Allgemeines“ [TW8,81 Z1]. In diesem Punkt weiß sich Hegel so mit der Metaphysik der Alten“ ” eins: Diese Metaphysik hielt somit daf¨ur, daß das Denken und die Bestimmungen des Denkens ” nicht ein den Gegenst¨anden fremdes, sondern vielmehr deren Wesen sey, oder daß die Dinge und das Denken derselben – wie auch unsere Sprache eine Verwandtschaft derselben ausdr¨uckt – an und f¨ur sich u¨ bereinstimmen, daß das Denken in seinen immanenten Bestimmungen und die wahrhafte Natur der Dinge, ein und derselbe Inhalt sey“ [21,2915−24].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
meine Typen solcher Ausschnitte oder das Ganze als solches betreffen, ohne darum alle Ausschnitte des Ganzen ersch¨opfend nach ihren partikularen Beschaffenheiten zu erkennen. Letzteres zu verlangen, w¨are nach Hegel ein Verkennen dessen, worauf es im Erkennen ankommt. Denn auch wenn es nicht m¨oglich ist, Einzelnes ersch¨opfend nach all seinen qualitativen und dispositionalen Eigenschaften zu erkennen, ist es m¨oglich, es nach seinen wesentlichen Bestimmungen zu erkennen, wie die Urteilslogik gezeigt hat. Indem empirisches Urteilen diskretes, r¨uckbeziehendes Abheben objektseitiger Bestimmtheit beinhaltet, geh¨ort zu solchem Urteilen weder ein bloßes Repr¨asentieren weltseitig schon diskret vorhandener Unterschiede noch ein Projizieren beliebiger Unterscheidungen auf das Kontinuum, sondern abhebendes Unterscheiden von Bestimmtheit, die das Kontinuum unabgehoben pr¨agt. Solches urteilende Abheben u¨ bersetzt damit analoge Bestimmtheit in die digitale Form des Urteils. Weil das Urteilen weder diskret vorhandene Unterschiede wiedergibt noch Unterschiede pr¨asentiert, die mit dem Objektkontinuum nichts zu tun haben, ist es weder Repr¨asentation noch Pr¨asentation, sondern (Re)Pr¨asentation: Es bringt begreifbare Bestimmtheit erst dadurch zu diskreter Gegenwart, dass es diese gem¨aß der reinen Formen des Denkens artikuliert. Hegel spricht vom Erkennen daher als einer Assimilation oder Verwandlung sinnlich einbezogenen, objektseitigen Seins in begriffliche Allgemeinheit569 . Dies bedeutet, dass ins Erkennen nicht objektseitiges Sein an sich eintritt, sondern nur begrifflich artikulierte Bestimmtheit, die an dem, was dem Erkennenden vom objektseitigen Sein sinnlich gegeben ist, in selbstbestimmten Vollz¨ugen zur Abhebung kommt570 . Insofern hat es das Erkennen trotz seines rezeptiven Moments nur mit seinen eigenen Bestimmungen und Begriffen zu tun, weil erst durch seine spontanen, begrifflichen Artikulationsleistungen aus dem sinnlich einbezogenen Objektkontinuum ein Zusammenhang diskreter Gegenst¨ande von gattungsm¨aßiger Bestimmtheit mit diskreten Eigenschaften hervortritt571 . 569
Vgl. Indem das Denken als th¨atig in Bezug auf Gegenst¨ande genommen wird, – als ” Nachdenken u¨ ber Etwas, so enth¨alt das Allgemeine als solches Product seiner Th¨atigkeit den Werth der Sache, das Wesentliche, das Innere, das Wahre. [...] Durch das Nachdenken wird an der Art, wie der Inhalt zun¨achst in der Empfindung, Anschauung, Vorstellung ist, etwas ver¨andert; es ist somit nur vermittels einer Ver¨anderung, daß die wahre Natur des Gegenstands zum Bewußtseyn kommt“ [20,6526–6613]. Das Erste ist, daß die noch gegebene Objectivit¨at ” in die einfache, als erste Form, somit die Form des Begriffes verwandelt wird“ [12,2106−7]. 570 Vgl. etwa TW8,78f. Z. 571 Vgl. Das Begreiffen eines Gegenstandes besteht in der That in nichts anderem, als daß ” Ich denselben sich zu eigen macht, ihn durchdringt, und ihn in seine eigene Form, d. i. in die Allgemeinheit, welche unmittelbar Bestimmtheit, oder Bestimmtheit, welche unmittelbar Allgemein ist, bringt. Der Gegenstand in der Anschauung oder auch in der Vorstellung ist noch ein a¨ ußerliches, fremdes. Durch das Begreifen wird das An-und-F¨ursichseyn, das er im Anschauen und Vorstellen hat, in ein Gesetztsein verwandelt; Ich durchdringt ihn denkend“ [12,1825−32]. Das damit artikulierte Allgemeine der Dinge ist nicht ein Subjektives, das uns zuk¨ame, son”
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Zwar kommt das Erkennen nicht ohne ein Moment der Gegebenheit aus, das in seine selbstbestimmten Urteilsvollz¨uge eingeht. Schon in der Urteilslogik wurde jedoch gezeigt, dass selbst zu qualitativen Urteilen oder Beobachtungsberichten unausdr¨ucklich inferentielle Bez¨uge auf Urteile anderer Form geh¨oren, deren Gehalt nicht unmittelbar in der Wahrnehmung ausweisbar ist. So f¨uhrt etwa der Induktionsschluss auf Urteile, deren Allgemeinheits- und Notwendigkeitsanspruch grunds¨atzlich nicht durch objektseitiges Sein gedeckt ist, das in sie eingeht, sondern u¨ ber alles Faktische u¨ berschießt. Unbeschr¨ankte All- und Notwendigkeitsurteile weisen daher ein modales oder kontrafaktisches Moment auf, das allein durch die immanente Objektivit¨at des reinen Denkens gedeckt ist. Denn aus diesem ergibt sich, dass das Objektkontinuum nomologisch geschlossen sein muss, ohne dass diese nomologische Verfassung in solchem, was es unabh¨angig von begrifflicher Artikulation ist, aufgehen k¨onnte. Da die nomologische Verfassung des Objektkontinuums im reinen Denken apriorisch nur abstrakt umrissen werden und zugleich gezeigt werden kann, dass in sie empirisch ein Kontingenzmoment eingehen muss, ist das Erkennen auch in denjenigen Urteilsvollz¨ugen, die empirisch notwendige Zusammenh¨ange und Gesetze artikulieren, niemals unabh¨angig von einem rezeptiven Moment, das in es eingeht, ohne dass solche Urteile jemals durch Beobachtung verifiziert werden k¨onnten. Empirische Wahrheit ist daher grunds¨atzlich nicht als Isomorphie zwischen Urteilsinhalt und weltseitigem Sein zu verstehen, weil Dispositions- und Gesetzesaussagen durch tats¨achlich Vorhandenes gar nicht vollst¨andig gedeckt sind, sondern u¨ ber dieses u¨ berschießen, und selbst qualitative Urteile einen impliziten Bezug auf derartige Aussagen an sich haben572 . Grunds¨atzlich ist ein Isomorphismus eine eineindeutige Zuordnung von diskreten Elementen und Relationen einer Struktur zu diskreten Elementen und Relationen einer anderen und damit ein a¨ ußerliches Verh¨altnis. Dagegen geh¨ort zum empirischen Urteidern vielmehr, als ein dem transitorischen Ph¨anomen entgegengesetztes Noumen das Wahre, Objektive, Wirkliche der Dinge selbst, wie die Platonischen Ideen, die nicht irgendwo in der Ferne, sondern als die substantiellen Gattungen in den einzelnen Dingen existieren. Erst wenn man dem Proteus Gewalt antut, d. h. sich an die sinnliche Erscheinung nicht kehrt, wird er gezwungen, die Wahrheit zu sagen [...] Die Natur, sagt Haman daher mit Recht, ist ein hebr¨aisch Wort, das mit bloßen Mitlauten geschrieben wird, zu dem der Verstand die Punkte setzen muss“ [TW9,18 Z.]. 572 Erst recht kann ein angemessenes Verst¨andnis von Geistigem, das Hegel in der Logik nicht eigens thematisiert, nicht als Isomorphie, sondern nur explikativ begriffen werden. Denn Geistiges besteht nicht in wohlunterschiedenen, diskreten Bedeutungen, die Ausschnitten des Objektkontinuums unmittelbar anhafteten. Vielmehr ist solche Bedeutsamkeit nur f¨ur denjenigen, der an (implizit) regelbestimmten Vollz¨ugen im Rahmen einer geschichtlichen Form vern¨unftigen Lebens Anteil hat. Zugleich ist das Verstehen von Geistigem als wesentlich geschichtliches u¨ ber das bloße Mitvollziehen einer solchen Lebensform hinaus gem¨aß der logischen Form bestimmender Reflexion grunds¨atzlich Entfaltung eines Potentials an Bedeutsamkeit, die im Verstandenen zwar angelegt, aber nicht schon vollst¨andig artikuliert vorhanden ist, wie jede gelungene Interpretation eines Kunstwerks zeigt, vgl. oben Abschnitt 2.2.1.2.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
len abhebendes Unterscheiden analoger Bestimmtheit. So kommen im qualitativen Urteilen an einem sinnlich einbezogenen Feld erst dank begrifflicher Vollz¨uge identifizierbare Einzelne mit allgemeinen Eigenschaften zur Abhebung. Das Urteilen ist daher urspr¨ungliches Unterscheiden und keine abbildende Wiedergabe diskreter Unterschiede, die bereits unabh¨angig von ihm vorhanden und verf¨ugbar sind. Eine Isomorphie zwischen einem Urteil und etwas anderem kann daher allenfalls bestehen, wenn dieses andere (implizit) selbst schon propositional artikuliert ist und so etwa in einer begrifflich interpretierten Wahrnehmung besteht, deren diskrete Gliederung sich der unreflektierten Investition begrifflicher Vollz¨uge verdankt573 . Insofern zur Wahrheit empirischer Urteile ein explikatives Selbstverh¨altnis von begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein geh¨ort, l¨asst sie sich, in Reflexionsbestimmungen ausgedr¨uckt, nur als Verh¨altnis der Identit¨atin-Differenz verstehen574 . Denn die Artikulation eines an sich Unartikulierten, obwohl Artikulierbaren f¨uhrt weder auf ein Verh¨altnis bloßer Identit¨at noch auf eines bloßer Differenz. Denn angemessenes Artikulieren oder Abheben von Unterschieden artikuliert oder hebt solche Unterschiede an Artikulierbarem ab, die in diesem abhebbar und explizierbar, wenngleich zun¨achst unabgehoben und unexpliziert, angelegt sind575 . Ein empirisches Urteil ist also nur wahr, wenn es vermittelst reiner Formen des Denkens an objektseitigem Sein r¨uckbeziehend abhebt, was in diesem selbst abhebbar angelegt ist (selbst wenn es dabei u¨ ber objektseitiges Sein u¨ berschießt). Die in einem wahren Urteil pr¨adizierten Bestimmungen sind insofern Bestimmungen der beurteilten Sache selbst und Wahrheit so eine Identit¨at von Denken und objektseitigem Sein. Diese Identit¨at kann aber nicht formell verstanden werden, weil das Urteil seinem Inhalt nach nicht mit einer vermeintlich schon an sich urteils- oder tatsachenm¨aßig gegliederten Welt zusammenf¨allt. Indem das Urteil an der Sache, die es bestimmt, unabgehoben angelegte Bestimmtheit unterscheidend abhebt, unterscheidet es sich vom objektseitigen Sein, mit dem es, sofern es wahr 573 Solchen Investitionen gem¨ aß kann Hegel sagen: F¨ur den Gebildeten ist in der Gegen” wart viel mehr vorhanden, als f¨ur den Ungebildeten. Dieser sieht nicht den hundertsten Theil in derselben sinnlichen Anschauung als der Gebildete“ [25/1,1257−9]. 574 Vgl. 12,2712−13. In diesem Sinn hat die klassische Ubereinstimmungsformel ¨ f¨ur Hegel ihre Berechtigung: Kant, indem er Kr. der r. Vern. S. 83 in Beziehung auf die Logik, auf die alte ” und ber¨uhmte Frage, was Wahrheit sey? zu reden kommt, schenkt vors erste als etwas triviales die Nahmenserkl¨arung, daß sie die Uebereinstimmung der Erkenntniß mit ihrem Gegenstande sey, – eine Definition, die von großem, ja von h¨ochstem Werthe ist“ [12,264−9]. 575 So f¨ uhrt Hegel aus: Es hat sich aus der Natur der Idee des Erkennens ergeben, daß ” die Th¨atigkeit des subjectiven Begriffs von der einen Seite nur als Entwicklung dessen, was im Objecte schon ist, angesehen werden muß, weil das Object selbst nichts, als die Totalit¨at des Begriffs ist. Es ist ebenso einseitig, die Analyse so vorzustellen, als ob im Gegenstand nichts sey, was nicht in ihn hineingelegt werde, als es einseitig ist zu meynen, die sich ergebenden Bestimmungen werden nur aus ihm herausgenommen“ [12,20322−28].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ist, zugleich in einem Selbstverh¨altnis steht. Wahres Urteilen ist als explikatives Selbstverh¨altnis von begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein somit nur als Identit¨at-in-Differenz zu begreifen, weil im angemessenem Artikulieren von Artikulierbarem oder abhebendem Bestimmen von abhebend Bestimmbarem wesentlich Unterschiedene ineins kommen576 . Insofern das Erkennen die vermittelte Gestalt der Idee ist, hebt es das unmittelbare Verh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein auf. Dies bedeutet nichts anderes, als dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen auf objektseitiges Sein schon unabh¨angig von Vollz¨ugen urteilenden Bestimmens bezogen ist. Insofern das unmittelbare Bezogensein auf Gegebenes aspekthaft in das Erkennen eingeht, bildet es dessen ph¨anomenales Moment, dem gem¨aß das Erkannte an sich schon beim Erkennenden oder bei uns ist. Empirische Erkenntnis ist damit nur deshalb m¨oglich, weil sich die Sachen von sich her urteilendem (Sich)Bestimmen zeigen und offenstehen. Denn leibhaftigen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens steht objektseitiges Sein, das sie als von ihnen unterschiedenes voraussetzen, u¨ ber ihre Sinnlichkeit offen. Dass die Sache so schon dank unserer (im Zuge eigenleiblicher Vollz¨uge ausrichtbaren) sinnlichen Rezeptivit¨at und Vollz¨ugen des Voraussetzens bei ” uns“ ist, heißt aber nicht, sie sei damit schon unmittelbar als erkannte bei uns577 . Die Ansicht, Gegebenes sei mehr als ein unselbst¨andiges Moment von Erkenntnis, n¨amlich ihr eigenst¨andiges Fundament, macht gerade den Mythos ” des Gegebenen“ aus578 . Da Erkennen als urteilendes (Sich)Bestimmen aber ein 576
Vom Geist kann Hegel daher sagen: Seine Productionen sind nach der Vernunftbestim” mung, daß der Inhalt sowohl der an sich seyende, als nach der Freyheit der seinige seye. Somit, indem er in seinem Anfange bestimmt ist, ist diese Bestimmtheit die gedoppelte, die des Seyenden und die des Seinigen; nach jener etwas als seyend in sich zu finden, nach dieser, es nur als das Seinige zu setzen“ [20,43723−28]. Die von ihm gewußten Bestimmungen sind allerdings ” dem Objekte innewohnend, aber zugleich durch ihn gesetzt“ [TW10,234 Z.]. 577 Entsprechend der wesentlich prozessualen Natur der explikativen Identit¨at-in-Differenz, die f¨ur epistemische Wahrheit kennzeichnend ist, kann Hegel das Erkennen seiner ontologischen Form nach als schlussf¨ormig begreifen: Die Idee ist also zun¨achst das Extrem eines ” Schlusses, als der Begriff, der als Zweck zun¨achst sich selbst zur subjectiven Realit¨at hat; das andre Extrem ist die Schranke des Subjectiven, die objective Welt. Die beyden Extreme sind darin identisch, dass sie die Idee sind; erstlich ist ihre Einheit die des Begriffs, welcher in dem einen nur f¨ur sich, in dem anderen nur an sich ist; zweytens ist die Realit¨at in dem einen abstract, in dem anderen in ihrer concreten Aeusserlichkeit. Diese Einheit wird nun durch das Erkennen gesetzt“ [12,1999−15]. Dass Begriff und Realit¨at im Subjekt nur abstrakt“ und f¨ur sich“, im ” ” ¨ Objekt dagegen nur an sich“ und in konkreter Außerlichkeit“ seien, bedeutet, dass begriffliche ” ” Allgemeinheit nur subjektseitig als solche artikuliert wird, darin aber von der der objektseitigen Sph¨are selbsttragender, unartikulierter Bestimmtheit als Gef¨uge ausdr¨ucklich von einander abgesetzter und inferentiell verkn¨upfter Bestimmungen unterschieden ist, w¨ahrend sie objektseitig nur insofern verdichtet vorliegt, als das Erkennen das Objektkontinuum gem¨aß seiner eigen Formen diskret zu artikulieren vermag. 578 Vgl. dazu oben S. 271.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
vermitteltes Verh¨altnis von Selbstbestimmung und Sein markiert, in das objektseitige Realit¨at nicht unmittelbar und unmodifiziert eingeht, kann sinnlich Gegebenes nicht selbst schon urteilsm¨aßig gegliedert sein und daher auch nicht als Erkenntnis z¨ahlen. Dass Erkenntnis ein vermitteltes Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein markiert, heißt vielmehr, dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen dieses Verh¨altnis durch seine eigenen Vollz¨uge mitleistet. Daher ist Erkennen urteilendes Abheben von real beziehungsweise sinnlich Unabgehobenem und so zwar durch Sache und Sinn informiert, darum aber kein Resultat einer Einwirkung von jener auf diesen. Sinnlich einbezogenes Sein ist im Erkennen, dem Grundsatz der Wechselbestimmung gem¨aß, urteilendem (Sich)Bestimmen vielmehr als unselbst¨andiges Moment untergeordnet. Darum ist empirisches Erkennen eine selbstbestimmte Aktivit¨at, die lediglich einen unselbst¨andigen Gegebenheitsaspekt beinhaltet579 . 3.5.6.3 Zur Typologie der Wahrheitsbegriffe Dass Hegel die Idee des Wahren in der WdL als besondere Form der Idee des Erkennens einf¨uhrt, deutet darauf hin, daß propositionale Wahrheit f¨ur ihn wesentlich epistemisch ist580 . Propositionale Wahrheit kann entsprechend keine Eigenschaft sein, die einem vermeintlich seinslogisch Vorhandenen zukommt, etwa Fregeschen Gedanken oder Bolzanoschen S¨atzen an sich, sondern ist notwendig an epistemische Vollz¨uge leibhaftiger Subjekte gekn¨upft. Denn wahr kann nur sein, was in inferentiell eingebetteten Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens artikuliert wird, weshalb nicht nur Erkenntnis nicht ohne Wahrheit, sondern auch Wahrheit nicht ohne Erkenntnis m¨oglich ist. Die Momente der ontologischen Form empirischer Erkenntnis lassen sich u¨ bersichtlich anhand der begriffsschriftlichen Darstellung der Idee des Erkennens darstellen. Dabei ist wesentlich, dass diese ein vermitteltes Selbst579 Deutlich wird dies in Hegels Bemerkung: Diß daß der Gegenstand vern¨unftig ist ” muß der Geist hervorbringen, also ist der Geist Trieb zu machen, daß der Gegenstand ein vern¨unftiger werde. [...] Der Trieb des Wissens heißt, das Sein des Gegenstandes aufzuheben, um ihn zum Gegenstand des Geistes zu machen. [...] Der Geist weil er Lebendigkeit Proceß ist nimmt er auch die Bestimmung der Unmittelbarkeit an; es ist ihm so ein Inhalt gegeben, er findet sich bestimmt. Als Geist aber, der im Objectiven nicht ein Andres weiß, setzt er sogleich das Gegebene als das Seine“ [25/1,12021–12110]. 580 Dies gilt nicht nur f¨ ur Hegels Begriff propositionaler Wahrheit im engeren Sinn, sondern f¨ur seinen ontologischen Wahrheitsbegriff u¨ berhaupt. Denn da nur spezifische Selbstverh¨altnisse von allgemeinem (Sich)Bestimmen und besonderer Bestimmtheit, von Begriff und Realit¨at, wahr sein k¨onnen, zum (Sich)Bestimmen aber die Selbstauslegung zu Urteil und Schluss geh¨ort, setzt alles, was wahr“ oder falsch“ genannt werden kann, inferentiell einge” ” bettete Urteilsvollz¨uge voraus, ohne dass etwas Wahres oder Falsches darum selbst notwendig ein Urteil oder ein Schluss zu sein brauchte. So kann es einen wahren Freund oder ein wahres Kunstwerk nur vor dem Hintergrund von Urteilsvollz¨ugen geben, ohne dass sie selbst solche Vollz¨uge w¨aren.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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verh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein markiert, dessen Glieder, weil das Verh¨altnis intern ist, wechselseitig durcheinander modifiziert sind, und zu dem es geh¨ort, die unmittelbare Form eines solchen Verh¨altnisses als untergeordneten Aspekt einzuschließen. Aus der selbstbestimmten Vermitteltheit des Erkennens folgt, dass es wesentlich explikativ und deshalb kein unmittelbares Abspiegeln von Vorhandenem ist. In seiner Vermitteltheit liegt zugleich, dass zu Erkenntnis und Wahrheit ein normatives Moment geh¨ort, insofern sie nicht unmittelbar vorliegen, sondern durch selbstbestimmte T¨atigkeit zum Vorliegen gebracht werden, die an und f¨ur sich gelingen und misslingen kann und deren Anspr¨uche daher rechtfertigungsbed¨urftig sind. Insofern Wahrheit inferentiell eingebetteten Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens entspringt, ist sie wesentlich propositional und das Erkennen wesentlich aktiv. Da sie vermittelten Vollz¨ugen selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens entspringt, hat Erkenntnis ein reflexives Moment, weswegen epistemische Vollz¨uge nicht nur an sich einen normativen Status besitzen, sondern Gegenstand normativer Einstellungen sind, gem¨aß derer Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ihre Vollz¨uge bewerten. Zentren urteilenden (Sich)Bestimmens beziehen sich im empirischen Urteilen daher zugleich auf sich selbst und begreifen ihre Urteilsvollz¨uge als Leistungen, deren Gehalte wahr oder falsch sein k¨onnen. Notwendig in Vollz¨ugen leibhaftigen (Sich)Bestimmens artikuliert, ist Wahrheit damit wesentlich an Subjektivit¨at gekn¨upft. Insofern in deren Selbstbestimmung ein Moment unmittelbaren, sinnlichen Bedingtseins eingeht, ist empirisches Erkennen keine reine Aktivit¨at, sondern bezieht einen untergeordneten Aspekt sinnlicher Bedingtheit ein. Insofern urteilendes (Sich)Bestimmen gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmung schon unabh¨angig davon, ob es wahr ist und insofern objektseitiges Sein trifft oder nicht, an ein Objektivit¨atsmoment gekn¨upft ist, sind Erkenntnis und Wahrheit wesentlich zeichengebunden und insofern notwendig semantische Bestimmungen. Umgekehrt ist objektseitiges Sein, das urteilend bezogen wird, an sich unmittelbar durch ein Subjektmoment modifiziert, insofern Zentren urteilenden (Sich)Bestimmens leibhaft im Objektkontinuum verankert sind und nur deshalb bestimmend auf es u¨ bergreifen k¨onnen. Dabei repr¨asentiert das Erkennen keine unabh¨angig von seinen Vollz¨ugen vorhandenen Tatsachen, pr¨asentiert, sofern es wahr ist, aber auch nichts, was mit der Sache selbst nichts zu tun h¨atte, sondern artikuliert zuvor unartikuliertes, obgleich artikulierbares objektseitiges Sein und ist insofern (re)pr¨asentational. Erkenntnis und Wahrheit bilden so den ingressiven (zeitlichen) beziehungsweise resultativen (zeitlosen) Aspekt einer durch ein rezeptives Moment informierten Aktivit¨at, sind an selbstbestimmte Subjektivit¨at und Leiblichkeit gekn¨upft, wesentlich propositional, explikativ, zeichenhaft, an und f¨ur sich normativ orientiert und damit
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bewertbar sowie (re)pr¨asentational. An der begriffsschriftlichen Darstellung des Erkennens lassen sich diese Momente nun folgendermaßen festmachen581 : Selbstverh¨altnis subjektseitige Aktivit¨at
objektseitiges Sein organisiert
propositional So
Os leiblich
zeichenhaft rezeptiv
tats¨achlich bewertbar
Die hier im Anschluss an Hegel entwickelte ontologische Form empirischer Wahrheit und Erkenntnis tr¨agt damit den drei Aspekten Rechnung, die nach Anton Koch nur in ihrem Zusammenspiel eine angemessene Explikation des Wahrheitsbegriffs erm¨oglichen, der in unserem empirischen Erheben bestimmter Wahrheitsanspr¨uche unausdr¨ucklich mitunterstellt wird582 . Wird Wahrheit n¨amlich als explikatives Selbstverh¨altnis von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein bestimmt, ergibt sich ein Wahrheitsbegriff, der insofern realistisch ist, als wahre Urteile ihm zufolge objektseitiges Sein artikulieren, das durch das Urteilen nicht erst erschaffen wird. Insofern urteilendes (Sich)Bestimmen ein Moment sinnlichen Gegebenseins einbezieht, hat Wahrheit zugleich einen ph¨anomenalen Aspekt, ist also auf ein Sichzeigen der Dinge angewiesen. Da empirische Wahrheit zugleich wesentlich an Vollz¨uge urteilenden (Sich)Bestimmens gekn¨upft ist, meint der ph¨anomenale Aspekt der Wahrheit nicht, erkennenden Subjekten k¨onne sich ohne ihr eigenes Zutun eine an sich schon diskret in Dinge und Tatsachen gegliederte Welt zeigen. Vielmehr verdankt sich eine solche selbst erst inferentiell eingebetteten Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens, die darum ein wesentlich normatives Moment aufweisen, weil sie als subjektseitige Leistungen gelingen oder fehlschlagen k¨onnen und deshalb rechtfertigungsbed¨urftig sind. Damit tr¨agt Hegels Wahrheitsbegriff auch dem dritten, laut Koch unverzichtbaren Moment der Wahrheit Rechnung, ihrem normativ-praktischen Aspekt. 581
Dabei ist die charakteristische Vermitteltheit des Erkennens zum Zweck u¨ bersichtlicher Darstellung sowohl u¨ ber wie unter die Zeichen f¨ur die gem¨aß dem Grundsatz der Wechselbestimmung durcheinander modifizierten Hauptmomente Subjektivit¨at und Objektivit¨at notiert. 582 Vgl. K OCH 2006a: 154–63 (§20).
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Ausgehend vom ontologischen Vollbegriff des Erkennens als vermittelter Identit¨at-in-Differenz von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein ergibt sich eine Typologie einseitiger und darum unangemessener Begriffe (empirischer) Wahrheit, indem von einzelnen Momenten der Idee des Erkennens abstrahiert wird. Entsprechend f¨uhrt diese nicht nur auf einen Begriff epistemischer Wahrheit, der sich im Rahmen kritischer Ontologie ergibt, sondern dieser Begriff bildet zugleich den Einteilungsgrund f¨ur eine Typologie unangemessener Wahrheitsbegriffe. Denn wenn Wahrheit ihrer ontologischen Form nach als mittelbares, internes Verh¨altnis von Urteilsinhalt und Sache zu denken ist, kann ein Wahrheitsbegriff entweder dadurch unangemessen sein, dass er Wahrheit 1. u¨ berhaupt nicht relational fasst, sondern nur auf der Seite eines ihrer Realata ansiedelt, sie 2. als unmittelbares oder a¨ ußerliches Verh¨altnis selbst¨andiger Relata statt als vermittelte Beziehung versteht, 3. die Wahrheitsrelation einseitig als Identit¨at oder als Differenz begreift oder 4. den Grundsatz der Wechselbestimmung, der sich aus dem internen Charakter dieser Relation ergibt, unber¨ucksichtigt l¨asst. (1) Eine Auffassung, die empirische Wahrheit nicht als Verh¨altnis von subjekt- und objektseitigem Sein denkt, kann dem realistischen Aspekt der Wahrheit keine Rechnung tragen, wonach sich leibhaftige Subjekte in wahren Urteilen angemessen auf solches beziehen k¨onnen, was durch derartige Urteile seiner Ph¨anomenalit¨at nach nicht erst hervorgebracht wird. Wird Wahrheit dagegen bloß objekt- oder subjektseitig angesiedelt, m¨usste das Wahre entweder ein Ansich sein, das schlechthin unabh¨angig von urteilender Bezugnahme besteht und von dem wir daher weder wissen k¨onnen, ob es existiert, noch, ob wir es je urteilend erreichen k¨onnen, oder eine rein subjektseitige Angelegenheit, die kein von begrifflichen Vollz¨ugen unabh¨angiges Realit¨atsmoment aufweist – ein sich selbst strickender Jacobischer Strumpf oder eine um sich kreisende McDowellsche Spindel583 . Wird das Wahre also rein objektseitig an583
Entsprechend k¨onnen Deutungen, welche den sozialen, geschichtlichen Aspekt von Hegels Erkenntnisbegriff einseitig gegen sein realistisches Moment ausspielen, nicht erkl¨aren, wie empirisches Erkennen einen begr¨undeten Anspruch auf objektive Erkenntnis weltseitigen Seins erheben kann. So besteht laut Terry Pinkard die Objektivit¨at eines Urteils in the way ” in which the judgement about the object is located within a pattern of reasoning that is not itself determined by the object but by the way in which spirit, Geist, has socially and historically come to determine itself as necessarily taking the object“ [P INKARD 2002: 258]. Damit scheint Pinkard auszuschließen, dass die Objektivit¨at eines empirischen Urteils zugleich Sache der intersubjektiv-geschichtlichen Entfaltung von Rationalit¨at und der Bestimmung erkennender Subjekte durch objektseitiges Sein sein kann. Doch nur in diesem Fall l¨asst sich der Objektivit¨atsanspruch empirischer Erkenntnis ausweisen. Was sich im Rahmen eines geschichtlichen Prozesses als notwendige Weise des Auffassens von Objekten“ darstellt, kann ” n¨amlich nur dann notwendig sein, statt bloß so zu scheinen, wenn sich die M¨oglichkeit empirischer Erkenntnis im Rahmen voraussetzungslosen Denkens rechtfertigen l¨asst. Im Zuge solcher Rechtfertigung zeigt sich jedoch, dass a priori notwendigen, kategorialen Auffassungsweisen
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
gesetzt, ergibt sich ein metaphysischer Realismus, der sich letzten Endes skeptisch zersetzt. Wird Wahrheit umgekehrt einseitig auf der Seite des Subjekts ansiedelt, ergibt sich eine Koh¨arenztheorie der Wahrheit. Eine Koh¨arenztheorie der Wahrheit ist klar von einer Koh¨arenztheorie des Erkennens zu unterscheiden. Denn einer Koh¨arenztheorie der Wahrheit gem¨aß besteht Wahrheit in einem bestimmten Zusammenhang zwischen Urteilen. Dem entgegen ist ein solcher Zusammenhang von Hegels Warte aus zwar das einzig sinnvolle Kriterium empirischer Wahrheit, markiert jedoch nicht, worin Wahrheit besteht. Der Verweis auf Koh¨arenz beantwortet daher allenfalls die Frage, wie man erkennen kann, ob ein Urteil wahr ist, nicht aber, was Wahrheit ist. Nach unserer Rekonstruktion ergibt sich aus Hegels Erkenntnislogik damit eine Koh¨arenztheorie empirischer Erkenntnis, jedoch keine empirischer Wahrheit584 . (2) Wird Erkenntnis als Entsprechung zwischen selbst¨andigen Relata genommen, die ohne Vermittlungsprozess bestehen soll, ergibt sich ein Parallelismus von Denken und Sein im Sinne Spinozas585 . Dessen Kehrseite ist eine Form der Wahrheitsskepsis, die Wahrheit nach dem gleichen Modell denkt, jedoch in Frage stellt, dass wir jemals wissen k¨onnen, ob ein solcher Parallelismus wirklich besteht. Selbst wenn Wahrheit nicht als unmittelbar bestehendes Verh¨altnis aufgefasst, sondern als Resultat eines Vermittlungsprozesses bestimmt wird, k¨onnen die Glieder des Verh¨altnisses selbst unzul¨assig als unmittelbar begriffen werden. Wird eine Form von Erkenntnis angenommen, die unmittelbar bei den Dingen oder sinnlich Gegebenem sein soll, wird vergessen, dass in alle diskrete Bestimmung von etwas als etwas subjektseitige Leistungen begrifflichen (Sich)Bestimmens eingehen. Ein direkter Realismus l¨asst sich Hegel auch deshalb nicht zuschreiben, weil empirisches Erkennen seiner ontologischen Form gem¨aß nicht unmittelbar Objekte einbezieht, sondern sein Objektbezug u¨ ber die Sinnlichkeit einer leibseelischen Einheit vermittelt ist, sein rezeptives Moment aber nichts weniger als Erkenntnis ist, sondern nur in spontane, begriffliche Vermittlungsleistungen miteingeht, deren Resultat empirisch wahre Urteile sein k¨onnen586 . von Objekten objektseitig die Artikulierbarkeit durch derartige Auffassungsweisen entsprechen muss und dass sinnlich einbezogenes, artikulierbares Sein real unabtrennbares Moment empirischer Erkenntnis ist. 584 Hinsichtlich reiner Erkenntnis ist Hegel zugleich Koh¨ arenztheoretiker der Wahrheit, weil reines Denken sich nicht artikulierend auf objektseitiges Sein bezieht, sondern seine Wahrheit allein durch und in seiner immanenten Selbstentfaltung haben kann. 585 Vgl. Ordo, & connexio idearum idem est, ac ordo, & connexio rerum“ [S PINOZA 1677: ” 123]. Zu Hegels kritischen Bemerkungen hierzu vgl. 11,37713−20. 586 Es ist deshalb irref¨ uhrend, Hegel einen direkten Realismus zuzuschreiben. Laut Christoph Halbig werden nach Hegel Begriffe nicht auf mentale Produkte der rezeptiven Verm¨ogen ” angewendet; den Inhalt eines wahren Urteils bildet vielmehr die begriffliche Struktur des Sachverhalts als Teil der Wirklichkeit, auf die es sich bezieht. Hier liegt der Kern von Hegels antirepr¨asentationalistischem direktem Realismus“ [H ALBIG 2003: 36]. Hegels objektiver Idea-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Da solche Urteile selbst nicht gegeben sein k¨onnen, sondern allein Leistungen selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens entspringen, unterl¨auft Gegebenes grunds¨atzlich die propositionale Form der Wahrheit und kann darum keine Erkenntnis sein. Wird jedoch umgekehrt das Unmittelbarkeitsmoment im Wahrheitsverh¨altnis u¨ bersehen, ger¨at der ph¨anomenale Aspekt empirischer Wahrheit außer Sicht und damit die M¨oglichkeit, objektseitiges Sein erkennend zu artikulieren. (3) Wird Wahrheit einseitig als formelle Identit¨at zwischen dem Inhalt subjektseitiger Urteile und objektseitigen Tatsachen gefasst, wie dies in Identit¨atstheorien der Wahrheit geschieht, wird Wahrheit gleichfalls unbegreiflich587 . Denn weil sie keinen Platz f¨ur die Unterschiedenheit von Denken und Sein hat, muss die Identit¨atstheorie Wahrheit entweder verdinglichen oder intellektualisieren588 . Wird die Identit¨at objektivierend gefasst, muss von weltseitigen bestehenden Tatsachen ausgegangen werden, denen sich unsere Urteile ihrem Gehalt nach bis zur Ununterscheidbarkeit anzuschmiegen h¨atten589 . Dabei lismus besteht dem entgegen nicht in der Annahme, die Wirklichkeit zerfalle schon an sich in Sachverhalte als wohlunterschiedene Teile“, auf die wir im Erkennen direkt zugreifen. Das ein” zige, worauf Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens direkt bezogen sind, ist ihr eigener Leib, dessen Empfindung noch keine Erkenntnis markiert. Gegenstandsbezogene Erkenntnis ist dagegen sowohl objekt- wie subjektseitig vermittelt, weil sinnlich rezipiertes objektseitiges Sein aspekthaft in selbstbestimmte Urteilsvollz¨uge eingeht. Einen indirekten oder mittelbaren Realismus vertritt Hegel jedoch, insofern er empirische Wahrheit als explikatives oder artikulatives Selbstverh¨altnis zwischen dem Gehalt urteilenden (Sich)Bestimmens und objektseitigem Sein fasst. Zwar bezieht sich ein wahres Urteil dabei nicht auf etwas ihm schlechthin Fremdes, sondern auf solches, was derselben ontologischen Wurzel entstammt wie es selbst und damit notwendig begreif-, beurteil- und erschließbar ist. Auf Gegenst¨ande und Tatsachen ist das Erkennen so aber grunds¨atzlich nicht direkt bezogen, sondern nur u¨ ber verwickelte, bloß analytisch voneinander abhebbarer Prozesse des Empfindens, Voraussetzens und kategorial informierten Urteilens und Schließens. 587 Eine Identit¨atstheorie der Wahrheit schreiben Hegel etwa Baldwin und Halbig zu. So l¨asst sich Hegels Theorie epistemischer Wahrheit laut Halbig in moderner Terminologie als ” Identit¨atstheorie der Wahrheit bestimmen; sie besteht in der These, dass the truth of a judgment ” consists in the identity of the judgement’s content with a fact“. Der Identit¨atstheorie zufolge ist ein Urteil dann wahr, wenn sein propositionaler Gehalt und der beurteilte Sachverhalt in der Wirklichkeit nicht bloß, wie in den Korrespondenztheorien der Wahrheit gefordert, in einer ¨ bestimmten Form der Ubereinstimmung miteinander stehen, sondern wenn beide identisch sind. Der Sachverhalt als Teil der Wirklichkeit selbst bildet im Falle wahrer Urteile deren Gehalt“ [H ALBIG 2003: 38.], vgl. BALDWIN 2004. 588 Auf diese gegenl¨aufigen Tendenzen weist pr¨agnant Pascal Engel hin: The identification ” can be read in two directions: If we want to take into account the notion of identity, we have to remember that the identity A true thought is a fact‘ can be read both from right to the left, ’ nudging thoughts towards the world, and from left to right, nudging the world towards thought“ [E NGEL 2001]. Bei einem formellen Verst¨andnis von Identit¨at l¨ost die Identit¨atstheorie der Wahrheit die Welt daher entweder in Gedanken auf oder verdinglicht Gedanken zu weltseitig bestehenden oder in einem eigenen Reich subsistierenden Tatsachen. 589 Vgl. etwa Moores Wahrheitstheorie in M OORE 1899.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
l¨asst die Identit¨atstheorie jedoch unerkl¨art, wie solches Anschmiegen m¨oglich ist, und setzt diskrete, weltseitige Tatsachen einfach dogmatisch voraus. Ist die in Frage stehende Identit¨at umgekehrt nicht in Richtung Welt, sondern in Richtung Denken orientiert, kann die Wahrheit eines Urteils nur darin bestehen, dass sein Gehalt mit einem an sich wahren Gedanken identisch ist. Eine solche Identit¨atstheorie ist damit aber eigentlich keine Identit¨atstheorie der Wahrheit, sondern des Erkennens, weil sie an sich wahre Gedanken unerkl¨art voraussetzt, um die Wahrheit unserer Urteile zu erkl¨aren590 . Hegel kann darum keine Identit¨atstheorie epistemischer Wahrheit zugeschrieben werden, weil er das Entsprechungsverh¨altnis von urteilendem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein nicht als Zusammenfall eines Urteilsgehalts mit weltseitig an sich bestehenden Tatsachen oder in einem eigenen Reich angesiedelten Fregeschen Gedanken auffasst, sondern als Identit¨at-in-Differenz oder Artikulationsbeziehung denkt, der gem¨aß das Erkennen mittelbar – im Zuge einer Investition seiner eigenen kategorialen Formen – explikative Selbstverh¨altnisse zu objektseitigem Sein etabliert. Da zu Tatsachen wesentlich Verh¨altnisse von Einzelnem und Allgemeinem geh¨oren, objektseitig aber weder Einzelnes vorhanden ist noch allgemeine Bestimmungen an ihm abgehoben sind, f¨uhrt Erkennen nicht auf eine Identit¨at mit vermeintlich vorhandenen Tatsachen, sondern artikuliert objektseitiges Sein erst zu einem Tatsachenzusammenhang591. Geh¨orte zur Wahrheit kein explikatives Selbstverh¨altnis von Subjektivit¨at und Objektivit¨at, Urteil und Sache, w¨are ausgeschlossen, dass wahre Urteile die Verfasstheit der Sachen selbst treffen, auf die sie sich beziehen. Der Anspruch des Erkennens besteht aber darin, es nicht bloß mit Stellvertretern der Sachen zu tun zu haben, die von der erkennend angezielten Realit¨at verschieden sind, sondern sich auf diese Realit¨at selbst zu beziehen. Daher scheiden solche Wahrheitstheorien als unan-
590 Vertreter einer solchen Identit¨atstheorie der Wahrheit wie Hornsby oder Dodd berufen sich entsprechend gerne auf Frege, der sowohl von an sich bestehenden Gedanken wie von der Undefinierbarkeit der Wahrheit ausgeht, vgl. F REGE 1918. 591 McDowells Version der Identit¨ atstheorie der Wahrheit kommt Hegels Auffassung eines explikativen Selbstverh¨altnisses von Denken und Sein insofern nahe, als McDowell es ablehnt, die Glieder der behaupteten Identit¨atsrelation einseitig als welt- oder subjektseitig anzusetzen: True thinkables already belong as much to the world as to minds, and things that are the case ” already belong as much to mind as to the world“ [M C D OWELL 2005b: 84]. Allerdings bel¨asst McDowell es bei derartigen Andeutungen und begr¨undet weder, wie ein solches Verh¨altnis ontologisch m¨oglich ist, noch, wie es genau zu denken ist, weil er Subjektivit¨at nicht als leibhaft im Kontinuum beurteilbaren Seins verankertes selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen denkt. Seine Identit¨atstheorie der Wahrheit weist daher Aspekte eines bloß subjektiven Idealismus auf. Das Seinsrelat, in das selbst schon begriffliche Leistungen investiert sein sollen, begreift McDowell in Mind and World n¨amlich nicht als von endlichen Subjekten unterschiedenes Objektkontinuum, das Sph¨are zeitloser Selbstauslegung unbedingten Sichbestimmens ist, sondern nur als Sph¨are der Anschauung endlicher Subjekte.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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gemessen aus, die Wahrheit ohne ein Identit¨atsmoment von Denken und Sein zu fassen suchen. (4) Bleibt unber¨ucksichtigt, dass die Relata des Wahrheitsverh¨altnisses ihre Bestimmtheit nicht einfach unabh¨angig voneinander haben, sondern so, dass eines dem anderen modifizierend untergeordnet ist, ergeben sich folgende Einseitigkeiten: Wird die Bedingtheit des Erkennens durch objektseitiges Sein nicht derart als Unterordnung gedacht, dass letzteres urteilendes (Sich)Bestimmen zwar nicht determiniert, jedoch als unselbst¨andiges Moment in es eingeht, kann die Bedingtheit empirischer Erkenntnis nur als a¨ ußerliche Determination gefasst und epistemische Wahrheit nur als etwas verstanden werden, was sich ohne das spontane Zutun von Subjekten gibt. Wird hinsichtlich objektseitigen Seins nicht ber¨ucksichtigt, dass es nicht schon an sich die ontologische Form der Tats¨achlichkeit aufweist, sondern nur, insofern es durch urteilende Vollz¨uge expliziert und artikuliert wird, ergibt sich eine unkritische Tatsachenontologie und eine ihr entsprechende Korrespondenztheorie der Wahrheit und Erkenntnis, wonach im Erkennen bloß weltseitig vorhandene Tatsachen abgespiegelt werden. Gegen die Annahme einer von Urteilsvollz¨ugen unabh¨angigen, diskreten Gliederung objektseitigen Seins in Tatsachen, spricht aber nicht nur, dass dieses logisch als organisiertes Kontinuum erwiesen wurde, das nicht schon an sich diskret artikuliert, jedoch gem¨aß der kategorialen Formen des Begreifens artikulierbar sein muss. Zugleich entspringen die zu solcher Artikulation notwendigen reinen Formen des Begreifens allein dem epistemischen (Sich)Bestimmen verk¨orperter Subjektivit¨at. Insofern das Objektkontinuum seine diskrete Gliederung in Tatsachen nicht unabh¨angig vom Erkennen hat, ist der einzige Grund f¨ur deren Ansetzung, dass sie dasjenige sind, was Urteile wahr macht. Entsprechend kann es keinen eigenen epistemischen Zugang zu Tatsachen und damit keinen Anhalt daf¨ur geben, dass sie unabh¨angig von Urteilsvollz¨ugen vorhanden sind. Jeder Versuch, ein Ansichsein von Tatsachen anzunehmen, verwickelt sich daher in unl¨osbare Schwierigkeiten, insofern es f¨ur Tatsachen keine eigenst¨andigen Identit¨atskriterien gibt. Darum f¨uhrt die Annahme an sich bestehender Tatsachen auf unsinnige und fruchtlose Probleme, etwa die Fragen, ob es objektseitig auch negative Tatsachen gebe oder ob a¨ quivalenten Urteilen weltseitig dieselben Tatsachen entsprechen oder verschiedene etc.592 . Dagegen l¨asst sich mit Davidson zeigen: Wenn a¨ quivalenten Urteilen weltseitig dieselben Tatsachen entsprechen, sind alle Tatsachen miteinander identisch, weshalb objektseitig sinnvoll u¨ berhaupt nur die eine große Tatsache“ der Welt oder des Objekts ” u¨ berhaupt angesetzt werden kann593 . Mit anderen Worten bedeutet dies, dass 592 Kritisch hierzu etwa S TRAWSON 1950: 133ff.; DAVIDSON 1969: 42; DAVIDSON 2005: 126. 593 Vgl. DAVIDSON 1969: 42.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
das Objektkontinuum nicht von sich her in Tatsachen gegliedert ist, sondern diese Gliederung nur durch begriffliche Vollz¨uge erf¨ahrt, welche an ihm artikulierend Einzelne mit inferentiell verflochtenen Bestimmungen abheben und es so erst diskret gliedern. Entsprechend sind Tatsachen laut Hegel nicht an sich vorhanden, sondern ebenso sehr Sachen wie Taten, n¨amlich immer auch Leistungen oder Tat-Sachen des Geistes, also sachhaltig Bestimmtes, das nicht unmittelbar objektseitig vorhanden ist, sondern in das begriffliche Bestimmungsleistungen investiert sind594 . Eine angemessene Theorie empirischer Wahrheit hat daher zwischen der unkritisch angenommenen Korrespondenz des Denkens mit an sich bestehenden ¨ Tatsachen und kritisch-explikativer Ubereinstimmung von Denken und Sein zu ¨ unterscheiden. Ein kritischer Begriff solcher Ubereinstimmung wird diese zugleich nur als Wesensbestimmung empirischer Wahrheit fassen, nicht jedoch als deren Kriterium, sondern hierf¨ur allein Koh¨arenz zulassen. Eine Verbindung von kritischem Korrepondenz- und kriterialem Koh¨arenzbegriff der Wahrheit, die fruchtbar mit derjenigen Hegels verglichen werden kann, hat Donald Davidson in seinem Aufsatz A coherence theory of truth and knowledge entwickelt595 . Nach Davidson k¨onnen wir deshalb sicher sein, dass die Mehrzahl un¨ serer empirischen Uberzeugungen wahr ist, ohne die wahren darum einzeln herausgreifen und sauber von den falschen scheiden zu k¨onnen, weil wir nur unter dieser Bedingung u¨ ber eine gemeinsame Sprache und so u¨ berhaupt u¨ ber Sprache verf¨ugen k¨onnen, insofern jede Sprache eine gemeinsame ist. Da Sprache nicht darin besteht, vermeintlich reine Bedeutungen mit an sich bedeutungslosen Zeichen zu assoziieren, sondern Bedeutung u¨ berhaupt nur im Zeichengebrauch ihren Ort hat, ist eine gemeinsame Sprache nur erlernbar, wenn Typen ¨ von Außerungen in dieser Sprache regelhaft mit Situationstypen verkn¨upft sind. ¨ G¨abe es keine regelhafte Entsprechung zwischen Außerungsund Situationsty¨ pen, h¨atten Außerungen auch keine Bedeutung. Dass eine solche Entsprechung besteht, bedeutet aber nichts anderes, als dass die Mehrzahl unserer empiri¨ schen Außerungen wahr sein muß, obgleich damit nicht gezeigt ist, welche ¨ Außerungen im Einzelnen wahr sind - soweit Davidsons Argument. Davidson zeigt jedoch weder, aufgrund wovon eine regelhafte Entspre¨ chung zwischen Außerungsund Situationstypen ontologisch m¨oglich und Welt sprachlich artikulierbar ist, sondern erweist dies nur als Voraussetzung einer ¨ gemeinsamen Sprache, noch ber¨ucksichtigt er, dass Außerungen nur darum als Sprache gelten k¨onnen, insofern selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich in 594 Vgl. Man h¨ ort oft sprechen, daß es Thatsachen des Bewußtseins g¨abe, und daß diese ” das Erste des Geistes w¨aren. Auf dem Standpunkt des Bewußtseins ist diß in Wahrheit der Fall, aber der Geist muß die Thatsachen des Bewußtseins erkl¨aren, zeigen, daß der Inhalt der Thatsachen Thaten des Geistes sind, keine Sachen, die dem Geist nur gegeben w¨aren“ [25/1,12010−14]. 595 Vgl. DAVIDSON 1983.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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¨ solchen Außerungen zu Urteilen auslegt. Denn obwohl Sprache nicht dadurch erlernt wird, dass ein einzelnes Subjekt unmittelbar verf¨ugbaren Bedeutungen gewisse Ausdruckstypen zuordnet, sondern in gemeinsamen Situationen, in de¨ nen die Außerungen anderer Subjekte in regelhafter Entsprechung zu Situationsmerkmalen stehen und der Lernende das Vorgemachte mitzumachen beginnt, m¨ussen, soll dabei bedeutsames Sprechen herauskommen, ontologische und subjektivit¨atstheoretische Voraussetzungen erf¨ullt sein, die Davidson unexpliziert l¨asst. Denn die zun¨achst bloß empraktische, also nicht ausdr¨ucklich ¨ als regelhaft reflektierte Weise, seine Außerungen nicht willk¨urlich, sondern in Entsprechung mit allgemeinen Regeln einzurichten, kann grunds¨atzlich nicht naturalistisch verstanden werden, sondern setzt die operative Kapazit¨at zur Selbstbestimmung gem¨aß normativer Allgemeinheit voraus, die einem Individuum als Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens eignet. Ein Wesen kann n¨amlich gar nicht durch Abrichtung anhand vorgemachter Einzelf¨alle lernen, seine Vollz¨uge, obgleich zun¨achst unreflektiert, allgemeinen Normen gem¨aß zu bestimmen, sondern nur gelegentlich solcher F¨alle, w¨ahrend die Kapazit¨at zur Bestimmung gem¨aß normativer Allgemeinheit allein in ihm selbst liegt596 . Normen des Sprachgebrauchs k¨onnen daher grunds¨atzlich nicht an Instanzen solchen Gebrauchs abgelesen werden, sondern vielmehr muss solcher Gebrauch vom Lernenden in selbstbestimmten Vollz¨ugen kreativ aufgenommen werden, wobei er zun¨achst zu korrigieren sein mag. Von einer objektivierenden War¨ te aus betrachtet, k¨onnen Außerungen dagegen gar keine artikulierten Einheiten bilden, sondern nur unartikulierte Ausschnitte des Objektkontinuums. Trotz dieser von Hegel her m¨oglichen Kritik an uneingeholten Voraussetzungen von Davidsons Koh¨arenztheorie kommt Hegel mit diesem darin u¨ berein, dass Sprache und Denken nicht unabh¨angig von empirischer Erkenntnis m¨oglich sind, weshalb sie keine Medien f¨ur beliebige Urteile und Aussagen sind, sondern Gesagtes und Gedachtes im Großen und Ganzen richtig sein m¨ussen. Entsprechend setzt Hegel in der Logik vor und neben der Idee des Erkennens nicht noch eine eigene Idee des Denkens an. Aus Hegels Begriff des Erkennens l¨asst sich folgende Begr¨undung daf¨ur herleiten, dass die Mehrzahl unserer empirischen Urteile wahr sein muss, selbst 596 Das selbstbestimmte Moment im Erwerb geistiger T¨ atigkeitsweisen geht aus Hegels Bemerkungen zu diesem Thema deutlich hervor: Indem aber die einzelnen T¨atigkeiten des ” ¨ Menschen durch wiederholte Ubung den Charakter der Gewohnheit, die Form eines in die Erinnerung, in die Allgemeinheit des geistigen Inneren Aufgenommenen erhalten, bringt die ¨ Seele in ihre Außerungen eine auch anderen zu u¨ berlieferende Weise des Tuns, eine Regel“ [TW10,190 Z.]. Die Regel ist nichts anderes als ein Allgemeines, und diesem Allgemeinen ” soll das Kind das Besondere gem¨aß machen“ [TW8,77 Z.]. In der Schule f¨angt die T¨atigkeit ” des Kindes an, wesentlich und durchaus eine ernsthafte Bedeutung zu erhalten, daß sie nicht mehr der Willk¨ur und dem Zufall, der Lust und Neigung des Augenblicks anheimgestellt ist; es lernt sein Tun nach einem Zwecke und nach Regeln bestimmen“ [TW4,349; Hervorhebungen, C. M.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
wenn nicht im Einzelnen infallibel angebbar ist, welche es sind. Aus der dialektischen Bestimmung des Erkennens hat sich n¨amlich ergeben, dass Erkenntnis in inferentiell eingebetteten Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens besteht, im Zuge derer ein im Objektkontinuum leibhaft verankertes und u¨ ber seine Sensibilit¨at ph¨anomenal auf seine Umgebung bezogenes Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens bestimmend auf diese u¨ bergreift. Entsprechend kann solchem Urteilen ontologisch weder etwas v¨ollig Fremdes und Unerkennbares gegen¨uberstehen noch vollzieht es sich ohne rezeptive R¨uckbindung an objektseitiges Bestimmtsein, sodass die M¨oglichkeit ausgeschlossen ist, dass Urteile grunds¨atzlich keinen objektiven Bezug haben. Zwar stellt das explikative Verh¨altnis von Urteil und objektseitigem Sein eine vermittelte Beziehung dar, deren Etablierung fehlschlagen kann. Jedoch sind falsche Urteile richtigen gegen¨uber insofern parasit¨ar, als ihre M¨oglichkeit die Realit¨at von diesen voraussetzt. Denn wie die Urteilslogik gezeigt hat, haben die Glieder eines (falschen) Urteils ihre Bestimmtheit gar nicht unmittelbar, sondern nur, insofern sie in Urteile eingehen, die mit anderen beurteilbaren Inhalten in mehr oder weniger angemessen artikulierten Inkompatibilit¨ats-, Begr¨undungs- und Folgerungsbeziehungen stehen. Grunds¨atzlich m¨ussen Zentren propositionalen (Sich)Bestimmens zur Artikulation wahrer empirischer Urteile also deshalb in der Lage sein, weil es zur voraussetzungslos hergeleiteten, daher notwendig realisierten ontologischen Form des Erkennens geh¨ort, dass Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens artikulierbare Bestimmtheit, die ihnen rezeptiv zugeht, durch eigene, selbstbestimmte Urteilsvollz¨uge (in welche kategoriale Formen eingehen, die in der operationalen Kapazit¨at solcher Zentren angelegt sind) angemessen zu Gegenst¨anden mit diskreten Eigenschaften artikulieren. 3.5.6.4 Einteilung des Erkennens Hegels Logik des Erkennens hat wohl unter anderem deshalb geringe Beachtung gefunden, weil seine Einteilung des Erkennens in eine analytische und eine synthetische Form, die sich ihrerseits in Definition, Einteilung und Lehrsatz gliedert, nahe legt, seine Erkenntnislogik ersch¨opfe sich in einer Rekapitulation von Grundbestimmungen der Erkenntnistheorie Kants und der Kompendien Leibniz-Wolfscher Schulmetaphysik, auf die Hegel ausdr¨ucklich Bezug nimmt. Da Hegel in der Logik aber einen originellen Begriff der ontologischen Form des Erkennens entwickelt, indem er dieses der Sache nach als explikatives Selbstverh¨altnis von leibhaftigem, begrifflichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein einf¨uhrt, gewinnen auch die genannten Ausdr¨ucke, mit denen er besondere Formen des Erkennens voneinander unterscheidet, einen eigenen, terminologischen Sinn gegen¨uber den philosophiegeschichtlichen Zusammenh¨angen, aus denen sie stammen. So weicht Hegels Bestimmung des analytischen und synthetischen Erkennens wesentlich von derjenigen Kants ab,
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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weshalb Urteile, die nach Kant als synthetisch zu gelten h¨atten, in Hegels Terminologie analytisch sein k¨onnen und umgekehrt. Insofern empirische Erkenntnis r¨uckbeziehendes Abheben begrifflicher Bestimmtheit an artikulierend Bestimmbarem ist, in dem solche Bestimmtheit nicht-diskret kondensiert ist, kann Hegel dieses Abheben, das als solches das Aufl¨osen“ eines Konkreten in dis” krete Begriffsmomente ist, als analytisches Erkennen“ bezeichnen. Dieses bil” det insofern die unmittelbare Gestalt des Erkennens, als zu ihm wesentlich die nicht-inferentielle Artikulation von solchem geh¨ort, was selbst noch nicht artikuliert, sondern bloß artikulierbar ist. Das synthetische Erkennen ist dagegen insofern die vermittelte Form des Erkennens, weil es entweder bereits begrifflich artikulierte Bestimmtheit definierend und klassifizierend weiter verkn¨upft oder aus ihr rein aufgrund von Schlussleistungen (und nicht mehr durch analytische Abhebung an einem vorgegebenen Konkreten) weitere Urteile folgert. Zwar beziehen sich Hegels Begriffe des analytischen und synthetischen Erkennens nicht allein auf mathematische Erkenntnis, doch spielen mathematische Beispiele in Hegels Darstellung eine wichtige Rolle. Daher l¨asst sich Hegels Verst¨andnis dieser Erkenntnisformen besonders pr¨agnant an ihrer Auspr¨agung in Formen mathematischer Erkenntnis erl¨autern. Insofern das analytische Erkennen im unterscheidenden Abheben diskreter Bestimmtheit an urteilend Bestimmbaren besteht und insofern unmittelbar ist, als es solche Bestimmtheit nicht allein aus bereits abgehobener Bestimmtheit erschließt, ist etwa das algorithmische L¨osen mathematischer Aufgaben im Hegelschen Sinne analytisch. Denn dabei wird etwa von einem Komplex wie 56+67 ausgegangen, der selbst noch kein Urteil, sondern eine Aufgabe darstellt, die schrittweise gel¨ost wird, wobei sich aus dem Algorithmus jeweils ergibt, welche urteilsm¨aßige Unterscheidung am jeweiligen Punkt zu treffen ist597 . Das axiomatische Beweisen ist dagegen darum eine Form synthetischen Erkennens, weil es von bereits als g¨ultig vorausgesetzten Urteilen ausgeht und zugleich nicht durch Abheben von Bestimmtheit an einem vorgegebenen Komplex, sondern durch geschicktes Fortschreiten gem¨aß vorgegebener Ableitungsregeln zu neuen Gehalten gelangt, die Schritte auf dem Weg zur Ableitung eines urteilend antizipierten Beweisziels bilden. 3.5.6.4.1. Analytisches Erkennen ¨ Zum analytischen Erkennen geh¨ort zwar wesentlich ein Ubergehen vom Unartikulierten zum Artikulierten oder unterscheidendes Abheben von diskreter 597 Insofern es im analytischen Erkennen nicht um axiomatisches Beweisen, sondern um das algorithmische L¨osen von Aufgaben zu tun ist, kann Hegel sagen: die analytische Wis” senschaft hat daher nicht sowohl Lehrs¨atze als Aufgaben“ [12,2066−7]. Analytische Erkenntnis gem¨aß einem algorithmischen Verfahren setzt aber insofern schon eine andere Form des Erkennens voraus, als Algorithmen selbst nicht durchweg algorithmisch gefunden werden k¨onnen.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Bestimmtheit an einem Bestimmbaren598 . Dennoch ist das analytische Erkennen nicht auf isolierte Urteilsvollz¨uge eingeschr¨ankt, sondern kann auch in Urteilen bestehen, die zwar andere Urteile voraussetzen, solange sie dabei nur zugleich Bestimmtheit abheben, die nicht allein aus bereits abgehobener durch Anwendung von Schlussregeln gefolgert werden kann. Entsprechend kann das analytische Erkennen zwar inferentielle Momente aufweisen, ohne jedoch rein inferentiell zu sein. Dies ist dann der Fall, wenn Urteile gef¨allt werden, die sich sinnvoll zwar nicht unmittelbar, sondern nur unter Voraussetzung vorangegangener Urteile treffen lassen, ohne darum aus diesen Urteilen logisch zu folgen. Ist das analytische Erkennen so allenfalls aspekthaft inferentielles Abheben von diskreter Bestimmtheit an bestimmbaren Konkreta, m¨ussen empirische Urteile nach dieser Bestimmung als analytisch gelten, w¨ahrend sie Kants Begrifflichkeit zufolge synthetisch sind. Indem Hegel das empirische Erkennen als analytisch fasst, legt er das Schwergewicht auf das Abheben von Bestimmtheit, obwohl dieses als r¨uckbeziehendes Abheben zugleich ein Verbinden ist, w¨ahrend solches Erkennen f¨ur Kant wesentlich die begriffliche Verkn¨upfung und Einheitsstiftung zwischen sinnlich gegebener Mannigfaltigkeit ist. Da aber f¨ur Hegel das von einem Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens pr¨areflexiv-pr¨apropositional einbezogene objektseitige Sein durch dieses Zentrum bereits zusammengehalten sein muss, kann er die sinnlich gegebene Mannigfaltigkeit, die ins Erkennen momenthaft eingeht, als analysierbares Konkretum auffassen, an dem diskrete Unterschiede erst begrifflich abzuheben sind, statt als Mannigfaltigkeit, die erst begrifflich synthetisiert werden muss. Beiden Auffassungen ist jedoch gemeinsam, dass Beziehungen zwischen diskreten Einheiten niemals gegeben sein k¨onnen, sondern nur durch Leistungen begrifflicher Spontaneit¨at zustande kommen. Jedoch betont Kant vor allem die synthetische Einheitsstiftung zwischen sinnlich gegebener Mannigfaltigkeit, Hegel dagegen das begriffliche Scheiden eines an sich ungeschiedenen Konkretums, das zugleich diskretes Wiederverkn¨upfen von nun ausdr¨ucklich Unterschiedenem ist. Selbstverst¨andlich setzt solches abhebende Unterscheiden und r¨uckbe598 Vgl. die folgenden Ausf¨ uhrungen Hegels: Der Natur des Begriffs nach ist das Ana” lysieren das erste, indem es den gegebenen, empirisch-konkreten Stoff vorerst in die Form allgemeiner Abstraktionen zu erheben hat, welche dann erst als Definitionen in der synthetischen Methode vorangestellt werden k¨onnen“ [20,2259−14]. Das analytische Erkennen nun ” n¨aher betrachtet, so wird von einem vorausgesetzten, somit einzelnen, concreten Gegenstande angefangen, er sey nun ein f¨ur die Vorstellung schon fertiger, oder er sey eine Aufgabe, nemlich nur in seinen Umst¨anden und Bedingungen gegeben, aber aus ihnen noch nicht f¨ur sich herausgehoben“ [12,20311−15]. Das analytische Erkennen geht von einem Begriffe oder ei” ner konkreten Bestimmung aus und entwickelt nur die Mannigfaltigkeit der unmittelbaren oder identisch darinnen enthaltenen einfachen Bestimmungen“ [TW4,159]. Diese T¨atigkeit besteht ” daher darin, das gegebene Konkrete aufzul¨osen, dessen Unterschiede zu vereinzeln und ihnen 24−26 die Form abstrakter Allgemeinheit zu geben“ [20,223 ].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ziehende Wiederverkn¨upfen auch f¨ur Hegel Begriffe und u¨ berhaupt logische Formen voraus, die selbst nicht an Vorgegebenem r¨uckbeziehend abgehoben werden, sondern r¨uckbeziehendes Abheben besonderer Bestimmungen erst erm¨oglichen und insofern kategorial sind – n¨amlich die in der Logik entwickelten Kategorien, die ins Erkennen momenthaft eingehen599 . Dass empirisches Erkennen so ein ganzes Arsenal logischer Formen voraussetzt, die in den vorangegangenen Abschnitten der Logik entwickelt wurden, bedeutet real aber weder, es verf¨uge immer schon u¨ ber die ganze Batterie derselben noch, sie seien ihm in dem Sinn angeboren, dass sie ihm mit einem Schlag zur Verf¨ugung stehen. Da die logischen Kategorien vielmehr solche Bestimmungen sind, die der selbstanwendenden Operationalit¨at selbstbez¨uglichen Sichbestimmens entspringen, sind sie einem Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens – einer Person – nicht unmittelbar mitgegeben, sondern nur virtuell verm¨oge seiner operationalen Kapazit¨at zu ihrer Artikulation600. 3.5.6.4.2 Synthetisches Erkennen Im Unterschied zum analytischen Erkennen geh¨ort zum synthetischen nicht das nicht-inferentielle Artikulieren eines Artikulierbaren oder unterscheidende Neuabheben von Bestimmtheit an urteilend Bestimmbaren, sondern ein Urteilen, das als wesentlich vermitteltes von bereits artikulierter Bestimmtheit und bereits gef¨allten Urteilen ausgeht und von diesen aus allein durch Schlussleistungen, die selbst Anschauungsmoment involvieren, auf neue Urteile f¨uhrt. Das synthetische Erkennen markiert so Zusammenh¨ange rein begrifflicher und inferentieller Verkn¨upfung und damit den Ort, an dem zwischen analytisch artikulierten Unterscheidungen und Urteilen rationale Kontinuit¨at hergestellt wird, indem jene zu einem koh¨arenten, durch modal robuste Bez¨uge gepr¨agten Ganzen organisiert werden601 . Dabei lassen sich unterschiedliche Formen der begriffli599 So spricht Hegel vom Umfang der allgemeinen Denkbestimmungen“ als diamante” ” ne[m] Netz, in das wir allen Stoff bringen und dadurch erst verst¨andlich machen“ [TW9,20 Z.]. 600 Vgl. Hegels Bemerkung: Wenn in der Platonischen Philosophie gesagt wird, daß wir ” uns der Idee erinnern, so hat dies den Sinn, daß die Ideen an sich im Menschen sind und nicht (wie die Sophisten behaupteten) als etwas dem Menschen Fremdes von außen an denselben gelangen. Durch diese Auffassung des Erkennens als Erinnerung ist jedoch die Entwicklung dessen, was an sich im Menschen ist, nicht ausgeschlossen, und diese Entwicklung ist nichts anderes als Vermittlung. Ebenso verh¨alt es sich mit den bei Descartes und den schottischen Philosophen vorkommenden angeborenen Ideen, welche gleichfalls zun¨achst nur als an sich und in der Weise der Anlage im Menschen vorhanden zu betrachten sind“ [TW8,158 Z.]. 601 Der modal robuste Charakter dieses Zusammenhangs wird etwa in folgender Bemerkung deutlich: Das Gefundene und Empfundene verwandele ich in Vorstellungen und mache ” dasselbe zugleich zu einem a¨ ußerlichen Gegenstande. Diesen Inhalt erkenne ich dann aber, insofern die T¨atigkeit meines Verstandes und meiner Vernunft sich auf denselben richtet, zugleich als ein nicht bloß Vereinzeltes und Zuf¨alliges, sondern als Moment eines großen Zusam-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
chen Stiftung rationaler Kontinuit¨at abgrenzen, die ihren Ausgang von bereits analytisch getroffenen Unterscheidungen und Urteilen nimmt. So verkn¨upft das unmittelbare synthetische Erkennen begriffliche Bestimmungen noch gar nicht inhaltlich, sondern zeichnet nur reflektierend bestimmte als im jeweiligen Zusammenhang wesentlich oder unwesentlich aus. Dieses Auszeichnen bereits artikulierter Bestimmungen eines Gegenstands als wesentlich ist das Definieren. Die vermittelte Form synthetischen Erkennens ist als Beziehen derartiger Bestimmungen dagegen ein Einteilen, das bereits als wesentlich herausgehobene Bestimmungen verkn¨upft und damit unterscheidend von gattungsm¨aßiger Allgemeinheit zu ihren besonderen Arten fortschreitet. Insofern axiomatisches Erkennen anders als das Einteilen nicht zu einem vom Ausgangspunkt Verschiedenen fortschreitet, bildet es die selbstvermittelnde Form synthetischen Erkennens, das nicht nur gewisse Bestimmungen auszeichnend hervorhebt oder hierarchisch verkn¨upft, sondern im Ausgang von Definitionen und als g¨ultig vorausgesetzten Urteilen, in die solche wesentlichen Bestimmungen eingehen, derart fortschreitet, dass das dabei erreichte Ziel zum Ausgangspunkt im Verh¨altnis ¨ der Aquivalenz oder (wenigstens) der logischen Folge steht. Das Resultat solchen Fortschreitens gibt als Lehrsatz dieser Form synthetischen Erkennens den Namen. In seinen ersten beiden Formen markiert synthetisches Erkennen so ein Auszeichnen und Verkn¨upfen bereits artikulierter Begriffe und Urteile, in seiner dritten Gestalt hingegen das regelgem¨aße Erschließen eines Beweisziels im Ausgang von als g¨ultig vorausgesetzten Urteilen. Dabei ist im synthetischen Erkennen als vermitteltem das unmittelbare oder analytische als Moment aufgehoben. Damit geht das synthetische Erkennen aber wesentlich von Urteilen als Voraussetzungen aus, in die ein Moment des Gegebenseins mithineinspielt, und markiert darum noch nicht die logische Form voraussetzungslosen und damit rein selbstbestimmten Erkennens. Obzwar es in seinen eigent¨umlichen Verkn¨upfungsleistungen und Schl¨ussen nicht durch objektseitiges Sein bedingt ist, sondern rein selbstbestimmt voranschreitet, weist es in seinen Voraussetzungen noch ein Moment der Gegebenheit auf, f¨ur das sein (Sich)Bestimmen allein nicht einzustehen vermag. Indem das Erkennen diese Bedingtheit reflektiert, begreift es seinen Gegenstand als einen wesentlich von ihm selbst verschiedenen und ist insofern endlich602 . Dagegen menhangs, als ein mit anderem Inhalt in unendlicher Vermittlung Stehendes und durch diese Vermittlung zu etwas Notwendigem Werdendes. Nur wenn ich auf die eben angegebene Art verfahre, bin ich bei Verstande und erh¨alt der mich erf¨ullende Inhalt seinerseits die Form der Objektivit¨at“ [TW10,166f. Z.]. 602 Vgl. Dieß Erkennen ist endlich, weil es die Voraussetzung einer vorgefundenen Welt ” hat, und damit seine Identit¨at mit derselben nicht f¨ur es selbst ist“ [13,1042−3]. Als Formen voraussetzungshaften Erkennens sind die analytische und die synthetische Methode laut Hegel der Philosophie daher gleichermaßen unangemessen: Daß diese Methoden [...] f¨ur das philosophi”
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ist erst das durch die absolute Idee bezeichnete Erkennen, welches von allen Voraussetzungen absieht, vollkommen selbstbestimmt, sodass es seinem Gegenstand auch nicht als einem Fremden gegen¨uber zu stehen braucht, sondern ihn als Gestalt des Sichbestimmens weiß, das in seinem eigenen Urteilen als solches am Werk ist. Das Definieren grenzt wesentliche von unwesentlichen Bestimmungen einer Sache ab und gewinnt so ihren Begriff im emphatischen Sinn ihres ontologischen und epistemischen Einheitsgrunds603. Der Versuch, im empirischen Erkennen definierend zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestimmungen zu unterscheiden, ist nach Hegel jedoch zweischneidig. Denn Erkenntnis, die sich wesentlich als rezeptiv versteht, vermag als solche nicht zwischen u¨ bergreifenden Bestimmungen zu unterscheiden, die daf¨ur notwendig sind, dass ein Gegenstand eine Einheit bildet und als Einheit erkl¨art werden kann, selbst aber gar nicht gegeben werden k¨onnen, und untergeordneten Bestimmungen, die einer solchen Einheit bloß faktisch koordiniert sind, ohne f¨ur sie unverzichtbar zu sein oder etwas an ihr zu erkl¨aren604 . Als Beispiel f¨uhrt Hegel Blumenbachs Definition des Menschen als Lebewesen mit Ohrl¨appchen an, die, selbst wenn sie extensional zutr¨afe, den Menschen nicht in dem zu verstehen erlaubt, was ihn zum Menschen macht605 . Soll eine Definition mehr sein als ein Merkzeichen, an dem man einen Gegenstand erkennt, sondern eine erkl¨arungskr¨aftige Einsicht in die Einheit eines gewissen Gegenstandstyps artikulieren, muss sie nicht nur epistemische, sondern zugleich ontologische Valenz haben und die Definition damit dasjenige an einer Sache artikulieren, wodurch diese sich als Einheit gegen¨uber anderem auszeichnet, erh¨alt und erkl¨aren l¨asst606 . Diese Anforderung sieht Hegel beispielhaft in der Einteilung der Tierarten nicht etwa nach beliebigen morphologischen Merkmalen, sondern nach der Art ihrer Ern¨ahrungs-, Verteidigungs- und Fortpflanzungsorgane sche Erkennen unbrauchbar sind, erhellt von selbst, da sie Voraussetzungen haben und das Erkennen sich darin als Verstand und als Fortgehen an formeller Identit¨at verh¨alt“ [20,22515−19]. Entsprechend gilt: Indem das Princip der Philosophie der unendliche freye Begriff ist, und al” ler ihr Inhalt allein auf demselben beruht, so ist die Methode der begrifflosen Endlichkeit nicht auf jenen passend“ [12,22926−28]. 603 Vgl. etwa 12,21017−20. 604 Der realdefinitorisch ausgezeichnete Begriff ist damit ein Zuf¨ alliges nach der gedop” pelten Seite, einmal nach seinem Inhalte u¨ berhaupt, das andremal darnach, welche Inhaltsbestimmungen von den mannichfaltigen Qualit¨aten, die der Gegenstand im a¨ usserlichen Daseyn hat, f¨ur den Begriff ausgew¨ahlt werden“ [12,2111−5]. Das Definieren thut daher auch auf ei” gentliche Begriffsbestimmungen, die wesentlich Principien der Gegenst¨ande w¨aren, von selbst Verzicht und begn¨ugt sich mit Merkmalen, d. i. Bestimmungen, bey denen die Wesentlichkeit f¨ur den Gegenstand selbst gleichg¨ultig ist“ [12,21238–2133]. 605 Vgl. 12,2138−15. 606 Ausf¨ uhrlicher wurde dies oben in Abschnitt 3.3.1 zum Allgemeinen, in Abschnitt 3.3.4.8 zum Notwendigkeitsurteil und in Abschnitt 3.3.5.8 zum Notwendigkeitsschluss erl¨autert.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
gew¨ahrleistet607 . Dieses Beispiel l¨asst sich verallgemeinernd derart verstehen, dass zur Definition die Angabe solcher Bestimmungen erforderlich ist, die etwas u¨ berhaupt erst zu einer Einheit machen und als solche begreifbar werden lassen. Die Definition muss so ein Prinzip der Erkl¨arung besonderer Beschaffenheiten und Prozesse der definierten Gegenst¨ande und nicht bloß ein Erkennungsmerkmal abgeben. Schließt die Definition eines Gegenstandstyps derartige Merkmale ein und l¨asst damit einen Begriff vermissen, der die Einheit des Gegenstandes zu begreifen erlaubt, l¨asst sich aus ihr auch keine sinnvolle Einteilung des Definierten in besondere Arten gewinnen. Vielmehr ergibt sich eine solche dann nur durch Hinzusetzen von Bestimmungen, die nicht zum Einzuteilenden als solchen geh¨oren, sondern ihm a¨ ußerlich sind. Das synthetische Erkennen ist damit auch in seinen Einteilungen insofern voraussetzungshaft, als es Differenzen und Arten nicht als Bestimmungen begreift, die der Gattung eigent¨umlich sind, sondern das Einteilen a¨ ußerlich versteht608 . Zwar sind der Einteilung eines Allgemeinen durch immanente Entfaltung seiner eigenen Selbstbesonderung aufgrund des Kontingenzmoments empirischer Realit¨at Grenzen gesetzt, die nicht nur auf unangemessener begrifflicher Klassifikation beruhen609 . Im synthetischen Erkennen als endlichem kann die M¨oglichkeit der immanenten Einteilung eines Allgemeinen jedoch gar nicht in den Blick kommen, weil nicht zwischen begrifflicher Allgemeinheit im emphatischen Sinn und bloßen Merkmalen unterschieden wird. Die einzige weitere Verkn¨upfungsweise u¨ ber die a¨ ußerliche Verkn¨upfung von Merkmalen hinaus, welche diese Form des Erkennens kennt, ist das formelle Schließen, das sich in Reinform im axiomatischen Beweisen zeigt. Solches Beweisen, das auf Lehrs¨atze im Sinne solcher Urteile f¨uhrt, die aus axiomatisch angenommenen Voraussetzungen gem¨aß Schlussregeln abgeleitet und dadurch gerechtfertigt werden, ist f¨ur Hegel deshalb eine Gestalt vermittelten oder synthetischen Erkennens, weil es auf bereits als wahr vorausgesetzten Urteilen aufbaut, den Axiomen. N¨aher ist das Beweisen deshalb die selbstvermittelte Gestalt synthetischen Erkennens, weil es allein selbstbestimmt, durch Anwendung von Schlussregeln, fortschreitet. Ein solches gegenstandsbezogenes Folgern ist im Rahmen empirischer Erkenntnis deshalb m¨oglich, weil objektseitiges Sein seiner nomologischen Verfassung nach artikulierbar ist, Gesetzm¨aßigkeit aber wesentlich die Gleichwertigkeit von Unterschiedenem im607
Vgl. 12,21922−32. Vgl. Hegels Bemerkung: Die Angabe [...] der Bestimmtheit des Allgemeinen als Be” sonderung ist die Einteilung nach irgendeiner a¨ ußerlichen R¨ucksicht“ [20,22414−16]. Dagegen ist die Gattung an sich das Allgemeine mit dieser Bestimmtheit, welche zugleich Princip f¨ur ” die Unterschiede des Besonderen ist“ [12,21013−14], vgl. oben Abschnitt 3.3.1. 609 Entsprechend ist nach Hegel etwa auch mit der richtigen, spekulativen Herangehensweise keine apriorische Deduktion aller m¨oglichen Papageienarten zu erwarten, vgl. 12,21815−22. 608
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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pliziert. Formelles Schließen ist damit solches urteilendes Fortschreiten zwischen unterschiedenen Gehalten, bei dem die Regelhaftigkeit des Fortschreitens entweder die Gleichwertigkeit der Unterschiedenen garantiert oder zumindest die vorausgesetzte Geltung des Ausgangspunkts im Folgerungszusammenhang weiterreicht. Dabei ist das Schließen zwar reines, selbstbestimmtes Fortschreiten im Denken, das als solches keine Rezeptivit¨at involviert. Dennoch ist das axiomatische Beweisen insofern voraussetzungshaft, als es Axiome, Definitionen und Ableitungsregeln selbst unbewiesen voraussetzt610 . Da das axiomatische Beweisen nicht wie das spekulative Erkennen in immanenter Selbstentfaltung selbstanwendender Operationalit¨at besteht, sondern in der Anwendung von Ableitungsregeln auf vorausgesetzte oder bereits abgeleitete Inhalte, entwickelt es sich auch nicht immanent, sondern antizipatorisch, setzt also nicht nur einen Ausgangspunkt, sondern ein angesteuertes Ziel voraus, das es zu beweisen gilt. Ohne ein solches Beweisziel w¨are n¨amlich gar kein bestimmter Anhalt f¨ur das In-Anschlag-Bringen der Schlussregeln gegeben und Schließen damit nur zuf¨allig-blindes Anwenden derselben. Um rational zu sein, muss das formelle Schließen sich daher wesentlich antizipatorisch vollziehen und setzt daher ein zu beweisendes Urteil voraus, welches dadurch gerechtfertigt werden soll, dass es aus Axiomen und Schlussregeln hergeleitet wird. Die einzelnen Beweisschritte sind dergestalt Mittel zu einem ausdr¨ucklichen Zweck, n¨amlich dazu, das Beweisziel durch g¨ultigkeitserhaltende Ableitung aus f¨ur wahr Gehaltenem selbst als wahr zu erweisen. Das Beweisziel ist dabei ein Urteil, dessen G¨ultigkeit zun¨achst bloß intuitiv antizipiert ist. Axiomatisches Erkennen bildet damit aber keine immanente Selbstentfaltung der begrifflichen Bestimmungen einer Sache, sondern nur ein Mittel f¨ur die begr¨undete Erkenntnis eines als g¨ultig vermuteten Beweisziels im Ausgang von als g¨ultig angenommenen Voraussetzungen, weil der Beweis das Bewiesene nur rechtfertigt, ohne es seinem Gehalt nach zu erzeugen611 . Das axiomatische Beweisen schließt so zugleich ein irrationales Moment ein, weil das Beweisziel zun¨achst nur intuitiv und damit grundlos vorausgesetzt ist und die zu ihm f¨uhrenden Schritte sich erst im Nachhinein als zu seinem Beweis zweckm¨aßig erweisen, zun¨achst aber hinsichtlich ihrer Zweckm¨aßigkeit ebenso wie das Be610 Von jenen sagt Hegel: Sie pflegen zu Unrecht gew¨ ohnlich als absolut-Erste genommen ” zu werden, als ob sie an und f¨ur sich keines Beweises bed¨urften“ [12,22136−37]. 611 Daher gilt nach Hegel: Der Beweis ist nicht eine Genesis des Verh¨ altnisses, welches ” den Inhalt des Lehrsatzes ausmacht; die Nothwendigkeit ist nur f¨ur die Einsicht und der ganze Beweis zum subjectiven Behuf des Erkennens. Er ist deswegen u¨ berhaupt eine a¨ usserliche Reflexion“ [12,22525−28]. Entsprechend geht die Konstruktion nicht aus dem Begriff hervor, son” dern ist eine erfundene Vorrichtung, die nur in Beziehung auf den Beweis sich als zweckm¨aßig zeigt. [...] Der Beweis erh¨alt dadurch den Schein der Zuf¨alligkeit, indem er f¨ur die Einsicht nur eine Notwendigkeit, nicht den eigenen Gang und die innere Notwendigkeit des Gegenstandes selbst darstellt“ [TW4,160].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
weisziel hinsichtlich seiner G¨ultigkeit prek¨ar sind612 . Das axiomatische Beweisen involviert so aber ein ausdr¨ucklich voluntatives Element613 . Denn seine einzelnen Schritte ergeben nur Sinn, weil man mit ihnen rechtfertigend auf ein Ziel, das epistemisch zun¨achst noch nicht gerechtfertigt ist, hinaus will und dabei Mittel w¨ahlt, die erst, wenn das Ziel erreicht und gerechtfertigt ist, dadurch ihrerseits r¨uckwirkend als zu solcher Rechtfertigung zweckm¨aßig gerechtfertigt werden614 . ¨ 3.5.6.5 Ubergang zur praktischen Idee Aus der Form axiomatischen Beweisens ergibt sich logisch damit insofern ein ¨ Ubergang zum Wollen oder zur Form intentionalen Handelns, als es begrifflich vermittelte T¨atigkeit ist, die sich ausdr¨ucklich ein Ziel (in Gestalt eines zu beweisenden Urteils) voraussetzt und dieses Ziel (durch Beweis dieses Urteils) realisieren will615 . Das axiomatische Beweisen setzt so ein Wollen vor¨ aus und markiert damit den logischen Ubergang zur Form zielantizipierender T¨atigkeit, weil es nicht nur, wie das Erkennen u¨ berhaupt, zu neuen Urteilen f¨uhrt, sondern eine T¨atigkeit ist, die ausdr¨ucklich vom Ausdruck eines Sollens oder Wollens wie p soll bewiesen werden“ ausgeht und dieses Ziel zu realisie” ren versucht. Das Resultat des Beweisens ist damit aber kein neues Urteil, sondern die begr¨undete Geltung des von Beginn an thematischen Urteils616 . Das axiomatische Beweisen markiert so, noch innerhalb des Erkennens, eine ausdr¨ucklich zweckrealisierende T¨atigkeit: Der Zweck, den es realisiert, ist dabei aber selbst noch eine Erkenntnis. Wird die im Beweisen liegende zweckrealisie612 Vgl. 12,22426–2252 . Entsprechend kann Hegel sagen: Der Beweis ist im Grunde ein ” Produkt des Zufalls eines Genies“ [V11,188372.]. 613 Vgl. V10,220453−56. 614 Entsprechend gilt: Hintennach beym Beweiss sieht man wohl ein, daß es zweckm¨ assig ” war, an der geometrischen Figur z. B. solche weiteren Linien zu ziehen [...] als die Construction angibt; aber bey dieser selbst muß man blindlings gehorchen; f¨ur sich ist diese Operation daher ohne Verstand [...] ein sinnloses Tun f¨ur denjenigen, der den Zweck noch nicht kennt“ [12,2255−15]. 615 Das Wollen, das implizit in jedem Erkennen steckt, wird damit erst im beweisenden Erkennen ausdr¨ucklich. Denn erst hier setzt sich das Erkennen explizit ein bestimmtes Urteil als Ziel voraus, das es als g¨ultig erweisen will, sodass ein- und dasselbe Urteil am Anfang und am Ende des Erkenntnisprozesses steht. Dagegen kann zwar auch anderweitiges Erkennen zielgerichtet sein, insofern man sich vornimmt u¨ ber etwas nachzudenken, doch markiert sein Ziel dabei nur einen vage umrissenen Bereich, dessen Durchdenken auf neue Urteile f¨uhrt, die selbst nicht, wie beim axiomatischen Beweisen, von Anfang an im Blick stehen. 616 Da die im Beweis erreichte Notwendigkeit nicht gegeben werden kann, sondern allein der Vern¨unftigkeit des Subjekts selbst entspringt, gilt: In der Notwendigkeit als solcher hat ” es [das synthetische Erkennen, C. M.] selbst seine Voraussetzung und den Ausgangspunkt, das Vorfinden und Gegebensein seines Inhalts verlassen. [...] Die subjektive Idee ist so an sich zu dem an und f¨ur sich Bestimmten, Nichtgegebenen, und daher demselben als dem Subjekte Immanenten gekommen und geht in die Idee des Wollens u¨ ber“ [20,2274−8].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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rende T¨atigkeit, zu der es geh¨ort, die Realisierung ihres Zwecks zu wollen, ihrer ontologischen Form nach rein herausgehoben, ergibt sich die Idee zweckreali¨ sierender T¨atigkeit u¨ berhaupt, womit der Ubergang von der Idee des Erkennens zu der des Wollens vollzogen ist. 3.5.7 Die praktische Idee Die vermittelte Form der konkreten Einheit von urteilsvermitteltem (Sich) Bestimmen und objektseitigem Sein ist die praktische Idee617 . Sie bezeichnet damit die logische Form von Vollz¨ugen, im Zuge derer leibhafte Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens urteilsvermittelt weltseitiges Sein bestimmen618. Ein Urteil, demgem¨aß ein solches Zentrum weltseitiges Sein bestimmt, muss spezifisch praktischen Charakter haben. Denn ein (wahres) theoretisches Urteil, wie vermittelt sein Gehalt und seine Artikulation auch sein m¨ogen, steht, wenn erst einmal artikuliert, unmittelbar in einem artikulatorischen Verh¨altnis zu weltseitigem Sein, weshalb ein Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens weltseitiges Sein nicht noch einmal diesem Urteil gem¨aß bestimmen kann. Zur praktischen Idee geh¨oren daher umgekehrt Urteile, an denen selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen (implizit oder explizit) derart orientiert sein kann, dass es im Ausgang von ihnen nicht zu anderen Urteilen fortschreitet, sondern weltseitiges Sein ihnen gem¨aß bestimmt und sie dadurch realisiert. Zur vermittelten Form urteilenden (Sich)Bestimmens geh¨orig, m¨ussen solche praktischen Urteile den theoretischen gegen¨uber insofern ein zus¨atzliches Vermittlungsmoment aufweisen, als sie keine unmittelbare Entsprechung ihres Inhalts mit weltseitigem Sein und damit keine objektbezogene Wahrheit behaupten, sondern eine Vermittlung ihres Inhalts mit derartigem Sein erst verlangen, die nicht schon unmittelbar besteht. Darum geh¨oren zur praktischen Idee Urteile des Wollens und Sollens. Damit bezeichnet die praktische Idee im Unterschied zur theoretischen die vermittelte Vermittlung von Subjektivit¨at und Objektivit¨at und darum kein urteilendes Artikulieren vorhandener Bestimmtheit, sondern ihr urteilsgeleitetes Neusetzen. Der spezifische Vermittlungscharakter der praktischen Idee er617
Hegel bezeichnet diese Idee in verschiedenen Fassungen der Logik unterschiedlich – in der Enzyklop¨adie als Wollen“, in den N¨urnberger Schullogiken als Das Sollen oder das Gute“ ” ” [TW4,160] und in der WdL als Idee des Guten“ [12,2312] beziehungsweise als Willens-Idee“ ” ” 34 37 [12,231 ] oder praktische Idee“ [12,230 ]. Dieser Bezeichnung wird hier darum der Vorzug ” gegeben, weil sie vom Sprachgebrauch her am ehesten das Bedeutungsspektrum der anderen Ausdr¨ucke mit umfasst. Im Zuge der Darstellung der praktischen Idee wird es wesentlich darauf ankommen zu zeigen, inwiefern die Verflechtung von Gutem, Sollen, Wille und Wollen ihren Gehalt bestimmt. 618 Insofern in der praktischen Idee noch nicht zwischen Bestimmen von X gem¨ aß p und Sichbestimmen gem¨aß p unterschieden ist, markiert sie die u¨ bergreifende Form von Poiesis und Praxis im engeren Sinn.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
streckt sich dabei auf all ihre Momente, n¨amlich erstens auf ihr subjektseitiges, insofern sich praktisches (Sich)Bestimmen (implizit oder explizit) an einem Wollens- oder Sollensurteil orientiert; zweitens auf ihr objektseitiges, insofern die Sph¨are weltseitigen Seins nicht bloß derart urteilend bestimmt wird, dass sie von dieser Bestimmung unber¨uhrt bleiben soll, sondern um neugesetzte Tatsachen erg¨anzt wird. Drittens betrifft der Vermittlungscharakter das Verh¨altnis von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und weltseitigem Sein. Denn anders als ein theoretisches Urteil steht ein Wollens- oder Sollensurteil durch seinen Gehalt nicht unmittelbar in einem Selbstverh¨altnis zu objektseitigem Sein, sondern verlangt erst die Bestimmung weltseitigen Seins gem¨aß dieses Gehalts. Selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich ihm gem¨aß zu bestimmen unternimmt, hat daher die Vermittlung dieses Gehalts mit oder seine Realisierung als weltseitiges Sein in Gang zu setzen, die als solche unterbrechbar ist und darum fehlschlagen kann. Wie schon bemerkt, handelt Hegel zweckrealisierendes (Sich)Bestimmen oder intentionales Handeln nicht nur im Kapitel zur praktischen Idee, sondern bereits im Teleologiekapitel als reflektierte Zweckt¨atigkeit ab619 . Da die Teleologie – ihrem Ort im logischen Fortgang gem¨aß – jedoch eine Form objektseitigen Seins markiert, kann das Handeln seine Stelle erst im Ideeabschnitt haben. Systematisch geh¨oren Hegels Ausf¨uhrungen zur ontologischen Form reflektierter Zweckt¨atigkeit im Teleologiekapitel daher zur praktischen Idee. Daf¨ur spricht auch, dass der Unterschied praktischen (Sich)Bestimmens gegen¨uber reflektierter Zweckt¨atigkeit laut Hegel allein darin bestehen soll, dass es f¨ur seine Zwecke unbedingte Geltung beansprucht, obwohl es dennoch an bloß partikularen Zwecken orientiert sein kann620 . Zwar scheint f¨ur eine Unterscheidung zweier Formen zweckgerichteten Handelns zu sprechen, dass es Handlungen gibt, die moralisch indifferent sind, und solche, die am Guten als unbedingtem Maßstab zu messen sind. Doch auch diese Unterscheidung gibt keinen Grund daf¨ur ab, eine Form reflektierter Zweckt¨atigkeit als Form objektseitigen Seins abzuhandeln, sondern legt allenfalls eine Untergliederung der praktischen Idee nahe. Da die Logik des subjektiven Begriffs außerdem gezeigt hat, dass die verschiedenen Urteilsformen nicht isoliert auftreten k¨onnen, muss diese Einsicht auch bei der Betrachtung des praktischen Urteilens festgehalten werden. Daher erscheint eine Unterteilung von Sollensurteilen in moralisch indifferente und moralisch bewertbare ebenso wie eine entsprechende Untergliederung des Handelns in moralisch indifferente und moralisch bewertbare Vollz¨uge als Abstraktion. Zweckrealisierendes (Sich)Bestimmen steht daher als solches in 619
Vgl. oben Abschnitt 3.4.7. Nur der Inhalt macht den Unterschied aus. In der a¨ ußerlichen als der formellen ” Zweckm¨aßigkeit war er ein unbestimmter endlicher Inhalt u¨ berhaupt; hier ist er zwar auch ein endlicher, aber als solcher zugleich absolut geltender“ [12,23220−23]. 620 Vgl.
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implizitem oder explizitem Bezug auf den ihm immanenten Maßstab des Allgemeinen oder Guten. Anders als zur theoretischen Idee geh¨oren zur praktischen als vermittelter Vermittlung von urteilendem (Sich)Bestimmen und weltseitigem Sein zwei Ebenen des Gelingens und Fehlschlagens. Denn zum einen hat das Sollensurteil als Urteil eine eigene Form von Richtigkeit oder Unrichtigkeit, zum anderen kann seine handelnde Realisierung gelingen oder fehlschlagen. In Form der moralischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Wollens ist die theoretische Urteilswahrheit in der praktischen Idee aufgehoben und dieser entsprechend modifiziert. Denn da es f¨ur Urteile des Wollens kennzeichnend ist, ihre Vermittlung mit weltseitigem Sein nicht als bestehend, sondern als etwas auszudr¨ucken, was erst herbeizuf¨uhren ist, kann ihre Richtigkeit nicht in einem explikativen ¨ Selbstverh¨altnis zu objektseitigem Sein bestehen. Die Ubereinstimmung, die ¨ zur Richtigkeit praktischer Urteile geh¨ort, kann daher keine Ubereinstimmung mit objektseitigen Tatsachen sein, womit eine materiale Ethik ausgeschlossen ist, die von eigenst¨andigen Wertgegenst¨andlichkeiten ausgeht. Die praktische Richtigkeit von Sollensurteilen kann vielmehr nur darin bestehen, dass das besondere (Sich)Bestimmen, das sich in ihnen ausspricht, im Einklang mit seinem allgemeinen Wesen steht, statt ihm zuwiderzulaufen. Hegels ontologische Bestimmung des praktisch Richtigen oder Guten ist darum zwar nicht unmittelbar material, zugleich aber auch nicht abstrakt formell, sondern wesentlich operational und markiert damit kein bloßes Testverfahren f¨ur vorgegebene materiale Inhalte, sondern die Quelle solcher Inhalte. Denn das Gute ist f¨ur Hegel gerade die Idee als selbst¨andiges (Sich)Bestimmen, insofern dieses in seinen besonderen Vollz¨ugen an seinem allgemeinem Wesen orientiert ist und ihm in seinen partikularen Zwecken so nicht zuwiderl¨auft, sondern entspricht. Daher ist das Gute f¨ur Hegel kein bestimmter Zweck, sondern vielmehr: der schlechthin gel” tende Zweck“ 621 . Der schlechthin geltende Zweck“ ist aber allein durch seine ” Unbedingtheit charakterisiert. Er ist dabei – darin ist sich Hegel mit Kant einig – nirgendwo gegenst¨andlich vorhanden, sondern entspringt allein der internen Verfasstheit unbedingten Sichbestimmens. Eben dies liegt in Hegels ontologischer Bestimmung des Guten, die zun¨achst leer anmuten mag: Die subjektive ” Idee als das an und f¨ur sich Bestimmte und sich selbst gleicher, einfacher Inhalt ist das Gute“ 622 . Die Gleichsetzung des Guten mit der subjektiven“ Idee ist insofern ” auff¨allig, als die Idee gerade als Subjekt-Objekt bestimmt ist. Das Gute kann damit nicht bloß subjektseitig angesiedelt und als bloßes Ideal bestimmt sein, sondern muss subjektseitiges Moment einer den Gegensatz von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein u¨ bergreifenden Einheit sein. Da 621 622
V10,216306. 20,22712−13.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
die Idee wesentlich als wirkliche Einheit von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein bestimmt ist, markiert das Gute als ihr Subjektmoment damit wesentlich das Moment des (Sich)Bestimmens innerhalb dieser Einheit. Es ist darum n¨aher als sich selbst gleicher, einfacher Inhalt“ be” stimmt, weil nicht schon beliebiges (Sich)Bestimmen, das auf Welt bestimmend u¨ berzugreifen und sich in ihr zu realisieren vermag, das Gute ist, sondern nur an seinem einfachen“, insofern aber allgemeinen Wesen orientier” tes (Sich)Bestimmen, das diesem in seinen besonderen Zwecken nicht zuwiderl¨auft und in ihnen damit sich selbst“ – n¨amlich seinem allgemeinen Wesen ” – gleich“ ist, also entspricht. Dabei markiert das Gute solches seiner einfa” chen operationalen Wurzel entsprechende (Sich)Bestimmen als das an und f¨ur ” sich Bestimmte“, weil es als selbstbesonderndes (Sich)Bestimmen an und f¨ur sich die Kapazit¨at hat, aus sich besondere, verbindliche Zwecke zu beziehen und sich ihnen gem¨aß zu bestimmen, statt diese anderswoher aufnehmen zu m¨ussen. Auch wenn Hegels Bestimmung des Guten damit insofern bloß formell bleibt, als sie zweckrealisierendes (Sich)Bestimmen meint, das seinem allgemeinen Wesen – unbedingtem (Sich)Bestimmen – in seinen besonderen Zwecken und Vollz¨ugen entspricht, erlaubt sie zu verstehen, dass der selbstbesondernden Natur solchen (Sich)Bestimmens besondere Typen praktischer Zwecke entspringen, die jedoch nicht mehr Gegenstand der Logik sind. Da die Idee wesentlich der Prozess der Realisierung konkreter Allgemeinheit ist, bleiben jene Zwecke kein bloßes Sollen, sondern verwirklichen sich, indem an ihnen orientiertes, leibhaftiges (Sich)Bestimmen bestimmend auf weltseitiges Sein u¨ bergreift. Dass die ontologische Form des Guten selbst¨andiges (Sich)Bestimmen sei, das seinem allgemeinen Wesen in seinen besonderen Zwecken an und f¨ur sich gem¨aß ist und solche Zwecke zugleich notwendig verwirklicht, bedeutet aber weder, die seinem selbstbestimmenden Wesen gem¨aßen Zwecke seien unmittelbar verf¨ugbar noch, alles sei unmittelbar schon, wie es sein soll. Denn selbstbesondernde Allgemeinheit ist in einem partikularen Zentrum selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens nicht einfach unmittelbar vorhanden, sondern nur in Form der operationalen Kapazit¨at zur Artikulation ihr gem¨aßer Zwecke. Da die Idee wesentlich Prozess ist, folgt aus der notwendigen Realit¨at des Guten zugleich nicht, dass alles immer schon so ist, wie es sein soll, sondern nur, dass nicht alles noch nicht so sein kann, wie es sein soll. Die Sph¨are weltseitigen Seins kann zweckrealisierendem (Sich)Bestimmen darum nicht derart fremd gegen¨uberstehen, dass sie dessen bestimmendem Ausgriff gem¨aß vern¨unftiger Zwecke grunds¨atzlich entzogen w¨are. Da vielmehr beide Gestalten des Begriffs sind und sich im logischen Fortgang gezeigt hat, dass das Objektkontinuum keinen letzten Selbstand hat, sondern sich mit dem ¨ Ubergang zur Idee als Spielraum konkreter Freiheit erwiesen hat, auf den in
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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ihm leibhaft verankertes (Sich)Bestimmen bestimmend u¨ bergreift, geh¨ort zur Sph¨are der Objektivit¨at wesentlich die Bestimmbarkeit durch zweckgerichtetes (Sich)Bestimmen623 . Da die Idee keine a¨ ußerlichen Bestimmungsverh¨altnisse, sondern eine Beziehung zwischen solchem markiert, was wesentlich aneinander gekn¨upft ist und einander darum nicht a¨ ußerlich, sondern so bestimmt, dass sich das Bestimmende der ontologischen Form des Bestimmten zugleich unterordnet, markiert auch die praktische Idee kein freischwebendes Bestimmen, das weltseitigem Sein beliebig a¨ ußerliche Bestimmtheit hinzusetzt. Solches freischwebendes Hinzusetzen von Bestimmtheit w¨are nichts anderes als Zauberei. Dagegen ergibt sich aus der ontologischen Form der Idee, dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das zweckrealisierend auf objektseitiges Sein u¨ bergreift, leibhaft im Kontinuum objektseitigen Bestimmtseins verankert ist und seine Bestimmungsleistungen daher nur in eigenleiblichen Vollz¨ugen von seinem jeweiligen Ort aus vollbringen kann. Zugleich hat sich zweckrealisierendes Bestimmen objektseitigem Sein auch insofern unterzuordnen, als es dessen Bestimmtheit nicht unmittelbar austauschen, sondern lediglich modifizierend erg¨anzen kann. Da objektseitiges Sein aber durchgehend bestimmt und nomologisch geschlossen ist, hat sich auch zweckrealisierendes Bestimmen solchen Seins dessen nomologischer Verfasssung unterzuordnen, obgleich seine Zwecke und Vollz¨uge nicht durch objektseitig vorgegebene Bestimmtheit determiniert sind. Denn selbstbez¨ugliches Sichbestimmen oder selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit ist gerade nur m¨oglich, sofern die neu gesetzte Bestimmtheit nicht schon gesetzm¨aßig durch bereits vorliegende festgelegt ist. Praktisches (Sich)Bestimmen ist daher selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit, das als solches nicht kausalgesetzlich verstanden werden kann, sich der nomologischen Determination des Objektkontinuums aber insofern unterzuordnen hat, als die neugesetzte Bestimmtheit weltseitig vorhandene nur derart unter Ausnutzung verf¨ugbarer Mittel erg¨anzen kann, dass dabei r¨uckwirkend die nomologische Geschlossenheit des Ganzen wiederhergestellt wird624 . 623
Vgl. Hegels Behauptung: Der Zweck als der Begriff, der frey gegen das Objekt und ” dessen Process existirt, und sich selbst bestimmende T¨atigkeit ist, geht, da er ebensosehr die an und f¨ur sich seyende Wahrheit des Mechanismus ist, in demselben nur mit sich selbst zusammen. Die Macht des Zwecks u¨ ber das Objekt ist diese f¨ur sich seyende Identit¨at“ [12,16622−27]. Die Bewegung des Zwecks kann daher nun so ausgedr¨uckt werden, daß sie darauf gehe, sei” ne Voraussetzung aufzuheben, das ist, die Unmittelbarkeit des Objects, und es zu setzen als durch den Begriff bestimmt“ [12,16133−35]. Daher gilt: In demselben Momente, in welchem ” das Subject des Zwecks sich bestimmt, ist es auf eine gleichg¨ultige, a¨ usserliche Objectivit¨at bezogen, die von ihm jener inneren Bestimmtheit gleichgemacht, d. h. als ein durch den Begriff bestimmtes gesetzt werden soll“ [12,16215−18]. 624 Gem¨ aß der von Vittorio H¨osle bem¨angelten Vernachl¨assigung von Intersubjektivit¨at in ¨ der Logik [vgl. H OSLE 1988: 263ff.], die oben auf die Unvollst¨andigkeit von Hegels Einteilung der Geistesidee zur¨uckgef¨uhrt wurde [vgl. oben Abschnitt 3.5.5.1], in der die Idee verstehenden
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Daher sind selbstbestimmte Handlungsvollz¨uge zwar nichts, was durch objektseitiges Sein determiniert w¨urde, sondern transzendieren jedes vorgegebene Sein, jedoch so, dass sie es derart erg¨anzen, das diese Erg¨anzung r¨uckwirkend mit der nomologischen Geschlossenheit des neuen, reicher bestimmten Objektkontinuums in Einklang steht. Dass praktisches (Sich)Bestimmen damit selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit ist, das sich r¨uckwirkend der nomologischen Geschlossenheit objektseitigen Seins anpasst, bedeutet, zeitlich gesprochen, nichts anderes, als dass die Vergangenheit selbst noch unabgeschlossen ist. Denn wenn selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit objektseitiges Sein, derart bestimmt, dass dessen nomologische Geschlossenheit r¨uckwirkend wieder eingesetzt wird und es sich insofern seine hinreichenden Bedingungen voraussetzt, erg¨anzt es das seinem (Sich)Bestimmen vorausliegende, objektseitige Sein retroaktiv, ohne darum zu ihm zur¨uck zu k¨onnen. Da praktisches (Sich)Bestimmen sich objektseitigem Sein unterordnen muss, kann es das Geschehene also nicht tilgen, sondern nur erg¨anzen, vervollst¨andigen oder erf¨ullen. Solche r¨uckwirkend vervollst¨andigende Erg¨anzung des Vergangenen ist aber darum m¨oglich, weil die Scheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen nicht vorgeben ist, sondern ihm selbst entspringt. Nun haftet praktischem (Sich)Bestimmen noch ein Moment der Endlichkeit an, das erst in der absoluten Idee aufgehoben wird625 . Denn es kann nicht unmittelbar auf beliebige Ausschnitte des Kontinuums u¨ bergreifen, sondern ist dabei an seinen Leib gebunden, auf dessen Umgebung eingeschr¨ankt und kann erfolgreich nur solche Zwecke verfolgen, die von seinem Ort aus r¨uckwirkend einem objektseitigen Determinationszusammenhang einordbar sind. Als reflektiertes (Sich)Bestimmen unterscheidet es zugleich zwischen sich und weltseitigem Sein. Dabei setzt es sich nach Hegel insofern mit sich in Widerspruch, als es weltseitiges Sein einerseits seinen Zwecken gegen¨uber gleichg¨ultig fasst, es andererseits aber unternimmt, zweckrealisierend auf es auszugreifen, und dabei notwendig seine Bestimmbarkeit durch Zwecke unterstellt626 . Die handelnde Seins in einer gemeinsamen Welt ausgespart bleibt, fasst Hegel die praktische Idee prim¨ar als Form zweckgerichteten Bestimmens von objektseitigem Sein und nicht ausdr¨ucklich als Form des (Inter)Agierens in einer gemeinsamen Welt. Dessen ontologische Form bleibt daher auch in unserer Rekonstruktion ausgespart. 625 Hegel erl¨ autert dies folgendermaßen: Die Willens-Idee hat als das selbstbestimmende ” f¨ur sich den Inhalt in sich selbst. Dieser ist nun zwar bestimmter Inhalt, und insofern ein endliches und beschr¨anktes; die Selbstbestimmung ist wesentlich Besonderung, da die Reflexion des Willens in sich als negative Einheit u¨ berhaupt auch Einzelnheit im Sinne des Ausschliessens und des Voraussetzens eines Andern ist“ [12,23134–2322], vgl. 12,2328−15. 626 Vgl. Das erste unmittelbare Setzen im Zwecke ist zugleich das Setzen eines innerli” chen, d. h. als gesetzt bestimmten, und zugleich das Voraussetzen einer objectiven Welt, welche gleichg¨ultig gegen die Zweckbestimmung ist“ [12,16221−23]. Entsprechend gilt: Dieses ” Wollen hat einerseits die Gewißheit der Nichtigkeit des vorausgesetzten Objects, andererseits
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Realisierung von Zwecken ist dabei auch insofern endlich, als der realisierte Zweck in der objektseitigen Realit¨at nur ein zuf¨alliges, zerst¨orbares Da” sein“ 627 hat und besondere Zwecke verfolgendes (Sich)Bestimmen mit seinem allgemeinen Wesen in Widerstreit geraten kann628 . Insofern zweckrealisierendes (Sich)Bestimmen aber unbeschadet seiner je besonderen Vereinzelung zugleich Verk¨orperung allgemeinen (Sich)Bestimmens ist und zu ihm daher die Orientierung an diesem, als seinem eigenen Wesen, geh¨ort, ist das Gute als unbedingtem (Sich)Bestimmen gem¨aße, zweckrealisierende T¨atigkeit notwendig wirklich, weil es zum Sein als solchem geh¨ort. Objektseitiges Sein steht dem Guten daher nicht als f¨ur es grunds¨atzlich Unempf¨angliches gegen¨uber. Vielmehr m¨ussen in die besonderen Bestimmungsleistungen von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens immer auch Vollz¨uge eingewoben sein, in denen das Gute sich weltseitige Realit¨at verschafft. Da die Idee aber logisch als Prozess bestimmt ist, der eine Verschr¨ankung der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Realit¨at voraussetzt, ist damit nicht behauptet, dass vern¨unftige Allgemeinheit subjektseitiges (Sich)Bestimmen und objektseitiges Sein immer schon durchg¨angig bestimmt und das Gute je schon vollendete Realit¨at ist. Vielmehr ist es mit der ontologischen Form handelnden (Sich)Bestimmens in gewissem Maß vereinbar, besondere, dem Allgemeinen angemessene Zwecke erst zu suchen oder sich an solchen zwar zu orientieren, aber dennoch auf eine ihnen zuwiderlaufende Weise zu handeln. ¨ Der Ubergang von der praktischen Idee, die damit wesentlich in sich gebrochen ist, zur absoluten Idee ergibt sich nach Hegel folgendermaßen: Als vermittelte Gestalt der Idee unterliegt das praktische Selbstverh¨altnis von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein f¨ur sich einem performativen Widerspruch. Denn als reflektiertes Verh¨altnis von subjekt- und objektseitigem Sein setzt sich zweckrealisierendes (Sich)Bestimmen letzteres einerseits noch als Fremdes entgegen, begreift sein Handeln jedoch zugleich ¨ als erfolgreiches Ubergreifen auf Welt. Denn ein Zentrum zweckgerichteten (Sich)Bestimmens kann seine praktischen Vollz¨uge u¨ berhaupt nur sinnvoll in Angriff nehmen, wenn es davon ausgeht, dass objektseitiges Sein f¨ur seine Zwecke empf¨anglich ist. Dabei erkennt es laut Hegel, dass es seine praktischen Zwecke aufgrund seiner leibhaftigen Vereinzelung nur lokal verwirklichen kann, dass mehr aber darum auch gar nicht n¨otig ist, weil die Realit¨at im Ganzen bereits Gestalt unbedingten (Sich)Bestimmens und das Gute so we¨ sentlich realisiert ist629 . Dieser problematische Ubergang l¨asst zwei spiegelaber setzt es als Endliches zugleich den Zweck des Guten als nur subjective Idee und die Selbst¨andigkeit des Objects voraus“ [20,22715−18], 12,17118−22. 627 20,23232−33. 628 Vgl. 12,23237−38. 629 In Hegels eigenen Worten stellt sich dieser Gedankengang folgendermaßen dar: In”
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
bildliche Deutungen zu. Nach der ersten kann Hegel allenfalls zeigen, dass ein Handelnder aus apriorischen Gr¨unden immer auch am Guten orientiert ist, objektseitiges Sein dem Guten nicht grunds¨atzlich feindlich gegen¨ubersteht, sondern f¨ur dieses empf¨anglich ist, und Gutes immer schon partiell realisiert ist. Daraus folge aber nicht, wie Hegel zu unterstellen scheint, dass das Gute in der Welt immer schon vollst¨andig realisiert sei und es bloß noch die gegenteilige T¨auschung zu u¨ berwinden und einzusehen gelte, dass die Welt schon vollendet gut und damit aus absoluter Perspektive bereits so ist, wie sie sein ¨ soll. Dagegen, den logischen Ubergang zur absoluten Idee derart als Apologie des Tats¨achlichen zu lesen, spricht jedoch, dass Hegel die Idee wesentlich als Prozess begreift und sie darum nichts bezeichnen kann, was in seinslogischer Statik immer schon erreicht ist, sondern nur solches, was als unbedingte Selbstverwirklichung zwar je schon ein St¨uck weit vollbracht, zugleich aber erst zu vollbringen ist630 . Dass die Auffassung des Guten als eines w¨unschenswerten, damit aber bloß subjectiven“ Ideals aufgehoben und erkannt wird, dass die ” ” objective Welt an und f¨ur sich die Idee ist“ 631 , bedeutet damit weder, die Idee so aufzufassen, dass sie schlichtweg alles weltseitige Sein einschließt, noch u¨ berhaupt, die Idee in die a¨ ußere, profane Welt zu verlegen. Vielmehr bedeutet es umgekehrt, die objektive Welt in der Idee zu verorten, n¨amlich diese durch die Erkenntnis zu objektivieren, dass das einzig Bleibende, worauf es in letzter Instanz ankommt, das zeitlos G¨ultiges artikulierende Leben des Geistes ist und dass das Unbedingte nirgendwo anders als im geistigen Leben leibhaftiger Selbstbestimmungszentren Gestalt wird, ohne dass darum in der Welt je schon ¨ alles so w¨are, wie es sein soll. Gerade in diesem Sinn besteht der Ubergang zur absoluten Idee nicht darin, objektseitiges Sein auf fragw¨urdige Weise zu ideali¨ sieren, sondern darin, die Idee zu objektivieren632. Der logische Ubergang zur absoluten Idee verbr¨amt daher keinen heroischen Entschluss, am Ende alles dem durch die Th¨atigkeit des objectiven Begriffs die a¨ ussere Wirklichkeit ver¨andert, ihre Bestimmung hiemit aufgehoben wird, so wird ihr eben dadurch die bloß erscheinende Realit¨at, a¨ usserliche Bestimmtheit und Nichtigkeit genommen, sie wird hiemit gesetzt als an und f¨ur sich seyend. Es wird darin die Voraussetzung u¨ berhaupt aufgehoben, nemlich die Bestimmung des Guten, als eines bloß subjectiven“ [12,23516−21]. Die Wahrheit des Guten ist damit ge” setzt, als die Einheit der theoretischen und practischen Idee, daß das Gute an und f¨ur sich erreicht– die objective Welt so an und f¨ur sich die Idee ist, wie sie zugleich ewig als Zweck sich setzt und durch Th¨atigkeit ihre Wirklichkeit hervorbringt“ [20,22810−13]. Damit ist der lo¨ gische Ubergang zur absoluten Idee vollzogen: In diesem Resultate ist hiemit das Erkennen ” hergestellt, und mit der practischen Idee vereinigt, die vorgefundene Wirklichkeit ist zugleich als der ausgef¨uhrte absolute Zweck bestimmt, aber nicht wie im suchenden Erkennen, bloß als objective Welt ohne die Subjectivit¨at des Begriffes, sondern als objective Welt, deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist. Dieß ist die absolute Idee“ [12,23533−39]. 630 Vgl. Das unbefriedigte Streben verschwindet, wenn wir erkennen, daß der Endzweck ” der Welt ebenso vollbracht ist, als er sich ewig vollbringt“ [TW8,387 Z.]. 631 Vgl. unten S. 576 Anm. 662 . 632 Entsprechend kann Hegel sagen: Die absolute Idee ist die Idee, f¨ ur welche die objektive ”
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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objekt- und weltseitige Sein als gut, vern¨unftig und u¨ berhaupt so, wie es sein soll, aufzufassen, sondern darin, die Idee – das an vern¨unftigen Zwecken orientierte geistige Leben – als objektiv anzusehen – n¨amlich als das, was es mit dem Sein als solchem letztlich auf sich hat und worum es im Zusammenhang des Ganzen eigentlich geht633 . Diese Lesart macht aber deutlich, dass Hegel vom Wollen und Handeln stringent nicht ohne Zwischenschritt zur absoluten ¨ Idee u¨ bergehen kann. Denn der logische Ubergang zur absoluten Idee soll sich nach Hegel weder u¨ ber eine Form des Handelns noch u¨ ber diejenige theoretischer Gegenstandserkenntnis, sondern verm¨oge der Einsicht in die Form einer gem¨aß schlechthin g¨ultiger Zwecke bestimmbaren und bestimmten Welt des Geistes vollziehen. Eine solche Einsicht ist aber selbst weder gegenstandsbezogene Erkenntnis noch intentionales Handeln. Daher muss als dritte Form der Idee des Geistes eine u¨ bergreifende Einheit von Erkennen und Handeln angenommen werden, die oben als Idee verstehenden Seins in einer gemeinsamen ” Welt des Geistes“ bezeichnet wurde, bei Hegel jedoch fehlt. Bevor zur Darstellung der absoluten Idee u¨ bergegangen wird, sei die immanente Rekonstruktion des logischen Fortgangs noch durch eine Betrachtung der ontologischen Form von Freiheit unterbrochen, wie sie sich aus Hegels Idee des Geistes ergibt. 3.5.8 Zur ontologischen Form der Freiheit 3.5.8.1 Die subjektive Freiheitsaporie Wie schon erw¨ahnt, lassen sich zwei Aporien der Freiheit unterscheiden, die unabh¨angig voneinander formuliert werden k¨onnen, n¨amlich eine subjektive und eine objektive634. Die bereits besprochene, objektive Freiheitsaporie besteht darin, dass die Realit¨at von Freiheit mit der nomologischen Geschlossenheit objektseitigen Seins unvereinbar scheint. Die subjektive Aporie liegt dagegen darin, dass sich ein Subjekt scheinbar weder in determinierten noch in indeterminierten (und damit zuf¨alligen) Vollz¨ugen als frei erfahren kann, die Welt die Idee ist“ [V10,222510] – und nicht etwa umgekehrt die Idee, f¨ur welche die Idee die objektive, a¨ ußere Welt ist. 633 Damit geht in Hegels Augen keineswegs einher, dass das Leben des Geistes sich nun kein Problem mehr sein k¨onnte und man das Unbedingte nun fertig in der Tasche h¨atte. Viel¨ mehr kann Hegel im Zuge des logischen Ubergang zur absoluten Idee vom Menschen sagen: In seiner T¨atigkeit gegen eine a¨ ußere Objektivit¨at hebt er mit dieser, welche ihm keinen Wi” derstand leisten kann, ebenso seine subjektive Stellung, seine Ansicht eines Kampfes und einer feindseligen Richtung gegen die a¨ ußere Welt auf und geht in der Objektivit¨at der Welt vielmehr mit sich selbst zusammen, d. i. er findet den absoluten Endzweck an und f¨ur sich realisiert. [...] Endlich gibt er den Kampf auf und ergibt sich der Welt. Alle Romane stellen dies dar. Der Mensch erkennt am Ende, daß er nicht gegen die a¨ ußere Welt, sondern gegen sich selbst zu k¨ampfen hat“ [V11,190422−445]. 634 Vgl. der Sache nach KOCH 2006a: 47; 307 sowie oben Abschnitt 3.5.2.8.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Disjunktion von Determination und Indeterminiertheit jedoch vollst¨andig zu sein scheint635 . Da die subjektive Freiheitsaporie nur die Frage betrifft, wie ein Subjekt sich f¨ur frei halten kann, und damit das F¨ursichsein von Freiheit, ist sie von der objektiven unabh¨angig, welche die objektseitige Realit¨at der Freiheit zum Thema hat und so eine Aporie der Freiheit an sich ist. Zwar lassen sich die beiden Grundprobleme der Freiheit damit unabh¨angig voneinander formulieren. Hegels Konzept der Idee zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass es einen einheitlichen Ansatz zur Kl¨arung des Freiheitsbegriffs erm¨oglicht, von dem her sich sowohl die objektive wie die subjektive Aporie der Freiheit angehen lassen. Im Unterschied zu jener wird die subjektive Freiheitsaporie erst hier im Zusammenhang mit der Idee des Geistes behandelt, weil sie keine Aporie selbst¨andigen (Sich)Bestimmens u¨ berhaupt, sondern ein Problem reflektierten (Sich)Bestimmens in einer Welt ist, da nur dieses sich als frei verstehen kann. Um die subjektive Freiheitsaporie klar formulieren zu k¨onnen, muss zun¨achst der Begriff der Determination gekl¨art werden: Ein Ereignis unter einer Beschreibung b heiße determiniert durch ein Ereignis unter einer Beschreibung a, wenn das Eintreten von jenem aus dem Eintritt von diesem nach einem gesetzm¨aßigen Zusammenhang folgt, der Ereignistypen A und B verkn¨upft. Im Begriff der Determination ist derjenige des Gesetzes darum eingeschlossen, weil nur so die Determination eines einzelnen Ereignisses durch ein anderes von ihrem zuf¨allig gekoppelten Auftritt zu unterscheiden ist. Ein Ereignis unter einer Beschreibung b heiße indeterminiert oder zuf¨allig, wenn es zu ihm kein von ihm verschiedenes Ereignis unter einer Beschreibung a gibt, sodass das Eintreten von b aus dem Eintritt von a nach einem Gesetz folgt, und sein Eintritt somit unvermitteltes Neuauftreten ist. Nun scheint sich ein Individuum weder in Vollz¨ugen, die es als determiniert erf¨ahrt, noch in indeterminierten Vollz¨ugen als frei erfahren zu k¨onnen. Denn ein Ereignis als Ausdruck seiner freien T¨atigkeit zu erfahren, setzt voraus, sich selbst (die Verantwortung f¨ur) das Eintreten dieses Ereignisses zuzuschreiben. Dies schließt aber nicht nur aus, dass ein solches Ereignis zuf¨allig eintritt. Denn ein als determiniert erfahrenes Ereignis scheint auf den ersten Blick zwar m¨oglicherweise dann als frei erfahrbar, wenn es durch ein Ereignis determiniert ist, f¨ur das sich das Individuum Verantwortung zuschreiben kann. N¨aher besehen verschiebt diese Annahme das Problem, unter welchen Bedingungen sich Individuen Ereignisse als ihre eigenen, freien Vollz¨uge 635 Peter Bieri formuliert diese Antinomie so: Wenn wir unser Handeln bestimmt sein ” lassen durch Motive, so erf¨ullt es die Bedingung f¨ur ein Handeln; aber weil es ein festgelegtes Handeln ist, ist es kein freies Handeln und erf¨ullt damit die andere Bedingung f¨ur ein Handeln nicht. Wenn es umgekehrt kein durch Motive festgelegtes Handeln ist, ist ihm die Freiheit nicht genommen, und es k¨onnte in diesem Sinn ein Handeln sein; da es aber ein zuf¨alliges, unverst¨andliches Geschehen w¨are, erf¨ullt es die andere Bedingung f¨ur ein Handeln nicht“ [B IERI 2006: 23].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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zuschreiben k¨onnen, aber nur und f¨uhrt so auf einen Regress. Ein Individuum kann seine Vollz¨uge deshalb nicht durchweg als zugleich determiniert und frei erfahren, weil es dabei entweder annehmen m¨usste, sie geh¨orten zu einer Kette einander determinierender Ereignisse, die u¨ ber sein bewusstes Leben hinausreicht, sodass an deren Anfang Fremddetermination st¨unde, oder die Kette breche in einem zuf¨alligen Ereignis ab. Der entscheidende Einwand gegen die M¨oglichkeit, sich zugleich als frei und determiniert zu erfahren, besteht somit darin, dass ein Subjekt sonst annehmen m¨usste, seine vermeintlich selbstverantwortete Geschichte stehe bereits zu ihrem Beginn fest, da sie sich aus einer Abfolge determinierter Ereignisse zusammensetzt. Sich in seinen Handlungen als frei zu begreifen, scheint aber unvereinbar damit, sein Leben als Abfolge von Ereignissen zu verstehen, die von Anfang an fest stehen. Daher scheint Freiheit weder als determiniertes Eintreten von Ereignissen verstehbar, die vor ihrem Eintritt feststehen und insofern nichts Neues darstellen, noch als indeterminiertes und insofern zuf¨alliges Eintreten von Neuem. Als subjektive Aporie der Freiheit ergibt sich damit folgendes Trilemma: (1) Freiheit kann nicht als determinierter Prozess verstanden werden. (2) Freiheit kann nicht als indeterminierter Prozess verstanden werden. (3) Es gibt kein Drittes gegen¨uber Determination und Indetermination. Die subjektive Freiheitsaporie l¨asst formal drei Ans¨atze zu ihrer Aufl¨osung zu – je nach dem, welcher der drei S¨atze aufgegeben wird, die zusammengenommen der M¨oglichkeit, sich als frei zu verstehen, widerstreiten. W¨ahrend kompatibilistische Ans¨atze die erste Annahme aufgeben und somit die subjektseitige Vereinbarkeit von Freiheit und Determination annehmen, geben indeterministische die zweite auf und setzen Freiheit mit der Erfahrung von Indeterminiertheit gleich. Dagegen bestreitet der dritte, im Folgenden in Anschluss an Hegel entwickelte Ansatz, dass alles, was nicht determiniert ist, nur zuf¨allig sein k¨onne, und begreift Freiheit so als Drittes gegen¨uber Determiniertheit und Indeterminiertheit. Hegels spekulativem Freiheitsbegriff zufolge ist dieses Dritte das durch die Idee bezeichnete selbst¨andige (Sich)Bestimmen in einer gemeinsamen, bedeutungsvollen Welt. W¨ahrend ein indeterministischer Freiheitsbegriff hier nicht weiter betrachtet werden soll, weil er aus Freiheit, wie Peter Bieri sagt, ein zuf¨alliges, unverst¨andliches Geschehen“ macht, ist vor der Ent” wicklung des spekulativen L¨osungsansatzes zun¨achst eine kompatibilistische Aufl¨osung der subjektiven Freiheitsaporie zu betrachten – nicht nur, weil Hegel eine solche gelegentlich zugeschrieben wird, sondern weil sein spekulatives Verst¨andnis von Freiheit sowohl ihren sachlichen Mangel zu bezeichnen wie die mit ihr verbundenen Einsichten in sich aufzunehmen hat636 . 636
Robert Pippin und Terry Pinkard schreiben Hegel einen kompatibilistischen Frei-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
In der gegenw¨artigen Debatte bildet Harry Frankfurts normativer Kompatibilismus einen Standardreferenzpunkt der kompatibilistischen Aufl¨osung der subjektiven Freiheitsaporie637 . Wesentlich ist dabei die Unterscheidung zwischen Volitionen erster und zweiter Stufe. Mit ersteren sind urteilsinformierte Akte des Willens als des Verm¨ogens gemeint, W¨unsche handlungswirksam werden zu lassen, mit letzteren Urteile dar¨uber, was zu tun richtig ist. Die Freiheit des Willens soll darin bestehen, dass der Wille in seinen erststufigen Vollz¨ugen den Urteilen dar¨uber, was zu tun richtig ist, entspricht, statt ihnen zuwider zu laufen638 . Nun kann es eine Bestimmung des Willens durch reflektierte Urteile u¨ ber das Richtige oder W¨unschenswerte nicht bloß im Einzelfall geben, weil sich in diesem nicht zwischen der wirklichem Bestimmung des Willens durch eine Volition zweiter Stufe und ihrer bloß zuf¨alligen Entsprechung unterscheiden ließe. Freiheit scheint daher nur m¨oglich, wo eine regelhafte Entsprechung zwischen Urteilen dar¨uber, was zu tun richtig sei, und handlungswirksamen Willensakten vorliegt. Da Urteile dar¨uber, was zu tun richtig sei, normativen Charakter haben, ist Freiheit damit nur m¨oglich, sofern der Wille einer Person durch von ihr als bindend angenommene Normen bestimmt ist. Als normbestimmte T¨atigkeit bildet Freiheit damit aber kein Drittes gegen¨uber Determiniertheit und Indeterminiertheit, sondern nur eine spezifische Weise der Determination. Denn wenn Willensakte mit Bezug auf bestimmte Normen nur als frei verstehbar sind, sofern sie diesen regelhaft entsprechen, scheinen sie entweder durch solche Normen determiniert und frei oder aber indeterminiert heitsbegriff zu, wonach Freiheit sowohl an sich wie im Selbstverst¨andnis der Person mit deren durchg¨angiger kausaler Determination im Rahmen nat¨urlichen Geschehens vereinbar sei [P IPPIN 1999: 194; P INKARD 2002: 282]. Pippin deutet Hegels Wendung, der Geist sei als die Wahrheit der Natur geworden“ [20,38726] entsprechend derart, Geist markiere eine ” komplexe Stufe“ der Entwicklung nat¨urlicher Organismen, die zwar anderen Formen des ” Nat¨urlichen gegen¨uber unnat¨urlich“ erscheinen k¨onne, an sich jedoch nichts Unnat¨urliches ” an sich habe, sondern Resultat der Realisierung eines nat¨urlichen Potentials“ [P IPPIN 1999: ” 197f.] sei. Diese Deutung ist hermeneutisch unangemessen, weil Hegel die Wendung Y ist die ” Wahrheit von X“ grunds¨atzlich nicht in dem Sinne gebraucht, dass Y eine entwickelte Form von X sei, sondern damit ausdr¨uckt, dass sich X als unselbst¨andiger Aspekt von Y erwiesen hat. Ebenso wenig wie das Unendliche darum, weil es sich als Wahrheit des Endlichen erweist, eine komplexe Stufe“ des Endlichen ist, ist Geist als Wahrheit der Natur eine komplexe Ent” wicklungsstufe des Nat¨urlichen. Dass Geist, der als Wahrheit der Natur nichts Nat¨urliches ist, als solcher geworden“ sei, bedeutet daher nur, dass es ihm eigen ist, sich von einfacheren zu ” komplexen Formen geistigen Seins zu entwickeln, und nicht, dass Zentren geistigen Lebens als Realisierungen eines Entwicklungspotentials toter, geistloser Natur verstanden werden k¨onnen. 637 Vgl. F RANKFURT 1971. 638 Peter Bieri formuliert diesen Gedanken pr¨ agnant: Unser Wille ist frei, wenn er ” sich unserem Urteil dar¨uber f¨ugt, was zu wollen richtig ist. Und der Wille ist unfrei, wenn Urteil und Wille auseinander fallen – das ist der Fall beim Unbeherrschten, den seine u¨ berm¨achtigen W¨unsche u¨ berrennen und zu einer Tat treiben, die er bei klarem Verstand verurteilt“ [B IERI 2005: 3].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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und willk¨urlich zu sein. Die Probleme, welche der Versuch mit sich bringt, die subjektseitige Vereinbarkeit von Freiheit und Determination zu denken, scheint daher auch ein normativer Kompatibilismus nicht beseitigen zu k¨onnen. Der Haupteinwand gegen eine kompatibilistische Aufl¨osung der subjektiven Freiheitsaporie besteht darin, dass als verbindlich angenommene Normen selbst nicht einfach vorhanden sind, sondern in Urteilen artikuliert werden, in denen sie als bindend (voraus)gesetzt werden. Best¨unde Freiheit allein in der regelhaften Entsprechung zwischen bereits akzeptierten Normen und ihnen unterstehenden Willensvollz¨ugen, k¨onnte die (Voraus-)Setzung und Selbstbindung an solche Normen selbst nicht als frei verstanden werden. Denn w¨aren Vollz¨uge nur insofern frei, als sie durch Urteile dar¨uber, was zu tun richtig ist, bestimmt sind, k¨onnte das Urteilen dar¨uber, was zu tun richtig ist, selbst nur frei sein, sofern es durch andere Urteile dar¨uber, was f¨ur richtig zu halten richtig ist, bestimmt und sein Gehalt insofern eine logische Folge derselben w¨are. K¨onnte die Einsetzung von Normen aber nur insofern frei sein, als sie durch bereits eingesetzte Normen sanktioniert ist, ließe sich die Neueinsetzung von Normen nicht als frei verstehen. Da Normen aber nirgendwo vorhanden und unmittelbar als verbindlich vorgegeben sind, sondern in Vollz¨ugen urteilenden (Sich)Bestimmens erst artikuliert und als verbindlich (voraus)gesetzt werden, l¨agen der Freiheit, kompatibilistisch verstanden, Vollz¨uge zugrunde, die selbst nur als willk¨urlich und unfrei zu begreifen sind. An der Wurzel des kompatibilistischen Freiheitsbegriffs lauern daher Indeterminismus und Willk¨ur. Sollen diese ausgeschlossen sein, ¨ muss es einen Uberschuss der Freiheit u¨ ber normsanktioniertes Handeln geben, insofern sich auch normsetzende Vollz¨uge als frei begreifen lassen m¨ussen. Dass Willensakte in regelhafter Entsprechung zu dem stehen, was ein Subjekt f¨ur bindend h¨alt, ist f¨ur Freiheit daher nur hinreichend, wenn es sich dabei nicht einfach um eingespielte Regularit¨aten handelt, die das Subjekt nicht verantwortet, sondern hat von diesem vielmehr reflektiertermaßen (mit)verantwortet zu sein. Muss damit aber das, was der Kompatibilist schon f¨ur Freiheit h¨alt, frei zustande kommen, um wirklich Freiheit zu sein und f¨ur Freiheit gehalten werden zu k¨onnen, ohne dass dieses Zustandekommen selbst kompatibilistisch verstehbar ist, vermag eine kompatibilistische Erkl¨arung von Freiheit nicht auf eigenen F¨ußen zu stehen. Dass ein Vollzug nicht nur seinen normsanktionierten Aspekten nach frei sein kann, schließt jedoch nicht aus, dass zwischen Freiheit und Normativit¨at ein wesentlicher Zusammenhang besteht. Um diesen deutlich zu machen, soll folgendermaßen zwischen Normbestimmtheit und Normorientiertheit unterschieden werden: Ein Vollzug heißt normbestimmt“ sofern alles ” an ihm frei“ zu nennende durch bereits als verbindlich artikulierte Normen ” bestimmt ist, normorientiert“ dagegen, sofern zwar gewisse Aspekte an ihm ” durch bereits als verbindlich artikulierte Normen sanktioniert sein k¨onnen, er aber zugleich Z¨uge aufweist, die f¨ur seinen Status als freier Vollzug wesentlich
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sind, ohne selbst durch bereits anerkannte Normen bestimmt zu sein. Insofern sich das praktische (Voraus)Setzen neuer Normen im Rahmen von T¨atigkeiten vollzieht, die sich an bereits eingesetzten Normen orientieren, die dabei nicht rundwegs u¨ ber den Haufen geworfen werden, obwohl sich die neu artikulierten Normen nicht deduktiv aus ihnen ableiten lassen, ist Normkreativit¨at zwar normorientiert, ohne normbestimmt zu sein. Soll ein normatives Verst¨andnis von Freiheit nicht auf Willk¨ur gegr¨undet sein, muss auch die situativ eingebettete T¨atigkeit, sich gem¨aß neu artikulierter Normen zu bestimmen, als frei begreifbar sein. Die Idee des Geistes bildet den logischen Schl¨ussel dazu: Insofern sich vern¨unftiges (Sich)Bestimmen n¨amlich wesentlich zu Urteilen und Schl¨ussen auslegt, vollzieht sich praktische Selbstbestimmung nicht aus dem Nichts heraus, sondern eingebettet in einen Zusammenhang von Gr¨unden. Dennoch k¨onnen Vollz¨uge der selbstverantworteten Artikulation von und Bindung an neuartige Normen nicht durch vorgegebene Gr¨unde determiniert, sondern nur an ihnen orientiert sein. Da Zentren abh¨angig-selbst¨andigen (Sich)Bestimmens als lebendige Individuen in ihren Vollz¨ugen nicht von vornherein durch Gr¨unde geleitet sind, kann Hegel zwar einen Minimalbegriff der Freiheit beseelten Lebens denken, zu dem noch keine Normorientiertheit geh¨ort. Da selbst¨andigem (Sich)Bestimmen als solchem jedoch die Auslegung zu Formen normorientierten (Sich)Bestimmens eingeschrieben ist, ist zwischen unwesentlichen und wesentlichen Formen von Freiheit zu unterscheiden. Vollz¨uge abh¨angigselbst¨andigen Sichbestimmens sind daher nicht einfach frei oder unfrei, sondern ordnen sich in eine Folge von Stufen unwesentlicher und wesentlicher Freiheit ein. In dieser Stufenfolge markiert normorientiertes (Sich)Bestimmen als solches nur die n¨achsth¨ohere Form von Freiheit gegen¨uber Vollz¨ugen unreflektierten (Sich)Bestimmens. Auf der n¨achsten Stufe ist zu unterscheiden, ob selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen nur an partikularen Zwecken oder an solchen orientiert ist, die zum (Sich)Bestimmen als solchem geh¨oren und insofern allgemein verbindlich sind. Selbst wenn die Vollgestalt von Freiheit erst darin best¨unde, allgemeinverbindlichen Normen in je besonderen Vollz¨ugen regelhaft zu folgen, ließe sich dies somit aus zwei Gr¨unden nicht kompatibilistisch verstehen: Erstens, weil eine habituell gewordene vern¨unftige Handlungsweise Resultat von Vollz¨ugen sein muss, durch die sich ein Zentrum selbst¨andigen (Sich)Bestimmens erst zu einer seinem eigenen Wesen entsprechenden normgeleiteten T¨atigkeitsweise bestimmt hat, die es nicht schon automatisch vollf¨uhrt; zweitens, weil das Allgemeine nicht abstrakt, sondern konkret ist, und ein ihm verpflichtetes Handeln daher nicht bloß in der mechanischen Subsumtion unter allgemeine Prinzipien, sondern darin besteht, verantwortlich herauszufinden, was dem Allgemeinen in einer bestimmten Situation gem¨aß ist.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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3.5.8.2 Spekulativer L¨osungsansatz Das selbst¨andige (Sich)Bestimmen, dessen Inbegriff die Idee ist, gibt als selbstinduziertes Sich-Anreichern mit Bestimmtheit einen Schl¨ussel zur L¨osung der subjektiven Freiheitsaporie ab639 . Solches Neusetzen ist weder als indeterminiertes und damit zuf¨alliges Neuauftreten von Bestimmtheit noch als determinierter Prozess verstehbar. Als selbstinduziertes Neusetzen von Bestimmtheit markiert es n¨amlich keinen Prozess, im Zuge dessen Bestimmtes auf bereits vorhandenes Bestimmtes nach einem Gesetz folgt. Da selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen von der ontologischen Form der Idee andererseits kein unfundiertes, freischwebendes Sichbestimmen ist, sondern sich leibhaftig aus einem Zusammenhang situativ vorgegebener Bestimmtheit und Bed¨urfnisse heraus vollzieht und in rationaler Anbindung an bereits denkend und handelnd Artikuliertes erfolgen kann, m¨ussen seine Vollz¨uge keine unmotivierten, weltund grundlosen Akte sein. Umgekehrt k¨onnen die nat¨urlichen und geistigen Umst¨ande solchen (Sich)Bestimmens seine Vollz¨uge nicht determinieren, da sonst f¨ur reales (Sich)Bestimmen – die selbstinduzierte, nur r¨uckw¨artig als rational ausweisbare Anreicherung mit neuer Bestimmtheit in Ankn¨upfung an bereits gesetzte – kein Platz bliebe. Selbst wo reales (Sich)Bestimmen sich kontextgebunden gem¨aß eingespielter, regelhafter Handlungsmuster bestimmt, handelt es sich nicht um determinierte Vollz¨uge, weil ihre Regelhaftigkeit sich keinem Automatismus verdankt, sondern der (reflexiven oder pr¨areflexiven) Selbstbestimmung zu derartigen Handlungsweisen. Gem¨aß ihrer durch die Idee des Geistes markierten Form sind Vollz¨uge reflektierten (Sich)Bestimmens im Grundsatz also keine kontextfreien, isolierten Ereignisse, die als solche keinen rationalen Anhalt in vorgegebener Bestimmtheit haben, sondern kontextinformierte, wenngleich nicht kontextdeterminierte Vollz¨uge. Das einbeziehende und daher kontextinformierte (Sich)Bestimmen der Idee ist somit weder als Determination noch als Zufall zu verstehen, weil es Selbstanreicherung mit Bestimmtheit ist, die weder aus schon vorhandener nach einem Gesetz folgt noch unvermittelt auftritt, sondern rational ausweisbare, kontextangebundene Anreicherung mit Bestimmtheit ist, in Gestalt derer ein Zentrum vern¨unftigen Lebens sein Potential zu selbstbestimmter, rationa639 In der WdL kennzeichnet Hegel diesen Schl¨ussel als den Begriff in seiner Existenz, der ” an und f¨ur sich das Unendliche und Absolute ist, – ein Prinzip der Freiheit, das seiner Selbstbestimmung schlechthin gewiss, dem a¨ ußerlichen Bestimmtwerden des Mechanismus absolut entrissen ist“ [12,1575−8]. Entsprechend heißt es in der Rechtsphilosophie zum freien Willen: Die Selbstbestimmung des Ich, in einem sich als das Negative seiner selbst, n¨amlich als be” stimmt, beschr¨ankt zu setzen und bei sich, d. i. in seiner Identit¨at mit sich und Allgemeinheit zu bleiben, und in der Bestimmung, sich nur mit sich selbst zusammenzuschließen. Ich bestimmt sich, insofern es die Beziehung der Negation auf sich selbst ist“ [TW7,54]. Daher gilt: Indem ” ich praktisch, t¨atig bin, das heißt handele, bestimme ich mich, und mich bestimmen heißt, eben einen Unterschied setzen“ [TW7,47 Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ler Selbstfortsetzung realisiert. Dass reflektiertes (Sich)Bestimmen als solches eine Form hat, bedeutet, dass das, wozu es sich bestimmt, keine isolierte, amorphe Verfassung aufweist, sondern begrifflich-, urteils- und schlussf¨ormig gepr¨agt ist und darum als sinnvolle, rational ausweisbare Weiterbestimmung aus einem Kontext heraus verst¨andlich werden kann. Insofern zu Freiheit wesentlich die selbstinduzierte Anreicherung mit Bestimmtheit durch situativ eingebettete, sch¨opferische Artikulation begrifflicher Gehalte geh¨ort, die unser Denken und Handeln pr¨agen, k¨onnen freie Vollz¨uge durch nichts außerhalb ihrer selbst determiniert sein. Wenn Freiheit wesentlich in der sch¨opferischen, nur r¨uckwirkend als rational einholbaren Fortbestimmung begrifflicher Gehalte im Denken und Handeln besteht, erkl¨art dies, warum Freiheit Determination und gesetzm¨aßige Erkl¨arung ausschließt: Determination wurde als gesetzm¨aßiger Zusammenhang zwischen Ereignissen unter einer gewissen Beschreibung erkl¨art. Ein solcher Zusammenhang setzt aber voraus, dass beide Ereignisse den gleichen Grad an Bestimmtheit aufweisen. Dagegen schießt die sch¨opferische Anreicherung mit begrifflicher Bestimmtheit u¨ ber die je schon artikulierte Bestimmtheit hinaus und kann daher aus ihr nicht nach einem Gesetz abgeleitet werden, das notwendig Zust¨ande gleicher Bestimmtheitsf¨ulle verkn¨upft. Ohne reflektiertes (Sich)Bestimmen w¨are die Selbstzuschreibung von ¨ T¨atigkeiten und die Ubernahme von Verantwortung nicht m¨oglich. Denn ohne ausdr¨uckliches Sichaufsichbeziehen ist es nicht m¨oglich, dass etwas sich selbst etwas zuschreibt, und ohne Selbstbestimmung nicht, dass es sich bestimmte Vollz¨uge als seine eigenen zuschreibt. Von der Warte des Subjekts kann Freiheit also deshalb nicht einfach kompatibilistisch verstanden werden, weil es seine Vollz¨uge nicht einfach insofern als frei verstehen kann, als sie in Einklang mit akzeptierten Normen stehen. Denn da solche Normen als Allgemeines nicht dinghaft vorhanden und passiv vorgegeben sind, sondern in (reflektierten oder unreflektierten) Vollz¨ugen (die an eine vorgegebene Praxis anschließen k¨onnen) artikuliert und als verbindlich gesetzt werden, muss auch die Normkreativit¨at von Selbstbestimmungszentren in denjenigen Aspekten als frei verstehbar sein, in denen sie auf r¨uckwirkend als rational ausweisbare Weise u¨ ber bereits akzeptierte Normen hinausgeht. Andernfalls m¨usste die geschichtliche Entwicklung des Geistes darum als unfrei betrachtet werden, weil sie die primitiven, empraktischen Regeln einer hypothetischen Urhorde hinter sich l¨asst. W¨aren Vollz¨uge nur frei, insofern sie (voraus)gesetzte, abstrakt-allgemeine Normen reflektiert instanziieren, w¨are alles sch¨opferische, kontextuell sinnvolle Neusetzen von Bestimmtheit, insofern es nicht durch bereits vorhandene determiniert und sanktioniert ist, unfrei. Obgleich sich somit nicht nur abstrakt regelgeleitete, sondern auch regelsetzende und regelkonkretisierende T¨atigkeiten als frei verstehen lassen m¨ussen, hat sich die Setzung neuer Regeln und die Konkretisierung bereits etablierter, um rational zu sein, in einem Kontext vorgege-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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¨ bener Verbindlichkeit zu vollziehen. Uber diese geht sie zwar modifizierend hinaus, darf dies jedoch nicht willk¨urlich tun, sondern nur auf eine Weise, die nachtr¨aglich als sinnvolle Antwort auf eine Problemlage verstehbar sein muss. Freiheit ist so wesentlich situativ eingebettete Selbstfortsetzung und Selbstkonkretion durch r¨uckwirkend als rational ausweisbare Bew¨altigung von Problemlagen. Die Idee bildet als ontologische Form kontextuell sinnvoller Selbstfortsetzung und Selbstkonkretion leibhaftiger Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens den Minimalbegriff der Freiheit. Da sich aus der Entfaltung der Idee jedoch eine logische Ordnung besonderer Gestalten von Freiheit ergibt und der Freiheitsbegriff so ein Begriff mit intern eingebauten Stufen ist, der wesentliche und unwesentliche Auspr¨agungen zul¨asst, ist mit dem Minimalbegriff der Freiheit noch nicht allzu viel gewonnen. Vielmehr markieren die logischen Stufen der Idee eine Abfolge von rudiment¨arer und unwesentlicher zu wahrer, entfalteter Freiheit. Zwar bildet bereits pr¨areflexives, vorpropositionales, a¨ ußerlich bedingtes (Sich)Bestimmen eine rudiment¨are Gestalt von Freiheit640 . Da zur Idee aber wesentlich die Auslegung zu inferentiell eingebettetem, propositionalem (Sich)Bestimmen geh¨ort, das seine Bedingungen reflektiert und sich innerhalb eines selbsterweiternden Zusammenhangs von Gr¨unden bewegt, ist Normorientierung eine Bedingung wesentlicher Freiheit. Deren Vollbegriff ist nach Hegel jedoch erst erreicht, wo selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich nicht an partikularen, sondern allgemein verbindlichen Normen orientiert, die nichts unmittelbar Gegebenes sind, sondern in deren Artikulation leibhafte Selbstbestimmungszentren ihr allen gemeinsames, operationales Wesen geschichtlich entfalten641 . 3.5.8.3 Freiheit als Befreiung und Selbstverwesentlichung Obwohl Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in ihren Vollz¨ugen alle je vorhandene Bestimmtheit u¨ berschreiten, statt durch diese determiniert zu sein, ist das (Sich)Bestimmen der Idee also kein Inbegriff welt- und formloser, isolierter, damit aber willk¨urlicher Vollz¨uge. Vielmehr ist schon das (Sich)Bestimmen beseelten Lebens leibhaft im Objektkontinuum verankert und insofern umwelthaft situiert. Da in Gestalt von Zentren beseelten Lebens organismisches Sein f¨ur sich selbst da ist, pr¨asentiert sich die Abweichung vom systemeigenen organismischen Sollen f¨ur solche Zentren als Bed¨urftigkeit. Daher ist schon das pr¨areflexive (Sich)Bestimmen eines Lebewesens nichts 640
Vgl. oben S. 488 und unten S. 565. Hegel spricht von der reine[n] Subjectivit¨at, welche dadurch rein und concret zugleich ” ist, daß sie zu ihrem Inhalt und Zweck nur jene unendliche Bestimmtheit, die Freiheit selbst, 19−22 hat“ [20,475 ]. 641
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Willk¨urliches, sondern durch Schmerz und Mangel informiert, deren Aufhebung es betreibt. Auch wenn die Vollz¨uge von Zentren selbst¨andigen (Sich)Bestimmens als solche abstrakt frei sind, markiert erst normativ orientiertes und insofern Gr¨unden folgendes (Sich)Bestimmen die Form wesentlicher Freiheit. Aus Hegels Logik des Begriffs und der Idee ergibt sich daher zwar kein rein normativer Freiheitsbegriff, dem gem¨aß Vollz¨uge u¨ berhaupt nur als normgeleitete frei sein k¨onnten. Insofern jedoch erst solche selbstbestimmten Vollz¨uge, die durch einen inferentiell artikulierbaren Kontext des Sich-schon-Bestimmthabens und den Bezug auf verbindlich gesetzte Normen informiert sind, in einem wesentlichen Sinn als frei gelten k¨onnen, ergibt sich aus Hegels Kennzeichnung der logischen Idee ein normativer Begriff wesentlicher Freiheit. Die Vollgestalt von Freiheit besteht jedoch erst dort, wo selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich nicht an beliebigen, partikularen Normen orientiert, sondern an sein eigenes, allgemeines Wesen bindet. Entscheidend ist damit, dass der begriffslogische Begriff der Freiheit kein abstraktes Entweder-Oder von Freiheit und Unfreiheit etabliert, sondern auf einen gestuften Freiheitsbegriff f¨uhrt, von dem her sich unentwickelte und entwickelte Gestalten der Freiheit unterscheiden lassen. Die entscheidende Frage hinsichtlich der Freiheit ist von Hegel her daher nicht, ob Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens in ihren Vollz¨ugen frei sind oder nicht, sondern ob sie dies auf wesentliche Weise sind. Insofern die Idee n¨amlich die logischen Stufen eines Prozesses markiert, im Zuge dessen zun¨achst unmittelbar auf die Umgebung ihres Leibes eingeschr¨ankte Zentren pr¨areflexiven und pr¨apropositionalen (Sich)Bestimmens in urteilsgeleiteten theoretischen und praktischen Vollz¨ugen das Objektkontinuum in eine gemeinsame Welt des Geistes zu verwandeln, befreien sie sich dabei von ihrer dumpfen Eingeschr¨anktheit auf leibliches Sein in einer durch Bed¨urfnisse definierten Umwelt – ein Prozess, der sich real als geschichtliche Entwicklung des Geistes auspr¨agt. Insofern die Gestalten der Idee die logischen Stufen eines Prozesses abstecken, zu dem zwar in einem minimalen Sinn von Anfang an Freiheit geh¨ort, ohne schon wesentliche Freiheit zu sein, markiert die Idee nicht einfach die ontologische Form von Freiheit, sondern diejenige eines Befreiungsprozesses642 . Weil die Idee Prozess ist, ist Freiheit mit Hegel also wesentlich als Befreiung zu denken, n¨amlich als der Prozess, im Zuge dessen Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens die Fremdheit des Objektkontinuums, in dem sie leibhaft 642
Nur weil die Idee wesentlich Prozess ist, gilt von ihrer realen Gestalt als Geist: Der ” Geist ist diese Bewegung, Th¨atigkeit, dieser Prozess von der Natur auszugehen, und sich von 28 2 ihr zu befreien, dieß ist das Sein des Geistes selbst“ [25/1,151 –152 .], vgl. TW10,27 Z. Daher kann Hegel vom Geist sagen: Wo er herkommt, – es ist von der Natur; wo er hingeht, – es ist ” zu seiner Freiheit. Was er ist, ist eben diese Bewegung selbst, von der Natur sich zu befreien“ [TW11,528].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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verankert sind, dadurch aufheben, dass sie erkennend und handelnd auf dieses u¨ bergreifen, sodass sie in einer gegliederten Welt theoretisch und praktisch zu Hause sein k¨onnen. Wie unvollkommen und gebrochen sich dieser Prozess real auch auspr¨agt, darin, dass Freiheit derart als Prozess der Befreiung zu denken ist, liegt, dass sich notwendig verschiedene Stufen der Freiheit auszeichnen lassen m¨ussen. Mit der kategorialen Auszeichnung solcher Stufen hat es die Logik der Idee allein zu tun, nicht mit ihrer zeitlichen Auspr¨agung im Rahmen der geschichtlichen Entwicklung des Geistes. Da die Idee somit die logischen Etappen der Selbstverwesentlichung von Freiheit markiert, ist von ihr her die entscheidende Frage nicht, ob ein Vollzug frei ist, sondern auf welche Weise er es ist, und damit, auf welcher logischen Stufe von Befreiung er angesiedelt ist. Damit, dass ein selbstbestimmter Vollzug frei ist, ist daher a¨ hnlich wenig gesagt wie damit, dass ein Text ein Roman ist, da etwas, wie der Vergleich eines Groschenromans mit dem Mann ohne Eigenschaften zeigt, auf wesentlich unterschiedliche Weise ein Roman sein kann. Analog ist entscheidend, ob ein Vollzug auf wesentliche oder unwesentliche Weise frei ist. Befreien kann sich offenbar nur, was in einem rudiment¨aren und beschr¨ankten Sinn schon frei ist, w¨ahrend es zugleich eine vollere Form der Freiheit erst durch seine Befreiung erlangt. Daraus ergibt sich, dass schon den Gestalten bloß beseelten Lebens eine rudiment¨are Form von Freiheit zugesprochen werden muss. Rudiment¨are Formen von Freiheit sind zwar insofern unverzichtbar, als nur unter ihrer Voraussetzung anspruchsvollere Formen des Freiseins m¨oglich sind, die jene anspruchslosen Formen bestimmt negieren und damit aufheben. Umgekehrt sind sie jedoch insofern unwesentlich, als sie selbst keinen Vollbegriff von Freiheit abgeben643 . Da Freiheit so verschiedene Stufen unwesentlichen und wesentlichen Freiseins beinhaltet, ist die lo643 Zwar spricht Hegel unmittelbar selbstbestimmten Vollz¨ugen die Freiheit h¨aufiger ab und nennt nur ein sein allgemeines Wesen reflektiert realisierendes, damit aber an Vernunftgr¨unden orientiertes (Sich)Bestimmen frei. Da die Idee aber den Inbegriff unterschiedlicher Stufen selbst¨andigen (Sich)Bestimmens bildet und dieses weder als determiniert noch als indeterminiert begreifbar ist, scheint es angemessener, ihre Stufen im Unterschied zu objektseitigem Sein als unwesentliche und wesentliche Formen der Freiheit zu unterscheiden. Nur wenn dies geschieht, kann der Tatsache logisch Rechnung getragen werden, dass Hegel den Geist realphilosophisch als Prozess seiner Befreiung begreift: Die absolute Anlage oder Substanz des ” Geistes ist seine Freiheit, und die Bestimmung seines Tuns, die Tat des Geistes ist, sich zu befreien. Dies, daß der Geist an sich frei ist und dies sein Wirken, seine T¨atigkeit ist, sich zu befreien“ [V13,7141−43]. Denn nur wo von unentwickelten und entwickelten Gestalten der Freiheit gesprochen werden kann, l¨asst sich u¨ berhaupt ein Prozess der Befreiung denken. Entsprechend verf¨ugt Hegel selbst u¨ ber ein reiches Arsenal von Ausdr¨ucken, solche Stufen zu unterscheiden, indem er etwa zwischen der negativen“ [TW4,120; TW7,51 Z.; 21,1798], ab” ” strakten“ Freiheit [21,16627; 20,47525], der Freiheit der Willk¨ur“ [TW8,304 Z.], der Freiheit ” ” des Verstandes“ [TW7,51 Z.] oder der bloß m¨oglichen“ [TW8,304 Z.] Freiheit auf der einen ” Seite und wirklicher“, inhaltsvoller“ [TW8,304 Z.] oder wahrer“ [20,46619] Freiheit auf der ” ” ” anderen unterscheidet.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
gische Form der Beurteilung von Vollz¨ugen im Hinblick auf ihren Freiheitsstatus das Begriffsurteil, da dieses bewertet, inwieweit etwas in seiner besonderen Bestimmtheit seinem allgemeinen Begriff entspricht oder zuwiderl¨auft. Dieser allgemeine Begriff ist im Kontext der Idee aber das selbstbez¨ugliche (Sich)Bestimmen selbst und das Kriterium der Freiheit besteht so darin, ob dieses besondere Vollz¨uge nur unentwickelt und lokal informiert oder global im Hinblick auf ein verbindliches Allgemeines. Da Freiheit wesentlich als Befreiungsprozess zu denken ist, l¨asst sich an ihr der ingressive Aspekt des SichBefreiens und der resultative des Sichbefreithabens oder Befreitseins unterscheiden. Die Idee markiert so ebenso sehr die logische Form sich realisierender wie realisierter Freiheit. Da das Sichbestimmen als Moment der Idee kein freischwebendes Sichbestimmen ist, sondern (Sich)Bestimmen, das sich einbeziehend in ein Selbstverh¨altnis zu bestimmtem Sein setzt, besteht sich realisierende Freiheit damit im r¨uckwirkend rational ausweisbaren Herstellen vermittelter Selbstverh¨altnisse von (Sich)Bestimmen und Bestimmtsein oder kurz vermittelter Selbstbeziehung-im-anderen. Verwirklichte Freiheit besteht so darin, im anderen bei sich zu sein. Insofern selbst¨andiges (Sich)Bestimmen sich aber immer schon rudiment¨ar in Bestimmtem selbstbestimmt auf sich bezieht, ist es damit immer schon rudiment¨ar frei. Da solches (Sich)Bestimmen aber zun¨achst unentfaltet und die Einheit von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein daher nur unmittelbar ist, ist Freiheit real zun¨achst nur punktuell realisiert644 . Die logische Entfaltung der Idee markiert so apriorisch die Stufen einer Selbstvertiefung oder Selbstverwesentlichung der Freiheit. 3.5.8.4 Ontologische Stufen der Befreiung Die logischen Stufen der Befreiung ergeben sich aus den unterschiedlich bestimmten Selbstverh¨altnissen von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein, welche die Idee des Lebens, die Idee des Geistes und die absolute Idee kennzeichnen. N¨aher lassen sich 1. das pr¨areflexive (Sich)Bestimmen bloß beseelten Lebens als Trieb 2. negative Freiheit als abstrakte Negation unreflektierten (Sich)Bestimmens 3. sich reflektiert gem¨aß bloß partikularer Zwecke bestimmendes (Sich)Bestimmen 4. reflektiertes (Sich)Bestimmen, das sein allgemeines Wesen und damit wahre epistemische und praktische Freiheit realisiert, sowie 5. ein am unbedingten (Sich)Bestimmen als Prinzip des Ganzen
644 Vgl. Der Begriff in der Natur und im Geiste hat eine a ¨ usserliche Darstellung, worin ” seine Bestimmtheit sich als Abh¨angigkeit von a¨ usserem, Verg¨anglichkeit und Unangemessenheit zeigt. Etwas Wirkliches zeigt daher wohl an sich, was es seyn soll, aber es kann auch nach dem negativen Begriffsurtheil ebensosehr zeigen, daß seine Wirklichkeit diesem Begriff nur unvollst¨andig entspricht“ [12,21335−39].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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orientiertes und sein geistige Leben als unbedingten Selbstzweck begreifendes (Sich)Bestimmen unterscheiden645 . (1) Schon das unreflektierte (Sich)Bestimmen beseelten Lebens f¨uhrt auf vermittelte Selbstverh¨altnisse-im-anderen und damit auf rudiment¨are Formen der Freiheit646 . Ein von Hegel h¨aufiger herangezogenes Beispiel f¨ur die rudiment¨are Selbstbefreiung beseelten Lebens ist der aufrechte Gang. Denn darin gewinnt ein lebendiges Individuum seinen Leib insofern f¨ur sich, als es diesen dem ungehinderten Angriff der Schwere streitig macht und seine Orientierung selbst bestimmt. Die Beherrschung des eigenen Leibes markiert so eine selbstbestimmt errungene Weise der Selbstbeziehung in objektseitigem Sein und realisiert so ein kleines St¨uck Freiheit647 . (2) Auch die Willk¨ur im Sinne unmotivierten, grundlosen (Sich)Bestimmens hat in Gestalt dessen, was Hegel negative“ oder abstrakte Freiheit“ nennt, ” ” ihren Ort im Gef¨uge der Freiheit. Dabei nimmt sie logisch nicht die unters645 Der Unterschied der ersten vier Stufen kommt etwa in folgendem Zitat aus der Rechtsphilosophie zum Ausdruck: Die gew¨ohnlichste Vorstellung, die man bei der Freiheit hat, ist die ” der Willk¨ur (3), – die Mitte der Reflexion zwischen dem Willen als bloß durch die nat¨urlichen Triebe bestimmt (1) und dem an und f¨ur sich freien Willen (4). Wenn man sagen h¨ort, die Freiheit u¨ berhaupt, sei dies, daß man tun k¨onne, was man wolle, so kann solche Vorstellung nur f¨ur g¨anzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und f¨ur sich freie Wille, Recht, Sittlichkeit usf. ist, noch keine Ahnung findet. Die Reflexion, die formelle Allgemeinheit und Einheit des Selbstbewußtseins, ist die abstrakte Gewißheit des Willens von seiner Freiheit (2), aber sie ist noch nicht die Wahrheit derselben, weil sie sich nocht nicht selbst zum Inhalte und Zwecke hat“ [TW7,66]. Die f¨unfte Stufe markiert die ontologische Form der eigent¨umlichen Freiheit dessen, was Hegel absoluten Geist“ nennt. ” 646 Als ontologische Form von leibhaft im Objektkontinuum verankertem (Sich)Bestimmen markiert die Idee n¨amlich gerade kein freischwebendes, kontextfreies, unfundiertes und unmotiviertes (Sich)Bestimmen, das als solches willk¨urlich w¨are. Vielmehr ist schon das vorpropositionale, pr¨areflexive (Sich)Bestimmen von Zentren bloß beseelten Lebens durch deren eigenleibliche Empfindung informiert und entsprechend durch Bed¨urftigkeit und Trieb motiviert. Insofern ist es nicht ganz treffend, wenn Hegel den bloß an sich, also unreflektiert freien Willen als willk¨urliches und zuf¨alliges (Sich)Bestimmen fasst: Der nur erst an sich freie Wille ” ist der unmittelbare oder nat¨urliche Wille“ [TW7,62]. Das Thier kann sich von jedem Orte ” losmachen, es bewegt sich nicht nach einem Gesetz, sondern nach Willk¨uhr“ [25/1,18719−20]. Das Thier hat zuf¨allige Selbstbewegung, weil seine Subjectivit¨at [...] eine freye Zeit ist, die ” als zugleich der reellen Aeusserlichkeit entnommen, sich nach innerem Zufall selbst zum Orte bestimmt“ [13,16020−23]. 647 Vgl. Der Mensch ist nicht von Natur, von Hause aus aufgerichtet, er selber richtet sich ” durch die Energie seines Willens auf; und obgleich sein Stehen, nachdem es zur Gewohnheit geworden, keiner ferneren angestrengten Willenst¨atigkeit bedarf, so muß dasselbe doch immer von unserem Willen durchdrungen bleiben, wenn wir nicht augenblicklich zusammensinken sollen“ [TW10,194 Z.]. Allgemein gilt: Um diesem ihrem Begriffe entsprechend zu werden, ” muß die Seele ihre Identit¨at mit ihrem Leibe zu einer durch den Geist gesetzten oder vermittelten machen, ihren Leib in Besitz nehmen, ihn zum gef¨ugigen und geschickten Werkzeug ihrer T¨atigkeit bilden, ihn so umgestalten, daß sie in ihm sich auf sich selber bezieht, daß er zu einem mit ihrer Substanz, der Freiheit in Einklang gebrachten Akzidens wird“ [TW10,189 Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
te, sondern eine abstrakt-negative Zwischenstufe zwischen dem pr¨areflexivpr¨apropositionalen (Sich)Bestimmen beseelten Lebens und dem reflektierten, an Gr¨unden orientierten (Sich)Bestimmen des Geistes ein. Insofern n¨amlich die Auslegung der Idee zur vermittelten Gestalt propositionalen (Sich)Bestimmens, das auf seine Bedingungen und Motive zu reflektieren vermag, auch die M¨oglichkeit, von diesen zu abstrahieren, einschließt, markiert die Willk¨urfreiheit ein (Sich)Bestimmen, das von vorgegebenen Bedingungen und unmittelbaren Motiven abstrahieren kann, ohne sich begr¨undend anderen Bedingungen zu unterstellen und von anderen Motiven leiten zu lassen. Negative Freiheit ist so kein gehaltvolles (Sich)Bestimmen, sondern nur die abstrakt reflektierte Beziehung selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens auf sich, das darin zwar seiner Nicht-Determiniertheit inne ist, ohne zu einer seinem Wesen gem¨aßen Form von Selbstbestimmung zu gelangen. Da zum Wesen des (Sich)Bestimmens aber inferentielle Vermittlung geh¨ort, ist reflektiertwillk¨urliches (Sich)Bestimmen, das sich allen Bindungen zu entziehen vermeint, bloß abstrakte Negation unreflektierten (Sich)Bestimmens. Dagegen geh¨ort es zu reflektiertem (Sich)Bestimmen als seiner bestimmten Negation, nicht nur von zun¨achst unreflektierten Bedingungen und Motiven absehen zu k¨onnen, sondern sich zugleich reflektiert an Normen und Gr¨unden zu orientieren und darum nicht aus einem Nichts, sondern einem Zusammenhang reflektierter Orientierung heraus zu vollziehen. (3) Von negativer Freiheit ist damit reflektiertes, an Gr¨unden und Zwecken orientiertes (Sich)Bestimmen zu unterscheiden. Insofern es im Umfang seiner Zwecke partikulare Triebe leibseelischen (Sich)Bestimmens aufhebt, geht es ihm nicht um allgemeine, sondern nur um seine je partikularen Ziele. Als solches nennt Hegel es die Willk¨ur“ im Unterschied zu selbstbez¨uglichem ” (Sich)Bestimmen, das sein allgemeines Wesen als solches realisiert. Im Unterschied zu pr¨areflexiv-pr¨apropositionalem (Sich)Bestimmen vermag urteilsvermitteltes (Sich)Bestimmen nicht nur, Bedingungen und Beschr¨ankungen seiner selbst zu reflektieren. Vielmehr kann es von solchen Bedingungen auch abstrahieren, sie selbstbestimmt verwandeln oder sich ihnen entgegen bestimmen, indem es sich an reflektiert gesetzten Zwecken orientiert. Insofern pr¨areflexives (Sich)Bestimmen in reflektiertem aufgehoben ist, kann es selbst urteilsm¨aßig artikuliert werden. So ergibt sich ein Kontrast von erst nachtr¨aglich reflektiertem und von vornherein reflektiert vollzogenem (Sich)Bestimmen. Dass (Sich)Bestimmen sich reflektiert gem¨aß eigener Vorgaben zu bestimmen vermag, bedeutet so zwar einen wesentlichen, qualitativen Sprung gegen¨uber pr¨areflexivem (Sich)Bestimmen, das seine Bedingungen nicht reflektiert bewerten und demgem¨aß ver¨andern kann. Dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich gem¨aß eigener Urteile bestimmt und ein Subjekt insofern willentlich zu tun vermag, was es reflektierterweise f¨ur zu tun
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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richtig h¨alt, macht gerade das Wesen des normativ-kompatibilistischen Freiheitsbegriffs aus, wonach Volitionen zweiter und erster Stufe kongruieren. Laut Hegel markiert praktisches (Sich)Bestimmen, das seinen eigenen Maßst¨aben und Zielen nicht zuwiderl¨auft, sondern ihnen entspricht, zwar eine gegen¨uber pr¨areflexivem (Sich)Bestimmen wesentlichere Stufe der Freiheit, aber keineswegs deren Inbegriff. Denn nicht nur muss sich urteilende Zwecksetzung selbst als frei begreifen lassen, was nach diesem Modell nicht regressfrei m¨oglich ist. Vielmehr wird die reflektierte Ansetzung von Zwecken, wenn sie selbst ein Ort der Freiheit sein kann, umgekehrt auch ein Ort der Unfreiheit oder unwesentlicher Freiheit sein k¨onnen. Denn auch in reflektiertes (Sich)Bestimmen gem¨aß f¨ur verbindlich erachteter Maßst¨abe k¨onnen partikulare Bedingungen eingehen, die der Autonomie des Individuums widersprechen, obwohl es nach kompatibilistischen Kriterien f¨ur frei zu gelten hat648 . (4) Erst solches selbstst¨andige (Sich)Bestimmen, dem es, obzwar von seinem jeweiligen Ort aus, um die Entsprechung von unfundiertem (Sich)Be-stimmen und Objektivit¨at geht und das so auf allgemeing¨ultige Maßst¨abe hin orientiert ist, verwirklicht nach Hegel wahrhafte Freiheit649 . Diese realisiert sich sowohl als theoretische wie als praktische Freiheit. Dabei meint theoretische Freiheit ¨ die Uberwindung eines Sich-nicht-Auskennens-im-anderen – des Bezogenseins auf solches, was unartikuliert und unverstanden bleibt. Als urteilende Artikula¨ tion von begrifflich Bestimmbarem leistet das Erkennen die Uberwindung solcher Fremdheit und realisiert epistemische Freiheit als Beisichsein von an begrifflicher Allgemeinheit orientiertem (Sich)Bestimmen in weltseitigem Sein. Solches epistemische (Sich)Bestimmen ist zwar in seinen Vollz¨ugen an begrifflichen Normen orientiert, aber nicht nur insofern frei und rational, als es durch bereits anerkannte Normen bestimmt ist, weil sich ein Erkenntnisfortschritt, der
648 Vgl. Hegels oben schon zitierte, hier in anderer Perspektive bedeutsame Behauptung: Wenn man sagen h¨ort, die Freiheit u¨ berhaupt sei dies, daß man tun k¨onne, was man wol” le, so kann solche Vorstellung nur f¨ur g¨anzlichen Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und f¨ur sich freie Wille, Recht, Sittlichkeit usf. ist, noch keine Ahnung findet. Die Reflexion, die formelle Allgemeinheit und Einheit des Selbstbewußtseins, ist die abstrakte Gewißheit des Willens von seiner Freiheit, aber sie ist noch nicht die Wahrheit derselben, weil sie sich noch nicht selbst zum Inhalte und Zwecke hat, die subjektive Seite also noch ein anderes ist als die gegenst¨andliche; der Inhalt dieser Selbstbestimmung bleibt deswegen auch schlechthin ein Endliches“ [TW7,66]. Entsprechend ist eine ¨ Ubereinstimmung von Volitionen erster und zweiter Stufe dahingehend zu unterscheiden, ob die f¨ur verbindlich angenommenen Maßst¨abe partikular sind oder in Entsprechung mit solchem stehen, was allgemeinverbindlich ist. 649 Vgl. Der sittliche Mensch ist sich des Inhalts seines Tuns als eines notwendigen, an und ” f¨ur sich G¨ultigen bewußt und leidet so wenig Abbruch an seiner Freiheit, daß diese vielmehr erst durch dieses Bewußtsein zur wirklichen und inhaltsvollen Freiheit, im Unterschied von der Willk¨ur als der noch inhaltslosen und bloß m¨oglichen Freiheit [wird]“ [TW8,303 Z.].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
mit der Artikulation neuer und der Fortbestimmung bereits eingef¨uhrter Begriffe verbunden ist, sonst nicht als frei und rational verstehen ließe. ¨ Der Uberschuss epistemischen (Sich)Bestimmens u¨ ber das Bestimmtsein durch bereits etablierte Begriffe und Begr¨undungsformen kann zwar mit dem Abw¨agen zwischen verschiedenen, neu artikulierten L¨osungsm¨oglichkeiten eines Problems verbunden sein. Das Ph¨anomen der Wahl hat jedoch begriffslogisch betrachtet daf¨ur, dass Vollz¨uge epistemischen (Sich)Bestimmens als frei gelten k¨onnen, keine grundlegende Bedeutung, da vern¨unftiges Abw¨agen und begr¨undete Wahl zwischen Alternativen keine notwendigen Bedingungen f¨ur die Freiheit eines epistemischen Vollzugs sind. Dies h¨angt damit zusammen, dass Vollz¨uge urteilsvermittelten (Sich)Bestimmens immer kontexteingebettet erfolgen und daher von sich her Resultate zeitigen k¨onnen, die sie als situationsangemessen und frei ausweisen. Freiheit kann daher auch einfach darin bestehen, ohne vorhergehende Wahl von sich aus etwas zu tun, was im Kontext, in dem es getant wird, sinnvoll und vern¨unftig ist. Das entscheidende, sch¨opferische Moment epistemischer Freiheit besteht dabei darin, in der Lage zu sein, Widerspr¨uche aufzul¨osen und Unwegsamkeiten zu bew¨altigen, die sich innerhalb des bereits etablierten Begriffssystems ergeben, indem sie u¨ ber dieses sch¨opferisch so hinausgehen, dass dieses Hinausgehen nachtr¨aglich als rational ausweisbar ist und ein erkennendes Subjekt seine Vollz¨uge damit als erfolgreiche Bew¨altigung von Aporien und Unwegsamkeiten und damit als Form epistemischen Bei-sich-Bleibens und Zu-sich-Kommens-im-anderen verstehen kann650 . Im Praktischen manifestiert sich an seinem allgemeinen, operationalen Wesen orientiertes (Sich)Bestimmen als Selbstbestimmung von Subjekten, denen es nicht nur um ihre je partikularen Zwecke, sondern um das verbindliche Zusammenstimmen einer Mannigfaltigkeit von Selbstbestimmungszentren untereinander geht. Praktische Unfreiheit ist n¨amlich nicht nur insofern zu u¨ berwinden, als Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens der widerst¨andigen T¨ucke objektseitigen Seins ausgesetzt sind, sondern weil sie als Einzelne besondere, einander damit aber zuwiderlaufende Zwecke verfolgen, die ein gelingendes Bei-sich-sein-im-anderen ausschließen k¨onnen. Da sie als Einzelne an sich aber je besondere Auspr¨agungen allgemeinen 650 Die dialektische Methode markiert die reine Form produktiver Bew¨ altigung von Widerspr¨uchen und Unwegsamkeiten, die sich innerhalb eines etablierten Begriffsrahmens ergeben, in ihm aber keine L¨osung haben, sondern nur durch motiviertes, sch¨opferisches Hinausgehen u¨ ber diesen bew¨altigt werden k¨onnen, das damit erst r¨uckwirkend als L¨osung der jeweiligen Schwierigkeit erweisbar ist (weil diese sonst bereits innerhalb des etablierten Begriffsrahmens l¨osbar w¨are). Sie bildet so die reine Form epistemischer Freiheit, die sich real gebrochen und verwickelt in der F¨ahigkeit auspr¨agt, Widerspr¨uche und Unwegsamkeiten, die sich im Zusammenhang theoretischen und praktischen Begriffsgebrauchs ergeben, auf zugleich sch¨opferische und rationale Weise aufzul¨osen. Vgl. dazu unten Abschnitt 3.5.10.2.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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(Sich)Bestimmens sind, besteht wahre praktische Freiheit wesentlich darin, Bedingungen daf¨ur zu schaffen, dass einzelne Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens einander nicht nur ungest¨ort lassen, sondern sich zugleich unbeschadet ihrer Einzelheit aufeinander als besondere Gestaltungen von Selbstbestimmung oder Vernunft u¨ berhaupt beziehen und so Formationen bilden, in denen sie die anderen nicht einfach als fremde, sondern als andere ihresgleichen wissen und in der Gemeinschaft mit ihnen bei sich sein k¨onnen651 . Da aber ein verbindliches und verbindendes Allgemeines nicht unabh¨angig von einzelnen Subjekten irgendwo seinslogisch vorhanden ist, sondern ihnen nur als operationale, geschichtlich zu entfaltende Kapazit¨at zu seiner Artikulation und sch¨opferischen Konkretion eingepflanzt ist, welche diese Einzelnen auf eine gem¨aß ihrer Partikularit¨at irrtumsanf¨allige Weise zu entfalten haben, geht mit dem Appell an die Macht des Allgemeinen kein dogmatisches Berufen auf Totalit¨at einher. Vielmehr kann es kein unbedingtes Verf¨ugen u¨ ber das Unbedingte geben, ohne dass deswegen alles bedingt w¨are, weil das Unbedingte gem¨aß seinem selbstbesondernden, sich notwendig vereinzelnden Wesen geschichtlich nur gebrochen verf¨ugbar wird. (5) Da praktisches (Sich)Bestimmen als solches auf den je gegenw¨artigen Umkreis von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens beschr¨ankt bleibt, kann die Vollgestalt der Freiheit – n¨amlich aufs Ganze gehendes, selbst¨ zweckhaftes (Sich)Bestimmen – nur durch eine theoretische Uberformung von Praxis erreicht werden. Das durch die absolute Idee bezeichnete globale Selbstverh¨altnis von Selbstbestimmung und Sein markiert selbstzweckhaftes (Sich)Bestimmen, das sich auf sein allgemeines, operationales Wesen nicht mehr bloß als verpflichtenden Maßstab endlicher Gemeinschaft bezieht – wie in der Idee des Guten –, sondern das diesem Wesen gem¨aße, selbstzweckhafte geistige Leben als unbedingten Zweck des Ganzen vollzieht und darstellt. Ein an seinem allgemeinen Wesen als absolutem Grund und Zweck des Ganzen orientiertes (Sich)Bestimmen weiß sich insofern im Universum zu Hause und pr¨agt sich real in den Gestalten von Kunst, Religion und Philosophie als wesentlich performativen, selbstzweckhaften geistigen T¨atigkeiten aus, die Gehalte von zeitloser Geltung und unbedingtem Wert artikulieren. Wesentliche Freiheit ist damit nur m¨oglich, wo selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich nicht reflektiert gem¨aß partikularer Zwecke bestimmt, sondern sein allgemeines Wesen als solches realisiert. Daher ist wahre Freiheit erst erreicht, wo es selbst¨andigem 651 Der selbstanwendenden Operationalit¨ at gem¨aß, die sich in einzelnen Zentren vern¨unftigen Lebens je unterschiedlich partikularisiert, kann Hegel sagen, die sich selbst be” stimmende Allgemeinheit“, sei der Wille, die Freiheit. Indem er die Allgemeinheit, sich selbst ” als die unendliche Form zu seinem Inhalte, Gegenstand und Zweck hat, ist er nicht nur der an sich, sondern ebenso der f¨ur sich freie Wille“ [TW7,71f.]. Der an und f¨ur sich seiende Wille ist ” wahrhaft unendlich, weil sein Gegenstand er selbst, hiermit derselbe f¨ur ihn nicht ein Anderes noch Schranke, sondern er darin vielmehr nur in sich zur¨uckgekehrt ist“ [TW7,74].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Einzelnen um die Realit¨at von Freiheit selbst geht – und zwar nicht allein um seine eigene, partikulare Selbstbestimmung, sondern um geistiges Sichbestimmen, dessen Gestalten unbedingten Wert und zeitlose Geltung beanspruchen k¨onnen und u¨ ber die es selbst nicht verf¨ugen kann, sondern an deren Realisierung es lediglich, auf seine unverzichtbare Weise beitragend, teilzuhaben vermag. Wesentlich ist daher erst solches (Sich)Bestimmen, das, von seinem je besonderen Ort aus und ohne sich darum als Einzelnes abstrakt zu negieren, seinen performativen Beitrag zur geschichtlichen Konkretion seines allgemeinen Wesens und der Artikulation des Unverg¨anglichen leistet652 . Dass wahre Freiheit ihrer Form nach wesentlich in selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen besteht, dem es um das (Sich)Bestimmen als solches geht, ist kein leerer Formalismus und bedeutet kein gehaltloses Kreisen des Willens um sich. Denn da Selbstbestimmung als Idee grunds¨atzlich kein freischwebendes, unfundiertes Sichbestimmen markiert, sondern die geschichtliche Selbstkonkretion einbeziehend u¨ ber sich ausgreifender Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, geh¨ort es zur ontologischen Form solchen (Sich)Bestimmens, einen Spielraum, in dem es zun¨achst notwendig unentfaltet und punktuell in leibseelischer Vereinzelung seinen Anfang nimmt, durch eigene Anstrengung in eine gemeinsame Welt zu verwandeln, innerhalb derer sich die Vollgestalt von Freiheit (wenigstens punktuell) verwirklicht, indem in einzelnen Vollz¨ugen solches von allgemeiner, unverg¨anglicher Bedeutung Gestalt wird. Die Logik zeichnet der Realisierung selbst¨andigen (Sich)Bestimmens zu einer gemeinsamen Welt des Geistes, in der es sich nicht nur bedingtermaßen realisiert, sondern sein unbedingtes Wesen zu solchem gestaltet, was allgemeine Bedeutung und unbedingten Wert hat, nur formale Etappen noch ohne Hinblick auf deren sch¨opferische, geschichtliche Konkretisierung vor. Ein entscheidender Schritt in diesem Befreiungsprozess besteht gerade in der Reflexion von Zentren selbstbez¨uglichen Sichbestimmens darauf, dass es letztlich nicht nur um ihre partikularen Ziele geht, in denen sie auf sich selbst beschr¨ankt bleiben, sondern um eine Realisierung von Freiheit, an der sie nur Teil haben – ohne dass dieser Prozess damit bereits abgeschlossen oder seinem Verlauf nach u¨ berblickbar w¨are. Denn diesem Verlauf zeichnet die absolute Idee nur seine allgemeinste ontologische Form vor, w¨ahrend er in seiner realen Konkretion nicht antizipierbar und u¨ berblickbar ist.
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Entsprechend gilt vom Einzelwillen: Indem er die Allgemeinheit, sich selbst als die ” unendliche Form zu seinem Inhalte, Gegenstande und Zweck hat, ist er nicht nur der an sich, sondern ebenso der f¨ur sich freie Wille – die wahrhafte Idee“ [TW7,71f.]; So ist der wahrhafte ” Wille, daß das, was er will, sein Inhalt, identisch mit ihm sei, daß also die Freiheit die Freiheit wolle“ [TW7,74 Z.]; Nur in dieser Freiheit ist der Wille schlechthin bei sich, weil er sich auf ” nichts als auf sich selbst bezieht“ [TW7,74f.].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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3.5.9 Das selbstdurchsichtige Ganze von Selbstbestimmungsgestalten (Absolute Idee) ¨ Mit dem Ubergang zur absoluten Idee ist die implizite Voraussetzung praktischen (Sich)Bestimmens, dass die Sph¨are objektseitigen Seins seinen vern¨unftigen Zwecken nicht fremd gegen¨ubersteht, sondern einen Spielraum der Bestimmbarkeit gem¨aß solcher Zwecke bildet, zusammen mit der Einsicht ausdr¨ucklich geworden, dass objektseitiges Sein kein unerkennbares Ansich ist, womit die Einheit von theoretischer und praktischer Idee erreicht ist: Auf sein unbedingtes Wesen zur¨uckgewandtes (Sich)Bestimmen, das objektseitiges Sein als Spielraum f¨ur die Verwirklichung von Freiheit und das geistige Leben als wahrhaft objektiv weiß und so Anteil an einem u¨ bergreifenden geistigen Zusammenhang hat, in dem das Wahre und Gute nicht nur m¨oglich ist, sondern wirklich wird653 . Daraus, dass sich die Welt reflektiertem (Sich)Bestimmen als eine gem¨aß unbedingter Zwecke bestimmbare Sph¨are erwiesen hat, in der an solchen Zwecken orientiertes (Sich)Bestimmen wirklich ist und das sie realisierende geistige Leben als Vollgestalt des Seins weiß, scheint, wie schon angedeutet, aber nicht zu folgen, dass alles je schon angemessener Ausdruck unbedingten Sichbestimmens und das Gute und Wahre damit vollauf realisiert sei, wie Hegel an manchen Stellen andeutet654 . Auf diesen Einwand l¨asst sich aus verschiedenen Blickwinkeln antworten: (1) Insofern objektseitiges Sein als Sph¨are der Bestimmbarkeit durch unbedingte Zwecke bestimmt ist, muss es, da es vern¨unftigem (Sich)Bestimmen damit nicht einfach fremd und a¨ ußerlich sein kann, selbst als Sph¨are der zeitlosen Selbstauslegung von Vernunft aufgefasst werden. Die Voraussetzung des ¨ an unbedingten Zwecken orientierten (Sich)Bestimmens, die im Ubergang zur absoluten Idee ausdr¨ucklich wird, ist daher, dass die Welt nicht nur zuf¨allig eine Sph¨are ist, in der unbedingte Zwecke realisierbar und partiell auch realisiert sind, sondern dass sie insgesamt eine Sph¨are der Selbstauslegung unbedingten (Sich)Bestimmens ist. Die absolute Idee ist so der Inbegriff leibhaftigen (Sich)Bestimmens, das das Universum objektseitigen Seins als Gestalt von Selbstbestimmung oder Vernunft betrachtet und damit als Matrix f¨ur beseeltes und geistiges Leben. Dass die Welt eine Matrix f¨ur beseeltes und geistiges Leben ist, bedeutet aber nicht, dass darum alles schon so ist, wie es sein soll. W¨are sie der Inbegriff selbst¨andigen (Sich)Bestimmens, welches das Ganze als Sph¨are begreift, in der das Wahre und Gute und damit Freiheit als selbstzweck653 Vgl. Die absolute Idee, wie sie sich ergeben hat, ist die Identit¨ at der theoretischen ” und der praktischen, welche jede f¨ur sich noch einseitig, die Idee selbst nur als ein gesuchtes Jenseits und unerreichtes Ziel in sich hat“ [12,2363−5]. 654 So behauptet Hegel etwa: Die vorgefundene Wirklichkeit ist zugleich als der aus” gef¨uhrte absolute Zweck bestimmt“ [12,23534−35] oder Die Wahrheit des Guten ist damit ” gesetzt, [...] daß das Gute an und f¨ur sich erreicht“ ist [20,22810−12].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
haftes Selbstverh¨altnis-im-anderen je schon verwirklicht sind, ließe die absolute Idee keinen Raum f¨ur ein Begreifen des Falschen, B¨osen und Zweckwidrigen. (2) Dem entgegen ist zu beachten, dass es sich bei der absoluten Idee als Inbegriff geistiger Vollz¨uge, die der Unbedingtheit geistigen Lebens inne sind, um eine logische Bestimmung handelt, aus der sich keine realphilosophischen Thesen ableiten lassen, die unmittelbar an Tats¨achlichem zu messen w¨aren. Insofern die absolute Idee keine Bestimmung deskriptiver Ontologie, sondern die Abschlussbestimmung apriorischer Ontologie bildet und so die prozessuale Vollgestalt des Seins markiert, kann sie solches bezeichnen, was als Vollentsprechung von Begriff und Realit¨at oder schlechthin in-sich vollendeter Vollzugszusammenhang u¨ ber alles ph¨anomenal Vertraute u¨ berschießt und real nur gebrochen realisiert ist, weil es sich erst vollbringt, ohne dass wir u¨ ber die apriorische Vorzeichnung hinaus berechnen und absehen k¨onnten, auf welch verschlungenen Wegen dies geschieht. Real werden sich daher zwei Reiche durchdringen, n¨amlich ein Reich des Geistes, in dem sich die absolute Idee schon punktuell und gebrochen in Gestalt von schlechthin G¨ultiges artikulierenden Vollz¨ugen auspr¨agt, und ein Reich des Verg¨anglichen oder dessen, was die Idee nicht oder noch nicht einbezieht und was genau darum vergeht, weil sich in letzter Instanz nichts außer ihr zu erhalten vermag. Insofern sich die Idee real in einer Verschr¨ankung der Entsprechung und Nichtentsprechung von Begriff und Realit¨at auspr¨agt, durchdringen sich im Lebensvollzug von Zentren geistigen (Sich)Bestimmens unentwirrbar Vollz¨uge, die ihr Ziel in sich haben, sich in der Artikulation von schlechthin G¨ultigem, in sich Vollendetem sammeln und insofern wie reine Erkenntnis oder die Anschauung eines Kunstwerks kein immanentes Ende haben, und erstere unterbrechende Vollz¨uge wie das Essen oder Bauen, die ihr Ziel außer sich haben und darum immanent begrenzte Vollz¨uge sind. Diese Deutung hat ihren Anhalt in der ontologischen Form der Idee selbst. Denn weil diese als Prozess der Gestaltung objektseitigen Seins durch Zentren leibhaftigen (Sich) Bestimmens zu einer gemeinsamen Welt des Geistes bestimmt wurde, kann die Welt nicht als Sph¨are gedacht werden, in der alles je schon so ist, wie es sein soll, zumal das, was sein soll, seiner konkreten Bestimmtheit nach nicht unabh¨angig vom Prozess seiner Realisierung fassbar ist. F¨ur sch¨opferisches (Sich)Bestimmen gem¨aß unbedingter Zwecke bliebe in einer solchen Welt nichts mehr zu tun, weil alle Zwecke schon vollbracht w¨aren ¨ und der Ubergang zur absoluten Idee so allein in einer Reflexion darauf bestehen k¨onnte, dass sie es schon sind. Eine Welt, in der das Gute und G¨ultige immer schon vollbracht sind, w¨are aber kein Spielraum, in dem lebendige Vernunft sich erst zu bew¨ahren hat, sondern ein Reich des Toten und Starren, das als solches im Widerspruch zur Grundbestimmung der Idee gerade nicht prozesshaft ist. Da die absolute Idee aber gerade die ontologische Form des Pro-
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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zesses geistigen Lebens vorzeichnet, das sich als Prozess der Gestaltwerdung des Unbedingten weiß, kann sie nicht zugleich so gefasst werden, dass sie echte Prozessualit¨at ausschließt655 . Dies w¨are gerade dann der Fall, wenn sie als unmittelbar in sich vollendete T¨atigkeit wie diejenige des aristotelischen Gottes gedacht w¨urde, statt einem geschichtlichen Zusammenhang von Vollz¨ugen die ontologische Form vorzuzeichnen, welche sich sch¨opferisch zu einem selbsterweiternden Gef¨uge der Artikulation schlechthin g¨ultiger Gehalte auslegen. (3) Dass die absolute Idee als Abschlussbestimmung der Logik die ontologische Form der an und f¨ur sich prozessualen Manifestation selbstzweckhaften (Sich)Bestimmens markiert, innerhalb des Logischen (im Unterschied zur Logik als einer Disziplin des realen und damit falliblen Geistes) mit der absoluten Idee als Abschlussbestimmung aber alles schon so ist, wie es sein soll, bildet einen Grund daf¨ur, dass sich das Logische notwendig je schon zeitlos zur Realit¨at als einer Sph¨are ausgelegt hat, in der unbedingtes (Sich)Bestimmen nicht immer schon realisiert ist, sondern sich, dem Zufall ausgesetzt, erst bew¨ahrt und dabei auf unvorhersehbare Weise sch¨opferisch verwirklicht. Da es aus immanenten Gr¨unden somit nicht bei der logischen Gestalt der absoluten Idee bleiben kann, hat diese, auf reales Sein bezogen, auch keinen rein konstitutiven Charakter, sondern zugleich ein regulatives Moment656. Die absolute Idee sanktioniert damit nicht einfach das Faktische, sondern bildet den Inbegriff des Wirklichen im Faktischen, des Richtigen im Falschen oder dessen, worauf es eigentlich ankommt, insofern es zeitlose Geltung beanspruchen kann – von solchem selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmen n¨amlich, das, Aug in Auge mit realer Zuf¨alligkeit und Zweckwidrigkeit, die geistige Welt, an der es Anteil hat, als Sph¨are weiß, in der das Unbedingte im Vollzug seiner Bew¨ahrung und 655 Zur Prozessualit¨ at der Idee vgl. Hegels Bemerkung: Die Identit¨at der Idee mit sich ” selbst ist eines mit dem Prozesse; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Scheine der zwecklosen Ver¨anderlichkeit befreit und zur Idee verkl¨art, muß diese Wahrheit der Wirklichkeit nicht als die tote Ruhe, als ein bloßes Bild, matt, ohne Trieb und Bewegung, als einen Genius oder Zahl oder einen abstrakten Gedanken vorstellen; die Idee hat um der Freiheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den h¨artesten Gegensatz in sich“ [12,17714−20]. Dass die Idee den h¨artesten Gegensatz in sich hat, schließt gerade aus, dass sie einen absoluten Vollzug markiert, der je schon gegensatzlos in sich vollendet ist. Vielmehr markiert sie einen Zusammenhang von Vollz¨ugen, die sich real nur im Durchgang durch Kontingenz, zwecklose Ver¨anderung und unaufgel¨oste Gegens¨atze zur sch¨opferischen Artikulation und Gestaltung von schlechthin G¨ultigem sammeln und vollenden. Solche Artikulation von G¨ultigem ist aber kein Vorgang, der eine immanente Grenze hat, und gerade insofern ein in sich vollendeter Vollzug oder eine Energeia. 656 Auf diese Weise l¨ asst sich Hegels Behauptung deuten, daß der Endzweck der Welt ” ebenso vollbracht ist, als er sich ewig vollbringt“ [TW8,387Z.]. Denn damit kann keine repetitive Fortsetzung eines immer schon Erreichten gemeint sein, sondern nur ein selbsterweiternder Zusammenhang, in dem In-sich-Vollendetes ebenso schon punktuell realisiert wie erst noch zu realisieren ist.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Gestaltung begriffen ist, ohne dass dieser Prozess damit real u¨ berschaubar und alle Aufgaben gel¨ost w¨aren657 . Mit Blick auf das Reale bildet die absolute Idee also keine ontologisch verbr¨amte Anweisung zur Sanktionierung des Faktischen, sondern die unbedingte Anweisung dazu, in aller faktischen Wirrnis die Realit¨at, auf die es eigentlich ankommt, die Wirklichkeit des Unbedingten, zu entdecken und ihre Sache zu f¨ordern. So ist die absolute Idee der Inbegriff weltgestaltender Subjektivit¨at, welche das letztinstanzlich Wirkliche weder in einer dem Geist transzendenten Natur noch in einem weltlosen Jenseits ansetzt, sondern in der realen Welt des Geistes658 . Dass der Zusammenhang geistigen Lebens, in dem Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ihr unbedingtes Wesen realisieren, diejenige Realit¨at ist, die wirklich z¨ahlt, meint aber weder, dass nur sie real sei, noch, dass alles schon so sei, wie es sein soll (obwohl es partiell immer schon so ist). Die absolute Idee markiert damit die ontologische Form geistigen Lebens, das sich als Gestaltwerdung des Unbedingten begreift. Sie bezieht sich so weder auf ¨ etwas Uberfliegendes noch einfach auf das faktische Leben einzelner Subjekte in einer Welt, sondern realisiert sich in denjenigen Vollz¨ugen solcher Subjekte, in denen sich solches verwirklicht, was unbedingte Geltung und Wert beanspruchen darf, und ihre Vereinzelung auf solches hin u¨ berschreitet, was an sich allen gemeinsam sein kann und insofern objektiv ist: Der Begriff ist nicht nur Seele [also nicht nur eine vereinzelte, leibseelische Einheit, C. M.], ” sondern freyer, subjectiver Begriff, der f¨ur sich ist und daher die Pers¨onlichkeit hat, – der praktische, an und f¨ur sich bestimmte, objective Begriff, der als Person undurchdringliche, atome Subjektivit¨at ist [also durchaus einzelnes Subjekt unter anderen, C. M.], der aber ebensosehr nicht ausschliessende Einzelnheit, sondern f¨ur sich Allgemeinheit und Erkennen ist und in seinem Anderen seine eigene Objectivit¨at zum Gegenstand hat. Alles Uebrige ist Irrthum, Tr¨ubheit, Meynung, Streben, Willk¨uhr und Verg¨anglichkeit; die absolute Idee allein ist Seyn, unverg¨angliches Leben, sich wissende Wahrheit und ist alle Wahrheit“ 659 .
Da die absolute Idee wesentlich Prozess ist und sowohl leibseelische Ver657 Entsprechend kann Hegel im Zuge seiner Platonauslegung sagen: Wenn ein Ideal ” u¨ berhaupt in sich Wahrheit hat durch die Idee, durch den Begriff, so ist es keine Chim¨are, ist wahrhaft; und solch ein Ideal ist nichts M¨ußiges, nichts Kraftloses, sondern ist das Wirkliche. Das wahrhafte Ideal soll nicht wirklich sein, sondern ist wirklich und allein das Wirkliche“ [TW19,110]. Zugleich gilt aber: Das Wirkliche hat auch a¨ ußerliches Dasein; das bietet ” Willk¨ur, Zuf¨alligkeit dar, wie in der Natur Baum, Haus, Pflanze zusammenkommen. Die Oberfl¨ache im Sittlichen, das Handeln der Menschen hat viel Schlimmes; da k¨onnte vieles besser sein. Erkennt man die Substanz, so muß man durch die Oberfl¨ache hindurchsehen. Menschen werden immer lasterhaft, verderbt sein; das ist nicht die Idee“ [TW19,111]. 658 In seiner Berliner Antrittsrede kann Hegel entsprechend sagen: Das Reich des Geistes ” ist das Reich der Freiheit, – alles, was das menschliche Leben zusammenh¨alt, was Wert hat und gilt, ist geistiger Natur; und dies Reich des Geistes existiert allein durch das Bewußtsein von Wahrheit und Recht, durch das Erfassen der Idee“ [TW10,404]. 659 12,23612−20.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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einzelung wie individuelle Pers¨onlichkeit nicht abstrakt negiert, hat die Unverg¨anglichkeit der absoluten Idee ihren Ort nicht in einem abstrakten Ideenreich, sondern meint, dass sich im geistigen Leben von Personen innerhalb einer gemeinsamen Welt des Geistes Unverg¨angliches ereignen kann, indem sie ihre leibhafte Vereinzelung dadurch u¨ berschreiten, dass sie solches artikulieren, gestalten und verstehen, was allgemeine, zeitlose Geltung beanspruchen kann660 . Dass alles andere vergeht, ist die Folge daraus, dass sich die absolute Idee als Abschlussbestimmung voraussetzungsloser Ontologie ergeben hat, von der Hegel daher sagen kann, sie allein“ sei das Sein, obwohl sie es nicht un” mittelbar ist, sondern als Prozess der Herausbildung solcher Selbstverh¨altnisseim-anderen, die unbedingten Wert, Geltung und Bestand beanspruchen k¨onnen. Wie sie diesen haben k¨onnen, obwohl real alles vergeht und jedes Zentrum geistigen Lebens stirbt, ist keine logische, sondern eine zeittheoretische Frage, darum aber nicht weniger r¨atselhaft. Ihre eigentliche Bew¨ahrung m¨usste Hegels Lehre von der absoluten Idee daher in einem ver¨anderten Verst¨andnis der ¨ Zeit finden661 . Nach diesen Uberlegungen k¨onnen wir uns nun Hegels, f¨ur sich genommen abstrakt wirkenden Kennzeichnungen der absoluten Idee zuwenden, die jeweils unterschiedliche Aspekte betonen. Hegel bestimmt die absolute Idee sowohl als Erkenntnis, die alles weltseitige Sein als Realit¨at des Begriffs auf-
660 Insofern in ihnen solches Gestalt wird, was als Selbstzweck unbedingte Geltung beanspruchen kann, fasst Hegel Kunst, Religion und Philosophie als dasjenige Reale, in dem sich die absolute Idee angemessenes Daseyn“ gibt [12,23626−27]. Insofern kann Hegel von der ab” soluten Idee sagen: Sie ist der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie. Indem sie alle ” Bestimmtheit in sich enth¨alt und ihr Wesen diß ist, durch ihre Selbstbestimmung und Besonderung zu sich zur¨uckzukehren, so hat sie verschiedene Gestaltungen, und das Gesch¨aft der Philosophie ist, sie in diesen zu erkennen. Die Natur und der Geist, sind u¨ berhaupt verschiedene Weisen, ihr Dasein darzustellen; Kunst und Religion ihre verschiedenen Weisen, sich zu erfassen und ein sich angemessenes Daseyn zu geben; die Philosophie hat mit Kunst und Religion denselben Inhalt und denselben Zweck, aber sie ist die h¨ochste Weise, die absolute Idee zu erfassen, weil ihre Weise die h¨ochste, der Begriff ist“ [12,23621−29]. 661 Der Versuch einer Antwort m¨ usste darin bestehen, dass zwar in jedem Einzelleben Unverg¨angliches Ereignis wird, aber nicht das Unverg¨angliche schlechthin, weil es dem Allgemeinen in seiner Partikularit¨at zugleich unangemessen ist und deshalb als Endliches vergeht. Darum vermag kein Einzelnes das Unverg¨angliche ins Werk zu setzen und die Zeit in erf¨ullte Ewigkeit aufzuheben, sondern nur die Gemeinschaft der Geister im Ganzen, die Hegel ein Geisterreich“ nennt. Entsprechend kann die Zeit nicht als lineares Verfließen gedacht werden, ” weil auch kein zuk¨unftiger Teil des Geisterreichs f¨ur sich zustande zu bringen vermag, was den anderen versagt bleibt, sondern nur die zeit¨ubergreifende Gesamtheit der Geister durch ihre Beitr¨age das Unverg¨angliche Gestalt werden lassen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass das Vergangene nicht schlichtweg verloren und Gewesenes nicht einfach abgeschlossen, sondern r¨uckw¨artig erf¨ullbar ist, n¨amlich aufhebbar in das unverg¨angliche Leben“ der Idee, von ” dem Hegel spricht. Dass er Ewigkeit entsprechend nicht als abstrakte Negation, sondern als geschichtsgeladene Erf¨ullung von Zeit versteht, wird sp¨ater belegt und weiter ausgef¨uhrt, vgl. unten Abschnitt 4.7 zum absoluten Geist.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
fasst (1) wie als Idee, f¨ur welche die objektive Welt die Idee (2) beziehungsweise die Idee das Objektive ist (3)662 . Gem¨aß der ersten Formel bildet die absolute Idee den Inbegriff lebendigen (Sich)Bestimmens, das sich auf das Weltganze als Sph¨are der Selbstauslegung und Selbstbesonderung unbedingten Sichbestimmens bezieht oder, wie Hegel sagt, erkennt, dass die objective Welt an und f¨ur sich der Begriff ist“. Mit ” anderen Worten markiert die absolute Idee damit leibhaftig verk¨orperte, selbstanwendende Operationalit¨at, die alles als Gestalt solcher Operationalit¨at begreift663 . Dass sich Subjekten oder leibhaftigen Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at alles als Realit¨at des Begriffs oder unbedingten Sichbestimmens darstellt, ist aber nicht damit gleichzusetzen, dass sie alles als Idee, d. h. als konkretes Selbstverh¨altnis von subjektseitigem (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein fassen. Denn w¨ahrend eine Ansicht der Wirklichkeit sub specie des Begriffs mit der Existenz sich fremder Gestalten von Selbstbestimmung vereinbar ist, markiert die Idee nur den Inbegriff lebendigen (Sich)Bestimmens, das erkennend und handelnd auf objektseitiges Sein u¨ bergreift und dieses zu einer Welt des Geistes gestaltet. Die Bestimmung der absoluten Idee gem¨aß (2) kann damit nicht so verstanden werden, als bezeichne sie die Annahme, alles objektseitige Sein sei von der ontologischen Form der Idee und damit geistig. Das Objektkontinuum als Sph¨are mechanischer, chemischer und protobiologischer Organisation wird nicht etwa mit der Sph¨are beseelten und geistigen Lebens gleichgesetzt, sondern diese als das Objektive, das heißt als Vollgestalt des Seins664 . Zur absoluten Idee geh¨ort damit die Einsicht, dass die Idee als Inbegriff konkreter Selbstverh¨altnisse von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein, die in Vollz¨ugen des Erkennens und Handelns etabliert werden und das Objektkontinuum zu einer Welt des Geistes gestalten, zwar nicht das einzig Reale, jedoch letztinstanzlich allein Wirkliche ist. Die absolute Idee ist damit die ontologische Form leibhaftigen (Sich)Bestimmens, insofern dieses das Universum gem¨aß (1) als Sph¨are der Selbstauslegung unfundierten Sichbestimmens versteht und zugleich gem¨aß (3) reflektiert, dass in und aus dieser Sph¨are notwendig leibhaft verk¨orpertes, unbedingte Zwe662
So besteht gem¨aß (1) die absolute Idee in der Erkenntnis, dass die objective Welt an ” und f¨ur sich der Begriff ist“ [13,1083−4]. Gem¨aß (2) fasst Hegel die absolute Idee als die Idee, ” 510−11 f¨ur welche die objektive Welt die Idee ist“ [V10,222 ], und gem¨aß (3) als den Begriff der ” 20−21 Idee, dem die Idee als solche Gegenstand, dem das Object sie ist“ [20,228 ]. 663 Hegel spricht auch von der reine[n] Form, die ihren Inhalt als sich selbst anschaut“ ” [13,10816]. 664 Vgl. Hegels Bemerkung: In diesem Resultate ist hiermit das Erkennen hergestellt und ” mit der practischen Idee vereinigt; die vorgefundene Wirklichkeit ist zugleich als der ausgef¨uhrte Zweck bestimmt, aber nicht wie im suchenden Erkennen bloß als objective Welt ohne die Subjectivit¨at des Begriffes, sondern als objective Welt, deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist“ [12,23533−38].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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cke realisierendes (Sich)Bestimmen hervortritt, das sie erkennend und handelnd zu einer Welt des Geistes gestaltet, die erst den Inbegriff des letztinstanzlich wirklichen und insofern objektiven oder selbsttragenden Ganzen abgibt. Indem die absolute Idee die ontologische Form vern¨unftigen (Sich)Bestimmens ist, das sich und damit eine Welt des Geistes als letztg¨ultige Realit¨at weiß (3), muss dieses alles Reale als Gestalt von Selbstbestimmung wissen (1). Denn die leibhaftige Realit¨at von unbedingte Zwecke realisierendem (Sich)Bestimmen in der Welt ist nur zu verstehen, wenn die Sph¨are, in der leibhaftes (Sich)Bestimmen wirklich ist und die es zu einer Welt des Geistes gestaltet, in der schlechthin G¨ultiges als solches zur Artikulation kommt, selbst Gestalt der Selbstauslegung unfundierten Sichbestimmens und damit dem leibhaft in ihr verankerten (Sich)Bestimmen, das bestimmend auf sie u¨ bergreift, nicht einfach fremd ist. Zur absoluten Idee geh¨ort damit, alles als Gestalt von Selbstbestimmung aufzufassen, ohne es deswegen als Gestalt individuellen (Sich)Bestimmens zu begreifen. Vielmehr unterscheidet das durch die absolute Idee bezeichnete (Sich)Bestimmen zwischen sich und dem Objektkontinuum als Sph¨are sich selbst fremder Selbstbestimmung, in und aus der freilich notwendig leibhaftig vereinzelte Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten, die in der Lage sind, solches zu artikulieren, was unabh¨angig von der Partikularit¨at der Vollz¨uge, in denen es artikuliert wird, Geltung hat. Die absolute Idee markiert damit die ontologische Form derjenigen Theorie und Praxis u¨ bergreifenden Vollz¨uge, gem¨aß derer Subjekte die Realit¨at von Geist oder das unbedingte Zwecke verwirklichende (Sich)Bestimmen nicht als Schein oder zuf¨alligen Aspekt dessen begreifen, was es gibt, sodass eine geistlose Welt grunds¨atzlich denkbar w¨are. Vielmehr bezeichnet die absolute Idee den Inbegriff solcher Vollz¨uge, in denen leibhaftige Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens sich dessen inne werden, dass die Sph¨are objektseitigen Seins, real die Natur, weder grundlegende noch letztg¨ultige Realit¨at ist, sondern irreduzibel u¨ berformt wird von Leistungen notwendig in und aus ihr hervortretender Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die sie theoretisch und praktisch zu einer gemeinsamen Welt des Geistes gestalten, die allein der Ort unbedingter Geltung und der Inbegriff unverg¨anglicher, selbsttragender Wirklichkeit ist. Zur absoluten Idee geh¨ort so das Wissen darum, dass die Realit¨at des Geistes im Universum kein Zufall ist, obwohl Geist in ihm nur lokal verk¨orpert ist, sondern dass allein ein Universum, das den ontologischen Rahmen f¨ur die Realisierung unbedingter Zwecke und die Artikulation von zeitlos G¨ultigem bildet, den Minimalbegriff des Wirklichen abgibt665 . 665
Die Erhabenheit der absoluten Idee besteht so gerade darin, sich real durchaus geerdet“ ” auszupr¨agen: Ist von einem Stolz die Rede, so m¨ussen wir die Erde, das Gegenw¨artige, als das ” Hohe betrachten. Bei einer quantitativen Reflexion kann man die Erde wohl unter sich versinken lassen, sie als einen Tropfen im Meer des Unendlichen‘ ansehen; aber die Gr¨oße ist eine sehr ’
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Weil die absolute Idee die Idee ist, die sich als Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein reflektiert, statt nur an sich ein solches Selbstverh¨altnis zu markieren, wie das Leben, oder sich, wie das Erkennen, als Fremdverh¨altnis zu objektseitigem Sein und damit als bloß subjektiv zu reflektieren, markiert die absolute Idee ein sich als unbedingt wissendes und insofern selbstvermitteltes Selbstverh¨altnis von Selbstbestimmung und Sein. Die absolute Idee bildet insofern die u¨ bergreifende Einheit von Leben und Erkennen (qua theoretischer und praktischer Idee), weil selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen in ihr nicht nur unmittelbar und vereinzelt mit objektseitigem Sein eins ist, wie im Leben, das Selbstverh¨altnis von (Sich)Bestimmen und objektseitigem Sein sich aber auch nicht, wie in der Idee des (endlichen) Geistes, als a¨ ußerlich bedingtes Fremdverh¨altnis versteht und so einen Gegensatz zwischen Erkennen und Welt er¨offnet, sondern Selbstbestimmung sich als absoluten Prozess reflektiert666 . Darin, dass die absolute Idee diejenige des Lebens und damit die ontologische Form leibseelischer Vereinzelung aufhebt, liegt, dass der logische Fortgang zur absoluten Idee nicht darin bestehen kann, die vorangegangenen Formen abstrakt zu negieren. Die absolute Idee ist daher die ontologische Form leibhaftigen, geistigen Lebens in einer gemeinsamen Welt des Geistes, das diese Welt als Ort der geschichtlichen Selbstgestaltung des Unbedingten zu zeitlos G¨ultigem weiß, das sich allein als sie, in ihr und durch sie artikuliert. Insofern die absolute Idee der Inbegriff selbstbez¨uglichen Sichbestimmens oder der absoluten Form ist, die sich auf alles als Ausdruck der absoluten Form bezieht, markiert die absolute Idee f¨ur das reine Denken, das bisher nur das Logische kennt, die Gesamtheit der logischen Bestimmungen, insofern diese als Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens gesetzt sind. Von der Warte reinen Denkens aus bezeichnet die absolute Idee so die als solche gewusste Totalit¨at logischer Bestimmungen. In ihr hebt sich damit f¨ur das reine Denken – nicht f¨ur uns – der logische Fortgang vom Sein zur absoluten Idee in die statische Totalit¨at aller logischen Bestimmungen auf. Insofern alle Kategorien als Aspekte oder Gestalten logischen und damit zeitlosen Sichbestimmens gesetzt sind, f¨uhrt der logische Fortgang vom Sein zur absoluten Idee nicht von etwas zu etwas anderem, sondern manifestiert am Ende nur, dass alle durchlaufenen a¨ ußerliche Bestimmung. Wir kommen also jetzt auf der Erde zu stehen, unserer Heimat, nicht als physischer, sondern auch der Heimat des Geistes“ [TW9,132 Z.]. 666 Hegel kennzeichnet die absolute Idee folgendermaßen als u ¨ bergreifende Einheit von Leben und Erkennen: Die absolute Idee als der vern¨unftige Begriff, der in seiner Realit¨at nur ” mit sich selbst zusammengeht, ist um dieser Unmittelbarkeit seiner objektiven Identit¨at willen einerseits die R¨uckkehr zum Leben; aber sie hat diese Form ihrer Unmittelbarkeit ebensosehr aufgehoben und den h¨ochsten Gegensatz in sich“ [12,2368−12]. Dieses aus der Differenz und ” Endlichkeit des Erkennens zu sich zur¨uckgekommene und durch die Th¨atigkeit des Begriffs mit ihm identisch gewordene Leben ist die speculative oder absolute Idee“ [13,1084−6].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Stationen Glieder der einen Totalit¨at des Logischen sind, die je schon zeitlos erreicht ist. Die absolute Idee bildet so die Abschlussbestimmung der Logik, weil in ihr alle logischen Bestimmungen als Gestalten reinen (Sich)Bestimmens ausdr¨ucklich sind. Da die absolute Idee als logische so aber nur statische Gestalt des absoluten Prozesses ist, den sie markiert, und zugleich selbst eine Gestalt selbstanwendender Operationalit¨at bildet, muss auch sie immanent u¨ ber sich hinausf¨uhren. Da sie aber bereits als Totalit¨at aller logischen, notwendigen und selbstdurchsichtigen Gestalten des Begriffs gesetzt ist, kann ihre immanente Selbsttranszendenz nur die Er¨offnung einer Sph¨are von Begriffsgestalten bedeuten, die selbst keine logischen Bestimmungen mehr sind. Aufgrund der ihrem Gehalt gem¨aßen Selbstauslegung zur Realit¨at markiert die absolute Idee nichts, was in einem abgetrennten Reich des Logischen selbst¨andigen Bestand h¨atte667 . Sie ist vielmehr (nur) die ontologische Form eines Kontinuums, in und aus dem notwendig ihr unbedingtes Wesen realisierende Zentren abh¨angig-selbst¨andigen (Sich)bestimmens hervortreten, die in einer gemeinsamen Welt des Geistes unbedingt G¨ultigem Gestalt verschaffen. Dagegen markiert die logische Idee selbst noch kein wirkliches Erkennen668 . Die absolute Idee bildet also nur“ die ontologische Form vern¨unftigen ” (Sich)Bestimmens, welche das Wirkliche als Ausdruck reinen Sichbestimmens und das geistige Leben als unbedingt weiß. Bezeichnete die absolute Idee dagegen schon reales, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, dem alles als Gestalt unbedingten (Sich)Bestimmens durchsichtig ist, w¨are Hegels System damit bereits zum Abschluss gelangt, sodass kein angebbarer Unterschied zwischen absolutem Geist und absoluter Idee best¨unde669 . Dass die absolute Idee nur die 667 Vgl. Hegels Bemerkung, daß die Idee zun¨ achst nur die eine, allgemeine Substanz ” ist, aber ihre entwickelte, wahrhafte Wirklichkeit ist, daß sie als Subjekt und so als Geist ist“ [20,21527−29]. Entsprechend kann Hegel mit Bezug auf Platons Ideenlehre sagen: Die ewige ” Welt, als der in sich selige Gott, ist die Wirklichkeit, nicht dr¨uben, nicht jenseits, sondern die gegenw¨artige wirkliche Welt in ihrer Wahrheit betrachtet, nicht wie sie dem Geh¨or, Gesicht usf. in die Sinne f¨allt“ [TW19,111]. Dagegen spricht er mit Blick auf die mittelalterliche Philosophie von folgender, nicht eben erfreulicher Erscheinung“: Eine intelligible Welt hat sich ” ” also in der Vorstellung in der Weise derselben Wirklichkeit befestigt, wie ein ferne liegendes Land, das so wirklich vorgestellt wird als dasjenige, das wir sehen, bev¨olkert, bewohnt, aber das uns nur etwa wie durch einen Berg verborgen ist“ [TW19,512]. Stattdessen gilt: Man meint ” gew¨ohnlich, das Absolute m¨usse weit jenseits liegen, aber es ist gerade das ganz Gegenw¨artige“ [TW8,85 Z.]. 668 Entsprechend weist Hegel darauf hin: Das schon in der einfachen logischen Idee ent” haltene Erkennen ist nur der von uns gedachte Begriff des Erkennens, nicht das f¨ur sich selbst vorhandene Erkennen, nicht der wirkliche Geist, sondern bloß dessen M¨oglichkeit. Der wirkliche Geist, welcher allein in der Wissenschaft vom Geiste unser Gegenstand ist, hat die a¨ ußere Natur zu seiner n¨achsten, wie die logische Idee zu seiner ersten Voraussetzung“ [TW10,17]. 669 ¨ Diese Einsicht kommt in einer bezeichnenden Anderung zum Ausdruck, die Hegel in den sp¨ateren Auflagen der Enzyklop¨adie vornimmt. 1817 bestimmte er die absolute Idee folgen-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ontologische Form sich als unbedingt wissenden, geistigen Lebens markiert, bedeutet aber nicht, sie sei bloß ein abstrakter Begriff. Vielmehr bildet sie die logische Vollgestalt des Begriffs – im Hegelschen Sinne selbstanwendender Operationalit¨at, der die operative Kapazit¨at zukommt, den durch sie logisch vorgezeichneten Prozess auch zu realisieren. Denn da die Idee die logische Vollgestalt des Seins, zugleich aber einen Prozess markiert, der sich in der Sph¨are des Logischen selbst nicht realisieren kann, muss sie sich notwendig immer schon zu einer Sph¨are realer Verwirklichung ausgelegt haben. Mit anderen Worten muss sich die absolute Idee, insofern sie das Unbedingte selbst noch auf unangemessene Weise ist, als Gestalt selbstbez¨uglichen Sichbestimmens negieren. Sie kann gerade darum noch nicht als vollauf konkreter Ausdruck unbedingten Sichbestimmens gelten670 , weil sie darin unvollst¨andig ist, dass sie, l¨uckenlos vern¨unftig, als selbstdurchsichtige Totalit¨at aller logischen Gestalten des Sichbestimmens bestimmt, keine Undurchsichtigkeit und keinen Zufall einschließt, gegen¨uber denen sie sich sch¨opferisch bew¨ahren k¨onnte671 . Da die absolute Idee als logische Form selbst noch prozesslos und unlebendig auftritt, insofern aber der Prozessualit¨at, die ihren Gehalt ausmacht, performativ widerspricht, negiert sie sich selbst. Soll Selbstbestimmung und der durch die absolute Idee vorgezeichnete Prozess ein wirklicher Prozess lebendigen Geistes sein, muss sich die absolute Idee je schon zeitlos zu einer notwendig zufallsgepr¨agten Sph¨are ausgelegt haben, in der sich selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen nur durch produktiven Einbezug von Widerst¨andigem realisiert und unter unvorhersehbaren Umst¨anden auf sch¨opferisch inkalkulable Weise schlechthin G¨ultiges artikuliert, indem es aus zuf¨alligen Voraussetzungen Bedeutung schafft und so allein wirkliche Einheit von Innerlichem und ¨ Außerlichem ist. Die absolute Idee kann daher nur absolut konkret und somit erst real sein, wenn ihre Realit¨at die des Unvern¨unftigen einschließt. Dies ist keine a¨ ußerliche Begr¨undung von der Warte einer schon als kontingent vorausgesetzten Realit¨at her, sondern ein immanent logisches Argument. Denn erstens dermaßen: Die Idee als Einheit der subjectiven und der objectiven Idee ist der Begriff, dem der ” Begriff als solcher Gegenstand, oder dem das Object der Begriff ist“ [13,1089−10]. 1830 heißt es dagegen: Die Idee als Einheit der subjectiven und der objectiven Idee ist der Begriff der ” Idee, dem die Idee als solche der Gegenstand, dem das Object sie ist“ [20,22820−21, Hervorhebung C. M.]. Die absolute Idee ist eben darum “nur“ der Begriff“ der sich auf sich beziehenden ” Idee, weil sie sich selbst noch realisieren muss – auf einem Weg, der unabsehbar weit ist und auf dem die Zeit lang werden kann. 670 Vgl. 20,21527−29. 671 Die Prozess- und Leblosigkeit des Logischen (im Unterschied zur Logik als Prozess des sein logisches Wesen denkenden Geistes) kommt etwa in folgender Bemerkung Hegels zum Ausdruck: In der Idee ist dieß Ende nur noch das Verschwinden des Scheins, als ob der ” Anfang ein unmittelbares, und das Ende ein Resultat w¨are;– das Erkennen, daß die Idee nur die Eine Totalit¨at ist“ [13,1105−8]. Entsprechend gilt: Die logische Idee ist sie selbst in ihrem ” reinen Wesen, wie sie in einfacher Identit¨at in ihrem Begriff eingeschlossen“ ist [12,2373−5].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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hat sich aus der logischen Idee die ontologische Notwendigkeit eines Prozesses ergeben, der im Logischen selbst nicht eingel¨ost werden kann und daher nach einer nicht-logischen, realen Sph¨are verlangt, welche den Spielraum f¨ur den unvorhersehbar sch¨opferischen Prozess der Idee abgibt. Zweitens wurde in der Logik bereits die Notwendigkeit des Zufalls abgeleitet672 , ohne dass das Logische selbst ein Zufallsmoment aufwiese, womit sich die Totalit¨at des Logischen von sich her als unvollst¨andig ausweist. Sie hat daher ihre immanente, zeitlose Selbstherabsetzung zu einer notwendig zufallsgepr¨agten Sph¨are an sich, in der sich selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen als Geist zu realisieren und bew¨ahren hat673 . Geist ist so nichts anderes als die Idee im Einsatz“ unter Realbedingun” gen. Bevor die Selbstent¨außerung der absoluten Idee genauer begr¨undet und untersucht wird, m¨ussen jedoch zun¨achst noch die genuin logischen Aspekte der absoluten Idee betrachtet werden. Von sich her entpuppt sich diese aber als Me” thode“, womit am Ende der Logik die Art und Weise des logischen Fortgangs selbst thematisch wird. Da die absolute Idee n¨amlich die als Totalit¨at gesetzte Gesamtheit der logischen Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens ist, l¨asst sie sich logikimmanent nicht mehr zu weiteren Gestalten auslegen, weil bereits alle gesetzt sind, sondern nur noch dasjenige an der Totalit¨at dieser Gestalten herausstellen, was bisher nicht ausdr¨ucklich thematisch war, n¨amlich die Art und Weise, wie sie logisch auseinander hervorgehen und sich zu einem Ganzen f¨ugen. In Gestalt der absoluten Idee vollzieht sich so eine reflexive Kehre von den besonderen Gestalten des (Sich)Bestimmens als Inhalten der absoluten Form zur Art und Weise ihres Hervorgehens aus und ihres Zusammenhangs mit dieser und damit zur logischen Form der Totalit¨at des Logischen selbst674 . Die 672
Vgl. oben Abschnitt 2.2.3. Vgl. etwa Hegels Behauptung: Der Geist ist u¨ berhaupt nicht unmittelbar; unmittelbar ” sind die nat¨urlichen Dinge und bleiben bei diesem Sein. Das Sein des Geistes ist nicht so unmittelbar, sondern nur als sich selbst produzierend, sich f¨ur sich machend durch Negation als Subjekt, sonst ist er Substanz; und dies Zusichkommen des Geistes ist Bewegung, T¨atigkeit und Vermittlung seiner selbst mit sich“ [TW16,77]. 674 Zum Methodencharakter der absoluten Idee f¨ uhrt Hegel aus: Die absolute Idee hat ” n¨aher nur dies zu ihrem Inhalt, daß die Formbestimmung ihre eigene, vollendete Totalit¨at, der reine Begriff ist. [...] Was also hier noch zu betrachten kommt, ist somit nicht ein Inhalt als solcher, sondern das Allgemeine seiner Form – das ist, die Methode“ [12,23717−28]. Die Wis” senschaft schließt auf diese Weise damit, den Begriff ihrer selbst zu fassen, also der reinen 12−14 Idee, f¨ur welche die Idee ist“ [20,231 ]. Wenn von der absoluten Idee gesprochen wird, so ” kann man meinen, hier werde erst das Rechte kommen, hier m¨usse sich alles ergeben. Gehaltlos deklamieren kann man allerdings u¨ ber die absolute Idee in das Weite und Breite; der wahre Inhalt ist indes kein anderer als das ganze System, dessen Entwicklung wir bisher betrachtet haben. Es kann hiernach auch gesagt werden, die absolute Idee sei das Allgemeine, aber das Allgemeine nicht bloß als abstrakte Form, welchem der besondere Inhalt als ein Anderes gegen¨ubersteht, sondern als die absolute Form, in welche alle Bestimmungen, die ganze F¨ulle des durch dieselbe gesetzten Inhalts zur¨uckgegangen ist“ [TW8,388 Z.]. 673
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
absolute Idee markiert als Methode daher nicht die Selbstreflexion einer bloßen Form oder eines abstrakten Verfahrens, dem ein Gegenstand der Anwendung gegen¨uberst¨ande, sondern der absoluten Form selbstanwendender Operationalit¨at in der Bedeutung, dass die Totalit¨at logischer Bestimmungen aus ihr hervorgegangen ist und nun nur noch die Art und Weise dieses Hervorgehens und die Struktur des Ganzen, das sich im Zuge dessen ergeben hat, zu untersuchen bleiben. Dass sich die absolute Idee am Ende als Methode“ entpuppt, kann nur ” dann als trockener Formalismus erscheinen, wenn man, was Hegel unter diesem Titel abhandelt, als methodologischen Anhang zu einem bestimmten Buch missversteht. Dass das Sein in seiner Vollgestalt als absolute Idee Methode“ ” ist, bedeutet aber real, dass Sein in seiner h¨ochsten Form Wegbewusstsein ist, n¨amlich Geist, der seinen eigenen Entwicklungsgang betrachtet. Entsprechend kann Hegel sagen, die absolute Idee sei die Betrachtung des Universums, wie ” es dem Begriff an und f¨ur sich gem¨aß ist, oder des Vernunftbegriffs, wie er an und f¨ur sich und wie er in der Welt objektiv oder real ist“ 675 . 3.5.10 Sein als Wegbewusstsein (Die absolute Idee als Methode) Zun¨achst ist zu kl¨aren, warum die Logik in einer Methodenbetrachtung gipfelt und diese keinen bloßen Anhang zu ihr bildet. Logik ist die Darstellung der immanenten Entfaltung reinen Denkens, von der einleitend gezeigt wurde, dass sie u¨ berhaupt nur m¨oglich ist, sofern ihre Stationen an sich Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at sind. Der logische Fortgang verdankt sich damit keinem Einschleusen a¨ ußerlicher Voraussetzungen, sondern der immanenten Entfaltung von solchem, was in der jeweils betrachteten Bestimmung bloß unausdr¨ucklich angelegt ist. Weil die Logik mit reiner Unmittelbarkeit als thematisch voraussetzungslosem Gehalt einsetzt, kann zun¨achst noch nicht ausdr¨ucklich sein, dass die logischen Kategorien Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at sind. Daher muss reines Sichbestimmen im logischen Fortgang ebenso erst ausdr¨ucklich werden wie die Tatsache, dass die logischen Kategorien Gestalten solchen Sichbestimmens sind. Im Fortgang der Logik m¨ussen die durchlaufenen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit so aber notwendig an einem gewissen Punkt als Gestalten selbstbez¨uglichen Sichbestimmens thematisch werden und die Logik damit zum Abschluss kommen. Der logische Fortgang vom thematisch voraussetzungslosen Anfang – die Entfernung von diesem Anfang – ist so notwendig R¨uckgang“ in dessen Grund ” 675
TW4,203. Darin, dass Sein seiner Vollgestalt nach die Betrachtung eines Wegs ist, n¨amlich desjenigen des Geistes, liegt weder, dass diese Betrachtung bereits zum definiten Abschluss gekommen ist, noch, dass dieser Weg vollkommen u¨ berschaubar w¨are, ohne jedoch beliebig zu sein [vgl. unten Abschnitt 4.8]. Vielmehr markiert das Sein als Methode, weil die absolute Idee Prozess ist, wesentlich ein Unterwegssein des Geistes, der sich in diesem Unterwegssein auf seinen Weg bezieht.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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– unbedingtes Sichbestimmen als dasjenige, dessen besondere Gestalt dieser Anfang, seiner vermeintlich reinen Unmittelbarkeit zum Trotz, ist676 . Dieser R¨ucklauf der Bewegung in ihren Grund ist damit zugleich R¨uckann¨aherung an ihren Anfang, da dieser nicht einfach verlassen, sondern darum auch wieder eingeholt wird, weil das reine Sichbestimmen, aus dem der Anfang an sich als seiner operationalen Wurzel hervorgeht, nicht nur ausdr¨ucklich werden, sondern der Anfang auch ausdr¨ucklich als Gestalt solchen Sichbestimmens eingeholt werden muss677 . Muss im logischen Fortgang aber nicht nur die selbstanwendende Operationalit¨at, deren Gestalten die logischen Kategorien an sich von Anfang an sind, ausdr¨ucklich werden, sondern ebenso dies, dass sie Gestalten dieses reinen Sichbestimmens sind, ist, wenn dies in Form der absoluten Idee geschehen ist, keine weitere Entwicklung logischer Bestimmungen mehr m¨oglich, sondern nur noch, das, was sich im Fortgang zun¨achst nur vollzog, ohne ersch¨opfend thematisiert zu werden, nun selbst thematisch zu machen, n¨amlich die allgemeine Art und Weise dieses Fortgangs selbst. Darum gipfelt die Logik in einer Reflexion der Methode als immanentem Rhythmus des logischen Fortgangs oder der Selbstentfaltung reinen Sichbestimmens. Etwas weniger technisch ausgedr¨uckt: Da die Logik die Wissenschaft des reinen, sich aus sich heraus entwickelnden Denkens ist, dieses Sichentwickeln aber gewisse u¨ bergreifende Z¨uge aufweist, die f¨ur es jedoch zun¨achst nicht thematisch sein k¨onnen, weil die Logik voraussetzungslos zu beginnen hat und darum nicht schon eine bestimmte Art und Weise des Fortgangs als die richtige voraussetzen kann, muss sich das reine Denken im Zuge seiner Entfaltung erst schrittweise selbst die Mittel verschaffen, angemessen auszudr¨ucken, was es tut678 . 676 Entsprechend kann Hegel sagen: Auf diese Weise ist es, daß jeder Schritt des Fort” gangs im Weiterbestimmen, indem er von dem unbestimmten Anfang sich entfernt, auch eine R¨uckann¨aherung zu demselben ist, daß somit das, was zun¨achst als verschieden erscheinen mag, das r¨uckwarts gehende Begr¨unden des Anfangs und das vorw¨arts gehende Weiterbestimmen desselben, ineinanderf¨allt und dasselbe ist. Die Methode, die sich hiemit in einen Kreis schlingt, kann aber in einer zeitlichen Entwicklung es nicht anticipiren, daß der Anfang schon als solcher ein Abgeleitetes sei“ [12,25214−21]. Daher gilt: Man muß zugeben, daß es eine ” wesentliche Betrachtung ist, – die sich innerhalb der Logik selbst n¨aher ergeben wird –, daß das Vorw¨artsgehen ein R¨uckgang in den Grund, zu dem Urspr¨unglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abh¨angt, und in der That hervorgebracht wird“ [21,5713−16]. 677 Vgl. Von der speculativen Idee aus aber ist es ihr Selbstbestimmen, welches als die ” absolute Negativit¨at oder Bewegung des Begriffs urteilt und sich als das Negative seiner selbst setzt. Das Sein, das f¨ur den Anfang als solchen als abstracte Affirmation erscheint, ist vielmehr die Negation, Gesetztsein, Vermitteltsein u¨ berhaupt und Vorausgesetztsein“ [20,22910−19]. Entsprechend kann Hegel sagen, dass vom Sein gezeigt worden ist, dass es die reine Negation der ” Idee ist“ [V11,195578−79]. 678 So gilt: Die Philosophie entbehrt des Vorteils, der den anderen Wissenschaften zugute ” kommt, ihre Gegenst¨ande als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens f¨ur Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu k¨onnen“
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Zun¨achst kann das reine Denken dagegen keinen positiven Begriff seines eigenen Rhythmus’ haben, sondern nur einen negativen, der sich in der Forderung kristallisiert, keine a¨ ußeren Voraussetzungen einzuschleusen, sondern sich rein immanent zu entfalten. Der logische Fortgang l¨asst sich damit als sukzessives Einholen der notwendigen und zun¨achst notwendig unthematischen Voraussetzungen thematisch voraussetzungslosen Denkens fassen und gipfelt so in einer Methodenreflexion, die nicht mehr, wie im Zuge des logischen Fortgangs, bloß einseitige Aspekte des Fortgangs in den Blick bringt, sondern einen angemessenen Begriff der Selbstentfaltung reinen Sichbestimmens abgibt – seiner allgemeinen, notwendigen Form. Die Art und Weise des logischen Fortgangs oder der Selbstentfaltung selbstanwendender Operationalit¨at ist aber nicht nur Gegenstand einer Betrachtung, die ihren Ort bloß im reflektierenden Denken hat, sondern der immanente Entfaltungsrhythmus reinen Sichbestimmens. Weil das Sein in seiner Vollgestalt als Idee Methode ist, hat daher auch die reale, geschichtliche Entfaltung des Geistes einen Rhythmus, der sich als solcher, u¨ ber das in der Logik Vorgezeichnete hinaus, jedoch nicht vorwegnehmen, sondern nur nachtr¨aglich rational rekonstruieren l¨asst. In der Logik wird die Entfaltung reinen Sichbestimmens jedoch noch vor seiner Auspr¨agung in raumzeitlicher Realit¨at betrachtet und die Entfaltung des Begriffs daher auch nur nach ihrem abstrakten, zeitlosen Rhythmus dargestellt. Die Methode der Logik darf daher nicht mit der Entfaltungsform realer, geschichtlicher Prozesse gleichgesetzt werden – selbst, wenn es sich dabei um Denkprozesse oder gar den Versuch einer Darstellung des reinen Denkens handelt, der selbst jedoch nicht mit dem reinen Denken ineinsf¨allt, das er zu denken unternimmt. Da selbstbez¨ugliches Sichbestimmen umgekehrt nur in solchen geschichtlichen Prozessen Realit¨at hat, pr¨agt sich die Methode als innerer Rhythmus selbstbez¨uglichen Sichbestimmens real in der Entwicklung des Geistes aus679 . Sie darf mit den Formen dieser Entwicklung aber um den Preis gewaltsamer Konstruktion von oben herab nicht umstandslos gleichgesetzt werden, weil sie das Allgemeine zu solchen besonderen Auspr¨agungen ist und sich in ihnen zugleich nicht rein, sondern zufallsgebrochen und verwickelt [20,393−6]. Die Exposition dessen aber, was allein die wahrhafte Methode der philosophi” schen Wissenschaft sein kann, f¨allt in die Abhandlung der Logik selbst; denn die Methode ist das Bewußtsein u¨ ber die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts“ [21,3727−30]. 679 Vgl. Diese Vermittlung des Begriffs mit sich selbst ist nicht nur ein Gang des sub” jektiven Erkennens, sondern ebenso die eigene Bewegung der Sache selbst“ [TW4,161]. Was ” hiemit als Methode hier zu betrachten ist, ist nur die Bewegung des Begriffs selbst, deren Natur schon erkannt worden, aber erstlich nunmehr mit der Bedeutung, daß der Begriff alles und seine Bewegung die allgemeine absolute Th¨atigkeit“ ist [12,2386−10]. Nach der Allgemeinheit ” der Idee aber ist sie sowohl die Art und Weise des Erkennens, des subjectiv sich wissenden Begriffs, als die objective Art und Weise oder vielmehr die Substantialit¨at der Dinge, – d. h. der Begriffe, insofern sie der Vorstellung und der Reflexion zun¨achst als Andere erscheinen“ [12,23819−23].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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auspr¨agt, damit aber eine Form bildet, die zugleich ein normatives Korrektiv zu realen Prozessen bildet, die ihr wenigstens partiell angemessen sind. Der eigent¨umliche Rhythmus des logischen Fortgangs kann daher zwar nicht, wie Hegel selbst gelegentlich anzunehmen scheint, von oben herab auf reale Verl¨aufe projiziert werden680 , jedoch, flexibel gehandhabt, als Schl¨ussel zur rationalen Rekonstruktion solcher Prozesse dienen. Damit sollte deutlich sein, dass eine umfassende Betrachtung der Methode der Logik nicht nur den Rhythmus des logischen Fortgangs oder der Entfaltung reinen Sichbestimmens zu exponieren hat, sondern zugleich ber¨ucksichtigen muss, dass dieses als solches nur in Gestalt leibhaftiger, zeichenvermittelter Vollz¨uge innerhalb einer notwendig zufallsgepr¨agten Welt wirklich ist. Der Inbegriff realen, voraussetzungslosen Denkens als derjenigen T¨atigkeit, der der spekulative Denker als reales Subjekt nachgeht, wird daher erst in Hegels metaphilosophischer Reflexion am Ende seiner Philosophie des Geistes erreicht. Dort hat auch die Sprachlichkeit und Fallibilit¨at philosophischen Denkens ihren Ort, nicht aber in der logischen Methodenbetrachtung, wo davon noch nicht die Rede sein kann, ohne dass deswegen angenommen w¨urde, voraussetzungsloses Denken k¨onne sich sprachfrei und infallibel vollziehen. Hegels Auffassung nach markiert die Methode sowohl die Art und Weise der immanenten Selbstentfaltung der selbstanwendenden Grundoperation oder des Begriffs, zugleich jedoch das reflektierte Bewusstsein von der Art und Weise dieser Entfaltung, das im Methodenkapitel erreicht wird. Unter der Methode versteht Hegel so zugleich den allgemeinen Rhythmus selbstbez¨uglichen Sichbestimmens und dessen Begriff681 . 3.5.10.1 Anforderungen an eine Rekonstruktion der Methode Zun¨achst ist zu kl¨aren, warum es u¨ berhaupt eine vom konkreten logischen Fortgang abstrahierbare, allgemeine Art und Weise der Entfaltung reinen Denkens geben sollte. Offensichtlich ist die Methode n¨amlich kein abstraktes Schema, das a¨ ußerlich auf gewisse Inhalte angewandt wird, sondern ergibt sich nur in ¨ und aus dem immanenten Uber-sich-Hinausweisen solcher Inhalte selbst. Wenn der logische Fortgang immanent ist, muss die Art und Weise dieses Fortgangs Funktion des Ortes oder der jeweiligen Bestimmung sein, von der aus er sich 680 Vgl. etwa Hegels Behauptung, daß die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie ” in der Geschichte dieselbe ist als die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee“ [TW20,478]. 681 Vgl. Diese geistige Bewegung, die sich in ihrer Einfachheit ihre Bestimmtheit und ” in dieser ihre Gleichheit mit sich selbst gibt, die somit die immanente Entwicklung des Begriffes ist, ist die absolute Methode des Erkennens und zugleich die immanente Seele des Inhalts selbst“ [21,816−19]. Hegel kann daher sowohl sagen, die Methode sei die [sich] wissende ” Form“ [V11,195590] oder das Bewußtsein u¨ ber die Form der inneren Selbstbewegung ihres ” 29−30 Inhaltes“ [21,37 ] wie auch der Rhythmus, das reine, ewige Leben des Geistes selbst“ ” [TW16,65].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
vollzieht. Ist die Methode aber Funktion der jeweils thematischen Bestimmung, lassen sich scheinbar keine allgemeinen Methodencharakteristika angeben682 Dass die konkrete Weise des logischen Fortgangs in Funktion der je thematischen Bestimmung jeweils selbst eine andere ist, schließt jedoch nicht aus, dass dieser Fortgang gewisse u¨ bergreifende Z¨uge aufweist, begr¨undet dies aber umgekehrt auch noch nicht. Da jedoch alle logischen Kategorien Gestalten der operationalen Grundform reinen Sichbestimmens sind und diese an sich drei Momente aufweist – Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung – gibt es einen Anhalt daf¨ur, dass sich die logische Entfaltung dieser Gestalten durch einen allgemeinen Rhythmus auszeichnet683 . Wenn die Weise des Fortgangs aber zugleich Funktion der jeweils thematischen Bestimmung ist, ist das Methodenproblem auf zwei Ebenen angesiedelt: Denn ebenso wichtig wie die An¨ gabe eines allgemeinen Rhythmus, der alle logischen Uberg¨ ange pr¨agt, ist dann die Feststellung, dass sich dieser Rhythmus in den besonderen Teilen der Logik unterschiedlich auspr¨agt. Im Rahmen einer Betrachtung der Methode kommt es daher sowohl auf die Angabe u¨ bergreifender wie auch besonderer Charakteristika an, welche die Methode in den jeweiligen Teilen der Logik pr¨agen, sowie darauf, dass sich diese besonderen Z¨uge im logischen Fortgang selbst auf charakteristische Weise wandeln. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass die Methode kein abstraktes Schema ist, sondern letzlich Funktion der jeweils thematischen Kategorie684 . Welche Anforderungen sind damit an eine Betrachtung der Methode zu richten? Sie hat erstens zu kl¨aren, wie sich die Logik schließen und an ein Ende kommen kann. Deshalb kann eine angemessene Darstellung der Methode nicht in der Angabe eines unbegrenzt iterierbaren Schemas bestehen. Die Methode kann n¨amlich kein Schema sein, das zun¨achst beliebig oft anwendbar scheint, um pl¨otzlich irgendwann die Grenze seiner Anwendbarkeit zu erreichen. Zweitens hat die Methodenbetrachtung nicht nur zu kl¨aren, wie der logische Fortgang zu einem Ende kommen kann, sondern ebenso, warum dies kein absolutes Ende ist, sondern die immanente Er¨offnung zweier Sph¨aren des Realen und ihnen zugeordneter Systemteile. Drittens sind im engeren Sinne methodische von architektonischen Fragen zu unterscheiden: Einerseits kann n¨amlich der 682 In diesem Sinn konnte etwa McTaggart behaupten, die Methode der Logik sei an jeder ¨ Stelle und f¨ur jeden Ubergang eine andere, vgl. M C TAGGART 1993: 65ff. 683 Vgl. oben Abschnitt 1.4. 684 Vgl. Die Methode ist auf diese Weise nicht a ¨ ußerliche Form, sondern die Seele und ” der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, insofern die Momente des Begriffs auch an ihnen selbst in ihrer Bestimmtheit dazu kommen, als die Totalit¨at des Begriffs zu erscheinen“ [20,2315−8]. Die Methode ist also nur insofern von der Totalit¨at der logischen Kategorien zu unterscheiden, als diese im logischen Fortgang scheinbar selbst¨andig auftreten, sich also zu Unrecht die Rolle der Totalit¨at anmaßen, sich daher performativ widersprechen und so eine jeweils eigene Weise oder Methode der Selbst¨uberf¨uhrung in andere Kategorien haben.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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logische Fortgang einen gewissen lokalen Rhythmus aufweisen oder sich als Abfolge charakteristischer Schritte darstellen, die sich als methodische Form abheben lassen. Die minimale, iterierbare Abfolge solcher charakteristischer Schritte wird hier als Elementarzyklus“ bezeichnet. Insofern die immanente ” Entfaltung selbstanwendender Operationalit¨at auf selbst¨ahnliche Schrittmuster f¨uhrt, kann der Elementarzyklus“ zugleich auch auf die globale Form der Lo” gik bezogen werden: So pr¨agt die Schrittfolge von Unmittelbarkeit, Vermittlung ¨ und Selbstvermittlung sowohl lokale Uberg¨ ange wie denjenigen vom Sein u¨ ber das Werden zum Dasein als auch globale Kategorienfolgen, etwa diejenige vom Sein u¨ ber das Wesen zum Begriff. Mit der Feststellung, dass der Elementarzyklus als dreigliedrige Schrittfolge auf allen Ebenen der Logik wiederentdeckt werden kann, ist jedoch wenig gewonnen, weil so nur die Wiederholung einer abstrakten Form in den Blick kommt. Dagegen hat eine Betrachtung der Methode zu untersuchen, wie sich im Zuge des linearen Fortgangs, der sich in Elementarzyklen organisiert, eine komplexe, nichtlineare Struktur aufbaut, die nicht einfach in einer Aneinanderreihung von Elementarzyklen besteht. Denn global ist die Logik offenbar nicht nur durch eine nicht weiter gegliederte Aneinanderreihung lokaler Dreiergruppen von Kategorien gepr¨agt, sondern Elementarzyklen erweitern sich im logischen Fortgang zu komplexen Zyklen, deren Unterzyklen sie sind. Daher hat eine architektonische Betrachtung zu untersuchen, wie sich im logischen Fortgang ein komplex gegliedertes Ganzes ergibt, dessen Form Hegel als Kreis von Kreisen“ fasst. Die architektonische Betrach” tung hat so die Topographie eines gegliederten Ganzen zum Thema, das sich im logischen Fortgang gleichsam hinter dem R¨ucken des reinen Denkens aufbaut, und hat von der Form selbstanwendender Operationalit¨at her zu verstehen, wie es zu dieser Gliederung kommen kann. Im Zuge unserer Methodenbetrachtung ist zugleich der Topos zu hinterfragen, Hegel habe eine Methode virtuos angewandt, ohne in der Lage gewesen zu sein, sie angemessen zu reflektieren, weshalb seine eigene Methodenbetrachtung sein tats¨achliches Vorgehen verfehle oder nur ganz unzureichend charakterisiere685 . Zun¨achst dr¨uckt dieser Vorwurf, seiner eigenen Stoßrichtung entgegen, etwas vom Wesen der Dialektik aus, dass die Methode n¨amlich einen Weg bezeichnet, der nur gegangen, aber nicht schematisch vorgezeichnet werden kann. Denn der logische Fortgang ergibt sich allein aus der Anweisung, immanent vom jeweiligen Ort weiter zu gehen. Ob Hegels eigene Methodenreflexion der Aufgabe, u¨ bergreifende Z¨uge des logischen Fortgangs anzugeben, gerecht wird oder nicht, muss hingegen danach bemessen werden, inwiefern sie die gerade aufgestellten Anforderungen an eine Betrachtung der Methode erf¨ullt. Dabei wird sich zeigen, dass Hegel im Methodenkapitel durchaus eine angemessene Darstellung des logischen Elementarzyklus als selbst¨ahnlicher 685
Vgl. WANDSCHNEIDER 1995: 24f. mit Verweis auf H ENRICH 1974.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Grundschrifttfolge des Ganzen gibt. Dass sich seine Darstellung wesentlich an den Begriffsmomenten Allgemeines, Besonderes und Einzelnes orientiert, ist darum angemessen, weil die Methode der Logik nichts anderes als der Rhythmus immanenter Entfaltung reinen Sichbestimmens ist. Eine angemessene Methodenbetrachtung ist daher auch erst in der Begriffslogik zu suchen und nicht schon zu Beginn der Wesenslogik, wie Dieter Henrich behauptet hat686 . Defizit¨ar ist Hegels Methodencharakteristik nicht in der Darstellung der durch den Elementarzyklus bezeichneten dialektischen Grundschritte. Seiner Virtuosit¨at im Aufbau eines gegliederten Systemganzen kontrastiert aber in der Tat ein Mangel analytischer Durchdringung der Weise, wie dieses Ganze sich aufbaut und wie seine Makrostruktur zu fassen ist. Hegel ist so weniger in seiner Betrachtung der dialektischen Methode als in der Frage der sich aus ihr ergebebenden Architektonik mangelnde Genauigkeit vorzuwerfen. Im Zusammenhang mit dieser Frage begn¨ugt er sich n¨amlich, den Elementarzyklus als logische Grundschrittfolge auf verschiedenen Ebenen des Ganzen ausfindig zu machen, was bei einer selbst¨ahnlichen Figur zwar keine Schwierigkeit bereitet, aber nur ein und dasselbe Schema wiederholt, statt den Aufbau des Ganzen u¨ ber die – allerdings virtuos treffende – Metapher eines Kreises von Kreisen hinaus analytisch durchsichtig zu machen687 . So k¨onnen in Hegels Darstellung der Methode Mikro- und Makrostruktur durcheinandergeraten: Die lokale Grundschrittfolge der Kategorienentwicklung wird in einem Atemzug mit der u¨ bergreifenden Gliederung des Ganzen abgehandelt und in diesem wiederentdeckt. Damit wird aber nur ein abstraktes Raster auf dieses Ganze projiziert, statt zu kl¨aren, wie es sich aufbaut und u¨ ber den auf allen Ebenen wiederzufindenden Elementarzyklus hinaus strukturiert ist. Auch die charakteristische Methodenver¨anderung und die besondere Weise des logischen Fortgangs in besonderen Teilen der Logik kommen, abgesehen von Hegels Verweis auf ¨ Ubergehen, Scheinen-in-anderes und Sichentwickeln als eigent¨umliche Formen seins-, wesens- und begriffslogischer Dialektik, in seiner Methodenbetrachtung zu kurz688 . Zwar k¨onnte man meinen, u¨ ber den immanenten Gang der Logik hinaus sei die Frage nach einer Organisation von Kategoriensequenzen zu u¨ bergreifenden Gruppen und einem gegliederten Bau des logischen Ganzen nur von a¨ ußerlicher Bedeutung. Hegel nimmt die Architektonik des Ganzen jedoch 686
Vgl. H ENRICH 1978b: 223–29. Vgl. dazu etwa: Diese Form ist die allgemeine T¨atigkeit der Idee, und diese T¨atigkeit ” ist in allen ihren Momenten, im Sein, im Wesen: Jeder dieser Kreise ist ein Kreis von Kreisen in ihm selbst, jedes hat das Ganze an ihm. Dieselbe T¨atigkeit ist in jedem Momente, und dies ist das, was die Methode heißt“ [V10,224573−77]. 688 Vgl. Die abstrakte Form des Fortgangs ist im Sein ein Anderes und Ubergehen ¨ in ein ” Anderes, im Wesen Scheinen in dem Entgegengesetzten, im Begriffe die Unterschiedenheit des Einzelnen von der Allgemeinheit, welche sich als solche in das von ihr Unterschiedene kontinuiert und als Identit¨at mit ihm ist“ [20,2306−10]. 687
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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als wichtiges Element in Anspruch, ohne ihr Zustandekommen genauer zu erkl¨aren689 : Nicht nur Inhaltsverzeichnis und Einteilungen der Logik, sondern jede Gruppierung oder Unterordnung von Kategorien unter u¨ bergreifende Bestimmungen – etwa die Rede von Kategorien des Seins, Wesens oder Begriffs – setzt voraus, dass es eine hierarchische Gliederung von Kategorien und Kategoriengruppen gibt, ohne dass deren Zustandekommen erkl¨art w¨urde. Ebenso wenig macht Hegels Methodenbetrachtung deutlich, inwiefern k¨urzere und l¨angere Fassungen der Logik m¨oglich sind, obwohl es sinnvolle Abk¨urzungen geben muss, da Hegel solche in der enzyklop¨adischen Logik offensichtlich in Anspruch nimmt. 3.5.10.2 Rekonstruktion der dialektischen Methode Hegels Methodenbetrachtung macht ausdr¨ucklich, was der logische Fortgang schon konkret gezeigt hat, n¨amlich dass das immanente Hinausgehen u¨ ber eine logische Bestimmung insofern als Kreisbewegung zu verstehen ist, als das, wozu hinausgegangen wird, seinerseits dadurch zum Anfang zur¨uckf¨uhrt, als sich dieses Zweite von sich her auf das Erste zur¨uckbezieht, damit als unselbst¨andig ausweist und darum auch ausdr¨ucklich in ein u¨ bergreifendes Selbstverh¨altnis mit jenem gesetzt werden muss, das als konkrete Einheit beider den jeweiligen Kreis – eine zusammengeh¨orige Triade besonderer Formen einer allgemeinen Bestimmung – vollendet. Im logischen Fortgang erweisen sich solche allgemeinen Bestimmungen samt ihrer besonderen Formen aber selbst als unmittelbare Formen oder Unterzyklen u¨ bergreifender Zyklen, sodass eine selbst¨ahnliche Figur von Kreisen aus Kreisen“ zustandekommt. Die Selbstherabsetzung sol” cher Zyklen zu Unterzyklen u¨ bergreifender Zyklen kann aber nicht endlos fortsetztbar sein, da ein derartiger Bau nach oben unabschließbar w¨are, insofern sich jeder u¨ bergreifende Zyklus wieder als Unterzyklus einer unbegrenzten Verschachtelung weiterer Zyklen erwiese. Damit k¨onnte auch die Logik im Ganzen, insofern sie in einem philosophischen Werk artikuliert und damit endlich ist, nichts weiter als ein Unterzyklus einer solchen Verschachtelung und so ein bloß verschwindender Ausschnitt eines grunds¨atzlich un¨uberschaubaren Zusammenhangs sein. W¨ahrend sich die jeweiligen Zyklen im logischen Fortgang darum als Unterzyklen u¨ bergreifender Zyklen erweisen, weil in ihnen zun¨achst verschiedene Unmittelbarkeitsstufen unabgehoben ineins fallen, k¨onnen sich reine Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung oder Sein, Wesen und Begriff, wenn sie erst einmal voneinander abgehoben sind, selbst nicht wieder als partikulare Formen allgemeinerer und damit einfacherer Bestimmungen 689
In der Ph¨anomenologie hieß es noch: Die Methode ist nichts anderes als der Bau des ” Ganzen, in seiner reinen Wesenheit aufgestellt“ [9,3517−18]. In der Logik ist von einem solchen Bau nicht mehr die Rede. Sie ist insofern ein u¨ beraus planm¨aßiges Geb¨aude, ohne dass uns der Baumeister selbst den Plan zu ihm lieferte.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
erweisen, weil sie selbst die einfachsten Gehalte u¨ berhaupt, n¨amlich die drei m¨oglichen Formen reiner Beziehung auf sich sind690 . Daher muss die Hierarchie logischer Zyklen nach oben abgeschlossen sein, sodass sich die Hauptkategorien der Logik – Sein, Wesen, Begriff – nicht selbst als Unterzyklen eines u¨ bergreifenden Kategorienkreises erweisen k¨onnen. Anders gesagt: Indem die drei einfachsten Gestalten des Begriffs oder des schlechthin Allgemeinen ausdr¨ucklich sind, kann sich weder dieses als besondere Form eines noch Allgemeineren noch sie sich als besondere Formen des Allgemeinen neben anderen erweisen. Die absolute Idee ist daher die Totalit¨at der m¨oglichen Hauptgestalten des Begriffs und nicht nur der Inbegriff eines Unterzyklus solcher Gestalten691 . Da selbstbez¨ugliches Sichbestimmen sich in Form der absoluten Idee damit auf die Totalit¨at seiner Gestalten als Ausdruck selbstbez¨uglichen Sichbestimmens bezieht, kann sich die absolute Idee nicht mehr derart weiter entwicklen, dass sie auf weitere Hauptgestalten reinen Sichbestimmens f¨uhrt – da bereits alle gesetzt sind –, sondern nur, indem die Form der Totalit¨at dieser Gestalten ausdr¨ucklich wird. Der Gegensatz von Methode und Inhalt ist damit ein relativer und kein absoluter, insofern sich Form und Inhalt im immanenten Fortgang zugleich ergeben und die Methodenreflexion nur darin besteht, jene f¨ur sich herauszuheben. Logischer Inhalt und methodische Form sind so nur unselbst¨andige Aspekte der Entfaltung unfundierten Sichbestimmens, die zwar analytisch voneinander abhebbar sind, ohne abstrakt auseinander zu fallen. Die absolute Idee bildet, wie Hegel sagt, das Wissen der absoluten Form von der W¨ahrung ihrer Momente“, insofern alle logischen Bestimmungen nun ” als Gestalten oder Momente der operationalen Form reinen Sichbestimmens gesetzt sind692 . Die logischen Kategorien, die zun¨achst jeweils selbst¨andig auftraten, haben es n¨amlich an sich, von sich her auf ihre Nachfolger zu f¨uhren und gemeinsam mit diesen zu unselbst¨andigen Aspekten u¨ bergreifender Bestimmungen herabzusetzen. Erst dadurch wird ihr performativer Widerspruch, einerseits selbst¨andig aufzutreten, zugleich aber immanent in anderes u¨ berzugehen und auf anderes bezogen zu sein, beseitigt. Dadurch werden die Kategorien so, wie sie in Wahrheit sind, n¨amlich als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung gesetzt, die Hegel terminologisch 690
Vgl. oben S. 191. Darin, dass die absolute Idee nur die Totalit¨at der Hauptgestalten des Begriffs ist, liegt, dass es besondere Formen des Begriffs geben kann, die in einer Darstellung der Logik, da jede solche Darstellung nur eine endliche Zahl von Kategorien durchl¨auft, nicht auftauchen, daher aber grunds¨atzlich auch nur untergeordnete Formen des Begriffs sein k¨onnen. Eine potentiell unendliche Zahl solcher untergeordneter Formen ergibt sich u¨ berall dort, wo der logische Fortgang auf einen infiniten Progress f¨uhrt. 692 Vgl. Als Form bleibt hier der Idee nichts als die Methode dieses Inhalts, – das be” stimmte Wissen von der W¨ahrung ihrer Momente“ [20,2294−6]. 691
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als ihre Wahrheit“ bezeichnet. Die Methode ist so aber insofern die Form ” der W¨ahrung“ ihrer Momente, als sie die allgemeine Art und Weise bezeich” net, wie sich logische Bestimmungen in ihre Wahrheit u¨ berf¨uhren und insofern (be)w¨ahren“. ” Die dialektische Grundschrittfolge, die auf der gesamten Strecke des logischen Fortgangs wiederkehrt und insofern seinen Elementarzyklus bildet, steht als charakteristischer Grundpuls der Entfaltung selbstanwendender Operationalit¨at im Zentrum von Hegels Methodenbetrachtung693 . Die Entwicklung eines solchen Elementarzyklus muss mit einem Ersten beginnen, das als solches ein noch unaufgeschlossener und insofern einfacher Inhalt ist. Dieses Unmittelbare muss aber – von der absoluten Idee her betrachtet – darum u¨ ber sich hinausweisen, weil es, seinem unmittelbaren Auftritt zum Trotz, Gestalt selbstbez¨uglichen Sichvermittelns ist, auch wenn dies zun¨achst noch nicht ausdr¨ucklich ist694 . Je nachdem, an welchem Ort der Lo¨ gik ein solches Unmittelbares angesiedelt ist, wird der immanente Ubergang zu einer vermittelten Bestimmung, die sich aus ihm ergibt, unterschiedlich ausfallen: Zu Beginn der Seinslogik besteht der Fortgang etwa im abrupten Sichentstellen oder Umschlagen des Seins ins Nichts. Ist das Anfangsglied eines Elementarzyklus aber selbst schon Resultat des logischen Fortgangs und darum eine konkrete, obwohl noch unaufgeschlossene Bestimmung, an der noch keine unterschiedlichen Momente und Bez¨uge zur Abhebung gekommen sind, kann ¨ der Ubergang nur im Abheben von solchem bestehen, was f¨ur diese Bestim693 Weil das Unbedingte wesentlich selbstrealisierende Operationalit¨ at ist, ist seine Entfaltung kein Auseinanderlegen von de facto bereits irgendwo Vorhandenem, sondern Realisierung einer insofern bloß virtuellen, operationalen Kapazit¨at. Der Fortgang ist daher nicht eine Art ” ¨ von Uberfluß; er w¨are dieß, wenn das Anfangende in Wahrheit schon das Absolute w¨are; das Fortgehen besteht vielmehr darin, daß das Allgemeine sich selbst bestimmt“ [12,2416−10]. Entsprechend polemisiert Hegel andernorts gegen das, was er im Anschluss an biologische Theorien seiner Zeit die Einschachtelungshypothese“ nennt, n¨amlich die Tendenz, Entwicklung nicht ” als Realisierung eines operativen Potentials, sondern als Aus-dem-Hut-Zaubern von versteckterweise schon Vorhandenem vorzustellen: Die Einschachtelungsidee war: Was hervorgeht, ” muß im Anderen schon enthalten sein, so daß das Erzeugende im Erzeugenden schon als solches vorhanden sein m¨usse und das Zeugende wieder in einem Anderen und so ins Unendliche“ [V11,14324−28]. 694 Vgl. Die Momente der spekulativen Methode sind a) der Anfang, der das Sein oder Un” mittelbare ist; f¨ur sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist. Von der spekulativen Idee aus aber ist es ihr Selbstbestimmen, welches als die absolute Negativit¨at oder Bewegung des Begriffs urteilt und sich als das Negative seiner selbst setzt“ [20,2298−12]. Gem¨aß des Immanenzpostulats darf sich der logische Fortgang keiner a¨ ußerlichen Reflexion verdanken. Da die Idee die objective, immanente Form ist, so muß das Unmittelbare des Anfangs an ihm ” selbst das Mangelhafte und mit dem Triebe begabt seyn, sich weiter zu f¨uhren“ [12,24024−28]]. Die Rede von einem Trieb, sich weiter zu f¨uhren“, ist dabei keine bloße Metapher, sondern ” Ausdruck der Natur selbstanwendender Operationalit¨at, ihr noch unrealisiertes operationales Potential zu realisieren.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
mung konstitutiv ist, zun¨achst aber noch nicht f¨ur sich herausgehoben ist. Das Abheben von zun¨achst Unabgehobenem ist darum immanent notwendig, weil die betreffende Bestimmung, wie sich dabei zeigt, u¨ berhaupt nur bestimmt gefasst werden kann, wenn solches in ihr zun¨achst Unausdr¨uckliche ausdr¨ucklich ¨ gemacht wird695 . Der Ubergang von einer unmittelbaren zu einer vermittelten Bestimmung besteht in der Seinslogik so im Ausdr¨ucklichmachen von unausdr¨ucklich f¨ur die Bestimmtheit der jeweiligen Kategorie selbst vorausgesetzten Unterscheidungen, wodurch sich diese Katgeorie von sich her als unselbst¨andig ausweist, insofern sie f¨ur ihre Bestimmtheit nicht allein einzustehen vermag696 . ¨ So macht etwa der logische Ubergang von Etwas und Anderem zur Grenze in Form von letzterer eine Bestimmung ausdr¨ucklich, die unausdr¨ucklich vorausgesetzt ist, sofern Etwas und Anderes gesetzt sind. In der Wesenslogik kann das Anfangslied eines Elementarzyklus dagegen selbst schon ausdr¨ucklich auf sei¨ nen Nachfolger bezogen sein, sodass im Ubergang zu diesem eigentlich nichts mehr ausdr¨ucklich gemacht, sondern nur thematisch f¨ur sich gesetzt wird, was bereits f¨ur die erste Bestimmung insofern definitorisch ist, als sie ausdr¨ucklich auf es verweist, wie etwa im Fall von Identit¨at und Unterschied, insofern die Identit¨at selbst schon als Durchg¨angigkeit im Unterschied bestimmt ist. In der Begriffslogik kann das Anfangsglied eines Elementarzyklus selbst schon als ¨ Gestalt selbstanwendender Operationalit¨at gesetzt sein, sodass der Ubergang nur im Setzen einer Bestimmung besteht, das von der Ausgangsbestimmung ausdr¨ucklich verlangt wird. ¨ Entscheidend ist, dass sich die Notwendigkeit des Ubergangs vom ersten zum zweiten Glied eines Elementarzyklus jeweils immanent ergibt und das ¨ zweite so nur setzt, was das erste voraussetzt. Ein solcher Ubergang muss aber darum als bestimmte Negation zu einem Zweiten f¨uhren, in dem das Erste nicht einfach verschwunden, sondern aspekthaft erhalten ist, weil nicht nur das a¨ ußerliche Einschleusen neuer Inhalte, sondern auch die Tilgung bereits erreichter die Immanenz des logischen Fortgangs durchbr¨ache697 . F¨ur das zweite Glied eines Zyklus als bestimmter Negation des ersten ist damit die ausdr¨uckliche Beziehung auf jenes konstitutiv. Es zeichnet sich da695 So kann etwa die reine Quantit¨ at, als nichtdiskrete Mannigfaltigkeit, u¨ berhaupt nur bestimmt gefasst werden, statt auf das Niveau des Seins als ununterschiedsloser Unmittelbarkeit zur¨uckzufallen, wenn an ihr die M¨oglichkeit der Begrenzung, des Abhebens begrenzter Quanta ¨ ausdr¨ucklich gemacht und damit ein immanenter Ubergang zur Kategorie des Quantums vollzogen wird. Ebenso kann etwa die logische Form des bloß Lebendigen als einer Einheit, die als selbstvermittelnd erkl¨arbar ist, ohne es an sich zu sein, nur in Abgrenzung von der Form solcher ¨ Einheiten gefasst werden, die auch an sich selbstvermittelnd sind, woraus sich der Ubergang zur Kategorie beseelten Lebens ergibt. 696 Insofern gilt: Das systematische Fortschreiten im Philosophieren besteht eigentlich in ” nichts als darin zu wissen, waß man selbst schon gesagt hat“ [TW4,434]. Solches zu wissen, verlangt aber gerade, zu sagen, was man noch nicht (ausdr¨ucklich) gesagt hat. 697 Vgl. 12,24436–2454 .
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mit von sich her als Vermitteltes oder negativ auf seinen Vorg¨anger Bezogenes aus698 . Diese vermittelte oder erste negative Bestimmung eines Zyklus weist nun aber ihrerseits darum u¨ ber sich hinaus, weil sie sich performativ widerspricht699 . Denn sie tritt einerseits eigenst¨andig auf, verweist aber andererseits ausdr¨ucklich auf das, was sie bestimmt negiert700 . Sie stellt sich so zwar selbstst¨andig oder isoliert dar, ist zugleich aber manifest unselbst¨andig, weil ihr die negative Beziehung auf die andere ausdr¨ucklich eingeschrieben und f¨ur sie konstitutiv ist. Die vermittelte Bestimmung f¨uhrt im Gegensatz zur unmittelbaren also dadurch weiter, dass sie sich manifest widerspricht und insofern nicht dasjenige ist, als was sie auftritt, sondern dessen Negation, die als Negation ei¨ nes selbst schon Negativen doppelte Negation ist. Der immanente Ubergang zur ¨ doppelten Negation nimmt dabei nur auf, was sich bereits durch den Ubergang zur ersten Negation ergeben hat, jedoch noch nicht ausdr¨ucklich thematisch ¨ war. Denn der Ubergang vom Ersten zum Zweiten hat als immanenter ja den Charakter der Selbstvermittlung, ist als solche aber noch nicht ausdr¨ucklich, weil die erste Negation der Position zun¨achst ausschließend und selbst¨andig ¨ gegen¨ubertritt701 . Der Ubergang von der ersten zur zweiten Negation macht da¨ her nur ausdr¨ucklich, was der erste Ubergang ist, indem er Erstes und Zweites ¨ ineins setzt und so das Selbstverh¨altnis, das in ihrem immanenten Ubergang liegt, explizit macht. Indem sich das Erste als unselbst¨andig erwiesen hat, da es immanent auf das Zweite f¨uhrt, und sich das Zweite, insofern es sich von sich her negativ auf sein anderes bezieht, dadurch widerspricht, dass es zu698
Entsprechend gilt: Das Vermittelnde erscheint das Negative, weil es sich selbst und das ” Unmittelbare in sich schließt, dessen Negation es ist“ [12,2471−2] 699 Vgl. Die zweite Bestimmung, die negative oder vermittelte, ist ferner zugleich die ver” mittelnde. Zun¨achst kann sie als einfache Bestimmung genommen werden, aber ihrer Wahrheit nach ist sie eine Beziehung oder Verh¨altnis; denn sie ist das Negative, aber des Positiven, und schließt dasselbe in sich. Sie ist also das Andere nicht als von einem, wogegen sie gleichg¨ultig ist – so w¨are sie kein Anderes, noch eine Beziehung oder Verh¨altnis–, sondern das Andere an sich selbst, das Andere eines Anderen; darum schließt sie ihr eigenes Anderes in sich und ist somit als der Widerspruch die gesetzte Dialektik ihrer selbst“. Hegel kann das erste und das zweite Glied eines Elementarzyklus daher folgendermaßen kontrastieren: Weil das Erste oder ” Unmittelbare der Begriff an sich, daher auch nur an sich das Negative ist, so besteht das dialektische Moment bei ihm darin, daß der Unterschied, den es an sich enth¨alt, in ihm gesetzt wird. Das Zweite hingegen ist selbst das Bestimmte, der Unterschied oder Verh¨altnis; das dialektische Moment besteht bei ihm daher darin, die Einheit zu setzen, die in ihm enthalten ist“ [12,24527–12,2463]. 700 Insofern alle Kategorien zun¨ achst selbst¨andig auftreten, an sich aber auf andere bezogen sind und nur dadurch ihre Bestimmtheit haben, sind sie Gedankenbestimmungen, die in ihrer ” Endlichkeit als etwas Unendliches gelten“ [20,12018−19]. 701 Vgl. Die concrete Totalit¨ at, welche den Anfang macht, hat als solche in ihr selbst den ” Anfang des Fortgehens und der Entwicklung. Sie ist als concretes in sich unterschieden; wegen ihrer ersten Unmittelbarkeit aber sind die ersten Unterschiedenen zun¨achst Verschiedene“ [12,24124−27].
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gleich noch selbst¨andig auftritt, kann die immanente Negation des Negativen nur auf eine Bestimmung f¨uhren, in der Position und Negation als das ausdr¨ucklich sind, was sie an sich sind und als was sie sich durch ihr immanentes ¨ Ubergehen erwiesen haben, n¨amlich als unselbst¨andige Aspekte einer zugleich gegliederten, jedoch nicht a¨ ußerlich zusammengesetzten und insofern konkreten Bestimmung702 . Die so erreichte Negation einer Negation kann darum nicht gleich der Position sein, weil sonst das, was sich bereits ergeben hat, n¨amlich dass die Position nicht unabh¨angig von der Negation besteht, a¨ ußerlich getilgt und zu einer Bestimmung zur¨uckgegangen w¨urde, die sich bereits von sich her als unselbst¨andig ausgewiesen hat. Die Negation der Negation muss daher eine Bestimmung sein, in der das immanente Hinausgehen u¨ ber Position und Negation selbst aufgehoben oder – ph¨anomenologisch gesprochen – die im Denken gemachte Erfahrung“ ber¨ucksichtigt ist. Das Dritte kann daher weder dem Ersten ” noch dem Zweiten gleich sein, sondern ist die Negation der bloß negativen Beziehung der Negation auf die Position und so die affirmative Einheit beider. Diese u¨ bergreifende Einheit von Erstem und Zweitem kann damit nur eine konkrete, einheitliche Bestimmung sein, in der ihre Vorg¨anger zu unselbst¨andigen Aspekten herabgesetzt sind. Tr¨aten sie innerhalb ihrer Einheit noch so auf, wie sie zun¨achst erschienen, n¨amlich als aufeinander bezogene, zugleich aber eigenst¨andige und voneinander unabh¨angige Bestimmungen, w¨are ihr performativer Widerspruch gar nicht beseitigt. Dar¨uber, dass Bestimmungen sich deshalb widersprechen, weil ihr Bezug einerseits f¨ur ihren Gehalt konstitutiv ist, sie aber zugleich selbst¨andig auftreten und den logischen Raum f¨ur sich allein beanspruchen, kann und muss dadurch hinaus gegangen werden, dass ihr vermeintlich spr¨oder Selbststand gegeneinander beseitigt und sie als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung gesetzt werden. Die doppelte Negation ist so weder gleich der Position noch stehen Position und Negation in ihr bloß so, wie sie zun¨achst auftraten, nebeneinander, weil sich dadurch nicht nur ein analytischer Widerspruch erg¨abe, sondern dessen Glieder weiter denjenigen Makel aufwiesen, der zu ihrer Selbstaufl¨osung f¨uhrte, n¨amlich vermeintliche Selbst¨andigkeit. Die in Gestalt des Dritten erreichte Ver702 Hegel bringt die notwendige Doppelung immanenten Ubergehens ¨ folgendermaßen auf den Punkt: Daß die Totalit¨at gesetzt sey, dazu geh¨ort der gedoppelte Uebergang, nicht nur ” der der einen Bestimmtheit in die andere, sondern ebenso der Uebergang dieser anderen, ihr R¨uckgang, in die erste. Durch den ersten ist nur erst an sich die Identit¨at beider vorhanden; – die Qualit¨at ist in der Quantit¨at enthalten, die aber damit noch eine einseitige Bestimmtheit ist. Daß diese umgekehrt ebenso in der ersten enthalten, sie ebenso nur als aufgehobene ist, ergibt sich im zweyten Uebergang, – der R¨uckkehr in das erste; diese Bemerkung u¨ ber die Nothwendigkeit des doppelten Fortgangs ist von großer Wichtigkeit f¨ur das Ganze der wissenschaftlichen Methode“ [21,32021−29]. Es ist nicht genug, dass man dialektisch von Einem ” zum Anderen u¨ bergeht, sondern auch das Andere ist ebenso das erste; das Sichaufheben der 611−13 Einseitigkeit beider ist es“[V10,225 ].
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einigung von Position und Negation ist daher kein analytischer Widerspruch, sondern ein spekulativer“, was nichts anderes heißt, als dass Bestimmungen, ” die sich von sich her als unselbst¨andig und performativ widerspr¨uchlich erwiesen haben, und einander, solange sie selbst¨andig auftreten, ausschließen, zu unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Einheit herabgesetzt sind. Im Zuge der Herabsetzung von Position und Negation zu unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Einheit bildet der unendliche Progress einen Zwischenschritt703 . Er ergibt sich daraus, dass Bestimmungen, die an sich Momente einer u¨ bergreifenden Einheit sind, zun¨achst jedoch selbst¨andig und isoliert auftreten, zwar gem¨aß ihres manifest gewordenen Wechselverh¨altnisses in eine Einheit gesetzt werden, in dieser aber noch a¨ ußerlich nebeneinander stehen. Da diese Einheit ihr Verh¨altnis nicht als Selbstverh¨altnis und sie selbst nicht als Aspekte eines Konkreten ausdr¨ucklich macht, erbt sie den performativen Widerspruch der unselbst¨andigen Bestimmungen, die sie in sich vereint. Der unendliche Progress ist damit, wie Hegel sagt, Ausdruck eines unaufgel¨osten Widerspruchs, der so lange wieder eintritt, als Bestimmungen, die ¨ sich von sich her als unselbst¨andig und durch ihr wechselseitiges Ubergehen als zusammengeh¨orig erweisen, nur a¨ ußerlich bezogen werden, statt als Aspekte einer neuen Bestimmung gesetzt zu werden, die beide u¨ bergreift. In Gestalt dieses Dritten erscheint, was zun¨achst selbst¨andig auftrat, sich ¨ im Ubergehen in sein anderes jedoch als unselbst¨andig erwies, so, wie es in Wahrheit ist, n¨amlich als unselbst¨andiger Aspekt einer u¨ bergreifenden, zwar in sich gegliederten, zugleich aber unzusammengesetzten und insofern einfachen Bestimmung. Diese ist insofern die Wahrheit“ der ersten beiden, ihre ” u¨ bergreifende, ebenso sehr vermittelte wie einfache Einheit704 . In dieser verschwinden die Ausgangsbestimmungen nicht einfach, sondern vielmehr wird nur deutlich, dass sie keine globale Charakterisierung des logischen Raumes zu leisten und nichts zu bezeichnen verm¨ogen, was unmittelbar aus sich her¨ aus besteht und verst¨andlich ist. Der logische Ubergang zu einer Bestimmung, 703 Dazu f¨ ¨ uhrt Hegel aus: In dem Punkt des Ubergangs vom zweiten zum dritten tritt ” der unendliche Progreß ein, es sind Unterschiedene, die aufeinander bezogen sind, aber ihre Beziehung ist Gemeinschaft: Der Widerspruch ist der unendliche Progreß, die Wiederholung ist die Ohnmacht, beide zusammenzubringen“ [V10,225616−18]. Der im unendlichen Progress festgeschriebene Widerspruch l¨ost sich dadurch auf, daß das Differente als das gesetzt wird, ” was es im Begriffe ist. Es ist das Negative des Ersten und als die Identit¨at mit demselben die Negativit¨at seiner selbst; hiermit die Einheit, in welcher diese beiden Ersten als ideelle und Momente, als aufgehobene, d. i. zugleich als aufbewahrte sind“ [20,23024−30]. 704 Entsprechend ist das Dritte das Unmittelbare, aber durch Aufhebung der Vermittlung, ” das Einfache durch Aufheben des Unterschiedes, das Positive durch Aufheben des Negativen, der Begriff, der sich durch das Anderssein realisiert und durch Aufheben dieser Realit¨at mit sich selbst zusammengegangen ist und seine absolute Realit¨at, seine einfache Beziehung auf sich hergestellt hat. Dieses Resultat ist daher die Wahrheit. Es ist ebensosehr Unmittelbarkeit als Vermittlung“ [12,2485−11].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
in der ihre Vorg¨anger zu unselbst¨andigen Aspekten herabgesetzt sind, ist also damit vereinbar, dass die Vorg¨angerkategorien ihre logische Berechtigung haben, jedoch nicht mehr in einem absoluten sondern einem relativierten Sinn, indem sie nichts Selbst¨andiges und aus sich heraus Verst¨andliches zu bezeichnen beanspruchen, sondern ausdr¨ucklich nur einen bestimmten Aspekt eines u¨ bergreifenden Zusammenhangs herausgreifen. Der u¨ bergreifende Zusammenhang selbst l¨asst sich auf doppelte Weise betrachten – einerseits als selbstvermittelte Einheit der Ausgangsbestimmungen und damit als abschließende Bestimmung eines Elementarzyklus. Andererseits ist das Dritte selbst ein Unmittelbares, weil es nicht aus abstrakten, voneinander unterschiedenen Bestimmungen a¨ ußerlich zusammengesetzt ist, da diese sich aufgehoben haben, sondern als einheitliche, konkrete Bestimmung auftritt, an der gerade noch keine Unterschiede abgehoben sind705 . Derart unmittelbar genommen bildet die dritte Bestimmung eines Kategorienkreises zugleich das Anfangsglied eines neuen706 . Dass sich, nachdem sich ein Kategorienkreis dadurch geschlossen hat, dass einander zun¨achst abstrakt entgegengesetzte Bestimmungen als Momente einer u¨ bergreifenden Einheit gesetzt werden, die entsprechende Gestalt vermittelter Unmittelbarkeit zu einem neuen Kreis auslegt, l¨asst sich gerade in den F¨allen, wo sich eine scheinbar in sich geschlossene und autarke Bestimmung ergeben hat, folgendermaßen begr¨unden: Der Widerspruch von Erstem und Zweitem, der sich in jenem dadurch manifestierte, dass es u¨ ber sich auf dieses hinaus wies, in diesem jedoch dadurch, dass es zugleich selbst¨andig und ausschließend auf jenes bezogen auftrat, gr¨undete darin, dass zun¨achst selbst¨andig erscheinende Bestimmungen an sich bloß Teilbestimmungen des logischen Raums und insofern unselbst¨andig sind. Hebt die Negation der Negation mit dem ersten und zweiten Glied eines Zyklus zugleich deren negative Beziehung auf anderes auf, so muss auch die selbstgen¨ugsam dastehende Gestalt, die sich ergeben hat, dem Aufhebungspostulat gem¨aß negative Beziehung beinhalten, die nun aber keine negative Beziehung auf anderes, sondern nur auf sich sein kann. Die Abschlussbestimmungen eines Zyklus wie das F¨ursichsein, das Einzelne oder der Begriff sind damit zwar insofern selbst¨andig und selbstgen¨ugsam, als sie 705
Dieß Resultat hat nun als das in sich gegangene und mit sich identische Ganze sich die ” Form der Unmittelbarkeit wiedergegeben. Somit ist es nun selbst ein solches, wie das Anfangende sich bestimmt hatte.“ [12,24825−29]. 706 Daraus ergibt sich folgendes Problem: Es kann zun¨ achst scheinen, daß dies Erken” nen des Resultats eine Analyse desselben sein und daher diejenigen Bestimmungen und deren Gang wieder auseinanderlegen m¨usse, durch den es entstanden und der betrachtet worden ist“ [12,24829−33]. Da die erreichte Bestimmung aber eine konkrete, einheitliche Kategorie ist, wird der logische Fortgang an ihr nicht etwa analytisch die abstrakten Bestimmungen, aus denen sie sich ergeben hat, wieder hervorziehen. Vielmehr hat diese einfache Gestalt ihre eigenen unausdr¨ucklichen Voraussetzungen und operationalen Konsequenzen, die erst explizit werden m¨ussen.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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sich nicht mehr negativ auf anderes beziehen, involvieren aber dennoch Negation, beziehen sich deshalb negativ auf sich selbst und haben es darum an sich, sich von sich selbst auszuschließen und so immanent u¨ ber sich hinauszugehen – wie etwa das F¨ursichsein, indem es sich als Eins von sich abst¨oßt, oder das Einzelne, das sich immanent zum Urteil auslegt. Die damit durchlaufene Folge dialektischer Grundschritte, die zusammen einen Elementarzyklus ausmachen, l¨asst sich insofern als Kreis verstehen, als der Ausgang vom Ersten zum Zweiten nicht nur den R¨uckgang zu jenem einschließt, sondern dieses dabei nicht wieder so erreicht wird, wie es als Ausgangspunkt erschien, sondern von seiner anderen Seite“ wie beim Kreis – ” n¨amlich seiner wahren – da es nun nicht mehr isoliert auftritt, sondern als Glied einer u¨ bergreifenden Einheit. Genauer fasst Hegel die durch die dialektische Methode bezeichnete Schrittfolge als einen Schluss, n¨amlich als Zusammenschluss von Bestimmungen, die auseinander hervorgehen, einander gegen¨uber aber zun¨achst noch unmittelbar auftreten und sich sozusagen spr¨ode ¨ stellen707 . Die Pr¨amissen des Schlusses sind dabei der Ubergang von der Position zur Negation und die Selbstnegation des Negativen, die Konklusion dagegen die Herabsetzung beider zu unselbst¨andigen Aspekten einer u¨ bergreifenden Einheit. In ihrer gerade dargestellten Reinform markiert die dialektische Methode als charakteristischer Rhythmus der theoretischen Entwicklung reinen Sichbestimmens lediglich die Prozessform logisch-spekulativen Denkens und realisiert sich damit real nur, insofern es unserem unreinen“ Denken gelingt, ein ” St¨uck immanenter Entfaltung voraussetzungslosen Denkens stringent darzustellen. Dennoch ist der durch die dialektische Methode bezeichnete Rhythmus immanenter begrifflicher Entfaltung nichts, was allenfalls eine ausgefallene Form philosophischen Denkens kennzeichnete, sondern etwas, was in der geschichtlichen Entwicklung des Geistes und n¨aher in der nat¨urlichen Sprache in Form der operationalen Herausbildung neuer Begriffe am Werk ist, wenngleich nicht in reiner, ungebrochener und theoretisch reflektierter Form708 . Ihre 707
Vgl. 12,24627−33. Ein aufschlussreicher Beitrag zu einer Theorie der dialektischen Verlaufsform realer geschichtlicher Prozesse findet sich in der Einleitung zu den Grundrissen der Kritik der po” ¨ litischen Okonomie“, die Marx zur Zeit intensiver Wiederlekt¨ure der WdL verfasst hat, vgl. M ARX 1857: 34ff. Robert Brandom hat im Anschluss an Hegel ausbuchstabiert, wie die Feststellung materialer Inkompatibilit¨aten den geschichtlichen Motor f¨ur die sukzessive Bestimmung des Gehalts empirischer Begriffe bilden kann [vgl. B RANDOM 2009b: 78ff.]. Insofern Hegel begriffliche Allgemeinheit n¨amlich nicht abstrakt, also unabh¨angig vom Kontext des inferentiell eingebetteten Begriffsgebrauchs versteht, legt die Geschichte solchen Gebrauchs laut Brandoms Hegel den Gehalt von Begriffen mit fest – und zwar insbesondere, indem von ihnen in ungewohnten Zusammenh¨angen und Problemlagen ein pr¨azedenzloser, sch¨opferischer Gebrauch gemacht wird, der sich r¨uckwirkend als sinnvoll rechtfertigen l¨asst. Brandom verdeutlicht den rational-sch¨opferischen Charakter der Fixierung begrifflichen Gehalts am Beispiel des 708
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
ph¨anomenale Bew¨ahrung hat die dialektische Methode so gerade in der Sprache – in der nicht-additiven Bildung neuer Begriffe. Offenbar gibt es n¨amlich zwei grunds¨atzlich unterschiedene Weisen immanenter Erweiterung einer Sprache um neue Begriffe: Entweder wird ein neuer Begriff durch a¨ ußerliche Verkn¨upfung bereits eingef¨uhrter gebildet. Der Gehalt eines derart zusammengesetzten Begriffs ergibt sich aus demjenigen der in ihm verkn¨upften Begriffe und der Bedeutung der Verkn¨upfungsoperation. Dabei kann sprachlich nat¨urlich ein morphologisch einfacher Ausdruck f¨ur diese zusamengesetzte Bedeutung gew¨ahlt werden, oder einer, der nur f¨ur Eingeweihte sprechend ist, wie etwa in Smog=Smoke+Fog. Nun f¨uhrt die immanente Entwicklung des Denkens (und der Sprache) zu grunds¨atzlich neuen Begriffen (und Ausdr¨ucken), die nicht auf eine derartige Verkn¨upfung vorhandener zur¨uckf¨uhrbar sind. Andernfalls m¨ussten sich alle neu eingef¨uhrten Begriffe auf Verkettungen elementarer Begriffe oder externen Input zur¨uckf¨uhren lassen. Dem steht nicht nur die logisch bereits konkret erwiesene Form rationaler, nicht-additiver Begriffsbildung entgegen. Die Tatsache, dass im Zuge der geschichtlichen Entwicklung des Denkens und der Sprache neue Begriffe gebildet werden, die sich weder als Ergebnis der a¨ ußerlichen Verkn¨upfung bereits eingef¨uhrter noch als (unmittelbarer) Ausdruck sensorischen Inputs verstehen lassen, weist gerade darauf hin, dass die dialektische Methode in der Sprache, obgleich unreflektiert und sprunghaft, am Werk ist. Entsprechend kann Hegel vom spekulativen Geist ” der Sprache“ 709 sagen, er habe der Entwicklung der reinen Denkformen, die in der Logik reflektiert f¨ur sich vollzogen wird, schon vorgearbeitet, insofern sich die meisten dieser Formen bereits in der nat¨urlichen Sprache finden und darum geschichtlich auf eine Weise herausgebildet haben m¨ussen, die sich weder als a¨ ußerliche Verkn¨upfung bereits eingef¨uhrter Begriffe noch als Reaktion auf empirischen Input verstehen l¨asst710 . Dass die Methode in der Entwicklung angloamerikanischen common law, in dem der Richter seine fallspezifische Auslegung eines Rechtsbegriffs (idealerweise) r¨uckwirkend verm¨oge einer rationalen Rekonstruktion exemplarischer F¨alle seines Gebrauchs als angemessene Fortbestimmung einer Tradition rechtfertigt, ohne dass seine Auslegung durch den bisherigen Gebrauch automatisch als angemessen bestimmt w¨are und darum bloß den Charakter mechanischer Subsumtion unter ein abstrakt Allgemeines h¨atte. 709 Vgl. 21,1113−19. 710 Darauf weist etwas Hegels Bemerkung: Das Fortschreiten der Bildung u ¨ berhaupt und ” insbesondere der Wissenschaften, selbst der empirischen und sinnlichen, indem sie im allgemeinen sich in den gew¨ohnlichsten Kategorien (z. B. eines Ganzen und der Teile, eines Dinges und seiner Eigenschaften und dergleichen) bewegen, f¨ordert nach und nach auch h¨ohere Denkverh¨altnisse zutage oder hebt sie wenigstens zu gr¨oßerer Allgemeinheit und damit zu n¨aherer Aufmerksamkeit hervor“ [12,1123−37]. Das Zutagef¨ordern h¨oherer Denkverh¨altnisse“ ist laut ” Hegel aber gerade an die Aufhebung von Gegens¨atzen gekn¨upft. Durch den Doppelsinn des Ausdrucks aufheben“ kommen der dialektische und der spekulative Aspekt dieses Vorgangs ” laut Hegel in der nat¨urlichen Sprache selbst zum Ausdruck: Unter aufheben verstehen wir ein”
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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von Sprache und Denken ihr verwickeltes Spiel zumeist unreflektiert vor sich hintreibt, ergibt sich von der Warte der Logik daraus, dass Sprache notwendiges Moment des Daseins von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens ist, deren selbstbestimmte Vollz¨uge sich als leiblich vereinzelte Gestaltung selbstanwendender Operationalit¨at verstehen lassen, in der diese sich – intersubjektiv pluralisiert und durch sinnliche Mannigfaltigkeit bedingt – geschichtlich entwickelt711 . Wer leugnen wollte, dass die dialektische Methode etwas mit der Dynamik realer Begriffe zu tun habe, m¨usste entweder behaupten, dass wir u¨ ber alle in der Logik reflektiert hergeleiteten Kategorien nat¨urlichsprachlich immer schon auf einen Schlag verf¨ugen, weil sich die Kategorien erwiesenermaßen nicht durch a¨ ußerliche Verkn¨upfung ihrer Vorg¨anger ergeben, oder daß die Neueinf¨uhrung nicht-empirischer Begriffe formlos und damit irrational erfolge. Die dialektische Methode macht dagegen einsichtig, dass und wie es auf rational nachvollziehbare Weise zur Entstehung von genuin Neuem kommen kann, weil sich aus ihr die L¨osung des Problems ergibt, wie nicht auf Vorgegebenes reduzierbares Neues sich dennoch nicht ohne Bezug zu Vorgegebenem, sondern aus einem konkreten Zusammenhang mit diesem heraus ergibt. Irrational w¨are anzunehmen, dass sich irreduzibel neue begriffliche Gehalte aus heiterem Himmel ohne Bezug zu einer epistemisch-semantischen Ausgangslage ergeben. Dagegen zeigt die dialektische Methode in abstracto, wie Konstellationen einander abstrakt entgegengesetzter Bestimmungen dadurch in Bewegung kommen, dass zu einer neuen Bestimmung fortgeschritten wird, in der die Spannung der Ausgangssituation gel¨ost ist, indem von den in ihr kollidierenden Bestimmungen zu einer neuen, irreduziblen Bestimmung u¨ bergegangen, also ein neuer Begriff eingef¨uhrt wird, der den Widerspruch oder das Problem l¨ost. Dabei markiert die dialektische Methode nur gewisse Formcharakteristika mal soviel als hinwegr¨aumen, negieren, und sagen demgem¨aß z. B., ein Gesetz, eine Einrichtung usw. seien aufgehoben. Weiter heißt dann aber auch aufheben soviel als aufbewahren, und wir sprechen in diesem Sinn davon, daß etwas wohl aufgehoben sei. Dieser sprachgebr¨auchliche Doppelsinn, wonach dasselbe Wort eine negative und eine positive Bedeutung hat, darf nicht als zuf¨allig angesehen noch etwa gar der Sprache zum Vorwurf gemacht werden, als zu Verwirrung Veranlassung gebend, sondern es ist darin der u¨ ber das bloß verst¨andige Entweder-Oder hinausschreitende spekulative Geist unserer Sprache zu erkennen“ [TW8,204 Z.]. 711 Damit ist nicht behauptet, dass sich die dialektische Methode als Rhythmus reinen Denkens ungebrochen auf empirische Begriffsbildung beziehen oder als Modell derselben dienen k¨onnte. Sie bildet nur ein operationales Ger¨ust, das eine Theorie empirischer Begriffsbildung zu konkretisieren und empirisch zu bew¨ahren h¨atte. Dass von Hegel her eine rationale Rekonstruktion realer, bedeutungskonstitutiver Prozesse m¨oglich ist, zeigt eindrucksvoll Brandoms semantische Rekonstruktion der Hegelschen Ph¨anomenologie. Brandom irrt jedoch, wenn er Hegels Logik lediglich als Entwicklung eines, am Ende doch recht ungeeigneten, Metavokabulars zur rationalen Rekonstruktion solcher Prozesse – statt als apriorische Ontologie – versteht, vgl. B RANDOM 2005.
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
der Bildung neuer Begriffe, jedoch kein Rezept, das, mechanisch angewandt, die Bildung solcher konkreter Bestimmungen erm¨oglicht. Denn da diese auf genuin neue Begriffe f¨uhren soll, die innerhalb des etablierten Begriffsrahmens nicht zur Verf¨ugung stehen, kann eine neue Bedeutungsgestalt nicht schon vor ihrer expliziten Artikulation antizipiert werden, indem gleichsam die begrifflichen Zutaten bereitgelegt werden, die f¨ur ihre Artikulation hinreichen, sondern nur eine Problemlage markiert werden, in der entgegengesetzte Bestimmungen eine Aufl¨osung ihres Widerspruchs in Form eines neuen begrifflichen Gehalts verlangen, der selbst nur in einem sch¨opferischen Denkakt artikuliert werden ¨ kann. Nachtr¨aglich muss sich diese Uberschreitung des etablierten Begriffsrahmens jedoch als angemessen und rational ausweisen lassen, indem gezeigt wird, dass der neue Gehalt die Spannung, die zu seiner Artikulation f¨uhrte, tats¨achlich l¨ost, indem die Ausgangsbestimmungen in ihm modifiziert als unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Bestimmung auftreten, in der sie widerspruchsfrei vereint sind712 . Gem¨aß Hegels eigenem Verst¨andnis dieser Ausdr¨ucke hat die Methode, um auf deren formale Z¨uge zur¨uckzukommen, zugleich analytischen und synthetischen Charakter – synthetischen, da sie aufgrund ihres generativen Potentials zu wahrhaft Neuem f¨uhrt, analytischen, weil sie dieses aus dem jeweils Erreichten entwickelt, statt es aus der Luft zu greifen oder anderswoher zu beziehen713 . Die selbstanwendende Operationalit¨at reinen Denkens muss daher zugleich ihrer synthetischen Seite nach kreativ und ihrer analytischen nach methodisch kontrollierbar und damit r¨uckwirkend rational ausweisbar sein714 . 712 Die genuin sch¨ opferische, jedoch r¨uckwirkend auf rationale Angemessenheit u¨ berpr¨ufbare, spekulative Begriffsbildung oder die F¨ahigkeit zur nicht-additiven Bildung neuer Begriffe in Antwort auf eine Konstellation gleichberechtigt auftretender, einander jedoch zugleich widerstreitender Bestimmungen k¨onnte die Grundlage f¨ur eine spekulative Version des Turing-Tests abgeben. Anzunehmen ist, dass mechanische Systeme zwar komplexe, a¨ ußerliche Verkn¨upfungsleistungen erbringen k¨onnen, aber niemals die immer nur r¨uckwirkend analytisch ausweisbare und daher nicht programmierbare Leistung der Bildung konkreter, neuer Begriffe in Problemkonstellationen gleichberechtigter, einander abstrakt widersprechender Gehalte. Ein hinreichendes Kriterium daf¨ur, zwischen Zentren vern¨unftigen (Sich)Bestimmens und mechanischen Rechenmaschinen zu unterscheiden, best¨unde daher darin, dass das getestete Wesen zu kontrollierbar-sch¨opferischen Bildung neuer Begriffe in einer Situation bef¨ahigt ist, in der gleichberechtigte Bestimmungen einander widersprechend gegen¨uberstehen. 713 Vom dialektischen Fortgang sagt Hegel: Dieser Fortgang ist ebensowohl analytisch, ” indem durch die immanente Dialektik nur das gesetzt wird, was im unmittelbaren Begriffe enthalten ist, – als synthetisch, weil in diesem Begriffe dieser Unterschied noch nicht gesetzt war“ [20,2301−4]. Die Methode des absoluten Erkennens ist insofern analytisch: Daß sie die ” weitere Bestimmung ihres anf¨anglichen Allgemeinen ganz allein in ihm findet, ist die absolute Objektivit¨at des Begriffes, deren Gewißheit sie ist. – Sie ist aber ebensosehr synthetisch, indem ihr Gegenstand, unmittelbar als einfaches Allgemeines bestimmt, durch die Bestimmtheit, die er in seiner Unmittelbarkeit und Allgemeinheit selbst hat, als ein Anderes sich zeigt“ [12,2424−10]. 714 Vgl. oben Abschnitt 3.3.1.3.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Da in Form der absoluten Idee die Gesamtheit der logischen Bestimmungen sowie ihre Abfolge und Zusammenordnung als Ausdruck reinen Sichbestimmens gesetzt sind, lassen sich die Methodenpostulate, die im ersten Kapitel dieses Buchs als Bedingungen der M¨oglichkeit immanenten Fortgangs aufgestellt wurden, nun nachtr¨aglich begr¨unden. Eine solche Begr¨undung ist sowohl f¨ur die Forderung nach Immanenz des Fortgangs selbst – das Aufhebungspostulat – dem gem¨aß die Negation als bestimmte Negation zu fassen ist, wie f¨ur das Superpositionsprinzip und den nicht-additiven Charakter der synthetischen Vereinigung logischer Kategorien zu neuen Bestimmungen zu geben. Daraus, dass der logische Fortgang sich als Entfaltung der Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at erwiesen hat, ergibt sich eine Rechtfertigung f¨ur die Forderung nach Immanenz des Fortgangs. Denn selbstanwendende Operationalit¨at ist logisch gerade dadurch ausgezeichnet, sich nur aus sich, von ihrem jeweiligen Ort und aus ihrer jeweiligen Gestalt heraus weiter zu f¨uhren und das a¨ ußerliche Hinzusetzen oder Tilgen von Bestimmtheit gerade auszuschließen715 . Aus der Immanenz des Fortgangs, die der Entfaltung selbstbez¨uglichen Sichbestimmens gem¨aß ist, l¨asst sich zugleich das Aufhebungspostulat rechtfertigen und damit die Forderung, die Negation als bestimmte zu fassen716 . Im Zuge der Entfaltung selbstanwendender Operationalit¨at weist n¨amlich jeweils eine ihrer Gestalten von sich her auf eine weitere hinaus717 . Da selbstanwendende Operationalit¨at aber die Tilgung von schon Erreichtem ausschließt, weil zu ihr geh¨ort, dass das bereits Erreichte sich selbst weiterf¨uhrt, muss dieses in dem, wozu es sich auslegt, aspekthaft erhalten bleiben – aspekthaft deshalb, weil sein Nachfolger von ihm zugleich unterschieden und daher reicher bestimmt sein muss. Die Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at heben sich also darum ineinander auf, so dass der logische Fortgang immanente Selbstanreicherung mit Bestimmtheit ist, weil jede Tilgung von bereits Erreichtem seiner immanenten Selbst¨uberf¨uhrung in seinen Nachfolger a¨ ußerlich w¨are. Daraus, dass der logische Fortgang die Selbstentfaltung selbstbez¨uglichen Sichbestimmens ist, ergibt sich zugleich, dass die logischen Kategorien als Su¨ perpositionen oder Uberlagerungen der selbstbez¨uglichen Negation mit Momenten ihrer selbst aufzufassen sind. Denn da selbstanwendende Operationa715
Von nicht zu u¨ bersch¨atzender metaphysischer Bedeutung ist Hegels entsprechende Bemerkung u¨ ber das Allgemeine: Es erhebt auf jede Stuffe weiterer Bestimmung die ganze Masse ” seines vorhergehenden Inhalts und verliert durch sein dialektisches Fortgehen nicht nur nichts, noch l¨aßt es etwas dahinten, sondern tr¨agt alles Erworbene mit sich und bereichert und verdichtet sich in sich“ [12,25036−39]. 716 Vgl. 21,382−16. 717 Hegel zufolge gilt: Das, wodurch sich der Begriff selbst weiterleitet, ist das vorhin ” angegebene Negative, das er in sich selbst hat; dies macht das wahrhaft Dialektische aus“ 26−27 [21,39 ]. Die Idee urteilt sich, sie ist Selbstbestimmen, als absolute Negativit¨at; d. i. dass ” das Allgemeine nicht Abstraktum, sondern absolute Beziehung auf sich selbst ist, die Negation der Negation ist der Lebenspunkt“ [V10,224586−89].
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
lit¨at sich allein aus sich heraus forttreibt, kann sie auch das Neue, auf das sie f¨uhrt, nur aus sich selbst beziehen und muss sich daher mit ihren eigenen ¨ Aspekten konkret u¨ berlagern. Solches Uberlagern kann darum nicht als a¨ ußeres Anst¨ucken von Teilen verstanden werden, weil eine a¨ ußerliche Vereinigung nur die Verbindung von solchem ist, was nicht von sich her verbunden ist. Die Entfaltung reinen Sichbestimmens kann aber (noch unangesehen ihrer Ent¨außerung zur Realit¨at) nicht auf solches f¨uhren, was an sich bloß a¨ ußerlich verbunden ist. Daher kann die Selbstauslegung des Begriffs zu seinen besonderen logischen Formen nur in der Bildung zugleich gegliederter und unzusammengesetzter, damit aber konkreter Bestimmungen bestehen, deren Glieder unselbst¨andige Aspekte einer u¨ bergreifenden Gestalt sind. Dabei entsprechen der immanenten Abfolge von Grundschritten innerhalb eines Elementarzyklus und somit dem spezifischen Rhythmus reinen Denkens drei Denkformen oder Denkweisen, welche Hegel die drei Momente des Logi” schen“ nennt718 . Der Verstand, welcher der Unmittelbarkeit zugeordnet ist, h¨alt Bestimmungen in strenger Isolation und Abgrenzung auseinander719 . Das Dia¨ lektische entspricht dem immanenten Ubergehen solcher Bestimmungen in ihre Negation, also der Aufl¨osung ihrer vermeintlichen Selbst¨andigkeit gem¨aß ihres performativen Widerspruchs720 . Zu ihm geh¨ort so die Verabschiedung einer Vorstellung des Begrifflichen als eines Ensembles statisch nebeneinander vorhandener oder miteinander verf¨ugter Bedeutungen. Subjektseitig meint das Dialektische also, die inh¨arente Dynamik von Begriffen zu artikulieren. W¨ahrend das Dialektische aber insofern negativ bleibt, als es sich mit der immanenten Aufl¨osung von Bestimmungen begn¨ugt, besteht das Spekulative darin, die u¨ bergreifende Einheit solcher Bestimmungen zu fassen, die sich dialektisch als unselbst¨andig erwiesen haben, und damit die Selbstaufl¨osung abstrakter Verstandesbestimmungen nicht als Verschwinden, sondern als ihre Integration in einen u¨ bergeordneten Zusammenhang zu begreifen721 . Es w¨are falsch anzunehmen, die drei Momente des Logischen h¨atten unterschiedliche Valenz und erst das Spekulative sei die Form eigentlichen“, der ” Verstand dagegen diejenige inkonsequenten Denkens. Kennzeichen inkonsequenten Denkens ist gerade nicht, bloß verst¨andiges Denken zu sein, sondern vielmehr, die Momente des Logischen zu vermengen, also Bestimmungen etwa 718
Vgl. 20,11814–12019. Vgl. Das Denken als Verstand bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschie” denheit derselben [sc. der Kategorien, C. M.] gegen andere stehen; ein solches beschr¨anktes Abstraktes gilt ihm als f¨ur sich bestehend und seiend“ [20,11825−27]. 720 Vgl. Die Dialektik dagegen ist dies immanente Hinausgehen, worin die Einseitigkeit ” und Beschr¨anktheit der Verstandesbestimmungen sich als das, was sie ist, n¨amlich als ihre Negation darstellt“ [20,11917−22]. 721 Vgl. In dem Fassen des Entgegengesetzten in seiner Einheit oder des Positiven im ” Negativen besteht das Spekulative“ [21,4030–411 ]. 719
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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zugleich als selbst¨andig und unselbst¨andig zu fassen und so gar keine klaren, scharfgeschnittenen Bestimmungen zu kennen, die dialektisch zersetzt und spekulativ verwandelt werden k¨onnten. Das Seltsame der dialektischen Methode besteht daher nicht darin, dass wir gew¨ohnlich nur in Form eines ihrer Momente – des Verstandes – d¨achten. Da diese Methode, wie gebrochen und verwickelt auch immer, zur Vollzugsform unseres Denkens geh¨ort, und ihre Momente dem selbstbez¨uglichen Sichbestimmen entspringen, das in all unserem Denken, vereinzelt und sinnlich bedingt am Werk ist, m¨ussen auch all diese Momente unser allt¨agliches Denken pr¨agen. Die Seltsamkeit der dialektischen Methode liegt daher nur darin, dass die Momente des Logischen gew¨ohnlich auf inkonsequente Weise nebeneinanderher bestehen oder sich durchdringen, anstatt wohlunterschieden gefasst zu werden, wozu ein klarer Verstand vorausgesetzt ist. Beg¨unstigt wird die inkonsequente Vermengung der Momente des Logischen dadurch, dass dialektische Widerspr¨uche, weil sie keine analytischen, sondern performative Widerspr¨uche sind, statt unmittelbar ins Auge zu fallen, dem Denken gleichsam im R¨ucken liegen k¨onnen. Ein angemessenes Verst¨andnis der dialektischen Methode setzt daher voraus, von allen vorgegebenen, ablenkenden Inhalten zu abstrahieren und rein zu denken, weil dies die Bedingung daf¨ur ist, performative Widerspr¨uche als solche zu reflektieren und die Momente des Logischen klar auseinanderzuhalten. Wesentlich ist dabei gerade das verst¨andige Moment, da es in der konsequenten Scheidung von Bestimmungen besteht, welche Voraussetzung f¨ur alle weiteren methodischen Schritte und so gerade das Gegenteil eines inkonsequenten Durcheinander ist, das den reflektierten Vollzug der Methode und damit ein angemessenes Selbstverst¨andnis des Geistes auf seinem Weg verhindert722 . 3.5.10.3 Zur Architektonik der Logik Das Problem der Architektonik betrifft nicht die Grundschrittfolge dialektischer Entwicklung, die wir als Elementarzyklus“ bezeichnet haben, sondern die Fra” ge, wie sich aus dieser Schrittfolge eine nichtlineare Struktur aufbauen kann, deren selbst¨ahnliche Form Hegel durch die Metapher vom Kreis von Krei” sen“ kennzeichnet723 . Bildet die Abfolge von Position, Negation und doppelter 722 Die Vernunft in Form des negativ und positiv Vern¨ unftigen – des Dialektischen und Spekulativen – ist dem Verstand daher nicht entgegengesetzt, sondern ergibt sich aus seiner a¨ ußersten Konsequenz. Daher kann Hegel sagen: Die T¨atigkeit des Scheidens ist die Kraft und ” Arbeit des Verstandes, der verwundersamsten und gr¨oßten, oder vielmehr der absoluten Macht“ 18−20 [9,27 ]. Da der Verstand aber nur das erste, obwohl unverzichtbare Moment des Logischen ist, gilt, daß das Verst¨andige allerdings nicht ein Letztes, sondern vielmehr endlich und n¨aher ” von der Art ist, daß dasselbe auf die Spitze getrieben in sein Entgegengesetztes umschl¨agt“ [TW8,172 Z.]. 723 Vgl. etwa: Verm¨oge der aufgezeigten Natur der Methode stellt sich die Wissenschaft ” als ein in sich geschlungener Kreis dar, in dessen Anfang, den einfachen Grund, die Vermitt-
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Negation n¨amlich das wiederkehrende Streckenmaß dialektischer Entwicklung, k¨onnte es scheinen, als f¨uhre diese nur auf eine Aneinanderreihung von Bestimmungen, die sich zwar dem Elementarzyklus gem¨aß in Dreiergruppen zusammenordnen, sonst aber keine weitere, u¨ bergreifende Gliederung aufweisen (A-A’-A*-B-B’-B*-C-C’-C*....). Damit bliebe aber erstens unverst¨andlich, wie die Logik, auf einer solchen endlos wiederholbaren, linearen Abfolge aufbauend, je zu einem immanenten Abschluss kommen k¨onnte724 . Ein angemessener Begriff der Methode muss dagegen auch eine Erkl¨arung daf¨ur beinhalten, dass sich der logische Kreis¨ gang in einer Bestimmung schließt, deren immanente Uberschreitung nur noch aus dem Logischen u¨ berhaupt hinausf¨uhren kann. Zweitens kann eine lineare Entwicklung nach diesem Muster, da sie jeweils nur auf Elementarzyklen aus Position, Negation und doppelter Negation f¨uhrt, scheinbar keine einander u¨ berbzw. untergeordneten Bestimmungen und damit keinen Kreis, sondern nur eine ¨ Kette von Kreisen ergeben. Ließe sich die Uberund Unterordnung von Kategorien und Kategoriekreisen aber methodisch nicht einholen, g¨abe es auch keine nicht-willk¨urliche Weise, Kategorien zu u¨ bergeordneten Gruppen zusammenzufassen und die Logik demgem¨aß einzuteilen. Die Gliederung der Logik in Seins-, Wesens- und Begriffslogik oder die Unterscheidung von Qualit¨atsQuantit¨ats- und Maßlogik k¨onnten dann nur beliebige Zusammenfassungen von Bestimmungen innerhalb einer an sich allein im Dreiertakt unterteilten Kategorienfolge sein. Wenn die logischen Kategorien einfach eine derartige Kette bildeten, bliebe zugleich unverst¨andlich, dass es l¨angere und k¨urzere Fassungen der Logik geben kann – denn eine k¨urzere k¨onnte nur dadurch zustande kommen, dass in der linearen Abfolge der Kategorien Bestimmungen ausgelassen w¨urden, und m¨usste so grunds¨atzlich l¨uckenhaft sein. Entsprechend ist zu kl¨aren, wie sich in einem linearen Fortgang mit dem Elementarzyklus als Grundschrittfolge eine nichtlineare Struktur aufbauen kann, zu der einander u¨ ber- und untergeordnete Kategorienkreise geh¨oren und in der ¨ alternative Ubergangsm¨ oglichkeiten bestehen, welche die M¨oglichkeit l¨angerer und k¨urzerer Fassungen der Logik garantieren. Zugleich ist zu begr¨unden, weslung das Ende zur¨uckschlingt; dabei ist dieser Kreis ein Kreis von Kreisen; denn jedes einzelne Glied, als Beseeltes der Methode, ist die Reflexion-in-sich, die, indem sie in den Anfang zur¨uckkehrt, zugleich der Anfang eines neuen Gliedes ist“ [12,25217−24]. 724 Diese Schwierigkeit wird etwa an folgender Methodencharakteristik deutlich: Die Be” stimmtheit, welche Resultat war, ist, wie gezeigt worden, um der Form der Einfachheit willen, in welche sie zusammengegangen, selbst ein neuer Anfang; indem er von seinem vorhergehenden durch eben diese Bestimmtheit unterschieden ist, so w¨alzt sich das Erkennen von Inhalt zu Inhalt fort. F¨urs erste bestimmt sich dies Fortgehen dahin, daß es von einfachen Bestimmtheiten beginnt und die folgenden immer reicher und concreter werden“ [12,25026−31]. Der bloß quantitativen Steigerung zum immer Reicheren“ und Konkreteren“ ist als solcher n¨amlich ” ” kein Ende gesetzt.
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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halb die Hierarchie der Kreisebenen nach oben begrenzt ist, sodass es einen h¨ochsten Kreis gibt, der selbst nicht Unterzyklus eines h¨oheren ist. Das Problem, wie sich im linearen Fortgang eine nichtlineare Struktur auf¨ ¨ bauen kann, l¨ost sich durch die Uberlegung auf, dass sich mit dem Ubergang von der Position zur Negation r¨uckwirkend eine Desambiguierung der Position ergibt. Bei der Ausgangsbestimmung handelt es sich n¨amlich zun¨achst um eine Kategorie, die zwar an sich gegen¨uber ihrem Nachfolger unmittelbar ist, ihm aber noch nicht ausdr¨ucklich als unmittelbar entgegengesetzt sein kann, weil er damit bereits thematisch sein m¨usste. Daher fallen in Gestalt der Ausgangsbestimmung zun¨achst noch zwei Kategorien unabgehoben ineins, n¨amlich eine allgemeine Bestimmung X, welche an sich Position und Negation u¨ bergeift, sowie die Position als unmittelbare und damit besondere Gestalt dieses Allgemeinen. So war etwa die Qualit¨at zun¨achst noch nicht ausdr¨ucklich als unmittelbare ¨ oder positive Qualit¨at gesetzt, sondern erst mit dem Ubergang zur Negation hat sich r¨uckwirkend die ausdr¨uckliche Unterscheidung zwischen der Realit¨at als unmittelbarer oder positiver Qualit¨at und der Qualit¨at u¨ berhaupt als Realit¨at und Negation u¨ bergreifender Bestimmung ergeben. Dass sich die Ausgangs¨ bestimmung mit dem Ubergang zum zweitem Glied r¨uckwirkend in eine als unmittelbar gesetzte und damit besondere Bestimmung und eine u¨ bergreifende scheidet, erkl¨art, wie durch den immanenten logischen Fortgang gleichsam hinter dem R¨ucken des reinen Denkens oder bestimmten Negierens eine Hierarchie von Bestimmungen entstehen und sich damit u¨ ber- und untergeordnete Kategorienkreise aufbauen k¨onnen. Ausdr¨ucklich durchl¨auft der Elementarzyklus so zwar nur drei Stationen, f¨uhrt aber dennoch auf eine viergliedrige, nichtlineare Gestalt mit zwei Kategorieebenen, weil sein erstes Glied im Fortgang zur Negation r¨uckwirkend als unmittelbar gesetzt und dabei von einer allgemeineren Bestimmung unterschieden wird, die zun¨achst mit ihm zusammenfiel. Der Elementarzyklus baut so im linearen Fortgang eine Struktur auf, die aus einer u¨ bergreifend-allgemeinen Bestimmung X und ihren drei besonderen Gestalten – einer unmittelbaren, vermittelten und selbstvermittelten – besteht725 . Sind diese drei Bestimmungen durchlaufen, sind damit auch die m¨oglichen Gestal¨ ten von X ersch¨opft. Das immanente Ubergehen der selbstvermittelten Gestalt von X kann daher nur u¨ ber den Elementarzyklus hinausf¨uhren. Dabei erweist sich der durch X bezeichnete Kategorienkreis als Unterzyklus eines h¨oheren, insofern sich die ihn u¨ bergreifende Bestimmung X selbst wiederum als implizit unmittelbare Form einer u¨ bergreifenden Bestimmung entpuppt726 . 725
Zur graphischen Darstellung dieses Zusammenhangs vgl. oben S. 165. Die Negation der selbstvermittelten Form von X soll u¨ ber diese hinaus zu ¬X f¨uhren. Damit ergibt sich jedoch die Schwierigkeit, dass ¬X scheinbar zugleich die Negation von X und der selbstvermittelten Form von X sein muss, was der Eindeutigkeit der Negation widerspricht. Die Schwierigkeit l¨ost sich dadurch auf, dass ¬X zun¨achst ambig, n¨amlich implizit unmittelbar ist. 726
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
Eine angemessene L¨osung des Problems, ob und warum das Logische sich durch eine nach oben beschr¨ankte Hierarchie von Kategorienkreisen auszeichnet und damit einen Hauptkreis aufweist, der nicht selbst wieder Glied eines u¨ bergreifenden Kreises ist, muss erstens begr¨unden, dass und warum es einen solchen Hauptkreis gibt, und zweitens angeben, wie viele Unmittelbarkeitsebenen zu Beginn der Logik noch unabgehoben zusammenfallen und so die Mindestzahl von Kreisebenen bestimmen. Einen logischen Hauptkreis, der sich in die Kreise des Seins, des Wesens und des Begriffs als unmittelbare, vermittelte und selbstvermittelte Gestalten des Begriffs gliedert, gibt es, wie schon angedeutet, deshalb, weil der Begriff als reines Sichbestimmen das Einfachste u¨ berhaupt ist. Der von ihm als Zentrum definierte Kreis ist daher selbst nicht Unterzyklus eines h¨oheren, weil das Einfachste und Allgemeinste sich nicht als besondere Gestalt eines noch Allgemeineren und Einfacheren entpuppen kann. Die Mindestzahl logischer Kreisebenen wird sich danach bemessen, wie viele Unmittelbarkeitsstufen im Sein als Ausgangspunkt der Logik noch unabgehoben zusammenfallen. Nun l¨asst sich zeigen, dass zu Beginn der Logik (mindestens) vier Formen von Unmittelbarkeit unabgehoben ineins fallen, n¨amlich Unmittelbarkeit gegen¨uber innerer Vermittlung (dem Wesen), Unmittelbarkeit gegen¨uber a¨ ußerlicher Vereinigung (der Quantit¨at), Unmittelbarkeit gegen¨uber a¨ ußerer Beziehung (dem Dasein) und Unmittelbarkeit (des Seins) gegen¨uber dem Nichts727 . Entsprechend wird die Desambiguierung dieser verschiedenen Formen von Unmittelbarkeit auf einen Kreis von Kreisen mit mindestens vier Kreisebenen f¨uhren.
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Vgl. oben S. 81.
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3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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Dass zu Beginn der Logik mindestens vier Unmittelbarkeitsstufen noch unabgehoben ineins fallen und zur Logik daher minimal ein Kreis von Kreisen mit vier hierarchischen Ebenen geh¨ort, l¨asst keine R¨uckschl¨usse auf die Gesamtzahl logischer Kategorien zu. Wie ein Blick ins Inhaltsverzeichnis der WdL zeigt, k¨onnen gleichrangige Unterkreise n¨amlich eine verschiedene Anzahl von Unterzyklen aufweisen. So siedelt sich das Sein als erste logische Kategorie ¨ gem¨aß der vierfachen Uberlagerung von Unmittelbarkeit auf der vierten Kreisebene an, hat aber selbst keine weiteren Unterzyklen. Dagegen hat das Dasein als solches gleichfalls auf der vierten Kreisebene seinen Ort, weist jedoch einen Unterzyklus auf, der damit eine f¨unfte Kreisebene er¨offnet. Die Anzahl sinnvoll unterscheidbarer Unterzyklen scheint damit weder von vornherein festgelegt noch f¨ur alle Kategorien derselben Ebene gleich zu sein. Der Sache nach ergeben sich solche Unterschiede daraus, dass an einer komplexen Bestimmung durch innere Negation, also durch Abheben von Aspekten wie etwa der Qualit¨at am Dasein, weitere Unterscheidungen m¨oglich sind, die in einer anderen Kategorie derselben Ebene, etwa beim Sein, als reiner Unmittelbarkeit, an der nichts abzuheben ist, sondern die nur global ins Nichts umschl¨agt, keine Entsprechung haben k¨onnen. Eine vermeintlich definite Anzahl von Kreisebenen und Kategorien l¨asst sich offenbar nicht schematisch angegeben. In der Tat variiert die Zahl der Kreisebenen mit den einzelnen Abschnitten der Logik und erreicht stellenweise die sechste Ebene728 . Grunds¨atzlich ist anzunehmen, dass auch der in der großen Logik“ dargestellte Kategorienkreis durch Feinunterscheidungen er” weiterbar ist und insofern nicht das vollst¨andige System aller logischen Kategorien bildet729 . Um so dr¨angender ergibt sich daher die Frage, wie l¨angere und k¨urzere Darstellungen der Logik m¨oglich sein k¨onnen, ohne dass letztere als grunds¨atzlich l¨uckenhaft zu gelten h¨atten. M¨oglich sind k¨urzere Darstellungen deshalb, weil sich im linearen Fortgang ein hierarchisch gegliedertes Gef¨uge u¨ ber- und untergeordneter Kategorienkreise aufbaut und deshalb auch Durchg¨ange durch das Ganze m¨oglich sind, welche nur die Makrozyklen durchlaufen, w¨ahrend m¨ogliche Feinunterscheidungen im Bereich von Unterzyklen unentfaltet bleiben. Solches Unentfaltetbleiben ist darum mit der Immanenz und Linearit¨at des logischen Fortgangs vereinbar, weil in den jeweils durchlaufenen Kategorien an sich unterscheidbare Unmittelbarkeitsebenen zun¨achst unabgehoben ineinsfallen. Dass ein Unterzyklus nicht entfaltet wird, bedeutet daher keine Unterbrechung des logischen Fortgangs, sondern heißt nur, dass nicht zwischen einer bestimmten Kategorie und ihren besonderen Gestalten desambiguiert wird, sondern solches Desambiguieren nur bis zu einem gewis728
Vgl. etwa die Unterteilung der Endlichkeit [21,VI]. Oben wurde im Ansatz daf¨ur argumentiert, dass an sich unendlich viele logische Kategorien m¨oglich sind, vgl. oben S. 590 Anm. 691 . 729
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
sen Grad vorangetrieben wird. Vom Gesamtbau des Logischen werden in jeder endlichen Darstellung somit nur die Hauptgeschosse sichtbar, w¨ahrend mit einer un¨uberschaubaren Zahl verborgener Kellergeschosse“ zu rechnen ist, in ” deren verzweigten G¨angen jedoch keineswegs die großen Sch¨atze, sondern logische Materien von untergeordneter Bedeutung lagern. Dass gewisse Feinunterscheidungen im logischen Fortgang nicht notwendig getroffen werden m¨ussen, heißt offenbar nicht, die Entfaltung von Unterzyklen sei u¨ berhaupt beliebig. Vielmehr scheint die Mindestzahl von Kategorienkreisen, die in einer koh¨arenten Kurzfassung der Logik zu durchlaufen sind, durch die vier im Sein anf¨anglich zusammenfallenden Unmittelbarkeitsebenen bestimmt. Entsprechend reichen die Feinunterscheidungen in der enzyklop¨adischen Logik gew¨ohnlich bis zur vierten Ebene. Mit der absoluten Idee tritt der gerade durch seine Hauptgeschosse eindr¨uckliche Gesamtbau der Logik als solcher in den Blick und ist dabei ausdr¨ucklich auf selbstanwendende Operationalit¨at als operationalen Grundbaustein bezogen. Denn die absolute Idee besteht gerade darin, dass sich selbstbez¨ugliches Sichbestimmen auf die Totalit¨at seiner Gestalten als Ausformungen seiner selbst bezieht. Der immanente Fortgang im Ausgang von der absoluten Idee kann damit nicht in der Erweiterung der durchlaufenen Kategorienkreise um weitere Kreise logischer Bestimmungen bestehen, sondern nur in der bestimmten Negation des in Form der Methode ausdr¨ucklich gewordenen Baus des Ganzen, und muss damit die Art und Weise der Verkn¨upfung logischer Bestimmungen betreffen. Das Logische ist aber dadurch ausgezeichnet, dass die Kategorien in notwendigen, internen, durchsichtig gewordenen Beziehungen zueinander und zur operationalen Grundform stehen. Die Selbstnegation des durch die absolute Idee markierten Zusammenhangs ausdr¨ucklicher, notwendiger, interner Verkn¨upfung von Bestimmungen kann daher nur in einer Umkehrung ihres Verh¨altnisses bestehen, insofern interne Verkn¨upfung und notwendige Beziehung aufgehoben und die Totalit¨at des Logischen in Gestalt eines unmittelbaren, zufallsbestimmten, gerade nicht durch artikulierte interne Beziehungen verkn¨upften Ganzen gesetzt wird, n¨amlich in Form eines zwar begriffsbestimmten, aber zugleich zufallsgepr¨agten Außereinander, das f¨ur Hegel den Inbegriff der Natur bildet. Diese Ent¨außerung des Logischen zu einem unartikulierten, zufallsbestimmten Naturzusammenhang ist nun genauer zu untersuchen. 3.5.11 Die Selbstnegation der Idee (Ent¨außerung der Idee zur Natur) Die absolute Idee markiert die von reinem Sichbestimmen als solche bezogene Totalit¨at seiner Gestalten. Da die logische Entfaltung reinen Sichbestimmens noch keine zeitliche Abfolge bildet – denn eine solche f¨allt nur in das Bewusstsein des Philosophierenden, der diese Entfaltung darzustellen versucht – ist die
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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als solche gesetzte Totalit¨at seiner Gestalten und damit die absolute Idee immer schon zeitlos erreicht. Laut Hegel legt sich diese Totalit¨at des Logischen in einem Vollzug, den er als Entschluss“ oder Ent¨außerung“ fasst, zeitlos zur ” ” Sph¨are nat¨urlichen Seins aus – eine Behauptung, die in der Literatur h¨aufig als r¨atselhaft gilt730 . R¨atselhaft ist sie jedoch nur, solange man sich die absolute Idee als etwas Erhabenes vorstellt, ohne einen Begriff von ihr zu haben. Da die absolute Idee aber nichts als die sich als solche thematische Totalit¨at der Gestalten selbstbez¨uglicher Negativit¨at ist, hat sie es – wie alle Gestalten selbstanwendender Negativit¨at – an sich, sich bestimmt zu negieren731 . Dass sich die absolute Idee immanent zur Sph¨are nat¨urlichen Seins negieren muss, ergibt sich, konkreter gesprochen, daraus, dass selbstanwendende Operationalit¨at oder reines Sichbestimmen grunds¨atzlich keine statische Ordnung bilden kann, die absolute Idee sich aber als fixes, bewegungsloses Ineinander logischer Bestimmungen erwiesen hat. Weil die Idee die ontologische Form lebendiger Prozessualit¨at und sch¨opferischen (Sich)Bestimmens markiert, muss es eine ihr gem¨aße Sph¨are der Offenheit geben, in der selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen operieren kann – ein Spielraum realer Prozessualit¨at und sch¨opferischer Freiheit des Geistes. Die absolute Idee muss sich daher ihrem eigenen Gehalt gem¨aß je schon selbst negiert haben. Anders gesagt: Weil die Idee die ontologische Form eines Befreiungsprozesses markiert, als logische aber selbst prozesslos ist, kann die Vollgestalt des Seins kein statisches Ensemble intern verkn¨upfter Kategorien, sondern nur eine Sph¨are sein, in der solche Prozessualit¨at real und vern¨unftiges Leben m¨oglich ist. Die Totalit¨at des Logischen weist sich auch darum von sich her als unvollst¨andig aus, weil zu ihr zwar die ontologische Form des Zufalls als eines nicht durchg¨angig vermittelten Moments der Idee geh¨ort, die logische Idee als Anordnung der notwendigen Gestalten reinen Sichbestimmens aber vollkommen durchsichtig ist und selbst gerade nichts Grundloses und Zuf¨alliges einschließt. Sie weist so u¨ ber sich hinaus, weil sich aus ihr zwar die Notwendigkeit des Zuf¨alligen oder Grundlosen ergibt, ohne dass sie selbst Grundloses und Zuf¨alliges einschl¨osse. Die zeitlose Ent¨außerung der Idee zur Natur erweist, dass das Absolute dem Grundlosen und Zuf¨alligen einen unverzichtbaren Ort einr¨aumen muss, wodurch es selbst erst lebendiges Absolutes ist, indem es kontingente Voraussetzungen verwandelnd einbeziehen und sich so auf unvorhersehbar sch¨opferische Weise bew¨ahren kann – wie etwa ein Bildhauer aus einem an sich kontingenten und bedeutungslosen Marmorblock eine Skulptur hervortreibt. Bevor selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen von der ontologischen Form 730
¨ Vgl. WANDSCHNEIDER /H OSLE 1983. Darauf hat Stephen Houlgate pr¨agnant hingewiesen: There must be nature, because, ” paradoxically, the Idea or being-as-self-determining-reason can in fact never be anything less than the sheer negation of itself“ [H OULGATE 2005a: 109]. 731
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3. Kapitel: Logik der Selbstbestimmung (Begriffslogik)
der Idee nicht Zuf¨alliges sch¨opferisch einbezieht und bestimmt, ist es selbst noch abstrakt oder bloß die ontologische Form des Konkreten, nicht dessen Realit¨at732 . Die Ent¨außerung der Idee ist so von der Warte selbstanwendender Operationalit¨at aus alles andere als r¨atselhaft. Die Art und Weise dieser Ent¨außerung ergibt sich aus ihrer ontologischen Form. Denn da die absolute Idee die ausdr¨uckliche Totalit¨at der Gestalten selbstbez¨uglicher Negativit¨at markiert, kann sie nicht auf eine weitere Gestalt f¨uhren, sondern nur die in ihr zeitlos erreichte Totalit¨at dieser Gestalten in anderer Form setzen, sodass, was sich durch ihre Ent¨außerung ergibt, selbst Totalit¨at der Idee, obgleich in anderer Gestalt, und so das Andere-der-Idee nicht im Sinne eines anderen zur oder neben der Idee, sondern die Idee-als-ihr-Anderes, n¨amlich als Außersichsein ist. An den verschiedenen Ausdr¨ucken, mit denen Hegel die Ent¨außerung der Idee zur Natur kennzeichnet, ist der reflexive Charakter entscheidend: So soll die absolute Idee sich“ zur Natur entlassen“, sich“ zur Unmittelbarkeit der ” ” ” Natur zusammennehmen“ beziehungsweise sich“ zur Natur herabsetzen“ 733 . ” ” ” Zwar kann die Ent¨außerung der Sache nach ohnehin nicht anders denn als r¨uckhaltslose Selbstnegation gedacht werden kann, doch ergibt sich aus diesen Wendungen ausdr¨ucklich, dass auch Hegel selbst sie nicht so versteht, als halte die Idee oder das Absolute dabei zugleich mit sich hinter dem Berg oder bleibe im sicheren Hafen logischer Idealit¨at zur¨uck, w¨ahrend es nur etwas von ihm Verschiedenes als Natur aus sich heraussetzt. Die Ent¨außerung der Idee ist dialektisch nur als r¨uckhaltslose Selbsttransformation des Logischen zur Natur zu verstehen, ohne dass das Logische selbst irgendwo zur¨uckbleibt, weil sie allein darin gr¨undet, dass die logische Totalit¨at der Gestalten reinen Sichbestimmens sich selbst immer schon zeitlos zur Form einer sozusagen nach Außen gest¨ulpten, daher durch Zufall und Notwendigkeit gepr¨agten Totalit¨at negiert hat. Insofern die logische Idee abstrakt und prozesslos und das logische Erkennen daher noch kein wirkliches Erkennen, sondern nur die ontologische Form desselben ist, kann die Ent¨außerung oder der Entschluss zur Natur kein intentionaler Entschluss im gew¨ohnlichen Sinn sein734 . Vielmehr ist Entschluss“ ein ” terminus technicus f¨ur das immanente, zeitlose Durchbrechen der Eingeschlossenheit reinen Sichbestimmens in die statische Totalit¨at seiner logischen Gestal¨ ten. Der Entschluss zur Natur ist daher zwar kein fremdbestimmter Ubergang, 732 So l¨ asst sich verstehen, was Hegel vom logischen Begriff sagt, was aber ebenso von der logischen Idee gilt: Ob er also gleich abstrakt ist, so ist er das Konkrete, und zwar das schlecht” hin Konkrete, das Subjekt als solches. Das Absolut-Konkrete ist der Geist“ [20,18026−28]. 733 Vgl. 20,23122−24; 12,25312; 12,25322; 12,25330. 734 Houlgate bemerkt pr¨ agnant: Hegel’s talk of free resolve‘ in this context should be ” ’ regarded as metaphorical. The move to nature is in fact the impersonal, logical process, whereby the Idea determines itself to be nature“ [H OULGATE 2005a: 110].
3.5. Logik selbst¨andigen (Sich)Bestimmens (Idee)
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insofern er allein dem immanenten Sichbestimmen der Idee entspringt, voll¨ zieht sich aber ebenso wenig als Resultat bewusster Uberlegung, sondern hat sich deswegen zeitlos je schon vollzogen, weil es die logische Idee als Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens an sich hat, sich immanent zu einer von ihr unterschiedenen Gestalt auszulegen, unter deren Voraussetzung so etwas wie reale Entscheidungen und intentionale Vollz¨uge u¨ berhaupt erst m¨oglich sind. Insofern die absolute Idee, selbst prozesslos, noch keine Zeitlichkeit involviert, markiert auch ihre Selbstauslegung zur Natur keine zeitliche Entwicklung, sondern etwas, was immer schon geschehen sein muss, damit reale, zeitliche Entwicklung m¨oglich ist735 . Von etwas, was sich immer schon zeitlos ereignet hat, l¨asst sich aber ebenso gut sagen, es sei im gew¨ohnlichen Sinne des Wortes niemals geschehen. Entsprechend ist es gleichg¨ultig, ob man sich so ausdr¨uckt, die Realit¨at sei Resultat der zeitlosen Selbstauslegung des Logischen, oder sagt, sie sei so zu betrachten, als ob sie es sei.
735 Von der Ent¨ außerung der Idee zur Natur kann Hegel daher sagen: Dieses Urteil ist die ” ewige Sch¨opfung“ [V10,223527−28]. Da Hegel Ewigkeit aber nicht als endlose zeitliche Dauer versteht, zugleich jedoch erst vom Geist her ein konkreter Begriff von Ewigkeit als geschichtlich erf¨ullter und aufgehobener Zeit m¨oglich wird, ist die Ewigkeit des Urteils der Idee zur Natur als zeitloses Immer-schon-geschehen-Sein zu verstehen.
Kapitel 4
Die Logik im Gef¨uge des Systems Im Rahmen unserer Untersuchung, deren Anliegen eine Rekonstruktion von Hegels Logik ist, hat sich die Betrachtung seiner Realphilosophie auf Aspekte zu beschr¨anken, die mit der Logik als solcher zusammenh¨angen: Erstens ist zu zeigen, inwiefern die Begriffslogik der Realphilosophie allgemeinste ontologische Formen, n¨amlich Formen (des Erkennens) weltseitigen Seins, vorzeichnet, die realphilosophisch zugleich konkretisiert und empirisch bew¨ahrt werden. Entsprechend ist von der Logik aus zun¨achst ein Blick auf Hegels realphilosophische Bestimmung der Natur und des Geistes zu werfen. Im Zusammenhang damit muss zweitens gekl¨art werden, ob und inwiefern sich von der Logik her etwas u¨ ber die spezifische Methode der Realphilosophie – den Unterschied von logischer und realphilosophischer Dialektik – ergibt. Drittens ist zu untersuchen, welcher Status dem Logischen und der Logik im R¨uckblick vom absoluten Geist als Abschlussbestimmung der Hegelschen (Real)Philosophie ¨ her zukommt. Diese Uberlegungen haben sich schließlich in einem Ausblick auf die Systemstruktur im Ganzen zu bew¨ahren, der sowohl das Verh¨altnis des Logischen zu Natur und Geist wie den Zusammenhang der entsprechenden philosophischen Disziplinen Logik, Natur- und Geistphilosophie betrachtet. Dabei wird erstens zu kl¨aren sein, welche strukturellen Eigent¨umlichkeiten einem spekulativen System als solchem zukommen und inwiefern sich diese aus der selbstbez¨uglichen Grundoperation herleiten lassen. Abschließend ist dann sowohl der Ort des Logischen im Gesamtzusammenhang der Wirklichkeit wie der Logik im Gef¨uge von Hegels Philosophie im Zuge einer Rekonstruktion seiner Lehre von den drei Schl¨ussen der Philosophie“ zu kl¨aren. ”
4.1 Außer-sich-Sein von Selbstbestimmung (Natur) Da das Logische und die Natur zeitlos aufeinander folgende Stufen der Selbstauslegung unbedingten Sichbestimmens sind, muss sich die ontologische Verfasstheit der Natur als Resultat der bestimmten Negation des Logischen verste-
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
hen lassen. Da das Logische aber als Insichsein oder Ineinander gekennzeichnet ist, hat die Grundverfassung der Natur umgekehrt ein Außersichsein oder Außereinander zu sein, das jenes Ineinander aufhebt1 . Dass das Logische als Insichsein oder Ineinander zu fassen ist, bedeutet, dass die logischen Formen von sich her aufeinander bezogen sind und in internen Verh¨altnissen stehen – nur deshalb k¨onnen sie eine l¨uckenlose immanente Abfolge bilden. Zugleich sind diese Formen in Gestalt der absoluten Idee als Gestalten von Selbstbestimmung durchsichtig, sodass in sie keine Fremdbestimmung hineinspielt. Selbstbez¨ugliches Sichbestimmen unterscheidet sich als Gef¨uge dieser Formen daher allein in und durch sich. Eben dies wir durch die Wendungen Ineinander“ und ” Insichsein“ zum Ausdruck gebracht. ” Dass der Natur als bestimmter Negation solchen Ineinanders und Insichseins der Charakter des Außereinander und Außersichseins zukommt, kann nur bedeuten, dass Nat¨urliches nicht von sich her aufeinander bezogen ist oder in internen Beziehungen zueinander steht und die Natur darum eine Sph¨are darstellt, die durch externe Beziehungen bestimmt ist. Damit kann sich die Natur, weil selbstbez¨ugliches Sichbestimmen eine interne Beziehung ist, weder als Gestalt von Selbstbestimmung durchsichtig sein noch u¨ berhaupt eine Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens als solchen bilden, sondern ist eine Sph¨are, die durch die bestimmte Negation von Selbstbestimmung, damit aber durch Fremdbestimmung oder a¨ ußere Determination gepr¨agt ist und insofern ein Reich sich selbst fremder Selbstbestimmung darstellt. Trotzdem muss auch die Natur als bestimmte Negation der absoluten Idee eine Totalit¨at bilden. Denn dass ihre Glieder nicht von sich her aufeinander bezogen sind, kann nicht bedeuten, die Natur zerfalle in eine Mannigfaltigkeit von solchem, was u¨ berhaupt nicht von sich her verkn¨upft, sondern nur nachtr¨aglich oder a¨ ußerlich verbunden ist. Dass zwar auch die Natur eine Totalit¨at ist, was diese ausmacht aber nicht in internen Beziehungen aufeinander steht, kann damit nur bedeuten, dass es zwar von sich her zusammenh¨angen und insofern u¨ berg¨anglich in anderes sein muss, ohne jedoch Beziehungen auf bestimmtes anderes in sich zu haben. Die Natur muss als Außereinander daher ein Kontinuum bilden, dessen ontologische Form im Objektivit¨atsabschnitt der Logik entwickelt wurde2 . 1 So unterscheidet Hegel den Geist und das Logische folgendermaßen von der Natur: Als ” die unterscheidende Bestimmtheit des Begriffs des Geistes muß die Idealit¨at, d. h. das Aufheben des Andersseins der Idee, das aus ihrem Anderen in sich Zur¨uckkehren und Zur¨uckgekehrtsein derselben bezeichnet werden, w¨ahrend dagegen f¨ur die logische Idee das unmittelbare, einfache Insichsein, f¨ur die Natur aber das Außersichsein der Idee das Unterscheidende ist“ [TW10,18 Z.]. 2 Die Natur ist laut Hegel die Idee als Sein“ [TW8,393Z.; vgl. 12,25311−13], das heißt die ” unmittelbar gesetzte Idee. In Gestalt der Natur ist die Idee aber erstens insofern unmittelbar gesetzt, als in der Natur keine diskreten Unterschiede hervorgehoben oder interne Verh¨altnisse
4.1. Außer-sich-Sein von Selbstbestimmung (Natur)
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Dass die Natur als bestimmte Negation der absoluten Idee durch die Negation von Selbstbestimmung gepr¨agt ist, heißt, dass in ihr sowohl Zufall wie a¨ ußere Notwendigkeit herrschen3 . Denn zu durchg¨angiger Selbstvermittlung oder Selbstbestimmung gibt es zweierlei, wesentlich zusammengeh¨orige Formen der Negation – sowohl die Fremdbestimmung durch anderes wie dasjenige, was weder durch anderes noch durch sich selbst bestimmt und insofern ¨ unmittelbar ist. Außerliche Notwendigkeit ist aber gerade Fremdbestimmung von etwas durch anderes, Zufall hingegen absolute Unmittelbarkeit, die weder in sich noch in anderem einen Grund hat4 . Zufall und a¨ ußere Notwendigkeit geh¨oren deshalb wesentlich zusammen und pr¨agen die Natur gleichermaßen, weil eine rein zufallsbestimmte Sph¨are diejenige des Logischen nicht bestimmt, sondern abstrakt negieren w¨urde und eine Sph¨are durchg¨angig notwendiger Beziehungen den Spielraum (wesens-)logischer Innerlichkeit f¨ur sich genommen gar nicht transzendierte. Das Zuf¨allige ist absolut unmittelbar, insofern es durch nichts anderes vermittelt ist und so ein grundloses Außer- und Nebeneinander bildet. Da das Logische in der Natur jedoch aufgehoben sein muss, kann Kontingenz nur ein Aspekt des Nat¨urlichen sein, das zugleich unausdr¨ucklich am logisch Notwendigen Anteil hat. Entsprechend ist ein Ausschnitt des Naturkontinuums als solcher zwar kontingent, hat jedoch zugleich an logischer Allgemeinheit teil. So ist es logisch zwar zuf¨allig, dass diese bestimmte Pflanze existiert, die als Pflanze dennoch nichts schlichtweg Unvergleichliches ist, sondern insofern an logischer Allgemeinheit teilhat, die selbst nicht grundlos ist, als a priori begr¨undbar ist,
etabliert sind, sondern ein kontinuierliches (obgleich organisiertes) Außereinander vorliegt. Zweitens ist in der Natur absolute Unmittelbarkeit in Gestalt kontingter Bestimmtheit eingetreten. 3 So f¨ uhrt Hegel aus: Weil aber die Einheit in der Natur eine Beziehung scheinbar ” Selbst¨andiger ist, so ist die Natur nicht frei, sondern nur notwendig und zuf¨allig. Denn Notwendigkeit ist Untrennbarkeit von Unterschiedenen, die noch gleichg¨ultig erscheinen; dass aber die Abstraktion des Außersichseins auch zu ihrem Rechte kommt, ist die Zuf¨alligkeit, die a¨ ußerliche Notwendigkeit, nicht die innere Notwendigkeit des Begriffs“ [TW9,30 Z.]. Ob nun ” schon die Zuf¨alligkeit der bisherigen Er¨orterung zufolge nur ein einseitiges Moment der Wirklichkeit und deshalb mit dieser selbst nicht zu verwechseln ist, so geb¨uhrt derselben doch als einer Form der Idee u¨ berhaupt auch in der gegenst¨andlichen Welt ihr Recht. Dies gilt zun¨achst von der Natur, auf deren Oberfl¨ache sozusagen die Zuf¨alligkeit ihr freies Ergehen hat, welches denn auch anzuerkennen ist, ohne die der Philosophie bisweilen irrigerweise zugeschriebene Pr¨atention, darin ein nur-so-und-nicht-anders-sein-k¨onnen finden zu wollen“ [TW8,286 Z.]. 4 Von den logischen Gestalten der absoluten Form, die ineins mit ihr die absolute Idee ausmachen, kann Hegel daher sagen, sie seien schon f¨ur sich selbst die Wahrheit, indem dieser ” Inhalt seiner Form oder diese Realit¨at ihrem Begriffe angemessen ist, und die reine Wahrheit, weil dessen Bestimmungen noch nicht die Form eines absoluten Andersseyns oder der absoluten Unmittelbarkeit haben“ [12,261−4]. Solche absolute Unmittelbarkeit nimmt die Idee gerade als zufallsgepr¨agte Realit¨at an, freilich nicht rundwegs, sondern bloß aspekthaft.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
dass es Ausschnitte des Naturkontinuums geben muss, die angemessen gem¨aß der logischen Form unbeseelten Lebens artikuliert werden k¨onnen. Insofern die Natur ein kontingenzgepr¨agtes Kontinuum bildet, muss sich ihre Zufallsbestimmtheit darin zeigen, dass sie ein Außereinander von solchem aufspannt, was einander gegen¨uber absolut unmittelbar ist und insofern bloß zuf¨allig nebeneinander besteht. Da das Naturkontinuum aber zugleich durch a¨ ußere Notwendigkeit gepr¨agt sein muss, muss es zugleich nomologisch determiniert sein. Denn erstens ist Zuf¨alligkeit – f¨ur sich genommen – nichts, was Selbstbestimmung bestimmt negieren k¨onnte, sondern kann dies nur im Zusammenhang mit Fremdbestimmung oder a¨ ußerer Notwendigkeit, die nat¨urliches Sein daher ebenfalls kennzeichnen muss. Dass die Natur ein Spielraum a¨ ußerer Notwendigkeit ist, ergibt sich zweitens daraus, dass sich die Totalit¨at der Gestalten reinen Sichbestimmens in ihr zu einer Sph¨are negiert, in der unfundierte Selbstanreicherung mit Bestimmtheit als solche zwar verschwunden, zugleich jedoch aufgehoben ist. Daher kann die Natur zwar nicht durch unfundiertes Neusetzen von Bestimmtheit charakterisiert sein, muss sich jedoch durch fundierte Organisationsbildung auszeichnen. Das Naturkontinuum muss so durch die Organisation zu Gebilden gepr¨agt sein, die in vorhandener Bestimmtheit fundiert und im Hinblick auf diese damit nomologisch determiniert sind. Daraus, dass die Natur als Anderes-der-Idee ein zugleich zufallsgepr¨agtes und nomologisch determiniertes Kontinuum bildet, folgt, dass dieses Kontinuum mehrere Dimensionen haben muss. Denn Zuf¨alligkeit oder Nichtbestimmtheit durch anderes und a¨ ußere Notwendigkeit oder Bestimmtheit durch anderes k¨onnen das Kontinuum nicht in derselben, sondern nur in unterschiedlichen Hinsichten pr¨agen. Daher muss sich das Naturkontinuum einen Bereich von ¨ Uberg¨ angen f¨ur den Zufall und einen f¨ur die Notwendigkeit vorbehalten. Der ¨ Bereich, in dem Uberg¨ ange in anderes zufallsbestimmt sind, ist offenbar der ¨ Raum, derjenige, in dem Uberg¨ ange in anderes nomologisch determiniert sind, dagegen die (Proto-)Zeit als ungerichtete C-Reihe entlang einer Determinationsachse5 . Daraus, dass sich die Idee im Zuge ihrer zeitlosen Selbstauslegung zur Natur zu einem zugleich zufallsbestimmten und nomologisch geschlossenen Ganzen auslegt, folgt also zugleich der r¨aumliche und (proto)zeitliche Charakter des Kontinuums6. 5 Da das Naturkontinuum durch fundierte Organisationsbildung entlang seiner Determinationsachse gepr¨agt sein muss, hebt – von unserer Warte – der Gang der Zeit die schiere Zuf¨alligkeit r¨aumlichen Außereinanders lokal auf. Dass sich die nomologische Geschlossenheit nat¨urlichen Seins entlang seiner Determinationsachse in statistischen Gesetzen auspr¨agt und damit selbst ein Zufallsmoment einschließt, kann hier nur konstatiert werden. 6 Damit ist nur der Unterschied von Raum und C-Zeit hergeleitet, nicht aber die innere Verfassung von beiden, also die Dreidimensionalit¨at des Raums und die Eindimensionalit¨at der C-Zeit. Diese naturphilosophische Aufgabe kann im Rahmen unserer Rekonstruktion der Logik nicht weiter verfolgt werden. Vermutlich sind dem apriorischen Ableiten hier
4.1. Außer-sich-Sein von Selbstbestimmung (Natur)
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Die ontologische Form eines selbsttragenden Ganzen, das sich der zeitlosen Selbstnegation reinen Sichbestimmens zu einer Sph¨are nomologischer Determiniertheit verdankt, in der das Sichbestimmen als solches verschwunden ist, hatte sich bereits innerhalb der Logik durch den Entschluss des Begriffs zur Objektivit¨at ergeben, welcher der Ent¨außerung der Idee zur Natur damit die ontologische Form vorzeichnet. Hegel kann die Natur entsprechend auch als die vollkommene a¨ ußerliche Objektivit¨at“ des Begriffs bestimmen, die als ” vollkommen a¨ ußerliche nicht nur durch Notwendigkeit, sondern ebenso durch Kontingenz gepr¨agt ist7 . Der logische Entschluss zur Objektivit¨at markiert aber nur die ontologische Form solcher Ent¨außerung, w¨ahrend die Ent¨außerung der Idee zur Natur den realen Auftritt einer zufallsgepr¨agten Sph¨are selbsttragenden Bestimmtseins bezeichnet. Die Ent¨außerung zur Natur markiert so die kon¨ krete, zeitlose Einl¨osung eines Ubergangs, der bereits innerhalb der Logik seine Vorzeichnung erfahren hat, n¨amlich der zeitlosen Selbstauslegung selbstbez¨uglichen Sichbestimmens zu einem nomologisch determinierten, entlang seiner Determinationsachse inhomogen organisierten Kontinuum. W¨ahrend die Dimensionalit¨at des Objektkontinuums logisch aber noch gar nicht bestimmt war, erweist es sich nun, weil es durch a¨ ußere Notwendigkeit und Zufall gepr¨agt sein muss, als raum-zeitlich bestimmt. Insofern die Realphilosophie damit einen raum-zeitlich konkreten, kontingenzgepr¨agten und erst dadurch nicht mehr abstrakt logischen, sondern realen Prozess thematisiert, dessen Ausgangspunkt die reale Gestalt des objektiven Begriffs bildet, wird sich die reale und begriffliche Entwicklung, die in der Realphilosophie thematisch ist, zwischen den beiden Extremen abspielen, die logisch durch den Weg vom objektiven Begriff zur Idee vorgezeichnet sind. Der realphilosophische Weg von der unbeseelten Natur zu beseeltem Le¨ ben und Geist, der dem zeitlosen, logischen Ubergang von der Objektivit¨at zur Idee entspricht, pr¨agt sich selbst nur in einem schwachen Sinn als zeitliche Entwicklung aus, weil gerichtetes Sichentwickeln u¨ berhaupt erst mit dem Hervortritt von beseeltem Leben in und aus dem Naturkontinuum m¨oglich wird. Zwischen Begriffslogik und Realphilosophie, welche die zufallsgebrochene, raumzeitliche Realisierung des Logischen verfolgt, l¨asst sich damit folgende Zuordnung herstellen:
Grenzen gesetzt [vgl. unten Abschnitt 4.3] und ph¨anomenale R¨uckgriffe notwendig [vgl. WANDSCHNEIDER 1982: 35f.]. 7 Vgl. Hegels Bemerkung, dass in der Natur der Begriff seine vollkommene a¨ ußerliche ” Objektivit¨at hat“ [20,38128–3821].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
Objektivit¨at
Idee
Mechanismus Chemismus Teleologie Mechanik Physik
chemischer Prozess
vegetabil. Natur
Natur
Leben tierischer Organismus
Erkennen absolute Idee
subjektiver/objektiver absoluter
Geist
An dieser Zuordnung ist auff¨allig, dass Hegel das beseelte Leben, das in der Logik der Idee, also dem selbst¨andigen (Sich)Bestimmen, das leibhaftig in und aus dem Objektkontinuum hervortritt, zugeschlagen ist, realphilosophisch in die Natur einordnet. Zugleich kennt Hegel aber mit der Anthropologie“ oder See” ” lenlehre“ als Anfangsdisziplin der Geistphilosophie eine Theorieform, welche unreflektierte Formen beseelten Lebens untersucht, die noch nicht (ausdr¨ucklich) durch inferentiell eingebettete, begriffliche Vollz¨uge gepr¨agt sind. Daf¨ur, rudiment¨are Formen bloß beseelten Lebens, obwohl in ihnen selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen von der ontologischen Form der Idee real ist, der Natur- und nicht etwa der Geistphilosophie zuzuschlagen, spricht, dass erst mit der urteilsvermittelten Form reflektierten (Sich)Bestimmens begriffliche Allgemeinheit als solche artikuliert wird und sich erst dadurch eine Welt diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen er¨offnet, die u¨ ber das unmittelbare Eingeschr¨anktsein eines Lebewesens auf Leib und Umwelt grunds¨atzlich hinausreicht. Dass Hegel vorbegriffliche F¨ahigkeiten des Menschen in einer eigenen Disziplin abhandelt, der Anthropologie, l¨asst sich als Folge der Einsicht verstehen, dass auch diejenigen seelischen Verm¨ogen, die der Mensch mit den Tieren gemeinsam hat, dadurch, dass begriffliche Spontaneit¨at sie durchdringt, zu etwas dem Menschen Eigent¨umlichen werden8 .
4.2 Zu-sich-gekommene und zu-sich-kommende reale Selbstbestimmung (Geist) Die Natur weist sich als Sph¨are der zeitlosen Selbstauslegung des Logischen zu einem zufallsgepr¨agten, unartikulierten, inhomogen organisierten Raum-ZeitKontinuum, das durch symmetrische Pr¨a- und Retrodetermination gepr¨agt ist, da sie als das Andere-der-Idee bestimmt ist, von sich her als unselbst¨andig aus: Insofern selbstbez¨ugliches Sichbestimmen in ihr als solches verschwunden ist, kann die Natur nicht der Inbegriff eines selbsttragenden Ganzen sein. Zu diesem geh¨ort vielmehr, dass selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen und mit ihm das f¨ur das Logische kennzeichnende Ineinander begrifflicher Gehalte in 8
Vgl. oben S. 485.
4.2. Zu-sich-gekommene und zu-sich-kommende reale Selbstbestimmung (Geist)
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und aus dem durch a¨ ußerliche Verh¨altnisse gepr¨agten Naturkontinuum hervortritt. Selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das in und und aus dem nomologisch geschlossenen Naturkontinuum hervortritt, in ihm leibhaft verankert ist, in theoretischen und praktischen Vollz¨ugen auf es u¨ bergreift und es dadurch zu einer Welt diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen artikuliert und gestaltet, ist Geist. Vor diesem Hintergrund l¨asst sich der Begriff des Geistes“ verstehen, den He” gel in §381 der Enzyklop¨adie entwickelt: Der Geist hat f¨ur uns die Natur zu seiner Voraussetzung, deren Wahrheit und damit deren ab” solut Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden, und der Geist hat sich als die zu ihrem F¨ursichseyn gelangte Idee ergeben, deren Object eben sowohl als das Subject der Begriff ist. Diese Identit¨at ist absolute Negativit¨at, weil in der Natur der Begriff seine vollkommene a¨ ußerliche Objectivit¨at hat, diese seine Ent¨außerung aber aufgehoben und er in dieser identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identit¨at somit zugleich nur, als Zur¨uckkommen aus der Natur“ 9 .
Dass Geist laut Hegel zwar f¨ur uns“, nicht aber an sich die Natur zu seiner ” Voraussetzung“ hat, ergibt sich daraus, dass die Natur kein Ganzes ist, das ” selbst¨andig und unabh¨angig vom Hervortritt des Geistes bestehen k¨onnte. Da die Natur wegen der symmetrischen Pr¨a- und Retrodetermination, die sie pr¨agt, nicht durch gerichtetes Sich-Entwickeln gekennzeichnet ist, sondern nur lokal asymmetrisch entlang ihrer symmetrischen Determinationsachse organisiert ist, bildet sie auch kein Ganzes, aus dem beseeltes Leben und Geist erst irgendwann zeitlich evolvieren. Indem gerichtete Entwicklung erst mit Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die in und aus dem Naturkontinuum herausragen, Realit¨at gewinnt, kann die unbeseelte Natur beseeltem Leben und Geist nicht urspr¨unglich oder an sich zeitlich vorangehen, sondern allein ein Universum Selbstand beanspruchen, in dem Zentren selbsthaften Lebens real sind. Da Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens jedoch nur lokal in teleologisch organisierten Ausschnitten des Naturkontinuums hervortreten k¨onnen, das ihrer eigenen Seinsweise eingeschriebene gerichtete Sichentwickeln unreflektiert auf die Natur im Ganzen projizieren und sich so eine unabh¨angig vom Geist bestehende Natur voraussetzen, gibt es f¨ur Zentren geistigen Lebens in einem abk¨unftigen Sinn tats¨achlich Zeiten, die der Wirklichkeit beseelten und geistigen Lebens im Universum vorausliegen10. Damit scheint es geistigem Leben zun¨achst notwendig so, als liege ihm unbeseeltes, nat¨urliches Sein zeitlich voraus, weil es das seinem eigenen Wesen unreflektiert und unkontrollierbar eingeschriebene, gerichtete Sichentwickeln unbesehen auf die ungerichtete C-Zeit des Naturkontinuums projiziert. Geist ist damit das absolut Erste“, insofern ” das Naturkontinuum als Blockuniversum keinen Selbstand hat, sondern nur ein solches Universum real sein kann, das die durch die logische Idee vorgezeich9 10
20,38124–3823. Vgl. oben Abschnitt 3.5.3.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
nete Vollgestalt des Seins als Prozess selbstbestimmter Befreiung realisiert und in dem damit notwendig Zentren selbsthaften Lebens auftreten. Die Natur hat damit keinen letzten Selbstand, und eine Welt, in der nicht irgendwo Geist real ist, ist daher unm¨oglich. Zwar spricht Hegel im §381 der Berliner Enzyklop¨adie davon, die Natur sei im Geist als ihrer Wahrheit verschwunden“. Dies ist, dem Rhythmus dialek” tischer Entwicklung und der Bestimmtheit der Negation gem¨aß, aber nicht so aufzufassen, als werde die Natur damit abstrakt negiert: Vielmehr muss sie als unselbst¨andiger Aspekt des Geistigen erhalten sein. Denn dass Geist die Wahr” heit“ der Natur sei, ist Hegels technischer Ausdruck daf¨ur, dass sich die Natur von sich her als unselbst¨andig ausweist und im Geist zu einem untergeordneten Aspekt eines u¨ bergreifenden Ganzen herabgesetzt ist. Da die Realisierung des Geistes den Prozess einbeziehender Verwandlung des Naturkontinuums in eine Welt der Gegenst¨ande und Tatsachen markiert, kann die Natur mit dem Auftritt des Geistes nicht abrupt verschwinden, weil der Geist sonst gerade nicht den Befreiungs- und Gestaltungsprozess bildete, der ihn gem¨aß seiner ontologischen Form als Idee charakterisiert. Im Zuge dieses Prozesses wird das unartikulierte Sein bloßer Natur auf doppelte Weise in geistiges Sein aufgehoben: Durch ihre naturwissenschaftliche Artikulation als gesetzlich geregelter Zusammenhang – die wissenschaftliche erkl¨arte Natur als Teilbereich der geistigen Welt im weiteren Sinne – und durch ihre Verwandlung in eine bedeutungsvolle, gemeinsame geistige Welt im engeren Sinne. Wie aus §381 hervorgeht, kann Geist damit nicht ohne ein nat¨urliches Moment gefasst werden. Denn Hegel bestimmt ihn seiner ontologischen Form nach als die reale Idee, deren Object ” ebensowohl als das Subject der Begriff ist“ und fasst ihn damit als integrative Einheit von selbstbez¨uglichem (Sich)Bestimmen und nat¨urlichem Sein, in Gestalt dessen der Begriff gerade seine vollkommene a¨ ußerliche Objektivit¨at“ ” hat. Geist ist so der Prozess verwandelnd-aufhebenden Einbeziehen des zerstreuten Naturkontinuums in einen Zusammenhang selbstbez¨uglichen (Sich) Bestimmens und beinhaltet so ein Zusammennehmen des nat¨urlichen Außereinander in ein selbstbestimmtes, begrifflich artikuliertes Ineinander. Insofern Geist aber nur in und an materiellem Außereinander hervortritt, markiert er damit kein bloß Innerliches, sondern das Ineinander des Außereinander oder den Hervortritt von Innerlichkeit und begrifflicher Artikulation in und an Materiellem. Geist ist also entsprechend seiner ontologischen Vorzeichnung durch die logische Idee selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das in und aus dem Naturkontinuum hervortritt, in seinen selbstbestimmten Vollz¨ugen einbeziehendverwandelnd auf dieses u¨ bergreift und es erkennend, handelnd und verstehend zu einer in diskrete Gegenst¨ande und Tatsachen gegliederten, durch inter-
4.2. Zu-sich-gekommene und zu-sich-kommende reale Selbstbestimmung (Geist)
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ne Ausschluss- und Folgebeziehungen gepr¨agten, bedeutungsvollen Welt des Geistes artikuliert und gestaltet. Wenn sowohl die Innerlichkeit des Begriffs – das Logisch-Ideelle – wie das durch begriffliche Artikulation verwandelte Nat¨urlich-Materielle bloß als unselbst¨andige Aspekte des Geistes Bestand haben sollen, ist genauer anzugeben, inwiefern ihnen kein (letzter) Selbstand unabh¨angig vom Geist zukommen kann. Die Natur ist sowohl global unselbst¨andig, insofern in und aus ihr notwendig Geist hervortritt, der sie in eine Welt diskreter Gegenst¨ande und Tatsachen verwandelt, als auch lokal, insofern das nat¨urliche Raum-Zeit-Kontinuum nicht von sich her eindeutig in diskrete Einheiten organisiert ist, sondern sich solche nur durch begriffliche Artikulation und Integration von Ausschnitten desselben herauskristallisieren – zun¨achst in Gestalt lebendiger Individuen als Zentren unreflektierten Sichbestimmens, die Hegel durch den Ausdruck Na” turgeist“ kennzeichnet11 . Umgekehrt subsistiert auch kein begrifflich-ideelles Ineinander an sich, sondern das Logische kann, weil sich die Idee immer schon zeitlos ent¨außert hat, nur an materiellem Außereinander und damit notwendig zeichenvermittelt aufscheinen. Das Aufscheinen von Innerlichkeit am Außereinander meint nicht, Geist sei etwas grunds¨atzlich Privates, sondern nur, dass an dadurch verwandelter, als solche zum Verschwinden gebrachter Materialit¨at interne Beziehungen zur Abhebung kommen, was f¨ur eine Skulptur, ein Theaterst¨uck oder einen Roman auf ganz andere Weise der Fall ist als f¨ur einen Seheindruck oder eine Schmerzempfindung. Die Innerlichkeit der Empfindung ist daher bloß Durchgangsstelle f¨ur die Integration des raum-zeitlichen Außereinander zu einer gemeinsamen Welt des Geistes. Dass Geist aber keine abstrakte Negation der Natur ist, sondern einen nat¨urlichen Aspekt einschließt, ergibt sich daraus, dass Hegel in §381 betont, im Geist sei die Ent¨außerung des Begriffs zur Natur aufgehoben“, letztere also ” gerade nicht spurlos verschwunden12. Weil die Realit¨at des Geistes zugleich an von der Logik des objektiven Begriffs vorgezeichnete Voraussetzungen – eine spezifische mechanische, chemische und teleologische Organisation des RaumZeit-Kontinuums – gebunden ist, kann Geist zun¨achst nur lokal in Gestalt leibhaftiger Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten. Da der Hervortritt solcher Zentren an die Organisationsform beseelten Lebens gebunden ist, tritt Geist als leibhaftiges (Sich)Bestimmen notwendig in einer Generationsfolge auf. Dies bedeutet zugleich, dass Geist nicht unmittelbar auf das Ganze ausgreift, sondern sich zun¨achst nur lokal in Form einer Mehrzahl von Zentren eigenleiblichen Sichsp¨urens realisiert. Entsprechend besteht das Naturkontinu11
TW10,38; TW10,54. Sogar f¨ur das reine Denken gilt daher: Selbst diese Unmittelbarkeit des denkenden ” Beisichseins enth¨alt Leiblichkeit (Ungewohntheit und lange Fortsetzung des Denkens macht 25−28 Kopfweh)“[20,418 ]. 12
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um ungeachtet seiner Aufhebung in Geist zugleich weiterhin als Sph¨are, in und aus der heraus leibhaftige Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten. Entsprechend betont Hegel in §381, der Begriff habe als Geist seine Ent¨außerung aufgehoben und sei in dieser“ mit sich identisch geworden. Dass ” die Vollgestalt des Realen Geist ist, bedeutet damit, dass notwendigerweise in und aus dem Naturkontinuum Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten. Diese bilden zun¨achst jedoch eine Mannigfaltigkeit von Zentren bloß beseelten Lebens13 . Entsprechend der logischen Stufenfolge vom bloß beseelten Leben u¨ ber das endliche Erkennen und Handeln hin zur absoluten Idee haben Zentren bloß beseelten Lebens, von denen die Geistphilosophie auszugehen hat, es aber an sich, nicht auf ihre unmittelbare leibliche Selbstbeziehung eingeschr¨ankt zu bleiben, sondern sich gem¨aß der ontologischen Form der Idee in einem geschichtlichen Prozess zu Formen erkennenden und handelnden Ausgreifens auf das Objektkontinuum auszulegen, sich auf das aufs Ganze ausgreifende geistige Leben, an dem sie teilhaben, als Gestaltung des Unbedingten zu beziehen und so die h¨ochste Form von Freiheit als Selbstbeziehung-im-Anderen zu realisieren14 . Die gerichtete, geschichtliche Zeit des Geistes l¨asst sich als konkrete ¨ Uberlagerung des nat¨urlichen Außereinander mit dem gerichteten (Sich)Bestimmen verstehen, das f¨ur den logischen Begriff konstitutiv ist. W¨ahrend das ¨ logische Sichbestimmen frei von Außerlichkeit ist und darum jede entwickeltere Kategorie alle vorangegangen in sich aspekthaft aufbewahrt, ist geistiges ¨ (Sich)Bestimmen, von der Außerlichkeit der Natur bedingt, wesentlich dadurch zeitlich, dass es zu ihm geh¨ort, einbezogene Bestimmtheit im Zuge seiner Ent¨ wicklung hinter sich zur¨uck und in die Außerlichkeit frei zu lassen. Da geistiges (Sich)Bestimmen es aber an sich hat, sich zu einem durch inter13 Vgl. Wie das Licht in eine unendliche Menge von Sternen zerspringt, so zerspringt ” auch die allgemeine Naturseele in eine unendliche Menge von individuellen Seelen, nur mit dem Unterschiede, daß, w¨ahrend das Licht den Schein eines von den Sternen unabh¨angigen Bestehens hat, die allgemeine Naturseele bloß in den einzelnen Seelen zur Wirklichkeit kommt“ [TW10,50 Z.]. 14 Entsprechend der geschichtlichen Natur des Geistes schreibt Hegel von diesem zwar, dass seine absolute Bestimmung die wirksame Vernunft, d. i. der sich bestimmende und reali” sierende Begriff selbst, die Freiheit ist“ [20,53025−27]. In seiner Unmittelbarkeit ist der Geist ” aber nur an sich, dem Begriffe oder der M¨oglichkeit nach, noch nicht der Wirklichkeit nach frei; die wirkliche Freiheit ist also nicht etwas unmittelbar im Geiste Seiendes, sondern etwas durch seine T¨atigkeit Hervorzubringendes. So als den Hervorbringer seiner Freiheit haben wir in der Wissenschaft den Geist zu betrachten. Die ganze Entwicklung des Begriffs des Geistes stellt nur das Sichfreimachen von allen seinem Begriffe nicht entsprechenden Formen seines Daseins dar; eine Befreiung, welche dadurch zustande kommt, daß diese Formen zu einer dem Begriffe des Geistes vollkommen angemessenen Wirklichkeit umgebildet werden“ [TW10,27 Z.]. Irgendwo im Zuge dieser Umbildung steht der Geist, wie wir ihn kennen. Die R¨atselhaftigkeit dieser Umbildung besteht aber darin, dass wir sie nicht einmal abstrakt zu u¨ berblicken verm¨ogen, weil sie sich nicht (einfach) als linearer, zeitlicher Fortschritt verstehen l¨asst, vgl. unten Abschnitt 4.7.
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ne, inferentielle Beziehungen gepr¨agten Zusammenhang begrifflicher Gehalte auszulegen, kann es auch als Geist das einmal Erreichte im Zuge seiner selbstbestimmten Auslegung zu Neuem nicht einfach zur¨ucklassen – sonst w¨are es geschichtslos –, sondern vielmehr muss geistiges (Sich)Bestimmen das, was es verl¨asst, wenigstens partiell aufbewahren. Im Wesen des Geistes liegen daher zugleich Erinnerung und Vergessen15 . Da erst ein nomologisch determinierter Raum-Zeit-Spielraum, in und aus dem irreduzibel Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten, die ihn durch ihre begrifflichen Vollz¨uge zu einer artikulierten Welt des Geistes gestalten, den Vollbegriff des Realen ausmacht, ist diese Welt als das sich entwickelnde Allgemeine unbedingt und bildet allein ihre eigene Voraussetzung. Als einzelne, endliche Selbstbestimmungszentren haben leibhaftige Subjekte, weil sie ein Natur- und Zufallsmoment einschließen, dagegen kein Bestehen durch und aus sich heraus, sondern Bedingungen im Naturkontinuum, die sie als einzelne nicht gesetzt haben und u¨ ber die sie nicht verf¨ugen, und sind in ihren Vollz¨ugen zugleich auf vorgegebene geistige Zusammenh¨ange angewiesen, an denen sie zwar beitragend Anteil nehmen, ohne sie aus eigener Kraft hervorbringen zu k¨onnen. So ist Geist als reales, sich entwickelndes Allgemeines zwar unbedingt, weil die irreduzible Vollgestalt des Wirklichen geistig und die besonderen Gestalten des Allgemeinen als solche Ausdruck selbstbez¨uglichen Sichbestimmens sind, das auf nichts anderes zur¨uckgef¨uhrt werden kann als sich selbst. Da das Allgemeine seinen realen Bestand aber nicht ohne ein Moment der Vereinzelung hat, einzelne Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens aber Bedingungen in Nat¨urlichem haben, die sie selbst nicht gesetzt haben, existiert Geist in seiner Vereinzelung nur, insofern er durch von ihm selbst nicht Gesetztes bedingt ist. Insofern in den besonderen Vollz¨ugen vereinzelter Zentren geistigen (Sich)Bestimmens, deren operationalem Wesen gem¨aß, jedoch u¨ berindividuelle Vernunft oder bestimmte Allgemeinheit als solche Gestalt gewinnt, tr¨agt jedes seinen ebenso sehr untergeordneten wie unverzichtbaren Teil zur Artikulation dessen bei, was, als Geistiges, nur aus sich heraus verstanden werden kann und insofern unbedingt ist. Zwar treten Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens als lebendige Individuen zun¨achst notwendig als pr¨areflexiv-pr¨apropositionale, leibseelische Einheiten innerhalb eines durch die ontologische Form des Gattungsprozesses 15 Dabei besteht die Endlichkeit des Geistes in der Unangemessenheit des Verh¨ altnisses von Erinnerung und Vergessen, da solches verschwindet, was wert ist, bewahrt zu werden, und solches bewahrt wird, dessen Verschwinden kein Verlust w¨are. Die absolute Idee ist jedoch das abstrakte ontologische Versprechen, dass dieses Missverh¨altnis nichts Endg¨ultiges ist, sondern alles von unbedingtem Wert und unbedingter Geltung, was Zentren geistigen Lebens in ihren zeitlichen Vollz¨ugen artikulieren, an unverg¨anglichem Leben“ Anteil hat [vgl. 12,23619], ” w¨ahrend alles, wof¨ur dies nicht gilt, hinschwindet und das Endliche damit ein Ende nimmt.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
gepr¨agten Generationszusammenhangs auf. In unseren Ausf¨uhrungen zur Begriffslogik war aber schon auf die M¨oglichkeit urspr¨unglichen Mitlebens mit anderen hingewiesen worden, die sich real in gewachsenen Praxisformen auspr¨agt. Insofern Zentren bloß beseelten Lebens zwischen solchem, was ihren eigenen Vollz¨ugen widersteht, und solchem, was mit ihnen mitgeht, zu unterscheiden verm¨ogen, sind leibhaftige Subjekte an sich zwar Individuen, beziehen sich darum aber nicht auch urspr¨unglich auf sich als Individuen, w¨ahrend sie sich auf andere Lebenszentren als solche vermeintlich nur nachtr¨aglich und inferentiell vermittelt beziehen. Vielmehr ist die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem f¨ur ein solches Zentrum urspr¨unglicher als diejenige zwischen sich als Individuum und allem anderem. Deshalb bilden reale Zentren geistigen Lebens von vornherein keine Enklaven im Naturkontinuum, aus dem sie leibhaft hervortreten; vielmehr pr¨agt Geist sich von vornherein als Mitleben in einer Gemeinschaft mehrerer Zentren geistigen Lebens aus. Objektiven Geist“ nennt Hegel die gemeinsame geschichtliche Welt ei” ner Mannigfaltigkeit von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, insofern diese sich an allgemeinverbindlichen Normen des Mitlebens orientieren und solche von ihnen selbst unterschiedene Gestalten des Geistes ausbilden, die weltseitiger Ausdruck ihres (Sich)Bestimmens sind, etwa Artefakte und Institutionen. Da Geist sein Dasein vom unentwickelten Keimpunkt beseelten Lebens her in einer Mannigfaltigkeit an sich individueller Zentren leibhaftigen (Sich)Bestimmens hat, die f¨ur sich jedoch urspr¨unglich aufeinander bezogen sind und so eine Gemeinschaft des Geistes bilden, in und aus der sie sich erst nachtr¨aglich r¨uckbeziehend als reflektierte Einzelne aussondern, sind Subjektivit¨at und Intersubjektivit¨at im Geist in ihrer Unterschiedenheit zugleich unaufhebbar verf¨ugt16 . Daher meint Geist grunds¨atzlich nichts, was auf eine private Innerlichkeit einzelner Subjekte beschr¨ankt w¨are, sondern markiert wesentlich die Verfassung einer gemeinsamen Welt. Die zeitlose Selbstauslegung des Logischen zur Realit¨at des nat¨urlich verwurzelten Geistes, der sich als leibhaft gestaltete selbstanwendende Operationalit¨at zeitlich entwickelt, bringt es mit sich, dass das Logische sich als Inbegriff reinen, sich auf sich beziehenden Denkens, dessen Formen nach Gehalt und Geltung zeitlos sind, real wesentlich in einer geschichtlichen Entwicklung auspr¨agt17 . Ihrer logischen Wurzel gem¨aß verm¨ogen Zentren geistigen Lebens in 16 In der Ph¨anomenologie dr¨uckt Hegel dies so aus, Geist sei die absolute Substanz, wel” che in der vollkommenen Freyheit und Selbst¨andigkeit ihres Gegensatzes, nemlich verschiedener f¨ur sich seyender Selbstbewußtseyn, die Einheit derselben ist; Ich, das Wir, und Wir, das Ich ist“ [9,10836−39]. 17 Axel Hutter bringt diesen Zusammenhang folgendermaßen auf den Punkt: So un” zweideutig Hegel am rationalen Charakter des Selbstdenkens festh¨alt, so sehr ist er auch der ¨ Uberzeugung, dass sich die konkrete Freiheit der Vernunft allein durch die Geschichte hindurch zu bilden vermag. Die Wissenschaft der Logik auf der einen Seite und die Vorlesungen
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ihren geschichtlichen Vollz¨ugen jedoch solches zu artikulieren, was unbedingten Wert und allgemeine Geltung beanspruchen kann und insofern die Macht der Zeit aufhebt. Gegen¨uber g¨angigen Auffassungen von Zeit und Geschichte ist dabei zweierlei zu betonen: Zum einen sind Zentren geistigen Lebens nicht in die Zeit als einen Ablauf hineingestellt, der sich auch unabh¨angig von ihnen vollziehen k¨onnte, sondern das der Zeit eigene, gerichtete Verfließen entspringt, obwohl unreflektiert und unaufhaltsam, in ihnen selbst, da erst leibhaftiges, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen einsinnige Entwicklung ins Naturkontinuum bringt18 . Zum anderen reicht die Geschichte des Geistes u¨ ber die zeitliche Geschichte im engeren Sinn hinaus19 . Denn erstens ist das Logische durch eine immanente Ordnung gepr¨agt, die, insofern sich die logische Idee immer schon zeitlos zu zeitlicher Realit¨at ausgelegt hat, sozusagen die ideale, zeitlose Vorgeschichte realer, zeitlicher Geschichte abgibt. Wenn Geist sich umgekehrt zwar zeitlich entwickelt, in seinen zeitlichen Vollz¨ugen aber zugleich solches Gestalt werden l¨asst, was allgemeine und darum unverg¨angliche Geltung hat, muss er zugleich Zeit erf¨ullen und aufheben k¨onnen, obgleich sich solche Aufhebung von Zeit in geschichtlich ges¨attigte Ewigkeit in der Geschichte, wie wir sie – als endlicher, partikularisierter Geist – kennen, nur punktuell und gebrochen
zur Philosophie der Geschichte sowie zur Geschichte der Philosophie auf der anderen Seite geh¨oren deshalb aus systematischen Gr¨unden zusammen“ [H UTTER 2006b: 12; Hervorhebung C. M.]. 18 Der Zeitfluss ist damit die minimale Vollzugsform selbstanwendender Operationalit¨ at oder selbstbez¨ugliches Sichbestimmen gleichsam im Leerlauf: N¨aher nun geh¨ort das wirkliche ” Ich selber der Zeit an, mit der es, wenn wir von dem konkreten Inhalt des Bewußtseins und Selbstbewußtseins abstrahieren, zusammenf¨allt, insofern es nichts ist als diese leere Bewegung, sich als ein Anderes zu setzen und diese Ver¨anderung aufzuheben, d. h. sich selbst, das Ich und nur das Ich als solches darin zu erhalten“ [TW15,156]. 19 Damit schließen wir an Theunissens These an: Die Weltgeschichte, der allein wir ” zun¨achst den Namen Geschichte‘ beizulegen bereit sind, deutet Hegel im Horizont ei’ ner Geschichte, die wir in unserem gew¨ohnlichen Verst¨andnis gar nicht als solche kennen“ [T HEUNISSEN 1970: 70]. Zwar weist auch die vorliegende Rekonstruktion darauf, dass f¨ur Hegel, wie Theunissen ausf¨uhrt zwischen Geschichtlichkeit und Ewigkeit [...] durchaus kein ” unaufhebbarer Widerspruch besteht“ [T HEUNISSEN 1970: 72]. Allerdings weicht sie darin von Theunissens Deutung ab, dass sie die ewige Geschichte des Geistes rein begrifflich zu fassen versucht und daher vielleicht blasser zeichnet als Theunissen, der sich in unseren Augen zu stark auf religi¨ose Vorstellungen und Ausdrucksweisen beruft – und zwar Hegels eigener epistemologischer Priorisierung der Philosophie entgegen [vgl. 12,23628−29]. Die von Hegel behauptete Gegenstandsgleichheit von Philosophie und Religion [vgl. 20,396−11] kann von Seiten der Philosophie aus n¨amlich kein Freibrief daf¨ur sein, philosophische Argumentation in religi¨ose Rede zu u¨ bersetzen oder sich einfach auf die Wahrheit religi¨oser Vorstellungen zu berufen. Dies bedeutet nicht, die Philosophie k¨onne solche Vorstellungen nicht ernstnehmen. Aber sie kann es nur von der Warte rein begrifflicher Entwicklung aus, die als solche wenigstens den Anspruch erhebt, auch solche Gem¨uter argumentativ zu u¨ berzeugen, die religi¨os unempf¨anglich sind.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
ereignet, ohne dass der reißende Fluss der Zeit in den Tag erf¨ullter Gegenwart stillgestellt w¨are. Geist ist deshalb im engeren, zeitlichen Sinn geschichtlich, weil er in seiner realen Vereinzelung notwendig punktuell, unentfaltet und unreflektiert als leibhaftiges, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen beginnen muss, das sich gem¨aß der durch die Begriffslogik vorgezeichneten Stufen entwickelt. Entsprechend beginnt Hegels Geistphilosophie mit rudiment¨aren Formen seelischen Seins, wie etwa Wachen und Schlafen, Empfindung, Selbstbewegung etc. Dass Geist im Zuge seiner geschichtlichen Entwicklung notwendig bestimmte, durch die Logik der Idee apriorisch vorgezeichnete Formen realisieren und auspr¨agen muss, bedeutet nicht, es sei apriorisch angebbar, wo, wann und wie diese Formen reale Besonderung und einzelne Gestalt annehmen. So l¨asst sich apriorisch etwa nur angeben, dass Geist im Zuge seiner Entwicklung irgendwann die F¨ahigkeit zu zeichenvermittelter Artikulation von Urteilen auspr¨agen muss, nicht aber, wann, wo und wie lebendige Individuen eine Praxis des Behauptens auszubilden beginnen. Die Entwicklung des Geistes ist daher auch nur im Allgemeinen, nicht aber im Besonderen und Einzelnen durch apriorisch notwendige Aspekte gepr¨agt. Aus der Logik ergeben sich daher nur offene Existenzs¨atze, welche die Notwendigkeit der realen Auspr¨agung ontologischer Formen behaupten, nicht aber die Existenz von bestimmtem Einzelnem, das solche Formen vermeintlich notwendigerweise auspr¨agt. Schon deshalb, weil ihre einzelnen Vollz¨uge apriorisch grunds¨atzlich nicht ableitbar sind, k¨onnen individuelle Subjekte in diesen Vollz¨ugen auch nicht die Opfer“ einer von Hegel ” angeblich verabsolutierten Vernunft sein20 . Dass Geist in seiner realen Entwicklung bestimmte apriorisch vorgezeichnete Formen selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens realisiert und ihnen entsprechende Gestalten auspr¨agt, bedeutet auch deshalb keine fremdbestimmte Einschr¨ankung invividueller Autonomie, weil diese Entwicklung und Gestaltung in der irreduzibel sch¨opferischen Auspr¨agung von Formen besteht, die leibhaftigen Subjekten als Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens aufgrund ihrer operationalen Kapazit¨at inh¨arent und daher Bedingungen daf¨ur sind, ihrer eigenen Lebensform gem¨aße Weisen sch¨opferischer Freiheit zu realisieren. Dass die Entwicklung des Geistes in ihren allgemeinsten Formen notwendig ist, bedeutet so nur, dass sich in ihr solche Formen von Selbstbestimmung realisieren, verm¨oge derer einzelne Vollz¨uge frei und auf rationale Weise sch¨opferisch sein k¨onnen21 . Die Einschr¨ankung von M¨oglichkeiten, die mit solcher Rea20
Dass solches aus Hegels Vernunftbegriff folge, behauptet etwa H ORSTMANN 1999:
281. 21
Brandom hat diesen Zusammenhang in einem fr¨uhen Aufsatz auf die Formel freedom ” as constraint by norms“ [B RANDOM 1979] gebracht, wobei constraint als self-constraint zu verstehen ist, der von Hegel her begriffslogisch zu fassen ist, also echte Allgemeing¨ultigkeit an Besonderung und Vereinzelung bindet.
4.3. Zur Methode der Realphilosophie
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lisierung verbunden ist, etwa die der M¨oglichkeiten willk¨urlicher Artikulation von Lauten im sinnvollen Sprechen, er¨offnet so erst einen Spielraum, in dem selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen sich selbst etwas bedeuten kann, und tr¨agt damit zur Verwirklichung von Freiheit bei. In den Gestalten des subjektiven, objektiven und absoluten Geistes erschließt sich reales, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen daher konkrete Spielr¨aume sch¨opferischer Entfaltung und freier Selbstbeziehung-im-anderen, die f¨ur es gerade nicht bestehen, solange es nur punktuell auf seine Leiblichkeit eingeschr¨ankt ist. Der Entwicklung des Geistes ist dabei apriorisch nur eine abstrakte Stufenfolge vorgezeichnet, w¨ahrend sie, weil reales selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen die operationale Kapazit¨at zur Artikulation und Gestaltung inkalkulabel neuer Bestimmtheit einschließt, in concreto apriorisch gerade nicht vorausberechenbar ist. Gerade darin besteht die sch¨opferische Macht des Geistes, sich im Ausgang von zuf¨alligen Voraussetzungen zu zugleich unvorhersehbaren und bedeutsamen, weil schlechthin geltenden Gestalten auszulegen.
4.3 Zur Methode der Realphilosophie ¨ Insofern mit dem Ubergang von der Logik zur Realphilosophie ausdr¨ucklich Anschauung und Zufall, damit aber ein notwendig empirisches Moment ins Spiel kommen, wird sich die Methode der Realphilosophie von derjenigen der Logik unterscheiden m¨ussen. Allerdings m¨ussen auch der Natur- und der Geistbegriff Bestimmungen sein, die immanent im Denken entfaltet werden k¨onnen, weil auch sie Formen selbstanwendender Operationalit¨at sind. So ist die Natur als bestimmte Negation reiner, selbstanwendender Operationalit¨at bestimmt, der Geist als konkrete Einheit von selbstanwendender Operationalit¨at und ihrer bestimmten Negation. Da sich das Logische in seiner zeitlosen Selbstauslegung zur Realit¨at aber durch ein Kontingenzmoment bricht, muss auch die denkende Entfaltung realphilosophischer Begriffe durch ein solches Moment gepr¨agt sein. Eine l¨uckenlose, apriorische Begriffsentwicklung ist in der Realphilosophie anders als in der Logik damit nicht nur nicht zu verlangen, sondern w¨are ihrem Gegenstand unangemessen. Die Methode der Realphilosophie kann aber umgekehrt auch nicht einfach darin bestehen, zu den in der Logik apriorisch entwickelten Formen empirische Ph¨anomene aufzusuchen, die sie real auspr¨agen. Da auch zu realphilosophischer Dialektik als solcher immanente begriffliche Entwicklung geh¨ort, kann sie nicht nur darin bestehen, die bereits apriorisch entwickelte Formen empirisch auszuweisen, sondern muss sie begrifflich konkretisieren, ohne sie rein begrifflich konkretisieren zu k¨onnen, weshalb Realphilosophie nichts anderes sein kann als philosophische Empirie. Entsprechend straft Hegel in seinen realphilosophischen Vorlesungen
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
die Unterstellung eines um Empirie und ph¨anomenale Konkretion unbek¨ummerten Fortschreitens L¨ugen, indem er dialektische Begriffsentwicklungen ph¨anomenal unterf¨uttert. Dies bedeutet, dass zur Realphilosophie erstens dialektische Begriffsentwicklungen geh¨oren, die darum, weil sich das Begriffliche real nur gebrochen entfaltet, Bestimmungen aufnehmen m¨ussen, die sich nicht apriorisch, sondern nur ph¨anomenal ausweisen lassen. Da sich der Begriff real im Modus geschichtlicher Zeit entwickelt, kann Realphilosophie zweitens die Form einer rationalen Rekonstruktion geschichtlicher Prozesse annehmen und sich so als genuin philosophische Geschichte auspr¨agen. Beides l¨asst sich ¨ gut an Hegels Vorlesungen u¨ ber Asthetik verdeutlichen. Denn einerseits l¨asst sich Hegels Einteilung des Systems der K¨unste“ in Architektur, Skulptur, Ma” lerei, Musik und Poesie nicht a priori deduzieren. Andererseits versucht sich seine Darstellung der Kunstformen“ als geschichtlicher Bewegung der sym” bolischen, klassischen und romantischen Kunst an einer philosophischen Rekonstruktion der geschichtlichen Entwicklung von Kunst. ¨ Weil mit dem Ubergang von der Logik zur Realphilosophie Anschauung und Empirie ausdr¨ucklich ins Spiel kommen, m¨ussen realphilosophische Begriffe selbst dort, wo sie sich rein immanent ergeben, durch Bezug auf empirische Ph¨anomene ausgewiesen werden, indem gezeigt wird, dass und wie sie sich in diesen auspr¨agen. Andernfalls w¨urde nicht einsichtig, welche reale Bedeutung die dialektisch entwickelten Formen u¨ berhaupt haben. Entsprechend k¨onnen in der Realphilosophie gar nicht unmittelbar Begriffe wie der des Raumes, der Zeit oder der Materie hergeleitet werden, sondern nur Formbestimmungen, von denen erst nachzuweisen ist, dass sie gel¨aufige Vorstellungen von Raum, Zeit oder Materie auf den Begriff bringen. So ist etwa die erste Bestimmung der Realphilosophie das unmittelbare Außereinander, das sich aus der Selbstauslegung der Totalit¨at der Gestalten logischen Sichbestimmens ergibt. Dass dies der Inbegriff des Raumes ist, ist damit aber nicht unmittelbar ersichtlich, sondern erst nachzuweisen22 . Sollen realphilosophisch entwickelte Begriffe Grundz¨uge des Realen verst¨andlich machen, muss sich zwischen solchen Formen und allt¨aglichen oder ¨ wissenschaftlichen Vorstellungen bestimmter Ph¨anomene ein Ubersetzungsverh¨altnis herstellen lassen. Denn solche Formen sollen etwas an einer bereits allt¨aglich oder wissenschaftlich vertrauten Realit¨at begrifflich einholen, ohne schon Bekanntes einfach zu wiederholen. Deshalb muss sich das begriffliche Korrelat einer gew¨ohnlichen Vorstellung von dieser zugleich unterscheiden. Entsprechend gen¨ugt es realphilosophisch nicht, bloß zu behaupten, als 22
Hegel betont entsprechend: Es ist schon erinnert worden, daß, außerdem daß der Ge” genstand nach seiner Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange anzugeben ist, noch weiter die empirische Erscheinung, welche derselben entspricht, namhaft zu machen und von ihr aufzuzeigen ist, daß sie jener in der Tat entspricht“ [20,23619−24].
4.3. Zur Methode der Realphilosophie
629
n¨achstes ergebe sich etwa der Begriff der Empfindung oder des Eigentums, sondern vielmehr ist nachzuweisen, was eine begriffliche Formbestimmung derart mit u¨ blichen Vorstellungen von Empfindung oder Eigentum verbindet, dass sie als deren systemische Entsprechung gelten kann, und was sie zugleich von solchen u¨ blichen Auffassungen unterscheidet, dass sie das betreffende Ph¨anomen nicht nur begrifflich verklausuliert, sondern solches an ihm begreifbar macht, was an ihm zuvor unbegriffen war. Die philosophische Aufgabe, empirische Entsprechungen zu immanent entwickelten, begrifflichen Formen anzugeben, bedeutet nicht, die entsprechenden Ph¨anomene selbst empirisch auffinden und beschreiben zu m¨ussen, sondern vielmehr m¨ussen hier die empirischen Wissenschaften schon vorgearbeitet haben23 . Dabei l¨asst Hegels Begriff der Realphilosophie den empirischen Wissenschaften ihre Eigenst¨andigkeit und droht nicht mit dem u¨ berzogenen Anspruch, sie in das System einer vermeintlichen, apriorischen Einheitswissenschaft zu integrieren. Denn in der Begriffslogik hat sich bereits eine strikte Unterteilung der Wissensformen in analytisches und synthetisches Erkennen einerseits und die dialektische Methode andererseits ergeben, welche der Philosophie eigent¨umlich ist. Zugleich ergibt sich aus dem Begriff der Realphilosophie nicht nur die Notwendigkeit einer Arbeitsteilung zwischen Realphilosophie und empirischen Wissenschaften, sondern auch die theoretische Forderung nach ihrem wechselseitigen, produktiven Zusammenspiel auf Grundlage der bleibenden Eigenst¨andigkeit beider Erkenntnisformen. So hat Realphilosophie deshalb empirisch informiert zu sein, weil es zu ihrer Methode geh¨ort, dialektisch entwickelte Formbegriffe in Entsprechungsverh¨altnisse zu realen Ph¨anomenen zu setzen, deren empirische Aufarbeitung sie selbst nicht zu leisten, sondern aus den Einzelwissenschaften aufzunehmen hat. Eine festgestellte Nichtentsprechung von begrifflich Entwickeltem und empirisch Aufgearbeitetem kann dabei durchaus auf das Konto begrifflicher Entwicklung gehen und deren Korrektur n¨otig machen. Umgekehrt kann es sich aber auch ergeben, dass bestimmte Ph¨anomene nach ihrer kategorialen Form, die in den empirischen Wissenschaften angesichts des Reichtums konkreter Bestimmtheit m¨oglicherweise nicht in den Blick kommt, erst philosophisch angemessen expliziert werden. Die Philosophie vermag so zwar apriorisch, ontologische Formen wie den Begriff des Lebendigen oder den des Geistes anzugeben, die in den Einzel23 So f¨ uhrt Hegel aus: Die empirischen Wissenschaften bleiben einerseits nicht bei dem ” Wahrnehmen der Einzelheiten der Erscheinung stehen, sondern denkend haben sie der Philosophie den Stoff entgegengearbeitet, indem sie die allgemeinen Bestimmungen, Gattungen und Gesetze finden; sie vorbereiten so jenen Inhalt des Besonderen dazu, in die Philosophie aufgenommen werden zu k¨onnen. Andererseits enthalten sie damit die N¨otigung f¨ur das Denken, selbst zu diesen konkreten Bestimmungen fortzugehen. Das Aufnehmen dieses Inhalts, in dem durch das Denken die noch anklebende Unmittelbarkeit und das Gegebensein aufgehoben wird, ist zugleich ein Entwickeln des Denkens aus sich selbst“ [TW8,57f. Z.].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
wissenschaften de facto weder zureichend reflektiert noch voraussetzungslos hergeleitet werden k¨onnen. Dies bedeutet aber nicht, den empirischen Wissenschaften bleibe an sich nur, ein geschlossenes System apriorischer Vorgaben der Philosophie in seinen besonderen empirischen Ausfaltungen zu betrachten. Da sich das Logische real n¨amlich gebrochen auspr¨agt, sind nicht nur konkrete Einzelph¨anomene mit Kontingenz infiziert, sondern das ihnen entsprechende Allgemeine tritt – aufgrund des internen Zusammenhangs von Einzelheit und Allgemeinheit – selbst fragmentiert auf. Darin liegt aber, dass es neben der Realphilosophie, welche die immanente Entfaltung reinen Denkens, so weit wie m¨oglich, fortzutreiben sucht, methodisch grunds¨atzlich anders verfahrende Wissenschaften wie die Physik geben muss, die ihre eigene Form theoretischer Allgemeinheit haben, gem¨aß derer sie von vornherein auf Voraussetzungen rekurrieren, die sich nicht durch reines Denken einholen lassen, sondern ein Moment der Faktizit¨at einschließen.
4.4 Zum Status des Logischen und der Logik Vom Begriff des Geistes her l¨asst sich abschließend der Status des Logischen und der Logik in Hegels System beurteilen. Dabei ist die terminologische Unterscheidung zwischen der Logik und dem Logischen von entscheidender Bedeutung. Denn das Logische meint die in der Logik thematische Gesamtheit der von allem Bezug auf Empirie freien Gestalten reinen Sichbestimmens, deren Inbegriff die absolute Idee ist. Dagegen ist die Logik eine philosophische Disziplin und verdankt sich damit geistiger T¨atigkeit, zu deren realer Bestimmtheit Zeitlichkeit und Sprache geh¨oren. Das Logische, die Gesamtheit der reinen Formen selbstbez¨uglichen Sichbestimmen, kann, insofern es sich immer schon zeitlos zu Natur und Geist ausgelegt hat, kein eigenst¨andiges Bestehen in einem eigenen Reich abstrakter Entit¨aten haben24 . Zu diesem Punkt erkl¨art sich Hegel in aller Deutlichkeit, wenn er den scheinbar unmittelbaren Bestand des Logischen vom Ende der Geistphilosophie her eine Erscheinung“ nennt und in seinen Notizen zum absoluten ” Geist betont: Seyn und dessen Entwiklung nicht eine isolierte, abgesonderte Entwiklung neben dem u¨ brigen ” Reichtum der Natur Im Anfang – man will diesen Standpunkt unmittelbar nehmen “ 25 .
An sich hat sich das Logische aber immer schon zur raum-zeitlichen Realit¨at ausgelegt und in ihr verloren. Es ist darum aber weder eine Illusion noch on24 Entsprechend kann Hegel sagen, das System des Logischen sei ein Reich der Schatten“ ” [21,4230−32]. 25 AG,35.
4.4. Zum Status des Logischen und der Logik
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tologisch bedeutungslos, sondern gerade darum von h¨ochster Relevanz, weil es sich zeitlos zu einer zufallsbestimmten Sph¨are auslegt, die allein dank seiner nicht formlos ist, sondern sich gem¨aß der ihr logisch vorgezeichneten Formen organisiert und begreifen l¨asst. In Gestalt der nat¨urlichen und geistigen Realit¨at besteht das Logische gerade nicht als durchsichtige Totalit¨at reiner Begriffe. In der Logik kommt das Logische als solches jedoch zur Existenz, insofern es zum Geist als realem, selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmen geh¨ort, sich auf sein logisches Wesen zur¨uckzuwenden und dieses rein f¨ur sich zu (re)konstruiren. Das Logische als solches besteht daher zwar nirgendwo unmittelbar an sich, kommt als solches aber gerade in der Logik zur Existenz, insofern Zentren geistigen Sichbestimmens versuchen, ihre operationale Wurzel rein f¨ur sich herauszustellen und zu entfalten26 . Entsprechend erweist sich das Logische als solches von der Warte des Geistes aus als Resultat27 . Insofern es n¨amlich kein unmittelbares Ansichsein hat, etwa als Fregesches drittes Reich, sondern sich je schon zur raum-zeitlichen Realit¨at ent¨außert hat, besteht das Logische als solches ungeachtet seiner zeitlosen Geltung nirgendwo urspr¨unglich und unmittelbar, sondern gewinnt nur durch geistige Artikulation Bestehen. In seiner Urspr¨unglichkeit immer schon verloren, kommt das Logische als solches damit nur in Gestalt unserer (Re)Konstruktion dieses immer schon Verlorenen und damit im Philosophieren zur Existenz, zu dem als solchem Sprachlichkeit und Fallibilit¨at geh¨oren. Damit werden am Ende der Geistphilosophie die realen Voraussetzungen der Logik eingeholt, n¨amlich leibhaftige, zeitliche, sprachgebundene Denkt¨atigkeit, die in jedem Versuch, voraussetzungslos zu denken, zwar pragmatisch unterstellt ist, von der dabei aber zun¨achst methodisch abstrahiert wird, weil sonst gar kein thematisch voraussetzungsloses Denken angezielt w¨urde, und die darum erst in der Realphilosophie als solche eingeholt und thematisiert werden kann. Damit erhebt die Logik auch nicht den Anspruch, einem vermeintlich weltjenseitigen, reinen, g¨ottlichen Denken in die Karten blicken zu k¨onnen. Vielmehr hat das Logische, weil es sich immer schon zeitlos zur Realit¨at ausgelegt hat, seinen Ort als solches allein im nat¨urlich verwurzelten Geist und, rein f¨ur sich herausgestellt, in einer philosophischen Logik, verstanden als Disziplin des welthaften, falliblen Geistes, der versucht, rein zu denken, ohne dabei guten Ge26 Die Erhebung zu dieser Form geistiger T¨ atigkeit kennzeichnet Hegel folgendermaßen: Das Bewußtsein, als der erscheinende Geist, welcher sich auf seinem Wege von seiner Unmit” telbarkeit und a¨ usserlichen Concretion befreit, wird zum reinen Wissen, das sich jene reinen Wesenheiten selbst, wie sie an und f¨ur sich sind, zum Gegenstand gibt. Sie sind die reinen Gedanken, der sein Wesen denkende Geist. Ihre Selbstbewegung ist ihr geistiges Leben und ist das, wodurch sich die Wissenschaft [sc. der Logik] konstituiert und dessen Darstellung sie ist“ [21,826−31, Hervorhebung C. M.]. 27 So gilt: Im Fortgang der Idee erweist der Anfang sich als das, was er an sich ist, n¨amlich ” als das Gesetzte und Vermittelte und nicht als das Seiende und Unmittelbare“ [TW8,391 Z.].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
wissens behaupten zu k¨onnen, sich vollst¨andig von den empirischen Voraussetzungen, in die er verstrickt ist, und der Fallibilit¨at, die zu seiner Realit¨at geh¨ort, frei gemacht zu haben.
4.5 Selbstbestimmung als System Hegel zufolge bilden sowohl die Wirklichkeit als Gef¨uge des Logischen, der Natur und des Geistes wie die begreifende Durchdringung des Wirklichen in der spekulativen Philosophie ein System. Um zu verstehen, wie sich beide Systeme zueinander verhalten, gilt es daher zun¨achst, den Systembegriff zu kl¨aren, indem dargelegt wird, in welchem Verh¨altnis selbstanwendende Operationalit¨at und Systemform stehen, um danach anhand Hegels Lehre von den drei ” Schl¨ussen der Philosophie“ die konkrete Systemform des Wirklichen und seiner begrifflichen Artikulation in Hegels System zu betrachten. Ein System l¨asst sich als selbsttragendes, suisuffizientes Ganzes mit wohlunterschiedenen Teilen fassen. Darin, dass ein System ein selbsttragendes Ganzes bildet, liegt, dass es nicht aus Bestandteilen oder Elementen zusammengesetzt sein kann, die unabh¨angig voneinander und vom Ganzen bestehen und nur a¨ ußerlich zu diesem verkn¨upft sind28 . Denn ein solches Ganzes w¨are gerade nicht selbsttragend, sondern auf von ihm verschiedenes, an sich selbst¨andig Bestehendes angewiesen29 . Ein System zeichnet sich also durch den inneren Zusammenhang seiner Elemente aus, dadurch, dass diese keinen absoluten Selbststand außerhalb des Ganzen haben, sondern ihre Bestimmung und ihren relativen Selbststand allein innerhalb dieses Ganzen besitzen. System ist so der Gegenbegriff zu Aggregat als Inbegriff eines Ganzen, das sich aus der a¨ ußerlichen Verkn¨upfung an sich selbst¨andiger Elemente ergibt. Ein System ist aber nicht nur von einem Aggregat zu unterscheiden, sondern auch von einem Ganzen, das nicht aus wohlunterschiedenen Elementen besteht – einem Kontinuum. Insofern die unbeseelte Natur ein Kontinuum bildet, gibt es daher kein System der Natur, sondern nur ein System der Naturerkenntnis oder der wissenschaftlich artikulierten Natur. Aus der systemkonstitutiven Bedingung der inneren Zusammenstimmung der Teile zum Ganzen folgt, dass in jedem einzelnen Element des Systems auf n¨aher zu erl¨auternde Weise bereits die Beziehung auf das Ganze liegen muss, ohne dass Element und System deswegen unmittelbar zusammenfielen. Dass 28 Vgl. Ein Inhalt hat allein als Moment des Ganzen seine Rechtfertigung, außer demsel” ben aber eine unbegr¨undete Voraussetzung oder subjective Gewißheit“ [20,5613−15]. 29 Die Wirklichkeit muss deshalb ein System bilden, weil sie nicht a ¨ ußerlich aus solchem zusammengesetzt sein kann, was von sich her ohne Zusammenhang ist. Nur, was irgendwie schon zusammenh¨angt, kann a¨ ußerlich zu intensiveren Zusammenh¨angen zusammentreten, nicht aber, was von sich her v¨ollig außer jeder Beziehung und damit Beziehbarkeit steht.
4.5. Selbstbestimmung als System
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die Elemente von sich her auf das System bezogen sind, kann n¨amlich nicht bedeuten, jedes enthielte real die Gesamtheit aller Systemelemente und damit das Ganze, weil sonst zwischen System und Systemelement gar nicht zu unterscheiden w¨are. Systemelemente k¨onnen die anderen Elemente des Systems und das Ganze deshalb nur virtuell enthalten. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Systemelemente eine gemeinsame Form aufweisen m¨ussen, welche sozusagen die operative Kapazit¨at zum Aufbau des Ganzen ist. Die Elemente eines Systems m¨ussen damit aber Gestalten selbstanwendender Operationalit¨at sein und k¨onnen genau dadurch virtuell das Ganze enthalten. Diese Behauptung l¨asst sich auch folgendermaßen begr¨unden: Da ein System einen Zusammenhang markiert, der nicht durch eine dem selbst¨andigen Bestehen seiner Elemente nachgeordnete Verkn¨upfung zustande kommt, muss es ein Ganzes sein, das nicht nur durch die Gesamtheit seiner Teile und die Art ihrer Verkn¨upfung bestimmt, sondern seinen Teilen und ihrer Verkn¨upfung vorgeordnet und insofern Prinzip derselben ist. Dass ein Ganzes Prinzip seiner Teile und ihres Zusammenhangs ist, kann aber nicht bedeuten, aus der realen Gesamtheit seiner Teile und ihrer Verkn¨upfung erg¨aben sich diese Teile und ihre Verkn¨upfung, da dies tautologisch ist und ebenso f¨ur Aggregate zutrifft. Vielmehr muss ein Systemganzes seine Teile und ihre Verkn¨upfung gerade insofern bestimmen, als es ihnen vorg¨angig ist. Ein Ganzes kann, insofern es seinen Teilen und ihrer Verkn¨upfung vorg¨angig ist und diese bestimmt, im Unterschied zur realen Ganzheit dieser Teile und Verkn¨upfungen die Form des Ganzen“ genannt werden. Damit ” ist gezeigt, dass es f¨ur ein System konstitutiv ist, dass die Form des Ganzen die besonderen Glieder des Systems und ihren Zusammenhang bestimmt. Die Form eines Systems muss damit eine selbstkonkretisierende Form sein und sich entsprechend durch selbstanwendende Operationalit¨at auszeichnen, aus der sich die besonderen Teile der realen Systemganzheit und ihr Zusammenhang entwickeln lassen30 . Damit ist gezeigt, dass ein System im Hegelschen Sinn eine selbstkonkretisierende Form und damit selbstanwendende Operationalit¨at voraussetzt. Umgekehrt bringt selbstanwendende Operationalit¨at darum die Systemform mit sich, weil sie es an sich hat, sich zu einem selbsttragenden Gef¨uge 30 In eine a ¨ hnliche Richtung weist Angelica Nuzzos treffende Bestimmung: System ist ” der kollektive Selbstkonstitutionsprozess eines relationalen Ganzen. Die Absolutheit des Systems ist daher nichts als die radikale Immanenz seines Selbstkonstitutionsprozesses und ist zugleich die Absolutheit aller seiner Teile“ [N UZZO 2003a: 47]. Dass die Form des Ganzen die Elemente eines Systems und ihr Verh¨altnis bestimmt, ist nicht so zu verstehen, als m¨ussten sich diese in einem realen Prozess aus der Form entwickeln. Vielmehr kann die Form auch die Verfassung eines konkreten Ganzen markieren, in und als das sie sich immer schon implementiert hat – also ein Ganzes, dessen Verfassung aus der denkenden Entfaltung seiner Form begreiflich wird. Das Resultat der Selbstkonkretion der Form markierte insofern die Verfassung eines Ganzen, das je schon real besteht, die Bewegung, in der dieses Ganze aus der Form entwickelt wird, dagegen die Bewegung des Erkennens, das die Struktur des Ganzen sukzessiv einholt und schließlich da anlangt, wo das System real (immer) schon ist.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
besonderer, intern verkn¨upfter Gestalten ihrer selbst und damit zu einem System auszulegen31 . Wenn selbstanwendende Operationalit¨at als selbstbez¨ugliches Sichbestimmen aber sowohl eine systemkonstituierende Form wie die ontologische Form von Subjektivit¨at markiert – insofern zu realer Subjektivit¨at die leibhafte Vereinzelung selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens geh¨ort –, ist der Zusammenhang von Subjektivit¨at und Systemform in der klassischen deutschen Philosophie kein zuf¨alliger, sondern notwendig und angemessen32 . Bildet Subjektivit¨at von sich her ein System, zu dem sie sich ihrer operationalen Wurzel gem¨aß auslegt, kann die Systemform auch kein starres Korsett sein, das die vermeintlich systemfremde Lebendigkeit wirklicher Subjekte einschr¨ankt oder aus der Sicht bringt33 . Sowohl Fichte wie der fr¨uhe Schelling teilen mit Hegel ein Systemverst¨andnis, wonach der operationale Inbegriff von Subjektivit¨at, bei Fichte etwa gefasst als Sichsetzen“, bei Schelling als Sichproduzieren“ oder Sich” ” ” begrenzen“, zugleich reale und theoretisch einholbare Form des Systems der Wirklichkeit ist34 . Dagegen mag Kants theorieformbezogener Systembegriff, weil er weniger ambitioniert und offener scheint, zeitgen¨ossischen Denkstilen n¨aher liegen, insofern Kant die Form des Systems oder, wie er sagt, seine Idee“ ” nicht so fasst, dass sich aus ihr die Systemelemente selbst ergeben sollen, sondern die Idee nur als Prinzip einer theoretischen Anordnung von Elementen begreift, weshalb ein System im Sinn Kants nur die prinzipgem¨aße Zusammen31 Vgl. Hegels Bemerkung, die absolute Form“ entfalte sich zu einem System der Tota” ” lit¨at“ [12,25024]. 32 Vgl. etwa Schellings Ausf¨ uhrungen zum Zusammenhang von Selbstbewusstsein und Systemform im System des transzendentalen Idealismus [SWI3,353–76]. 33 Entsprechend ist der Gegensatz zwischen der formalen“ Anzeige urspr¨ unglichen Da” seins und der spekulativen Systemform, den Heidegger etwa in den Grundbegriffen der Meta” physik“ [vgl. H EIDEGGER 1983: 432] in polemischer Abgrenzung gegen¨uber Hegel aufmacht, verfehlt und die inkalkulable Lebendigkeit von realer Subjektivit¨at oder Dasein etwas, f¨ur das auch in den Systemen der klassischen deutschen Philosophie der Sache nach Platz ist. Hegel denkt Systemform und Freiheit entsprechend ausdr¨ucklich zusammen: Der freye und wahr” hafte Gedanke ist in sich concret, und so ist er Idee, und in seiner ganzen Allgemeinheit die Idee oder das Absolute. Die Wissenschaft desselben ist wesentlich System, weil das Wahre als concret nur als sich in sich entfaltend und in Einheit zusammennehmend und -haltend, d. i. als Totalit¨at ist und nur durch Unterscheidung und Bestimmung seiner Unterschiede die Nothwendigkeit derselben und die Freiheit des Ganzen sein kann“ [20,564−10]. Dass damit keineswegs abstrakt u¨ ber das einzelne Dasein zu seiner jeweiligen Zeit und an seinem jeweiligen Ort hinausgegangen wird, wird in Hegels Schlusswort zu den Vorlesungen u¨ ber die Geschichte der Philosophie deutlich: Ich w¨unsche, daß diese Geschichte der Philosophie eine Aufforderung ” f¨ur Sie erhalten m¨oge, den Geist der Zeit, der in uns nat¨urlich ist, zu ergreifen und aus seiner Nat¨urlichkeit, d. h. Verschlossenheit, Leblosigkeit hervor an den Tag zu ziehen und – jeder an seinem Orte – mit Bewußtsein an den Tag zu bringen“ [TW20,462; Hervorhebung C. M.]. 34 Vgl. Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre und Schellings System des transzendentalen Idealismus.
4.5. Selbstbestimmung als System
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ordnung von solchem markiert, was sich selbst nicht aus einem Prinzip entwickeln l¨asst35 . Jedoch ist auch die spekulative Systemform mit kreativer Offenheit vereinbar, insofern zu ihr ein Ganzes geh¨ort, das es als Gestalt von selbstanwendender Operationalit¨at an sich hat, sich immanent zu erweitern und aus sich heraus zugleich sch¨opferisch und rational mit Neuem anzureichern. Zweitens hat es selbstanwendende Operationalit¨at in ihrer Auslegung zum System, weil sie als solche notwendig zufallsgebrochen auftritt, an sich, den Elementen des Systems ein Moment des Selbststands einander und dem Ganzen gegen¨uber einzur¨aumen, sodass das Einzelne innerhalb eines Systems nie bis ins ganz Partikulare hinein Funktion des Ganzen ist und diesem gegen¨uber nicht auch Momente der Eigenst¨andigkeit aufwiese36 . Geh¨ort zu einem realen System aber notwendig Kontingenz, k¨onnen die Systemelemente nicht in all ihren partikularen Bestimmungen und damit als Einzelne in internem Zusammenhang stehen, sondern der systemische Zusammenhang kann nur allgemeine Z¨uge des Ganzen und seiner Elemente betreffen. Daher ist kein Einzelnes als solches System oder Teil eines solchen, obwohl alles Einzelne verm¨oge des Allgemeinen, an dem es als Einzelnes Teil hat, zugleich Anteil hat am System des Ganzen. Der Systemcharakter des Wirklichen und die Systemform der Philosophie h¨angen folgendermaßen zusammen: Wenn ein System ein durch die interne Verkn¨upfung wohlunterschiedener Teile gepr¨agtes, selbsttragendes Ganzes, kurz ein konkretes Ganzes markiert, kann ein solches in seiner Konkretheit weder unmittelbar noch St¨uck f¨ur St¨uck erkannt werden. Soll die Verfasstheit eines konkreten Ganzen begriffen werden, ist es daher n¨otig mit Bestimmungen zu beginnen, die notwendig unangemessener Ausdruck (von Aspekten) dieses Ganzen sind. Solche Bestimmungen m¨ussen sich entsprechend von sich her als unangemessener Ausdruck dieses Ganzen ausweisen, indem sie sich performativ 35
Kant definiert: Ich verstehe aber unter einem Systeme die Einheit der mannigfaltigen ” Erkenntnisse unter einer Idee. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form des Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl als die Stelle der Teile untereinander bestimmt wird“ [K ANT, KrV, B860]. Hierzu f¨uhrt Henrich pr¨agnant aus: Ein Prinzip ist ” ein Begriff, der vielf¨altig Besonderes nach einer allgemeinen Hinsicht ordnen kann und jedem Besonderen seine Stelle in einem Ganzen bestimmt“. Aus Kants Ausf¨uhrungen werde so deut” lich, dass die Verh¨altnisbestimmung, nicht etwa die Ableitung des einen aus dem anderen, es ist, was im System unter der Anleitung einer Idee entwickelt wird“ [H ENRICH 2000: 11]. 36 Dass Hegel im Gegensatz zu Fichte und Schelling an der Systemform strikt festh¨ alt, statt sie zugunsten des Appells an die Faktizit¨at eines u¨ bersystematischen Absoluten aufzugeben, liegt daran, dass er Offenheit, Kontingenz und Faktizit¨at noch aus der Systemform selbst zu begr¨unden und in sie zu integrieren vermag. Denn die Notwendigkeit von Zufall und Faktizit¨at ergibt sich aus der Form selbstbez¨uglichen Sichbestimmens und ist daher nichts, was im Gegensatz zu deren systematischer Entfaltung eine v¨ollig andere Art des Philosophierens erfordert, sondern ein f¨ur Br¨uche offenes dialektisches Denken, das sich als philosophische ¨ Empirie versteht, als deren Meister sich Hegel eigener, programmatischer Uberambitioniertheit wie u¨ bler Nachrede zum Trotz erweist.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
widersprechen, weil sie einerseits selbst¨andig auftreten, sich zugleich aber von sich her auf andere Aspekte des Ganzen beziehen und so als einseitige Ansichten desselben erweisen. Der Durchgang durch Bestimmungen eines Systemganzen, die sich als solche widersprechen und darum zu unselbst¨andigen Aspekten u¨ bergreifender Bestimmungen herabgesetzt werden m¨ussen, und damit die Bewegung von falschen, weil einseitigen Ansichten des Ganzen zu einem angemessenen, widerspruchsfreien Ausdruck desselben ist daher zur Erkenntnis eines Systems notwendig und nichts, was durch unmittelbaren Zugriff auf das Ganze oder sukzessives Abarbeiten isoliert behandelbarer Teilprobleme ersetzt werden k¨onnte. Ein System l¨asst sich damit als Ganzes definieren, dessen angemessene Erkenntnis prinzipiell nur im Durchgang durch eine Reihe unangemessener und insofern falscher Bestimmungen dieses Ganzen erreicht werden kann37 . Dagegen ist zur Erkenntnis eines Aggregats kein Durchgang durch unangemessene Bestimmungen notwendig, weil sich die Erkenntnis des Ganzen durch Aneinanderreihung je schon f¨ur sich angemessener Teilerkenntnisse ergibt. Wenn systematisches Erkennen systemischer Ganzheiten zun¨achst notwendig inad¨aquat und abstrakt bei unentwickelten und einseitigen Bestimmungen des Ganzen ansetzt, ergibt sich daraus eine Schwierigkeit f¨ur das Verst¨andnis systematischen Philosophierens. Steht n¨amlich vorstellungsm¨aßig eine konkrete Ganzheit vor Augen, k¨onnen die abstrakten Bestimmungen, die im systematischen Erkennen dieses Ganzen durchlaufen werden, sowohl als unangemessen und abstrakt erscheinen wie f¨alschlich als Reich abstrakter Entit¨aten aufgefasst werden. Dagegen m¨ussen, um die Verfasstheit eines konkreten Ganzen zu begreifen, zun¨achst Bestimmungen durchlaufen werden, die weder angemessener Ausdruck dieses Ganzen noch Wesenheiten in einem eigenen Reich abstrakter Entit¨aten sind, sondern ihre endg¨ultige Bedeutung erst r¨uckwirkend als zu unselbst¨andigen Aspekten herabgesetzte Bestimmungen des konkreten Ganzen ¨ Diese Uberlegung kommt besonders in der Vorrede zur Ph¨anomenologie zum Ausdruck: Das Wahre und Falsche geh¨ort zu den bestimmten Gedanken, die bewegungslos f¨ur ” eigene Wesen gelten, deren eines dr¨uben, das andere h¨uben ohne Gemeinschaft mit dem andern isolirt und fest steht. Dagegen muß behauptet werden, daß die Wahrheit nicht eine ausgepr¨agte M¨unze ist, die fertig gegeben und so eingestrichen werden kann. [...] Es wird etwas falsch gewußt, heißt, das Wissen ist in Ungleichheit mit seiner Substanz. Allein eben diese Ungleichheit ist das Unterscheiden u¨ berhaupt, das wesentlich Moment ist. Es wird aus dieser Unterscheidung wohl ihre Gleichheit und diese gewordene Gleichheit ist die Wahrheit“ [9,3025–311 ]. Es ” [das Wirkliche als Element der Philosophie] ist der Proceß, der sich seine Momente erzeugt und durchl¨aufft, und diese ganze Bewegung macht das Positive und seine Wahrheit aus. Diese schließt also ebensosehr das Negative in sich, dasjenige, was das Falsche genannt werden w¨urde, wenn es als ein solches betrachtet werden k¨onnte, von dem zu abstrahiren sei. Das Verschwindende ist vielmehr selbst als wesentlich zu betrachten, nicht in der Bestimmung eines Festen, das vom Wahren abgeschnitten, außer ihm, man weiß nicht wo, liegen zu lassen sey, so wie auch das Wahre nicht als das auf der andern Seite ruhende, todte Positive“ [9,3431–352]. 37
4.5. Selbstbestimmung als System
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erhalten. Dies trifft auf die Logik im Ganzen zu, insofern sie kein Reich abgetrennt bestehender Wesenheiten repr¨asentiert, sondern eine Abfolge begrifflicher Bestimmungen entwickelt, die Bausteine f¨ur die systematische Erkenntnis des realen Gef¨uges von Natur und Geist abgeben. Insofern sich aus der Logik als systematischer Entfaltung von Bestimmungen, die zum Sein als solchen geh¨oren, ergibt, dass dazu, dass u¨ berhaupt etwas ist, notwendig ein nat¨urliches Universum geh¨ort, in und aus dem sich geschichtlich entwickelnder Geist hervortritt, ergibt sich aus ihr auch eine Begr¨undung, inwiefern sowohl die Realit¨at im Ganzen wie ihre philosophische Erkenntnis Systemcharakter hat. Entsprechend ist zu unterscheiden zwischen dem System der Realit¨at und einem philosophischen System als spezifischem Aussagezusammenhang. System“ meint daher wesentlich sowohl das System des ” Realen wie eine Weise philosophischen Denkens, jedoch nicht so, als st¨unden sich dabei zwei Formen von Systemen a¨ ußerlich gegen¨uber38 . Vielmehr erweist der Fortgang von der Logik zur Natur- und Geistphilosophie, dass es mit der nat¨urlichen Realit¨at kein Bewenden hat, sondern diese sich immer schon zeitlos zur zeitlichen Wirklichkeit beseelten und geistigen Lebens ausgelegt hat. Zum System des Universums geh¨ort so aber notwendig seine eigene theoretische Selbsterfassung durch Zentren geistigen Lebens. Dabei bildet die nat¨urliche Realit¨at unbeseelten, objektseitigen Seins von sich her kein System, n¨amlich kein Ganzes aus wohlunterschiedenen, intern verkn¨upften Elementen, steht jedoch als Sph¨are der zeitlosen Selbstauslegung des Logischen begrifflicher Erkenntnis offen. Als erkannte bildet die Natur in der Tat ein System – einen Zusammenhang interner Verweisungen – und zwar nicht nur zuf¨allig, sondern notwendig, weil Natur notwendig erkannt wird und nur darum aus dem System der Realit¨at nicht hinausf¨allt. Die eigentlich, weil von sich her systematische Realit¨at ist so aber das Reich des Geistes, der sowohl in der erkennenden Artikulation von Nat¨urlichem wie in seinen bedeutungskonstituierenden, weltbildenden Leistungen als objektiver und absoluter Geist Systemcharakter hat39 . Was Hegel Geist“ nennt, markiert damit eine durch intersubjektive Leistungen ” 38
Angelica Nuzzo bringt diesen Doppelaspekt des Systembegriffs auf den Punkt: Der ” Gegenstand, dessen Form systematisch ist oder systematisch dargestellt werden soll, ist unmittelbar die Wirklichkeit selbst. [...] System ist Inbegriff aller philosophischen bzw. allgemein wissenschaftlichen S¨atze u¨ ber die Wirklichkeit“ [N UZZO 2003a: 10]. Mit Blick auf die Methode bestimmt Nuzzo den internen Zusammenhang beider Formen von System folgendermaßen: Wir verstehen mit Hegel und Marx unter Methode die Modalit¨at des Seins‘ und zugleich die ” ’ Modalit¨at des Erkennens‘, n¨amlich die Art und Weise, wie sich die Wirklichkeit als histori’ scher Prozess immanent strukturiert, und die Art und Weise, wie das Denken einerseits selbst Teil dieser Wirklichkeit ist und andererseits die Funktion der selbstbewußten Auffassung der Wirklichkeit darstellt“ [N UZZO 2003a: 20]. 39 Vgl. Hegels Bemerkung: Daß das Wahre nur als System wirklich oder daß die Sub” stanz wesentlich Subject ist, ist in der Vorstellung ausgedr¨uckt, welche das Absolute als Geist 3−5 ausspricht“ [9,22 ].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens theoretisch und praktisch in diskrete Gegenst¨ande und Tatsachen artikulierte Welt, die, wenngleich zufallsgepr¨agt und damit von Br¨uchen und Unstetigkeitsstellen durchsetzt, einen internen Verweisungszusammenhang und damit ein System der Realit¨at bildet. Da die Realit¨at als selbsttragendes Ganzes nur bestehen kann, insofern in und aus einem Naturkontinuum Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortreten, die es zu einer Welt des Geistes artikulieren und gestalten, ist das Reale in letzter Instanz ein System geistiger Wirklichkeit, und zwar nicht nur, insofern sie theoretisch in Form eines philosophischen Systems artikuliert wird, sondern als interner, selbsttragender Verweisungszusammenhang geistiger Vollz¨uge und Gehalte. Obwohl das System der Realit¨at in letzter Instanz geistig ist, ist genauer nach dem systemischen Zusammenhang des Logischen, der Natur und des Geistes wie nach demjenigen von Logik, Natur- und Geistphilosophie als entsprechenden Teilen von Hegels philosophischem System zu fragen. Dieser Aufgabe ist durch eine Rekonstruktion seiner Lehre von den drei Schl¨ussen der Philoso” phie“ nachzukommen.
4.6 Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schl¨usse der Philosophie) Hegel beendet sein enzyklop¨adisches System mit drei ineinandergreifenden und sich insofern schließenden“ Schl¨ussen. Diese stellen nicht nur den Zusammen” hang der drei philosophischen Hauptdisziplinen Logik, Natur- und Geistphilosophie als permutierbare und damit zyklische Abfolge dar, sondern sollen den ihnen entsprechenden Zusammenhang dreier Sph¨aren des Wirklichen selbst als zyklisches Ineinander dreier Schl¨usse begreifbar machen, insofern jede Sph¨are im Zusammenhang mit den anderen ebenso wohl unmittelbar, vermittelnd und vermittelt auftritt und nur, indem sie all diese Rollen einnimmt, Glied eines selbsttragenden prozessualen Ganzen sein kann40 . 40 Manche Autoren wie F ULDA 2004: 482f. gehen wie selbstverst¨ andlich davon aus, die drei Schl¨usse markierten nur einen Zusammenhang philosophischer Disziplinen innerhalb eines theoretischen Systems. Dagegen spricht aber, dass Hegel die Schl¨usse nicht als Zusammenschl¨usse von Logik, Natur- und Geistphilosophie konzipiert, sondern als Schl¨usse des Logischen, der Natur und des Geistes. Zu Hegels Versuch, reale Totalit¨aten in sich als schlussf¨ormig zu begreifen, schreibt Henrich erhellend: Die Rekonstruktion als ein Ganzes von Schl¨ussen ist ” Hegels Methode zum Aufweis der inneren Form einer entwickelten Totalit¨at. Sie ist ein letztes logisches Explikationsmittel bei der Verst¨andigung u¨ ber reale Totalit¨at“ [H ENRICH 1982c, 443]. Wenn auch alles Wirkliche nach der monistischen Begriffsform als ein Syn-Logismus ” verstanden werden muß, so muß eine wirkliche Ganzheit in der Welt, die auch als ein entwi” ckeltes System“ zu bezeichnen ist, ebenso nach dem Ganzen der Form des Zusammenschlusses gedacht werden“ [ebd., 431].
4.6. Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schl¨usse der Philosophie)
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Zun¨achst ist zu kl¨aren, warum ein selbsttragendes, prozessuales Ganzes u¨ berhaupt schlussf¨ormig und n¨aher als Gef¨uge dreier Schl¨usse organisiert sein sollte. Als prozessuales Ganzes ist es offenbar durch eine Abfolge von Gliedern gepr¨agt. Eine Abfolge von Gliedern ist aber nur m¨oglich, sofern es ein erstes und damit unmittelbares Glied gibt, das nur insofern erstes und unmittelbares ¨ ist, als es noch vor seinem Ubergang zu oder der Vermittlung mit einem Zweiten greifbar ist. Andererseits kann einem solchen Glied nur Bestimmtheit zukommen, sofern es durch anderes vermittelt ist oder in Beziehung auf anderes steht, da das Unvermittelte und Beziehungslose unbestimmt ist. K¨onnte das als erstes angesetzte Glied eines prozessualen Ganzen nicht durch das, was es vermittelt, sondern nur durch ein ihm Vorausliegendes bestimmt sein, w¨are ein selbsttragendes prozessuales Ganzes unm¨oglich, weil jedes erste Glied der Prozessfolge seine Bestimmtheit selbst nur durch etwas haben k¨onnte, was dieser Folge vorausliegt. Ein selbsttragendes, prozessuales Ganzes ist daher nur m¨oglich, wenn sein erstes Glied zugleich auch als zweites gelten kann, das durch das, was es vermittelt und bestimmt, seinerseits vermittelt und bestimmt ist. Ein selbsttragendes, autonomes Ganzes ist damit nur m¨oglich, sofern keine Sph¨are dieses Ganzen in ihm unmittelbar auftritt und auf ein Außerhalb verweist. Die Hauptgestalten eines selbsttragenden Ganzen m¨ussen einander daher wechselseitig fundieren und durch einander fundiert sein. Wenn Sph¨aren eines selbsttragenden Ganzen ihre Bestimmtheit nur durch wechselseitige Vermittlung haben, kann jede vermeintlich grundlegende Sph¨are – vom enzyklop¨adischen Standpunkt das Logische, von anderen, allt¨aglichen oder wissenschaftlichen Standpunkten die Natur oder der Geist – an sich nicht einfach unmittelbar bestehen, sondern muss ebenso vermittelt sein. G¨abe es n¨amlich ein innerhalb des Systems Unmittelbares, k¨onnte dieses seine Bestimmtheit nur der Vermittlung durch und Beziehung auf ein Außerhalb verdanken. Die vermeintlich erste und unmittelbare, weil einfachste Sph¨are eines selbsttragenden Ganzen kann ihre Bestimmtheit also nur dadurch haben, dass sie als Erstes gar nicht unmittelbar besteht, sondern sich zu einem Zweiten auslegt und durch dieses insofern bestimmt ist. Liegt die Auslegung zum Zweiten aber im Ersten selbst, muss es sich je schon zu diesem ausgelegt haben und kann grunds¨atzlich nicht unmittelbar bestehen. Das vermeintlich unmittelbare Bestehen des Ersten muss daher selbst Resultat von Vermittlung sein. Dies trifft f¨ur das Logische als an sich erste Sph¨are des Ganzen zu, insofern es nicht unmittelbar als solches besteht, sondern sich immer schon zur Natur ausgelegt hat, sein vermeintlich unmittelbares Bestehen dagegen Resultat seiner (Re)Konstruktion durch den Geist ist. Nun kann in einem Ganzen, dessen Sph¨aren ihre distinkte Bestimmtheit nur in einem schlussf¨ormigen Vermittlungszusammenhang mit den anderen haben, aber nicht jedes Glied in derselben Hinsicht Ausgang, Mittler und Re-
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
sultat von Vermittlung sein, weil zwischen ihnen sonst gar kein Unterschied best¨unde, sondern sie in Unterschiedslosigkeit zusammenfielen. Die Glieder eines schlussf¨ormig organisierten Ganzen m¨ussen daher in je unterschiedlicher Weise Ausgang, Mittler und Resultat von Vermittlung sein. Wenn die vermeintlich selbsttragenden Glieder eines schlussf¨ormig organisierten Ganzen so zwar jeweils alle schlusslogischen Rollen einnehmen m¨ussen, dies jedoch in unterschiedlicher Hinsicht, bedeutet dies, dass die drei zum Ganzen verkn¨upften Schl¨usse von unterschiedlicher Form sein m¨ussen, weil sonst kein Unterschied zwischen den Schlussgliedern m¨oglich w¨are, die allein durch ihre schlusslogische Rolle bestimmt sind. Insofern ein selbsttragendes, prozessuales Ganzes Vollgestalt der Selbstauslegung seiner operationalen Grundform ist und diese durch die drei Momente Unmittelbarkeit, Vermittlung und Selbstvermittlung gepr¨agt ist, werden auch die drei ineinander greifenden Schl¨usse des Ganzen jeweils im Zeichen dieser Momente stehen und daher einen seinslogischen, einen wesenslogischen und einen begriffslogischen Schluss bilden, der als solcher die beiden anderen Schl¨usse u¨ bergreift. Da die Hauptsph¨aren eines schlussf¨ormig organisierten Ganzen keine selbst¨andig bestimmten Substrata sind, die nur a¨ ußerlich zu Schl¨ussen verkn¨upft sind, in denen sie permutiert werden, sondern ihre Bestimmtheit nur in und durch die schlussf¨ormige Vermittlung mit den anderen haben, sind sie wesentlich durch ihre schlusslogische Rolle bestimmt. Damit werden sie im Fortgang von einem Schluss zum n¨achsten eine modifizierte Bedeutung gewinnen. Insofern sie ihre abschließende und vollst¨andige Bedeutung erst im Gef¨uge aller drei Schl¨usse haben, weisen die beiden ersten Schl¨usse noch etwas Erscheinungshaftes auf, weil sie selbst noch kein abschließendes Bild der Schlussglieder ergeben. Werden im Zusammenhang der drei Schl¨usse nicht einfach Bestimmungen permutiert, deren Bedeutung schon unabh¨angig feststeht, sondern durch ihre ¨ Rolle im Schluss bestimmt ist und durch den Ubergang von einem Schluss zum n¨achsten charakteristisch modifiziert wird, erkl¨art dies, weshalb Bezeichnungen und Bestimmungen der Schlussglieder in Hegels Darstellung der drei Schl¨usse wechseln k¨onnen. Entsprechend bildet der spekulative Dreischluss keine vollst¨andige Permutation feststehender Glieder nach dem Muster A-BC, B-C-A, C-A-B, sondern eine Permutation von Gliedern, deren Bedeutung sich im Durchgang durch die Schl¨usse selbst anreichernd modifiziert: A-B-C, B’-C’-A’, C”-A”-B”. So taucht etwa das Logische im dritten Schluss gar nicht mehr auf – aber nicht deshalb, weil es unzul¨assig unter den Tisch fiele, sondern weil sich durch die vorausgehenden Schl¨usse schon gezeigt hat, dass es kein Bestehen an sich hat, sondern nur als sein eigenes Wesen artikulierender, absoluter Geist existiert, der im dritten Schluss an die Stelle des Logischen getreten ist.
4.6. Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schl¨usse der Philosophie)
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Dass die drei Schl¨usse keine starre Permutation fixer Gr¨oßen, sondern ein Gef¨uge von Bestimmungen bilden, die im Durchgang durch die Schl¨usse selbst modifiziert werden und ihre abschließende Bedeutung erst im Zusammenhang aller drei Schl¨usse erhalten, kann keinen Grund f¨ur die Annahme bilden, Hegel pfropfe seinem System mit der Lehre von den drei Schl¨ussen eine abschließende Vermittlungsform auf, die seiner enzyklop¨adischen Gestalt gar nicht entspreche, sondern ein bloßes Relikt der Jenaer Fr¨uhzeit seines Denken sei41 . (1) Der erste Schluss (L-N-G), dem im enzyklop¨adischen System die Abfolge von Logik, Natur- und Geistphilosophie entspricht, hat das Logische zum Ausgangspunkt und Grund und stellt die Abfolge des Logischem, der Natur und des Geistes als zeitlose Selbstauslegung des Logischen dar42 . Dabei bildet die unbeseelte Natur nicht als Selbst¨andiges, das selbst¨andige Extreme vermittelt, die Mitte des Schlusses, sondern markiert nur die instantan verschwindende Durchgangsstelle f¨ur die Selbstauslegung des Logischen zu notwendig geistiger Realit¨at, insofern unartikulierte Natur kein selbst¨andiges Bestehen haben und keine Sph¨are bilden kann, aus der erst im Zuge einer zeitlichen Entwicklung Geist hervorgeht, sondern in und aus der (rudiment¨are) Gestalten des Geistes immer schon zeitlos-zeitkonstituierend hervorgetreten sind. Der erste Schluss verkn¨upft so auch keine selbst¨andigen Extreme, sondern ist in der Idee“, inso” fern er instantane Gestalten der zeitlosen Selbstauslegung des Logischen mar¨ kiert, diese Selbstauslegung jedoch seinslogisch als sukzessives Ubergehen dar43 stellt . Der erste Schluss exponiert das Logische so als zeitlosen Grund, der sich je schon zu einem Naturkontinuum ausgelegt hat, in und aus dem leibhaftiges (Sich)Bestimmen zeitlos als – zun¨achst unentfaltetes – geistiges Leben hervorgetreten ist (das sich seinerseits zeitlich entfaltet):
41 So behauptet Walter Jaeschke: Dass Hegel hier der Enzyklop¨ adie ein Vermittlungsmo” dell aufpfropft, das der fr¨uhesten Phase seiner Systemkonzeptionen angeh¨ort“ – laut Jaeschke ein R¨uckgriff auf ein Instrumentarium, das der sp¨ateren Konzeption nicht mehr angemessen ” ist. Denn es erlaubt nicht, den systematischen Ort der Logik zu bestimmen, und es bringt Verwirrung in Hegels Geistphilosophie u¨ berhaupt, da es die Existenz des objektiven Geistes ebenso ignoriert wie den Umstand, dass die Abhandlung des absoluten Geistes nicht mehr [...] den beiden Wissenschaften der Natur und des Geistes schlechthin entgegengesetzt ist, sondern innerhalb der einen Geistphilosophie das Dritte zum subjektiven und objektiven Geist bildet“ [JAESCHKE 2003: 271] 42 Vgl. Die erste Erscheinung macht der Schluss aus, welcher das Logische zum Grunde ” als Ausgangspunkt und die Natur zur Mitte hat, die den Geist mit demselben zusammenschließt. Das Logische wird zur Natur und die Natur zum Geiste“ [20,56926–5702]. 43 Vgl. Die Natur, die zwischen dem Geiste und seinem Wesen steht, trennt sie zwar ” nicht zu Extremen endlicher Abstraction, noch sich von ihnen zu einem Selbst¨andigen, das als Anderes nur Andere zusammenschl¨osse; denn der Schluß ist in der Idee; aber die Vermittlung des Begriffs hat die a¨ ußerliche Form des Uebergehens“ [20,5702−5].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
→ logische Idee
→ Natur
≡ Geist
Auf eine u¨ bliche Schlussformel gebracht, ließe sich der erste Schluss der Philosophie damit so formulieren: Die Wahrheit des Logischen ist die Natur. Die Wahrheit der Natur ist Geist. Also ist die Wahrheit des Logischen Geist. (2) Da der erste Schluss der Sache nach gezeigt hat, dass die Natur kein selbst¨andiges Bestehen hat, sondern eine Sph¨are bildet, in und aus der notwendig zeitlos Geist in Gestalt von Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervortritt, geht der zweite Schluss vom Standpunkt des Geistes als irreduzibel Wirklichem aus44 . Insofern im zweiten Schluss (N-G-L) die Natur als erstes Extrem oder Grund auftritt, kann sie dies also nicht als Selbst¨andiges sein, sondern nur als Spielraum, in und aus dem je schon zeitlos Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens hervorgetreten sind und der damit einen Spielraum geistigen Lebens bildet. Insofern der erste Schluss aber nur auf noch g¨anzlich unentwickelten Geist gef¨uhrt hat, der in Gestalt von Zentren beseelten Lebens die Natur gleichsam nur punktuell u¨ berragt und sich dieser im Zuge seiner zeitlichen und geschichtlichen Entwicklung reflektierend gegen¨ubersetzt, markiert der zweite Schluss die Position des endlichen Geistes, der als erkennender und handelnder die Natur und das Logische (verstanden als Ineinander artikulierter begrifflicher Gehalte) vermittelt. Im zweiten Schluss nimmt somit der endliche Geist die Rolle des Mittlers zwischen unartikulierter Natur und begrifflich artikulierten Gehalten ein, insofern sowohl das Erkennen wie das Handeln, indem jenes Natur begrifflich artikuliert und dieses sie gem¨aß begrifflich artikulierter Zwecke zu einer bedeutungsvollen Welt gestaltet, den Zusammenschluss des Naturkontinuums mit begrifflich artikulierten Gehalten verm¨oge geistiger Vollz¨uge leibhaft im Naturkontinuum verankerter Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens vermittelt45. Der zweite Schluss ist damit ein Schluss der geistigen Reflexion in der ” Idee“, insofern der endliche Geist als Mittler die Sph¨aren des Ganzen, die 44
Entsprechend gilt nach Hegel, dass der zweite Schluss bereits der Standpunkt des Geis” tes selbst ist, welcher das Vermittelnde des Prozesses ist, die Natur voraussetzt und sie mit dem Logischen zusammenschließt. Es ist der Schluß der geistigen Reflexion in der Idee; die Wissenschaft erscheint als ein subjektives Erkennen, dessen Zweck die Freiheit und es selbst der Weg ist, dieselbe hervorzubringen“ [20,57011−16]. 45 Dass Hegel von dieser Vermittlungsleistung des Geistes als subjektivem Erkennen“ ” spricht, bedeutet nicht notwendig, dadurch k¨amen intersubjektive Praxis und objektiver Geist zu 41 kurz, wie Jaeschke meint [vgl. oben S. 641 Anm. ]. Vielmehr meint Erkennen“ den endlichen ” Geist als solchen, der subjektiven und objektiven Geist umgreift. Denn in der Logik geh¨oren zur Idee des Erkennens“ sowohl die theoretische wie die praktische Idee, die beide Gestalten des ” endlichen Geistes markieren.
4.6. Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schl¨usse der Philosophie)
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er vermittelt, zugleich als selbst¨andig auseinanderh¨alt und in konkrete Selbstverh¨altnisse setzt, die zu Erkennen und Handeln geh¨oren46 . Der endliche Geist unterscheidet damit reflektierend zwischen seinen eigenen Vollz¨ugen, deren begrifflichen Gehalten und weltseitigem Sein, die er im Erkennen und Handeln zusammenschließt: Geist
≡
Handeln begriffliche Gehalte
Erkennen Natur
Auf eine u¨ bliche Schlussformel gebracht, ließe sich der zweite Schluss als derjenige des endlichen Geistes folgendermaßen formulieren: Geist bezieht ein nat¨urliches Moment ein. Geist artikuliert begriffliche Gehalte. Also vermag Geist die Natur erkennend und handelnd gem¨aß solcher Gehalte zu bestimmen. Als Standpunkt des endlichen Geistes markiert der zweite Schluss nat¨urlich situiertes und damit a¨ ußerlich bedingtes (Sich)Bestimmen, also empirisches Erkennen und partikularen Zwecken folgendes Handeln, das zu seinem Resultat konkrete Selbstverh¨altnisse zwischen begrifflich artikulierten Gehalten und nat¨urlichem Sein hat – empirische Wahrheit und endliche Zweckrealisierung. (3) Im dritten, begriffslogischen Schluss muss dagegen die reflektierende Entgegensetzung von Logischem, Natur und Geist aufgehoben und selbstbez¨ugliches Sichbestimmen, weil es das schlechthin Allgemeine und Unbedingte ist, auch f¨ur sich als solches auftreten und sich so auf das Ganze der Realit¨at als seine Manifestation beziehen47 . In diesem Schluss nimmt das Logische damit nicht mehr als abstraktes, sondern als bew¨ahrtes, n¨amlich als Idee, 46
Zu Hegels Begriff der Reflexion im Sinne des Auffassens von Bestimmungen als zugleich selbst¨andig und von sich her aufeinander bezogen, vgl. oben S. 146 Anm. 187 . 47 Vgl. Der dritte Schluß ist die Idee der Philosophie, welche die sich wissende Vernunft, ” das Absolut-Allgemeine zu ihrer Mitte hat, die sich in Geist und Natur entzweit, jenen zur Voraussetzung als den Proceß der subjectiven Th¨atigkeit der Idee und diese zum allgemeinen Extreme macht, als den Proceß der an sich, objectiv, seienden Idee. Das Sich-Urtheilen der Idee in die beiden Erscheinungen (§575/6) bestimmt dieselben als ihre (der sich wissenden Vernunft) Manifestationen“ [20,57018–5713]. Hegel kann den dritten Schluss darum als Idee der Philo” sophie“ bezeichnen, weil die reinen Vollz¨uge, in denen das schlechthin Allgemeine als solches zur Existenz kommt und der Geist sich als unbedingt weiß (indem er die nicht bloß relative Geltung von in solchen Vollz¨ugen Artikuliertem begreift), Erkenntnisleistungen von Menschen aus Fleisch und Blut sind. Die begriffliche Anstrengung, die solche reinen Vollz¨uge erm¨oglicht, geht deutlich aus einer auf diesen Schluss bezogenen Notiz hervor, welche durch den Bezug
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
die sich auf das Ganze der Realit¨at als Gestalt ihrer selbst bezieht, die Mitte ein. Die reale logische Idee tritt damit f¨ur sich als realisiert auf und ist genau dadurch absoluter Geist, dass sie sich auf das Ganze als Prozess der Gestaltung unbedingten Sichbestimmens bezieht und das geistige Leben als unbedingt artikuliert und vollzieht. Das Logische vermittelt im dritten Schluss damit nur als bew¨ahrtes, realisiertes, sich auf das Ganze als sch¨opferische Realisierung seiner beziehendes und damit als absoluter Geist. Deshalb figuriert es in diesem Schluss auch gar nicht mehr ausdr¨ucklich als Logisches48 . Insofern der absolute Geist, als bew¨ahrtes Allgemeines, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen meint, das sich auf das Ganze der Realit¨at als Manifestation des Allgemeinen und auf sein reines geistiges Leben als sch¨opferische Realisierung des Allgemeinen als solchen bezieht, sind Natur und endlicher Geist in ihm als unselbst¨andige Aspekte aufgehoben. Der absolute Geist u¨ bergreift damit in einem disjunktiven Schluss Natur und endlichen Geist als seine besonderen Momente, insofern er sich auf das reale Ganze, zu dem Natur und endlicher Geist geh¨oren, als Ausdruck der Selbstgestaltung des Unbedingten bezieht. Da aber erst der absolute Geist als reales, selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich auf das Ganze als Ausdruck unbedingten Sichbestimmens und auf seine eigenen geistigen Vollz¨uge als dessen Vollgestalt bezieht, den Inbegriff des notwendig Wirklichen bildet, geh¨oren Natur und endlicher Geist zwar notwendig zur realen Selbstauslegung unbedingten Sichbestimmens, ohne darum selbst Gestaltwerdung des Unbedingten als solchen zu sein. Der dritte, begriffslogische Schluss l¨asst sich damit so ausdr¨ucken: Das unbedingt Allgemeine legt sich zu Natur und endlichem Geist aus. Natur und endauf die Kunst zugleich verdeutlicht, dass die Philosophie nicht die einzige Weise der Gestaltwerdung des performativen Wissens von der selbstzweckhaften Unbedingtheit des Geistes ist: Totalit¨at Wissen, das nicht subjectiv ist – vielmehr von seiner Besonderheit abstrahirt – sich ” in die Sache vertiefen – sodass das Allgemeine in mir wirkt – Wie im Kunstwerk – Schwierigkeit der Philosophie ist allein diese Kraft – sich zu befreyen, andre Zwecke, Vorstellungen momentane zuf¨allige des Vorstellens abzuhalten“ [13,53919−23]. 48 So hat das Logische nun die Bedeutung, dass es die im konkreten Inhalte als seiner ” Wirklichkeit bew¨ahrte Allgemeinheit ist. Die Wissenschaft ist auf diese Weise in ihren Anfang zur¨uckgegangen und das Logische so ihr Resultat als das Geistige, dass es aus dem voraussetzenden Urteilen, worin der Begriff nur an sich und der Anfang ein Unmittelbares war, hiermit aus der Erscheinung, die es darin an ihm hatte, in sein reines Prinzip zugleich als in sein Element sich erhoben hat“ [20,56916−23]. Angelica Nuzzo bringt die Verh¨altnisse folgendermaßen auf den Punkt: In dieser Bewegung bleibt aber das Logische nicht unver¨andert: indem es als ” Resultat auftritt, bekommt es nun die weitere Qualifikation des Geistigen – wobei die Bezeichnung des Logischen als des Geistigen so folgenreich ist, dass sie als Grundlage des weiteren Argumentationsgangs gilt“ [N UZZO 2004: 467] Erst im Element des Geistigen erweist sich ” die ganze vorhergehende Bewegung des Logischen als eine Erscheinung. Denn dies kann erst am Ende der Gesamtentwicklung entdeckt werden. Erst hier f¨allt das Element, in dem allein diese Erscheinung tats¨achlich erscheint [sc. der Geist], mit dem Prinzip dieser Bewegung zusammen [sc. dem logischen Begriff] und wird daher als solches sichtbar“ [ebd., 468].
4.6. Der Kreis des Sichbestimmens (Die drei Schl¨usse der Philosophie)
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licher Geist haben keinen letzten Selbstand. Darum bezieht sich das realisierte Allgemeine (als absoluter Geist) notwendig auf Natur und endlichen Geist als endliche Gestalten seiner und dadurch auf sich selbst als absolut: absoluter Geist
≡
≡
( )
Natur
endlicher Geist
Natur und endlicher Geist erweisen sich im dritten Schluss damit insofern vom absoluten Geist abh¨angig, als erst dieser die Vollgestalt des notwendig Realen, n¨amlich die H¨ochstform unbedingten Sichbestimmens abgibt, und Natur und endlichen Geist als seine besonderen Momente u¨ bergreift. Dass Natur und endlicher Geist im absoluten Geist aufgehoben seien, bedeutet aber nicht, der absolute Geist sei immer schon vor und unabh¨angig von der zeitlosen Selbstauslegung des logisch Allgemeinen zu Natur und endlichem Geist und dessen zeitlicher Entfaltung vorhanden. Dann w¨aren nicht nur die ersten beiden Schl¨usse u¨ berfl¨ussig, sondern u¨ berhaupt jede Rede von Vermittlung und Prozess. Absoluten Geist kann es daher nur als Vollendung einer Vermittlungsbewegung geben, in der Natur und endlicher Geist als solche verschwinden. Solche Vollendung und solches Verschwinden kennen wir real aber nur ganz punktuell – Hegel nennt Kunst, Religion und Philosophie – insofern das ungeheure Sich-Fortw¨alzen des Realen punktuell im Ereignis von solchem zur Ruhe kommt, was unbedingten Wert und unbedingte Geltung hat, sei es nun die Antigone, der R¨omerbrief oder die Wissenschaft der Logik oder auch weniger augenf¨allige Ereignisse im geistigen Lebens eines jeden. Der absolute Geist kann daher auch nur insofern ewig“ genannt werden, als er Ereignisse der Tilgung ” und Zusammennahme der Zeit in die ewige Gegenwart geistiger Gestalten von unbedingtem Wert und zeitloser Geltung markiert49 . 49
Entsprechend darf der Begriff der Ewigkeit“ laut Hegel nicht negativ so gefasst wer” ” den als die Abstraktion von der Zeit, daß sie außerhalb derselben gleichsam existiere; ohnehin nicht in dem Sinn, als ob die Ewigkeit nach der Zeit komme; so w¨urde die Ewigkeit zur Zukunft, einem Momente der Zeit, gemacht“ [20,24825−30].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
Zwar u¨ bergreift der absolute Geist Natur und endlichen Geist als unselbst¨andige Aspekte, insofern erst er die Vollgestalt des notwendig Wirklichen markiert. Der dritte Schluss hebt die beiden ersten damit in sich auf, woraus aber nicht folgt, dass diese keine Geltung h¨atten. Vielmehr markieren auch diese Schl¨usse notwendige Prozesse im Gef¨uge des Realen, in dem auch das Logische, die Natur und der endliche Geist fundierende Rollen einnehmen50 . Denn der selbsttragende Charakter des Realen verlangt ja gerade, dass jede seiner Sph¨aren sowohl vermittelnd wie vermittelt auftritt, und keine bloß einseitig als gr¨undend oder begr¨undet. Dennoch hat der absolute Geist den Vorrang, insofern er das, wodurch er begr¨undet und vermittelt ist, ausdr¨ucklich aufhebt und u¨ bergreift, w¨ahrend das, was er u¨ bergreift, ihn nicht auch umgekehrt u¨ bergreift: Denn der absolute Geist ist weder Moment des Logischen, der Natur oder des endlichen Geistes, obgleich er durch diese vermittelt ist. Was am Ende der Enzyklop¨adie in der Lehre von den drei Schl¨ussen als Gef¨uge des Realen exponiert wird, ist damit der Prozess wechselseitiger Vermittlung dreier Sph¨aren, von denen jede eine vermittelnde und eine vermittelte Rolle hat, zugleich aber eine als u¨ bergreifend ausgezeichnet ist. Das Logische ist begr¨undend oder vermittelnd, insofern es sich je schon unzeitlich zu Natur und Geist ausgelegt hat, die nur als seine besonderen Gestalten bestehen k¨onnen. Vermittelt ist das Logische, insofern es als solches nicht unmittelbar ein Reich abstrakter Gegenst¨ande bildet, sondern nur durch Vollz¨uge des Geistes, der reine Begriffe und damit sein eigenes Wesen denkend entfaltet, zur Artikulation kommt. Die Natur ist vermittelt, insofern sie sich der zeitlosen Selbstauslegung des Logischen zu einem nomologisch determinierten, kontingenzgepr¨agten Kontinuum verdankt und als erkannte Natur in Gegenst¨ande und Tatsachen artikuliert wird, die als solche nur durch begriffliche Vollz¨uge des Geistes im Naturkontinuum zur Abhebung kommen. Vermittelnd ist die Natur nicht, insofern sie den Geist begr¨undete, also ihrer Prozessart gem¨aß kausal hervorbr¨achte, sondern nur, insofern sie eine Sph¨are f¨ur die Freiheit, n¨amlich einen Spielraum bildet, in und aus dem lebendiger Geist immer schon unzeitlich 50
So heißt es in Hegels Heidelberger Enzyklop¨adie-Diktaten: Da die Idee aber jedes ” Glied die ganze Totalit¨at des Begriffes ist, so verh¨alt jedes ebenso sehr sich nach der andern Bestimmung und jener Schluß ist eine Form der Erscheinung und Vermittlung, deren Einseitigkeit von der Philosophie selbst aufgehoben wird [...] in dem Resultate, dass kein Moment den bestimmten Anfang macht, jedes ebenso vermittelnd wie vermittelt oder ebenso unmittelbar identisch und eine Substanz ist“ [D,19]. Nur vor diesem Hintergrund gilt, dass alle 3 Stand” punkte [...] in Einem vereinigt sind“ [AG,37]. Dieter Henrich ist daher zuzustimmen, wenn er schreibt: Die Interdependenz kommt zwar zu einem Abschluss. Und die Vermittlung, welche ” die abschließende ist, begreift die vorausgehenden auf eine andere Weise ein als diese allesamt sie ihrerseits einbegreifen. Doch das bedeutet nicht, dass der Gang durch die Verh¨altnisse, welche selbst nicht die abschließenden sind, nur der Gang eines Entdeckungsweges w¨are, der zu dem letzten Grund des gesamten Verh¨altnisses f¨uhrt, der dann als seine eigentliche Ursache aufzufassen w¨are“ [H ENRICH 1982c: 434].
4.7. Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist)
647
hervorgetreten ist und der von ihm in Vollz¨ugen des Erkennens und Handelns zu einer geistigen Welt artikuliert und gestaltet wird. Der Geist seinserseits ist insofern durch die Natur und das Logische vermittelt, als er deren konkrete Einheit bildet. Er vermittelt und enth¨alt sie als untergeordnete Momente zugleich in sich, da er nicht additiv aus ihnen zusammengesetzt ist, sondern sie als ihre notwendige Einheit immer schon konkret u¨ bergreift, deswegen aber nicht schon unmittelbar vollendet, sondern vielmehr ein Prozess der immanenten Vollendung einbeziehenden (Sich)Bestimmens ist, im Zuge dessen das Endliche ein Ende nimmt.
4.7 Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist) Der absolute Geist markiert als realisierte absolute Idee den Inbegriff von Vollz¨ugen leibhaftigen (Sich)Bestimmens, in denen das Ganze als Prozess der Gestaltung unbedingten Sichbestimmens und das geistige Leben als dessen selbstzweckhafte Vollendungsform durchsichtig werden. Absoluter Geist meint damit gerade kein g¨ottliches Subjekt, das jenseits der Welt, unabh¨angig von Raum und Zeit bestehen soll. Aus seinem Begriff hat sich n¨amlich ergeben, dass Geist geschichtliches (Sich)Bestimmen in einer realen, zufallsgepr¨agten, r¨aumlichen, protozeitlichen Sph¨are ist, die er zu seiner Welt macht. Dabei bleibt es nicht bei vereinzelten und auf ihre eigene, umweltsituierte Leiblichkeit eingeschr¨ankten Zentren beseelten Lebens, sondern diese artikulieren und gestalten in theoretischen und praktischen Vollz¨ugen das Naturkontinuum, in und aus dem sie hervortreten, zu einer gemeinsamen Welt des Geistes, in der u¨ berindividuell-allgemeine Vernunft real ist. Aus der argumentativen Rekonstruktion von Hegels System als Darstellung der Hauptgestalten selbstanwendender Operationalit¨at im Ausgang von unbestimmter Unmittelbarkeit l¨asst sich die Annahme eines weltunabh¨angigen, je schon zeitlos in sich vollendeten Geistes nicht rechtfertigen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass sich die weltvorg¨angige Totalit¨at der Bestimmungen selbstbez¨uglichen Sichbestimmens – die absolute Idee – immer schon zeitlos zur raum-zeitlichen Realit¨at von Natur und Geist aufgehoben hat. Entsprechend bilden die Ent¨außerung der Idee zur Natur und deren geschichtliche Verwandlung durch unreflektiert-zeitzeugende Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die in und aus dem Naturkontinuum hervortreten, auf dieses in theoretischen und praktischen Vollz¨ugen u¨ bergreifen und es so zu einer Welt gestalten, in der Wahrheit und Freiheit Realit¨at haben, kein bloßes ontologisches Anh¨angsel zu einem vermeintlich je schon zeitlos wirklichen, absoluten Geist. Vielmehr gibt es Geist u¨ berhaupt nur dank der r¨uckhaltlosen Ent¨außerung der absolu-
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
ten Idee und deshalb allein als R¨uckkehr aus der Natur, weshalb geistiges (Sich)Bestimmen notwendig ein Naturmoment in sich aufhebt und damit raumzeitlich real ist51 . F¨ur eine andere Auffassung gibt es auf der Grundlage der vorgelegten Rekonstruktion keinen argumentativen Anhalt. Zugleich betont Hegel selbst, Geist bestehe nicht unabh¨angig von der zeitlosen Ent¨außerung des Logischen zur Natur, sondern betont ausdr¨ucklich, Geist habe seine Wirklichkeit nur“ und allein“ als R¨uckkehr in und aus seinem Anderssein und damit als ” ” reales, welthaftes (Sich)Bestimmen. Dass Geist grunds¨atzlich nicht als weltunabh¨angig gefasst werden kann, sondern notwendig ein Naturmoment einschließt und darum nur an raum-zeitliche Realit¨at gekoppelt m¨oglich ist, geht auch daraus hervor, dass Hegel ihn wesentlich als Bewegung zwischen zwei Extremen – einem Woher und einem Wohin – bestimmt, n¨amlich zwischen der Natur einerseits und demjenigen andererseits, was er austauschbar Gott“, ewige Welt“ oder Freiheit“ nennt52 . Dabei d¨urfen ” ” ” diese Extreme nicht seinslogisch als unmittelbar vorhandene, selbst¨andig bestehende Gr¨oßen gedacht werden, zwischen denen der Geist einen im Voraus abgesteckten Parcours durchl¨auft. Denn Hegel betont, der Geist sei durch sein Woher und Wohin definiert, diese also nichts, wozwischen er sich wie zwischen unabh¨angig von ihm vorhandenen Orten bewegt. Vielmehr m¨ussen sein Woher und Wohin ihm selbst angeh¨oren und so Stationen seiner eigenen Entfaltung und Entwicklung markieren, die f¨ur ihn darum wesentlich ist, weil er kein statisches Substrat ist, sondern Realisierung der Idee und damit wesent51 Entsprechend heißt es in Hegels Ausf¨ uhrungen zum Begriff des Geistes“, Geist sei, was ” er ist, nur als Zur¨uckkommen aus der Natur“ [20,3823]. Auch die Bestimmung des Geistes als ” reiner Manifestation vertr¨agt sich nicht mit der Annahme eines absoluten Geistes, der immer schon unabh¨angig von seiner Manifestation weltlos f¨ur sich besteht. Denn es gilt: Als f¨ur sich ” seyend ist das Allgemeine sich besondernd und hierin in Identit¨at mit sich. Die Bestimmtheit des Geistes ist daher die Manifestation. Er ist nicht irgendeine Bestimmtheit oder Inhalt, dessen Aeußerung oder Aeußerlichkeit nur davon unterschiedene Form w¨are, so daß er nicht Etwas offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst“ [20,38213−16]. 52 Vgl. Hegels Berliner Notizen zum Begriff des Geistes: Die Philosophie des Geistes ” hat den Geist als unser inneres Selbst zum Gegenstande, – weder das uns und sich selbst ¨ Außerliche noch das sich selbst schlechthin Innerliche, [sondern] unseren Geist, der zwischen der nat¨urlichen Welt und der ewigen Welt steht und beide als Extreme bezieht und zusammenkn¨upft“ [TW11,517]. So ist uns der Geist, den wir hier betrachten, sogleich als eine Mitte ” zwischen zwei Extreme, die Natur und Gott, gestellt, – zwischen einen Ausgangspunkt und einen Endzweck und Ziel. Die Frage, was der Geist ist, schließt damit sogleich die zwei Fragen in sich, wo der Geist herkommt und wo der Geist hingeht. Und wenn dies zun¨achst zwei weitere Betrachtungen zu sein scheinen u¨ ber die, was er ist, so wird sich bald zeigen, daß sie es allein wahrhaftig sind, durch welche erkannt wird, was er ist. Wo er herkommt, – es ist von der Natur; wo er hingeht, – es ist zu seiner Freiheit. Was er ist, ist eben diese Bewegung selbst, von der Natur sich zu befreien. Dies ist so sehr seine Substanz selbst, daß man von ihm nicht als einem so feststehenden Subjekte sprechen darf, welches dies oder jenes tue und wirke, als ob solche T¨atigkeit eine Zuf¨alligkeit, eine Art von Zustand w¨are, außer welchem es bestehe, sondern seine T¨atigkeit ist seine Substantialit¨at, die Aktuosit¨at ist sein Sein“ [TW11,527f.].
4.7. Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist)
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lich Prozess. Wenn Hegel betont, das Woher des Geistes sei die Natur, ist damit nicht gemeint, Geist gehe aus unbelebter Natur hervor, sondern nur, er mache seinen Anfang als Naturgeist oder Naturleben des Geistes, also in derjenigen Form leibhaftigen selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, in der dieses als bloß beseeltes Leben noch unreflektiert in seinen umweltsituierten, leibseelischen Vollz¨ugen aufgeht. Wenn Hegel die Befreiung von der Natur als Substanz“ ” des Geistes, also die ihm wesentliche Bestimmung anspricht53 , folgt daraus gerade, dass Geist keine Wirklichkeit unabh¨angig von einem Moment nat¨urlicher, ¨ raum-zeitlicher Außerlichkeit haben kann, sondern nur als eine raum-zeitliche¨ Außerlichkeit verwandelnde, aufhebende und tilgende Bewegung wirklich ist. Seine Befreiung von der Natur besteht gerade in der begrifflich vermittelten Herausbildung einer Welt des Geistes, in der sch¨opferische Freiheit Realit¨at hat. Die Befreiung von der Natur ist damit also nicht als abstraktes Herauskatapultieren aus Raum und Zeit zu denken, sondern die geistige Befreiung vom anderen ist wesentlich Befreiung im anderen, n¨amlich Gestaltung des fremdbestimmten Naturkontinuums zu einer Welt, in der Freiheit real ist und Gehalte von allgemeiner G¨ultigkeit artikuliert werden. Darauf, dass das Ziel der Befreiungsbewegung, das Hegel Gott“ nennt, nir” gendwo unabh¨angig von dieser Befreiungsbewegung vorhanden ist, deutet nicht nur, dass Hegel es als Endzweck“ des Geistes bezeichnet und damit als etwas, ” das erst zu realisieren, statt je schon realisiert ist, weil es sonst kein Zweck w¨are, der sich u¨ berhaupt verfolgen ließe54 . F¨ur diese Deutung spricht auch, dass Hegel den Endzweck wie selbstverst¨andlich auch als die Freiheit anspricht, die der Geist durch seine Entfaltung realisiert. Was mit Endzweck“ gemeint ist, ist ” darum die Realisierung eines auf das Ganze ausgreifenden und es als Realit¨at von Vernunft und Freiheit darstellenden Selbstverh¨altnisses im anderen. Wenn Hegel dieses Ziel als ewige Welt“ anspricht und im letzten Paragraphen der En” zyklop¨adie schreibt, dass die ewige an und f¨ur sich seyende Idee sich ewig als ” absoluter Geist bet¨atigt, erzeugt und genießt“ [20,5715−6 ], ist damit also keine unabh¨angig von Raum und Zeit bestehende, jenseitige Welt gemeint, sondern eine Verwandlung der endlichen, raum-zeitlichen Welt, insofern es dem Geist in selbstzweckhaften, in sich vollendeten und daher wesentlich performativen Vollz¨ugen gelingt, ihr Außereinander in die unverg¨angliche, erf¨ullte Gegenwart des schlechthin G¨ultigen zusammen zu nehmen. Ewigkeit meint f¨ur Hegel grunds¨atzlich weder abstrakte Zeitlosigkeit noch 53 Vgl.
S. 648 Anm. 52 . In seinen Notizen zum absoluten Geist h¨alt Hegel unmissverst¨andlich fest: Absolu” ter Geist heißt: rein sich wissender Geist – er ist nur als Religion und Wissenschaft“ [AG,18; Hervorhebung C. M.]. Entsprechend sagt Hegel vom Geist auch, er sei nicht ein vor seinem Er” scheinen schon fertiges, mit sich selber hinter dem Berge der Erscheinungen haltendes Wesen, sondern nur durch die bestimmten Formen seines notwendigen Sichoffenbarens in Wahrheit wirklich“ [TW10,12 Z.]. 54
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
endlose Dauer, sondern, dass in zeitlichen Vollz¨ugen, die solches Gestalt werden lassen, was unbedingten Wert und allgemeine Geltung hat, Zeit erf¨ullt, bestimmt negiert und aufgehoben wird – eine Sammlung, zu der jeder endliche Geist nur punktuelle Beitr¨age zu leisten vermag. Wenn aber Ewigkeit u¨ berhaupt nur so zu denken ist, kann es keinen Geist geben, der es sozusagen immer schon, n¨amlich ohne Durchgang durch die Zeit in die Ewigkeit ge” schafft“ hat. Vielmehr wird die Stillstellung der Zeit in absolute Ewigkeit nur von der Gemeinschaft aller Geister, die Hegel ein Geisterreich“ nennt, zu leis” ten sein, deren geheimes Band die lineare, profane Geschichte durchzieht – ohne dass wir damit u¨ ber einen hinreichend klaren, spekulativen Begriff der Zeit und ihrer bestimmten Negation in Ewigkeit verf¨ugen. In einer seiner tiefsten ¨ Uberlegungen zum Verh¨altnis von Zeit und Ewigkeit macht Hegel gerade deutlich, dass Ewigkeit weder als etwas vor oder unabh¨angig von Zeit Bestehendes noch als endloses Durchlaufen einer leeren Zeit, sondern nur als Erf¨ullung oder Zur¨uckwendung von Zeit in ihr zeitloses Wesen gefasst werden kann: Wie der Punkt des Menschen ist, ist die Welt, und wie sie ist, ist er: ein Schlag erschafft sie ” beide. Was ist vor dieser Zeit gewesen? Das Andere der Zeit, nicht eine andere Zeit, sondern die Ewigkeit, der Gedanke der Zeit. Darin ist die Frage aufgehoben; denn diese meint eine andre Zeit. Aber so ist die Ewigkeit selbst in der Zeit; sie ist ein Vorher der Zeit. [...] Wenn wir sagen: vor der Welt, meinen wir: Zeit ohne Erf¨ullung. Der Gedanke der Zeit ist eben das Denkende, das Insich-Reflektierte. Es ist notwendig hinauszugehen u¨ ber diese Zeit, jede Periode, aber in den Gedanken der Zeit“ 55 .
Darin, dass Hegel die Ewigkeit als den Gedanken der Zeit“ und diesen als ” das Insich-Reflektierte“ fasst, liegt also, dass er sie als Erf¨ullung, Zur¨uck” ” Beugung“ oder Zusammennahme einer zeitlichen Bewegung in solches, was zeitlose Geltung hat, versteht, w¨ahrend die abstrakt-zeitlos gedachte Ewigkeit nichts anderes ist als der Gedanke einer Zeit ohne Erf¨ullung“. Eine solche, als ” leere Zeit verstandene Ewigkeit ist aber eine Fiktion. Denn vorher, ehe die erf¨ullte Zeit ist, ist die Zeit gar nicht. Ihre Erf¨ullung ist das Wirkliche, aus der ” leeren Zeit in sich Zur¨uckgekehrte“ 56.
Giorgio Agamben hat diese Stellen trefflich kommentiert: Hegel glaubt, dass es unm¨oglich sei, die Ewigkeit als vor jeder Zeit oder als eine andere Zeit ” zu denken, und daß ein Gedanke der Zeit, der die leere Zeit durchlaufen will, um zum Ewigen zur¨uckzukehren, notwendig zu einer schlechten Unendlichkeit f¨uhren m¨usse. [...] Wahrhaftig und wirklich ist nur die erf¨ullte Zeit, die aus der leeren Zeit in sich zur¨uckgekehrt ist. In Hegels Augen ist deshalb nicht der Anfang, das der Zeit Vorausgehende das Absolute, sondern einzig das Resultat, das in sich zur¨uckgekehrt ist. [...] Wenn das Absolute am Anfang niemals es selbst
55
Diese Stelle aus den Jenaer Systementw¨urfen I wird hier zitiert nach AGAMBEN 2007:
161f. 56
Vgl. ebd.
4.7. Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist)
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sein kann, so darf es freilich ebensowenig mit dem endlosen, leeren Zeitverlauf verwechselt werden. Es muß notwendigerweise die Zeit erf¨ullen, sie vollenden“ 57.
Die vorgelegte Rekonstruktion widerspricht so Michael Theunissens Deutung, der zufolge der absolute Geist immer schon ewig und unabh¨angig von aller Ent¨außerung zur Natur und der zeitlichen Bewegung des endlichen Geistes be¨ steht58 . Damit soll nicht bestritten werden, dass sich Außerungen Hegels, insbesondere aus den religionsphilosophischen Vorlesungen, in diesem Sinne deuten lassen. Allerdings ergibt sich angesichts der von Hegel behaupteten Inhaltsgleichheit von Religion und Philosophie ein hermeneutisches Problem. Denn entweder kann man Hegels scheinbar oft dunkle, philosophische Ausdrucksweise im Licht seines Gebrauchs religi¨os-theologischer Sprache lesen oder den Gebrauch solcher Rede dahingehend deuten, dass es Hegel um eine argumentative Rekonstruktion ihres Gehalts gehe. Diese w¨are angemessen nicht durch R¨uck¨ubersetzung in religi¨ose Rede, sondern durch angestrengte Aneignung von Hegels eigenst¨andiger Argumentationsweise zu verstehen. F¨ur letzteres spricht Hegels ausdr¨ucklicher Hinweis, das Wort Gott“ habe philosophisch ” keine unmittelbare Bedeutung, sondern was es nenne, sei angemessen nur durch die ihm jeweils im Satzzusammenhang folgenden, logisch-philosophischen Bestimmungen angebbar. Gerade diese der Aussageform als solcher entsprechende Bewegung r¨uckbeziehenden Bestimmens sei angemessener Ausdruck des Absoluten als reiner Reflexion in sich ohne vermeintlich unmittelbar bestehenden Ausgangspunkt59. Eine angemessene philosophische Rekonstruktion 57
AGAMBEN 2007: 162 [Hervorhebung C. M.]. Theunissen liest Hegels Bestimmung des absoluten Geistes als ebenso ewig in sich ” seyende als in sich zur¨uckkehrende und zur¨uckgekehrte Identit¨at“ [20,54211−12] so, als sei Ewigkeit als abstrakte Negation von Zeit zu verstehen: Der absolute Geist selber ist auch ohne ” den endlichen Geist, was er wesensm¨aßig ist. [...] das ewige Insichsein meint die absolute Souver¨anit¨at Gottes gegen¨uber der Welt“ und behauptet, dass Gott von Ewigkeit her und nicht erst ” seit Erschaffung der Welt die in sich seiende Identit¨at ist, die ihm seine Freiheit garantiert, und [...] dass er auch nach der Weltsch¨opfung in sich bleibt“ [T HEUNISSEN 1970: 119]. Dagegen betont Hegel ausdr¨ucklich: Der Begriff der Ewigkeit muß aber nicht negativ gefasst werden ” als die Abstraktion von der Zeit, daß sie außerhalb derselben gleichsam existiere“ [20,24825 f .]. Im Widerspruch dazu behauptet Theunissen: Sofern Gott mit der Weltsch¨opfung sich selbst ” ent¨außert hat, ist es auch er selbst, mit dem er sich vers¨ohnt, wenn er die Welt aus der Entfremdung heimholt. Als derartige Selbstvermittlung aber reicht Vers¨ohnung in den Ursprung der ewigen Geschichte, in welcher Gott immer schon, vor aller Welt, die Liebe gewesen ist“ [T HEUNISSEN 1970: 95; Hervorhebung C. M.]. Wenn jedoch die Idee als ontologische Form des Geistes nur als Prozess, Geist nur als R¨uckkehr aus der Natur und seine Manifestation nicht als Manifestation von etwas unabh¨angig von ihr Vorhandenem bestimmt ist, kann das Absolute kein solches seinslogisches Immer-Schon sein, zu dem das ungeheure Durcharbeiten des Realen nur einen Appendix bildet. 59 In der Enzyklop¨ adie f¨uhrt Hegel aus: Das Subjekt hat erst im Pr¨adikate seine aus” dr¨uckliche Bestimmtheit und Inhalt; f¨ur sich ist es deswegen eine bloße Vorstellung oder ein leerer Name. In den Urteilen Gott ist das Allerrealste‘ usf. oder das Absolute ist identisch ’ ’ 58
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
muss religi¨ose Rede daher in philosophische Terminologie und Argumentation u¨ bersetzen, statt philosophische Argumentation durch Berufung auf die Autorit¨at von Offenbarungstexten aufzuladen60 . Dennoch muss eine voraussetzungslos ansetzende, immanenter Argumentation verpflichtete Rekonstruktion der Lehre vom absoluten Geist eine religi¨ostheologisch motivierte Deutung gerade, indem sie sich selbst davon freih¨alt, nicht grunds¨atzlich ausschließen. Denn je strenger die begriffliche Argumentation ist, desto mehr philosophisches Gewicht kann es haben, von ihr aus die ¨ rationale M¨oglichkeit eines religi¨os-theologischen Uberschusses u¨ ber das in strenger Argumentation Einholbare anzunehmen. Zwar k¨onnen gem¨aß der auf ph¨anomenale Ausweisung angelegten Methode der Realphilosophie nur solche Gestalten des absoluten Geistes philosophisch zum Thema werden, welche die mit sich‘ usf. ist Gott, das Absolute ein bloßer Name; was das Subjekt ist, ist erst im Pr¨adikate gesagt“ [20,1853−7]. Schon in der Ph¨anomenologie heißt es: Das Bed¨urfnis, das Absolute als ” Subject vorzustellen, bediente sich der S¨atze: Gott ist das Ewige, oder die moralische Weltordnung, oder die Liebe usf. In solchen S¨atzen ist das Wahre nur geradezu als Subject gesetzt, nicht aber als die Bewegung des sich in sich selbst Reflectirens dargestellt. Es wird in einem Satze der Art mit dem Worte: Gott, angefangen. Diß f¨ur sich ist ein sinnloser Laut, ein blosser Nahme; erst das Pr¨adicat sagt, was er ist, ist seine Erf¨ullung und Bedeutung; der leere Anfang wird nur in diesem Ende ein wirkliches Wissen. Insofern ist nicht abzusehen, warum nicht vom Ewigen, der moralischen Weltordnung usf. oder, wie die Alten taten, von reinen Begriffen, dem Seyn, dem Einen usf., von dem, was die Bedeutung ist, allein gesprochen wird, ohne den sinnlosen Laut noch hinzuzuf¨ugen. Aber durch dies Wort wird eben bezeichnet, daß nicht ein Seyn oder Wesen oder Allgemeines u¨ berhaupt, sondern ein in sich Reflectirtes, ein Subject gesetzt ist. Allein zugleich ist diß nur anticipirt. Das Subject ist als fester Punkt angenommen, an den als ihren Halt die Pr¨adicate geheftet sind, durch eine Bewegung, die dem von ihm Wissenden angeh¨ort und die auch nicht daf¨ur angesehen wird, dem Punkte selbst anzugeh¨oren; durch sie aber w¨are allein der Inhalt als Subject dargestellt“ [9,2026–2110]. 60 Damit wird Theunissens These widersprochen, Hegel proklamiere mit seiner Behauptung, dass die Philosophie keinen anderen Inhalt habe als die christliche Religion, eine Philo” sophie, welche die Wirklichkeit, statt sie a priori zu deduzieren, als geschichtliches Faktum hinnimmt“ [T HEUNISSEN 1970: 78]. Dagegen betont Angelica Nuzzo zu Recht: Die Hegels dia” lektischer Methode eigene Form des Systems ist das einzige Verfahren, das vom Postulat oder von der Voraussetzung eines metaphysischen Absoluten unabh¨angig ist, und die folglich die Autonomie philosophischen Denkens beansprucht“ [N UZZO 2003a: 47]. Entsprechend lehnt ” Hegel Substanzmetaphysik jeder Art kompromisslos ab. Er verwirft jeden Versuch, die Bestimmungen des Seins und des Denkens in vorausgesetzten und fixierten Substraten (Wesenheiten, Postulaten oder Prinzipien) zu verankern, was die Natur jener Substrate auch immer sei, handele es sich um ontologische, theologische, psychologische, logische, erkenntnistheoretische Postulate, Prinzipien oder Voraussetzungen. Hegel ersetzt die Idee der Begr¨undung der Philosophie (aus einem Prinzip oder in einem absoluten Substrat) durch den inneren und immanenten Selbstkonstitutionsprozeß, wodurch das philosophische Denken sich selbst entwickelt“ [ebd., 46]. Dabei kann philosophisches Denken sich aber durchaus auf einen Punkt hin entwickeln, an dem die philosophische Bedeutung von Faktizit¨at deutlich wird und das von Theunissen ins Feld gef¨uhrte Hinnehmen“ geschichtlicher Fakta zu seinem Recht kommt – nur dass sich ” dieses Recht nur vor dem Hintergrund begrifflicher Herleitung a priori und nicht anstelle ihrer behaupten und in seiner damit bloß momenthaften Bedeutung ausweisen l¨asst.
4.7. Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist)
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unbedingte Selbstbeziehung des Ganzen – wie Kunst, Religion und Philosophie – nur punktuell und vor¨ubergehend realisieren und damit das Verfließen der Zeit selbst nur vorl¨aufig in erf¨ullte Gegenwart aufheben. Obwohl real also nur gebrochene Gestalten des absoluten Geistes namhaft gemacht werden k¨onnen, ist am Ende der Philosophie des Geistes, dessen reale Entwicklung wir weder vollst¨andig u¨ berblicken noch abstrakt vorwegnehmen k¨onnen, eine ph¨anomenal nicht zu f¨ullende Leerstelle f¨ur die nicht mehr bloß punktuelle Aufhebung der Zeit in absolute Ewigkeit freizuhalten, deren ontologisches Versprechen die absolute Idee oder, religi¨os gesprochen, das Reich des Geistes“ ist. ” Wenn Hegel betont, die Idee sei als absoluter Geist das schlechthin Ge61 genw¨artige , steht Gegenwart hier nicht f¨ur das fl¨uchtige Jetzt zwischen Vergangenheit und Zukunft, sondern emphatisch f¨ur erf¨ullte Gegenwart“ als kon” kretes, die Zeitekstasen aufhebendes Ineinander. Reale Splitter der Ewigkeit als erf¨ullter Gegenwart“ k¨onnen damit grunds¨atzlich nichts schlichtweg Zeitloses ” sein, sondern m¨ussen sich dem Ereignis der Tilgung oder Sammlung des Vergehens von Zeit in seinem Gehalt nach allgemein und darum zeitlos G¨ultiges verdanken62 . Zu leibhaft verk¨orpertem, sich geschichtlich entwickelndem Geist als solchem geh¨ort es damit, sich in selbstzweckhaften, sein unbedingtes Wesen artikulierenden Vollz¨ugen punktuell dem zeitlichen Vorher-Jetzt-Nachher zu entnehmen und Zeit so in das erf¨ullte Bei-Sichsein einer Gegenwart aufzuheben, die eine Bewegung zu etwas Endg¨ultigem zusammengenommen hat und derart gesammelt Ewigkeit ist63 . Die Unvollendetheit des Geistes auf seinem Weg liegt jedoch darin, dass ihm solche Sammlung, sei es in religi¨oser Andacht, der Kunst, im Denken oder wo immer, nur punktuell gelingen kann. 61 So heißt es in der Vorrede zur Rechtsphilosophie, es komme darauf an, in dem Schei” ne des Zeitlichen und Vor¨ubergehenden die Substanz, die immanent, und das Ewige, das gegenw¨artig ist, zu erkennen“ [TW7,25]. Im Zusammenhang seiner Sokratesdeutung bemerkt Hegel scheinbar nebenbei: die philosophische Ewigkeit ist in der Zeit gegenw¨artig: der we” sentliche substantielle Mensch“ [TW18,470]. 62 Vgl. Hegels Ausf¨ uhrungen am Schluss der Ph¨anomenologie: Die Zeit ist der Begriff ” selbst, der da ist und als leere Anschauung sich dem Bewußtseyn vorstellt; deswegen erscheint der Geist nothwendig in der Zeit, und er erscheint so lange in der Zeit, als er nicht seinen reinen Begriff erfaßt, das heißt nicht die Zeit tilgt. Sie ist das a¨ ußere angeschaute, vom Selbst nicht erfaßte reine Selbst, der nur angeschaute Begriff; indem dieser sich selbst erfaßt, hebt er seine Zeitform auf, begreift das Anschauen und ist begriffenes und begreifendes Anschauen. – Die Zeit erscheint daher als das Schicksal und die Nothwendigkeit des Geistes, der nicht in sich vollendet ist“ [9,4297−14, Hervorhebung C. M.]. 63 So gilt laut Hegel: Der Geist ist ewig, also deshalb schon gegenw¨ artig; der Geist in ” seiner Freiheit ist nicht im Kreise der Beschr¨anktheit. F¨ur ihn als denkend, rein wissend ist das Allgemeine Gegenstand; dies ist die Ewigkeit, die nicht bloß Dauer ist, wie die Berge dauern, sondern Wissen“ [TW17,261]. Solches Wissen muss nicht im engeren Sinne begrifflich sein, sondern die Sammlung der Zeit mag durchaus ein Anschauungs- und Vorstellungsmoment aufweisen. Entsprechend kann Hegel vom absoluten Geist auch sagen: Diese Eine Idee ist ” ¨ Uberblik“ [AG,37], und die Philosophie als Anschauen“ des Ganzen charakterisieren [AG,16]. ”
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
Die konkrete, erf¨ullte Gegenwart sich in sich sammelnder Zeitlichkeit ist real selbst fl¨uchtig und hebt sich nicht in eine Form von Gegenwart auf, aus der der Geist nicht wieder in den Strom seines zeitlichen Außersichseins gerissen w¨urde, der seine Sammlung zerstreut. Die Selbstbeziehung im anderen, die sich auf das Ganze als Prozess der Selbstgestaltung von Vernunft und Freiheit bezieht, ereignet sich so real immer nur gebrochen und entgleitet dem Geist notwendig wieder. Entsprechend ist die uns vertraute Realit¨at des absoluten Geistes zersplittert, n¨amlich von Vollz¨ugen des endlichen Geistes durchbrochen, sodass sich in unserem geistigen Leben zwei Reiche durchdringen – dasjenige des absoluten Geistes, in dem sich die konkrete, in erf¨ullte Gegenwart sammelnde Selbstbeziehung im anderen realisiert, und das Reich der Endlichkeit als scheinbar nie enden wollender Wiederkehr des dem Begriff Unangemessenen und darum Verg¨anglichen, das die unvorhersehbar sch¨opferische Sammlung des Geistes eben so sehr erm¨oglicht, wie es sie zerstreuend durchkreuzt64 . Absoluter Geist meint daher real nichts bereits in un¨uberbietbarer Erf¨ullung Erreichtes noch bereits anderswo in Reinform Vorhandenes, weil es Ewigkeit als erf¨ullte Zeit grunds¨atzlich nicht auch ohne solche Erf¨ullung im ¨ Uberspringen der Zeit geben kann. Die Gegenwart des absoluten Geites meint daher das real schon angebrochene, aber noch nicht vollendete Reich des Geistes, das Hegel durch die Metapher der Rose im Kreuz der Gegenwart“ kenn” zeichnet, die f¨ur die den Druck der Zeit verwandelnde, lebendige Gegenwart des Geistes steht65 . ¨ Hegels pr¨asentische Eschatologie“ bedeutet so keine Ubersch¨ atzung unse” rer menschlichen M¨oglichkeiten66. Sie fasst die Ewigkeit des absoluten Geistes, deren einziger konkreter Anhalt ihr punktuelles Aufblitzen ist, eben so sehr als 64 Alles, was das menschliche Leben zusammenh¨ alt, was Wert hat und gilt“ ist laut He” gel geistiger Natur; und dies Reich des Geistes existiert allein durch das Bewußtsein von ” Wahrheit und Recht, durch das Erfassen der Idee“ [TW10,404]. Dem steht das Reich dessen entgegen, was Hegel in der Begriffslogik Irrtum, Tr¨ubheit, Meinung, Streben, Willk¨ur und ” Verg¨anglichkeit“ [12,23617−18] nennt. 65 Vgl. Die Vernunft ist als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen und damit ” dieser sich zu erfreuen, diese vern¨unftige Einsicht ist die Vers¨ohnung mit der Wirklichkeit“ [7,26]. 66 Dies behauptet Wolfhart Pannenberg, wenn er dem Denktyp, den er pr¨asentische Es” chatologie“ nennt, vorwirft, die Gegenwart zu u¨ beranstrengen. Sie soll mehr herzeigen an de” finitiver Vollendung als mit ihrer faktischen Beschaffenheit vereinbar ist. Die Gegenwart wird dann entweder ideologisch u¨ berh¨oht wie bei Hegel [...] oder die unvollkommene Realit¨at der Gegenwart scheitert und zerschellt an der ihr abgeforderten Vollkommenheit. Dieses Dilemma ist die Schw¨ache aller rein pr¨asentischen Eschatologie, die nicht mehr die Spannung zu einer noch ausstehenden Vollendung in sich ertr¨agt“ [PANNENBERG 2001: 322]. Pannenberg ber¨ucksichtigt nicht, dass Hegels emphatischer Begriff der Gegenwart des Geistes, weil die absolute Idee einen Prozess markiert, der eben so sehr schon angebrochen wie noch zu vollbringen ist, sehr wohl mit einem Ausstand an erf¨ullter Gegenwart vereinbar ist.
4.7. Selbstbestimmung im Zuge ihrer Vollendung (absoluter Geist)
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ausstehend und vollendungsbed¨urftig, wie als bereits angebrochen und im Zug ihrer Vollendung begriffen. Die Erf¨ullung des Ausstands kann aber in keinem ausschließlichen Sinn als zuk¨unftig gedacht werden, weil die zuk¨unftige Zeit ebenso partikular und endlich ist wie die gegenw¨artige und vergangene67 . Wenn kein einzelnes Zentrum geistigen Lebens die Erf¨ullung der Zeit in absolute Ewigkeit aus eigener Kraft leisten kann, sondern nur einen unverzichtbaren Beitrag zu ihr zu leisten vermag, ist solches nur von der Koordination des Geisterreichs im Ganzen zu hoffen. So sagt Hegel am Ende der Vorlesungen u¨ ber die Geschichte der Philosophie mit Hinblick auf die Geschichte des absoluten Geistes u¨ berhaupt: Ich habe versucht, diesen Zug der geistigen Gestaltungen der Philosophie in ihrem Fortgehen ” mit Andeutung ihres Zusammenhangs zu entwickeln, vor Ihren Gedanken vor¨uberzuf¨uhren. Diese Reihe ist das wahrhafte Geisterreich, das einzige Geisterreich, das es gibt – eine Reihe, die nicht eine Vielheit, noch auch eine Reihe bleibt als Aufeinanderfolge, sondern eben im Sichselbsterkennen sich zu Momenten des einen Geistes, zu dem einen und demselben gegenw¨artigen Geiste macht. Und dieser lange Zug von Geistern sind die einzelnen Pulse, die er in seinem Leben verwendet; sie sind der Organismus unserer Substanz.“ 68
Das Geisterreich, von dem Hegel spricht, legt sich damit zwar zun¨achst in einer gerichteten Abfolge, einem Zug“ oder einer Reihe“ aus, die aber kei” ” ne Reihe bleibt. Vom Standpunkt innerhalb der Reihe ist diese zwar nicht vollst¨andig u¨ berschaubar und die vollendete, nicht-lineare Koordination des Geisterreichs nicht konkret vorwegzunehmen, wohl aber einsichtig, dass dessen vollendete Koordination in keinem ausschließlichen Sinn zuk¨unftig sein kann, als ob sie nur am Ende der Reihe l¨age, obwohl sie erst mit diesem eintreten kann. Nun geh¨ort zur Freiheit des Geistes die r¨uckwirkende Erg¨anzung weltseitigen Seins, insofern die u¨ ber alles Vorhandene u¨ berschießenden Vollz¨uge selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens sich r¨uckwirkend ihre eigenen Ursachen voraussetzen, die das Geschehene ganzheitlich erg¨anzen69 . Daher ist nicht nur die Zukunft offen, sondern auch die Vergangenheit noch unabgeschlossen, von unserem endlichen Ort in der Reihe aus jedoch nicht mehr zu erreichen. Ihre Unabgeschlossenheit meint dabei zwar nicht, sie sei beliebig auswechselbar, jedoch erg¨anzbar, sofern sie durch Vollz¨uge selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens, die sich ihre eigenen Ursachen voraussetzen, nachtr¨aglich vervollst¨andigt werden kann. Entsprechend kann die geschichtliche Bewe67 So ist es laut Hegel verfehlt, sich die Erf¨ ullung so zu denken, als ob die Ewigkeit ” nach der Zeit komme; so w¨urde die Ewigkeit zur Zukunft, einem Momente der Zeit, gemacht“ 28−30 [20,248 ]. 68 TW20,461f. 69 Diese Behauptung kann, wie schon gesagt, nur verwunderlich scheinen, solange man Zentren selbstbez¨uglichen (Sich)Bestimmens auf einem verdinglichten Zeitstrahl verortet, statt zu sehen, dass Richtung und Einteilung des Strahls dem unbedingten Sichbestimmen selbst entspringen, das sich in eine Reihe untereinander koordinierter Einzelner bricht.
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
gung des Geistes hin zu seiner Vollendung in absoluter Gegenwart keine bloß zuk¨unftige Anst¨uckung des noch ausstehenden Rests einer Reihe sein, sondern muss eine (als solche freilich ausstehende) Verwandlung der ganzen Reihe und so zugleich Erf¨ullung des schon Geschehenen sein. Die Zukunft w¨are von dieser Warte daher nicht das, worin der Ausstand des Absoluten sich doch noch ereignet, sondern das, was noch aussteht, damit die ganze Zeit aufgehoben, die Endlichkeit als solche getilgt und die Splitter des Unverg¨anglichen zusammengef¨ugt werden k¨onnen. Vom Gedanken einer r¨uckwirkenden Erg¨anzung des Vergangenen aus wird zumindest die abstrakte M¨oglichkeit einer solchen r¨uckwirkenden Aufhebung des Geschehenen denkbar, aus der die konkrete Sammlung der Zeiten in absolute, geschichtserf¨ullte Ewigkeit resultiert, deren Splitter jedes Zentrum geistigen Lebens innerhalb der unvollendeten Reihe als zeitlich-verg¨angliches wieder aus der Hand geben muss, bevor es in den Tag jenes unverg¨anglichen Lebens“ ” eintreten kann, dessen ontologisches Versprechen die absolute Idee ist. Solange unabsehbar ist, wie dieses Versprechen konkret eingel¨ost werden k¨onnte, m¨ussen das System der Wirklichkeit ebenso wie dasjenige der Philosophie als grunds¨atzlich unabgeschlossen gelten. Unsere Betrachtung des Logischen im Gef¨uge des Systems hat daher mit einem Ausblick auf die Offenheit des Systems zu schließen.
4.8 Die Offenheit des Systems Entscheidend ist, dass aus den definitorischen Merkmalen selbst¨andiger Ganzheit und innerer Zusammenstimmung keineswegs folgt, ein System sei notwendig in sich abgeschlossen und auf keine Weise erweiterbar. Im Begriff des Systems liegt lediglich, nicht a¨ ußerlich durch Zusatz selbst¨andiger Elemente erweiterbar zu sein, weil dies der Bedingung innerer Zusammenstimmung zuwiderliefe. Daher schließt ein System zwar a¨ ußerliche, nicht jedoch innerliche Erweiterung durch sich selbst aus. Denn dass ein Selbst¨andiges und innerlich Zusammenstimmendes sich selbst erweitert, l¨auft weder seiner Selbst¨andigkeit noch seiner inneren Zusammenstimmung zuwider. Diese spezifische Erweiterbarkeit von Systemen hat Kant am Organismus erl¨autert: Das Ganze [eines Systems, C. M.] ist gegliedert und nicht geh¨auft; es kann zwar innerlich (per ” intus susceptionem) aber nicht a¨ ußerlich (per appositionem) wachsen, wie ein tierischer K¨orper, dessen Wachstum kein Glied hinzusetzt, sondern, ohne Ver¨anderung der Proportion, ein jedes zu seinen Zwecken st¨arker und t¨uchtiger macht“ 70.
Zum Begriff des Systems geh¨ort so lediglich die Abgeschlossenheit nach Au70
K ANT, KrV, B860f.
4.8. Die Offenheit des Systems
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ßen oder im Fall eines Systems der Totalit¨at dies, kein Außen zu kennen. Innerlich wird ein System dagegen wesentlich selbsterweiternd sein, insofern es eine systemkonstitutive, selbstanwendende Operation implementiert. Die Annahme, ein System sei notwendig etwas Geschlossenes und Starres, ist daher durch den spekulativen Begriff des Systems nicht gedeckt71 . Philosophische Systeme m¨ussen grunds¨atzlich zum Typ innerlich erweiterbarer Systeme geh¨oren. Denn wenn philosophische Systeme erkennend auf die Wirklichkeit im Ganzen ausgreifen, diese Wirklichkeit aber wesentlich durch sich geschichtlich entwickelnden Geist gepr¨agt und so ein selbsterweiterndes Ganzes ist, werden auch philosophische Systeme solcher Erweiterung Rechnung tragen und innerlich erweiterbar sein m¨ussen. Die innere Offenheit eines philosophischen Systems ist dabei auf zwei Ebenen anzusiedeln. Zum einen ist damit zu rechnen, dass jede faktische Ausgestaltung eines solchen Systems, weil sie Leistung eines endlichen Geistes ist, unvollst¨andig und l¨uckenhaft ist. Auch unangesehen von Fehlern und L¨ucken, die auf die Fallibilit¨at des Einzelnen zur¨uckgehen, ist ein System aber deshalb wesentlich auf Erweiterung angelegt, weil es selbstbez¨ugliche Operationalit¨at real an sich hat, sich aus sich heraus zu erweitern. Die Offenheit von Hegels System wird sich damit in Logik und Realphilosophie jedoch unterschiedlich auspr¨agen, weil die dialektische Methode sich in ihnen unterschiedlich gestaltet. Die Erweiterbarkeit der Logik kann n¨amlich, die L¨uckenlosigkeit der entwickelten Hauptzyklen vorausgesetzt, nur darin bestehen, dass sich zu solchen Hauptzyklen oder u¨ bergreifenden Kategorienkreisen immer noch Unterzyklen oder untergeordnete Kategorienkreise angeben lassen, die im System der Logik faktisch nicht entwickelt sind. Mit Blick auf die Realphilosophie l¨asst sich zwar von der Logik her begr¨unden, dass die Ansetzung der Hauptzyklen Natur- und Geistphilosophie sowie die Einteilung des Geistes in subjektiven, objektiven und absoluten Geist
71
Entsprechend kann Hegel von der Idee sagen: Indem das Hinausgehen der philosophi” schen Idee in ihrer Entwicklung nicht eine Ver¨anderung, ein Werden zu einem Anderen, sondern ebenso ein Insichhineingehen, ein Sichinsichvertiefen ist, so macht das Fortschreiten die vorher allgemeine, unbestimmtere Idee in sich bestimmter“ [TW20,476]. Angelica Nuzzo weist treffend darauf hin, dass nur scheinbar ein Widerspruch zwischen Offenheit und systemischer Geschlossenheit besteht: Der Widerspruch l¨ost sich dadurch auf, dass das System der Geschichte ” offen ist, indem die Geschichte den immanenten Entwicklungsprozess des Systems selbst darstellt“ [N UZZO 2003a: 49]. Nuzzo betont zugleich: Wenn sich im System Ver¨anderungen und ” Bewegungen ergeben, ergeben sich diese Prozesse nur vom Inneren her als selbstbestimmte ¨ und -verursachte Anderungen. [...] Was sich im Prozess a¨ ndert, ist nie der Zweck des Ganzen, sondern nur die Art und Weise, in welcher die als Prinzip oder Gesetz geltende zweckm¨aßige, formale Bestimmung desselben in einem Prozeß allm¨ahlich befriedigt und schließlich erreicht wird“ [N UZZO 2003a: 32].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
vollst¨andig ist72 . Es gibt also apriorische Gr¨unde daf¨ur, dass sich die systemkonstitutive Operation nicht zu weiteren Begriffen auslegen l¨asst, die denen der Natur und des Geistes hierarchisch gleichrangig sind, und dass es zu subjektivem, objektivem und absolutem Geist keine weiteren, hierarchisch gleichoder h¨oherrangigen Gestalten des Geistes geben kann. Dass das System der Realphilosophie nach seinen Hauptbestimmungen abgeschlossen und nicht einmal innerlich erweiterbar ist, bedeutet also, dass es ausgeschlossen ist, dass es u¨ ber den absoluten Geist hinaus kategorial grunds¨atzlich anderes geben k¨onnte. Denn die Einteilung der logischen Idee in diejenige des (beseelten) Lebens, die Idee des (endlichen) Geistes und die absolute Idee ist vollst¨andig. Dem Geist ist als sch¨opferischer Selbstbestimmung so zwar die immanente Selbsterweiterung zu irreduzibel neuen Gestalten eingeschreiben, doch diese Gestalten sind notwendig selbst Gestalten des Geistes. Da die Methode der Realphilosophie aber keine reine Entfaltung begrifflicher Formen ist, sondern sich durch Bezug auf reale Ph¨anomene ausweisen muss, geht die geschichtliche Selbsterweiterung geistigen Lebens die Philosophie an und betrifft nichts, was ihr a¨ ußerlich w¨are oder zu niedrig sein d¨urfte. So ist aus logischen Gr¨unden zwar der absolute Geist – selbstbez¨ugliches (Sich)Bestimmen, das sich auf das Ganze als Auslegung unbedingten Sichbestimmens bezieht und sein reines geistiges Leben als absolut weiß – die un¨uberbietbare Abschlussbestimmung der Realphilosophie. Da absoluter Geist als Prozess der Realisierung der absoluten Idee angemessenere und unangemessenere Auspr¨agen zul¨asst, von denen uns ph¨anomenal nur die wesentlich gebrochenen und insofern noch endlichen Gestalten der Kunst, Religion und Philosophie vertraut sind, muss f¨ur andere, vollere Gestalten von Ewigkeit aus systeminternen Gr¨unden aber zumindest eine Leerstelle freigehalten werden. Die Offenheit gegen¨uber neuen Ph¨anomenen, mit denen gem¨aß der inneren Selbsterweiterung des Geistes zu rechnen ist, hat nicht nur die Philosophie des absoluten Geistes zu kennzeichnen. Vielmehr sind real zugleich kategorial neue Gestalten des endlichen Geistes zu erwarten. Denn da die Realphilosophie als philosophische Empirie keine l¨uckenlose begriffliche Entwicklung zul¨asst, ist grunds¨atzlich mit dem geschichtlichen Auftreten neuer, philosophisch relevanter Gestalten des Geistes zu rechnen. Gem¨aß der inneren Selbsterweiterung des Geistes muss die Realphilosophie – abgesehen von ihrer logisch vorgezeichneten Gliederung – Umgruppierungen angesichts kategorial neuer Ph¨anomene ebenso zulassen wie immanente, begriffliche Erweiterung – eine Vorgehensweise, die Hegel in seinen realphilosophischen Vorlesungen ganz selbstverst¨andlich praktiziert. Insofern Geist reales (Sich)Bestimmen ist, das aus sich heraus irreduzibel 72
Dies ergibt sich aus dem Nachweis der Vollst¨andigkeit der Logik in Abschnitt 3.5.10.3 und der Zuordnung zwischen logischen und realphilosophischen Systemteilen in Abschnitt 4.1.
4.8. Die Offenheit des Systems
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neue Bestimmtheit setzt, die weder apriorisch vorweggenommen noch nomologisch erschlossen werden kann, ist die Zukunft wesentlich offen73 . Sie ist insofern auch dem Zugriff der Philosophie entzogen. Denn sie l¨asst sich darum nicht apriorisch einholen, weil ein Gef¨uge der Realit¨at, das Natur und absoluten Geist umspannt, bereits alle apriori entfaltbaren ontologischen Formen auspr¨agt und sich apriorisch damit keine weiteren Formen angeben lassen, deren zuk¨unftige reale Auspr¨agung antizipiert werden k¨onnte. Hegel weist daher jedes ahnende Hinausgehen u¨ ber die Gegenwart als mit der Methode der Philosophie unvereinbar ab74 . Dies h¨angt aber nicht damit zusammen, dass sich nichts Wesentliches mehr ereignen k¨onnte, sondern nur damit, dass nicht erwartbar ist, dass das Neue eine ganz andere kategoriale Verfassung als dasjenige haben wird, was schon wirklich ist, weil Natur und Geist die apriori entwickelbaren Grundformen des Seins bereits ausgepr¨agen. So ist auch der absolute Geist nicht das ganz Andere, das erst noch zu erwarten w¨are, sondern jetzt schon wirklich. Diese Wirklichkeit ist aber selbst die Gegenwart des anderen zur profanen, endlichen Zeit. Was aussteht, ist somit nicht die Abstraktion des ganz Anderen, sondern die unzersplitterte Auspr¨agung desjenigen Anderen-unserer-selbst, das als absoluter Geist schon gegenw¨artige Realit¨at ist. Die r¨uckw¨artige Verfugung zersplitterter Ewigkeit durch Erf¨ullung der Zeit als ganzer w¨are allein das, wovon sich sagen ließe, es mache alles neu. F¨ur eine solche durch r¨uckw¨artige Erf¨ullung erreichbare, unzersplitterte Auspr¨agung des absoluten Geistes – nicht mehr als fl¨uchtige Ewigkeit, aus der der Geist sich wieder in die reißende Zeit werfen muss, sondern als schlechthin Ewiges – l¨asst sich dialektisch nur das Argument anf¨uhren, dass die absolute Idee sich logisch als Vollgestalt oder Totalit¨at des Seins erwiesen hat, die alle anderen Gestalten in sich aufhebt. Als solche kann sie sich aber nicht endg¨ultig in Einzelvollz¨ugen auspr¨agen, die bloß als Splitter der Ewigkeit die Zeit durchsetzen, sondern muss den Prozess r¨uckw¨artiger Vervollst¨andigung oder Erg¨anzung solcher Splitter zu einer Gestalt markieren, die erst wahrhaft als reale Vollgestalt der absoluten Idee und des Seins als solchen gelten kann. So l¨asst sich von der absoluten Idee her u¨ ber das ph¨anomenal vertraute Vergehen von Endlichem hinaus das Enden des Endlichen u¨ berhaupt oder die Verg¨anglichkeit von allem außer dem un¨ubersehbaren Gef¨uge geisti73
Vgl. hierzu Burbidges Aufsatz Hegel’s open future“ [B URBIDGE 1998]. ” Vgl. Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist ” die Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt. Es ist ebenso t¨oricht zu w¨ahnen, irgendeine Philosophie gehe u¨ ber ihre gegenw¨artige Welt hinaus, als, ein Individuum u¨ berspringe seine Zeit, springe u¨ ber Rhodus hinaus“ [TW7,26]. Die Vergangenheit ist die Aufbewahrung der Gegen” wart als Wirklichkeit; aber die Zukunft ist der Gegensatz hiervon, – vielmehr das Gestaltlose. Aus diesem Gestaltlosen tritt erst das Allgemeine in der Gegenwart in die Gestalt; es kann also u¨ berhaupt in der Zukunft keine Gestalt angeschaut werden“ [TW18,501]. 74
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
ger Vollz¨uge erwarten, in denen solches von zeitloser Geltung und unbedingtem Wert Gestalt wird. Was in letzter Instanz ist und bleibt, wenn die absolute ” Idee allein Sein, unverg¨angliches Leben und sich wissende Wahrheit“ und al” les u¨ brige Irrtum, Tr¨ubheit, Meinung, Streben, Willk¨ur und Verg¨anglichkeit“ ist, kann nur ein selbsterweiterndes Gef¨uge sich in schlechthin G¨ultigem sammelnder geistiger Vollz¨uge sein – und nicht das nat¨urliche Universum, in dem solche Vollz¨uge bloß eine verschwindende Episode zu bilden scheinen. Darauf, dass das Gef¨uge in sich gesammelter Vollz¨uge, in Gestalt derer sich die Idee ewig als absoluter Geist bet¨atigt, erzeugt und genießt“ das ist, was ” in letzter Instanz bleibt, w¨ahrend alles andere vergeht, deutet Hegel, indem er die Enzyklop¨adie nicht mit der Idee der Philosophie als h¨ochster, ph¨anomenal ausweisbarer Gestaltung des absoluten Geistes schließt, sondern das ber¨uhmte Zitat aus Buch Lambda der Aristotelischen Metaphysik ans Ende stellt, welches das unmittelbar in sich vollendete Sich-Denken Gottes zum Thema hat. Offenbar hat solches kommentarlose Zitieren eines H¨ohepunkts antiken Denkens die Konnotation, dass das Denken hier einen Punkt erreicht hat, an dem Hegel seine immanente, dialektische Entfaltung nicht weiterzuf¨uhren vermag, sondern an dem es angemessen ist, die Geschichte und damit Faktisches sprechen zu lassen. L¨asst man die Geschichte der Religion und des Denkens sprechen, begegnet man Zeugnissen, die eine vern¨unftige Hoffnung auf Ewigkeit als reine Energeia oder in sich vollendeten geistigen Vollzug bekr¨aftigen, ohne dies in zwingender philosophischer Argumentation zu tun, und f¨ur die im Rahmen des argumentativ Ausgewiesenen ein Platz vorbereitet ist, insofern sie die unendliche Auspr¨agung dessen meinen, wof¨ur sich realphilosophisch nur endliche und unangemessene Auspr¨agungen namhaft machen lassen. Entsprechend markiert der Bruch zwischen Hegels Ausf¨uhrungen zur Philosophie und dem Aufruf Gottes im Aristoteleszitat die absolute Pause zwischen zeitlich zersplitterter und absoluter Ewigkeit, die in dialektischer Argumentation nicht weiter u¨ berbr¨uckbar scheint. Das Aristoteleszitat bedeutet so gegen¨uber den vorangegangenen Bestimmungen des absoluten Geistes ein grunds¨atzliches Novum, wodurch jene auf eine argumentativ selbst nicht weiter einl¨osbare Weise erg¨anzt werden. Dabei kann dieses Zitat aber nicht einfach aristotelisch gedeutet und Hegel deswegen, weil er es zitiert, die Konzeption eines weltunabh¨angigen, absoluten g¨ottlichen Denkens zugeschrieben werden75 . Nicht nur w¨are es schlechte Hermeneutik, den zitierenden Autor von dem her verstehen zu wollen, was er zitiert, statt das, was er zitiert, von seinem eigenen 75
Auf die entscheidende Differenz macht Klaus D¨using aufmerksam: Obwohl Aristoteles ” ein reines Denken seiner selbst konzipiert, fehlt offensichtlich jede subjektivit¨atstheoretische ¨ Entwicklung, die ihren Ausgang von konstituierender Spontaneit¨at nimmt“ [D USING 2004: 446]. Ist das Absolute als Subjekt laut Hegel aber nur als Reflexion-in-sich zu verstehen [vgl. oben S. 648 Anm. 51 ], dann kann es auch nur im Durchgang durch Welt und Geschichte, der dem aristotelischen Gott erspart bleibt, bei sich einkehren.
4.8. Die Offenheit des Systems
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Denken her zu verstehen. Vielmehr kann das Aristoteles-Zitat grunds¨atzlich nur in der Deutung genommen werden, die Hegel ihm in seinen Vorlesungen u¨ ber ” die Geschichte der Philosophie“ selbst beimisst, in denen er deutlich sagt, die Absolutheit des Denkens k¨onne nicht aristotelisch als Superlativ und damit als weltunabh¨angig Besonderes verstanden werden, sondern m¨usse als Totalit¨at begriffen werden: Das Denken ist dem Aristoteles ein Gegenstand wie die anderen, eine Art von Zustand. Er sagt ” nicht, es allein sei die Wahrheit, alles sei Gedanke, sondern er sagt, es ist das Erste, St¨arkste, Geehrteste. Daß der Gedanke, als das zu sich selbst sich Verhaltende, sei, die Wahrheit sei, sagen wir. Ferner sagen wir, daß der Gedanke alle Wahrheit sei; nicht so Aristoteles“ 76 .
Da die absolute Idee als logische kein Bestehen an sich hat, die uns real vertrauten Gestalten des absoluten Geistes, Kunst, Religion und Philosophie aber nur gebrochene und fl¨uchtige Auspr¨agungen dieser Idee sind, kann Gott als absolute Ewigkeit keinen ausgef¨ullten Ort in Hegels System einnehmen. Dessen immanente Offenheit h¨alt aber eine Leerstelle f¨ur ihn frei – falls man so sprechen kann, weil diese Stelle“ f¨ur die r¨uckw¨artige Verwandlung des Ganzen ” steht. Die rationale M¨oglichkeit, dass diese Stelle besetzt werden k¨onnte, ergibt sich aus Hegels radikalem Verst¨andnis des Verh¨altnisses von Zeit und Ewigkeit. Denn wenn Ewigkeit die als ganze aufgehobene Zeit und damit das r¨uckw¨artige Ineins aller erf¨ullten Zeiten ist, kann die Vollendung des absoluten Geistes nicht in der Zukunft zu suchen sein. Andererseits kann sie, solange die Zeit nur punktuell und nicht als solche erf¨ullt ist, noch nicht vollends gegenw¨artig sein, da sich der sich vollendende Geist, solange er noch nicht vollendet ist, aus seiner punktuellen Sammlung in zeitlos G¨ultigem immer wieder herausreißen lassen ¨ muss in die Zeit als Strom seiner eigenen Außerlichkeit. Absolute Ewigkeit ist daher weder ihren Splittern in den sich punktuell in Gehalten von allgemeiner Geltung und unbedingtem Wert sammelnden Vollz¨ugen endlicher Subjekte gleichzusetzen noch unabh¨angig von der Geschichtlichkeit des Geistes irgendwo zeitlos vorhanden, sondern nur als r¨uckwirkende Erg¨anzung und Verwandlung geschichtlicher Zeit im Ganzen zu verstehen, die als solche noch aussteht, da sie auf den Beitrag der Zukunft angewiesen ist, ohne sich darum in der Zukunft als einem begrenzten Ausschnitt der Zeit zu ereignen. Dass solche r¨uckwirkende Verwandlung keine schlichte Absurdit¨at und Unm¨oglichkeit sein muss, sondern eine rationale M¨oglichkeit ist, ergibt sich aus Hegels Begriff des Geistes. Da Zeit als gerichtete Entwicklung n¨amlich der unbeherrschten Selbstbestimmung des Geistes entspringt, die als solche zugleich r¨uckwirkende Vervollst¨andigung des Vergangenen ist, weil sie sich ihre objektseitigen Ursachen erg¨anzend voraussetzt, muss im Geist auch die Macht der r¨uckwirkenden Erf¨ullung und Aufhebbung der Zeit liegen. Die reale Vollgestalt des Seins, dessen ontologisches Versprechen die absolute Idee 76
TW19,164 [Hervorhebungen C. M.].
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4. Kapitel: Die Logik im Gef¨uge des Systems
ist, w¨are so das eine unverg¨angliche Leben“, in dem die Splitter des Ewigen, ” die, solange sie die reißende Zeit nur punktuell durchsetzen, selbst ins Vergehen gerissen werden, als solche aber unverlierbar sind, r¨uckwirkend zusammengef¨ugt und der Bruch gekittet w¨are zu einem Ganzen, das allein als derart vermittelter, in sich vollendeter Vollzug konkret und lebendig heißen darf.
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Personenregister Aczel, Peter, 210 Adams, Robert, 248, 665 Adorno, Theodor, 665 Agamben, Giorgio, 650, 665 Aristoteles, 200, 232, 233, 252, 482, 660–661, 665 Arndt, Andreas, 18, 665 Ayer, Alfred, 38, 665 Badiou, Alain, 80, 665 Baldwin, Thomas, 531, 665 Barwise, Jon, 262, 348, 665 Batens, Diderik, 59, 665 Beiser, Frederick, 665 Bell, David, 358, 665 Benjamin, Walter, 665 Bergman, Ingmar, 401 Berto, Francesco, 10, 40, 665 Bieri, Peter, 462, 463, 554, 556, 665 Black, Max, 360, 665 Br¨untrup, Godehard, 462, 666 Brandom, Robert, 10–12, 40–41, 55, 160, 190, 265, 270, 272, 288, 293, 597, 599, 626, 665 Buchheim, Thomas, 350, 434, 666 Burbidge, John, 355, 357, 378, 411, 659, 666 Butler, Joseph, 156 Cantor, Georg, 119, 666 Carlson, David Gray, 18, 666 Carnap, Rudolf, 68, 79, 666 Casta˜neda, Hector-Neri, 249, 251, 424 Casta˜neda, Hector-Neri, 666 Chisholm, Roderick, 156, 167, 666 Church, Alonzo, 210, 667 Courant, Richard, 360, 667 Cramer, Konrad, 191, 203, 214, 667 Cramer, Wolfgang, 431–432, 667 Davidson, Donald, 474, 533–535, 667
DeVries, Willem, 471, 667 Dodd, Julian, 532 Dreyfus, Hubert, 485, 667 Dubarle, Dominique, 59, 667 D¨using, Klaus, 2, 309, 660, 667 Dunn, Michael, 40, 667 Eigen, Manfred, 377, 667 Einstein, Albert, 358, 376 Emundts, Dina, 668 Engel, Pascal, 531, 668 Falcon, Andrea, 232, 233, 668 Falk, Hans-Peter, 109, 668 Feuerbach, Ludwig, 403, 668 Fichte, Johann Gottlieb, 84, 143, 193, 213, 214, 634, 635, 668 F¨orster, Heinz von, 347, 668 Forster, Michael, 668 Frank, Manfred, 84, 186–187, 668 Frankfurt, Harry, 556, 668 Frege, Gottlob, 114–116, 262, 532, 668 Fulda, Friedrich, 3, 638, 668 Gabriel, Markus, 435, 669 Goethe, Johann Wolfgang von, 401 Graeser, Andreas, 669 Grau, Alexander, 669 G¨unther, Gotthard, 59, 669 Haas, Bruno, 5, 6, 151, 154, 155, 669 Halbig, Christoph, 2, 518, 530, 531, 669 Halfwassen, Jens, 481, 669 Hartmann, Klaus, 370, 396, 669 Heidegger, Martin, 67, 634, 669 Heidemann, Dietmar, 669 Heisenberg, Werner, 352–353, 371, 669 Henrich, Dieter, 2, 20, 21, 46, 49–54, 66, 71, 83–84, 172, 186–187, 213–214, 313, 393, 587, 588, 635, 638, 646, 669 H¨olderlin, Friedrich, 452
684
Personenregister
H¨osle, Vittorio, 2, 5, 25–27, 70, 261, 312, 343, 344, 373, 374, 403, 411, 549, 609, 670 Hoffmann, Frank, 248, 670 Hoffmann, Thomas S¨oren, 14, 369, 379, 670 Horn, Laurence, 670 Hornsby, Jennifer, 532 Horstmann, Rolf-Peter, 2, 3, 76, 452, 626, 670 Houlgate, Stephen, 2, 5, 20, 66, 70–71, 93, 140, 360, 385, 386, 609, 610, 671 Hume, David, 231, 671 Hutter, Axel, 463, 625, 671 Hyppolite, Jean, 671 Iber, Christian, 20, 214, 267, 344, 366, 671 Jaeschke, Walter, 641, 672 James, William, 77, 350, 359, 452, 672 Kant, Immanuel, 7, 9, 47, 142, 153, 201–207, 213, 221, 278–280, 288, 292, 293, 407, 409, 524, 536, 538, 547, 634–635, 672 Kauffman, Louis, 210–212, 347, 672 Kesselring, Thomas, 71, 672 Kim, Jaegwon, 471, 672 Knappik, Franz, 297, 514, 672 Koch, Anton, 2, 3, 20, 21, 34, 48, 67, 103, 209, 210, 251, 255, 363, 435, 461, 464, 528, 553, 673 Kosok, Michael, 673 Kripke, Saul, 169 Kruck, G¨unter, 168, 262, 673 K¨unne, Wolfgang, 518, 673 Kues, Nikolaus von, 344 Lau, Chong-Fuk, 674 Leibniz, Gottfried Wilhelm, 78, 248, 674 Lewis, David, 169, 330, 674 L¨ofgren, Lars, 348, 674 Maker, William, 2, 14, 20, 674 Marcuse, Herbert, 5, 141, 143, 674 Marx, Karl, 143, 597, 674 Mayr, Ernst, 412, 674 McDowell, John, 8, 26, 206, 485, 532, 674 McTaggart, John, 167, 445, 674 Moore, George Edward, 452, 531, 674
Moretto, Antonio, 675 Neumann, John von, 101, 113–118, 675 Nuzzo, Angelica, 633, 637, 644, 652, 657, 675 Ostritsch, Sebastian, 417 Pannenberg, Wolfhart, 654, 675 Patzig, G¨unther, 74, 161, 675 Pierini, Tommaso, 4, 5, 14, 16, 20, 675 Pinkard, Terry, 10, 198, 529, 555, 675 Pippin, Robert, 9–11, 14, 186, 190, 198, 366, 555, 675 Platon, 352, 367, 433, 434, 523, 539, 579 Popper, Karl, 74, 161, 425, 675 Porphyrios, 481 Pothast, Ulrich, 186 Potter, Michael, 248, 676 Price, Huw, 40, 466, 676 Priest, Graham, 59, 162, 425, 676 Primas, Hans, 358, 395, 676 Putnam, Hilary, 676 Quine, Willard Van Orman, 37, 123, 379, 676 Redding, Paul, 676 Reisinger, Peter, 187, 189, 191, 676 R¨odl, Sebastian, 2, 206, 262, 442, 676 Rohs, Peter, 221, 676 Russell, Bertrand, 25, 39, 76, 77, 80, 114, 115, 259, 350, 452, 676 Sans, Georg, 308, 365, 676 Sch¨afer, Rainer, 677 Schalhorn, Christoph, 214, 677 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph, 69, 70, 78, 143, 193–194, 315, 446, 452, 521, 634, 635, 677 Schick, Fridrike, 231 Schick, Friedrike, 2, 20, 168, 225, 252, 262, 267, 276, 305, 321, 344, 677 Schmitz, Hermann, 677 Schn¨adelbach, Herbert, 2, 3, 677 Scholz, Heinrich, 80 Schr¨odinger, Erwin, 352, 357, 382, 677 Schroeder-Heister, Peter, 481, 677 Schulz-Seitz, Ruth-Eva, 83, 84, 678 Schummer, Joachim, 395–397, 678
Personenregister Sellars, Wilfrid, 26, 255, 271–272, 288, 293, 678 Spahn, Christian, 312, 373, 374, 678 Spencer Brown, George, 210–212, 678 Spinoza, 530 Spinoza, Baruch de, 678 Stekeler-Weithofer, Pirmin, 10–12, 21, 111, 115, 120, 121, 270, 374, 495, 678 Stephan, Achim, 365, 678 Stern, Robert, 518, 678 Strawson, Peter, 244, 533, 678 Tarski, Alfred, 209, 679 Taylor, Charles, 357, 372, 679 Theunissen, Michael, 518, 625, 651–652, 679 Thompson, Michael, 406, 486–487, 679 Trendelenburg, Friedrich Adolf, 69, 344, 373, 679 Turing, Alan, 679
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Utz, Konrad, 21, 32, 315, 679 Varela, Francesco, 210–212, 679 Vieweg, Klaus, 313, 679 Volkmann-Schluck, Karl-Heinz, 679 Walker, Ralph, 25, 679 Wandschneider, Dieter, 2, 21, 67, 71, 209, 360, 376, 411, 443, 587, 609, 617, 679 Wesche, Tilo, 519, 680 Weyl, Hermann, 360, 680 Wieland, Wolfgang, 67, 71, 680 Winfield, Richard Dien, 2, 14, 18, 20, 175, 324, 680 Wittgenstein, Ludwig, 155, 325, 681 Wolff, Michael, 41, 67, 120, 121, 156, 160–162, 252, 280, 313, 393, 469, 681 Wright, Georg Henrik von, 39, 681 Zizek, Slavoj, 68, 153, 235, 681
Sachregister Absolutes, 168, 193, 351, 434 Aggregat, 30, 40, 383, 394 Akzidenz, 173 Allgemeinheit, 222–228, 231, 392 abstrakte, 223, 234, 295 bestimmte, 228 empirische, 233 essentielle, 224, 228 geistige, 501, 623 konkrete, 223, 234, 272, 295–299, 335 normative, 198, 293, 295 selbstbesondernde, 232, 309 Analyse chemische, 397, 398, 400 Anderes, 87 seiner selbst, 88, 384, 418, 423, 424 Angemessenheitsbedingungen, 234–235, 293, 296, 297, 303, 436 Ansichsein, 89–91, 151, 153, 166, 517, 533 objektseitiges, 443 Antifundamentalismus epistemologischer, 25–28 Apperzeption transzendentale, 201–207 Architektonik, 588, 603–611 Assimilation, 490, 498, 522 Atomismus logischer, 76 Attraktion, 104, 111, 383, 384, 387, 402 Außereinander, 454, 608, 614 Außersichsein, 610, 614, 615 Aufhebung, 31, 225, 226, 598 Aufhebungspostulat, 31, 35, 59, 365, 596, 601 Axiom, 2, 542 Befreiung, 561–570, 649 Begierde, 490, 497
Begreifbarkeit, 196–201, 520 Begriff, 48, 185–186, 188–189, 191, 423 ad¨aquater, 428, 435 logischer Hervorgang, 183 objektiver, 221, 354, 361, 420 subjektiver, 204, 219, 420, 428 und Begriffe, 196, 200 und Selbstbewusstsein, 203–206 Begriffsschrift, 58 Beschaffenheit, 89 Besonderheit, 229, 241–243 Bestimmtheit, 76–78, 85–86, 345, 354, 357, 358 durchg¨angige, 221, 367, 372 qualitative, 87, 105, 270, 273, 320, 325 quantitative, 105, 325 selbsttragende, 342 und Negation, 77 Bestimmung, 89 Beweis, 542–544 B¨undeltheorie der Einzeldinge, 165, 248, 321 Chemie, 395 Chemismus, 393–405 Dasein, 76–78, 85–86 u¨ berhaupt, 88 als solches, 88 Deduktion transzendentale, 203, 206, 368 Definition, 541–542 Denken, 508 reines, 1–6, 34, 583 voraussetzungsloses, 2, 3, 25–33 Desambiguierung, 62, 605, 607 Dialektik, 68, 236, 602 Dimension, 360, 617 Ding, 164, 217, 254, 258, 289, 310–312, 366
Sachregister Ding an sich, 90, 206 Diskretheit, 111, 197, 360, 362, 473, 513, 614 Disposition, 271, 282, 285 Eigenschaft, 164 Eigenwert, 346–353 Eins, 113 qualitatives, 100 Repulsion des, 101, 102 Einzelheit, 243–247, 253, 416 Elementarteilchen, 351–353 Elementarzyklus, 587, 591, 604 Emergenz, 365–366 Empfindung, 476, 490, 491, 496 Endlichkeit, 88, 91, 435, 449, 458, 550, 623 wahrhafte, 95, 450 Widerspruch der, 91 Energeia, 573, 660 Ent¨außerung der Idee zur Natur, 608–611, 621, 647 Entsprechung von Begriff und Objektivit¨at, 423, 436, 458, 500, 503, 518, 551, 572 Erkennen, 459, 502, 508, 509, 512–517, 527–528, 642 analytisches, 536–539 empirisches, 510, 511, 513, 520, 525, 526 synthetisches, 536, 539, 544 unbedingtes, 513 Erkl¨arung absolute, 426 teleologische, 415 Erscheinung, 148, 163–166, 178, 179, 629, 630, 640, 643 Etwas, 86, 87 und Anderes, 87 Vergehen des, 92 Evolution, 443, 447, 468, 501 Ewigkeit, 645, 648–651, 653, 655, 659, 661–662 Existenz, 148, 149, 162–164 Falschheit, 298, 436, 437, 449, 534, 536, 572, 636 Form absolute, 194, 195, 197, 581
687
des Begreifens, 199 logische, 196, 261, 263 ontologische, 196 Formalisierbarkeit, 58 Frege-Prinzip, 58 Freiheit, 176, 177, 313, 466, 514, 561–570, 622, 626, 648 epistemische, 515–517 negative, 566 wahrhafte, 567, 570 Freiheitsaporie objektive, 460–469, 553 subjektive, 460, 553–561 F¨ursichsein, 98–102 Ganzes, 166–167, 246, 357 organisches, 27 selbsttragendes, 15, 343, 345, 359, 366, 639 Gattung, 228, 229, 231, 232, 242, 252, 272, 283, 289, 290, 292, 293, 318, 334, 338, 339, 416, 481, 482 Gattungsprozess, 489, 499–501 Gegensatz, 159–162, 573 absoluter, 72 relativer, 73 Gegenstand, 355, 356, 366, 370 Geist, 388–393, 500, 505, 618–627, 641–648, 658 absoluter, 644–656, 658, 661 endlicher, 642, 644–646 objektiver, 624, 642 Geistphilosophie, 622, 626, 638 Geschichte, 344, 435, 585, 597, 624–626, 650 Geschlossenheit nomologische, 363, 461, 462, 469 Gestalt selbstbez¨uglicher Negation, 44–45, 55 von Selbstbestimmung, 192, 194 Gleichheit, 159 Gott, 343, 631, 649, 651, 652, 660, 661 Grenze, 90–92, 253, 360, 423, 429, 449, 503 Grund, 162–164, 583 Grundoperation, 49–54 Gutes, 508, 547–552
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Sachregister
Handeln, 459, 502, 508, 509, 511, 546, 554, 642 Idealit¨at, 95, 100, 448, 614 objektive, 521 Idee, 221, 421–430, 432–457, 477–479 absolute, 457, 460, 513, 550–553, 569, 571–585, 590, 608, 609, 659 der Philosophie, 643 des Erkennens, 512–517 des Geistes, 457, 459, 485, 500–508 des Lebens, 419, 457, 459, 479–488 des Wahren, 502, 512, 526 praktische, 508, 545–553 unmittelbare, 418 ideell, 98 Identit¨at, 154–158 abstrakte, 154 des Ununterscheidbaren, 35, 103, 248, 251 konkrete, 154 prozessuale, 43, 408 spekulative, 350, 384, 425 Immanenzpostulat, 30, 591 Indeterminiertheit, 554, 557, 566 Indifferenz absolute, 131, 132, 143, 194 Individuationsproblem, 250 Individuum lebendiges, 419, 481, 482, 490, 505, 623 Ineinander, 454, 609, 614, 621 Inferenz materiale, 55 Inkompatibilit¨at materiale, 40, 277 Innerlichkeit, 373, 407, 432, 454, 455, 615, 620, 621 Insichsein, 614 Intersubjektivit¨at, 403, 549, 624 Irritabilit¨at, 490, 493 Istwertrepr¨asentant, 407, 411 K¨orper-Seele-Problem, 460, 469–479 Kategorien, 6, 11, 15, 17, 201, 202, 206, 208, 236, 237, 239, 365, 539, 578 logische, 12, 13, 18, 199, 217, 237, 374, 539, 582, 583
Kausalit¨at, 174–175, 475–478 Knotenlinie, 129, 130, 136 Koh¨arenz, 26–28, 530, 534–535 Kompatibilismus, 463, 514, 555–567 konkret, 32, 40, 57–59, 223, 354, 430, 602 Kontinuit¨at, 111, 228, 539 Kontinuum, 108, 359, 360, 614, 617 inhomogen organisiertes, 359 Kraft, 167 Kreis, 587–589, 603, 606 Kreis von Kreisen, 105, 106, 134–604 Kunst, 343, 460, 569, 575, 644, 645, 653, 658, 661 Leben, 481–487 beseeltes, 418, 419, 458, 459, 479, 482–484, 618 bloßes, 416, 418, 419, 458, 483 geistiges, 622 selbsthaftes, 418, 419 unbeseeltes, 482 vern¨unftiges, 458, 484, 485 Lebensform, 372, 406, 409, 415, 416 Lebewesen, 231, 252, 481 Leere, 100, 113 Lehrsatz, 542 Leib, 418, 424, 479, 550 Leib-Seele-Problem, 461, 463, 469, 470 Lesart der WdL epistemologische, 9–14, 366 ontologische, 5–8 regionalontologische, 9–14 semantische, 9–14 Letztbegr¨undung reflexive, 26, 312 Linearit¨atspostulat, 30, 63, 607 Logik, 1–4, 630–632, 638 als Theorie reinen Denkens, 33–37 objektive, 63, 184, 218 subjektive, 64, 184, 218 Logisches, 613, 618, 630–632, 641–643, 646 L¨ugnerparadoxie, 208 Maß, 122–131, 133 gleichg¨ultiges, 127 reales, 125, 128–131 unmittelbares, 125 Mangel, 487, 490, 496 Manifestation, 149, 174, 643, 648
Sachregister Mannigfaltigkeit, 77, 103–105, 108–115, 165, 176, 234, 282, 354, 356, 453 Marxismus, 143 Mechanismus, 377–393 absoluter, 385, 393 differenter, 382, 391 formeller, 380, 390 Menge, 101, 105, 109, 113–115, 117, 119, 124, 326 Metakompatibilismus, 464 Methode, 4, 181, 582–603, 627–630 Mitleben, 494–495, 624 Mittel, 413 Mittelbegriff, 306 Modalit¨aten, 169–172 M¨oglichkeit, 169 logische, 170 reale, 170 Moment, 28, 41, 58, 60, 237–241 M¨unchhausen-Trilemma, 25 Mythos des Gegebenen, 26, 271, 525 Natur, 610, 613–621, 632, 641–647, 649 Naturgeist, 621, 649 Naturphilosophie, 373, 638 Negation, 31, 106, 187, 240, 278 Arten der, 37–42 aussagenlogische, 37, 49 bestimmte, 32, 37–39, 41–42, 209, 225, 592 daseinslogische, 86 doppelte, 49, 240, 593, 594 formelle, 39, 40 Gesetz der doppelten, 38 ihrer-selbst, 42–46 qualitative, 86 selbstbez¨ugliche, 22, 42–46, 49–54, 188, 189, 192, 193, 209, 227 zweifach verdoppelte, 49 Negationspostulat, 32 Negativit¨at, 46–48, 106, 192, 423, 437, 496, 595 absolute, 132, 143, 194, 227, 243, 244, 429, 437, 583, 601 selbstbez¨ugliche, 22, 44, 102, 144, 208, 209, 346, 474, 609, 610 Nichts, 45, 56, 68–73, 80, 81, 84 absolutes, 79 relatives, 79
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Normativit¨at, 198, 293, 297, 558–561 interne, 293, 297, 298, 407, 436 normbestimmt, 557 normorientiert, 557 Notwendigkeit, 170, 172, 176, 615, 616 Objekt biologisches, 356, 362 chemisches, 356, 362, 371, 394–405 mechanisches, 356, 362, 370, 377–397 teleologisches, 372, 405–414, 416, 418 und Gegenstand, 355 Objektivit¨at, 342–346, 354–364, 617 Entschluss zur, 344 Objektkontinuum, 205, 359–548 Offenheit, 221, 315, 609, 635, 656 Ontologie, 5–8, 63, 197, 198, 297, 442 der Freiheit, 14 der Selbstbestimmung, 14–18 kritische, 6–8, 204 Operation hybride, 43, 143 Operationalit¨at selbstanwendende, 43, 49, 143, 189–190, 192, 210, 346–634 Ordnung, 364, 466 Organismus, 419, 481, 656 Person, 17, 207, 388–393, 401–403 Pflanze, 373, 374, 447, 618 Philosophie, 28, 105, 343, 460, 569, 575, 629, 635, 638, 643–645, 651–653, 658, 660, 661 Pr¨adikatenlogik, 79 Prinzip, 44, 49, 51, 52, 102 Progress, 122, 129, 130, 134, 136 quantitativer unendlicher, 117, 118 unendlicher, 92, 120, 122, 130, 136, 501, 590, 595 Prozess, 189, 192, 221, 225, 310, 336, 351, 361, 366, 368, 371, 384, 397, 399, 401, 405, 406, 411, 412, 415, 428–430, 450, 451, 453, 455, 456, 483, 489, 490, 502, 505, 507, 548, 551, 552, 562, 563, 572–575, 578, 580–582, 597, 609, 620, 622, 628, 637, 644, 645, 647, 649, 651, 654, 657, 659
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Sachregister
Psychoanalyse, 143, 314 Qualit¨at, 85–87, 105, 273 Quantit¨at, 105–107 bestimmte, 112 reine, 105, 108–112 spezifische, 125 Quantum, 105, 108, 112–118, 325 qualitatives, 127 Raum, 204, 424, 438, 468, 492, 617 logischer, 15, 107, 123, 133, 157, 164, 594 Realismus direkter, 530 metaphysischer, 530 Realit¨at, 86, 426, 605, 611, 624, 631, 637, 644, 659 Realphilosophie, 627–630 Reflexion, 34, 147, 148, 150–156, 243, 480 a¨ ußere, 151–154 absolute, 141, 150 bestimmende, 151–154 relative, 150 setzende, 151 Reflexionsbestimmungen, 157–158, 282 Reflexionszirkel, 186, 213 Rekonstruktion freie, 21 immanente, 20 Relation interne, 76 Relativierung von Kategorien, 28, 596 Religion, 343, 460, 569, 575, 652, 653, 661 Replikation, 398, 404–405, 407, 498 Repulsion, 101–105, 111, 383, 384, 387, 402 Rezeptivit¨at, 513, 522, 543 Satz, 264–266 Schein, 146 des Wesens, 147 Scheinen, 148 in anderes, 157, 179, 182, 588 in sich, 141, 142, 147–149, 179, 183 reines, 147 Schluss, 219, 305–316, 638–647 als ontologische Form, 310
der Allheit, 327, 330 der Analogie, 329, 333–335 der Induktion, 329, 332–333 der Notwendigkeit, 337–340 der Reflexion, 327–335 des Daseins, 318–324 disjunktiver, 339 hypothetischer, 338 kategorischer, 337 mathematischer, 324 spekulativer, 315, 340 unmittelbarer, 307 vollendeter, 309 Schlussglieder, 306, 317, 318, 326, 337, 340, 341, 344, 354, 640 Schmerz, 487, 495, 496 Schranke, 91, 92, 496 Seele, 200, 252, 420, 432, 451, 479 Sein, 6, 14, 16, 17, 66–73, 146, 184, 185, 191, 198, 202, 215, 225, 345, 366, 433, 575, 582, 584, 606–608, 614, 637, 660 als reine Beziehung auf sich, 83–84 existenzielles, 67 relatives, 67 und Sollen, 199 veritatives, 67 Sein-f¨ur-anderes, 89, 90 Selbst, 188, 418, 419, 424, 451 Selbstbesonderung, 189, 230, 293, 339 Selbstbestimmung, 14–18, 185–195, 219, 222, 390, 420, 422, 427, 428, 434, 435, 457, 475, 477, 478, 488, 493, 511, 527, 577 und Normativit¨at, 198 Selbstbewegung, 4, 5, 303, 304, 486, 497, 584, 585 Selbstbewusstsein, 185–188, 203, 212–215, 223, 634 Selbstbeziehung, 186–189, 191–194, 212 pr¨areflexive, 83, 480, 490 vs. Beziehung desselben, 83 Selbsterhaltung, 387, 405, 407, 418, 486 Selbstorganisation, 355, 356, 362, 364, 365 Selbstvermittlung, 54, 55, 58, 60, 95, 97, 98, 134, 137, 144, 173, 177, 183, 184, 187, 191, 304, 313, 340–342, 345, 372, 373, 397,
Sachregister 405, 416, 418, 420, 456, 457, 593 begriffsschriftliche Notation, 58 Sensibilit¨at, 490, 492 Setzen, 28, 46, 125, 132, 139, 140, 142, 147, 148, 154, 162, 168, 173, 175, 179, 187, 189, 439, 461 reines, 139–141, 178 relatives, 140 Sichbestimmen, 16, 17, 22, 46, 48, 184, 185, 188–195, 219–228 unfundiertes, 188, 342 (Sich)Bestimmen, 422 Sinn und Bedeutung, 155 Sollen, 91, 199, 411 Sollwertrepr¨asentant, 411 Spekulation, 75, 195, 602 Sprache, 10, 12, 34, 153, 204, 389, 402, 425, 433, 454, 474, 485, 534–535, 599 der Dinge, 255, 258 formale, 58, 209 Stufenfolge, 427, 429, 622 Subjekt und Pr¨adikat, 258, 260, 261 Subjektivit¨at, 142, 188, 219, 421, 425, 426, 428 Subjektivit¨atsthese, 103 Substanz, 172–176, 183 Substrattheorie der Einzeldinge, 165, 248–250 Subsumtionsbedingungen, 234, 296, 437 Superposition, 54–64, 601 einfache, 54, 56 mehrfache, 58 Superpositionsform, 58, 219, 235, 236 Supervenienz, 471–473 Syllogistik, 311, 319, 330 Symmetrie, 352, 363 Synthese chemische, 397–400 System, 630, 632–638, 656–657 verschr¨anktes, 357, 358 T¨atigkeit, 508 Tatsache, 513, 533–534 Teleologie, 372, 405–414, 436, 546 Teleonomie, 412 Tier, 373, 374, 447, 488, 506 Totalit¨at, 609, 661 der Natur, 614
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des Logischen, 608–610 transzendental, 12, 13, 201, 367 Trieb, 488, 507, 591 ¨ Ubergehen, 181, 191, 588 ¨ Uberlagerungsebene, 58–60 Umschlag, 45, 70, 71, 73, 74, 76, 78, 80, 162, 191, 215, 591 Umwelt, 457, 459 Unbestimmtheit, 45, 65, 81, 84, 105, 111, 132, 135, 179, 215, 244, 312, 357, 379 reine, 65, 68–73 Zweideutigkeit von, 78 Unendlichkeit, 93–95, 134, 192, 195, 211, 227, 279, 350, 423, 429, 430, 450 qualitative, 93 quantitative, 119 schlechte, 118, 131, 279 wahrhafte, 95–96, 430, 449, 450 Unfundiertheit, 139 Unmittelbarkeit, 55, 56, 147, 151, 152, 178, 181, 182, 186, 187, 191, 195, 222, 342, 344, 347, 351, 370, 459, 479, 606 als Aspekt der selbstbez¨uglichen Negation, 54 ausdr¨uckliche, 62, 605 begriffsschriftliche Notation, 58 des Anfangs, 61, 68 reine, 80, 582 unausdr¨uckliche, 62, 605 vermittelte, 341, 354 Unmittelbarkeitvermittelte, 341 Unterschied, 155–158 Unumkehrbarkeit, 31, 42 Unwesentliches, 146 Urteil, 219, 220, 247, 253–261, 266–273 apodiktisches, 301, 317, 319, 321 assertorisches, 300 der Notwendigkeit, 289–293 der Reflexion, 288 des Begriffs, 272, 293–302, 423, 435, 564 des Daseins, 273–281 des Reflexion, 281 disjunktives, 292 hypothetisches, 292 kategorisches, 291
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Sachregister
negatives, 277 partikul¨ares, 287 positives, 274 problematisches, 300 singul¨ares, 285 und logische Form, 256 unendliches, 279 universelles, 288 Urteilen, 503, 509, 514, 516–517, 522, 524 Urteilsformen, 267–273 Urteilskritik, 302–305 Vergehen, 73, 92, 93, 129, 182, 310, 416 Verh¨altnis absolutes, 172 quantitatives, 119–122 wesentliches, 166 Vermittlung, 54, 55 als Aspekt der selbstbez¨uglichen Negation, 54 begriffsschriftliche Notation, 58 reine, 139, 178 Verschiedenheit, 158, 159 Verschr¨anktheit, 357–358 Verstand, 602 Verstehen, 459, 510, 523, 553 Verursachung mentale, 462, 470 Vieles, 103, 108, 452 Voraussetzen, 103, 104, 140, 147, 150, 151, 154, 491–493 Voraussetzung, 2, 25, 29, 32 unthematische, 34 Voraussetzungshaftigkeit unthematische, 3 Voraussetzungslosigkeit, 2–3, 35, 582 des Anfangs, 29–30 des Fortgangs, 30–33 thematische, 3 Wahrheit, 435–436, 517–528, 591, 595 empirische, 523 epistemische, 525, 526 materiale, 295, 517–519 ontologische, 525
propositionale, 517–519, 526 und Identit¨at, 531 und Koh¨arenz, 534–535 und Korrespondenz, 533–534 Wahrheitsbegriffe, 528–536 Wechselbestimmung, 430–432 Welt, 490, 494, 502, 510, 511, 550, 553, 555, 562, 570–572, 577, 578, 618–621, 623, 624, 638, 642 Werden, 73 Aufhebung des, 75–76 des Wesens, 126, 131–132 Gewordenes, 75 Wesen, 139–183, 191, 301, 302, 368, 423 und Erscheinung, 166 Widerspruch, 160, 162, 423, 425 analytischer, 75, 595, 603 dialektischer, 603 performativer, 26, 28, 75, 106, 594, 595, 603 spekulativer, 74, 595 Willk¨ur, 488, 565 Wirklichkeit, 149, 168–170 Wissenschaft, 2, 14, 18 der Logik, 4 der Logik, 5 Wollen, 502, 508, 544, 547 Zahl, 112 nat¨urliche, 112–116 rationale, 118 Zeit, 465, 467–469, 617, 625–626, 645, 650–659, 661–662 gerichtete, 466, 467, 622 ungerichtete, 467, 619 Zeitpfeil, 465 Zentrum, 384, 386, 437 Zufall, 169, 195, 233, 554, 609, 615–616 Zukunft, 467, 468, 655, 659 Zweck, 407, 414, 418 subjektiver, 411 Zweckm¨aßigkeit a¨ ußere, 407, 410 innere, 407–409