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German Pages 368 Year 2003
ANDREAS HAHN
Oligopolistische Marktbeherrschung in der Europäischen Fusionskontrolle
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 156
Oligopolistische Marktbeherrschung in der Europäischen Fusionskontrolle
Von Andreas Hahn
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-10706-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Diese Arbeit wurde i m Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Literatur, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis wurden für die Drucklegung bis Januar 2002 berücksichtigt. Danken möchte ich an erster Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Jürgen Säcker, für seine Bereitschaft, die Arbeit zu betreuen und für die wertvollen Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von ihm geleiteten Institut für deutsches und europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Energierecht der Freien Universität Berlin. Seine ständige Gesprächsbereitschaft und seine Anregungen haben entscheidend zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Herrn Prof. Dr. Kurt Markert danke ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zu aufrichtigem Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Direktor Götz Drauz sowie Herrn Dr. Wolfgang Mederer, die mir i m Rahmen meiner Stage bei der Merger Task Force der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission wertvolle Einblicke in die Praxisbezüge des Themas gegeben haben. Meinen Freunden und Kollegen am Institut, insbesondere Frau Dr. Andrea Lohse, gebührt mein Dank für manch hilfreiches Gespräch und viele nützliche Anregungen. Für ihre Geduld und Hilfe bei technischen Fragen danke ich Herrn Christian Geis und Herrn Tilman Siebert. Mein besonderer Dank gebührt meiner Frau Kathrin, ohne deren Geduld und Verständnis die Fertigstellung der Arbeit kaum möglich gewesen wäre, sowie meinen Eltern, die mir während meiner gesamten Ausbildung jede nur denkbare Unterstützung zuteil werden ließen. Berlin, i m März 2002
Andreas Hahn
Inhaltsverzeichnis Einführung und Gang der Darstellung
15 1. Kapitel
Wirtschaftstheoretische und wettbewerbsrechtliche Grundlagen der Oligopolproblematik I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen der Oligopolproblematik
18 18
1. Das Oligopol als Marktform
18
2. Der Ansatz der klassischen Oligopoltheorie - Das Oligopol als Gefahrenlage für wirksamen Wettbewerb
21
a)
Oligopolistisches Parallelverhalten und Oligopolfriede
21
b)
Kollusionsstrategien aa) Explizite Kollusion - Kartelle und abgestimmte Verhaltensweisen ...
25 25
bb) Implizite Kollusion - Preisführerschaft und bewußtes Parallelverhalten
26
Marktverengungsstrategien
29
c)
3. Das Oligopolverständnis der Chicago School of Antitrust Analysis
30
4. Zusammenfassende Stellungnahme
31
II. Möglichkeiten des europäischen Kartellrechts beschränkender Verhaltensweisen in Oligopolen
zur Kontrolle
wettbewerbs-
1. Marktverhaltenskontrolle a)
34 35
Das Kartellverbot des Art. 81 EGV
35
aa) Die Reichweite des Verbots abgestimmter Verhaltensweisen
36
bb) Parallelverhalten als Indiz für eine Verhaltensabstimmung
37
cc) Die Grenzen des Verbots abgestimmter Verhaltensweisen exemplifiziert an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommission (Zellstoff) b)
Bewußtes Parallelverhalten als mißbräuchliche Verhaltensweise im Sinne des Art. 82 EGV
2. Marktergebniskontrolle
40 43 43
8
Inhaltsverzeichnis 3. Marktstrukturkontrolle
46
4. Zusammenfassung
47 2. Kapitel
Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollverordnung auf marktbeherrschende Oligopole I. Einführung
49 49
II. Die Auffassung der Kommission
52
1. Die Erste Phase - Die Oligopolproblematik wird ignoriert
52
2. Die Zweite Phase - Die Oligopolproblematik wird erkannt
54
3. Die Dritte Phase - Die Wende in der Entscheidungspraxis
56
a)
Die Pilotentscheidung Nestlé/ Ρerrier
56
b)
Die Argumentationslinien der Kommission
59
III. Das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Kali + Salz/ MdK/Treuhand
60
IV. Die Ansichten in der Literatur
63
V. Stellungnahme 1. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 2 Abs. 3 FKVO durch Auslegung a)
67
67
Methodische Grundlagen
67
aa) Die Auslegung des Europäischen Gemeinschaftsrechts
67
bb) Die Rechtsquellen
69
b)
Die grammatikalische Auslegung
70
c)
Die systematische Auslegung
74
aa) Die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO im Kontext der FKVO
75
d)
(1) Die Bagatellklausel im Erwägungsgrund 15 FKVO
75
(2) Die Rechtsstellung Dritter im Zusammenschlußverfahren nach der FKVO
78
bb) Der Umkehrschluß aus Art. 82 EGV
83
cc) Rechtsvergleichender Rückgriff auf mitgliedstaatliche Kartellrechtsordnungen
85
Die historische Auslegung
88
Inhaltsverzeichnis e)
Die teleologische Auslegung
91
aa) Methodologische Klassifikation der Vertragsziele
92
bb) Die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV für die Auslegung der FKVO
93
2. Analoge Anwendung des Art. 2 Abs. 3 FKVO auf marktbeherrschende Oligopole
98
VI. Zusammenfassung und Empfehlung
100
3. Kapitel Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung in der europäischen Fusionskontrolle
103
I. Der Marktbeherrschungsbegriff des Art. 82 EGV als Ausgangspunkt
104
1. Die unterschiedlichen Auffassungen zur Richtung des Verhaltensspielraums ... 106 2. Stellungnahme
108
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
110
1. Unterschiede zwischen Marktbeherrschung im Rahmen der Fusionskontrolle und der Mißbrauchsaufsicht
111
2. Das Merkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung
112
a)
Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung als Verhaltenskriterium
113
b)
Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung als Abwägungskriterium
113
c)
Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung als zeitliches Kriterium
115
d)
Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung als quantitatives Kriterium
116
e)
Stellungnahme
117
III. Zusammenfassung
118 4. Kapitel
Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem marktbeherrschenden Oligopol I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois im europäischen Kartellrecht
120 120
1. Der klassische Ansatz der Literatur - Die Differenzierung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois 121
10
Inhaltsverzeichnis a)
Die These von der Gleichpreisigkeit als oligopolistischem Normalzustand
122
h)
Der Ausschluß des grundsätzlich gegebenen Wettbewerbs im Oligopol nur bei Vorliegen besonderer Umstände 124
c)
Das bewußt gleichförmige Marktverhalten der Oligopolisten und dessen Unausweichlichkeitswirkung 127
d)
Der Ersatz fehlenden Preiswettbewerbs durch andere Faktoren - Die Gesamtbetrachtungstheorie 129
2. Die Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois durch Rechtsprechung und Kommission 132 a)
Die Begriffsbestimmung im Rahmen des Art. 82 EGV
132
aa) Frühe Aussagen von Kommission und Gerichtshof zur Oligopolmarktbeherrschung 133 bb) Kommissionsentscheidung und Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache Flachglas (Italien)
136
cc) Die weitere Konkretisierung des Kriteriums der „wirtschaftlichen Verbindungen"
138
(1) Die Kommissionsentscheidung in der Sache CEWAL
139
(2) Das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache CEWAL
140
(3) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache CEWAL . 142
b)
dd) Die Quintessenz der bisherigen Entscheidungspraxis
144
Die Begriffsbestimmung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
150
aa) Die Auffassung der Kommission
150
bb) Die Auffassung der Rechtsprechung
154
(1) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Kali + Salz /MdK/Treuhand
in der Sache
(2) Das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache Gencor/ Lonrho
154 158
II. Stellungnahme: Die sachgerechte begriffliche Erfassung des marktbeherrschenden Oligopois in der europäischen Fusionskontrolle 1. Verzicht auf die Trennung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois 162 2. Zusammenfassende Kritik an den bisherigen Definitionsversuchen
164
3. Eigener Ansatz: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
172
Inhaltsverzeichnis
11
5. Kapitel Die Konkretisierung des Konzepts des kollusiven Verhaltensspielraums zur Erfassung marktbeherrschender Oligopole in der europäischen Fusionskontrolle
176
I. Wirtschaftstheoretische Ansätze zur Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf oligopolistischen Märkten 176 1. Die traditionellen Ansätze in der Wirtschaftstheorie
176
2. Erkenntnisse der Neuen Industrieökonomik und die spieltheoretische Oligopolanalyse 178 II. Analytische Grundlagen für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit
182
1. Die Wirkungskette in stabilen Kollusionen
182
2. Die Kollusionsarten
184
a)
Preiskollusion
185
b)
Kapazitätskollusion
185
c)
Marktschrankenkollusion
186
d)
Die Bedeutung der Kollusionsarten in der Kommissionspraxis
187
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren und ihrer Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
190
1. Die Zahl der Oligopolisten und die Höhe des absoluten Konzentrationsgrades . 190 a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit aa) Die Maßstäbe zur Konzentrationsmessung
190 191
(1) Summarische Konzentrationsmessung - Der Herfindahl-Hirschmann-Index
192
(2) Diskrete Konzentrationsmessung - Die Konzentrationsraten
193
(3) Die Eignung beider Maßstäbe zur sachgerechten Konzentrationsmessung auf Oligopolmärkten 193
b)
bb) Die Bestimmung eines kritischen Schwellenwertes
196
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
199
2. Der Grad der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol symmetrische und asymmetrische Oligopole 206 a)
Die Verteilung der Marktanteile innerhalb des Oligopois - Die relative Konzentration
208
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
208
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
209
12
Inhaltsverzeichnis b)
c)
d)
Die Kostenstrukturen der Oligopolisten
211
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
211
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
214
Der Grad der Kapazitätsauslastung
215
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
215
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
217
Die Ausgeglichenheit der Ressourcen im Oligopol
219
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
219
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
223
3. Verflechtungen zwischen den Oligopolisten
224
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
224
b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
227
4. Die Markttransparenz
231
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
231
b)
Die Determinanten der Markttransparenz
234
c)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
237
5. Die Beschaffenheit der Produkte und die Nachfrageelastizitäten a)
b)
240
Die Beschaffenheit der Produkte des sachlich relevanten Marktes und die Elastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage 240 aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
240
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
245
Die Substitutionsbeziehungen zu benachbarten Märkten und die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage
248
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
248
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis
250
6. Das Entwicklungsstadium des Marktes
252
a)
Die Differenzierung zwischen den Marktphasen
252
b)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
252
c)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
255
7. Das Marktverhalten der Oligopolisten in der Vergangenheit
258
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
258
b)
Kritische Ausweitung der Rechtspraxis
261
Inhaltsverzeichnis 8. Die Struktur der Nachfrageseite des Oligopolmarktes
264
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
264
b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
270
9. Multimarkt-Kontakte der Oligopolisten
274
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
274
b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
278
10. Der aktuelle Wettbewerb durch Oligopolaußenseiter
280
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
280
b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
282
11. Marktzutrittsschranken und potentieller Wettbewerb a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
286 286
aa) Begriff und Arten von Marktzutrittsschranken und deren Bedeutung auf Oligopolmärkten
288
(1) Institutionelle Marktzutrittsschranken
289
(2) Strukturelle Marktzutrittsschranken
289
(3) Strategische Marktzutrittsschranken
292
(4) Irreversible Kosten
293
bb) Eintrittsfähigkeit und Eintrittswilligkeit potentieller Konkurrenten ... 295 b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
297
12. Irreversibilitäten und Marktbindung der Oligopolisten
303
a)
Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit
303
b)
Kritische Auswertung der Rechtspraxis
304
IV. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung
306
6. Kapitel Die Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois durch einen Zusammenschluß I. Der Eingreiftatbestand der Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois in der europäischen Fusionskontrolle 1. Der Meinungsstand in der Literatur
312
312 313
2. Stellungnahme: Die Operationalisierung des kollusiven Verhaltensspielraums als Eingreifkriterium in der europäischen Fusionskontrolle 315
14
Inhaltsverzeichnis a)
Horizontale Zusammenschlüsse auf Oligopolmärkten
318
aa) Zusammenschlüsse innerhalb des Oligopois und die Bedeutung von Aufholfusionen 318 bb) Der Wegfall eines Außenseiters durch den Zusammenschluß mit einem Oligopolisten
321
b)
Vertikale Zusammenschlüsse unter Beteiligung eines Oligopolisten
c)
Konglomerate Zusammenschlüsse unter Beteiligung eines Oligopolisten .. 323
d)
Gemeinschaftsunternehmen zwischen Oligopolisten
3. Kritische Auswertung der Rechtspraxis II. Exkurs: Marktbeherrschende Nachfrageoligopole (Oligopsone)
322
324 325 330
III. Zusammenfassung
334
IV. Ergebnis der Untersuchung
336
Verzeichnis der zitierten Kommissionsentscheidungen zur FKVO
338
Literaturverzeichnis
342
Stichwortverzeichnis
365
Einführung und Gang der Darstellung Marktbeherrschung ist einer der zentralen Begriffe des Kartellrechts, der ganz allgemein den Punkt bezeichnet, von dem ab die Neutralisierung wirtschaftlicher Macht nicht mehr dem Markt überlassen werden kann, sondern zur Aufgabe des Rechts wird. 1 Während Wettbewerbstheorie und Wettbewerbsrecht mittlerweile effektive und praktikable Konzepte entwickelt haben, um zu ermitteln, wann ein einzelnes Unternehmen allein diesen neuralgischen Punkt erreicht hat und der Wettbewerb seine Entmachtungsfunktion nicht oder nicht mehr vollständig erfüllen kann, fehlt bislang eine befriedigenden Lösung für die Frage, wann mehrere wirtschaftlich und rechtlich voneinander unabhängige Unternehmen gemeinsam durch ein aus ihnen gebildetes Oligopol einen Markt beherrschen. Die oligopolistische Marktbeherrschung stellt daher nach wie vor eines der schwierigsten Probleme des aktuellen Wettbewerbsrechts dar, dem vor allem im zusammenwachsenden europäischen Binnenmarkt eine erhebliche Bedeutung zukommt.2 Denn die Marktstrukturen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft sind gegenwärtig in vielen Bereichen oligopolistisch ausgeprägt.3 Die konzentrationsanalytischen Studien der Kommission zeigen, daß zahlreiche Märkte der Gemeinschaft durch einen sehr hohen Konzentrationsgrad und eine geringe Zahl von Großproduzenten gekennzeichnet sind.4 Die Tendenz scheint dahin zu gehen, daß gerade Großunternehmen versuchen, die bestehenden oligopolistischen Marktstrukturen mittels Übernahmen und Fusionen zu verfestigen oder diese sogar noch weiter zu verengen. Dabei streben die Unternehmen nicht so sehr die individuelle Marktbeherrschung sondern den mehr oder weniger organisierten Wettbewerb an, indem sie eine Politik der Koexistenz mit anderen Firmen vergleichbarer Größe verfolgen. Das Oligopol als die „real wichtigste Marktform" wird daher immer mehr zum „neuen Marktmodell". 5 Die rechtlichen Schwierigkeiten mit Oligopolen erwachsen
1
Vgl. Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8. 2 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 1; ebenso Niederleithinger, Schwerpunkte des Kartellrechts 1979/80, 33, 51; Mestmäcker, ZgS 136 (1980), 387, 404 für das deutsche und US-amerikanische Kartellrecht. 3 Monopolkommission, Sondergutachten 17, Tz. 21. 4 Kommission, 16. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1986, Tz. 330; dies., 11. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1981, S. 15; dies., 8. Bericht über die Wettbewerbspoltik 1979, Tz. 256; dies., 3. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1974, Tz. 26. 5 Vgl. Böhm, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S. 65; Minet, WuW 1980, 500; Kommission, 9. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1979, Tz. 256 f. Nach Ansicht von
16
Einführung und Gang der Darstellung
daraus, daß in diesen Marktstrukturen unter bestimmten Voraussetzungen Verhaltensweisen möglich sind, die mit einer kartellrechtlichen Verbotsgesetzgebung nicht erfaßt und bekämpft werden können, obwohl damit gesamtwirtschaftlich nachteilige Wirkungen erzielt werden, die mit denen von ansonsten verbotenen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen identisch sind. Zu Recht wird das Oligopolproblem daher als der „Glaubwürdigkeitstest des Wettbewerbsrechts 4' angesehen, an dem sich die Effektivität der Fusionskontrolle schlechthin entscheidet.6 Während die Problematik der Oligopolmarktbeherrschung im Rahmen der deutschen Fusionskontrolle schon seit langem Gegenstand umfassender und kontroverser Diskussionen in Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Wissenschaft ist, spielte sie in der von der Kommission auf Grundlage der Fusionskontrollverordnung (FKVO) praktizierten europäischen Fusionskontrolle jahrelang eine eher sekundäre Rolle hinter der Einzelmarktbeherrschung. Erst in den letzten Jahren ist die Kommission verstärkt auf die Gefahren aufmerksam geworden, die von Unternehmenszusammenschlüssen auf oligopolistischen Märkten für einen unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt ausgehen können. Nachdem die Kommission wiederholt in zahlreichen Märkten wettbewerbsgefährdende oligopolistische Strukturen festgestellt hat, sieht sie das Oligopolproblem mittlerweile als eine der größten Herausforderungen der Europäischen Fusionskontrolle in der Zukunft an.7 Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die rechtliche Konzeption und die praktische Anwendung der europäischen Fusionskontrolle daraufhin zu untersuchen, ob sie den apostrophierten Glaubwürdigkeitstest des Wettbewerbsrechts auf Oligopolmärkten besteht. Das Oligopol war zunächst Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften, aus deren Erkenntnissen dann ein rechtliches Regelungsbedürfnis abgeleitet wurde. Dementsprechend wird im 1. Kapitel dieser Arbeit zunächst auf die wirtschaftstheoretischen Grundlagen der Oligopolproblematik eingegangen und anhand dessen untersucht, welche Möglichkeiten der europäischen Wettbewerbspolitik zur Verfügung stehen, um den wettbewerblichen Gefahren von Oligopolen zu begegnen. Im 2. Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob die FKVO überhaupt auf oligopolistische Marktbeherrschung anwendbar ist oder ob insoweit eine Regelungslücke im europäischen Kartellrecht besteht. Hierfür werden zunächst die Ansichten von Kommission, Rechtsprechung und Literatur dargestellt, bevor dann der Galambos sind globale Oligopole so „unvermeidbar wie der Sonnenaufgang" (zitiert nach Zachary, The Wall Street Journal Europe, No. 27 v. 10. 3. 1999, S. 1). 6 Möschel, in: Festschrift für Böhm, S. 421 ff.; Niederleithinger, Schwerpunkte des Kartellrechts 1981/82, 31, 46. Pathetischer Hansen, ZHR 136 (1972), 52, der der Ansicht ist, daß sich das Schicksal der Antikartellpolitik am Oligopol entscheiden wird. 7
Vgl. Mario Monti, The main challenges for a new decade of EC Merger Control, Rede gehalten auf der „EC Merger Control 10 th Anniversary Conference" am 15. 9. 2000: „Issues of collective dominance will undoubtely take up more and more of the Commission's attention as the on-going consolidation process in many industries leads to increasingly concentrated markets. I am sure that analysis of collective dominance will be the analytical tool that will face most challanges over the next decade."
Einführung und Gang der Darstellung
Anwendungsbereich der FKVO durch Auslegung ermittelt wird. Gegenstand des 3. Kapitels ist der Marktbeherrschungsbegriff in der europäischen Fusionskontrolle. Dabei wird ausgehend vom Verständnis der Gemeinschaftsorgane der Inhalt der markbeherrschenden Stellung allgemein bestimmt und dann analysiert, inwieweit Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Marktmachtkonzept im Rahmen des Art. 82 EGV bestehen. Nach der grundsätzlichen Begriffbestimmung der Marktbeherrschung kann dann im 4. Kapitel untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen mehrere voneinander unabhängige Unternehmen in rechtlicher Hinsicht zu einem marktbeherrschenden Oligopol zusammengefaßt werden können. Hierfür werden zunächst die verschiedenen in Literatur und Rechtspraxis vertretenen Konzepte vorgestellt und diskutiert, bevor dann ein alternativer Lösungsvorschlag zur begrifflichen Erfassung der oligopolistischen Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle entwickelt wird. Daran anschließend soll dieses alternative Konzept unter Berücksichtigung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere der Forschungsergebnisse der Neuen Industrieökonomik, im 5. Kapitel konkretisiert werden. In einer ausführlichen Analyse werden die verschiedenen Wettbewerbsfaktoren daraufhin untersucht, ob sie wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen von Oligopolisten begünstigen oder erschweren, um daraus Indikatoren für eine oligopolistische Marktbeherrschung abzuleiten. Bei einem Vergleich der jeweils gefundenen Ergebnisse mit der europäischen Fusionskontrollpraxis wird dann ermittelt, wie die Kommission diese Bestimmungsfaktoren bewertet und welche Abweichungen sich dabei feststellen lassen. Im letzten und 6. Kapitel der Arbeit wird es dann darum gehen, die bisher gewonnenen Erkenntnisse für den Eingreiftatbestand in der Fusionskontrolle zu operationalisieren, indem untersucht wird, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmenszusammenschluß zur Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois führt. Insoweit bedarf es einer nach den verschiedenen Zusammenschlußarten differenzierenden Betrachtung. Zur Abrundung des Gesamtbildes soll abschließend noch exkursorisch auf die Problematik marktbeherrschender Nachfrageoligopole eingegangen werden.
2 Hahn
1. Kapitel
Wirtschaftstheoretische und wettbewerbsrechtliche Grundlagen der Oligopolproblematik I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen der Oligopolproblematik Die Schwierigkeiten bei der Behandlung von Oligopolsachverhalten beginnen bereits bei der noch immer vorherrschenden großen Unsicherheit hinsichtlich der zutreffenden wettbewerbstheoretischen Beurteilung. Der Begriff „Oligopol" 1 selbst stammt aus den Denkkategorien der dem Wettbewerbsrecht zugrundeliegenden Preis- und Wettbewerbstheorie die mittlerweile eine solche Vielfalt an Oligopoltheorien und Oligopoldefinitionen aufweist, 2 daß zum Teil schon von der Unmöglichkeit einer generellen Theorie des Oligopois gesprochen wird. 3 Gemeinsamer Gegenstand der Oligopoltheorien ist die Untersuchung möglicher Verhaltensweisen und Strategien der Oligopolisten, insbesondere die Analyse der Preisbildung im Oligopol. Viele dieser „wie mathematische Spielereien erscheinenden" 4 Modelle gründen jedoch auf äußerst unrealistischen Prämissen und konnten dem Wettbewerbsrecht bisher noch keine große Hilfestellung bei der Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse auf Oligopolmärkten geben.
1. Das Oligopol als Marktform
Ganz allgemein kennzeichnet ein Oligopol eine Marktstruktur, bei der sich das Angebot an bestimmten Waren oder Leistungen auf eine geringe Anzahl von An1 Der Terminus „Oligopol" ist ein aus dem Griechischen hergeleitetes Kunstwort (= wenige Verkäufer), das erst 1933 von Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition, in die Preistheorie eingeführt wurde. 2 Vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 3; sowie das Schaubild über die „wesentlichsten Oligopoltheorien" bei Simonis, Die Aussagen der neueren Oligopolpreistheorie und ihre Bedeutung für die Wettbewerbspolitik, nach S. 26, das allein 26 verschiedene Differenzierungen aufzeigt. 3 Vgl. Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 192; sowie Shapiro, in: Schmalensee/Willig, Handbook of Industrial Organization, 330, 480 f., der das Erreichen einer einheitichen Theorie zur Erklärung oligopolistischen Verhaltens weder für möglich, noch für erstrebenswert hält. 4 Simonis, Die Aussagen der neueren Oligopolpreistheorie und ihre Bedeutung für die Wettbewerbspolitik, S. 2.
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
19
bietern verteilt, denen viele Nachfrager gegenüberstehen.5 Die Marktform des Oligopois umfaßt daher alle Marktsituationen, die zwischen dem Teilmonopol einerseits und dem Polypol andererseits liegen.6 Eine eindeutige Abgrenzung des Oligopois von diesen beiden konträren Marktsituationen allein nach der Zahl der Anbieter ist nur gegenüber dem Monopol möglich, bei dem die Angebotsseite nur aus einem Unternehmen besteht, während für ein Oligopol mindestens zwei Anbieter (Dyopol)7 notwendig sind. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Oligopol und dem Polypol, bei dem viele Anbieter vielen Nachfragern gegenüberstehen, läßt sich die Zahl der Anbieter hingegen nicht operationalisieren. 8 Die begriffliche Trennungslinie zum Polypol kann vielmehr nur dort gezogen werden, wo der Markt so verengt ist, das heißt, wo jeder Marktteilnehmer einen so erheblichen Marktanteil besitzt, daß der Einsatz wettbewerblicher Aktionsparameter durch einen Konkurrenten für die übrigen Konkurrenten zu einer fühlbaren Veränderung ihrer Absatzmöglichkeiten führt (sogenannte oligopolistische Interdependenz)9 und sie deshalb in der Regel zu einer Reaktion in ihrem Marktverhalten veranlaßt. 10 Im Polypol ist der Einfluß jedes Marktteilnehmers demgegenüber so gering, daß seine Aktionen nicht unmittelbar spürbar werden und daher kein Anbieter die Auswirkungen seiner Dispositionen auf Konkurrenten und deren mutmaßliche Reaktionen berücksichtigt. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Marktsituationen ist aber nicht die Marktabhängigkeit der einzelnen Anbieter per se, da diese im Polypol noch wesentlich stärker ausgeprägt ist. 11 Die Besonderheit der Oligopolsituation besteht gerade in der Abhängigkeit jedes Anbieters von jedem einzelnen seiner Konkurrenten. 12 Eine geeignete Definition des Oligopois, die den engen Zusammenhang zwischen Marktmorphologie und Verhaltensinterdependenz deutlich zum Ausdruck bringt, ist die von Kay sen und Turner:
5 Vgl. Ott, Grundzüge der Preistheorie, S. 43; v. Stackelberg, Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, S. 237 ff. Das inverse Verhältnis auf der Nachfrageseite (viele Anbieter und wenige Nachfrager) bezeichnet man als „Oligopson"; vgl. Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 325; Krelle, Preistheorie, S. 16. 6
Vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 17. Das nur aus zwei Unternehmen bestehende Oligopol wird häufig auch (unrichtig) als „Duopol" bezeichnet. Vgl. zur insoweit richtigen Terminologie Krelle, Preistheorie, S. 131. 7
8
Vgl. Machlup, Wettbewerb im Verkauf. Modellanalyse des Anbieterverhaltens, S. 342; Jacob, Schwerpunkte des Kartellrechts 1980/81, 17, 19. 9 Vgl. Herdzina, Wettbewerbspolitik, S. 83; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 199; Sulivan, Handbook of the Law of Antitrust, S. 337 ff. Hay /Morris, Industrial Economics and Organization, S. 58 f. 10 Vgl. Siebke, Vahlens Kompendium Band II, S. 62 ff.; Ott, Grundzüge der Preistheorie, S. 43; Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 447. 11 Im Polypol sind die Marktanteile der einzelnen Konkurrenten so minimal, daß die Konkurrenz dem einzelnen Anbieter als ein anonymer Marktmechanismus erscheint, an den er sich anzupassen hat. 12
2*
Vgl. Kantzenbach, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, 194, 207.
20
1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik „A structural oligopolistic market is one in which the few largest sellers in the market have a share of the market sufficient to make it likely that they will recognize the interaction of their own behaviour and their rivals' response in determining the values of the market variables."13
In der wirtschaftlichen Realität existieren verschiedene Arten von Oligopoltypen, die jeweils unterschiedliche Verhaltensweisen erwarten lassen. In systematischer Hinsicht differenziert die Wirtschaftstheorie hier insbesondere zwischen „engen" und „weiten" Oligopolen. Von einem engen Oligopol (narrow oligopoly) spricht man, wenn nur sehr wenige namhafte Anbieter den Großteil eines Marktes beliefern. 1 4 In dieser Marktsituation ist die gegenseitige Spürbarkeit des Aktionsparametereinsatzes der Konkurrenten besonders groß, so daß sich mit ziemlicher Sicherheit ein Bewußtsein der Interdependenz einstellen wird. Das Bestehen enger oligopolistischer Märkte schließt jedoch regelmäßig nicht aus, daß neben den großen Anbietern auch mehrere kleine, nicht durch Interdependenzbeziehungen verbundene Anbieter (fringe firms) existieren, die jeweils nur über marginale Marktanteile verfügen. 15 In weiten Oligopolen (wide oligopoly) ist die Interdependenz aufgrund der etwas höheren Anbieterzahl dagegen von vornherein nicht ganz so stark ausgeprägt wie in engen Oligopolen. 1 6
13
Kay sen/ Turner, Antitrust Policy. An Economic and Legal Analysis, S. 27. Insoweit übereinstimmend Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2, S. 266 und Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 18: „Der hier verwandte Oligopolbegriff impliziert einen engen Zusammenhang zwischen Marktstruktur und Marktverhalten. Er geht zunächst von einem morphologischen Kriterium aus, stellt entscheidend jedoch auf ein Verhaltenskriterium ab. Als Verbindungsglied zwischen Oligopolstruktur und Oligopolverhalten wird dabei das Bewußtsein der Oligopolisten von der wechselseitigen Abhängigkeit ihrer marktpolitischen Entscheidungen betrachtet." 14
Hinsichtlich der für ein enges Oligopol erforderlichen Anbieterzahl besteht nur insoweit Einigkeit, als das Dyopol die engstmögliche Oligopolform darstellt. In diesem Fall wird die Anbieterseite nur durch zwei Unternehmen gebildet, wobei in Abgrenzung zum Teilmonopol ein Unternehmen nicht so groß sein darf, daß das Gewicht des anderen demgegenüber nahezu bedeutungslos ist. Die maximale Anbieterzahl des engen Oligopois wird dagegen unterschiedlich definiert. So geben Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 12, für ein enges Oligopl eine Mitgliederzahl von bis zu fünf Unternehmen an, weisen aber gleichzeitig darauf hin, daß die Interdependenz zwischen den Oligopolisten außer von der Zahl der Anbieter auch noch von anderen Faktoren abhängt, so daß die Mitgliederzahl unter bestimmten ökonomischen Bedingungen auch etwas größer sein könne. Nach Krelle, Preistheorie (1. Aufl.), S. 481, gehört dagegen schon das Tripol mit nur drei im Wettbewerb stehenden Anbietern zum weiten Oligopol, während Sölter, in: Kolvenbach / Minet / Sölter, Großunternehmen und Wettbewerbsordnung, 51, 66, die Normstruktur des engen Oligopois bei 2 oder 4 bis zu 8 oder 9 Wettbewerbern auf dem relevanten Markt ansiedelt. 15 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 277 f.; Flint, LIEI 1978, 21, 50; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 13. Verbreitet wird deswegen ein optimale Wettbewerbsintensität vordringlich in weiten Oligopolen mit mäßiger Produktheterogenität und unvollkommener Markttransparenz erwartet, vgl. Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 44, 49; Wallraff, WuW 1974, 211; Gabriel, WuW 1968, 581, 590.
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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Diese Ausführungen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Übergänge sowohl zwischen den Marktformen des Oligopois und des Polypols, als auch zwischen dem engen und dem weiten Oligopol fließend sind und eine genaue Grenzziehung daher unmöglich ist. Die Schwierigkeiten der Wettbewerbstheorie, allgemeingültige Aussagen über die Preisbildung im Oligopol zu formulieren, resultieren aus der Tatsache, daß jeder oligopolistische Markt eigene ganz spezifische Eigenschaften aufweist, die jeweils von der Nachfragesituation der betreffenden Unternehmen, von den möglichen Reaktionen und der Intensität der verschiedenartigen Beziehungen zwischen den Konkurrenten abhängen. Aus diesem Grunde gilt das Hauptaugenmerk sowohl der wirtschaftstheoretischen als auch der hier vordringlich interessierenden kartellrechtlichen Oligopolbetrachtung der Untersuchung der wettbewerblichen Gefahren und der typischen Wettbewerbsbeschränkungen auf oligopolistisch strukturierten Märkten.
2. Der Ansatz der klassischen Oligopoltheorie Das Oligopol als Gefahrenlage für wirksamen Wettbewerb
a) Oligopolistische s Parallelverhalten
und Oligopolfriede
Die Ursache für alle Erscheinungsformen wettbewerbsbeeinträchtigenden Oligopolverhaltens liegt in der sich aus der oligopolistischen Interdependenz ergebenden Reaktionsverbundenheit der Oligopolmitglieder. Die Auswirkungen dieser Reaktionsverbundenheit lassen sich am besten am Preisbildungsmechanismus eines oligopolistisch strukturierten Marktes verdeutlichen, dessen Marktteilnehmer zunächst wettbewerbsfreudig und nicht primär an einer Ausschaltung des Wettbewerbs interessiert sind. Unternimmt in dieser Situation ein Anbieter den Versuch, seinen Absatz durch eine Preissenkung zu erhöhen, so wird er damit zunächst einen erheblichen Marktanteilszuwachs bewirken, der aber gleichzeitig mit spürbaren Umsatzeinbußen bei den mitanbietenden Oligopolisten verbunden ist. Um ihren alten Marktanteil zurückzugewinnen, werden sich diese gezwungen sehen, ihre Preise ebenfalls zu senken, was wiederum auf die Situation des preissenkenden Oligopolisten negativ zurückwirkt, dessen Umsätze wieder spürbar zurückgehen. Die Oligopolisten zeigen ein paralleles Verhalten beim Einsatz ihrer Aktionsparameter (conscious parallelism). 17 Als Folge dessen haben zwar alle Anbieter ihre Marktanteile im wesentlichen behaupten können, doch der Marktpreis stabili17
Vgl. Kühn, Abgestimmtes und sogenanntes bewußtes Parallelverhalten auf Oligopolmärkten, S. 5 ff., 14 ff.; Brosius, Oligopolistische Preispolitik und Inflation, S. 73 ff.; Kranüchel, Kooperation auf homogenen und heterogenen Oligopolmärkten, S. 14 ff.; Machlup, in: Handbuch der Sozialwissenschaften, S. 82 ff., 83; Oberender, Industrielle Forschung und Entwicklung, S. 24 ff., 31; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 199 f.; Ingo Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 59 f.; Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 326; Whish, Competition Law, S. 468; Zellmer, HICLR 1983, 829, 831; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 22 f.; Berg, WiSt 1979,449,452 f.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
siert sich nunmehr auf einem niedrigeren Niveau als vorher. Selbst wenn es aufgrund des gesunkenen Preises zu einer Absatzsteigerung kommen sollte, was in erster Linie von der Preiselastizität der Nachfrage abhängt, so dürfte diese kaum ausreichen, um den Rückgang der Gesamtgewinne als Folge der sinkenden Stückerlöse zu kompensieren. Die Gewinnsituation ist daher nach einer solchen Preissenkungsrunde insgesamt ungünstiger als zuvor, während die Marktanteilsverhältnisse wieder wie am Anfang wären. 18 Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, daß die Konkurrenten zu einer „Bestrafung" des preissenkenden Unternehmens übergehen, in dem sie den Preis noch weiter senken und damit einen Preiskrieg entfachen, der zu spürbaren Verlusten und am Ende durchaus auch zum finanziellen Zusammenbruch und Marktaustritt einiger Marktteilnehmer führen kann. 19 Die Erfahrung, daß Preiswettbewerb eine Bedrohung für die Marktstellung jedes Unternehmens bedeutet, veranlaßt den Oligopolisten nun zwangsläufig, bei wettbewerbswirksamen Aktionen neben der Nachfrage vor allem das vermutete Konkurrentenverhalten in seinen Entscheidungsprozeß mit einzubeziehen und eine Erlössteigerung durch preisbedingte Absatzausweitung, wie im Beispielsfall, von Anfang an zu unterlassen. Anders als im Polypol, in dem jeder einzelne Anbieter nur die Reaktionen der Marktgegenseite einplanen muß, kommt es im Oligopol zu einer „Antizipation der Reaktion der Konkurrenten". 20 Die im idealtypischen Oligopol bestehende Reaktionsverbundenheit schließt somit weitgehend die Möglichkeit aus, durch Preissenkungen auf Kosten der anderen Wettbewerber den eigenen Absatz zu erhöhen, mit der Folge, daß der Preis als Aktionsparameter ausscheidet, sprich „oligopolisiert" wird. 21 Der Preis kann daher im Oligopol seine Stellung als Wettbewerbsmittel des vorstoßenden Wettbewerbs nicht mehr wahrnehmen, sondern wird zu einem Anpassungsparameter für die Gewinnmaximierung reduziert. Eine „ruinöse Konkurrenz" in dem Sinne, daß auf Märkten mit homogenen kapitalaufwendig produzierten Gütern die Preise schon bei temporären und marginalen Nachfragerückgängen bis auf Höhe der variablen Kosten sinken und es als Folge des einsetzenden Preiskampfes um Marktanteile zu Marktaustritten kommt, ist auf 18 Für den preissenkenden Oligopolisten könnte sich eine solche Aktion nur dann als erfolgversprechend erweisen, wenn der durch die temporäre Absatzsteigerung erzielte zusätzliche Gewinn die nachfolgenden Verluste übersteigen würde. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß zwischen seiner Aktion und der Reaktion der Konkurrenten ein nicht unwesentlicher Zeitraum für die Realisierung der Ausgleichsgewinne liegt. Dieser reaktionsfreie Zeitraum (detection lag) ist jedoch im Oligopol aufgrund der hohen Interdependenz grundsätzlich nicht ausreichend gegeben; vgl. hierzu Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 241 ff. 19
Vgl. Lefiwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 203; Böhm, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S. 65. 20 Vgl. Oberender, Industrielle Forschung und Entwicklung, S. 28, 57. Im Polypol bildet sich der Preis dagegen als Gleichgewichtszustand zweier entgegengesetzter Bewegungen: je höher der Preis ist, desto größer ist das Angebot, desto kleiner ist aber auch die Nachfrage. Der einzelne Anbieter nimmt den Preis lediglich zur Kenntnis und richtet daran die Menge aus, die er herstellt (wenn er zu diesem Preis überhaupt gewinnbringend produzieren kann). Sein Marktanteil ist zu klein, um Angebot und Nachfrage merklich zu beeinflussen. 21 Vgl. Fehl, ORDO 1986, 141, 145.
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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Oligopolmärkten eher unwahrscheinlich. 22 Der Wettbewerb zwischen den einzelnen Konkurrenten wird sich vielmehr auf Nichtpreisparameter wie Produktdifferenzierung, Service, Konditionen, Werbung, Produktqualität oder Forschung und Entwicklung verlagern. Der verstärkt betriebene Einsatz von Nichtpreisparametern kann jedoch zu technischen Ineffizienzen und Ressourcenverschwendungen durch exzessive Werbeaufwendungen und funktionslose psychologischen Produktdifferenzierungen führen und ist dementsprechend kostenaufwendig für die Unternehmen. 23 Als Folge des fortschreitenden Erfahrungsprozesses wird es im Laufe der Marktentwicklung schließlich auch zu einer Identifikation der Reaktionsverbundenheit bei den Nichtpreisparametern kommen, indem die Wettbewerber feststellen, daß die Wirkungen dieser Aktionsparameter ebenfalls durch entsprechende Reaktionen ihrer Konkurrenten neutralisiert werden. In dem Maße, wie die Oligopolisten feststellen, daß der Nichtpreiswettbewerb genauso gewinnschmälernd sein kann wie der Preiswettbewerb, wird dann auch der Einsatz dieser Parameter sukzessive erstarren und die Bereitschaft zu einem Parallelverhalten zunehmen. Im Ergebnis erstreckt sich daher die oligopolistische Interdependenz auf das gesamte absatzpolitische Instrumentarium. In der Realität befinden sich die Oligopolisten bei der Auswahl ihrer Aktionen meist im unklaren über das zukünftige Verhalten ihrer Konkurrenten. Das liegt insbesondere an der Undurchschaubarkeit des interdependenten Geflechts von Beziehungen und Erwartungen: So hängt die von jedem Akteur einzuschätzende Reaktion seiner Konkurrenten, weil diese die Abhängigkeit ja kennen, wiederum von deren Erwartungen über die Erwartungen des Akteurs ab, wie sie selbst reagieren werden usw. Diese hohe Ungewißheit über das Konkurrentenverhalten und die aus dem Bestehen der Reaktionsverbundenheit resultierende Bedrohung kollidieren mit dem Streben der Oligopolunternehmen nach möglichst sicheren Gewinnen und einem kontinuierlichen störungsfreien Umsatzwachstum.24 Es liegt daher nahe, daß die Oligopolisten versuchen werden, ihre Unternehmenspolitik auf eine Absicherung gegenüber den negativen Folgen der Reaktionsverbundenheit auszurichten. Dies geschieht häufig dadurch, daß die Oligopolisten aggressive Verhaltensweisen im Wettbewerb unterlassen und zu einer Einstellung des „leben und leben lassens" übergehen.25 Es stellt sich der sogenannte „Oligopolfriede" (oligopoly stalemate) ein, in dem die Rivalität der Anbieter unterschwellig zwar wirksam bleibt, in dem aber aufgrund des vorsichtigen Verhaltens aller Anbieter der Aus22 Vgl. Heuss, WuW 1974, 369, 374, der darauf hinweist, daß die Preisstarrheiten im Oligopol selbst bei Nachfragerückgängen und Konjunkturabschwüngen erhalten bleiben. 23 Vgl. Kruber, JfS 29 (1978), 55, 64; Flint, LIEI 1978, 21, 52 m. w. Ν. 24 Vgl. Rothschild, The Economic Journal 57 (1947), 297, 308; Kantzenbach, JfS 14 (1963), 194, 199. Nach Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 24, wird der Oligopolist eine Maximierung des Periodengewinns nur insoweit anstreben, als dies mit dem Ziel der längerfristigen Sicherung einer als angemessen betrachteten Gewinnspanne vereinbar erscheint. 25 Vgl. Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 217.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
bruch einer offenen, drastische Preissenkungen nach sich ziehenden Auseinandersetzung sehr unwahrscheinlich wird. 26 Als Folge des friedlichen Oligopolverhaltens werden Kostensenkungen, die einzelne Anbieter aufgrund von technischem Fortschritt erzielen entweder gar nicht oder nur sehr zögerlich an die Abnehmer weitergegeben, da diese befürchten müssen, daß die Mitkonkurrenten sogleich folgen und den Vorsprung sofort wieder eliminieren werden. 27 Es kommt zu den auf Oligopolmärkten häufig zu beobachtenden Preisstarrheiten nach unten.28 Aufgrund der auch im Oligopolfrieden vorhandenen latenten Rivalität zwischen den Anbietern werden die Oligopolisten gleichzeitig neben dieser „Politik der Vorsicht" versuchen, sich für mögliche Konflikte zu wappnen und ihre jeweilige Marktposition zu stärken. 29 Diese Verhaltensweisen vermögen aber keineswegs das Sicherheitsbedürfnis der Oligopolisten ausreichend zu befriedigen, da sie den einzelnen Anbieter nur davor bewahren, durch eigene wettbewerbliche Aktionen einen offenen Konflikt auszulösen, ihm aber nicht die Ungewißheit über die zukünftigen Konkurrentendispositionen nehmen. Die Oligopolisten werden daher dazu übergehen, die Quelle der Bedrohung und Ungewißheit zu beseitigen, sie werden versuchen den Wettbewerb zu beschränken oder sogar völlig außer Kraft zu setzen.30 Zur Realisierung dieses Zieles bieten sich einem Oligopolisten im wesentlichen zwei verschiedene Möglichkeiten an: er kann zunächst eine Kollusionstrategie verfolgen und versuchen, den Wettbewerbsdruck zwischen den Oligopolmitgliedern durch eine friedliche Verständigung zu entschärfen. Daneben erscheint es aber auch aussichtsreich, mittels Marktverengungsstrategien die Zahl der potentiellen Wettbewerbsinitiatoren und damit auch die Zahl der Interdependenzbeziehungen zu verringern.
26 Vgl. Berg, WiSt 1979, 449, 452. In diesem Zusammenhang darf auch die Bedeutung von persönlichen Kontakten nicht unterschätzt werden. Aufgrund der geringen Zahl von auf dem Markt tätigen Unternehmen, werden sich die unternehmensleitenden Personen eher persönlich kennenlernen als die zahlreichen Anbieter auf polypolistischen Märkten. Solche Kontakte können das Gruppenbewußtsein und die Bereitschaft zur Rücksichtnahme noch weiter fördern; vgl. hierzu Fellner, Competition among few: oligopoly and similar market structures, S. 24. 27 Vgl. dazu schon Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition (6. Aufl.), S. 52; Sullivan, Handbook of the Law of Antitrust, S. 343; Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre Bd. 2, S. 310. 2
8 Vgl. Hardes, WiSt 1992, 224; Kruber, JfS 29 (1978), 55, 63. Beispielhaft für diese „Politik der Stärkung der eigenen Position" führt Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 25, u. a. unternehmerische Bemühungen um Kostenersparnisse, Akkumulation von Patenten ohne mittelfristige Auswertungsabsicht und Reinvestitionen der erwirtschafteten Gewinne in das eigene Unternehmen an. Verbreitet werden auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten primär deshalb betrieben, um bei zukünftigen Konkurrenzinnovationen mit gleichwertigen Alternativen mithalten zu können; vgl. Berg, WiSt 1979,449,452. 29
30 Vgl. Zohlnhöfer, Ökonomie, S. 226.
Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 25 ff.; Lancaster, Moderne Mikro-
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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b) Kollusionsstrategìen Als eine vielversprechende Möglichkeit zur Neutralisierung der oligopolistischen Reaktionsverbundenheit bieten sich Kollusionsstrategìen an, d. h. wettbewerbsbeschränkende Verhaltenskonstellationen von rechtlich und wirtschaftlich prinzipiell selbständigen Unternehmen zur Erzielung kollektiver Vorteile und zum Zwecke einer kollektiven Marktstabilisierung. 31
aa) Explizite Kollusion - Kartelle und abgestimmte Verhaltensweisen In oligopolistisch strukturierten Märkten finden sich ideale Voraussetzungen für eine wirksame explizite Kollusion zwischen den Wettbewerbern. 32 Unter den Begriff der expliziten Kollusion lassen sich all diejenigen wetttbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen subsumieren, denen eine ausdrückliche Vereinbarung im weitesten Sinne zugrundeliegt, also insbesondere Kartellabsprachen und abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV. 33 Je geringer die Anzahl der Marktteilnehmer ist und je ähnlicher die von ihnen angebotenen Produkte sind, desto einfacher und kostengünstiger wird es, die grundsätzlich divergierenden Interessen aller Beteiligten bei der expliziten Herausbildung gemeinsamer Verhaltensnormen zu berücksichtigen. 34 So erfassen Absprachen in oligopolistisch verengten Märkten naturgemäß ein erhebliches Produktionsvolumen, mit der Folge, daß Außenseiter keine so wesentlichen Marktanteile innehaben, daß sie ein Kartell zwischen den Oligopolisten stören könnten. Die relativ hohe Markttransparenz vermag zudem den Bestand der Absprachen zu sichern, indem sie es den Kartellmitgliedern ermöglicht, die Einhaltung der Vereinbarungen zu kontrollieren und ein Unterlaufen der Kollusion frühzeitig zu erkennen. Die Konzentration der Marktteilnehmer wirkt sich auch insoweit kartellfördernd aus, als jedem Oligopolisten bewußt ist, daß aufgrund der hohen individuellen Marktanteile eine explizite Verhaltenskoordination nur bei Mitwirkung aller funktioniert, und er daher nicht damit rechnen kann, als Außenseiter Nutznießer eines Kartells der anderen zu sein.35 Um einen höheren Gewinn zu erzielen, als
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Der wettbewerbstheoretische Begriff der Kollusion leitet sich vom lateinischen colludere (= zusammenspielen) ab. 32 Vgl. Kantzenbach, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, 194, 208 ff.; Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 306 ff.; Zellmer, HICLR 1983, 829, 836; Kruber, JfS 29 (1978), 55, 64; Sullivan, Handbook of the Law of Antitrust, S. 339; Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 174; Cox, in: Cox/Jens/Marken, Handbuch des Wettbewerbs, 225, 246 f.; Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 185. 33
Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 29. Vgl. Hays/Kelley nach McElroy / Siegfried, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 139, 144. 35 Vgl. Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 307. 34
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
dies bei wirksamem Wettbewerb möglich wäre, erscheint es für jeden Oligopolisten sicherer, sich an einer expliziten Kollusion zu beteiligen. Das Oligopol wird in diesem Fall zwangsläufig auch zu einem Kollektivmonopol, worunter man ein Kartell versteht, das alle oder zumindest die meisten Anbieter auf einem Markt umfaßt. 36 Auch wenn die Ausgangsbedingungen für eine explizite Kollusion demnach günstig sind, läßt sich nicht bestreiten, daß auch auf Oligopolmärkten Schwierigkeiten bestehen, Kartellvereinbarungen im Zeitverlauf aufrechtzuerhalten. Zum einen ist explizite Kollusion durch wettbewerbsrechtliche Normen verboten und mit Sanktionen bedroht. Zum anderen können einzelwirtschaftliche Interessen und Marktungleichgewichte auch im Oligopol die Kartellstabilität bedrohen. Die Folge ist, daß den Formen der impliziten Kollusion, die weder eine Vereinbarung, noch das Bewußtsein wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens erfordern, in oligopolistischen Märkten die größere Relevanz zukommt, wobei die Übergänge zwischen beiden Kollusionsformen naturgemäß fließend sind. 37
bb) Implizite Kollusion Preisführerschaft und bewußtes Parallelverhalten Unter impliziter Kollusion versteht man im weitesten Sinne alle Verhaltensweisen von Unternehmen, die in Kenntnis ihrer Reaktionsverbundenheit auf einen offensiven Einsatz von Aktionsparametern und kurzfristige individuelle Vorteile verzichten, weil dies längerfristig für alle Anbieter profitabler ist, indem es ihnen die Erzielung kollektiver Vorteile ermöglicht. 38 Eine Grundform der impliziten Kollusion ist die Preisführerschaft als besondere Ausprägung des bewußten oligopolistischen Parallelverhaltens. Hierunter versteht man eine preispolitische Strategie, bei der ein Unternehmen, der Preisführer, für eine Gruppe von miteinander konkurrierenden Unternehmen sowohl den Zeitpunkt als auch die Höhe von Preisveränderungen festsetzt. Die Mehrzahl der anderen Unternehmen folgt dieser Preisfestsetzung ohne jeden Akt der Kommunikation zur Wissens- und Willensvermittlung allein aufgrund der Erkenntnis, hiermit günstiger zu stehen als bei ungehemmtem Wettbewerb. 39 Voraussetzungen für das Funktionieren von Preisführerschaft sind eine hohe Konzentration des Angebots und eine relativ hohe Markttransparenz, also Bedingungen, die gerade in engen oligopolistischen Marktsituationen anzutreffen sind. Die erforderliche Markttransparenz kann zudem 36 Obwohl es in beiden Fällen zu einem parallelen Marktverhalten der Unternehmen kommt, müssen Oligopol und Kollektivmonopol streng voneinander unterschieden werden. Denn während diese Wirkung im Kartell stets einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf, kann sie sich im Oligopol schon allein aufgrund der Marktstruktur ergeben. 37 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 31 ff., 39 f. 38 Vgl. Kruse, WiSt 1995,564; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 29. 3 9 Vgl. Flint, LIEI 1978, 21, 52; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 30: „Das klare Bewußtsein gemeinsamer Interessen führt zur spontanen Disziplin und ersetzt die Organisation als Mittel einer forcierten Verhaltenskoordination."
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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vom Preisführer durch die Veröffentlichung von Listenpreisen, die Einrichtung von Preismeldestellen oder Frachtbasissystemen etc. noch künstlich erhöht werden. 40 Ein Festhalten am bisherigen Preis würde sich für die Konkurrenten des preiserhöhenden Unternehmens nur dann als sinnvoll darstellen, wenn sie dadurch mit einer absatzbedingten Gewinnausweitung rechnen könnten, indem die Abnehmer sofort auf ihr günstigeres Angebot ausweichen würden 41 Dies hätte aber zwangsläufig Nachfrageverschiebungen und Umsatzeinbrüche beim Preisführer zur Folge, zu deren Kompensation dieser die Preise wieder auf das Ausgangsniveau oder sogar darunter senken müßte, womit alle Oligopolisten letztlich schlechter stünden als bei einer gemeinsamen Aktion. 42 Ein solche Strategie der Verweigerung der „Preisgefolgschaft" und der Versuch, einen höheren Gewinn verbunden mit Marktanteilszuwächsen auf Kosten des Preisführers zu erzielen, stellt für die Oligopolisten daher grundsätzlich keine rationale Alternative zur parallelen Preisanhebung dar, bei der ihre Marktanteile zwar gleich bleiben, der Gesamtgewinn des Oligopois aber steigt. Bei einer funktionierenden Preisführerschaft kann der Gesamtoligopolgewinn solange gesteigert werden, bis die Grenzkosten dem Grenzerlös entsprechen, also die zusätzlichen Kosten für jedes weitere produzierte Stück genauso groß sind wie der dadurch zu erzielende Gewinn. In diesem Fall ist es den Oligopolisten möglich, quasi Monopolgewinne zu erzielen. 43 Der Preisfestsetzungsspielraum des Preisführers kann seine Grenze allerdings schon vorher an dem Punkt erreichen, an dem die Preise und die Gewinne so hoch sind, daß neue Unternehmen dadurch zu einem Markteintritt ermutigt werden. Aber auch dieser Preis wird immer noch spürbar über dem Konkurrenzpreis bei funktionierendem Wettbewerb liegen. Nach der Stellung des Preisführers wird zwischen dominierender und barometrischer Preisführerschaft unterschieden.44 Eine dominierende Preisführerschaft liegt 40
Vgl. Kühn, Abgestimmtes und sogenanntes bewußtes Parallelverhalten auf Oligopolmärkten, S. 74 ff.; Kauf er, Industrieökonomik, S. 232; Shughart II, The Organization of Industry, S. 258; Sullivan, Handbook of the Law of Antitrust, S. 338 f. 41 Franke, Die Berechtigung der Zusammenschlußkontrolle bei Oligopolsachverhalten, S. 51, will darin einen gewichtigen Grund gegen das Funktionieren von Preisführerschaft sehen. Vgl. auch Knöpfle, BB 1982, 1805 ff., 1807, der in diesem Zusammenhang das Beispiel einer Preiserhöhung von ARAL und Texaco im Mai 1982 um zwei Pfennige anführt, die zu einem Umsatzrückgang von bis zu 60% geführt habe, so daß die Unternehmen ihre Preise wieder hätten senken müssen. 42 In solchen Situationen droht dann wiederum der Ausbruch eines Preiskrieges. Vgl. Flint, LIEI 1978, 21, 50; Shubik, Strategy and Market Structure, S. 284: „It does not take a very intelligent board of directors to realize that unless a price increase is followed the instigator of the price change will have to bring his price down again." 43 Insoweit trifft die Feststellung von Galbraith (nach Joliet, EuR 1973, 97, 123) zu: „Enge Oligopole sind nichts anderes als eine unvollkommene Form des Monopols." 44
In der Literatur wird teilweise noch eine Sonderform, die „Preisführerschaft kraft stillschweigender Übereinkunft" unterschieden. Bei dieser wird einem Unternehmen die Führerrolle aufgrund einer stillschweigenden Absprache unter den Oligopolisten zugesprochen; vgl. hierzu auch Rüge, Begriff und Rechtsfolgen des gleichförmigen Unternehmensverhaltens,
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
vor, wenn ein bzw. mehrere Unternehmen über einen sehr großen Marktanteil verfügen, so daß die übrigen Anbieter wegen ihrer wirtschaftlichen Unterlegenheit gezwungen sind, deren Preisfestsetzung quasi zwangsweise als Datum hinzunehmen. 45 Besonders typisch für Oligopolmärkte ist die barometrische Preisführerschaft, bei der eine Preisanpassung erfolgt, obwohl kein Anbieter mit einem dominierenden Marktanteil vorhanden ist. 46 Der Preisführer übernimmt hier die Funktion eines Barometers, indem er Veränderungen der die Preisbildung beeinflussenden Marktfaktoren als erster nach außen hin in Preiserhöhungen erkennbar macht. Welchem Oligopolunternehmen dabei die Rolle des Preisführers zufällt, richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Häufig wird es sich dabei um ein Unternehmen handeln, das über eine langjährige Branchenerfahrung und eine gute Marktübersicht verfügt und das daher ein sicheres Urteil über die Marktlage abgeben kann. 47 Die Funktion des Barometers wird jedoch meist nicht dauerhaft von einem Unternehmen übernommen. Vielmehr wechseln sich die Wettbewerber häufig in der Rolle des Preisführers ab (rotating price-leadership). 48 Auch wenn zwischen den Oligopolisten keine ausdrücklichen Vereinbarungen über ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten bestehen, ist das Marktergebnis bei impliziter Kollusion insbesondere durch bewußtes Parallelverhalten in der Form der Preisführerschaft das gleiche wie bei einer zugrundeliegenden gegenseitigen Abstimmung. Den Unternehmen sind höhere Preise und Gewinne als unter Wettbewerb möglich, die ihnen wiederum erlauben, weniger effizient zu produzieren und den Anbietern mit den höheren Kosten das Ausscheiden aus dem Markt erspart. Der Druck zu Investitionen, Innovationen und Rationalisierungen läßt merklich nach. Durch die mehr oder weniger starke Ausschaltung des Wettbewerbs haben
S. 66; Knöpfle, Der Rechtsbegriff Wettbewerb, S. 311. Hierbei handelt es sich jedoch um eine „unechte" Preisführerschaft, die als abgestimmte Verhaltensweise den Formen der expliziten Kollusion zuzurechnen ist. 45 Vgl. Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 309; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 248 f. Diese Art der Preisführerschaft tritt häufig in teilmonopolistischen Marktstrukturen auf. In oligopolistisch strukturierten Märkten kommt die dominierende Preisführerschaft meist nur im Teiloligopol vor, in dem sich die Angebotsseite aus einer Oligopolgruppe und einer Anzahl von Unternehmen mit geringfügigen Marktanteilen zusammensetzt. Dadurch, daß diese kleinen Unternehmen, die sogenannten „price-taker", der Preispolitik der dominierenden Oligopolisten folgen, sind auch ihnen höhere Preise und Gewinne möglich als unter Wettbewerb. Daher muss eine Preisanpassung keineswegs immer von den dominierenden Unternehmen erzwungen werden; vgl. Dirrheimer, Marktkonzentration und Wettbewerbsverhalten von Unternehmen, S. 175; Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 201. 46 Vgl. Biilow, Gleichförmiges Unternehmensverhalten ohne Kommunikation, S. 25 f.; Markham, AER41 (1951), 891 ff. 47 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 249; Seitz, Preisführerschaft im Oligopol, S. 140. 48 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 249; Seitz, Preisführerschaft im Oligopol, S. 140 ff.
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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die Oligopolisten daher die Möglichkeit zu einer quasi-monopolistischen gemeinsamen Gewinnmaximierung, mit der Folge gesamtwirtschaftlicher Ineffizienzen. 4 9
c) Marktverengungsstrategien Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, lassen sich wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen auf oligopolistisch strukturierten Märkten um so leichter verwirklichen und versprechen um so eher Erfolg, j e weniger Konkurrenten vorhanden sind, j e höher also die absolute Marktkonzentration ist. Eine weitere Möglichkeit zur Beseitigung der i m Oligopol bestehenden Unsicherheit und damit zur Ausschaltung eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den Oligopolisten besteht daher in der künstlichen Verringerung der Zahl selbständiger Anbieter auf dem Markt. Eine entscheidende Rolle i m Rahmen möglicher Marktverengungsstrategien spielen dabei Unternehmenszusammenschlüsse. 50 Denn vor allem externes Unternehmenswachstum ermöglicht die Transformation weiter Oligopole in enge Oligopole, in denen die Markttransparenz und die Reaktionsverbundenheit den für das Funktionieren kollusiver Verhaltensweisen erforderlichen Grad erreicht haben und damit eine kollektive Marktkontrolle durchführbar wird. Als förderlich 49 Vgl. Hardes, WiSt 1992, 224, 227 f.; Leflwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 194; Bülow, Gleichförmiges Unternehmensverhalten ohne Kommunikation, S. 25; Flint , LIEI 1978, 21, 50/52. Ausgehend von der Annahme, daß sich als Folge enger Oligopole kollusiv überhöhte Preise in überhöhten Unternehmensgewinnen niederschlagen müssten, hat eine Reihe von empirischen Arbeiten versucht, einen positiven Zusammenhang zwischen hoher Marktkonzentrationen und hohen Gewinnraten nachzuweisen. In der Tat konnten Bain, Quarterly Journal of Economics 65 (1951), 293 ff., und Meehan/Duchesneau, Journal of Industrial Economics 22 (1973), 21 ff. feststellen, daß bei einem aggregierten Marktanteil der acht größten Firmen von über 70% die Unternehmensgewinne gegenüber geringer konzentrierten Angebotsstrukturen signifikant anstiegen. Das Bestehen einer allgemeinen kritischen Konzentrationsschwelle ist in der Konzentrationsforschung jedoch heftig umstritten. So kamen andere Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß überdurchschnittliche Gewinnraten ihre Ursache weniger in der Konzentrationshöhe, als vielmehr in hohen unternehmensindividuellen Marktanteile hätten, vgl. nur Hall /Weiss, Review of Economics and Statistics 49 (1967), 319 ff. und Demsetz, Journal of Law and Economics 16 (1973), 1 ff. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß in Oligopolen nicht nur eine erhebliche absolute Marktkonzentration vorliegt, sondern die Oligopolmitglieder auch selbst ex definitione über hohe individuelle Marktanteile verfügen. Für eine eindeutige empirische Widerlegung von Ineffizienzen aufgrund kollusiver Oligopole können diese Untersuchungen daher nicht herangezogen werden. Allenfalls lassen sie Aussagen über deren quantitative Bedeutung zu. 50 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 135 f.; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 33 ff. Eine weitere Option zur Verengung des Marktes besteht darin, Konkurrenten durch kampfstrategische Verhaltensweisen vom Markt zu verdrängen. Angesichts des unwägbaren Risikopotentials solcher Strategien in oligopolistischen Märkten und des hier sanktionierend eingreifenden Wettbewerbsrechts dürften diese Verhaltenskomplexe im Hinblick auf das vordringliche Sicherheitsstreben der Oligopolisten aber nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Eine ähnliche Auffassung vertritt Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 28, der jedoch zwischen Strategien der Monopolisierung und der Integration unterscheidet.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
für das Entstehen enger oligopolistischer Strukturen kann sich daneben auch die künstliche Errichtung von Marktzutrittschranken durch die Oligopolisten erweisen. Denn in Märkten, in denen der Marktzutritt für neue Anbieter blockiert ist, kann sich die Anbieterzahl im Zeitablauf schon allein dadurch verringern, daß Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und aus dem Markt ausscheiden müssen. Eine Forcierung der Marktverengung durch Unternehmenszusammenschlüsse stellt für die Oligopolisten jedoch weniger eine Alternative zu Kollusionsstrategien dar, sondern ist vielmehr eine kumulative, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kollusion weiter verbessernde bzw. erst schaffende Option.
3. Das Oligopolverständnis der Chicago School of Antitrust Analysis
Die klassische wettbewerbstheoretische Beurteilung oligopolistischer Märkte, die in ihrer Kernthese davon ausgeht, daß bestimmten Marktstrukturen ein bestimmtes Verhalten zugeordnet werden kann, aus dem sich wiederum bestimmte Marktergebnisse ableiten lassen, hat in neuerer Zeit zum Teil erheblichen Widerspruch erfahren. Die Kritik kommt vor allem aus den Reihen der Chicago School of Antitrust Analysis, die sich in den siebziger Jahren in den USA als Antwort auf das Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs (workable competition) der Harvard School formierte. 51 Anders als die Vertreter der Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs sieht die Chicago School den Wettbewerb nicht als Instrument zur Erreichung gesamtwirtschaftlicher Ziele an, sondern betrachtet einzig die Erhöhung der ökonomische Effizienz und die dadurch eintretende Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt als alleiniges Ziel der Wettbewerbspolitik. 52 Ein empirisch nachweisbarer Zusammenhang zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnissen wird abgelehnt. Die Struktur einer Industrie, die sich über einen längeren Zeitraum ungestört von gesetzlichen Zulassungsbeschränkungen entwickelt hat, gebe vielmehr die zugrunde liegende Kostensituation wieder und sei daher das Ergebnis der unterschiedlichen Effizienz von Unternehmen. 53 Hohe Marktanteile und hohe Marktkonzentration werden danach als Ausdruck überragender Marktleistungen der am effizientesten produzierenden Unternehmen angesehen, die aber keinen Aufschluß über die Intensität und die Art des Wettbewerbs vermitteln könnten. 54 Bei Märkten, auf denen nur sehr wenige große Unternehmen tätig sind, wird 51
Der Rahmen dieser Arbeit erlaubt lediglich eine Untersuchung der Einstellung der Chicago School zum Oligopolproblem, während eine umfassende Darstellung ihres wettbewerbstheoretischen Konzeptes nicht möglich ist. Für einen allgemeinen Überblick vgl. Ingo Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 19 ff.; Kallfass, WuW 1980, 596 ff.; Mueller, WuW 1986, 533 ff. 52 Vgl. Bork, The Antitrust Paradox: A Policy at War with Itself, S. 4 ff., 57. 53
Demsetz, Journal of Law and Economics 19 (1976), 371, 375. Infolgedessen kommt die Chicago School zwangsläufig zu einer positiven Beurteilung von Unternehmenszusammenschlüssen, die als reine Marktergebnisse in der Herausbildung langfristig vorteilhafter Strukturen angesehen werden. Eine Zusammenschlußkontrolle sei 54
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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daher vermutet, daß hier Massenproduktionsvorteile (economies of scale) ein so bedeutsames Gewicht aufweisen, daß eben nur Großunternehmen die gewünschte produktive Effizienz gewährleisten könnten. Auch die Chicago School muß jedoch eingestehen, daß viele real existierende Märkte durch Oligopolstrukturen gekennzeichnet sind und daß eine hohe Konzentration ein wesentlicher Faktor zur Erleichterung kollusiver Verhaltensweisen darstellt. 55 Dennoch wird angenommen, daß selbst enge Oligopole nicht zu einem stabilen wettbewerbsbeschränkenden Verhalten der Marktteilnehmer und insbesondere nicht zu dauerhaft über dem wettbewerblichen Niveau liegenden Preisen führen würden. Denn bei überhöhten Preisen und Gewinnen würden andere Unternehmen neu in den Markt eintreten und damit ein Sinken der Preise und ein Rückgang der Konzentration bewirken. 56 Oligopolstrukturen, die nicht auf Effizienz, insbesondere nicht auf Massenproduktionsvorteilen beruhten, seien daher instabil und würden durch die natürlichen selbstregulierenden Marktkräfte abgebaut, ohne daß es eines staatlichen Eingriffs bedürfe. Auf der Grundlage dieses Denkansatzes gibt es nach Ansicht der Chicago School zwischen Polypol und Oligopol keine Unterschiede, die es rechtfertigen würden, in Oligopolsituationen eine besondere wettbewerbspolitische Problematik zu sehen. Die Anwendung von Modellen oligopolistischer Interdependenz auf Märkte mit wenigen großen Anbietern sei daher überflüssig und wettbewerbspolitisch irrelevant. 57
4. Zusammenfassende Stellungnahme
Ob der wettbewerbstheoretische Ansatz der Chicago School das bisher gewonnene Oligopolverständnisses tatsächlich in Frage zu stellen vermag, erscheint aus mehreren Gründen zweifelhaft. 58 Die von der Chicago School postulierte positive Einschätzung oligopolistischer Märkte steht und fällt allein mit der Ablehnung der daher unnötig und effizienzfeindlich, so daß sich die staatlichen Aktivitäten im Bereich des Wettbewerbs allein auf die Verfolgung von horizontalen Absprachen konzentrieren sollten; vgl. Stigler, The Organization of Industry, S. 107; Kirchner, ZHR 144 (1980), 563, 578. 55 Vgl. Bork, The Antitrust Paradox: A Policy at War with Itself; S. 101 f. und Buxbaum, WuW 1989, 566, 574 f., unter Hinweis auf entsprechende Entscheidungsgründe in Urteilen der Richter Bork und Posner m. w. N. 56 Brozen, Antitrust Law Journal 46 (1977), 826, 835. 57 Vgl. Posner, Antitrust Law, S. 8 ff., 237 ff.; Stigler, The Organization of Industry, S. 39 ff. und ausdrücklich Brozen, Antitrust Law Journal 46 (1977), 826, 854: „History and the data demonstrate that concentration and collusion, either tacit or explicit, are not synonymous. Mutually recognized interdependence, the hallmark of oligopoly by one definition, does not characterize concentrated industries any more than unconcentrated. Neither is it a sufficient condition to produce tacit or express collusion in either concentrated or unconcentrated industries." 58 Für eine ausführliche kritische Auseinandersetzung mit dem Reformmodell der Chicago-School vgl. Ingo Schmidt/Rittaler, A Critical Evaluation of the Chicago School of Antitrust Analysis.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
Existenz von Marktzutrittsschranken im herkömmlichen Sinne und der Annahme vollkommener Märkte. Versteht man wie die Vertreter der Chicago School unter Marktzutrittsschranken aber lediglich durch staatliche Protektion geschaffene Zutrittsbeschränkungen, so muß dies zwangsläufig zu dem hypothetischen Schluß führen, daß der Markt immer offen ist und sich die Oligopolisten aufgrund des dauernden und allgegenwärtigen Wettbewerbsdrucks wie unter vollständigem Wettbewerb verhalten müssen. In der Realität sind solche idealtypisch funktionierenden Märkte ohne jegliche Hindernisse für potentielle Konkurrenten jedoch nicht vorstellbar. Vielmehr steht fest, daß auf den durch Unvollkommenheiten gekennzeichneten existierenden Märkten eine Vielzahl von Faktoren, wie hohe Mindestkapitalausstattung, Produktdifferenzierung, Werbung, vertikale Integration etc. negative Auswirkungen auf das Markteintrittsverhalten potentieller Newcomer haben.59 Darüber hinaus können die Oligopolisten schon allein durch ihr Marktverhalten den Eintritt neuer Wettbewerber erschweren. 60 Solche eintrittsverhindernden Strategien stellen für potentielle Konkurrenten eine erhebliche Ungewißheit dar, die den Marktzutritt zusätzlich erschwert und die von der Chicago School postulierte, von Natur aus gegebene Verhaltenskontrolle der Oligopolisten durch potentiellen Wettbewerb weiter relativiert. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, daß die Chicago School trotz „wegdefinierens" aller Marktzutrittsbeschränkungen nur mit einem extrem langfristigen Betrachtungshorizont zum gewünschten Ergebnis einer funktionierenden Selbstregulierung des Wettbewerbs kommt und daher bereit ist, kollusiv überhöhte Preise und Gewinne auf Oligopolmärkten für längere Zeit zu akzeptieren. 61 Insgesamt beruht das wettbewerbstheoretische Konzept der Chicago School auf realitätsfernen Annahmen verbunden mit einer einseitigen Interpretation theoretischer Erkenntnisse 62 sowie der Verwendung eines nicht klar definierten Effizienz59 Vgl. Ingo Schmidt/Rittaler, A Critical Evaluation of the Chicago School of Antitrust Analysis, S. 80, unter Hinweis auf neuere Studien von Masson/Shaanan, Review of Economics and Statistics 64 (1982), 413 ff. und Neumann /Böbel/Haid, Managerial and Decision Economics 4 (1982), 131 ff. Ausführlich zur Bedeutung von Marktzutrittschranken in Oligopolmärkten siehe unten 5. Kapitel, III., 11. 60
So können die Oligopolisten auf den drohenden Markteintritt eines Newcomers, der durch die überdurchschnittlichen Gewinnchancen auf dem Oligopolmarkt angelockt wurde, derart reagieren, daß sie ihre Preise auf Wettbewerbsniveau oder sogar noch tiefer senken und dadurch dessen ursprüngliche Gewinnerwartung zerstören. Vgl. hierzu Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 211 und Dirrheimer, Marktkonzentration und Wettbewerbsverhalten von Unternehmen, S. 22. Begg/Fischer/Dornbusch, Economics, S. 197, verweisen in diesem Zusammenhang auf das Beispiel von Laker Airlines, die in den 1970er Jahren versuchten in den oligopolistisch strukturierten Markt für Transatlantikflüge einzudringen. Dieser Versuch scheiterte daran, daß Laker Airlines nicht einkalkuliert hatte, in welchem Ausmaß die etablierten Fluggesellschaften ihre Preise senken würden, um den Markteintritt zu verhindern. 61 Vgl. Ingo Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 24. 62 Vgl. Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S. 51 ff.; Kallfass, WuW 1980,596,600 und Ingo Schmidt/Rittaler, A Critical Evaluation of the Chicago School of Antitrust Analysis, S. 110.
I. Wirtschaftstheoretische Grundlagen
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kriteriums, mit dessen Hilfe alle wettbewerbsbeschränkenden Markterscheinungen gerechtfertigt werden. 63 Dieses von der Chicago School aufgestellte Postulat der Effizienz als allein ausschlaggebender Faktor beinhaltet zudem eine gefährliche Simplifizierung komplexer Marktvorgänge. Die Prüfung von Effizienzgewinnen durch Zusammenschlüsse steht insoweit vor dem Problem der Beweisbarkeit, da sich weder die Entstehung noch die Quantifizierbarkeit von Effizienzgewinnen vorausschauend sicher bewerten läßt. 64 Aus diesem Grund begnügen sich die Vertreter der Chicago School auch meist mit dem Hinweis, daß Effizienzgewinne aufgrund von Zusammenschlüssen auftreten, ohne jedoch zu erklären, inwieweit diese Effizienzgewinne tatsächlich die Wettbewerbsbeschränkung überwiegen oder ob diese auch voll an die Verbraucher weitergegeben werden und nicht etwa in Form von Marktmachtrenditen abgeschöpft werden. 65 Darüber hinaus ist die ausschließliche Verwendung der Marktformen des Polypols und des Monopols im Sinne der klassischen Preistheorie zur Beurteilung mikroökonomischer Sachverhalte ungeeignet, da in vielen für die Wettbewerbspolitik praktischen Fällen die Märkte eben nicht durch eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern, sondern wie auch von der Chicago School eingestanden, durch oligopolistische Strukturen gekennzeichnet sind. Für eine Neuinterpretation der sich auf Oligopolmärkten vollziehenden Wettbewerbsprozesse gibt diese Theorie somit keinen Anlaß. Letztlich kann sich keine realistische Oligopoltheorie der Tatsache verschließen, daß mit steigender Konzentration und sinkender Zahl von Wettbewerbern die Interdependenz der Marktteilnehmer zunimmt und jeder Anbieter das Verhalten der Mitanbieter als Reaktion auf sein eigenes Marktverhalten in Betracht ziehen muß. Andererseits läßt es sich aber auch nicht bestreiten, daß die Verhaltensweisen und Marktergebnisse im Oligopol nicht eindeutig bestimmbar sind. 66 Anders als bei den übrigen Marktformen sind in Oligopolen sowohl intensiver Wettbewerb, 67 ein friedliches, die Existenz der Konkurrenten akzeptierendes Verhalten wie auch wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen mit ineffizienten Marktergebnissen möglich und in der Realität zu beobachten.68 Aufgrund dieser unterschiedlichen Auswirkungs63 Vgl. Scherer, Yale Law Journal 86 (1977), 974, 994 f. sowie Ingo Schmidt/Rittaler, A Critical Evaluation of the Chicago School of Antitrust Analysis, S. 113, die das Effizienzkriterium der Chicago School treffend als „black box" bezeichnen. 64 Daneben ist zu berücksichtigen, daß eine Reihe von empirischen Untersuchungen zu dem Ergebnis kommt, daß durch Unternehmenszusammenschlüsse kaum signifikante Effizienzgewinne bewirkt werden; vgl. nur die Untersuchung von Mueller, The Determinants and Effects of Mergers - An International Comparison. 65 Vgl. Kirchner, ZHR 144 (1980), 563, 584 f. 66 Demgegenüber werden im Polypol wettbewerbliche Verhaltensweisen mit annähernd gesamtwirtschaftlich effizienten Preisen und Mengen erwartet, während Monopole durch reduzierte Mengen und überhöhte Preise gekennzeichnet sind. 67 Intensiver Wettbewerb im Oligopol kann jedoch auch in Form eines Behinderungsbzw. Verdrängungswettbewerbs stattfinden, so daß aus der Wettbewerbsintensität allein noch nicht auf die ökonomische Effizienz der Marktergebnisse geschlossen werden kann. 68 Vgl. Willeke, Wettbewerbspolitik, S. 52, Böhm, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S. 64 f., Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 14 ff. Scherer/Ross, 3 Hahn
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
möglichkeiten können Oligopole zwar nicht unbesehen als per se wettbewerbsbeschränkende Marktstrukturen bezeichnet werden. Es läßt sich aber mit Sicherheit feststellen, daß Oligopolsituationen aufgrund der ihnen immanenten interdependenzbedingten Gefahren eine latente Bedrohung für einen wirksamen Wettbewerb darstellen, da in ihnen das Entstehen von Kollusion wahrscheinlicher ist als in anderen Marktstrukturen und daher grundsätzlich wettbewerbspolitische und wettbewerbsrechtliche Aktivität erfordern. 69 Auf der Grundlage dieser Prämisse kommt es dann darauf an, aussagekräftige Verbindungen zwischen den jeweils gegebenen Marktbedingungen und Strukturfaktoren und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens kollusiver Verhaltensweisen im Oligopol zu entwickeln.
II. Möglichkeiten des europäischen Kartellrechts zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen in Oligopolen Nachdem die wettbewerbstheoretische Betrachtung zu dem Ergebnis geführt hat, daß oligopolistische Marktstrukturen grundsätzlich eine Gefahrenlage für einen wirksamen Wettbewerb darstellen, ist nun im folgenden zu untersuchen, ob die Wettbewerbsregeln des EGV der Kommission die Erfassung und Kontrolle spezifisch oligopolistischer Wettbewerbsbeschränkungen ermöglichen und wie effektiv diese kartellrechtlichen Instrumente in der Praxis sind. Jeder staatlichen Wettbewerbspolitik stehen grundsätzlich drei verschiedene Ansatzmöglichkeiten zur Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen offen: die Ebene der zugrundeliegenden Marktstruktur, die des Marktverhaltens der Unternehmen und die der dadurch bewirkten Marktergebnisse. Die Vor- und Nachteile dieser alternativen Ansätze ergeben sich dabei sowohl aus den unterschiedlichen Möglichkeiten, die Wettbewerbsbeschränkung festzustellen, als auch aus der unterschiedlichen Effizienz des betreffenden wettbewerbspolitischen Instruments.
Industrial Market Strukture and Economic Performance, S. 226, fassen dieses Dilemma treffend zusammen: „ ( . . . ) even in the absence of any formal collusion among firms, we should expect tightly oligopolistic industries to exhibit a tendency toward the maximization of collective profits, perhaps even approaching the pricing outcome associated with pure monopoly. However, oligopolistic rivalry is played out in an uncertain, ever-changing environment. While the evolution of this environment permits managers to learn about market conditions and rival intentions, it also poses the constant danger that a rival will undercut the existing pricing structure in search of competitive advantage." 69 Machlup, ORDO 18 (1967), 35, 64, kommt daher zu der Feststellung: „ ( . . . ) daß unsere Gesellschaft freier bleiben wird, wenn sie vermeidbare Oligopolformen und oligopolistische Verhaltensweisen unterbindet, als wenn sie den Oligopolisten die Freiheit läßt, den Wettbewerb zu beschränken."
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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1. Marktverhaltenskontrolle
Die negativen Auswirkungen insbesondere von engen Oligopolen auf das Wettbewerbsgeschehen resultieren vor allem aus den auf diesen Märkten vorhandenen günstigen Voraussetzungen für die verschiedensten Formen von Kollusion. Nutzen die Marktteilnehmer diese Voraussetzungen aus und gehen zu kollusiven Verhaltensweisen über, indem sie in ihrem Marktverhalten die zu erwartenden Reaktionen ihrer Konkurrenten berücksichtigen und in der Erwartung einer entsprechenden Verhaltens auf den Einsatz spezifischer Aktionsparameter verzichten, so erscheint es zunächst naheliegend, Kollusion mit den Instrumenten der Marktverhaltenskontrolle zu bekämpfen.
a) Das Kartellverbot
des Art. 81 EGV
Die Grundlage der Marktverhaltenskontrolle in den Wettbewerbsregeln des EGV ist das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EGV. Nach dieser Norm sind alle wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen verboten. Damit verfügt die Kommission zunächst über ein rechtliches Instrument zur Bekämpfung von Kartellverträgen, der intensivsten Form der expliziten Kollusion, für die sich gerade in oligopolistischen Marktstrukturen ideale Voraussetzungen finden. 70 Probleme bei der Anwendung des Art. 81 EGV ergeben sich hier weniger bei der tatbestandlichen Erfassung solcher Kartelle, als vielmehr beim konkreten Nachweis der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, der in Oligopolsituationen meist noch schwieriger zu führen ist als in anderen Fällen.71 Zudem zeigt sich in der Praxis, daß selbst hohe Geldbußen meist nur eine begrenzt abschreckende Wirkung auf die Unternehmen haben.72 Eine effektive Sicherung wirksamen Wettbewerbs auf Oligopolmärkten im Rahmen der Verhaltenskontrolle erfordert jedoch darüber hinaus, daß die entsprechende Norm nicht nur die Verhaltenskonstellationen der expliziten Kollusion, sondern daneben auch die weitaus gefährlicheren Formen der impliziten Kollusion in der Gestalt des oligopolistischen Parallelverhaltens und der Preisführerschaft erfaßt. Insoweit stellt sich die Frage, ob das in Art. 81 Abs. 1 EGV enthaltene Verbot aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen zur Erfassung dieser spezifischen oligopolistischen Verhaltensweisen geeignet ist.
70 Vgl. Whish, Competition Law, S. 472 sowie Kommission v. 19. 12. 1990 ANSAC, ABl. 1991 L 152/54, für ein erfolgreiches Einschreiten gegen ein Kartell auf dem oligopolistisch strukturierten Markt für Soda. 71 Vgl. hierzu ausführlich Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 93 ff. 72 Vgl. Jones/Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 171. 3*
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
aa) Die Reichweite des Verbots abgestimmter Verhaltensweisen Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellen aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen „eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen dar, die zwar noch nicht bis zum Abschluß eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewußt eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten läßt". 73 Die eine Verhaltensabstimmung kennzeichnenden Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit bilden dabei den Gegenpol zu der vom Gerichtshof auf der andern Seite postulierten Selbständigkeit des Unternehmers, die jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme mit anderen Unternehmen entgegensteht.74 Aus dem Selbständigkeitspostulat ergibt sich jedoch auch, daß es einem Unternehmen freistehen muß, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten seiner Mitbewerber „mit wachem Sinn" anzupassen und selbst darüber zu entscheiden, ob es seine Mitbewerber bekämpfen und aktiv am Wettbewerbsgeschehen teilnehmen will oder ob es sich darauf beschränkt, im Strom mitzuschwimmen und in die Preise der Konkurrenten einzusteigen.75 Die Beobachtung der Konkurrenten, die Kalkulation ihres Verhaltens und die nachträgliche Anpassung des eigenen Verhaltens an die Aktionen der Konkurrenten sind dem Wettbewerb daher durchaus wesensimmanent.76 Verhalten sich Unternehmen auf einem Markt somit lediglich gleichförmig oder parallel, so kann darin nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofs und der Kommission77 sowie der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur 78 auch 73 Vgl. insbes. EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, Slg. 1972, 619, 658, Tz. 64, 67; v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie/ Kommission, Slg. 1975, 1663, 1942, Tz. 26, 28; v. 14. 7. 1981 Rs. 172/80 Züchner/Bay. Vereinsbank, Slg. 1981, 2021, 2031, Tz. 12. Der Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweisen geht zurück auf den Begriff der „concerted action" des US-Antitrustrechts, vgl. hierzu Henrichs, WuW 1965, 95 ff. 74 EuGH v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663, 1965 f., Tz. 173/174; v. 14. 7. 1981 Rs. 172/80 Züchner/Bay. Vereinsbank, Slg. 1981, 2021, 2031, Tz. 12. 75 EuGH v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663, 1984; Kommission v. 21. 12. 1988 LOPE, ABl. 1989 L 74/21, 33; Burkhardt, Kartellrecht, RdNr. 300 f. 76 Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Art. 85 (1) RdNr. 101. Der Gerichtshof spricht insoweit davon, daß „es jedem Hersteller frei (steht), seine Preise nach Belieben zu ändern und hierbei dem gegenwärtigen oder vorhersehbaren zukünftigen Verhalten seiner Konkurrenten Rechnung zu tragen ( . . . )"; EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, Slg. 1972,619, 663, Tz. 115/119. 77 EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, Slg. 1972, 619, 658; v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie /Kommission, Slg. 1975, 1663, 1965; ν 14. 7. 1981 Rs. 172/80 Züchner/Bay. Vereinsbank, Slg. 1981, 2021, 2031; v. 28. 3. 1984 verb. Rs. 29 u. 30/83 CRAM u. Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, 1702; Kommission v. 6. 8. 1984 Zinc Producer Group, ABL 1984 L 220/27, 39. 78 Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 210; Schröter, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Art. 85 Abs. 1 RdNr. 70; Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 RdNr. 32; Whish,
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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dann noch kein aufeinander abgestimmtes Verhalten im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV gesehen werden, wenn dies von den Unternehmen bewußt praktiziert wird. Das Verbot abgestimmten Verhaltens greift vielmehr erst dann ein, wenn ein Parallelverhalten von Wettbewerbern auf einem zeitlich vorausgegangenem Kontakt beruht, der das mit einer autonomen Entscheidung verknüpfte Risiko beseitigt oder vermindert hat. 79 Existieren daher zwischen den Oligopolisten Verbindungen, mit deren Hilfe sie ihr Wettbewerbsverhalten aufeinander abstimmen, so lassen sich derartige Kontakte mit dem Kartell verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV genauso bekämpfen, wie Kartellierungen außerhalb oligopolistischer Marktverhältnisse. Die eigentlichen wettbewerbsrechtlichen Schwierigkeiten des Abstimmungsverbots liegen beim Nachweis der vorherigen Fühlungnahme zwischen den Unternehmen. Ein solcher ist der Kommission in der Regel nur im Wege des Indizienbeweises und unter Berücksichtigung des Marktes und der Marktstruktur möglich. 80
bb) Parallelverhalten als Indiz für eine Verhaltensabstimmung Als Ausgangspunkt für den Indizienbeweis einer Verhaltensabstimmung wird zumeist das äußerlich zutage tretende Marktverhalten der Unternehmen herangezogen. Aufgrund des zu beachtenden Selbständigkeitspostulats kann ein Parallelverhalten aber nur dann als ein Indiz für eine verbotene Abstimmung angesehen werden, wenn dieses nicht mehr den normalen Wettbewerbsbedingungen des jeweiligen Marktes entspricht. 81 Die Crux besteht nun darin, daß man es gerade in engen Oligopolen fast nur mit „aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen" im weitesten Sinne zu tun hat. Competition Law S. 483; Bülow, Gleichförmiges Unternehmens verhalten ohne Kommunikation, S. 34; Van Gerven/Varona, CMLR 1994, 575, 578 f.; Trimarchi, GRUR Int. 1970, 311, 313; Jones, ECLR 1993, 273, 275 f.; Axster, WuW 1973, 605, 615 ff.; Weber, ZgStW 133 (1977), 245, 246; Stroux, World Competition 2000, 3, 15, 45; McGregor, ECLR 2001, 434, 435. A.A. Zimmer, ZHR 154 (1990), 470, 484 ff., der unter Verwendung von Erkenntnissen der Spieltheorie die These vertritt, daß ein bewußtes Parallelverhalten, das jeweils vom „Mitziehen" der Mitbewerber abhängig gemacht wird, durchaus vom Wortlaut des Art. 81 Abs. 1 EGVerfaßt werden könnte. 79 EuGH v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663, 1966; Kommission v. 21. 12. 1988 LOPE, ABl. 1989 L 74/21, 33; Bunte, in: Langen / Bunte, Art. 81 RdNr. 30; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 210 f. so EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, (1975), 129, 139 ff.; Leube, BB 1974, 208.
Slg. 1972, 619, 658; Belke, ZHR 139
8i EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, Slg. 1972, 619, 658; v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56,11,113,114/73 Suiker Unie /Kommission, Slg. 1975, 1663, 1965 f.; v. 14. 7. 1981 Rs. 172/80 Züchner/Bay. Vereinsbank, Slg. 1981, 2021, 2031; v. 3. 7. 1985 Rs. 243/83 Binon/ AMP, Slg. 1985, 2015, 2039 f.; v. 13. 7. 1989 Rs. 395/87 MP/Tournier, Slg. 1989, 2521, 2565; v. 13. 7. 1989 verb. Rs. 110, 241, 242/88 Lucazeau/ SACEM, Slg. 1989, 2811, 2829 f.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
Denn die geringe Zahl von Konkurrenten erlaubt es jedem einzelnen von ihnen auch ohne jede Abstimmung und ohne jede Fühlungnahme mit den anderen Unternehmen, deren Reaktionen vorauszuberechnen und die eigenen Aktionen entsprechend danach auszurichten. Schon ein Minimum an wirtschaftlich rationaler Uberlegung führt hier zu interdependentem Verhalten unter den Oligopolisten und zu einem Verzicht auf den Einsatz bestimmter Wettbewerbsparameter, insbesondere des Preises. Angesichts der in diesen Marktstrukturen bestehenden hohen Reaktionsverbundenheit, dem daraus resultierenden Anpassungszwang einerseits und dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Interesses an Gewinnmaximierung andererseits, entspricht ein paralleles Marktverhalten in engen Oligopolen durchaus den „normalen" Marktbedingungen. 82 Nach allgemeiner Ansicht lassen sich daher die häufig auf Oligopolmärkten zu beobachtenden langfristigen Preisstarrheiten nach unten mit den normalen Wettbewerbsbedingungen der oligopolistischen Marktstruktur erklären. 83 Gleiches muß auch im Falle paralleler Preissenkungen gelten, da der Anpassungszwang für die Oligopolisten bei Preissenkungsaktionen eines Konkurrenten angesichts drohender Marktanteils Verluste besonders groß ist. 84 Umstritten ist hingegen, ob zumindest gleichförmigen Preiserhöhungen der Oligopolisten eine Indizkraft für das Vorliegen einer Verhaltensabstimmung zukommen kann. Teilweise wird darauf verwiesen, daß die oligopolistische Marktstruktur bei parallelen Preiserhöhungen keine befriedigende Erklärung darstellen könne.85 Den Unternehmen sei es schließlich freigestellt, sich der Preiserhöhung nicht anzuschließen, dadurch zusätzliche Abnehmer für sich zu gewinnen und so ihren Marktanteil zu vergrößern. 86 Insoweit wird jedoch übersehen, daß auch gleichförmige Preiserhöhungen durchaus Folge der Marktbedingungen sein können und keineswegs nur als Ergebnis einer Abstimmung erklärbar sind. Gerade im Fall der barometrischen Preisführerschaft wird sich der Oligopolist einer Preiserhöhung seiner Konkurrenten regelmäßig anschließen, um einerseits diese Chance zur Verbesserung seiner Ertragssituation und zur Maximierung des Gesamtgewinns im Oligopol nicht verstreichen zu lassen und andererseits den Preisführer durch eine Verweigerung der Gefolgschaft nicht zu einer übermäßigen Rücknahme der Preiserhöhung zu veranlassen.87 Weiß ein Unternehmen beispielsweise, daß seine Kon82 Vgl. Hansen, ZHR 136 (1972), 52, 59; Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 47 ff.; Trimarchi, GRUR Int. 1970, 311, 313 f. 83 Vgl. Kommission v. 6. 8. 1984 Zinc Producer Group, ABl. 1984 L 220/27, 39; EuGH v. 31. 3. 1993 verb Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u.a/ Kommission, Slg. 1993 I, 1307, Tz. 103. 84 Vgl. Axster, WuW 1973, 605, 614 f.; Kersten, WuW 1972, 69, 70 f. und zu den Reaktionszusammenhängen bei Preissenkungen oben 1. Kapitel, I., 2., a). 85 So Belke, ZHR 139 (1975), 129, 136; Kurz, RIW 1995, 186, 188, die jedoch im Falle einer dominierenden Preisführerschaft einen oligopolistischen Marktzwang anerkennen wollen. 86 Heuss, WuW 1974, 369, 372 f.; Kurz, RIW 1995,186, 188. 87 Zäch, Wettbewerbsrecht der Europäischen Union, S. 14; Kersten, WuW 1972, 69, 71 f.; Axster, WuW 1973, 605, 615.
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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kurrenten keine ausreichenden Kapazitäten mehr haben, um ihre Verkaufsmengen zu Lasten des den Preisanstieg einleitenden Unternehmens zu vergrößern, so kann es sicher sein, daß diese mitziehen werden, um so ihren Ertrag zumindest über einen höheren Verkaufspreis zu steigern. Allerdings wird man in solchen Situationen anders als bei Preissenkungen nicht von einem oligopolistischen Marktzwang sprechen können. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine bewußte, auf gleichgerichteten Interessen beruhende Anpassung an die von anderer Seite gesetzten Marktdaten. 88 Eine Sanktionierung des bloßen Mitziehens bei Preiserhöhungen macht in oligopolistischen Marktstrukturen wirtschaftlich rational betrachtet wenig Sinn. So müßte man einem Oligopolisten eine Preiserhöhung, die ihm ζ. B. aus einheitlichen Kostensteigerungen auf dem Markt notwendig erscheint, nur aus dem Grunde untersagen, weil ein Konkurrent dieselbe schon kurz vor ihm vorgenommen hat. Die notwendige Folge eines solchen Eingriffs in die vom EGV als Leitbild postulierte marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung 89 wäre eine dauerhafte Störung des Marktgleichgewichts im Oligopol, 90 wobei das Prinzip der freien Preisbildung durch eine staatliche Preisaufsicht verdrängt würde. Im Ergebnis würde man die Oligopolisten zur Irrationalität verpflichten und ihnen vorschreiben, die vorhersehbaren Reaktionen ihrer Konkurrenten zu ignorieren. 91 Fellner bemerkt zu dieser Problematik treffend: „It is impossible to force rival firms to disregard the effects of their moves on one another. No one can be forced to behave as if he possessed less intelligence than he really does." 92
Dem bewußten Parallelverhalten kann daher auch bei Preiserhöhungen, insbesondere im engen Oligopol kein Indizwert zukommen, da es keineswegs nur allein als Ergebnis einer Abstimmung zwischen den Oligopolisten erklärbar ist. 93 Dem88 Ein Marktzwang kann aber auch bei Preiserhöhungen entstehen, wenn der barometrische Preisführer nur als erster auf allgemeine Veränderungen der Marktverhältnisse, wie gestiegene Rohstoff-, Lohn- oder Energiekosten reagiert, die alle Marktteilnehmer treffen und von allen bei der Preisbildung berücksichtigt werden müssen. S9 Vgl. insoweit nur Art. 4 Abs. 1 und Art. 98 EGV. 90 Huber, in: Festschrift für Hefermehl 1971, 85, 97.
91 Ein instruktives Beispiel für die Erfolglosigkeit eines solchen Versuchs stellt das USAntitrustverfahren gegen die Zigarettenhersteller American Tobacco Co., Reynolds Co. und Ligget & Myers dar, die 1931 bei etwa gleichen Marktanteilen 90% aller amerikanischen Zigaretten produzierten, vgl. American Tobacco Co. v. U.S., 328 U.S. 781. Sie waren u. a. angeklagt, gemeinsam die gleichen Verkaufspreise für Zigaretten gefordert zu haben, da sie sich bei sieben Preisänderungen genauestens den von Reynolds für die Marke Camel festgesetzten Preisen angeschlossen hatten. Der Supreme Court schloss allein aus diesem gleichförmigen Verhalten auf eine wettbewerbsbeschränkende Kooperation und verurteilte die Unternehmen. Das wenig überraschende Ergebnis war, daß die Zigarettenhersteller nach dem Urteil im wesentlichen die gleiche Preispolitik fortsetzten, die sie auch schon vorher betrieben hatten. Denn die enge oligopolistische Marktstruktur war nach wie vor die gleiche und auch das Urteil des Supreme Court konnte die Gesetze des Marktverhaltens im Oligopol nicht aufheben. Lediglich die Rolle des Preisführers wurde von den Oligopolisten nunmehr abwechselnd wahrgenommen. 92 Fellner, AER 40 (1950), 54, 58.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
entsprechend hat auch die Kommission in ihrer Entscheidung Zinc Producer Group ausdrücklich darauf hingewiesen, daß unter Marktbedingungen, bei denen es zu einer barometrischen Preisführerschaft kommen kann, ein „paralleles Preisgebaren in einem homogene Erzeugnisse produzierenden Oligopol als solches kein hinreichender Beweis für eine abgestimmte Verhaltensweise" sein kann. 94 Allenfalls in weiten Oligopolen mit geringer Reaktionsverbundenheit und in Polypolen kann ein paralleles Verhalten einen ersten Ansatzpunkt für die Beweisführung bilden. 95 Notwendig ist jedoch in jedem Fall der Nachweis weiterer indizieller Plusfaktoren, die den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen dem festgestellten Parallelverhalten und einer diesem vorausgegangenen Abstimmung herstellen. 96 Als solche Plusfaktoren kommen etwa die künstliche Erhöhung der auf oligopolistischen Märkten ohnehin vorhandenen Markttransparenz durch den Austausch von Marktdaten 97 und dabei insbesondere die unterschiedlichsten Formen des Informationsaustausches über die zukünftige Preispolitik in Betracht. 98
cc) Die Grenzen des Verbots abgestimmter Verhaltensweisen exemplifiziert an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommission (Zellstoff) Ein instruktives Beispiel, das die Schwierigkeiten der Kommission beim Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise deutlich macht und gleichzeitig die Grenzen des Abstimmungsverbots des Art. 81 Abs. 1 EGV in oligopolistischen Marktstrukturen aufzeigt, ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der 93
Vgl. Benisch, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 25 Abs. 1 RdNr. 19 f.; Zäch, Wettbewerbsrecht der Europäischen Union, S. 14; Ulmer /Wiedemann, in: Cox/Jens/Marken, Handbuch des Wettbewerbs, 273, 278 f.; Whish, Competition Law, S. 198 f., 483; Korah, EC Competition Law and Practice, S. 44 f.; Ulmer, Abgestimmte Verhaltensweisen im Kartellrecht, S. 14; Kersten, WuW 1972, 69, 71 f.; Axster, WuW 1973, 605, 615; Hansen, ZHR 136 (1972), 63 f. Aus dem Gesagten folgt als argumentum a maiore ad minus, daß die Marktstruktur eines engen Oligopois auf einem transparenten und homogenen Produktmarkt als solches keinesfalls als Indiz für eine Verhaltensabstimmung herangezogen werden kann, wie dies etwa von Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, GWB (2. Aufl.), § 25 RdNr. 40 erwogen wird. 94 Kommission v. 6. 8. 1984 Zinc Producer Group, ABl. 1984 L 220/27, Tz. 75. 95
Bülow, Gleichförmiges Unternehmensverhalten ohne Kommunikation, S. 106. Vgl. allgemein zum Begriff der Plusfaktoren Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 RdNr. 120 ff.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, GWB (2. Aufl.), § 25 RdNr. 39 ff.; Belke, ZHR 139 (1975), 129, 135 ff. 96
97 Beispiele hierfür sind Preismeldestellen, Produktstandardisierungen und Regelungen der Transportwege die zu einer Vereinheitlichung der Preispolitik führen. Vgl. hierzu Gleiss/ Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Art. 85 (1) RdNr. 105; Schröter, in: Groeben/ Thiesing / Ehlermann, Art. 85 Abs. 1 RdNr. 70 ff. 98 Zu Informationsaustauschsystemen als Plusfaktor vgl. Kommission v. 11.5. 1973 Kali und Salz, ABl. 1973 L 217/5; Kommission v. 15. 7. 1975 IFTRA-Aluminium, ABl. 1975 L 228/11.
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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Sache Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommission (Zellstoff). 99 Das Verfahren betraf die Klagen mehrerer US-amerikanischer, kanadischer und finnischer Unternehmen der Zellstoffindustrie gegen eine Bußgeldentscheidung der Kommission. 100 In dieser hatte die Kommission festgestellt, daß die betroffenen Zellstoffhersteller sowie drei ihrer Berufsverbände ihre angekündigten Preise abgestimmt und damit gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßen hätten. Die Untersuchungen der Kommission ergaben, daß es aufgrund der unterschiedlichen Herstellungsverfahren von Zellstoff für Papier jeweils nur einige wenige Hersteller und Abnehmer für eine bestimmte Zellstoffart gab, so daß der Markt aus einer Gesamtheit von bilateralen Oligopolen bestand. Hinsichtlich der Preispolitik hatte es sich auf dem Markt eingebürgert, daß die Zellstoffhersteller ihre Preise vierteljährlich im voraus ankündigten, indem sie ihren Abnehmern einige Tage oder Wochen vor Beginn des Quartals den Preis mitteilten, den sie im folgenden Quartal zu erzielen wünschten. Die Kommission stellte diesbezüglich fest, daß in den Jahren 1973 bis 1977 die von den verschiedenen Herstellern bzw. ihren Verbänden angekündigten Preise in der Höhe auffallend übereinstimmten. In dieser Parallelität des Verhaltens, die sich im wesentlichen im System der vierteljährlichen Preisankündigungen, in der annähernden Gleichzeitigkeit dieser Ankündigungen sowie in der Übereinstimmung der angekündigten Preise zeigte, sah die Kommission den Beweis für eine schon zuvor erfolgte Abstimmung zwischen den Unternehmen. 101 Der Europäische Gerichtshof Schloß sich dieser Auffassung der Kommission nicht an, sondern stellte vielmehr fest, daß das System der vierteljährlichen Preisankündigungen der Oligopolisten für sich allein nicht als abgestimmte Verhaltensweise angesehen werden könne, weil das jeweils ankündigende Unternehmen keinerlei Gewißheit über die Reaktionen der anderen Unternehmen habe und somit die Unsicherheit über das künftige Verhalten der Konkurrenten nicht beseitigt werde. 1 0 2 Der Gerichtshof hatte daher zu prüfen, ob die von der Kommission vorgebrachten zusätzlichen Punkte „ein Bündel von ernsthaften, genauen und übereinstimmenden Indizien für eine vorherige Abstimmung" der Oligopolisten darstellten. 103 Insoweit verwies der Gerichtshof zunächst darauf, daß ein Parallelverhalten immer nur dann als Beweis für eine Abstimmung angesehen werden könne, wenn es sich unter Berücksichtigung der Art der Erzeugnisse, der Größe und der Anzahl
99 EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommision, Slg. 1993 1,1307. 100 Kommission v. 19. 12. 1984 Zellstoff ABl. 1985 L 85 /1. ιοί Kommission v. 19. 12. 1984 Zellstoff ABl. 1985 L 85 /1, Tz. 89, 107 -110. 102 EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommision, Slg. 1993 I, Tz. 64. Die Kommission hatte demgegenüber argumentiert, daß das System der Preisankündigungen zu einer künstlichen Markttransparenz führe und daher für sich allein schon gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstoße, vgl. Kommission v. 19. 12. 1984 Zellstoff, ABl. 1985 L 85/1, 20. 103 EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommision, Slg. 1993 I, 1307, Tz. 70.
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der Unternehmen sowie des Marktvolumens nur durch eine vorangegangene Abstimmung einleuchtend erklären lasse. 104 In seiner Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen kam der Gerichtshof dann gestützt auf zwei Sachverständigengutachten zu der Überzeugung, daß sich die Einheitlichkeit der Preise eher durch das normale Funktionieren des Marktes als durch eine vorherige Abstimmung erklären lasse. Die durch bilaterale Oligopole gekennzeichnete Marktstruktur, das gemeinsame Streben nach einer Absicherung gegen Risiken, die unelastische Gesamtnachfrage und die ausgeprägte Markttransparenz bewirkten, daß die Preise nicht flexibel waren. 105 Im Ergebnis kam der Gerichtshof zu der Schlußfolgerung, daß: „eine Abstimmung nicht die einzige einleuchtende Erklärung für ein Parallelverhalten darstellt. ( . . . ) Sodann läßt sich die Übereinstimmung der Zeitpunkte der Preisankündigungen als eine unmittelbare Folge der ausgeprägten Transparenz des Marktes ansehen, die nicht als eine künstliche qualifiziert werden kann. Schließlich stellen die oligopolistischen Tendenzen des Marktes (...) eine befriedigende Erklärung für die Parallelität und die Entwicklung der Preise dar. " 106
Da die Kommission den Nachweis für eine Abstimmung der angekündigten Preise zwischen den Oligopolisten nicht erbracht hatte, hob der Gerichtshof die angefochtene Entscheidung und die verhängten Bußgelder auf. Insgesamt zeigt sich, daß die Kommission bei der direkten Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender kollusiver Verhaltensweisen in Oligopolen vor dem Problem steht, daß der Begriff der Verhaltensabstimmung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV eine vorherige Verständigung zwischen den Unternehmen über das gleichförmige Marktverhalten erfordert, während das aufgrund der Reaktionsinterdependenz im Oligopol auch ohne vorherigen Kontakt mögliche bewußte Parallelverhalten vom Kartellverbot als solches nicht erfaßt wird. Selbst der Nachweis, daß ein unternehmerisches Parallelverhalten in einem konkreten Fall nur durch eine gegenseitige 104 EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a. / Kommision, Slg. 1993 1,1307, Tz. 71. Insoweit scheint sich der Gerichtshof den Schlußanträgen von Generalanwalt Darmon, Slg. 1993 I, 1445, Tz. 177, angeschlossen zu haben, der in diesem Zusammenhang ausführt: „Tatsächlich sind parallele Verhaltensweisen nicht notwendigerweise die Folge einer vorherigen Abstimmung. Die Struktur bestimmter Märkte als solche kann eine Erklärung, ja sogar einen zwingenden Grund für dieses Phänomen darstellen. ( . . . ) Erstens sind dies die Fälle eines konzentrierten Oligopois, in denen die Firmen wechselseitig voneinander abhängig sind, so daß jede von ihnen bei ihren Entscheidungen das Verhalten ihrer Mitbewerber berücksichtigen muss. Die Angleichung an die jeweiligen Verhaltensweisen stellt unabhängig von jeder Abstimmung eine vernünftige Reaktion dar. Der zweite Fall sind die Phänomene der Preisführerschaft; dabei gleichen sich die Unternehmen an einen ,,Preisführer" wegen dessen starker Stellung auf dem Markt an. Zu erwähnen ist auch die freiwillige Angleichung an einen „Barometer"-Preisführer, dessen Entscheidungen aus Gründen, die z. B. mit seiner historisch gewachsenen Kenntnis dieses Marktes zusammenhängen, die Entwicklung der Marktverhältnisse wiederspiegeln." los EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommision, Slg. 1993 I, 1307, Tz. 102-120. 106 EuGH v. 31. 03. 1993 verb. Rs. C-89-104, 114, 116, 117, 125-129/85 Ahlström Osakeyhtiö u. a. /Kommision, Slg. 1993 I, 1307, Tz. 126 (Hervorhebung durch den Verf.).
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Abstimmung und nicht durch die normalen Marktbedingungen zu erklären ist, bereitet der Kommission in oligopolistischen Märkten erhebliche Schwierigkeiten, da sich hier die gleichförmig verhaltenden Unternehmen stets auf den oligopolistischen Marktzwang oder zumindest auf die oligopolistische Reaktionsverbundenheit berufen werden. Während Art. 81 EGV daher nur ein bedingt taugliches Instrument zur Bekämpfung expliziter Kollusionen darstellt, läßt sich eine implizite Kollusion mit dieser Verhaltensnorm überhaupt nicht erfassen.
b) Bewußtes Parallelverhalten als mißbräuchliche Verhaltensweise im Sinne des Art. 82 EGV Neben dem Kartellverbot des Art. 81 EGV ermöglicht auch Art. 82 EGV eine Marktverhaltenskontrolle, indem diese Norm die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verbietet. Unabhängig von der Frage, wann die Mitglieder eines Oligopois eine beherrschende Stellung einnehmen, läßt sich jedoch auch mit dem Mißbrauchsverbot des EGV die implizite Kollusion in Oligopolen, insbesondere das bewußte Parallelverhalten und die Preisführerschaft nicht bekämpfen. Denn alle Gründe, die schon den Schluß von einem bewußt gleichförmigen Verhalten der Oligopolisten auf eine vorherige kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung verbieten, müssen notwendigerweise auch einer Qualifizierung dieses Verhaltens als einer mißbräuchlichen Verhaltensweise entgegenstehen. Ein gleichförmiges Marktverhalten, das sich schon aus den normalen Wettbewerbsbedingungen des Marktes ergibt oder davon sogar erzwungen wird, kann für sich genommen den Oligopolisten nicht zum Vorwurf gemacht und daher auch nicht als mißbräuchlich angesehen werden. 107 Art. 82 EGV kann höchsten dann eingreifen, wenn ein Parallelverhalten im Wege einer vorherigen Abstimmung zwischen den Unternehmen zustande gekommen ist, für deren Nachweis es jedoch wiederum eines aufwendigen und schwierigen Indizienbeweises bedarf. 108
2. Marktergebniskontrolle
Neben dem direkten Ansatz am Marktverhalten besteht für die europäische Wettbewerbspolitik zur Bekämpfung von Kollusion darüber hinaus die Möglich107 Vgl. Monti, CMLR 2001, 131, 145; Whish/Surfin, YEL 1992, 59, 74 f.; Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 297 ff.; ders., ORDO 29 (1978), 201, 218 f.; Trimarchi, GRUR Int. 1970, 311, 319; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 180 ff. 108 Weitaus größere Bedeutung hat Art. 82 EGV dagegen im Bereich der Bekämpfung von Behinderungs- und Verdrängungsstrategien von Oligopolisten, wie z. B. Preiskampfmaßnahmen, Verkaufsverweigerungen oder Behinderungen des Marktzutritts neuer Konkurrenten. Vgl. Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 299; Trimarchi, GRUR Int. 1970, 311, 319.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
keit, im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht bei den durch das Verhalten der Oligopolisten bewirkten Marktergebnissen und dabei insbesondere bei der Preishöhe auf Oligopolmärkten anzuknüpfen. 109 Beim kartellrechtlichen Instrument der Marktergebniskontrolle steht nicht die Preiserhöhung als (gleichförmiges) Verhalten, sondern das Ausmaß der Preiserhöhung im Mittelpunkt, wobei ein Marktergebnis verhindert werden soll, das von demjenigen erheblich abweicht, das sich vermutlich bei funktionsfähigem Wettbewerb einstellen würde. Der EGV ermächtigt die Kommission zwar in Art. 82 Satz 2 lit. a) EGV ausdrücklich dazu, gegen mißbräuchlich überhöhte Preise einzuschreiten. Dennoch hat die Marktergebniskontrolle in Form der Preismißbrauchsaufsicht in der europäischen Wettbewerbspolitik bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt und ihre Wirksamkeit muß insgesamt als gering bezeichnet werden. 110 Dies liegt insbesondere daran, daß es bisher weder der Kommission noch dem Europäischen Gerichtshof gelungen ist, einen objektiven und operationablen Maßstab zu entwickeln, anhand dessen eine mißbräuchliche Uberhöhung von Preisen festgestellt werden könnte. 111 Erschwerend kommt hinzu, daß einzelne konkrete Marktergebnisse noch keine schlüssige Aussage über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zulassen.112 So kann sowohl ein wettbewerbliches wie auch ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten von Unternehmen mit hohen Gewinnen als auch mit niedrigen Gewinnen einhergehen. 113
109 Vgl. Whish, Competition Law, S. 472. no Vgl. Dashwood, ELR 1978, 314; Weiser, Preismißbrauch nach Art. 86 EWGV, S. 3 ff.; Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H. I § 1 RdNr. 360 ff.; vgl. insoweit auch Kommission 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 207. m So sind der Europäische Gerichtshof und die Kommission verschiedentlich dem Konzept der Gewinnabgrenzung gefolgt, indem sie einen Mißbrauch dann annahmen, wenn die Preise des marktbeherrschenden Unternehmens die tatsächlichen Kosten des Produkts in „unangemessener und übertriebener Weise" überstiegen, vgl. EuGH v. 14. 2. 1978 Rs. 27/76 United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, 305 ff.; v. 11. 4. 1989 Rs. 66/86 Ahmed Saeed/ ZBW, Slg. 1989, 803, 850; Kommission v. 4. 11. 1988 Sabena, ABL 1988, L 317/47, 52. In anderen Fällen wurden hingegen die streitigen Marktergebnisse mit den tatsächlichen Ergebnissen eines vergleichbaren realen Marktes mit funktionsfähigem Wettbewerb verglichen und dabei besonderes Gewicht auf den Preisvergleich zwischen den Mitgliedstaaten gelegt (sog. Vergleichsmarktkonzept); vgl. EuGH v. 4. 5. 1988 Rs. 30/87 Bodson/PFRL, Slg. 1988, 2479, 2516, v. 13. 7. 1989 verb. Rs. 110, 241, 242/88 Lucazeau/SACEM, Slg. 1989, 2811, 2831; Kommission v. 17. 12. 1975 Chiquita, ABl. 1976 L 95/1, 8 ff. Zu den konzeptionellen und praktischen Schwierigkeiten beider Konzeptionen vgl. Weiser, Preismißbrauch nach Art. 86 EWGV, S. 135 ff.; Bellamy / Child, Common Market Law of Competition, S. 721 ff.; Dierksen, in: Langen / Bunte, Art. 81 RdNr. 94; Monopolkommission, Hauptgutachten 2, Tz. 383 ff. Zu den besonderen Schwierigkeiten auf Oligopolmärkten vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 201 f. 112 Vgl. Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 224 f.; Hansen, ZHR 136 (1972), 63, 66. 113 Vgl. Höfer, ORDO 29 (1978), 201, 215, der darauf hinweist, daß niedrige Gewinne auch die Folge einer abgestimmten Preishochhaltung der Beteiligten sein können, wenn den Unternehmen durch übertriebenen Werbeaufwand, funktionslose Produktdifferenzierungen und den Verzicht auf Rationalisierungsmaßnahmen höhere Kosten entstehen.
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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Abgesehen von diesen praktischen Schwierigkeiten muß aber schon die generelle Wirksamkeit des Marktergebnisansatzes zur Sicherung eines wirksamen Wettbewerbs auf Oligopolmärkten bezweifelt werden. Denn mit Hilfe der Marktergebniskontrolle läßt sich immer nur eine punktuelle und reaktive Korrektur einzelner Marktergebnisse erreichen. Fehlenden Wettbewerb mit seinen Antriebs-, Steuerungs- und Kontrollmechanismen kann dieses Instrument dagegen weder ersetzen noch wiederherstellen. 114 So mag es zwar in beschränktem Maße möglich sein, mit Hilfe des Mißbrauchsverbots des Art. 82 EGV Preissenkungen bis auf ein „wettbewerbliches" Niveau durchzusetzen. Rationalisierungsmaßnahmen der Unternehmen zur Kostensenkung, eine nachfrageorientierte Produktpolitik oder verstärkte Forschungs- und Entwicklungsbemühungen lassen sich damit jedoch keineswegs erzwingen. Darüber hinaus ist sogar zu befürchten, daß kartellbehördlich angeordnete Preisherabsetzungsaktionen im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht die Verhaltenskoordination im Oligopol sogar erleichtern und damit die Bedingungen für den noch vorhandenen Restwettbewerb weiter verschlechtert können. So kann es dazu kommen, daß kleine Oligopolaußenseiter durch angeordnete Preisherabsetzungen aus dem Markt gedrängt werden, der durch hohe Preise für Newcomer bestehende Anreiz zum Markteintritt abnimmt und die Marktstellung des Oligopois dadurch insgesamt weiter verstärkt und abgesichert wird. 1 1 5 Schließlich kann die Meldung von geplanten Preiserhöhungen an die Wettbewerbsbehörden das Zustandekommen eines parallelen oder sogar abgestimmten Verhaltens zwischen den wenigen Anbietern sogar noch fördern. 116 Angesichts dieser Unzulänglichkeiten wird heute allgemein davon ausgegangen, daß eine Marktergebniskontrolle in einer Wettbewerbsordnung immer nur als ultima ratio für solche Situationen in Betracht kommen kann, in denen keine anderen wettbewerbspolitischen Eingriffsinstrumente mehr zur Verfügung stehen.117
114
Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 1, Tz. 67 ff.; Schulte-Braucks, Die Auflösung marktbeherrschender Stellungen, S. 22. H5 Vgl. Fischer, ZGR 1978, 235, 249; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 150; Benisch, Anm. zu BGH GRUR 1977, 275, 276; zweifelnd Lenel, in: Festschrift für Böhm, 317, 327. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß die wenigen Preismißbrauchsentscheidungen der Kommission stets nur marktbeherrschende Einzelunternehmen betrafen. Auch in der Praxis des Bundeskartellamtes finden sich nur vereinzelte Fälle, in denen oligopolistische Märkte einer Marktergebniskontrolle unterworfen wurden, vgl. BKartATB 1981/82, 58 f.; KG WuW/E OLG 1467 BP; WuW/E OLG 2053 Valium. u 6 Vgl. Höf er, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 305; Monopolkommission, Sondergutachten 1, Tz. 67 f. 117 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 134; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 310; Markert, in: Cox/Jens/Markert, Handbuch des Wettbewerbs, 297, 314; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 12; Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H. I § 1 RdNr. 363; BKartA, TB 1989/90, 24 ff.; TB 1991/92, 30.
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1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik 3. Marktstrukturkontrolle
Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß sowohl das Kartellverbot des Art. 81 EGV als auch die Mißbrauchsaufsicht nach Art. 82 EGV gegenüber den in Oligopolsituationen drohenden spezifischen Wettbewerbsbeschränkungen in Form kollusiver gleichförmiger Verhaltensweisen weitgehend machtlos sind. Ursache hierfür ist der Ansatz dieser kartellrechtlichen Instrumente am Symptom dieser Wettbewerbsbeschränkungen, nämlich am kollusiven Verhalten der Unternehmen selbst. Das bloß bewußte Parallelverhalten als eine Form impliziter Kollusion ergibt sich jedoch als Ausdruck einer starken Interdependenz und Interessensymmetrie ohne eine vorherige Verständigung allein schon aus der oligopolistischen Marktstruktur, indem die Unternehmen ihre gegenseitige Reaktionsverbundenheit erkennen und wissen, daß ein aggressiver Parametereinsatz aufgrund der Reaktionen der Konkurrenten letztlich ihnen selbst schadet. Es handelt sich hierbei um eine faktische „Wettbewerbsbeschränkung durch Zustand", die sich von der auf „Wettbewerbsbeschränkungen durch Maßnahme" ausgerichteten Marktverhaltenskontrolle konzeptionsgemäß nicht erfassen läßt. 118 Eine erfolgversprechende Wettbewerbspolitik zur Kontrolle spezifisch oligopolistischer Wettbewerbsbeschränkungen muß daher das Problem von seiner Ursache, nämlich von der Marktstruktur her erfassen und darf sich nicht nur auf den Versuch beschränken, dessen Symptome zu kurieren. 119 Für einen Ansatz an der Marktstruktur stehen der Wettbewerbspolitik grundsätzlich zwei verschiedene kartellrechtliche Instrumente zur Verfügung: die Zerschlagung wettbewerbsgefährdender Markstrukturen durch die Entflechtung von Unternehmen und die vorbeugende oder nachträgliche Fusionskontrolle. Eine generelle Entflechtung oligopolistischer Marktstrukturen ist nach geltendem Gemeinschaftsrecht nicht möglich, da die Kommission derzeit über keine entsprechenden Rechtsgrundlagen für einen solchen Struktureingriff verfügt. Jede Entflechtungspolitik sieht sich zudem mit erheblichen praktischen und ökonomischen Problemen konfrontiert, die daraus resultieren, daß auch hier wiederum der Eingriff erst reaktiv erfolgt, wenn die wettbewerbsgefährdende oligopolistische Marktstruktur bereits entstanden ist. 1 2 0 Marktstrukturen, welche die Anwendbarkeit des Kartellrechts 118 Vgl. Hansen, ZHR 136 (1972), 52, 68; Lehmann-Ludwiger, Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen durch Zustand nach dem EWG-Vertrag, S. 49; Trimarchi, GRUR Int. 1970, 311, 319. Gabriel, WuW 1961, 802, 812, spricht sogar davon, daß oligopolistische Märkte einer unvermeidlichen kartellrechtlichen „Extraterritorialität" unterliegen, während Posner, Stanford Law Review 21 (1962), 1562, bemerkt: „Tacit collusion in those oligopolistic industries which are most prone to successful collusion escapes from the grips of antitrust laws." Die Unterscheidung von Wettbewerbsbeschränkungen durch Zustand und durch Maßnahme geht zurück auf die Arbeit von Borchard/Fikentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, S. 30 f., 44 f. 119 Vgl. zur Forderung eines „konzentrischen Angriffs" auf das Oligopolproblem mit Hilfe von Kartellverbot, Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 211 ff.
II. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen
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auf das Verhalten der Marktteilnehmer unterlaufen und welche die zukünftigen Wettbewerbsbedingungen in wettbewerbswidriger Weise festzuschreiben drohen, sollten aber schon im Entstehen verhindert werden. 121 Eine erfolgversprechende Marktstrukturkontrolle muß daher ursachenadäquat schon dort ansetzen, wo die marktstrukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß es auf einem Markt überhaupt zu kollusiven Verhaltensweisen der Unternehmen kommen kann, die der Kontrolle durch das Kartellrecht weitgehend entzogen sind. 122 Das effektivste Instrument hierfür ist eine präventive Fusionskontrolle, die das Entstehen neuer und die weitere Verengung bestehender wettbewerbsgefährdender Oligopolstrukturen durch externes Unternehmens Wachstum verhindert. 123
4. Zusammenfassung
Die Schwierigkeiten der Wettbewerbspolitik bei der Erfassung wettbewerbsbeeinträchtigender Strategien in Oligopolen resultieren daraus, daß diese Marktstrukturen Verhaltensweisen ermöglichen, die mit den Instrumenten der Marktverhaltens- und Marktergebniskontrolle gar nicht oder nur unzureichend erfaßt werden können, obwohl diese Verhaltensweisen genauso wie ansonsten verbotene wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zu gesamtwirtschaftlichen Ineffizienzen führen. Mit dem Kartellverbot des Art. 81 EGV läßt sich implizite Kollusion, insbesondere das bewußte Parallelverhalten von Oligopolisten nicht bekämpfen. Denn während eine tatbestandliche Verhaltensabstimmung eine vorherige Verständigung zwischen den Unternehmen über das gleichförmige Marktverhalten erfordert, entsteht das bewußte Parallelverhalten als Ausdruck einer starken Interdependenz und Interessensymmetrie der Unternehmen allein schon aus der oligopolistischen Marktstruktur, indem die Unternehmen ihre gegenseitige Reaktionsverbundenheit erkennen und wissen, daß ein aggressiver Parametereinsatz aufgrund der Reaktionen der 120 Vgl. allgemein zu den Problemen von Unternehmensentflechtungen Ingo Schmidt, Antitrust Bulletin 28 (1983), 417,435 ff.; Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitk im Oligopol, S. 223. 121
Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 23 f. Vgl. insbesondere Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 23, 69; Ulmer /Wiedemann, in: Cox/Jens/Markert, Handbuch des Wettbewerbs, 273, 287 ff.; Hansen, ZHR 136 (1972), 52, 68; Höfer, ORDO 29 (1978), 201, 224, 240; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 135; Schulte-Braucks, Die Auflösung marktbeherrschender Stellungen, S. 22; Herdzina, Möglichkeiten und Grenzen einer wirtschaftstheoretischen Fundierung der Wettbewerbspolitik, S. 57. Die Kommission, 16. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1987, Tz. 333, führt insoweit treffend aus: „Unabhängig von der Möglichkeit zur Ahndung ( . . . ) solcher Verhaltensweisen muß die Wettbewerbspolitik Situationen vorbeugen, aus denen sich sehr starke Anreize für stillschweigende Kollusion ergeben. Darin liegt eine der Zielsetzungen der geplanten vorherigen Fusionskontrolle auf Gemeinschaftsebene." 122
123 Vgl. Posner, Stanford Law Review 21 (1962), 1562, 1601: „Since oligopoly appears to be a necessary although not sufficient condition (for tacit collusion), a propper office of the merger law is to prevent the emergence of highly concentreted markets."
48
1. Kap.: Grundlagen der Oligopolproblematik
Konkurrenten letztlich ihnen selbst schadet. Bei der Kontrolle expliziter Kollusion wird die wettbewerbspolitische Effizienz des Art. 81 EGV insbesondere durch den stets erforderlichen Indizenbeweis eingeschränkt, daß ein gleichförmiges Verhalten im konkreten Fall nur durch eine gegenseitige Abstimmung und nicht mehr durch die normalen Marktbedingungen und Marktzwänge im Oligopol zu erklären ist. Eine Marktergebniskontrolle in Oligopolen mit Hilfe des Mißbrauchsverbots kann dagegen immer nur ultima ratio jeder Wettbewerbspolitik sein, da sie keine Steuerung des Verhaltens bewirkt und damit keine Antriebsfunktion hat. Aus diesen grundsätzlichen Mängeln der Marktverhaltens- und Marktergebniskontrolle folgt, daß eine effiziente europäische Wettbewerbspolitik zur Kontrolle spezifisch oligopolistischer Wettbwerbsbeschränkungen ursachenadäquat schon im Vorfeld bei der Entstehung der marktstrukturellen Voraussetzungen für kollusives Verhalten ansetzen muß. Das geeignete kartellrechtliche Instrument hierfür ist eine präventive Fusionskontrolle, die das Entstehen neuer und die weitere Verengung bestehender wettbewerbsgefährdender Oligopolstrukturen durch externes Unternehmenswachstum verhindert. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nunmehr der Frage nachzugehen sein, ob das europäische Kartellrecht eine derartige Marktstrukturkontrolle gegenüber Oligopolen ermöglicht.
2. Kapitel
Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollverordnung auf marktbeherrschende Oligopole I. Einführung Während der EGKS-Vertrag in Art. 66 eine Zusammenschlußkontrolle für Unternehmen der Montanunion normiert, enthalten die Wettbewerbsregeln des EGV keine ausdrücklich gegen Unternehmenszusammenschlüsse gerichteten Vorschriften. Die von der Kommission zunächst mit Hilfe der Art. 81 und 82 EGV sporadisch praktizierte Fusionskontrolle erlangte aufgrund der restriktiven Anwendungsvoraussetzungen keine praktische Bedeutung und war in ihrer Zulässigkeit und Reichweite von Anfang an heftig umstritten. 1 Die Grundlage der europäischen Fusionskontrolle ist vielmehr die am 21. 9. 1990 in Kraft getretene Verordnung Nr. 4064 / 89 2 , die sogenannte Fusionskontrollverordnung (FKVO). 3 Anwendbar ist die FKVO grundsätzlich auf alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung (Art. 1 Abs. 1 FKVO). Voraussetzung dafür, daß eine Maßnahme externen Unternehmenswachstums durch die Kommission überprüft werden kann, ist daher einerseits deren Qualifizierung als „Zusammenschluß" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 bis 3 FKVO 4 und andererseits deren „gemeinschaftsweite Bedeutung" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 FKVO 5 (Aufgreifkriterien). Fällt ein Zusammenschluß in 1 Vgl. eingehend zu dieser Problematik Blank, Europäische Fusionskontrolle im Rahmen der Art. 85 und 86 des EWG-Vertrages. 2 Verordnung (EWG) des Rates vom 21. 12. 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395/1, berichtigt in ABl. 1990 L 257/13, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. 6. 1997, ABl. 1997 L 180/1, berichtigt in ABl. 1998 L 3/16 und 40/70. 3 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der FKVO Fox, Fordham Corporate Law Institute 1991, 709, 711 ff.; Caspari/Schwarz, in: Festschrift für Benisch, 383 ff.; Goyder, EC Competition Law, S. 379 f.; Sauter, in: Festschrift für Quack, 657 ff. 4 Ein Zusammenschluß liegt nach Art. 3 Abs. 1 FKVO vor, wenn bisher selbständige Unternehmen fusionieren (lit. a) oder die mittelbare oder unmittelbare Kontrolle über ein Unternehmen erworben wird (lit. b). Mit diesem materiellen Zusammenschlußbegriff verfügt die FKVO über eine rechts- und gesellschaftsformneutrale Generalklausel, die den unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten Rechnung trägt und eine lückenlose Kontrolle sichern soll. Vgl. hierzu Janicki, WuW 1990, 195, 200; Vonnemann, DB 1990, 569; Bechtold, RIW 1990, 253, 255. 5 Ein Zusammenschluß hat nach Art. 1 Abs. 2 FKVO erst dann gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn der weltweite Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen mehr als 5 Mrd.
4 Hahn
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
den Anwendungsbereich der F K V O , so ist er von der Kommission gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 F K V O auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu überprüfen. Alleiniges Eingreifkriterium der F K V O ist, ob der Zusammenschluß eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die ein wirksamer Wettbewerb i m Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde (Art. 2 Abs. 3 F K V O ) . Die materiellrechtliche Beurteilung von Zusammenschlüssen vollzieht sich nach ständiger Entscheidungspraxis von Kommission und Europäischem Gerichtshof sowie der überwiegenden Meinung in der Literatur in einem Doppelschritt 6 , indem zunächst der relevante Markt abgegrenzt wird und dann erst in einem zweiten Verfahrensschritt der Beherrschungsgrad auf diesem Markt gemessen wird. 7 Sind die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 F K V O erfüllt, so erklärt die Kommission den Zusammenschluß für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt (Art. 8 Abs. 3 F K V O ) . Die Marktbeherrschung durch ein Unternehmen ist damit der zentrale Begriff für die materiellrechtliche Beurteilung von Zusammenschlüssen in der europäischen Fusionskontrolle. 8 Insoweit kann die Kommission Zusammenschlüsse ver-
Euro beträgt, mindestens zwei beteiligte Unternehmen einen gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von jeweils mehr als 250 Mio. Euro aufweisen und die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als ein Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes in verschiedenen Mitgliedstaaten erzielen. Bei Unterschreiten dieser Schwellenwerte kann ein Zusammenschluß dennoch nach Art. 1 Abs. 3 FKVO gemeinschaftsweite Bedeutung erlangen, wenn die kumulativen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 3 lit. a) - d) FKVO erfüllt sind. Die Einzelheiten der Umsatzberechnung richten sich insoweit nach Art. 5 FKVO. 6 Vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 143; v. 21. 2. 1973 Rs. 6/72 Continental Can/ Kommission, Slg. 1973, 215, 248; EuG v. 19. 5. 1994 Rs. T-2/93 Air France/Kommission, EuZW 1994, 534, 539; Kommission, 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 231; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 34 ff.; Bach, WuW 1993, 805, 809; Bechtold, in: Festschrift für Gaedertz, 45, 49 ff.; Kleinmann, RIW 1992, 345, 346; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 190 ff.; a.A. Marko, Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, S. 70 f. und Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/ 89, S. 40, die auf eine Marktabgrenzung verzichten wollen. 7 Die Abgrenzung des relevanten Marktes erfolgt nach sachlichen, räumlichen und (selten) zeitlichen Kriterien, vgl. EuGH v. 16. 12. 1975 Rs. 40-48/73 Suiker Unie /Kommission, Slg. 1975, 1663, Tz. 450; v. 5. 10. 1988 Rs. 247 / 86 Alsatel, Slg. 1988, 5987, Tz. 13 ff. Der sachlich relevante Markt wird von der Kommission in Ubereinstimmung mit ihrer Praxis zu Art. 82 EGV nach dem Bedarfsmarktkonzept abgegrenzt, indem sie all diejenigen Produkte einem Markt zuordnet, die „vom Verbraucher hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise, und ihres Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden", vgl. Formblatt CO zur FKVO Abschnitt 6, ABl. 1998 L 61 /11, 18; Kommission v. 12. 11. 1992 Mannesmann/Hoesch, ABl. 1993 L 144/34, Tz. 40; v. 22. 2. 1991 Digital/Kienzle, WuW/ E EV 1584, Tz. 11. Wie die wortgleiche Verwendung im Formblatt CO zur FKVO bestätigt, gilt für die räumliche Marktabgrenzung die in Art. 9 Abs. 7 FKVO enthaltene Definition. Oft läßt die Kommission die Frage nach dem relevanten Markt jedoch offen, wenn sie feststellt, daß selbst bei der engstmöglichen Definition des Marktes keine beherrschende Stellung angenommen werden kann, vgl. Kommission, 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 231.
I. Einführung
51
hindern, die dazu führen, daß die neu entstandene Unternehmenseinheit allein eine beherrschende Stellung erlangt oder die beherrschende Stellung eines am Zusammenschluß beteiligten Unternehmens weiter verstärkt wird. Die F K V O enthält jedoch keinen Hinweis darauf, daß die Kommission einen Zusammenschluß auch dann untersagen kann, wenn mehrere voneinander unabhängige Unternehmen gemeinsam durch ein aus ihnen gebildetes Oligopol einen Markt beherrschen. 9 Es stellt sich daher die Frage, ob die F K V O neben der Einzelmarktbeherrschung auch auf marktbeherrschende Oligopole anwendbar ist. Für die Rolle und die Effizienz der europäischen Fusionskontrolle ist diese Frage von entscheidender Bedeutung. Denn wie i m 1. Kapitel festgestellt wurde, sind die Wettbewerbsregeln des E G V gegenüber den wettbewerblichen Gefahren von Oligopolen weitgehend machtlos, so daß eine erfolgversprechende wettbewerbsrechtliche Kontrolle von Oligopolen bereits an der Marktstruktur, in Form einer präventiven Zusammenschlußkontrolle ansetzen muß. In diesem Kapitel soll daher der Frage nachgegangen werden, ob die F K V Ο auf marktbeherrschende Oligopole anwendbar ist oder ob insoweit eine Regelungslücke i m europäischen Kartellrecht besteht. Dabei ist zunächst auf die Ansichten von Kommission, Rechtsprechung und Literatur einzugehen, bevor dann der Anwendungsbereich der F K V O durch Auslegung ermittelt wird. 8
Wie sich aus der Bezugnahme auf den Begriff „Markt" in Art. 2 Abs. 3 FKVO und in den Erwägungsgründen 9 und 14 FKVO ergibt, ist der Ausdruck „beherrschende Stellung " synonym mit dem der „Marktbeherrschung"; vgl. Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt, S. 22, Tz. 22; Dubois, La position dominante et son abus dans l'article 86 du traité de la CEE, S. 136 f. 9 Die Terminologie sowohl der Gemeinschaftsorgane als auch der Literatur in Bezug auf die marktbeherrschende Stellung mehrerer Unternehmen ist uneinheitlich. So wird diese Form der Marktbeherrschung teilweise als „kollektive beherrschende Stellung" (vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 221; EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68, 77, 78/89 SIV u. a./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 360; Kommission v. 7. 12. 1988 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 78 f.; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 1), als „gemeinsame beherrschende Stellung" (vgl. EuGH v. 24. 10. 1996 Rs. C-73/95 Viho Europe /Kommission, EuZW 1997, 84 86; Kommission v. 23. 12. 1992 CEWAL, ABl. 1993 L 34/20, Tz. 61; Portwood, Mergers under EEC Competition Law, S. 79) oder als „oligopolistische beherrschende Stellung" (vgl. Kommission v. 22. 7. 1992IV/M. 190 Nestlé / Ρerrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 35 ff.; Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 140; Bechtold, EuZW 1994, 653, 657) bezeichnet, ohne daß dabei sachliche Unterschiede deutlich werden. Die Begriffe können daher als synomym und austauschbar angesehen werden. Etter, World Competition 2000, 103, 104, ist der Ansicht, daß der Begriff „gemeinsam" lediglich „geteilt" bedeute, während bei „kollektiv" die Betonung mehr darauf liege, daß eine Gruppe zusammenarbeite und sieht den Begriff der „kollektiven Marktbeherrschung" daher als geeigneter an. Hiergegen spricht jedoch, daß oligopolistische Marktstrukturen gerade deshalb besondere wettbewerbliche Gefahrenlagen darstellen, weil es hier auch ohne eine aktive Zusammenarbeit der Marktteilnehmer zu gesamtwirtschaftlich ineffizienten Verhaltensweisen kommen kann. Im folgenden wird daher der neutralere Begriff der „oligopolistischen Marktbeherrschung" verwendet. Lediglich dann, wenn fremde Rechtsansichten wiedergegeben werden, wird der jeweils gebrauchte u.U. abweichende Terminus benutzt. 4*
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
II. Die Auffassung der Kommission 1. Die Erste Phase - Die Oligopolproblematik wird ignoriert
Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten der FKVO beschränkte sich die Kommission bei der Beurteilung von Zusammenschlüssen ausschließlich auf die Prüfung von Einzelmarktbeherrschung. Der möglichen Gefährdung einer wettbewerblichen Marktstruktur durch die Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung wurde von der Kommission dagegen keinerlei Bedeutung beigemessen. Dabei gab es schon in der Anfangsphase der FKVO zahlreiche Zusammenschlüsse, die auf hoch konzentrierten Märkten vollzogen wurden und bei denen sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Oligopolproblematik geradezu aufgedrängt hätte. Bereits im Fall Renault /Volvo, dem ersten von der Kommission nach der FKVO zu beurteilenden Zusammenschluß, war der Markt für Lkw in einigen Mitgliedstaaten durch vier starke Anbieter mit einem aggregierten Marktanteil von über 80% gekennzeichnet.10 Obwohl der Markt eine deutliche Oligopolstruktur aufwies und die Bildung des Gemeinschaftsunternehmens von Renault und Volvo die Zahl der bedeutenden Wettbewerber auf drei reduzierte, genehmigte die Kommission den Zusammenschluß innerhalb des Vorprüfungsverfahrens. Als entscheidenden Grund, der gegen die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung von Renault und Volvo sprach, wurde die Existenz der zwei anderen etablierter Hersteller angeführt, die genauso wie das Gemeinschaftsunternehmen über eigene Vertriebs- und Servicenetze verfügten. Daraus schlußfolgerte die Kommission: „It appears therefore unlikely that Renault and Volvo will have the power to behave to an appreciable extend independly of these competitors or to gain an appreciable influence on the determination of prices without losing market shares."11
Im Fall Mitsubishi/UC AR erreichte das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen auf dem Markt für Graphitelektroden einen Marktanteil von 35% - 40%, während die beiden größten Wettbewerber jeweils 15% und 25% Marktanteil hielten. 12 Gleichwohl untersuchte die Kommission lediglich, ob der Marktanteil des neuen Unternehmens, sein Vertriebssystem und seine technologische Kompetenz ihm eine beherrschende Stellung verschafften. Sie verneinte dies im Ergebnis wiederum mit der starken Marktposition der beiden Konkurrenten. Trotz eines aggregierten Marktanteils der drei größten Firmen von über 75%, dem Fehlen anderer nennenswerten Konkurrenten und einem durch Überkapazitäten und fehlende technische Innovationen gekennzeichneten Markt wurde die Möglichkeit kollusiver Verhaltensweisen zwischen den drei größten Wettbewerbern nicht erwähnt.
io Kommission v. 7. 11. 1990IV/M. 004 Renault/Volvo,
WuW/E EV 1542 ff.
π Kommission v. 7. 11. 1990 I V / M . 004 Renault/Volvo, WuW/E EV 1542, Tz. 14. 12 Kommission v. 4. 1. 1991 I V / M . 024 Mitsubishi/ U CAR, WuW/E EV 1557 ff.
II. Die Auffassung der Kommission
53
Das Vorhandensein eines starken Wettbewerbers, der zusammen mit dem angemeldeten Gemeinschaftsunternehmen auf dem schrumpfenden homogenen Markt für Azetatgarne einen Marktanteil von 85% hielt, wurde auch im Fall Courtaulds/ SNIA als wettbewerblich unbedenklich bewertet. 13 Noch deutlichere Oligopolstrukturen wies der spanische Markt für Bitumen im Fall Elf/BC/CEPSA auf, in dem die Drei-Firmen-Konzentration bei 98,5% lag. 14 Da aber die neue Unternehmenseinheit mit 25% nicht der Marktführer war, wurde der Zusammenschluß im Vorprüfungsverfahren genehmigt. Diese Beispiele zeigen deutlich, daß der Kommission zu Beginn ihrer Fusionskontrollpraxis jegliches Problembewußtsein in Bezug auf Oligopolsachverhalte fehlte, so daß Ridyard diese Phase zu Recht als „the oligopoly blind spot under the EC merger regulation" bezeichnet.15 Die Kommission bewertete gerade oligopolistische Marktstrukturen mit wenigen starken Wettbewerbern positiver, als wenn der neuen Unternehmenseinheit lediglich eine größere Zahl an kleinen, wirtschaftlich schwachen Konkurrenten gegenüberstand. Nach damaliger Auffassung der Kommission wäre das neue Unternehmen in solchen Marktsituationen weiterhin dem Wettbewerbsdruck anderer starker Konkurrenten ausgesetzt, die seinen wettbewerblichen Verhaltensspielraum begrenzen und damit eine Marktbeherrschung verhindern würden. Selbst in Fällen, in denen die Kommission die Gesamtkonzentration der zwei, drei oder vier größten Firmen angab, geschah dies unkritisch und ohne jeglichen Bezug auf die Oligopolproblematik. 16 Lediglich im Fall Fiat Geotech/ Ford New Holland zeigte sich die Kommission angesichts des aggregierten Marktanteils der drei größten Unternehmen von über 80% erstmals besorgt und konstatierte: „the Commission is conscious of the increased level of concentration on the combine harvester market resulting from this operation, which would necessitate very close scrutiny of any further additional mergers on this market in future." 17 13 Kommission v. 19. 12. 1991 I V / M . 113 Courtaulds / SNIA, WuW/E EV 1763, Tz. 20. 14 Kommission v. 18. 6. 1991 I V / M . 098 Elf/BC/CEPSA, MCR 203, S. 702. 15 Ridyard, ECLR 1992, 161. Die Ansicht von Bach, WuW 1993, 805, 814, der der Kommissionspraxis gegenüber Oligopolen nur „anfängliche Unsicherheiten" attestiert, ist angesichts der fast schon systematischen Ignoranz der Kommission nicht nachvollziehbar. Die Haltung der Kommission verwundert um so mehr, als der damalige Wettbewerbskommissar Brittan, Competition Policy and Mergers at 12, Centre for European Policy Studies, Brüssel, 28. 10. 1991, schon im Oktober 1991 erklärt hatte: „It is my belief that the concept of dominance in Article 2 of the Regulation covers joint dominance. If a merger or acquisition creates or reinforces a market structure on which price collusion or price parallelism between companies is highly likely, that concentration should be considered to be incompatible with the Common Market." 16
So sah es die Kommission nicht als problematisch an, daß die Gesamtkonzentration im Fall Digital/Kienzle, v. 22. 2. 1991 I V / M . 057, WuW/E EV 1584 ff., bei 80% lag, und der Zusammenschluß VIAG/Continental Can, ν. 6. 6. 1991 I V / M . 081 WuW/E EV 1626 ff., zu einem aggregierten Marktanteil der vier größten Anbieter von 95% führte. 17 Kommission v. 8. 2. 1991 I V / M . 009 Fiat Geotech/Ford New Holland, WuW/E EV 1611, Tz. 23.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Die ersten Ansätze eines aufkommenden Bewußtseins für die Problematik von Oligopolsituationen zeigte die Kommission im Fall Varta/Bosch™ Hier erreichte das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen auf dem spanischen Markt für Kfz-Ersatzbatterien einen Marktanteil von 44,5% und sah sich nur einem einzigen Konkurrenten mit gleich hohem Marktanteil gegenüber. Obwohl die Kommission solche Wettbewerbsstrukturen bisher durchweg als positiv beurteilt hatte, äußerte sie sich hier erstmals besorgt darüber, daß das Vorhandensein eines gleich starken Wettbewerbers zu einem bewußten Parallelverhalten beider Unternehmen führen könnte, da es auf dem spanischen Markt keine anderen Wettbewerber gäbe, die einem solchen Parallelverhalten der Hauptwettbewerber entgegenwirken könnten.19 Die Auflagenentscheidung führte dann jedoch nur zu Modifikationen auf dem deutschen Markt, auf dem die Kommission vorher eine Einzelmarktbeherrschung festgestellt hatte. Die mögliche oligopolistische Beherrschung des spanischen Marktes durch ein Dyopol mit fast 90% Marktanteil wurde dagegen nicht mehr erwähnt. Ohne Angabe von Gründen ging die Kommission davon aus, daß die Frage der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole in diesem Fall nicht entschieden werden brauchte. 20 Bemerkenswert ist, daß der Beratende Ausschuß für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in seiner Stellungnahme zum Entscheidungsentwurf im Fall Varta/Bosch demgegenüber mehrheitlich davon ausging, daß der Zusammenschluß eine beherrschende Stellung auf dem spanischen Markt begründen werde und daher zu untersagen sei. 21 Betrachtet man in diesem Zusammenhang auch die Entscheidungen Alcatel /Telettra 22 und Torras/Sarrio 23, so drängt sich der Eindruck auf, daß die Kommission bei Zusammenschlüssen auf spanischen Märkten anfangs großzügiger entschieden hat als bei Zusammenschlüssen auf deutschen Märkten. Der Grund hierfür dürfte unter anderem im starken Engagement des Bundeskartellamtes liegen, daß bis dahin im Gegensatz zu den spanischen Wettbewerbsbehörden schon mehrere Verweisungsanträge nach Art. 9 Abs. 2 FKVO gestellt hatte.
2. Die Zweite Phase - Die Oligopolproblematik wird erkannt
Die erste explizite Stellungnahme der Kommission zur Oligopolproblematik erfolgte im Fall Alcatel /AEG Kabel. 2* Das Zusammenschluß vorhaben betraf den Erwerb des gesamten Kabelgeschäfts von AEG durch Alcatel, wodurch es auf dem is Kommission v. 31. 7. 1991 I V / M . 012 Varta/Bosch, 19 Kommission v. 31. 7. 1991 I V / M . 012 Varta/Bosch, 20
WuW/E EV 1701 ff. WuW/E EV 1701, Tz. 32.
Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, S. 407; so auch Jones/ Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 173. 21 ABl. 1991 C 302/6. 22 Kommission v. 12.4. 1991 I V / M . 042 Alcatel /Telettra, ABl. 1991 L 122/48. 23 Kommission v. 24. 2. 1992 I V / M . 116 Torras/Sarrio, WuW/E EV 1817 ff. 24 Kommission v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel /AEG Kabel, WuW/E EV 1740 ff.
II. Die Auffassung der Kommission
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deutschen Kabelmarkt zu einer Marktanteilsaddition auf 25% kam. Auslöser für die Auseinandersetzung mit einer möglichen Oligopolmarktbeherrschung war ein vorausgegangener Verweisungsantrag nach Art. 9 Abs. 2 FKVO, den das Bundeskartellamt mit der Begründung gestellt hatte, daß die betroffenen deutschen Märkte für Telekommunikations- und Starkstromkabel gesonderte Märkte darstellten, auf denen der Zusammenschluß eine beherrschende Stellung eines Oligopois bestehend aus Alcatel/AEG Kabel und den zwei nachfolgenden Wettbewerbern begründen oder verstärken würde. 25 Zur Begründung für die Wahrscheinlichkeit eines bewußten Parallelverhaltens der Oligopolisten in bezug auf Preise und Konditionen verwies das Bundeskartellamt auf den aggregierten Marktanteil der drei größten Anbieter von 58%, auf die hohe Markttransparenz, die stagnierende Nachfrage, die technische Ausgereiftheit der Produkte und die spezifische Kartelltradition in der Kabelbranche. 26 Schließlich argumentierte das Bundeskartellamt, daß nach deutschem Kartellrecht im vorliegenden Fall die Oligopolvermutung des § 23a Abs. 2 Nr. 1 GWB (a.F.) eingreifen würde und daher die beteiligten Unternehmen das Nichtvorliegen eines marktbeherrschenden Oligopol beweisen müßten. In ihrer Entscheidung nach Art. 9 Abs. 3 Unterabs. 2 FKVO ließ es die Kommission ausdrücklich offen, ob Art. 2 FKVO auch auf Situationen oligopolistischer Marktbeherrschung anwendbar sei. Dies war deshalb möglich, da nach ihrer Auffassung die Existenz eines marktbeherrschenden Oligopois im konkreten Fall ohnedies ausgeschlossen war. 27 Das Vorbringen des Bundeskartellamtes wurde daher nur unter der hypothetischen Annahme beurteilt, daß auch marktbeherrschende Oligopole unter die FKVO fallen. Insoweit stellte die Kommission zunächst fest, daß die FKVO anders als das GWB keine gesetzlichen Oligopolvermutungen kenne und daher in jedem Fall nachgewiesen werden müsse, daß zwischen den führenden Unternehmen eines hoch konzentrierten Marktes wirksamer Wettbewerb nicht zu erwarten sei. Im vorliegenden Fall sah die Kommission jedoch keine Anhaltspunkte für einen fehlenden Wettbewerb zwischen den drei führenden Anbietern, da die Preise auf dem relevanten Markt in den letzten Jahren um 20% gefallen seien und die Nachfrageseite über eine hohe Verhandlungsmacht verfüge. Der Verwei-
25 Vgl. Marken, EEC Merger Control Reporter 1992, 563 ff.; Löffler,
228.
WuW 1992, 227,
26 Vgl. Wagemann, WuW 1992, 730, 735. 27 Kommission v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel /AEG Kabel, WuW/E EV 1740, Tz. 15. Die Monopolkommission, 9. Hauptgutachten, S. 282, ist dagegen der Ansicht, daß die Frage nach der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole im konkreten Fall nicht hätte offengelassen werden dürfen. Falls sich die Kommission der Auffassung angeschlossen hätte, daß auch marktbeherrschende Oligopole von Art. 2 Abs. 3 FKVO erfaßt werden, wäre eine eingehende Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse erforderlich gewesen und sie hätte das Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 lit c) FKVO eröffnen müssen. Nur wenn sie sich gegen eine Anwendbarkeit entschieden hätte, wäre die Entscheidung im Vorverfahren nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) FKVO zu Recht ergangen.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
sungsantrag des Bundeskartellamtes wurde daraufhin zurückgewiesen und der Zusammenschluß für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Die gleiche verfahrensökonomische Vorgehensweise - Ausklammerung der Anwendungsfrage mangels Vorliegens einer oligopolistischen Marktbeherrschung wendete die Kommission nochmals in der Entscheidung Thorn EMI/Virgin Music an. 28 Der Zusammenschluß auf dem Markt für Musikaufzeichnungen führte hier dazu, daß nur noch fünf große Schallplattenfirmen mit einem aggregierten Marktanteil von 83% auf dem Markt verblieben. Die Kommission räumte zwar ein, daß diese Marktstruktur auf eine oligopolistische Marktbeherrschung hindeuten könne, sah eine solche jedoch im konkreten Fall als nicht gegeben an. 29 Ohne die Frage nach der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole überhaupt zu erwähnen, beschäftigte sich die Kommission in dieser Entscheidung erstmals ausführlich mit den Voraussetzungen einer Oligopolmarktbeherrschung, deren Vorliegen sie vor allem aufgrund der Heterogenität der Produkte und der wechselnden Nachfragepräferenzen verneinte. 30
3. Die Dritte Phase - Die Wende in der Entscheidungspraxis
a) Die Pilotentscheidung Nestlé / Perrier Die entscheidende Wende in der Entscheidungspraxis der Kommission brachte schließlich der Zusammenschlußfall Nestlé /Perrier. 31 Am 25. 2. 1992 meldete der international tätige schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé S.A. bei der Kommission das Vorhaben an, im Wege eines öffentlichen Ubernahmeangebots 100% der Anteile an dem französischen Unternehmen Source Perrier S.A. zu erwerben. Die Untersuchungen der Kommission im Hauptprüfungsverfahren nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) FKVO ergaben zunächst, daß der Zusammenschluß den französischen Markt für abgefüllte Brunnenwässer betraf. Auf diesem waren im wesentlichen die Unternehmen Perrier mit ca. 40% Marktanteil sowie Nestlé und BSN mit jeweils ca. 20% Marktanteil tätig. 32 Der französische Mineralwassermarkt stellte sich
28 Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836 ff. 29 Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 18-41. 30 Kurz vorher hatte die Kommission auch in der Entscheidung Henkel/Nobel, v. 23. 3. 1992 I V / M . 168, WuW/E EV 1829, Tz. 17, die Möglichkeit einer Oligopolmarktbeherrschung angesprochen, dann aber mit einer knappen Begründung abgelehnt. Die neue Unternehmenseinheit erreichte hier auf dem deutschen und französischen Markt für Zahnpasta zusammen mit zwei bzw. drei Wettbewerbern Marktanteile von 50% bis 75%. Ohne die Anwendbarkeit der FKVO überhaupt zu erörtern, wies die Kommission darauf hin, daß wesentlicher Wettbewerb insbesondere aufgrund der Dynamik der Märkte und einer starken Nachfragemacht fortbestehen werde. 31 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1.
II. Die Auffassung der Kommission
57
damit schon vor dem Zusammenschluß als ein hochkonzentrierter Markt mit einem aggregierten Marktanteil der drei führenden Anbieter von ca. 82% dar. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Nestlé und BSN, in der sich Nestlé verpflichtet hatte, im Falle der Übernahme von Perrier die Mineralwasserquelle Volvic an BSN zu verkaufen, 33 mußte die Kommission bei der materiellrechtlichen Beurteilung des Zusammenschlusses zwei alternative Möglichkeiten prüfen. Ohne die vorgesehene Übertragung von Volvic an BSN hätte Nestlé / Perrier einen Marktanteil von 60% erreicht, womit sich die Möglichkeit einer Einzelmarktbeherrschung von Nestlé/ Perrier ergab. In unmodifizierter Form führte der Zusammenschluß jedoch zu einer weitgehenden Marktaufteilung zwischen Nestlé/Perrier mit 48% und BSN mit 32% Marktanteil. Bei dieser Konstellation stellte sich nunmehr die entscheidende Frage, ob dadurch ein marktbeherrschendes Oligopol in der Form eines Dyopols begründet werden würde. Die Kommission untersuchte daraufhin die Wahrscheinlichkeit eines signifikanten Wettbewerbs zwischen Nestlé / Perrier und BSN nach dem Zusammenschluß.34 Ausgangspunkt war die Feststellung, daß schon vor dem Zusammenschluß ein enges Oligopol dreier Anbieter mit erheblich geschwächtem Preiswettbewerb auf dem Markt bestand, das nur einem unzureichenden Wettbewerbsdruck seitens lokaler Wasseranbieter ausgesetzt war. Ein den Preisfestsetzungsspielraum der Dyopolisten begrenzender potentieller Wettbewerb war aufgrund erheblicher Marktzutrittschranken nicht vorhanden. Die Preispolitik der drei großen Anbieter in der Vergangenheit war durch Parallelverhalten und Preisführerschaft gekennzeichnet und es bestand eine hohe Markttransparenz, die zudem noch künstlich verstärkt worden war. Die Anbieter verfügten über ähnliche Kapazitäten, Kostenstrukturen und Produktionstechnologien und eine wirksame Nachfragemacht war nicht vorhanden. Aufgrund dessen kam die Kommission zu der Schlußfolgerung, daß die aus dem Zusammenschluß und dem anschließenden Verkauf der Quelle Volvic an BSN entstehende Marktstruktur in Verbindung mit diesen Faktoren „bewirken würde, eine duopolistische beherrschende Stellung zu begründen, die es Nestlé und BSN erlauben würde, durch Vermeidung von Wettbewerb untereinander und durch ein von ihren Kunden und Wettbewerbern weitgehend unabhängigem Verhalten gemeinsam ihre Gewinne zu maximieren." 35
Bei der Zusammenschlußvariante ohne den Verkauf von Volvic kam die Kommission dagegen zu dem Ergebnis, daß hierdurch eine Einzelmarktbeherrschung 32 Aufgrund der unterbliebenen Veröffentlichung durch die Kommission basieren diese und alle folgenden Marktanteilsdaten auf den Angaben von Löffler, WuW 1992, 831, 832. 33 Der Grund für diese Vereinbarung war, daß ursprünglich auch BSN an der Übernahme von Perrier interessiert war und seine Anmeldung erst nach der Zusicherung von Nestlé zurückzog, vgl. Rücknahme der Anmeldung von BSN am 1.4. 1992, ABl. 1992C 115/43. 34 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 35 ff. 3 5 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 118.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
von Nestlé / Perrier begründet werden würde. 36 In dieser Situation war es der Kommission nun nicht mehr möglich, die Frage nach der Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole verfahrensökonomisch zu umgehen. In der anschließenden Erörterung der Problematik stellte die Kommission fest, daß Art. 2 Abs. 3 FKVO auch die Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung erfasse. 37 Um die nun drohende Verbotsentscheidung nach Art. 8 Abs. 3 FKVO abzuwenden, verpflichtete sich Nestlé mehrere Quellen mit den entsprechenden Marken aus dem Bestand von Perrier an einen unabhängigen Dritten zu verkaufen, der jedoch die Zustimmung der Kommission finden müsse. In ihrer Auflagenentscheidung nach Art. 8 Abs. 2 FKVO genehmigte die Kommission daraufhin den Zusammenschluß bei gleichzeitigem Verkauf der Quelle Volvic an BSN. 38 Unklar ist, warum sich die Kommission erst nach einer zweijährigen Phase der Unentschlossenheit mit der Frage der Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole befaßt hat, obwohl sie schon viel früher die Möglichkeit hierzu gehabt hätte. Möglicherweise hat das nachdrückliche Engagement des Bundeskartellamtes im Fall Alcatel /AEG Kabel mit dazu beigetragen, daß man in der Kommission glaubte, sich nun nicht mehr länger dieser Problematik verschließen zu können. Weiterhin ist zu vermuten, daß vor einer Pilotentscheidung in der Fusionskontrolle zunächst das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache Flachglas (Italien) 39 abgewartet werden sollte, aus dem sich die Kommission eine Klärung 36 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, Tz. 132 ff. 37 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, Tz. 110-116.
ABl. 1992 L 356/1, ABl. 1992 L 356/1,
38 Auch wenn die Kommission erklärt hat, daß sie einem Verkauf der Quellen nur zustimmen wolle, wenn dadurch ein starker, ausdauernder Wettbewerber auf den Markt gelange, der eine echte Konkurrenz für Nestlé und BSN darstelle, ist die Auflagenentscheidung im Ergebnis starken Bedenken ausgesetzt. Die von Nestlé zu verkaufenden Quellen verfügten zwar über eine potentielle Jahreskapazität von 50% des aktuellen Mineralwasserverbrauchs in Frankreich, betrafen aber lediglich einen Marktanteil von 8%. Das Dyopol Nestlé/Perrier und BSN würde damit nach Erfüllung der Zusagen immer noch über einen Marktanteil von 72% verfügen, so daß unverständlich ist, warum die Abgabe so geringer Marktanteile die Sachlage auf einmal so wesentlich veränderte, daß damit die ursprüngliche Argumentation der Kommission, weshalb der Zusammenschluß eine oligopolistische Marktbeherrschung begründe, widerlegt werden konnte. Erst gar nicht problematisiert wurde die Möglichkeit, daß dadurch ein marktbeherrschendes Dreieroligopol entstehen könnte, so auch Immenga, Die Europäische Fusionskontrolle im wettbewerbspolitischen Kräftefeld, S. 31. Auffallend ist zudem der plötzliche Argumentationswechsel der Kommission von den aktuellen Marktanteilen zu den Kapazitäten als Maßstab für die Prognose der zukünftigen Wettbewerbsverhältnisse. Damit zeigt die Entscheidung viele Anzeichen eines politischen Kompromisses, in den auch sachfremde Überlegungen eingeflossen sein dürften. Kerber, WuW 1994, 21, 34, sieht den Grund hierfür darin, daß in dem aufgeladenen politischen Klima vor dem französischen Referendum über den Vertrag von Maastricht eine Untersagung auf jeden Fall vermieden werden sollte. 39 EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68, 77, 78/89 SIV u. a./Kommission, 1403 ff.
Slg. 1992/11,
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II. Die Auffassung der Kommission
der Frage erhoffte, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Marktbeherrschung durch Oligopole von Art. 82 EGV erfaßt wird. Eine weitere Ursache dürfte schließlich in der traditionell pragmatischen Vorgehensweise der europäischen Wettbewerbspolitik zu sehen sein, so daß man in der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission erst einen geeigneten und eindeutigen Oligopolfall abwarten wollte. 40
b) Die Argumentationslinien
der Kommission
Bei ihrer rechtlichen Begründung der Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole geht die Kommission vom Vertragsziel des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV als Argumentationsgrundlage aus, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein System unverfälschten Wettbewerbs zu errichten. Teil dieses Systems sei die FKVO, die gerade der Erhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt diene. Nach Ansicht der Kommission kann es daher für den Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 3 FKVO keinesfalls darauf ankommen, ob wirksamer Wettbewerb durch die Marktstärke eines einzigen Unternehmens oder durch kollektive Marktstärke behindert werde. 41 Schließlich lasse sich nicht bestreiten, daß Einzelmarktbeherrschung und Oligopolmarktbeherrschung den Wettbewerb unter bestimmten Marktstrukturbedingungen in gleicher Weise beeinträchtigen könnten. Eine Behinderung wirksamen Wettbewerbs, die als Ergebnis einer beherrschenden Stellung eines einzigen Unternehmens verboten sei, könne aber nicht zulässig werden, wenn sie sich aus einer beherrschenden Stellung von mehreren Unternehmen ergebe. 42 Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, daß aufgrund des Fehlens eines ausdrücklichen Ausschlusses oligopolistischer Marktbeherrschung aus dem Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 3 FKVO nicht angenommen werden könne, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber marktbeherrschende Oligopole in der Fusionskontrolle privilegieren wollte. Die Nichtanwendung der FKVO auf Oligopole würde vielmehr ein Schlupfloch in der grundlegenden Bestimmung des Vertrages schaffen, wonach jederzeit ein wirksamer Wettbewerb aufrechtzuerhalten sei. Die Unternehmen hätten dann die Möglichkeit, das Verbot des Art. 2 Abs. 3 FKVO durch eine Aufteilung der beherrschenden Stellung zu umgehen und somit entgegen den Grundprinzipien des Gemeinsamen Marktes wirksamen Wettbewerb erheblich zu behindern. 43 In einem solchen Fall könne dann das Ziel des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV umgestoßen werden. Besondere Bedeutung mißt die Kommis-
40 So ausdrücklich Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991 / 92, 85, 91, ein Berater der Merger Task Force. 41 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, Tz. 113. 42 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, Tz. 113. 43 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, Tz. 114.
ABl. 1992 L 356/1, ABl. 1992 L 356/1, ABl. 1992 L 356/1,
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
sion auch dem Umstand zu, daß in den Kartellgesetzen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Zusammenschlußkontrolle sowohl beherrschende Stellungen eines Einzelunternehmens als auch oligopolistische beherrschende Stellungen erfaßten. Es könne daher nicht angenommen werden, daß diese Mitgliedstaaten mit ihrer Zustimmung zum Erlaß der FKVO die Kontrolle von oligopolistischen Märkten ohne irgendeinen Ersatz auf Gemeinschaftsebene aufgeben bzw. einschränken wollten. 44 Aus diesen rechtlichen und wirtschaftlichen Überlegungen zieht die Kommission letztendlich den Schluß, daß Art. 2 Abs. 3 FKVO im Lichte des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EWGV so ausgelegt werden müsse, daß er nicht nur auf die beherrschende Stellung eines einzigen Unternehmens, sondern auch auf eine oligopolistische beherrschende Stellung anwendbar s e i 4 5 Aufgrund ihrer bisher ausweichenden Entscheidungspraxis mußte sich die Kommission in der Entscheidung Nestlé /Perrier zudem mit dem Einwand auseinandersetzen, die plötzliche Anwendung des Konzepts der oligopolistischen Marktbeherrschung verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Kommission räumte zwar ein, daß dieses Argument im Rahmen einer nachträglichen Kontrolle von Bedeutung sein könne. Bei der Zusammenschlußkontrolle gehe es aber zum einen um eine präventive Kontrolle, mit der nicht in erworbene Rechte eingegriffen werde. Zum anderen sei Art. 2 Abs. 3 FKVO bei richtiger Interpretation unabhängig vom Zeitpunkt der Anwendung von Anfang an auf oligopolistische Marktbeherrschung anwendbar gewesen.46
I I I . Das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Kali + Salz/MdK/ Treuhand Die von der Kommission erhoffte Bestätigung ihrer im wesentlichen pragmatisch und wettbewerbspolitisch begründeten Auslegung der FKVO durch den Europäischen Gerichtshof erfolgte erst sechs Jahre nach der Nestlé /Perrier-Entschei1 dung in der Sache Kali + Salz/MdK/Treuhand.* Ein Jahr später schloß sich auch 44 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 115. 45 Dieser Rechtsauffassung der Kommission hat sich auch die Mehrheit des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in seiner Stellungnahme zum Vorentwurf einer Entscheidung in der Sache Nestlé /Perrier, ABl. 1992 C 319/3, Tz. 3, und im Fall Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 C 111 / 6, Tz. 4, angeschlossen. 46 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 116. 47 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998 I, 1453. Die Entscheidung Nestlé /Perrier war zwar Gegenstand eines Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz, das aber nur die Klagen französischer Gewerkschaften gegen die Freigabe des Zusammenschlusses betraf, während das Gericht zur Frage der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole keine Stellung nehmen mußte, vgl. EuG v. 27. 4. 95 Rs. T-96/92 Comité Central d'entreprise de la Société Générale des grandes sources u. a. /Kommission, Slg. 1995 II, 1213 ff.
III. Das Grundsatzurteil in der Sache Kali + Salz /MdK/Treuhand
das Gericht erster Instanz in der Sache Gencor/Lonrho päischen Gerichtshofs und der Kommission an. 48
61
der Auffassung des Euro-
Die Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof betrafen die Klagen zweier französischer Unternehmen und der französischen Regierung gegen die Auflagen49 entscheidung der Kommission im Fall Kali+Salz/MdK/Treuhand. Die Entscheidung der Kommission bezog sich auf die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, in dem die Kali- und Steinsalzaktivitäten der Kali + Salz AG und der Mitteldeutschen Kali AG zusammengefaßt werden sollten. Von diesem Zusammenschluß waren im wesentlichen zwei verschiedene geographische Märkte für landwirtschaftlich genutztes Kali betroffen. Zum einen das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und zum anderen das gesamte Gebiet aller anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft außerhalb Deutschlands. Auf dem deutschen Markt für landwirtschaftlich genutztes Kali führte der Zusammenschluß zu einer faktischen Monopolstellung des Gemeinschaftsunternehmens mit einem Marktanteil von 98%. Aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen einer Sanierungsfusion fehlte es hier jedoch an der notwendigen Kausalität zwischen dem Zusammenschluß und der Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung.50 In den übrigen Mitgliedstaaten hätte der Zusammenschluß dagegen nach den Feststellungen der Kommission zur Entstehung eines marktbeherrschenden Dyopols bestehend aus den Unternehmen Kali+Salz und MdK und dem französischen Unternehmen SCPA geführt, die zusammen einen Marktanteil von 80% hielten. 51 Erst nachdem die beteiligten Unternehmen zugesagt hatten, ihre Verbindungen mit SCPA in einem Exportkartell und einer Vertriebsgesellschaft zu lösen, wurde der Zusammenschluß freigegeben. 52 In ihren Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung vertraten sowohl die französische Regierung als auch das Unternehmen SCPA und dessen Muttergesellschaft EMC die Auffassung, daß die FKVO die Kommission nicht dazu ermächtige, einen Zusammenschluß zu untersagen bzw. nur unter Auflagen zu genehmigen, der zur Begründung oder Verstärkung einer kollektiven beherrschenden Stellung führe. 53 Dieser Ansicht Schloß sich auch Generalanwalt Tesauro in seinen Schlußanträgen an. 54 Der Gerichtshof mußte daher bereits in seiner ersten, materielle Auslegungsfragen der FKVO betreffenden Entscheidung zu einer der zentralen und bis dato ungelösten Rechtsfragen der europäischen Fusionskontrolle Stellung 48 EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102 Gencor/Lonrho, Slg. 1999 II, 1. 49 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, 186/38. 50 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, 186/38, Tz. 70 ff.
ABl. 1994 L ABl. 1994 L
51 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 51 ff. 52 Zu den weiteren kartellrechtlichen Problemen des Falles vgl. ausführlich Hahn, in: Säcker (Hrsg.), Fallbuch Kartellrecht Wettbewerbsrecht Markenrecht, S. 223 ff. 53 Slg. 1998 I, 1453, Tz. 152 ff. 54 Slg. 19981, 1381, Tz. 98.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
nehmen. Der Ausgang des Verfahrens war auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Kommission seit ihrer Pilotentscheidung im Fall Nestlé /Perrier in fast sechsjähriger Fusionskontrollpraxis unter Berufung auf die befürchtete Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung einen Zusammenschluß untersagt, 55 drei Zusammenschlüsse nur unter Bedingungen und Auflagen genehmigt,56 zwei Zusammenschlüsse nach Art. 9 Abs. 2 FKVO an das Bundeskartellamt verwiesen 57 und in über 50 Fällen Zusammenschlussvorhaben auf eine oligopolistische Marktbeherrschung hin überprüft hatte. Im Ergebnis wurde die Auflagenentscheidung der Kommission zwar insgesamt vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärt, da die Kommission das Vorliegen einer Oligopolmarktbeherrschung im konkreten Fall nicht ausreichend nachgewiesen hatte. Der Gerichtshof bestätigte jedoch ausdrücklich die Auffassung der Kommission, daß grundsätzlich auch oligopolistische beherrschende Stellungen vom Geltungsbereich der FKVO erfaßt werden. In seiner äußert knappen Urteilsbegründung zur Anwendungsproblematik hält sich der Gerichtshof nur kurz mit dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der FKVO auf. Dadurch, daß Art. 2 FKVO nicht die Möglichkeit der Anwendung der Verordnung auf Fälle ausschließe, in denen ein Zusammenschluß zur Begründung oder Verstärkung einer kollektiven beherrschenden Stellung führe und sich den vorbereitenden Arbeiten keine sachdienlichen Anhaltspunkte über die Absicht der Verfasser bezüglich des Begriffs der „beherrschenden Stellung" entnehmen ließen, komme es für die Auslegung entscheidend auf den Sinn und Zweck der Verordnung und ihre Systematik an. 58 Insoweit stellt der Gerichtshof zunächst darauf ab, daß sich aus dem Erwägungsgrund 1 der FKVO ergebe, daß die FKVO auf dem Vertragsziel des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV beruhe, der die Errichtung eines Systems verlange, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schütze. Die FKVO müsse daher auf alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung angewandt werden, die sich wegen ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Gemeinschaft als unvereinbar mit dem vom Vertrag geforderten System des unverfälschten Wettbewerbs erweisen könnten. Auch ein Zusammenschluß, der eine beherrschende Stellung der Beteiligten gemeinsam mit einer am Zusammenschluß unbeteiligten Einheit begründe oder verstärke, könne sich als unvereinbar mit dem vom Vertrag geforderten System des
55 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30. 56 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1995 L 11 /1. 57 Kommission v. 10. 11. 1997 I V / M . 1001 /1019, Preussag/Hapag-Lloyd u. Preussag/ TUI, MCR 3555; v. 29. 10. 1993 I V / M . 330 McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, WuW/E EV 2157. 58 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 166-168 und übereinstimmen auch EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 125-126.
IV. Die Ansichten in der Literatur
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unverfälschten Wettbewerbs erweisen. Sollte die FKVO daher nur solche Zusammenschlüsse erfassen, die eine beherrschende Stellung der an ihnen Beteiligten begründeten oder verstärkten, so wäre die Erreichung dieses Zieles gefährdet. Nach Auffassung des Gerichtshofs würde der FKVO auf diese Weise aber ein nicht unerheblicher Teil ihrer „praktischen Wirksamkeit" genommen.59 Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Verordnung könnten auch die fehlenden Verfahrensgarantien für Dritte und die 25% Klausel des Erwägungsgrundes 15 FKVO die Anwendbarkeit der FKVO auf Fälle kollektiver beherrschender Stellungen nicht in Frage stellen.60
IV. Die Ansichten in der Literatur Die überwiegende Ansicht in der Literatur vertritt zum Teil schon seit Inkrafttreten der FKVO die Meinung, daß diese uneingeschränkt auch auf marktbeherrschende Oligopole anwendbar sei. 61 Gleichwohl wird anerkannt, daß der Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO die Oligopolmarktbeherrschung nicht ausdrücklich erwähnt. Dieser Umstand allein könne allerdings noch kein Anhaltspunkt dafür sein, daß der materielle Eingreiftatbestand nur marktbeherrschende Einzelunternehmen erfasse. 62 Begründet wird dies zunächst damit, daß dem Rat bei Erlaß der FKVO das Problem oligopolistischer Marktbeherrschung nicht verborgen geblieben sein 59 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. / Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 169-171 und übereinstimmend auch EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 148-155. 60 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453,Tz. 172-177 und übereinstimmend auch EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, l,Tz. 142-147. 61 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 207 f.; Schröter, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 87 RdNr. 268; Löffler, in: Langen / Bunte, Art. 2 FKVO, RdNr. 144; Ritter/Braun/Rawlinson, EEC Competition Law, S. 367 f.; Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis, S. 95 f.; ders., WuW 1994, 21, 22/34; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 298; Einsele, RIW 1992 Beil. 2, 1, 21; Niederleithinger, in: Festschrift für Quack, 645, 652; Niemeyer, Die Europäische Fusionskontrollverordnung, S. 22; ders., BB 1991 Beil. 25, 1, 11; Groger/Janicki, WuW 1992, 991, 999; Janicki, WuW 1990, 195, 205; Jones/Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 170 f.; Briones, ECLR 1993, 118; Eiland, ECLR 1990, 111, 115; Blank, Europäische Fusionskontrolle, S. 237; Feldmann, WRP 1990, 577, 581; Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle, Art. 2 Tz. 94; Ebenroth/ Parche, BB 1988 Beil. 18, 1, 6; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 86 ff.; Ridyard, ECLR 1992, 161, 164; Deimel, Rechtsgrundlagen einer europäischen Zusammenschlußkontrolle, S. 41; Davidow, Antitrust Bulletin 35 (1990), 603, 618; Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 105 f.; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 279 ff.; Fox, FCLI 1992, 709, 742; Venit, FCLI 1991, 519, 540 f.; Quack, GRUR 1998, 295, 297 f.; Picat/Zachmann, ECLR 1993, 240, 245; Aigner, Kollektive Marktbeherrschung im EG-Vertrag, S. 191. 62 Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 105; Wagemann, WuW 1992, 730, 737; Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis, S. 96; Bechtold RIW 1990, 253, 259.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontroll Verordnung
kann, da nach Auslegung der Kommission auch Art. 82 EGV Einzel- und Oligopolmarktbeherrschung erfasse und andererseits fast alle anderen nationalen Fusionskontrollsysteme beide Formen der Marktbeherrschung rechtlich gleichstellten. 63 Dadurch, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die oligopolistische Marktbeherrschung nicht etwa durch die Verwendung des Begriffs „einzelne beherrschende Stellung" in Art. 2 Abs. 3 FKVO ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen habe, müsse vielmehr in einem Umkehrschluß davon ausgegangen werden, daß er beide Formen mit einbeziehen wollte. 64 Auf dieser Grundlage kommen Jones/Gonzälez-Diaz zu der Schlußfolgerung: „The question whether the Regulation prohibits both sole and joint dominance cannot, therefore, be resolved by a simple reading of the operative part of its text." 65
Genauso wie Rechtsprechung und Kommission greift daher auch die überwiegende Meinung in erster Linie auf den Sinn und Zweck der FKVO und dabei insbesondere auf Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO und Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV zurück. Zielsetzung der FKVO sei es, eine umfassende Kontrolle marktbeherrschender Stellungen im Gemeinsamen Markt zu gewährleisten und wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten, was ohne die Erfassung oligopolistischer Marktbeherrschung nicht möglich sei. 66 Eine Fusionskontrolle, die nur Einzelmarktbeherrschung kontrolliere, wäre ein die Oligopolmarktbeherrschung in nicht gerechtfertigter Weise privilegierender „Torso". 67 Die Kommission müsse daher auch die Befugnis haben, die Entstehung oder Verstärkung von beherrschenden Stellungen durch eine Mehrheit von Unternehmen für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären. Die gegenteilige Auffassung würde nicht nur die von der FKVO zu schließende Lücke in der europäischen Wettbewerbspolitik, nämlich Zusammenschlüsse wegen ihrer möglichen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen zu kontrollieren, weiterhin zum größten Teil offenlassen. 68 Daneben würde auch noch eine zweite Lücke in den Kartellrechtssystemen derjenigen Mitgliedstaaten aufgerissen, die bisher auch Oligopolmärkte kontrolliert hätten, nunmehr aber bei Zusammen63 Vgl. Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 170; Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 88; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 207. 64 Vgl. Bechtold, RIW 1990, 253, 259; Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 170. 65 Jones/Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 170. 66 Vgl. Niemeyer, Die Europäische Fusionskontrollverordnung, S. 22; Janicki, WuW 1990, 195, 198; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 90; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 207; Fox, FCLI 1992, 709, 742; Venit, FCLI 1991, 519, 541; Quack, GRUR 1998, 295, 297. 67 Vgl. Blank, Europäische Fusionskontrolle, S. 237; Janicki, WuW 1990, 195, 198; Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 106; Ysewyn/Caffarra, ECLR 1998, 468,469. 68 Vgl. Kerber, WuW 1994, 21, 22/34; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/ 92, 85, 92. Nach Groger/Janicki, WuW 1992, 991, 999 soll auch die Bundesregierung verschiedentlich auf diesen Umstand hingewiesen haben.
IV. Die Ansichten in der Literatur
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schlüssen von gemeinschaftsweiter Bedeutung durch die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission (Art. 21 Abs. 2 FKVO) daran gehindert seien.69 Schließlich würde auch der Angleichungsprozeß der Kartellrechtsordnungen der Mitgliedstaaten an das Gemeinschaftsrecht zwangsläufig eingeschränkt werden, wenn zwar die nationalen aber nicht die europäische Zusammenschlußkontrolle auf oligopolistische Marktbeherrschung angewandt werden könnte. 70 Ein Teil der Literatur steht jedoch einer Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole ablehnend oder zumindest zweifelnd gegenüber.71 Ansatzpunkt für die Kritik ist dabei zunächst der Wortlaut der Verordnung, der den Begriff der „gemeinsamen beherrschenden Stellung" nun einmal nicht verwende. 72 Die FKVO sehe in Art. 2 Abs. 3 eben nur vor, daß ein Zusammenschluß, der „ eine beherrschende Stellung" begründe oder verstärke, als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden könne. Dies veranlaßt Pathak zu der Feststellung: „It could therefore be argued that the Commission simply engaged in perfidious statutory interpretation which flies in the face of Article 2 (3)." 73
Desweiteren wird darauf verwiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine beherrschende Stellung nur dann vorliege, wenn ein Unternehmen in der Lage sei, sich im wesentlichen unabhängig von seinen Konkurrenten und den Kunden zu verhalten. Dies sei aber bei einem oligopolistischen Markt gerade nicht der Fall, da sich dieser durch eine gegenseitige Abhängigkeit der Marktteilnehmer auszeichne.74 Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 3 FKVO spreche 69 Vgl. Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 106; Jones/GonzalezDiaz, The EEC Merger Regultion, S. 172; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 281; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 88; Aigner, Kollektive Marktbeherrschung im EG-Vertrag, S. 191. 70 So Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 92. Zweifelnd oder unentschieden äußern sich: Bach, WuW 1993, 805, 814 f.; Cook/Kerse, EEC Merger Control, S. 80; Huber, Europäische Fusionskontrolle, S. 16 f.; Rohling, ZIP 1990, 1179, 1182; Pathak, ELR 1993, CC 132 ff.; Moosecker, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 37, 50; Winckler/Hansen, CMLR 1993, 785, 802/828; Whish/Surfin, YEL 1992, 59, 77/82; Wagemann, WuW 1992, 730, 737; Möschel, in: Festschrift für Deringer, 328, 342; Goyder, EC Competition Law, S. 400; Bechtold, EuZW 1994, 653, 657; Korah, EC Competition Law and Practice, S. 242; Siragusa/Subiotto, WuW 1991, 872, 885. Strikt ablehnend dagegen: Giorgio Monti, World Competition 19 (1996), 59, 98; Sedemund, in: Festschrift für Deringer, 379, 392 f.; Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1378 f.; Portwood, Mergers under EEC Competition Law, S. 84 und wohl auch Hör spool/ Korah, Antitrust Bulletin 37 (1992), 337, 343. Die Monopolkommission vermeidet dagegen in ihrem Hauptgutachten 9, S. 281 f., ausdrücklich jede eigene Stellungnahme zu dieser Frage. 72 Pathak, ELR 1993, CC 158; Generalanwalt Te sauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich/Kommission, verb. Rs. C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998 I, 1381 ff., Tz. 81. 73 Pathak, ELR 1993, CC 158. 74 Siragusa/Subiotta, WuW 1991, 872, 885; Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1379; Bartocci, Antitrust Bulletin 39 (1994), 541, 562 f.; Winckler/Hansen, CMLR 1993, 787, 802 f.; Giorgio Monti, World Competition 19 (1996), 59, 95; Rothnie, IBL 1991,493, 495. 5 Hahn
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Art. 82 EGV jedoch ausdrücklich von der Möglichkeit, daß auch mehrere Unternehmen eine beherrschende Stellung innehaben könnten, so daß schon vom Wortlaut her die Annahme gerechtfertigt sei, daß die fusionsbedingte Entstehung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung bewußt vom Anwendungsbereich der FKVO ausgenommen wurde. 75 Darüber hinaus führen die Kritiker den Erwägungsgrund 15 FKVO an, nach dem bei einem gemeinsamen Marktanteil von nicht mehr als 25% anzunehmen ist, daß der Zusammenschluß nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb zu behindern. 76 Hätte Art. 2 Abs. 3 FKVO nun auch auf Oligopolmarktbeherrschung Anwendung finden sollen, so hätte Erwägungsgrund 15 FKVO angesichts der Tatsache, daß selbst die Schaffung eines Marktanteils von 25% zur Entstehung einer gemeinsamen marktbeherrschenden Stellung führen könne, anders formuliert werden müssen.77 Als nicht überzeugend wird das Argument abgelehnt, die Anwendung auf Oligopolsachverhalte sei zulässig, weil sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Die Einbeziehung der Oligopolmarktbeherrschung in die Zusammenschlußkontrolle sei nämlich keineswegs so naheliegend und unproblematisch, daß die Nichteinbeziehung hätte ausdrücklich geregelt werden müssen.78 Vielmehr sei es zwischen den Mitgliedstaaten umstritten gewesen, ob die Verordnung auch auf Oligopole anwendbar sein sollte oder nicht. 79 Somit könne auch der Hinweis darauf, daß kaum anzunehmen sei, daß einige Mitgliedstaaten auf die Kontrolle oligopolistischer Märkte verzichtet hätten, kein Gewicht haben, da dies eben nur für drei der zwölf Ratsmitglieder gelte. 80 Im Ergebnis veranlassen diese Argumente einige Stimmen in der Literatur zu der Schlußfolgerung, daß die FKVO somit konsequenterweise nicht auf marktbeherrschende Oligopole angewendet werden kann, 81 während andere die Klärung dieser Streitfrage dem Europäischen Gerichtshof überlassen wollten. 82 75 Pathak, ELR 1993, CC 132, 159; Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1379. 76 Rohling, ZIP 1990, 1179, 1182. 77 Pathak, ELR 1993, CC 132, 159; Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich/Kommission, verb. Rs. C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998 I, 1381 ff., Tz. 85. 78 Bach, WuW 1993, 805, 815. 79 Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1379; Bach, WuW 1993, 805, 815; Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich/Kommission, verb. Rs. C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998 1,1381 ff., Tz. 87. so Bach, WuW 1993, 805, 815. 8i Vgl. Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1379; Giorgio Monti, World Competition 19 (1996), 59, 98; Sedemund, in: Festschrift für Deringer, 379, 392 f. sowie Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich/Kommission, verb. Rs. C-68/94 und C-30/ 95, Slg. 1998 I, 1375 ff., Tz. 98. Eine ablehnende Auffassung vertritt auch eine Minderheit des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in ihrer Stellungnahme zum Vorentwurf einer Entscheidung in der Sache Nestlé /Perrier (ABl. 1992 C 319/3, Tz. 3) und im Fall Mannesmann/Vallourec/Ilva (ABl. 1994 C 111 /7, Tz. 4.). Offenbar waren auch die einzelnen Kommissionsdienststellen in diesem Punkt unterschiedlicher Ansicht. So weist Möschel, in: Festschrift für Deringer, 328, 342, darauf hin, daß der Juristische Dienst der Kommission in der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopole „eher eine wolkige Idee (sieht), die nur aus einem germanischen Hirn stammen könne."
V. Stellungnahme
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V. Stellungnahme 1. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 2 Abs. 3 FKVO durch Auslegung
a) Methodische Grundlagen Gesetzesnormen haben zumeist einen Bedeutungsspielraum, innerhalb dessen verschiedene Bedeutungsvarianten mit ihnen verbunden werden können. Ursache hierfür ist, daß sich Gesetze weithin der Umgangssprache mit flexiblen Ausdrükken bedienen müssen und nicht auf in ihrer Bedeutung genau festgelegte Begriffe einer mathematisierten Logik zurückgreifen können. Das Verstehen einer Gesetzesvorschrift kann zunächst unreflektiert durch das unmittelbare Innewerden des Sinnes der sprachlichen Äußerung geschehen. Sobald der Anwender jedoch verschiedene Deutungsmöglichkeiten einer Norm entdeckt, wird der gemeinte oder sonst „zutreffende" Sinn eines Gesetzestextes zum Gegenstand einer Reflexion und damit einer „Auslegung". 83 Der Auslegende bringt sich dabei den Sinn eines ihm problematisch gewordenen Textes dadurch zum Verständnis, daß er sich dessen verschiedene mögliche Bedeutungen vergegenwärtigt und dann in einem zweiten Schritt fragt, welche hier die „richtige" ist. 84 Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß der Vorschrift des Art. 2 Abs. 3 FKVO sowohl die Bedeutung eines Eingreiftatbestandes für Situationen oligopolistischer Marktbeherrschung zuerkannt als auch abgesprochen wird. Um den Sinn und den normativen Gehalt des Art. 2 Abs. 3 FKVO hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf marktbeherrschende Oligopole zweifelsfrei zu ermitteln und zu konkretisieren, soll diese Vorschrift nun unter Berücksichtigung und Wertung der aufgezeigten Stellungnahmen von Rechtspraxis und Literatur ausgelegt werden.
aa) Die Auslegung des Europäischen Gemeinschaftsrechts Die Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechts wird maßgeblich durch die besondere Stellung und das Wesen dieser Rechtsordnung beeinflußt. Der EGV hat zwar die rechtliche Form eines völkerrechtlichen Vertrages und ist von den Mitgliedstaaten jeweils nach ihren für völkerrechtliche Verträge geltenden verfassungsrechtlichen Vorschriften abgeschlossen worden. Er nimmt aber dennoch eine Zwischenstellung zwischen dem Völkervertragsrecht und einer bundesstaatlichen 82 Vgl. Pathak, ELR 1993, CC 132, 159; Moosecker, Schwerpunkte des Kartellechts 1991/92, 37, 50; Baron, WuW 1997, 579, 591; Wagemann, WuW 1992, 730, 737. 83 Vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 204 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 22 ff., 39 ff. 84 Vgl. zum zeitlich ersten Schritt der Erfassung der Auslegungshypothesen Aarnio, Denkweisen der Rechtswissenschaft, S. 85 f. sowie Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 425 ff.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Verfassung ein. 85 Deutlich wird diese materiell-rechtliche Doppelnatur daran, daß sich der EGV nicht nur an die Mitgliedstaaten richtet und Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht genießt, sondern insgesamt eine für deren Staatsangehörige verbindliche Rechtsordnung begründet. 86 So gelten zahlreiche Normen des Gemeinschaftsrechts unmittelbar auch für die Bürger der Gemeinschaft und den staatsbezogenen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die bestimmte Pflichten der Mitgliedstaaten begründen, entsprechen subjektive Rechte der Staatsangehörigen auf Anwendung des Gemeinschaftsrechts, die vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. 8 7 Diese Rechtsnatur der Gemeinschaft führt bei der Bestimmung der gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsätze zu der Frage, ob insoweit eher die Prinzipien der Verfassungsauslegung oder die Regeln für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge anwendbar sind. Die Heranziehung der staatsrechtlichen Grundsätze der einzelnen Mitgliedstaaten zur Auslegung ihres nationalen Verfassungsrechts sieht sich dabei der Schwierigkeit ausgesetzt, einheitliche Regeln für die Auslegung der nationalen Verfassungsrechtsordnungen zu formulieren und findet ihre Grenzen an dem primär wirtschaftlichen und nicht politischen Gegenstand des Vertrages. 88 Der völkerrechtliche Ansatz, der an dem subjektiven Willen der Vertragspartner orientiert ist und von dem Grundsatz ausgeht, daß Souveränitätsbeschränkungen im Zweifel restriktiv auszulegen sind, 89 wird dagegen dem Charakter des EGV als Verfassung einer unveränderlich bestehenden
85 Der Europäische Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß durch den EWGV und nunmehr den EGV eine eigene Rechtsordnung geschaffen wurde, die auch für die Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung entfaltet: „Zum Unterschied von gewöhnlichen internationalen Verträgen hat der EG-Vertrag eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die bei seinem Inkrafttreten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen wurde und von ihren Gerichten anzuwenden ist. Denn durch die Gründung einer Gemeinschaft für unbegrenzte Zeit, die mit eigenen Organen, mit der Rechts- und Geschäftsfähigkeit, mit internationaler Handlungsfähigkeit und insbesondere mit echten, aus der Beschränkung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten oder der Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft herrührenden Hoheitsrechten ausgestattet ist, haben die Mitgliedstaaten, wenn auch auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist." (EuGH v. 15. 7. 1964 Rs. 6/64 Costa/Enel, Slg. 1964, 1251, 1269). Vgl. auch Oppermann, Europarecht, RdNr. 389 ff., 577; Ophüls, in: Festgabe für Müller-Armack, 285; Bernhardt, in: Festschrift für Kutscher, 17, 18. 86 Vgl. Waelbroeck, Droit économie des Communautés européennes, Nr. 137 ff.; Everling, RabelsZ 50 (1986), 193. 87 Vgl. zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts grundlegend EuGH v. 9. 3. 1978 Rs. 106/ 77 Staatl. Finanzverwalt. /Simmenthai, Slg. 1978, 629, Tz. 17, 18 und zur unmittelbaren Wirkung zusammenfassend EuGH v. 15. 1. 1986 Rs. 44/84 Hurd/Jones, Slg. 1986, 29, Tz. 47. 88 Vgl. Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 29 ff.; Bernhardt, in: Festschrift für Kutscher, 17, 18; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 819. 89 Vgl. insoweit zum völkerrechtlichen Grundsatz in dubio mitius Bernhardt, in: Festschrift für Kutscher, 17, 19 ff.
V. Stellungnahme
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souveränen Staatenverbindung „sui generis" 90 und der dynamischen Ausrichtung des Gemeinschaftsrechts nicht gerecht. 91 Die Auslegungsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts können daher nicht isoliert entweder aus dem Völkerrecht oder den nationalen Verfassungsrechten entwickelt werden, sondern müssen unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Auslegungsmaximen in autonom europarechtlicher Weise definiert werden. Der Europäische Gerichtshof, der nach Art. 220 EGV, Art. 136 EAGV und Art. 31 EGKSV das eigentliche autoritative Auslegungsorgan des Gemeinschaftsrechts ist, hat daher in jahrzehntelanger Praxis, ausgehend von den allgemeinen Regeln der grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung, eine eigene gemeinschaftsrechtliche Interpretation mit selbständigen Grundsätzen und Gewichtungen entwickelt. 92 An diesen Auslegungsgrundsätzen wird sich die folgende Bestimmung des Anwendungsbereichs der FKVO zu orientieren haben.
bb) Die Rechtsquellen Die Rechtsquellen des europäischen Gemeinschaftsrechts gliedern sich in normenhierarchischer Hinsicht in zwei unterschiedliche Rechtsmassen, das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht. Das Primärrecht umfaßt als wichtigsten Bestandteil die Gründungsverträge der EG einschließlich ihrer Annexe, daneben aber auch die späteren Ergänzungs- und Änderungsverträge, die Beitritts- und Assoziierungsverträge sowie nach Art. 311 EGV auch die dem Vertrag beigefügten Protokolle. 93 Diese Akte lassen keine qualitativen Differenzierungen zu, sondern stehen alle auf derselben höchsten Stufe. Ihnen wird allgemein die Normqualität einer Verfassung zugesprochen.94 Inhaltlich enthält das Primärrecht die Grundsatznormen, die den materiellen Gehalt der Gemeinschaft festlegen, insbesondere die Institutionen, die allgemeinen Wertentscheidungen und Zielsetzungen und die daraus abgeleiteten grundsätzlichen Aufgaben sowie die Grundzüge von Zuständigkeits- und Verfahrensregeln. Unter dem Sekundärrecht versteht man all diejenigen Rechtsakte, die ein Organ der Gemeinschaft aufgrund einer Legitimationsnorm des Primärrechts erlassen hat und die somit im Rang dem Primärrecht nachgehen.95 90 Vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 19; Ophüls, in: Festgabe für MüllerArmack, 285; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 818 f. 91 Vgl. Bleckmann, Europarecht, RdNr. 248 ff.; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 819. 92 Vgl. Bleckmann, NJW 1982, 1177 ff.; De Wilmars, CDE 22 (1986), 5, 10 ff.; Nicolaysen, Europarecht Bd. I, S. 48. 93 Vgl. ausführlich zur Systematisierung des Primärrechts Krück, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Art. 164 RdNr. 13 ff.; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 539 f.; Oppermann, Europarecht, RdNr. 475 ff. 94 Vgl. Mestmäcker, in: Festschrift für v.d. Groeben, 13; Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 3; Nicolay sen, Europarecht Bd. I, S. 30 ff. Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 44.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Die Gründungsverträge sind „Grundlage, Rahmen und Grenze" der Rechtsetzungsgewalt der EG. 9 6 Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, wonach jeder verbindlich abgeleitete Rechtsakt grundsätzlich einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage in den Verträgen bedarf und Sekundärrecht daher nur mit dem durch die Gründungsverträge festgelegten Inhalten möglich ist. Zum Sekundärrecht gehören hauptsächlich die in Art. 249 EGV aufgezählten Akte der Gemeinschaftsorgane, insbesondere auch Verordnungen wie die FKVO.
b) Die grammatikalische Auslegung Ausgangspunkt bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist wie im Völkerrecht und innerstaatlichen Recht der Text der zu befragenden Vorschrift, der zunächst in seinem Wortlaut aus sich selbst heraus auszulegen ist. 97 Der Rechtsprechung des Gerichtshofs lassen sich insoweit zwei Grundsätze entnehmen. Zum einen ist ein eindeutiger und unmißverständlicher Wortlaut einer Vorschrift grundsätzlich verbindlich und kann nicht durch andere Auslegungsmethoden verdrängt werden. 98 Andererseits muß sich das mit anderen Interpretationsmethoden gefundene Auslegungsergebnis stets im Rahmen der Bedeutungsvarianten des Wortlauts halten.99 Damit kommt dem Wortlaut einer Norm auch im Gemeinschaftsrecht eine doppelte Bedeutung zu. Er ist sowohl Ausgangspunkt für die Sinnesermittlung und steckt zugleich die Grenzen der Auslegungstätigkeit ab. 1 0 0 Betrachtet man den Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO, so fällt auf, daß dieser ausdrücklich davon spricht, daß nur „Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken" für unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt zu erklären sind. Der Norm läßt sich weder ein direkter noch ein indirekter Hinweis auf die Möglichkeit entnehmen, daß nicht nur ein einzelnes Unternehmen 95 Vgl. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 540 f.; Bleckmann, Europarecht, RdNr. 238 f.; Schmidt, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 189, RdNr. 21 f. 96 So EuGH v. 5. 10. 1978 Rs. 26/78 INAMI/Viola, Slg. 1978, 1771, 1778. 97 Vgl. Zuleeg, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 1 RdNr. 35; Oppermann, Europarecht, RdNr. 682; Bleckmann, Europarecht, RdNr. 539; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 245. Zum gleichlautenden Grundsatz im Völkerrecht, vgl. Art. 32 VRK und für das deutsche Recht Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 437; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41.
98 Vgl. EuGH v. 9. 3. 1978 Rs. 79/77 Kühlhauszentrum/Hauptzollamt Hamburg, Slg. 1978, 611, 619; v. 21. 3. 1974 Rs. 151/73 Irland/Rat, Slg. 1974, 285, 296 und Bleckmann/ Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 7; Oppermann, Europarecht, RdNr. 682. 99 Vgl. hierzu Bleckmann, Europarecht, RdNr. 541. 100 Vgl. Meier-HayoZy Der Richter als Gesetzgeber, S. 42; Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. IV S. 249 f.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 423; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322.
V. Stellungnahme
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eine beherrschende Stellung innehaben kann, sondern auch mehrere voneinander unabhängige Unternehmen gemeinsam einen Markt beherrschen können. 101 Insbesondere die Verwendung des Singulars bei der Beschreibung der beherrschenden Stellung deutet darauf hin, daß nur eine Marktbeherrschung durch ein Einzelunternehmen mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar sein soll. Von entscheidender Bedeutung ist zudem, daß sich Art. 2 Abs. 3 FKVO mit der vorangestellten Verwendung des Begriffs „Zusammenschlüsse" direkt und ausschließlich auf eine beherrschende Stellung bezieht, die von den konkret am Zusammenschlußvorhaben beteiligten Unternehmen allein eingenommen wird und die daher verständigerweise nur als Einzelmarktbeherrschung denkbar sein kann. Die wirtschaftliche Machtposition außenstehender, am Zusammenschlußvorhaben selbst nicht beteiligter (Oligopol-) Unternehmen ist dagegen dem Wortlaut nach für die Prüfung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt ohne Bedeutung. 102 Mitunter kann die grammatikalische Auslegung des Gemeinschaftsrechts jedoch dadurch Modifikationen und Einschränkungen erfahren, daß die Vorschriften des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts nebeneinander in allen 12 Amtssprachen der Mitgliedstaaten abgefaßt werden und in allen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind. 103 Die Mehrsprachenauthentizität wird jedoch nur dann zum Problem, wenn die sprachlichen Fassungen tatsächlich einmal voneinander abweichen.104 Eine von vornherein nachrangige Bedeutung der grammatikalischen Auslegung im Gemeinschaftsrecht läßt sich aus der Mehrsprachenauthentizität allein nicht herleiten. 105 Vergleicht man nun die verschiedenen sprachlichen Fassungen von Art. 2 Abs. 3 FKVO miteinander, so zeigt sich, daß der Begriff der 101 Angesichts dieses beredten Schweigens der FKVO drängt sich geradezu der Hinweis auf die Parömie ubi lex voluit, dixit, ubi noluit tacuit auf. 102 Ein anschauliches Gegenbeispiel für einen eindeutig gefaßten Oligopoltatbestand bietet in diesem Zusammenhang die Norm des § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB. Ohne einschränkende Bezugnahme auf die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen bestimmt diese Norm unzweideutig: „Als marktbeherrschend gelten auch zwei oder mehr Unternehmen, sofern zwischen ihnen ( . . . ) ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und soweit sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen." 103 Vgl. Weber, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 248 RdNr. 4; Beutler/Bieber/ Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 245 f.; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 134 RdNr. 79; Oppermann, Europarecht, RdNr. 683. Abweichend hingegen die Sprachregelung beim EGKS-Vertrag, dessen einzig authentische Fassung gemäß Art. 100 EGKS-Vertrag in französischer Sprache vorliegt. 104 Vgl. Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 199. Der Europäische Gerichtshof stellt bei Textdivergenzen vor allem auf den wirklichen Willen der Urheber und der von ihnen verfolgten Zwecke im Lichte der Fassung in allen Sprachen ab, vgl. EuGH v. 12. 11. 1969 Rs. 29/ 69 Stauder/Ulm, Slg. 1969, 419,424; v. 6. 9. 1982 Rs. 283/81 CILFITu. a./Ministero della sanità, Slg. 1982, 3415, 3430. 105 So anscheinend aber Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 245 f. Wie hier Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I, RdNr. 5 ff.
2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
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Marktbeherrschung einheitlich im Singular verwandt wird und stets auf den konkreten Zusammenschluß bezogen ist. Beispielhaft soll hier der Hinweis auf die beiden EG-internen „Arbeitssprachen" Englisch und Französisch genügen.106 So spricht Art. 2 Abs. 3 FKVO in der englischen Fassung von „A concentration which creates or strengthens a dominant position " und in der französischen Fassung von „Les opérations de concentration qui créent ou renforcent une position dominanteDie Mehrsprachenauthentizität wirft daher im vorliegenden Fall keine grammatikalischen Divergenzen auf, die zu unterschiedlichen Wortlautinterpretationen und damit zu einer eingeschränkten Bedeutung der grammatikalischen Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO führen könnten. Die vom Europäischen Gerichtshof und der Kommission dahingehend vorgenommene extensive Textinterpretation des Art. 2 Abs. 3 FKVO, daß hier auch eine beherrschende Stellung eines Oligopois miteinbezogen sei, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen habe, 107 findet dagegen keinen Anhaltspunkt im Wortlaut und sieht sich gravierenden Bedenken ausgesetzt. So sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Normen auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts zu beachten,108 zu denen insbesondere auch der Grundsatz der Rechtssicherheit gehört. 109 Eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes sieht der Gerichtshof in einer allgemeinen Verpflichtung des Gemeinschaftsgesetzgebers zur Normenklarheit und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts. 110 Danach müssen vor allem die belastenden Rechtsakte der Gemeinschaft klar und deutlich abgefaßt sein, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und entsprechende Vorkehrungen treffen können. 111 Darüber hinaus besteht eine Art Wechselbeziehung zwischen der Normenklarheit und der von einer Norm ausgehenden Beschwer. Denn je tiefer die Maßnahmen der Gemeinschaft in die Rechte der Individuen eingreifen, desto „dichter" und präziser muß 106
Zur Thematik der „Arbeitssprachen" vgl. Kusterer, Europa-Archiv 1980, 693 ff. io? Vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 166; Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 114; Bechtold, RIW 1990, 253, 259; Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 170. los Vgl. EuGH v. 21. 9. 1989 verb. Rs. 46/87 u. 227/88 Hoechst, Slg. 1989, 2859, 2923, Tz. 12/13; v. 16. 7. 1992 Rs. C-67/91 DGDC/AEB, Slg. 19921,4785,4830, Tz. 30. 109 Vgl. EuGH v. 6. 4. 1962 Rs. 13/61 KGU/Bosch, Slg. 1962, 97, 113; v. 27. 3. 1980 verb. Rs. 66, 127, 128 / 79 ADF/ Salumi, Slg. 1980, 1205, 1261, Tz. 10; v. 30. 4. 1986 verb. Rs. 209-213/84 Ministère Public/Asjes, Slg. 1986, 1425, 1469, Tz. 64. Vgl. zur Geltung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im Gemeinschaftsrecht ausführlich Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht Bd. II, S. 843-1133. no Vgl. EuGH v. 9. 7. 1981 Rs. 169/80 Zollverwaltung /Frères, Slg. 1981, 1931, 1942, Tz. 17; v. 10. 7. 1980 Rs. 32/79 Kommission /Vereinigtes Königreich, Slg. 1980, 2403, 2431 ff.; Oppermann, Europarecht, RdNr. 486; Zuleeg, in: Groeben /Thiesing /Ehlermann, Art. 1 RdNr. 44. m Vgl. EuGH v. 22. 2. 1984 Rs. 70/83 Kloppenburg, Slg. 1984, 1075, Tz. 11.
V. Stellungnahme
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der Wortlaut einer Verordnung sein, die einen solchen Eingriff gestattet. 1 1 2 Diese Verpflichtung gilt gerade auch für die F K V O , die mit der Möglichkeit der Untersagung eines Zusammenschlusses einschneidende Eingriffe in grundlegende Rechte eines Unternehmens zuläßt und deren Eingreiftatbestand daher möglichst deutlich formuliert werden muß. In besonderem Maße trifft dies auf Art. 2 Abs. 3 F K V O zu, der ein Verbot enthält (Art. 2 Abs. 3 F K V O i.V.m. Art. 8 Abs. 3 F K V O ) , bei dessen Mißachtung hohe Geldbußen (Art. 14 Abs. 2 F K V O ) und Zwangsgelder (Art. 15 Abs. 2 F K V O ) vorgesehen sind. Man würde daher dem Gemeinschaftsgesetzgeber einen groben Verstoß gegen fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien unterstellen, wollte man in den Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 F K V O auch den Eingreiftatbestand der oligopolistischen Marktbeherrschung hineininterpretieren, bzw. seinen ausdrücklichen Ausschluß fordern. 1 1 3 Ein solches Verständnis der Norm würde nicht mehr i m Bereich des möglichen Wortsinns liegen und wäre daher keine Ausdeutung mehr, sondern schon eine Umdeutung. 1 1 4 Als Ergebnis der grammatikalischen Interpretation des Art. 2 Abs. 3 F K V O kann daher festgehalten werden, daß der Wortlaut gegen eine Anwendbarkeit der Norm auf marktbeherrschende Oligopole spricht. 1 1 5 Allerdings sollte stets auch in Fällen, in denen der Wortsinn einer Vorschrift eindeutig erscheint, die systematische, teleologische und historische Auslegung ergänzend herangezogen werden. 1 1 6 Ei112 Bleckmann, Europarecht, RdNr. 548. ι 1 3 Gleichzeitig würde dies auch ein Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro liberiate darstellen. Vgl. zur Geltung dieses Grundsatzes im Gemeinschaftsrecht, Generalanwalt Roemer, Schlußantrag in der Sache Continental Can/ Kommission, Rs. 6/72, Slg. 1972, 252, 256. 114 Eine über den möglichen Wortsinn hinausgehende Umdeutung einer Norm ist nicht per se unzulässig, sondern sie gehört vielmehr in den Bereich der offenen Rechtsfortbildung. Damit das Gesetz seine Rolle als primäre Regelung bewahren kann, muß die das Gesetz ergänzende oder umbildende Rechtsfortbildung jedoch an besondere Voraussetzungen gebunden sein und exakt von der Gesetzesauslegung unterschieden werden. Vgl. hierzu Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 467 ff.; Meier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber, S. 42; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 43. 115
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die 6. GWB-Novelle 1998, deren Ziel u. a. in der Harmonisierung mit dem europäischen Kartellrecht bestand, zwar die Formulierung des Aufgreiftatbestandes des Art. 82 EGV in das Mißbrauchsverbot des § 19 Abs. 1 GWB übernommen hat, im Rahmen der Fusionskontrolle aber die entsprechende Formulierung des Art. 2 Abs. 3 FKVO bewußt vermieden wurde. Die Grundsatzbestimmung für die Beurteilung der materiellen Wirkungen von Zusammenschlüssen, § 36 Abs. 1 GWB, bezieht sich vielmehr weiterhin auf den Marktbeherrschungsbegriff des § 19 Abs. 2 GWB, der ausdrücklich zwischen Einzel- und Oligopolmarktbeherrschung unterscheidet (so explizit die Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 13/9720 S. 43). Das die Bundesregierung den gegenwärtigen Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO ebenfalls als unzureichend ansieht, belegt folgende Äußerung in der Gesetzesbegründung: „Der europäischen Fusionskontrolle fehlen sowohl marktanteilsbezogene Vermutungsschwellen wie auch die ausdrückliche Unterscheidung in Einzelmarktbeherrschung und Marktbeherrschung durch eine Gesamtheit von Unternehmen (Oligopol). § 36 Abs. 2, der die Vermutungsregeln des bisherigen § 22 Abs. 3 und § 23a Abs. 2 S. 1 übernimmt, vermeidet diese Lücke. " (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 13/9720, S. 43; Hervorhebung durch Verf.).
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
nerseits kann hierdurch die grammatikalische Auslegung bestätigt werden, andererseits kann sich auf diese Weise aber auch zeigen, daß der für eindeutig gehaltene Wortlaut möglicherweise doch eine weitere Bedeutung haben kann.
c) Die systematische Auslegung Die Methodik der systematischen Auslegung besteht darin, den Sinn einer Vorschrift dadurch zu erschließen, daß man sie als Teil der gesamten Regelung betrachtet, der sie angehört, indem man also das Sinnganze ins Auge faßt, um die Bedeutung des einzelnen Elements zu bestimmen.117 Die systematische Auslegung des Gemeinschaftsrechts basiert auf der Konzeption der EG als einer einheitlichen, aus dem System der drei Verträge, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den Rechtsakten des Sekundärrechts bestehenden Rechtsordnung, in der alle Bestandteile widerspruchsfrei aufeinander bezogen sind. 118 Aus der funktionellen Einheit der Gemeinschaftsverträge folgt, daß sich die systematische Interpretation nicht nur auf die Struktur der einzelnen Vorschrift, des Abschnitts in dem sie steht und des gesamten Rechtsaktes bezieht. 119 Um die verschiedenen Rechtsnormen des Gemeinschaftsrechts zu einem sinnvollen Ganzen zu verknüpfen, muß die einzelne Norm auch in den Gesamtzusammenhang des Vertragswerkes hineingestellt werden. 120 In methodischer Hinsicht geschieht dies mittels einer rechts vergleichenden Untersuchung, in deren Rahmen entsprechende Regelungen der anderen Gemeinschaftsverträge zur Auslegung einer Norm herangezogen werden, um so den inneren Zusammenhang des Textes zu entwickeln. 121
116
Vgl. Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 10. Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 1 RdNr. 35, vertritt dagegen die Ansicht, daß im Gemeinschaftsrecht von einem klaren, weitere Interpretationsbemühungen überflüssig machenden Wortlaut kaum einmal die Rede sein könne. 117 Vgl. allgemein zur systematischen Auslegungsmethode Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 442 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 324 ff. us Vgl. EuGH v. 15. 7. 1960 Rs. 27, 38/59 Campolongo, Slg. 1960, 819, 849; v. 12. 1. 1984 Rs. 266/82 Turner, Slg. 1984, 1, 10 f. sowie Mestmäcker, in: Immenga/ Mestmäcker, EG-WbR I, Einl. RdNr. 20; Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 1 RdNr. 37; Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 51. 119 Vgl. zu dieser Systemebene EuGH v. 17. 11. 1993 Rs. C-285/92 Twee Provincien, Slg. 1993 I, 6063, 6068; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 246; Beckmann, Europarecht, RdNr. 543 m. w. N. 120 EuGH v. 12. 5. 1964 Rs. 101/63 Wagner/Fohrmann, Slg. 1964, 417, 432; v. 30. 10. 1975 Rs. 23/75 Rey Soda/Cassa Conguaglio Zucchero, Slg. 1975, 1279, 1302; v. 23.4. 1986 Rs. 294/83 Les Verts /Europ. Parlament, Slg. 1986, 1339, 1365. 121 Vgl. EuGH v. 26. 6. 1980 Rs. 136/79 National Panasonic/Kommission, Slg. 1980, 2033, 2057.
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V. Stellungnahme
aa) Die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO im Kontext der FKVO Untersucht man Art. 2 Abs. 3 FKVO zunächst im Sachzusammenhang des gesamten Normkomplexes der FKVO, so zeigt sich, daß diese auch sonst keine Vorschrift enthält, der sich direkt oder indirekt ihre Anwendbarkeit auf marktbeherrschende Oligopole entnehmen läßt. Vielmehr sprechen gerade einige Erwägungsgründe und die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte Dritter im Zusammenschlußverfahren nach der FKVO entschieden gegen eine solche Interpretation. So geht der die materiellen Eingreifkriterien betreffende Erwägungsgrund 14 der FKVO genauso wie Art. 2 Abs. 3 FKVO von einem ausschließlich singularischen Verständnis der Marktbeherrschung aus, indem er den Grundsatz aufstellt, daß sich die FKVO nur gegen Zusammenschlüsse richten soll, „die eine Stellung begründen oder verstärken, durch welche ein wirksamer Wettbewerb ( . . . ) behindert wird." 1 2 2 (1) Die Bagatellklausel im Erwägungsgrund
15 FKVO
Gewichtige systematische Argumente gegen eine Erfassung oligopolistischer Marktbeherrschung ergeben sich aus der Bagatellklausel im Erwägungsgrund 15 FKVO. Danach kann bei Zusammenschlüssen, bei denen der Marktanteil der beteiligten Unternehmen 25% nicht überschreitet, davon ausgegangen werden, daß sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, da sie aufgrund des „begrenzten Marktanteils" nicht geeignet sind, wirksamen Wettbewerb zu behindern. Welche Auswirkungen die Bagatellklausel auf die mögliche Kontrolle oligopolistischer Märkte durch die FKVO hat, läßt sich an folgendem Beispielsfall verdeutlichen. Auf einem hoch konzentrierten Markt halten die Unternehmen A und Β jeweils einen Marktanteil von 12,5% und die Unternehmen C und D jeweils 25%, während der Rest des Angebots zersplittert ist. Ein Zusammenschluß der Unternehmen A und Β führt hier dazu, daß auf dem Markt ein enges symmetrisches Dreieroligopol mit einem aggregierten Marktanteil von 75% entsteht. Obwohl es sich hierbei um eine wettbewerbliche Gefährdungslage handelt, die einer eingehenden Untersuchung bedarf, müßte die Kommission nach der Bagatellklausel des Erwägungsgrundes 15 FKVO allein aufgrund des Marktanteils der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen A und Β von „nur" 25% von der grundsätzlichen Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt ausgehen. Daß dieses Ergebnis widersprüchlich und wettbewerbstheoretisch unhaltbar ist, wenn 122
Die Erwägungsgründe stellen nach Art. 253 EGV einen gemeinschaftsrechtlich zwingend notwendigen Bestandteil des Rechtssetzungsverfahrens dar und sind formal Bestandteil der jeweiligen Norm, vgl. Schmidt, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 190 RdNr. 6; Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 190 RdNr. 4. Der Europäische Gerichtshof hat daher in einer Vielzahl von Fällen bei der Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts auch auf den Inhalt der Erwägungsgründe zurückgegriffen, so daß die Erwägungsgründe der FKVO auch hier als Auslegungshilfe herangezogen werden können, vgl. hierzu Blank, Europäische Fusionskontrolle, S. 189.
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die FKVO nach ihrer Konzeption marktbeherrschende Oligopole verhindern will, verdeutlicht auch ein Vergleich mit den Marktbeherrschungsvermutungen für Oligopole in § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB. Danach gilt eine Gesamtheit von Unternehmen als marktbeherrschend, wenn sie aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50% erreichen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB) oder wenn sie aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB). Um die Effizienz der Oligopolvermutung nicht von vornherein zu schmälern und eine Erfassung aller wettbewerblichen Gefahrenlagen in Oligopolsituationen zu gewährleisten, verlangt die nunmehr einzige im GWB verbliebene Oligopolvermutung nicht, daß die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen einen bestimmten Marktanteil erreichen. Selbst die früher in § 23a Abs. 2 GWB a.F. enthaltene Oligopolvermutung für die Fusionskontrolle sah lediglich eine Unbedenklichkeitsschwelle von 15% vor. Im angeführten Beispielsfall würde das Viereroligopol mit 75% schon vor dem Zusammenschluß die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB erfüllen und danach als Dreieroligopol sogar die des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB. Aufgrund der Beweislastumkehr, die sich sowohl auf die formelle Beweisführungslast als auch auf die materielle Beweisfolgelast erstreckt, würden die drei Unternehmen somit als marktbeherrschendes Oligopol gelten. 123 Für eine effektive und lückenlose Kontrolle von Zusammenschlüssen auf oligopolistischen Märkten ist die Bagatellgrenze der FKVO demnach viel zu hoch, wie insbesondere der generelle Verzicht auf eine solche Schwelle im GWB bzw. auch die fast um die Hälfte niedrigere Grenze des früheren § 23a Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. zeigt. 124 Sollte Art. 2 Abs. 3 FKVO daher wirklich auf oligopolistische Marktbeherrschung anwendbar sein, so entstünde durch die Bagatellklausel des Erwägungsgrundes 15 FKVO ein unlösbarer WertungsWiderspruch im System der FKVO. Einerseits würde die FKVO in Art. 2 Abs. 3 oligopolistische Marktbeherrschung verhindern wollen, andererseits aber die Entstehung oder Verengung einer Vielzahl klassischer Oligopolstrukturen für grundsätzlich unbedenklich erklären. 123
Die Oligopolvermutung kann jedoch von den am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 GWB alternativ durch den Nachweis des strukturell gesicherten Fortbestands wesentlichen Wettbewerbs im Innenverhältnis oder des Fehlens einer überragenden Marktstellung im Außenverhältnis widerlegt werden. 124 Im Hinblick auf die 25% Klausel der FKVO ist bemerkenswert, daß laut Regierungsbegründung zur 4. GWB-Novelle mit der 15% - Grenze des § 23 a Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. sichergestellt werden sollte, daß von den Oligopolvermutungen alle „Zusammenschlüsse erfaßt (werden) an denen Oligopolunternehmen mit bereits gewichtigen Marktpositionen beteiligt sind." (BTDrucks. 8/2136, S. 22). Nach Ansicht von Mestmäcker, ZgS 136 (1980), 387, 402, war selbst die 15% Grenze des § 23a Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. rechtspolitisch verfehlt. Zur Begründung verweist Mestmäcker, a. a. O.., überzeugend auf folgende mögliche Konstellation in einem Fünferoligopol: Vier Teilnehmer haben annähernd 16,5% Marktanteil, der fünfte 15%. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, daß das fünfte Unternehmen erst durch einen Zusammenschluß, mit dem es einen Marktanteil von 15% auf sich vereinigt hat, die Chance zum Wettbewerb erhält, wenn es zuvor 12% oder 13% Marktanteil erreicht hatte. Im Gegenteil, bei einer derartigen Gleichverteilung wird das Erlahmen des Wettbewerbs besonders wahrscheinlich sein.
V. Stellungnahme
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Dieser Systemwiderspruch wird vom Gerichtshof in seiner Entscheidung in der Sache Kali+Salz/Mdk/Treuhand nicht nur übersehen, sondern auch noch (unbewußt) verstärkt. Die klagenden Unternehmen hatten in ihrer Klagebegründung die Befürchtung geäußert, daß die Auslegung der Kommission dazu führen könne, daß die FKVO entgegen Erwägungsgrund 15 FKVO auch dann angewandt werde, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen im konkreten Fall 25% nicht überschreite. 125 Ohne zu berücksichtigen, daß gerade auch in solchen Marktsituationen eine oligopolistische Marktbeherrschung sehr wohl möglich ist, verwarf der Gerichtshof dieses Argument, indem er noch einmal ausdrücklich bestätigte, daß bei einem Zusammenschluß, der den an ihm beteiligten Unternehmen zusammen keinen Anteil von mindestens 25% am Referenzmarkt verschaffe, davon auszugehen sei, daß eine beherrschende Stellung dieser Unternehmen weder begründet noch verstärkt werde. 126 Angesichts dieser höchstrichterlichen Bestätigung der „Bagatellgrenze" als eine quasi UnbedenklichkeitsVermutung vermag auch der denkbare Einwand, die Kommission könne ja im Einzelfall das Indiz des „begrenzten Marktanteils" widerlegen, den Systemwiderspruch nicht aufzulösen. Es wäre zudem auch unverständlich, weshalb der Gesetzgeber den ohnehin schon komplizierten Nachweis einer oligopolistischen Marktbeherrschung gegenüber der Einzelmarktbeherrschung noch mit einer erhöhten Argumentations- und Beweislast der Kommission unnötig erschweren sollte. 127 Nicht zu überzeugen vermag auch die Argumentation des Gerichts erster Instanz in der Sache Gencor/Lonrho. In Bezug auf die 25%-Klausel des Erwägungsgrundes 15 FKVO vertrat das Gericht die Auffassung, daß hieraus deshalb kein Indiz für einen Ausschluss einer gemeinsamen Beherrschung vom Anwendungsbereich der FKVO folge, weil oligopolistische Märkte, bei denen eines der Unternehmen in gemeinsam beherrschender Stellung weniger als 25% Marktanteile besitze, verhältnismäßig selten und oligopolistische Märkte, bei denen die Unternehmen in beherrschender Stellung mehr als 25% Marktanteile besitzen, häufiger zu finden seien. 128 Zunächst zeugen die Feststellungen des Gerichts in bezug auf die statisti125 Slg. 1998 I, 1453, Tz. 155. 126 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 177. Vgl. Bechtold, EuZW 1998, 313, 314: „Das bedeutet für das Oligopol-Problem wohl, daß die Oligopol-Theorie nicht zulasten solcher Unternehmen angewendet werden kann, die auch nach dem Zusammenschluß einen Marktanteil von unter 25% haben. Die Oligopol-Theorie tendiert dann also dazu, nur zulasten des Oligopol-Führers, der regelmäßig mehr als 25% Marktanteil hat, angewendet zu werden." 127 Vgl. Bach, WuW 1993, 803, 809 f.: „Einer formalen Vermutung noch am nächsten steht die Aussage in der 15. Begründungserwägung der FKVO, wonach ein zusammengefaßter Marktanteil von nicht mehr als 25% ein Indiz für die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt darstellt." In der Praxis der Kommission hat die 25% Klausel schon längst den Charakter einer de minimis Regel eingenommen. So werden Märkte, in denen die Beteiligten zusammen unter 25% Marktanteil erreichen, grundsätzlich keiner eingehenden Untersuchung unterzogen, vgl. nur Kommission v. 2. 6. 1998 I V / M . 1080 Thyssen/Krupp, WuW EU-V 74, Tz. 12 ff. 128 EuG v. 25. 03. 1999 T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 134.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
sehe Häufigkeit von Fällen oligopolistischer Marktbeherrschung auf weniger hoch konzentrierten Märkten (ζ. B. mit einer CR 3 von „nur" 75%) von einem vereinfachten und schematischen Verständnis der Oligopolmarktbeherrschung, auf das weiter unten noch kritisch einzugehen sein wird. In jedem Fall kann aber der zuvor aufgezeigte systematische Widerspruch nicht durch eine quantitative Abwägung und dem Hinweis darauf entkräftet werden, daß er möglicherweise nur in einigen und nicht in allen Fällen oligopolistischer Marktbeherrschung zutage trete. (2) Die Rechtsstellung Dritter im Zusammenschlußverfahren
nach der FKVO
Systematische Anhaltspunkte für eine ausschließliche Ausrichtung der FKVO auf Fälle möglicher Einzelmarktbeherrschung ergeben sich auch aus der Ausgestaltung der Verfahrensrechte und insbesondere der Rechtsstellung Dritter im Zusammenschlußverfahren. Umfassende Verfahrens- und Verteidigungsrechte gewährt die FKVO nur den „betroffenen" Personen und Unternehmen im Sinne des Art. 18 FKVO. Diese haben gemäß Art. 18 Abs. 1 FKVO das Recht, sich vor einer abschließenden Entscheidung im Hauptverfahren nach Art. 8 Abs. 2 - Abs. 5 FKVO zu den ihnen gegenüber in der Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemachten Einwänden zu äußern. 129 Die Kommission kann ihre Entscheidungen nur auf solche Einwände stützen, zu denen die Betroffenen Stellung nehmen konnten (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 FKVO). Darüber hinaus wird den Betroffenen während des Verfahrens das Recht auf Verteidigung in vollem Umfang garantiert und zumindest den „unmittelbar Betroffenen" auch ein Recht auf Akteneinsicht eingeräumt (Art. 18 Abs. 3 Satz 2 und 3 FKVO). Als Betroffene gelten jedoch nur diejenigen Unternehmen, die nach Art. 4 Abs. 2 FKVO einen Zusammenschluß anmelden, die ein Unternehmen veräußern oder Zielunternehmen von Übernahmeangeboten sind. 130 Die am Zusammenschluß unbeteiligten Wettbewerber der betroffenen Unternehmen können daher lediglich als Dritte an einem Zusammenschlußverfahren vor der Kommission beteiligt werden. 131 Die FKVO räumt diesen
129 Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör gilt zudem auch für Entscheidungen nach Art. 7 Abs. 4 und Art. 14 und 15 FKVO. 130 Dies ergibt sich insbesondere aus einem Vergleich mit der von der Kommission erlassenen Verordnung (EG) Nr. 447/98 vom 1. 3. 1998 über die Anmeldung, die Fristen sowie über die Anhörung nach der FKVO (VerfVO), ABl. 1998 L 61 /1, die in Art. 11 lit. a) und b) VerfVO anstelle des Begriffs der „Betroffenen" den Ausdruck „Anmelder" und „andere Beteiligte" verwendet. Vgl. hierzu Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, 214 f; Karl, in: Veelken, Die europäische Fusionskontrolle, 37, 48 ff.; Lange, in: Festschrift für Boujong, 885, 888 ff. Das Recht auf Akteneinsicht steht jedoch nur den Parteien des Zusammenschlusses zu, vgl. Art. 13 VerfVO und Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, 215. 131 Vgl. Art. 11 lit. c) VerfVO. Als Dritte kommen daneben auch Abnehmer und Lieferanten der an einem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen sowie die in Art. 18 Abs. 4 FKVO ausdrücklich erwähnten Mitglieder der Leitungsorgane der beteiligten Unternehmen und die rechtlich anerkannten Vertreter der Arbeitnehmer dieser Unternehmen in Betracht.
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dritten Unternehmen jedoch nur in ganz geringem Umfang Mitwirkungsrechte ein. So steht ihnen lediglich dann ein Recht auf Anhörung zu, wenn sie einen schriftlichen Antrag stellen und ein hinreichendes Interesse geltend machen können (Art. 18 Abs. 4 Satz 2 FKVO). 1 3 2 Wie sich aus Art. 16 Abs. 2 VerfVO ergibt, beschränkt sich das Anhörungsrecht auf ein schriftliches Außerungsrecht, während die Entscheidung über eine mündliche Anhörung Dritter im Ermessen der Kommission steht. Beantragen Dritte ihre Anhörung, so unterrichtet die Kommission sie vorher schriftlich über Art und Gegenstand des Verfahrens und setzt ihnen eine Frist zur schriftlichen Äußerung (Art. 16 Abs. 1 VerfVO). Die Mitwirkung Dritter am Verfahren wird insbesondere dadurch erschwert, daß diese anders als die Betroffenen keine Mitteilung über die Beschwerdepunkte von der Kommission erhalten. 133 Die Möglichkeit Dritten durch eine förmliche Beiladung die gleichberechtigte Stellung eines Verfahrensbeteiligten zu verleihen sieht die FKVO genauso wenig vor, wie ein Akteneinsichtsrecht Dritter. 134 Es zeigt sich somit, daß die FKVO außenstehenden Wettbewerbern keine Verteidigungsrechte gewährt, und das selbst eine Anhörung dem Dritten kein Beteiligungsrecht im eigentlichen Sinne verschafft, da er im Gegensatz zur Beiladung keine Position als Subjekt des Verfahrens erhält. Anders als die Kommission und das Gericht erster Instanz, nach deren Ansicht die Interessen Dritter durch die Verfahrensbestimmungen der FKVO in weitem Umfang geschützt sein sollen, stellte auch der Europäische Gerichtshof zutreffend fest, daß es in der FKVO in der Tat nicht vorgesehen ist, daß am Zusammenschluß unbeteiligte Unternehmen als externer Pol des beherrschenden Oligopols Gelegenheit gegeben werden muß, ihren Standpunkt sachdienlich zum Ausdruck zu bringen, wenn die Kommission den Zusammenschluß nur unter drittbelastenden Bedingungen und Auflagen genehmigen will. 1 3 5 Dieses System unterschiedlicher Mitwirkungsrechte und Verfahrensgarantien, einerseits für Zusammenschlußbeteiligte, andererseits für Dritte, läßt sich nur aus der grundlegenden Ausrichtung der FKVO auf Einzelmarktbeherrschung erklären, bei der das ZusamVgl. zum Begriff der Dritten ausführlich Karl, in: Veelken, Die europäische Fusionskontrolle, 37, 48 ff. 132 Nach Art. 18 Abs. 4 Satz 1 FKVO kann die Kommission Dritte auch dann anhören, wenn sie oder die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten es für erforderlich halten. 133 Vgl. Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, 216; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 18 FKVO RdNr. 9. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt die Kommission die wesentlichen sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Falles zusammen. In ihrer späteren abschließenden Entscheidung kann sich die Kommission nur auf solche Einwände stützen, die auch in der Mitteilung enthalten sind, vgl. Art. 18 Abs. 3 Satz 1 FKVO. 134 Vgl. De Bronett, WuW 1997, 383, 386. Dagegen stehen im Rahmen eines Zusammenschlußverfahrens nach dem GWB einem Dritten, der zulässigerweise von der Kartellbehörde beigeladen worden ist (§ 54 Abs. 2 Nr. 4 GWB) die gleichen Verfahrensrechte wie den Hauptbeteiligten zu. Vgl. hierzu KG v. 13. 11. 1981 WuW/OLG 2686, 2690; Kevekordes, WuW 1987, 365, 369 ff.
135 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C - 6 8 / 9 4 u. C - 3 0 / 9 5 Frankreich
Slg. 1998 I, 1453, Tz. 173.
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menschlußverfahren stets durch entgegengesetzte Interessenlagen gekennzeichnet ist. Während in solchen Situationen die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen naturgemäß eine zügige Durchführung des Verfahren wünschen, um schnell Klarheit über den Erfolg ihres Vorhabens zu gewinnen, befürchten außenstehende Wettbewerber regelmäßig eine Schwächung ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung und sehen sich durch den Zusammenschluß bedroht. Dementsprechend haben sie ein Interesse daran, daß die Kommission den Zusammenschluß einer genauen Prüfung anhand der Maßstäbe der FKVO unterzieht und ihn möglichst untersagt oder nur unter Auflagen genehmigt. Hinsichtlich dieses Interessengegensatzes bevorzugt die FKVO in vertretbarer Weise eindeutig die Interessen der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen. 136 Ganz anders stellt sich jedoch in Fällen möglicher Oligopolmarktbeherrschung die Interessenlage der außenstehenden Wettbewerber dar, die zwar zusammen mit den Parteien des Zusammenschlusses ein möglicherweise marktbeherrschendes Oligopol bilden, an dem Zusammenschluß aber selbst nicht beteiligt sind. Angenommen die Kommission würde im obigen Beispielsfall 137 die neue Unternehmenseinheit Α / Β in ihrer Entscheidung einem neu entstandenen marktbeherrschenden Dreieroligopol unter Beteiligung der Unternehmen C und D zurechnen, so wären diese Unternehmen gerade durch eine ansonsten von außenstehenden Wettbewerbern gewünschte Unvereinbarkeitserklärung in ihren wirtschaftlichen Interessen in erheblichem Maße betroffen. 138 Denn die Qualifizierung als Mitglieder eines marktbeherrschenden Oligopois führt zu einer mittelbaren Beschränkung der Akquisitionsmöglichkeiten dieser Unternehmen, da bei jedem Unternehmenserwerb auf dem betroffenen Markt nunmehr zumindest ein Präjudiz für eine Verstärkung des Oligopois spricht. 139 Auch eine Freigabe des Zusammenschlusses unter Auflagen und Bedingungen (Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 FKVO) kann in die Position der anderen Oligopolmitglieder eingreifen, indem etwa das Unternehmen Α / Β zusagt, bestehende finanzielle, personelle oder auch nur vertragliche Verbindungen mit den Oligopolmitgliedern C und D zu lösen. 140 Die nicht an dem Zusammenschluß betei136 Hierfür sprechen zudem auch die kurzen Verfahrensfristen, in denen die Kommission entscheiden muß, ob ein Verfahren einzuleiten ist (Art. 10 Abs. 1 FKVO), und in denen sie nach Einleitung eines Hauptverfahrens eine abschließende Entscheidung treffen muß (Art. 10 Abs. 3 FKVO). 137 Vgl. 2. Kapitel, V., 1., c), aa), (1), unter der Annahme, daß der aggregierte Marktanteil der Unternehmen A und Β in diesem Fall über 25% liegt. 138 Unbestritten ist dagegen, daß nur diejenigen Unternehmen rechtlich gebunden werden, die auch Adressaten der Kommissionsentscheidung sind, so das Argument der Kommission in ihrer Klageerwiderung im Verfahren Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 19981,1381, Tz. 80. 139 Vgl. hierzu Κ Schmidt, Schwerpunkte des Kartellrechts 1983/84, 33, 46: „Wer praktisch denkt, wird sagen, daß bei der erstmaligen Feststellung eines engen Oligopois de facto alle angeblichen Oligopolisten auf der Anklagebank sitzen und daß jeder damit rechnen muß, die nun zu treffenden Feststellungen könnten über kurz oder lang auch ihn treffen."
1 40 Ein instruktives Beispiel hierfür bietet die Entscheidung Kali+Salz/MdK/Treuhandanstalt, Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308, ABl. L 186/38. Um die Bedenken der
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ligten Oligopolisten verfolgen daher keineswegs entgegengesetzte, sondern vielmehr gleichgelagerte Interessen wie die Anmelder, nämlich nicht zu einem marktbeherrschenden Oligopol zusammengefaßt zu werden. Die Rechtfertigung für die Beschränkung der Beteiligungs- und Verteidigungsrechte auf die Parteien des Zusammenschlußvorhabens mit dem Argument, daß „nur ihnen gegenüber der Vorwurf erhoben (wird), Marktbeherrscher zu sein oder zu werden", 141 trägt daher nur in Konstellationen möglicher Einzelmarktbeherrschung. Bei der Feststellung einer oligopolistischen Marktbeherrschung trifft der „Vorwurf' dagegen de facto auch die übrigen Mitglieder des Oligopois. Auch die europäischen Gerichte müssen daher einräumen, daß ein drittes Unternehmen schon allein durch die Feststellung der Kommission beschwert werden kann, daß durch den Zusammenschluß eine kollektive beherrschende Stellung der beteiligten Unternehmen einerseits und eines dritten Unternehmens andererseits begründet oder verstärkt wird. 1 4 2 Würde Art. 2 Abs. 3 FKVO die Kommission tatsächlich dazu ermächtigen, einen Zusammenschluß wegen der Entstehung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung zu untersagen oder nur unter Auflagen zu genehmigen, so hätten die außenstehenden Oligopolmitglieder keine Möglichkeit, ihre berechtigten wirtschaftlichen Interessen als gleichberechtigte Verfahrensbeteiligte gegenüber der Kommission zu wahren. 143 Damit würde die FKVO jedoch einen der fundamentaKommission zu beseitigen, daß der Zusammenschluß zwischen der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) und der Kali und Salz AG (K+S) zur Entstehung eines marktbeherrschenden Dyopols mit dem französischen Kaliproduzenten SCPA auf dem EG-Markt führen würde, verpflichteten sich K+S und MdK aus der Kali-Export GmbH auszuscheiden. SCPA war Mitgesellschafterin der Kali-Export GmbH und erhob daraufhin gegen die Auflagenentscheidung der Kommission Klage vor dem Gericht erster Instanz mit der Begründung, daß das Ausscheiden der beiden deutschen Unternehmen zur Auflösung der Kali-Export GmbH führen müsse, weil diese die GmbH bisher zu 76% finanziert hätten, vgl. EuG v. 15. 6. 1994 SCPA u. EMC/ Kommission, Slg. 1994 II, 401, 410 Tz. 13. Die Auflösung bedeute eine große wirtschaftliche Härte für sie, da sie mangels eines eigenen internationalen Vertriebsnetzes ihre Exporte über die Kali-Export GmbH abgewickelt habe und nun vom internationalen Markt abgeschnitten werde. Im Wege einer einstweiligen Anordnung nach Art. 243 EGV setzte daraufhin der Präsident des Gerichts erster Instanz den Vollzug des die Auflösung der Kali-Export GmbH betreffenden Artikels der Kommissionsentscheidung bis zum Urteil des Gerichts in der Hauptsache aus. Zur Begründung dieser einstweiligen Anordnung heißt es in dem Beschluß, daß „nicht ausgeschlossen werden kann, daß die das Ausscheiden der K+S ( . . . ) aus der Kali-Export GmbH betreffende Bedingung die Rechte Dritter ( . . . ) zu denen die Antragstellerin SCPA gehört beeinträchtigen könnte, die nicht am Verfahren vor der Kommission beteiligt waren." (EuG v. 15. 6. 1994 SCPA u. EMC/Kommission, Slg. 1994 II, 401,410 Tz. 28). 141
So Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, 215. m EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 174 sowie EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102 Gencor/Lonrho, Slg. 1999 II, 1, Tz. 143-145. M3 Nach § 54 Abs. 2 Nr. 4 GWB besteht dagegen die Möglichkeit den außenstehenden Oligopolmitgliedern durch eine förmliche Beiladung die Stellung und die vollen Rechte (Recht auf Anhörung und mündliche Verhandlung, Akteneinsichtsrecht) eines Verfahrensbeteiligten zu verschaffen. Nach Ansicht der Monopolkommission, Hauptgutachten 4, Tz. 696, ist die Beiladungsvorschrift des § 54 Abs. 2 Nr. 4 GWB zwar eng auszulegen, ihren Tatbe6 Hahn
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
len Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, den Anspruch auf rechtliches Gehör und Verteidigung im Verwaltungsverfahren verletzen, den die Kommission gemäß den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten vor Erlaß einer belastenden Entscheidung im Rahmen ihrer Wettbewerbsverfahren beachten muß. 144 Eine solche Interpretation würde die FKVO in Widerspruch zum Primärrecht setzen, zu dem auch die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze als immanente Strukturprinzipien der Gemeinschaft zählen. 145 Diese schwerwiegenden Bedenken lassen sich auch nicht mit dem Hinweis des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz entkräften, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei so fundamental, daß diesem auch selbst dann Rechnung zu tragen sei, wenn es an einer ausdrücklichen Regelung für das betreffende Verfahren fehle. 146 Denn mit dieser Argumentation verlassen die europäischen Gerichte die Ebene der systematischen Auslegung und verwechseln Regel und Ausnahme. Der Grundsatz, daß Unternehmen, die durch Maßnahmen der Kommission beschwert werden, auch dann Anspruch auf rechtliches Gehör haben, wenn dies ausnahmsweise nicht ausdrücklich geregelt ist, dient ausschließlich dem Schutz der Betroffenen im Einzelfall. Das bedeutet jedoch keineswegs, daß damit der Gemeinschaftsgesetzgeber von seiner grundlegenden Verpflichtung befreit wäre, entsprechende Ansprüche und Schutzvorschriften ausdrücklich zu normieren. Demnach betrifft der von den europäischen Gerichten angefühlte Grundsatz nur die Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren Betroffener im Einzelfall, ist aber für die systematische Auslegung einer Norm ohne Bedeutung.147 Will man die FKVO als ein System interpretieren, in dem sich alle stand wird man jedoch „dann bejahen müssen, wenn ein Unternehmen als Mitglied eines marktbeherrschenden Oligopois anzusehen ist"; so auch Bundeskartellamt v. 23. 3. 1982 WuW/E BKartA 1970 (Gründe referiert in WuW/E OLG 2970); Lieberknecht, AG 1988, 151, 154 f.; a.A. das KG in einem obiter dictum (WuW/E OLG 2970 Coop-Supermagazin); offengelassen dagegen von BGH WuW/E BGH 2077 Coop-Supermagazin. 144 Vgl. z u m Grundsatz des rechtlichen Gehörs, der nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz weit auszulegen ist, EuGH v. 13. 2. 1979 Rs. 85/76 Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 511 Tz. 9; v. 21. 9. 1989 Rs. 46/87, 227/88 Hoechst/Kommission, Slg. 1989, 2923 Tz. 14 f.; EuG v. 23. 3. 1992 Rs. T-10/92 Cimenteries CBR u. a. /Kommission, Slg. 1992 II, 2667 Tz. 38 ff. 145
Vgl. dazu Bleckmann, Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 83 ff.; ders. Europarecht, RdNr. 329 ff.; Krück, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 164 RdNr. 13 f.; Oppermann, Europarecht, RdNr. 487 ff. 146 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 174-175 und EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102 Gencor/Lonrho, Slg. 1999 II, 1, Tz. 145. 147 Gerade die Entscheidung Kali+Salz /MdK/Treuhandanstalt (Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308, ABl. L 186/38) verdeutlicht zudem, daß die Kommission diesem allgemeinen Grundsatz eben nicht stets und selbstverständlich von vornherein ohne ausdrückliche Normierung in der FKVO nachkommt. So wurden die Vertreter der klagenden französischen Unternehmen nach wiederholten Anträgen erst zwei Tage vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses gehört, als die Auflagenentscheidung der Kommission schon feststand, vgl. Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998 I, 1381 1425, Fn. 97.
V. Stellungnahme
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Normen widerspruchsfrei einfügen und aufeinander beziehen und berücksichtigt man, daß Ausfluß systematischer Auslegung auch das Bemühen ist, eine Norm des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit so auszulegen, daß sie nicht in Widerspruch zum Primärrecht steht, 148 so spricht das Fehlen ausreichender Verteidigungsrechte dritter Unternehmen, die zwar Mitglieder eines marktbeherrschenden Oligopois, aber an dem Zusammenschluß selbst nicht beteiligt sind, gegen die Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopolmarktbeherrschung.
bb) Der Umkehrschluß aus Art. 82 EGV Die oberste systematische Ebene, in deren Gesamtzusammenhang sich die FKVO einfügen muß und deren Normen im Rahmen einer rechtsvergleichenden Untersuchung ebenfalls zur Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts heranzuziehen sind, ist die des EGV. Vergleicht man das ebenfalls auf dem wettbewerblichen Kriterium der Marktbeherrschung basierende Mißbrauchsverbot des Art. 82 EGV mit Art. 2 Abs. 3 FKVO, so lassen sich hieraus weitreichende Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich dieser Norm ziehen. So verbietet Art. 82 EGV ausdrücklich die mißbräuchlich Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt „durch ein oder mehrere Unternehmen " und differenziert damit in den Aufgreifvoraussetzungen zwischen der beherrschenden Stellung, die ein einzelnes Unternehmen einnimmt und derjenigen, die von mehreren Unternehmen nur gemeinsam eingenommen wird. Daraus wird deutlich, daß der EGV keineswegs davon ausgeht, daß beide Formen der Marktbeherrschung in ihren Voraussetzungen derart übereinstimmen und so selbstverständlich zusammengehören, daß sie schon alleine im Begriff der „beherrschenden Stellung" generalklauselartig zusammengefaßt werden könnten. Ansonsten wäre eine ausdrückliche Erstreckung der Verhaltenskontrolle auch auf marktbeherrschende Gruppen von Unternehmen nicht notwendig gewesen. Ausgehend von dieser Gesetzestechnik ist es unverständlich, warum gerade die FKVO nicht mehr ihre Anwendbarkeit, sondern nun auf einmal ihre Nichtanwendbarkeit auf Oligopole hätte ausdrücklich regeln sollen. Indem Art. 2 Abs. 3 FKVO diese explizite Erweiterung nicht enthält, ist damit der Umkehrschluß zulässig, daß der Anwendungsbereich der FKVO insoweit eingeschränkt werden sollte. Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Kontrolle oligopolistsischer Marktbeherrschung gewollt, so hätte er diese Regelung entsprechend dem Inhalt des Art. 82 EGV ausdrücklich in die FKVO aufgenommen. Auch wenn teilweise darauf verwiesen wird, daß das systematische Niveau des Gemeinschaftsrechts dem nationaler Kodifikationen nachstehe,149 so ist der Systembruch
148 Vgl. EuGH v. 5. 6. 1967 Rs. 2/67 De Moor, Slg. 1967, 263, 270; v. 18. 3. 1973 Rs. 78/ 74 Deuka I, Slg. 1975, 421, 433; v. 25. 11. 1986 Rs. 201/85 Klensch u. a./Staatssekretär, Slg. 1986, 3503, 3510 und allgemein zur systematischen Auslegungsmethodik Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 49. 149
6*
So Ipsen, Europäisches Gemeinschafstrecht, S. 134.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
zwischen beiden wettbewerbsrechtlichen Normen doch zu tief, um mit diesem Hinweis überbrückt zu werden. Verstärkt wird er sogar noch durch den Umstand, daß gerade die jeweils nur ein Spezialgebiet betreffenden sekundärrechtlichen Verordnungen naturgemäß detailliertere Regelungen enthalten, als das den gesamten materiellen Gehalt der Gemeinschaft festlegende Vertragswerk des EGV. Überraschenderweise gehen jedoch weder der Gerichtshof noch das Gericht erster Instanz in ihren Urteilen zur Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopolmarktbeherrschung auf die Art. 82 EGV betreffenden Argumente ein, so daß gegen die Zulässigkeit des Umkehrschlusses allenfalls der Einwand erhoben werden könnte, daß es der Gerichtshof auch in der Sache Continental Can abgelehnt habe, aus der ausdrücklichen Regelung der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in Art. 66 EGKSV den Umkehrschluß zu ziehen, im Rahmen des EGV seien Unternehmenszusammenschlüsse deshalb generell unzulässig, weil eine solche Regelung hier fehle. 150 Für die im vorliegenden Fall zu untersuchende systematische Inkongruenz kann diese Einzelfallentscheidung des Gerichtshofs jedoch nicht präjudiziell sein. Zum einen hatte sie ihre Gründe im wesentlichen in den erheblichen Unterschieden zwischen der historischen Entstehungsgeschichte und den Motiven der Wettbewerbsregeln des EGKSV und denen des EGV. 1 5 1 Andererseits steht auch der erheblich größere Bedeutungsspielraum des Art. 82 EGV einem stringenten Umkehrschluß aus Art. 66 EGKSV entgegen. Genauso wie Textdifferenzen können auch Übereinstimmungen zwischen verschiedenen Gesetzesbestimmungen das Verständnis einer Norm fördern, indem nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Terminologie davon ausgegangen werden kann, daß ein bestimmter, in verschiedenen Normen des Gemeinschaftsrechts übereinstimmend verwendeter Begriff die gleiche Bedeutung haben soll. 1 5 2 Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die FKVO den in jahrzehntelanger Rechtspraxis zu Art. 82 EGV ausgefüllten Begriff der „beherrschenden Stellung" in ihren Eingreiftatbestand übernommen hat, wonach ein Unternehmen nur dann marktbeherrschend ist, wenn es in der Lage ist, sich auf dem Markt unabhängig von seinen Wettbewerbern und der Marktgegenseite zu verhalten. 153 Eine auf diesem Marktbeherrschungsverständnis beruhender Eingreiftatbestand der FKVO muß jedoch auf Oligopolmärkten zwangsläufig ins Leere laufen. Denn aufgrund der in diesen Marktsituationen bestehenden oligopolistischen Reaktionsverbundenheit ist es
150 Vgl. EUGH v. 21. 2. 1972 Rs. 6/72 Continental Can/ Kommission, Slg. 1973, 215, Tz. 22.
244,
151 Vgl. Blank, Europäische Fusionskontrolle, S. 115; Oppermann, Staat und Wirtschaft in der EG, S. 53, 59. 1 52 Vgl. Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 29; Oppermann, Europarecht, RdNr. 688 und allgemein Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 325; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 49. 153 Vgl. nur EuGH v. 14. 2. 1978 Rs. 21 ! 16 United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, 286; EuG v. 10. 7. 1991 Rs. T-70/89 BBC/Kommission, Slg. 1991 II, 538, 561; Komission v. 22. 12. 1987 Hilti, ABl. 1988 L 65/19, 34 f.
V. Stellungnahme
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bereits denklogisch ausgeschlossen, daß sich ein Unternehmen als Mitglied eines Oligopois unabhängig von seinen Wettbewerbern, den anderen Oligopolisten, verhalten kann. 154 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß der Marktbeherrschungsbegriff keineswegs statisch feststeht, so daß die Kommission nicht daran gehindert ist, diesen im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO inhaltlich zu erweitern, um den Besonderheiten der Oligopolmarktbeherrschung gerecht zu werden. Weitaus bedeutsamer ist dagegen ein anderer Gesichtspunkt. Sollte die FKVO nämlich ihrer Konzeption nach auch der Kontrolle oligopolistischer Märkte dienen, so hätte das bisherige, dem Gemeinschaftsgesetzgeber bekannte Verständnis des zur Erfassung von Oligopolsachverhalten ungeeigneten Begriffs der „beherrschenden Stellung" es geboten, diesen nur mit einem zusätzlichen und klarstellenden Hinweis in die FKVO zu übernehmen.
cc) Rechtsvergleichender Rückgriff auf mitgliedstaatliche Kartellrechtsordnungen Im Rahmen der systematischen Methode beschränkt sich der Gerichtshof nicht allein auf einen Rechtsvergleich zwischen den verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Normen, sondern er bezieht gelegentlich auch die Rechtsordnungen von Mitgliedstaaten in die Auslegung mit ein. 1 5 5 Dementsprechend hat die Kommission die Erfassung oligopolistischer Marktbeherrschung durch die FKVO auch mit rechtsvergleichenden Argumenten begründet, während der Gerichtshof in seinem Urteil nicht darauf eingeht. 156 Aus der Tatsache, daß alle bedeutenden Kartellgesetze mit einem Fusionskontrollsystem, insbesondere Großbritannien, Frankreich und Deutschland über Kontrollmechanismen für oligopolistische Marktbeherrschung verfügten, sei abzuleiten, daß diese auch durch die FKVO erfaßt werden sollten. 157 Dieser rechts vergleichende Rückgriff der Kommission vermag allerdings nur dann methodisch zu überzeugen, wenn er sich nicht auf ein bloßes „ab154 Hierin sehen auch Bartocci, Antitrust Bulletin 39 (1994), 541, 562 f.; Winckler/ Hansen, CMLR 1993, 787, 802 f.; Montag/Heinemann, ZIP 1992, 1367, 1379 und Cook/ Soames, IBL 1991, 491, 493, ein Argument gegen die Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopolmarktbeherrschung. 155 Vgl. dazu Mansel, JZ 1991, 529, 531; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 815 f.; Oppermann, Europarecht, RdNr. 684 und De Wilmars, CDE 22 (1986), 5, 17, der die rechtsvergleichende Methode als eigenständigen Auslegungstopos qualifiziert. Gegenstand rechtsvergleichender Betrachtung des Europäischen Gerichtshofs waren bisher jedoch überwiegend die dem französischen Verwaltungsrecht nachgebildeten Bestimmungen, welche die Zuständigkeiten und das Verfahren vor dem Gerichtshof regeln, vgl. Bleckmann, Europarecht, RdNr. 551. 156 Das Gericht erster Insatnz beschränkte sich in seiner Begründung dagegen auf eine unreflektierte Übernahme der Feststellungen der Kommission, vgl. EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102 Gencor/Lonrho, Slg. 1999 II, 1, Tz. 127. 157 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 115.
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zählen" der nationalen Lösungsergebnisse beschränkt und wenn die genannten Fusionskontrollsysteme auch grundsätzlich mit der materiellen Struktur und der wettbewerblichen Ausrichtung der FKVO vergleichbar sind. 158 Mindesterfordernis einer solchen gemeinsamen Vergleichsgrundlage ist, daß die herangezogenen Rechtsordnungen auch tatsächlich die Entstehung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung als Untersagungskriterium für einen Zusammenschluß normieren. Die Rechtsgrundlage der britischen Fusionskontrolle, der Fair Trading Act von 1973 (FTA), erwähnt in sec. 6 II FTA „two or more persons ( . . . ) whether voluntarily or not, and whether by agreement or not, so conduct their affairs, as to prevent, restrict or distort competition." Diese vom Gesetz beschriebene Marktsituation stellt jedoch kein materielles Eingreifkriterium und damit auch keine Form der Marktbeherrschung mehrerer Unternehmen dar, sondern ist lediglich ein Aufgreifkriterium, das einen Zusammenschluß als „complex monopoly situation" qualifiziert. Diese ist eine Voraussetzung dafür, daß der Fall überhaupt zur eigentlichen Prüfung an die englische Kartellbehörde, die Monopolies and Mergers Commission, verwiesen werden kann. 159 Für die materielle Beurteilung der Folgen eines Zusammenschlusses ist die Entstehung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois dagegen ohne Bedeutung. Untersagungskriterium ist nach sec. 69 FTA ganz allgemein, ob sich der Zusammenschluß gegen das öffentliche Interesse („public interest") auswirkt oder wahrscheinlich auswirken wird. 1 6 0 Zentrales Untersagungskriterium der französischen Zusammenschlußkontrolle ist nach Art. 38 Abs. 1 Ordonnance Nr. 86-1243 die Herbeiführung einer „Wettbewerbsbeschränkung" durch den Zusammenschluß („atteinte à la concurrence"), 1 6 1 die jedoch durch „einen ausreichenden Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt" ausgeglichen werden kann (Art. 41 Ordonnance Nr. 86-1243). 1 6 2 Auf158 Vgl. hierzu Oppermann, Europarecht, RdNr. 684, der darauf hinweist, daß der Gerichtshof eine „wertende" Rechtsvergleichung bevorzugt und nicht einfach die nationalen Lösungen nach ihrer Häufigkeit „abzählt". 159 Vgl. sec. 64 FTA i.V.m sec. 6 II FTA und zum Verfahren in der britischen Fusionskontrolle Whish, Competition Law, S. 63 f., 78 f.; Ebenroth/Durach, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht Großbritanniens, RdNr. 52 ff., 68 ff. Das Vorliegen einer „complex monopoly situation" (bzw. das einer „monopoly situation") betrifft eine rein formale Ebene und hat kaum wettbewerbsrechtliche Relevanz, da aus ihr keine Rückschlüsse auf das „öffentliche Interesse" oder mögliche Beschränkungen des Wettbewerbs gezogen werden können. Sie stellt auch keine Situation oligopolistischer Marktbeherrschung im wettbewerbsrechtlichen Sinne dar, vgl. Ebenroth/Durach, a. a. O.. RdNr. 58. 160
Bei dem „öffentlichen Interesse" handelt es sich um ein globales Beurteilungs- und Abwägungskriterium, das als solches keinen wettbewerblichen Charakter aufweist. 161 Die in Art. 38 Abs. 1 Ordonnance Nr. 86-1243 erwähnte „position dominante" ist nicht identisch mit dem wettbewerblichen Begriff der „Marktbeherrschung" sondern sie stellt nur ein Regelbeispiel der Wettbewerbsbeschränkung dar, vgl. Bolze, Revue des Sociétés 1987, 163, 184. 162 Vgl. zur sog. „bilan économique global" Harbich, Die französische Fusionskontrolle im Vergleich mit dem deutschen Recht, S. 60 ff.
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grund der Weite dieses unbestimmt gehaltenen Tatbestandsmerkmals könnte damit grundsätzlich auch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die Unternehmen einer Oligopolgruppe erfaßt werden. Bei der materiellen Prüfung eines Zusammenschlusses berücksichtigen die französischen Kartellbehörden das Vorliegen einer oligopolistischen Marktstruktur jedoch lediglich bei der allgemeinen Beurteilung der Wettbewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt. Die Erfassung von Oligopolen als eine Art der marktbeherrschenden Stellung wird dagegen abgelehnt. 163 Insgesamt läßt sich feststellen, daß im Vergleich zur FKVO sowohl die britische als auch die französische Kontrolle von Marktmacht und Unternehmenszusammenschlüssen vor allem auch angesichts ihrer im wesentlichen industriepolitischen Orientierung kaum unterschiedlicher ausgeprägt sein könnte. 164 Von einer „gängigen Praxis" der „Kontrolle oligopolistischer beherrschender Stellungen" 165 kann hier keine Rede sein, da diese gar kein Kriterium für die Untersagung eines Zusammenschlusses in den angefühlten Kartellrechtsordnungen darstellt. Die Auswirkungen eines Zusammenschlusses werden ausschließlich im Rahmen politisch beeinflußbarer Generalklauseln ohne feste wettbewerbliche Kriterien beurteilt. Ein rechtsvergleichender Rückgriff hätte daher allenfalls bei früheren Entwürfen der FKVO mit einer vergleichbaren Struktur methodisch gerechtfertigt werden können, die noch das „Verhindern eines wirksamen Wettbewerbs" als Untersagungskriterium vorsahen. 166 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich jedoch in der endgültigen Fassung der FKVO in bewußtem Gegensatz hierzu für das wettbewerbliche Kriterium der „beherrschenden Stellung" entschieden.167 Eine Hilfestellung bei der Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO könnte daher nur das GWB leisten, das die Entstehung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung zusammen mit der Einzelmarktbeherrschung als Untersagungsgrund in der Fusionskontrolle normiert (§ 36 Abs. 1 GWB i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB) und hierfür sogar zwei besondere Marktbeherrschungsvermutungen vorsieht (§ 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 GWB). Ob jedoch die Existenz nur einer 163
Vgl. Harbich, Die französische Fusionskontrolle im Vergleich mit dem deutschen Recht, S. 162; Ebenroth/Strittmatter, Französisches Wettbewerbs- und Kartellrecht im Markt der Europäischen Union, RdNr. 68 ff. jeweils m. w. N. 164 Ebenroth/Durach, Das Wettbewerbs- und Kartellrecht Großbritanniens, RdNr. 209, stellen hierzu fest: „Durch die grundsätzlich unterschiedliche Ausrichtung des britischen Kartellrechts ist ein Wertungsgleichklang mit dem europäischen Kartellrecht selbst bei gemeinschaftsfreundlicher Auslegung des nationalen Kartellrechts nicht zu erreichen." Vgl. insoweit zum französischen Kartellrecht Ebenroth/Strittmatter, Französisches Wettbewerbs- und Kartellrecht im Markt der Europäischen Union, RdNr. 186 ff. 165 So Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 115. 166 Vgl. nur Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Entwurfs von 1973 (ABl. 1973 C 92/1) und Art. 2 Abs. 3 Satz 1 des Entwurfs von 1989 (ABl. 1989 C 22/14). 167 Vgl. zur wettbewerblichen Ausrichtung der FKVO Weitbrecht, EuZW 1990, 18, 20; Hölzler, W M 1990, 489, 491; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO, RdNr. 10 f.
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strukturell und inhaltlich ähnlichen mitgliedstaatlichen Regelung auf Gemeinschaftsebene irgendwelche Rückschlüsse für die Interpretation der FKVO erlaubt, muß ernstlich bezweifelt werden. Selbst die Kommission hat es schon des öfteren abgelehnt, aus Regelungen des GWB Schlußfolgerungen für die Anwendung des europäischen Kartellrechts zu ziehen, 168 so daß die rechts vergleichende Argumentation der Kommission im Hinblick auf die Oligopolmarktbeherrschung den Charakter eines „Rosinenpickens" erhält. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß gänzlich unerwähnt bleibt, daß die Erfassung der Oligopolmarktbeherrschung im GWB ausdrücklich normiert und keineswegs, wie die Kommission im Rahmen der FKVO behauptet, stillschweigend unterstellt wird. Damit verliert auch der Einwand der Kommission an Gewicht, daß den drei Mitgliedstaaten keine Preisgabe von Kontrollbefugnissen unterstellt werden könne. Denn das von der Kommission postulierte Untersagungskriterium der oligopolistischen beherrschenden Stellung führt gerade zu einer bedeutend strengeren, nämlich rein wettbewerblichen Prüfung von Zusammenschlüssen auf hochkonzentrierten Märkten, als dies in Frankreich und Großbritannien der Fall ist. Dies gilt erst recht für die neun Mitgliedstaaten, die bei Erlaß der FKVO über keine eigene Zusammenschlußkontrolle verfügten. Der rechtsvergleichenden Methode können daher keine neuen aussagekräftigen Anhaltspunkte für die Interpretation des Art. 2 Abs. 3 FKVO entnommen werden. 169
d) Die historische Auslegung Aufgabe der historischen Methode ist es, anhand von Materialien der Entstehungsgeschichte der zu befragenden Norm den Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln und die Norm dementsprechend auszulegen.170 Im europäischen Gemeinschaftsrecht stößt diese Interpretationsmethode jedoch auf einige Schwierigkeiten.171 Im Bereich des Primärrechts sind die traveaux préparatoires sowohl 168 So hat die Kommission in der Entscheidung v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel/ AEG Kabel, WuW/E EV 1740 ff. daraufhingewiesen, daß aus den Marktbeherrschungsvermutungen des GWB keine Schlußfolgerungen für die FKVO gezogen werden könnten. Vgl. auch die Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses, ABl. 1998 C 66/ 5, Tz. 17: „Der Kontroll-Begriff der Fusionskontrollverordnung ist überdies nicht unbedingt mit dem Kontroll-Begriff in anderen Rechtsbereichen identisch." 169 Bestätigung erfährt diese Annahme dadurch, daß es auch in der materiell eng an die FKVO angelehnten italienischen Zusammenschlußkontrolle umstritten ist, ob hiermit Oligopolmarktbeherrschung erfaßt werden kann. Dagegen argumentieren Denozza, Giurisprudenza Commerciale 1988, 756, 759 und Bartocci, Antitrust Bulletin 39 (1994), 541, 565, dafür Munari, EuZW 1991, 489, 497. 170 Vgl. allgemein zur historischen Methode Fikentscher, Methoden des Rechts, Band III S. 674 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 449 ff. 17 1 So stellt sich schon zu Anfang die Frage, ob entscheidendes Auslegungskriterium der historische Wille der vertragschließenden Parteien (so u. a. Ophüls, Über die Auslegung der europäischen Gemeinschaftsverträge, S. 286) oder der objektive im Vertragswerk zum Aus-
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der Gründungs- als auch der Beitrittsverträge nicht veröffentlicht und können daher nicht zur Erforschung des wahren Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers herangezogen werden. Der Gerichtshof greift daher bei der Auslegung des Primärrechts niemals ausdrücklich auf die Entstehungsgeschichte zurück. 172 Größere Bedeutung mißt der Gerichtshof der historischen Methode jedoch im Sekundärrecht zu, wo sie zumindest als Fingerzeig verstanden werden kann, wie eine Norm objektiv zu verstehen sein soll. 1 7 3 Versucht man nun die Entstehungsgeschichte der FKVO für die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO fruchtbar zu machen, so sieht man sich mit dem Umstand konfrontiert, daß auch hier die entsprechenden Materialien nicht zugänglich sind. Der Gerichtshof hat sich daher in seinem Grundsatzurteil zur Oligopolmarktbeherrschung nur kurz mit der historischen Auslegung der FKVO aufgehalten und lapidar festgestellt, daß sich den vorbereitenden Arbeiten zur FKVO keine eindeutige Absicht der Verfasser und keine sachdienlichen Hinweise in Bezug auf die Bedeutung des streitigen Begriffs „beherrschende Stellung" entnehmen ließen. 174 Ergänzend hierzu führte das Gericht erster Instanz aus, daß der Umstand, daß einige Mitgliedstaaten und insbesondere Frankreich nach Erlass der FKVO deren Anwendbarkeit auf Oligopolmarktbeherrschung in Abrede gestellt hätten, nicht bedeuten könne, daß die FKVO auf solche Fallgestaltungen nicht anwendbar sei. 175 Da die Mitgliedstaaten nicht an ihre Standpunkte gebunden seien, die sie möglicherweise bei den Beratungen im Rat vertreten hätten, könne nicht ausgeschlossen werden, daß ein Mitgliedstaat nach Erlass eines Rechtsetzungsaktes seine Meinung wieder ändere. Anhaltspunkte für die Regelungsabsicht des Gemeinschaftsgesetzgebers beim Erlaß abgeleiteten Gemeinschaftsrechts lassen sich allerdings auch aus einem Vergleich zwischen verschiedenen veröffentlichten Vorentwürfen eines solchen Rechtsaktes ziehen. 176 Von erheblicher Bedeutung ist insoweit, daß der erste, wie-
druck kommende Wille der Mitgliedstaaten (so Bernhardt, in: Festschrift für Kutscher, 17, 22 f.) ist. Während die subjektiv-historische Methode vorwiegend im Völkerrecht angewandt wird, ist die objektiv-historische Methode bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze herrschend, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 316 ff. 172 Vgl. Bleckmann, Studien zum europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 1,5. Gelegentlich hat der Gerichtshof jedoch die veröffentlichten Materialien der mitgliedstaatlichen Ratifizierungsverfahren berücksichtigt, vgl. Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 247. 173 Vgl. EuGH v. 1. 6. 1961, Rs. 15/60 Simon, Slg. 1961, 239, 262; v. 5. 6. 1973, Rs. 81 / 72 Kommission/Rat, Slg. 1973, 575, 584; v. 1. 2. 1977 Rs. 51/76 Nederlandse Ondernemingen/ Inspecteur d. IEA, Slg. 1977, 113. 174 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 167. 175 EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102 Gencor/Lonrho, Slg. 1999 II, 1, Tz. 130. 176 Vgl. Bleckmann/Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Β. I RdNr. 40 und Generalanwalt Mayras, Schlußanträge im Fall Haaga, Slg. 1974, 1209, 1215:
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
derholt geänderte Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Konzentrationskontrolle in seinem für die materiellrechtliche Beurteilung von Zusammenschlüssen maßgeblichen Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich auch eine „Gruppe von Unternehmen" erwähnte. 177 Erst in der vorletzten Entwurfsfassung der FKVO fiel diese Formulierung weg, obwohl die Kommission noch in ihrem 16. Bericht über die Wettbewerbspolitik ausdrücklich erklärt hatte, daß die zu schaffende Fusionskontrolle auch Oligopole erfassen müsse. 178 Bei den Verhandlungen über die FKVO war die Oligopol-Problematik den Mitgliedstaaten zudem sehr wohl bewußt. Dennoch war die Frage nach der Erfassung oligopolistischer Marktbeherrschung von Anfang an heftig umstritten, wobei sich insbesondere Frankreich dagegen aussprach. 179 Hätte man sich schließlich trotz dieser Meinungsverschiedenheiten auf eine Anwendbarkeit der FKVO geeinigt, so würde dies sicherlich in einer ausdrücklichen und zweifelsfreien Regelung ihren Niederschlag gefunden haben. Gegen das Zustandekommen eines Kompromisses sprechen zudem auch die über diese Frage bestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. 180 Dieser Umstand ist deshalb so aufschlußreich, weil sich der Beratende Ausschuß aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt und die Ausschußmitglieder in vielen Fällen die gleichen sind, die auch schon den Text des Art. 2 FKVO mitverfaßt haben. 181 Selbst die Kommission hat eingeräumt, daß die Delegationen der Mitgliedstaaten zur Frage der Kontrolle von Oligopolen geteilter Meinung gewesen sein. Nach ihrer Ansicht habe man sich dennoch auf eine neutrale Formulierung des Art. 2 FKVO einigen können, die diese Frage offengelassen habe. 182 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß beim Erlaß neuer Rechtsvorschriften wie der FKVO stets die Kompetenz des Rates im Vordergrund steht, da dieser die Kommission dazu veranlassen kann, ihre Vorschläge so zu fassen, daß ein Kompromiß auf der niedrigsten Ebene zwischen den Mitgliedstaaten zustande
„Zweitens scheint mir ein Vergleich der verschiedenen Entwurfsfassungen der fraglichen Bestimmung der Richtlinie den Sinn des schließlich angenommenen Wortlauts aufzuhellen." 177 Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1973 C 92/1. i™ Kommission, 16. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1987, Tz. 333. ™ Im Fall SCPA u.EMC/Kommission, verb. Rs. C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998 I, 1453, hatte sich Frankreich daher der Klage der Unternehmen SCPA und EMC gegen die Anwendung der FKVO auf ein marktbeherrschendes Oligopol in der Kommissionsentscheidung Kali + Salz/MdK /Treuhandanstalt als Streithelferin angeschlossen. 180 Vgl. die Minderheitsmeinungen innerhalb des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in den Stellungnahmen zu den Entscheidungsentwürfen in den Fällen Nestlé /Perrier, ABl. 1992 C 319/3, Tz. 3, und Mannesmann/ Vallourec/Ilva, ABl. 1994 C 111 / 7, Tz. 4. Zum generellen Kompromißcharakter der FKVO eingehend Caspari/Schwarz, in: Festschrift für Benisch, 383, 386 ff. 181 So auch Winckler/Hansen, 182
CMLR 1993,787, 806.
Stellungnahme der Kommission in den verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 159.
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kommt. Insgesamt läßt die Entstehungsgeschichte der FKVO somit darauf schließen, daß die Oligopolmarktbeherrschung aufgrund fehlender Ubereinstimmung unter den Mitgliedstaaten in der FKVO endgültig ausgeklammert wurde und es nicht etwa der Entscheidungspraxis der Kommission überlassen werden sollte, die Probleme zu lösen, die die Mitgliedstaaten absichtlich ungelöst gelassen hatten. 183 Die abweichende Auslegung der FKVO durch Gerichtshof und Kommission setzt sich daher dem Verdacht aus, Vorstellungen an die Stelle der gesetzgeberischen Entscheidung rücken zu wollen, die im Wege der Normsetzung nicht erreichbar waren.
e) Die teleologische Auslegung Eine erhebliche Bedeutung bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts kommt der teleologischen Methode zu, die gekennzeichnet ist durch das Bemühen um die Herausarbeitung des an den Vertragsgrundsätzen orientierten Sinns und Zwecks einer Regelung. 184 Um die Zielsetzung einer Norm des Sekundärrechts zu bestimmen, greifen die europäischen Gerichte dabei sowohl auf die Vertragsziele der Art. 2 und 3 EGV als auch auf die entsprechenden Begründungserwägungen der Rechtsakte zurück. 185 Aus Erwägungsgrund 1 FKVO ergibt sich, daß diese von dem Ziel nach Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV ausgeht, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt. 186 Auf der Prämisse basierend, daß auch eine oligopolistische beherrschende Stellung den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes verfälschen könne und folglich verhindert werden müsse, versuchen die europäischen Gerichte und die Kommission, die Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole im wesentlichen auf teleologischem Weg aus dem Vertragsziel des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV abzuleiten.187 Bei der Überprüfung der methodischen Zulässigkeit dieser Vorgehensweise ist zu183
So auch Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in den verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998 I, 1381,Tz. 86 f. 184 Vgl. EuGH v. 17. 11. 1983 Rs. 292/82 Merck/Hauptzollamt Hamburg-Jonas, Slg. 1983, 3781, 3792, Tz. 12; v. 8. 4. 1976 Rs. 43/75 Defrenne/Sabena, Slg. 1976, 455, 475; v. 21. 1. 1973 Rs. 6/72 Continental Can/ Kommission, Slg. 1973, 215, 244 ff.; Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, Band I, S. 820; Oppermann, Europarecht, RdNr. 685; Bleckmann, EuR 1979, 239, 241. 185
Vgl. Bleckmann /Pieper, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Bd. I. RdNr. 17, 25. Die Vertragsziele sind Bestandteil des EGV, so daß die teleologische Auslegung insoweit mit der systematischen Auslegung zusammenfällt, vgl. Beutler /Bieber/ Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, S. 247. 1 86 Dies ist auch der Formulierung in Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO zu entnehmen. 1 87 Vgl. insoweit oben 2. Kapitel, II., 3., b) und 2. Kapitel, III. So auch die Argumentation der deutsche Regierung, die dem Verfahren Frankreich u. a. /Kommission als Streithelferin der Kommission beigetreten war, vgl. Slg. 1998 I, 1453, Tz. 163.
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
nächst darauf hinzuweisen, daß es sich bei der teleologischen Auslegung um denjenigen Argumentationstypus handelt, der sich am wenigsten disziplinieren läßt, wird er erst einmal argumentativ zugelassen.188 Will man dennoch die Gewinnung rechtlicher Erkenntnisse rational nachprüfbar gestalten und ein teleologisches Argument schlüssig führen, so bedarf es zunächst der methodologischen Klassifikation der Vertragsziele, um daraus die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV für die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO zu klären. 189
aa) Methodologische Klassifikation der Vertragsziele Der EGV stellt in seinem ersten Teil den einzelnen Vertragsbestimmungen allgemeine Grundsätze voran und formuliert in den Art. 2, 3 und 4 EGV seine der Gemeinschaft gesetzten Ziele als ihre Aufgaben bzw. Tätigkeiten. 190 Diese Ziele sind unterschiedlichster Natur und ihre Begriffe sind denkbar abstrakt gefaßt, was zu einem erheblichen Verlust an inhaltlicher Schärfe führt. Am Anfang einer methodologischen Klassifikation der Vertragsziele steht die Frage, ob diese überhaupt den Charakter einer Rechtsnorm haben. Auch wenn in der Rechtstheorie über den Begriff der Rechtsnorm im einzelnen Differenzen bestehen,191 läßt sich eine Rechtsnorm zumindest auf einer hohen Abstraktionsstufe als Bestimmungssatz verstehen, der eine Geltungsanordnung trifft. 1 9 2 Indem die Vertragsziele den zuständigen Gemeinschaftsorganen bestimmte Tätigkeiten vorschreiben, enthalten sie eine solche Geltungsanordnung. So besteht das in diesem Sinne abstrahierte Gebot des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV in der Verwirklichung unverfälschten Wettbewerbs innerhalb der Gemeinschaft und läßt sich damit problemlos als Rechtsnorm klassifizieren. Rechtsnormen selbst lassen sich wiederum in zwei Subgattungen mit verschiedenen methodischen Bedeutungen unterteilen, in Prinzipien und Regeln. 193 Die zur Unterscheidung beider Arten von Rechtsnormen vorgeschlagenen 188 Vgl. Nettesheim, RdNr. 55.
in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 4
189 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 182, kritisiert an rechtstheoretischer Abstinenz, daß man sich so mit irgendwelchen Wertungen unbekannter Provenienz begnüge und folglich die Bemühung um eine rationale Rechtsgewinnung aufzugeben hätte. 190 Vgl. zur Gleichsetzung von Aufgaben und Vertragszielen Ipsen, Europäisches Gemeinschftsrecht, S. 556; Schwartz , in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 235 RdNr. 26. In diesem Sinne auch EuGH v. 29. 9. 1987 Rs. 126/86, Giménez Zaera/INSS, Slg. 1987, 3712, 3715. 191 Vgl. hierzu ausführlich Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 42 ff.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 21 ff.; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 192 ff. 192 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 256; Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 14 m. w. N. 193 So vor allem Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 85 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 72 f. Im einzelnen ist die Terminologie jedoch noch nicht geklärt. So spricht Penski, JZ 1989, 105, unter dem Oberbegriff der Norm insoweit von „Rechtsgrundsatz" und „Rechtsregei".
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Kriterien sind vielfältig. Häufig wird dafür die Höhe des Bestimmtheitsgrades bemüht. Im Gegensatz zu Regeln forderten Prinzipien nur allgemein die Verwirklichung eines Zieles, ohne daß sie genauer bestimmten, durch welches Verhalten das geschehen soll. 1 9 4 Andere sehen das Wesen des Rechtsprinzips darin, daß dieses ein dahingehendes Optimierungsgebot enthalte, das etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maß realisiert werde. Prinzipien seien nicht unmittelbar anwendbar, während Regeln nach dem Grundsatz des „Alles oder Nichts" einen Rechtsfolgeausspruch träfen, der entweder nur erfüllt oder nicht erfüllt werden könne. 195 Betrachtet man davon ausgehend Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV, so stellt diese Norm nach beiden Begriffsbestimmungen ein Rechtsprinzip dar, da sie mit einer höchst unbestimmten Verhaltensanforderung die Verwirklichung eines abstrakten Zieles, eines Systems unverfälschten Wettbewerbs, in möglichst hohem Maße fordert.
bb) Die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV für die Auslegung der FKVO Auf der Grundlage dieser methodologischen Klassifikation läßt sich nun überprüfen, ob es zulässig ist, aus Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV die Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole abzuleiten. Von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Verhältnisses des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV zu den Vorschriften der FKVO als Teil des besonderen Gemeinschaftsrechts ist dessen Funktion als Rechtsprinzip. Die Funktionsweise eines Rechtsprinzips ist vor allem dadurch gekennzeichnet, daß es zu seiner Verwirklichung der Konkretisierung durch Unterprinzipien und Einzelwertungen mit selbständigem Sachgehalt bedarf. 196 Dies verkennt der Gerichtshof, wenn er in seiner bisherigen Praxis davon ausgeht, den Inhalt konkreter Vorschriften durch die allgemeinen Ziele des Art. 2 und 3 EGV bestimmen zu können. 197 Denn anders als bei einem Axiom, das eine 194 Penski, JZ 1989, 105, 107 m. w. N. in Fn. 33. Nach Ansicht von Basedow, in: Festschrift für Everling I, 49, 59, handelt es sich bei Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV um ein Zustandsziel, das die Politik der Gemeinschaft auf einen näher bestimmten Endzustand verpflichtet. 1 95 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f.; Canaris, Systembegriff und Systemdenken in der Jurisprudenz, S. 57; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S. 95, 120; Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 276 f. 1 96 Vgl. Canaris, Systembegriff und Systemdenken in der Jurisprudenz, S. 53, 57; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschsft, S. 474. 197 Vgl. EuGH v. 21. 2. 1973 Rs. 6/72 Continental Can/ Kommission, Slg. 1973, 215, 244 f., Tz. 24, 25; v. 13. 2. 1979 Rs. 86/76 Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 520, 552 f.; v. 18. 3. 1980 Rs. 205, 206 u. a./78 Valsabbia/Kommission, Slg. 1980, 907, 1002 ff. Hiergegen schon Hefermehl, in: Generalbericht zum 4. Kolloquium der FIDE, S. 27 f; Rieger, DB 1974, 514; De Richemont, Les Concentrations d'Entreprises et la position Dominante, S. 62; Gleiss, AWD 1973, 268 ff.; Generalanwalt Roemer, Schlußanträge im Fall Continental Can/ Kommission, Slg. 1973, 252, 256 f., und nunmehr auch Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998, 1381, Tz. 97.
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ausschließliche und ausnahmslose Ableitung erlaubt, 198 widerspricht es gerade dem Wesen des Rechtsprinzips, würde man den Inhalt einer Norm aus einer bloßen Deduktion aus dem allgemeinen Prinzip auf das Besondere gewinnen wollen. 199 Dies wird auch durch die Unbestimmtheit der Formulierung des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV bestätigt, der keineswegs mit Präzision entnommen werden kann, was genau unter „Verfälschung des Wettbewerbs" zu verstehen ist. 2 0 0 Zusätzlich verweist Art. 3 EGV ausdrücklich darauf, daß seine Ziele nur „nach Maßgabe dieses Vertrages" und entsprechend nach Maßgabe des Sekundärrechts durch die Tätigkeit der Gemeinschaft verwirklicht werden sollen. Dies wird noch einmal ausdrücklich von Art. 2 EUV bestätigt. Was diese „Maßgabe" konkret beinhaltet, bedarf dabei gerade der Prüfung. 201 Genauso wie die Wettbewerbsregeln der Art. 82 ff. EGV konkretisiert die FKVO welche Verhaltensweisen von Unternehmen im Bereich des Wettbewerbs unterbleiben müssen, damit im Gemeinsamen Markt unverfälschter Wettbewerb herrscht. Versucht man nun von der Zielsetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV ausgehend den Inhalt einer Norm zu bestimmen, so setzt man damit deduktiv voraus, daß diese in den übrigen Vorschriften des Vertrages bzw. des Sekundärrechts zusammenhängend zum Ausdruck gebracht worden ist. Eine solche Feststellung müßte aber gerade von der auszulegenden Norm, von Art. 2 Abs. 3 FKVO, ausgehend aufgezeigt werden, um sich nicht dem Vorwurf einer petitio principii auszusetzen. Die Wettbewerbsregeln des EGV und auch die FKVO setzen gerade nicht an der bloßen Wirkung auf den Wettbewerb an und statuieren kein generalklauselartiges Verbot der Behinderung wirksamen Wettbewerbs, sondern orientieren sich eindeutig an bestimmten Typen von Wettbewerbsbeschränkungen, indem die wettbewerbsbeschränkende Wirkung stets mit weiteren Tatbestandsmerkmalen kombiniert wird. 2 0 2 Dies zeigt sich auch daran, daß das Gemeinschaftsrecht keineswegs ein absolutes System unverfälschten Wettbewerbs konstituiert, sondern an vielen Stellen Verhaltensweisen und Beschränkungen hinnimmt, 198
Vgl. zum axiomatischen System Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 443. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 65, 182, 193, kann das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG keine Grundlage für eine Rechtsfortbildung sein, weil es zu unbestimmt ist und daher regelmäßig auch keine mittelbare Handlungsanweisung enthält, die durch Gerichte in einfaches Recht umgesetzt werden könnte. 200 Nach Ansicht von Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 4 RdNr. 56 kann die allgemeine Berufung auf Art. 2 und 3 EGV durch den Europäischen Gerichtshof meist nicht schlüssig erklären, warum diese - und nur diese - Entscheidung geboten ist. 199
201 Vgl. hierzu auch das Bundesverfassungsgericht, das in seiner „Maastricht-Entscheidung", BVerfGE 89, 155, darauf hinweist, „dass die Gemeinschaften nur nach Maßgabe des Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge tätig werden dürfen, so daß der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis nicht zulässig ist. " 202 Vgl. auch Bach, Wettbewerbsrechtliche Schranken für staatliche Maßnahmen nach Europäischem Gemeinschaftsrecht, S. 175 f. Vgl. auch EuG, v. 12. 01. 1995 T-102/92 Viho/ Kommission, Slg. 1995 II, 17, Tz. 54: „Es ist nicht zulässig, unter dem Vorwand, bestimmte Verhaltensweisen ( . . . ) könnten der Anwendung der Wettbewerbsregeln entgehen, Art. 85 zu verfälschen, um eine etwaige Lücke in der im Vertrag vorgesehenen Kontrolle zu schließen."
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die durchaus im Widerspruch zu einer Perfektionierung des Wettbewerbsmechanismus im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV stehen.203 Obwohl marktbeherrschende Stellungen mit ihren wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen auch durch überproportionales internes Unternehmenswachstum entstehen können, enthält das europäische Wettbewerbsrecht für solche Fälle keine Entflechtungsmöglichkeit zur Wiederherstellung kompetitiver Marktstrukturen. 204 Selbst die FKVO enthält Durchbrechungen des Grundsatzes vom unverfälschten Wettbewerb. So können durchaus auch solche Zusammenschlüsse nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur der Gemeinschaft haben, die die Schwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO unterschreiten. Als Beweis hierfür sei nur auf die anhaltende Diskussion um eine Absenkung der Schwellenwerte und die entsprechend weitreichenden Vorschläge der Kommission verwiesen, die in der Novelle der FKVO von 1997 nur in abgeschwächter Form verwirklicht wurden. 205 Dennoch kann sich die Kommission nicht über die möglicherweise zu hohen Schwellenwerte der FKVO hinwegsetzen und einen Zusammenschluß, der keine gemeinschaftsweite Bedeutung hat, allein wegen seiner (nachweisbar) nachteiligen Auswirkungen auf den unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nach Art. 2 Abs. 3 FKVO untersagen. Das den allgemeinen Zielen des Vertrages keine vorrangige Bedeutung vor den besonderen Normen des Gemeinschaftsrechts zukommen kann, ergibt sich schon aus Art. 308 EGV. 2 0 6 Denn diese Norm wäre letztlich überflüssig, wenn die Kommission allein zur Erreichung des Ziels des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV ungeachtet der besonderen Normen des Gemeinschaftsrechts jede geeignete Maßnahme ergreifen könnte. Art. 308 EGV ermächtigt gerade für den Fall zum Erlaß geeigneter Vorschriften, daß der Vertrag zwar selbst regelt, wie ein Ziel für ein Sachgebiet zu 203 Deutlichstes Beispiel hierfür ist Art. 81 Abs. 3 EGV, der unter bestimmten Voraussetzungen die Legalisierung von Kartellen ermöglicht. Aus Art. 82 EGV folgt sogar, daß der Vertrag selbst das Fehlen jeglichen Wettbewerbs auf einem Markt, also ein Vollmonopol grundsätzlich akzeptiert. 204 Anders als ζ. B. das amerikanische Kartellrecht, das in sec. 2 Sherman Act die Möglichkeit zu einer Entflechtung vorsieht. Vgl. hierzu ausführlich Möschel, Entflechtungen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. 205 Schon im Zusammenhang mit der Verabschiedung der FKVO hatte die Kommission die Ansicht vertreten, daß die Schwellenwerte des Art. 1 FKVO beim weltweiten Gesamtumsatz von 5 Mrd. auf 2 Mrd. Euro und beim gemeinschaftsweiten Gesamtumsatz von 250 Mio. auf 100 Mio. Euro gesenkt werden müßten, vgl. die Protokollerklärung abgedruckt in WuW 1990, 240 f. Vgl. zu der von der Kommission für die Revision der FKVO vorgeschlagenen, aber vom Rat nicht übernommenen Absenkung der Schwellenwerte auf 3 Mrd. bzw. 150 Mio. Euro das Kommissionsdokument KOM (96) 313 endg. 206
Das die besonderen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts eher eine Konkretisierung der allgemeinen Vertragsziele darstellen folgt an sich schon aus dem methodischen Grundsatz lex specialis derogat legi generali, wonach einer Rechtsnorm, die die in ihr vorgesehene Rechtsfolge präzise bestimmt, Vorrang zukommt vor anderen Normen, die dasselbe Regelungsproblem nur mit allgemeinen und relativ unbestimmten Rechtsfolgenanordnungen erfassen.
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verwirklichen ist, sich aber herausstellt, daß seine Regelung einen Aspekt des Sachgebietes nicht erfaßt, so daß das der Gemeinschaft vom Vertrag gesetzte Ziel für diesen Teilbereich nicht durch Vollzug des Vertrages verwirklicht werden kann. 207 Dieser Mechanismus muß natürlich erst recht für den Fall gelten, daß das so geschaffene Sekundärrecht selbst wiederum einen Teilaspekt nicht regelt. In diesem Fall verlangt Art. 308 EGV wiederum eine Ergänzung des Sekundärrechts. 208 Eine Generalklausel für die Schaffung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs ist Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV somit keineswegs. Alle Programmpunkte in Art. 3 EGV können vielmehr nur durch gemeinsame souveräne Akte der Mitgliedstaaten oder durch Ratsbeschlüsse erfüllt werden, nicht jedoch durch die Kommission aus eigener Machtvollkommenheit. Es ist daher auch allein Aufgabe des Gemeinschaftsgesetzgebers, das Fernziel des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV, wie durch den Erlaß der FKVO geschehen, fortschreitend zu realisieren. Sollte dieses sehr unbestimmte Ziel in Bezug auf die oligopolistische Marktbeherrschung noch nicht erreicht worden sein, so kann dies folglich nicht dadurch geschehen, daß die Kommission ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage den vollen Geist des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV in die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO hineininterpretiert. Die bisher deutlich gewordenen methodischen Bedenken gegen einen pauschalen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV zur Legitimation der Anwendung der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole lassen sich auch nicht mit einer „dynamischen Auslegung" des Gemeinschaftsrechts auf Grundlage der sogenannten „effet utile"-Doktrin ausräumen. 209 Nach dem vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsatz des „effet utile" soll jede Bestimmung des Gemeinschaftsrechts so ausgelegt werden, daß ihr größtmögliche rechtliche Wirksamkeit verschafft wird und ihr „praktischer Nutzen" nicht ausgehöhlt wird. 2 1 0 Dieser Argumentationsfigur hat sich der Europäische Gerichtshof nunmehr auch in seinem Grundsatzurteil zur Oligopolmarktbeherrschung bedient, indem er argumentiert, daß die Nichtanwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole der Ver207
Vgl. Wagner, Die Konzentrationskontrolle in der EWG, S. 93. Vgl. hierzu auch Portwood, Mergers under EEC Competition Law, S. 84: „The appariate solution is not to strain the existing rules but to pursue the proper legislative course. Only then can the Commission's policy on oligopoly control be properly thought out with the concurrence of all the Member States, and adequate rules adopted." 2 9 Auf diesen Grundsatz scheint sich auch die Kommission zu berufen, wenn sie darauf hinweist, daß bei einer engen Auslegung das Verbot des Art. 2 Abs. 3 FKVO umgangen werden und entgegen den Grundprinzipien des Gemeinsamen Marktes wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden könnte; vgl Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L356/1, Tz. 114 a.E. 208
2 io Vgl. EuGH v. 6. 10. 1970 Rs. 9/70 Grad/Finanzamt Traunstein, Slg. 1970, 825, 838; v. 8. 4. 1976 Rs. 48/75 Royer, Slg. 1976, 497, 517; Möschel, NJW 1994, 1709 ff.; Streinz, in: Festschrift für Everling I, 1491 ff.; Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1180. Im Grunde läßt sich der Nutzen einer Norm wiederum nur aus den Vertragszielen entnehmen, so daß die Auslegung nach dem „effet utile" letztlich ein Teil der teleologischen Auslegung ist.
V. Stellungnahme
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Ordnung einen nicht unerheblichen Teil „ihrer praktischen Wirksamkeit" nehmen würde. 211 Allerdings hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäische Union dieser dynamischen Auslegung des EG-Rechts nunmehr enge Grenzen gezogen,212 so daß sich die weitere Aufrechterhaltung und Anwendung der Argumentationsfigur des „effet utile" durch den Gerichtshof im vorliegenden Fall grundlegenden Bedenken ausgesetzt sieht. 213 Denn nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Gemeinschaftsorgane Befugnisnormen nicht mehr weit auslegen, nur um im Vertrag angelegte Ziele zu erreichen. Ein Vertragsziel ist danach selbst nicht ausreichend, um Aufgaben und Befugnisse zu begründen oder zu erweitern. Eine solche Auslegung von Befugnisnormen würde zumindest für die Bundesrepublik Deutschland keine Bindungswirkung entfalten. 214 Damit bestätigt das Bundesverfassungsgericht, daß der Rechtsanwender auch nicht unter dem Namen der dynamischen Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Stelle des Rechtssetzers treten darf. Es ist nicht Sache des Richters, das Sekundärrecht zu revidieren oder klar gefaßte Normen durch Uberbetonung der allgemeinen Ziele auszuweiten. Ist ein Zweck ohne ein erkennbar ausgeschlossenes Mittel nicht erreichbar, so muß der Rechtssetzer, und nicht der Rechtsinterpret, herangezogen werden. So richtig es auch in vielen Fällen erscheinen mag, Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV und die Zielsetzung der FKVO zur Wertausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe in der FKVO heranzuziehen, so darf die teleologische Methode dennoch nicht dazu führen, daß Wortlaut und Systematik einer Norm voluntarisch umgedeutet werden. 215 Auch bei der teleologischen Auslegung muß das Prinzip der „rule of law" gewahrt bleiben und darf das Recht im Sinne des Art. 220 EGV seine Funktion als Ordnungsgarantie nicht verlieren. So kann allein die Zielsetzung der FKVO, wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten, nicht eine Interpretation des Art. 2 Abs. 3 FKVO rechtfertigen, die sich dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen läßt, die der inneren Systematik der FKVO widerspricht, die durch den Vergleich mit Art. 82 EGV widerlegt wird und welche die anderslautende Entstehungsgeschichte der Verordnung unberücksichtigt läßt. Die Auffassung der Kommission und der europäischen Gerichte, wonach Art. 2 Abs. 3 FKVO im Lichte des Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV betrachtet auch auf marktbeherrschende Oligopole anwendbar sein soll, kann daher nicht mehr als Ergebnis einer teleologischen Auslegung bezeichnet werden, sondern stellt sich vielmehr als eine Umdeutung dar, die das bisher gewonnene eindeutige Verständnis der Norm als 211 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. / Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 171 sowie EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 151. 212 BVerfG v. 12. 10. 1993, BVerfGE 89, 155, 210. 213 Verbreitet wird im Schrifttum bereits ein genereller Abschied von der dynamischen Auslegung des Gemeinschaftsrechts gesehen bzw. gefordert, vgl. Bleckmann/Piper, RIW 1993, 969, 976; Piper, DVB1. 1993, 705, 712; Meessen, NJW 1994, 549, 553 f.; DänzerVanotti, in: Festschrift für Everling I, 205, 214 ff. 214 BVerfG v. 12. 10. 1993, BVerfGE 89, 155, 210. 215 Vgl. Oppermann, Europarecht, RdNr. 685. 7 Hahn
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Eingreiftatbestand lediglich für einzelmarktbeherrschende Stellungen nicht zu widerlegen vermag. Als Ergebnis der Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO ist somit festzuhalten, daß diese Norm in direkter Anwendung die Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung durch einen Unternehmenszusammenschluß nicht erfaßt.
2. Analoge Anwendung des Art. 2 Abs. 3 FKVO auf marktbeherrschende Oligopole
Damit das Gesetz seine Rolle als primäre Regelung beibehält, bedarf es einer exakten methodologischen Trennung zwischen konkretisierender Gesetzesauslegung und der das Gesetz ergänzenden oder umbildenden Rechtsfortbildung. 216 Nachdem die Gesetzesauslegung die Auffassung von Kommission und Rechtsprechung nicht zu stützen vermag, bleibt somit fraglich, ob Art. 2 Abs. 3 FKVO zumindest analog auf marktbeherrschende Oligopole angewandt werden kann. Unabdingbare Voraussetzung für eine solche Rechtsfortbildung ist auch im europäischen Gemeinschaftsrecht die Feststellung einer Gesetzeslücke.217 Eine solche Lücke liegt aber nicht schon dann vor, wenn das Gesetz zu einer bestimmten Fallgestaltung, die grundsätzlich in den Regelungsbereich des Gesetzes fällt, schweigt. Dieses Schweigen kann auch „beredt" sein. Das Schweigen des Gemeinschaftsgesetzgebers kann also bedeuten, daß er sich die künftige Regelung einer bestimmten Frage für später vorbehalten oder über das Geregelte bewußt nicht hinausgehen wollte. In all diesen Fällen liegt eine planmäßige Unvollständigkeit vor, also keine Lücke, die im Wege der Rechtsfortbildung ausgefüllt werden könnte. Eine Lücke im Gesetz liegt vielmehr nur bei einer „planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vor", 2 1 8 die sich vordringlich aus der Systematik des Gesetzes, der dem Gesetz zugrundeliegenden Regelungsabsicht und dem gesetzgeberischen Plan ergibt. 219
216
Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung sind dennoch nicht völlig wesensverschieden, sondern stellen nur unterschiedliche Stufen desselben gedanklichen Verfahrens dar, die jedoch nur nacheinander beschritten werden können, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366 ff. 217
Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt ausgeführt, daß eine Analogie im Gemeinschaftsrecht nur zulässig sei, wenn Rechtsvorschriften eine offensichtliche Lücke enthalten, vgl. nur EuGH v. 20. 2. 1975 Rs. 64/74 Reicht/Hauptzollamt Landau, Slg. 1975, 261, 268 f.; v. 29. 11. 1973 Rs. 31/71 Gigante /Kommission, Slg. 1973, 1353. Vgl. Hoffmann-Becking, Normaufbau und Methode, S. 317 f. und allgemein zur Theorie der Lückenfeststellung Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 370 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz. 218 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 137 f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 31 ff. 2 19 Vgl. BVerfG v. 27. 12. 1991, DStR-Rechtsprechung-1992, 106, 107; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 373.
V. Stellungnahme
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Im europäischen Gemeinschaftsrecht kann eine Unvollständigkeit daher nur dann planwidrig sein, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber ihrer nicht bewußt geworden ist und die er beseitigt hätte, wenn sie von ihm erkannt worden wäre. 220 Bei Erlaß der FKVO war die Problematik der Oligopolmarktbeherrschung jedoch allgemein bekannt und ihre Einbeziehung in die FKVO heftig umstritten. Zudem spricht die Systematik der FKVO gerade gegen die Einbeziehung der Oligopolmarktbeherrschung und für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Einzelmarktbeherrschung. Ergibt die Auslegung der Verordnung aber, daß die Mitgliedstaaten eine bestimmte Regelung bewußt nicht getroffen haben und sei es auch nur, daß sie sich nicht darauf hatten einigen können, so darf weder die Kommission noch der Gerichtshof diese Regelung kraft eigener Dezision festsetzen. 221 Gerade das Recht der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen lebt aus dem „Diktum des Gesetzgebers". So ist von entscheidender Bedeutung, daß es sich bei der Norm des Art. 2 Abs. 3 FKVO um eine Regelung der gemeinschaftsrechtlichen Eingriffsverwaltung handelt, für die der Gesetzesvorbehalt eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage verlangt. 222 Der in der Untersagung eines Zusammenschlusses liegende Eingriff in Eigentum und Freiheit der beteiligten Unternehmen ist so gravierend, daß hier das Bedürfnis nach Rechtssicherheit zu einem Analogieverbot führen muß, daß heißt zu einem Verbot, de lege lata eine ausfüllungsfähige Lücke anzunehmen.223 Eine analoge Anwendung des Art. 2 Abs. 3 FKVO auf marktbeherrschende Oligopole scheidet daher schon von vornherein mangels einer ausfüllungsfähigen Gesetzeslücke in der FKVO aus. Mit ihrer Bestimmung des Anwendungsbereichs der FKVO haben die europäischen Gerichte und die Kommission daher auch keine zulässige Rechtsfortbildung durch Analogieschluß vorgenommen. 224 In diesem Fall hätten die Gemeinschaftsorgane allein vom Instrument des Appells an den Gemeinschaftsgesetzgeber Gebrauch machen können, legislativ tätig zu werden und 220 Ossenbühl, DVB1. 1992, 993, 995. 221 Das der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil in der Sache Kali+Salz/Mdk/ Treuhand rechtssetzend tätig geworden ist und damit dem Gemeinschaftsgesetzgeber ein erneutes Tätigwerden erspart hat, scheint auch die Monopolkommission, Hauptgutachten 12, Tz. 469, bemerkt zu haben, bewertet dies aber positiv, indem sie feststellt, daß das Urteil des Gerichtshofs „eine entsprechende Änderung des Verordnungswortlautes ( . . . ) entbehrlich (macht)." 222 Vgl. allgemein Bleckmann, Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 1, 12; ders., Allgemeine Grundrechtslehren, S. 128. Dementsprechend lehnt auch die Kommission im Bereich des Steuerrechts Analogieschlüsse mit der Begründung ab, daß hier der Gesetzesvorbehalt eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage verlange; vgl. EuGH v. 23. 11. 1976 Rs. 28/76 Milac/Hauptzollamt Freiburg, Slg. 1976, 1639, 1659. 223 Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 61; Bleckmann, Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 41, 57; sowie zur entsprechenden innerstaatlichen Auffassung in Bezug auf Steuertatbestände, BVerfG v. 24. 1. 1962, BVerfGE 13, 318, 328. 224 Vgl. hierzu auch Ysewyn, In Competition 1998, 1, 2: „The policy considerations, valid as they may be, still beg the question whether, from a strictly legal perspective, the ECJ should not have taken a different point of view." 7*
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2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
die FKVO um einen Eingreiftatbestand auch für marktbeherrschende Oligopole zu erganzen.
225
VI. Zusammenfassung und Empfehlung Die Anwendbarkeit der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole ist eine der zentralen Fragen für die Rolle und die Effizienz der europäischen Fusionskontrolle. Nachdem die Kommission diese Problematik zunächst eine Zeitlang unbeachtet ließ, hat sie sich schließlich für eine Anwendung des Art. 2 Abs. 3 FKVO auch auf Fälle von Oligopolmarktbeherrschung entschieden. Der Europäische Gerichtshof und das Gericht erster Instanz haben sich dieser extensiven Auslegung der FKVO nunmehr angeschlossen. Die eher wettbewerbspolitischen Erwägungen der Gemeinschaftsorgane stehen allerdings im Widerspruch mit den gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen und können das gewünschte Ergebnis der Erfassung marktbeherrschender Oligopole in der europäischen Fusionskontrolle rechtsmethodisch nicht überzeugend herleiten. Wie die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO zeigt, bezieht sich der Wortlaut dieser Norm nur auf die beherrschende Stellung, die von einem am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen allein eingenommen wird, während die Möglichkeit, daß auch mehrere Unternehmen gemeinsam einen Markt beherrschen können, an keiner Stelle in der FKVO Erwähnung findet. Auch die Systematik der FKVO spricht entschieden gegen eine Erfassung der Oligopolmarktbeherrschung. So erklärt die Bagatellklausel des Erwägungsgrundes 15 FKVO die Entstehung einer Vielzahl wettbewerbsgefährdender Oligopolstrukturen für grundsätzlich vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt. Darüber hinaus ist die Ausgestaltung der Rechtsstellung außenstehender Unternehmen im Zusammenschlußverfahren der FKVO ausschließlich für Konstellationen möglicher Einzelmarktbeherrschung konzipiert, und die ausdrückliche Erfassung „mehrerer Unternehmen" in Art. 82 EGV erlaubt einen entsprechenden Umkehrschluß in Bezug auf die FKVO. Ein rechtsvergleichender Rückgriff auf mitgliedstaatliche Kartellrechtsordnungen liefert insoweit keine Anhaltspunkte für eine abweichende Interpretation, da die Rechtsfigur des marktbeherrschenden Oligopois als materielles Eingreifkriterium allein im GWB verwandt wird. Aussagekräftiger ist hingegen die Entstehungsgeschichte der FKVO, die darauf schließen läßt, daß aufgrund von Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten die Oligopolmarktbeherrschung in der FKVO bewußt ausgeklammert 225 Der Europäische Gerichtshof hat schon des öfteren von der Möglichkeit eines solchen Appells Gebrauch gemacht; vgl. EuGH v. 26. 4. 1972 Rs. 92/71 Interfood, Slg. 1972, 231, 242: „Es ist ( . . . ) nicht Sache des Gerichtshofs, ( . . . ) im Wege der Auslegung den Inhalt der ( . . . ) anwendbaren Vorschrift zu ändern, denn hierfür ist ausschließlich der Gemeinschaftsgesetzgeber zuständig"; EuGH v. 19. 10. 1977 Rs. 117/78 und 16/77 Ruckdeschel, Slg. 1977, 1753, 1771: „Die Rechtslage (ist) mit dem Gleicheitsgrundsatz unvereinbar ( . . . ) und es (ist) Sache der zuständigen Organe der Gemeinschaft ( . . . ) die zur Beseitigung der Unvereinbarkeit notwendigen Maßnahmen zu treffen ( . . . ) . "
VI. Zusammenfassung und Empfehlung
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wurde. Die hiergegen unter Hinweis auf die Zielsetzung der FKVO und Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV erhobenen teleologischen Bedenken vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV ist keine Generalklausel für die Schaffung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs sondern lediglich ein Rechtsprinzip, dem keine vorrangige Bedeutung vor den besonderen Normen des Gemeinschaftsrechts zukommt. Eine analoge Anwendung der FKVO auf marktbeherrschende Oligopole scheitert daran, daß diese insoweit keine ausfüllungsfähige Gesetzeslücke enthält. Insgesamt ist daher festzustellen, daß die Kommission mit Art. 2 Abs. 3 FKVO über keine ausreichende Rechtsgrundlage verfügt, um einen Unternehmenszusammenschluß für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, der zur Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung führt. Das ein solches Auslegungsergebnis in wettbewerbspolitischer Hinsicht höchst unbefriedigend ist, dürfte angesichts der wettbewerblichen Gefahren fortschreitender Unternehmenskonzentrationen in Oligopolmärkten unbestreitbar sein. Dies darf jedoch nicht dazu führen, daß die Kommission ohne ausreichende Kompetenz die Rolle eines Ersatzgesetzgebers einnimmt und eindeutige Regelungen voluntarisch umdeutet. Damit das Gemeinschaftsrecht seine Funktion als Ordnungsaufgabe nicht verliert und das Gesetz seine Rolle als primäre Regelung beibehält, sollte die Kommission die bestehende, unzureichende Rechtslage vielmehr zum Anlaß nehmen, dem Rat den Vorschlag zu unterbreiten, Art. 2 Abs. 3 FKVO dahingehend zu ändern, daß dieser auch auf marktbeherrschende Oligopole anwendbar ist. 2 2 6 Eine mögliche Neufassung des Art. 2 Abs. 3 FKVO könnte insoweit lauten: „Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung für ein Unternehmen allein oder für mehrere Unternehmen gemeinsam begründen oder verstärken, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, sind für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären."
Ungeachtet der fehlenden Rechtsgrundlage in der FKVO ist es mittlerweile zur ständigen Praxis der Kommission geworden, Unternehmenszusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht nur auf Einzelmarktbeherrschung, sondern auch auf eine mögliche Oligopolmarktbeherrschung hin zu untersuchen. 227 226 So im Ergebnis auch der Vorschlag von Generalanwalt Tesauro, Schlußanträge in der Sache Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998 I, 1381, Tz. 98 a.E. Unklar ist, warum die Kommission die Revision der FKVO im Jahre 1997 nicht zum Anlaß genommen hat, ihre Rechtspraxis gegenüber Oligopolen auf eine ausreichende normative Grundlage zu stellen. Insoweit liegt die Vermutung nahe, daß die Kommission den gegen einen solchen Änderungsvorschlag zu erwartenden Widerständen im Rat aus dem Weg gehen wollte und man das zu dieser Zeit noch laufende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in der Sache Kali + Salz nicht durch das indirekte Eingeständnis einer Gesetzeslücke in der FKVO vorentscheidend beeinflussen wollte. 227 Auch wenn die Frage der Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopolmarktbeherrschung in der Rechtspraxis verbreitet als ein „closed case" angesehen wird (vgl. Elter, World Competition 2000, 103, 108) ist gleichwohl zu berücksichtigen, daß eine Rechtsprechungsänderung durch den Gerichtshof in der Zukunft nicht völlig ausgeschlossen ist; vgl. grundsätzlich zu
102
2. Kap.: Die Anwendbarkeit der Fusionskontrollerordnung
Angesichts dessen ist es von erheblicher Bedeutung, welche Voraussetzungen überhaupt gegeben sein müssen, damit die Kommission einen Zusammenschluß mit der Begründung untersagen kann, daß dadurch ein marktbeherrschendes Oligopol entsteht oder verstärkt wird. Bevor jedoch dieser Frage nachgegangen werden kann, ist zunächst allgemein zu klären, welcher Bedeutungsinhalt dem Begriff der Marktbeherrschung in der europäischen Fusionskontrolle zukommt.
dieser Möglichkeit EuGH v. 17. 10. 1990 Rs. C-10/89 SA CNL-SUCALNV/HAG GFAG, Slg. 1990 I, 3711, Tz. 10 sowie Hartley, The Foundations of the European Community Law, S. 76.
3. Kapitel
Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung in der europäischen Fusionskontrolle Marktbeherrschung ist der zentrale Begriff für die materiellrechtliche Beurteilung von Zusammenschlüssen in der europäischen Fusionskontrolle. Nach Art. 2 Abs. 3 FKVO kann ein Zusammenschluß nur dann für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden, wenn durch ihn eine „beherrschende Stellung" begründet oder verstärkt wird. 1 Im Gegensatz zu Art. 66 § 7 EGKS-Vertrag und § 19 Abs. 2 GWB enthält die FKVO jedoch keine Definition des Begriffs der beherrschenden Stellung, sondern setzt dessen Bedeutung vielmehr voraus. Allerdings wird der Begriff der beherrschenden Stellung auch im Tatbestand des Art. 82 Satz 1 EGV verwendet. Nach dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts sind nun gleichlautende Begriffe im Rahmen des gleichen Rechtsbereichs grundsätzlich übereinstimmend auszulegen.2 Da sowohl Art. 82 Satz 1 EGV als auch Art. 2 Abs. 3 FKVO insoweit gleichlautende Rechtsbegriffe verwenden und beide Vorschriften dem in Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV normierten Ziel der Errichtung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs dienen, können die von der Rechtsprechung und der Kommission entwickelten Grundsätze zur beherrschenden Stellung im Rahmen des Art. 82 EGV nach allgemeiner Ansicht auch zur Auslegung des zentralen Eingreifkriteriums der FKVO mit herangezogen werden.3
1 Der Terminus „beherrschende Stellung" wird im allgemeinen synonym mit dem Begriff der „marktbeherrschenden Stellung" gebraucht, vgl. Kommission, Das Problem der Unternehmenskonzentration im Gemeinsamen Markt, S. 25; dies., 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III S. 406; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 14 f. 2 Vgl. EuGH v. 10. 1. 1980 Rs. 69/79 Jordens-Vosters/Bedrijfsvereniging, Slg. 1980, 75, 83 f.; Bleckmann, Europarecht, RdNr. 552; Oppermann, Europarecht, RdNr. 688. 3 Vgl. Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III, S. 406; Brittan, ELR 1990, 351, 352; Glynn, Antitrust Law Journal 59 (1990), 237, 240; Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 139; Venit, CMLR 1990, 7, 20 f.; Niemeyer, Die Europäische Fusionskontrollverordnung, S. 21; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1.; Fox, Fordham Corporate Law Institute 1991, 709, 741, Koch in Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, nach Art. 86 RdNr. 29; Schröter in Groeben / Thiesing / Ehlermann (4. Aufl.), Art. 87 RdNr. 268; Weitbrecht, EuZW 1990, 18, 19; Löffler in Langen /Bunte, Art. 2 FKVO RdNr. 41; a.A. nur Krimphove, Europäische Fusionskontrolle S. 289; Rohling, ZIP 1990, 1179, 1181.
104
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
I. Der Marktbeherrschungsbegriff des Art. 82 EGV als Ausgangspunkt Nachdem der Gemeinschaftsgesetzgeber auch in Art. 82 Satz 1 EGV auf eine gesetzliche Definition der beherrschenden Stellung verzichtet hat, um den Gemeinschaftsorganen eine dynamische Anpassung an die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu ermöglichen, 4 oblag die Herausarbeitung einer an allgemeinen Gesichtspunkten orientierten Begriffsbestimmung der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs und der Kommission. Obwohl sich bei beiden Gemeinschaftsorganen in der Anfangsphase zunächst unterschiedliche Akzentuierungen zeigten, hat sich mittlerweile eine gemeinsame Linie mit einem einheitlichen Verständnis der beherrschenden Stellung im Sinne des Art. 82 EGV durchgesetzt. Nach der inzwischen zur Standardformel gewordenen Definition ist damit nunmehr die „wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten." 5
Die als Marktbeherrschung zu bezeichnende wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens besteht demnach aus zwei Elementen. Ausgangspunkt ist die Fähigkeit bzw. wirtschaftliche Potenz eines Unternehmens zu einem unabhängigen Marktverhalten. In einem wettbewerblich orientierten Marktgeschehen kann ein derartiger Verhaltensspielraum nur auf dem Fehlen wirksamen Wettbewerbs beruhen.6 Denn wäre ein solcher vorhanden, so würde er den freien, das heißt ohne 4
Vgl. Mailänder in Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), Art. 86 RdNr. 16; Schröter in Groeben /Thiesing /Ehlermann, Art. 86 RdNr. 51. 5 EuGH v. 14. 2. 1978 Rs. 27/76 United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, 286; v. 13. 2. 1979 Rs. 85/76 Hoffinann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 520; v. 11. 12. 1980 Rs. 31/80 L'Oréal, Slg. 1980, 3775, 3793; v. 9. 11. 1983 Rs. 31/80 NBI Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, 3503; v. 5. 10. 1988 Alsatel/Novasam, Slg. 1988, 5987, 6008; EuG v. 10. 7. 1991 Rs. T-70/89 BBC/Kommission, Slg. 1991 II, 538, 561; v. 6. 10. 1994 Rs. T-83/91 Tetra Pack/Kommission, Slg. 1994 II, 755, 811 ff.; Komission v. 14. 12. 1985 Akzo, ABl. 1985 L 374/1; v. 22. 12. 1987 Hilti, ABl. 1988 L 65/19, 34 f.; v. 24. 7. 1991 Tetra Pack II, ABl. 1992, L 72/1, 19 ff. Diese Definiton entspricht mit dem Merkmal der Unabhängigkeit im Marktverhalten weitgehend der zu § 19 Abs. 2 GWB allgemein vertretenen Auffassung, wonach eine beherrschende Stellung einen „vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum" erfordere, vgl. BGH WuW/E BGH 1533, 1535 Erdgas Schwaben; BGH WuW/E BGH 2575, 2580 Kampffmeyer-Plange; Monopolkommission, Hauptgutachten 6, Tz. 447; Bechtold, Das neue Kartellrecht, § 22 Abs. 1 - 3 Anm. 4.a); Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 53 m. w. N. Im folgenden werden daher die Termini „Fähigkeit zu unabhängigen Verhalten" und „nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum" synonym verwandt. 6 Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14, bezeichnet daher das Fehlen wirksamen Wettbewerbs treffend als die Kehrseite der Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten.
I. Der Marktbeherrschungsbegriff des Art. 82 EGV als Ausgangspunkt
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Rücksicht auf die übrigen Marktteilnehmer erfolgenden Einsatz der Aktionsparameter durch den Marktbeherrscher begrenzen. Aufbauend auf diesem Grundelement muß ein beherrschendes Unternehmen nach der Definition zudem noch die Fähigkeit besitzen, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs zu verhindern. Genauso wie für das Element des freien Verhaltensspielraums ist es jedoch nicht erforderlich, daß ein Unternehmen dieses Wettbewerbsverhinderungspotential tatsächlich einsetzt. Vielmehr soll bereits die abstrakte Fähigkeit zur Verhinderung des Wettbewerbs für das Vorliegen dieses Elementes ausreichen.7 Das Verhältnis dieser beiden Definitionselemente zueinander ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. In der uneinheitlichen Entscheidungspraxis wird teilweise nur auf die Möglichkeit zu einem unabhängigen Verhalten bzw. auf fehlenden oder schwachen Wettbewerb abgestellt oder es wird neben dem erheblichen Verhaltensspielraum auch auf das Wettbewerbsverhinderungspotential der untersuchten Unternehmen verwiesen.8 Meist kommt es jedoch zu einer Vermengung beider Gesichtspunkte, indem nicht deutlich zwischen der Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten einerseits und dem Wettbewerbsverhinderungspotential andererseits unterschieden wird. 9 In der Literatur wird daher problematisiert, ob die beiden Definitionselemente lediglich zwei Aspekte desselben Begriffs von Marktmacht kennzeichnen oder ob es sich hierbei um zwei grundverschiedene konzeptionelle Ansätze handelt. 10 Dabei konzentriert sich die Diskussion im wesentlichen auf die Frage, wem gegenüber der erweiterte Verhaltensspielraum des Marktbeherrschers bestehen muß. Als mögliche Marktteilnehmer, von denen sich ein marktbeherrschendes Unternehmen unabhängig verhalten kann, kommen sowohl die Marktgegenseite, das heißt Anbieter oder Nachfrager auf vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufen als auch dessen Konkurrenten in Betracht. In der Literatur bestehen bezüglich der maßgeblichen Richtung des Verhaltensspielraums unterschiedliche Auffassungen.
7
In ihrer frühen Verwaltungspraxis stellte die Kommission hingegen primär auf die aus dem freien Verhaltensspielraum resultierende Preisbestimmungsmacht ab. In der Entscheidung v. 9. 12. 1971 Continental Can, ABl. 1972 L 7/25, 35, wollte sie die beherrschende Stellung von Unternehmen noch dadurch definieren, daß diese „Raum für unabhängige Verhaltensweisen haben, der sie in die Lage versetzt, ohne große Rücksichten auf Wettbewerber, Abnehmer oder Lieferanten zu handeln. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie aufgrund ihres Marktanteils in Verbindung insbesondere mit der Verfügbarkeit von technischem Wissen, Rohstoffen oder Kapital die Möglichkeit haben, für einen bedeutenden Teil der betreffenden Erzeugnisse die Preise zu bestimmen oder die Produktion oder die Verteilung zu kontrollieren." Demgegenüber legte der Gerichtshof das Gewicht in seinen vor der einheitlichen Auslegungspraxis liegenden Entscheidungen auf die Fähigkeit zur Verhinderung wirksamen Wettbewerbs, vgl. EuGH v. 18. 2. 1971 Rs. 40/70 Sirena/Eda u.a., Slg. 1971, 69, 84. 8 Vgl. EuGH v. 10. 7. 1991 Rs. T-70/89 BBC/Kommission, Slg. 1991 II, 535, 561; v. 11. 11. 1986 Rs. 226/84 British Leyland/Kommission, Slg. 1986, 3263, 3299 f. 9 Vgl. EuGH v. 14. 2. 1978 Rs. 21 ! 16 United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, 290 ff.; v. 9. 11. 1983 Rs. 322/81 NBI Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, 3511; v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40-48, 50, 54-56, 111, 113, 114/73 Suiker Unie /Kommission, Slg. 1975, 1663, 1996, 2013. 10 Vgl. Koch, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14 f.
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3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung 1. Die unterschiedlichen Auffassungen zur Richtung des Verhaltensspielraums
Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß es für die Feststellung von Marktbeherrschung ausschließlich auf das Bestehen unkontrollierter Verhaltensspielräume eines Unternehmens im vertikalen Verhältnis zur Marktgegenseite ankommen soll. 11 Insoweit müsse grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlich ausgerichteten Verhaltensspielräumen, einem wettbewerbsabhängigen und einem nicht wettbewerbsabhängigen, differenziert werden. 12 Bei bestehendem Wettbewerb werde der Verhaltensspielraum eines Unternehmens durch die Beweglichkeit der Nachfrage eingeschränkt, da ein Teil der Marktpartner bei für sie ungünstigen Verhaltensänderungen des Anbieters auf dessen Konkurrenten ausweichen werde. Bei Abwesenheit von Wettbewerb fehle es allerdings an ausreichenden Wahl- und Ausweichmöglichkeiten, so daß dem Marktbeherrscher für die Marktpartner ungünstige Verhaltensweisen wie Preiserhöhungen oder Qualitätsverschlechterungen möglich seien. Der in dieser Situation gegenüber den Marktpartnern bestehende, für diese ungünstige, Verhaltensspielraum wird insoweit als wettbewerbsabhängig bezeichnet. 13 Diese Macht gegenüber der Marktgegenseite berücksichtige die Definition von Gerichtshof und Kommission zutreffend mit dem Kriterium der „Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten". 14 Für die Marktpartner günstig sei jedoch ein gegenüber den Konkurrenten bestehender Verhaltensspielraum, der es einem Unternehmen aufgrund seiner Wettbewerbsfähigkeit und Finanzkraft erlaube, Angebotsverbesserungen vorzunehmen. 15 Dieser Verhaltensspielraum wird als nicht wettbewerbsabhängig bezeichnet, da er nicht durch die Elastizität der Nachfrage kontrolliert werde. Das zweite Element der Definition, die „Möglichkeit zur Verhinderung wirksamen Wettbewerbs", beschreibe diese horizontale Macht gegenüber Konkurrenten. Auf der Grundlage ihres vertikalen Marktmachtmodells kommt diese Ansicht zu der Schlußfolgerung, daß es für die Frage nach der beherrschenden Stellung eines Unternehmens einzig auf den wettbewerbsabhängigen Verhaltens11 Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle, S. 75 ff.; ders., in: Festschrift für Sölter, 217, 224 ff.; ders., BB 1991, 219, 220 ff.; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 240 f.; Säcker, BB 1988,416,423; Marko, Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, S. 51 ff.; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. II 1. c); Koch, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14 f.; Horspool/Kora, Antitrust Bulletin 37 (1992), 337, 363 f. 12 Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle, S. 75 ff.; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 240 f.; Marko, Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, S. 51 ff.; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1. c). 13 Knöpfte, BB 1983, 1421 f.; ders., BB 1991, 219, 221; Koch, in: Granitz/Hilf, EUV/ EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14 f.; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1. c).
14 Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14; Marko, Die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, S. 51. 15 Knöpfte, BB 1983, 1421 f.; ders., BB 1991, 219, 221; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1. c).
I. Der Marktbeheschungsbegriff des Art. 82 EGV als Ausgangspunkt
107
Spielraum ankommen könne. 16 Ein gleichzeitiges Abstellen auch auf den nicht wettbewerbsabhängigen Verhaltensspielraum führe hingegen zu einem Schutz der Konkurrenten vor überlegener Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, die aber gerade den Verbrauchern zugute komme. 17 Die undifferenzierte Vermischung des Merkmals Möglichkeit zu unabhängigem Verhalten mit dem Wettbewerbsverhinderungspotential in der Definition des Europäischen Gerichtshofs wird von dieser Ansicht daher als dogmatisch verfehlt abgelehnt.18 Nach anderer Auffassung soll eine marktbeherrschende Stellung immer nur das Bestehen eines Verhaltensspielraums des Marktbeherrschers gegenüber seinen Wettbewerbern, also im „Horizontalverhältnis", erfordern. 19 Ob ein solcher Spielraum auch im „Vertikalverhältnis" zur Marktgegenseite bestehe, sei hingegen für die Feststellung von Marktbeherrschung unerheblich. Besitze ein Unternehmen Macht gegenüber den Marktpartnern, so sei dies vielmehr die Folge eines Verhaltensspielraums gegenüber seinen Wettbewerbern. 20 Die Feststellung eines Machtgefälles zwischen einem Unternehmen und seinen Marktpartnern soll danach allenfalls ein Indiz dafür sein, daß dieses Unternehmen die für die Marktbeherrschung erforderliche Unabhängigkeit von seinen Wettbewerbern habe. Schließlich bedeute die alleinige Berücksichtigung der Macht gegenüber der Marktgegenseite, daß man das Risiko in Kauf nehme, auch Unternehmen mit nur relativer Marktmacht zu Marktbeherrschern zu erklären. 21 Die überwiegende Meinung und wohl auch die Kommission gehen hingegen davon aus, daß der die Marktmacht bestimmende Verhaltensspielraum nur einheitlich gegenüber den Wettbewerbern und den Marktpartnern bestehen könne. 22 Die Dif16 Knöpfte, in: Festschrift für Sölter, 217, 233 ff.; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89 Art. 2 Anm. I I 1. c). 17 Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle, S. 76; ders., DB 1983,430 ff.
ι» Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1. c); Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 15 f. 19 Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 128 f.; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 217 ff.; Ramrath, Die „überragende Marktstellung" als Merkmal der Fusionskontrolle, S. 64; Hölzer/Satzky, Wettbewerbsverzerrungen durch nachfragemächtige Handelsunternehmen, S. 84. 20 Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 128. 21 Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 131. 22 Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 16; Kleinmann/ Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 108; Bechtold, Das neue Kartellrecht § 22 Abs. 1 - 3 Anm. 5 a); Möschel, Schwerpunkte des Kartellrechts 1984/85, 1, 7 f.; Bach, WuW 1993, 804, 807; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 111; Gleiss/Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Art. 86 RdNr. 30; Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 86 RdNr. 60 ff.; Schulte, Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach Art. 86 EWGV, S. 32 ff.; Kommission v. 17. 5. 1991 I V / M. 42 Alcatell/Telettra, ABl. 1991 L 122/48, 48 f.; v. 2. 10. 1991 I V / M . 053 AérospatialeAlenia/de Havilland, ABl. 1991 L 334/42 Tz. 34, 43; 72; v. 19. 7. 1991 IV/M.068 Tetra Pak/Alfa-Laval, WuW/EV 1644, 1649 f.; Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, S. 40.
108
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
ferenzierung zwischen der Macht gegenüber den Marktpartnern und gegenüber Konkurrenten gehe danach von der unrichtigen Prämisse aus, der Verhaltensspielraum könne in beide Richtungen verschieden groß sein. Berücksichtige man allein den Verhaltensspielraum gegenüber der Marktgegenseite, so sei Marktbeherrschung immer dann zu verneinen, wenn mächtige Nachfrager oder ausreichende Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Abnehmer vorhanden seien. Da sich in einer solchen Situation aber auch alle Wettbewerber gezwungenermaßen wettbewerblich verhalten müßten, liege hier auch gegenüber den Mitbewerbern kein unkontrollierter Verhaltensspielraum vor. Kein anderes Ergebnis ergebe sich, wenn man einzig auf das Verhältnis zu den Mitbewerbern abstelle und das in einer solchen Situation bestehende wettbewerbliche Spannungsverhältnis betone. Werde der Verhaltensspielraum eines Unternehmens durch die Mitbewerber eingeengt, so bestehe ein solcher auch nicht im Verhältnis zur Marktgegenseite. Sind die Konkurrenten dagegen nicht in der Lage, den Verhaltensspielraum eines Unternehmens zu kontrollieren, so bestünden ihnen gegenüber dennoch keine einseitigen Handlungsmöglichkeiten, solange und soweit die Marktgegenseite ein wettbewerbliches Handeln erzwinge. 23
2. Stellungnahme
Die Beantwortung der Frage nach der Richtung des Verhaltensspielraums hängt entscheidend davon ab, ob ein Unternehmen überhaupt über qualitativ und quantitativ unterschiedliche Verhaltensspielräume in bezug auf die verschiedenen Marktteilnehmer verfügen kann. Eine dauerhafte Behinderung der Ausweich- und Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite auf die Wettbewerber eines beherrschenden Unternehmens ist nur dann denkbar, wenn diese Wettbewerber ihrerseits machtlos und unfähig sind, um in die Marktstellung des beherrschenden Unternehmens einzudringen. Andererseits fehlt es immer dann an einem übermäßigen Verhaltensspielraum gegenüber Wettbewerbern, wenn die Marktgegenseite genügend Wettbewerbsdruck ausübt. Hat ein Unternehmen dagegen Macht über seine Konkurrenten, so bedeutet dies, daß es diesen gegenüber auch die Fähigkeit zu Behinderungsund Verdrängungsstrategien besitzt. Mit solchen Verhaltensweisen ist es dem beherrschenden Unternehmen aber möglich, eine Reduzierung der Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite herbeizuführen und damit auch im Vertikalverhältnis einen überragenden Verhaltensspielraum zu erlangen. Zwischen dem Parallel- und dem Vertikalverhältnis besteht daher ein innerer Beziehungszusammenhang, der sowohl eine qualitative wie auch eine quantitative Aufspaltung verbietet. Stellt man dagegen ausschließlich auf einen „wettbewerbsabhängigen" Verhaltensspielraum und damit nur auf den Austauschprozeß ab, so beugt man nur der 23
Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 111; Bach, WuW 1993, 804, 807.
I. Der Marktbeherrschungsbegriff des Art. 82 EGV als Ausgangspunkt
109
(mißbräuchlichen) Ausbeutung der Marktgegenseite vor. Darauf beschränkt sich aber weder der Zweck einer Marktstrukturkontrolle noch der einer nachträglichen Mißbrauchsaufsicht. Ziel der Wettbewerbsregeln des EGV und auch der FKVO ist es, den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen (Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV). Im Rahmen der Errichtung dieses Systems unverfälschten Wettbewerbs dient Art. 82 EGV nicht nur dem Schutz der Geschäftspartner eines Marktbeherrschers und der Verbraucher. Vielmehr bezwecken Marktstruktur- und Marktverhaltenskontrolle gerade auch den Schutz der Individualinteressen der auf gleicher Produktionsstufe mit dem Marktbeherrscher stehenden Unternehmen, insbesondere ihre Freiheit, zu Lasten des beherrschenden Unternehmens wettbewerbliche Vorstöße vorzunehmen oder es durch ihre eigene Leistungsfähigkeit zu eigenen Vorstößen zu veranlassen.24 Gerade die Systematik des Art. 82 Satz 2 EGV verdeutlicht, daß das Aufgreifkriterium „beherrschende Stellung" nicht nur die Fähigkeit zur Ausbeutung im Austauschprozeß, sondern auch zur Behinderung im Parallelverhältnis zu erfassen sucht.25 So verbietet diese Vorschrift sowohl die Marktgegenseite betreffende Preis- und Konditionenmißbräuche (Art. 82 Satz 2 lit. a) EGV) als auch Handlungen beherrschender Unternehmen, die der direkten oder indirekten Behinderung ihrer Konkurrenten dienen, wie Kampfpreisunterbietungen, Diskriminierungen (Art. 82 Satz 2 lit. c) EGV), Ausschließlichkeitsbindungen und Kopplungspraktiken (Art. 82 Satz 2 lit. d) EGV). 2 6 Auch eine einseitige Ausrichtung des Marktbeherrschungsbegriffs der FKVO kann nicht dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers entsprochen haben. Dafür spricht schon, daß Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO mit den „Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer" und den „Interessen der Zwischen- und Endverbraucher" zum einen Kriterien erwähnt, die den „wettbewerbsabhängigen" Verhaltensspielraum gegenüber der Marktgegenseite betreffen. Andererseits hat die Kommission aber auch die „wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten Unternehmen" zu berücksichtigen, die wiederum den „nicht wettbewerbsabhängigen" Verhaltensspielraum gegenüber den Konkurrenten betreffen. 27 24 Vgl. EuGH v. 26. 6. 1980 Rs. 136/79, National Panasonic, Slg. 1980, 2033, 2057; v. 11. 4. 1989 Rs. 66/86, Ahmed Saeed Flugreisen /ΖΒΨ, Slg. 1989, 838, 850, Tz. 42 f.; Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 86 RdNr. 25; Bunte, in: Langen /Bunte, Einf. EG-KartellR RdNr. 39; Dirksen, in: Langen/Bunte, Art. 82 RdNr. 12 f.; Schlieder/ Schröter, in: Cox/Jens/Markert, Handbuch des Wettbewerbs, 485,499. 25 Vgl. zur Differenzierung zwischen den Fallgruppen des Ausbeutungs- und Behinderungsmißbrauchs Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 86 RdNr. 134 ff.; Gleiss/ Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Art. 86 RdNr. 52. 26 Der Gerichtshof hat zur Fallgruppe des Behinderungsmißbrauchs festgestellt, „daß Art. 86 EWGV es einem beherrschenden Unternehmen verbietet, einen Mitbewerber zu verdrängen und auf diese Weise die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen des Leistungswettbewerbs greift"; vgl. EuGH v. 3. 7. 1991 Rs. C-62/86, AKZO/ Kommission, Slg. 1991 1, 3359, 3455, Tz. 70. 27 Die Analyse nur der Ausweichmöglichkeiten im Austauschprozeß vernachlässigt zudem die gesamtwirtschaftlich wirkende Steuerungsfunktion des Wettbewerbs, die die Freiheit jedes Marktteilnehrmers durch die Freiheitsausübung der anderen begrenzt und so, wenn die
110
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
Eine eindimensionale Ausrichtung des Marktbeherrschungsbegriffs entweder nur auf die Marktgegenseite oder auf die Konkurrenten vermag wettbewerbspolitisch nicht zu überzeugen und widerspricht sowohl dem Schutzzweck der Mißbrauchsaufsicht des Art. 82 EGV als auch der FKVO. Bei den Merkmalen der Verhinderung wirksamen Wettbewerbs und der Fähigkeit zu unabhängigem Verhalten handelt es sich demnach keineswegs um verschiedene Konzeptionen der beherrschenden Stellung, sondern vielmehr um unterschiedliche Aspekte desselben Phänomens Marktmacht, nämlich des Vorliegens eines übermäßigen, vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraums eines Unternehmens gegenüber allen Marktteilnehmern. Ein Unternehmen, das sich weitgehend unabhängig verhalten kann, ohne auf die anderen Marktteilnehmer Rücksicht nehmen zu müssen, hat damit stets auch die Möglichkeit, wirksamen Wettbewerb zu verhindern. Die Macht gegenüber den Konkurrenten und die Macht gegenüber der Marktgegenseite sind danach nur zwei Aspekte desselben Tatbestandes, so daß ein Unternehmen immer nur dann marktbeherrschend ist, wenn es sich gegenüber allen Marktteilnehmern unabhängig verhalten kann. 28 Dieses grundlegende Verständnis vom Inhalt der Marktbeherrschung soll nun Ausgangspunkt für die Interpretation der marktbeherrschenden Stellung in der FKVO sein.
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO Angesichts der Einbettung der FKVO in das System unverfälschten Wettbewerbs nach Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV und dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts wird allgemein davon ausgegangen, daß auch im Rahmen der FKVO der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung in einem vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten Verhaltensspielraum besteht.29 Die Kommission stellte insoweit in ihrem 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik ausdrücklich fest, daß sie in ihren Entscheidungen „im wesentlichen der vom Gerichtshof für die Anwendung von Artikel 86 gegebenen Definition einer beherrschenden Stellung" folgt, indem sie die „Möglichkeit eines von den Wettbewerbern und den Verbrauchern unabhängigen Verhaltens" prüft. 30 Mit der Übernahme Marktbeteiligten ihren eigenen Vorteil wahren wollen, im Parallelprozeß zu einem sowohl für die Marktgegenseite günstigen wie typischerweise gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Verhalten zwingt. 28 So im Ergebnis auch Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 86 RdNr. 67; Samkalden/Druker, CMLR 1965/66, 158, 175. 29 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 15 f; Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 23 f.; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 226 f.; Kögel, Die Angleichung der deutschen an die europäische Fusionskontrolle, S. 116 f.; Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. I I 1.; Nordemann, Gegenmacht und Fusionskontrolle, S. 56. 30 21. Bericht übr die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III, S. 406 sowie Kommission v. 2. 10. 1991 I V / M . 053 Aérospatiale -Alenia/de Havilland, ABl. 1991 L 334/42, Tz. 34,
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
111
des für die Mißbrauchsaufsicht entwickelten Marktbeherrschungsbegriffs in die Fusionskontrolle besteht eine formale Identität des Marktbeherrschungsbegriffs in beiden Anwendungsbereichen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß es sich beim Merkmal Marktbeherrschung um einen normativen Zweckbegriff handelt, der in verschiedenen Bezugssystemen differenziert verstanden werden kann. 31 Modifikationen und eine gewisse Selbständigkeit des Marktbeherrschungsbegriffs in der FKVO können sich dabei insbesondere aufgrund der funktionalen Unterschieden zwischen Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle ergeben.
1. Unterschiede zwischen Marktbeherrschung im Rahmen der Fusionskontrolle und der Mißbrauchsaufsicht
Unterschiede bei der Konkretisierung des Marktbeherrschungsbegriffs im Sinne der FKVO und des Art. 82 EGV ergeben sich zunächst aus den verschiedenen Zielsetzungen und Funktionsweisen einer strukturell angelegten Fusionskontrolle einerseits und einer Mißbrauchsaufsicht als Verhaltenskontrolle andererseits. 32 Die Mißbrauchsaufsicht des Art. 82 EGV dient der Kontrolle einzelner, in der Vergangenheit liegender wettbewerbsschädlicher Verhaltensweisen marktmächtiger Unternehmen. Bei der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung ist hier auf deren Vorhandensein in der Vergangenheit abzustellen, wobei sich die Kommission bei der Beurteilung der Marktverhältnisse und der Position des betreffenden Unternehmens auf objektiv feststellbare Fakten verlassen kann. Darüber hinaus haben Mißbrauchsfälle ihren Ausgangspunkt nicht losgelöst bei irgendwelchen abstrakten Überlegungen zur Marktbeherrschung, sondern setzen vielmehr umgekehrt an Verhaltensweisen an, die unter Wettbewerbsgesichtspunkten mißbräuchlich erscheinen und ihrerseits regelmäßig schon Ausdruck eines erheblichen wettbewerblichen Verhaltensspielraums sind. 33 Dementsprechend liegt es nahe, für die Bestimmung der Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 82 EGV an den durch konkretes Verhalten dokumentierten Verhaltensspielräumen anzusetzen, so daß in der Praxis häufig bereits von mißbräuchlichen Verhaltensweisen auf das Vorliegen einer beherrschenden Stellung geschlossen wird. 34 43; 72; v. 25. 2. 1991 I V / M . 017 Aéorospatiale/MBB, WuW/E EV 1587, Tz. 26; v. 23. 3. 1992 I V / M . 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829, Tz. 16. 31 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 17; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 220 f.; Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 25. 32 So auch Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 837 - 842; v. Gamm, Kartellrecht, Einführung A RdNr. 30 ff.; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionkontrolle § 22 RdNr. 23 ff.; a.A. Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 180 ff. der für eine Begriffsidentität eintritt. 33 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 20; Emmerich, ZHR 140 (1976), 97, 107. M Vgl. Rieger, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 48), § 36 RdNr. 66 m. w. N.; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 120 für das deutsche Recht.
112
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
Der Zweck der FKVO besteht demgegenüber darin, die Entstehung oder weitere Verfestigung von Marktstrukturen zu verhindern, in denen die Möglichkeit wettbewerblichen Handelns und der Anreiz hierzu voraussichtlich eingeschränkt sind. Sie ist darauf gerichtet, die Entstehung oder Verstärkung einer von Art. 82 EGV vorausgesetzten Marktstellung zu verhindern, die vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrolliert wird. Damit erfordert die Fusionskontrolle eine Prognoseentscheidung über die langfristigen Wirkungen, die von einem Zusammenschluß auf die weitere Entwicklung der Wettbewerbsbedingungen und der Marktstellung der beteiligten Unternehmen ausgehen. Es kommt somit entscheidend auf die Ermittlung von künftigen Verhaltensspielräumen an, die für eine neue Unternehmenseinheit eröffnet werden. Aus dieser Prognosenotwendigkeit folgt ein vorrangige Berücksichtigung der Marktstruktur, da allein diese für den Fortbestand vorgefundenen Verhaltens als auch für mögliches künftiges Verhalten verläßliche Hinweise geben kann. 35 Welches Verhalten zukünftig auf dem Markt zu beobachten sein wird, kann unter der Berücksichtigung rationalen Verhaltens - wenn überhaupt nur bei Berücksichtigung solcher Faktoren erklärt werden, die die Unternehmen bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen haben. Diese Faktoren ergeben sich aber vorrangig aus der Marktstruktur und aus dem vergangenen Marktverhalten nur insoweit, als dieses die Möglichkeiten zukünftigen Verhaltens beschränkt, sich also in der künftigen Marktstruktur niederschlägt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß sich die Unterschiede zwischen Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle bei der Marktbeherrschung weniger auf den Ermittlungsgegenstand, den erheblichen Verhaltensspielraum, als vielmehr auf die bei dessen Ermittlung heranzuziehenden Bestimmungsgrößen und deren unterschiedliche Gewichtung beziehen.
2. Das Merkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung
Neben den Unterschieden in Zweck und Funktionsweise scheint sich eine weiterreichende Selbständigkeit des Marktbeherrschungsbegriffs in der FKVO auch aus dem Normtext des Art. 2 Abs. 3 FKVO zu ergeben, da dieser zusätzlich zur beherrschenden Stellung ein Merkmal aufweist, das im Tatbestand des Art. 82 EGV nicht enthalten ist. So reicht es für die Untersagung eines Zusammenschlusses nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 3 FKVO nicht schon aus, daß dieser zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung führt. Vielmehr verlangt diese Norm als zusätzliches Erfordernis, daß durch die beherrschende Stel35 Vgl. Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III, S. 406 f.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 2 ff.; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 221; Goyder, EC Competition Law, S. 399 f.; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 120; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 11 ; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 838; Paetow /Tonner, WuW 1984, 781, 784 ff.; Schultz, WuW 1981, 102.
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
113
lung „wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird." Insoweit stellt sich die Frage, ob dem Merkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung eine eigenständige tatbestandliche Bedeutung im Rahmen der Eingriffsvoraussetzungen der FKVO zukommt und sich damit das bisher aus Art. 82 EGV gewonnene Verständnis vom Inhalt der Marktbeherrschung verändert.
a) Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung
als Verhaltenskriterium
Das Merkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung könnte zunächst als Verhaltenskriterium interpretiert werden, das die Kommission zur verstärkten Berücksichtigung von Verhaltensaspekten neben den sonst im Vordergrund stehenden Marktstrukturerwägungen verpflichtet. 36 Problematisch ist dabei vor allem, daß aus dem Verhalten von Unternehmen nur auf die vergangenen oder noch gegenwärtigen Wettbewerbsverhältnisse geschlossen werden kann, während eine sichere Prognose über das zukünftige Verhalten und mögliche Verhaltensspielräume nicht möglich ist. 37 Wie bereits festgestellt, kann es daher bei der Fusionskontrolle primär nur auf die qualitative Veränderung der Marktstruktur ankommen.38 Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber tatsächlich eine stärkere Berücksichtigung von Verhaltensaspekten normieren wollen, so wäre der systematisch korrekte Standort hierfür im Rahmen der Beurteilungskriterien des Art. 2 Abs. 1 lit. a) und b) FKVO gewesen und nicht erst beim nachzuweisenden Eingreifkriterium des Art. 2 Abs. 3 FKVO.
b) Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung
als Abwägungskriterium
Vereinzelt wird dem zweiten Kriterium des Art. 2 Abs. 3 FKVO entnommen, daß die FKVO das bloße Entstehen oder die Verstärkung einer beherrschenden Stellung nicht als ausreichend für die Untersagung eines Zusammenschlusses ansehe.39 Der in einer beherrschenden Stellung liegende erweiterte wettbewerbliche 36 Benisch WuW 1990, 218; Janicki, WuW 1990, 195, 198 und Emmerich, Kartellrecht (6. Aufl.), S. 615, anders aber nunmehr ders., Kartellrecht (9. Aufl.), S. 472 (Behinderungsklausel als zeitliches Kriterium). 37 Vgl. eingehend zur Problematik der Berücksichtigung von Verhaltensaspekten in einer Strukturkontrolle, Monopolkommission, Hauptgutachten 6, Tz. 445. 38 Für eine eng an der Wetbewerbsstruktur der Märkte orientierte Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO sprechen auch die Erwägungsgründe. Nach Erwägungsgrund 7 FKVO dient die FKVO als Rechtsinstrument zur Kontrolle der Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf die Wettbewerbsstruktur, während sie nach Erwägungsgrund 9 FKVO insbesondere die bedeutsamen grenzüberschreitenden Strukturveränderungen erfassen soll. 39 Vgl. Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. III. 1. d); Weitbrecht, EuZW 1990,18, 20; ähnlich Block, WSI-Mitteilungen 45 (1992), 24, 30. 8 Hahn
114
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
Verhaltensspielraum sei immer erst dann wettbewerbsschädlich, wenn er auch zum Nachteil der Marktpartner ausgenutzt werde. Da sich jedoch über die Wahrscheinlichkeit eines Mißbrauchs keine Aussage treffen lasse, könne die FKVO nur an den etwaigen Folgen einer unterstellten mißbräuchlichen Ausnutzung anknüpfen. 40 Aufgrund des in einer Zusammenschlußuntersagung liegenden schwerwiegenden Eingriffs in Freiheit und Eigentum der beteiligten Unternehmen müsse sich der Eingreiftatbestand der FKVO auf jene Fälle beschränken, in denen die gesamtwirtschaftlichen Nachteile einer mißbräuchlichen Ausnutzung unerträglich groß seien, so daß die nachträgliche Mißbrauchsaufsicht diese Nachteile nicht hinreichend kompensieren könne. Das Merkmal der „erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs" beschreibe dieses kritische Maß der Erweiterung des Verhaltensspielraums und habe daher die Bedeutung einer Abwägungsklausel. In deren Rahmen sei eine Abwägung zwischen den mit dem Zusammenschluß verbundenen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen und den etwaigen Folgen einer mißbräuchlichen Ausnutzung der entstehenden oder verstärkten Marktmacht vorzunehmen. 41 Ein solches Verständnis der Behinderungsklausel als Abwägungskriteium geht allerdings von der unrichtigen Annahme aus, daß marktbeherrschende Positionen erst dann wettbewerbsschädlich sind, wenn sie auch entsprechend ausgenutzt werden. Gerade durch externes Unternehmenswachstum kann es jedoch zur Entstehung von wettbewerblich geschwächten Marktstrukturen kommen, in denen faktische Wettbewerbsbeschränkungen durch Zustand möglich sind, die sich von der auf Wettbewerbsbeschränkungen durch Maßnahme ausgerichteten Mißbrauchsaufsicht nicht mehr erfassen lassen.42 Eine ursachenadäquate Zusammenschlußkontrolle muß daher notwendigerweise schon dort ansetzen, wo die marktstrukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß es auf einem Markt später zu mißbräuchlichen oder wettbewerbsschädlichen Verhaltensweisen kommen kann. Gleichzeitig sollen aber auch solche Marktstrukturen erhalten werden, die ein wettbewerbliches Verhalten der Unternehmen fördern oder sogar verlangen. Eine Prognose darüber, wann die gesamtwirtschaftlichen Nachteile einer mißbräuchlichen Ausnutzung „unerträglich groß" sind und nicht mehr „hinreichend kompensiert" werden können, ist mangels operationabler Kriterien praktisch nicht möglich und würde der FKVO letztlich ihre Existenzberechtigung entziehen.
40 Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. III. 1. d). 41 Miersch, Kommentar zur EG-Verordnung Nr. 4064/89, Art. 2 Anm. III. 1. d). Noch restriktiver wohl Sauter, nach Benisch, WuW 1990, 218, wonach die Behinderungsklausel als selbständiges Mißbrauchskriterium zu verstehen sei, so daß für die Untersagung eines Zusammenschlußvorhabens zu der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung als weitere Eingriffsschwelle zusätzlich deren Mißbrauch im Sinne des Art. 82 EGV hinzukommen müsse. 42
Vgl. hierzu bereits oben 1. Kapitel, II., 1.
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
c) Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung
115
als zeitliches Kriterium
Nach einer anderen Ansicht soll die Behinderungsklausel als ein zeitliches Kriterium zu verstehen sein, das eine dynamische Betrachtungsweise der beherrschenden Stellung erforderlich mache.43 Bei der Beurteilung eines Zusammenschlußvorhabens dürfe nicht allein auf die gegenwärtige Wettbewerbslage abgestellt werden, sondern es müsse vielmehr auch die voraussehbare Marktentwicklung in der Zukunft miteinbezogen werden. 44 Die Kommission schien sich zunächst in einer ihrer ersten Entscheidungen, im Fall Aérospatiale /Alenia de Havilland, dieser Auffassung angeschlossen zu haben, indem sie feststellte: „Eine erhebliche Wettbewerbsbehinderung sei nicht zu erwarten, wenn die durch den Zusammenschluß entstehende beherrschende Stellung nur vorübergehend sei und mit dem zu erwartenden Markteintritt starker Wettbewerber in kurzer Zeit ausgehöhlt würde." 45
Auch in einer anderen Entscheidung deuteten die Ausführungen der Kommission zumindest auf ein Verständnis der Behinderungsklausel als ein eigenständiges Prüfungskriterium hin. 46 Grundsätzlich hält es die Kommission jedoch nicht für notwendig zwischen dem Merkmal der beherrschenden Stellung und der Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu differenzieren, sondern gibt am Ende ihrer Entscheidungen lediglich den Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 bzw. Abs. 3 FKVO wieder, indem sie das Vorliegen eines Zusammenschlusses, „durch den eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, durch den wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert 43 Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (4. Aufl.), Art. 87 II RdNr. 269; Ehlermann, WuW 1991, 535, 543; Fine, Antitrust Law Journal 61 (1993), 699, 707; Albers, Schwerpunkte des Kartellrechts 1990/91, 99, 107 f., zweifelnd dagegen ders., in: Groeben/ Thiesing/Ehlermann, FKVO, RdNr. 476. Brittan, ELR 1990, 351, 353 f., der als zuständiges Kommissionsmitglied an den Beratungen des Rates über die FKVO teilgenommen hat, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß „the Council did not whish to create a pure dominant postion test." 44 Schröter, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann (4. Aufl.), Art. 87 II RdNr. 269; Brittan, ELR 1990, 351, 354; Ehlermann, WuW 1991, 535, 543. 45 Kommission v. 2. 10. 1991 I V / M . 53, Aérospatiale / Alenia de Havilland, ABl. 1991 L 334/42, Tz. 53,63; vgl. auch Kommission v. 12. 11. 1992 I V / M . 222 Mannesmann/ Hoesch, ABl. 1993 L 114/34, Tz. 103 f. Die Rechtsprechung hat sich dagegen noch nicht zur inhaltlichen Bedeutung der Behinderungsklausel geäußert. Das Gericht erster Instanz hat in der Entscheidung Air France/Kommission, v. 19. 5. 1994 Rs. T-2/93, Slg. 1994 II, 323, 352, Tz. 79, lediglich festgestellt, daß nach Art. 2 Abs. 3 FKVO für eine Unvereinbarkeitserklärung zwei Voraussetzungen erfüllt sein müßten. Neben dem Kriterium der beherrschenden Stellung sei zu untersuchen, ob „der Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht durch die Begründung oder Verstärkung einer solchen Stellung erheblich behindert" würde. Auch wenn das Gericht mangels Vorliegen einer beherrschenden Stellung im konkreten Fall nicht mehr auf die Behinderungsklausel einging, scheint es diese somit zumindest als ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal anzusehen. 46 Vgl. Kommission v. 13. 12. 1991 I V / M . 164 Mannesmann/VDO, WuW/E EV 1799, 1803 f. 8*
116
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
wird" bejaht oder verneint. 47 Dabei ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Sachverhaltselemente sie jeweils auf das Vorliegen bzw. Fehlen der beiden Kriterien geschlossen hat. Die vereinzelt gebliebenen Entscheidungen, in denen die Kommisssion der erheblichen Behinderung des Wettbewerbs eine gesonderte Bedeutung zuzumessen scheint, dürften daher wohl eher Ausdruck einer uneinheitlichen Verwendung der Begrifflichkeiten in der Wettbewerbsprüfung sein als ein Indiz für ein Verständnis der Behinderungsklausel als ein inhaltlich eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Gegen eine Auslegung der Behinderungsklausel als ein zeitliches Kriterium läßt sich einwenden, daß es eines solchen Kriteriums im Eingreiftatbestand des Art. 2 Abs. 3 FKVO gar nicht bedurft hätte. Wie sich aus der teleologischen Auslegung der FKVO ergibt, soll diese nur eine „dauerhafte Schädigung des Wettbewerbs" 48 verhindern, so daß der Faktor Zeit sinnvollerweise schon im Rahmen des Kriteriums der beherrschenden Stellung mit zu berücksichtigen ist. Dafür spricht auch, daß schon Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO ein dynamisches Beurteilungskriterium enthält, indem er die Kommission verpflichtet, wirksamen Wettbewerb nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern auch zu entwickeln und dabei den potentiellen Wettbewerb zu berücksichtigen. Eine Differenzierung dahingehend, daß sich das Merkmal der Behinderung wesentlichen Wettbewerbs auf einen längeren Zeitraum bezieht, die Wahrscheinlichkeit des Markteintritts neuer Wettbewerber dagegen eine kurzfristige Betrachtung erfordert, wäre aber praktisch nicht durchführbar.
d) Die erhebliche Wettbewerbsbehinderung
als quantitatives Kriterium
Die von der Behinderungsklausel geforderte Erheblichkeit der Wettbewerbsbehinderung könnte jedoch darauf hindeuten, daß nicht jede Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung ausreicht, sondern die durch den Zusammenschluß bewirkte Strukturveränderung ein über die bloße Spürbarkeit hinausgehendes quantitatives Mindestmaß verlange. 49 Das Erfordernis der Wettbewerbsbehinderung würde sich dann lediglich als bloßes Charakteristikum der beherrschenden Stellung und Präzisierung des Definitionselements des unabhängigen Verhaltensspielraums darstellen, dem keine selbständige Bedeutung als Tatbestandsmerkmal zukommt. Allerdings erscheint es kaum vorstellbar, daß ein Zu47 Vgl. nur Kommission v. 3. 12. 1997 I V / M . 942 Weba/Degussa, WuW EU-V 93, Tz. 65; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11/1, Tz. 152; v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 68; v. 14. 10. 1991 I V / M . 119 Metallgesellschaft/Feldmühle Nobel, WuW/E EV 1749, Tz. 28. 48 Vgl. Erwägungsgrund 5 FKVO. 49 Bechtold, RIW 1990, 253, 257; ders., EuZW 1994, 653, 657; Axster, in: Festschrift für Quack, 569, 582; Mestmäcker, in: Immenga / Mestmäcker, GWB (2. Aufl.), vor § 23 RdNr. 201; Cook/Kerse, EEC Merger Control, S. 68; Rohling, ZIP 1990, 1179, 1181; Niemeyer, Die Europäische Fusionskontrollverordnung, S. 23; Siragusa/Subiotto, WuW 1991, 872, 885.
II. Marktbeherrschung im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
117
sammenschluß zwar zur Begründung einer beherrschenden Stellung führt, in der das Unternehmen also keinem wesentlichen Wettbewerb mehr ausgesetzt ist und aufgrund derer es sich unabhängig von allen Marktteilnehmern verhalten kann, ohne das dadurch gleichzeitig auch der Wettbewerb erheblich behindert würde. 50 Vielmehr bringt die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung stets eine erhebliche Veränderung der Wettbewerbsstruktur mit sich, wodurch immer auch eine zumindest erhebliche Behinderung des Wettbewerbs verbunden ist. 51
e) Stellungnahme Die Analyse der in der Literatur vertretenen Meinungen hat gezeigt, daß die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten der Behinderungsklausel als eigenständige, zusätzlich neben der beherrschenden Stellung zu prüfende Untersagungsvoraussetzung letztlich nicht zu überzeugen vermögen. Vergleicht man den Wortlaut der Behinderungsklausel mit der Beschreibung der beherrschenden Stellung durch Gerichtshof und Kommission, so zeigt sich der einzige Unterschied darin, daß die beherrschende Stellung bei Art. 82 EGV wirksamen Wettbewerb „verhindern" muß, während es nach dem Verordnungstext schon ausreicht, wenn wirksamer Wettbewerb erheblich „behindert" wird. Aus dieser Nuancierung in der Formulierung kann allerdings nicht auf eine Erweiterung des Marktbeherrschungsbegriffs der FKVO geschlossen werden. Denn der Europäische Gerichtshof versteht unter der Verhinderung wirksamen Wettbewerbs nicht etwa die völlige Beseitigung jeglichen Wettbewerbs und jeder Möglichkeit hierzu. Anders als in einem Monopol oder Quasimonopol liegt eine beherrschende Stellung schon dann vor, wenn das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Bedingungen unter denen sich der verbleibende Wettbewerb entfalten kann, zu bestimmen oder zu beeinflussen, zumindest aber in seinem Verhalten keine Rücksicht hierauf nehmen muß. 52 Damit wird deutlich, daß die Definition des Gerichtshofs keineswegs einen stärkeren Grad der Wettbewerbsbeeinträchtigung verlangt als die Formulierung „erheblich behindert" in Art. 2 Abs. 3 FKVO. So betrachtet bleibt jedoch kein Raum mehr für eine eigenständige Bedeutung der Behinderungsklausel. Für eine rein tautologische Funktion dieses Merkmals spricht zudem, daß es praktisch nicht vorstellbar ist, daß ein Zusammenschluß zwar eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die der Wettbewerb auf dem betroffenen Markt nicht auch gleichzeitig in erheblichem Maße behindert wird. Gestützt wird dieses Verständnis auch
50 So wohl auch Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 19. 51 So auch Niederleithinger/Held, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 1989/ 90, 269, 277. 52 Vgl. EuGH v. 13. 2. 1979 Rs. 85/76, Hoffinann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 520; v. 14. 2. 1978 Rs. 27/76, United Brands/Kommision, Slg. 1978, 207, 290; Kommission v. 9. 12. 1971 Continental Can, ABl. 1972 L 7/25, 35.
118
3. Kap.: Der Inhalt der marktbeherrschenden Stellung
durch Erwägungsgrund 14 FKVO, der verlangt, daß Zusammenschlüsse immer dann für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären sind, wenn sie „eine Stellung begründen oder verstärken", durch welche wirksamer Wettbewerb „in erheblichem Ausmaß behindert wird". Diese Forderung hat ihren Niederschlag in dem Eingreiftatbestand des Art. 2 Abs. 3 FKVO gefunden, der diese zu einer Untersagung führende Stellung als „beherrschende Stellung" bezeichnet. Insgesamt läßt sich somit festhalten, daß die Formulierung „durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird" lediglich die von den Gemeinschaftsorganen entwickelte Interpretation der beherrschenden Stellung beschreibt und keine eigenständige, über den bisher ermittelten Inhalt der beherrschende Stellung hinausgehende Bedeutung hat. 53
I I I . Zusammenfassung Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens wird weder in der FKVO noch im EGV definiert. Daher bilden Rechtsprechung und Entscheidungspraxis der Gemeinschaftsorgane zu Art. 82 EGV eine Art Koordinatensystem für die Ausfüllung des Begriffs der Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle. Inhalt der marktbeherrschenden Stellung ist auch hier ein vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter unternehmerischer Verhaltensspielraum, der einheitlich gegenüber den Wettbewerbern und der Marktgegenseite besteht. Eine Differenzierung zwischen einem horizontalen und einem vertikalen Verhaltensspielraum und eine ausschließliche Berücksichtigung der wirtschaftlichen Macht gegenüber den Marktpartnern ist abzulehnen, da es sich hierbei um zwei Aspekte desselben Tatbestandes handelt, zwischen denen ein innerer Beziehungszusammenhang besteht. Eine anderes Verständnis von Marktbeherrschung würde den Zweck der FKVO verkennen, Wettbewerbsverfälschungen innerhalb des gemeinsamen Marktes zu verhindern und damit auch die Individualinteressen der Konkurrenten eines marktbeherrschenden Unternehmens zu schützen. Die Marktbeherrschungsbegriffe in Art. 82 EGV und Art. 2 Abs. 3 FKVO stimmen zwar im Ausgangspunkt inhaltlich miteinander überein. Unterschiede bei der Feststellung des maßgeblichen Verhaltensspielraums ergeben sich jedoch aus den verschiedenartigen Zwecksetzungen und Zielen beider Systeme. So verlangt die präventive ex ante Beurteilungsper53 So auch Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 22; Kirchhoff, BB 1990, Beilage 14, 5; Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis, S. 24 f.; Niederleithinger, Wettbewerbsfragen der Europäischen Gemeinschaft, S. 106; Leo, in: Festschrift für Steindorff, 1005, 1019; unentschieden Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV Maastrichter Fassung, nach Art. 86 RdNr. 29. Gegen ein selbständiges Tatbestandsmerkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung offenbar auch der Ministerrat im Ratsprotokoll v. 19. 12.1989 Ziff. 6, abgedruckt bei Niemeyer, Die Europäische Fusionskontrollverordnung, S. 91 ff.: „Es ist nämlich von dem Grundsatz auszugehen, daß ein Zusammenschluß, der in einem erheblichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken würde, als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden muß."
III. Zusammenfassung
119
spektive der FKVO eine vorrangig auf Marktstrukturkriterien basierende zukunftsorientierte Betrachtungsweise. Das Merkmal der erheblichen Wettbewerbsbehinderung in Art. 2 Abs. 3 FKVO bedingt dagegen keine weiterreichende Selbständigkeit des Marktbeherrschungsansatzes in der FKVO. Es beschreibt lediglich tautologisch das bisher gewonnene Verständnis der marktbeherrschenden Stellung und hat nicht die Bedeutung eines eigenständigen Tatbestandselements. Auch wenn damit Klarheit über den grundlegenden Inhalt der marktbeherrschenden Stellung in der FKVO besteht, ist gleichwohl zu berücksichtigen, daß sich das entscheidende Beurteilungskriterium des erheblichen Verhaltensspielraums auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau befindet und im Bereich der Fusionskontrolle wegen des prognostischen Elements der Entscheidungen selbst nicht unmittelbar angewandt werden kann. Dieses Kriterium bedarf vielmehr der Konkretisierung anhand einer Reihe von strukturellen Sub-Kriterien, die ihrerseits einen erheblichen Verhaltensspielraum erwarten lassen.
4. Kapitel
Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem marktbeherrschenden Oligopol Nachdem der allgemeine Bedeutungsinhalt des Begriffs der marktbeherrschenden Stellung eines einzelnen Unternehmens in der FKVO bestimmt wurde, soll nun im folgenden Kapitel untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen mehrere voneinander unabhängige Unternehmen in rechtlicher Hinsicht zu einem marktbeherrschenden Oligopol zusammengefaßt werden können. Dabei wird zunächst auf die unterschiedlichen Ansichten in der Literatur sowie auf die Begriffsbestimmung durch die Gemeinschaftsorgane eingegangen, bevor in einer kritischen Stellungnahme hierzu ein eigener Lösungsansatz entwickelt wird.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois im europäischen Kartellrecht Eine erste Konkretisierung des Oligopolbegriffs wurde bisher nur mit Hilfe der Wirtschafts- und Wettbewerbstheorie vorgenommen.1 Dabei hat sich gezeigt, daß in der wirtschaftswissenschaftlich definierten Marktform des Oligopois sowohl intensiver, sogar ruinöser Wettbewerb, ein friedliches, die Existenz von Konkurrenten akzeptierendes Verhalten, als auch wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen mit ineffizienten Marktergebnissen möglich und in der Realität zu beobachten sind. Die Grenze zwischen vorhandenem Wettbewerb und fehlendem wesentlichen Wettbewerb zwischen einer Mehrzahl von Unternehmen verläuft daher nicht per se zwischen der Marktform des Polypols und der des Oligopois. Für die Aufgaben und Zwecke des Wettbewerbsrechts kann der Marktformbegriff des Oligopois somit nicht ohne weiteres als Auf- oder Eingreifkriterium übernommen werden. In oligopolistischen Marktstrukturen kann es allerdings auch dazu kommen, daß eine Gruppe weniger Unternehmen zusammen über eine so erhebliche Marktmacht verfügt, ohne daß ein einzelnes dieser Unternehmen für sich genommen über einen unabhängigen Verhaltensspielraum verfügt, daß der Markt zur Neutralisierung ihrer wirtschaftlichen Macht nicht mehr in der Lage ist. Da wettbewerbsrechtliche Eingriffe, sei es im Wege der Verhaltens- oder Marktstrukturkontrolle, nur bei solchen wettbewerbslosen Oligopolstrukturen gerechtfertigt sind, besteht die Aufgabe 1
Siehe oben 1. Kapitel, I., 1.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
121
des Wettbewerbsrechts folglich darin, zwischen wettbewerbslosen und damit im Rechtssinne marktbeherrschenden Oligopolen und solchen zu unterscheiden, in denen ein funktionsfähiger Wettbewerb im Sinne „oligopolistischer Konkurrenz" vorliegt. 2 Der wettbewerbsrechtliche Sonderbegriff des marktbeherrschenden Oligopois ist damit zwar enger als der wirtschaftswissenschaftliche Marktformbegriff, läßt sich deshalb aber keineswegs einfacher für die Rechtsanwendung konkretisieren. Im europäischen Kartellrecht kommt insoweit erschwerend hinzu, daß dieses anders als das GWB keine normative Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois enthält. In der FKVO fehlt gerade ein ausdrücklicher Oligopoltatbestand und Art. 82 Satz 1 EGV spricht nur davon, daß auch „mehrere Unternehmen" eine beherrschende Stellung innehaben können. Die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich mehrere selbständige Unternehmen auf einem oligopolistischen Markt als marktbeherrschende Gruppe behandeln lassen müssen, obliegt daher der Rechtswissenschaft und der Entscheidungspraxis der Rechtsanwendungsorgane.
1. Der klassische Ansatz der Literatur - Die Differenzierung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois
Der klassische Ansatz der Literatur zur Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois untersucht die Wettbewerbsbeziehungen der in einem oligopolistischen Markt tätigen Unternehmen auf zwei Ebenen: zwischen den Oligopolmitgliedern einerseits sowie zwischen ihnen und den sonstigen Wettbewerbern (Oligopolaußenseitern) andererseits. 3 Im Rahmen einer zweistufigen Prüfung soll dabei zunächst festgestellt werden, ob zwischen den Mitgliedern des Oligopois Wettbewerb besteht. Fehlt es an diesem sogenannten Innenwettbewerb, so rechtfertige dies die Gleichbehandlung der Unternehmensgruppe mit einem Einzelunternehmen. In einem zweiten Schritt soll dann untersucht werden, ob das Oligopol als ganzes marktbeherrschend ist, weil es keinem wesentlichen Außenwettbewerb ausgesetzt ist. Diese Differenzierung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis der Oligopolgruppe geht ursprünglich auf den Oligopoltatbestand des § 22 Abs. 2 GWB a.F. (§ 19 Abs. 2 Satz 2 GWB n.F.) zurück, wird aber von der Literatur gleichfalls zur Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois 2 Vgl. zur begrifflichen Unterscheidung zwischen dem wirtschaftswissenschaftlichen und dem wettbewerbsrechtlichen Oligopolbegriff Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 271 ff.; Bartholomeyczik, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 22 RdNr. 60 ff. 3
Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 80; ders., Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 169 f.; Ruppelt, in: Langen/Bunte, § 19 RdNr. 60; Bechtold, Kartellgesetz, § 19 RdNr. 42; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 273a; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 195 ff.; Bartholomeyczik, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 22 RdNr. 65; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 530; Leo, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 RdNr. 1182 ff.; Emmerich, Kartellrecht, S. 181.
122
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
im europäischen Kartellrecht angewandt.4 Schlüsselfrage und entscheidendes Abgrenzungsmerkmal bei dieser Definition des marktbeherrschenden Oligopois ist der fehlende Innenwettbewerb. Die Problematik, inwieweit der Wettbewerb zwischen den Oligopolmitgliedern eingeschränkt sein muß und welche Beurteilungskriterien hierfür heranzuziehen sind, gehört mit zu den schwierigsten Fragen des Wettbewerbsrechts. In der Literatur wurden hierzu verschiedene Lösungsansätze entwickelt, die im folgenden näher untersucht werden sollen.
a) Die These von der Gleichpreisigkeit oligopolistischem Normalzustand
als
Ausgangspunkt der These von Sandrock bei der Bestimmung der Umstände, die das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs im Innenverhältnis des marktbeherrschenden Oligopois indizieren sollen, ist die Überzeugung, daß die wirtschaftswissenschaftlichen Analysen des Marktgeschehens eine wichtige Entscheidungshilfe beim Verständnis kartellrechtlicher Begriffe darstellen und sich die Interpretation wettbewerbsrechtlicher Normen nicht in Widerspruch zu den wirtschaftstheoretischen Erkenntnissen setzen darf. 5 Dementsprechend konzentriert sich Sandrock bei seinen Untersuchungen auf die Modellaussagen der Oligopol- und Preistheorie und deren Erkenntnis, daß oligopolistische Märkte von Natur aus zur Gleichförmigkeit tendieren. In der Praxis zeige sich ein gleichförmiges Verhalten der Oligopolisten am häufigsten beim Aktions4 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 210, 238; Sedemund/Montag, in: Dauses, Handbuch des EG-WirtschaftsR, H. I RdNr. 312; Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 17; Langen, in: Gleiss / Hirsch, Kommentar zur EWG-Kartellrecht, Art. 86 EGV RdNr. 29; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 273 f.; Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, S. 140; Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 103 f.; Schwer, in: Frankfurter Kommentar (47. Lfg.), Art. 2 FKVO RdNr. 264; Jung, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV Amsterdamer Fassung, Art. 82 RdNr. 71; Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, Art. 2 FKVO RdNr. 129; Michaeli, in: Bunte, Lexikon des Rechts, Wettbewerbsrecht, S. 58, 63 f.; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 171; Montag /Kaessner, WuW 1997, 781, 783 f.; Ehlermann, EuZW 1994, 647, 649; Mestmäcker, in: Festschrift für Hallstein, 322, 348; Monopolkommission, Hauptgutachten 11, Tz. 694; dies., Hauptgutachten 10, Tz. 599. 5 Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 3 ff., 28 ff. Diese Grundeinstellung Sandrocks hat zur Konsequenz, daß er seine Aussagen zur Problematik oligopolistischer Marktbeherrschung einheitlich sowohl auf das GWB als auch auf das EG-Kartellrecht bezieht. Nach Ansicht von Sandrock, a. a. O., S. 388 f., gibt es keinen Grund, warum § 22 Abs. 2 GWB a.F. (§ 19 Abs. 2 S. 2 GWB n.F.) und Art. 86 EWG-Vertrag (Art. 82 EGV) beim Verständnis der marktbeherrschenden Stellung divergieren sollten. Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Marktstellung ihrem Inhaber (oder bei mehreren Unternehmen: ihren Inhabern) eine „beherrschende" Position verschaffe, handele es sich um ein Problem, das jenseits aller positiven Normierung allein aufgrund der wirtschaftlichen Wirklichkeit für beide Normen nur einheitlich beantwortet werden könne.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
123
parameter Preis. So sei es eine alltägliche Erscheinung, daß die Preise bestimmter, insbesondere homogener Waren die von Oligopolisten angeboten werden, im Preis entweder gar nicht oder nur minimal differierten. 6 Bei den empirisch nachgewiesenen Phänomenen der Gleichförmigkeit und der Stabilität der Preise handele es sich nach den Erkenntnissen der wirtschaftstheoretischen Forschung um typische und zwangsläufige Erscheinungen eines friedfertigen Oligopois, also eines Oligopois, dessen Teilnehmer keine kämpferischen Ziele verfolgten. Daraus allein könne jedoch nicht gefolgert werden, daß es auf oligopolistischen Märkten schlechthin an Wettbewerb fehle. Die Oligopolisten könnten gerade aufgrund der Einsicht, daß eine Preiskonkurrenz für sie wenig vorteilhaft ist, ihre Konkurrenz auf dem Gebiet anderer, nichtpreislicher Aktionsparameter austragen, etwa durch Verbesserung des Kundendienstes und der Nebenleistungen, durch Produktdifferenzierung oder durch Werbung.7 Eine vergleichbare Weitung erfährt die barometrische Preisführerschaft, die ebenfalls als zwangsläufige Erscheinung oligopolistischer Marktstrukturen begriffen wird. Aufgrund der möglichen Verlagerung auf andere Aktionsparameter könne auch hier nicht auf das Fehlen von Wettbewerb geschlossen werden.8 In der Gleichpreisigkeit an sich sieht Sandrock solange keine schädliche Wettbewerbsbeschränkung, wie die Preise mehr oder weniger identisch oder stabil gehalten werden. Zum einen werde der Oligopolpreis in der Regel zwischen dem Monopolpreis und dem Polypolpreis liegen, so daß der Höhe des Oligopolpreises kaum eine wirtschaftspolitische Bedeutung beigemessen werden könne. Andererseits könne der Preiswettbewerb durch um so härteren Nichtpreiswettbewerb ersetzt sein. Der Wettbewerb werde erst dann im wesentlichen beseitigt, wenn die Oligopolisten nicht nur den Aktionsparameter Preis, sondern darüber hinaus auch die meisten oder sogar alle ihre übrigen Aktionsparameter einander angleichen würden. 9 Diese Erscheinung hält Sandrock für wirtschaftspolitisch bedenklich, da sie den Unternehmen ermögliche, zumindest angenäherte Monopolpreise zu fordern und diese gegebenenfalls über eine längere Zeit aufrecht zu erhalten und sie zudem auch alle sonstigen Nachteile fehlender Konkurrenz nach sich ziehe. Ausgehend von diesen wirtschaftstheoretischen und wirtschaftspolitischen Grundlegungen kommt Sandrock zu seiner juristischen Bewertung. Da es sich bei der Gleichförmigkeit und Stabilität der Preise im Oligopol um einen Normalzustand handele, sei es unzulässig, schon bei Vorliegen dieses Normalzustandes von fehlendem Innenwettbewerb zu sprechen.10 Eine solche Gleichsetzung von fehlen6
Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 336. Sandrock führt in diesem Zusammenhang die Preise für Benzin, Glühbirnen, Kfz-Reifen deutscher Herkunft, Tennisbälle und Kleinbildfilme m. w. N. an. 7 Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 349 f. 8 Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 355 ff. Eine andere Bewertung nimmt Sandrock jedoch in Bezug auf die Preisführerschaft kraft Marktmacht vor, welche die Durchsetzung monopolistischer Preise ermögliche. Vgl. zu den verschiedenen Formen der Preisführerschaft oben 1. Kapitel, I., 2., b), bb). 9 Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 351 f.
124
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
dem Preiswettbewerb mit dem Fehlen des Innenwettbewerbs würde bedeuten, daß nur Preiswettbewerbe als „wesentliche" Form des Wettbewerbs gelten können. Die Preiskonkurrenz umfasse jedoch nur ein einziges Aktionsparameter, so daß beim Einsatz anderer Parameter dennoch heftiger Wettbewerb bestehen könne. Eine solche Annahme sei schließlich deshalb ausgeschlossen, weil danach alle Oligopole, in denen kein Preiskampf herrsche, als marktbeherrschend anzusehen seien.11 Damit würde praktisch jedes Oligopol als marktbeherrschend qualifiziert, was aber der Intention widerspreche, daß Oligopole als solche noch keine wettbewerbsrechtlichen Eingriffe rechtfertigten. Im Ergebnis kommt Sandrock zu der Feststellung, daß von fehlendem Innenwettbewerb im Oligopol immer erst dann gesprochen werden könne, wenn die Oligopolisten außer dem Preiswettbewerb auch die übrigen Aktionsparameter (Qualitäts-, Nebenleistungs- und Werbekonkurrenz etc.) ganz oder teilweise ausgeschaltet hätten, so daß es keinen nennenswerten Bereich mehr gebe, innerhalb dessen die Oligopolisten eigeninitiierte Marktstrategien verfolgen könnten.12
b) Der Ausschluß des grundsätzlich gegebenen Wettbewerbs nur bei Vorliegen besonderer Umstände
im Oligopol
Die Aussagen von Knöpfte und der ihm folgenden Stimmen in der Literatur zur Oligopolproblematik basieren auf einem spezifischen Verständnis vom Wesen des Wettbewerbs. Danach soll das zentrale Element des Wettbewerbs in der Beschränkung des unternehmerischen Verhaltensspielraumes durch die Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Marktpartner und in den wettbewerblichen Risiken und Chancen liegen. 13 Falls ein Unternehmen Wettbewerb ausgesetzt sei, werde sein Verhaltensspielraum gegenüber den Marktpartnern dadurch beschränkt, daß diese bei einer Verschlechterung des Leistungsangebotes auf andere Anbieter ausweichen könnten. Erst wenn die Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Marktpartner 10
Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 384. Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 384 f. 12 Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 385, 389. Sandrock spricht insoweit anschaulich davon, daß „das strategische Arsenal der Oligopolisten ( . . . ) zum wesentlichen Teil in der Rumpelkammer verstauben" müsse, a. a. Ο., S. 385. Etwas abschwächend dagegen Sandrock, BB 1973,101 ff., 107, wonach der Bereich des fehlenden Wettbewerbs abzuwägen sei gegenüber dem Bereich des noch existenten Wettbewerbs und dabei zwischen den verschiedenen Parametern zu bilanzieren sei. So könne ζ. B. ein gleichförmiges Verhalten bezüglich der Preise, Rabatte, Qualität etc. nicht durch einen intensiven WerbungsWettbewerb ausgeglichen werden. Andererseits sei aber wesentlicher Wettbewerb zu bejahen, wenn ein erheblicher Geheimwettbewerb in der Gewährung von Rabatten auszumachen sei. Dies habe selbst bei Gleichförmigkeit der Preise, der Qualität sowie der Konditionen und Werbung zu gelten. 13 Knöpfte, DB 1991, 1433, 1438; ders., Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 143; Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14; Miersch, Kommentar zur FKVO, Art. 2 Anm. II 1. c). 11
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
125
dieses Unternehmens eingeschränkt seien oder ganz fehlten, bestehe ein erweiterter, sogenannter wettbewerbsabhängiger Verhaltensspielraum, aufgrund dessen das Unternehmen als marktbeherrschend angesehen werden könne. Von dieser negativen Macht gegenüber den Marktpartnern soll jedoch die positive Macht gegenüber den Konkurrenten unterschieden werden. Diese soll darin bestehen, daß ein Anbieter aufgrund seiner Leistungsfähigkeit Angebotsverbesserungen vornehmen und dadurch seinen Marktanteil vergrößern kann. Dieser Verhaltensspielraum eines Unternehmens sei jedoch nicht wettbewerbsabhängig, da er nicht durch die Elastizität der Nachfrage und damit nicht durch den Wettbewerb kontrolliert werde. 14 Auf der Grundlage einer solchen Definition des Wettbewerbs, die nicht auf ein bestimmtes Verhalten oder Marktgeschehen, sondern ausschließlich auf eine Beschränkung des Verhaltensspielraumes abstellt, folgert Knöpfte, daß auch im Oligopol normalerweise wesentlicher Wettbewerb bestehe.15 Immer dann, wenn mehrere Unternehmen auf derselben Marktseite vorhanden seien, komme es zu einer Beschränkung ihres Verhaltensspielraumes und die wettbewerblichen Risiken würden gewöhnlich in hinreichendem Maße vorliegen, so daß ein wesentlicher Wettbewerb in allen Bereichen bestehe, die für den Kontrahierungsentschluß der Marktpartner maßgeblich seien. Dementsprechend sei grundsätzlich auch beim Oligopol die Möglichkeit der Marktpartner uneingeschränkt gegeben, zwischen den Unternehmen zu wählen und von dem einen auf das andere auszuweichen, so daß auch hier im Regelfall von wesentlichem Wettbewerb auszugehen sei. 16 Die gegenseitige Entmachtung der Unternehmen ist nach Ansicht von Knöpfte gerade im Oligopol besonders groß, da die das Oligopol kennzeichnende Reaktionsverbundenheit der Unternehmen bewirke, daß der eine Oligopolist die Handlungen des anderen zu spüren bekomme.17 Beruhe die ReaktionsVerbundenheit im Oligopol jedoch darauf, daß sich die Unternehmen gegenseitig entmachteten, könne in ihr keine Wettbewerbsbeschränkung gesehen werden, auch wenn dadurch das Risiko, daß ein Konkurrent zu einer Aktion schreite, verringert werde. 18 Eine Reaktionsverbundenheit komme schließlich nur bei Preissenkungen in Betracht, da nur diese von den Konkurrenten über eine Verminderung des Absatzes wahrgenommen 14 Knöpfte, BB 1983, 1421 ff.; Koch, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 14; Miersch, Kommentar zur FKVO, Art. 2 Anm. I I 1. c). Das zweite Element, nämlich die wettbewerblichen Risiken sieht Knöpfte, BB 1983, 1421, 1423, in der Unsicherheit jedes Unternehmens über die Reaktion der Konkurrenten auf die eigenen Handlungen und allgemein über deren künftiges Handeln. 15
Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 161; ders, BB 1983, 1421, 1426. 16 Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 147, 161; ders., in: Gemeinschaftskommentar, EGKS, S. 54. 17 Ein definitorischer Ansatz, der das Wesen des Wettbewerbs letztlich in der Beweglichkeit der Nachfrage sieht, muß folgerichtig insbesondere beim engen Oligopol wesentlichen Wettbewerb annehmen, da hier die Kreuzpreiselastizität, in der die gegenseitige Entmachtung auf dem Preissektor ihren Ausdruck finden soll, besonders hoch ist. 18
Knöpfte, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 156.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
würden. Erhöhe dagegen ein Oligopolist den Preis, so steige dadurch der Absatz der Konkurrenten und diese hätten folglich keinen Grund nachzuziehen.19 Das alleinige Abstellen auf eine Beschränkung des Verhaltensspielraumes hat zur Folge, daß nach dieser Ansicht ein aktiver Einsatz von Aktionsparametern der Oligopolisten im Sinne einer Verhaltensänderung als irrelevant für das Bestehen wesentlichen Wettbewerbs angesehen wird. Ein Unternehmen handelt nach Knöpfle nicht weniger wettbewerblich, wenn es den Entschluß faßt, die bisherigen Aktionsparameter beizubehalten, anstatt sie zu verändern. So liege in diesem Fall der Einsatz des Preises darin, daß das Produkt zu diesem und nicht zu einem höheren Preis auf den Markt gebracht werde, wodurch dieses Aktionsparameter „automatisch" und „aktiv" eingesetzt werde. 20 Andernfalls müßten die Unternehmen ihre Preise ständig Zug um Zug senken, damit Wettbewerb besteht, was bedeuten würde, daß Preiswettbewerb von vornherein nur für eine bestimmte Periode bestehen könne.21 Schließlich lehnt es Knöpfle ab, aus einem gleichförmigen Verhalten der Oligopolisten auf einen fehlenden wesentlichen Wettbewerb zu schließen. Ein solch gleichförmiges Verhalten im Wettbewerb sei Folge der oligopolistischen Interdependenz der Unternehmen und beschränke nicht die wettbewerblichen Risiken gegenüber dem „Normalzustand". Die Einheitlichkeit des Angebots der Oligopolisten besage zudem auch nichts über die Wahl- und Ausweichmöglichkeiten der Marktpartner. 22 Der Umstand, daß die Marktpartner innerhalb der Gruppe nicht ausweichen könnten, rechtfertige die Annahme einer marktbeherrschenden Gruppe deshalb nicht, weil das gleichförmige Verhalten als solches den Interessen der Marktpartner normalerweise nicht zuwiderlaufe. Entscheidend dafür sei vielmehr der Inhalt des gleichförmigen Verhaltens, wie ζ. B. Preiserhöhungen, wobei eine Wettbewerbsbeschränkung erst dann vorliege, wenn ein Oligopolist sicher sein könne, daß die Konkurrenten mitziehen werden. 23 Im Ergebnis gelang Knöpfle und die ihm folgenden Stimmen in der Literatur zu der Schlußfolgerung, daß der Wettbewerb auch beim engen Oligopol normalerweise nicht geringer sei als bei anderen Marktformen. Das Bestehen eines wesentlichen Wettbewerbs im Oligopol brauche deshalb nicht noch positiv begründet zu werden. Nur im Einzelfall sei zu prüfen, ob der „von Natur aus" gegebene Wettbe19 Nach Knöpfle, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 157, zeige sich auch in der Realität, daß nicht alle Konkurrenten im engen Oligopol auf jede Preisänderung reagierten, da es den realen Märkten entgegen der Theorie häufig an Transparenz auf dem Preissektor fehle. 20
Knöpfle, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 152. Knöpfle, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 149. 22 Koch, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV- Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 18. 2 3 Knöpfle, BB 1983 1421, 1424, Fn. 22; Koch, in: Grabitz / Hilf, EUV/EGV- Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 18. Ein solcher Fall, der einem Unternehmen ermögliche das Ausmaß der Preiserhöhung nach monopolistischen Regeln zu bestimmen sieht Knöpfle als atypischen Ausnahmefall an, da in der Realität in der Regel Unsicherheit darüber bestehe, ob und in welchem Umfang die Konkurrenten mitziehen würden. 21
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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werb aus besonderen Gründen ausgeschlossen oder vermindert sei. Dafür müßten jedoch besondere, die wettbewerblichen Risiken verringernde Umstände zwischen den Oligopolisten vorliegen, wie Kartelle, Verkaufs- oder Einkaufsgemeinschaften, Preismeldestellen, oder Preisführerschaft. 24
c) Das bewußt gleichförmige Marktverhalten der Oligopolisten und dessen Unausweichlichkeitswirkung Die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum entwickelt ihre konzeptionellen Grundlagen zur Oligopolmarktbeherrschung und zur Problematik des Innenwettbewerbs im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht und überträgt diese dann mit einigen Modifikationen auch auf den Bereich der Zusammenschlußkontrolle.25 Als entscheidendes Kriterium für die Frage, ab welchem Punkt sich Oligopolunternehmen als eine marktbeherrschende Gruppe behandeln lassen müssen, stellt diese Ansicht auf eine Schutzzweckbetrachtung aus der Sicht der jeweils betroffenen Interessen ab. 26 Genauso wie beim Einzelunternehmen gehe es beim Oligopoltatbestand primär um die Interessen von Konkurrenten, Kunden, Lieferanten und Drittmarktteilnehmern. Die Gleichbehandlung von marktbeherrschendem Oligopol und marktbeherrschendem Einzelunternehmen finde daher ihre Rechtfertigung in einer möglichen Identität der Wirkungen auf Dritte. Diese ergebe sich aus dem Gruppeneffekt des Oligopois, also aus dem gleichförmigen Marktverhalten aller Oligopolisten,27 der für die davon betroffenen Dritten eine Unausweichlichkeitswirkung entfalte. 28 24
Knöpfle, Die Problematik der Zusammenschlußkontrolle nach dem GWB, S. 147; ders., in: Gemeinschaftskommentar, EGKS, S. 54; ihm folgend Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 18; Miersch, Kommentar zur FKVO, Art. 2 Anm. II 1. c) und wohl auch Jung, in Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Amsterdamer Fassung, Art. 82 RdNr. 71. Noch weitergehender Giorgio Monti, World Competition 19 (1996), 59, 93, der verlangt, daß die Unternehmen eines marktbeherrschenden Oligopois durch rechtlich erzwingbare Vereinbarungen miteinander verbunden sein müßten und als Beispiel dafür freigestellte Kartelle anführt. 25
Der Grund hierfür dürfte darin zu sehen sein, daß das Kriterium der Marktbeherrschung zuerst im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht entwickelt wurde und erst später (in Deutschland mit der Zweiten GWB Novelle 1973, in der EU erst 1989 mit der FKVO) auch als Eingreifkriterium in die Fusionskontrolle übernommen wurde. 26 Vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 171; ders., Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 530. 27 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 529; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 166 f.; Burkhardt, Kartellrecht, RdNr. 350; Müller-Uri, Kartellrecht, RdNr. 227. 28 Eine solche Unausweichlichkeitswirkung besteht nach Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 80, nicht nur in Fällen ständig praktizierter Preisführerschaft u.ä., sondern etwa auch dann, wenn Oligopolunternehmen ein technisch hochwertiges Produkt anbieten und ihre Abnehmer durch Kopplungsverträge zum Bezug eines Komplementärproduktes verpflichten. Außenseiter und potentielle Konkurrenten auf dem Sekundärmarkt seien
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Das Fehlen von wesentlichem Innenwettbewerb ist demnach für die überwiegende Meinung eine qualitative Frage, die aus der Sicht der in ihren Handlungsfreiheiten geschützten Personen zu konkretisieren ist. Entscheidend sei die Schutzbedürftigkeit gegenüber unausweichlicher Marktmacht, die i m Einzelfall auch bei Stillegung nur eines einzigen Aktionsparameters zwischen den Oligopolisten, beispielsweise bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, gegeben sein könne. 2 9 Hinsichtlich dieses betreffenden Aktionsparameters könnten Dritte auch bei i m übrigem lebhaftem Wettbewerb eben nicht auf andere Unternehmen ausweichen, ζ. B. könnten sie sich auch durch ein Wechsel der Geschäftsbeziehungen den einseitig aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht entziehen und blieben daher unverändert schutzwürdig. Dabei soll der Bezugspunkt nach dieser Ansicht aber nicht etwa in einer „einzelwirtschaftlichen Bilanz" von Vor- und Nachteilen i m Hinblick auf den geschützten Personenkreis bestehen, ζ. B. dergestalt, daß eine Gleichpreisigkeit durch einen intensiven Werbungs- oder Rabattwettbewerb kompensiert werden könne. 3 0 Den für den durch oligopolistische Kampfmaßnahmen betroffenen Außenseiter und für den kollektiv gesperrten Abnehmer sei es unerheblich, ob zwischen den Oligopolisten in Qualität, Service, Werbung oder Forschung und Entwicklung Wettbewerb bestehe, wenn der Preiswettbewerb fehle. Der Einsatz nichtpreislicher Aktionsparameter sei daher grundsätzlich irrelevant. 31 Vielmehr komme es darauf an, ob vorhandene Marktmacht hier der Marktmacht der Oligopolgruppe ausgeliefert auch wenn zwischen diesen auf dem Primärmarkt im übrigen Wettbewerb bestehe. 29 Diese Feststellung soll jedoch nach Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 82, nicht im Sinne einer Parameter-Theorie verallgemeinerungsfähig sein, wonach wesentlicher Wettbewerb bereits dann fehle, wenn nur ein als besonders wichtig eingeschätzter Aktionsparameter (ζ. B. der Preis) seitens der Unternehmen stillgelegt worden sei. Vielmehr solle die Einsicht offen gehalten werden, daß bei Oligopolunternehmen angesichts der typischen Tendenz zur Verhaltenskonformität die Frage, ob wesentlicher Wettbewerb bestehe, sich anders stellen könne als im Rahmen marktbeherrschender Einzelunternehmen. 30 Vgl. Baur, BB 1973, 915, 920; Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 173. 31 Vgl. Baur, ZHR 134 (1970), 99, 147; Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 19; /. Schmidt, WuW 1965, 453, 470. Im Ergebnis vergleichbar mit dieser Ansicht, wenn auch mit abweichender Begründung, ist der Standpunkt von Reich, Verbraucher und Recht, S. 49 ff. Reich vertritt eine Rechtsauffassung, welche das Wettbewerbsrecht als Verbraucherschutzrecht konzipiert und es unter expliziter Einbeziehung der Interessen der privaten Endverbraucher strukturiert. Der Preis wird dabei als ein verbraucherpolitisch zentrales Aktionsparameter angesehen. Nach Ansicht von Reich, a. a. O., S. 50, schließt Gleichpreisigkeit im homogenen Oligopol wesentlichen Innenwettbewerb aus. Nebenformen wie etwa Forschungs- und Werbungswettbewerb indizierten danach ebensowenig einen wesentlichen Wettbewerb wie bloße Marktanteilsverschiebungen. Der Preiswettbewerb könne zwar durch einen Qualitätswettbewerb ersetzt werden, da dieser für den Verbraucher gleichfalls eine besondere Bedeutung habe. Hierfür sei aber ein objektiver, durch die Marktgegenseite bestimmter Maßstab erforderlich, so daß Strategien der „künstlichen Produktdifferenzierung" und Ausweichformen des Wettbewerbs nicht als hinreichende Substitution des Preiswettbewerbs akzeptiert werden könnten; vgl. hierzu Reich, a. a. Ο., S. 49 ff.; ders., ZVP 1977, 227, 231.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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durch Wettbewerb noch so weit relativiert werde, daß von wirtschaftlichen Freiheitsrechten ohne Beeinträchtigung durch eine solche Marktmacht Gebrauch gemacht werden könne. Da somit die Unausweichlichkeitswirkung auf Dritte das zentrale Kriterium sei, könne außer dem „oligopolistischen Normalzustand" der Gleichpreisigkeit auch die isolierte Gleichschaltung sonstiger Aktionsparameter wesentlichen Innenwettbewerb im Oligopol ausschließen. Das eine Marktbeherrschung der Gruppe begründende Element sei danach das bewußt gleichförmige Marktverhalten der Oligopolisten mit der Folge, daß die davon betroffenen Dritten keine Ausweichmöglichkeiten mehr hätten.32 Nach Ansicht der überwiegenden Meinung führt dies dazu, daß innerhalb des Oligopoltatbestandes Innenverhältnis und Außen Verhältnis weitgehend zusammenfallen. 33 Diese primär auf das gleichförmige Verhalten und den Gruppeneffekt nach außen abstellende Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois soll grundsätzlich auch für den Oligopoltatbestand der Fusionskontrolle gelten, ohne das es dabei jedoch zu einer schematischen Gleichbewertung kommen dürfe, da hier marktstrukturelle Gesichtspunkte in ihrem Zukunftsbezug im Vordergrund stünden.34
d) Der Ersatz fehlenden Preiswettbewerbs durch andere Faktoren Die Gesamtbetrachtungstheorie Schließlich wird die Ansicht vertreten, daß die Prüfung, ob zwischen den Mitgliedern eines Oligopois im Innenverhältnis wesentlicher Wettbewerb bestehe, eine Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände und der auf dem Markt herrschenden Wettbewerbs Verhältnisse erfordere. 35 Im Gegensatz zur überwiegenden 32
Möschel in: Immenga /Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 79; ders., in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 86 EGV RdNr. 110; Langen, in: Gleiss / Hirsch, Kommentar zum EGKartellrecht, Art. 86 RdNr. 49; Mailänder, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), Art. 86 RdNr. 46; Müller/Gießler/Scholz, § 22 RdNr. 54 f.; Westrick/Loewenheim, § 22 RdNr. 33; Schwark, BB 1980, 1350, 1352 f.; Baur, ZHR 134 (1970), 99, 146 f.; Monopolkommission, Sondergutachten 1, Tz. 29; Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 19 ff.; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 166 f.; Burkhardt, Kartellrecht, RdNr. 350; Müller-Uri, Kartellrecht, RdNr. 227; Emmerich, Kartellrecht S. 182. 33 Monopolkommission, Hauptgutachten 4, Tz. 623; Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 173; Rittner, Kartellrecht, S. 375 f.; Leo, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 RdNr. 1234; Emmerich, Kartellrecht, S. 182; Baur, ZHR 134 (1970), 99, 141; Schwark, BB 1980, 1350, 1352. 34 Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 865; 531; ders., Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 175; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 151. 35 Vgl. hierzu und zum folgenden Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 204; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 277; Ruppelt, in: Langen / Bunte, § 19 RdNr. 61, 62; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 544 f.; ders., Schwerpunkte des Kartellrechts 1980/81, 11, 14 f.; ders., Schwerpunkte des Kartellrechts 1981/82, 95, 116 f.; Leo, in: Gemeinschaftskommentar, § 19
9 Hahn
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Meinung soll es nach dieser sogenannten Gesamtbetrachtungstheorie nicht schon dann an wesentlichem Innenwettbewerb fehlen, wenn einzelne bedeutende Aktionsparameter nicht bzw. nur gleichförmig eingesetzt würden, wobei es unerheblich sei, ob ihr Einsatz faktisch möglich oder wirtschaftlich sinnvoll sei oder vorsätzlich mit Rücksicht auf die Wettbewerber unterbleibe. Selbst ein gleichförmiges Preisverhalten der Oligopolmitglieder schließe das Vorliegen wesentlichen Innenwettbewerbs insgesamt noch nicht aus. Dies wird zum einen damit begründet, daß eine Gleichförmigkeit der Preise im Oligopol auf der Stillegung des Preisparameters wie auch auf der jeweils sofortigen Reaktion auf seinen Einsatz, also auf besonders intensivem Preiswettbewerb, beruhen könne. 36 Oft bestehe auch nur nach außen der Eindruck preislicher Gleichförmigkeit, während in Wahrheit aus Furcht vor offenem, ruinösem Preiskampf der Wettbewerb mit geheimen Zugeständnissen geführt werde. Zum anderen wird darauf hingewiesen, daß sich Unternehmen im Oligopol wesentlichen Wettbewerb auch mit anderen Wettbewerbsparametern liefern könnten, soweit diese - und nicht der Preiswettbewerb - für die Durchsetzung eines Unternehmens bei der Marktgegenseite ausschlaggebend seien.37 Nach der Gesamtbetrachtungstheorie kann wesentlicher Wettbewerb beim Fehlen von Preiswettbewerb dann vorliegen, wenn sich aus einer Summierung anderer, wenn auch untergeordneter Wettbewerbsformen ergebe, daß die wesentlichen Funktionen des Wettbewerbs erfüllt seien, insbesondere der Preisspielraum der Unternehmen begrenzt bleibe. 38 Als Maßstab hierfür soll das normalerweise mögliche WettbeRdNr. 1266; v. Wallenberg, Kartellrecht, RdNr. 245. Die Gesamtbetrachtungsweise wurde vom Bundesgerichtshof entwickelt und wird von den deutschen Rechtsanwendungsorganen in ständiger Praxis angewandt, vgl. BGH v. 4. 10. 1983 Texaco/Zerssen, WuW/E BGH 2025, 2027; BGH v. 22. 6. 1981 Tonolli/Blei- und Silberhütte Braubach, WuW/E BGH 1824, 1827; KG v. 1. 7. 1983 Morris/Rothmans, WuW/E OLG 3051, 3072; KG v. 2. 7. 1982 Texaco/Zerssen, WuW/E OLG 2663, 2667; BKartA v. 24. 2. 1982 Morris/Rothmans, WuW/E BKartA 1943, 1949; Bundeskartellamt, Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle - Checkliste, S. 24. 36
Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 204; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl), § 24 RdNr. 545; Bartholomeyczik, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 22 RdNr. 68; Benisch, WuW 1971, 887, 890; Kersten, WuW 1972, 69, 82 f. Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 281, weisen zudem darauf hin, daß selbst in der Idealform der vollkommenen Konkurrenz gleiche Preise im Markt angetroffen würden, auf deren Bildung die Anbieter keinen Einfluß hätten. 37 Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 204; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 294. Nach dieser Ansicht kann daher bei hochspezialisierten Waren ein intensiver Qualitäts-, Foschungs- oder Beratungswettbewerb insgesamt zu wesentlichem Wettbewerb führen, auch wenn der Preisparameter von den Unternehmen nicht eingesetzt werde. 3
« BGH v. 22. 6. 1981 Tonolli /Blei- und Silberhütte Braubach, WuW/E BGH 1824, 1828; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 204; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 544; Ruppelt, in: Langen / Bunte, § 19 RdNr. 62; Leo, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 RdNr. 1271; v. Wallenberg, Kartellrecht, RdNr. 245; Harms, Schwerpunkte des Kartellrechts 1980/81, 11, 15. Einschränkend auf Märkte mit homogenen Massengütern die Monopolkommission in ihrem Hauptgutachten 4, Tz. 622. Auf Märkten mit heterogenen Gütern soll dagegen nach Ansicht der Monopolkom-
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
131
werbspotential herangezogen werden und nicht etwa der aufgrund der strukturellen Einschränkungen verbleibende Verhaltensspielraum. Würde man die Wahrnehmung der verbleibenden Wettbewerbsmöglichkeiten für sich allein ausreichen lassen, so führte dies zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Oligopolen. Der verbleibende Restwettbewerb müsse daher derart intensiv sein, daß er den Ausfall wichtiger Wettbewerbsparameter im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs kompensieren könne. 39 Diesen Ansatz will die Gesamtbetrachtungstheorie jedoch nicht in der Weise verstanden wissen, daß zur Feststellung von Innenwettbewerb mosaikartig alles zusammengetragen werden müsse, was hinsichtlich sämtlicher Aktionsparameter an Wettbewerbshandlungen festgestellt werden könne. Vielmehr bedürfe es einer zusammenfassenden Schau der Gesamtauswirkungen der strukturellen Wettbewerbsbedingungen, wie auch des Wettbewerbsverhaltens der Unternehmen auf dem relevanten Markt. 40 Die Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung zeige sich insbesondere bei homogenen Produkten, bei denen ein Produkt und Qualitätswettbewerb naturgemäß ausscheide. Hier lasse die marktstrukturelle Beurteilung für sich allein meist noch nicht die Feststellung zu, ob wesentlicher Wettbewerb bestehe oder fehle. Im Rahmen der Marktstrukturuntersuchung soll es für die Feststellung fehlenden Innenwettbewerbs darauf ankommen, ob die Unternehmen aufgrund marktstruktureller Gegebenheiten bei einem wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handeln voraussichtlich von wettbewerblichen Maßnahmen absehen werden. Nicht erforderlich sei es dagegen, daß die Oligopolisten aufgrund der Strukturdaten zur Unterlassung wettbewerblicher Maßnahmen gezwungen würden. 41
mission die Feststellung einer gleichgerichteten Preispolitik genügen, um fehlenden Innenwettbewerb anzunehmen und daher eine umfassende Prüfung aller Wettbewerbsfaktoren entbehrlich sein, da hier die Wettbewerbsbedingungen keine Gleichpreisigkeit erzwingen würden. Das Bundeskartellamt hat demgegenüber lange Zeit die Ansicht vertreten, daß wesentlicher Innenwettbewerb nur bei aktivem Einsatz des Wettbewerbsparameters Preis vorliegen könne; vgl. BKartA v. 30. 3. 1979 Blei- und Silberhütte Braubach, WuW/E BKartA 1799, 1801. Auch das Kammergericht hat in seiner Valium //-Entscheidung v. 24. 8. 1978, WuW/E OLG 2053, 2057, die Auffassung vertreten, fehlender Preiswettbewerb könne trotz des Einsatzes anderer Aktionsparameter das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs begründen, wollte diese Feststellung aber später nur für den Sonderfall eines Preismißbrauchsverfahrens verstanden wissen; so KG v. 16. 1. 1980 Blei- und Silberhütte Braubach, WuW/E OLG 2234, 2236. 39 BGH v. 4. 10. 1983 Texaco/Zerssen, WuW/E BGH 2025, 2028; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 544; Kuppelt, in: Langen/Bunte, § 19 RdNr. 62. 40 BGH v. 4. 10. 1983 Texaco/Zerssen, WuW/E BGH 2025, 2027; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (Lfg. 39), § 22 RdNr. 278; v. Wallenberg, Kartellrecht, RdNr. 245. 41 BGH v. 4. 10. 1983 Texaco/Zerssen, *
WuW/E BGH 2025, 2027.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen 2. Die Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois durch Rechtsprechung und Kommission
Im folgenden soll nun untersucht werden, wie die Kommission und die europäischen Gerichte den Begriff des marktbeherrschenden Oligopois definieren. Dabei wird zunächst auf die Rechtspraxis zu Art. 82 EGV eingegangen, die einen spürbaren Einfluß auf die Begriffsbestimmung der Oligopolmarktbeherrschung im Rahmen der FKVO hat, die dann im Anschluß behandelt wird.
a) Die Begriffsbestimmung
im Rahmen des Art. 82 EGV
Art. 82 Satz 1 EGV verbietet die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Im Gegensatz zur FKVO, die keinen ausdrücklichen Oligopoltatbestand enthält, erfaßt Art. 82 Satz 1 EGV damit auch eine marktbeherrschende Stellung die von mehreren Unternehmen gemeinsam eingenommen wird. 42 Allerdings beschränkt sich Art. 82 EGV lediglich auf die normative Feststellung, daß neben der Marktbeherrschung durch ein einzelnes Unternehmen auch eine solche durch mehrere Unternehmen den Aufgreiftatbestand des Mißbrauchsverbots erfüllt. Die Vorschrift gibt jedoch keine Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen mehrere Unternehmen auf einem Markt zu einer marktbeherrschenden Gruppe zusammengefaßt werden können. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die Herausarbeitung einer solchen Begriffsbestimmung im Rahmen des Art. 82 EGV vielmehr in erster Linie der Entscheidungspraxis von Kommission und Rechtsprechung überlassen.
42
Auf den ersten Blick scheint zwar die Marktbeherrschung durch zwei oder mehrere Unternehmen im Tatbestand des Art. 82 EGV nicht vorgesehen zu sein, da der Wortlaut lediglich von der „mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen" spricht und sich damit vordergründig auf das Verbot eines gemeinsamen Mißbrauchs beschränkt. Ein gemeinsamer Mißbrauch durch mehrere Unternehmen ist aber nur dann logisch denkbar, wenn gleichzeitig auch eine gemeinsame beherrschende Stellung dieser Unternehmen besteht. So auch die allgemeine Ansicht, vgl. EuG v. 8. 10. 1996, verb. Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime beige transports u. a. /Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 60; EuGH v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Almelo, Slg. 1994 I, 1477, Tz. 42; EuG v. 10. 3. 1992, verb. Rs. T-68,77,78 / 89 SIVu. a. /Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 358; Schröter, in: Groeben / Thiesing / Ehlermann, Art. 86 RdNr. 64; Mailänder, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), Art. 86 RdNr. 45; Dierksen, in: Langen/Bunte, Art. 82 RdNr. 59; Bechtold/Hootz, in: Gleiss / Hirsch, Kommentar zum EG-Kartellrecht, Art. 86 RdNr. 49; Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV - Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 17; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 348; Faull, ECLR 1984, 358, 368; Bechtold, RIW 1985, 442, 443; Deimel, Rechtsgrundlagen einer europäischen Zusammenschlußkontrolle, S. 65; Schulte, Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen nach Art. 86 EWGV, S. 64.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
133
aa) Frühe Aussagen von Kommission und Gerichtshof zur Oligopolmarktbeherrschung Obwohl die Kommission mit Art. 82 EGV von Anfang an über eine hinreichende rechtliche Grundlage zur Entwicklung eines Konzepts der Oligopolmarktbeherrschung im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht verfügte, hat sie sich erst relativ spät und bisher auch nur vereinzelt mit dieser Problematik beschäftigt. Eine beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen im Sinne des Art. 82 EGV stellte die Kommission erstmals in der Entscheidung Europäische Zuckerindustrie fest. 43 Das Verfahren richtete sich u. a. gegen zwei niederländische Zuckerproduzenten, die den Markt vertraglich unter sich aufgeteilt hatten. Die Unternehmen hielten zusammen einen Marktanteil von ca. 85%, hatten Einkauf, Werbung und Verkaufsförderung zusammengelegt und sowohl ihre Verkaufspreise als auch ihre Verkaufsbedingungen vereinheitlicht. 44 Die Kommission stellte einerseits eine Verletzung von Art. 81 EGV aufgrund abgestimmter Verhaltensweisen fest und sah gleichzeitig einen Mißbrauch einer gemeinsamen marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EGV als gegeben an. Nach Auffassung der Kommission sollte eine marktbeherrschende Stellung mehrerer Unternehmen dann vorliegen, wenn die beteiligten Unternehmen mit Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Rolle, ihre Bedeutung, ihre Marktposition und ihr Verhalten ausreichend viele Gemeinsamkeiten aufzuweisen hätten, die den Schluß aufdrängten, daß die Unternehmen gegenüber einzelnen Lieferanten, Wettbewerbern oder Abnehmern nicht einzeln, sondern gemeinsam auftreten würden. Diese Voraussetzungen sah die Kommission im konkreten Fall als gegeben an, da die beiden betroffenen Unternehmen aufgrund ihrer gegenseitigen Abstimmung eine gemeinsame Haltung eingenommen hätten und daher als Einheit zu behandeln seien.45 Der Europäische Gerichtshof enthielt sich in dem anschließenden Verfahren allerdings jeglicher Stellungnahme zu dieser Problematik46
Auf das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen als Voraussetzung für eine gemeinsame Marktbeherrschung stellte die Kommission auch in ihrer Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren in der Sache Ahmed Saeed Flugreisen u. a. / Z W ab 4 7 Sie sah hier eine gemeinsame beherrschende Stellung der zur Bedienung derselben Flugstrecke zugelassenen Luftfahrtunternehmen deshalb als gegeben an, weil diese Unternehmen aufgrund von Tarifabsprachen den Preiswettbewerb untereinander ausgeschlossen hatten und infolge von Unternehmensvereinbarungen auch bei anderen Aktionsparametern kein Wettbewerb be43 Kommission v. 2. 1. 1973 Europäische Zuckerindustrie, 44 Kommission v. 2. 1. 1973 Europäische Zuckerindustrie, 45
ABl. 1973 L 140/17. ABl. 1973 L 140/17, 19.
Vgl. die Gegenerwiderung der Kommission in der Sache Suiker Unie , Slg. 1975, 1663,
1860, 1866.
46 Vgl. EuGH v. 16. 12. 1975 verb. Rs. 40/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663 ff. 47 Vgl. den Sitzungsbericht in der Sache Ahmed Saeed Flugreisen, Slg. 1989, 803, 810.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
stand. Generalanwalt Lenz argumentierte in seinen Schlußanträgen, daß bereits der Wortlaut des Art. 82 EGV zeige, daß auch mehrere Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehaben könnten. So könnten beispielsweise die Mitglieder eines Kartells beziehungsweise die Teilnehmer an gemeinschaftsrechtswidrigen Vereinbarungen im Sinne von Art. 81 EGV eine gemeinsame beherrschende Stellung einnehmen. Denn die Anwendbarkeit von Art. 81 EGV auf einen konkreten Fall schließe diejenige von Art. 82 EGV jedenfalls nicht aus. Eine kollektive marktbeherrschende Stellung sei im konkreten Fall insbesondere deshalb anzunehmen, weil die Fluggesellschaften den Kunden gegenüber weitgehend als Einheit auftreten würden. 48 In seiner Vorabentscheidung bestätigte der Europäische Gerichtshof zwar, daß Art. 81 und 82 EGV durchaus nebeneinander angewandt werden könnten. Zur Frage der gemeinsamen Marktbeherrschung nahm er allerdings wiederum keine Stellung, da nach der Ansicht des Gerichtshofs nur ein Mißbrauch durch ein allein marktbeherrschendes Luftfahrtunternehmen vorlag. 49 Diese frühen Entscheidungen zeigen, daß sich die Kommission bei der Anwendung des Art. 82 EGV auf die marktbeherrschende Stellung mehrerer Unternehmen zunächst auf solche Fälle beschränkte, in denen die betroffenen Unternehmen durch wettbewerbsbeschränkende, gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßende Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen miteinander verbunden waren. Dabei blieb zunächst unklar, ob es sich bei diesen wettbewerbsbeschränkenden Verbindungen nach Ansicht der Kommission um eine konstitutive Voraussetzung einer gemeinsamen Marktbeherrschung handeln sollte oder ob hierfür auch die bloße Reaktionsverbundenheit der Mitglieder eines Oligopois und ein daraus resultierendes bewußtes Parallelverhalten ausreichend sein könnten. Ein obiter dictum des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Hoffinann-La Roche /Kommission schien eine solch weitreichende Anwendbarkeit des Art. 82 EGV auszuschließen. Der Gerichtshof stellte hierin fest, daß sich die für oligopolistische Situationen typischen parallelen Verhaltensweisen von der beherrschenden Stellung dadurch unterscheiden würden, daß sich die Verhaltensweisen im Oligopol gegenseitig beeinflußten, während das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung in großem Umfang einseitig festgelegt werde. 50 Dennoch machte die Kommission in ihrer Stellungnahme im Vorabentscheidungsverfahren in der Sache Alsatel/Novasam den Versuch, den Begriff der gemeinsamen Marktbeherrschung in diese Richtung weiterzuentwickeln. 51 Das Verfahren betraf die Anwendbarkeit von Art. 82 EGV 48 Vgl. Schlußanträge von Generalanwalt Lenz, Slg. 1989, 803, Tz. 27, 34, 35. 49 EuGH v. 11. 4. 1989 Rs. 66/86 Ahmed Saeeg Flugreisen u. aJZBW, Slg. 1989, 803, Tz. 39 f. so EuGH v. 13. 2. 1979 Rs. 85/76 Hoffinann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Tz. 39. 51 Vgl. EuGH v. 5. 10. 1988, Rs. 247 /86 Alsatel/Novasam, Slg. 1988, 5987, 6005. Davor hatte die Kommission in ihrem 4. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1974, Tz. 65, erwähnt, daß sieben niederländische Mineralölunternehmen Mitteilungen der Beschwerdepunkte erhalten hatten, in denen ihnen der Mißbrauch einer gemeinsamen beherrschenden Stellung
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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auf das Verhalten des französischen Unternehmens Alsatel, Telefonanlagen zu den gleichen Bedingungen wie seine Wettbewerber zu vermieteten. Auf dem relevanten Markt hielten Alsatel und die französische Post jeweils Marktanteile von einem Drittel. Nachdem die Kommission festgestellt hatte, daß ein Unternehmen mit einem Drittel Marktanteil für sich genommen keine beherrschende Stellung besitze, wenn sein stärkster Konkurrent fast den gleichen Marktanteil halte, prüfte sie im Anschluß das Vorliegen einer kollektiv beherrschenden Stellung. Dabei vertrat die Kommission erstmals die Auffassung, daß sich „eine beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen auch aus einem Parallelverhalten mehrerer Unternehmen ergeben" könne. 52 Als Antwort auf die vom nationalen Gericht vorgelegte Frage schlug sie daher vor, daß eine beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen im Sinne des Art. 82 EGV schon dann vorliege, wenn eine Unternehmensgruppe einen Marktanteil von ungefähr zwei Dritteln halte, aufgrund der für den Gewerbezweig ihrer Mitglieder geltenden Regelung die Macht habe, den Zugang neuer Unternehmen zum Markt zu kontrollieren und sich ein bedeutender Teil ihrer Mitglieder gleich verhalte. 53 Für den konkreten Nachweis eines solch gleichförmigen Verhaltens verfügte die Kommission jedoch über keine hinreichenden Tatsachenbelege und allein aufgrund der vom nationalen Gericht vorgetragenen Tatsachengrundlage konnte von einer solchen Fallgestaltung nicht ausgegangen werden. Trotz seiner eher ablehnenden Haltung in der Sache Hoffmann-La Roche /Kommission ließ es der Gerichtshof in seiner Entscheidung nunmehr überraschenderweise ausdrücklich offen, ob auch ein Parallelverhalten mehrerer unabhängiger Unternehmen insbesondere bei der Gestaltung von Preisen und Geschäftsbedingungen zur Annahme einer unter Art. 82 EGV fallenden beherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen ausreichend sein könnte. 54 Er antwortete dem vorlegenden Gericht allgemein, daß Art. 81 EGV anwendbar sei, wenn der bedeutende Anteil eines Unternehmens am regionalen Markt das Ergebnis einer Absprache sei, während Art. 82 EGV eingreife, wenn eine solche Aufteilung auf das Verhalten mehrerer Unternehmen der gleichen Unternehmensgruppe zurückzuführen sei.
vorgeworfen wurde. Die Kommission ging jedoch hierauf nicht näher ein und ihre später in diesem Fall ergangene Entscheidung v. 19. 4. 1977 ABG/Mineralölgesellschaften, ABl. 1977, L 117/1, 8 ff., stützte sich im Ergebnis auf Einzelmarktbeherrschung, weil nach den Feststellungen der Kommission, bedingt durch die Knappheit des Rohöls, der Markt in viele einzelne Lieferbeziehungen zerfiel, und auf diesen Teilmärkten nun jeder einzelne Lieferant alleine marktbeherrschend war. 52 Kommission, Sitzungsbericht in der Sache Alsatel/Novasam, Slg. 1988, 5987, 5994. 53 Kommission, Sitzungsbericht in der Sache Alsatel/Novasam, Slg. 1988, 5987, 5995. 54 EuGH v. 5. 10. 1988 Rs. 247 /86 Alsatel /Novasam, Slg. 1988, 5987, Tz. 20, 21.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
bb) Kommissionsentscheidung und Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache Flachglas (Italien) Die erste ausführliche Prüfung einer beherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen im Rahmen des Art. 82 EGV nahm die Kommission in der Entscheidung Flachglas (Italien) 55 vor. In diesem Fall verhängte die Kommission gegen drei italienische Unternehmen Geldbußen wegen Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EGV und Art. 82 EGV. Bei den betroffenen Unternehmen handelte es sich um die drei größten italienischen Hersteller von Flachglas, die zusammen Marktanteile von 79% (auf dem Bauglasmarkt) bis 95% (auf dem Automobilglasmarkt) erreichten. Die Kommission stellte zunächst fest, daß sich die betroffenen Unternehmen durch Absprachen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen auf einheitliche Preise, Rabatte und Verkaufsbedingungen verständigt und damit gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßen hätten.56 Im Anschluß daran untersuchte sie, ob gleichzeitig ein mißbräuchliches Ausnutzen einer kollektiv beherrschenden Stellung nach Art. 82 EGV gegeben sei. Dabei identifizierte die Kommission die drei Unternehmen als Teilnehmer an einem engen Oligopol, die über einen Grad an Unabhängigkeit gegenüber dem Wettbewerbsdruck verfügten, der sie in die Lage versetze, einen wirksamen Wettbewerb dadurch zu verhindern, daß sie auf das Verhalten der anderen Marktteilnehmer keine besondere Rücksicht nehmen brauchten. Die drei Unternehmen würden auf dem Markt als Einheit und nicht als individuelle Marktteilnehmer auftreten, was durch die umfangreichen strukturellen Verflechtungen der Unternehmen belegt werde. 57 Schon die von den drei Unternehmen gemeinsam gehaltenen Marktanteile von 79% - 95% sah die Kommission dabei als ausreichend an, um den Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem Markt zu sichern. 58 Im anschließenden Verfahren vor dem Gericht erster Instanz stellte die Kommission dann allerdings klar, daß sie keineswegs beabsichtigt habe, den Begriff der kollektiv beherrschenden Stellung auf die drei Unternehmen nur deswegen anzuwenden, weil diese zu einem engen Oligopol mit mehr als 80% Marktanteil gehörten. Sie habe diesen Begriff auf die Unternehmen vielmehr deshalb angewandt, weil diese auf dem Markt als Einheit und nicht als individuelle Marktteilnehmer aufgetreten seien. Dies sei jedoch nicht eine Folge der Struktur des Oligopois, sondern von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, mit denen die Unternehmen strukturelle Verbindungen untereinander geschaffen hätten, die insbesondere in systematischen gegenseitigen Produktlieferungen zum Ausdruck 55 Kommission v. 4. 2. 1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44. 56 Kommission v. 4. 2. 1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 59-73. 57 Kommission v. 4. 2. 1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 79 a.E. Im Verfahren vor dem Gericht erster Instanz wies die Kommission darauf hin, daß es sich hierbei um ein „Kernelement" ihres Standpunktes bezüglich der Anwendung des Art. 82 EGV handele, dessen Begründetheit sie zu beweisen habe, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 365. 58 Kommission v. 4. 2. 1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 79.
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gekommen seien. Im Gegensatz zu ihrer Ansicht in der Sache Alsatel/Novasam erklärte die Kommission schließlich, daß sie keineswegs die Auffassung vertreten habe, daß Art. 82 EGV auf Unternehmen in Oligopolstellung unabhängig vom Vorliegen von Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zwischen ihnen angewandt werden könne. 59 Großbritannien, das sich den Klagen der drei betroffenen Unternehmen vor dem Gericht erster Instanz als Streithelferin angeschlossen hatte, sah auch diese Begriffsdefinition der Kommission noch als zu weit an. 60 Nach Auffassung Großbritanniens sollten mehrere Unternehmen nur unter ganz besonderen Umständen gemeinsam eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EGV einnehmen. Hierfür müßten die Unternehmen aber als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten sein, innerhalb der die einzelnen Unternehmen keine wirkliche Autonomie bei der Festlegung ihres Marktverhaltens hätten und daher nicht mehr als wirtschaftlich voneinander unabhängig betrachtet werden könnten. Das Gericht erster Instanz Schloß sich der restriktiven Ansicht Großbritanniens in seinem Urteil allerdings nicht an, sondern verwies darauf, daß sich im Zusammenhang des Art. 81 EGV der Begriff der Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise zwischen Unternehmen nicht auf solche zwischen Unternehmen derselben Konzerngruppe beziehe, wenn diese eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Vielmehr erfasse Art. 81 EGV Beziehungen zwischen zwei oder mehr Wirtschaftseinheiten, die miteinander in Wettbewerb treten könnten. Da es insoweit keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründe für eine abweichende Beurteilung im Rahmen des Art. 82 EGV gäbe, komme dem Begriff „Unternehmen" in dieser Norm die gleiche Bedeutung zu. 61 Im Anschluß daran führte das Gericht aus, daß es somit grundsätzlich nicht auszuschließen sei, daß „zwei oder mehr unabhängige wirtschaftliche Einheiten auf einem spezifischen Markt durch wirtschaftliche Bande so miteinander verknüpft sind, daß sie infolgedessen eine beherrschende Stellung im Verhältnis zu den Marktteilnehmern einnehmen."62
Dies könne nach Ansicht des Gerichts etwa dann der Fall sein, wenn mehrere Unternehmen durch Vereinbarungen oder Lizenzen gemeinsam über einen technologischen Vorsprung verfügten, der es ihnen ermögliche, sich in einem erheblichen Umfang unabhängig gegenüber den Marktteilnehmern zu verhalten. Diese Auslegung des Begriffs der kollektiv beherrschenden Stellung fand das Gericht durch die Verordnung Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Art. 81 und 82 EGV auf den Seeverkehr bestätigt.63 Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung gehe 59 Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 350. 60 Slg. 1992 II, 1403, Tz. 342. 61 EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a. /Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 342. 62 EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 358 (Hervorhebung durch den Verf.) 63 Verordnung (EWG) Nr. 4056/86, ABl. 1986 L 378/4.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
davon aus, daß das Verhalten von Schiffahrtskonferenzen, die vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV freigestellt seien, Wirkungen erzeugen könne, die gegen Art. 82 EGV verstoßen. Eine vorherige Freistellung vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV setze jedoch notwendigerweise das Bestehen einer Vereinbarung zwischen mehreren unabhängigen Wirtschaftseinheiten voraus. 64 Aufgrund der mangelhaften Marktabgrenzung und Beweisführung der Kommission ließ es das Gericht im konkreten Fall offen, ob die vorhandenen Verbindungen zwischen den drei Unternehmen ausgereicht hätten, um eine kollektiv beherrschende Stellung zu begründen. Es führte jedoch aus, daß sich die Kommission bei der Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 82 EGV nicht darauf beschränken dürfe, die einen Verstoß gegen Art. 81 EGV begründenden Tatsachen in der Weise „wiederzuverwenden", daß sie daraus die Feststellung ableite, daß die Parteien einer Vereinbarung oder einer rechtswidrigen Verhaltensweise die einen bedeutenden Marktanteil hielten, allein deshalb eine kollektiv beherrschende Stellung einnehmen würden und ihr nach Art. 81 EGV verbotenes Verhalten deren rechtswidriger Mißbrauch darstelle. 65
cc) Die weitere Konkretisierung des Kriteriums der „wirtschaftlichen Verbindungen" Auch wenn sich das Gericht erster Instanz in der Sache SIV letztlich nur in einem obiter dictum zu den Voraussetzungen der beherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen geäußert hat, bestimmt der hierdurch eingeführte Begriff der „wirtschaftlichen Verbindungen" seitdem die Entscheidungspraxis der Kommission zu Art. 82 EGV. 66 Der Europäische Gerichtshof hat das Kriterium der wirtschaflichen Verbindungen ausdrücklich erstmals in seiner Vorabentscheidung in der Sache Gemeente Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij angewandt.67 In diesem Verfahren nach Art. 234 EGV hatte der Gerichtshof u. a. über die Frage zu entscheiden, ob die regionalen niederländischen Stromversorgungsunternehmen, die in ihren Verträgen einheitliche Einfuhrverbotsklauseln für Elektrizität verwendeten, gemeinschaftlich marktbeherrschend seien. Generalanwalt Darmon stellte in seinen Schlußanträgen auf das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache SIV ab und zog daraus den 64 EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78 / 89 SIVu. α. /Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 359. 65 EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. α./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 360. 66 Vgl. Kommission v. 12. 4. 1999 P&I-Clubs, ABl. 1999 L 125/12, Tz. 120 ff.; ν 16. 9. 1998 Trans-Atlantic Conference Agreement, ABl. 1999 L 95/1, Tz. 520 ff.; v. 21. 12. 1993, Rodby, ABl. 1994 L 55/52, Tz. 11; v. 23. 12. 1992, CEWAL u. a., ABl. 1992 L 34/20, Tz. 49, 61; v. 1. 2. 1992, Reederausschüsse in der Frankreich-Westafrika-Fahrt, ABl. 1992 L 134/1, Tz. 58, 66. 67 EuGH v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Gemeente Almelo/Energiebedrijf 19941, 1508.
Ijsselmij,
Slg.
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Schluß, daß es keine kollektiv beherrschende Stellung ohne ein Minimum an Verbindungen geben könne, aufgrund derer die betroffenen Unternehmen kollektiv den Markt beherrschen könnten. Er führte weiter aus, daß das vorlegende Gericht prüfen müsse, ob die Unternehmen durch wirtschaftliche Bande ausreichend verknüpft seien, wobei berücksichtigt werden müsse, daß die regionalen Versorgungsunternehmen mit den lokalen Versorgungsunternehmen durch gleichartige Verträge verbunden seien.68 Der Gerichtshof ging in seinem Urteil zwar nicht ausdrücklich auf das betreffende Urteil des Gerichts erster Instanz ein, verlangte jedoch als Voraussetzung für eine kollektive beherrschende Stellung, daß „die Unternehmen der betreffenden Gruppe so eng miteinander verbunden sind, daß sie auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen können." 69 Die konkrete Prüfung, ob die vorhandenen Verbindungen zwischen den Stromversorgungsunternehmen stark genug seien, um zu einer solchen Stellung zu führen, sah der Gerichtshof dagegen als Aufgabe des vorlegenden niederländischen Gerichts an. Die Formel von den „engen Verbindungen", die deutliche Parallelen zu den vom Gericht erster Instanz geforderten „wirtschaftlichen Verbindungen" aufweist, verwendete der Gerichtshof seitdem in ständiger Rechtsprechung zur Beschreibung der marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen, ohne jedoch lange Zeit deren genaue Bedeutung zu erläutern. 70 (1) Die Kommissionsentscheidung
in der Sache CEWAL
Die bislang eingehendste Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen aufgrund zwischen ihnen bestehender wirtschaftlicher Verbindungen nahm die Kommission in der Sache CEWAL vor. 71 Die Entscheidung betraf die Verhaltensweisen von drei Schiffahrtskonferenzen bei der Frachtbeförderung in der Linienschiffahrt zwischen den Häfen Nordeuropas und Zaires. Bei diesen sogenannten Linienkonferenzen handelte es sich nach Auffassung der Kommission um Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Sinne von Art. 81 EGV. 72 Dasselbe 68 Schlußanträge in der Sache Almelo, Slg. 19941,1477, Tz. 116-118. 69 EuGH v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Gemeente Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij, Slg. 19941, 1508, Tz. 42 (Hervorhebung durch den Verf.). 70 Vgl. EuGH v. 17. 10. 1995 Rs. C-140-142/94 DIP/Commune di Bussano del Grappa u.a. Slg. 1995 I, 3257, Tz. 26. Auch in diesem Fall verwies der Generalanwalt in seinen Schlußanträgen auf das Flachglas-Urteil des EuG, vgl. Slg. 1995 I, 3259, Tz. 64 sowie auch EuGH v. 5. 10. 1995 Rs. C-96/94 Centro Servizi Spediporto/ Spedizioni Maritima, Slg. 1995 I, 2900, Tz. 33; v. 17. 6. 1997 Rs. C-70/95 Sodemare u. a./Regione Lombardia, Slg. 1997 I, Tz. 46 f. 71 Kommission v. 23. 12. 1992, CEWAL u. a., ABl. 1992, L 34/20. Vgl. ausführlich zu dieser Entscheidung Tillotson/MacCulloch, World Competititon 21 (1997), 51 if. 72 Nach der Legaldefinition des Art. 1 Abs. 3 lit. b) VO Nr. 4056/86 ist eine „Linienkonferenz" eine Gruppe von zwei oder mehr Unternehmen der Seeschiffahrt, die internationale Liniendienste für die Beförderung von Ladung zur Verfügung stellt und die eine Vereinbarung oder Abmachung getroffen hat, in deren Rahmen sie auf der Grundlage einheitlicher oder gemeinsamer Frachtraten und etwaiger sonstiger vereinbarter Bedingungen hinsichtlich der Bereitstellung von Liniendiensten arbeitet.
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galt für die zwischen den drei Linienkonferenzen bestehenden Vereinbarungen. Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes der Linienkonferenz CEWAL gegen Art. 82 EGV wies die Kommission zunächst darauf hin, daß das Gericht erster Instanz Schiffahrtskonferenzen als Beispiel für Vereinbarungen zwischen voneinander unabhängigen Wirtschaftseinheiten angeführt hatte, die wirtschaftliche Bindungen herbeiführen und eine gemeinsame beherrschende Stellung begründen könnten. Die Tatsache, daß bestimmte Tätigkeitsbereiche von CEWAL gruppenweise freigestellt waren, stand für die Kommission einer Anwendung von Art. 82 EGV auf andere Tätigkeiten der Konferenz nicht im Wege. Die Kommission untersuchte zunächst das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung der Linienkonferenz CEWAL und kam zu dem Schluß, daß diese insbesondere aufgrund ihres hohen gemeinsamen Marktanteils in der Lage sei, sich unabhängig von ihren Wettbewerbern und Kunden zu verhalten, ohne das ihr daraus Nachteile entstehen würden. Im Anschluß daran stellte sie fest, daß diese beherrschende Stellung von den Mitgliedern der Linienkonferenz auch gemeinsam ausgeübt worden sei, da die Mitglieder aufgrund des Konferenzabkommens sehr eng miteinander verbunden waren, was ζ. B. in der Anwendung gemeinsamer Tarife zum Ausdruck gekommen sei. 73 Der Mißbrauch dieser Stellung bestand schließlich nach Ansicht der Kommission darin, daß CEWAL versucht hatte, kleinere Wettbewerber durch Kampfpreise und Treuerabatte vom Markt zu verdrängen. 74 (2) Das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache CEWAL Die von den betroffenen Unternehmen gegen die Entscheidung der Kommission erhobenen Klagen führten dazu, daß das Gericht erster Instanz erstmalig zu prüfen hatte, ob eine gemeinsame beherrschende Stellung im Rahmen des Art. 82 EGV in einem konkreten Fall auch tatsächlich gegeben war. Bei allen vorherigen Stellungnahmen der Rechtsprechung hatte es sich dagegen immer nur um obiter dicta oder Vorabentscheidungen nach Art. 234 EGV gehandelt, in denen das Vorliegen einer 73 Kommission v. 23. 12. 1992 CEWAL u. a., ABl. 1992, L 34/20, Tz. 49, 61. Schon in dem kurz vorher entschiedenen Fall Reederausschüsse in der Frankreich-Westafrika-Fahrt, v. 1. 2. 1992, ABl. 1992, L 134/1, Tz. 58, 66, hatte die Kommssion die in Ausschüssen zusammengeschlossenen Reedereien zur Beurteilung ihrer Marktstellung als Kollektiv zusammengefaßt. Der Aufbau der Ausschüsse durch die Reeder, die fast den gesamten Markt abdeckten, habe ihnen als Kollektiv eine marktbeherrschende Stellung verschafft. Die untersuchten Vereinbarungen im Rahmen der Ausschüsse verstießen dabei selbst wiederum gegen Art. 81 EGV. Auf die eine gemeinschaftliche beherrschende Stellung begründende Wirkung von wirtschaftlichen Verbindungen stellte die Kommission auch in der Entscheidung v. 21. 12. 1993 Rodby, ABl. 1994 L 55/52, Tz. 11, ab. Die beiden betroffenen Unternehmen hatten bei der Fährschiffverbindung zwischen Rodby und Puttgarden sowohl gemeinsame Tarife und Zeitpläne festgelegt, als auch ihre Dienste gemeinsam vermarktet. Nach Ansicht der Kommission waren diese Beziehungen denen zwischen den Mitgliedern einer Schiffahrtskonferenz so ähnlich, daß beide Unternehmen dadurch eine gemeinsame beherrschende Stellung einnahmen. 74 Kommission v. 23. 12. 1992 CEWAL u. a., ABl. 1992, L 34/20, Tz. 73-91.
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gemeinsamen Marktbeherrschung letztendlich nicht entschieden werden mußte. In seinem Urteil prüfte das Gericht erster Instanz das Vorliegen einer kollektiv beherrschenden Stellung in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt untersuchte es, ob es sich bei der Stellung der Mitglieder der Linienkonferenz auf dem betreffenden Markt um eine kollektive Stellung handelte. Dafür stellte es unter Hinweis auf sein Urteil in der Sache SIV und das Urteil des Gerichtshofs in der Sache Almelo entscheidend darauf ab, daß zwischen den betreffenden Unternehmen so enge Verbindungen bestehen müßten, daß diese auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen könnten.75 Die bestehenden Beziehungen zwischen den Reedern einer Linienkonferenz sah das Gericht als so eng an, daß die Unternehmen aufgrund dessen die Möglichkeit hätten, auf dem Markt gemeinsame, einseitige Verhaltensweisen darstellende Praktiken anzuwenden. In diesen Praktiken komme der Wille zum Ausdruck, gemeinsam in gleicher Weise auf dem Markt vorzugehen, um auf bedrohliche Marktentwicklungen einseitig zu reagieren. Aufgrund der Konferenzabkommen, in denen Tarif- und Beförderungsbedingungen einheitlich festgelegt wurden, sei die Konferenz CEWAL als Einheit aufgetreten und die Stellung ihrer Mitglieder auf dem Markt sei daher als eine kollektive Stellung zu beurteilen. 76 Im Anschluß daran untersuchte das Gericht in einem zweiten Schritt den „beherrschenden Charakter" der kollektiven Stellung der Konferenzmitglieder und führte aus, daß sich die eigentliche Beurteilung der beherrschenden Stellung nach ständiger Rechtsprechung aus mehreren Faktoren ergeben könne, die isoliert betrachtet nicht notwendig entscheidend sein müßten. Bei seiner Untersuchung stellte das Gericht dann vor allem auf den hohen gemeinsamen Marktanteil der Unternehmen von über 90% ab, da besonders hohe Marktanteile, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern würden. 77 Bei solch hohen Marktanteilen könne auch ein leichter Rückgang der Marktanteile in den letzten Jahren nicht als Beweis für das Fehlen einer beherrschenden Stellung angesehen werden. Als weitere Faktoren für das Vorliegen einer konkreten beherrschenden Stellung führte das Gericht den erheblichen Größenunterschied zwischen dem Marktanteil der Linienkonferenz und dem des wichtigsten Wettbewerbers, die Größe des Streckennetzes der Konferenz sowie ihre Flottenkapazitäten und ihre langjährigen Markterfahrungen an. 78 Aufgrund dieser Erwägungen kam das Gericht erster Instanz schließlich zu dem Ergebnis, daß die Kommission das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung 75 EUG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24-26,28/93 Compagnie maritime beige transports u. a./Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 60 ff. 76 EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime beige transports u. aJKommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 64-66. 77 EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24-26,28/93 Compagnie maritime beige transports u. aJ Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 76. 78 EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24-26,28/93 Compagnie maritime beige transports u. aJ Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 76-79.
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zu Recht angenommen hatte. Darüber hinaus bestätigte das Gericht auch das Vorliegen eines Mißbrauchs dieser Stellung. Im Ergebnis setzte das Gericht in seinem Urteil zwar die Geldbußen gegen die Unternehmen um 10% herab, wies die Klagen im übrigen jedoch ab. (3) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache CEWAL Zwei der vier betroffenen Unternehmen legten gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz Rechtsmittel ein und gaben damit dem Gerichtshof das erste Mal Gelegenheit, dezidiert zur Bedeutung und zum Inhalt der „wirtschaftlichen" bzw. „engen" Verbindungen Stellung zu nehmen. Die Rechtsmittel beschränkten sich im wesentlichen auf die Ausführungen, in denen das Gericht die Feststellungen der Kommission zum Mißbrauch einer kollektiven beherrschenden Stellung bestätigt hatte. Die Unternehmen vertraten die Ansicht, daß sich die Entscheidung der Kommission und das angefochtene Urteil fehlerhaft auf ein abgestimmtes Verhalten der Mitglieder von CEWAL gestützt hätten, das zwar unter Art. 81 EGV falle, aber nicht einfach wiederverwendet werden dürfe, um auf dieser Grundlage eine kollektive Beherrschung im Sinne von Art. 82 EGV festzustellen. Die Feststellung einer kollektiven Beherrschung durch unabhängige Unternehmen sei vielmehr von drei Voraussetzungen abhängig: Die betreffenden Unternehmen müssten durch ausreichende wirtschaftliche Verbindungen miteinander verbunden sein, diese Verbindungen müssten so gestaltet sein, daß die Unternehmen dasselbe Verhalten auf dem Markt zeigen und die Unternehmen müssten kollektiv eine Marktposition mit solcher Wirtschaftsmacht innehaben, daß sie in der Lage seien, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt zu verhindern. 79 In seinem Urteil stellte der Gerichtshof zunächst grundsätzlich fest, daß nach dem Wortlaut von Art. 82 EGV eine beherrschende Stellung auch von mehreren Unternehmen eingenommen werden könne und der Begriff Unternehmen in diesem den Wettbewerbsregeln gewidmeten Kapitel des EGV die wirtschaftliche Selbständigkeit der betreffenden Einheit voraussetze.80 Der Begriff „mehrere Unternehmen" in Art. 82 EGV bedeute daher, daß eine beherrschende Stellung von zwei oder mehreren rechtlich voneinander unabhängigen wirtschaftlichen Einheiten eingenommen werden könne, sofern sie in wirtschaftlicher Hinsicht auf einem bestimmten Markt gemeinsam als kollektive Einheit auftreten oder handeln würden. Für die eigentliche Feststellung, daß zwei oder mehrere Unternehmen eine kollektive beherrschende Stellung einnehmen, bedarf es nach Ansicht des Gerichtshofs grundsätzlich einer wirtschaftlichen Beurteilung der Stellung der betreffenden Unternehmen auf dem relevanten Markt. Es müsse geprüft werden, ob die 79 Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in der Sache CEWAL, Slg. 2000 I, 1373, Tz. 15-16. so EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 35.
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betreffenden Unternehmen zusammen gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern auf einem bestimmten Markt eine „kollektive Einheit" darstellten. Erst wenn dies bejaht wurde sei zu prüfen, ob diese kollektive Einheit tatsächlich eine „beherrschende Stellung" einnehme und ob sie diese mißbrauche. 81 Unter Hinweis auf seine Urteile in den Sachen Almelo und Kali+ Salz/MdK /Treuhand führte der Gerichtshof sodann aus, daß für die Feststellung des Vorliegens einer kollektiven Einheit „die wirtschaftlichen Bindungen oder Faktoren, die die betreffenden Unternehmen verbinden," geprüft werden müßten, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob es zwischen den betreffenden Unternehmen wirtschaftliche Bindungen gebe, die es ihnen erlaubten, gemeinsam unabhängig von ihren Konkurrenten, ihren Abnehmern und den Verbrauchern zu handeln.82 Der bloße Umstand, daß zwei oder mehrere Unternehmen durch eine Vereinbarung, einen Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EGV miteinander verbunden seien, könne jedoch für sich genommen keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung sein. Dagegen könne die Durchführung einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise unbestreitbar dazu führen, daß sich die betreffenden Unternehmen hinsichtlich ihres Verhaltens auf einem bestimmten Markt so gebunden hätten, daß sie auf diesem Markt gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern als kollektive Einheit auftreten würden. 83 Zusammenfassend stellte der Gerichtshof fest, daß sich eine kollektive beherrschende Stellung somit aus der Natur und dem Wortlaut einer Vereinbarung, der Art ihrer Durchführung und folglich aus den daraus erwachsenden Bindungen oder verbindenden Faktoren zwischen Unternehmen ergeben könne. Das Vorliegen einer Vereinbarung oder anderer rechtlicher Bindungen sei jedoch für die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung nicht unerläßlich. Diese Feststellung könne sich aus anderen verbindenden Faktoren ergeben und hänge von einer wirtschaftlichen Beurteilung und insbesondere einer Beurteilung der Struktur des fraglichen Marktes ab. 84 Nach diesen eher allgemeinen Ausführungen beschränkte sich der Gerichtshof in der Sache selbst auf die Feststellung, daß eine Linienkonferenz nach ihrem Wesen und in Anbetracht ihrer Ziele als kollektive Einheit eingestuft werden könne und kam zu dem Ergebnis, daß das Gericht erster Instanz bei der eigentlichen Feststellung der kollektiven beherrschenden Stellung keinen Rechtsfehler begangen habe.85 si EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 39. 82 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 41 f. 83 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA M. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 4. 84 EUGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 45.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
dd) Die Quintessenz der bisherigen Entscheidungspraxis Wahrend Kommission und Rechtsprechung im Rahmen des Abstimmungsverbots des Art. 81 Abs. 1 EGV in langjähriger Praxis eine gewisse Systematik zur wettbewerbsrechtlichen Einordnung und Erfassung oligopolistischer Verhaltensweisen entwickelt haben, fehlt es bislang im Rahmen des Art. 82 EGV an einer eindeutigen und inhaltlich gefestigten Entscheidungspraxis hinsichtlich der Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen. Gleichwohl läßt sich aus den vorhandenen Entscheidungen zumindest eine Grundkonzeption der europäischen Rechtsanwendungsorgane ableiten. Im Gegensatz zum traditionellen Ansatz der Literatur differenzieren Kommission und Rechtsprechung bei der Feststellung der marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen nicht explizit zwischen dem fehlenden Wettbewerb im Innenverhältnis und im Außenverhältnis der Oligopolgruppe. Während einige Ausführungen der Kommission insoweit eher auf eine einheitliche Prüfung der Wettbewerbsbedingungen hindeuten,86 verwenden die europäischen Gerichte nunmehr ausdrücklich eine zweistufige Prüfung zur Feststellung einer kollektiv beherrschenden Stellung. Dabei untersuchen die Gerichte in einem ersten Schritt, ob die betreffenden Unternehmen auf dem Markt eine „kollektive Einheit" darstellen. 87 Entscheidendes Kriterium hierfür ist, daß zwischen den Unternehmen enge bzw. wirtschaftliche Verbindungen bestehen, die so geartet sind, daß die Unternehmen auf dem Markt als kollektive Einheit auftreten bzw. einheitlich vorgehen können. 88 Im Anschluß daran wird geprüft, ob diese kollektive Einheit auch eine „beherrschende Stellung" einnimmt, 89 wobei es nach Ansicht des Gerichts erster Instanz hierfür vor allem auf den hohen gemeinsamen Marktanteil der Oligopoles EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a./Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 51-57. Die Geldbußen wurden vom Gerichtshof gleichwohl aus formellen Gründen für nichtig erklärt, da die Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur an die Linienkonferenz CEWAL nicht aber an deren einzelne Mitgliedsunternehmen gerichtet hatte. 86 Vgl. Kommission v. 4.2.1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 79 ff.; v. 23. 12. 1992, CEWAL u. a., ABl. 1992, L 34/20, Tz. 57 ff. Anders aber nunmehr Kommission v. 16. 9. 1998 Trans-Atlantic Conference Agreement, ABl. 1999 L 95/1, Tz. 520 ff. 87 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA M. a./Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 39 f.; EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24-26,28/93 Compagnie maritime belge transports u. a. /Kommission, Slg. 1996 II, 1201 ff. 88 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 41 f.; EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime belge transports M. a. /Kommission, Slg. 1996 II, 1201, 1227; 1231 f. 89 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 41 f.; EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime belge transports u. a. /Kommission, Slg. 1996 II, 1201, 1232, 1235.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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gruppe im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern ankommen soll. 90 Die Rechtsprechung unterscheidet somit zwischen dem Verhältnis der Unternehmen zueinander (Kollektivcharakter) und dem Verhältnis dieser Gruppe zu den sonstigen Wettbewerbern auf dem Markt (Beherrschungscharakter), worin sich eine gewisse Affinität zur zweigeteilten Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois in der Literatur zeigt. Eindeutig im Mittelpunkt der Marktbeherrschungsdefinition und der praktischen Prüfung von Kommission und Rechtsprechung steht jedoch seit der Entscheidung des Gerichts erster Instanz in der Sache SIV das Kriterium der besonderen Verbindungen zwischen den Unternehmen. Das Gericht erster Instanz hat diese besonderen Verbindungen zuerst als „wirtschaftliche Bande" 91 bzw. „wirtschaftliche Verflechtungen" 92 beschrieben, während der Europäische Gerichtshof zunächst davon sprach, daß die Unternehmen „eng miteinander verbunden" sein müssten93 und nunmehr den Begriff der „wirtschaftlichen Bindungen oder Faktoren" verwendet. 94 Ein inhaltlicher Unterschied zwischen diesen Formulierungen läßt sich dabei allerdings nicht erkennen. 95 So verwendet das Gericht erster Instanz auch den Begriff der „engen Verbindungen", 96 während die Kommission in ihren Entscheidungen und die Generalanwälte in ihren Schlußanträgen vor dem Europäischen Gerichtshof auf den Begriff der „wirtschaftlichen Bande" abstellen.97 In der bisherigen Rechtspraxis ist allerdings weitgehend unklar geblieben, was die Rechtsanwendungsorgane genau unter dem Begriff der besonderen wirtschaftlichen bzw. engen Verbindungen verstehen und welche Anforderungen sie an die rechtliche Qualität dieser Verbindungen stellen.
90 Vgl. EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime beige transports u. a./Kommission, Slg. 1996 II, 1201, 1232, 1235. 91 Vgl. EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 358; v. 12. 1. 1995 Rs. T-102/92 Viho/Kommission, Slg. 1995 II, 17, Tz. 70. 92 Vgl. EuG v. 12. 1. 1995 Rs. T-102/92 Viho/Kommission, Slg. 1995 II, 17, Tz. 70. 93 EuGH v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Gemeente Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij, Slg. 1994 I, 1508, Tz. 42; v. 17. 10. 1995 Rs. C-140-142/94 DIP /Commune di Bassano del Grappa u.a., Slg. 1995 I, 3257, Tz. 26. 94 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 41. 95 So auch Tillotson/MacCulloch, World Competition 21 (1997), 51, 57; Treacy/Feaster, ECLR 1997,467, 471; Arm///, ELR 1998, 199, 200. 96 EuG v. 8. 10. 1996 verb. Rs. T-24-26,28/93, Compagnie maritime beige transports u. a./Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 62. 97 Vgl. Kommission v. 4. 2.1989 Flachglas, ABl. 1989 L 33/44, Tz. 79 ff.; v. 23. 12.1992, CEWAL u. a. ABl. 1992, L 34/20, Tz. 57 ff.; v. 21. 12. 1993 Rodby, ABl. 1994 L 55/52, Tz. 11; v. 14. 5. 1997 Irish Sugar ABl. 1997 L 258/1 sowie die Schlußanträge von Generalanwalt Lenz in der Sache Bosman, Slg. 1995 1,4921, Tz. 284; von Generalanwalt Fennelly in der Sache DIP u. a./Commune di Bassano del Grappa u. a., Slg. 1995 I, 3259, Tz. 64; von Generalanwalt Léger in der Sache Centro Servizi Spediporto / Spedizioni Maritima, Slg. 1995 I, 2886, Tz. 37 und von Generalanwalt Darmon in der Sache Almelo, Slg. 1994 I, 1497, Tz. 116. 10 Hahn
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
In der Literatur werden hierzu verschiedene Auffassungen vertreten. Teilweise wird vermutet, daß mit den durch besondere Verbindungen untereinander verbundenen Unternehmen ausschließlich Unternehmensgruppen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, gemeint sein könnten.98 Gegen eine solche Interpretation des Begriffs der engen Verbindungen als Konzernverbindungen sprechen jedoch folgende Überlegungen. Nach ständiger Rechtsprechung erfaßt Art. 81 Abs. 1 EGV mit Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen nur die Beziehungen zwischen zwei oder mehreren wirtschaftlichen Einheiten, die zueinander in Wettbewerb treten können, nicht jedoch die von Konzernunternehmen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden. 99 Nach Ansicht des Gerichts erster Instanz setzt eine beherrschende Stellung mehrerer Unternehmen im Rahmen des Art. 82 EGV daher schon begrifflich voraus, daß es sich dabei um zwei oder mehr wirtschaftliche Einheiten handelt, die zueinander in Wettbewerb treten können. 100 Im Gegensatz dazu sind die Unternehmen eines Konzerns, die aufgrund der Weisungsmacht der Obergesellschaft keine autonomen Entscheidungen im Markt treffen können, als eine wirtschaftliche Einheit und damit als ein Unternehmen im Sinne des Art. 82 EGV zu betrachten. 101 Dies hat nunmehr auch der Europäische Gerichtshof bestätigt, indem er ausdrücklich festgestellt hat, daß der Begriff „Unternehmen" in den Wettbewerbsregeln des EGV die wirtschaftliche Selbständigkeit der betreffenden Einheit voraussetze und der Begriff „mehrere Unternehmen" in Art. 82 EGV folglich bedeute, daß eine beherrschende Stellung von zwei oder mehreren rechtlich voneinander unabhängigen wirtschaftlichen Einheiten eingenommen werden kann. 102 Bei der Untersuchung der zusammengefaßten wirtschaft98 So Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 86 RdNr. 114. 99 Vgl. EuGH v. 14. 7. 1972 Rs. 48/69 ICI /Kommission, Slg. 1972, 619, Tz. 134; v. 11. 4. 1989 Rs. 66/86 Ahmed Saeed Flugreisen u. a./ZBW, Slg. 1989, 803, Tz. 35 f.; EuG v. 12. 1. 1995 Rs. T-102/92 Wiho/Kommission, Slg. 1995 II, 17, Tz. 47. 100 Vgl. EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 357, 358. ιοί Vgl. EuGH v. 6. 3. 1974 Rs. 6,7/73 ICI / Commercial Solvents, Slg. 1974, 223, 256; Kommission ν. 8. 12. 1977 Hugin/Liptons, ABl. 1978 L 22/23, 30; Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 86 RdNr. 106; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 372 ff.; Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Η. I § 1 RdNr. 347; Dirksen, in: Langen/Bunte, Art. 82 RdNr. 61 f.; Koch, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV- Maastrichter Fassung, Art. 86 RdNr. 18; a.A. Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 86 RdNr. 67; Mailänder, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), Art. 86 RdNr. 45 die eine Unternehmensmehrheit im Sinne von Art. 82 EGV selbst bei einer wirtschaftlichen Einheit annehmen wollen. 102 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 35 f. Diese Aufassung hatte der Gerichtshof bereits in seinem Urteil v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Gemeente Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij, Slg. 19941, 1508, Tz. 42, erkennen lassen. Obwohl es sich bei den betroffenen Stromversorgungsunternehmen um wirtschaftlich und rechtlich selbständige Unternehmen handelte, verwies es der Gerichtshof in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Verbindungen zwischen den Unternehmen stark genug seien, um eine kollektive beherrschende Stellung im Sinne des Art. 82 EGV zu begründen. Hätte der Gerichtshof mit
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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lichen Macht mehrerer, auf einem bestimmten Markt tätiger Unternehmen desselben Konzerns geht es daher folgerichtig nicht um die Frage einer möglichen gemeinsamen, sondern um die einer einzelmarktbeherrschenden Stellung. Unter den besonderen Verbindungen im Sinne von Rechtsprechung und Kommission können daher keine konzernrechtlichen Verbindungen zwischen mehreren Unternehmen verstanden werden. Von erheblicher Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der engen bzw. wirtschaftlichen Verbindungen ist dagegen die Tatsache, daß in allen Fällen, in denen das Vorliegen einer gemeinsamen Marktbeherrschung von den Gemeinschaftsorganen bislang untersucht wurde, wettbewerbswidrige Absprachen oder Verhaltensweisen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV zwischen den betreffenden Unternehmen festgestellt werden konnten. Teilweise wird daher das Erfordernis des Bestehens besonderer Verbindungen so ausgelegt, daß die Unternehmen durch Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen untereinander verknüpft sein müssen, die schon für sich genommen gegen das Kartell verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßen. 103 Für ein solche Interpretation könnte sprechen, daß das Gericht erster Instanz in der Sache SIVausdrücklich auf Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 4056/86 verwiesen hat, wonach das Verhalten von Linienkonferenzen, die vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV freigestellt sind, dennoch gegen das Missbrauchsverbot des Art. 82 EGV verstoßen könne. Da die Erteilung einer solchen Gruppenfreistellung begriffsnotwendig das Bestehen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung voraussetzt, könnte man in dieser Vorschrift eine gewisse normative Verbindung der Marktbeherrschungsvoraussetzungen von Art. 82 EGV mit dem Vorliegen einer grundsätzlich wettbewerbswidrigen Vereinbarung sehen. Im Ergebnis vermag diese Auffassung dennoch nicht zu überzeugen. Zunächst wird hierbei verkannt, daß Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 4056/86 lediglich feststellt, daß das Vorliegen einer freigestellten Vereinbarung kein Hindernis für die Anwendung des Art. 82 EGV darstellt. In der Sache Tetra Pak hat das Gericht erster Instanz insoweit selbst entschieden, daß die Gewährung einer Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EGV, gleichgültig ob es sich um eine Einzel- oder um eine Gruppenfreistellung handelt, keine gleichzeitige Befreiung vom Verbot des Art. 82 EGV bedeute. 104 Denn Art. 82 EGV schließe bereits aufgrund seines Gegenstandes (Mißbrauch) jede Möglichkeit einer Ausnahme von dem in ihm angeordneten gesetzlichen Verbot aus. Mit seinem Hinweis auf Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 4056/86 wollte das Gericht in der Sache SIV daher nur seine Prämisse bestätigen, daß grundsätzlich auch mehrere wirtschaftlich und rechtlich selbständige Unternehmen den Auf-
dem Begriff der engen Verbindungen das Bestehen von konzernrechtlichen Verbindungen gemeint, so hätte er das Vorliegen einer kollektiven Marktbeherrschung in diesem Fall jedoch von vornherein verneinen müssen. 103 Giorgio Monti, World Competition 19 (1996), 59, 93; Whish/Surfin, YEL 1992, 59, 72 f.; Soames, ECLR 1996, 24, 33. 104 EUG v. 10. 7. 1990 Rs. T-51 /89 Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990 II, 347, Tz. 25. 10*
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
greiftatbestand des Art. 82 EGV erfüllen können. Denn indem die VO 4056 / 86 Linienkonferenzen in Art. 1 Abs. 3 lit. b) ausdrücklich als eine „Gruppe von zwei oder mehr Unternehmen der Seeschiffahrt" beschreibt und dann in Art. 8 Abs. 2 feststellt, daß das Verhalten dieser Unternehmen gegen Art. 82 EGV verstoßen kann, erkennt die Verordnung gerade die Möglichkeit an, daß mehrere Unternehmen überhaupt gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung einnehmen können. An keiner Stelle in der Entscheidung hat das Gericht erster Instanz dagegen erklärt, daß es wettbewerbswidrige Vereinbarungen als eine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen einer solchen Marktbeherrschung ansieht. Gegen eine Identität des Begriffs der besonderen Verbindungen mit wettbewerbswidrigen Vereinbarungen spricht schließlich der ausdrückliche Hinweis des Gerichts erster Instanz, daß es für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 82 EGV nicht genüge, die einen Verstoß gegen Art. 81 EGV begründenden Tatsachen in der Weise „wiederzuverwenden", daß daraus die Feststellung abgeleitet werde, daß die Parteien einer Vereinbarung oder einer rechtswidrigen Verhaltensweise die einen bedeutenden Marktanteil halten, alleine deshalb eine kollektiv beherrschende Stellung einnehmen und ihr nach Art. 81 EGV verbotenes Verhalten deren rechtswidriger Mißbrauch darstelle. 105 Vielmehr müsse die Kommission nach Auffassung des Gerichts selbständig nachweisen, daß über die unter Art. 81 EGV fallenden Vereinbarungen hinaus Verbindungen bestanden haben, die so geartet waren, daß die Unternehmen auf dem Markt einheitlich vorgegangen sind. 106 Folglich können diese Verbindungen nicht wesensgleich sein mit wettbewerbswidrigen Vereinbarungen zwischen den Unternehmen. Auch die Ausführungen des Gerichtshofs in der Sache CEWAL sprechen gegen eine inhaltliche Gleichsetzung des Begriffs der engen bzw. wirtschaftlichen Bindungen mit Vereinbarungen und Absprachen im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist das Vorliegen einer Vereinbarung oder anderen rechtlichen Bindung „für die Feststellung einer kollektiven beherrschenden Stellung nicht unerläßlich; diese Feststellung kann sich aus anderen verbindenden Faktoren ergeben und hängt von einer wirtschaftlichen Beurteilung und insbesondere einer Beurteilung der Struktur des fraglichen Marktes ab". 1 0 7 Zwar bezieht der Gerichtshof diese Aussage auf den Begriff der „kollektiv beherrschenden Stellung" ansich und läßt damit offen, ob er hiermit deren „Kollektivcharakter" und damit den Begriff der engen bzw. wirtschaftlichen Bindungen oder deren „Beherrschungscharakter" und damit das Verhältnis zu den sonstigen Wettbewerbern auf dem Markt meint. Gleichwohl ist entscheidend, daß sich der Gerichtshof damit zumindest im Ergebnis gegen die zuvor genannte Begriffsidentität ausgesprochen hat. los EuG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a. / Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 360. 106 EuG v. 8. 10. 1996 Rs. T-24-26,28/93 Compagnie maritime belge transports u. a./ Kommission, Slg. 1996 II, 1201, Tz. 67. 107 EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 20001, 1442, Tz. 45.
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Andererseits stellen wettbewerbswidrige Vereinbarungen nach Ansicht der Rechtsprechung keineswegs ein aliud im Verhältnis zu den erforderlichen besonderen Verbindungen dar. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, daß das Bestehen einer gegen Art. 81 Abs. 1 EGV verstoßende Vereinbarung oder Verhaltensweise zwischen mehreren Unternehmen zwar für sich genommen keine ausreichende Grundlage für die Feststellung wirtschaftlicher Bindungen sei, jedoch die Durchführung einer solchen Vereinbarung oder Verhaltensweise die betroffenen Unternehmen unbestreitbar zu einer kollektiven Einheit verbinden könne. 108 Auch das Gericht erster Instanz hat mit seinem Hinweis auf die freigestellten Linienkonferenzen in der Sache SIV ausdrücklich auch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen als Beispiel für wirtschaftliche Bande zwischen den Unternehmen angefühlt. Mit den engen bzw. wirtschaftlichen Verbindungen scheint die Rechtsprechung daher einen Oberbegriff geschaffen zu haben, unter den auch, aber eben nicht nur wettbewerbswidrige Vereinbarungen subsumiert werden können. Dabei stehen rechtliche Verbindungen keineswegs im Gegensatz zu wirtschaftlichen Verbindungen. Denn wie sich aus der Erwähnung der freigestellten Linienkonferenzen durch das Gericht erster Instanz ergibt, können auch vertragliche Bindungen wirtschaftliche Bande darstellen. Dafür spricht auch das angeführte Beispiel der Lizenzen, die nach Ansicht des Gerichts erster Instanz ebenfalls dazu geeignet sein sollen, Unternehmen wirtschaftlich zu verbinden, obwohl diese auch rechtliche Bindungen begründen. 109 Auch wenn die Konturen des Begriffs der engen bzw. wirtschaftlichen Verbindungen angesichts der geringen Entscheidungsdichte noch sehr unscharf sind, so läßt sich der Rechtsprechung zumindest entnehmen, daß es sich hierbei nicht notwendigerweise um wettbewerbswidrige Absprachen oder Verhaltensweisen handeln muß. Vielmehr ist davon auszugehen, daß nach Ansicht der Rechtsprechung auch kartellrechtsneutrale wirtschaftliche, vertragliche, finanzielle oder personelle Verbindungen zwischen den Unternehmen ausreichen sollen, um diese zu einer Einheit und damit zu einem marktbeherrschenden Oligopol im Rechtssinne zu verbinden. 110 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Rechtsprechung und Kommission bei der Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen im Rahmen des Art. 82 EGV einen eher restriktiven Ansatz verfolgen. Danach ist das Vorliegen besonderer Verbindungen zwischen den Unternehmen 108 EUGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge
transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 43 f. Unklar bleibt gleichwohl, weshalb der Gerichtshof zwischen dem bloßen Bestehen und der Durchführung einer wettbewerbswidriger Vereinbarung unterscheiden will. 109 EUG v. 10. 3. 1992 verb. Rs. T-68,77,78/89 SIVu. a./Kommission, Slg. 1992 II, 1403, Tz. 358. no In der Entscheidung Irish Sugar, v. 14. 5. 1997, ABl. 1997 L 258/1, Tz. 112, vertrat die Kommission die Ansicht, daß die Verpflichtung eines Unternehmens, Zucker ausschließlich von einem anderen Unternehmen zu kaufen, eine „wirtschaftliche Verbindung" im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 82 EGV darstelle, die eindeutig gleichgelagerte Interessen dieser beider Unternehmen gegenüber Dritten schaffe.
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
eine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht des Art. 82 EGV. Ein bewußt gleichförmiges Verhalten der Unternehmen aufgrund oligopolistischer Reaktionsverbundenheit, wie es von der überwiegenden Literaturmeinung als ausreichend angesehen wird, dürfte dagegen nach Auffassung der Rechtsanwendungsorgane allein nicht genügen.111 Ein Oligopol kann hiernach überhaupt nur dann als marktbeherrschend betrachtet werden, wenn die einzelnen Oligopolmitglieder durch besondere rechtliche oder wirtschaftliche Verbindungen miteinander verflochten als „kollektive Einheit" erscheinen, wobei die erforderliche Qualität und Quantität der verbindenden Faktoren bislang noch ungeklärt ist. 1 1 2 Welche weiteren Voraussetzungen neben einem hohen Marktanteil des Oligopois für dessen marktbeherrschende Stellung erforderlich sein sollen, läßt sich dem noch stark entwicklungsbedürftigen Ansatz der Rechtsanwendungsorgane im Rahmen des Art. 82 EGV ebenfalls nicht eindeutig entnehmen.
b) Die Begriffsbestimmung
im Rahmen des Art. 2 Abs. 3 FKVO
aa) Die Auffassung der Kommission Seitdem die Kommission Art. 2 Abs. 3 FKVO dahingehend interpretiert, daß diese Bestimmung auch die Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen marktbeherrschenden Stellung erfaßt, hat sie in jahrelanger Praxis ein eigenständiges Konzept zur Erfassung der Oligopolmarktbeherrschung in der Fusionskontrolle entwickelt, das sich von demjenigen im Rahmen des Art. 82 EGV grundlegend un-
ni So auch Rodgen ECLR 1995, 21, 24; Winckler/Hansen, CMLRev 1993, 787, 802; Stockenhuber, Die europäische Fusionskontrolle, S. 273; Jones, ECLR 1993, 273, 278; Arnull, ELR 1998, 199, 200; Adkins, Air Transport and E.C. Competition Law, S. 79; Lenz, EG-Vertrag, Art. 82 RdNr. 21; Weiß, in: Callies / Ruffert, Kommentar zum EU-Vertrag, Art. 82 RdNr. 20; wohl auch Treacy/Feaster, ECLR 1997, 467, 471 und Withers/ Jephcott, ECLR 2001, 295, 298, 300. A.A. dagegen Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 174 f., wonach schon die Reaktionsverbundenheit im Oligopol ein „wirtschaftliches Band" im Sinne der Rechtsprechung darstellen soll. Das Parallelverhalten nach Ansicht des Gerichts erster Instanz wohl nicht unter den Begriff der wirtschaftliche Verbindungen im Rahmen des Art. 82 EGV fällt zeigt allerdings auch die ausdrückliche Gegenüberstellung beider Begriffe in der Entscheidung Viho/Kommission, v. 12. 1. 1995 Rs. T-102/92, Slg. 1995 II, 17, Tz. 67: „die Klägerin (hat) weder zur Marktposition der betreffenden Firmen noch zu einem eventuellen gleichförmigen Marktverhalten oder zu wirtschaftlichen Verbindungen zwischen diesen Firmen ( . . . ) etwas vorgetragen." ι 1 2 Das scheinbar gegenteilige obiter dictum des Gerichts erster Instanz in seinem Urteil v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 275 f., wonach es keinen Grund gebe, in den Begriff der wirtschaftlichen Verbindungen nicht auch die Wechselbeziehungen zwischen den Mitgliedern eines Oligopois miteinzubeziehen, steht dem nicht entgegen. Denn diese Feststellungen bezogen sich ausdrücklich nur auf die Beurteilung einer kollektiven beherrschenden Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle und nicht der Mißbrauchsaufsicht und können daher nicht ohne weiters auf Art. 82 EGV übertragen werden.
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terscheidet. Nach Auffassung der Kommission müssen die Kriterien für die Feststellung des Vorliegens eines marktbeherrschenden Oligopois im Rahmen des Mißbrauchsverbots des Art. 82 EGV und im Zusammenhang der FKVO nicht miteinander identisch sein. Denn während es bei Art. 82 EGV auf eine Vergangenheitsbetrachtung ankomme, sei die Untersuchung im Rahmen der FKVO auf die Zukunft ausgerichtet, da deren Zielsetzung nicht in der Beendigung eines mißbräuchlichen Verhaltens, sondern vielmehr in der Wahrung einer wirksamen Wettbewerbsstruktur bestehe.113 Der eigenständige konzeptionelle Oligopolansatz der Kommission in der Fusionskontrolle wird schon bei der Terminologie deutlich, ohne daß diesem Umstand jedoch zuviel Gewicht beigemessen werden sollte. Im Gegensatz zu ihrer Rechtspraxis bei Art. 82 EGV spricht die Kommission bei der Anwendung der FKVO auf die marktbeherrschende Stellung mehrerer Unternehmen regelmäßig nicht von „kollektiver Marktbeherrschung" (collective dominance), sondern verwendet hierfür den Begriff der „oligopolistischen Marktbeherrschung" (oligopolistic dominance). 114 Ganz allgemein definiert die Kommission eine oligopolistische marktbeherrschende Stellung in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Einzelmarktbeherrschung als eine „Stellung, die es den Unternehmen erlauben würde, durch Vermeidung von Wettbewerb untereinander und durch ein von ihren Kunden und Wettbewerbern weitgehend unabhängiges Verhalten gemeinsam ihre Gewinne zu maximieren." 115 Nicht ganz eindeutig ist jedoch, von welcher konkreten inhaltlichen Begriffsbestimmung die Kommission dabei ausgeht und welche grundlegenden konzeptionellen Anforderungen sie an das Vorliegen eines marktbeherrschenden Oligopois stellt. In zahlreichen Entscheidung differenziert die Kommission bei der Anwendung von Art. 2 Abs. 3 FKVO auf Oligopolmarktbeherrschung ausdrücklich zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis der Oligopolgruppe. In Übereinstimmung mit dem klassischen Ansatz der Literatur sieht sie dabei ein marktbeherrschendes Oligopol als gegeben an, wenn zum einen die Mitglieder des Oligopois untereinander nicht im wesentlichen Wettbewerb stehen und die Oligopolisten zum anderen keinem wesentlichen Außen Wettbewerb mehr ausgesetzt sind. 116 Dementsprechend prüft die 113 Vgl. die Klageerwiderung der Kommission im Verfahren Frankreich u. a./Kommission, Slg. 19981, 1453, Tz. 180. i h Vgl. nur Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 114; v. 24.4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl 1997 L 11/30, Tz. 140; v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 52; v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 66 sowie 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 248; 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 302; vgl. insoweit auch Whish/Surfin, YEL 1992, 59, 80. us Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier ABl. 1992 L 356/1, Tz. 118; sowie Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 140; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva ABl. 1994 L 102/15, Tz. 53. 116 So ausdrücklich Kommission v. 9. 2. 2000 COMP/M. 1641 Linde/AGA, Tz. 43, 54; v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 70, 91; v. 18. 10. 1995
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Kommission, ob die Marktstruktur nach dem Zusammenschluß wesentlichen Wettbewerb zwischen den Oligopolisten erwarten läßt und ob Oligopolaußenseiter den Verhaltensspielraum der Oligopolisten effektiv kontrollieren können. 117 In der überwiegenden Zahl von Entscheidungen verzichtet die Kommission jedoch auf eine solche Zweiteilung des Oligopoltatbestandes und nimmt statt dessen eine einheitliche Prüfung der Wettbewerbsbedingungen auf dem betroffenen Markt vor. Hierbei untersucht sie ganz allgemein, ob die wenigen großen auf dem Markt vorhandenen Unternehmen zukünftig die Möglichkeit zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten haben werden. 118 Bei Entscheidungen, die innerhalb der ersten Prüfungsphase nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) FKVO ergehen, begnügt sich die Kommission fast durchweg mit einer solch summarischen Prüfung. 119 Bei der konkreten Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Oligopolmarkt stellt die Kommission den Preis Wettbewerb in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. 120 Erkenntnisleitendes Interesse ist dabei, ob durch den Zusammenschluß ein wettbewerbsfeindliches Parallelverhalten der Mitglieder des Oligopois erleichtert wird bzw. eine Koordinierung des Aktionsparameters Preis zu erwarten ist. 1 2 1 MethoI V / M . 580 ABB/Daimler-Benz ABl. 1997 L 11 /1, Tz. 86; v. 31. 10. 1995 I V / M . 630 tieniceli / Schwarzkopf , MCR 2215, Tz. 32; v. 10. 5. 1993 I V / M . 284 Hoechst /Wacker, MCR 1095, Tz. 17; v. 23. 12. 1993 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 61 sowie 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 252; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 286. Auffällig ist hierbei, daß die Kommission bislang nur in solchen Entscheidungen zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis des Oligopois differenziert hat, in denen die Verfahrenssprache Deutsch war, so daß ein gewisser Einfluss dieser aus dem deutschen Kartellrecht stammenden Zweiteilung des Oligopoltatbestandes auf deutschsprachige Kommissionsbeamte vermutet werden kann. H7 Vgl. nur Kommission v. 9. 2. 2000 COMP/M. 1641 Linde/AGA, Tz. 43, 54 und v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 70, 91. us Vgl. nur Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 54 ff.; v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 66 ff.; v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 95 ff.; v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 143 ff.; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 117 ff. 119 Vgl. Kommission v. 11. 6. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 35, 40; v. 2. 10. 1997 I V / M . 984 DuPont/ICI, MCR 3495, Tz. 52; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 Akzo Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 44 ff.; v. 6. 7. 1994 I V / M . 460 Holdercim/Cedest, MCR 1533, Tz. 28 ff. ι 2 0 Auch bei der Einzelmarktbeherrschung läßt sich feststellen, daß die Kommission Marktmacht im allgemeinen als Preisbestimmungsmacht versteht. So fragt sie bei der Konkretisierung der Fähigkeit eines Unternehmens zu einem unabhängigen Verhalten vor allem danach, ob die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen einen erheblichen Einfluß auf die Preise ausüben können, ohne Marktanteile zu verlieren, bzw. ob es bei einer Preiserhöhung dieser Unternehmen zu einer Reaktion der Wettbewerber kommt, vgl. nur Kommission v. 2. 10. 1991 I V / M . 053 Aérospatiale- Alenia/de Havilland ABl. 1991 L 334/42, Tz. 69; v. 30. 7. 1991 I V / M . 062 Eridania/ISI, MCR 291, Tz. 26. 121 Vgl. Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers ά Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 96; v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho ABl. 1997 L 11/30, Tz. 140, 190b; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhöne-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 23;
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
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disch geht die Kommission in der Weise vor, daß sie diejenigen strukturellen Faktoren des betroffenen Marktes herausarbeitet, die ein oligopolistisches Parallelverhalten begünstigen oder erschweren könnten. In ihrer jüngeren Rechtspraxis geht die Kommission zunehmend dazu über insoweit explizit zwischen einzelnen Faktoren zu unterscheiden, die einerseits Anreize zu einem oligopolistischen Parallelverhalten schaffen, die ein wettbewerbliches Verhalten eines Oligopolunternehmens erkennbar machen und die Vergeltungsmaßnahmen der übrigen Oligopolmitglieder hiergegen ermöglichen. 122 Ein aktive Abstimmung der Verhaltensweisen der Oligopolisten untereinander oder ein Verhalten der Oligopolisten, als ob zwischen ihnen eine oder mehrere ausdrückliche Absprachen bestehen, soll dagegen keine Voraussetzung für das Vorliegen eines marktbeherrschenden Oligopois sein. Es soll vielmehr ausreichen, daß die einzelnen Unternehmen durch die Anpassung an die Marktbedingungen infolge des Zusammenschlusses Verhaltensweisen an den Tag legen, die den Wettbewerb untereinander erheblich verringern und die darauf hinauslaufen, daß die Unternehmen merklich ohne Rücksicht auf Wettbewerber, Kunden und Verbraucher agieren können. 123 Allerdings geht es nach Ansicht der Kommission nicht darum, ob sich einzelne bestimmte individuelle Faktoren auf einem gegebenen Markt finden lassen, sondern vielmehr um das eigene Zusammenwirken der Faktoren auf diesem Markt, das bestimmt, in welcher Weise hier Wettbewerb stattfinde. 124 Neben den eindeutig im Mittelpunkt stehenden Strukturmerkmalen des betroffenen Oligopolmarktes berücksichtigt die Kommission teilweise auch das aktuelle und vergangene Wettbewerbsverhalten der Oligopolisten, wobei sie sich wiederum auf das Preisverhalten der Unternehmen konzentriert. Das Vorliegen einer Oligopolmarktbeherrschung beurteilt die Kommission schließlich in einer Gesamtschau aller untersuchten Faktoren, die sie nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gewichtet. Im Gegensatz zu ihrem konzeptionellen Ansatz im Rahmen des Art. 82 EGV vertritt die Kommission im Bereich der Fusionskontrolle die Ansicht, daß die Feststellung einer Oligopolmarktbeherrschung nicht zwingend das Vorhandensein von besonderen strukturellen oder wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den Oligopolmitgliedern erfordere. 125 Solche besonderen Verbindungen seien weder eine
v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55; v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 Akzo/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18; v. 22. 7. 1992 I V / M. 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 120; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 286 ff. 122 Vgl. nur Kommission v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 465-488; v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 142 ff. 123 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 53 f. 124 Kommission 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 302. 125 Vgl. Kommission 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 305; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 286; Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours /First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 53; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
notwendige noch eine hinreichende Bedingung für oligopolistische Marktbeherrschung, sondern stellten lediglich ein Faktor unter vielen dar, der bei der Prüfung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Oligopolmarkt mit zu berücksichtigen
bb) Die Auffassung der Rechtsprechung (1) Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Kali + Salz/MdK/Treuhand Im Gegensatz zur langjährigen Verwaltungspraxis der Kommission haben die europäischen Gerichte bislang erst in zwei Fällen Gelegenheit gehabt, sich mit Fragen der Begriffsbestimmung und der materiellen Beurteilung marktbeherrschender Oligopole in der europäischen Fusionskontrolle auseinanderzusetzen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Kali + Sal/MdK/Treuhand ist dabei in zweifacher Hinsicht von besondere Bedeutung. So hat der Gerichtshof hierin erstmalig die grundsätzliche Anwendbarkeit der FKVO auf Fälle oligopolistischer Marktbeherrschung festgestellt und darüber hinaus auch erstmals die Auffassung der Rechtsprechung zum Oligopolkonzept der Kommission im Rahmen der Fusionskontrolle konkretisert. 127 In terminologischer Hinsicht fällt in der Entscheidung zunächst auf, daß der Europäische Gerichtshof auch im Rahmen der Fusionskontrolle den Fall, daß mehrere voneinander unabhängige Unternehmen einen Markt gemeinsam beherrschen, als eine „kollektive beherrschende Stellung" bezeichnet, während die Kommission in der angegriffenen Entscheidung insoweit stets von „oligopolistischer BeherrVallourec/Ilva ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55. So auch Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, S. 141 f; Whish, Competition Law, S. 489. 126 Vgl. insbesondere Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho ABl. 1997 L 11/30, Tz. 140: Eine beherrschende Stellung eines Oligopois „kann eintreten, wenn die bloße Anpassung der Mitglieder des Oligopois an die Marktbedingungen ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten verursacht, durch das das Oligopol beherrschend wird. Eine aktive Kollusion wäre daher keine unbedingte Voraussetzung dafür, daß die Mitglieder des Oligopois eine beherrschende Stellung erreichen und sich in erheblichem Ausmaß unabhängig von ihren restlichen Wettbewerbern, ihren Kunden und schließlich auch den Verbrauchern verhalten." Demgegenüber hat eine Minderheit des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz gegenüber der Kommission wiederholt den Standpunkt vertreten, daß das Bestehen wirtschaftlicher Verbindungen zwischen den Unternehmen eines Oligopois unabdingbare Voraussetzung für eine oligopolistische Marktbeherrschung in der europäischen Fusionskontrolle sei; vgl. die Stellungnahmen des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in den Fällen Nestlé /Perrier, ABl. 1992 C 319/3, Nr. 3 und Mannesmann/Vallourec/Ilva , ABl. 1994 C 111 /6, Nr. 4 und 6. 127 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453. Zum Sachverhalt der angefochtenen Kommissionsentscheidung vgl. oben 2. Kapitel, III.
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schung" bzw. von einem „marktbeherrschenden Duopol" gesprochen hatte. 128 Die Prüfung, ob eine kollektive Marktbeherrschung in einem konkreten Fall gegeben ist, erfordert nach Ansicht des Gerichtshofs stets eine aufmerksame Untersuchung der Umstände des Einzelfalles und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt. Dabei räume Art. 2 FKVO der Kommission ein gewisses Ermessen insbesondere bei Beurteilungen wirtschaftlicher Art ein, das auch von der Rechtsprechung berücksichtigt werden müsse. 129 Den Begriff der kollektiv beherrschenden Stellung beschreibt der Gerichtshof dabei als eine Situation, „in der ein wirksamer Wettbewerb auf dem relevanten Markt von den zusammengeschlossenen Unternehmen und einem oder mehreren Unternehmen, die insbesondere aufgrund der zwischen ihnen bestehenden verbindenden Faktoren zusammen die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen, erheblich behindert wird." 1 3 0
Mit dieser allgemeinen Begriffsbestimmung knüpft der Gerichtshof zunächst erkennbar an seine Standardformel zur Einzelmarktbeherrschung an, indem er auch hier auf die Fähigkeit der Unternehmen zu einem unabhängigem Verhalten und zur Behinderung wirksamen Wettbewerbs abstellt. 131 Zusätzlich verlangt der Gerichtshof jedoch, daß zwischen den Unternehmen „verbindende Faktoren" bestehen müssen, die diesen ein einheitliches Vorgehen auf dem Markt ermöglichen. 132 Diese Formel weist somit deutliche Parallelen zum Erfordernis der „engen" bzw. „wirtschaftlichen Verbindungen" auf, das die Rechtsprechung im Rahmen des Art. 82 EGV als entscheidendes Kriterium der kollektiven Marktbeherrschung betrachtet. 133 Damit drängt sich die Frage auf, ob der Gerichtshof mit seiner Begriffsbestimmung das Konzept der kollektiven Marktbeherrschung aus Art. 82 EGV auch auf die FKVO übertragen will oder ob er hier einen anderen Ansatz verfolgt. Genauso wie bei der Prüfung einer kollektiven marktbeherrschenden Stellung im Rahmen des Art. 82 EGV durch die Gemeinschaftsorgane differenziert auch 128 Vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 166 und Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/ MDK/Treuhand, ABl 1994 L 186/38, Tz. 57, 63. 129 Vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 SCPA u. a./Kommission, Slg. 19981, 1453, Tz. 222-224. 130 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 19981,1453, Tz. 221 (Hervorhebung durch den Verf.). 131
Vgl. hierzu ausführlich oben 3. Kapitel, I. In der Verfahrenssprache Französisch spricht der Gerichtshof von „des facteurs de corrélation existant entre elles ( . . . )". 133 Vgl. EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 42 f.; v. 27. 4. 1994 Rs. C-393/92 Gemeente Almelo/Energiebedrijf Ijsselmij, Slg. 1994 I, 1508, Tz. 42; EuG v. 8. 10. 1996 Rs. T-24 - 26,28 / 93 Compagnie maritime belge transports u. a. /Kommission, Slg. 1996II, 1201, Tz. 67. 132
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4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
der Gerichtshof nicht explizit zwischen dem fehlenden Innenwettbewerb und dem Außenwettbewerb der Oligopolgruppe. Zwar läßt sich der Definition eine gewisse Zweiteilung entnehmen, da die Unternehmen einerseits die Macht zu einem einheitlichen Vorgehen auf dem Markt und andererseits zu einem unabhängigen Verhalten von anderen Wettbewerbern und ihren Kunden besitzen müssen. Diese Zweiteilung wird jedoch anders als bei Art. 82 EGV, wo der Gerichtshof in der Sache CEWAL nunmehr ausdrücklich zwischen der kollektiven Stellung und der beherrschenden Stellung der Oligopolgruppe unterscheiden will, in den Entscheidungsgründen nicht weiter herausgearbeitet. 134 Vielmehr bleibt unklar, in welchem Verhältnis diese beiden Definitionselemente zueinander stehen. In der Entscheidung selbst untersuchte der Gerichtshof zunächst, ob die Kommission hinreichend nachgewiesen habe, daß durch den Zusammenschluß „ein gemeinsames Interesse (zwischen den Unternehmen) aufrechterhalten werde, nicht in aktiven Wettbewerb untereinander einzutreten." 135 Nach der Feststellung, daß ein gemeinsamer Marktanteil der beiden Oligopolunternehmen von 60% für sich genommen kein maßgeblicher Anhaltspunkt für das Vorliegen einer kollektiven Marktbeherrschung sei, konzentriert sich der Gerichtshof vor allem auf die zwischen den beiden Dyopolisten bestehenden strukturellen Verflechtungen, die nach Ansicht der Kommission ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Vorliegen einer oligopolistischen Marktbeherrschung in diesem Fall waren. Obwohl die Dyopolisten in einem Ausfuhrkartell zusammenarbeiteten, ein Gemeinschaftsunternehmen unterhielten und langjährige Lieferbeziehungen zwischen ihnen bestanden, sah der Gerichtshof „das Gewebe der strukturellen Verflechtungen" zwischen ihnen im Ergebnis als nicht „so dicht" und auch nicht schlüssig genug nachgewiesen an. 1 3 6 So habe die Kommission insbesondere das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges zwischen der Verflechtung in dem Ausfuhrkartell und dem zu erwartenden wettbewerbswidrigen Verhalten der Dyopolisten auf dem relevanten Markt rechtlich nicht hinreichend dargetan. 137 Auf die zahlreichen Marktstrukturfaktoren, welche die Kommission darüber hinaus als weitere Indizien für eine oligopolistische Marktbeherrschung angeführt hatte, geht der Gerichtshof dagegen inhaltlich nicht ein, da er diese Angaben als nicht „ausschlaggebend zugunsten des Ergebnisses der Kommission" betrachtet. 138 Abschließend untersucht der Gerichtshof, ob die Kommission auch den Grad des Wettbewerbsdrucks, der von den Konkurrenten auf die Oligopolgruppe ausgeübt 134 Vgl. EuGH v. 16. 3. 2000 verb. Rs. C-395/96 Ρ u. C-396/96 Ρ Compagnie maritime belge transports SA u. a. /Kommission, Slg. 2000 I, 1442, Tz. 42 f. sowie bereits oben ausführlich 4. Kapitel, I., 2., a), cc), (3). 135 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 228-239. 136 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 232. 137 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 228. 138 EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 240 f.
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werden kann, zutreffend gewürdigt hatte. Denn um die Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb zu beurteilen, müsse man nach Ansicht des Gerichtshofs notwendigerweise eine gründliche Untersuchung des Gewichts der Wettbewerber vornehmen. Aufgrund der fehlerhaften Ermittlung der Marktanteile der Wettbewerber des Oligopois kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß die Kommission auch das Fehlen eines wirksamen Gegengewichts im Wettbewerb zu den angeblichen Dyopolisten nicht dargetan hatte. 139 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/MdK /Treuhand kein explizit eigenes Konzept zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung mehrerer Unternehmen in der Fusionskontrolle entwickelt hat, sondern sich im wesentlichen darauf beschränkt hat, die Argumentation der Kommission auf Beurteilungs- und Ermittlungsfehler hin zu überprüfen. So läßt es der Gerichtshof ausdrücklich offen, ob die Feststellungen der Kommission ohne die von ihm beanstandeten Fehler für die Annahme einer kollektiven beherrschenden Stellung ausgereicht hätten. 140 Aus der Marktbeherrschungsdefinition des Gerichtshofs geht jedoch deutlich hervor, daß das Bestehen von „verbindenden Faktoren" zwischen den Oligopolisten eine notwendige Bedingung für eine kollektive Marktbeherrschung im Rahmen der Fusionskontrolle darstellen soll. Völlig unklar ist dagegen, wie diese verbindenden Faktoren konkret beschaffen sein müssen, um den Unternehmen ein einheitliches Verhalten zu ermöglichen. Allein aus dem Umstand, daß der Gerichtshof das „Gewebe" und die Beschaffenheit der vorhandenen strukturellen Verflechtungen zwischen den Dyopolisten ausführlich prüft, läßt sich noch keineswegs die Schlußfolgerung ziehen, daß es sich bei den erforderlichen verbindenden Faktoren stets und ausschließlich um solche strukturellen Verflechtungen handeln muß. 141 Darüber hinaus bestanden zwischen den Unternehmen mehrere ganz unterschiedliche Verflechtungen, sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Natur. Fraglich ist weiterhin, ob und inwieweit der Begriff der „verbindenden Faktoren" mit dem der „engen" bzw. „wirtschaftlichen" Verbindungen im Rahmen des Art. 82 EGV identisch sein soll. 1 4 2 Insoweit ist zu berücksichtigen, daß sich beide Begriffe zwar ähneln, der Gerichtshof aber an keiner Stelle auf seine einschlägige Rechtsprechung zu Art. 82 EGV, insbesondere nicht auf seine Entscheidung in der Sache Almelo verweist. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil das Vorbringen der Parteien in dem Verfahren eine Stellungnahme hierzu durchaus
139 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich Slg. 1998 I, 1453, Tz. 242-248. 140 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 249.
u. a. / Kommission, u. a./Kommission,
141 So wohl auch Venit, CMLR 1998, 1101, 1133; Bishop, ECLR 199, 37, 39; Stroux, World Competition 2000, 3, 32. 142 Vgl. insoweit Gonzälez-Diaz, Competition Policy Newsletter 1998 Nr. 2, 38, 41: „ ( . . . ) la Cour n'est pas hostile à l'idée que l'existence d'une position dominante collective puisse être démontrée même en l'absence de liens structurels entre les membres de l'oligopole".
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nahegelegt hätte. So hatten die Kläger der Kommission ausdrücklich vorgeworfen, sie habe ihre Untersuchung auf Kriterien gestützt, die in der Rechtsprechung zu Art. 82 EGV nicht angewandt würden. Demgegenüber hatte sich die Kommission darauf berufen, daß die Kriterien für die Feststellung einer kollektiven Marktbeherrschung im Rahmen von Art. 82 EGV und im Rahmen der FKVO nicht zwangsläufig die gleichen sein müßten. 143 Auch wenn der Gerichtshof mit dieser Entscheidung mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat, scheint er dennoch einen restriktiveren Ansatz gegenüber marktbeherrschenden Oligopolen zu verfolgen als die Kommission. 144 Dies wird insbesondere an seinen erheblichen Anforderungen an den Nachweis der Beschaffenheit und der Auswirkungen der zahlreichen strukturellen Verflechtungen im konkreten Fall deutlich. 145 (2) Das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Sache Gencor/Lonrho Ein Jahr nachdem sich der Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/MdK /Treuhand erstmalig mit der Oligopolmarktbeherrschung auseinandergesetzt hatte, bekam auch das Gericht erster Instanz in der Sache Gencor/Lonrho Gelegenheit zu dieser Problematik Stellung zu nehmen. 146 Das Verfahren betraf die Anfechtungsklage des südafrikanischen Unternehmens Gencor gegen eine Untersagungsentscheidung der Kommission, wonach der Zusammenschluss von Impala Platinum, einer Tochtergesellschaft von Gencor, mit der Lonrho Platinum Division, einer Tochtergesellschaft des britischen Unternehmens Lonrho, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurde. Der Zusammenschluss hätte nach Ansicht der Kommission zur Entstehung eines marktbeherrschenden Dyopols bestehend aus der neuen Unternehmenseinheit und der Anglo American Platinum auf den Weltmärkten für Platin und Rhodium geführt. In seiner Entscheidung bestätigt das Gericht erster Instanz noch einmal mit ausführlichen Argumenten die zuvor schon vom Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/MdK/Treuhand angenommene Anwendbarkeit der FKVO auf Oligopolsachverhalte, die von der Klägerin in Abrede gestellt worden war. Genauso wie der Gerichtshof verwendet auch das Gericht erster Instanz den Terminus der „kollektiven beherrschenden Stellung", den es aber anders als der Gerichtshof als die wirtschaftliche Machtstellung mehrerer Unternehmen definiert, 143 Vgl. die Klageerwiderung der Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 179, 180. 1 44 Insoweit ist der Feststellung von Arnull, ELR 1998, 199, 200, zuzustimmen, wonach „the decision in France v. Commission creates uncertainty in an area where certainty is of paramount importance." 1 45 So auch die Kommission in der Entscheidung Price Waterhouse/Coopers & Lybrand, v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 104: „Furthermore the judgement of the court of 31 March 1998 in France v. Commission ( . . . ) has emphasised that there is a strong burden of proof on the Commission in the case of an oligopolistic market which the Commission holds to be subject to collective dominance." 146 EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor /Kommission, Slg. 1999 II, 1 ff.
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„die diese in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihnen die Möglichkeit verschafft, sich ihren Konkurrenten, ihren Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten." 147
Hierbei fällt auf, daß das Gericht insoweit lediglich die bekannte Standardformel der Rechtsprechung zur Einzelmarktbeherrschung, ergänzt um die Worte „mehrere Unternehmen" wiedergibt und nicht etwa die vom Gerichtshof in der Sache Kali + Salz /MdK /Treuhand verwandte Formel mit dem Erfordernis der „verbindenden Faktoren", die den Oligopolisten ein einheitliches Verhalten ermöglichen sollen. Sodann stellt das Gericht fest, daß sich das Vorliegen einer beherrschenden Stellung aus mehreren Faktoren ergeben könne, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssten. Besondere Bedeutung als Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung komme dabei dem Marktanteil der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu sowie auch dem Verhältnis zwischen diesen Marktanteilen und denjenigen ihrer nächstkleineren Konkurrenten. 148 Allerdings räumt das Gericht ein, daß im Kontext eines Oligopois hohe Marktanteile der Oligopolisten im Vergleich mit der Analyse einer individuellen beherrschenden Stellung nicht notwendig die gleiche Bedeutung im Hinblick auf die Möglichkeit für die Oligopolisten hätten, sich als Gruppe ihren Konkurrenten, ihren Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. Gleichwohl könne auch ein hoher Marktanteil, insbesondere bei einem Dyopol, ein sehr wichtiges Indiz für das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung sein, falls keine Anzeichen für das Gegenteil vorliegen würden. 149 Auf den konkreten Fall bezogen geht das Gericht ohne nähere Begründung davon aus, daß die Kommission bei einem gemeinsamen Marktanteil der Oligopolisten je nach Marktdefinition von 60% bis 89% von der Begründung eines marktbeherrschenden Dyopols durch den Zusammenschluss ausgehen durfte. Damit nimmt das Gericht erkennbar eine strengere Haltung gegenüber hohen Marktanteilen im Dyopolsituationen ein, als noch der Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/ MdK/Treuhand, der einen gemeinsamen Marktanteil des dortigen Dyopols von über 60% als kein hinreichendes Indiz für eine kollektive beherrschende Stellung angesehen hatte. In Bezug auf die eigentliche materielle Beurteilung der Feststellung einer kollektiven Marktbeherrschung in der Kommissionsentscheidung folgt das Gericht im wesentlichen dem Prüfungsaufbau der Kommission, die die einzelnen Strukturfaktoren des Platinmarktes daraufhin untersucht hatte, ob diese ein wettbewerbsfeindliches Parallelverhalten der Mitglieder des Dyopols nach dem Zusammenschluss erleichtern werden oder nicht. Ohne eine eigene inhaltliche Begriffsbestimmung oligopolistischer Marktbeherrschung zu entwickeln, beschränkt sich das Gericht in seiner Entscheidung im wesentlichen darauf, die Argumenta147 EUG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, 148 EuG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, 149 EUG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission,
Slg. 1999 II, 1, Tz. 200. Slg. 1999 II, 1, Tz. 201 f. Slg. 1999 II, 1, Tz. 206.
160
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
tion der Kommission zur Bewertung der Kostenstrukturen, der Markttransparenz, der Wachstumsperspektive des Marktes, der Marktzutrittschranken sowie der früheren oligopolistischen Tendenzen des Marktes auf ihre Schlüssigkeit sowie die Vollständigkeit der Sachverhaltsermittlung hin zu überprüfen. 150 Von besondere Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Aussagen des Gerichts zum Erfordernis des Vorhandenseins wirtschaftlicher Verbindungen in Form von strukturellen Verbindungen zwischen den Oligopolisten. Die Klägerin hatte insoweit geltend gemacht, daß die Kommission weder das Vorhandensein von strukturellen Verbindungen nachgewiesen habe, wie sie das Gericht erster Instanz im Rahmen des Art. 82 EGV fordere, noch daß sich die Unternehmen so verhalten würden, als ob sie eine einzige Einheit darstellten. 151 Demgegenüber hatte sich die Kommission darauf berufen, daß der vom Gericht in der Sache SIV verwendete Begriff der wirtschaftlichen Verbindungen nicht auf strukturelle Verbindungen beschränkt werden könne, sondern so zu verstehen sei, daß er die Wechselbeziehungen zwischen den Mitgliedern eines beschränkten Oligopois mit einschließe.152 Das Gericht führt zunächst aus, das es in seiner Flachglas-Entscheidung Verbindungen struktureller Art nicht als notwendiges Kriterium für die Feststellung des Vorliegens einer kollektiven beherrschenden Stellung betrachtet und den Begriff der wirtschaftlichen Verbindungen auch nicht auf strukturelle Verbindungen beschränkt habe. Darüber hinaus besteht nach Ansicht des Gerichts „rechtlich oder wirtschaftlich gesehen kein Grund, in den Begriff der wirtschaftlichen Verbindung nicht auch die Wechselbeziehung zwischen den Mitgliedern eines beschränkten Oligopois mit einzubeziehen, in dessen Rahmen diese auf einem Markt mit den entsprechenden Merkmalen insbesondere im Hinblick auf Marktkonzentration, Transparenz und Homogenität des Erzeugnisses in der Lage sind, ihre jeweiligen Verhaltensweisen vorherzusehen, und daher unter einem starken Druck stehen, ihr Marktverhalten einander anzupassen, um insbesondere ihren gemeinsamen Gewinn durch eine auf Preiserhöhung abzielende Produktionsbeschränkung zu maximieren." 153
In einem solchen Kontext wisse nämlich jeder Marktbeteiligte, daß jede auf Vergrößerung seines Marktanteils gerichtete, stark wettbewerbsorientierte Maßnahme (z. B. eine Preissenkung) seinerseits die gleiche Maßnahme seitens der anderen auslösen würde, so daß er keinerlei Vorteil aus seiner Initiative ziehen könne und somit alle Marktbeteiligten die Absenkung des Preisniveaus hinzunehmen hätten. Diese Schlußfolgerung gilt nach Auffassung des Gerichts vor allem im Bereich der Zusammenschlusskontrolle, die das Auftreten oder die Verschärfung wettbewerbswidriger Marktstrukturen verhindern solle. Solche Strukturen könnten sowohl auf das Vorliegen wirtschaftlicher Verbindungen in dem von der Klägerin vertretenen engen strukturellen Sinne als auch auf oligopolistische Marktstrukturen zurückzu150 EUG v. 25. 3. 151 EuG v. 25. 3. 152 EuG v. 25. 3. 153 EuG v. 25. 3.
1999 Rs. T-102/96 1999 Rs. T-102/96 1999 Rs. T-102/96 1999 Rs. T-102/96
Gencor/Kommission, Gencor/Kommission, Gencor/Kommission, Gencor/Kommission,
Slg. Slg. Slg. Slg.
1999 II, 1999 II, 1999 II, 1999 II,
1, Tz. 217-263. 1, Tz. 264 ff. 1, Tz. 270 f. 1, Tz. 276.
I. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois
161
führen sein, bei denen jeder Marktteilnehmer die gemeinsamen Interessen wahrnehmen und insbesondere die Preise erhöhen könne, ohne zuvor eine Vereinbarung treffen oder auf eine abgestimmte Verhaltensweise zurückgreifen zu müssen.154 Abschließend kam das Gericht zu der Auffassung, daß die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt sei, daß der Zusammenschluss zur Entstehung eines marktbeherrschenden Dyopols geführt hätte und bestätigte die Untersagungsentscheidung der Kommission. Auffällig ist, das das Gericht erster Instanz in seinem Urteil genauso wie bereits der Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/MdK /Treuhand kein eigenständiges Konzept zur Erfassung der Oligopolmarktbeherrschung in der Fusionskontrolle neben dem Ansatz der Kommission entwickelt hat. Gleichwohl unterscheidet sich die Herangehensweise des Gerichts deutlich von derjenigen des Gerichtshofs. So findet sich in der Entscheidung nirgends ein Hinweis auf die vom Gerichtshof zumindest angedeutete Zweiteilung der Oligopolprüfung in eine „Kollektivebene" und eine „Beherrschungsebene". Vielmehr schließt sich das Gericht durch die Bestätigung der Untersagungsentscheidung indirekt der Auffassung der Kommission an, wonach eine kollektive Marktbeherrschung bereits dann möglich ist, wenn durch den Zusammenschluss Marktstrukturen entstehen, die ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Oligopolisten ermöglichen. Dabei akzeptierte das Gericht im Grundsatz, daß die verschiedenen von der Kommission herangezogenen Marktstrukturfaktoren wie Markttransparenz, Produkthomogenität, Marktsättigung, niedrige Innovationsrate und Kostenstrukturen Indizien dafür sein können, ob der Wettbewerb auf einem oligopolistischen Markt infolge gleichgerichteten Verhaltens mehrere Unternehmen eingeschränkt werden kann. Allerdings gibt das Gericht keine Orientierungshilfe, welche der genannten Faktoren für die Feststellung kollektiver Marktbeherrschung besonders aussagekräftig sind oder wie diese Faktoren untereinander zusammenhängen. Auch das vom Gerichtshof aufgestellte Erfordernis der „verbindenden Faktoren" zwischen den Oligopolisten findet sich in der Gencor/Lonrho-Entscheidung nicht wieder. Das Gericht hat es vielmehr offen gelassen, ob das Vorhandensein „wirtschaftlicher Verbindungen" zwischen den Oligopolisten im Sinne der F/öc/ig/ßs-Entscheidung zu Art. 82 EGV überhaupt eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung von kollektiver Marktbeherrschung ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Konkretisierung dieses bislang in seinen Konturen stark verschwommenen Rechtsbegriffs. Während die Ausführungen des Gerichtshofs erkennbar auf ein strukturelles Verständnis der verbindenden Faktoren hindeuten, hat sich das Gericht zumindest für den Bereich der Fusionskontrolle deutlich von einem solchen Verständnis gelöst. Indem das Gericht auch die Wechselbeziehungen zwischen den Oligoplisten, die diese zu einer Verhaltensanpassung verleiten, unter den Begriff der wirtschaftlichen Verbindungen subsumiert, setzt es diesen letztendlich mit der die Marktform des Oligopois kennzeichnenden oligopolistischen Interdependenz gleich. Insoweit bleibt abzuwarten,
154 EUG v. 25. 3. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, 11 Hahn
Slg. 1999 II, 1, Tz. 277.
162
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
ob und inwieweit diesem Begriff in der zukünftigen Rechtspraxis überhaupt noch eine eigenständige Bedeutung zukommen wird. Insbesondere aufgrund der unverkennbaren Divergenzen zwischen den beiden Urteilen der europäischen Gerichte wird letztlich erst die weitere Entscheidungspraxis zeigen, welche genauen Voraussetzungen im Rahmen der Fusionskontrolle gegeben sein müssen, damit nach Ansicht der Rechtsprechung mehrere Unternehmen auf einem Markt zu einem marktbeherrschenden Oligopol im Rechtssinne zusammengefaßt werden können.
II. Stellungnahme: Die sachgerechte begriffliche Erfassung des marktbeherrschenden Oligopois in der europäischen Fusionskontrolle Die bisherigen Ausführungen haben die verschiedenen Auffassungen von Literatur und Rechtspraxis zur allgemeinen Definition der Oligopolmarktbeherrschung im europäischen Kartellrecht aufgezeigt. Im folgenden wird nun untersucht, inwieweit diese eine sachgerechte Erfassung der Oligopolproblematik im Rahmen der europäischen Fusionskontrolle ermöglichen oder ob es insoweit eines anderen konzeptionellen Ansatzes bedarf.
1. Verzicht auf die Trennung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois
Ausgangspunkt und Grundlage des Oligopolverständnisses der Literatur ist die Annahme, daß ein Oligopol nur dann marktbeherrschend sein könne, wenn zwischen den Oligopolisten kein wesentlicher Wettbewerb bestehe und die Gruppe außerdem im Außenverhältnis keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sei. Dieses Dogma der Trennung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois fordert schon allein deshalb Widerspruch heraus, weil es hierfür in der FKVO weder eine rechtliche Grundlage gibt, noch aus dieser irgendwie abgeleitet werden kann. Ihren Ursprung hat diese Unterscheidung auch nicht in der wirtschaftswissenschaftlichen Oligopoltheorie, sondern sie entstammt der nur rechtshistorisch zu erklärenden Formulierung des Oligopoltatbestandes des § 22 Abs. 2 GWB a.F. 155 Der eigentliche Hintergrund der Konstruktion des auch im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Merkmals Innenwettbewerb dürfte der Versuch sein, beim Fehlen dieses Wettbewerbs eine Gruppe von Unternehmen als Kollektivmonopol zu qualifizieren und durch diesen Kunstgriff der Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle zu unterwerfen. Diese Behandlung wird den Besonder155 Die nunmehr in § 19 Abs. 2 Satz 2 GWB n.F. normierte Aufteilung des Oligopoltatbestandes in ein Innen- und ein Außenverhältnis geht auf den Änderungsvorschlag des Bundesrates vom 21. 5. 1954 zum ersten GWB-Entwurf der Bundesregierung zurück, vgl. BTDrucks. 2/1158. Allerdings gab der Bundesrat keine Begründung für seinen Vorschlag an, so daß völlig unklar ist, was den Gesetzgeber des GWB zu dieser Differenzierung bewogen hat.
II. Stellungnahme
163
heiten des Oligopois jedoch schon im Ansatz nicht gerecht. Denn hierdurch sollen mehrere Unternehmen zu einer homogenen marktbeherrschenden Einheit „zusammengeschweißt" werden, zwischen denen ein gewisser Wettbewerb als Rivalität um höhere Marktanteile schon allein deshalb noch besteht, weil es sich bei ihnen immer noch um wirtschaftlich selbständige Unternehmenseinheiten handelt. Entscheidend ist jedoch vor allem, daß eine sinnvolle und widerspruchsfreie Trennung zwischen beiden Wettbewerbsverhältnissen gar nicht möglich ist. Grundlage jeglicher Form von Marktmacht in oligopolistischen Marktstrukturen ist die Reaktionsverbundenheit der Unternehmen, die das Marktverhalten für die Oligopolmitglieder gegenseitig berechenbar macht und notwendigerweise sowohl das Innen- als auch das Außenverhältnis kennzeichnet. Herrscht zwischen den Mitgliedern einer Gruppe von Unternehmen wesentlicher Wettbewerb, so kann gegenüber außenstehenden Unternehmen eine oligopolistische Reaktionsverbundenheit faktisch nicht bestehen. Auch umgekehrt ist es kaum vorstellbar, daß bei wesentlichem Wettbewerb im Außenverhältnis ein solcher im Innenverhältnis fehlt, da der Wettbewerbsdruck durch aggressive Außenseiter die Voraussetzungen der Reaktionsverbundenheit im Innenverhältnis entfallen läßt. Andererseits bedeutet das Fehlen wirksamen Außenwettbewerbs nicht zwangsläufig, daß auch zwischen den Oligopolisten ein wirksamer Wettbewerb nicht besteht. So kann im Volloligopol, bei dem kein Außenseiter auf dem Markt vorhanden ist, dennoch wesentlicher Wettbewerb zwischen den Oligopolisten stattfinden. Selbst die Literatur räumt die praktische Undurchführbarkeit einer solchen Trennung teilweise ein, wenn darauf verwiesen wird, daß „innerhalb des Oligopoltatbestandes Innenverhältnis und Außenverhältnis weitgehend zusammenfallen" und es sich hierbei um „ergänzende Beurteilungskriterien" handeln würde. 156 Auch in der Anwendungspraxis des zweistufigen Oligopoltatbestandes des GWB hat sich mittlerweile gezeigt, daß die isolierte Feststellung fehlenden Innenwettbewerbs unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. 157 Insgesamt handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois um eine künstliche und willkürliche Aufspaltung eines nur einheitlich zu beurteilenden Sachverhalts, die normativ in der FKVO nicht festgelegt ist und den wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht, wonach die wettbewerbliche Gefährlichkeit des Oligopols auf der Reaktionsverbundenheit der Unternehmen und der Berechenbarkeit des Verhaltens der Oligopolmitglieder untereinander beruht. Die Differenzierung 156
So Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 82; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 151. Ahnlich auch Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 23 a RdNr. 100; Ruppelt, in: Langen / Bunte, § 19 RdNr. 63. 157 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 152; Monopolkommission, Hauptgutachten 2, Tz. 419. Auch das Bundeskartellamt hat sich häufig darüber beklagt, daß es ihm in der Regel nicht gelinge, fehlenden Innenwettbewerb zwischen den Oligopolisten festzustellen und darauf hingewiesen, daß es nach seiner Ansicht für die Frage der Marktbeherrschung einer Oligopolgruppe unerheblich sein sollte, ob die Oligopolmitglieder untereinander im Wettbewerb stehen, vgl. BKartA TB 1978, Tz. 25; Lanzenberger, Schwerpunkte des Kartellrechts 1978/79, 23, 35. 11*
164
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois kann daher nicht als Grundlage für die begriffliche Erfassung des marktbeherrschenden Oligopols in der europäischen Fusionskontrolle herangezogen werden. 158 2. Zusammenfassende Kritik an den bisherigen Definitionsversuchen
Die FKVO enthält keinen Oligopoltatbestand, so daß es für eine Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois zunächst erforderlich ist, auf die bereits untersuchten allgemeinen Grundsätze des Marktmachtkonzepts zurückzugreifen. Marktmacht in Form der Marktbeherrschung wird danach im allgemeinen als ein vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum bzw. als die Fähigkeit zu einem von anderen Wettbewerbern und den Kunden unabhängigem Verhalten verstanden. 159 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich beim Rechtsbegriff der Marktbeherrschung um einen normativen Zweckbegriff handelt, der in verschiedenen Bezugssystemen differenziert verstanden werden kann, wobei insbesondere die funktionalen Unterschiede zwischen der verhaltensorientierten Mißbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle als Marktstrukturkontrolle zu Modifikationen führen. 160 Der wettbewerbsrechtliche Begriff des marktbeherrschenden Oligopois kann daher sinnvoll nur vom Schutzzweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung her bestimmt werden, in der er verwandt wird. 1 6 1 Aufgabe einer Marktstrukturkontrolle in Form einer präventiven Fusionskontrolle ist es, eine Unternehmenskonzentration zu verhindern, die die strukturellen Wettbewerbsbedingungen auf einem Markt derart verändert, daß die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs nicht mehr gewährleistet ist, daß der Wettbewerb noch mehr als bisher schon eingeschränkt wird oder daß sich die Chancen für ein Wiederaufleben des bereits erlahmten Wettbewerbs noch mehr verschlechtern. 162 Dementsprechend besteht auch 158 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die Bundesregierung in ihrem Entwurf der 4. GWB Novelle die Trennung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis der Oligopolgruppe für die Zwecke der Fusionskontrolle aufheben wollte, da diese Betrachtungsweise für die Mißbrauchsaufsicht, die auf das Marktverhalten abstelle sicher sachgerecht sei, aber nicht dem strukturbezogenen Ansatz der Fusionskontrolle entspreche, vgl. BTDrucks. 8 / 2136, S. 5, 12. 159 Vgl. nur EuGH v. 14. 2. 1978 Rs. 27/76 United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, 286; v. 13. 2. 1979 Rs. 85/76 Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979,461, 520. 160 Vgl. nur Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 19; Langen, in: Langen/Bunte, § 19 RdNr. 6; Schultz, WuW 1981, 102; Bach, WuW 1993, 805, 806. Zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen der Marktbeherrschung in der Mißbrauchsaufsicht und der Fusionskontrolle vgl. oben 3. Kapitel, II., 1.
161 Vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 4, sowie allgemein zum Marktbeherrschungsbegriff Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 8 ff.; Möschel, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 19. 162 So grundlegend BGH WuW/E BGH 1501, 1506 Kfz-Kupplungen; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen RdNr. 838; Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, vor § 35 RdNr. 26; Emmerich, Kartellrecht, S. 251 f.
II. Stellungnahme
165
die Aufgabe der FKVO darin, Marktstrukturen vorzubeugen, bei denen die Möglichkeit wettbewerblichen Handelns und der Anreiz dazu voraussichtlich eingeschränkt sind. 163 Für eine am Normzweck der FKVO orientierte Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois kommt es somit entscheidend darauf an, welche Gefahren sich für einen funktionsfähigen Wettbewerb auf einem Markt ergeben, auf dem nur wenige Unternehmen vertreten sind, von denen keines allein marktbeherrschend ist. Dieser Frage wurde bereits im 1. Kapitel dieser Arbeit nachgegangen. Dabei hat sich gezeigt, daß in oligopolistischen Märkten die Gefahr besteht, daß es aufgrund der ausgeprägten Reaktionsverbundenheit der Unternehmen zu kollusiven Verhaltensweisen kommt. Grundsätzlich finden sich in diesen Marktstrukturen nicht nur ideale Voraussetzungen für eine explizite Kollusion der Unternehmen, sondern insbesondere auch für alle Formen der impliziten Kollusion, also für ein wettbewerbsbeschränkendes bzw. wettbewerbspassives gleichförmiges Verhalten der Oligopolisten, dem keine ausdrückliche Abstimmung zugrunde liegt. Eine implizite Kollusion beruht allein auf der Tatsache, daß die Unternehmen ihre gegenseitige Reaktionsverbundenheit erkennen und wissen, daß ein aggressiver Parametereinsatz aufgrund der Reaktionen der Konkurrenten letztlich ihnen selbst schadet. Indem die Unternehmen die zu erwartenden Reaktionen ihrer Konkurrenten in ihrem Marktverhalten berücksichtigen, verzichten sie auf den Einsatz bestimmter Wettbewerbsparameter in der Erwartung einer gleichartigen Zurückhaltung ihrer Konkurrenten. Sowohl eine explizite als auch implizite Kollusion der Oligopolisten schaltet den Wettbewerb mehr oder weniger stark aus, erhöht und stabilisiert die Preise und Gewinne der Unternehmen und führt somit zu den gleichen gesamtwirtschaftlichen Ineffizienzen und Wohlfahrtsverlusten wie dies bei einem marktbeherrschenden Einzelunternehmen möglich ist. Die besondere Gefährlichkeit einer impliziten Kollusion für einen funktionsfähigen Wettbewerb besteht darin, daß sich diese als Ausdruck einer starken Interdependenz und Interessensymmetrie schon allein aus der Marktstruktur ergibt und sich daher mit dem herkömmlichen wettbewerbsrechtlichen Instrumentarium der Marktverhaltens- und Marktergebniskontrolle nicht erfassen läßt. Die Aufgabe der europäischen Fusionskontrolle in oligopolistischen Märkten besteht folglich darin, die Entstehung der marktstrukturellen Voraussetzungen für kollusives Verhalten zu verhindern und damit denjenigen Gefahren der oligopolistischen Marktstruktur schon im Vorfeld zu begegnen, die sich aus der weitgehenden Wirkungslosigkeit des Kartellverbots und der Mißbrauchsaufsicht ergeben. Vor diesem Hintergrund müssen daher die aufgezeigten Definitionsversuche daraufhin überprüft werden, ob sie eine zweckgerichtete und ursachenadäquate Bestimmung des Begriffs des marktbeherrschenden Oligopois als Eingreifkriterium in der europäischen Fusionskontrolle ermöglichen.
!63 Vgl. Erwägungsgrund 7 FKVO sowie Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III, S. 406 f.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 14 ff.; Jickeli, WuW 1992, 101, 110 f.
166
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Bei der Bewertung der These Sandrocks vom fehlenden Preiswettbewerb als Normalzustand im Oligopol ist zu berücksichtigen, daß es sich hierbei um eine preistheoretische Ableitung handelt, die naturgemäß von statischen Voraussetzungen ausgeht und daher jede Veränderung von Marktdaten ausblendet. Sandrock stützt sich bei seinen Aussagen ausschließlich auf das Ausgangsmodell der Oligopolpreistheorie, das zum grundsätzlichen Verständnis der Preisbildung im Oligopol entwickelt wurde und verwendet dann die dort gewonnenen Erkenntnisse schematisch zur juristischen Bewertung sämtlicher Oligopolmärkte. Dieses Ausgangsmodell geht von einem Markt mit sehr wenigen Anbietern aus, auf dem hohe Produkthomogenität, relativ große Markttransparenz und hohe Marktzutrittsschranken einen so hohen Grad an oligopolistischer Interdependenz erzeugen, daß es dem einzelnen Oligopolisten unmöglich wird, mit Einsatz des Aktionsparameters Preis seinen Marktanteil zu erhöhen. Die preistheoretischen Erkenntnisse Sandrocks beziehen sich daher keineswegs auf Oligopolmärkte schlechthin, sondern nur auf diesen speziellen Modellfall des engen Oligopois. Sie verlieren ihre Aussagefähigkeit schon dann, wenn auch nur eine ihrer Voraussetzungen in der Wirklichkeit fehlt und basieren daher auf einer unzulässigen Verallgemeinerung von wirtschaftstheoretischen Modellaussagen. Zum anderen wird die Annahme einer strukturell bedingten Gleichpreisigkeit als Normalzustand auf Oligopolmärkten auch durch die in der Realität zu beobachtenden Verhaltensweisen auf diesen Märkten widerlegt. So wurde bereits festgestellt, daß es selbst in engen Oligopolen nicht zwingend zu kollusiven Verhaltensweisen mit ineffizienten Marktergebnissen kommen muß, sondern prinzipiell auch ein intensiver Wettbewerb zwischen den Unternehmen möglich und zu beobachten ist. 1 6 4 Zum anderen kommt es immer wieder vor, daß Oligopolisten Preiserhöhungen öffentlich ankündigen, Preismeldestellen und Marktinformationsverfahren einrichten, Produkte und Frachtregelungen standardisieren und auch Forderungen nach Verbandskartellen stellen. Solche Verhaltensweisen wären jedoch kaum erklärbar, wenn auf Oligopolmärkten schlechthin die Ungewißheit über die Preispolitik der Konkurrenten ausgeräumt wäre. Aufschlußreich ist auch ein Vergleich zwischen dem vermeintlichen Gleichgewichtszustand in der oligopolistischen Realität und dem auf Vereinbarung beruhenden Gleichgewichtszustand in einem vertraglichen Preiskartell. So zeigen Erfahrungen mit Preiskartellen, daß diese am ehesten auf Märkten mit einer oligopolistischen bzw. oligopolähnlichen Struktur entstehen können. 165 Doch trotz der geringen Marktteilnehmerzahl, künstlich herbeigeführter Marktransparenz durch Meldestellen und Standardisierungen der Produkte waren solche Kartelle nicht in allen Fällen zumindest mittelfristig stabil. Häufig zerbrachen diese auch aufgrund der Interessen164 Vgl. hierzu auch Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 14 ff. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der dyopolistische Weltmarkt für große düsengetriebene Verkehrsflugzeuge, auf dem nur zwei Anbieter, Boeing/McDonnell-Douglas und Airbus vertreten sind, die sich einen lebhaften Wettbewerb um die wenigen jeweils millionenschweren Großaufträge der Luftfahrtgesellschaften liefern. 165
S. 174.
Vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen,
II. Stellungnahme
167
gegensätze der Kartellmitglieder. Es ist daher nicht verständlich, warum die Wettbewerbsverhältnisse in vertraglich nicht gebundenen Oligopolsituationen von vornherein stabiler sein sollten, als die in vertraglich gebundenen Kartellen. Die Auffassung Sandrocks, wonach ein marktbeherrschendes Oligopol erst dann anzunehmen sei, wenn neben dem Aktionsparameter Preis auch die nichtpreislichen Aktionsparameter ganz oder teilweise ausgeschaltet seien, führt im Ergebnis zu einer weitgehenden Bedeutungslosigkeit des Tatbestandes der oligopolistischen Marktbeherrschung. 166 Denn irgendwelche Spuren von Wettbewerb, sei es in Gestalt von Qualitäts-, Service-, Werbungs- oder sogar nur Forschungswettbewerb, werden sich auch zwischen Oligopolisten fast immer nachweisen lassen. Insgesamt ist dieser im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht entwickelte Ansatz zur Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois in der Fusionskontrolle daher ungeeignet. Letztlich handelt es sich bei dem von Sandrock beschriebenen „Normalzustand" der Gleichpreisigkeit im Oligopol aufgrund bewußt gleichförmigen Verhaltens gerade um jenen pathologischen Fall, dessen Eintritt mit Hilfe der Fusionskontrolle verhindert werden soll. 1 6 7 Auch der Ansatz von Knöpfle, wonach ein Oligopol erst dann als marktbeherrschend gelten soll, wenn die wettbewerblichen Risiken zwischen den Oligopolisten durch Einführung einer kollektiven Stütze verringert worden sind, wird der Aufgabe der Fusionskontrolle auf Oligopolmärkten nicht gerecht. Unstreitig kann nicht jedes Oligopol allein aufgrund der Tatsache der geringen Anbieterzahl als eine marktbeherrschende Gruppe behandelt werden. Andererseits zeigt die wirtschaftstheoretische Betrachtung von Oligopolen aber auch, daß es in derartigen Marktstrukturen nicht nur durch explizite Vereinbarungen oder Abstimmungen zwischen den Unternehmen zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten mit ineffizienten Marktergebnissen kommen kann. Weitaus gefährlicher, weil mit dem herkömmlichen wettbewerbsrechtlichen Instrumentarium nicht zu bekämpfen, sind die Formen der impliziten Kollusion, bei denen sich die Oligopolisten, ohne das zwischen ihnen besondere Verbindungen bestehen, allein in Kenntnis ihrer gegenseitigen Reaktionsverbundenheit gleichförmig verhalten und auf einen offensiven Parametereinsatz und kurzfristige individuelle Vorteile verzichten. Dies verkennt Knöpfle völlig, wenn er die Mitglieder eines Oligopois nur dann als marktbeherrschend ansehen will, wenn diese durch besondere Umstände wie Kartellabsprachen, Preismeldestellen, bzw. Verkaufs- oder Einkaufsgemeinschaften verbunden sind. Denn bei diesen Verbindungen handelt es sich ausschließlich um Formen der expliziten 166
Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 386, sieht einen solchen Sachverhalt nicht einmal bei höherstufigen Kartellen als verwirklicht an, bei denen sich trotz Vergemeinschaftung des Verkaufs und Quotierung der Produktion der Marktanteilswettbewerb in einer entsprechenden Investitionsstrategie fortsetze. 167 So auch Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 174 f., der zu Recht darauf hinweist, daß Oligopolstrukturen, die Wettbewerb als Kontrollmechanismus von privater wirtschaftlicher Macht nachhaltig beeinträchtigen, nicht ein Normalzustand, sondern eher ein „pathologischer Fall" sind, der wettbewerbsrechtlich erfaßt werden muß.
168
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Kollusion, die grundsätzlich durch die Marktverhaltenskontrolle des Art. 81 EGV erfaßt werden und die daher nicht die eigentliche Gefahrenquelle oligopolistischer Marktstrukturen darstellen. 168 Die spezifische, im Vorfeld ansetzende Aufgabe der Fusionskontrolle, die Entstehung oder Verstärkung von Marktstrukturen zu verhindern, in denen die herkömmlichen kartellrechtlichen Instrumente ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten der Unternehmen nicht mehr verhindern können, wird damit negiert. Der Fusionskontrolle käme nur noch eine subsidiäre Hilfsfunktion neben Marktverhaltens- und Marktergebniskontrolle zu, für die sie nicht konzipiert ist. Gleiches gilt für die von Knöpfte ergänzend angeführten besonderen Umstände des „Gruppenzusammenhalts" und der „Preisführerschaft", die ausnahmsweise den Wettbewerb zwischen den Oligopolisten beseitigen sollen und in einem ganz spezifischen Sinn verstanden werden. So soll für den „Gruppenzusammenhalt" erforderlich sein, daß ein Unternehmen mit „Rücksicht auf seine Konkurrenten auch dann von bestimmten Aktionen Abstand nimmt, wenn es sich unter Berücksichtigung der Reaktionen seiner Konkurrenten von ihnen (wirtschaftliche) Vorteile verspricht." 169 Eine solch selbstschädigende Rücksichtnahme ist aber in einem marktwirtschaftlichen System, das die Unternehmungen prinzipiell auf die egoistische Verfolgung eigener wirtschaftlicher Vorteile festlegt, im allgemeinen kaum vorstellbar. Den Besonderheiten der Oligopolsituation wird dieses Erfordernis schon gar nicht gerecht. Denn hier bewirken die Interdependenzbeziehungen zwischen den Unternehmen, daß wettbewerbliche Aktionen und ein aggressiver Parametereinsatz entsprechende Gegenreaktionen der anderen Oligopolmitglieder hervorrufen und das vorstoßende Unternehmen seine Marktposition und seine wirtschaftliche Lage hierdurch gerade nicht verbessert, sondern nur verschlechtern kann. Kollusives Verhalten entsteht eben deshalb, weil es für alle Unternehmen längerfristig profitabler ist, auf kurzfristige individuelle Vorteile zu verzichten, weil diese ohnehin in kürzester Zeit wieder zunichte gemacht würden. „Preisführerschaft" soll dagegen nur dann den angeblich grundsätzlich im Oligopol gegebenen Wettbewerb verringern, wenn ein Unternehmen „das Ausmaß der Preiserhöhung nach monopolistischen Regeln bestimmen kann wie ein Einheitsunternehmen, das alle an dem solidarischen Verhalten beteiligten Unternehmen umfaßt". 170 Damit stellt Knöpfte im Ergebnis auf die Erscheinungsform einer dominierenden Preisführerschaft eines Einzelmarktbeherrschers ab, der alleine über einen überragenden Verhaltensspielraum beim Einsatz des Preisparameters verfügt, so daß auch dieser „besondere Umstand" gerade in wettbewerblich problematischen Oligopolen nicht zu finden sein wird, in denen nur eine barometrische Preisführerschaft möglich ist.
168 Zur Erfüllung des Tatbestandes des Kartell Verbots durch Preismeldestellen sowie Einkaufs- und Verkaufsgemeinschaften vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 RdNr. 350 ff.; 390 ff. m. w. N. sowie Federlin/Haag, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 85 Fallgruppe Kooperationsabsprachen, RdNr. 42 ff. 169 Vgl. Knöpfte, BB 1983 1421, 1424, Fn. 19. 170 Vgl. Knöpfte, BB 1983 1421, 1425, Fn. 22.
II. Stellungnahme
169
Der Ansatz von Knöpfle basiert allein auf seiner fragwürdigen Wettbewerbskonzeption, die ausschließlich auf den wettbewerblichen Austauschprozeß abstellt und den Parallelprozeß zwischen den Konkurrenten ausblendet, der ja gerade im Oligopol der Ursprung jedes kollusiven Verhaltens mit den bekannten nachteiligen Auswirkungen auch für die Marktgegenseite ist. 1 7 1 Ein solchermaßen weit gefaßter Wettbewerbsbegriff, der bei jeder Marktform jenseits des monopolistischen Alleinanbieters das Bestehen von Wettbewerb grundsätzlich bejaht, macht erneut deutlich, daß jeder Versuch, die Bedingungen und Voraussetzungen des Wettbewerbs in einer für die Rechtsanwendung verbindlichen Weise zu definieren, Gefahr läuft, den Wettbewerbsbegriff zu verengen und damit wesentliche Beschränkungsarten dem kartellrechtlichen Zugriff zu entziehen. Gerade aus diesem Grund wird eine rechtliche Erfassung des Wettbewerbsbegriffs heute überwiegend abgelehnt, indem zutreffend darauf verwiesen wird, daß sich der Wettbewerb als reales Phänomen ohne normatives Element einer begrifflichen Erfassung entzieht. 172 Knöpfles Argumentation hat letztlich zur Folge, daß alle Oligopolmärkte als rechtlich unbedenklich qualifiziert werden und bedeutet eine Totalabsage an jegliche Kontrolle oligopolistischer Macht, sei es im Wege der Mißbrauchsaufsicht oder der Zusammenschlußkontrolle. Eine solche Ansicht verkennt die Ordnungsaufgabe des Kartellrechts und ist daher abzulehnen. Der von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen des Art. 82 EGV verfolgte Oligopolansatz weist eine gewisse Affinität zur Konzeption Knöpfles auf, indem auch hier ein Oligopol nur dann als marktbeherrschend angesehen wird, wenn die einzelnen Oligopolmitglieder durch besondere rechtliche oder wirtschaftliche Verbindungen miteinander verflochten sind. Darin zeigt sich erneut der nur aus der Perspektive der Verhaltenskontrolle zu erklärende untaugliche Versuch, mehrere wirtschaftlich selbständige Unternehmen durch künstliche Verbindungen zu einem Kollektivmonopol zusammenzufassen, welches dann quasi als ein Unternehmen handelt. Damit sich Oligopolisten gleichförmig wie ein Quasimonopolist verhalten, bedarf es jedoch keinerlei besonderer Verbindungen oder kollektiver Stützen zwischen ihnen. Ein wettbewerbsschädliches (implizit) kollusives Verhalten der 171 Eine ausführliche Kritik der Wettbewerbskonzeption von Knöpfle ist an dieser Stelle nicht möglich. Insoweit soll der Hinweis genügen, daß eine Berücksichtigung nur der Ausweichmöglichkeiten im Austauschprozeß allein der (mißbräuchlichen) Ausbeutung der Marktgegenseite vorbeugt. Darauf beschränkt sich aber weder der Zweck der Fusionskontrolle noch derjenige einer nachträglichen Mißbrauchsaufsicht. Vielmehr ist auch die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der auf gleicher Produktionsstufe stehenden Unternehmen zu schützen, ihre Freiheit, zu Lasten des betroffenen Unternehmens oder Unternehmensgruppe wettbewerbliche Vorstöße zu machen oder diese durch ihre eigene Leistungsfähigkeit zu eigenen Vorstößen zu zwingen.
172 Vgl. Baur ZHR 134 (1970), 99, 116; Mestmäcker, Europäisches Wettbewerbsrecht, S. 52 ff., 169 ff.; Baumbach/Hefermehl; Wettbewerbsrecht, Allg. RdNr. 7; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, S. 70; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 164. Ein abstrakter Wettbewerbsbegriff ist für die Rechtsanwendung letztlich auch entbehrlich. Weitaus wichtiger ist es, an die Beschränkung wettbewerblich relevanter Handlungsfreiheiten anzuknüpfen und wettbewerbsbeschränkende Strukturen und Verhaltensweisen aufzuzeigen.
170
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Oligopolisten kann sich schon allein aus der marktstrukturbedingten Reaktionverbundenheit der Unternehmen ergeben. Darum muß die Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois notwendigerweise an der Marktstruktur anknüpfen und nicht an künstlich geschaffenen Verbindungen. Die vereinzelt geforderte Übertragung des im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht noch kaum entwickelten Oligopolansatzes der Gemeinschaftsorgane auf die Fusionskontrolle ist daher ebenfalls abzulehnen.173 Die Gesamtbetrachtungstheorie verdient zunächst insoweit Zustimmung, als sie eine Oligopolmarktbeherrschung nicht vom Vorhandensein besonderer künstlicher Verbindungen zwischen den Unternehmen abhängig macht, sondern im Grundsatz auf deren marktstrukturbedingte Reaktionsverbundenheit abstellt. Genauso wenig läßt sich bestreiten, daß die Feststellung von Marktmacht im allgemeinen stets eine wertende Gesamtbetrachtung erfordert, weil die verschiedenen Marktkriterien in unterschiedliche Richtungen wirken können und ein einseitiger Verhaltensspielraum zutreffend allein aufgrund einer Berücksichtigung aller, die Marktstellung eines Unternehmens betreffenden Merkmale begründet werden kann. 174 Die Auffassung der Gesamtbetrachtungstheorie, wonach eine oligopolistische Marktbeherrschung trotz fehlendem oder gleichförmigem Einsatz bedeutender Aktionsparameter abzulehnen sei, wenn die Summierung untergeordneter Wettbewerbsformen ausreiche, die wesentlichen Funktionen des Wettbewerbs zu erfüllen, sieht sich allerdings grundlegenden Einwänden ausgesetzt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß diese Theorie auf der für die Zwecke der Mißbrauchsaufsicht entwickelten Unterscheidung zwischen dem fehlenden Wettbewerb im Innen- und Außenverhältnis der Oligopolgruppe basiert. 175 Zweck der Mißbrauchsaufsicht ist der Schutz der Handlungsfreiheit von Konkurrenten und Abnehmern gegenüber bestimmten Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen durch eine kurierende ex post Kontrolle. Bei der Feststellung der Merkmale einer beherrschenden Stellung ist dabei auf deren Vorhandensein in der Vergangenheit abzustellen. Die Einschätzung der Marktsituation und der Positionen der einzelnen Marktteilnehmer läßt sich anhand objektiv feststellbarer Fakten 173 So etwa Giorgio Monti , World Competition 19 (1996), 59, 93, sowie eine Minderheit des Beratenden Ausschusses für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen in den Stellungnahmen zu den Fällen Nestlé /Perrier, ABl. 1992 C 319/3, Nr. 3 und Mannesmann/ Vallourec/Ilva, ABl. 1994 C 111 / 6, Nr. 4 und 6. 174
Vgl. hierzu Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 143 ff., 189 ff. m. w. N. Insoweit muß jedoch auf die Gefahr hingewiesen werden, daß sich mit einer Globalformel wie der „Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände und der auf einem Markt herrschenden Wettbewerbsverhältnisse" beliebige Ergebnisse produzieren lassen, da nicht ausgewisen werden muß, in welchem Maß die einzelnen Tatsachenfeststellungen das Entscheidungsergebnis beeinflussen. Damit gerät diese Theorie jedoch in Konflikt mit einer generellen Anforderung an die Wettbewerbspolitik, durch die Orientierung an klaren Entscheidungsregeln dem Bedürfnis der Unternehmen nach Planungssicherheit und damit Vorhersehbarkeit kartellbehördlichen Einschreitens Rechnung zu tragen. 175 Vgl. Mestmäcker /Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 151.
II. Stellungnahme
171
vornehmen, ohne daß es bei dieser Beurteilung einer Prognose über ungewisse Entwicklungen bedarf. Meist läßt sich dabei die qualitative Feststellung der Marktbeherrschung nicht von der Frage trennen, ob eine mißbräuchliche Verhaltensweise vorliegt und in der praktischen Rechtsanwendung wird häufig bereits aus mißbräuchlichen Verhaltensweisen auf das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung geschlossen.176 Mit der von der Gesamtbetrachtungstheorie geforderten Feststellung, daß in einem marktbeherrschenden Oligopol auch die Summierung untergeordneter Wettbewerbsformen keinen wirksamen Wettbewerb ergeben darf, knüpft diese Ansicht entscheidend an das aktuelle Wettbewerbsverhalten der Oligopolisten an. Dies wird jedoch den Besonderheiten der präventiven Fusionskontrolle nicht gerecht, die der Erhaltung wettbewerblicher Marktstrukturen dient. Die Notwendigkeit einer Prognoseentscheidung verlangt hier eine vorrangige Berücksichtigung der Marktstruktur. 177 Dementsprechend definiert der Begriff der Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle nach allgemeiner Ansicht eine Marktstruktur, die einem einzelnen Unternehmen oder einer Gruppe von Unternehmen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte Verhaltensspielräume eröffnet. 178 In welcher Weise von diesen Verhaltensspielräumen tatsächlich zum Nachteil der Marktpartner oder anderen Wettbewerber Gebrauch gemacht wird, ist allein für eine zukünftige Mißbrauchsaufsicht, nicht aber für die Fusionskontrolle maßgebend. Dies verkennt die Gesamtbetrachtungstheorie, wenn sie nur denjenigen wettbewerbslosen Endzustand zur Eingriffsvoraussetzung der präventiven Fusionskontrolle in Oligopolmärkten erklärt, dessen Entstehung diese gerade im Vorfeld verhindern soll, nämlich ein Oligopol, in dem es tatsächlich zu (implizit) kollusiven Verhaltensweisen kommt, die sich auf nahezu alle Aktionsparameter erstrecken und die mit dem kartellrechtlichen Instrumenten nun nicht mehr zu bekämpfen sind, weil sich dieses Verhalten allein aus der Marktstruktur ergibt. Die Gesamtbetrachtungstheorie läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß die Oligopolisten einen vorhandenen Verhaltensspielraum tatsächlich zu kollusiven Verhaltensweisen ausnutzen müssen, so daß die Fusionskontrolle mit anderen Worten erst dann eingreifen kann, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist". 1 7 9 17
6 Vgl. Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 220; ders., in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 17 ff; Rieger, in: Frankfurter Kommentar (48. Lfg.), § 36 RdNr. 66 m. w. N. 177
So die überwiegende Meinung, vgl. Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, Anhang III, S. 406 f.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 14 ff.; Goyder, EC Competition Law, S. 399 f.; Ehlermann, EuZW 1994, 647, 649; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 838; Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, vor § 35 RdNr. 26; Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse, S. 351 f.; Böhlke/Schopp, DB 1977, 2361, 2363; Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 470. ™ Vgl. Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, vor § 35 RdNr. 26; Bach, WuW 1993, 805, 806; Kleinmann /Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 107 f. 179 Emmerich, Kartellrecht, S. 182, stellt insoweit zutreffend fest, daß die Oligopolklausel bei einer derart restriktiven Handhabung im Grunde entbehrlich sei.
172
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
Die Gesamtbetrachtungstheorie läßt zudem vollkommen unberücksichtigt, daß sich die oligopolistische Interdependenz nicht nur auf den Wettbewerbsparameter Preis, sondern grundsätzlich auf das gesamte absatzpolitische Instrumentarium der Oligopolisten erstreckt. Selbst wenn zwischen den Oligopolisten im Moment bei kollusiv ausgeschaltetem Preiswettbewerb vereinzelte Nichtpreisparameter wie Produktdifferenzierung, Service, Werbung, Produktqualität oder Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, kann es aufgrund des fortschreitenden Erfahrungsprozesses im Laufe der Marktentwicklung zu einer Identifikation der Reaktionsverbundenheit auch bei den Nichtpreisparametern kommen. 180 Sobald aber die Oligopolisten feststellen, daß die Wirkungen dieser Aktionsparameter ebenfalls durch entsprechende Reaktionen ihrer Konkurrenten neutralisiert werden, wird auch der Einsatz dieser Parameter sukzessive erstarren. Stellte man somit für die Beurteilung von Oligopolen vorrangig auf kompetitive Reste bei Nichtpreisparametern auf der aktuellen Marktverhaltensebene ab, so würde damit übersehen, daß die Fusionskontrolle keine Momentanalyse, sondern eine Prognose über die zukünftige Verschlechterung der Marktstruktur verlangt. Schließlich wird in der Literatur zu Recht darauf verwiesen, daß es für die Abnehmer, die sich einem einheitlichen preislichen Angebot der Oligopolisten gegenübersehen, gleichgültig ist, ob zwischen diesen in Bezug auf Werbung oder Forschung und Entwicklung Wettbewerb besteht.181 Insgesamt ermöglicht somit auch die Gesamtbetrachtungstheorie keine sachgerechte Begriffsbestimmung des marktbeherrschenden Oligopois in der europäischen Fusionskontrolle.
3. Eigener Ansatz: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
In der bisherigen Diskussion sind die Eckpunkte deutlich geworden, an denen sich eine begriffliche Erfassung der Oligopolmarktbeherrschung in der FKVO zu orientieren hat. Ausgehend vom allgemeinen Verständnis von Marktbeherrschung als ein vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum ist es grundsätzlich auch für die Oligopolmarktbeherrschung erforderlich, daß die Mitglieder eines marktbeherrschenden Oligopois zusammen über einen solchen Verhaltensspielraum verfügen. Verständigerweise kann jedoch nicht jeder Oligopolist allein über einen unkontrollierten Verhaltensspielraum verfügen, da sich die Mitglieder eines Oligopois aufgrund der gegenseitigen Reaktionsverbundenheit schon per definitione nicht unabhängig voneinander verhalten können. Gleichzeitig hat sich gezeigt, daß es im Rahmen der marktstrukturorientierten Fusionskontrolle allein auf das Bestehen dieses Spielraums ankommt, während es nur bei der Miß180 Vgl. Kruber, JfS 29 (1978), 55, 64; Fehl, ORDO 37 (1986), 141, 145; Flint, LIEI 1978, 21, 52. Meyer, WuW 1993, 193, 302, weist in diesem Zusammenhang zutreffend daraufhin, daß gerade die Koordinierung von Forschungs und Entwicklungs-Aktivitäten im Oligopol eine wesentliche Möglichkeit zur Verhaltensabstimmung bietet. 181 Vgl. Baur, ZHR 134 (1970), 97, 147; Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 19; /. Schmidt, WuW 1965, 453, 470.
II. Stellungnahme
173
brauchsaufsicht darum geht, in welcher Weise die Oligopolisten von diesem Gebrauch gemacht haben. Die entscheidende Frage ist somit die nach dem Inhalt des Verhaltensspielraums der Oligopolisten. Sie läßt sich nur unter Berücksichtigung der Aufgabe der Fusionskontrolle auf Oligopolmärkten beantworten. Diese besteht darin, die Entstehung oder weitere Verbesserung der marktstrukturellen Voraussetzungen für ein kollusives Verhalten der Oligopolisten zu verhindern und damit den eigentlichen wettbewerblichen Gefahren der oligopolistischen Marktstruktur zu begegnen. Faßt man diese Erkenntnisse nun zusammen, so kennzeichnet der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois eine Marktstruktur, in der eine Gruppe von Unternehmen über einen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten, strukturell bedingten Verhaltensspielraum verfügt, sich die Vorteile eines kollusiven Marktverhaltens anzueignen.182 Mit dieser Definition, die auf die Differenzierung zwischen dem Innen- und Außenwettbewerb des Oligopois verzichtet und entscheidend auf einen gemeinsamen kollusiven Verhaltens Spielraum der Oligopolisten abstellt, wird keineswegs eine grundlegende Neuorientierung des Marktmachtkonzepts bei Oligopolsachverhalten in der Fusionskontrolle vorgeschlagen. Vielmehr bewegt sich der hier entwickelte Begriff des marktbeherrschenden Oligopois im wesentlichen auf der gleichen Wertungsebene wie die herrschende Meinung, die bereits ein bewußt gleichförmiges Marktverhalten der Oligopolisten als das eine Marktbeherrschung im Rahmen der Mißbrauchsaufsicht begründende Element ansieht. Damit stellt diese Ansicht zutreffend auf alle Formen kollusiven Verhaltens ab, unabhängig davon, ob dieses durch eine explizite Kontaktaufnahme zwischen den Unternehmen oder allein aufgrund ihrer Reaktionsverbundenheit zustande kommt. Für die Zwecke der Fusionskontrolle will die herrschende Meinung dieses Kriterium systemgerecht durch marktstrukturelle Gesichtspunkte dem erforderlichen Zukunftsbezug anpassen.183 Folgerichtig kann es dann auch nach dieser Ansicht für die Oligopolmarktbeherrschung nur darauf ankommen, ob die marktstrukturellen Bedingungen ein gleichförmiges und damit kollusives Verhalten der Oligopolisten in der Zukunft erwarten lassen. Ein solches ist jedoch überhaupt nur denkbar, wenn die Oligopolisten die Fähigkeit hierzu besitzen, mithin über einen kollusiven Verhaltensspielraum verfügen. Auch die Kommission scheint im Bereich der Fusionskontrolle grundsätzlich einen vergleichbaren Oligopolansatz zu verfolgen. So stellt sie in den meisten Fällen nicht mehr auf die unnötige Differenzierung zwischen fehlendem Innen- und Außenwettbewerb ab, sondern prüft vielmehr, ob die strukturellen Gegebenheiten des Marktes ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Oligopolisten wahrschein182 Genauso wie der die Einzelmarktbeherrschung bestimmende Verhaltensspielraum besteht auch dieser kollusive Verhaltensspielraum der Oligopolisten einheitlich gegenüber den Oligopolaußenseitern und den Nachfragern. Vgl. zur Problematik der Richtung des Verhaltensspielraums oben 3. Kapitel, I. 183 Vgl. Möschel in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 81; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga /Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 148, 155.
174
4. Kap.: Die rechtliche Zusammenfassung mehrerer Unternehmen
lieh erscheinen lassen.184 Ob und inwieweit der Europäische Gerichtshof in der Sache Kali+Salz/MdK /Treuhand ein abweichendes Konzept verfolgt, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen. 185 In seiner Definition der Oligopolmarktbeherrschung stellt der Gerichtshof jedoch ebenfalls darauf ab, daß die Oligopolisten „die Macht zu einheitlichem Vorgehen auf dem Markt und in beträchtlichem Umfang zu einem Handeln unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und letztlich den Verbrauchern besitzen" müssen.186 Damit ist im Ergebnis aber nichts anderes gemeint, als daß die Oligopolisten über einen Verhaltenspielraum verfügen müssen, der ihnen ein gleichgerichtetes (einheitliches) Marktverhalten ermöglicht. 187 Die Aussage, daß eine Gruppe von Unternehmen gemeinsam marktbeherrschend ist, wenn sie über einen strukturell bedingten Verhaltensspielraum verfügt, sich die Vorteile eines kollusiven Marktverhaltens anzueignen, bewegt sich allerdings auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau. Die Umsetzung dieser Definition für die praktische Rechtsanwendung wird vor allem dadurch erschwert, daß es bei der Fusionskontrolle um die Prognose von Zusammenschlußwirkungen und damit um die Ermittlung von künftigen Verhaltensspielräumen geht. Bisher stehen im Bereich der Fusionskontrolle jedoch keine geeigneten Verfahren zur Verfügung, mit denen Verhaltensspielräume unmittelbar gemessen und in ein direktes Verhältnis zum Beherrschungsgrad gesetzt werden könnten. Das Merkmal des kollusiven Verhaltensspielraums ist daher im Rahmen der FKVO zunächst selbst nicht unmittelbar operationalisierbar. Auf alle Formen von Marktbeherrschung kann vielmehr immer nur anhand einer Reihe struktureller Sub-Kriterien geschlossen werden, die ihrerseits einen erheblichen Verhaltensspielraum erwarten lassen.188 Die Frage, unter welchen Bedingungen ein Oligopol als marktbeherrschend anzusehen ist, muß daher konkret lauten: Unter welchen strukturellen Bedingungen werden sich die Oligopolisten auf dem betreffenden Markt kollusiv verhalten. Es kommt somit entscheidend darauf an, ob die Mitglieder eines Oligopois unter den gegebenen marktstrukturellen Bedingungen die Möglichkeit zu kollusiven Verhaltensweisen haben und diese auch dauerhaft aufrechterhalten können. Im folgenden Kapitel wird es daher darum gehen, das hier entwickelte Konzept des kollusiven Verhal184 Vgl. Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice , ABl. 2000 L 93/ 1, Tz. 55 ff.; v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 95 ff.; v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 143 ff.; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 AKZO Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 49; v. 22. 7. 1992 I V / M. 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 117 ff. 185 Vgl. Z u m eher geringen Erkenntniswert dieses Urteils bereits 4. Kapitel, I., 2., b), bb). 186 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich Slg. 1998 I, 1453, Tz. 221.
u. a./Kommission,
187 Vgl. zur Kongruenz zwischen den Begriffen „Verhaltensspielraum" und „Möglichkeit zu unabhängigen Verhalten" bereits oben 3. Kapitel, I., 1. 188 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 17; Jones/ Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 131 f.; Kögel, Die Angleichung der deutschen an die europäische Fusionskontrolle, S. 120 f.
II. Stellungnahme
175
tensspielraums zu konkretisieren, indem untersucht wird, welche Marktfaktoren zu Kollusion anreizen und diese erleichtern und welche sie erschweren, um damit Indikatoren zu bestimmen, die für eine erhöhte Kollusionswahrscheinlichkeit auf einem Oligopolmarkt sprechen.
5. Kapitel
Die Konkretisierung des Konzepts des kollusiven Verhaltensspielraums zur Erfassung marktbeherrschender Oligopole in der europäischen Fusionskontrolle I. Wirtschaftstheoretische Ansätze zur Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf oligopolistischen Märkten 1. Die traditionellen Ansätze in der Wirtschaftstheorie
In der traditionellen Wirtschaftstheorie gibt es eine Vielzahl von Modellen und Theorien zur Erklärung und Bestimmung des Verhaltens von Unternehmen in Oligopolsituationen, die sich aber nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen und zum Teil auch auf äußerst unrealistischen Prämissen gründen.1 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Zusammenschlüssen auf Oligopolmärkten im wesentlichen drei Denkschulen unterscheiden, die sich zwar in ihren Erklärungsansätzen unterscheiden, sich aber keineswegs gegenseitig ausschließen, sondern mehr oder weniger stark miteinander verknüpft und unterschiedlich akzentuiert vertreten werden. Die Konzentrations-Theorie (concentration school) geht davon aus, daß die Marktkonzentration als Hauptantriebskraft der oligopolistischen Marktbeherrschung wirkt. 2 Danach wird der Anreiz und die Fähigkeit der Unternehmen eines Oligopois zur Verhaltenskoordinierung entscheidend durch den Konzentrationsgrad des Marktes bestimmt. Die Beeinflussung der Koordinationsfähigkeit durch die Konzentrationshöhe wird damit begründet, daß die Zahl der in zwei Richtungen fließenden Informationsströme, die für die Stabilität der Kollusion notwendig sind, mit der Kombination der Zahl der Unternehmen zunehme. Die Wahrscheinlichkeit, daß es auf einem oligopolistischen Markt zu wirksamen kollusiven Verhaltensweisen der Unternehmen kommt, steige daher mit zunehmendem Konzentrationsgrad an. Diesem Ansatz nach können die Auswirkungen eines Zusammenschlusses schon durch die Prüfung der Folgen für den Konzentrationsgrad beurteilt 1
Eine instruktive Gegenüberstellung traditioneller Oligopolmodelle bieten Rees, Oxford Review of Economic Policy 9 (1993), 27, 28 f. sowie Dirrheimer, Marktkonzentration und Wettbewerbsverhalten von Unternehmen, S. 16 ff. 2 Vgl. nur Markham, American Economic Review 41 (1951), 891 ff. m. w. N.
I. Wirtschaftstheoretische Ansätze
177
werden, so daß ein Zusammenschluß immer dann wettbewerblich bedenklich ist, wenn er zum Überschreiten der Konzentrationsschwelle führt, ab der eine Kollusion zu erwarten ist. Allerdings herrscht in der Konzentrationsforschung keine Einigkeit darüber, wie hoch der kritische Konzentrationsgrad sein muß, damit eine Kollusion der Unternehmen zu erwarten ist und unterhalb welcher Konzentrationsschwelle ein marktbeherrschendes Oligopol unwahrscheinlich wird. Die Koordinations-Theorie (coordination school) greift die verbreitete empirische Kritik an der Konzentration-Gewinn-Relation der Konzentrations-Theorie auf und betont, daß die Wahrscheinlichkeit, daß eine Gruppe weniger Unternehmen ihr Verhalten koordiniert, nicht nur durch den Konzentrationsgrad, sondern auch noch durch zahlreiche andere Marktfaktoren beeinflußt wird. 3 Auch nach dieser Theorie ist zwar zunächst erforderlich, daß die Konzentration einen gewissen Grad erreicht hat und nicht so gering ist, daß eine Kollusion schon allein deshalb praktisch undurchführbar ist. Um jedoch sicher beurteilen zu können, ab wann Oligopolstrukturen wettbewerblich problematisch werden, müsse untersucht werden, ob die Marktstruktur kollusives Verhalten erleichtere oder erschwere. Der KoordinationsTheorie zufolge ist dafür die gleichzeitige Berücksichtigung einer Vielzahl von Marktfaktoren erforderlich, wie die Höhe der Markttransparenz, die Produktbeschaffenheit, die Ähnlichkeit zwischen den Oligopolisten, die Marktzutrittsschranken oder die Beschaffenheit der Nachfrageseite. Dies kann im Einzelfall dazu führen, daß oligopolistische Marktbeherrschung schon bei einem niedrigeren Konzentrationsgrad zu erwarten ist, als dies von der Konzentrations-Theorie angenommen wird. 4 Nach Ansicht der Theorie der angreifbaren Märkte (contestable markets school) reichen eine hohe Konzentration und kollusionsbegünstigende Marktbedingungen für eine oligopolistische Marktbeherrschung allein nicht aus, wenn andere Unternehmen den betreffenden Markt ohne weiteres betreten und verlassen können, ohne beim Marktaustritt erhebliche Verluste zu erleiden.5 In diesen Fällen ist der Markt „bestreitbar", da die Oligopolisten für den Fall überhöhter Preise und Gewinne mit Markteintritten wettbewerblich eingestellter Newcomer rechnen müssen. Oligopolistische Marktbeherrschung könne daher selbst auf hochkonzentrierten Märkten erst dann angenommen werden, wenn der betreffende Markt gar nicht oder nur unvollkommen bestreitbar sei, weil jeder neu eintretende Wettbewerber mit irreversiblen Kosten rechnen müsse, die bei einem erzwungenen Austritt endgültig verloren seien. 3 Vgl. ausführlich zu dieser Kritik Scherer /Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 411; Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 150 ff. 4 Die Koordinationstheorie geht zurück auf die Analyse der oligopolistischen Verabredung durch Fellner, Competition among few: oligopoly and similar market structures. Vgl. zu dieser Denkschule auch Scherer /Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 235 ff. sowie Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S. 208 ff. 5
Vgl. hierzu vor allem Baumol, American Economic Review 72 (1982), 72 ff. sowie ausführlich unten 5. Kapitel, III., 10., a). 12 Hahn
178
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums 2. Erkenntnisse der Neuen Industrieökonomik und die spieltheoretische Oligopolanalyse
Die traditionelle wirtschaftstheoretische Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf oligopolistischen Märkten basiert im wesentlichen auf der Analyse des Konzentrationsgrades und verschiedener kollusionshemmender und kollusionsfördernder Bestimmungsfaktoren. Darauf aufbauend werden in der modernen Industrieökonomik jedoch zunehmend die Erkenntnisse der Spieltheorie herangezogen, um die Stabilität kollusiven Verhaltens besser verstehen und erklären zu können. Durch die explizite Berücksichtigung der strategischen Dimensionen unternehmerischer Entscheidungen eröffnet dieser mehr verhaltensorientierte Analyseansatz der sogenannten Neuen Industrieökonomik (New Industrial Organization Theory) neue Einsichten gerade für die wettbewerbsrechtliche Behandlung oligopolistischer Märkte. 6 Als wesentlichstes Merkmal dieser Theorie werden Unternehmen als aktive Einheiten verstanden, die nicht lediglich auf exogen vorgegebene Marktbedingungen reagieren, sondern diese Bedingungen zur Erreichung ihrer Ziele vielmehr auch bewußt gestalten.7 Vom Marktverhalten sollen danach nicht erst längerfristig Rückkopplungseffekte auf die Marktstrukturfaktoren ausgehen, sondern gewisse Faktoren wie Marktzutrittsschranken oder der Grad der Produktdifferenzierung könnten endogen durch das strategische Verhalten der Unternehmen bestimmt werden. Dadurch wird bisher als Marktstrukturfaktoren verstandenen Merkmalen eines Marktes der Charakter von Entscheidungsvariablen zugestanden. Mit Hilfe der Spieltheorie versucht die Neue Industrieökonomik Erkenntnisse über die unter alternativen wirtschaftlichen Bedingungen zu erwartenden Verhaltensweisen der auf einem Markt vertretenen Unternehmen zu gewinnen.8 Daher verspricht die Spieltheorie gerade für die Beurteilung der Oligopolmarktbeherrschung weiterführende Erkenntnisse, da es für die Einschätzung der Kollusionswahrscheinlichkeit unerläßlich ist, die voraussichtlichen Verhaltensweisen der Anbieter zu prognostizieren. Die spieltheoretische Analyse der hier interessierenden oligopolistischer Interdependenz verwendet im Unterschied zum traditionellen Verständnis nicht ad hoc-Annahmen, sondern setzt voraus, daß jeder Anbieter aufgrund seiner Analyse der „besten" Strategien der Konkurrenten jeweils seine „beste" Strategie verfolgt. Damit spezifiziert die Spieltheorie wie Unternehmen ihre eigenen Erwartungen über die Strategiewahl ihrer Konkurrenten bilden und kann dadurch die interaktiven Entscheidungsprobleme der Anbieter in Oligopolsituationen abbilden.9 Wesentlich für das Verständnis der Kollusion in oligopolistischen 6 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 220; Kantzenbach/Kottmann/Krüger Kollektive Marktbeherrschung, S. 8 ff. 7 Vgl. ausführlich zur Methode der Neuen Industrieökonomik Stiglitz/ Mathewson, New Developments in the Analysis of Market Structure sowie den Überblick bei Güth, IFO-Studien 38 (1992), 271 ff. 8 Die Spieltheorie ist ein Konzept, das 1944 von Neumann und Morgenstern entwickelt wurde, vgl. Neumann/Morgenstern, Theory of Games and Economic Behaviour.
179
I. Wirtschaftstheoretische Ansätze
Märkten ist die ihr immanente Antinomie zwischen kollektiver Rationalität und individueller Rationalität der Unternehmen. Die Spieltheorie versucht die interaktiven Entscheidungsprobleme zwischen den Oligopolisten mit Hilfe des Prinzips des sogenannten „Gefangenendilemmas" (prisoner's dilemma) mit einfachen Mitteln zu verdeutlichen. 10 Diesem Spiel liegt eine, im Verhältnis zur Wettbewerbs Wirklichkeit stark vereinfachte, Spielanordnung zugrunde, bei der in einer Dyopolsituation beide Unternehmen ihre gegenseitige Abhängigkeit durchschaut haben. Jeder der beiden Wettbewerber hat die Wahl, in einem bestimmten Zeitraum einen niedrigen oder einen höheren Preis für das von ihm angebotene Produkt zu fordern. 11 Wählen beide Wettbewerber den niedrigeren Preis, so erzielen sie annahmegemäß beide einen verhältnismäßig geringen Gewinn (von 30). Wählen beide den höheren Preis, so steigt der Gewinn eines jeden (auf 100) an. Das aus Sicht der Wettbewerber fatale ist nun, daß die Wahl des höheren Preises das erhebliche Risiko beinhaltet, daß ein ganz überwiegender Teil der eigenen Kunden zum Mitbewerber wechseln wird und für den zuerst genannten Wettbewerber nur ein deutlich verringerter Gewinn (von 10) verbleibt. Demgegenüber winkt in diesem Fall dem Konkurrenten ein noch höherer Gewinn (von 150), wenn dieser den niedrigen Preis beibehält und die Preissteigerung nicht nachvollzieht. Jeder Dyopolist hat danach zwei Strategien zur Auswahl, die sich einmal aus der kollektiven Rationalität und zum anderen aus der individuellen Rationalität ergeben. Jeder kann sich entweder für den Kollusionspreis (100) oder für den niedrigen, wettbewerblichen Preis (30) entscheiden. Das kollektiv rationale Verhalten ist für beide die Forderung des höheren Kollusionspreises. Individuell rational ist es jedoch für den einzelnen Anbieter, wenn er unter der Annahme, sein Konkurrent verlange weiterhin den kollektiv rationalen Preis, seine Kapazität voll auslastet und versucht, mit der höheren Absatzmenge zu einem geringeren als dem Kollusionspreis ein höheres individuelles Gewinniveau (von 150) zu erreichen. Dieses Unterbieten des Kollusionspreises zum 9 Vgl. Yao/De Santi, Antitrust Bulletin 38 (1993), 113, 122 if.; Friedmann, Theory, S. 49 ff.; Barron/Lynch, Economics, S. 302 ff.
Oligopoly
!0 Vgl. hierzu ausführlich Fees, MikroÖkonomie, S. 43 f. und Telser, Competition, Collusion and Game Theory, S. 143 ff. der feststellt: „The prisoner's dilemma is better described herin as the cartel's dilemma". 11 Zum besseren Verständnis lassen sich die verschiedenen Ergebnisse dieses Spiels in einer Matrix darstellen: Wettbewerber A verlangt niedrigen Preis (Cheating)
hohen Preis (Kollusion)
niedrigen Preis ( Cheating )
Gewinn A: 30 Gewinn B: 30
Gewinn A: 10 Gewinn B: 150
hohen Preis (Kollusion)
Gewinn A: 150 Gewinn Β : 10
Gewinn A: 100 Gewinn B: 100
Wettbewerber Β verlangt
12*
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
eigenen kurzfristigen Vorteil ist der Standardfall des sogenannten „Betrügens" (cheating).12 Der Vorteil der Strategie des Cheating besteht darin, daß hier für jede Strategiewahl des Konkurrenten die Gewinne höher sind als für die alternative Strategie. Ein rationaler Spieler wird daher die Strategie des Cheating wählen; sie ist spieltheoretisch betrachtet für ihn die dominante Strategie. Das (Gefangenen-)Dilemma besteht nun darin, daß das individuell rationale Verhalten dazu führt, daß beide Unternehmen durch die Wahl der Strategie des Cheating einen geringeren Gewinn erzielen als im Fall einer kollektiven Gewinnmaximierung durch die Wahl des Kollusionspreises. Ursache dieses Dilemmas ist der Umstand, daß für die Dyopolisten kein Anreiz zur Einhaltung einer Kollusionsvereinbarung besteht. Die Spieltheorie zeigt jedoch, daß es außerhalb solcher Einperiodenspiele (one-shot games) für den Oligopolisten durchaus individuell rational sein kann, sich auch ohne starke Bindungen langfristig kollusiv zu verhalten. Diese Erkenntnis beruht auf folgender Überlegung: Besteht für die Oligopolisten die Möglichkeit, gemachte Erfahrungen in Erwartungen über zukünftige Perioden zu übertragen und gestehen sie diese Transformationsmöglichkeit auch ihren Konkurrenten zu, so können die Unternehmen die kurzfristigen Vorteile aus dem Cheating den langfristigen Einbußen als Ergebnis dieses Verhaltens gegenüberzustellen. In solchen Situationen kann es dann durchaus individuell rational sein, auf die Realisierung kurzfristiger Gewinne zu verzichten, wenn dadurch langfristige Vorteile erzielt werden können.13 Besteht bei der Wiederholung von marktlichen Interaktionen ein endogener Anreiz, die Kollusionstrategie einzuhalten, so muß eine Kollusion auch in nicht-kooperativen Spielsituationen keineswegs am Cheating scheitern. 14 Dies versucht die Spieltheorie anhand von Spielsituationen zu verdeutlichen, die unendlich oft wiederholt werden. In solchen „Superspielen" (super games) ist kollusives Verhalten deshalb individuell rational, weil es für den „betrogenen" Mitspieler ständig eine nächste Periode geben wird, in der dieser den „betrügenden" Spieler durch Preisunterbietungsstrategien „bestrafen" könnte.15 Dadurch, daß es hier keine letzte Periode gibt, die eine spätere „Bestrafung" verhindert, kann eine Vergeltung abweichenden Verhaltens nun eine glaubwürdige Drohung für die Einhaltung der Kollusion sein. In spieltheoretischen Analysen lassen sich verschiedene, hier nicht näher zu erläuternde Vergeltungsstrategien aufzeigen, mit denen sich die Mitspieler endogen disziplinieren lassen.16 Ganz all12 Trotz des etwas negativ klingenden Begriffs handelt es sich beim Cheating um ein gesamtwirtschaftlich erwünschtes Verhalten, vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 567. 13 Vgl. hierzu Holler/Illing, Einführung in die Spieltheorie, S. 22; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 218 ff. 14 Bei diesen hier untersuchten Spielsituationen sind die Spieler nicht in der Lage bindende Vereinbarungen untereinander zu errichten, insbesondere aufgrund wettbewerbsrechtlicher Verbote, vgl. Wolfstetter, Oligopoly and Industrial Organization, S. 3. 15 Vgl. hierzu ausführlich Shapiro, in: Schmalensee/Willig, Handbook of Industrial Organization, 329, 361 ff. 16 Vgl. zu den verschiedenen Vergeltungsstrategien Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 247 ff.
I. Wirtschaftstheoretische Ansätze
181
gemein wird die Wirksamkeit einer solchen Vergeltungsstrategie zunächst von der „Härte" der angedrohten Strafe bestimmt. Die Abschreckungswirkung wird dabei vor allem davon abhängen, mit welcher Rate die Unternehmen die zukünftigen Gewinne auf die Gegenwart abdiskontieren. So ist eine Vergeltung besonders dann wirksam, wenn die zukünftigen Unternehmensgewinne nicht besonders stark abdiskontiert werden, so daß der Gegenwartswert zukünftiger Verluste aufgrund der Vergeltung der „betrogenen" Konkurrenten den möglichen (einperiodigen) Cheating-Gewinn übersteigt. 17 Insgesamt läßt sich mit Hilfe der Spieltheorie zeigen, daß kollusives Verhalten auch ohne eine „kooperative Infrastruktur" allein durch geeignete Drohstrategien durchsetzbar ist, sofern die Konkurrenten keine Kenntnis über das Ende der marktlichen Interaktionen besitzen.18 Allerdings ist stets zu berücksichtigen, daß auch die Spieltheorie nur Aussagen darüber ermöglicht, was zwischen den Spielern auf einem Markt möglich ist, sie aber keine Informationen darüber liefert, ob gerade das kollusive Ergebnis zustande kommt, das den Spielern gemeinsam die höchste Gewinnsumme ermöglicht. 19 Die mehr verhaltensorientierte Betrachtung von Oligopolen bedeutet jedoch keineswegs, daß die Spieltheorie ohne Bedingungen struktureller Art auskommt. Vielmehr bildet auch hier die Analyse marktstruktureller Faktoren weiterhin die Grundlage für eine Einschätzung der Kollusionsmöglichkeiten, da Aussagen über das voraussichtliche Verhalten von Unternehmen nur auf Grundlage von Faktoren gemacht werden können, die über längere Zeit als stabil angesehen werden können. 20 Diese neue wirtschaftstheoretische Ausrichtung führt daher nicht zu einer grundlegend veränderten Beurteilung der Bestimmungsfaktoren für kollusives Verhalten, wohl aber zu einer Präzisierung und einem besseren Verständnis einiger Faktoren und zu deren Neubewertung in einem übergeordneten Zusammenhang. Durch die Berücksichtigung zusätzlicher Aspekte, wie der dem Markt immanenten Anreizstrukturen, die in der traditionellen Beurteilung von Oligopolen bisher nur wenig Beachtung gefunden haben, eröffnet die spieltheoretische Modellierung oligopolistischer Märkte insgesamt neue Perspektiven für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit. Zudem ermöglicht die Spieltheorie die Ableitung einer generellen Wirkungskette stabiler Kollusionen. Daher werden neben den Aussagen der traditionellen Wirtschaftstheorie insbesondere auch die Erkenntnisse der Neuen Industrieökonomik im Rahmen der Untersuchung der verschiedenen Bestimmungsfaktoren für die Kollusionswahrscheinlichkeit mit zu berücksichtigen sein. 17 Vgl. Holler/Iiiig, Einführung in die Spieltheorie, S. 24; Kantzenbach/Kottmann/Krüger, Kollektive Marktbeherrschung, S. 32 f. 18 Vgl. Holler/Illing, Einführung in die Spieltheorie, S. 154. 19 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 220: „Game theory confirms the notion emerging from traditional theory that „anything can happen" in oligopoly, depending upon firm conjectures about rival behaviour, and it suggests that those conjectures depend crucially on past interactions in an uncertain environment." 20 Vgl. Geroski/ Jacquemin, International Journal of Industrial Organization 2 (1984), 1, 19 ff.; Kantzenbach/Kottmann /Krüger, Kollektive Marktbeherrschung, S. 83 f.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
II. Analytische Grundlagen für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit Ausgangspunkt bei der Beurteilung der auf einem Markt bestehenden Kollusionswahrscheinlichkeit ist die Frage, ob ein kollusives Verhalten der Oligopolisten überhaupt möglich ist, und wenn ja, ob ein solches auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Dementsprechend werden die einzelnen Marktfaktoren üblicherweise daraufhin analysiert und unterschieden, ob sie sich kollusionshemmend oder kollusionsfördernd auswirken. Insbesondere die spieltheoretische Analyse oligopolistischer Interaktionen hat jedoch gezeigt, daß die Wirkungszusammenhänge in Kollusionen weitaus vielschichtiger sind, so daß eine weitere Präzisierung dieser beiden Beurteilungskriterien erforderlich erscheint.
1. Die Wirkungskette in stabilen Kollusionen
Die Wahrscheinlichkeit, daß es auf einem Markt zu einer stabilen Kollusion kommt, hängt zunächst davon ab, ob auf dem betreffenden Markt günstige Voraussetzungen und Anreize dafür gegeben sind, daß die Oligopolisten als Ausdruck ihrer rationalen einzelwirtschaftlichen Strategien auf aktiven Wettbewerb untereinander verzichten und zu einem kollusiven Verhalten übergehen werden. Grundlage für das Zustandekommen einer Kollusion kann sowohl eine Vereinbarung oder eine Abstimmung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EGV sein und damit eine explizite Verständigung über die Einhaltung eines bestimmten wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens. Genauso gut können die Oligopolisten aber auch ohne jede Vereinbarung oder direkte Kontaktaufnahme und auch ohne das Bewußtsein wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens lediglich in Kenntnis ihrer Reaktionsverbundenheit auf einen offensiven Parametereinsatz und kurzfristige individuelle Vorteile verzichten, weil dies für alle längerfristig profitabler erscheint. 21 Das Zustandekommen einer expliziten oder impliziten Kollusion unter den Oligopolisten ist jedoch nur der Anfang eines Prozesses, dessen Funktionieren in seiner Gesamtheit erst eine stabile, wirksamen Wettbewerb auf einem Markt dauerhaft beeinträchtigende Kollusion ausmacht.22 So ist die Stabilität einer Kollusion nur dann gesichert, wenn diese auch von keinem der daran teilnehmenden Oligopolisten unterlaufen wird. Grundsätzlich besteht ein Anreiz zum Cheating aber schon deshalb, weil der kollusive Preis über dem wettbewerblichen Niveau liegen wird, so daß der Grenzerlös jedes Oligopolisten seine Grenzkosten übersteigt. Stabile Kollusionsverhältnisse erfordern daher besondere Marktbedingungen, die diesem latent vorhandenen Anreiz zum Cheating entgegenwirken und es für die Unternehmen individuell rational nachteilig erscheinen lassen. 21 Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 564. 22
Vgl. Slade / Jacquemin, in: Norman/La Manna, The New Industrial Economics, 47,48; Rees, Oxford Review of Economic Policy 9 (1993), 27, 28 ff.
II. Analytische Grundlagen
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Günstige Bedingungen und Anreize für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen und das Vorhandensein nur geringer Cheating-Anreize auf dem Oligopolmarkt sind damit zwar notwendige, aber keine hinreichenden Voraussetzungen für das Funktionieren einer stabilen Kollusion. Weiterhin ist erforderlich, daß die Bedingungen des betreffenden Marktes die schnelle Aufdeckung von Cheating durch die kollusionstreuen Konkurrenten ermöglichen. Denn selbst bei an sich geringen Anreizen zu wettbewerblichem Verhalten ist Cheating nur dann keine dauerhaft erfolgversprechende Strategie, wenn der Betrug eines Kollusionspartners von den anderen relativ schnell und ohne große Zeitverzögerung (detection lag) bemerkt werden kann. 23 Desto länger es dauert, bis die Oligopolisten auf Cheating reagieren können, desto länger wird auch der Zeitraum in dem Cheating-Gewinne erzielt werden können, ohne daß eine Bestrafung befürchtet werden muß. Dementsprechend wird Cheating schon bei geringen Mengen- bzw. Gewinnveränderungen wieder attraktiv. Selbst wenn ein Unterlaufen der Kollusion innerhalb kurzer Zeit entdeckt werden kann, so reicht dies für sich allein noch nicht aus, um Cheating zu verhindern und die Kollusionsteilnehmer zu disziplinieren. Eine Kollusion läßt sich erst dann dauerhaft aufrechterhalten, wenn jeder Oligopolist damit rechnen muß, bei einer entdeckten Abweichung von der Kollusion tatsächlich bestraft zu werden und diese mögliche Vergeltung für ihn auch eine abschreckende Wirkung hat. Eine wirksame Bestrafung abweichender Kollusionsteilnehmer muß auf dem Markt somit zumindest möglich sein, auch wenn diese nie wirklich vollzogen zu werden braucht, weil die Oligopolisten allein schon durch die Vergeltungsdrohung diszipliniert werden. Dafür ist jedoch erforderlich, daß einem abweichenden Oligopolisten auch signalisiert werden kann, daß die anderen Kollusionsteilnehmer notfalls bereit sind, die mit einer Bestrafung verbundenen Nachteile für sich in Kauf zu nehmen. Aus dieser Wirkungsanalyse ergibt sich, daß eine Kollusion überhaupt nur dann möglich ist, wenn auf dem betreffenden Markt zunächst Anreize und günstige Voraussetzungen zur Herausbildung kollusiver Verhaltensweisen vorhanden sind. Die Stabilität einer möglichen Kollusion hängt dann davon ab, daß gleichzeitig nur geringe Anreize zum Unterlaufen der Kollusion bestehen, ein solches Cheating ohne größere Zeitverzögerung aufgedeckt werden kann und Möglichkeiten zur Bestrafung von Unternehmen gegeben sind, die dennoch von der Kollusion abgewichen sind. Zwischen dem Zustandekommen von Kollusion, dem Unterlaufen der Kollusion, der Entdeckung dieses abweichenden Verhaltens und dessen Bestrafung besteht folglich eine Interdependenzbeziehung, so daß die Wahrscheinlichkeit einer stabilen Kollusion auf einem Markt nur über die Berücksichtigung aller vier Ebenen dieses Prozesses zutreffend beurteilt werden kann. Bei der Untersuchung der jeweiligen Marktfaktoren sind deren mögliche kollusionsfördernden und kollusionshemmenden Wirkungen daher differenziert danach zu bestimmen, auf welcher Ebene der Wirkungskette diese jeweils ansetzen. So bedarf es der Bestim23 Vgl. Slade/Jacquemin, 415,421 f.
in: Schmalensee/Willig, Handbook of Industrial Organization,
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
mung und Unterscheidung von Faktoren, die einen Anreiz für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen enthalten und diese fördern und solchen, die einer Kollusion entgegenwirken. Genauso wichtig ist die Feststellung, wann ein Markt Anreize zum Unterlaufen der Kollusion enthält und welche Faktoren ein derartiges Verhalten für die Unternehmen wiederum nachteilig erscheinen lassen. Gleichzeitig bedarf es der Identifizierung von Faktoren, die die Entdeckung von Cheating erleichtern bzw. erschweren und solchen, die dessen kurzfristige und wirkungsvolle Bestrafung ermöglichen bzw. verhindern. Wie hoch die Kollusionsgefahr auf einem Markt tatsächlich ist, läßt sich schließlich erst durch eine zusammenfassende Betrachtung aller vier Ebenen und der jeweils auf ihnen wirkenden Faktoren sachgerecht beurteilen.
2. Die Kollusionsarten
Bei der Einschätzung der Kollusionswahrscheinlichkeit ist zu berücksichtigen, daß sich kollusives Verhalten auf nahezu alle Aktionsparameter der Unternehmenspolitik beziehen kann. Allerdings wird eine Kollusion auf einem Markt grundsätzlich nicht alle, sondern meist nur einige oder auch nur ein einziges Aktionsparameter der Oligopolisten erfassen. 24 Bei welchen Aktionsparametern im konkreten Fall eine besonders hohe Kollusionswahrscheinlichkeit besteht, hängt dabei stets von den Gegebenheiten und Wettbewerbsbedingungen des betroffenen Marktes und den Eigenschaften der einzelnen Unternehmen ab. Im Rahmen der Bestimmung der kollusionshemmenden und kollusionsfördernden Faktoren in Bezug auf die einzelnen Aktionsparameter ist dabei vor allem zu berücksichtigen, daß sich nicht alle relevanten Marktfaktoren bei sämtlichen Aktionsparametern in gleicher Weise auf den vier für eine stabile Kollusion erforderlichen Stufen der Wirkungskette auswirken müssen. Die Bedeutung einiger Marktfaktoren für die Stabilität von Kollusionen muß vielmehr stets in Abhängigkeit von dem auf seine Kollusionsanfälligkeit hin untersuchten Aktionsparameter bestimmt werden. Angesichts der Vielzahl der einem Unternehmen im Wettbewerb zur Verfügung stehenden Parametern werden für die folgende Analyse der Marktfaktoren aus Gründen der Anschaulichkeit der Darstellung drei Typen kollusiven Verhaltens unterschieden, die jeweils verschiedenen Stufen bzw. Intensitäten der Kollusion mit teilweise unterschiedlichen Stabilitätsbedingungen darstellen: Die Preiskollusion, die Kapazitätskollusion und die Marktschrankenkollusion. 25 Ein kollusives Verhalten von Oligopolisten, das sich auf andere Aktionsparameter bezieht, läßt sich im Kontext dieser drei Grundformen interpretieren. 26 24
Vgl. hierzu bereits ausführlich 1. Kapitel, I., 2., a). Diese Unterscheidung folgt damit der von Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung S. 29 ff. aufgestellten Systematik. 26 Im Rahmen der folgenden Analyse der verschiedenen Marktstrukturfaktoren wird nur dann explizit zwischen den drei aufgezeigten Kollusionsformen unterschieden, wenn die un25
II. Analytische Grundlagen
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a) Preiskollusion Die analytisch einfachste Kollusionsform, die sowohl bei der ökonomischen als auch bei der wettbewerbsrechtlichen Betrachtung zumeist im Mittelpunkt steht, ist die Preis-/Mengenkollusion. Der Preis definiert den Wert einer Leistung, steuert damit allokative und konjunkturelle Prozesse und übt die entscheidende volkswirtschaftliche Verteilungsfunktion aus. Explizite oder implizite Verständigungen über die Höhe des Preises sind geradezu der Inbegriff der Vorstellung von wettbewerbsbeschränkendem Verhalten in Oligopolen. Durch eine Preiskollusion können die Oligopolisten zunächst ein höheres Preis- und Gewinniveau erzielen, als dies bei wettbewerblichem Verhalten möglich wäre, wobei sie sich im Extremfall wie ein gewinnmaximierender Monopolist verhalten. Dennoch besteht für den einzelnen Anbieter der Anreiz, seine Gewinnsituation durch die Erhöhung der individuellen Absatzmenge noch weiter zu verbessern, indem er den kollusiven Marktpreis unterbietet. Inwieweit diese Antinomie zwischen der kollektiven Rationalität der Oligopolgruppe und der individuellen Rationalität des einzelnen Unternehmens eine stabile Kollusion verhindert, hängt nun davon ab, ob der latente Anreiz zum Cheating noch weiter verstärkt wird, ob Cheating ohne größere Zeitverzögerung aufgedeckt werden kann und wie die Vergeltungsmöglichkeiten der Oligopolisten sind.
b) Kapazitätskollusion Die Kapazitätskollusion bezeichnet Verabredungen oder auch nur ein stillschweigendes Einverständnis zwischen den Anbietern über die Limitierung ihrer Kapazitäten.27 Durch die Stillegung vorhandener Kapazitäten oder das Unterlassen einer bei Wettbewerb effizienten Kapazitätsausweitung kommt es zu einer Verknappung des Angebots und damit auch hier zu steigenden Preisen und höheren Gewinnen der Anbieter. Wird bei einer Kapazitätskollusion bei annähernder Kapazitätsauslastung produziert, so besteht für den einzelnen Anbieter kaum ein Anreiz, die individuelle Absatzmenge durch preispolitische Maßnahmen zu verändern. Da hier die individuellen Kapazitäten der Unternehmen voll ausgelastet sind, würden Preissenkungen nur zu Gewinnminderungen führen, so daß hinsichtlich der Preispolitik keine Zerfallsprobleme für die Kollusion bestehen. Die Stabilität dieser wettbewerbsbeschränkenden Kollusionsform wird vielmehr durch Anreize für einzelne Anbieter zur Schaffung neuer Kapazitäten bedroht, womit auch hier wieder im Kern der Konflikt zwischen individueller und kollektiver Rationalität besteht. Die Attraktivität von Kapazitäts-Cheating durch Ausweitung der Produktionskapazitäten hängt dabei zunächst davon ab, in welchem Ausmaß der durch zusätzliche Absatzmengen erzielbare Gewinnzuwachs eine durch die Unterbietung des Markttersuchten Faktoren auch unterschiedliche Auswirkungen auf die jeweilige Kollusionswahrscheinlichkeit haben. 27 Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 570 ff.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
preises hervorgerufene Gewinnminderung aufwiegt. Die Stabilität einer Kapazitätskollusion ist jedoch tendenziell höher als bei einer Preiskollusion. Zum einen sind die Investitionsentscheidungen eines Anbieters für seine Konkurrenten regelmäßig sichtbar, so daß Cheating kaum lange verheimlicht werden kann. Dies hat gleichzeitig zur Folge, daß die Anforderungen an die Qualität der Verständigung geringer sind, da hier die Möglichkeit besteht, Wettbewerbsstrategien auch ohne explizite Abstimmungen zu signalisieren. 28 Andererseits läßt sich Cheating bei Kapazitätskollusionen nicht so leicht wieder rückgängig machen und ist mit höheren Risiken verbunden, da sich die Oligopolisten mit Investitionen in Produktionskapazitäten meist für längere Zeiträume festlegen. Schließlich hat ein erfolgreiches Cheating bei den kollusionstreuen Oligopolisten größere Nachteile zur Folge und wird diese eher zu einer entsprechenden Gegenreaktion veranlassen. Insgesamt zeichnet sich die Kapazitätskollusion gegenüber anderen Kollusionsarten durch ihren langfristigen Charakter aus.29
c) Marktschrankenkollusion Eine bisher wenig beachtete Form der Kollusion in Oligopolen ist die Marktschrankenkollusion. Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen oder auch nur um ein stillschweigendes Einverständnis der Unternehmen über die gegenseitige Aufteilung sachlicher oder regionaler Teilmärkte. 30 Die Oligopolisten verhalten sich kollusiv, indem sie sich jeweils auf bestimmte Teilmärkte spezialisieren, diese Festlegung wechselseitig respektieren und nicht neu in die jeweils „angestammten" Märkte der anderer Kollusionsteilnehmer eintreten. Ziel einer solchen kollusiven Marktaufteilung ist es, die Uberschneidung der Kundenkreise so gering wie möglich zu halten, um dadurch einen direkten Vergleich im Wettbewerb zu verhindern. Damit wird der Markt in strategische Nischen segmentiert, die dann weitgehend vor Wettbewerb geschützt sind. Respektieren die Oligopolisten wechselseitig bestimmte regionale Teilmärkte oder ist ein Markt aufgrund technologischer Faktoren oder Nachfragedifferenzierungen in viele mehr oder minder stark separierte Einzelmärkte untergliedert, so sind die aktuellen Marktstrukturen noch enger und somit die Möglichkeiten für Preiskollusionen u. a. noch günstiger. Die Möglichkeiten für eine derartige Kollusion sind dabei um so besser, je höher die natürlichen Mobilitätsbarrieren zwischen den einzelnen Teilmärkten sind. 28
Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 37, weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es schon genügt, wenn die Unternehmen bei einer Erhöhung der Marktnachfrage im Zeitablauf die Anpassung der Kapazitäten laufend etwas verschleppen, um trotz aktuell bestehendem Wettbewerb relativ bequeme Gewinne zu realisieren. 29 Eine Kapazitätskollusion ermöglicht zudem in höherem Maße technische und qualitative Ineffizienzen als eine Preiskollusion, bei der jedes Unternehmen eher darauf eingestellt sein muß, nach einem möglichen Zerfall der Kollusion wieder wettbewerbsfähig zu sein. 30 Vgl. hierzu Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 157 ff.; Scherer/ Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 284.
187
II. Analytische Grundlagen
Die Problematik der Marktschrankenkollusion ist vor allem für die Vollendung des Gemeinsamen Marktes von erheblicher Bedeutung. Durch den Wegfall schützender nationaler Marktschranken und dem Zusammenwachsen vormals abgeschütteter oder regulierter Märkte sehen sich viele Unternehmen einem wachsenden Wettbewerbsdruck gegenüber und werden daher versuchen, neue geschützte Marktnischen zu errichten. Insbesondere das Zusammentreffen mehrerer nationaler Monopole birgt dabei die Gefahr von Marktschrankenkollusionen, indem sich nunmehr gemeinschaftsweite Oligopole herausbilden, deren Mitglieder die jeweiligen nationalen Heimatmärkte der anderen respektieren und sich nicht gegenseitig durch Markteintritte Konkurrenz machen.31 Die besondere wettbewerbliche Gefährlichkeit der Marktschrankenkollusion liegt darin, daß sie zwar ein hohes Maß an Wettbewerbsbeschränkung und ökonomischer Ineffizienz bewirkt, für Branchen-Außenseiter aber nur sehr schwer zu erkennen ist.
d) Die Bedeutung der Kollusionsarten
in der Kommissionspraxis
Die Kommission konzentriert sich bei der Prüfung einer möglichen Oligopolmarktbeherrschung fast ausschließlich auf die Frage, ob nach dem Zusammenschluß eine Koordinierung des Aktionsparameters Preis zu erwarten ist. Dabei untersucht sie, ob für die Oligopolisten Anreize bestehen, sich auf den Absatz gleich großer Mengen zu höheren Preisen zu einigen und nicht den Preiswettbewerb gegeneinander aufzunehmen und ob die Fähigkeit der Oligopolisten zu künftigen gemeinsamen Preiserhöhungen durch irgendwelche Faktoren eingeschränkt wird. 32 Die Gefahr einer mögliche Kapazitätskollusion wurde von der Kommission bisher erst in zwei Fällen angesprochen. Die erste Auseinandersetzung der Kommission mit dieser Problematik findet sich in einem obiter dictum in der Entscheidung Gencor/Lonrho. 33 Als Begründung für die Untersagung des Zusammenschlusses, der auf dem weltweiten Platinmarkt zur Entstehung eines marktbeherrschenden Dyopols geführt hätte, stellte die Kommission primär auf das zu erwartende wettbewerbswidrige Parallelverhalten der Dyopolisten und eine weitere Preiserhöhung durch eine Drosselung der Produktion ab. Ergänzend verwies die Kommission darauf, daß eine Begrenzung des Produktionsausstoßes nicht notwendigerweise eine 31
Mit der Problematik der Marktschrankenkollusion eng verbunden ist die Frage nach der sachgerechten Marktabgrenzung im Spannungsfeld zwischen „noch nationalen" und „schon gemeinschaftsweiten" Märkten. Eine enge Marktabgrenzung führt hier zu einzelnen marktbeherrschenden Stellungen auf nationalen Märkten und verstellt damit möglicherweise den Blick auf eine Marktschrankenkollusion in einem gemeinschaftsweiten Oligopol. Vgl. hierzu den Vorschlag von Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 158, für eine Neudefinition des relevanten Marktes in der Fusionskontrolle. 32 Vgl. nur Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 121 ff.; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55,114; v. 21. 12.1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 46. 33
Kommission v. 24. 4. 1996 IV/M.619 Gencor/Lonrho,
ABl. 1997 L 11/30, Tz. 187.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Reduzierung des absoluten Produktionsniveaus bedeuten müsse, sondern auch über eine Kontrolle der Wachstumsrate der Kapazitäten erfolgen könne. Selbst in einem Markt mit moderatem Wachstum wie dem Platinmarkt sei eine Verringerung der Wachstumsrate der Kapazität bereits ausreichend, um zu einer Verknappung der Angebots-Nachfrage-Relation und damit zu einem Preisanstieg zu führen. Im Ergebnis blieb jedoch unklar, ob und inwieweit die Kommission ihre Untersagungsentscheidung neben der drohenden Preiskollusion auch auf eine mögliche Kapazitätskollusion der Dyopolisten geststützt hat. In der Entscheidung Airtours /First Choice , der zweiten Entscheidung in der ein Zusammenschluss aufgrund der Entstehung einer oligopolistischen Marktbeherrschung untersagt wurde, argumentierte die Kommission vorrangig mit der Möglichkeit einer Kapazitätskollusion zwischen den drei nach dem Zusammenschluss auf dem britischen Markt für Kurzstrecken-Auslandspauschalreisen verbleibenden Anbietern. Die Besonderheit auf diesem Markt bestand darin, daß die Pauschalreiseveranstalter ihr Angebot jeweils 12 bis 18 Monate vor Beginn der Reisesaison festlegen mußten und dieses danach nur noch geringfügig anpassen konnten. In einer solchen Marktsituation können die Anbieter ihre Gewinne letztlich nur dadurch maximieren, daß sie ihre Erträge mit diesem im voraus festgelegten Reiseangebot maximieren, wodurch der Anreiz entsteht, dies durch eine Begrenzung des Angebotes an Reisen zu erreichen. Nach Ansicht der Kommission ist Preiswettbewerb in einer derartigen Situatiuon wenig attraktiv, da die Unternehmen nicht in der Lage wären, die durch billigere Preise angezogenen zusätzlichen Abnehmer zu bedienen. Insoweit bestehe keine Notwendigkeit zur Preiskoordinierung. Entscheidend sei vielmehr die Frage, wie groß das Angebot an Pauschalreisen ist, das auf den Markt gebracht wird. Die Kommission stellte hierzu fest, daß bedingt durch die Eigenarten der angeboteten Dienstleistung, das mäßige Marktwachstum und die Markttransparenz eine Steigerung des Angebots äußerst riskant sei, weil dies mit der Gefahr eines Überangebots und Preissturzes einhergehe.34 Nach Auffasung der Kommission bestand daher eine erhebliche Abhängigkeit der drei nach dem Zusammenschluss verbleibenden Anbieter, und die Gefahr eines Uberangebots an Pauschalreisen auf dem Markt würde die Oligopolisten in Zukunft davon abhalten, um Marktanteile zu kämpfen. 35 Die Kommission kam letztlich zu dem Ergebnis, daß die Marktbedingungen nach dem Zusammenschluß den Oligopolisten einen Anreiz geboten hätten, das Angebot zu beschränken.36 Auf die Problematik einer auf räumliche oder sachliche Teilmärkte bezogenen Marktschrankenkollusion ist die Kommission in ihrer bisherigen Praxis noch nicht ausdrücklich eingegangen, obwohl in einigen Fällen durchaus Anhaltspunkte für 34 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Tz. 127. 35 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours /First Tz. 170. 36 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Tz. 56.
Choice , ABl. 2000 L 93/1, Choice , ABl. 2000 L 93/1, Choice , ABl. 2000 L 93/1,
II. Analytische Grundlagen
189
eine entsprechende Kollusionsgefahr gegeben waren. Im Fall Siemens /Philips zeigte sich, daß der relevante gemeinschaftsweite Markt für Lichtwellenleiter-Kabel durch starke nationale Marktsegmente gekennzeichnet war. 37 Die fünf gemeinschaftsweit führenden Anbieter hatten jeweils räumliche Schwerpunkte und es war nicht erkennbar, daß ein Oligopolist in der Vergangenheit aus seinem angestammten Markt in andere regionale Märkte durch reine Importe eingedrungen wäre. Die Marktstellungen der Anbieter in anderen Mitgliedstaaten beruhten vielmehr ausschließlich auf dem Erwerb kleiner inländischer Hersteller. Vor allem durch solche Strategien versuchen Oligopolisten Marktanteile auf fremden Märkten zu übernehmen, ohne dabei die Interessen anderer Oligopolmitglieder durch einen Preiswettbewerb und die Abnahme von Marktanteilen wesentlich zu beeinträchtigen. Gleichzeitig können sie damit ihren Konkurrenten signalisieren, daß ein weiteres Eindringen in ihre Heimatmärkte mit einem entsprechenden Verhalten auf dem angestammten Markt des jeweils Eindringenden beantwortet werden würde. Eine Stellungnahme der Kommission hierzu unterblieb jedoch, da die beteiligten Unternehmen das Vorhaben nach Eröffnung der zweiten Phase aufgaben und die Anmeldung zurückzogen. In der Entscheidung Mannesmann/Vallourec/Ilva zeigte sich eine Spezialisierung der zwei größten gemeinschaftsweiten Anbieter von nichtrostenden Stahlrohren auf verschiedene regionale Teilmärkte des räumlich relevanten Marktes. 38 Während der eine Anbieter eine starke Marktstellung in Südeuropa einnahm, konzentrierten sich die Aktivitäten des anderen auf Nordeuropa. Die Kommission beschränkte sich jedoch nur auf eine mögliche Koordinierung der Preispolitiken und untersuchte nicht, ob diese Spezialisierung auf einer Marktschrankenkollusion beruhen könnte und inwieweit überhaupt Anreize für die Unternehmen bestanden, sich gegenseitig auf den jeweiligen Heimatmärkten Konkurrenz zu machen. Auch in anderen Entscheidungen blieben räumliche und sachliche Spezialisierungen der Oligopolisten auf Teilmärkte des Referenzmarktes in der Wettbewerbsprüfung unberücksichtigt, was darauf hindeutet, daß die Kommission die Gefahren einer Marktschrankenkollusion in Oligopolen offenbar unterschätzt. 39
37 Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 36 ff.; 51 ff. 38 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 59 ff. 39 Vgl. Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz /MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38 (deutliche regionale Spezialisierung der beiden größten europäischen Kaliproduzenten auf ihre jeweiligen Heimatmärkte, Tz. 36 ff.); v. 18. 10. 1995 I V / M . ABB/DaimlerBenz, ABl. 1997, L 11 / 1 (regionale Spezialisierung der Hersteller von Bahntechnik auf ihre nationalen Märkte, Tz. 39); v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1 (sachliche Spezialisierung der beiden größten französischen Mineralwasserhersteller auf Mineralwasser mit geringem und mit hohem Mineralgehalt, Tz. 128).
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
I I I . Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren und ihrer Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit In der folgenden Analyse werden nun die einzelnen Wettbewerbsfaktoren unter Berücksichtigung der aufgezeigten wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere der Forschungsergebnisse der Neuen Industrieökonomik sowie der Auffassungen in der kartellrechtlichen Literatur daraufhin untersucht, ob sie kollusive Verhaltensweisen von Oligopolisten begünstigen oder erschweren und inwieweit sie auf die verschiedenen Kollusions- und Cheating-Anreize einwirken. Gleichzeitig werden Indikatoren aufgezeigt, die für eine erhöhte Kollusionswahrscheinlickeit auf Oligopolmärkten sprechen. Bei einem Vergleich der jeweils gefundenen theoretischen Ergebnisse mit der europäischen Fusionskontrollpraxis wird dann ermittelt, wie die Kommission diese Bestimmungsfaktoren bewertet und welche Abweichungen sich dabei feststellen lassen.
1. Die Zahl der Oligopolisten und die Höhe des absoluten Konzentrationsgrades
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Der zentrale Bestimmungsfaktor für die Kollusionswahrscheinlichkeit, der regelmäßig schon die Vorentscheidung darüber beeinflußt, ob eine eingehende Untersuchung auf oligopolistische Marktbeherrschung im konkreten Fall überhaupt vorgenommen wird, ist die Anzahl der auf dem betroffenen Markt vorhandenen Anbieter und die Höhe des absoluten Konzentrationsgrades. Schon beim wirtschaftswissenschaftlichen Oligopol handelt es sich definitionsgemäß um eine Marktstruktur mit relativ wenigen Anbietern, die jeweils hohe Marktanteile halten. 40 Erst ab einer gewissen Konzentration kann die oligopolistische Reaktionsverbundenheit zwischen den Unternehmen überhaupt spürbar werden. Denn je mehr Unternehmen auf einem Markt vorhanden sind, um so schwieriger ist es für den einzelnen Anbieter, die Reaktionsverbundenheit zu durchschauen, da er dann um so schwerer die Auswirkungen seines eigenen Vorstoßes auf dem Markt und damit auch die Handlungen der Mitkonkurrenten erkennen kann. Insbesondere ist es in dieser Situation für die Unternehmen schwierig festzustellen, ob wettbewerbliche Aktionen anderer Anbieter Reaktionen auf die eigenen Aktionen sind oder unabhängig davon erfolgen. Die Zahl der Oligopolisten hat zunächst Auswirkungen auf das Zustandekommen einer Kollusion. So steigt die Zahl der für eine kollusive Verständigung erforderlichen Zwei-Weg-Kommunikationsflüsse mit der Zahl der Unternehmen nicht linear, sondern exponentiell an. Während bei zwei Unternehmen nur ein derartiger „Kommunikationskanal" notwendig ist, sind es bei vier Unternehmen bereits sechs 40
Vgl. nur Zohlnhöfer, Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 17; Ott, Grundzüge der Preistheorie, S. 43; v. Stackelberg, Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, S. 237 ff.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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und bei sechs Unternehmen schon 15. 41 Mit steigender Anbieterzahl wird daher vor allem das Zustandekommen einer impliziten Kollusion immer schwieriger. Die Reaktionsverbundenheit und damit auch der Anreiz zur Kollusion sind weniger direkt spürbar, es besteht ein geringeres Bewußtsein für die Kollektivinteressen und die Transaktionskosten der Herbeiführung oder Wiederherstellung einer Kollusion steigen erheblich an. 42 Daneben erschwert eine hohe Anbieterzahl auch das Aufdecken von Cheating und dessen Bestrafung. 43 Preisunterbietungen bewirken in dieser Situation geringere Mengen- und Gewinnveränderungen, so daß es für die kollusionstreuen Unternehmen schwierig wird festzustellen, ob eine Verminderung ihres Marktanteils auf dem Ausbruch eines Konkurrenten aus der Kollusion oder nur auf einer zufallsbedingten Nachfrageschwankung beruht. 44 Schließlich steigt auch die Wahrscheinlichkeit, daß bei relativ vielen Anbietern ein Unternehmen dabei ist, das eine Strategie der Marktanteilsausweitung mit aggressiven Wettbewerbsvorstößen verfolgt und daher grundsätzlich zu keiner Kooperation bereit ist. 45 Grundsätzlich läßt sich somit feststellen, daß die Kollusionswahrscheinlichkeit um so höher ist, je weniger Anbieter auf einem Markt vertreten sind und je höher der Konzentrationsgrad ist. Will man dieses Kriterium der absoluten Marktkonzentration näher operationalisieren, so stellt sich zunächst die Frage, wie der Konzentrationsgrad in Oligopolsituationen sachgerecht zu messen ist.
aa) Die Maßstäbe zur Konzentrationsmessung Von den zahlreichen in der Wettbewerbstheorie und in empirischen Studien entwickelten Konzentrationsmaßen kommen in der wettbewerbsrechtlichen Praxis im wesentlichen nur zwei verschiedene Methoden der Konzentrationsmessung zur Anwendung, die im folgenden untersucht werden. 46
41 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 278 m. w. N. in Fn. 4. 42 Vgl. Carlton/Perloff Industrial Organization, S. 184 ff.; Eickhoff, ORDO 43 (1992), 173, 185; Shughart, The Organization of Industry, S. 250 f. 43
Vgl. Shepherd, The Economics of Industrial Organisation, S. 238. Vgl. Fischer/ Dornbusch/ Schmalensee, Economics, S. 220; Shughart, The Organization of Industry, S. 251. 44
45 Solche wettbewerblich eingestellten Unternehmen werden als „maverick firms" bezeichnet, vgl. Scherer/Ross Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 277; Hay, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 163 f. Kruse, WiSt 1995, 564, 570, weist zudem daraufhin, daß in der Regel davon auszugehen sei, daß mit zunehmender Zahl der Anbieter auch die Heterogenität der unternehmerischen Entscheidungsträger bezüglich Zielsetzung, Risikofreude usw. ansteige, was sich wiederum als Hindernis für das Zustandekommen einer kollusiven Verständigung auswirke. 46 Eine gute Darstellung der zahlreichen Konzentrationsmaße findet sich in Marfels, Erfassung und Darstellung industrieller Konzentration, S. 49 ff. Vgl. hierzu auch Monopolkommission, Hauptgutachten 12, Band 2, S. 4 ff.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
( 1 ) Summarische Konzentrationsmessung Der Herfindahl-Hirschmann-Index Ein verbreitetes Konzentrationsmaß ist der Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI), bei dem die prozentualen Marktanteile aller auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen einzeln quadriert und die erzielten Werte anschließend addiert werden. 47 Besteht ein Markt zum Beispiel aus vier Firmen mit Marktanteilen in Höhe von 30%, 30%, 20% und 20%, so ergibt dies einen HHI von 2.600 Punkten. Der HHI-Höchstwert, der rechnerisch nur im Fall eines Monopols erreichbar ist, beträgt 10.000 Punkte. Der niedrigste Wert geht gegen Null und setzt einen völlig atomisierten Markt voraus. Die Wirkungsweise des HHI läßt sich am besten anhand der Horizontal Merger Guidelines des US Department of Justice und der Federal Trade Commission darstellen, die diesen Index seit 1982 zur Konzentrationsbestimmung verwenden. 48 Danach wird das Spektrum der nach dem HHI errechneten Daten in drei, die Marktkonzentration nach dem Zusammenschluß bewertende Gruppen eingeteilt. Bei einem HHI von weniger als 1.000 Punkten gilt ein Markt als nichtkonzentriert (unconcentrated). Gegen einen Zusammenschluß der zu einem solchen Wert führt, wird die Wettbewerbsbehörde den Richtlinien zufolge keine Schritte unternehmen, weil von solchen nicht konzentrierten Märkten im Regelfall keine Gefahr für den Wettbewerb ausgehe.49 Wird auf einem Markt ein HHI zwischen 1.000 und 1.800 Punkten erreicht, so wird dieser als mäßig konzentriert (moderately concentrated) eingestuft. Für die wettbewerbliche Beurteilung soll es in diesem Fall auf den Anstieg der Konzentration durch den Zusammenschluß ankommen. Liegt dieser unter 100 Punkten, wird der Zusammenschluß als grundsätzlich unbedenklich angesehen - ein Einschreiten der Behörden ist danach unwahrscheinlich. 50 Bei einem Zuwachs des Index um mindestens 100 Punkte wirft der Zusammenschluß möglicherweise erhebliche wettbewerbliche Probleme auf und muß anhand weiterer Wettbewerbsfaktoren näher überprüft werden. Bei einem HHI von mehr als 1.800 Punkten gilt ein Markt schließlich als hoch konzentriert (highly concentrated). Steigt hier die Konzentration nach dem Zusammenschluß um mehr als 100 Punkte an, wird es als wahrscheinlich angesehen, daß der Zusammenschluß Marktmacht begründet, verstärkt oder die Ausübung von Marktmacht erleichtert. 51 In der Praxis bedeutet dies, daß lediglich Zusammenschlüsse, die einen HHI von 1.800 Punkten überschreiten und gleichzeitig zu
47 Vgl. Barron /Lynch, Economics, S. 320; Scherer/Ross, Economic Performance, S. 72 f. 48
Industrial Market Structure and
Vgl. Horizontal Merger Guidelines, U.S. Department of Justice and the Federal Trade Commission, Stand: 8. 4. 1997. 49 § 1.5 1 (a) Horizontal Merger Guidelines. 50 § 1.5 1 (b) Horizontal Merger Guidelines. 51 § 1.5 1 (c) Horizontal Merger Guidelines. Steigt die Konzentration um weniger als 50 Punkte, gilt der Zusammenschluß als wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Bei Werten zwischen 50 und 100 kommt es wiederum auf die übrigen Wettbewerbsfaktoren an.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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einem Konzentrationsanstieg von über 100 Punkten führen, ohne weiteres ein behördliches Eingreifen veranlassen.52 (2) Diskrete Konzentrationsmessung - Die Konzentrationsraten Ein weitere Methode zur Messung der Konzentration auf einem Markt bedient sich der Konzentrationsraten (concentration ratios - CR). Die Konzentrationsraten errechnen sich aus der Summe der Marktanteile der größten Unternehmen eines Marktes. 53 Üblicherweise werden dabei die Marktanteile der vier bzw. acht führenden Unternehmen addiert. Eine CR 4 von 55% bedeutet danach, daß die vier größten Unternehmen einen zusammengefaßten Marktanteil von 55% auf sich vereinigen. Ein normatives Beispiel für die Verwendung von Konzentrationsraten zur Konzentrationsmessung in Oligopolsituationen sind die Marktbeherrschungsvermutungen des § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB. 5 4 Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB gilt eine Gesamtheit von Unternehmen als marktbeherrschend, wenn sie aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50% erreichen. Fünf oder weniger Unternehmen gelten nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB als marktbeherrschend, wenn sie zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen. Die kritischen Konzentrationsraten, ab dem ein marktbeherrschendes Oligopol nach dem GWB wiederleglich vermutet wird liegen somit bei einer CR 3 von 50% und einer CR 5 von 66,6%. (3) Die Eignung beider Maßstäbe zur sachgerechten Konzentrationsmessung auf Oligopolmärkten Weder die Wettbewerbsregeln des EGV noch die FKVO enthalten eine normative Entscheidung für ein bestimmtes Konzentrationsmaß, so daß sich die Frage stellt, welche der beiden Methoden für eine Messung des Konzentrationsgrades auf Oligopolmärkten besser geeignet ist und daher in der Praxis angewandt werden sollte. 55 Ein Vorteil der Konzentrationsmessung mit dem HHI besteht zunächst darin, daß durch die Quadrierung der Anteile aller Marktteilnehmer die gesamte Markt52 Vgl. Dreher, RIW 1995, 376, 379. 53
Vgl. hierzu Barron/Lynch, Economics, S. 319; Fischer/Dornbusch/Schmalensee, Economics, S. 215. 54 Die US-Merger Guidelines von 1968, Trade Reg. Rep. 1980 II, S. 4510 ff., verwendeten ebenfalls Konzentrationsraten zur Konzentrationsmessung. Mit Hilfe einer CR 4 wurde dabei ermittelt, ob ein Markt als hoch konzentriert (CR 4 von mindestens 75%) oder weniger konzentriert (CR 4 unter 75%) einzustufen ist. 55 Vgl. allgemein zu dieser Problematik Piesch/Schmidt, Die Verwendbarkeit von Konzentrationsmaßen in der europäischen Wettbewerbspolitik, S. 82 ff. 13 Hahn
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
struktur in einem Index abgebildet wird, während die Konzentrationsraten nur die drei, fünf oder acht größten Unternehmen eines Marktes und damit nur ein, wenn auch großes Marktsegment erfassen. Durch die einfache Addition der Marktanteile bei der Berechnung der Konzentrationsraten erhalten alle darin berücksichtigten Unternehmen das gleiche Gewicht. Bei der Messung mit dem HHI werden die Marktanteile hingegen mit sich selbst gewichtet, so daß den größeren Unternehmen auch ein größeres Gewicht beigemessen wird und sich ihre Bedeutung für den Markt damit deutlicher wiedergeben läßt. 56 Wird beispielsweise auf einem Markt mit drei Unternehmen eine CR 3 von 60% gemessen, so kann dies bedeuten, daß alle drei Unternehmen jeweils 20% Marktanteil halten oder ein Unternehmen 50% und die zwei anderen jeweils 5%, ohne das dieser Unterschied in der Maßzahl deutlich zu erkennen wäre. Der HHI würde im ersten Fall bei 1.200 Punkten liegen und eine mäßige Konzentration anzeigen. Im zweiten Fall, in dem ein Unternehmen die Hälfte des Marktes beherrscht, würde er dagegen mit 1.850 Punkten eine hohe Marktkonzentration anzeigen. Grund hierfür ist die Quadrierung der Marktanteile, durch die jedem Marktanteil ein besonderer Indexweit zugeordnet wird. So hat ein Marktanteil von 30% nicht etwa nur die doppelte Wirkung wie ein Marktanteil von 15%, sondern geht mit dem ca. 5,4-fachen dieses Wertes in den Index ein. Hierin liegt jedoch gleichzeitig auch der entscheidende Nachteil dieses Konzentrationsmaßes. Denn der HHI vermag konstruktionsbedingt nur teil-monopolistische Strukturen ausreichend zu erfassen, nicht jedoch enge Oligopolstrukturen. Dies läßt sich anhand folgender Beispiele verdeutlichen. Nimmt man einen Markt an, auf dem vier große Unternehmen mit jeweils 15% Marktanteil ein symmetrisches (Teil-) Oligopol bilden und daneben noch 40 Unternehmen mit jeweils 1 % Marktanteil tätig sind, so kommen beide Konzentrationsmaße zu divergierenden Ergebnissen. Die Konzentrationsratenmessung zeigt eine CR 4 von 60% und damit eine relativ hohe Konzentration des Marktes an. Die absolut betrachtet hohe Anzahl an Unternehmen auf dem Markt führt jedoch dazu, daß der HHI mit einem Wert von 940 Punkten eine niedrige Konzentration ausweist. Ein ähnlicher Widerspruch zeigt sich auch bei einem Markt mit sieben Anbietern auf dem die beiden größten Unternehmen 27% und 23% und fünf weitere je 10% Marktanteil erreichen. Während die CR 2 von 50% auf eine führende Zweiergruppe und damit auf eine mögliche dyopolistische Marktbeherrschung hinweist, wird diese Marktstruktur mit einem HHI von 1.758 Punkten (mäßig konzentriert) nur unzureichend bewertet. 57 Die Verwendung des HHI bedeutet mithin eine vorweggenommene sachliche Stellungnahme zu oligopoltheoretischen Fragen. Wie sich aus den Beispielen 56
Vgl. Barron/Lynch, Economics, S. 319 f.; Fees, MikroÖkonomie, S. 264 f.; Zachmann, Le contrôle communautaire des concentrations, S. 166. 57 /. Schmidt/Ries, WuW 1983 525, 530 ff., kamen bei einem ausführlichen Vergleich zwischen den Konzentrationsraten und dem HHI zu dem Ergebnis, daß bei einer gegebenen CR 4 von 50% der HHI von 675 bis zu mehr als 2.200 Punkten variieren kann und bei einer CR 4 von 70% realistische HHI-Punktwerte von 1.300 bis über 2.500 möglich sind.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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ergibt, erweist sich der HHI gegenüber asymmetrischen Marktstrukturen als besonders empfindlich. Während bei gleichem Gesamtmarktanteil und gleicher Zahl von Unternehmen eine symmetrische Marktanteilsverteilung zu einem verhältnismäßig niedrigen HHI-Punktwert führt, wird der relativ größte HHI-Punktwert bei einer besonders asymmetrischen Struktur erzielt, in der ein großes Unternehmen den Markt dominiert. Bezüglich der Oligopolproblematik bezieht sich die hierin erkennbare, dem HHI immanente Wertung, lediglich auf das Modell der „dominierenden Preisführerschaft". Dieses Modell geht davon aus, daß es zu einer Verminderung des Wettbewerbs kommen kann, ohne das es eines explizit kollusiven Verhaltens bedarf, wenn ein Unternehmen über einen so großen Marktanteil verfügt, daß die übrigen Anbieter wegen ihrer wirtschaftlichen Unterlegenheit keine autonomen Preisentscheidungen mehr treffen, sondern im wesentlichen dem Verhalten des Preisführers folgen. Die Gefahr, daß es in Marktstrukturen mit wenigen gleichstarken Wettbewerbern interdependenzbedingt zu kollusiven Verhaltensweisen kommt, wird vom HHI dagegen eher als gering eingestuft. Insgesamt tendiert der HHI zu einer Unterbewertung von Konzentrationssituationen wie sie typischerweise auf Oligopolmärkten auftreten. 58 Durch die Quadrierung der Marktanteile ist der HHI nicht nur ein Maßstab zur Konzentrationsbestimmung, sondern er enthält auch eine qualitative Aussage über die Gewichtung bestimmter Marktstrukturen. Im Gegensatz dazu verzichtet die Konzentrationsbestimmung durch Konzentrationsraten auf eine solche Wertung. Die sachliche Berechtigung der dem HHI zugrunde liegenden Wertung hängt davon ab, ob die Konzentrationswirkung bei steigendem Marktanteil quadratisch anwächst. Diese Frage ist jedoch noch weitgehend ungeklärt, da man ja grundsätzlich auch jeden Marktanteil hoch 1,5 oder hoch 3 nehmen könnte.59 Ein weiterer Nachteil des HHI besteht darin, daß der Wert dieses Indexes für einen bestimmten Markt für sich allein keine Rückschlüsse auf die Größenverteilung sowohl des Gesamtmarktes als auch der führenden Unternehmen zuläßt. Für die Untersuchung der Kollusionswahrscheinlichkeit ist eine Aussage über die Gruppe der führenden Unternehmen, wie sie mit Hilfe der Konzentrationsraten vorgenommen werden kann, jedoch unerläßlich. Schließlich ist bei der Verwendung des HHI zu berücksichtigen, daß bereits geringe Fehler bei der Abgrenzung des relevanten Marktes und der Berechnung der einzelnen Marktanteile infolge der Quadrierung zu erheblich voneinander abweichenden Indexwerten führen können.60 Darüber hinaus ist
58
Ubereinstimmend Marfels, Erfassung und Darstellung industrieller Konzentration S. 56, /. Schmidt/Ries, WuW 1983, 525, 532; Dreher/Stewart, RIW 1983, 906, 910; Areeda/ Turner, Antitrust Law. An Analysis of Antitrust Principles and their Application, Band 4, S. 76. 59 Vgl. zu dieser Diskussion Baxter, Antitrust Law Journal 91 (1982), 326 ff. 60 Wird in einem Markt mit einer CR 4 aus 35%, 15%, 10% und 10% das größte Unternehmen versehentlich mit 40% statt mit 35% gemessen, so steigt die CR 4 nur geringfügig von 70% auf 75%, der HHI dagegen deutlich von 1.650 (mäßig konzentriert) auf 2.025 Punkte (hoch konzentriert). 13*
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
die Konzentrationsbestimmung beim HHI mit einem vergleichsweise hohen Aufwand verbunden, da die genaue Kenntnis über die Marktanteile aller, auch der kleineren auf dem Markt tätigen Unternehmen erforderlich ist. 61 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der HHI zwar ein allgemein flexiblerer Maßstab zur Konzentrationsbestimmung ist als ein sich auf drei, vier oder fünf Unternehmen beschränkender Index. Für die Konzentrationsmessung auf Oligopolmärkten ist der HHI jedoch grundsätzlich ungeeignet, da er den Konzentrationsgrad nicht neutral mißt, sondern eine sachliche Bewertung der Marktstruktur vorwegnimmt, ohne dies deutlich zu machen. Die konzeptionsbedingte Uberempfindlichkeit des HHI gegenüber einzelnen Unternehmen mit hohen Marktanteilen führt dazu, daß (teil-) monopolistische Marktstrukturen als wettbewerbspolitisch am gefährlichsten, oligopolistische Konstellationen hingegen als relativ ungefährlich eingestuft werden. Um eine möglichst umfassende und unvoreingenommene Bewertung eines Zusammenschlusses zu gewährleisten, sollte der Konzentrationsgrad für die Bestimmung der Kollusionswahrscheinlichkeit daher primär durch Verwendung von Konzentrationsraten gemessen werden. 62 Dies schließt jedoch nicht aus, den HHI im Einzelfall ergänzend zu verwenden, um das Bild der Marktkonzentration zu vervollständigen.
bb) Die Bestimmung eines kritischen Schwellenwertes Die FKVO enthält de lege lata keine Grundlage für eine Oligopolvermutung oder für eine Umkehr der materiellen und formellen Beweislast. Der Nachweis des Vorliegens einer oligopolistischen Marktbeherrschung obliegt ausschließlich der Kommission. Ob eine Novellierung der FKVO unter diesem Gesichtspunkt de lege ferenda sinnvoll wäre und eine Oligopolvermutung zu einer spürbaren Erleichterung der Rechtsanwendung durch die Kommission führen würde, muß angesichts der praktischen Erfahrungen mit Marktbeherrschungsvermutungen aus der Fusionskontrolle des GWB ernsthaft bezweifelt werden. 63 Bei einer Analyse der kollu61 Vgl. Dreher/Stewart, RIW 1983, 906, 910. 62 Vgl. Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 67 f., 390 und Marfels, Erfassung und Darstellung industrieller Konzentration, S. 49, der auf die intuitive Verbindung der Verwendung von Konzentrationsraten zum Konzept der „wenigen Anbieter" in der Oligopoltheorie verweist. 63 So hat Markert, WuW 1986, 444, dargelegt, daß nach den bisherigen Erfahrungen im Bundeskartellamt nur in 10%-20% der Fusionskontrollfälle (womöglich sogar unter 10%), welche die Vermutungsschwelle des § 23a GWB a.F. überschritten hätten, tatsächlich eine Marktbeherrschung festzustellen gewesen wäre. Insbesondere die Oligopolvermutung des Abs. 2 sei von einem Regeltatbestand weit entfernt. Später errechnete Marken, BB 1986, 1660 ff., unter Berücksichtigung des Umstandes, daß eine gerichtliche Überprüfung in den meisten Untersagungsfällen nicht stattgefunden hat, eine „Trefferquote" der qualifizierten Oligopolvermutung von ca. 5% (a. a. O., 1665). Emmerich, AG 1989, 369, 378, kam bei seiner Untersuchung der Fusionskontrollpraxis der Jahre 1988/89 zu der Erkenntnis: „Noch das Beste, was man von den Vermutungen des § 23a GWB sagen kann ist, daß sie im
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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sionsfördernden und kollusionshemmenden Faktoren kann es auch nicht darum gehen, eine absolute kritische Konzentrationsschwelle festzusetzen, bei deren Erreichen eine oligopolistische Marktbeherrschung definitiv vermutet wird und ein Zusammenschluß aus diesem Grunde zu untersagen ist. Die neueren Erkenntnisse der Wirtschaftstheorie und insbesondere der Spieltheorie haben gerade gezeigt, daß die Wahrscheinlichkeit, daß es auf einem oligopolistischen Markt zu kollusiven Verhaltensweisen kommt, nicht alleine durch eine hohe absolute Marktkonzentration positiv beeinflußt wird. Eine geringe Anzahl von Unternehmen mit jeweils hohen Marktanteilen ist vielmehr nur die notwendige Voraussetzung dafür, daß es auf einem solchen Markt durch das Zusammenwirken zahlreicher anderer Faktoren überhaupt zu einer stabilen Kollusion kommen kann. Vor diesem Hintergrund kommt der Konzentrationsmessung folglich die Aufgabe einer Vorabprüfung zu, in der es darum geht, eine kritische Konzentrationschwelle festzulegen, bei deren Erreichen die Prüfung auf Oligopolmarktbeherrschung ohne weiteres aufgenommen wird, weil die Marktmorphologie das Zustandekommen einer stabilen Kollusion begünstigt. Wird diese Schwelle dagegen nicht erreicht, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, daß es aufgrund des Konzentrationsgrades und der Anzahl der Anbieter unwahrscheinlich ist, daß es zu kollusiven Verhaltensweisen kommt, so daß eine Untersuchung zusätzlicher Kollusionsfaktoren nur in Ausnahmefällen erforderlich ist. Für die Bestimmung einer solchen Konzentrationsschwelle ist es zunächst erforderlich, die Anzahl der Unternehmen festzulegen, die in der Konzentrationsrate zu berücksichtigen sind. Als mittlerer Sockelwert werden hierfür in der Wirtschaftstheorie und in der Wettbewerbspraxis üblicherweise die vier führenden Unternehmen auf dem betreffenden Markt herangezogen.64 Läßt sich auf dem Markt nur eine geringere oder aber eine größere Anzahl von Unternehmen identifizieren, die sich in einer Oligopolgruppe von den restlichen Anbietern deutlich abheben, so muß die Konzentrationsrate entsprechend angepaßt werden. In solchen Fällen sind dann beispielsweise die Marktanteile der zwei größten oder sechs größten Unternehmen in der Konzentrationsrate (CR 2 bzw. CR 6) zu erfassen. Problematischer ist dagegen die Festlegung der kritischen Schwellenhöhe. Die Konzentrationsforschung hat sich bisher in zahlreichen empirischen Arbeiten damit beschäftigt, eine kritische Konzentrationsschwelle für Oligopolmärkte aufzuzeigen. Den frühen Untersuchungen von Bain zufolge ist oligopolistische Marktbeherrschung dann unwahrscheinlich, wenn es mehr als acht Unternehmen bedarf, um 70% des betreffenden Marktes zu kontrollieren. 65 Mehrere spätere Studien haben ergeben, daß Berichtszeitraum eigentlich immer widerlegt worden sind." Aufgrund ihrer praktischen Bedeutungslosigkeit wurde die qualifizierte Oligopolvermutung des § 23a GWB a.F. daher mit der 6. GWB-Novelle 1998 gestrichen. 64 Vgl. Fischer / Dornbusch/Schmalensee, Economics, S. 215; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 71; Barron/Lynch, Ecomomics, S. 319; Martin, Industrial Economics, S. 113; Piesch/I. Schmidt, Die Verwendbarkeit von Konzentrationsmaßen in der Europäischen Wettbewerbspolitik, S. 20 ff.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
diese Unbedenklichkeitsschwelle bei der Verwendung von Vier-Firmen-Raten erreicht ist, wenn vier Unternehmen zusammen weniger als 50% Marktanteil halten. 66 Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen Meehan und Duchesneau, die den kritischen Bereich bei einer Vier-Firmen-Rate von 55% und einer Acht-Firmen-Rate von 70% ermittelten. 67 Etwas niedriger sind die Werte von Dalton und Penn, nach denen die kritische Schwelle für vier Unternehmen bei 45% und für acht Unternehmen bei 60% liegen soll. 68 Auch wenn mittlerweile feststehen dürfte, daß aus diesen Untersuchungsergebnissen keine exakte, positive, kontinuierliche Konzentration-Gewinn-Relation abgeleitet werden kann, so läßt sich ihnen dennoch entnehmen, daß die Gefahr einer Kollusion ab Erreichen eines Schwellenwertes von CR 4 = 50% signifikant zunimmt. 69 Neben dieser empirischen Evidenz deckt sich die Festlegung der kritischen Konzentrationsschwelle bei einer CR 4 von 50% auch weitgehend mit den Annahmen der Oligopolvermutungen des GWB und den Horizontal Merger Guidelines der US-Kartellbehörden. So soll die HHI-Schwelle von 1.000 Punkten, bei deren Nichterreichen ein Zusammenschluß von der US-Kartellbehörde grundsätzlich nicht angegriffen wird, den Horizontal Merger Guidelines zufolge prinzipiell einer CR 4 von 50% entsprechen.70 Die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB verwendet eine CR 5 von 66,6% und bezieht damit ein Unternehmen mehr als die hier vorgeschlagene CR 4 in die Konzentrationsrate mit ein. Darin liegt jedoch kein ins Gewicht fallender Weitungsunterschied zwischen den beiden Schwellenwerten. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der Marktanteile innerhalb einer CR 5 von 66,6% besteht das Fünferoligopol aus Unternehmen mit Marktanteilen von durchschnittlich 13,3%. Bei einer CR 4 von 50% liegt der entsprechende Wert bei 12,5% und damit nur geringfügig niedriger. Folglich bewegt sich eine CR 4 von 50% als Aufgreifschwelle im wesentlichen auf der gleichen Weitungsebene wie die niedrigste Oligopolvermutung des GWB. 7 1 Der Vorschlag, im Rahmen einer Vorabprüfung bei der Untersuchung auf die Kollusionswahrscheinlichkeit eine Aufgreifschwelle von CR 4 = 50% zu verwen65 Bain, Quarterly Journal of Economics 65 (1951), 293 ff. 66 Rhodes / Cleaver, Southern Economic Journal 40 (1973), 90 ff.; Geithman/Marvel/ Weiss, Review of Economics and Statistics 63 (1981), 346 ff.; Schwartzman, Journal of Political Economics 67 (1959), 352 ff. 67 Meehan/Duchesneau, Journal of Industrial Economics 22 (1973), 21 ff. 68 Dalton/Penn, Journal of Industrial Economics 25 (1976), 133 ff. 69 Piesch/I. Schmidt, Die Verwendbarkeit von Konzentrationsmaßen in der Europäischen Wettbewerbspolitik, S. 11 ff.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 130. Noch enger Martin, Industrial Economics, S. 115: „When the four largest firms in an industry together supply 40 percent or more of industry sales, each must be aware of the others. Such industries are oligopolies." 70 Vgl. US-Merger Guidelines von 1982, III. Α., abgedruckt in BB 1982 Beilage 11.
71 Die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB greift dagegen erst bei einer höheren Schwelle ein. Die dabei anzuwendende CR 3 von 50% entspricht einem durchschnittlichen individuellen Marktanteil im Dreieroligopol von 16,6%.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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den, schließt jedoch keineswegs aus, daß es auch in Oligopolen mit deutlich mehr als vier Mitgliedern zu stabilen Kollusionen kommen kann. So kann die kollusionshemmende Wirkung einer relativ hohen Zahl von Oligopolmitgliedern dadurch ausgeglichen werden, daß der Markt im übrigen starke spezifische Kollusionsanreize aufweist. In diesem Zusammenhang erscheint die Festlegung einer absoluten Obergrenze für die einem marktbeherrschenden Oligopol maximal angehörenden Unternehmen wenig sinnvoll. In der Literatur wird allerdings teilweise gefordert, den Begriff des marktbeherrschenden Oligopois auf enge Oligopole zu beschränken, wobei die Mitgliederhöchstzahl unterschiedlich mit fünf 72 bzw. zehn 73 angegeben wird. Durch eine solche Obergrenze würde allerdings unberücksichtigt bleiben, daß eine stabile Kollusion gerade durch das Ineinandergreifen verschiedener Faktoren auf den vier Ebenen der für eine stabile Kollusion ursächlichen Wirkungskette ermöglicht wird. Als Folge würde man möglicherweise kollusionsanfällige Marktstrukturen allein aufgrund einer relativ erhöhten Anzahl von Oligopolisten per se als unbedenklich qualifizieren und damit das zu ermittelnde Ergebnis der Kollusionsanalyse bereits vorwegnehmen. Für die eigentliche Untersuchung der Kollusionswahrscheinlichkeit sollte daher grundsätzlich von einem in Bezug auf die Mitgliederzahl offenen Oligopolbegriff ausgegangen werden. 74
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Höhe des absoluten Konzentrationsgrades und die Zahl der auf dem Markt vertretenen großen Anbieter sind in der Rechtspraxis der Kommission das wichtigste Beurteilungskriterium bei der Prüfung auf oligopolistische Marktbeherrschung und zugleich auch materielles Aufgreifkriterium hierfür. 75 Einen hohen Marktan72
Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22, RdNr. 198. 3 I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 130, sowie Autenrieth, WRP 1983, 256, 256, der ergänzend darauf verweist, daß die US-Merger Guidelines bei einem HHI von unter 1.000 Punkten, der zehn Unternehmen mit je 10% Marktanteil entspreche, von einer unbedeutenden Konzentration ausgingen. Sölter, in: Kovenbach/Minet/Sölter, Großunternehmen und Wettbewerbsordnung, 66, sieht das Oligopolmaximum dagegen schon bei neun Unternehmen. 7
74 Übereinstimmend Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 535; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 273; Ebel, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 22 RdNr. 21; Rittner, Wettbewerbsrecht, S. 291; Monopolkommission, Hauptgutachten 4, Tz. 615. Das Bundeskartellamt hat im Fall Texaco /Zerssen, WuW/E BKartA 1840, sogar ein marktbeherrschendes Oligopol bestehend aus 16 inländische Raffinerien betreibenden Mineralölgesellschaften angenommen; insofern bestätigt durch KG v. 2. 7. 1982 Texaco/Zerssen WuW/E OLG 2663, 2666 und BGH v. 4. 10. 1983 Texaco/Zerssen WuW/E BGH 2025, 2027. 7 5 Vgl. Kommission 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 303 und 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 248: „Die Marktkonzentration spielt eine wichtige Rolle bei der Feststellung, ob die Ausübung einer gemeinsamen Marktmacht durch das fusionierte Unternehmen und eine begrenzte Anzahl anderer Unternehmen in Verbindung mit den anderen Marktstrukturen und sonstigen Bedingungen möglich und wahrscheinlich ist."
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
teil der Oligopolisten, insbesondere bei einem Dyopol, bewertet auch das Gericht erster Instanz als ein sehr wichtiges Indiz für das Vorliegen einer oligopolistischen Marktbeherrschung. 76 Zur Bestimmung der Marktkonzentration verwendet die Kommission regelmäßig die Methode der Konzentrationsraten, indem sie sowohl die einzelnen Marktanteile als auch die Summe der Marktanteile der jeweils größten Unternehmen untersucht. 77 In ihrer jüngeren Verwaltungspraxis greift die Kommission jedoch neben diesem Konzentrationsmaßstab auch ergänzend auf den Herfindahl-Hirschman Index zurück. In der Entscheidung Enso/Stora führte der Zusammenschluß zur Verengung eines Sechseroligopols auf ein Fünferoligopol und zu einem Anstieg des HHI von 995 auf 1.308 Punkte. Die Kommission bemerkte hierzu, „that the operation would lead to an increase in the HerfindahlHirschman Index of 313 points, which is a significant change", sah aber die Verengung auf fünf Oligopolisten im Ergebnis als nicht ausreichend für eine oligopolistische Marktbeherrschung an. 78 Auch in der Entscheidung Airtours/First Choice griff die Kommission ergänzend auf den Herfindahl-Hirschman Index zurück, der im konkreten Fall schon vor dem Zusammenschluß 1.700 Punkte betrug und nach dem Zusammenschluß um mehr als 450 auf über 2.150 Punkte angestiegen wäre. 79 Obwohl die Höhe des Konzentrationsgrades in der Praxis regelmäßig darüber entscheidet, ob die Kommission einen Zusammenschluß überhaupt auf die Begründung oder Verstärkung einer Oligopolmarktbeherrschung hin untersucht, hat es die Kommission bisher vermieden, feste kritische Schwellenwerte bezüglich der Anzahl der Oligopolisten und ihres gemeinsamen Marktanteils anzugeben.80 Aufgrund der langjährigen Entscheidungspraxis zur FKVO lassen sich jedoch mittlerweile einige von der Kommission unterschiedlich bewertete Fallkonstellationen voneinander abgrenzen. Eine sehr kritische Haltung nimmt die Kommission gegenüber Dyopolen mit Marktanteilen von deutlich über 50% ein. So betrafen zwei der bisher drei Untersagungsentscheidungen, in denen die Kommission einen Zusammenschluß auf76 EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 201 -206. Im konkreten Fall ging das Gericht ohne nähere Begründung davon aus, daß bei einem gemeinsamen Marktanteil der Oligopolisten nach dem Zusammenschluß von 60% bis 89% von der Begründung eines marktbeherrschenden Dyopols ausgegangen werden könne. Zu weitgehend ist allerdings die Auffassung von Etter, World Competition 2000, 103, 133, der davon spricht, daß das Gericht erster Instanz eine Vermutung hoher Marktanteile für eine kollektive Marktbeherrschung etabliert hätte. 77 Vgl. nur Kommission v. 29. 10. 1993 I V / M . 330 McCormick/CP C/Rabobank/Ostmann, WuW/E EV 2157, Tz. 61. 78 Kommission v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 67 f. 79 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl 2000 L 93/1, Tz. 139. 80
Bemerkenswerterweise hat die Kommission in ihrem Entwurf einer Gruppenfreistellungsverordnung für Technologievereinbarungen eine Legalvermutung für das Vorliegen eines Oligopois vorgeschlagen, wenn auf einem Markt drei oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von mehr als 50% erreichen oder aber fünf oder weniger mehr als zwei Drittel des Marktes einnehmen; vgl. Art. 1 Abs. 5 des Entwurfs, ABl. 1994 C 178/3.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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grund der Gefahr der Begründung einer oligopolistischen Marktbeherrschung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat, Dyopole mit einem Marktanteil von jeweils 63% 8 1 bzw. über 90%. 82 In nahezu allen Fällen, in denen die endgültige Feststellung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung nur durch Zusagen der Unternehmen verhindert werden konnte, handelte es sich ebenfalls um Dyopole mit Marktanteilen von 60% bis 100%.83 Auch die zweite Prüfungsphase nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) FKVO wurde bei Zusammenschlüssen auf oligopolistischen Märkten regelmäßig nur dann eingeleitet, wenn sich die Marktstruktur nach dem Zusammenschluß auf ein Dyopol verengte, wobei der Konzentrationsgrad hier zwischen einer CR 2 von 55% bis 97% lag. 84 Schließlich bezog sich auch die einzige Verweisungsentscheidung nach Art. 9 Abs. 3 lit. b) FKVO, die bisher wegen einer drohenden oligopolistischen Marktbeherrschung auf einem gesonderten nationalen Markt erging, auf ein Dyopol mit einem Marktanteil von 56%. 85 Schon die Pilotentscheidung Nestlé /Perrier, in der die Kommission erstmals ausführlich auf eine oligopolistische Marktbeherrschung prüfte, betraf ein Dyopol mit einem aggregierten Marktanteil von 82%. Die Kommission stellte insoweit fest, daß es sich bei einer Reduzierung von drei auf zwei Anbieter nicht nur um eine „rein kosmetische Änderung der Marktstruktur" handele, sondern eine solche Verringerung der Anbieterzahl wettbewerbsfeindliches Parallelverhalten wesentlich erleichtern würde. Auf derart hoch konzentrierten Märkten bedürfe die Erhaltung oder Entwicklung des noch verbliebenen Wettbewerbs eines besonderen Schutzes, so daß jeder strukturelle Eingriff, der in einer solchen Situation die Wettbewerbsmöglichkeiten noch weiter einschränke, nach strengen Gesichtspunkten beurteilt werden müsse.86 Dyopolistische Marktstrukturen, in denen der Konzentrationsgrad si Kommission v. 24.4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30. 82 Kommission v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue , Tz. 144. Die Untersagung beruhte zudem auf der Entstehung von einzelmarktbeherrschenden Stellungen in 24 weiteren Märkten. 83 Vgl. nur Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/ 1; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11/1. 84 Vgl. Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 1 158/24; v. 14. 2. 1995 I V / M . All Mercedes-Benz/Käsbohrer, ABl. 1995 L 211/1; v. 21. 12. 1994 I V / M . 484 Krupp/Thyssen/Riva/Falck/Tadfln/AST, ABl. 1995 L 251 /18; v. 14. 11. 1995 I V / M . 603 Crown Cork ά Seal/CarnaudMetalbox, ABl. 1996 L 75/38; v. 3. 12. 1997 I V / M. 942 VEBA/Degussa, WuW EU-V 93; v. 20. 6. 2001 COMP/M. 2201 MAN/Auwärter; v. 18. 1.2000 COMP/M. 1630 Air Liquide/BOC 85 Vgl. Kommission v. 10. 11. 1997 I V / M . 1001/1009 Preussag/Hapag-Lloyd u. Preussag/TUI, MCR 3555. In der Verweisungsentscheidung McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, v. 29. 10. 1993 I V / M . 330, WuW/E EV 2157, schloss die Kommission neben einer Einzelmarktbeherrschung auch eine mögliche dyopolistische Marktbeherrschung nicht aus, ging auf diese Problematik jedoch nicht näher ein. 86 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier,
120.
ABl. 1992 L 356/1, Tz. 118,
202
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
nach dem Zusammenschluß eine CR 2 von 70% erreichte, sah die Kommission in den Entscheidungen Mannesmann/Vallourec/Ilva 87 und Crown Cork ά Seal/ Carnaud Metalbox 88 schon für sich allein als einen starken Anreiz für die Unternehmen an, sich auf den Absatz gleich großer Mengen zu höheren Preisen zu einigen und Preiswettbewerb untereinander zur Erlangung höherer Marktanteile zu unterlassen.89 In der Entscheidung ABB /Daimler-Benz führte die Kommission aus, daß gemeinsame Marktanteile von nur zwei Unternehmen von 67% bis 100% ein Indiz für eine beherrschende Stellung dieser beiden Unternehmen seien und daß sich die strukturellen Gefahren einer gemeinsamen Blockadestrategie allein durch eine Verengung des Marktes zum Dyopol erhöhten. 90 Eine signifikante, über 50% liegende Zwei-Firmen-Konzentration allein ist allerdings noch keine Garantie dafür, daß die Kommission das Hauptverfahren nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) FKVO eröffnet und eine eingehende Untersuchung des Zusammenschlusses in der zweiten Prüfungsphase vornimmt. Im Fall Knorr-Bremse / Allied Signal hielt die Kommission eine ausführliche Prüfung auf oligopolistische Marktbeherrschung nicht für notwendig und verwies insoweit lediglich auf die vorangegangene negativ ausgefallenen Prüfung auf Einzelmarktbeherrschung, obwohl die Marktkonzentration nach dem Zusammenschluß eine CR 2 von 75% bis 90% erreichte. 91 Eine ähnlich oberflächliche Untersuchung innerhalb der Monatsfrist der ersten Prüfungsphase nahm die Kommission trotz hoher Zwei-Firmen-Konzentrationen in den Fällen American Cyanamid/Shell (CR 2 über 90%) 92 , Bosch/Allied Signal (CR 2 über 80%), 93 Cardo /Thyssen (CR 2 von 60-80%), 9 4 Shell Chimie /Elf Atochem (CR 2 von 65%), 95 Unilever France/Ortiz Miko (II) (CR 2 über 50%) 96 und Hoechst/Klöckner-Werke/Hartfolien (CR 2 von 50%) 97 vor.
87 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55. 88 Kommission v. 14. 11. 1995 I V / M . 603 Crown Cork & Seal/Carnaud Metalbox, ABl. 1996 L 75/38, Tz. 98. 89 Bei einer CR 2 von 70% stellte die Kommission in der Entscheidung v. 30. 7. 1998 Valeo/ITT Industries, I V / M . 1245, WuW EU-V 119, Tz. 53, fest: „Therefore, in this decision, the issue of joint dominance of these competitors should be considered." 90 Kommission v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/ Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11 /1, Tz. 63, 81, 131. 91 Kommission v. 14. 9. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse / Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45. 92 Kommission v. 1. 10. 1993 I V / M . 354 American Cyanamid/Shell, MCR 1663, Tz. 36. 93 Kommission v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/Allied Signal, MCR 2447, Tz. 45. 94 Kommission v. 2. 12. 1996 I V / M . 818 Cardo /Thyssen, MCR 2803, Tz. 31. 95 Kommission v. 22. 12. 1994 I V / M . 475 Shell Chimie /Elf Atochem, MCR 1767, Tz. 51. 96 Kommission v. 15. 3. 1994 I V / M . 422 Unilever France/Ortiz Miko (II), MCR 1373, Tz. 51. 97 Kommission v. 23. 5. 1996 I V / M . 605 Hoechst/Klöckner-Werke/Hartfolien, MCR 2515, Tz. 20.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
203
Deutlich zurückhaltender als Dyopole beurteilt die Kommission sogenannte Multi-Firm-Oligopole mit drei, vier oder fünf Mitgliedern. Bisher hat die Kommission erst in einem Fall einen Zusammenschluß untersagt, der ein marktbeherrschendes Oligopol mit mehr als zwei Mitgliedern begründet hätte. In der Entscheidung Airtours/First Choice hätte die Drei-Firmen-Konzentration nach dem Zusammenschluss 83% betragen. 98 Die Besonderheit bestand hier allerdings darin, daß der Rest des betroffenen Marktes für Kurzstrecken-Charterflüge zersplittert war und sich auf eine Vielzahl kleiner Anbieter von Nischenprodukten verteilte und der Zusammanschluß die Zahl der Branchenriesen von vier auf drei verringert hätte. Je mehr Unternehmen eine Oligopolgruppe umfaßt, desto höher muß grundsätzlich die absolute Marktkonzentration sein, damit die Kommission die Gefahr einer Oligopolmarktbeherrschung in ihrer Entscheidung überhaupt anspricht. Das Hauptverfahren und damit die zweite Prüfungsphase wurde bisher erst in sieben Fällen eröffnet, in denen Oligopole mit mehr als zwei Mitgliedern betroffen waren. In zwei Fällen wurde die Anmeldung daraufhin zurückgezogen,99 während vier andere Zusammenschlußvorhaben im Ergebnis ohne Auflagen und Bedingungen von der Kommission freigegeben wurden. 100 Lediglich in einem Fall konnten die beteiligten Unternehmen eine Untersagung ihres Zusammenschlußvorhabens wegen der Entstehung von Multi-Firm-Oligopolen auf verschiedenen Märkten nur durch Veräußerungszusagen gegenüber der Kommission abwenden.101 Auf Märkten mit drei großen Anbietern erfolgt eine Auseinandersetzung der Kommission mit der Frage des Vorliegens einer oligopolistischen Marktbeherrschung regelmäßig nur bei Konzentrationsgraden mit einer CR 3 von über 70%. 1 0 2 98 Kommision v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice , ABl. L 93/1, Tz. 169. 99 Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips (Viereroligopol); v. 4. 2. 1998 I V / M . 1044 KPMG/Ernst & Young (Fünferoligopol). 100 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint / SIV, ABl. 1994 L 158/24 (Fünferoligopol); v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27 (Fünferoligopol); v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/ 9 (Fünferoligopol); v. 21. 11. 2001 COMP/M. 2498 UPM-Kymmene/Haindl, Tz. 118 (Dreieroligopol). ιοί Kommission v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil. Nach Ansicht der Kommission hätte der Zusammenschluß ohne Änderungen zur Begründung von marktbeherrschenden Dreier- und Viereroligopolen auf verschiedenen Märkten u. a. für Erdgasfernleitungen und für den Kraftstoffvertrieb in mehreren Mitgliedstaaten geführt. Eine nähere Analyse der Konzentrationsgrade dieser Märkte, deren Veränderung durch den Zusammenschluß und ihrer Beurteilung durch die Kommission ist hier jedoch nicht möglich, da die Entscheidung der Kommission bis dato nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurde. Sämtliche Angaben zu dieser Entscheidung sind der allein von den beteiligten Unternehmen autorisierten Entscheidungsfassung entnommen, die jedoch keinerlei Marktanteilsdaten zur Bestimmung der Marktkonzentration u.ä. enthält. 102 Vgl. Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/ 1, Tz. 139 (CR 3 von 83%); v. 22. 11. 1999 COMP/M. 1681 Akzo Nobel/Hoechst Roussel VET, Tz. 37 (CR 3 von 90%); v. 23. 3. 1992 I V / M . 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829,
204
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Viereroligopole untersuchte die Kommission bisher nur auf Märkten mit einer CR 4 von mindestens 8 0 % . 1 0 3 In diesem Zusammenhang stellte sie fest, daß sich die Wahrscheinlichkeit für eine Reaktionsverbundenheit der Unternehmen i m Oligopol erhöhe, wenn sich die Anzahl der Anbieter auf dem Markt auf vier Unternehmen mit einem gemeinsamen Marktanteil von 80% reduziere. 1 0 4 Führt ein Zusammenschluß dagegen nur zu einer Verringerung auf fünf große Anbieter, so erscheint es nach der bisherigen Rechtspraxis unwahrscheinlich, daß die Kommission hiergegen Einwände erheben w i r d . 1 0 5 A u f die nach ihrer Ansicht grundsätzliche Unbedenklichkeit solch weiter Oligopole hat die Kommission sogar ausdrücklich hingewiesen: „From a general viewpoint, collective dominance involving more than three or four suppliers is unlikely simply because of the complexity of the interrelationships involved, and consequent temptation to deviate; such a situation is unstable and untenable in the long term. In einigen Fällen hat die Kommission aber auch Fünferoligopole auf eine mögliche Marktbeherrschung hin untersucht. Dabei waren jedoch regelmäßig Konzentrationsgrade mit einer CR 5 von mindestens 90% gegeben. 1 0 7 Bei einer Mitgliederzahl von fünf Oligopolisten dürfte allerdings die Obergrenze liegen, bis zu der Tz. 17 (CR 3 von 75%); v. 17. 1. 1994 I V / M . 368 Snecma/TI, MCR 1319, Tz. 37 (CR 3 von über 75%); v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 Akzo/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 15 (CR 3 von 90%); v. 28. 7. 1994 I V / M . 478 Voith/Sulzer (II), MCR 1567, Tz. 33 (CR 3 von 75%); v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 23 (CR 3 von 66%). 103 Vgl. Kommission v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 19 (CR 4 von 85%); v. 6. 7. 1994 I V / M . 460 Holdercim/Cedest, MCR 1533, Tz. 28 (CR 4 von 80%); v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 52 (CR 4 von 80%). 104 Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 52. 105 So auch Briones, ECLR 1995, 334, 337, ein Mitglied der Merger Task Force der Generaldirektion Wettbewerb. 106 Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 103. Anders dagegen noch im Fall Akzo Nobel/Monsanto, v. 19. 1. 1995 I V / M . 523, MCR 1785, Tz. 44, wo die Kommission bei einer CR 5 von 90% ausführte: „Such a concentrated supply side structure give rise to the question of whether the concentration could lead to the creation of a collective dominant position permitting anti-collective parallel behaviour by the oligopoly group." 107 Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27 (CR 5 von fast 100%); v. 10. 6. 1997 I V / M . 911 Clariant /Hoechst, MCR 3249 (CR 5 von 90%); v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 Akzo/Nobel/Monsanto, MCR 1785 (CR 5 von 90%); v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington -Techint/ SIV, ABl. 1994 L 158/24 (CR 5 von 96%); v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836 (CR 5 von 80-95%). In der Entscheidung v. 10. 5. 1993 I V / M . 284 Hoechst /Wacker, MCR 1095, Tz. 16, wurde die Frage einer oligopolistischen Marktbeherrschung bei einer CR 5 von über 80% mit dem Hinweis offengelassen, dies könne dahingestellt bleiben, weil jedenfalls keine Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung vorliege. Unbedenklich erscheinen der Kommission dagegen CR 5 von unter 70%. In der Entscheidung v. 31. 3. 1993 I V / M . 331 Fletcher Challenge /Methanex, WuW/E EV 2030, Tz. 19, bezeichnetet die Kommission eine solche Marktkonzentration als „moderately concentrated."
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
205
die Kommission die Gefahr einer Kollusion für möglich hält. Eine entsprechende Untersuchung auf Märkten mit sechs oder mehr großen Anbietern erfolgte bisher nicht. Nach Ansicht der Kommission handelt es sich schon bei einer Anbieterzahl von sechs Unternehmen um ein Indiz für „ein weites Oligopol ohne Reaktionsverbundenheit, die eine kollektive Beherrschung bewirken könnte." 108 Die Kommissionspraxis gegenüber Dreier-, Vierer-, und Fünferoligopolen ist keineswegs so konsistent, daß man daraus eindeutige kritische Schwellenwerte ableiten könnte. Auch die Kommission selbst hat von Anfang an deutlich gemacht, daß nach der FKVO nicht darauf geschlossen werden kann, daß zwischen einer bestimmten Zahl von Unternehmen kein wirksamer Wettbewerb besteht, sobald sie zusammengenommen einen bestimmten Marktanteil erreichen, sondern daß in allen Fällen nachgewiesen werden müsse, daß aus strukturellen Gründen wesentlicher Wettbewerb zwischen den führenden Unternehmen eines hoch konzentrierten Marktes nicht zu erwarten sei. 109 Führt ein Zusammenschluß dazu, daß die bisher aufgezeigten Konzentrationsgrade mit einer CR 3 von 70%, CR 4 von 80% bzw. CR 5 von 90% erreicht oder überschritten werden, so bedeutet dies keineswegs, daß die Kommission immer eine Untersuchung auf Oligopolmarktbeherrschung vornimmt. So hielt sie es in der Entscheidung Elf Atochem/Rohm und Haas nicht für erforderlich, die Oligopolproblematik auch nur anzusprechen, obwohl die drei größten Anbieter um die 75% und die fünf größten knapp 100% Marktanteil erreichten. 110 Im Fall CCIE/GTE erreichte der Konzentrationsgrad auf dem Markt für Allzwecklampen eine CR 4 von 9 0 % . m Die Kommission analysierte zwar die Wettbewerbsbedingungen auf diesem Markt, prüfte aber letztlich nicht das Vorliegen einer oligopolistischen Marktbeherrschung. Selbst bei einer Vier-Firmen-Konzentration von fast 100% auf dem Markt für Fahrtreppen im Fall Thyssen/Krupp erörterte die Kommission lediglich eine mögliche Einzelmarktbeherrschung durch zwei miteinander verflochtene Anbieter, während sie die Möglichkeit eines marktbeherrschenden Viereroligopols unberücksichtigt ließ. 1 1 2 Auch in anderen Fällen wurden Zusammenschlüsse trotz Erreichens der angeführten Konzentrationsraten nicht auf eine mögliche Kollusionsgefahr hin überprüft, so daß diese Schwellen lediglich als Untergrenzen angesehen werden können, bei deren Nichterreichen eine nähere Untersuchung durch die Kommission äußerst unwahrscheinlich ist. 1 1 3 108 Kommission v. 10. 2. 1995 I V / M . 533 TWD/Akzo Nobel-Kuagtextil, MCR 1803, Tz. 26; ähnlich auch Kommission v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 68. 109 Kommission v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel/ AEG Kabel, WuW/E EV 1740, Tz. 15. no Kommission v. 28. 7. 1992 I V / M . 160 Elf Atochem/Rohm und Haas, WuW/E EV
2001.
m Kommission v. 25. 9. 1992 I V / M . 258 CCIE/GTE, MCR 891, Tz. 23. 112 Kommission v. 2. 6. 1998 I V / M . 1080 Thyssen/Krupp, WuW EU-V 74, Tz. 34. u 3 Vgl. Kommission v. 19. 4. 1993 I V / M . 320 Ahold/ Jerónimo Martins/Inovacao, MCR 911, Tz. 20 (CR 3 von 70%); v. 30. 9. 1992 I V / M . 214 Du Pont/ICI, ABl. 1993 L 7/ 13, Tz. 32, 39 (CR 5 von 90%).
206
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Kommission im Gegensatz zu der oben vorgeschlagenen Aufgreifschwelle für eine eingehende Untersuchung der Kollusionsgefahr einen erheblich restriktiveren Ansatz verfolgt. Eine eindeutig kritische Haltung nimmt die Kommission lediglich gegenüber Dyopolen mit Marktanteilen von weit über 50% ein. In diesen Fällen erfolgte in der Kommissionspraxis stets ein Prüfung auf oligopolistische Marktbeherrschung. Bei Multi-Firm-Oligopolen sind dagegen absolute Marktkonzentrationen von mindestens 70% erforderlich, damit eine mögliche Oligopolmarktbeherrschung überhaupt angesprochen wird. 1 1 4 Die Verwendung derartig hoher Schwellenwerte und aggregierter Marktanteile birgt jedoch die Gefahr, daß aufgrund einer einseitigen Uberbewertung des Konzentrationsgrades für das Zustandekommen stabiler Kollusionen, an sich kollusionsgefährdete Marktstrukturen von vornherein für unbedenklich erklärt werden. Grundsätzlich ist die Reaktionsverbundenheit auch schon in weit weniger konzentrierten Oligopolen spürbar und es bestehen günstige Voraussetzungen für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen sowie für das Aufdecken von Cheating. Selbst wenn der Konzentrationsgrad isoliert betrachtet noch nicht für eine hohe Kollusionsgefahr sprechen sollte, so kann dieser Umstand durch die kollusionsfördernden Auswirkungen der übrigen Marktfaktoren auf den vier Ebenen der Wirkungskette durchaus kompensiert werden und der Markt im Ergebnis als hochgradig kollusionsgefährdet anzusehen sein. Aufgrund dessen und angesichts der Erkenntnisse der Konzentrationsforschung sollte eine eingehende Untersuchung der Kollusionsgefahr schon dann vorgenommen werden, wenn der Konzentrationsgrad auf dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt eine CR 4 von mindestens 50% erreicht.
2. Der Grad der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol symmetrische und asymmetrische Oligopole
Der Grad der Ausgeglichenheit der unternehmensbezogenen Strukturmerkmale der Oligopolmitglieder hat einen erheblichen Einfluß auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion. Die Bedeutung von Gleich- und Verschiedenartigkeiten zwischen den Oligopolisten für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit läßt sich an einem einfachen Modell der kollektiven Gewinnmaximierung verdeutlichen. In einem gleichartigen, also symmetrischen Oligopol wird sowohl die Ausbringungsmenge als auch der gemeinsam erzielte quasi monopolistische Gewinn gleichmäßig unter den Oligopolisten aufgeteilt. Aufgrund des einfachen Verteilungsschlüssels erscheint es hier gewissermaßen einleuchtend, daß die Oligopolisten sich sämtlich „spontan" für den Monopolpreis entscheiden.115 Liegen jedoch 114 Ob die Kommission mit der erstmaligen Annahme eines marktbeherrschenden Dreieroligopols im Fall Airtours/FirstChoice tatsächlich ihren restriktiven Ansatz hinsichtlich der kritischen Marktanteilshöhe erweitert hat, bleibt angesichts der besonderen Umstände dieses Falles vorerst abzuwarten.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
207
Verschiedenartigkeiten, also Asymmetrien zwischen den Unternehmen vor, gibt es keinen derart „einleuchtenden" Preis, auf den sich die Unternehmen leicht verständigen könnten. Es entsteht ein Konflikt zwischen dem Ziel der Gewinnmaximierung und dem einer „gerechten" Verteilung dieses Gewinns. Die kollektive Gewinnmaximierung als Ziel verliert mit zunehmender Asymmetrie an Reiz, so daß das Zustandekommen einer kollusiven Verhaltensweise auf dem Markt schwieriger wird. Je unterschiedlicher die Wettbewerbspositionen der Oligopolmitglieder sind, desto eher wird es unter ihnen Unternehmen geben, die glauben, anderen beim Einsatz bestimmter Aktionsparameter überlegen zu sein und somit trotz antizipierter Reaktion der Konkurrenten einen wettbewerblichen Vorstoß wagen zu können. Anbieter, deren Wettbewerbspositionen vergleichbar sind, weil ihre Eigenschaften in Bezug auf wichtige Wettbewerbsparameter übereinstimmen, verfügen häufig über gleichgerichtete Interessen, so daß eine Verhaltenskoordination erleichtert wird und dementsprechend von einer erhöhten Kollusionsgefahr ausgegangen werden kann. 116 Die Wettbewerbspositionen der auf einem Markt vertretenen Unternehmen können sich in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden. 117 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung muß sich eine Analyse der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol jedoch auf die im Hinblick auf die Kollusionsgefahr aussagekräftigsten Bereiche konzentrieren. Dazu gehören die Gleich- bzw. Verschiedenartigkeit der Marktanteile, der Kostenstrukturen, der Produktionskapazitäten, der vertikalen Integration und der finanziellen Ressourcen.
115
Vgl. Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 531. 116 Vgl. Scherer /Ross, Industrial Market Structure, S. 239 ff., 285 ff.; Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 238 ff., 338; Martin, Industrial Economics, S. 152 ff.; Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 530 ff.; Tietz/Weber, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Bd. 2, 518, 521; Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 154; Eickhoff, ORDO 43 (1992), 173, 185; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 878, Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, vor § 35 RdNr. 38; a.A. Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 300, wonach ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis der Oligopolunternehmen wesentlichen Binnenwettbewerb erleichtern soll. n 7 Vgl. Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 145: „Zunächst stellt die Verschiedenartigkeit lediglich die Negation der Gleichartigkeit dar. Sind zwei Dinge nicht gleich, so sind sie verschieden. Wenn sie aber verschieden sind, können sie in mannigfacher Hinsicht verschieden sein, so daß die Verschiedenartigkeit als solche wiederum in zahlreiche Formen von Verschiedenartigkeiten übergeht. Will man aber vermeiden, mit der Verschiedenartigkeit in einem Meer von Verschiedenartigkeiten zu ertrinken, so ist es notwendig, die vielfältigen Außerungsmöglichkeiten der Verschiedenartigkeit zu beschränken und sie gleichsam in ein Prokrustesbett zu stecken."
208
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
a) Die Verteilung der Marktanteile innerhalb des Oligopois Die relative Konzentration aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Verteilung der Marktanteile innerhalb des Oligopois ist der am häufigsten verwendete, da am einfachsten zu ermittelnde Faktor für die Bewertung der Anbieterhomogenität. Im Gegensatz zur absoluten Marktkonzentration spricht man insoweit von der relativen Marktkonzentration, die auf Abweichungen von der Gleichverteilung bzw. von Durchschnittsgrößen hinweist. Die Betrachtung der relativen Konzentration ist ein notwendiges Korrektiv bei der Verwendung von Konzentrationsraten zur Messung der absoluten Marktkonzentration. Denn dieses Konzentrationsmaß sagt konzeptionsgemäß gerade nichts über die Verteilung der Marktanteile ζ. Β. unter den vier größten Unternehmen eines Marktes aus. 118 Ist der Gesamtmarktanteil eines Oligopois gleichmäßig unter den einzelnen Mitgliedern aufgeteilt, so spricht dies auch für eine Interessensymmetrie unter den Oligopolisten, die das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen erleichtert. Gleichzeitig sind auch die Anreize zum Cheating geringer, da wegen des relativen Gleichgewichts der Kräfte kein Unternehmen damit rechnen kann, daß die anderen wettbewerbliche Maßnahmen zu Lasten der eigenen Marktanteile kampflos hinnehmen werden. Es besteht eine hohe Glaubwürdigkeit von Bestrafungsdrohungen, die ein abwartendes, auf die Erhaltung der eigenen Marktstellung gerichtetes Verhalten erwarten läßt. 119 Auf der anderen Seite können deutliche Unterschiede in den Marktanteilen einer Interessenharmonie entgegenstehen, wenn diese beispielsweise auf unterschiedlichen Kostenstrukturen der Oligopolisten beruhen. Für die Frage nach der Homogenität der Wettbewerbsposition der Oligopolisten können ähnliche Marktanteile aber dennoch nur ein erstes Indiz sein. Wird beispielsweise der Erfolg der Unternehmen in einem Markt wesentlich durch ihre Innovationskraft bestimmt, kann die Wettbewerbsposition der Unternehmen trotz identischer Marktanteile stark unausgewogen sein, wenn sie sich in ihrem Forschungs- und Entwicklungspotential erheblich voneinander unterscheiden. 120 Um118 So kann eine absolute Konzentration mit einer CR 4 von 50% sowohl dadurch erreicht werden, daß vier Unternehmen jeweils Marktanteile von 12,5% halten (symmetrisches Oligopol), als auch dadurch, daß das größte Unternehmen 25%, das nächste 10% und zwei weitere jeweils 7,5% Marktanteil erreichen (asymmetrisches Oligopol). Ebenso kann auch ein Unternehmen 44% Marktanteil und drei weitere jeweils 2% halten, ohne daß dies im Konzentrationsmaß selbst deutlich werden würde. U9 So auch Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 215, 217; Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis und die Wettbewerbskonzeption der EG, S. 122; Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 175; Briones, ECLR 1993, 118, 120; Gugerbauer, Handbuch der Fusionskontrolle Art. 2 FKVO, RdNr. 100; Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB (2. Aufl.), § 23a RdNr. 59; unentschieden Kleinmann/ Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 208; a.A. wohl Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 300.
. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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gekehrt kann bei asymmetrischen Marktanteilen innerhalb des Oligopois nicht per se davon ausgegangen werden, daß ein kollusives Verhalten der Unternehmen unwahrscheinlich ist. 1 2 1 Verfügt hier kein Unternehmen über Vorteile hinsichtlich bedeutender Wettbewerbsparameter, so reichen Marktanteilsunterschiede allein in der Regel nicht aus, um die Partikularinteressen der Oligopolisten auseinanderzudividieren. Die FKVO berücksichtigt die relative Konzentration eines Marktes im Erwägungsgrund 15. Danach soll davon auszugehen sein, daß Zusammenschlüsse immer dann mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und damit wettbewerblich unbedenklich sind, wenn die daran beteiligten Unternehmen insgesamt einen Marktanteil von nicht mehr als 25% erreichen. 122 Für die wettbewerbliche Beurteilung der kollusionsfördernden Wirkung der relativen Konzentration in Oligopolen erweist sich diese Bestimmung jedoch als verfehlt. 123 Wären nach einem Zusammenschluß nur noch vier Unternehmen mit homogenen Marktanteilen von jeweils 25% auf dem betreffenden Markt vertreten, so müßte diese Marktstruktur nach der Aussage von Erwägungsgrund 15 FKVO als im Grunde wettbewerblich unbedenklich angesehen werden. Wie bereits erörtert, besteht jedoch bei einer Vier-Firmen-Konzentration von 100% schon allein aufgrund der Marktmorphologie sowie der Ausgewogenheit der Marktanteile eine erhebliche Kollusionsgefahr, die eine eingehende Überprüfung eines solchen Zusammenschlusses erforderlich macht. Um eine schon im Ansatz verfehlte Einschätzung der Kollusionswahrscheinlichkeit zu vermeiden, sollten daher die Wertungen von Erwägungsgrund 15 FKVO in Oligopolsituationen unberücksichtigt bleiben.
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission geht ebenfalls davon aus, daß es um so eher zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten kommt, je ausgeglichener die Marktanteile zwischen den Oligopolunternehmen aufgeteilt sind. Eine gleichmäßige Verteilung der Marktanteile spreche für das Vorliegen eines gemeinsamen Interesses an wettbe120 Vgl. Kommission v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 7.2.: Trotz ausgeglichener Marktanteile von jeweils ca. 20% in einem Dreieroligopol war die Marktstellung der Unternehmen unausgeglichen, da deutliche Wettbewerbsvorteile bezüglich Forschung und Entwicklung, Produktpalette und Produktqualität gegeben waren. 121 So auch Ridyard, ECLR 1994, 255, 260; Briones, ECLR 1995, 334, 338; Hirsbrunnen EuZW 1995, 295, 300. 122 Der EuGH hat diese grundsätzliche Bewertung durch den Erwägungsgrund 15 FKVO in der Sache Kali + Salz/MdK /Treuhand noch einmal ausdrücklich bestätigt, vgl. Urteil v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. / Kommission, Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 177. 123 Zur Bedeutung von Erwägungsgrund 15 FKVO für die Auslegung des Art. 2 Abs. 3 FKVO in Bezug auf die Anwenbarkeit der FKVO auf oligopolistische Marktbeherrschung vgl. oben 2. Kapitel, V., 1., c), aa), (1). 14 Hahn
210
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
werbsbeschränkendem Parallelverhalten und beinhaltet nach Ansicht der Kommission einen erheblichen Anreiz für die Oligopolisten, sich auf den Absatz gleich großer Mengen zu höheren Preisen zu einigen. 124 Demgegenüber sei der Anreiz zu einem solchen Verhalten weitaus weniger stark ausgeprägt, wenn erhebliche strukturelle Unterschiede zwischen den Unternehmen bestehen, die verschiedene Möglichkeiten bei der Erwiderung auf Veränderungen bei den Marktbedingungen bieten würden. In der Entscheidung Nestlé /Perrier stellte die Kommission hierzu fest, daß bei gleichgewichtigen Marktpositionen, insbesondere bei ähnlichen Marktanteilen, jedes aggressive Wettbewerbsverhalten eines Oligopolisten unmittelbare und bedeutende Auswirkungen auf die Tätigkeit des anderen Anbieters habe. In einem solchen Fall käme es mit großer Sicherheit zu vehementen Reaktionen mit dem Ergebnis, daß solche Aktionen der Gewinnsituation beider Anbieter beträchtlich schadeten, ohne daß ihr Verkaufsvolumen dadurch steigen würde. 125 In einer asymmetrischen Verteilung der Marktanteile innerhalb des Oligopois hat die Kommission dagegen in vielen Fällen ein erhebliches Hindernis für ein wettbewerbswidriges Parallel verhalten gesehen.126 In der Entscheidung RhônePoulenc /SNIA (II) bewertete sie die ungleiche Aufteilung der Marktanteile in einem Dyopol von 42% und 24% als einen entscheidenden, gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung sprechenden Umstand. 127 Bei einer Verteilung der Marktanteile in einem Dreieroligopol von ca. 40%, 30% und 20% stellte die Kommission in der Entscheidung AKZO/Nobel Industrier fest, daß die Unternehmen bei so ungleichen Marktanteilen meistens auch unterschiedliche Vorstellungen über die Ausbringungsmengen und Preise ihrer Produkte hätten und eine oligopolistische Marktbeherrschung daher auszuschließen sei. 128 Auch der Europäische 124 Kommission v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 94; v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 64; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 477; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 104/15, Tz. 55, 57; v. 15. 10. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse / Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45; v. 23. 9. 1993 I V / M . 360 Arvin/Sogefi, MCR 1193, Tz. 22. 125 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 123; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11 /1, Tz. 88. 126 Vgl. Kommission v. 31. 7. 1991 I V / M . 12 Varta/Bosch, ABl. 1991 L 320/26, Tz. 32; v. 15. 9. 1993 I V / M . 362 Nestlé /Itaigel, MCR 1187, Tz. 20; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhone-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 26; v. 21. 12. 1994 I V / M . 484 Krupp/ Thyssen/Riva/Falck/Tadfin/AST, ABl. 1995 L 251/18, Tz. 68; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 AKZO Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 47; v. 11. 6. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 40; v. 2. 4. 1998 I V / M . 1127 Nestlé /Dalgety, WuW EU-V 45, Tz. 28, 32; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 34; v. 22. 10. 1998 I V / M . 1202 Renault V.I/Iveco, Tz. 55; v. 17. 3. 1999 I V / M . 1415 BAT/Rothmans, MCR 5325, Tz. 23. Vgl. auch 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 308 und 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 315. 127 Kommission v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône-Poulenc /SNIA (Ii), MCR 1165, Tz. 21, 26. In der Entscheidung v. 21. 12. 1993 I V / M . 258 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 28, nahm die Kommission dagegen eine ausführliche Prüfung auf oligopolistische Marktbeherrschung vor, obwohl sie ein asymmetrisches Oligopol mit einem Marktführer mit deutlichem Marktanteilsabstand vor den übrigen Wettbewerbern identifiziert hatte.
211
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
Gerichtshof scheint asymmetrische Oligopolstrukturen als wettbewerblich eher unbedenklich einzustufen. Bei der Beurteilung eines Dyopols, in dem die beiden Anbieter einerseits 23% und andererseits 37% Marktanteil hielten, entschied der Gerichtshof, daß ein auf diese Weise aufgeteilter Marktanteil für sich genommen keinen maßgeblichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer oligopolistischen Marktbeherrschung darstellen könne. 129 Demgegenüber hatte die Kommission in der dem Urteil vorangegangenen Entscheidung Kali + Salz/MdK /Treuhand, trotz der Marktanteilsdifferenz von 14% zwischen den beiden Unternehmen ein marktbeherrschendes Dyopol angenommen.130 Sie verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß Oligopolmarktbeherrschung nicht nur in Fällen vorstellbar sei, in denen die Positionen der betroffenen Unternehmen ähnlich seien und begründete ihrer Einschätzung im konkreten Fall mit dem großen Marktanteilsabstand zu den übrigen Wettbewerber sowie mit den bestehenden Verflechtungen zwischen den Oligopolisten. 131 Ein noch größerer Marktanteilsabstand zwischen den Oligopolunternehmen lag im Fall McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann vor. 1 3 2 Die beiden größten Anbieter auf dem Markt für getrocknete Gewürze und Kräuter hielten hier Marktanteile von 50% und 25%. Ohne auf die Asymmetrie der Marktanteile näher einzugehen, hielt die Kommission neben einer Einzelmarktbeherrschung auch eine oligopolistische Marktbeherrschung für grundsätzlich möglich und verwies den Zusammenschluß mit dieser Begründung nach Art. 9 Abs. 3 lit. b) FKVO an das Bundeskartellamt. 133
b) Die Kostenstrukturen
der Oligopolisten
aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Kostenstrukturen der Oligopolisten sind der aussagekräftigste Indikator für die Beurteilung der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol und der damit zusammenhängende Interessensymmetrie. Die Beschaffenheit der Kostenstrukturen hat zum einen Auswirkungen auf das Zustandekommen und den 128 Kommission v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 15, 18. Bei den Marktanteilsangaben handelt es sich um Mittelwerte. In der Entscheidung gab die Kommission nur Reichweiten von 35%-50%, 2 5 % ^ 0 % und unter 25% an. 129 V g l . E u G H v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C - 6 8 / 9 4 u. C - 3 0 / 9 5 Frankreich
u.
a./Kommis-
sion, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 226. 130 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, 186/38, Tz. 51 ff.
ABl. 1994 L
131 Vgl. die Klageerwiderung der Kommission in der Sache Kali+Salz, Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 194-195. 132 Kommission v. 29. 10. 1993 I V / M . 330 McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, W u W / E EV 2157, Tz. 59 ff. 133 Ein weiteres Beispiel, in dem die Kommission asymmetrisch verteilte Marktanteile nicht per se als Hinderungsgrund für eine oligopolistische Marktbeherrschung angesehen hat, ist die Entscheidung v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 477. 1*
212
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Anreiz zu einer Kollusion. Sind die bei den Oligopolisten jeweils entstehenden Gesamtkosten pro Produktionseinheit annähernd gleich hoch, so haben die Unternehmen meist auch ähnliche Vorstellungen über den Marktpreis, und eine „gerechte" Verteilung des Erlöses aus der kollektiven Gewinnmaximierung ist vergleichsweise einfach. Das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen, insbesondere beim Aktionsparameter Preis, wird dementsprechend erleichtert. So stellt die Ermittlung des Oligopolpreises durch einen bestimmten Gewinnzuschlag auf die Selbstkosten bei Anbietern mit vergleichbaren Kostenstrukturen ein effektives Instrument zur impliziten Koordinierung dar. 134 Entstehen bei einem Oligopolunternehmen dagegen deutlich niedrigere Gesamtkosten als bei den anderen, weil beispielsweise seine Basistechnologie, sein Organisationssystem oder seine Produktionsstandorte kostengünstiger sind oder es einen direkten Zugang zu vorgelagerten Rohstoffmärkten hat, so ist davon auszugehen, daß es grundsätzlich auch nach unten divergierende Vorstellungen über den Marktpreis hat. 135 In diesem Fall wird es für die Oligopolisten mit den höheren Kosten schwierig sein, sich mit dem kostengünstiger produzierenden Oligopolisten auf einen Preis zu verständigen, der ihnen einen ausreichenden Gewinn ermöglicht. 136 Unterschiedliche Kostenfunktionen führen hier dazu, daß es kein Preis / Mengenoptimum wie etwa im Monopol gibt. Der Kollusionspreis wird daher regelmäßig über dem Monopolpreis liegen, da er auch die höheren Preisvorstellungen der ineffizienter produzierenden Unternehmen berücksichtigen muß. 137 Sollte es dennoch zu einer Kollusion kommen, so ist deren Stabilität durch unterschiedliche Kostenstrukturen latent bedroht. Denn andauernde deutliche Kostenvorteile eines Unternehmens innerhalb der Oligopolgruppe wirken nicht nur einer Interessenharmonie entgegen, sondern implizieren auch einen 134 Vgl. ausführlich zu dieser sogenannten Faustregel-Preisfestsetzung (rule of thumb) als Mittel zur oligopolistischen Koordination, Scherer/Ross, Industrial Market Structure, S. 261 ff. 135 Unterschiedliche Kostenstrukturen der Oligopolisten müssen jedoch nicht sofort auch zu unterschiedlich hohen Gesamtkosten führen. Produziert beispielsweise ein Oligopolist mit einem sehr arbeitsintensiven Verfahren, während ein anderer ein hoch kapitalintensives Produktionsverfahren anwendet, so können die Gesamtkosten zunächst durchaus vergleichbar sein. Der unterschiedliche Kostenschwerpunkt kann jedoch bei Veränderungen der Marktsituation zu Interessenkonflikten führen. Kommt es hier zu einem starken Anstieg der Lohninflation, so wird der erste Anbieter seine Preise stärker anheben wollen als der zweite. In einer Hochzinsphase wird hingegen der zweite Anbieter an einer stärkeren Preiserhöhung interessiert sein. Bei der Untersuchung der Kostenstrukturen ist somit auch der Kostenschwerpunkt mit zu berücksichtigen. 136 Vgl. hierzu Martin, Industrial Economics, S. 153 ff.; Shepherd The Economics of Industrial Organization, S. 231 ff.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 239 ff.; Fischer/ Dornbusch/ Schmalensee, Economics, S. 220; Broie, Industrieökonomik, S. 531; Tietz/Weber, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft Bd. 2, 518, 521; Shughart, The Organization of Industry, S. 251; Hay, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 163 f.; Zachmann, Le contrôle communautaire des concentrations, S. 345. 137 Vgl. Kauf er, Industrieökonomik, S. 270 f.; Schumann, Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, S. 308.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
213
starken Anreiz, den Kollusionspreis zu unterbieten. 138 Kann ein Unternehmen erwarten, daß seine Konkurrenten nicht in einen niedrigeren Preis eintreten, weil ihre Kostenstruktur dies nicht zuläßt, so wird es eher zu einem aggressiven Wettbewerbsverhalten übergehen. Gleichzeitig wird eine effektive Bestrafung des Cheatings durch die mit hohen Kosten produzierenden kollusionstreuen Anbieter unglaubwürdig, da diesen durch eine Kampfpreisstrategie, verglichen mit dem kostengünstigeren Anbieter, überproportional hohe Verluste entstehen würden. Eine Untersuchung der Kostenstrukturen darf sich allerdings nicht auf den Vergleich der Gesamtkosten der Oligopolisten beschränken, sondern muß auch deren Zusammensetzung berücksichtigen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten zu. Bei den Fixkosten handelt es sich um diejenigen Kosten, die unabhängig von der Höhe der Produktion in einer betrachteten Periode entstehen und demnach unveränderbar (invariabel) sind. Bei einem hohen Fixkostenanteil besteht eine starke Abhängigkeit der Rentabilität des Unternehmens vom Grad der Kapazitätsauslastung. So sinken die Gesamtkosten bei einem hohen Fixkostenanteil bei einer rückläufigen Produktion viel langsamer, als bei einem hohen Anteil variabler Kosten, die ja gerade von der Produktionshöhe in der betrachteten Periode abhängen. Bei Umsatzsteigerungen erhöhen sich die Gesamtkosten dagegen nur geringfügig und die Durchschnittskosten nehmen mit steigender Ausbringung relativ stark ab. In diesem Fall erweist sich der größte Teil des Grenzerlöses aus dem zusätzlichen Umsatz als Gewinn. Ein Unternehmen mit hohen Fixkosten kann daher durch zusätzlichen Umsatz seine kurzfristigen Gewinne deutlich verbessern. 139 Sind die Kapazitäten eines solchen Unternehmens nicht ausgelastet, so besteht ein erheblicher Anreiz, eine mäßige Preissenkung in der Hoffnung zu wagen, Mehrumsätze ohne einen Preiskrieg zu erzielen oder sogar aggressiv in die Absatzgebiete seiner Konkurrenten einzudringen. Hohe Fixkosten eines Unternehmens in der Oligopolgruppe bewirken daher insbesondere bei gleichzeitigen Uberkapazitäten oder Nachfragerückgängen eine starke Neigung zum Cheating. Eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine stabile Kollusion besteht dagegen bei Unternehmen mit einem relativ geringen Fixkostenanteil, bei denen die Kapazitäten bei Nachfrageänderungen zu relativ niedrigen Kosten reduziert oder gesteigert werden können und die Gewinne gegenüber der Kapazitätsauslastung folglich weniger empfindlich sind.
138 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 239; Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 238. 139 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 286 ff.; Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 154; Eickhoff, ORDO 43 (1992), 173, 183; Hay, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 165.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission hat die Kostenstrukturen der Oligopolisten zwar nur in relativ wenigen Fällen berücksichtigt, mißt ihnen aber eine erhebliche Bedeutung bei der Prüfung auf oligopolistische Marktbeherrschung zu. 1 4 0 In der Entscheidung Nestlé /Perrier stellte sie hierzu erstmals fest, daß sich von Unternehmen mit unterschiedlichen Kostenstrukturen annehmen ließe, daß sie möglicherweise recht unterschiedliche Vorstellungen von den Preisen haben, die sie auf dem Markt durchsetzen möchten, wodurch eine stillschweigende Koordinierung der Preispolitik ohne explizite Vereinbarungen untereinander äußerst schwierig werden könnte. In beträchtlichen Kostenunterschieden könne daher ein Faktor gesehen werden, der die Realisierung eines stillschweigenden Parallelverhaltens behindern würde. 1 4 1 Im konkreten Fall konnte die Kommission jedoch keine nennenswerten Kostenvorteile bei einem der Oligopolisten feststellen, da der benötigte Rohstoff (Quellwasser) frei verfügbar war und der Produktionsprozeß im wesentlichen im Abfüllen von Brunnenwässern bestand, bei dem technische Innovationen nicht zu erwarten waren. 142 Der Zusammenschluß zweier Unternehmen mit unterschiedlichen Kostenstrukturen führte im Fall Gencor/Lonrho dazu, daß die neue Unternehmenseinheit nunmehr vergleichbare Kostenstrukturen wie ihr einziger großer Konkurrent hatte. 143 Die Kommission folgerte daraus, daß die große Ähnlichkeit der Kostenstrukturen dazu führe, daß die Oligopolisten in einem größeren Umfang auf die gleiche Weise von Marktentwicklungen beeinflußt würden und auf diese reagieren dürften. So würde ein Preisanstieg ähnliche Auswirkungen auf die Rentabilität der Unternehmen haben und die beiden Unternehmen würden in einem höheren Maße ein gemeinsames Interesse an Entwicklungstendenzen des Marktes haben, was die Wahrscheinlichkeit eines wettbewerbswidrigen Parallelverhaltens nach dem Zusammenschluß erhöhe. 144 Eine besonders eingehende Untersuchung 140 Vgl. Kommission, 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 308 sowie Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 75; v. 29. 9. 1999 I V / M. 1383 Exxon/Mobil, Tz. 476; v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/ First Choice , ABl. 2000 L 93 /1, Tz. 99. 141 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 125. Erhebliche Unterschiede in den Kostenstrukturen der auf dem Markt vertretenen Unternehmen führte die Kommission auch in den Entscheidungen v. 1.3. 1993 I V / M . 331 Fletcher Challenge /Methanex, WuW/E EV 2030, Tz. 26, und v. 20. 6. 2001 COMP/M. 2201, MAN/Anwärter, Tz. 56, als einen Umstand an, der gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung spricht. 142 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 63. 143 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 176, 190b. 144 Kommission v. 24.4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 184, in diesen Punkt ausdrücklich bestätigt durch EuG v. 25.03.1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 218 ff. Vergleichbar argumentierte die Kommission in den Entscheidungen v. 18. 1. 2000 COMP/M. 1630 Air Liquide/BOC, Tz. 276; v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan /Alusuisse, Tz. 94 und v. 29. 9. 1999IV / M. 1383 Exxon /Mobil, Tz. 476.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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der Kostenstrukturen nahm die Kommission in der Entscheidung Mannesmann/ Vallourec/Ilva vor. 1 4 5 Da sich in diesem Fall keine einheitliche Berechnungsgrundlage für die Durchschnittskosten der Dyopolisten ermitteln ließ, konzentrierte sich die Kommission auf die Feststellung struktureller Unterschiede, die möglicherweise Kostendifferenzen zwischen den Unternehmen begründen könnten. Der betroffene Markt für nichtrostende Stahlrohre war vor allem durch eine starke vertikale Integration eines Dyopolisten in vor- und nachgelagerten Märkten gekennzeichnet. Die Kommission erkannte zwar an, daß das Ausmaß an vertikaler Integration die Kostenstruktur eines Unternehmens und seinen Fixkostenanteil beeinflussen könne, sah aber im konkreten Fall keine Anhaltspunkte dafür, daß dieses integrierte Unternehmen wegen seiner höheren Fixkosten oder aus anderen Gründen zu niedrigeren Preisen verkaufen würde, um seinen Absatz zu erhöhen. Auch die unterschiedlichen Arbeitskosten aufgrund verschiedener Produktionsstandorte der Dyopolisten sah die Kommission nicht als ausreichend an. Es müßten stets „erhebliche Abweichungen" bei den Kosten eines Anbieters vorhanden sein, damit ein Interesse zur Aufgabe einer gleichgerichteten Verhaltensweise entstehe und höhere Gewinne durch die Aufnahme von Wettbewerb erwartet werden könnten. 146 Bei der Untersuchung der Kostenstrukturen mißt auch die Kommission dem Fixkostenanteil eine besondere Bedeutung zu. Im Fall Pilkington-Techint/SIV waren die Kostenstrukturen der fünf größten Anbieter von Floatglas durch hohe Fixkosten gekennzeichnet, die annähernd 65% der Gesamtkosten ausmachten.147 Zwar wiesen die Oligopolisten Unterschiede bei den variablen Kosten auf, die jedoch aufgrund des relativ geringen Anteils dieser Kosten an den Gesamtkosten zu keinen wesentlichen Kostenvorteilen bei den einzelnen Anbietern führten. Die Kommission stellte in diesem Zusammenhang fest, daß bei relativ niedrigen variablen Kosten für den einzelnen Hersteller ein erheblicher Anreiz bestehe, die Preise seiner Wettbewerber zu unterbieten, um so seinen Marktanteil zu erhöhen. 148
c) Der Grad der Kapazitätsauslastung aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Auswirkungen von asymmetrischen Kapazitätsauslastungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit sind im Grunde mit denen asymmetrischer Kostenstruktu145 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15. 146 Vgl. Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 68-79. 147 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 41. 148 Zum Anteil der Fixkosten an den Gesamtkosten vgl. auch Kommission v. 6. 7. 1994 I V / M . 460 Holdercim/Cedest, MCR 1533, Tz. 28 und v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/ Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 176.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
ren vergleichbar. Verfügen die Oligopolisten nicht über ähnliche Absatzmengen und sind ihre Kapazitäten unterschiedlich ausgelastet, indem ein Anbieter erhebliche Überkapazitäten aufweist, während die anderen einen hohen Grad an Kapazitätsauslastung erreichen, so wird eine kollusive Verständigung auf ein bestimmtes Preisniveau bzw. auf eine bestimmte Absatzmenge nur schwer zu erreichen sein. In diesem Fall sind die aus dem kollusiven Verhalten erwachsenden Vorteile nicht ausgewogen verteilt, der Anreiz hierzu ist entsprechend gering. Der jeweils bestehende Grad der Kapazitätsauslastung beeinflußt gleichzeitig auch die individuellen Anreize zum Cheating. Unterschiedliche Kapazitätsauslastungen führen meist zu erheblichen Unterschieden bei den Durchschnittskosten, insbesondere wenn die Industriestruktur durch hohe Fixkosten gekennzeichnet ist. Wird der Kosten-Deckungs-Punkt (break-even point) einer Produktionsanlage erst bei einem relativ hohen Grad an Kapazitätsauslastung erreicht, gefährden Unterschiede in den Kapazitätsauslastungen zwischen den Oligopolisten die Stabilität einer bestehenden Kollusion. Es besteht ein großer Anreiz für die entsprechenden Anbieter, bei hohen Grenzerlösen aus zusätzlichen Verkäufen die Preise der anderen Wettbewerber zu unterlaufen und die eigene Produktionsmenge zu erhöhen. 149 Bestehen dagegen bei allen Anbietern hohe Überkapazitäten, so sind die Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit ambivalent und lassen sich nicht mit hinreichender Sicherheit voraussagen. Wie bereits gezeigt, wirkt sich die Existenz von Überkapazitäten im Zusammenhang mit einem hohen Fixkostenanteil grundsätzlich destabilisierend aus und reduziert damit die Wahrscheinlichkeit für eine Kollusion. 150 Unter bestimmten Voraussetzungen können verbreitete Überkapazitäten das Zustandekommen einer Kollusion aber auch erleichtern. Insbesondere bei Nachfragerückgängen auf gesättigten Märkten können die entstehenden Überkapazitäten dazu führen, daß bei den Oligopolisten die Bereitschaft wächst, auf Wettbewerb untereinander zu verzichten. 151 Begünstigend wirkt es sich insoweit aus, wenn die Kapazitätsunterauslastung nur geringe Kosten verursacht, weil die Produktionsanlagen abgeschrieben sind und der Unterhalt kaum Kosten verur-
149 Vgl. Martin, Industrial Economics, S. 167; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 239 ff.; Landes/Posner, Harvard Law Review 94 (1981), 937, 949 f.; Briones, ECLR 1995, 334, 343. 150 Vgl. Kantzenbach/ Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 62. Das Bundeskartellamt, Tätigkeitsbericht 1981/82, S. 58 und Tätigkeitsbericht 1977, S. 19, zieht daraus den Schluß, daß Überkapazitäten für das Vorhandensein wesentlichen Wettbewerbs zwischen den Oligopolisten sprechen. 151 Vgl. Shughart, The Organization of Industry, S. 237 m. w. Ν.; Machlup, The Political Economy of Monopoly, S. 60; Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 496. Die Monopolkommission, Hauptgutachten 2, Tz. 422, weist darauf hin, daß die aus Überkapazitäten auf oligopolistischen Märkten entstehende Wettbewerbssituation besonders seit der Depression der 30er Jahre als allgemeine Rechtfertigung für Wettbewerbsbeschränkungen herangezogen wird. Begründet wurde dies damit, daß der Abbau von Überkapazitäten im Wettbewerb zu Verlustpreiskämpfen führe, in denen über den Erfolg nicht mehr die Leistungskraft der Unternehmen, sondern nur noch die Finanzkraft entscheide.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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sacht oder wenn die Überkapazitäten im Verhältnis zur Produktion so hoch sind, daß ihre Ausnutzung zu einer solch erheblichen Verschlechterung des Preisniveaus führen würde, daß eine Korrektur auf den Ausgangszustand kaum noch möglich wäre. Hohe ungenutzte Kapazitäten bei allen Oligopolisten ermöglichen es zudem, wettbewerbliche Vorstöße eines einzelnen sofort durch eine wirksame Vergeltungsstrategie über die Steigerung der Ausbringungsmenge zu bestrafen. 152 In diesen Fällen besteht somit eine glaubwürdige Bestrafungsdrohung, die dem Anreiz zum Cheating entgegenwirkt. Eine schematische Bewertung verbreiteter Überkapazitäten unter den Oligopolisten als kollusionshemmender Faktor ist in dieser Allgemeinheit folglich verfehlt. 153 Unter Umständen können Kapazitätsunterauslastungen sogar die Folge einer vorhandenen Kollusion selbst sein. 154 Bei der Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit müssen daher auch die individuellen Kostenstrukturen, insbesondere der Anteil der Fixkosten und der Grund für die Überkapazitäten mit berücksichtigt werden. So kommt es auch darauf an, ob die Überkapazitäten konjunktureller und damit vorübergehender Natur sind oder auf marktstrukturellen Ursachen beruhen. Die Berücksichtigung temporärer konjunkturbedingter Gegebenheiten hat im Rahmen einer strukturorientierten Fusionskontrolle den Nachteil, daß erst bei veränderter konjunktureller Lage die zunächst verdeckten nachteiligen Wettbewerbswirkungen deutlich hervortreten. 155
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission hat hohe Überkapazitäten bei den Mitgliedern einer Oligopolgruppe in einigen Fällen als kollusionsfördernd eingestuft. In der Entscheidung Mannesmann /Vallourec /Ilva ergab sich bei einem Vergleich der theoretischen Höchstkapazitäten der beiden Dyopolisten überschüssige Kapazitäten in Bezug auf die Gesamtnachfrage zum einen von 30% und zum anderen von 50%. 1 5 6 Die Kommission konstatierte, daß angesichts derartiger Kapazitätsreserven für keines der Unternehmen ein großer Anreiz zu Produktionssteigerungen bestünde, da beiden Seiten bekannt sei, daß die Gegenseite über ausreichende Kapazitäten verfüge, um auf solch eine aggressive Absatzpolitik des anderen Herstellers angemessen reagie152
Vgl. Martin, Industrial Economics, S. 167.
153
So aber Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 543; Paschke/ Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 299. Shughart, The Organization of Industry, S. 237, formuliert dagegen treffend: „Excess capacity is a double-edged sword." 154 War die Kapazität ursprünglich auf die Produktion der Wettbewerbsmenge ausgerichtet, so kommt es bei einer Kollusion zwangsläufig zu Kapazitätsunterauslastungen; vgl. hierzu Posner, Antitrust Law: An Economic Perspective, S. 67 und Kruse, WiSt 1995, 564, 570. 155
Monopolkommission, Hauptgutachten 2, Tz. 420. 156 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, 102/15, Tz. 62 ff.
ABl. 1994 L
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
ren zu können. Damit erkennt die Kommission zutreffend an, daß hohe Überkapazitäten ein erhebliches Vergeltungspotential beinhalten, das sich kollusionsstabilisierend auswirkt. 157 Die Tatsache, daß die Kapazitäten beider Anbieter in absoluten Zahlen unterschiedlich hoch waren, sah die Kommission aufgrund der stagnierenden Nachfrage und der niedrigen Preiselastizität nicht als ausreichend an, um dem Anreiz zu einem wettbewerbsfeindlichen Parallelverhalten entgegenzuwirken. 1 5 8 In anderen Entscheidungen hat die Kommission hohe Überkapazitäten dagegen eher als einen Umstand betrachtet, der eine oligopolistische Marktbeherrschung verhindert. 159 In der Entscheidung Pilkington-Techint/SIV folgerte die Kommission aus der Inbetriebnahme einer neuen Produktionsanlage auf dem durch Kapazitätsüberhänge gekennzeichneten Floatglasmarkt, daß die daraus entstehende Notwendigkeit, die zusätzliche Produktion zu verkaufen, der Versuchung zu einem wettbewerbsfeindlichen Parallelverhalten erheblich zuwiderlaufe. 160 Insgesamt sah sie in den erheblichen Überkapazitäten in der gesamten Branche einen starken Anreiz für die Unternehmen zum Ausscheren aus einem möglichen Parallelverhalten. Die Besonderheit des Falles bestand allerdings darin, daß die Kostenstrukturen der Anbieter durch einen hohen Fixkostenanteil gekennzeichnet waren. Aufgrund der dadurch bei einer zusätzlichen Absatzsteigerung zu erwartenden hohen Grenzerlöse erscheint die Annahme einer kollusionshemmenden Wirkung allgemeiner Überkapazitäten in diesem Fall durchaus gerechtfertigt. In der Entscheidung Crown Cork & Seal / CarnaudMetalbox vertrat die Kommission die Ansicht, daß für die mit niedrigen Auslastungsgraden produzierenden Anbieter dann kein Anreiz bestehe, über niedrige Preise ihre Kapazitäten voll auszulasten und damit von einem Parallelverhalten abzuweichen, wenn sich die Fixkosten der Produktionsanlagen schon bei geringen Auslastungsgraden (von weniger als 40%) decken ließen. 161
157 So auch ausdrücklich in der Entscheidung v. 22. 11. 1999 COMP/M. 1681 Akzo Nobel/Hoechst Roussel VET, Tz. 38, in der die Kommission ausführt: „In addition, there is substantial overcapacity in the manufacturing facilities of these players in relation to prostaglandins, which could be used as a means of retaliation." 158 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 64, 67. Hohe ungenutzte Kapazitäten sah die Kommission auch in den Entscheidungen v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 54, 123 und v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L. 11/1, Tz. 90, als einen Umstand an, der für eine oligopolistische Marktbeherrschung spricht. 159 Vgl. Kommission v. 11. 6. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 35; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhone-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 24; v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône-Poulenc /SNIA (II), MCR 1165, Tz. 24. 160 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/25, Tz. 48; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 22, 26. 161 Kommission v. 14. 11. 1995 I V / M . 603 Crown Cork & Seal/CarnaudMetalbox, 1996 L 75/38, Tz. 100.
ABl.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
219
Insgesamt zeigt sich, daß die Kommission keine schematische Bewertung allgemeiner Uberkapazitäten vornimmt, sondern stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abstellt. Obwohl eine konkrete Stellungnahme der Kommission zur wettbewerblichen Beurteilung von asymmetrischen Kapazitätsauslastungen unter den Oligopolisten bisher fehlt, scheint sie diese wohl eher als kollusionshemmend einzustufen. 162
d) Die Ausgeglichenheit der Ressourcen im Oligopol aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Als Ressourcen eines Unternehmens bezeichnet man all jene Faktoren und Mittel, die im weitesten Sinne in die Entwicklung, in die Produktion und in den Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen eingehen.163 Dabei lassen sich vereinfacht zwei Gruppen von Ressourcen unterscheiden. Die marktspezifischen absatzpolitischen Ressourcen, zu denen der Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten zählt und die universell verwendbaren Ressourcen, die im wesentlichen die Finanzkraft eines Unternehmens umfassen. Beide Gruppen von Ressourcen hat die Kommission nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO bei der Prüfung eines Zusammenschlusses auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu berücksichti164
gen. Die Zugangsmöglichkeiten eines Unternehmens zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten bestimmen dessen Grad an vertikaler Integration, das heißt den Grad der auf ein Produkt bezogenen Zusammenfassung aufeinanderfolgender Stufen der Produktion und des Vertriebes. 165 Ein Unternehmen ist auf vorgelagerten Märkten vertikal integriert, wenn es die für die Herstellung seiner Produkte notwendigen Rohstoffe und Vorprodukte kontrolliert. Es ist auf nachgelagerten Märkten vertikal integriert, wenn es den Absatz seiner Endprodukte kontrolliert. 166 Eine vertikale 162 Vgl. Kommission v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18: „Capacities and market shares are unevenly distributed among the three suppliers, so the view of each firm in respect of the level of output and their respective price preferences might be quite different." Vgl. auch Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé / Perrier, ABl. 1992 L 356/Ι,Τζ. 127. 163 Vgl. allgemein Bechtold/Schockenhoff, DB 1990, 1549; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 73; Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 387. 164 Bei der Formulierung des Kriteriums „Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten" handelt es sich insoweit um einen Redaktionsfehler, als dieses Kriterium im Zusammenhang gelesen, auf die vorher genannten „Lieferanten und Abnehmer" bezogen werden kann. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sind die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten aber nicht in bezug auf die Lieferanten und Abnehmer zu beurteilen, sondern bezüglich der durch den Zusammenschluß geschaffenen neuen Unternehmenseinheit; vgl. Immenga, in: Immenga / Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 RdNr. 134. 165 Vgl. Kaufer, Industrieökonomik, S. 107 ff.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Integration kann dadurch bewirkt werden, daß ein Unternehmen auf zwei Marktstufen gleichzeitig tätig ist, Verflechtungen mit Lieferanten oder Abnehmern bestehen oder der Zugang zu vor- oder nachgelagerten Märkten auf sonstige Weise, etwa durch langfristige Lieferverträge, gesichert ist. 1 6 7 Eine asymmetrische vertikale Integration unter den Unternehmen einer Oligopolgruppe kann vielfältigste Auswirkungen auf die Wettbewerbspositionen der Unternehmen haben, so daß eine eindeutige Einordnung hinsichtlich der Kollusionswahrscheinlichkeit schwierig ist. Relativ einfach ist noch der Fall zu beurteilen, daß in einem Oligopol mit asymmetrischer vertikaler Integration der höher integrierte Oligopolist auf dem betreffenden vor- oder nachgelagerten Markt über eine beherrschende oder überragende Stellung verfügt. In diesem Fall sind die anderen Oligopolisten entweder beim Bezug der Rohstoffe oder Vorprodukte auf die Belieferung bzw. beim Absatz ihrer Produkte auf die Absatzwege des vertikal integrierten Oligopolisten angewiesen. Auch wenn es hier nicht zu Verdrängungsstrategien durch das höhergradig integrierte Unternehmen kommt, so liegt doch eine erhebliche Unausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol vor, die das Zustandekommen einer stabilen Kollusion gefährdet. Erreicht die vertikale Integration keine derartige Intensität, so kann die Verbindung eines Oligopolisten mit Unternehmen auf vor- oder nachgelagerten Märkten dennoch zu erheblichen Effizienzvorteilen für dieses Unternehmen führen. Soweit sich dieser Effizienzgewinn auch in einer Verringerung der Kosten niederschlägt, erlangt der integrierte Oligopolist durch seine verbesserten Kostenstrukturen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen nichtintegrierten Konkurrenten. 168 Dadurch wird wiederum die für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen erforderliche Interessensymmetrie und der Kollusionsanreiz im Oligopol beeinträchtigt, während der Anreiz zum Cheating steigt. 169 Verschiedene Grade vertikaler Integration auf vorgelagerten Märkten können einer Kollusion dann entgegenstehen, wenn sie verschiedene strategische Interessen und Ausrichtungen der Unternehmen wiederspiegeln. So kann das vertikal integrierte Unternehmen eher darauf konzentriert sein, die Ausbringungsmenge des Vorproduktes zu maximieren, als stabile Gewinne auf dem nachgelagerten Markt 166
Vgl. Clark, Competition as a Dynamic Process, S. 145 ff. ι 6 7 Zur Bedeutung von Gegenseitigkeitsgeschäften für einen verbesserten Zugang zu Beschaffungs· und Absatzmärkten vgl. Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 390 ff. m. w. N. !68 Verschiedene Grade vertikaler Integration auf vor- oder nachgelagerten Märkten bedingen jedoch nicht automatisch deutliche Kosten vorteile für die integrierten Unternehmen. Herrscht beispielsweise auf dem vorgelagerten Markt ein Überangebot, so daß die nichtintegrierten Unternehmen den Rohstoff oder das Vorprodukt zu Wettbewerbspreisen beziehen können, entstehen diesen keine Kostennachteile. Briones, ECLR 1995, 334, 344, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß immer dann, wenn eine vertikale Integration auch deutliche Kostenvorteile bedeutet, alle Unternehmen dazu tendieren werden, den gleichen Integrationsgrad zu erreichen 169
Zur Auswirkungen von Kostenasymmetrien auf die Kollusionswahrscheinlichkeit vgl. 5. Kapitel, III., 2., b).
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
221
zu erzielen. Unterschiedlich hohe Grade an vertikaler Integration auf nachgelagerten Märkten haben zur Folge, daß die Oligopolisten unterschiedlichen Nachfragern mit unterschiedlichen Präferenzen gegenüberstehen. Veränderungen bei der Nachfrage wirken sich demnach unterschiedlich auf die Oligopolisten aus und können sie zu verschiedenen Reaktionen veranlassen. Unter solchen Umständen werden auch die Ansichten über Preise und Ausbringungsmengen zwischen den verschieden integrierten Unternehmen divergieren, was einer Interessenharmonie entgegenwirkt. Zugleich wird hierdurch auch das Aufdecken von Cheating erschwert, da der Großteil der Transaktionen mit verschiedenen Abnehmern abgewickelt wird und sich die Auswirkungen des Cheatings daher erst ganz am Ende der Vertriebskette bemerkbar machen. 170 Eine starke Integration in einem nachgelagerten Markt kann sich allerdings auch als Wettbewerbsnachteil für das betreffende Unternehmen darstellen und so ein Ungleichgewicht in den Wettbewerbspositonen der Oligopolisten bewirken. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die (unabhängigen) Nachfrager auf dem nachgelagerten Markt dazu tendieren, ihre Waren von Anbietern zu beziehen, mit denen sie nicht gleichzeitig auf ihren eigenen Märkten konkurrieren müssen. In einer solchen Marktsituation haben die nichtintegrierten Oligopolisten folglich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrem integrierten Konkurrenten. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß eine asymmetrische vertikale Integration der Oligopolisten das Zustandekommen einer stabilen Kollusion erschwert. 171 Demgegenüber wird ein kollusives Marktverhalten bei einer symmetrischen vertikalen Integration der Oligopolisten wahrscheinlicher, da diese zu ausgeglichenen Wettbewerbspositionen der Unternehmen führt. Gleichzeitig werden dadurch auch die Schranken für einen Marktzutritt erhöht. 172 Denn es ist für potentielle Wettbewerber nahezu ausgeschlossen, auf einem solchen Markt Fuß zu fassen, weil hierzu die Errichtung oder der Erwerb von Produktionskapazitäten auf allen Stufen erforderlich wäre. 173 Eine gleichmäßige vertikale Integration aller Oligopolisten auf einem vorgelagerten Rohstoffmarkt kann sich auch als ein strategisches Mittel zur Stabilisierung einer Kollusion auf dem Zentralmarkt erweisen. Preisfluktuationen auf einem Rohstoffmarkt bedrohen die Stabilität einer bestehenden Preiskollusion auf dem Zentralmarkt, in dem dann stets von neuem die schwie170
Vgl. Carlton/Perloff, Modern Industrial Organisation, S. 193 und instruktiv Martin, Industrial Economics, S. 166, der diesen Wirkungszusammenhang am Beispiels der OPEC verdeutlicht. m Vgl. Briones, ECLR 1995, 334, 344; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 219. 172 Zur Auswirkung von Marktzutrittsschranken auf die Kollusionswahrscheinlichkeit vgl. 5. Kapitel, III., 11. 173 Unzutreffend daher Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 298, nach deren Ansicht gleichmäßig verteilte Ressourcen bei den Oligopolunternehmen die Voraussetzungen für wesentlichen Wettbewerb verbessern sollen, weil diese sich gegenseitig neutralisieren und die Reaktionsverbundenheit der Unternehmen nicht erhöhen, sondern sie im Sinne einer stärkeren Leistungsfähigkeit eher herabsetzten würden.
222
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
rige Suche nach einem für alle Oligopolisten vorteilhaften Gleichgewichtspreis vorgenommen werden muß. Zur Verhinderung solch störender Einflüsse bietet sich eine vertikale Integration der Oligopolisten auf dem Rohstoffmarkt an. Durch die Kontrolle der Rohstoffpreise und die Inkaufnahme kurzzeitiger Verluste auf diesem Markt zur Preisstabilisierung ist es den Oligopolisten dann möglich, auch den Preis auf dem Zentralmarkt zu stabilisieren und hier unter Umständen verlustreiche Preisfindungsprozesse zu vermeiden. 174 Zu Ressourcendivergenzen zwischen den Unternehmen und damit zu einer Unausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol kann es auch dadurch kommen, daß ein Oligopolist im Vergleich zu den anderen über eine überragende Finanzkraft verfügt. Die Finanzkraft umfaßt die Gesamtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens, insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten nach Eigen- und Fremdfinanzierung sowie seinen Zugang zum Kapitalmarkt. 175 Eine eindeutige Bewertung asymmetrischer finanzieller Ressourcen ist jedoch schwierig. Einerseits stärken sie das Durchhaltepotential des finanzstarken Oligopolisten, indem sie diesen in die Lage versetzen, eine verlustbringende aggressive oder defensive Preispolitik gegen seine Konkurrenten finanziell durchzuhalten. 176 Ob es allein deshalb zu einem Ausbrechen aus einer Kollusion kommt, hängt jedoch von vielen anderen Faktoren ab, wie u. a. der Verfügbarkeit freier Kapazitäten bei dem finanzstarken Oligopolisten zur kurzfristigen Erhöhung des Angebots, der Beweglichkeit der Nachfrage und der Fähigkeit der Konkurrenten zu Gegenreaktionen mit weniger finanzkraftintensiven Aktionsparametern. Andererseits stellt die überragende Finanzkraft auch ein Drohpotential dar, mit dem der finanzstarke Oligopolist seine Konkurrenten vom Cheating abschrecken kann, wenn er selbst ein Interesse an einer stabilen Kollusion hat, weil ζ. B. seine Produktionskosten vergleichsweise hoch sind. 177 Verfügen dagegen alle Oligopolisten über erhebliche finanzielle Ressourcen, so versprechen wettbewerbliche Vorstöße aufgrund des ähnlichen Durchhalte- und Vergeltungspotentials kaum Erfolg. Auch hier sind die Marktzutrittsschranken erhöht, da potentielle Konkurrenten Abwehrstrategien derfinanzstarken Oligopolgruppe befürchten müssen.178
174 Vgl. zu dieser selten beachteten Strategievariante die Untersuchung von Adams/ Dirlam, American Economic Review 54 (1964), 626 ff. und Kaserman, Antitrust Bulletin 23 (1978), 483, 508 f. 17 5 Vgl. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 521; Mestmäcker/ Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 247. Zur Berechnung der Finanzkraft können Kriterien wie Umsatz, Gewinn, Cash Flow, Dividende, Abschreibungsvolumen, Bilanzsumme und Eigenkapital herangezogen werden. Vgl. hierzu ausführlich Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 793 ff. 176
Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 799. Vgl. Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 404. 178 Vgl. Heuss, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, 315, 324, der insoweit von der „vertikalen Integration als Mittel zum Ausbau des oligopolistischen Festungswalles" spricht. 177
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
223
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Eine starke und symmetrische vertikale Integration der Oligopolisten betrachtet die Kommission zutreffend als einen Umstand, der die Bereitschaft der Oligopolisten zu einem Parallelverhalten erhöht und ein solches im Zeitverlauf stabilisiert. 179 Im Fall VEBA/VIAG hatten die beiden größten deutschen Stromverbundunternehmen ihre Marktstellung durch eine Vielzahl von Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen an Stromverteilerunternehmen der nachgelagerten Marktstufe abgesichert. Aufgrund dieser Beteiligungen verfügten die Dyopolisten über die Möglichkeit, maßgeblichen Einfluß auf das Einkaufsverhalten ihrer Beteiligungsunternehmen zu nehmen und dadurch die Absatzbasis für ihren Strom langfristig zu sichern. Die Kommission sah hierin die Gefahr, daß die Dyopolisten damit gleichzeitig die Absatzmöglichkeiten ihrer Wettbewerber auf der Erzeugungsebene deutlich verschlechtern könnten und potentielle Wettbewerber mangels hinreichender Absatzchancen Schwierigkeiten hätten, auf dem Markt erfolgreich Fuß zu fassen. 180 Die Bedeutung symmetrischer vertikaler Integration als Marktzutrittsschranke hob die Kommission auch im Fall Airtours/First Choice hervor. 181 Die vier größten Anbieter von Auslandspauschalreisen betrieben hier zusätzlich Charterfluggesellschaften und Reisebüroketten und waren damit sowohl auf dem vorgelagerten Markt für die Bereitstellung von Sitzplatzkapazitäten als auch auf dem nachgelagerten Markt der Vermittlung von Reisen tätig. Als Folge dieser zweistufigen Integration der Oligopolisten hatten unabhängiger Reiseveranstalter, die in Wettbewerb zu den Oligopolisten treten wollten, erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zu Sitzplätzen und beim Vertrieb ihrer Reisen. Ressourcendivergenzen zwischen den Oligopolisten haben dagegen in der bisherigen Rechtspraxis nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Kommission geht allerdings grundsätzlich davon aus, daß die Möglichkeit eines Parallelverhaltens durch einen unterschiedlichen Grad an vertikaler Integration unterhöhlt wird. 1 8 2 Im Fall Pilkington-Techint/SIV waren drei Unternehmen eines Fünferoligopols auf dem Markt für Rohfloatglas auch auf dem nachgelagerten Markt der Glasweiterverarbeitung tätig. 183 Die Kommission sah hierin einen Vorteil für die beiden nichtintegrierten Glashersteller, da die vielen unabhängigen Weiterverarbeitungsbetriebe nach ihrer Ansicht Rohglas eher von den beiden Anbietern beziehen dürf179 Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 115; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1583 Exxon/Mobil, Tz. 478; v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/ First Choice, ABl. 2000 L 93 /1, Tz. 77. 180 Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 115 ff. 181 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 67 ff. und Tz. 123. 182 Kommission v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18. 183 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 47.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
ten, mit denen sie nicht über nachgeordnete Tochtergesellschaften in Konkurrenz standen. Aus einer entgegengesetzten vertikalen Integration zweier Anbieter von Hygieneartikeln, einerseits auf dem vorgelagerten Markt für Chemikalien, andererseits auf dem nachgelagerten Markt der Lebensmittelverarbeitung, folgerte die Kommission in der Entscheidung Unilever / Diversey, daß die Unternehmen kein gemeinsames Interesse an der Verfolgung gemeinsamer Strategien hätten. 184 Die Ausgewogenheit der finanziellen Ressourcen im Oligopol wird in den Entscheidungen der Kommission in der Regel nicht untersucht. 185 Lediglich in einem Fall bewertete die Kommission eine asymmetrische finanzielle Stärke unter den Anbieter als einen gegen ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten sprechenden Umstand, ohne jedoch Gründe für diese Annahme anzuführen. 186
3. Verflechtungen zwischen den Oligopolisten
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Anbieter eines Marktes können durch unterschiedlichste Verbindungen auf dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt oder auf Drittmärkten miteinander verflochten sein, wodurch sich erhebliche Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit ergeben können. Die insoweit stärkste Verflechtungsform unter den einem Oligopol angehörenden Unternehmen stellen erlaubte und unerlaubte Kartelle dar, die in der Realität häufig auf Drittmärkten betrieben werden. Genauso gut können die Oligopolisten aber auch personell miteinander verflochten sein, indem sie ein- oder wechselseitig Vertreter ihrer Konkurrenten in die eigenen Aufsichts- oder Verwaltungsorgane berufen. Sie können kapitalmäßig durch ein- oder wechselseitige Minderheitsbeteiligungen verbunden sein oder Gemeinschaftsunternehmen auf beliebigen Märkten betreiben. Schließlich können auch „lediglich" wirtschaftliche Verbindungen in Form von Frachtgrundlagensystemen, Kollegenlieferungen zum Ausgleich von Kapazitätslücken oder -überhängen oder sonstige Kooperationen enge Verbindungen zwischen den Oligopolisten schaffen. Für die kollusionsbezogene Bewertung von Verflechtungen müssen zwei Fallgestaltungen unterschieden werden. Sind die auf einem oligopolistisch strukturierten Markt feststellbaren Verflechtungen zwischen den Unternehmen so ausgestaltet, daß ein Unternehmen eine Position einnimmt, die es ihm erlaubt, auf alle anderen mit ihm verflochtenen Unternehmen einen wettbewerblich bestimmenden Einfluß auszuüben, so bedarf es auf diesem Markt keiner Untersuchung der Kollusionsge184 Kommission v. 19. 2. 1996 I V / M . 704 Unilever /Diversey, 185
MCR 2419, Tz. 25.
Zu der geringen Bedeutung die dem Merkmal der Finanzkraft im allgemeinen in der Fusionskontrollpraxis der Kommission zukommt vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 RdNr. 132 f. 186 Kommission v. 15. 3. 1994 I V / M . 422 Unilever France/Oritz Miko (II), MCR 1373, Tz. 51.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
225
fahr im hier vorgeschlagenen Sinn. Denn dadurch, daß die dem bestimmenden Einfluß ausgesetzten Unternehmen nicht mehr die Möglichkeit zu einer eigenen wirtschaftlich unabhängigen Entscheidungsfindung haben, ist eine oligopolistische Reaktionsverbundenheit zwischen ihnen definitionsgemäß nicht mehr vorstellbar, so daß es bereits an der notwendigen Voraussetzung für eine Kollusion fehlt. Die Unternehmen müssen in diesem Fall in wettbewerblicher Hinsicht als Einheit betrachtet werden, so daß nicht eine oligopolistische Marktbeherrschung, sondern eine mögliche Einzelmarktbeherrschung zu untersuchen ist. 1 8 7 Erreicht der Verflechtungsgrad zwischen den Unternehmen keine derartige Intensität, so ist bei der Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit zunächst zu berücksichtigen, daß Verbindungen und Kontakte gleich welcher Art, das Zustandekommen einer expliziten kollusiven Verständigung naturgemäß erleichtern. 188 Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht jedoch die implizite Kollusion, die mit der Marktverhaltenskontrolle selbst nicht bekämpft werden kann. In diesem Zusammenhang sind die zwischen den Oligopolisten bestehenden Verbindungen dahingehend zu analysieren, ob dadurch Informationsdefizite beseitigt werden und die Unsicherheit der Unternehmen über das jeweilige in der Zukunft zu erwartende Marktverhalten der Wettbewerber verringert wird. Die Anbieter sind um so eher in der Lage, die wettbewerblichen Interessen, Strategien und Verhaltensweisen ihrer Konkurrenten richtig einzuschätzen, desto häufiger sie in verschiedenen Situationen aufeinandertreffen. Die Bedeutung, die einer solchen Verbesserung der Informationsinfrastruktur für das Zustandekommen einer impliziten Kollusion zukommt, läßt sich anschaulich mit Hilfe der Spieltheorie verdeutlichen. Wie bereits erörtert, besteht das „Gefangenendilemma", als das sich das Entscheidungsproblem im Oligopol interpretieren läßt, darin, daß für jeden Oligopolisten anfangs die individuell rationale Strategie des Cheating die dominante Strategie darstellt. 189 Dies führt jedoch dazu, daß alle Unternehmen einen geringeren Gewinn erzielen als wenn sie sich kollektiv rational verhalten würden. Sind die Oligopolisten jedoch aufgrund von Kontakten und Verbindungen gegenseitig über die Strategiepräferenzen ihrer Konkurrenten weitgehend im Bilde, so wächst bei ihnen die Einsicht, daß ein kollektiv rationales Verhalten für alle vorteilhafter wäre. Das Zustandekommen einer implizit kollusiven Verhaltensweise wird dementsprechend erleichtert. In welchem Maße dies konkret der Fall ist, hängt stark von der Art der Verbindungen ab. So verschaffen wechselseitige Minderheitsbeteiligungen und personelle Verflechtungen in den Aufsichtsgremien den Unternehmen tiefere Einblicke in die internen Strategien ihrer Konkurrenten, als Lizenzvereinbarungen oder Gemeinschaftsunternehmen auf Drittmärkten. 187
So auch Bundeskartellamt, Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle - Checkliste (1990), S. 28. 188 Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 119, weist darauf hin, daß gerade personelle Verflechtungen Verhaltensabstimmungen über direkte, unkontrollierbare, legitimierte Kontakte erlauben, worin auch ihr eigentlicher Sinn liege. 189 Vgl. oben 5. Kapitel, II. 1. 15 Hahn
226
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Der Anreiz zum Cheating kann insbesondere bei Verflechtungen durch finanzielle Beteiligungen deutlich vermindert sein. Ist ein Oligopolist an einem Konkurrenten beteiligt, so würde er durch ein Unterlaufen der Kollusion zwar selbst Marktanteile hinzugewinnen können. Dadurch, daß dies zwangsläufig einen Marktanteils- und Gewinnverlust bei seinem Konkurrenten zur Folge hat, würde er gleichzeitig auch den Wert seiner Beteiligung und seine Einkünfte hieraus vermindern. Demgegenüber kann er aus der Aufrechterhaltung der Kollusion einen zweifachen Vorteil ziehen und zwar sowohl aus der kollektiven Gewinnmaximierung seines eigenen Geschäftsbetriebes, als auch aus der seines gleichfalls daran partizipierenden Konkurrenten. Inwieweit der erste Oligopolist seine strategischen Entscheidungen von derartige Überlegungen abhängig macht, hängt im wesentlichen von der Art und Höhe seiner Kapitalbeteiligung und der wirtschaftlichen Bedeutung ab, die er dieser zumißt. 190 Dementsprechend wird der andere Oligopolist im Ausmaß der Beteiligung des Wettbewerbers an seinem Kapital auch Rücksicht auf dessen Wünsche nehmen. Verbindungen zwischen den Oligopolisten erleichtern durch die verbesserte Informationsstruktur zudem das frühzeitige Aufdecken von Cheating, vor allem in ansonsten intransparenten Märkten. Als kollusionsstabilisierend wirkt zudem, daß sich die Kollusionspartner durch vorhandene Informationsstrukturen gegenseitig signalisieren können, daß sie im Falle eines entdeckten Cheatings auch bereit sind, Vergeltungsstrategien anzuwenden und die damit verbundenen Nachteile für sich in Kauf zu nehmen. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß Verbindungen, die einen Informationsfluß zwischen den Oligopolisten fördern, die Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion deutlich erhöhen. 191 Die Analyse der Grundlagen und der Wirkungszusammenhänge in stabilen Kollusionen haben allerdings deutlich gemacht, daß strukturelle Verbindungen an sich weder eine notwendige, noch eine hinreichende Voraussetzung für eine oligopolistische Marktbeherrschung sein können. So kann es auch ohne irgendwelche Verbindungen zwischen den Oligopolisten auf einem Markt zu einer impliziten Kollusion kommen, indem sich die Unternehmen lediglich in Kenntnis ihrer gegenseitigen Reaktionsverbundenheit gleichförmig verhalten und auf einen offensiven Parametereinsatz und kurzfristige individuelle Vorteile verzichten, weil dies für alle längerfristig profitabler ist. Die Höhe der Wahrscheinlichkeit, daß es in einem oligopolistischen 190 Nach Ansicht von Kantzenbach, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S. 116, erfüllt die Kapitalverflechtung zwischen „Marktpartnern mit hoher Interdependenz" eine ähnliche Funktion wie die Konventionalstrafe im Kartellvertrag, da hierdurch der Vorteil verringert wird, den ein Partner durch wettbewerbliches Vorgehen erzielen könnte. 191 Vgl. Jones/Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 175; Briones, ECLR 1995, 334, 338 f.; Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 107; Zu eng dagegen Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 305, die nur auf gesellschaftsrechtliche Verflechtungen abstellen, die eine Interessenkoordinierung „bewirken".
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
227
Markt zu einer stabilen Kollusion kommt, hängt vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren ab, die sich wechselseitig auf verschiedenen Ebenen der Wirkungskette beeinflussen. Die gegenteilige Ansicht, die das Bestehen von strukturellen Verbindungen zwischen den Oligopolisten als notwendige Voraussetzung für eine Oligopolmarktbeherrschung ansieht, stellt insoweit einseitig auf die eine gegenseitige Kontaktaufnahme voraussetzenden Formen der expliziten Kollusion ab und verkennt damit die realen Wirkungszusammenhänge und eigentlichen wettbewerblichen Gefahren in Oligopolsituationen.
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission hat in ihrer fusionskontrollrechtlichen Praxis von Anfang an deutlich gemacht, daß strukturelle Verbindungen zwischen den Oligopolisten weder eine notwendige Bedingung, noch für sich allein eine unwiderlegbare Vermutung für eine oligopolistische Marktbeherrschung darstellen. 192 Nachdem der Gerichtshof in der Sache Kali + Salz/Mdk/Treuhand noch eine klare Stellungnahme zur Frage der Notwendigkeit struktureller Verbindungen vermieden hatte, hat das Gericht erster Instanz in der Sache Gencor/Lonrho nunmehr ausdrücklich klargestellt, daß Verbindungen struktureller Art kein notwendiges Kriterium für die Feststellung des Vorliegens einer Oligopolmarktbeherrschung sind. 193 Die Kommission ist in ihrer neueren Praxis dazu übergegenagen, die Problematik der wettbewerblichen Beurteilung von strukturellen Verbindungen nur noch dann explizit anzusprechen, wenn solche auch tatsächlich vorhanden sind. 194 Grundsätzlich beurteilt die Kommission strukturelle Verbindungen verschiedenster Art zwischen den wenigen großen Anbietern eines Marktes als einen Umstand, der für die Annahme einer oligopolistischen Marktbeherrschung spricht, da diese die Oligopolisten zu gegenseitiger Rücksichtnahme veranlassen, unternehmensstrategische Entscheidungen erkennbar machen und Gegenstand potentieller Vergeltungsmaßnahmen sein können. 195 In der Praxis ist die Kommission hiervon kon192 Vgl. Kommission 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 305; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 286. Zur abweichenden Praxis der Kommission im Rahmen des Art. 82 EGV vgl. ausführlich oben 4. Kapitel, I., 2., a). 193 EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 273-277. 194 Vgl etwa Kommission v. 22. 11. 1999 COMP/M. 1681 Akzo Nobel/Hoechst Roussel VET, Tz. 37. In der Entscheidung v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55, sah sich die Kommission noch dazu veranlaßt zu erläutern, warum sie trotz Fehlens struktureller Verbindungen von einer möglichen oligopolistischen Marktbeherrschung ausgehe. In der Entscheidung v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 54, 55, führte die Kommission dagegen das Fehlen jeglicher struktureller Verbindungen zwischen den Oligopolisten, wie gemeinsame Forschung und Entwicklung oder Vertriebsvereinbarungen als einen Umstand an, der gegen oligopolistische Marktbeherrschung spreche. 195 Vgl. Kommision ν 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, 1*
Tz. 480.
228
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
kret ausgegangen, wenn die Mitglieder eines Oligopois Gemeinschaftsunternehmen betrieben, 1 9 6 gegenseitige Minderheitsbeteiligungen hielten, 1 9 7 durch Lizenzvereinbarungen verbunden w a r e n 1 9 8 oder andere Kooperationsformen existierten, wie Unterauftrags vergaben an andere Oligopolmitglieder, 1 9 9 ein gemeinsamer Betrieb von Kraftwerken, 2 0 0 oder eine Zusammenarbeit i m Marketing- und Vertriebsbereich. 201 Die Kommission berücksichtigt aber auch qualitativ schwächere Verflechtungsformen. 202 So fand sie es in der Entscheidung Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand schon wettbewerblich bedenklich, daß alle sechs großen Anbieter von Wirtschaftsprüfungsdienstleistungen in den gleichen Standesorganisationen vertreten waren. 2 0 3 Hierzu stellte die Kommission fest, daß die Vertreter der sechs Unternehmen i m Rahmen dieser Organisationen regelmäßig zusammentref196 Kommision v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 97; v. 9. 3. 1999 I V / M. 1313 Danish Crown/Vestjyske Slagterier, ABl. 2000 L 20/1, Tz. 177; ν 29. 9. 1999 I V / M. 1383 Exxon/Mobil Tz. 480; v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens /Philips, Tz. 56; Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 59. 197 Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 78; v. 29. 7. 1994 I V / M . 442 ELFAtochem/ Rutgers, MCR 1549, Tz. 3, 55; v. 24. 4. 1996 I V / M. 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 155 ff.; v. 10. 11. 1997 I V / M . 1001/1019 Preussag/Hapag-Lloyd - Preussag/TUI, MCR 3555, Tz. 51 f. 198 Kommission v. 25. 9. 1992 I V / M . 258 CCIE/GTE, MCR 891, Tz. 25; v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 56. 199 Kommission v. 18.10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11/1, Tz. 125. 200 Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 76. 201 Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 37. 202 Vgl. zur besonderen Bedeutung personeller Verflechtungen zwischen Oligopolisten die Entscheidung der Kommission v. 2. 6. 1998 I V / M . 1080 Thyssen/Krupp, WuW EU-V 74, Tz. 33. Auf dem betroffenen Markt für Rolltreppen war eines der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen mit 10% am Kapital eines seiner Konkurrenten beteiligt (verbunden mit einem Vorverhandlungsrecht zum Erwerb weiterer Anteile) und hatte zudem das Recht, einen Posten in dessen Verwaltungsrat zu besetzen. Gleichzeitig unterhielten beide Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen. Die Kommission sah durch den Verwaltungsratssitz die Gefahr gegeben, daß das Unternehmen Zugang zu wettbewerblich relevanten Infomationen über die zukünftige Geschäftspolitik des Konkurrenten erhalten könnte, insbesondere über Geschäftsstrategien, Produktentwicklungen und das operative Geschäft. Nach Ansicht der Kommission hätte es dadurch zu gegenseitigen Rücksichtnahmen zwischen beiden Unternehmen und einem Parallelverhalten im Wettbewerb kommen können. Obwohl neben den verflochtenen Unternehmen nur noch zwei gleichgroße Anbieter auf dem Markt vertreten waren und noch ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen bestand, prüfte die Kommission lediglich auf eine mögliche Einzelmarktbeherrschung. Die beteiligten Unternehmen konnten im Ergebnis die wettbewerblichen Bedenken der Kommission durch den Verzicht auf den Verwaltungsratssitz und das Vorverhandlungsrecht ausräumen. Unverständlich ist jedoch, warum die Kommission trotz deutlicher marktstruktureller Anhaltspunkte eine mögliche Marktbeherrschung durch ein (homogenes) Viereroligopol unberücksichtigt ließ. 203 Vgl. Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 78 f., 101.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
229
fen würden und dabei gemeinsame Verhaltensregeln und Standards diskutierten und festlegten, was in der Praxis zur Bildung einer oligopolistischen Marktbeherrschung unter ihnen beitragen könne. Diese kritische Haltung der Kommission auch gegenüber scheinbar unbedeutenden Verbindungen zwischen den Oligopolisten verdient Zustimmung. Denn für das Zustandekommen einer Kollusion bestehen immer dann besonders günstige Voraussetzungen, wenn die betreffenden Anbieter bereits über eine gemeinsame Branchenorganisation verfügen. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um eine gut funktionierende Branchenorganisation handelt, deren Organe Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen haben, was häufig der Fall ist, wenn die Organisation auf politischer Ebene Wesentliches bewirken will. Da die Unternehmen in solchen Fällen über Vertreter in den Gremien des Verbandes verfügen, bestehen hier Kommunikationswege zwischen den Oligopolisten, die eine Kollusion erleichtern können. 204 Außergewöhnlich enge und langjährige strukturelle Verbindungen zwischen den zwei mit Abstand größten Anbietern von Kaliprodukten waren in der Auflagenentscheidung Kali + Salz/MdK /Treuhand der entscheidende Faktor für die Annahme einer dyopolistischen Marktbeherrschung durch die Kommission. 205 Die beiden betreffenden Unternehmen betrieben ein gemeinsam kontrolliertes Gemeinschaftsunternehmen auf einem geographischen Drittmarkt (Kanada), dessen Produkte sie auch gemeinsam vermarkteten. Daneben arbeiteten sie in einem Exportkartell zusammen, das die Kaliausfuhren der europäischen Kaliproduzenten in Länder außerhalb der Gemeinschaft koordinierte. Zudem bildeten beide Unternehmen auf dem französischen Markt eine Vertriebsgemeinschaft mit langjährigen Lieferbeziehungen. Die Kommission sah den Grund für die Annahme eines fehlenden wirksamen Wettbewerbs zwischen den beiden Unternehmen dann auch hauptsächlich in diesen Verbindungen und genehmigte den Zusammenschluß nur unter der Bedingung, daß alle genannten Verbindungen zwischen den Unternehmen gelöst werden. In Ihrer Entscheidung begnügte sich die Kommission allerdings mit der bloßen Darstellung der verschiedenen Verflechtungen, ohne deren konkrete Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhalten der Unternehmen zu analysieren. Der Europäische Gerichtshof hob die Entscheidung der Kommission später wieder auf, wobei er der Kommission insbesondere in Bezug auf die Bewertung der Verflechtungen widersprach. Nach Ansicht des Gerichtshofes hatte die Kommission das zwischen den Unternehmen bestehende „Gewebe der strukturellen Verflechtungen ( . . . ) insgesamt nicht so dicht und nicht so schlüssig erwiesen", wie sie es behauptet hatte. 204 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 49, die zudem auf die Verringerung von Cheating-Anreizen durch Branchenorganisationen hinweisen. So ist es für ein Unternehmen möglicherweise bedeutsam, vom Branchenverband Informationen zu erhalten oder bei einzelnen Problemen vom Verband vertreten zu werden, was eventuell durch die Einnahme von Cheating-Positionen gefährdet wird. Außerdem kann bei typischen brancheninternen Rekrutierungen die Karriere eines Managers davon abhängen, daß er in der sozialen Gruppe der Branche akzeptiert ist. 205 Vgl. Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/Mdk/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 58-61.
230
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Als ungenügend sah es der Gerichtshof vor allem an, daß sich die Kommission mit der Feststellung begnügt hatte, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Zusammenarbeit der Unternehmen auch indirekte Rückwirkungen auf das Wettbewerbsverhalten der Mitglieder in der Gemeinschaft haben könne. Notwendig sei vielmehr das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges zwischen der Verflechtung und dem wettbewerbswidrigen Verhalten auf dem relevanten Markt. 2 0 6 Was genau der Gerichtshof mit diesem Kausalzusammenhang gemeint hat, bleibt in dem Urteil jedoch unklar. Bei der im Rahmen der Fusionskontrolle gebotenen zukunftsorientierten Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf einem Oligopolmarkt kann es jedoch verständigerweise nicht auf einen kausalen Zusammenhang zwischen vorhandenen Verflechtungen und einem früheren kollusiven Verhalten der Unternehmen ankommen. Insoweit ist allein entscheidend, ob durch die Verbindungen eine Informationsinfrastruktur zwischen den Oligopolisten geschaffen oder verbessert wird. Auf einen Kausalzusammenhang kommt es erst bei der Frage an, ob eine festgestellte Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auch durch den angemeldeten Zusammenschluß verursacht wurde. Eine eher unbedarfte Haltung gegenüber oligopolistischen Verflechtungen nahm die Kommission dagegen in der Entscheidung Pilkington Techint /SIV ein. 2 0 7 Zwischen den fünf größten Herstellern von Floatglas in der Gemeinschaft bestanden seit langem Querlieferbeziehungen und eine Reihe von Produktlizenzvereinbarungen. Zudem unterhielten mehrere Oligopolisten Gemeinschaftsunternehmen sowohl auf dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt als auch im Bereich der Forschung und Entwicklung. 208 Die Kommission bewertete die Querlieferungen im Hinblick auf eine oligopolistische Marktbeherrschung als unbedenklich, da diese durch rein technische Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gerechtfertigt seien. 2 0 9 Auch in einem Produktionsgemeinschaftsunternehmen sah die Kommission keine Gefährdung wirksamen Wettbewerbs, da dessen Produktion nur 2% des EGweiten Umsatzes ausmachte.210 Ob die Kommission mit dieser Einschätzung den tatsächlichen Auswirkungen der Verflechtungen gerecht geworden ist, muß jedoch bezweifelt werden. So hat sich die Kommission in diesem Fall wieder einmal darauf beschränkt, Verflechtungen aufzuzeigen, ohne deren mögliche Auswirkungen 206 Vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998 I, 1453, Tz. 228 ff. 207 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 38 ff. 208 Zur besonderen wettbewerblichen Gefährlichkeit von Forschungs und EntwicklungsKooperationen zwischen Oligopolisten vgl. Meyer, WuW 1993, 193, 203, m. w. N. in Fn. 59. 209 Nach den Feststellungen der Kommission in der Entscheidung v. 21. 12. 1993 I V / M. 358 Pilkington Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 39, war es für einen Flachglashersteller wirtschaftlicher, bei einer Bestellung kleiner Mengen einer speziellen Rachglassorte, die er gerade nicht produzierte, dieses Glas von einem anderen Hersteller zu beziehen, als seine eigene Produktion zu unterbrechen und auf diese Glassorte umzustellen, wodurch ihm erhebliche Kosten entstehen würden. 210
Vgl. Kommission 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 316.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
231
auf die Kollusionswahrscheinlichkeit zu analysieren. Somit bleibt völlig unberücksichtigt, daß sowohl Lieferbeziehungen als auch Gemeinschaftsunternehmen dazu beitragen können, Informationsdefizite bezüglich der Wettbewerbsstrategien der beteiligten Konkurrenten zu verringern. Bedenklich erscheint vor allem die schnelle und unkritische Rechtfertigung der Querlieferungen mit den wirtschaftlichen Erfordernissen des Marktes. Derartige Konkurrentenlieferungen sind ein wirksames Mittel zur Stärkung der Solidarität im Oligopol und signalisieren dem belieferten Wettbewerber eine friedliche Gesinnung und den Wunsch nach Berechenbarkeit. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat ein Unternehmen normalerweise kein Interesse daran, seine Waren an seine Konkurrenten zu verkaufen. Es kann höhere Erlöse erzielen, wenn es unmittelbar an Händler bzw. Verbraucher liefert und die Lieferunfähigkeit der anderen Hersteller ausnutzt, um seinen eigenen Umsatz zu steigern. Häufige Konkurrentenlieferungen auf einem Markt führen auch zu einer deutlichen Verringerung der Cheating-Anreize, insbesondere dann, wenn sich die Unternehmen abwechselnd beliefern. Es versteht sich quasi von selbst, daß das auf Querlieferungen angewiesene Unternehmen die Endpreise des Lieferanten beim Weiterverkauf der bezogenen Waren nicht unterbieten wird. Insoweit besteht eine glaubwürdige und empfindliche Bestrafungsdrohung, im Fall eines Cheatings die Lieferungen einzustellen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Vielzahl der Verflechtungen wäre daher in diesem Fall eine eingehendere Analyse der Auswirkungen der Verflechtungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit notwendig gewesen.211
4. Die Markttransparenz
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die bei der Untersuchung der Kollusionsgefahr vordringlich interessierende Form der impliziten Kollusion erfaßt im weitesten Sinne alle Verhaltensweisen von Unternehmen, die in Kenntnis ihrer Reaktionsverbundenheit auf offensiven Parametereinsatz und kurzfristige individuelle Vorteile verzichten, weil dies längerfristig für alle Anbieter profitabler ist. Für das Zustandekommen einer impliziten Kollusion ist es daher unabdingbar, daß es für die Unternehmen überhaupt möglich ist zu erkennen, daß ein kollusives Verhalten vorteilhaft und durchführbar ist, ein wettbewerbliches Verhalten dagegen keinen Gewinn verspricht, weil jede Veränderung eines Aktionsparameters bei den Konkurrenten zu einer spürbaren 211 Eine ähnlich kritiklose Haltung gegenüber Konkurrentenlieferungen nahm die Kommission in der Entscheidung v. 14. 2. 1995 I V / M . 477 Mercedes-Benz/Kässbohrer, ABl. 1995 L 211 /1, Tz. 104, im Hinblick auf wirtschaftliche Verbindungen zwischen zwei Oligopolisten eines Dreieroligopols ein. Obwohl der eine Oligopolist für seine Busproduktion auf die Lieferung von Motoren durch den anderen Oligopolisten angewiesen war, beschränkte sich die Kommission auf den Hinweis, daß die wirtschaftliche Bedeutung von Motoren für einen Gesamtbus beschränkt sei.
232
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Veränderung ihrer Absatzmöglichkeiten führt und sie somit zu einer Reaktion in ihrem Marktverhalten veranlaßt. Eine grundlegende Voraussetzung dafür, daß die Anbieter die oligopolistische Interdependenz und ihre Reaktionsverbundenheit durchschauen und deren negativen Effekte auf ihr Wettbewerbsverhalten erkennen können, ist eine hinreichend hohe Markttransparenz. 212 Unter Markttransparenz wird allgemein die Uberschaubarkeit aller Marktdaten aller Marktbeteiligten verstanden, insbesondere in bezug auf die Aktionsparameter, das Verhaltens der einzelnen Anbieter und Nachfrager sowie aller sonstigen relevanten Daten wie ζ. B. gesetzlicher Vorschriften. 213 Von vollkommener Markttransparenz spricht man, wenn alle Wirtschaftssubjekte über alle wesentlichen Marktinformationen verfügen, während eine völlige Marktintransparenz besteht, wenn die Wirtschaftssubjekte keinerlei Informationen hinsichtlich des Marktgeschehens haben. Diese beiden Grenzfälle sind allerdings in der wirtschaftlichen Realität nicht zu erreichen. 214 Vielmehr herrscht meist eine mehr oder weniger unvollkommene Markttransparenz in der die Akteure Vorstellungen über Wahrscheinlichkeitsverteilungen bezüglich der relevanten Konkurrenzreaktionen, des Preisniveaus, der Kapazitäten etc. besitzen. Da jeder Markt aus zwei Seiten, einer Angebots- und einer Nachfrageseite besteht, bedarf die Markttransparenz einer entsprechend differenzierten Betrachtung. 215 Die horizontale Marktransparenz auf Seiten der Anbieter führt dazu, daß diese in der Lage sind, ihre Reaktionsverbundenheit zu identifizieren. Eine relativ hohe horizontale Markttransparenz ist daher Voraussetzung für das Zustandekommen einer impliziten Kollusion. 216 Die vertikale Markttransparenz auf der Marktgegenseite ist dagegen erforderlich, damit die Verbraucher sich einen Uberblick über die verschiedenen Angebote verschaffen und das vorteilhafteste Angebot (bester Preis, beste Qualität etc.) auswählen können. Eine hohe vertikale Markttransparenz wirkt daher grundsätzlich wettbewerbsfördernd. Fast immer wird jedoch die horizontale Markttransparenz weit höher sein als die vertikale. 217 Insgesamt handelt es sich daher bei der Markttransparenz um eine wettbewerblich ambivalente Größe. 218
212 Vgl. Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 127 ff.; Briones, ECLR 1995, 334, 342; Jones/ Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 175; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 95, und Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 310: „Maximum knowledge of rivals actions provides an exceptionally favourable environment for tacit collusion." 2 13 I. Schmidt, WuW 1963, 99 m. w. N. in Fn. 2. 2 14 Vgl. nur Brandt, ZHR 127 (1965), 201, 202. Die vollkommene Markttransparenz geht jedoch als Prämisse in das volkswirtschaftliche Gleichgewichtsmodell der vollständigen Konkurrenz ein. Vgl. hierzu /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 5 ff. 215
Vgl. hierzu und zum folgenden Woll, in: Festschrift für Theodor Wessels, 199, 205 ff. Anders als in oligopolistischen Märkten wird vielfach davon ausgegangen, daß eine Verbesserung der Markttransparenz in polypolistischen Märkten als wettbewerbsfördernd angesehen werden muß. Vgl. hierzu Brandt, ZHR 127 (1965), 201, 203 ff. ™ Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 569. 216
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
233
Eine hohe horizontale Markttransparenz ist nicht nur für das Zustandekommen einer impliziten Kollusion erforderlich, sondern sie wirkt sich auch gleichzeitig auf deren Stabilität aus. Desto durchsichtiger ein Markt in Bezug auf Preise, Absatz, Nachfrage und Produktion ist, desto leichter ist es für die Oligopolisten, ihr Marktverhalten gegenseitig zu überwachen, um festzustellen, ob die anderen Teilnehmer die Kollusion einhalten. Aufgrund der schnellen Reaktionsfähigkeit der Konkurrenten wird das Ausbrechen einzelner Anbieter aus der bestehenden Kollusion schwieriger. Der Anreiz zum Cheating hängt wesentlich davon ab, daß aufgrund einer gewissen Marktintransparenz beim Einsatz der unternehmerischen Aktionsparameter eine zeitliche Verzögerung (detection lag) zwischen einem wettbewerblichen Vorstoß und dem Nachziehen der Konkurrenten bzw. deren Vergeltung besteht. Erst wenn das Nachziehen der Konkurrenten und damit die Neutralisierung der Wirkung der Aktion für den betreffenden Anbieter nicht zu schnell erfolgt, lohnt sich Cheating überhaupt. Dies ist dann der Fall, wenn die Marktverhältnisse relativ undurchsichtig sind, so daß die Konkurrenten längere Zeit brauchen, um sich über die Gründe für ihre Marktanteilsverluste klar zu werden und den Herausforderer zu identifizieren. Insoweit vermindert eine hohe Markttransparenz die individuellen Vorteile eines Wettbewerbsvorstoßes wesentlich und erhöht das Risiko einer Entdeckung von Cheating. Aus demselben Grund wirkt die Markttransparenz auch als „vertrauensbildende Maßnahme" und erhöht so die Attraktivität und Stabilität bestehender Kollusionen. 219 Darüber hinaus erleichtert eine hohe Markttransparenz natürlich auch das Zustandekommen einer stabilen expliziten Kollusion. Bei einer relativ hohen Markttransparenz sind die Anforderungen an die Abstimmungsintensität entsprechend geringer, so daß es für ein explizit kollusives Verhalten nicht unbedingt einer vertraglichen Vereinbarung bedarf, sondern bereits eine Verhaltensabstimmung zwischen den Unternehmen ausreichend sein kann. 220 Dadurch reduzieren sich die Abstimmungskosten im Oligopol und das Risiko einer Entdeckung der expliziten Kollusion durch die Kartellbehörden vermindert sich.
218 Vgl. Woll, in: Festschrift für Theodor Wessels, 199, 203: „Die Markttransparenz ist ein zweischneidiges Instrument der Wirtschaftspolitik; in bestimmten Fällen würde eine Verbesserung der Markttransparenz die Wettbewerbsintensität erhöhen, in anderen vermindern." 219 Vgl. Woll, in: Festschrift für Theodor Wessels, 199, 211 ff.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, 310 f.; Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 185; Briones, ECLR 1995, 334, 342; Salque, RMUE 1996, 107, 130 f.; Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 127 ff. Die Auffassung von Höf er, a. a. O., S. 127-160, wonach es sich bei der „kollusiven Transparenz" um die zentrale Größe handeln soll, auf die sich alle anderen Determinanten zurückführen lassen, ist jedoch zu weit. Wie bereits mehrfach gezeigt, wird die Kollusionswahrscheinlichkeit durch das Zusammenwirken vieler Faktoren beeinflußt, so daß auch das Durchschauen der oligopolistischen Interdependenz für sich allein nicht für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Kollusion ausreichend sein kann. 220 Vgl. Höfer, S. 127.
Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik,
234
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
b) Die Determinanten der Markttransparenz Auf oligopolistischen Märkten herrscht schon ex definitione aufgrund der geringen Anbieterzahl eine erhöhte horizontale Markttransparenz. Denn bei einer Vielzahl von Anbietern ist es für den einzelnen Konkurrenten schon aufgrund der Marktmorphologie schwierig, die Auswirkungen seines eigenen Vorstoßes auf dem Markt und die Handlungen der Mitkonkurrenten zu erkennen und damit die Reaktionsverbundenheit zu durchschauen. 221 Darüber hinaus kann die Durchsichtigkeit eines Oligopolmarktes noch durch weitere Faktoren verstärkt werden, die somit bei der Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen sind. Ganz allgemein wird die Transparenz eines Marktes durch alle strukturellen Merkmale bestimmt, die den Anbietern Informationen über das wettbewerbliche Verhalten ihrer Konkurrenten vermitteln. Dabei kommt es zunächst darauf an, inwieweit Informationen über erzielbare Preise, abgesetzte Mengen, Kosten und getätigte Investitionen für die Oligopolisten verfügbar sind. Ebenso wichtig ist jedoch, ob die Marktbedingungen es ermöglichen, daß die Anbieter ihren Konkurrenten die von ihnen verfolgte Wettbewerbsstrategie signalisieren können. Denn die „sichtbare" Festlegung auf ein bestimmtes Marktverhalten wird die übrigen Oligopolisten eher veranlassen, ihre Wettbewerbsstrategien entsprechend darauf auszurichten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, ob zwischen den Oligopolisten strukturelle Verbindungen bestehen.222 Bei der Untersuchung des Transparenzgrades auf einem oligopolistischen Markt ist es von besonderer Bedeutung, ob die Anbieter institutionelle Rahmenbedingungen zur Verbesserung des Informationsflusses geschaffen haben. Alle dazu verwendeten Formen organisierter künstlicher Markttransparenz zwischen Konkurrenten bezeichnet man als Marktinformationsverfahren. 223 Die Erscheinungsformen sind vielfältig. Zu den Marktinformationsverfahren gehören insbesondere Preismeldesysteme, Marktstatistiksysteme, Verbandsstatistiken, Investitionsmeldestellen und Angebotsmeldeverfahren. Ein besonders wirksames Instrument zur Steigerung der Markttransparenz sind die sogenannten identifizierenden Preismeldesysteme (open-price-systems), die dadurch gekennzeichnet sind, daß sich hiermit Konkurrenten untereinander regelmäßig über eine Preismeldestelle mitteilen, zu welchen Preisen und Bedingungen sie mit welchen Abnehmern bestimmte Geschäfte abgeschlossen oder Angebote abgeben haben. Die (bezweckte) kollusionsstabilisierende Folge dieses Systems ist, daß jedes Cheating durch heimliche Preiszugeständnisse und Rabatte den anderen Teilnehmer des Preisinformationssystems sofort bekannt wird und sogleich mit Gegenreaktionen beantwortet werden kann. 221 Vgl. zur Bedeutung der Höhe des Konzentrationsgrades für die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 1., a). 222 Vgl. ausführlich zur Bedeutung struktureller Verbindungen für die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 3. 22
3 Vgl. hierzu ausführlich Woll, in: Festschrift für Theodor Wessels, 199, 201 f.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
235
Marktinformationssysteme fördern aber nicht nur die Stabilität, sondern auch schon das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen, indem sie das Gruppenbewußtsein und die Vertrautheit der Unternehmen untereinander stärken. Unabhängig davon, ob die einzelnen Formen von Marktinformationsverfahren nun für sich genommen schon eine tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung i m Sinne von Art. 81 Abs. 1 EGV darstellen oder nicht, begründen sie stets Kommunikationsstrukturen zwischen den Oligopolisten, die dazu beitragen können, Informationen über das wettbewerbliche Verhalten der Konkurrenten zu transportieren. 224 Das Vorhandensein von Marktinformationsverfahren auf einem Oligopolmarkt läßt somit auf eine erhöhte Kollusionsgefahr schließen. 2 2 5 Die Verwendung von Preislisten kann eine vergleichbare Wirkung auf die Markttransparenz haben wie institutionelle Marktinformationsverfahren. 226 Veröffentlichen die Oligopolisten Preislisten anstatt ihren Abnehmern die Preise einzeln mitzuteilen, so können sie sich relativ schnell einen Uberblick über die Preise ihrer Konkurrenten verschaffen. 227 Handelt es sich bei den angebotenen Waren um homo224 Ob Marktinformationsverfahren gegen das Kartellverbot verstoßen, weil der Informationsaustausch unter den Wettbewerbern zu einer Wettbewerbsbeschränkung führt, ist seit langem umstritten. Teilweise wurde vertreten, daß selbst Preisinformationsverfahren keine Wettbewerbsbeschränkung bewirkten, weil die Vertragspartner in ihrer Preisgestaltung frei blieben und auf diese Weise eine unlautere Ausspielung durch die Marktgegenseite verhindert werde; so u. a. Müller/Giessler/Scholz, Wirtschaftskommentar GWB, § 1 RdNr. 139; Behrens, WRP 1969, 137, 142. Heute wird überwiegend differenzierend auf die konkreten Erscheinungsformen abgestellt. Insbesondere identifizierende Preismeldesysteme führen danach zu einer Wettbewerbsbeschränkung, indem sie das unternehmerische Aktionsparameter „Geheimwettbewerb" ausschließen mit der Folge einer Stabilisierung und Vereinheitlichung des Preisniveaus; vgl. Säcker, BB 1967, 1026; Bunte, in: Langen/Bunte, GWB, § 1 RdNr. 286 ff. Nichtidentifizierende Preismeldesysteme werden dagegen als unbedenklich angesehen, wenn lediglich Höchst- und Mindestpreise oder Durchschnittspreise genannt werden und wenn ein Rückschluß auf einzelne Geschäfte ausgeschlossen ist; vgl. Albers, CR 1987, 753, 758; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 RdNr. 394 f., Kommission, 7. Bericht über die Wettbewerbspolitik, 1978, Tz. 7; 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 144. 225 Vgl. Shapiro, in: Schmalensee / Willig, Handbook of Industrial Organization, 330, 373; Salop, in: Stiglitz / Mathewson, New Developments in the Analysis of Market Structure, 265, 271 f.; Kaufer, Industrieökonomik, S. 237. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, GWB (2. Aufl.), § 1 RdNr. 488, weist daher zutreffend darauf hin, daß die für den Wettbewerb schädliche Wirkung von Marktinformationsverfahren am größten ist, „soweit es sich um einen oligopolistischen Markt homogener Güter handelt, da hier ohnehin bereits eine gewisse Gleichförmigkeit im wettbewerblichen Verhalten gegeben ist." 226
Vgl. hierzu Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 145; Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 245. 227 Wenig beachtet wird, daß die Unternehmen auch durch die Preisfestsetzung selbst ihren Konkurrenten die von ihnen verfolgte Preisstrategie signalisieren können. Ein häufige Methode ist das sogenannte „price lining", bei dem der Preis eines Produktes auf einen traditionell akzeptierten Preispunkt (odd pricing point) festgesetzt wird, wie 9, 99 oder 19,95. Über einen solchen Preis wird gewöhnlich nicht mehr verhandelt und die Konkurrenten werden ermutigt, der Preisfestsetzung zu folgen. Preispunkte wie 1013, 73 oder 207,25 signalisieren dagegen, daß man bereit ist eine entsprechende Abrundung des Preises auf einen „glat-
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
gene Produkte, sind die Preislisten ähnlich aufgebaut und werden die Nettopreise genannt, so ist die transparenzsteigernde Wirkung besonders groß. Bruttopreislisten lassen dagegen grundsätzlich verdeckte Preiszugeständnisse in Form von Rabatten zu. Werden in diesen Fällen allerdings, wie in der Realität häufig zu beobachten, einheitlich gerundete Preisnachlässe als Prozentsatz der Listenpreise gewährt (z. B. 5% oder 10%), so verbessern auch Bruttopreislisten die Informationsinfrastruktur. 228 Eine besonders hohe Marktdurchsicht wird erreicht, wenn es auf einem Markt üblich ist, die Notierungen einer Börse als Grundpreis zu übernehmen. Dabei kann der Börsenpreis selbst schon die Festschreibung eines Kollusionspreises sein, wobei Kursschwankungen nur Veränderungen des Gesamtangebots bzw. der Gesamtnachfrage wiederspiegeln. Einen spürbaren Einfluß auf die Markttransparenz hat auch die Auftragsquantität. Auf Märkten mit vielen kleinen und häufigen Aufträgen stehen die Anbieter in ständigem Kontakt mit den Nachfragern und werden so regelmäßig darüber informiert, zu welchen Preisen ihre Konkurrenten anbieten. Die Unternehmen entwickeln eine „market intelligence", 229 die es ihnen ermöglicht, ein Cheating ihrer Konkurrenten frühzeitig zu erkennen. Kommen jedoch auf einem Markt nur relativ wenige unregelmäßige große bzw. langfristige Aufträge mit einer geringen Anzahl von Großabnehmern vor, so werden die Anbieter anstatt einen bestimmten Listenpreis zu veröffentlichen, meist mit jedem Kunden die Preise und Konditionen individuell aushandeln. Der Markt ist hier entsprechend undurchsichtig. Schließlich ist auch die Marktphase bei der Untersuchung der Markttransparenz zu berücksichtigen. Denn während der Marktentwicklung finden Lernprozesse statt, die im Zeitablauf immer mehr zu einer Erhöhung der Markttransparenz beitragen. Die Anbieter lernen aufgrund ihrer Erfahrungen, so daß mit fortschreitender Marktentwicklung in aller Regel eine Identifikation des Ursache-WirkungsZusammenhangs beim Einsatz der unternehmerischen Aktionsparameter stattfindet. 230
ten Betrag" vorzunehmen; vgl. hierzu ausführlich Scherer/Ross, Industrial Market Strukture and Economic Performance, S. 265 f.: „In setting price at a focal point, one in effect asks rhetorically, „If not here, where?" - implicitly warning rivals of the danger of downward spiraling". 228
Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 153, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Listenpreis einen Berührungspunkt darstelle, und der gerundete Preisnachlaß den Wettbewerbern signalisiere: „Ich möchte keinen Preiskrieg auslösen und will den Berührungspunkt weiter respektieren, aber in diesem Sonderfall muß ich den Preis senken." Dadurch erhalten die Preisnachlässe eine natürliche Untergrenze und verhindern eine Spirale ständig zunehmender Preisunterbietung. 229 Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 246. 2 30 Vgl. ausführlich zur Bedeutung der Marktphasen für die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 6.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
237
c) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Markttransparenz ist in der Rechtspraxis der Kommission ein wichtiger und häufig untersuchter Faktor. 231 Die Kommission begründet dies damit, daß es einem Unternehmen in einem transparenten Markt leichter fällt, die Maßnahmen seiner Wettbewerber zu verfolgen und seine eigenen Entscheidungen daran auszurichten, wodurch ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten vereinfacht wird. 2 3 2 Bei einer hohen Durchsichtigkeit des Marktes hätten die Anbieter die Möglichkeit sich gegenseitig zu überwachen und könnten sehr schnell herausfinden, wenn ihre Konkurrenten ein stillschweigend vereinbartes Preisgebahren aufgeben, indem sie ihre Preise senken, um größere Liefermengen auf den Markt zu bringen. 233 Auch das Gericht erster Instanz sieht die Markttransparenz, insbesondere in preislicher Hinsicht, als ein wichtiges Kriterium zur Feststellung oligopolistischer Marktbeherrschung an. Über den Preismechanismus könnten die Oligopolisten die Entscheidungen der anderen Oligopolisten, ihre Marktanteile zu Lasten des Status quo ante zu erhöhen, sofort erkennen und unter Umständen die notwendigen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, um dieses Verhalten scheitern zu lassen.234 Bei der Untersuchung der Markttransparenz konzentriert sich die Kommission im wesentlichen auf die Analyse von Faktoren, die den Oligopolisten Informationen über Preise und Umsätze ihrer Konkurrenten verschaffen können. In der Entscheidung Nestlé /Perrier war der Markt für Mineralwasser nach Ansicht der Kommission in einem so hohen Maße transparent, daß dadurch eine stillschweigende Koordinierung der Preispolitiken zwischen den Anbietern erleichtert würde. 2 3 5 Die Oligopolisten hatten hier mehrere „Instrumente zur Markttransparenz" entwickelt, die eine gegenseitige Kontrolle und Verfolgung des Marktverhaltens erlaubten. So veröffentlichten sie vergleichbare Preislisten einschließlich der Basis-Mengenrabatte und teilten einer Meldestelle ihre monatlichen Verkaufszahlen mit, von der sie dann Angaben über die monatlichen Verkaufsmengen der anderen Anbieter erhielten. Alle Oligopolisten belieferten schließlich die gleichen Kunden, so daß ein umfänglicher Informationsrückfluß gewährleistet war. Die Freigabe des Zusammenschlusses erfolgte u. a. letztlich nur unter der Auflage, diese transparenzsteigernden Marktinformationsverfahren aufzulösen. 236 231 Vgl. Kommission, 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 307; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 286 sowie Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, S. 142 f. 232 Kommission v. 24.4.1996 IV/M.619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 143 ff.; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 235,474. 233 Kommission v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 95; v. 18. 1. 2000 COMP/M. 1630 Air Liquide/BOC, Tz. 279; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 474; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 80 ff.; v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue, Tz. 149. 234 EUG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 227. 235 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 61,121 f.
238
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Der wichtigste Indikator, aus dem die Kommission auf eine hohe Markttransparenz schließt, ist die Verwendung von öffentlichen Preislisten durch die Oligopolisten. 237 In der Entscheidung Mannesmann/Vallourec/Ilva hatten alle Unternehmen den Aufbau ihrer Preislisten an das Muster eines Wettbewerbers angepaßt und die Veröffentlichungsdaten aller Preislisten lagen jeweils nahe beieinander. Obwohl die Listen keine Rabatte enthielten, konstatierte die Kommission, daß hierdurch die Transparenz noch weiter verstärkt werde und die Marktteilnehmer in die Lage versetze, die Preise aller übrigen Wettbewerber genau zu kennen. 238 Zutreffend sieht es die Kommission auch als förderlich für die Durchsichtigkeit eines Marktes an, wenn Branchenverbände Marktstatistiken und -Studien veröffentlichen, 239 wenn Preismeldesysteme die wöchentlichen Einkaufspreise veröffentlichen 240 oder das von den Oligopolisten angebotene Produkt an einer Börse gehandelt wird, mit der Folge, daß die dort gehandelten Preise und Mengen öffentlich bekannt sind. 241 Eine fehlende ausreichend hohe Markttransparenz war dagegen in mehreren Entscheidungen mitentscheidend für die Ablehnung einer oligopolistischen Marktbeherrschung. 242 Dabei stellte die Kommission insbesondere darauf ab, daß die Verträge und Preise mit den Kunden jeweils individuell ausgehandelt wurden, 243 236 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 136. 237 Vgl. Kommission v. 4. 2. 1998 I V / M . 1044 KP MG / Ernst & Young, Tz. 82, sowie Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 100: transparenzsteigernde Wirkung durch die Veröffentlichung der Stundensätze für Beratungsleistungen in den Jahresberichten der sechs großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften; Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 72: hohe Markttransparenz aufgrund von Veröffentlicheungen u. a. im Internet über die aktuellen Strompreise der in Deutschland tätigen Stromanbieter; Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 102-113: fast völlige Preistransparenz durch Reisekataloge und elektronische Buchungssysteme von Reisebüros. 238 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 87, 88, 94. 239 Kommission v. 2. 4. 1998 I V / M . 1127 Nestlé /Dalgety, WuW EU-V 45, Tz. 29; v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 145. 240 Kommission v. 9. 3. 1999 I V / M . 1313 Danish Crown/Vestjyske Slagterier, ABl. 2000 L 20/1, Tz. 176. 241 Kommission v. 24.4.1996IV/M. 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30,Tz. 143 ff. 242 Vgl. Kommission v. 18. 5. 2000 COMP/M. 1891 BP Amoco/Castrol, Tz. 36 d; v. 11. 7. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 35; v. 3. 12. 1997 I V / M . 942 VEBA/Degussa, WuW EU-V 93, Tz. 44; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 36, 46; v. 15. 10. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse/ Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45; v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18; v. 29. 7. 1994 I V / M . 478 Voith/Sulzer II, MCR 1567, Tz. 33. 243 Kommission v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/ Ρolygram, MCR 4661, Tz. 31; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 30; v. 11. 6. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 35; v. 14. 12. 1998 I V / M . 1342 Knorr-Bremse/Bosch, MCR 4931, Tz. 50; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 AKZO Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 45;
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
239
keine Preislisten existierten 244 oder die Preise undurchsichtig waren. 245 Bedenklich erscheint dagegen, daß die Kommission auch solche Märkte als nicht ausreichend transparent einstuft, auf denen die Auftragsvergabe üblicherweise mittels Ausschreibungsverfahren vorgenommen wird. 2 4 6 Einerseits sind Preisabsprachen gerade auf Ausschreibungsmärkten besonders häufig anzutreffen. 247 Andererseits können Ausschreibungsverfahren die Markttransparenz auch deutlich erhöhen, wenn die abgegebenen Angebote veröffentlicht werden oder die Anbieter bei Nachverhandlungen Kenntnis von den Angeboten ihrer Konkurrenten erhalten. 248 Insbesondere Märkte, auf denen die öffentliche Vergabe durch Ausschreibungen im Mittelpunkt steht, weisen häufig eine gewisse Mindesttransparenz auf. Grund hierfür ist, daß die öffentliche Hand bei der Auftragsvergabe einem grundsätzlichen Willkürverbot unterliegt. Der unterlegene, erfolglose Bewerber muß daher nachvollziehen können, ob sein Angebot im Rahmen eines sachgerechten Verfahrens abgelehnt wurde. Aus diesem Grunde enthalten die zur Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vergabebedingungen erlassenen gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien eine Vorschrift, die die Vergabestelle verpflichtet, dem Bieter die Gründe für die Ablehnung seines Angebots und den Namen des erfolgreichen Bieters mitzuteilen. 249
v. 6. 6. 1994 I V / M . 478 Voith/Sulzer II, MCR 1567, Tz. 33; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhône Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 24 a.E.; v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 36; v. 14. 9. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse /Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45; v. 2. 12. 1996 I V / M . 818 Cardo /Thyssen, MCR 2803, Tz. 33. 244 Kommission v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône Poulenc/SNIA II, MCR 1165, Tz. 24 a.E. In der Entscheidung v. 14. 11. 1995 I V / M . 603 Crown Cork & Seal/CarnaudMetalbox, ABl. 1996 L 75/38, Tz. 99, sah die Kommission hingegen das Fehlen von Preislisten nicht als einen Umstand an, der einer Preistransparenz entgegenstehe. Sie argumentierte, daß es in einem konzentrierten Markt möglich sei, die Preisgestaltung eines Wettbewerbers aus seinen Verträgen abzulesen. Eine ausführlichere Untersuchung wäre an dieser Stelle sicher ratsam gewesen, da die geringe Anbieterzahl an sich nur in den seltensten Fällen für eine ausreichend hohe Markttransparenz genügt. 245 Kommission v. 22. 12. 1994 I V / M . 475 Shell-Chimie/Elf-Atochem, MCR 1767, Tz. 52. 246 Kommission v. 9. 12. 1993 I V / M . 368 SNECMA/TI, MCR 1319, Tz. 27, 37; v. 29. 7. 1994 I V / M . 478 Voith/Sulzer II, MCR 1567, Tz. 33. Vorsichtiger argumentiert die Kommission dagegen in der Entscheidung v. 20. 6. 2001 COMP/M. 2201 MAN/Auwärter, Tz. 35, in der sie feststellt, daß die Möglichkeit einer stillschweigenden Koordinierung nicht bereits dadurch ausgeschlossen würde, daß Aufträge in Form von öffentlichen Ausschreibungen vergeben werden. 247 Vgl. Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 247 und ausführlich zu Submissionsabsprachen Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 RdNr. 224 f. 248 Vgl. Martin, Industrial Economics, S. 166. 249 Vgl. Art. 7 Abs. 1 „Liefer"-Richtlinie ABl. 1993 L 199/1 ff.; Art. 8 Abs. 1 „Bau"Richtlinie, ABl. 1993 L 199/54 ff.; Art. 12 Abs. 1 „Dienstleistungs"-Richtlinie ABl. 1992 L 209/Iff.
240
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Insgesamt zeigt sich, daß die Kommission bei der Untersuchung der Durchsichtigkeit eines Marktes fast ausschließlich prüft, ob die Wettbewerber ihre Preise untereinander vergleichen können. Genauso wichtig ist es jedoch, wie leicht sich die Oligopolisten über die Kosten oder die Investitionsentscheidungen ihrer Konkurrenten informieren können. So ist es für das in der Praxis häufig anzutreffende Preisbildungsverfahren mittels eines einheitlichen Gewinnaufschlages (ζ. B. Kosten plus 40%) 2 5 0 notwendig, daß jeder Oligopolist die Produktionskosten seiner Konkurrenten überschauen kann, da sich sonst nicht kontrollieren läßt, ob die Regel eingehalten wird. Ohne die Erkennbarkeit von Investitionsentscheidungen ist wiederum die Einhaltung einer möglichen Kapazitätskollusion nicht gesichert. Eine Analyse der Markttransparenz sollte sich daher ganz allgemein darauf beziehen, ob die Bedingungen auf dem betreffenden Markt dazu geeignet sind, Informationen über das wettbewerbliche Verhalten der Anbieter zu transportieren, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob die Anbieter ihren Konkurrenten die von ihnen verfolgten Wettbewerbsstrategien signalisieren können.
5. Die Beschaffenheit der Produkte und die Nachfrageelastizitäten
Die Beschaffenheit der von den Oligopolisten angebotenen Produkte ist ein traditioneller Ansatzpunkt der Wettbewerbstheorie zur Bestimmung der Kollusionsgefahr. Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Produktbeschaffenheit auf die Kollusionswahrscheinlichkeit sind zunächst zwei verschiedene Betrachtungsebenen zu unterscheiden. Im Vordergrund steht meist die Wirkungsanalyse des Homogenitätsgrades all derjenigen Güter, die in einem vorgelagerten Schritt einem sachlich relevanten Markt zugeordnet worden sind. Diese Ebene ist eng verbunden mit der Elastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage. Nicht weniger wichtig ist jedoch die Untersuchung der Substitutionsbeziehungen zu sachlich benachbarten Märkten und damit die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage.
a) Die Beschaffenheit der Produkte des sachlich relevanten Marktes und die Elastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Zugehörigkeit der von den Oligopolisten angebotenen Produkte zu einem sachlich relevanten Markt bedeutet nicht, daß diese auch durch völlige Gleichheit gekennzeichnet sein müssen.251 Innerhalb der Bandbreite der funktionellen Aus250 Vgl. ausführlich zur sogenannten Faustregel-Preisfestsetzung (rule of thumb) als Mittel zur oligopolistischen Koordination Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 261 ff. 251 Vgl. Briones, ECLR 1995, 334, 339; Kleinmann/Bechtold, kontrolle, § 22 RdNr. 34, 136.
Kommentar zur Fusions-
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
241
tauschbarkeit kann vielmehr je nach dem Grad der Verschiedenartigkeit zwischen homogenen und heterogenen Gütern unterschieden werden. 252 Märkte mit homogenen Gütern, wie beispielsweise Rohstoffmärkte oder Märkte mit standardisierten Produkten sind dadurch gekennzeichnet, daß hier kein oder nur ein sehr eingeschränkter Qualitätswettbewerb möglich ist, die Produktionstechnologie meist ausgereift ist und es kaum Produktinnovationen und Produktdifferenzierungen gibt. 2 5 3 Der Grad der Homogenität hat dabei einen entscheidenden Einfluß auf die Elastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage, die für jeden Anbieter wiedergibt, wie eng die Konkurrenzbeziehung zwischen ihm und seinen Konkurrenten auf dem betrachteten Markt ist. Je größer die Homogenität der Produkte ist und je weniger ausgeprägt dadurch die Präferenzen der Nachfrager für einen bestimmten Anbieter sind, desto reagibler ist regelmäßig die unternehmensindividuelle Nachfrage. 254 Auf Märkten mit homogenen Gütern besteht daher eine hohe potentielle Wettbewerbsintensität zwischen den Anbietern, wobei der Preis regelmäßig das einzige verbleibende Mittel zum Konkurrenzkampf sein wird. Veränderungen des Aktionsparameters Preis wirken sich jedoch am stärksten und für die Konkurrenten deutlich erkennbar auf deren Markterfolg aus. Es besteht daher eine besonders stark ausgeprägte und spürbare oligopolistische Reaktionsverbundenheit zwischen den Unternehmen, die wiederum ein starkes Interesse an einer Beschränkung des Wettbewerbs und damit an einer Kollusion bewirkt. 255 Das Zustandekommen einer Preiskollusion wird durch die Homogenität der Angebote noch zusätzlich erleichtert, da aufgrund der Gleichartigkeit der Produkte ein einheitlicher Preis leicht gefunden werden kann. 256 Auf Märkten mit homogenen Produkten ist zudem regelmäßig eine hohe horizontale Markttransparenz gegeben, da aufgrund der mehr oder weniger großen Gleichartigkeit der Güter die Überschaubarkeit und Vergleichbarkeit aller relevanten Marktdaten erleichtert wird. 2 5 7 Je reagibler die unter-
252 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 279, die vier grundlegende Klassen der Heterogenität unterscheiden. 253 Ausführlich hierzu Kauf er, Industrieökonomik, S. 252 ff.; Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 239; Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 154 f. 2 54 Vgl. Kantzenbach/ Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 53 ff.; Kruse, WiSt 1995, 564, 568 f. 255 Sandrock, Grundbegriffe des GWB, S. 336, weist darauf hin, daß es eine alltägliche Erscheinung sei, daß weitgehend homogene Waren, die von Oligopolisten angeboten würden, im Preis gar nicht oder nur minimal differierten und bezieht sich dabei auf die Preise für Benzin, Glühbirnen und Kraftfahrzeugreifen deutscher Herkunft. Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 154, sieht ideale homogenitätsbedingte Voraussetzungen für Kollusion auf Märkten für Metalle, standardisierte chemische Komponenten und landwirtschaftliche Produkte. 2 56 Vgl. Shughart, The Organization of Industry, S. 251 f.; Winckler/Hansen, CMLR 1993, 785, 818; Jones/Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 175; Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S. 188; Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 154 f.
16 Hahn
242
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
nehmensindividuelle Nachfrage ist, desto attraktiver ist für den einzelnen Anbieter aber auch ein heimliches Ausbrechen aus der Kollusion. Denn es genügen schon relativ geringe Preiszugeständnisse, ζ. B. in Form von Geheimrabatten, um eine erhebliche Absatzsteigerung und damit ein relativ hohes Gewinniveau zu erreichen. Dies wirkt sich insbesondere in Situationen hoher Überkapazitäten als ein erheblicher Anreiz zum Unterlaufen der Kollusion aus. 258 Allerdings besteht wegen des spürbaren Mengeneffektes ein hohes Risiko, daß Cheating von den anderen Oligopolmitgliedern sofort entdeckt und entsprechend beantwortet wird. 2 5 9 Wie realistisch die Gefahr eines raschen Kollusionszerfalls mit nachfolgendem intensiven Wettbewerb und erheblicher Verschlechterung der individuellen Ertragssituationen von den Oligopolisten eingeschätzt wird und sich somit stabilisierend auf die Kollusion auswirkt, hängt wiederum von zahlreichen anderen Faktoren ab. Insoweit kommt es auch darauf an, mit welchem Zeithorizont die Oligopolisten ihre unternehmerischen Entscheidungen treffen und ob eine Einsicht in die langfristige Vorteilhaftigkeit kollusiven Verhaltens angenommen werden kann. Die kollusionfördernden Wirkungen von Produkthomogenitäten beschränken sich zudem im wesentlichen auf den Fall der Preiskollusion, während sie für die Wahrscheinlichkeit einer Kapazitäts- oder Marktschrankenkollusion meist nur eine geringe Bedeutung haben. 260 Auf Märkten mit heterogenen Gütern, auf denen sich die Oligopolisten dadurch unterscheiden, daß sie verschiedene Produktvarianten anbieten, die aus Sicht der Nachfrager als nicht vollkommen gleichwertig angesehen werden, sind die Anbieter auch nur noch unvollkommen gegeneinander austauschbar. Es besteht eine geringere Substitutionselastizität zwischen den verschiedenen Anbietern und eine niedrigere Preiselastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage. Die Reaktionsverbundenheit und damit auch das Interesse an Kollusion ist weniger stark ausgeprägt. So kann ein Anbieter bei vorhandenen Kundenpräferenzen seine Preise mäßig erhöhen, ohne Nachfrager sofort an seine Konkurrenten zu verlieren. Werden auf dem sachlichen Markt zahlreiche differenzierte Produkte angeboten, so erschwert dies auch das Zustandekommen einer kollusiven Verständigung. 261 Hier reicht es nicht mehr aus, nur einen einheitlichen Preis oder eine gemeinsame Produktionsmenge zu bestimmen, sondern die Verständigung muß über mehrere unterschiedliche Preise und Mengen erfolgen, wird dadurch sehr komplex und läßt sich kaum noch implizit gestalten. Gleichzeitig wird auch die gegenseitige Überwa257
Vgl. ausführlich zu den Auswirkungen der Markttransparenz auf die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 4. 258 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 53 f. 259 Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 568 f. 260 Vgl. Kantzenbach/Kottmann/Krüger, 261
Kollektive Marktbeherrschung, S. 22.
Vgl. Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S. 188; Martin, Industrial Economics, S. 152 f.; Greer, Industrial Organization and Public Policy, S. 296 f.; Hay, in: Calvani/Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 164 f.; Scherer/ Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 279.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
243
chung der Einhaltung der Kollusion schwieriger. Bei einer Vielzahl differenzierter Produkte ist die horizontale Markttransparenz stark reduziert, so daß sich Cheating leichter verschleiern läßt. Die Anbieter können anders als bei homogenen Produkten auch Nichtpreisparameter aktiv einsetzen.262 Mit der Zahl der Produktvarianten wachsen insgesamt die Möglichkeiten für Disharmonien unter den Oligopolisten. Bestehen permanente Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen von den Oligopolisten angebotenen Produkten, so muß sich die Koordinierung sowohl auf das Durchschnittspreisniveau als auch auf die Preisdifferenzen erstrecken. Auf Märkten mit häufigen Produktinnovationen, auf denen Forschung und Entwicklung eine große Rolle spielen, erfordern die sich dauernd verändernden Marktbedingungen laufend eine neue Verständigung. Je komplizierter die betreffenden Produkte werden bzw. je mehr Dimensionen die auf dem Markt angebotenen Leistungen besitzen, desto schwieriger wird auch das Zustandekommen einer Kollusion unter den Oligopolisten. Sind die Produkte sehr komplex und kundenspezifisch, so daß jeder Auftrag spezielle Einzelfertigungen und besondere technische Lösungen erfordert oder ist noch eine Fülle von Nebenleistungen zu erbringen, die teilweise speziell auf den Nachfrager zugeschnitten sind, so wird es sehr schwierig für die Anbieter, kollusive Verhaltensweisen durchzuführen und zu überwachen, da sich die Koordination auch auf jeden einzelnen Sonderwunsch oder jede Nebenleistung beziehen müßte, was praktisch kaum möglich ist. Die Komplexität der von den Oligopolisten zu berücksichtigenden Wettbewerbsbeziehungen bei heterogenen Gütern führt dazu, daß implizite Kollusionsformen aufgrund der zunehmenden Informationserfordernisse kaum noch möglich sind, sondern eine explizite Ausgestaltung notwendig wird. Dennoch verfügt auch die Produktheterogenität über einen ambivalenten Charakter. 263 Hat sich hier erst einmal eine Kollusion etabliert, so ist der Anreiz zum Cheating auf einem derartig diffenzierten Produktmarkt eher gering ausgeprägt. Aufgrund der damit zusammenhängenden niedrigen unternehmensindividuellen Nachfrageelastizität wird ein Anbieter durch eine mäßige Preissenkung nicht ohne weiteres seinen Marktanteil auf Kosten seiner Wettbewerber vergrößern können. Um in solchen Situationen die Absatzmenge zusätzlich zu erhöhen, sind stärkere Preisnachlässe bzw. ein verstärkter Einsatz anderer Wettbewerbsparameter erforderlich, so daß Cheating weniger profitabel erscheint. 264 Abschreckend wirkt zudem, daß differenzierte Produkte eine gezieltere Bestrafung durch die kollusions262 Vgl. Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 239. 263 Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 282: „Other things being equal, cooperation to maintain high collective profits is less likely to be succesful, the more heterogeneous products. However, some aspects of product differentiation work in the opposite direction. When sellers can build strong brand loyalities, or when economies of scale in product differentiation raise barriers to the entry of new competition, profits may be higher than they would be with homogeneous products. The net effect of these opposing forces depends in a complex way upon the specific character of product differentation and the degree to which other influences conducive to coordinated pricing operation." 264 Vgl. Hay, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 165.
1*
244
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
treuen Anbieter ermöglichen, ohne daß davon gleich der ganze Markt negativ beeinflußt wird. Die konkreten Auswirkungen von Produktheterogenitäten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit hängen zudem auch stark von der jeweils betrachteten Kollusionsart ab. Die bisher festgestellten kollusionshemmenden Wirkungen von Produktheterogenitäten reduzieren die Kollusionswahrscheinlichkeit in dieser Form nur bezogen auf den Fall einer Preiskollusion. Demgegenüber ist eine Kapazitätskollusion für heterogene Produkte nicht erheblich schwieriger als für homogene Produkte. Eine knappe Marktkapazität ist auch bei heterogenen Produkten Voraussetzung für die Realisierung eines profitablen Preisniveaus. 265 Im Fall der Marktschrankenkollusion können sich heterogene Produkte sogar kollusionsfördernd auswirken. So kann eine strategische Produktdifferenzierung den Anbietern ermöglichen, den Markt in geschützte Nischen zu segmentieren, die dann vor Wettbewerb geschützt sind. In jedem Marktsegment kann dann eine Preiskoordinierung innerhalb einer relativ homogenen Produktgruppe mit einer noch geringeren Anbieterzahl erfolgen. Vor allem in Märkten der Hochtechnologie, in denen eine Preiskollusion aufgrund hoher technischer Innovationsraten und starker Produktdifferenzierung kaum durchführbar ist, kann die Marktschrankenkollusion sogar die einzige erfolgversprechende Form der Wettbewerbsbeschränkung sein. 266 Ziel einer jeden kollusiven Marktaufteilung ist es, die Uberschneidung der Kundenkreise so gering wie möglich zu halten, um einen direkten Vergleich im Wettbewerb zu verhindern. Um sich der bei homogenen Produkten besonders starken Reaktionsverbundenheit zu entziehen, werden Oligopolisten häufig versuchen, an sich homogene Produkte in, zumindest aus Sicht der Abnehmer, heterogene Produkte auszudifferenzieren. Die Heterogenisierung sachlich weitgehend homogener Güter kann durch Produktverbesserungen aber vor allem durch Werbemaßnahmen geschehen, die dem Produkt einen eigenständigen Charakter zuweisen.267 Eine erfolgreiche Produktdifferenzierung kann zudem eine wirksame Markteintrittsbarriere darstellen, die Newcomer von einem Markteintritt abhält. 268 Damit wird deutlich, daß die traditionelle Auffassung, wonach die Kollusionsgefahr auf homogenen Produktmärkten per se hoch und auf heterogenen Produktmärkten per se niedrig sein soll, in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden kann. 269 Auch wenn sich gezeigt hat, daß sich Produkthomogenitäten kol-
265
Vgl. Kantzenbach/Kruse, 66 Vgl. Kantzenbach/Krüger,
2
Kollektive Marktbeherrschung, S. 54. WuW 1990,472, 479.
267 Bei der Werbung wird zwischen informativen und suggestiven Werbeformen unterschieden. Während die informative Werbung Auskunft über Produkteigenschaften und Preise gibt und dadurch die vertikale Markttransparenz der Verbraucher erhöht, nimmt die suggestive Werbung Einfluß auf die Präferenzstrukturen der Nachfrager und versucht eine nicht auf den objektiven Eigenschaften des Produktes basierende Produktdifferenzierung zu erreichen. Vgl. hierzu Shepherd, The Economics of Industrial Organization, S. 308 ff.; Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 212 f. 268 Vgl. Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 160 ff.; Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 804 ff.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
245
lusionsfördernd und Produktheterogenitäten kollusionshemmend auswirken können, so gilt dies grundsätzlich nur für den Fall der Preiskollusion. Berücksichtigt man aber auch hier die vier verschiedenen Ebenen, die eine stabile Kollusion bedingen, so zeigen sich die ambivalenten Wirkungen der Elastizitäten der unternehmensindividuellen Nachfragefunktionen. Wie sich die Produktbeschaffenheit auf dem betreffenden Markt auf die Kollusionswahrscheinlichkeit auswirkt, kann daher immer nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung zusätzlicher Faktoren beurteilt werden. 270
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Beschaffenheit der Produkte des relevanten Marktes ist ein von der Kommission regelmäßig untersuchter Faktor. 271 Weisen die von den Oligopolisten angebotenen Produkte einen hohen Grad an Homogenität auf, ist der Markt durch geringe Produktinnovationen und eine ausgereifte Technologie gekennzeichnet, so erleichtert dies nach Ansicht der Kommission ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Anbieter. 272 Die genauen Wirkungszusammenhänge zwischen der auf einem konkreten Markt festgestellten Produkthomogenität und der daraus im Einzelfall resultierenden erhöhten Kollusionsgefahr, analysiert die Kommission in den Entscheidungen dagegen genauso wenig, wie den Einfluß der Produktbeschaffenheit auf die unternehmensindividuelle Nachfrage. Als weitgehend homogene Produkte, die ein Parallelverhalten erleichtern, hat die Kommission bisher Rohstoffe wie Platin, 273 Kali, 2 7 4 und Rohöl / Benzin, 275 sowie Mineralwasser, 276 technische Gase, 277 Lithographiebleche, 278 Flugpauschal269
Vgl. derart undifferenziert Zachmann, Le contrôle communautaire des concentrations, S. 342; Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 95; Enchelmaier, Europäische Wettbewerbspolitik im Oligopol, S. 49; Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 241. 2 ™ So auch Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 55; Kruse, WiSt 1995, 564, 569; Williamson, in: Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 153; Briones, ECLR 1995, 334, 339 f. 271 Vgl. Kommission, 28. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1998, Tz. 149 f. 272 Kommission v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 95; v. 4. 2. 1998 I V / M . 1044 KPMG/Ernst & Young, Tz. 77; v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 143; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 121; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. 2 ?3 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 143. 2 ?4 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. 2
?5 Kommission ν 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 467. ?6 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 121. 2 ?7 Kommission ν 9. 2. 2000 COMP/M. 1641 Linde/AGA, Tz. 44. 2
246
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
reisen auf Kurzstrecken, 279 Zeitungspapier 280 und Strom 281 angesehen. Auch auf Dienstleistungsmärkten untersucht die Kommission die Art und Beschaffenheit der angebotenen Leistungen. Im Fall Price Waterhouse / Coopers & Lybrand war der Markt für die Wirtschaftsprüfung von Großunternehmen dadurch gekennzeichnet, daß die betreffenden Dienstleistungen alle die gleichen Standarduntersuchungen, Analysen und Berichte erforderten, die durch nationale Gesetzgebungen und die Regeln der Standesorganisationen vorgeschrieben waren. Die Kommission sah die hohe Homogenität der Dienstleistungen und die fehlenden Präferenzen der Nachfrager für bestimmte Anbieter daher zutreffend als einen Umstand an, der für eine oligopolistische Marktbeherrschung sprach. 282 Bei heterogenen Produktmärkten schätzt die Kommission dagegen die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten der Unternehmen kommt, als eher gering ein. 2 8 3 Dies gilt vor allem dann, wenn Produktinnovationen und -differenzierungen eine große Rolle spielen, indem die Produkte in verschiedenen Qualitäten, Formen und Packungsgrößen angeboten werden oder ein starkes Markenbewußtsein besteht.284 Auch hier erläutert die Kommission jedoch nicht die Wirkungsmechanismen, die im konkreten Fall dazu führen, daß durch eine derartige Produktbeschaffenheit die Kollusionswahrscheinlichkeit verringert sein soll. Ein hohes Maß an Produktheterogenität sah die Kommission in der Entscheidung Thorn EMI/Virgin Music als entscheidend für die Ablehnung einer oligopolistischen Marktbeherrschung der fünf größten Unternehmen an. 2 8 5 Der betroffene Markt für Musikaufzeichnungen war gekennzeichnet durch die Verschiedenartigkeit und die kurze Absatzdauer der Produkte, die sich ständig wandelnden Käuferpräferenzen für bestimmte Interpreten und Musikrichtungen und die fehlenden Präferenzen für eine bestimmte Plattenfirma. Ausschlaggebend für 278 Kommission v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 95. 279 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice , ABl. 2000 L 93/1, Tz. 88. 280 Kommission v. 21. 11. 2001 COMP/M. 2498 UPM-Kymmene/Haindl, Tz. 79. 281 Kommission ν 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 71. 282 Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 100. 283 Vgl. Kommission v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 30; v. 15. 3. 1994 I V / M . 422 Unilever France/Ortiz-Miko (II), MCR 1373, Tz. 51; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhone-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 24; v. 14. 2. 1995 I V / M . 477 Mercedes-Benz/Kässbohrer, ABl. 1995 L 211 /1, Tz. 104; v. 28. 9. 1992 I V / M . 256 Linde/ Fiat, WuW/E EV 1989, Tz. 29; v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône Poulens/SNIA (II), MCR 1165, Tz. 24. 284 Vgl. Kommission v. 3. 12. 1997 I V / M . 942 VEBA/Degussa, WuW EU-V 93, Tz. 44; v. 2. 4. 1998 I V / M . 1127 Nestlé /Dalgety, WuW EU-V 45, Tz. 29; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 42; v. 23. 9. 1993 IVM. 360 Arvin/Sogefi, MCR 1193, Tz. 22. 285 Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI /Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 38.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
247
den Erfolg einer Plattenfirma war die Absatzförderung durch Werbung und das Angebot einer breiten Auswahl an Musikrichtungen und Interpreten, um sich dem ständig verändernden Musikgeschmack anpassen zu können. Große Bedeutung mißt die Kommission auch Kundenspezifikationen zu, in deren Folge die Produkte jeweils auf die individuellen Bedürfnisse der Nachfrager abgestimmt und nach deren Vorgaben oder sogar in Zusammenarbeit mit ihnen entwickelt werden. 286 Mit aus diesem Grund sah die Kommission Zusammenschlüsse auf den oligopolistisch strukturierten Märkten für Papiermaschienen,287 Antiblockiersysteme für Bremsen, 288 Speziallacke für die Kfz-Industrie, 289 Bremssysteme für Schienenfahrzeuge, 290 Titanium Dioxide, 291 Flugzeugfahrgestelle 292 und PVC für Hohlkörper 293 als wettbewerblich unbedenklich an. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Praxis allerdings, daß Anbieterspezialisierungen auf einen bestimmten Abnehmerkreis, der dann wiederum auf diesen Lieferanten angewiesen ist, vor allem bei engen und langfristigen Bindungen auch Ausdruck einer kollusiven Marktaufteilung sein können. Indem die Anbieter ihre gegenseitige Spezialisierung respektieren und sich nicht um die Kunden ihrer Konkurrenten bemühen, schaffen sie sich individuelle Nischen, in denen sie weitgehend vor Wettbewerb geschützt sind. Insgesamt zeigt sich, daß die Kommission von einem eher eindimensionalen, und schematischen Verständnis der Auswirkungen von Produkthomogenitäten und -heterogenitäten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit ausgeht. Die ambivalenten Wirkungen von Produktdifferenzierungen und die mögliche Gefahr einer kollusiven sachlichen Marktaufteilung werden grundsätzlich nicht problematisiert. So zeigte sich in der Entscheidung Nestlé /Perrier eine deutliche Spezialisierung der beiden Dyopolisten auf zwei Marktsegmente des französischen Mineralwassermarktes. 294 Während sich der eine Dyopolist auf Wasssermarken mit geringem Mineralgehalt spezialisiert hatte, konzentrierte sich der andere auf Marken mit einem hohen Mineralgehalt. Obwohl die Kommission zutreffend konstatierte, daß „diese Markenaufteilung die Produktdifferenzierung zwischen den Anbietern verstärken" und eine weitere Wettbewerbsschwächung zur Folge haben könne, konzentrierte sie sich in ihrer Argumentation dennoch ausschließlich auf eine drohende Preiskollusion der Dyopolisten. 295 In der Entscheidung Kali + Salz/MdK/Treu286 Vgl. Kommission, 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 307. 287 Kommission v. 29. 7. 1994 I V / M . 478 Voith/Sulzer (II), MCR 1567, Tz. 33. 288 Kommission v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/ Allied Signal, MCR 2447, Tz. 45. 289 Kommission v. 5. 2.1999 I V / M . 1363 DuPont/Hoechst/Herberts, MCR 5115, Tz. 35. 290 Kommission v. 20. 8. 1999 COMP/M. 1629 Knorr Bremse/Mannesmann, MCR 6029, Tz. 36; v. 2. 12. 1996 I V / M . 818 Cardo /Thyssen, MCR 2803, Tz. 33. 291 Kommission v. 2. 10. 1997 I V / M . 984 Du Pont/ICI, MCR 3495, Tz. 52. 292 Kommission v. 17. 01. 1994 I V / M . 368 Snecma/TI, MCR 1319, Tz. 37. 293 Kommission v. 22. 12. 1994 I V / M . 475 Shell Chimie /Elf Atochem, MCR 1767, Tz. 52. 294 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 128.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
hand stellte die Kommission deutlich unterschiedliche Nachfragepräferenzen bei dem an sich homogenen Produkt Kali fest. Anders als in den übrigen Mitgliedstaaten bevorzugten die deutschen Abnehmer magnesiumhaltiges Kali, das nur von dem in Deutschland produzierenden Dyopolisten angeboten wurde. 296 Auch hier ließ die Kommission eine Marktschrankenkollusion unbeachtet und ordnete Deutschland statt dessen einem gesonderten räumlichen Markt zu. Eine zu unkritische Bewertung von Produktheterogenitäten und -homogenitäten ließe sich allerdings vermeiden, wenn die Kommission in ihren Entscheidungen dazu überginge, jeweils konkret die Auswirkungen der festgestellten Produktbeschaffenheit auf die Kollusionswahrscheinlichkeit zu analysieren und diese nicht der überkommenen Auffassung nach kommentarlos als kollusionsfördernd oder kollusionshemmend einzuordnen. 297 Für eine solch differenzierte Analyse ist es vor allem notwendig, daß die Kommission anders als bisher auch den Einfluß der Produktbeschaffenheit auf die unternehmensindividuelle Nachfrage berücksichtigt.
b) Die Substitutionsbeziehungen zu benachbarten Märkten und die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage aa) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage betrifft die Konkurrenzbeziehungen der Anbieter auf dem möglicherweise kollusionsgefährdeten sachlichen und räumlichen Referenzmarkt zu sachlich und räumlich benachbarten Märkten. 298 Die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage ist um so höher, je größer für die Nachfrager der Referenzprodukte die Möglichkeiten sind, zur Befriedigung ihres Bedarfs auf andere Produkte auszuweichen, also je intensiver die Substitutionskonkurrenz ist. Auf Märkten mit heterogenen Gütern kommt dem Substitutionswettbewerb dabei die größte Bedeutung zu. 2 9 9 Ist der Markt der Oligopolisten durch eine hohe Preiselastizität der Nachfrage gekennzeichnet, so hat dies zur Folge, daß die Nachfrager bei kollektiver Anhebung der Preise vermehrt zu anderen benachbarten Produkten abwandern, so daß die Gesamtmarktnachfrage und damit die Absatzmengen deutlich zurückgehen. Aufgrund der dadurch bewirkten Kapazitätsunterauslastung und 295 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 128, 117 ff. 296 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 31 ff. 297 Kritisch zur sehr oberflächlichen Behandlung der Produkthomogenität durch die Kommission auch Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge in der Sache Kali + Salz/MdK/Treuhand, Slg. 19981, 1381, Tz. 127. 298 Vgl. hierzu und zum folgenden ausführlich Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung S. 50 ff. 299 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 6, Tz. 429 ff.; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 215.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
249
dem Anstieg der Stückkosten verringern sich mit zunehmender Preiselastizität der Nachfrage sowohl die kollektiven Vorteile eines kollusiven Verhaltens als auch die individuellen Vorteile der Oligopolisten. Der Anreiz zum Unterlaufen der Kollusion steigt. Daher kann auf Märkten, die sich in relativ engen Substitutionsbeziehungen zu anderen Märkten befinden, von einer eher geringen Kollusionswahrscheinlichkeit ausgegangen werden. 300 Im Falle einer relativ niedrigen Nachfrageelastizität haben Preiserhöhungen entsprechend geringe Auswirkungen auf die nachgefragten Mengen, ein Abwanderungseffekt bleibt zunächst aus und eine kollektive Gewinnmaximierung ist möglich. Es bestehen nicht nur die objektiven Bedingungen, sondern auch die subjektiven Neigungen für die Durchführung einer Kollusion. 301 Die Cheating-Anreize sind gering. Kollusionsstabilisierend wirkt sich zudem aus, daß ein Kollusionszerfall bei inelastischen Nachfragebedingungen mit höheren Gewinneinbußen verbunden ist als bei elastischeren Nachfragebedingungen. 302 Die Wahrscheinlichkeit für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion steigt daher mit der Inelastizität der Nachfrage. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß eine kurzfristig inelastische Nachfrage im Zeitablauf mit zunehmender Erschließung alternativer Bezugsquellen oder Umstellung auf Ausweichprodukte mittel oder langfristig reagibler werden kann, wodurch dann auch die Cheating-Anreize steigen und die Gefahr eines Kollusionszerfalls droht. Bei Märkten, auf denen die kurzfristigen Nachfrageelastizitäten deutlich von den längerfristigen abweichen, reicht daher die Untersuchung des aktuell zu beobachtenden Nachfrageverhaltens für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit allein nicht aus. 303 Anders als bei der unternehmensindividuellen Nachfrage besteht somit ein eindeutiger und von der betrachteten Kollusionsart unabhängiger Zusammenhang zwischen der Elastizität der Gesamtmarktnachfrage und der Kollusionswahrscheinlichkeit.304 Bei der für die Beurteilung der Kollusionsgefahr vorzunehmenden Untersuchung der Nachfrageelastizität ist jedoch zu beachten, daß sich diese auch schon vorher, bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes auswirken kann. Nach dem Konzept der Kreuz-Preis-Elastizität, das als indizielle Beurteilungshilfe bei der Marktabgrenzung Verwendung findet, 305 kann eine sehr hohe 300 Vgl. Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 183; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung S. 52; Brozen, Concentration, Mergers and Public Policy, S. 152. 301 Vgl. Brozen, Concentration, Mergers and Public Policy, S. 152. 302 Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 568. 303 Vgl. Kantzenbach/Kottmann/Krüger, Kollektive Marktbeherrschung, S. 21. Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 183, Fn. 19, weist daraufhin, daß die Nachfrageelastizität im Zeitablauf auf einigen Märkten auch geringer werden kann, so daß je nach der konkreten Entwicklung stabilisierende oder destabilisierende Effekte auf eine einmal eingeführte Wettbewerbsbeschränkung ausgehen können. 304 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung S. 52; Kruse, WiSt 1995, 564, 568; Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 183. 305 Vgl. allgemein zum Konzept der Kreuz-Preis-Elastizität und der verbreiteten Kritik daran, Hoppmann, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Rahmen der Mißbrauchsauf-
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
kurzfristige Elastizität der Nachfrage zu einem benachbarten Produkt auf einen weiter zu fassenden Referenzmarkt hindeuten.306 Bei der Festlegung der Elastizitätsschwelle, bei deren Überschreiten die benachbarten Produkte in den sachlichen Markt einbezogen werden müssen und bei deren Unterschreiten die Substitutionsprodukte nur dem marktnahen, in der Marktbeherrschungsprüfung zu berücksichtigenden Bereich zuzurechnen sind, handelt es sich um eine wertungsabhängige Definitionsfrage, die immer nur im Einzelfall beantwortet werden kann. 307 Einen exakten Wert für den erforderlichen Mindestgrad an kurzfristiger Substitutionselastizität als Maß für eine hinreichende Austauschbarkeit gibt es nicht. Bei der Untersuchung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf der Ebene der Marktbeherrschungsprüfung kann es daher nur auf die Substitutionsbeziehungen zu marktnahen Produkten und die längerfristige Elastizität ankommen. Gerade durch die Berücksichtigung dieser Substitutionsprodukte ist es aber auch möglich, die mit jeder Marktabgrenzung verbundenen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten auf der Ebene der Marktbeherrschungsprüfung notfalls zu korrigieren. 308
bb) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission berücksichtigt die Substitutionsbeziehungen zu benachbarten Märkten und die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage auf zwei Ebenen. Im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung zieht sie teilweise das Konzept der KreuzPreis-Elastizität in ihre Bewertungen mit ein, indem sie argumentiert: „Damit zwei Erzeugnisse als substituierbar angesehen werden können, muß es für den Direktabnehmer eine realistische und rationale Möglichkeit sein, auf beispielsweise einen erheblichen Preisanstieg des einen Erzeugnisses dadurch zu reagieren, daß er sich in relativ kurzer Zeit auf das andere Erzeugnis umstellt." 309
sieht über marktbeherrschende Unternehmen; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 47 f. 306 Vgl. Markert, Schwerpunkte des Kartellrechts 1984/85, 59, 77. 307 Vgl. Kantzenbach/ Krüger, WuW 1990, 475 ff. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO, RdNr. 43, weist insofern auf die verbreitete Ungenauigkeit bei der Verwendung der Begriffe „Austausch-" und „Substituierbarkeit" hin. Sind Produkte austauschbar, sind sie einem sachlich relevanten Markt zuzuordnen. Sind sie dagegen „nur" substituierbar, dann wird deren wettbewerblicher Einfluß erst auf der Marktbeherrschungsebene berücksichtigt. 308 Vgl. Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 214; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 136. Dies ist vor allem insoweit von Bedeutung, als die Kommission regelmäßig zu einer recht engen sachlichen Marktabgrenzung neigt, vgl. hierzu Siragusa/Subiotto, WuW 1991, 872, 882; Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 28 ff.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 37. 309 Kommission v. 30. 9. 1992 I V / M . 214 DuPont/ICI, ABl. 1993 L 7/ 13, Tz. 23.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
251
Nach der Entscheidungspraxis der Kommission spricht eine sehr kurzfristige Substitutionselastizität für die Einbeziehung der verwandten Produkte in den sachlich relevanten Markt, während hierfür eine nur „gewisse" oder „teilweise" Austauschbarkeit der Produkte nicht ausreichen soll. 3 1 0 Fehlt es an dem für eine hinreichende Austauschbarkeit erforderlichen Grad an kurzfristiger Substitutionselastizität, so berücksichtigt die Kommission die Elastizität der Gesamtmarktnachfrage im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung auf der Ebene der Marktbeherrschungsprüfung. 311 In diesem Zusammenhang beurteilt sie eine niedrige Nachfrageelastizität als ein die Entstehung oligopolistischer Marktbeherrschung begünstigendes Marktmerkmal, denn „Firmen, die ein Produkt mit preisunelastischer Nachfrage liefern, werden stark dazu tendieren, ein Kartell zu bilden oder ein kartellähnliches Verhalten an den Tag zu legen ( . . . ) . " 3 1 2 Ist die Nachfrage relativ unelastisch, so können die Unternehmen nach Ansicht der Kommission die Preise heraufsetzen, ohne daß Volumeneinbußen befürchtet werden müßten. 313 In einer solchen Situation bestehe daher ein großer Anreiz für wettbewerbswidriges Parallelverhalten, da ein Preiswettbewerb allen Anbietern nur schaden würde. 314 Als Gründe für eine niedrige Nachfrageelastizität sieht die Kommission insbesondere die Unersetzbarkeit eines Produktes und das Fehlen von Substitutionsmöglichkeiten,315 die Tatsache, daß es sich um ein weiterzuverarbeitendes Produkt handelt, das nur einen kleinen Teil der gesamten Produktionsfaktorkosten ausmacht316 und eine starke werbungsbedingte Kundentreue an. 3 1 7 Andererseits spricht eine hohe Nachfrageelastizität und der Einfluß naher Substitutionsprodukte nach zutreffender Ansicht der Kommission gegen die Existenz einer oligopolistischen Marktbeherrschung. 318
310 Vgl. Kommission v. 19. 7. 1991 I V / M . 068 Tetra Pak/Alfa-Laval, ABl. 1991 L 290/ 35, Tz. Β. 2.1.; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 13 sowie Drauz/Schroeder, Praxis der europäischen Fusionskontrolle, S. 70. 311 Vgl. Kommission v. 23. 3. 1992 I V / M . 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829, Tz. 17; v. 19. 12. 1991 I V / M . 113 Courtaulds/SNIA, WuW/E EV 1763, Tz. 26. 312 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 31; 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 306. 313 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 124; v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 83; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 247, 479; v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/ First Choice, ABl. 2000 L 93 /1, Tz. 98. 314 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 149; v. 4. 2. 1998 I V / M . 1044 KPMG/Ernst & Young, Tz. 77. 315 Vgl. Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 149; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 124. 316 Vgl. Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 31. 317 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 96, 124; v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue, Tz. 148.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums 6. Das Entwicklungsstadium des Marktes
a) Die Differenzierung
zwischen den Marktphasen
Nach der Marktphasenlehre läßt sich die Entwicklung eines Marktes im Zeitablauf entsprechend der Wachstumsrate der Nachfrage in verschiedene Phasen einteilen. 319 In der Experimentierphase wird ein neues Produkt von einem Pionierunternehmen in den Markt eingeführt. Meist werden die möglichen Verwendungszwecke des Produktes noch weitgehend unerforscht sein, es bestehen Verbesserungsmöglichkeiten am Produkt und Optimierungsmöglichkeiten am Herstellungsprozeß. Diese frühe Phase ist gekennzeichnet durch ein vorsichtiges Erforschen des Marktes. Nach und nach findet das neue Produkt Anklang und bahnt sich seinen Weg von einem zunächst exklusiven Abnehmerkreis zu breiteren Verbraucherschichten. Der Markt geht über in die Expansionsphase. Weitere Unternehmen treten in den Markt ein und schließen durch Nachahmung zum Pionierunternehmen auf. Die Nachfrage weitet sich aus und die Unternehmen können aufgrund der zunehmenden Produktionserfahrung ihre Kosten durch Rationalisierung senken und gleichzeitig die Qualität des Produktes verbessern. Die Gewinne erreichen in dieser Phase ihren Höhepunkt, da sich das Produkt inzwischen durchgesetzt hat und mit Hilfe der Produktdifferenzierung zeigen sich zunehmend neue Verwendungsmöglichkeiten. Sind fast alle Nachfrageschichten erschlossen und läßt sich der Markt wenn überhaupt nur noch geringfügig ausdehnen, so erreicht er seine Ausreifungsphase. Die Nachfrage ist zu einer mehr oder weniger gegebenen Größe geworden, die durch die Anbieter nicht mehr grundlegend verändert werden kann, so daß die Gewinnraten anfangen zu sinken. Es kommt zwar noch zu vereinzelten Verbesserungen des Produktionsprozesses, ohne das jedoch gravierende Kostensenkungen erreicht werden. Zuletzt tritt der Markt in seine Stagnationsphase ein, die schließlich in eine Rückbildungsphase übergehen kann. Die Nachfrage nach dem Produkt beschränkt sich auf die Befriedigung des Ersatzbedarfs. Aufgrund des technischen Fortschritts wird das alte Produkt durch neue ersetzt, denen sich die Nachfrage immer mehr zuwendet. Die Gewinne der Anbieter nehmen weiter ab und es kommt zu Marktaustritten.
b) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Bereits dieser kurze Überblick über den Marktzyklus verdeutlicht, daß die Marktphase, in der sich das zu untersuchende Oligopol befindet, einen erheblichen 318 Vgl. Kommission v. 11. 6. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 40; v. 10. 2. 1995 I V / M . 533 TWD/Akzo Nobel-Kuagtextil, MCR 1803, Tz. 28; v. 23. 5. 1996 I V / M . 605 Hoechst/Klöckner-Werke/Hartfolien, MCR 2515, Tz. 20; v. 23. 3. 1992 I V / M. 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829, Tz. 17. 319 Vgl. hierzu und zum folgenden ausführlich Heuss, Allgemeine Markttheorie, S. 16 ff.; Kauf er, Industrieökonomik, S. 175 ff.; /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 56 ff.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
253
Einfluß auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion haben kann. Grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Kollusionswahrscheinlichkeit bestehen dabei zwischen den beiden frühen Marktphasen (Experimentier- und Expansionsphase) einerseits und den beiden späteren Stadien (Ausreifungs- und Stagnationsphase) andererseits. In der Experimentier- und Expansionsphase eines Marktes besteht aufgrund der dynamischen Marktentwicklung mit einem raschen Wandel der Wettbewerbsbedingungen nur ein geringes Interesse der Unternehmen an einer Kollusion. 320 Das Nachfragepotential ist noch nicht erschlossen, die Kosten der Produkte können noch gesenkt, die Qualität verbessert werden. In der Expansionsphase und allgemein bei starker Zunahme der Marktnachfrage besteht daher ein erheblicher Anreiz, aggressiv um Marktanteile zu konkurrieren, während längerfristige Kollusionsvorteile in der Sicht der Anbieter kaum eine Rolle spielen. 321 In den frühen Marktphasen hängt die Überlebensfähigkeit und langfristige Rentabilität eines Unternehmens zudem weniger vom gegenwärtigen Marktverhalten als vielmehr von zukunftsorientierten Technologie- und Investitionsentscheidungen ab. Eine Kollusion, die sich auf die Aktionsparameter Forschung und Entwicklung oder Innovation bezieht, ist jedoch aufgrund der diesbezüglich bestehenden hohen Anreize zum Cheating und zum Markteintritt von Newcomern fast undurchführbar. 322 Eine wachsende Nachfrage erhöht nicht nur die Neigung zum Cheating, das hier besonders große Absatz- und Gewinnsteigerungen verspricht, sondern erschwert auch die Überwachung der Einhaltung einer Kollusion. Denn die nominellen interdependenzbedingten Nachfragerückgänge aufgrund der Preissenkung eines Anbieters werden durch die allgemeine Nachfrageausweitung ausgeglichen oder sogar überkompensiert. Auch der Einsatz anderer Aktionsparameter wie Qualität und technische Innovation schafft eher neue Nachfrage, als daß bereits bestehende von den Konkurrenten abgezogen wird. Insgesamt wird das Aufdecken von Cheating daher erheblich erschwert und der Umstand, daß ein Unternehmen schneller wächst als die anderen, ist in dieser Situation kein überzeugender Beweis für das Unterlaufen der Kollusion. Die Reaktionsverbundenheit zwischen den Unternehmen ist in dieser Marktphase zwar nicht aufgehoben, aber durch die verschiedenen dynamischen Einflüsse weniger fühlbar. Durch den Marktzutritt neuer Unternehmen kommt es zu einer sukzessiven Dekonzentration, so daß es unter Umständen schon an der für eine oligopolistische Marktstruktur entscheidenden hohen absoluten und relativen Konzentration fehlt. Zumindest aber wirkt sich jeder Markteintritt durch die Veränderung der bestehenden Abhängigkeiten und die Verschiebung der Interessen destabilisierend auf eine bestehende Kollusion aus.
320 Vgl. Höfer, Abgestimmtes Verhalten - ein Zentralproblem der Wettbewerbspolitik, S. 160 ff.; Williamson , Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 155. 321 Vgl. Greer, Industrial Organization & Public Policy, S. 297; Martin, Industrial Economics, S. 168. 322 Vgl. Kantzenbach/ Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 61 f.
254
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
In der Ausreifungs- und Stagnationsphase kommt das Wachstum des Marktes allmählich zum Stillstand und die Wettbewerbsbedingungen stabilisieren sich. Aufgrund der zunehmenden Marktsättigung wirken sich aggressive Wettbewerbsvorstöße nunmehr unmittelbar und spürbar auf die Konkurrenten aus. Dem einzelnen Unternehmen, das eine positive Wachstumsrate anstrebt, ist dies nur noch auf Kosten seiner Wettbewerber möglich. Anstatt marktgegebener Wachstumsspielräume bestehen nur noch konkurrenzbezogene Expansionsmöglichkeiten. Die Erkenntnis der gegenseitigen Reaktionsverbundenheit und die Furcht vor Verdrängungswettbewerb bewirkt in dieser Marktphase einen starken Anreiz zur Kollusion. 323 Für die Oligopolisten steht nunmehr die Überlegung im Vordergrund, welcher Preis bei einer gegebenen Nachfrage für sie alle der vorteilhafteste ist. 3 2 4 Die Stabilität der Wettbewerbsbedingungen und die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen ermöglichen es, daß sich bei den Anbietern die Erwartung herausbildet, daß alle auf aggressive Strategien verzichten werden. Für das Zustandekommen einer impliziten Kollusion ist es gerade essentiell, daß sich die Unternehmen Erwartungen über die zukünftigen Verhaltensweisen ihrer Konkurrenten bilden können. Zudem lassen stabile Marktbedingungen Cheating weniger gewinnbringend erscheinen. Vor allem in reifen Märkten, in denen sich dieselben Anbieter dauerhaft gegenüberstehen, muß derjenige Anbieter, der aus der Kollusion ausbricht, mit Vergeltungsmaßnahmen der übrigen rechnen. Greift man insoweit auf die Erkenntnisse der Spieltheorie zurück, so läßt sich die individuelle Entscheidungssituation der Oligopolisten mit derjenigen in einem Mehrperioden-Spiel vergleichen. Da sich die Spielsituation über mehrere Perioden wiederholt, müssen die Anbieter die in den Folgeperioden zu befürchtenden Vergeltungsmaßnahmen der Mitbewerber und den anschließenden Zerfall der Kollusion in ihre Überlegungen mit einbeziehen, so daß Cheating unwahrscheinlicher wird. Die Entscheidungssituation auf dynamischen Märkten mit starkem technischen Fortschritt und permanentem Wandel der Wettbewerbsbedingungen nähert sich dagegen derjenigen bei Einperioden-Spielen an, in denen die individuelle Rationalität und die Strategie des Cheating dominiert. 325 Befindet sich der Oligopolmarkt schließlich in der Rückbildungsphase tritt die dem Oligopol immanente Antinomie zwischen der kollektiven Rationalität der Anbietergruppe und der individuellen Rationalität der einzelnen Unternehmen besonders deutlich hervor. Zwar wirken die kollusionsfördernden Bedingungen der Ausreifungs- und Stagnationsphase auch hier fort. Andererseits verstärkt die anhaltend schrumpfende Nachfrage und die zunehmende Unterauslastung der Kapazitäten den Anreiz, individuelle Vorteile auch auf Kosten der Konkurrenten zu realisieren.
323
Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 294 f.; Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 152 f.; 156; Martin, Industrial Economics, S. 168; Aberle, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S. 44. 324 Vgl. Heuss, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, 315, 319. 32 5 Vgl. Kruse, WiSt 1995, 564, 570.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
255
Die sich hier vollziehenden Veränderungen wie Marktaustritte können sich ähnlich destabilisierend auf Kollusionen auswirken, wie die Dynamik der frühen Marktphasen.326 Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit, daß es auf Märkten, die sich in der Experimentier- oder Expansionsphase befinden, zu einer stabilen Kollusion kommt, relativ gering ist. Demgegenüber bieten Märkte, die schon in die Ausreifungs- oder Stagnationsphase übergegangen sind, günstige Rahmenbedingungen für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion. Ist der Markt dagegen in die Rückbildungsphase übergegangen, kann aufgrund der instabilen Marktverhältnisse wiederum eine erhöhte Kollusionswahrscheinlichkeit gegeben sein. Zur Bestimmung der Auswirkungen der Marktphase bedarf es hier einer Analyse weiterer Faktoren, insbesondere des Grades der Kapazitätsauslastung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Erfassung der Marktentwicklung nach dem Marktphasenschema nur eine grobe Annäherung an die Wirklichkeit erreicht und stets auch auf industriespezifische Besonderheiten des Marktes abzustellen
c) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Bei der Untersuchung des Entwicklungsstadiums eines Marktes stellt die Kommission vor allem auf die Wachstums- und die Innovationsraten ab. Auf unausgereiften dynamischen Märkten, die durch wachsende Marktvolumina und die Markteinführung neuer Produkte mit neuen Charakteristika gekennzeichnet sind, schließt die Kommission auf das Vorhandensein wesentlichen Wettbewerbs, der eine oligopolistische Marktbeherrschung der Unternehmen verhindere. 328 Besonders deutlich analysierte die Kommission die Bedeutung innovativer und in der Ausdehnung befindlicher Märkte in der Entscheidung Bosch/Allied Signal. 329 Auf dem betroffenen Markt für Antiblockiersysteme für hydraulische Bremsen (ABS) 326 Vgl. Eickhof, ORDO 34 (1992), 173, 184; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 61 und Zimmermann, in: Bombach / Galen / Ott, Industrieökonomik: Theorie und Empirie, 67, 78, der aufgrund einer empirischen Untersuchung des verarbeitenden Gewerbes der Bundesrepublik gerade „für die Schrumpfungsphase eine erhöhte Preisvariabilität" feststellt. 327 Vgl. Kauf er, Industrieökonomik, S. 284, der zudem daraufhinweist, daß in der Realität die Mehrzahl der Unternehmen auf verschiedenen Märkten tätig ist und sich die Unternehmen mithin gleichzeitig in verschiedenen Marktphasen befinden können. 328 Vgl. Kommission v. 27. 3. 2000 COMP/M. 1838 BT/ESAT, MCR 6851, Tz. 12; v. 15. 4. 1999 I V / M . 1432 Agfa-Gevaert/Sterling, MCR 5403, Tz. 51; v. 25. 9. 1992 I V / M. 258 CCIE/GTE, MCR 891, Tz. 24; v. 15. 10. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse/ Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45; v. 23. 3. 1992 I V / M . 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829, Tz. 17; v. 21. 12. 1994 I V / M . 484 Krupp/Thyssen/Riva/Falck/Tadfln/AST, ABl. 1995 L 251/18, Tz. 68. 329 Kommission v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/ Allied Signal, MCR 2447, Tz. 39 f.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
fanden seit langem fortgesetzte Produktinnovationen statt. Angesichts der bevorstehenden Entwicklung und Markteinführung integrierter elektronischer Bremssysteme, die in wenigen Jahren die heutigen ABS-Systeme ersetzen sollten, konstatierte die Kommission, daß die beiden Dyopolisten mit über 80% Marktanteil einer großen Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Marktes und ihre zukünftige Marktstellung ausgesetzt seien. Die Kommission verneinte eine dyopolistische Marktbeherrschung, da die große Unsicherheit eine Intensivierung des Wettbewerbs bewirke. 330 Eine ausführliche Untersuchung der Marktdynamik nahm die Kommission in der Entscheidung Rhône-Poulenc /SNIA vor. 3 3 1 Das Wettbewerbsumfeld des Marktes für Polyamidgarn war wegen des hohen Innovationsgrades und der hohen Innovationsgeschwindigkeit, die zur Folge hatten, daß die neu entwickelten Produkte in der Regel noch keinen Patentschutz genossen, nicht stabil. In der Entscheidung Unilever France / Ortiz-Miko (II) führte die Kommission den Umstand, daß der Markt für Speiseeis noch nicht ausgereift war und fortwährend neue Produktvarianten entwickelt wurden sowie die erheblichen Wachstumsperspektiven des Marktes als Gründe dafür an, daß eine oligopolistische Marktbeherrschung unwahrscheinlich sei. 332 Auf gesättigten und relativ stabilen Märkten mit stagnierender Nachfrage bestehen dagegen nach Ansicht der Kommission „keine nennenswerten Anreize zu einem aktiven Wettbewerb in der Aussicht auf Erlangung neuer Marktanteile." 333 Ausgereifte Märkte werden daher von der Kommission als Faktor bewertet, der ein wettbewerbswidriges Parallel verhalten der Anbieter erleichtert. 334 Unklar ist jedoch, wann die Kommission einen Markt als in der Ausreifungs- oder Stagnationsphase befindlich betrachtet. Ein jährliches Wachstum des Marktes für Platin von 3% sah die Kommission im Fall Gencor/Lonrho als Zeichen für einen stabilen Markt an, der keine neuen Unternehmen zum Eintritt ermutige und auch keine aggressiven Maßnahmen zur Vereinnahmung des Marktwachstums rechtfertige
330 Kommission v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/ Allied Signal, MCR 2447, Tz. 45. 331 Kommission v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 7.2.2. Vgl. auch Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 38: Hohe Dynamik des Marktes für Musikaufzeichnungen aufgrund des raschen Wechsels der Verbraucherpräferenzen und Musikrichtungen. 332 Kommission v. 15. 3. 1994 I V / M . 422 Unilever France/Ortiz-Miko (II), MCR 1373, Tz. 51. 333 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 30. 334 Vgl. Kommission v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue, Tz. 148; v. 14. 3. 2000 COMP/M. 1663 Alcan/Alusuisse, Tz. 96; v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 82; v. 9. 3. 1999 I V / M . 1313 Danish Crown/Vestjyske Slagterier, ABl. 2000 L 20/1, Tz. 176; v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 98; v. 14. 11. 1995 I V / M . 603 Crown Cork ά Seal/CarnaudMetalbox, ABl. 1996 L 75/38, Tz. 98; v. 6. 7. 1994 I V / M . 460 Holdercim/ Cedest, MCR 1533, Tz. 27; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 55.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
257
und daher insgesamt keinen bedeutenden Wettbewerbsanreiz darstelle. 335 Demgegenüber sah sie den Markt für kaltgewalzten Edelstahl mit einer Wachstumsrate von 4% als einen noch wachsenden Markt an. 3 3 6 Die gleiche Wachstumsrate von 4% auf dem Markt für Allzwecklampen wurde allerdings als ein nur mäßiges Wachstum bewertet. 337 Der Grund für diese Divergenzen dürfte darin zu sehen sein, daß die Kommission bei der Beantwortung der Frage, ob sich ein Markt bereits in der Ausreifungs- oder Stagnationsphase befindet, richtigerweise auch auf die Besonderheiten der jeweils betroffenen Branche achtet. Neben dem Marktwachstum werden auch eine ausgereifte Produktionstechnologie und ein geringer Grad an Produktinnovationen in der Rechtspraxis als Anhaltspunkte für stabile Marktbedingungen angesehen.338 In der Entscheidung Nestlé/ Perrier führte die Kommission insoweit aus, daß die betroffene Brunnenwasserindustrie nicht als eine forschungsorientierte Industrie mit technischen Neuerungen gelten könne, wo etablierte Marktpositionen schnell durch neue technologische Entwicklungen abgebaut und die Interdependenz der beiden Marktführer durch einen effektiven Wettbewerb verringert werden könne. 339 Unsicherheiten zeigen sich in der Rechtspraxis bei der Beurteilung schrumpfender und in der Rückbildungsphase befindlicher Oligopolmärkte. In einigen Entscheidungen sah die Kommission die Wahrscheinlichkeit, daß es auf schrumpfenden Märkten zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten kommt, als gering an, da die Unternehmen hier einem starken Preisdruck ausgesetzt seien. So bewertete sie den in der Zukunft zu erwartenden deutlichen Nachfragerückgang auf dem Markt für Pflanzenschutzmittel in der Entscheidung American Cyanamid/Shell zutreffend als einen Umstand, der gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung spricht. 340 Dagegen war die Nachfrage auf dem Markt für Kali im Fall Kali + 335 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 151, in diesem Punkt ausdrücklich bestätigt durch EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/ Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 236. Vgl. auch Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours /First Choice, ABl. 2000 L 93 /1, Tz. 92: Nachfragewachstum des Marktes für Auslands-Pauschalreisen von 3%-4% zu gering; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 246, 475: schwaches Wachstum des Marktes für Motorkraftstoffe von 0,4% und für Erdgas von 2%-3% fördert oligopolistisches Parallel verhalten; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 38: stagnierender Markt für Stahlrohre bei 0% bis 1% Wachstum; sowie Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse / Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 98: Aufgrund der Tatsache, daß es sich bei den Kunden der sechs großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften um Großunternehmen handelt, ist ein Marktwachstum nicht zu erwarten. 336 Kommission v. 21. 12. 1994 I V / M . 484 Krupp/Thyssen/Riva/Falck/Tadfln/AST, ABl. 1995 L 251/18, Tz. 68. 337 Kommission v. 25. 9. 1992 I V / M . 258 CCIE/GTE, MCR 891, Tz. 24. 338 Vgl. hierzu allgemein Kommission v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 473. 339 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 126; 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 257. Vgl. auch Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 /30, Tz. 152. 17 Hahn
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Salz/MdK /Treuhand innerhalb von fünf Jahren sogar um 30% zurückgegangen. Ohne näher auf die Marktphase einzugehen, stellte die Kommission hier jedoch lediglich lapidar fest, daß es sich um einen ausgereiften Markt handele, der ein Anhaltspunkt dafür sei, daß zwischen den Dyopolisten kein wirksamer Wettbewerb bestehen werde. 341 Angesichts des deutlichen Schrumpfungsprozesses des Marktes wäre hier allerdings eine genauere Analyse der Marktphase hinsichtlich möglicher kollusionshemmender Wirkungen erforderlich gewesen. Der Europäische Gerichtshof widersprach dann auch der Kommission in diesem Punkt und führte aus, daß im allgemeinen „davon ausgegangen (wird), daß ein rückläufiger Markt grundsätzlich den Wettbewerb zwischen den Unternehmen des betroffenen Sektors förden." 3 4 2
7. Das Marktverhalten der Oligopolisten in der Vergangenheit
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Bei der Berücksichtigung des Marktverhaltens in der Marktbeherrschungsprüfung der Fusionskontrolle ergibt sich das Problem, daß es hier nicht wie in der Mißbrauchsaufsicht um die Bewertung einzelner, in der Vergangenheit liegender Verhaltensweisen geht, sondern um die Beurteilung der zukünftigen Wirkungen, die von Unternehmens- und Marktstrukturveränderungen auf den Wettbewerb ausgehen. Während es in der Verhaltenskontrolle unter bestimmten Voraussetzungen angebracht sein kann, von einem bestimmten vorgefundenen Unternehmensverhalten auf eine vorhandene Marktbeherrschung zu schließen,343 verlangt die Marktstrukturkontrolle stets eine Prognoseentscheidung, die sich auf eine möglichst sichere, strukturelle Grundlage stützen muß. Vielfach wird daher davon ausgegangen, daß das Marktverhalten der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen und der Oligopolgruppe in der Vergangenheit nur dann zur Beurteilung der Zusam340 Kommission v. 1. 10. 1993 I V / M . 354 American Cyanamid/Shell, MCR 1663, Tz. 36. Vgl. auch Kommission v. 8. 2. 1991 I V / M . 009 Fiat Geotech/Ford New Holland, WuW/E EV 1611, Tz. 12, 23: schrumpfender Markt für Erntemaschienen. 341 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. 342 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C - 6 8 / 9 4 u. C-30/95 Frankreich
u. a./Kommission,
Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 238. 343 Ein solcher Rückschluß darf allerdings nicht dazu führen, daß eine marktbeherrschende Stellung aus bestimmten Verhaltensweisen abgeleitet wird und diese dann zirkelschlußartig aufgrund der so festgestellten Marktbeherrschung als mißbräuchlich qualifiziert werden. Ein als wettbewerblich bedenklich angesehenes Verhalten kann daher auch in der Verhaltenskontrolle nie abschließend für sich allein die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung rechtfertigen, sondern dient auch hier nur der Konsolidierung und Absicherung eines im Rahmen einer Marktstrukturanalyse gefundenen Ergebnisses; vgl. Ritter/Braun/Rawlinson, EEC Competition Law, S. 285; Schröter, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 86 RdNr. 98.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
259
menschlußwirkungen herangezogen werden kann, wenn es Rückschlüsse auf fortbestehende Wirkungen der Marktstruktur erlaubt. 344 An dieser Voraussetzung soll es allerdings schon dann fehlen, wenn der Zusammenschluß selbst die für den zu erwartenden Wettbewerb maßgeblichen Strukturbedingungen verändert. Auch wenn daher bei der Untersuchung der Kollusionswahrscheinlichkeit richtigerweise marktstrukturelle Gesichtspunkte in ihrem Zukunftsbezug im Mittelpunkt stehen, können sich dennoch auch aus dem in der Vergangenheit zu beobachtenden Marktverhalten und den verfolgten Wettbewerbsstrategien der Oligopolisten Hinweise auf die zu erwartende Kollusionsgefahr ergeben. Gerade die in die bisherige Analyse miteinbezogenen Erkenntnisse der spieltheoretisch ausgerichteten Neuen Industrieökonomik haben gezeigt, daß als Determinanten kollusiven Verhaltens auch solche Faktoren zu berücksichtigen sind, die die grundsätzlich gegebene Unsicherheit der Unternehmen über zukünftige Wettbewerbssituationen und insbesondere über die zukünftigen Wettbewerbsstrategien ihrer Konkurrenten verringern. Das Zustandekommen kollusiver Verhaltenweisen ist danach um so einfacher, je geringer die Unsicherheiten der Anbieter über das zu erwartende Verhalten ihrer Konkurrenten bzw. je zutreffender die wechselseitig vorgenommenen Einschätzungen der Konkurrentenstrategien sind. Bei der Untersuchung des Marktverhaltens der Oligopolisten muß es daher vorrangig darum gehen, zu ermitteln, inwieweit die Wettbewerber aus dem vergangenen Verhalten ihrer Konkurrenten Rückschlüsse auf deren zukünftiges Verhalten ziehen können. Haben bisher alle Oligopolisten in der Vergangenheit auf aggressive Wettbewerbsvorstöße verzichtet oder sich sogar schon früher kollusiv verhalten, so kann der einzelne Oligopolist aus diesen Erfahrungen die Erwartung bilden, daß seine Konkurrenten bei gleichbleibenden Wettbewerbsbedingungen auch in Zukunft eine entsprechend friedfertige Strategie verfolgen werden. Das Zustandekommen insbesondere einer impliziten Kollusion wird dadurch entsprechend erleichtert. 345 Voraussetzung dafür ist allerdings eine gewisse Kontinuität des Marktgeschehens, da die Unternehmen nur so lernen, das zukünftige Verhalten ihrer Konkurrenten einigermaßen verläßlich einzuschätzen. Ein Anhaltspunkt für eine derartige Erwartungshaltung unter den Oligopolisten kann insbesondere ein wiederholtes, kartellbehördlich festgestelltes früheres Kartellverhalten in der Branche sein. Für ein kollusives Marktgeschehen sprechen zudem eine längere Preisstabilität und parallele Preiserhöhungen oder eine langjährige Stabilität der Marktanteile insbesondere dann, wenn sich in dieser Zeit die äußeren Marktumstände erheblich verändert haben, wie etwa bei starken Nachfra344 Vgl. Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 120; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 234; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 838 ff. 345 Ein spieltheoretisches Erklärungsmodell hierfür ist die sogenannte „Trigger"-Strategie. Bei dieser Strategie vereinbaren die Konkurrenten, daß sie immer dann kooperieren, wenn in der Vorperiode alle Mitspieler die KooperationsVereinbarung eingehalten haben. Sobald jedoch ein abweichendes Verhalten zu beobachten ist, gehen die Spieler als Bestrafung sofort zu nicht-kooperativen Strategien über, die zu niedrigeren Auszahlungen führen; vgl. hierzu Martin, Industrial Economics, S. 168. 1*
260
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
gerückgängen oder Veränderungen solcher Kostenfaktoren, die sich preissenkend auswirken müßten. 346 Zeigt sich, daß der betreffende Markt bisher durch lebhaften Wettbewerb und aggressiven Aktionsparametereinsatz gekennzeichnet war, so können die Anbieter keine verläßlichen Erwartungen darüber bilden, daß ihre Konkurrenten zukünftig eine Kollusion akzeptieren werden. Die hohe Unsicherheit bewirkt, daß die Anbieter die zukünftigen Wettbewerbsbedingungen sehr unterschiedlich einschätzen werden. Die Folge ist, daß das Zustandekommen implizit kollusiver Verhaltensweisen schwieriger wird, da Kollusion nunmehr eine höhere Abstimmungsintensität mit entsprechend höheren Abstimmungskosten erfordert. Damit sich bei den Oligopolisten aufgrund des früheren Wettbewerbsgeschehens die Erwartung bilden kann, daß die Konkurrenten auch in Zukunft wettbewerbliche Expansionsstrategien anstatt kollusiver Verhaltensweisen bevorzugen werden, reicht es jedoch nicht aus, daß sich auf dem Markt überhaupt irgendwelche Formen wettbewerblichen Verhaltens identifizieren lassen. Lediglich lokal oder temporär begrenzter Wettbewerb sowie bloßer Werbungs- oder Markenwettbewerb, der sich weder auf Preise noch Qualitäten bezieht, schafft noch keine Unsicherheit unter den Oligopolisten. Vielmehr werden diese Wettbewerbsformen von den Oligopolisten häufig zur bewußten Produktdifferenzierung eingesetzt, um dadurch vor Wettbewerb geschützte Marktnischen zu schaffen und die Marktzutrittsschranken für Newcomer zu erhöhen. Darüber hinaus bedürfen auch bedeutsamere auf einem Markt vorgefundene wettbewerbliche Aktionen wie Preissenkungen einer sorgfältigen Analyse und dürfen nicht unbesehen als ein Indiz bewertet werden, das für eine geringe Kollusionswahrscheinlichkeit in der Zukunft spricht. So kann es sich hierbei auch lediglich um Verdrängungswettbewerb gegenüber Außenseitern bzw. Newcomern handeln oder um gezielte Bestrafungsaktionen der Oligopolisten als Reaktion auf Cheating. Die Möglichkeit, in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen in Erwartungen über zukünftige Perioden zu transformieren, kann in derartigen Situationen gerade zu einer Verringerung der Cheating-Anreize führen. Zeigt sich, daß Cheating stets von den übrigen Oligopolisten entschlossen und wirksam bestraft wurde, so bildet sich bei den Unternehmen die Erwartung, daß ein Unterlaufen der Kollusion auch in der Zukunft wenig erfolgversprechend sein wird. Bei früheren Verdrängungsstrategien der Oligopolisten wissen potentielle Newcomer, daß sie im Fall eines Markteintritts mit heftiger Gegenwehr zu rechnen haben. Hinweise darauf, daß aufgrund des vergangenen Marktgeschehens unter den Anbietern eine erhebliche Unsicherheit über das zukünftige Verhalten ihrer Konkurrenten besteht, sind neben starkem Preiswettbewerb vor allem kurzfristige Schwankungen der Marktanteile. Längerfristige Marktanteilsverschiebungen deuten dagegen eher auf strukturelle Änderungen der Marktverhältnisse hin. Unsicherheiten entstehen auch aus kürzlich 346 Vgl. Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 97 f.; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 204; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 543 f.; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 234 ff.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
261
erfolgten Markteintritten, durch die das Vertrauen in den wechselseitigen Verzicht auf aggressive Wettbewerbsstrategien beeinträchtigt wird und die sich durch die Veränderung der bestehenden Abhängigkeiten und die Interessenverschiebungen destabilisierend auf eine Kollusion auswirken. 347 Insgesamt zeigt sich, daß das vergangene Marktgeschehen durchaus Einfluß auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion hat. Die Annahme, daß nach einem Zusammenschluß für die Zukunft von einer erhöhten Kollusionsgefahr auszugehen ist, erfordert jedoch keineswegs zwingend den Nachweis vorherigen kollusiven Verhaltens auf diesem Markt. Die bisherige Untersuchung hat gerade gezeigt, daß die Kollusionswahrscheinlichkeit von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, die sich gegenseitig beeinflussen. Jeder Zusammenschluß führt nun aber zu einer mehr oder weniger starken Veränderung der Wettbewerbsbedingungen und damit der für die Kollusionswahrscheinlichkeit ausschlaggebenden Faktoren. Selbst wenn es daher auf einem Markt bisher noch nicht zu kollusivem Verhalten gekommen ist und sich die Oligopolisten wettbewerblich verhalten haben, kann beispielsweise die weitere Verengung und Angleichung des Oligopois durch den Zusammenschluß das Zustandekommen einer stabilen Kollusion in Zukunft erheblich erleichtern. Dem bisherigen Marktverhalten der Oligopolisten kommt daher als Determinante der Kollusionswahrscheinlichkeit eine eher untergeordnete Bedeutung im Sinne eines „Fingerzeiges" zu. 3 4 8
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis In ihrer frühen Oligopolpraxis argumentierte die Kommission ausgehend von ihrer preistheoretischen Fundierung noch sehr stark über das vergangene Wettbewerbsverhalten der Oligopolisten. 349 Auch wenn sich die Prüfung der Kommission nunmehr in erster Linie auf die Marktstrukturfaktoren konzentriert, untersucht sie dennoch häufig das in der Vergangenheit beobachtbare Marktgeschehen auf wettbewerbsbeschränkende Strategien der Oligopolisten. 350 Zeigt sich dabei auf dem betreffenden Markt eine Kartelltradition, die durch entsprechende Verfahren der Kommission oder nationaler Kartellbehörden belegt wird, so deutet dies nach An347 Vgl. Briones, ECLR 1995, 334, 347. 348 Für eine Berücksichtigung des Marktverhaltens auch Ehlermann, EuZW 1994, 647, 649; Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 107; Briones, ECLR 1995, 334, 347; Winckler/Hansen, CMLR 1993, 785, 825 f. 349 Vgl. Kommission v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI /Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 39; v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel/ AEG, WuW/E EV 1740, Tz. 16 sowie Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 119 f. 350 Vgl. Kommission v. 20. 8. 1999 COMP/M. 1629 Knorr Bremse/Mannesmann, MCR 6029, Tz. 39; v. 2.4.1998 I V / M . 1127 Nestlé /Dalgety, WuW EU-V 45, Tz. 30; v. 24.4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 168, in diesem Punkt ausdrücklich bestätigt durch EuG v. 25. 03. 1999 Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999 II, 1, Tz. 293 ff.
262
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
sieht der Kommission auf ein ähnliches Verhalten auch nach dem Zusammenschluß und damit auf eine oligopolistische Marktbeherrschung hin. 3 5 1 Im Fall VEBA/VIAG untersuchte die Kommission die Auswirkungen der früheren Gebietsmonopole der deutschen Stromwirtschaft auf den Wettbewerb zwischen den beiden größten deutschen Verbundunternehmen. Wie alle deutschen Verbundunternehmen hatten auch die beiden Dyopolisten bis zur Liberalisierung des deutschen Strommarktes jahrzehntelang durch Gesetz geschützte Monopolstellungen in einem gegen angrenzende Versorger demarkierten Versorgungsgebiet inne. Nach Auffassung der Kommission würde ein zukünftiges Parallelverhalten der Dyopolisten dadurch erleichtert, daß diese einfach an die Kundenaufteilungen entsprechend den ehemaligen Gebietsmonopolen anknüpfen könnten und ihnen mit der langjährigen Praktizierung geschlossener Versorgungsgebiete ein geeignetes Verhaltensmuster zur Verfügung stand. 352 Die Kommission beschränkt sich bei der Marktverhaltensprüfung jedoch nicht nur auf laufende Verfahren oder Kartellrechtsverstöße aus jüngerer Zeit. 3 5 3 So führte sie in der Entscheidung Kali+Salz /MdK /Treuhand eine gegen Art. 81 EGV verstoßende Vereinbarung zwischen den Dyopolisten aus dem Jahr 1973 als Anhaltspunkt für eine dyopolistische Marktbeherrschung dieser Unternehmen an. 3 5 4 Ein so weitreichender Rückgriff erscheint jedoch bedenklich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die von den Wettbewerbern verfolgten Strategien eine gewisse Kontinuität erkennen lassen müssen, damit sich verläßliche, die Unsicherheit verringernde Erwartungen herausbilden können. Weiterhin berücksichtigt die Kommission bei ihrer Marktverhaltensprüfung auch die Entwicklung der Preise. In der Entscheidung Nestlé /Perrier zeigte die Analyse der zeitlichen Listenpreisentwicklung ein auffälliges Maß an Preisparallelität. 3 5 5 Weiterhin stellte die Kommission fest, daß die Anreize und Möglichkeiten zu einer gemeinsamen Erhöhung der Preise bereits in der Vergangenheit von den Unternehmen erkannt worden seien und der geplante Zusammenschluß die Wahr351 Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 32; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. 352 Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001, L 188/1, Tz. 80. 353 Vgl. Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 32. 354 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. Der Europöische Gerichtshof sah allerdings in diesem Verhalten „wegen des Zeitraums von zwanzig Jahren, der zwischen der Erklärung der Unvereinbarkeit und der Anmeldung des Zusammenschlußvorhabens vergangen war, einen äußerst schwachen, wenn nicht gar unerheblichen Anhaltspunkt für die Vermutung eines fehlenden Wettbewerbs" zwischen den Dyopolisten; vgl. EuGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C-68/94 u. C-30/95 Frankreich u. a. /Kommission, Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 241. Diese Ansicht hatte zuvor bereits auch Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen vertreten, Slg. 19981, 1381 ff., Tz. 128. 355 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, 124.
ABl. 1992 L 356/1, Tz. 121,
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
263
scheinlichkeit für eine solch stillschweigende Strategie nur vergrößere. Besondere Berücksichtigung fand auch der Umstand, daß die beiden Dyopolisten in der Vergangenheit den Markteintrittsversuch eines Newcomers gemeinsam erfolgreich abgewehrt hatten. Zeigt sich auf dem betroffenen Markt dagegen ein lebhafter Preiswettbewerb in Form von Preisrückgängen, so führte die Kommission dies als ein Indiz an, das gegen ein Wettbewerbs widriges Parallel verhalten in der Zukunft spricht. 356 Die Kommission betrachtet Preissenkungen jedoch nicht per se als kollusionhemmend, sondern berücksichtigt richtigerweise auch deren Ursachen. 357 In der Entscheidung Pilkington-Techint/SIV wiesen die beteiligten Unternehmen darauf hin, daß der Preis für Floatglas in den letzten drei Jahren um 30% zurückgegangen war und sich bei einer Deflationierung der nominellen Preise der letzten 20 Jahre sogar eine Halbierung der Preise ergab. 358 Dennoch sah die Kommission hierin kein gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung sprechendes Indiz, sondern verwies darauf, daß diese rückläufige Preisentwicklung vor allem das Ergebnis einer konjunkturbedingt nachlassenden Nachfrage sei und nicht auf Produktivitätsverbesserungen zurückgeführt werden könne. Schließlich untersucht die Kommission auch die Entwicklung der Marktanteile der Oligopolisten in der Vergangenheit. Zeigt sich im Zeitablauf eine hohe Stabilität der Marktanteile der Oligopolisten, wird dies als Indiz für eine oligopolistische Marktbeherrschung geweitet. 359 Marktanteilsschwankungen in den letzten Jahren sprechen dagegen für einen intensiven Wettbewerb, wobei die Kommission insoweit schon Marktanteilsverschiebungen von 5% in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren als aussagekräftig ansieht. 360 Unklar bleibt jedoch, ob und inwieweit 356 Kommission v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 21; v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/ Polygram, MCR 4661, Tz. 31; v. 30. 7. 1998 I V / M. 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 55; v. 2. 10. 1997 I V / M . 984 DuPont/ ICI, MCR 3495, Tz. 54; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 AKZO Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 46; v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 7.2.2. 357 Vgl. Kommission v. 23. 12. 1992 IV/M. 238 Siemens/Philips, Tz. 60: „Die Tatsache, daß es zu Preissenkungen gekommen ist, belegt jedoch für sich alleine noch nicht notwendigerweise, daß diese Preissenkungen auf wesentlichen Wettbewerb zurückzuführen sind. Gerade im vorliegenden Fall bestehen gewichtige Hinweise dafür, daß hierfür andere Gründe ursächlich gewesen sein können, und daß das neue Preisniveau immer noch oberhalb eines durch wesentlichen Angebotswettbewerb gebildeten Preisniveaus liegen könnte." 358 Vgl. Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 33. 359 Vgl. Kommission v. 4. 2. 1998 I V / M . 1044 KPMG/Ernst & Young, Tz. 79; v. 23. 12. 1992 IV/M. 238 Siemens/Philips, Tz. 58; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali + Salz/ MdK/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 57. 360 Kommission v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 21; v. 18. 10. 1995 I V / M . 630 Henkel/Schwarzkopf, MCR 2215, Tz. 29; v. 9. 4. 1996 I V / M. 726 Bosch/ Allied Signal, MCR 2447, Tz. 45; v. 28. 9. 1992 I V / M . 256 Linde/Fiat, WuW/E EV 1989, Tz. 29. In der Entscheidung v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 161, stellte die Kommission zwar fest, daß Veränderungen bei den
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
die Kommission die Berücksichtigung des Marktverhaltens davon abhängig macht, daß dieses Rückschlüsse auf fortbestehende Wirkungen der Marktstruktur erlaubt. 361
8. Die Struktur der Nachfrageseite des Oligopolmarktes
Die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit in einem oligopolistisch strukturierten Markt darf sich nicht nur auf die Analyse der insoweit betroffenen Angebotsseite des Marktes konzentrieren, sondern muß auch die Wettbewerbsbedingungen auf der Nachfrageseite miteinbeziehen.362 Im Mittelpunkt der wettbewerbstheoretischen Untersuchung der Nachfrageseite von Märkten steht nach wie vor die Problematik der Nachfragemarktbeherrschung und deren Erfassung durch Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle. 363 Davon zu unterscheiden ist die seltener diskutierte Frage, ob eine marktbeherrschende Stellung im Rahmen der Fusionskontrolle aufgrund einer gegengewichtigen Macht der Nachfrageseite ausgeschlossen werden kann. 364 Wahrend die Bedeutung der Nachfrageelastizitäten für die Kollusionswahrscheinlichkeit schon erörtert wurde, soll im folgenden untersucht werden, welchen Einfluß die Nachfrageseite auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion unter den Anbietern eines Marktes hat.
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Zentrales Kriterium der Marktstrukturanalyse der Nachfrageseite ist, wie auch auf der Angebotsseite, die Anzahl und Größenverteilung der auf dem Markt vertretenen Unternehmen. Je nachdem, wie groß die Anzahl der Nachfrager ist, unterscheidet die Marktformenlehre zwischen polypsonistisch, oligopsonistisch oder monopsonistisch strukturierten (Nachfrage-) Märkten. 365 Entsprechend gilt, daß mit der Konzentration der Nachfrageseite grundsätzlich auch die Nachfragemacht Marktanteilen der Unternehmen sicherlich auf ein gewisses Maß an Wettbewerb im Markt hindeuteten, nahm aber dennoch die Begründung eines marktbeherrschenden Dyopols durch den Zusammenschluß an. 361 In der Entscheidung v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/ Allied Signal, MCR 2447, Tz. 45, weist die Kommission darauf hin, daß das in der Vergangenheit beobachtete wettbewerbliche Verhalten auch „strukturell abgesichert" sei. 362 Vgl. nur Kleimann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 23 a RdNr. 107; Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 101, 107; Briones, ECLR 1995, 334, 345 f.; Winckler/Hansen, CMLR 1993, 787, 823 f.; Zachmann, Le contrôle communautaire des concentration, S. 345 ff.; Salque, RMUE 1996, 107,137 ff. 363 Vgl. hierzu nur Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 72 ff.; 174 ff. jeweils m. w. N. 364 Vgl. allgemein zu dieser Problematik Nordemann, Gegenmacht und Fusionskontrolle, S. 17 ff.; Moog, Die Bildung gegengewichtiger Marktmacht, S. 44 ff. 365 Vgl. Kauf er, Industrieökonomik, S. 25.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
265
der Abnehmer steigt. Die Feststellung von Nachfragemacht läßt sich allerdings nicht allein auf den Marktanteil der einzelnen Nachfrager reduzieren, sondern bedarf vielmehr der Betrachtung aller relevanten Umstände, die einen Nachfrager für die Anbieter unverzichtbar machen. 366 Im vorliegenden Zusammenhang kommt es jedoch nicht darauf an, abstrakte Bedingungen zu bestimmen, die das Vorliegen von Nachfragemacht oder sogar von Nachfragemarktbeherrschung determinieren. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Konzentration der Nachfrageseite auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion auf der Angebotsseite auswirkt. Die bloße Feststellung, daß die Nachfrageseite konzentriert ist und aus wenigen im Verhältnis zum gesamten Nachfragevolumen großen Unternehmen besteht, die für die Oligopolisten unverzichtbar sind, läßt für sich allein noch nicht darauf schließen, daß hierdurch kollusive Verhaltensweisen der Anbieter erschwert werden. 367 Bei ansonsten günstigen Marktbedingungen, wie ζ. B. in engen Volloligopolen ohne Ausweichmöglichkeiten, können Kollusionen ohne weiteres auch gegenüber starken Nachfragern langfristig durchgesetzt werden. Es bedarf daher vielmehr einer eingehenden Untersuchung der Wettbewerbsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern und dabei vor allem der auf dem Markt vorherrschenden Transaktionsformen. Eine hohe Marktkonzentration auf der Nachfrageseite führt nicht nur zu einer steigenden Bedeutung der jeweiligen Geschäftsbeziehungen, sondern häufig auch zu der jedes einzelnen Geschäftsabschlusses. 368 Werden die Transaktionen auf einem Markt in Form von Einzelaufträgen mit großen Volumina bzw. langen Laufzeiten und in unregelmäßigen Abständen abgeschlossen (lumpy sales), so wirkt sich dies destabilisierend auf eine bestehende Kollusion aus. 369 Der Gewinn, den ein Anbieter hier in kurzer Zeit erzielen kann, indem er durch Cheating seine Konkurrenten unterbietet und so den Zuschlag für einen Großauftrag erhält, ist im Vergleich zu den langfristigen Einbußen bei Vergeltungsmaßnahmen als Konsequenz aus diesem Verhalten relativ groß. Die kurzfristigen Cheating-Vorteile übersteigen in diesem Fall die langfristigen Vorteile aus einer gemeinsamen Gewinnmaximierung und ein Ausbrechen aus der Kollusion erscheint individuell rational. Bestehen bei den Oligopolisten darüber hinaus noch hohe Überkapazitäten, so verstärkt dies den Anreiz zum Cheating bei Großaufträgen noch zusätzlich. 370 Da der Anteil der 366 Vgl. ausführlich hierzu Nordemann, Gegenmacht und Fusionskontrolle, S. 50 ff. m. w. N. 367 So auch Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 193. 368 Vgl. Hay, in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 166: „Any product for which the number of customers is small can become lumpy, even where consumption occurs in many small discrete units, if long-term contracts are feasible." 369 Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 248; Kantzenbach /Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 49; Kaufe r, Industrieökonomik, S. 235 f.; Greer, Industrial Organization and Public Policy, S. 297; Martin, Industrial Economics, S. 166; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 528; Denis, Antitrust Bulletin 60 (1993), 479, 512; Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493, 497 f.; Ridyard, ECLR 1994, 255, 261.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Fixkosten pro Produktionseinheit mit sinkender Kapazitätsausnutzung proportional ansteigt, bedeutet es für die Unternehmen erhebliche Mindererlöse, wenn sie größere Kapazitäten über längere Zeit ungenutzt lassen. Sind die individuellen Produktionskapazitäten der Oligopolisten dagegen voll ausgelastet und können nicht kurzfristig erweitert werden, möglicherweise weil die Kapazitäten aufgrund einer Kapazitätskollusion limitiert wurden, so können Großaufträge die Stabilität der Kollusion nicht gefährden, weil kein Anbieter diese ausführen kann. 371 In einer solchen Situation kommt es dann darauf an, ob Oligopolaußenseiter über genügend freie Kapazitäten verfügen, um den Auftrag zu übernehmen und so die Kollusion zu destabilisieren. Wie bereits mehrfach erörtert, läßt sich die Kollusionswahrscheinlichkeit zutreffend nur über die Berücksichtigung der Interdependenzen zwischen den Wirkungsebenen Zustandekommen von Kollusion, Anreiz zum Cheating, Aufdecken von Cheating und Bestrafung des Cheating bestimmen. Es sind daher auch die Auswirkungen von langfristigen Verträgen mit großen Volumina auf die Möglichkeiten zum Aufdecken des Cheatings und dessen Bestrafung zu berücksichtigen. Cheating ist grundsätzlich dann keine erfolgversprechende Strategie, wenn es von den anderen Konkurrenten ohne große Zeitverzögerung entdeckt und innerhalb kurzer Zeit bestraft werden kann. Durch die hohe Konzentration der Nachfrage und das große Auftragsvolumen wirkt sich Cheating bei wenigen großen Nachfragern sofort unmittelbar spürbar auf die anderen Konkurrenten aus, da diese entsprechend große Umsatzverluste hinnehmen müssen.372 Andererseits wird die Identifizierung des Umsatzrückgangs als Cheating eines Konkurrenten durch das Vorhandensein nur weniger großer Nachfrager auch erschwert. Denn anders als bei vielen kleinen Nachfragern läßt sich hier die relativ große Nachfrageverlagerung auch durch einen normalen Nachfragerwechsel erklären, wie er immer wieder vorkommen kann. 373 Für die Indentifizierung des Cheating kommt es daher entscheidend darauf an, daß die Konkurrenten die Konditionen der Transaktionen erkennen können, mithin auf die horizontale Markttransparenz. Eine hohe Konzentration der Nachfrageseite hat allerdings nicht nur Einfluß auf die Transaktionsformen, sondern auch auf die Transparenz eines Marktes. Verkaufen die Oligopolisten ihre Produkte an eine geringe Anzahl von Großunternehmen, so werden sie anstatt bestimmte Listenpreise zu veröffentlichen, meist mit jedem Kunden die Preise und Konditio370
Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 528. 371 Vgl. hierzu Denis, Antitrust Law Journal 60 (1992), 829, 836. 3 72 Vgl. Denis, Antitrust Law Journal 60 (1992), 829, 836; Stigler, Journal of Political Economy 72(1964), 44,48. 373 Vgl. Posner/Easterbrook, Antitrust Cases, Economic Notes and other Materials, S. 337 sowie Shughart, The Organization of Industry, S. 251, der zusätzlich darauf hinweist, daß es für die Oligopolisten um so schwieriger wird einen normalen Nachfragerwechsel von einem kollusionsbedingten Nachfragerwechsel zu unterscheiden, desto unruhiger die Nachfrageseite ist. Insbesondere wenn die Rate der Markteintritte neuer Nachfrager zunehme, während eingesessene Nachfrager aus dem Markt ausscheiden, sei das Datenmaterial aufgrund dessen die Anbieter ihre Schlußfolgerungen ziehen, zu unruhig.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
267
nen individuell aushandeln.374 Die Geheimhaltung der Konditionen wird dadurch erleichtert, insbesondere weil die Nachfrager selbst ein Interesse an der Vertraulichkeit haben, um den ausgehandelten Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern nicht zu verlieren. 375 Eine implizite Kollusion ist hier kaum noch durchführbar. Dieser natürlichen Intransparenz können die Oligopolisten nur dadurch begegnen, daß sie die Überwachung der Kollusion verstärken, indem sie die Markttransparenz durch Marktinformationsverfahren künstlich erhöhen. Aber selbst wenn die Konkurrenten Cheating als solches ohne nennenswerte Verzögerung identifizieren können, wird bei unregelmäßigen Großaufträgen eine kurzfristige Bestrafung kaum möglich sein. 376 Je länger aber der Zeitraum ist, bis die Konkurrenten auf Cheating reagieren können, desto länger wird auch der Zeitraum, in dem CheatingGewinne erzielt werden können, ohne das eine Bestrafung befürchtet werden muß. 377 Insgesamt zeigt sich, daß das Vorhandensein von wenigen großen Nachfragern dann für eine geringe Kollusionswahrscheinlichkeit spricht, wenn es sich bei den Transaktionen um langfristige bzw. große oder unregelmäßige Einzelaufträge handelt. 378 Eine Nachfragestruktur mit einer großen Anzahl von anonymen Nachfragern und einer großen Anzahl von einzelnen, frequentierenden kleinen Transaktionen, wie sie meist auf Konsumgütermärkten besteht, wirkt sich demgegenüber stabilisierend auf eine Kollusion unter den Anbietern aus. Es bestehen nur geringe Anreize zur Realisierung kurzfristiger Gewinne durch Cheating, da sich eine signifikante Absatzsteigerung nur dadurch erzielen läßt, daß der niedrigere Preis einer Vielzahl von kleinen Kunden gewährt wird. Damit steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, daß die Konkurrenten das Cheating umgehend entdecken und beantworten, zumal 374 Vgl. Hay , in: Calvani / Siegfried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 166; Tirole, The Theory of Industrial Organization, S. 248; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 49. 375 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 49; Greer, Industrial Organization and Public Policy, S. 297. Die Monopolkommission, Sondergutachten 23, Tz. 224, weist darauf hin, daß die großen deutschen Einzelhandelsketten in ihren Einkaufskonditionen sogar ihre „bestgehüteten Geheimnisse" sehen. 376 So auch Hay, in: Calvani / Siegried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 166. 377 Ein instruktives Beispiel dafür, daß unregelmäßige Großaufträge kollusives Verhalten erschweren können, bietet der weltweite Markt für düsengetriebene Verkehrsflugzeuge. Obwohl auf diesem Markt nur zwei große Anbieter vertreten sind, Boeing/McDonnell-Douglas und Airbus, herrscht zwischen diesen ein reger Wettbewerb um die wenigen jeweils millionenschweren Großaufträge der Luftfahrtgesellschaften. Vgl. hierzu Carroll, in: Caves/ Roberts, Regulating the Product Quality and Variety, 150, 163: „If any collusion, market sharing or market splitting has occured among the airframe companies, it has been well hidden indeed ( . . . ) . The lumpy and discrete nature of orders makes competitive concessions quite tempting." Vgl. insoweit auch Salque, RMUE 1996, 107 ff. 37 8 So auch Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 154; Shughart, The Organization of Industry, S. 251; Broie, The Theory of Industrial Organization, S. 248; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 528 ff.; Monopolkommission, Hauptgutachten 6, Tz. 499.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
sich eine größere Nachfrageverschiebung auf polypsonistischen Märkten kaum anders als durch Cheating erklären läßt. 379 Zudem lassen sich bei anonymen Massentransaktionen auch die Konditionen nicht verheimlichen, da diese meist standardisiert sind und veröffentlicht werden. Der Zeitraum zwischen Cheating und dessen Entdeckung ist hier so verkürzt, daß Cheating keine erfolgversprechende Strategie ist. 3 8 0 Das Vorhandensein von wenigen im Verhältnis zum gesamten Nachfragevolumen großen Nachfragern beeinflußt nicht nur die Größe der marktüblichen Geschäftsabschlüsse, sondern auch das mögliche Nachfrageverhalten. Unternehmen, die große Volumina auf einem Markt nachfragen, werden häufig bestrebt sein, besonderes Wissen über die Möglichkeiten der Angebotsseite beim Einsatz der Aktionsparameter Preis, Konditionen, Qualität etc. zu erlangen. 381 Insoweit wirkt es sich förderlich aus, daß sich mit zunehmender Geschäftsgröße die Kosten für die Markterforschung relativieren. Große Nachfrager können daher so gut über die Preisspielräume aber auch Qualitätsverbesserungs- und Innovationsmöglichkeiten der Anbieter informiert sein, daß sie eine Kollusion sofort erkennen. Sie können die Kollusion möglicherweise aufbrechen und die Oligopolisten gegeneinander ausspielen, indem sie ihre Konditionen geheimhalten sowie ihre Aufträge bündeln und die Oligopolisten dadurch zum Cheating veranlassen. 382 Gut informierte Nachfrager haben zudem aufgrund ihrer Marktübersicht Kenntnis von Ausweichmöglichkeiten auf Oligopolaußenseiter und Anbieter am sachlichen und räumlichen Marktrand. Das Druckpotential, mit dem die Nachfrager die Oligopolisten zu wettbewerblichem Verhalten veranlassen können, kann schließlich auch darin be379 Vgl. Stigler, Journal of Political Economy 72 (1964), 44, 47: „No one has yet invented a way to advertise price reductions which brings them to the attention of numéros customers but not to that of any rivals." 380 Shughart, The Organization of Industry, S. 251, stellt insoweit zutreffend fest: „Collusive agreements are therefore more likely to be stable when the industry's customers are large in number and small in size." Übereinstimmend auch Stigler, Journal of Political Economy 72 (1964), 44, 47; Kaufer, Industrieökonomik, S. 235; Hay, in: Calvani /Siegried, Economic Analysis and Antitrust Law, 160, 166; Kantzenbach/ Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 49; Areeda/ Turner, Antitrust Analysis, S. 279; Posner/Easterbrook, Antitrust Cases, Economic Notes and other Materials, S. 337. 381
Vgl. Nordemann, Gegenmacht und Fusionskontrolle, S. 127 ff. 382 Vgl. Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493, 495 ff.; Monopolkommission, Hauptgutachten 5, Tz. 495; dies., Hauptgutachten 6, Tz. 499; Bundeskartellamt, Auslegungsgrundsätze zur Fusionskontrolle (2000), S. 50 f. Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis, S. 69, 106, weist darauf hin, daß bereits Nachfrager mit relativ geringen Marktanteilen (von 5% bis 15%) erheblichen Druck auf die Preise von Anbietern ausüben können, indem sie diese gegeneinander ausspielen. Wenn ein Nachfrager einen Maktanteil von 10% besitzt, so bedeutet dies, daß seine Aufträge für einen Anbieter mit 32% Marktanteil einen auf dessen gegenwärtigen Umsatz bezogenen Anteil von 31,25% haben können. Ob der Anbieter den Auftrag von diesem Nachfrager bekomme oder nicht, würde folglich eine Veränderung seiner Kapazitätsauslastung von über 30% bedeuten. Daher dürfte es selbst in einem Dyopol schwer sein, die Preisdisziplin einzuhalten, wenn durch Zugeständnisse an einen Nachfrager Umsatzzuwächse von 30% bis 50% möglich sind.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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stehen, daß diese die Möglichkeit haben, potentielle Newcomer zum Markteintritt zu veranlassen oder das nachgefragte Produkt sogar selbst in Eigenproduktion herzustellen. 383 Vor einer pauschalen Bewertung einer hoch konzentrierten Nachfrageseite mit marktstarken Unternehmen als ein die Kollusion der Oligopolisten erschwerender Faktor ist allerdings zu warnen. So wird es selbst für gut informierte Nachfrager häufig schwierig sein, wettbewerbliches Verhalten von kollusivem Verhalten zu unterscheiden. 384 Bei Produkten, deren Preis im wesentlichen von Rohstoffen bestimmt wird, deren Preis wiederum allgemein bekannt ist, wird dies meist noch möglich sein. Bei komplexen Produkten, die aus verschiedenen Materialien und Komponenten bestehen, die möglicherweise von Subunternehmern hergestellt werden, ist es dagegen für die Nachfrager kaum feststellbar, ob der Preis kollusiv überhöht oder wettbewerblich ist. Dies gilt vor allem dann, wenn es nicht zu starken auffälligen Preisanhebungen, sondern nur zu allmählichen geringen Preissteigerungen kommt. Letztlich ergeben sich hier auch für gut informierte Nachfrager die gleichen Schwierigkeiten, vor denen die Kartellbehörden bei der Feststellung eines abgestimmten Verhaltens bzw. eines Preismißbrauchs stehen. Wie zahlreiche Fälle in der Praxis zeigen, bei denen Preisabsprachen über lange Zeit gegenüber großen industriellen Nachfragern durchgesetzt und geheimgehalten wurden, können sich auch solche Unternehmen häufig nicht gegen Kollusion schützen.385 Ein Ausspielen der Oligopolisten durch Androhung eines Anbieterwechsels wird möglicherweise dadurch erschwert, daß zwischen Nachfragern und Anbietern spezifische und kapitalintensive Verbindungen bestehen. Insbesondere bei Produkten, die speziell auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt werden müssen oder deren Herstellung nicht ohne vorherigen Know-how-Transfer zwischen Kunden und Produzenten möglich ist, kann es aufgrund von anbieterspezifischen Investitionen zu langfristigen Abhängigkeiten eines Nachfragers von einem Anbieter kommen, die einen kurzfristigen Anbieterwechsel verhindern. 386 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, inwieweit die Nachfrager überhaupt ein Interesse an einer Kontrolle der Preise und der Verhinderung von Kollusion haben. 387 Handelt es sich bei dem von den Oligopolisten angebotenen Produkt für die Nachfrager um ein Grundprodukt, das mit anderen zu einem komplexen Endprodukt zusammengesetzt wird und hat dessen Preis einen erheblichen Einfluß auf die Gesamtkosten des Endproduktes, so 383
Vgl. Brozen, Concentration, Mergers, and Public Policy, S. 157; Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493,501 ff.; Nordemann, Gegenmacht und Fusionskontrolle, S. 168 ff. 3 84 So auch Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493,496 f. 3 «5 Vgl. Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493, 496, m. w. N. sowie BKartA, WuW/E BKartA 2892 Stromkabel, wo sich zeigte, daß die Hersteller von Stromkabeln über Jahrzehnte ein Quotenkartell auch gegenüber an sich marktstarken Nachfragern wie Energieversorgungsunternehmen ungehindert praktizieren konnten. 386 Vgl. Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 196; Steptoe, Antitrust Law Journal 61 (1993), 493, 498. 3
«7 Instruktiv hierzu Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 96 f.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
haben die Nachfrager ein originäres Interesse an der Verhinderung von überhöhten Preisen durch Kollusion. 388 Ein solches Interesse wird allerdings weniger stark ausgeprägt sein, wenn das Grundprodukt nur einen verschwindend geringen Anteil am Wert des Endproduktes hat. Eine vergleichbare Situation besteht, wenn die Nachfrager nicht gleichzeitig auch die Konsumenten sind, sondern die Produkte als Zwischenhändler an die Endverbraucher weitervertreiben und die Endverkaufspreise durch einen festen Gewinnaufschlag auf den Einkaufspreis bestimmen. Kollusive Preiserhöhungen der Anbieter werden dann automatisch an die Endverbraucher weitergegeben und sind für die Zwischenhändler damit nur durchlaufende Kosten. Solange die Oligopolisten von allen Nachfragern die gleichen Preise fordern bzw. diese einheitlich erhöhen, besteht bei den Nachfragern grundsätzlich keine Veranlassung die Kollusion aufzubrechen. 389 Bei dem Druckpotential großer marktmächtiger Nachfrager zur Eigenproduktion bzw. zur Unterstützung des Markteintritts von Newcomern geht es dagegen um die Frage, unter welchen Voraussetzungen potentieller Wettbewerb die Kollusionswahrscheinlichkeit beeinflußen kann. Hierfür kommt es im wesentlichen auf die Höhe der Marktzutrittsschranken an. 3 9 0 Insgesamt ist somit deutlich geworden, daß die Untersuchung der Nachfrageseite eines Oligopolmarktes nicht bei der Feststellung weniger marktstarker und gut informierter Nachfrager stehen bleiben darf, die ein kollusives Verhalten der Oligopolisten möglicherweise aufbrechen bzw. diesem entgegenwirken könnten. Vielmehr ist eine genaue Analyse der Wettbewerbsbedingungen auf der Nachfrageseite vorzunehmen. Von einer destabilisierenden Wirkung auf eine Kollusion der Anbieter kann erst dann ausgegangen werden, wenn zur Marktstärke und Unverzichtbarkeit der Nachfrager noch weitere Umstände wie die Langfristigkeit, die Größe oder die Unregelmäßigkeit der Geschäfte auf dem Markt hinzukommen.
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Struktur der Nachfrageseite ist ein von der Kommission häufig untersuchtes Kriterium sowohl in Fällen möglicher Einzel- als auch Oligopolmarktbeherrschung. Nach Auffassung der Kommission können große und wirtschaftlich starke Nachfrager in der Lage sein, auch den Verhaltensspielraum von Anbietern mit sehr großen Marktanteilen ausreichend einzuschränken. 391 In diesem Zusammenhang stellte die Kommission grundsätzlich fest: 388 Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 96 f. 389 Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 97; Hawk/Huser, European Community Merger Control, S. 197. 390 Vgl. zur Bedeutung von Marktzutrittsschranken für die Kollusionswahrscheinlichkeit und ihre Identifizierung ausführlich 5. Kapitel, III., 11. 391 Vgl. zur Relativierung hoher Marktanteile eines einzelnen Anbieters Kommission v. 12. 4. 1991 I V / M . 042 Alcatel /Telettra, ABl. 1991 L 122/48, Tz. 39-42; v. 23. 10. 1991 I V / M . 086 Thomson/Pilkington, WuW/E EV 1724, Tz. 29 f.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
271
„Ein weiteres Gegengewicht zur Stärke eines fusionierten Unternehmens kann die Nachfragemacht sein. Ist die Nachfrage hinlänglich konzentriert und kann sie auf alternative Bezugsquellen zurückgreifen, so können die Nachfrager die Wettbewerber gegeneinander ausspielen."392
Das Vorhandensein starker Nachfrager wurde von der Kommission in mehreren Entscheidungen mit als Grund für die Ablehnung einer Oligopolmarktbeherrschung angeführt. 393 Ausschlaggebendes Kriterium für die Annahme von Nachfragemacht ist dabei stets der Marktanteil der Nachfrager. In der Entscheidung Alcatel /AEG Kabel, einer der ersten zur Oligopolproblematik überhaupt, konzentrierten sich 80% der Nachfrage nach Starkstromkabeln auf 20 große Stromversorgungsunternehmen.394 Obwohl damit durchschnittlich nur 4% der Gesamtnachfrage auf jeden einzelnen Nachfrager entfielen, konstatierte die Kommission, daß es aufgrund der starken Nachfragemacht der großen Stromversorger nicht wahrscheinlich sei, daß die Anbieter bewußtes Parallelverhalten bei Preisen und anderen Konditionen über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten könnten. Die Kommission wies zwar darauf hin, daß in der Spitzengruppe wegen erheblicher Größenunterschiede im Nachfragevolumen die Nachfragekonzentration noch höher sei, erläuterte jedoch nicht, wie sich dieser Umstand konkret auf die Stabilität einer möglichen Kollusion unter den Anbietern auswirken sollte. Ein ähnlich pauschales Abstellen auf eine hohe Nachfragekonzentration ohne nähere Wirkungsanalyse findet sich auch in zahlreichen anderen Entscheidungen.395 Häufig verweist die Kommission nur darauf, daß die Nachfrager gut informiert seien und über eine hohe Preis- und Kostentransparenz hinsichtlich der Anbieterseite verfügten, ohne das untersucht wird, ob für die Nachfrager Angebotsalternativen bestehen oder inwieweit diese tatsächlich über die Fähigkeit und das Interesse zur Verhinderung einer Kollusion verfügen. 396 Die Möglichkeiten der Marktgegenseite, die nachgefragten Produkte auch in Eigenproduktion herzustellen, berücksichtigt die Kommission dabei zutreffend als eine Frage des potentiellen Wettbewerbs. 397 392 Vgl. Kommission, 21. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1991, S. 409 sowie 20. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1990, Tz. 251. 393 Kommission v. 18. 5. 2000 COMP/M. 1891 BP Amoco / Castrol, Tz. 36 e); v. 14. 12. 1998 I V / M . 1342 Knorr-Bremse / Bosch, MCR 4931, Tz. 50; v. 5. 2. 1999 I V / M. 1363 DuPont/Hoechst/Herberts, Tz. 36; 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 245; 23. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1993, Tz. 294, 315; 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 310. 394 Kommission v. 17. 12. 1991 I V / M . 165 Alcatel/ AEG Kabel, WuW/E EV 1740, Tz. 18. 395 Vgl. Kommission v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 26; v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 54; v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 AKZO/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18; v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône Poulenc /SNIA (II), MCR 1165, Tz. 24; v. 23. 3. 1992 I V / M . 186 Henkel/Nobel, WuW/E EV 1829, Tz. 17. 396 Kommission v. 9. 4. 1996 I V / M . 726 Bosch/Alllied Signal, MCR 2447, Tz. 45; v. 11. 7. 1998 I V / M . 1174 RWE-DEA/Hüls, MCR 4261, Tz. 40; v. 28. 9. 1992 I V / M . 256 Linde/Fiat, WuW/E EV 1989, Tz. 28.
272
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Wenn die Kommission den Einfluß starker Nachfrager ausnahmsweise näher untersucht, so stellt sie dabei vor allem die Größe und Langfristigkeit der Geschäftsabschlüsse in den Mittelpunkt. 398 In der Entscheidung ABB/Daimler-Benz ging die Kommission ausführlich auf die monopsonistische Stellung der Deutschen Bahn als einziger Nachfrager nach Fernverkehrsschienenfahrzeugen ein. 3 9 9 Die Möglichkeit der Deutschen Bahn, auch nach dem Zusammenschluß Einfluß auf die Angebotsstruktur zu nehmen und wettbewerbliche Angebote der Dyopolisten herbeizuführen, begründete sie mit den großen und in unregelmäßigen Abständen erteilten Aufträgen, die die Reaktionsverbundenheit der Anbieter grundsätzlich verminderten. Die Deutsche Bahn sei in der Lage, durch die Vergabe großer Auftragsvolumina den Erhalt eines Auftrages für die Anbieter für nahezu unverzichtbar zu gestalten und sie so zu einem günstigen Angebot zu bewegen. Obwohl für die Deutsche Bahn angesichts des gemeinsamen Marktanteils der Dyopolisten von fast 100% im Falle eines kollusiven Verhaltens keine Ausweichmöglichkeiten auf andere Anbieter bestanden, sah die Kommission die Nachfragemacht hier als wesentlichen Umstand für die Ablehnung einer Oligopolmarktbeherrschung an. Eine vergleichbare Wirkung großer Aufträge nahm die Kommission auch in der Entscheidung Voith/Sulzer (II) an. 4 0 0 Die Aufträge für Papiermaschienen waren hier verhältnismäßig selten und unregelmäßig und hatten eine solche Größenordnung, daß schon durch einen Auftrag die Kapazitäten eines Werkes eines Anbieters für längere Zeit ausgelastet werden konnten. Die Kommission konstatierte, daß ein Anbieter angesichts der erheblichen Auftragsvolumina bereits durch einen neuen Auftrag bedeutende Marktanteile hinzugewinnen könne, so daß ein Anreiz zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten kaum vorhanden sei. 401 Eine hohe Konzentration der Nachfrageseite muß aber auch nach Ansicht der Kommission nicht per se gegen eine Oligopolmarktbeherrschung sprechen. In der Entscheidung Nestlé /Perrier entfielen auf die zehn größten Nachfrager nach Mineralwasser 70% des Umsatzes der Dyopolisten, wobei allein vier große Einzelhandelskonzerne 50% des gesamten Verkaufsvolumens der beiden Anbieter auf sich vereinigten. 402 Bei Berücksichtigung der individuellen Umsätze der Dyopoli397 Kommission v. 15. 10. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse/ Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 39 ff.; v. 2. 12. 1996 I V / M . 818 Cardo /Thyssen, MCR 2803, Tz. 32. 398 Vgl. Kommission v. 17. 1. 1994 I V / M . 368 SNECMA/TI, MCR 1319, Tz. 37; v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/25, Tz. 56. 399 Kommission v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997 L 11/1, Tz. 101-110. 400 Kommission v. 29. 7. 1994 I V / M 478 Voith/Sulzer (II), Tz. 33. 401 Vergleichbar argumentierte die Kommission auch in der Entscheidung v. 19. 7. 2000 COMP/M. 1882 Pirelli /Bicc, Tz. 82. Auf dem Markt für Stromkabel wurden nach Feststellungen der Kommission die Aufträge im Rahmen von Bieterverfahren mit sehr hohen Volumina vergeben. Nach Auffassung der Kommission bestehen auf einem solchen Markt starke Anreize für die Wettbewerber, aggressiv um jeden Auftrag zu kämpfen. Ein Parallelverhalten sei hier unattraktiv, da die Gewinne aus dem Zuschlag eines Vertrages die möglichen Gewinne aus einem zukünftigen kollusiven Verhalten aufwiegen würden.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
273
sten mit ihren zehn größten Kunden zeigte sich jedoch, daß die Anteile der Nachfrager lediglich zwischen 1,9% und 11,6% des Wasserumsatzes betrugen. Hinzu kam, daß die Mineralwasserhersteller durch intensive Werbeanstrengungen eine hohe Markentreue der Verbraucher geschaffen hatten. Damit war das „Drohpotential" der Einzelhändler, mit ihrem Einkaufspotential bei Nichterfüllung von Preiszugeständnissen zu einem anderen Hersteller zu wechseln, stark eingeschränkt, da sie es sich aufgrund der Konsumentenpräferenzen nicht leisten konnten, die bekannten Mineralwassermarken aus ihrem Sortiment zu nehmen. Insgesamt sah die Kommission daher die Kaufkraft der Marktgegenseite nicht als ausreichend an, um nach dem Zusammenschluß die Marktstärke der Dyopolisten in nennenswertem Umfang einzuschränken. Bemerkenswerterweise wies die Kommission ergänzend darauf hin, daß es sich bei Mineralwasser nicht um ein Vorprodukt, sondern um ein Endverbraucherprodukt handeln würde, für das die Einzelhändler lediglich den Bedarf des Endverbrauchers wiederspiegelten. 403 Eine vergleichbare Argumentation der Kommission findet sich auch in der Entscheidung Gencor/Lonrho, wo sie konstatierte, daß die Nachfrager des von den Oligopolisten angebotenen Rohstoffes Platin nicht die Endkunden, sondern weiterverarbeitende Unternehmen seien, die Preisänderungen einfach an ihrer Kunden weitergeben würden. 404 Obwohl in beiden Fällen eine weitere Wirkungsanalyse unterblieb, scheint es so, als ob die Kommission bei der Untersuchung gegengewichtiger Marktmacht zutreffend berücksichtigen will, ob die Nachfrager überhaupt ein Interesse am Ausspielen der Oligopolisten haben. 405 Eine fragmentierte Marktnachfrage hat die Kommission bisher erst in wenigen Entscheidungen als ein Indiz angesehen, das für das Vorliegen einer oligopolistischen Marktbeherrschung spricht. 406 In der Entscheidung Mannesmann/Vallourec/Ilva war die Nachfrage nach nichtrostenden Stahlrohren zersplittert und die Abnehmer tätigten als Lagerhändler im Verlauf eines Jahres eine Vielzahl von Käufen mit jeweils nur relativ geringen Mengen 4 0 7 Diese Marktstruktur bot den 402 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 7 7 89. 403 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 80. 404 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/31, Tz. 150. Vgl. hierzu auch Kommission v. 29. 10. 1993 I V / M . 330 McCormick/CPC/Rabobank/Ostmann, WuW/E EV 2157, Tz. 72. 405 Weniger zu überzeugen vermag dagegen die Argumentation der Kommission in der Entscheidung v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue, in der sie eine gegengewichtige Marktmacht von drei Nachfragern mit zusammen mehr als 90% Marktanteil ablehnte, weil diese neben den beiden verbleibenden Dyopolisten keinen anderen Anbieter zur Auswahl hätten. Das Fehlen ausreichender Ausweichmöglichkeiten ist einem oligopolistischen Markt aber gerade immanent und kann daher nicht per se zur Ablehnung von Nachfragemacht herangezogen werden. 406 Vgl. Kommission v. 18. 1. 2000 COMP/M. 1630 Air Liquide/BOC, Tz. 280; v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 85; v. 29. 9. 1999IV/ M. 1383 Exxon/Mobil, Tz. 486. 18 Hahn
274
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
einzelnen Anbietern keine Möglichkeit, durch den Abschluß langfristiger Verträge über große Lieferungen beträchtliche „Einmar-Gewinne zu erzielen, die Anreiz zu einem Ausbrechen aus einer Kollusion hätten sein können. In der Entscheidung Airtours/First Choice wurden die von den Oligopolisten angebotenen AuslandsPauschalreisen von Einzelverbrauchern nachgefragt, die naturgemäß über keine Nachfragemacht verfügen. Erschwerend kam hinzu, daß die Verbraucher über die vertikalen Verbindungen zwischen Reiseveranstaltern, Reisebüros und Fluggesellschaften nicht informiert waren und daher Schwierigkeiten hatten, anhand der wenigen Informationen in den Katalogen der Reiseveranstalter konkurrierenden Erzeugnisse miteinander zu vergleichen. 408
9. Multimarkt-Kontakte der Oligopolisten
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Ein in der wettbewerbsrechtlichen Analyse oligopolistischer Marktbeherrschung bisher kaum berücksichtigter Faktor ist der Einfluß von sogenannten MultimarktKontakten (multimarket contacts) auf die Kollusionswahrscheinlichkeit. 409 Multimarkt-Kontakte bestehen dann, wenn sich die auf dem zu untersuchenden Markt (Zielmarkt) vertretenen Oligopolisten auch auf anderen sachlichen oder räumlichen Märkten (Drittmärkte) als Konkurrenten in einer ähnlichen Oligopolbeziehung gegenüberstehen.410 Treffen mindestens zwei der auf dem Zielmarkt vertretenen Oligopolisten als Konkurrenten auf mindestens einem weiteren Markt zusammen, auf dem sie sich ebenfalls in einer oligopolistischen Reaktionsverbundenheit befinden, so kann sich dieser Multimarkt-Kontakt in erheblichem Maße förderlich auf das Zustandekommen einer kollusiven Verhaltensweise auf dem Zielmarkt auswirken. Die in die bisherige Analyse miteinbezogenen Erkenntnisse der spieltheoretisch orientierten 407 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 80, 95. 408 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 124. 409 Vgl. Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 159, sowie Bernheim/ Whinston, Rand Journal of Economics 1990, 1, 2: „Despite the obvious prevalence of multimarket contact among firms, however, relatively little research has analyzed its effect on economic performance." 410 Vgl. Böhnke, Diversifizierte Unternehmen, S. 27; Areeda/Turner, Antitrust Law, Band 5 S. 50; Kantzenbach/ Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 64; Edwards, in: Festgabe für Kronstein, 237, 258. Gelegentlich wird für diese marktübergreifenden Kontakte zwischen Unternehmen auch der Begriff der „konglomeraten Interdependenz" verwendet. Im vorliegenden Zusammenhang erscheint dieser Begriff jedoch zu eng, da die Wirkungen die sich aus der Verknüpfung von verschiedenen Märkten ergeben nicht auf Konglomerate i.e.S. beschränkt sind, sondern auch für Einzelprodukt-Unternehmen gelten, die ihr Produkt gleichzeitig in verschiedenen räumlichen Märkten vertreiben.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
275
Neuen Industrieökonomik haben gezeigt, daß vor allem solche Faktoren als Determinanten kollusiven Verhaltens zu berücksichtigen sind, die die grundsätzlich gegebene Unsicherheit der Unternehmen über zukünftige Wettbewerbssituationen und insbesondere über die zukünftigen Wettbewerbsstrategien ihrer Konkurrenten verringern. Denn das Zustandekommen insbesondere einer hier vordringlich interessierenden impliziten Kollusion ist um so einfacher und der Anreiz hierzu ist umso größer, je geringer die Unsicherheit der Anbieter über das zu erwartende Verhalten ihrer Konkurrenten ist bzw. je zutreffender die wechselseitig vorgenommenen Einschätzungen der Konkurrentenstrategien sind. Besondere Aufmerksamkeit verdienen daher solche Faktoren, die dazu beitragen, Informationsdefizite zwischen den Oligopolisten zu beseitigen und die Unsicherheit der Unternehmen über das jeweilige in der Zukunft zu erwartende Marktverhalten der Wettbewerber zu verringern. Treffen die Oligopolisten nicht nur auf einem Markt, sondern zugleich auch auf verschiedenen anderen Märkten als Anbieter aufeinander, so bilden die entstehenden Kontaktstellen eine Art Informationsinfrastruktur, die es den Anbietern erleichtert, die wettbewerblichen Interessen, Strategien und Verhaltensweisen ihrer Konkurrenten richtig einzuschätzen. Je häufiger die Anbieter in verschiedenen Wettbewerbssituationen aufeinandertreffen, desto besser kennen sie sich und desto besser vermögen sie gegenseitig ihre Aktionen und Reaktionen vorauszusagen. Die besondere wettbewerbliche Wirkung von Multimarkt-Kontakten auf das Zustandekommen von Kollusion resultiert daraus, daß es hierbei zu einer marktübergreifenden Verhaltensübertragung kommen kann. Haben die Anbieter schon auf anderen Märkten Kollusionserfahrungen gesammelt und die Durchführung kollusiver Verhaltensweisen erlernt, so kann es zur Übertragung dieses erfolgreichen Lernprozesses und seiner Resultate von Drittmärkten auf den Zielmarkt kommen. 411 Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn sich der Zielmarkt noch in einer relativ frühen Marktphase befindet und die oligopolistische Reaktionsverbundenheit hier noch nicht allzu stark ausgeprägt ist. In diesem Fall ist es für die Anbieter naheliegend, die auf ausgereiften Oligopolmärkten gemachte Erfahrung, daß aggressive Wettbewerbsvorstöße aufgrund der Reaktionsverbundenheit kaum erfolgreich sind und daher eine Kollusion für alle bei geringerem Risiko höhere Gewinne ermöglicht, auf den Zielmarkt zu übertragen. Dabei ist es für eine solche Übertragung der erlernten kollusiven Verhaltensweisen förderlich, wenn eine gewisse Ähnlichkeit der Absatzverhältnisse zwischen Drittmarkt und Zielmarkt besteht und sich Absatzwege, Nachfragestruktur und einsetzbare Aktionsparameter nicht zu stark voneinander unterscheiden. Günstige Voraussetzungen für eine Verhaltensübertragung finden sich daher vor allem zwischen räumlich getrennten Produktmärkten sowie zwischen Substitutionsprodukten.
411
Vgl. Heuss, in: Herdzina, Wettbewerbstheorie, 315, 318; Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 413 ff.; Meinhold, Diversifikation, konglomerate Unternehmen und Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 71 f.; Höfer, Abgestimmtes Verhalten, S. 162. 1*
276
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Allerdings erleichtern Multimarkt-Kontakte nicht nur das Zustandekommen einer Kollusion, sondern sie wirken zugleich auch kollusionsstabilisierend, indem sie die Wirksamkeit von Vergeltungsmaßnahmen im Falle von Cheating verbessern. Treffen die Anbieter auf keinem anderen Markt als auf dem Zielmarkt aufeinander, so können sich Vergeltungsmaßnahmen der kollusionstreuen Anbieter im Falle eines entdeckten Unterlaufens der Kollusion verständigerweise nur auf diesen Markt beziehen. Inwieweit Vergeltungsmaßnahmen hier eine glaubwürdige Abschreckung vor Cheating darstellen, hängt von den Wettbewerbsbedingungen auf diesem Markt ab. Stehen sich die Oligopolisten dagegen auf mindestens einem weiteren Markt ebenfalls in einer Oligopolbeziehung gegenüber, so wird eine Multimarkt-Vergeltung möglich. Deren kollusionsstabilisierende Wirkungen lassen sich anhand eines Modells verdeutlichen, indem zwei Dyopolisten (A und B) auf zwei voneinander räumlich bzw. sachlich getrennten Märkten (1 und 2) jeweils gleichzeitig als Anbieter tätig sind. Unterläuft das Unternehmen A im Markt 1 die Kollusion, indem es eine Preissenkung vornimmt, so kann der Dyopolist Β hierauf nicht nur im Markt 1 sondern alternativ oder kumulativ auch in Markt 2 mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren. Die Multimarkt-Beziehung, in der sich die Anbieter hier befinden, ermöglicht unter verschiedenen Gesichtspunkten eine flexiblere und wirksamere Vergeltungsdrohung, als wenn sich die Aktivitäten der Unternehmen nur auf einem Markt überschneiden. Zunächst kann der Dyopolist Β die Wirkung seiner Vergeltungsmaßnahmen dadurch intensivieren, daß er seine Preise sowohl im Markt 1 als auch im Markt 2 unter diejenigen des Dyopolisten A senkt. Cheating wird in solchen Situationen nur noch dann profitabel erscheinen, wenn die kurzfristigen Cheating-Gewinne, die der Dyopolist A im Markt 1 erzielen kann, bis es zu einer Reaktion des Dyopolisten Β kommt, so hoch sind, daß sie nicht nur die anschließenden Verluste in diesem Markt, sondern zusätzlich noch die Verluste im Markt 2 ausgleichen können. Um so größer die Anzahl der Märkte ist, auf denen die beiden Oligopolisten zusammentreffen, um so mehr Märkte können auch von einer Vergeltung betroffen werden. Für einen wettbewerblich eingestellten Anbieter wird es dadurch zunehmend schwieriger, die Vorteile von Cheating verläßlich gegen die zu erwartenden Nachteile abzuwägen, da er nicht weiß, auf welchen Märkten die Reaktion auf den Wettbewerbsvorstoß erfolgen wird. Das Risiko, daß die kurzfristigen Cheating-Gewinne die Verluste nicht mehr ausgleichen, steigt und läßt eine gemeinsame Gewinnmaximierung vorteilhafter erscheinen. Der Anreiz zum Cheating ist entsprechend gering. Die Möglichkeiten für eine effektive Vergeltung im Markt 1 können allerdings aus verschiedenen Gründen eingeschränkt sein, möglicherweise aufgrund geringer unternehmensindividueller Nachfrageelastizitäten infolge heterogener Produkte oder aufgrund fehlender (Droh-)Kapazitäten des Dyopolisten B. In diesem Fall kann eine wirksame Vergeltung durch den Dyopolist Β für das Cheating im Markt 1 aber immer noch auf dem Markt 2 erfolgen, auf dem die Bedingungen hierfür möglicherweise erheblich günstiger sind. Ohne das Bestehen des Multimarkt-Kontaktes wäre die Glaubwürdigkeit einer potentiellen Bestrafung von Cheating hier
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
277
nur gering und der Anreiz zum Cheating entsprechend hoch. Die Möglichkeit der Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen auf einem anderen Markt als dem des wettbewerblichen Vorstoßes bei Multimarkt-Kontakten ist auch dann von Bedeutung, wenn die Absatz- und Gewinnschwerpunkte der auf dem Zielmarkt tätigen Unternehmen auf verschiedenen Märkten liegen. Hier bieten sich für einen Vergeltungsschlag in Form einer Preissenkung solche Märkte an, auf denen das kollusionsbrechende Unternehmen einen größeren Markt- und Gewinnanteil hat als das bestrafende Unternehmen. Denn die Kosten für den Vergeltungsschlag sind hier im Vergleich zum Schaden der dem bestraften Unternehmen entsteht proportional geringer. 412 Desto mehr Multimarkt-Kontakte zwischen den Oligopolisten bestehen, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß einer der Märkte oder mehrere ein geeignetes Ziel für eine Vergeltungsaktion sein können. 413 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit der Vergeltung in einem anderen Markt als dem des wettbewerblichen Vorstoßes dadurch eingeschränkt werden kann, daß in diesem Drittmarkt noch andere Oligopolisten anbieten, die aber auf dem Zielmarkt selbst nicht vertreten sind. In diesem Fall müßte der vergeltende Oligopolist auch die Reaktionen der übrigen auf dem Drittmarkt vertretenen Anbieter berücksichti414
gen. Wenn ein Anbieter wettbewerbliche Vorstöße in einem für ihn wirtschaftlich wichtigen Markt durch Vergeltungsmaßnahmen in einem anderen Markt bestrafen kann, der für den aktiv gewordenen Anbieter von Bedeutung ist, so kann es auch zu einer Aufteilung der Marktführerschaft auf die einzelnen Märkte derart kommen, daß jedes Unternehmen sie auf demjenigen Markt übernimmt, der für seinen wirtschaftlichen Erfolg am wichtigsten, für den seines oligopolistischen Konkurrenten dagegen weniger wichtig ist. 4 1 5 Multimarkt-Kontakte schaffen daher ideale 412 Vgl. Areeda/Turner, Antitrust Law, Band 5, S. 54; Böhnke, Diversifizierte Unternehmen, S. 123. 413 Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 160, weist daraufhin, daß von Multimarkt-Kontakten auch eine disziplinierende Drohung auf solche Oligopolisten auf dem Zielmarkt ausgehen kann, die nicht auf anderen Märkten vertreten sind. In diesem Fall könnten sich die Oligopolisten, die sich auch auf einem anderen Markt treffen, die Absicht signalisieren, die Kollusion im Drittmarkt aufrechtzuerhalten und ein mögliches Cheating des nicht di verifizierten Oligopolisten auf dem Zielmarkt zu bestrafen. Da dieser Oligopolst dies weiß, wird er an der Kollusion auf dem Zielmarkt festhalten. 414 Vgl. Areeda/Turner, men, S. 142. 415
Antitrust Law, Band 5, S. 55; Böhnke, Diversifizierte Unterneh-
Vgl. Meinhold, Diversifikation, konglomerate Unternehmen und Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, S. 72; Böhnke, Diversifizierte Unternehmen, S. 135 f.; Bernheim/ Whinston, Rand Journal of Economics 1990, 1, 2, sowie grundlegend Edwards, in: Festgabe Kronstein, 237, 259: „ ( . . . ) the most sensible policy for each firm is to recognize the other's priority of interest for products important to the other but not to it, in the expectation that similar recognition will be given reciprocally. Without explicit agreement, two firms that adopt such a policy accept reciprocally an allocation of leadership in prices and similar important matters and obtain thereby considerable freedom of action for the part of their business they regard as vital."
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Voraussetzungen für das Zustandekommen einer stabilen Marktschrankenkollusion, indem es aufgrund einer marktübergreifenden Reaktionsverbundenheit zu einer stillschweigenden gegenseitigen Anerkennung und Respektierung von Hauptinteressengebieten kommen kann. Das Vorhandensein von Multimarkt-Kontakten erleichtert daher nicht nur das Zustandekommen einer Kollusion, indem es Unsicherheiten über die Konkurrentenstrategien verringert und eine Verhaltensübertragung ermöglicht, sondern es führt auch zu einem „Geflecht von Verletzbarkeiten", das ein wirksamer Stabilisierungsfaktor für Kollusion sein kann. 416 Bei der Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit muß folglich auch untersucht werden, ob die Oligopolisten auch in anderen Märkten aufeinander treffen, auf denen ebenfalls eine oligopolistische Reaktionsverbundenheit besteht und inwieweit auf diesen Märkten (wechselseitige) Vergeltungsmöglichkeiten für wettbewerbliche Vorstöße auf dem Zielmarkt bestehen.417
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die Kommission hat dem Bestehen von Multimarkt-Kontakten zwischen den Oligopolisten in ihrer bisherigen Rechtspraxis nur vereinzelt Bedeutung für die Feststellung von Oligopolmarktbeherrschung beigemessen. Im Fall Nestlé /Perrier handelte es sich bei den beiden Dyopolisten jeweils um Nahrungsmittelkonzerne, die nicht nur auf dem Markt für Mineralwasser vertreten waren, sondern zugleich auch auf zahlreichen anderen Nahrungsmittelmärkten aufeinander trafen. 418 Zusätzlich arbeiteten beide Konzerne bereits in einigen Sektoren der Nahrungsmittelindustrie zusammen. Ohne näher auf die Auswirkungen einzugehen, die sich aus der Konkurrenzsituation auf den anderen Märkten für die Kollusions- und Cheating-Anreize auf dem Mineralwassermarkt ergeben könnten, beschränkte sich die Kommission darauf, festzustellen, daß das Interesse der Unternehmen an einer gemeinsamen Gewinnmaximierung durch wettbewerbliches Parallelverhalten durch diesen Umstand verstärkt werde. Auch in anderen Entscheidungen ging die Kommission nicht auf die Bedeutung von Multimarkt-Kontakten ein, obwohl dies durchaus nahegelegen hätte. Bei den verschiedenen von der Kommission geprüften Zusammenschlüssen auf dem europäischen Markt für Nylonfasern blieb durchweg unberücksichtigt, daß die beiden Marktführer mit einem gemeinsamen Marktanteil von zwei Dritteln auch auf anderen Chemiefasermärkten miteinander konkurrier416 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 64. Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 160, spricht insoweit von einem „Netz von Drohungen und Gegendrohungen". 417 Zu vorsichtig daher Schwer, in: Frankfurter Kommentar (47. Lfg.), Art. 2 FKVO RdNr. 280, der Multi-Markt-Kontakten allenfals einen „affirmativen Charakter" beimessen will. 418 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356 /1, Tz. 123.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
279
ten, auf denen sie ebenfalls bedeutende Marktpositionen einnahmen.419 In der Entscheidung Price Waterhouse / Coopers ά Lybrand bestanden zahlreiche Kontaktstellen zwischen den fünf großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, da sich diese in sämtlichen Mitgliedstaaten auf den nationalen Märkten für die Wirtschaftsprüfung von Großunternehmen gegenüberstanden. Alle Unternehmen waren zudem jeweils auch auf den Dienstleistungsmärkten für Steuer- und Unternehmensberatung tätig. Ohne auf die möglichen kollusionsfördernden Wirkungen dieser Multimarkt-Kontakte einzugehen, stellte die Kommission hierzu lediglich fest, daß ein gleichzeitiges Parallelverhalten der Anbieter auf allen nationalen Märkten nicht stabil sein würde. 420 In der bisherigen Rechtspraxis fand der Umstand, daß die Oligopolisten auch in anderen Märkten miteinander konkurrieren, erst in zwei Fällen nähere Beachtung. In der Entscheidung Gencor/Lonrho zeigte sich, daß die beiden größten Anbieter auf dem Weltmarkt für Platin mit einem gemeinsamen Marktanteil von 63% auch auf zahlreichen anderen Edelmetallmärkten, u. a. auf denen für Gold, Rhodium und Palladium aufeinandertrafen. 421 Angesichts dessen konstatierte die Kommission, daß diese Kontakte auf mehreren Märkten eine disziplinierende Wirkung auf die Mitglieder des Oligopois ausüben könnten, da dann mehrere Vergeltungsmöglichkeiten und ein höheres Vergeltungsrisiko bestehe. In diesem Zusammenhang verwies die Kommission auf ein Gutachten aus den Unterlagen der beteiligten Unternehmen, indem auf mögliche Disziplinierungsmaßnahmen und gezielte Preiskriege von Konkurrenten auf dem Rhodiummarkt als mögliche Reaktionen auf den Zusammenschluß hingewiesen wurde. 422 Eine eingehende Auseinandersetzung der Kommission mit dieser Problematik erfolgte aber auch in diesem Fall nicht. Eine vergleichbar oberflächliche Prüfung nahm die Kommission im Fall Exxon /Mobil vor. Die betroffene Erdölindustrie war hier durch eine starke vertikale Integration der Anbieter gekennzeichnet, die auf allen Marktebenen von der Erdölförderung über den Handel bis zum Vertrieb von Treibstoff tätig waren. Die Kommission stellte insoweit lediglich abstrakt fest, daß Multimarkt-Kontakte mit dazu beitragen könnten, eine Oligopolmarktbeherrschung aufrechtzuerhalten, indem sie Vergeltungsstrategien auf anderen Märkten ermöglichten. 423 419 Vgl. Kommission v. 13. 1. 1993 I V / M . 214DuPont/ICI, ABl. 1993 L 7/13, Tz. 32 ff.; v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 7.2. ff.; v. 8. 9. 1993 I V / M . 355 Rhône-Poulenc /SNIA (II), MCR 1165, Tz. 23 ff.; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhone-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 23 ff. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß das Bundeskartellamt in früheren Verfahren nach der deutschen Fusionskontrolle wiederholt ein marktbeherrschendes Dyopol auf dem Nylonmarkt bestehend aus ICI und Rhône-Poulenc angenommen und den Erwerb der Norddeutschen Faserwerke durch ICI und Rhône-Poulenc wiederholt verhinderte hatte; vgl. BKartA Tätigkeitsbericht 1987/88, S. 69 f.; Tätigkeitsbericht 1989/90 S. 77; Tätigkeitsbericht 1991/92, S. 96 f. 420 Kommission v. 20. 5. 1998 I V / M . 1016 Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand, ABl. 1999 L 50/27, Tz. 118. 421 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, 422 Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho,
ABl. 1997 L 11/31, Tz. 155. ABl. 1997 L 11/31, Tz. 158.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums 10. Der aktuelle Wettbewerb durch Oligopolaußenseiter
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Häufig sind auf dem betrachteten oligopolistischen Markt nicht nur die betroffenen großen Anbieter, sondern daneben auch noch mehrere kleine Anbieter tätig, die jeweils nur über geringe Marktanteile verfügen. Das Vorhandensein solcher als Fringe Firms bezeichneten Unternehmen ist mit der marktmorphologischen Definition des engen Oligopois durchaus vereinbar, solange die Oligopolgruppe den überwiegenden Teil des Gesamtmarktes auf sich vereinigt und die einzelnen Oligopolisten jeweils über deutlich höhere Marktanteile als die einzelnen Fringe Firms verfügen. 424 Man spricht in diesem Fall von einem Teiloligopol, während ein Volloligopol vorliegt, wenn neben den Oligopolisten keine Wettbewerber mehr auf dem Markt vorhanden sind. Die Abgrenzung der Oligopolmitglieder gegenüber den Außenseitern läßt sich nicht immer allein aufgrund der Marktstruktur und der Marktanteilsabstände zur Oligopolgruppe durchführen, insbesondere dann, wenn es sich bei dem möglichen Außenseiter um ein Unternehmen von mittlerer Größe handelt. Für die Frage, ob ein solches Unternehmen noch zum Oligopol gehört oder schon zu den Fringe Firms, kommt es dann entscheidend darauf an, ob es mit den Oligopolisten in einem Interdependenzverhältnis steht und daher an der wechselseitigen Reaktionsverbundenheit teilhat. 425 Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich um einen Außenseiter, auf deren Interessen und Reaktionen die Oligopolisten bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht nehmen müssen. In teiloligopolistischen Märkten stellt sich die Frage, wie sich die Existenz von Fringe Firms auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, daß es zu einer stabilen Kollusion der Oligopolmitglieder kommt. Fringe Firms stellen zunächst solange kein Problem für eine Kollusion dar, wie sie sich mit ihrer Nebenrolle auf dem Markt zufrieden geben und unter dem Schutz kollusiv überhöhter Oligopolpreise tätig werden oder sich auf Marktnischen konzentrieren. Dies ist in der wirtschaftlichen Realität der häufig zu beobachtende Normalfall. Denn dadurch, daß die Fringe Firms der Preispolitik der Oligopolisten folgen, sind auch ihnen höhere Preise und Gewinne möglich als unter Wettbewerb. Gerade für kleinere Unternehmen, die aufgrund von Betriebsgrößennachteilen unwirtschaftlicher produzieren als die großen Oligopolisten, bedeutet eine Verhaltensanpassung meist die einzige Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben. Besteht auf dem Markt aufgrund der übrigen Strukturfaktoren ein starkes Interesse der Oligopolisten an Kollusion, so können selbst gelegentliche aggressive Wettbewerbsvorstöße von Fringe Firms die Kollusionsstabilität nicht gefährden, wenn diese lediglich einen marginalen Anteil an 423 Kommission v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 487. 424 Vgl. Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 201 ff.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 278 f.; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 13; Flint, LIEI 1978, 21, 50. 425 Vgl. Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 309, Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 199.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
281
der Produktionsmenge auf dem Markt erreichen. Wird beispielsweise eine gleichförmige Preiserhöhung der Oligopolisten von einem Außenseiter mit begrenzten Kapazitäten nicht nachvollzogen, so werden die Oligopolisten eher minimale Marktanteilsverluste in Kauf nehmen, als den Preis wieder zu senken. Einzelne Fringe Firms stellen erst dann eine Bedrohung für eine Kollusion der Oligopolisten dar, wenn es sich dabei um effizient arbeitende wettbewerblich eingestellte Unternehmen handelt, die die Möglichkeit zu wesentlichen Kapazitätsausweitungen haben. Versucht ein solches Unternehmen, seinen Marktanteil auf Kosten des Oligopois auszubauen und leichte Gewinne zu erzielen, indem es Preise fordert, die zwischen dem Oligopol- und dem Wettbewerbspreis liegen, so hängt die Reaktion der Oligopolisten entscheidend vom Verhältnis der Produktionskapazität des Außenseiters zur Gesamtproduktionsmenge des Marktes ab. Erst wenn es zu deutlichen Marktanteilsgewinnen des Außenseiters mit entsprechenden Marktanteils- und Gewinnverlusten bei den Oligopolmitgliedern kommen sollte, steigt deren Neigung zu Vergeltungsaktionen bzw. zu wettbewerblichem Verhalten. 426 Inwieweit die Kollusionsstabilität dadurch tatsächlich bedroht wird, hängt mit davon ab, ob eine wirksame Disziplinierung des Außenseiters möglich ist. Handelt es sich bei dem Außenseiter um ein effizientes Unternehmen, das kostengünstiger produziert als die Oligopolisten, so kann eine Disziplinierung mit hohen Verlusten verbunden sein, deren Verteilung im Oligopol Differenzen erzeugt. Besonders störend wirkt es sich auf die Interessenharmonie im Oligopol aus, wenn die Oligopolmitglieder durch das wettbewerbliche Verhalten des Außenseiters unterschiedlich stark getroffen werden, weil sie unterschiedlich effizient produzieren oder weil der Außenseiter auf dem betreffenden Markt nur partiell vertreten ist. Der Anreiz der Oligopolisten zu kollusivem Verhalten wird aber nur dann von vornherein durch das Vorhandensein von Oligopolaußenseiter verringert, wenn es sich dabei um eine realistische Alternative zu den Oligopolisten handelt, die in der Lage sind, ihre Marktanteile und Kapazitäten wesentlich auszuweiten und erhebliche Nachfrage von den Oligopolisten abzuziehen.427 Dabei kommt es vor allem auf die wirtschaftliche Stärke der Fringe Firms, ihren Marktanteilsabstand zum Oligopol und das Bestehen von Anreizen zum Verlassen der sicheren und gewinnbringenden Preisgefolgschaft, beispielsweise aufgrund von Kostenvorteilen an 4 2 8 Das Wettbe-
426 wie hoch die Verluste bei den Oligopolisten insoweit sein müssen, läßt sich nicht absolut festlegen. Zu eng dürfte jedoch die Auffassung von Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 278, sein, die davon ausgehen, daß die Oligopolisten solange an der Kollusion festhalten werden, als der Marktanteilsgewinn des Außenseiters 10% nicht übersteige. 427 Vgl. Gilchrist , Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 95; Jones/GonzälezDiaz, The EEC Merger Regulation, S. 174; Brunner/Krattenmaker/Skitol/ Webster, Mergers in the New Antitrust Era, S. 33; Areeda/Kaplow, Antitrust Analysis, S. 279, 284; Scherer/ Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 278 f. 428 Auch wenn eine Fringe Firm auf dem betrachteten Oligopolmarkt relativ klein ist, kann es sich dabei sehr wohl auf anderen Märkten um ein absolut gesehen großes Unternehmen mit entsprechender Wirtschaftskraft handeln.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
werbsverhalten der Fringe Firms hat dagegen keinen Einfluß auf die Kollusionswahrscheinlichkeit, wenn es sich dabei um kleine, zersplitterte Nischenanbieter handelt, deren Möglichkeiten zu einer Produktionssteigerung begrenzt sind und deren Interesse eher in einer Anpassung an das Preisverhalten der Oligopolisten besteht.
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Nach der traditionellen Auffassung zur Oligopolmarktbeherrschung betrifft die Analyse der aktuellen Wettbewerber des Oligopois das Außenverhältnis dieser Gruppe. Sind auf dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt neben den Oligopolisten, zwischen denen kein Innenwettbewerb besteht, noch Außenseiter tätig, so soll nach dieser Ansicht eine Oligopolmarktbeherrschung nur dann gegeben sein, wenn diese Oligopolgruppe auch keinem wesentlichen Wettbewerb im Außenverhältnis ausgesetzt ist. 4 2 9 Diese bereits als künstlich abgelehnte Trennung zwischen dem Innen- und dem Außenwettbewerb des Oligopois, für die es in der FKVO keine normative Grundlage gibt, erweist sich angesichts der bisherigen Feststellungen als Zirkelschluß. Sind die Oligopolisten einem erheblichen Wettbewerbsdruck durch andere, wettbewerblich aggressive Anbieter mit nicht unbedeutenden Marktanteilen und erheblichen Kapazitätspotentialen ausgesetzt, so wirkt sich dies bereits nachteilig auf das Zustandekommen und den Anreiz zu einer kollusiven Verhaltensweise sowie auf deren Stabilität aus. Bei wesentlichem Wettbewerb durch Außenseiter wird eine Kollusion der Oligopolisten somit nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten sein, oder anders formuliert, wird im Innenverhältnis immer Wettbewerb bestehen. Sind die Außenseiter dagegen wirtschaftlich unbedeutend und zersplittert und haben keinen Einfluß auf das Wettbewerbsverhalten der Oligopolisten, kann die Kollusionsgefahr trotz fehlendem Außenwettbewerb dennoch aufgrund der kollusionshemmenden Wirkungen der übrigen Marktstrukturfaktoren gering sein. Die Differenzierung zwischen einem Innen- und Außenverhältnis des Oligopois ist daher für die sachgerechte Feststellung der Kollusionswahrscheinlichkeit ohne jede Bedeutung und sollte folglich unterbleiben. Die Kommissionspraxis ist in dieser Hinsicht uneinheitlich. In Entscheidungen, in denen die Kommission noch entsprechend der traditionellen Auffassung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis differenziert, wird die Stärke der Wettbewerber des Oligopois im Rahmen des Außenverhältnisses untersucht. 430 In neueren Entscheidungen nimmt die Kommission dagegen meist eine einheitliche Prüfung 4 29 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 238; Kerber, Die Europäische Fusionskontrollpraxis, S. 103; Ehlermann, EuZW 1994, 647, 649; Montag / Kaessner, WuW 1997, 781, 784; Schwer, in: Frankfurter Kommentar (47. Lfg.), Art. 2 FKVO RdNr. 285; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 306 ff. 430 Vgl. Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 61 ff.; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann / Vallourec /Ilva, ABl. 1994 L 102/ 15, Tz. 96, 116 ff.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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der Wettbewerbsverhältnisse vor, in deren Rahmen sie dann auch die von den aktuellen Wettbewerbern ausgehenden Wirkungen auf die Fähigkeit der Oligopolisten zu einem wettbewerbswidrigen Parallel verhalten untersucht. 431 Die Kommission geht insoweit davon aus, daß die Mitglieder eines Oligopois nur dann durch ein paralleles Angebotsverhalten den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigen können, wenn sie in ihrem Verhalten nicht wirksam durch andere Wettbewerber beschränkt werden. 432 Dementsprechend prüft sie regelmäßig, ob Oligopolaußenseiter „einen ausreichenden preisbeschränkenden Wettbewerbsfaktor" darstellen, der die den Oligopolisten von der Marktstruktur „gebotenen Möglichkeiten, durch Vermeidung von Wettbewerb untereinander ihre Gewinne zu maximieren" einschränkt. 433 In diesem Zusammenhang untersucht die Kommission vor allem die wirtschaftliche Situation und die Marktstellung der Außenseiter sowie deren Produktionskapazitäten. In der Entscheidung Siemens /Philips verfügten die kleineren Wettbewerber auf dem Markt für Lichtwellenleiterkabel über keine ausreichende Finanzkraft und zu geringe Kapazitäten, um einen Preiskampf gegen die vier Oligopolisten führen zu können. 434 Ein aggressives Wettbewerbsverhalten der Oligopolaußenseiter schien auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil diese Unternehmen hinsichtlich der Produktionstechnologie von den Oligopolisten abhängig waren, mit denen gleichzeitig zahlreiche kooperative Beziehungen bestanden. Nach Ansicht der Kommission ging daher von den kleineren Wettbewerbern nur ein sehr geringer Wettbewerbsdruck auf das Oligopol aus. Eine ausführliche Untersuchung der aktuellen Wettbewerber nahm die Kommission in der Entscheidung Nestlé /Perrier vor. 4 3 5 Bei den Wettbewerbern des Dyopols handelte es sich hier um zahlenmäßig und geographisch zersplitterte Kleinunternehmen, auf die zusammen nur 18% des Marktes für Mineralwasser entfielen und die jeweils nicht mehr als 3% bis 4% Marktanteil hielten. Entscheidend war zudem, daß die Brunnenkapazitäten der Außenseiter beschränkt waren, ihre Produkte kein Markenprofil hatten und aufgrund der Transportkosten nur lokal vertrieben werden konnten, so daß sie keine ausreichende Bedrohung für die Marktstellung der Dyopolisten darstellten. Die Zersplitterung der Oligopolaußenseiter und 431 Vgl. Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice , ABl. 2000 L 93/ 1, Tz. 51 ff.; v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 55; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 22; v. 10. 6. 1997 I V / M . 911 Clarian/Hoechst, MCR 3249, Tz. 27; v. 23. 5. 1996 I V / M . 605 Hoechst/Klöckner-Werke/ Hartfolien, MCR 2515, Tz. 20. 432 Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 61; v. 21. 11. 2001 COMP/M. 2498 UPM-Kymmene/Haindl, Tz. 142 f.; ähnlich Kommission v. 10. 2. 1995 I V / M . 533 TWD/Akzo Nobel-Kuagtextil, MCR 1803, Tz. 27: Außenseiter „wirken einer etwaigen kollektiven Beherrschung entgegen, weil sie eine Reaktionsverbundenheit erschweren". 433 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 129. 434 Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 62. 435 Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 6 4 76.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
deren geringe und ausgeschöpfte Kapazitäten waren für die Kommission auch in der Entscheidung Kali + Salz/MdK/Treuhand mit ein Grund für die Annahme eines marktbeherrschenden Dyopols. 436 Allerdings wurde die Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof u. a. mit der Begründung für nichtig erklärt, daß die tatsächlichen Feststellungen der Kommission zu den Marktanteilen und Kapazitäten der Außenseiter unrichtig seien und das Fehlen eines von diesen Anbietern ausgehenden Wettbewerbsdrucks somit nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Der Gerichtshof hob dabei hervor, daß man sich notwendigerweise auf eine gründliche Untersuchung des Gewichts der Wettbewerber des Oligopois stützen müsse, um die Auswirkungen eines solchen Zusammenschlusses auf den Wettbewerb mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beurteilt zu können. 437 Verfügen die Oligopolaußenseiter über eine beträchtliche Finanzkraft und erhebliche Kapazitätsreserven und handelt es sich dabei zudem um international tätige Großunternehmen, so spricht dies nach Ansicht der Kommission gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung. 438 Bedenklich erscheint jedoch, daß die Kommission häufig die wirtschaftliche Marktstellung und das Kapazitätspotential der kleinerer Anbieter nicht näher untersucht und ihr bloßes Vorhandensein auf dem Markt als einen Faktor neben anderen anführt, um eine mögliche Oligopolmarktbeherrschung abzulehnen.439 Eine besonders auffällige Überbewertung des aktuellen Wettbewerbs durch Oligopolaußenseiter nahm die Kommission in der Entscheidung Mannesmann / Vallourec/Ilva vor. 4 4 0 Auf dem Markt für nichtrostende Stahlrohre waren neben den beiden Dyopolisten mit einem gemeinsamen Marktanteil von 70% noch zwei kleinere europäische Hersteller mit jeweils ca. 11% Marktanteil und fünf japanische Anbieter mit zusammen weniger als 10% Marktanteil tätig. Die Untersuchungen der Kommission ergaben, daß sich die europäischen Oligopolaußenseiter in finanziellen Schwierigkeiten befanden, so daß für diese nach Ansicht der Kommission kein Anreiz bestand, durch eine Steigerung der Produktion und Preissenkungen Marktanteile hinzuzugewinnen, da das Risiko von 436 Kommission v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/Mdk/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 54 ff. Zersplitterte Marktanteile und fehlende Kapazitäten der Außenseiter führte die Kommission auch in den Entscheidungen v. 10. 11. 1997 I V / M . 1009 Preussag/TUI, Tz. 52 sowie v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 43 an. 437 EUGH v. 31. 3. 1998 verb. Rs. C - 6 8 / 9 4 u. C-30/95 Frankreich
u. a./Kommission,
Slg. 1998 I, 1453 ff., Tz. 246. 438 Vgl. Kommission v. 20. 6. 2001 COMP/M. 2201 MAN/Auwärter, Tz. 53; v. 21. 12. 1994 I V / M . 484 Krupp/Thyssen/Riva/Falck/Tadfin/AST, ABl. 1995 L 251 /18, Tz. 68; v. 28. 9. 1992 I V / M . 256 Linde/Fiat, WuW/E EV 1989, Tz. 29. 439 Vgl. Kommission v. 22. 10. 1998 I V / M . 1202 Renault/Iveco, Tz. 55; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 26; v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/ Polygram, MCR 4661, Tz. 30; v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo / ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 55; v. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhöne-Poulenc-SNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 26; v. 23. 9. 1993 I V / M . 360 Arvin/Sogefi, MCR 1193, Tz. 22. 440 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 96-115.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
285
Gegenmaßnahmen der Dyopolisten angesichts deren Marktmacht und einer stagnierenden, preisunelastischen Nachfrage zu hoch sei. In Stellungnahmen gegenüber der Kommission erklärten beide Außenseiter zudem übereinstimmend, daß sie jegliche Preiserhöhung der Dyopolisten auf dem Markt nachvollziehen würden. Ein solches Verhalten der Unternehmen erschien auch deshalb plausibel, weil ihnen diese Verhaltensanpassung ermöglichen würde, einen Großteil ihrer erheblichen Festkosten zu decken, ohne dabei ein Risiko einzugehen. Demgegenüber beurteilte die Kommission die Möglichkeiten der nur marginal auf dem Markt vertretenen japanischen Hersteller erheblich optimistischer und nahm an, daß diese schon bei einer geringfügigen Preiserhöhung der Dyopolisten ihren Absatz in Europa unverzüglich steigern und daher der Schaffung einer dyopolistischen Markbeherrschung entgegenwirken würden. Diese Einschätzung der Kommission erscheint jedoch aus mehreren Gründen nicht schlüssig. So setzte sich die Kommission nicht mit der Frage auseinander, warum es den japanischen Herstellern, die schon seit Jahrzehnten auf dem europäischen Markt vertreten waren, bisher nicht gelungen war, ihre Marktstellung zu verbessern, sondern gerade in den letzten Jahren sogar noch Marktanteile verloren hatten. Zudem drängt sich die Frage auf, warum sich diese Hersteller gerade auf dem europäischen Markt in einen Preiskampf begeben sollten, der durch eine stagnierende preisunelastische Nachfrage sowie ein bis zu 30% niedrigeres Preisniveau als auf dem japanischen oder US-amerikanischen Markt gekennzeichnet war und auf dem die Konkurrenz zudem über extrem hohe Marktanteile verfügte. Nicht zuletzt wegen der sehr bescheidenen Basis dieser Anbieter in Europa und der erst in den folgenden Jahren schrittweise abzubauenden Importzölle wären hier erhebliche Zweifel an dem unterstellten Expansionspotential der japanischen Oligopolaußenseiter angebracht gewesen. Angesichts des hohen Marktanteils des Dyopols, der relativ geringen Nachfrage, des geringen technischen Innovationspotentials des Produktes und des im Vergleich zu anderen Märkten niedrigen Preisniveaus erschien es vielmehr wahrscheinlich, daß sich auch die nur marginal vertretenen japanischen Hersteller ebenso wie die europäischen Oligopolaußenseiter in Zukunft eher kooperativ und nicht wettbewerbsorientiert verhalten würden. 441 Dieser Fall zeigt damit deutlich, daß allein aufgrund des Vorhandenseins weiterer Wettbewerber neben den Oligopolisten nicht von einer Verringerung einer ansonsten hohen Kollusionswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, sondern daß es stets einer genauen Analyse der Wettbewerbsfähigkeit und der Wettbewerbsorientierung dieser Außenseiter bedarf. 442
441 Vgl. Kantzenbach WuW 1994, 294 f. 442 in der Entscheidung v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 65, waren neben den fünf Oligopolisten noch weitere Anbieter auf dem Markt für Zeitungspapier tätig, die zusammen 25% Marktanteil erreichten, wobei jedoch der größte dieser Anbieter weniger als 5% Marktanteil hielt. Die Kommission war der Ansicht, daß eine Preiserhöhung der Oligopolisten zu einem Anstieg des gesamten Preisniveaus auf dem Markt führen würde. Demnach dürften die Außenseitern auch in diesem Fall eher an einer kollusions-
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums 11. Marktzutrittsschranken und potentieller Wettbewerb
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Das Zustandekommen einer stabilen Kollusion zwischen Oligopolisten kann nicht nur durch aktuellen Wettbewerb von auf dem Markt bereits vorhandenen Unternehmen außerhalb der Oligopolgruppe, sondern auch durch potentiellen Wettbewerb, also die Möglichkeit künftigen Wettbewerbs, erheblich beeinflußt werden. Potentielle Wettbewerber sind solche, die zwar nicht auf dem betroffenen Markt tätig sind, aber die Fähigkeit zum Marktzutritt besitzen und dadurch das Wettbewerbsverhalten der auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen beeinflussen. 443 Potentiell, das heißt möglich, ist dabei nur der Marktzutritt neuer Wettbewerber, während der von dem möglichen Marktzutritt ausgehende Wettbewerbsdruck dagegen aktuell ist. 4 4 4 Bei der Frage, inwieweit das Verhalten von Oligopolisten durch potentiellen Wettbewerb beeinflußt wird, geht es daher um die Frage nach der Möglichkeit des Marktzutritts. 445 Die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts neuer Anbieter wird wiederum durch die Höhe der Marktzutrittsschranken determiniert, die damit der wichtigste Bestimmungsgrund für den potentiellen Wettbewerb sind. 446 Zwischen potentiellem Wettbewerb und Marktzutrittsschranken besteht ein unmittelbarer Zusammenhang dahingehend, daß das Maß des potentiellen Wettbewerbs tendenziell um so größer ist, je niedriger die Marktzutrittsschranken sind. Umgekehrt sind hohe Marktzutrittsschranken das wichtigste Indiz für das Fehlen wirksamen potentiellen Wettbewerbs. 447 Die
freundlichen Anpassung als an einem wettbewerblichen Verhalten interessiert gewesen sein und stellten daher keine Bedrohung für eine mögliche Kollusion der Oligopolisten dar. 443 Vgl. Albers, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 2 FKVO RdNr. 262 ff.; Gleiss/ Hirsch, Kommentar zum EWG-Kartellrecht, Art. 86 RdNr. 44. 444 Vgl. Schultze, Marktzutrittsschranken in der Fusionskontrolle, S. 20; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 481. 445 Ein Markteintritt von Unternehmen kann auf verschiedene Weise erfolgen. Vgl. hierzu insbesondere /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 63 und Freitag, WuW 1971, 294, 298. Dies kann zunächst durch Neugründung eines Unternehmens, das erstmals als Anbieter auf dem relevanten Markt auftritt geschehen. Von dieser Möglichkeit dürfte jedoch der geringste Wettbewerbsdruck auf die etablierten Unternehmen ausgehen. Empirische Untersuchungen zeigen, daß es insgesamt nur wenige echte Marktzutritte durch wirkliche Unternehmensneugründung auf einem anderen Markt gegeben hat. Danach handelt es sich bei den in einen Markt neu eintretenden Unternehmen hauptsächlich um auf anderen Märkten bereits etablierte Unternehmen, während echte Newcomer dagegen selten sind; vgl. hierzu Schwalbach, ZfB 1986, 713, 720. Eine weitere Möglichkeit zum Markteintritt besteht in der Produkterweiterung eines bereits bestehenden Unternehmens durch externe oder interne Diversifikation in einen anderen Markt. Schließlich kann es auch zu einer räumlichen Ausdehnung des Angebots eines etablierten Unternehmens auf den relevanten Markt kommen. 446 Knöpfle, BB 1982, 1805, 1813; Freitag, WuW 1971, 294, 301, 305. Vgl. auch Schwalbach, ZfB 1986, 713 ff. wonach mehrere empirische Studien zu dem Ergebnis kommen, daß das Eintrittsverhalten von Unternehmen von der Höhe der Markteintrittsbarrieren (und auch der Austrittsbarrieren) geprägt wird.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
287
Bedeutung von Marktzutrittsschranken für die Kollusionswahrscheinlichkeit läßt sich anhand einer theoretischen Ablaufstudie verdeutlichen. Liegen die Preise in einem Markt infolge Kollusion über dem Wettbewerbsniveau und ist der Zugang zu diesem Markt aufgrund der Abwesenheit jeglicher Marktzutrittschranken ungehindert möglich, so werden neue Anbieter durch die überdurchschnittlichen Gewinne angelockt, umgehend in den Markt eintreten. 448 Die Newcomer können ihren Marktanteil auf Kosten des Oligopois schnell ausbauen und leichte Gewinne erzielen, indem sie Preise fordern, die zwischen dem Oligopol- und dem Wettbewerbspreis liegen. Infolge der Marktanteils- und Gewinnverluste bei den Oligopolmitgliedern steigt naturgemäß deren Neigung zu wettbewerblichem Verhalten und damit zum Unterlaufen der Kollusion. Entweder bricht die Kollusion bereits dann auseinander oder erst bei einem der folgenden Markteintritte, die bei völliger Offenheit des Marktzutritts solange erfolgen, wie auf dem Markt überdurchschnittlich hohe Gewinne aufgrund Kollusion erzielt werden. Selbst wenn es den Oligopolisten gelingen sollte, Newcomer in die Kollusion aufzunehmen, ist deren Stabilität bedroht. Zum einen werden hierdurch weitere Newcomer geradezu eingeladen, in den Markt einzutreten, zum anderen sinken für die Oligopolisten aufgrund der steigenden Teilnehmerzahl die Vorteile aus der Kollusion und steigen die Anreize zum Cheating. 449 Bevor es jedoch überhaupt zu tatsächlichen Markteintritten kommt, entfaltet deren Möglichkeit aufgrund fehlender Marktzutrittsschranken bereits eine kollusionshindernde Vorfeldwirkung. Müssen die Oligopolisten prinzipiell laufend mit Markteintritten rechnen, so besteht nur ein geringer Anreiz überhaupt kollusive Verhaltensweisen aufzunehmen, da eine gemeinsame Gewinnmaximierung sofort durch neue Markteintritte zu erodieren droht. Um die tatsächliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts neuer Konkurrenten so klein wie möglich zu halten und nicht zusätzlich zu induzieren, erscheint es für die Oligopolisten vielmehr ratsam, auf eine gemeinsame Gewinnmaximierung zu verzichten und sich wettbewerblich zu verhalten. Zudem wird das Zustandekommen einer impliziten Kollusion durch die ge447 Vgl. Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 206; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19 RdNr. 69; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 216; Monopolkommission; Hauptgutachten 3, Tz. 523; dies., Hauptgutachten 5, Tz. 802. 448 Ganz allgemein werden neue Anbieter durch Angebotsbedingungen angelockt, die schlechter sind als diejenigen, die sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben. Dies kann abgesehen von überhöhten Preisen auch dann der Fall sein, wenn die etablierten Unternehmen technisch ineffizient produzieren, technische Fortschritte nicht realisiert haben oder wesentliche Kundenpräferenzen unbeachtet gelassen oder deren Veränderung nicht erkannt haben. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 67 f., weisen darauf hin, daß häufig erst durch das erfolgreiche Auftreten von Newcomem erkennbar wird, daß die bisherigen Preise überhöht waren oder erst eine erfolgte Prozeßinnovation die Kostenüberlegenheit neuer Technologien verdeutlicht. 449
Vgl. Shughart, The Organization of Industry, S. 235; Leftwich, ökonomischen Theorie, S. 209.
Lehrbuch der mikro-
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
steigerte Unsicherheit über die zukünftige Marktentwicklung erheblich erschwert. Denn die Oligopolisten müssen bei ihren strategischen Entscheidungen zusätzlich zum Verhalten der aktuellen Konkurrenten auch die wettbewerblichen Reaktionen von Unternehmen berücksichtigen, die noch gar nicht auf dem relevanten Markt in Erscheinung getreten und ihnen somit noch unbekannt sind. Das Verhalten der Oligopolisten wird daher nicht erst durch tatsächlich erfolgte Marktzutritte, sondern im wesentlichen schon durch die günstigen Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen Marktzutritt bestimmt. Bestehen dagegen hohe Marktzutrittsschranken, so wird eine auf diesem Markt vorhandene Kollusion vor einer Erodierung durch Newcomer geschützt. Das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken hat somit eine absichernde kollusionsstabilisierende Wirkung und ist eine notwendige Bedingung für alle Kollusionsarten. Allerdings sind hohe Marktzutrittsschranken für sich allein keine hinreichende Bedingung für Kollusion, da auch noch so hohe Marktzutrittsschranken von sich aus keine Kollusion erzeugen können. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Kollusionsgefahr auf einem Markt eher gering ist, wenn der Zutritt zu diesem Markt für potentielle Konkurrenten uneingeschränkt möglich ist. 4 5 0 Dementsprechend ist es für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit von besonderer Bedeutung, diejenigen Faktoren auf einem Oligopolmarkt zu identifizieren, die Marktzutrittsschranken erzeugen.
aa) Begriff und Arten von Marktzutrittschranken und deren Bedeutung auf Oligopolmärkten In Anlehnung an das von Bain grundlegend geprägte Verständnis vom Wesen der Marktzutrittsschranken werden diese verbreitet als alle Faktoren verstanden, die marktstruktur- und/oder marktverhaltensbedingte Nachteile potentieller Konkurrenten gegenüber den am Markt tätigen etablierten Unternehmen verursachen und somit die Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts neuer Wettbewerber verringern 4 5 1 Der Begriff der Marktzutrittsschranke ist in der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur jedoch nicht unumstritten. 452 Ohne daß auf die verschie450 So auch Eickhoff, ORDO 43 (1992), 173, 186 f.; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 96; Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 208 ff.; Shughart, The Organization of Industry, S. 235; Begg/Fischer/Dornbusch, Economics, S. 203 f.; Jones/Gonzalez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 143 f., 175; Briones, ECLR 1995, 334, 346. 451 Vgl. Bain, Barriers to new competition, S. 3: „ ( . . . ) the advantages of the established sellers in an industry over potential entrant sellers, these advantages being reflected in the extend to which established sellers can persistently raise their prices above a competitive level without attracting new firms to enter the industry." Vgl. auch v. Woedtke, Die überragende Marktstellung in der Fusionskontrolle, S. 165; Dirrheimer, Marktkonzentration und Wettbewerbsverhalten von Unternehmen, S. 91 ff.; Eickhof, ORDO 43 (1992), 173, 186, sowie Monopolkommission, Sondergutachten 14, Tz. 113.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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denen meist nur marginal divergierenden Definitionen näher eingegangen zu werden braucht, 453 lassen sich Marktzutrittsschranken für die Zwecke dieser Untersuchung ganz allgemein als diejenigen Umstände verstehen, die potentielle Wettbewerber davon abhalten, in einen Markt einzutreten. 454 Die Hindernisse, die einen Marktzutritt potentieller Wettbewerber vereiteln, können vielfältiger Natur sein. Unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten lassen sich dabei drei verschiedene Gruppen von Marktzutrittsschranken unterschieden: institutionelle, strukturelle und strategische Marktzutrittsschranken. 455 (1) Institutionelle Marktzutrittsschranken Institutionelle Marktzutrittsschranken sind eintrittsbehindernde Faktoren, die durch legislative oder administrative Maßnahmen des Staates verursacht werden. Sie beruhen auf institutionellen Bedingungen, staatlichen Gesetzen und behördlichen Entscheidungen oder auf historischen Gegebenheiten. Neben interstaatlichen Handelsbarrieren wie Einfuhrzöllen und Regulierungen der Niederlassungsfreiheit durch Konzessionen und Kontingente können auch einzelne Vorschriften des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie des Urheber- und Patentrechts Marktzutrittsschranken für potentielle Konkurrenten bilden. 456 Institutionelle Marktzutrittsschranken haben bei der konkreten Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf einem Markt den Vorteil, daß sie relativ leicht erkennbar sind bzw. durch Befragungen von Branchenexperten relativ einfach identifiziert werden können. (2) Strukturelle
Marktzutrittsschranken
Strukturelle Marktzutrittsschranken können nach der klassischen von Bain begründeten Markteintrittstheorie auf drei Ursachen beruhen; nämlich auf Betriebs452 Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Definitionen mit jeweils eigenen Ansätzen Schultze, Marktzutrittsschranken in der Fusionskontrolle, S. 52 ff. und Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 133 ff. 453 Vgl. insoweit nur die etwas engere Definition von Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, S. 282, die Marktzutrittsschranken in Anlehnung an Stigler, The Organization of Industry, S. 67, als Kosten verstehen, die von einem eintrittswilligen Unternehmen zu tragen sind, im Gegensatz zu den bereits im Markt agierenden Unternehmen. 454 So auch Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 69; Willeke, Wettbewerbspolitik, S. 104 f. 4 55 Vgl. /. Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399 ff.; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 72. Sowohl im Schrifttum als auch in der Kartellgesetzgebung werden Marktzutrittsschranken nach verschiedenen Gesichtspunkten systematisiert, ohne daß dies jedoch zu inhaltlichen Unterschieden zu der hier vertretenen Dreiteilung führen würde. Die FKVO unterscheidet ζ. B. in Art. 2 Abs. 1 lit. b) lediglich zwischen rechtlichen und tatsächlichen Marktzutrittsschranken. 456 Vgl. ausführlich hierzu Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 154 ff.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
größenvorteilen, auf Produktdifferenzierungsvorteilen und auf absoluten Kostenvorteilen. 457 Betriebsgrößenvorteile (economies of scale) machen sich dadurch bemerkbar, daß bei zunehmender Produktionsmenge die bei der Herstellung des Erzeugnisses anfallenden Durchschnittskosten sinken. Je größer die Menge der produzierten Güter ist, desto stärker führt dies zur Kostendegression. Diejenige Betriebsgröße bzw. diejenige Produktionsmenge, bei der die produktionstechnischen Kostenersparnisse erschöpft sind und die Kostendegression ihre Untergrenze erreicht hat, wird als mindestoptimale Betriebsgröße (minimum optimal scale) bezeichnet. 458 Die auf einem Markt vorhandenen Betriebsgrößenvorteile stellen für potentielle Konkurrenten einen wichtigen Gesichtspunkt bei der Beurteilung des Marktzugangsrisikos dar. Zunächst haben Newcomer zu berücksichtigen, daß sie ihr Unternehmen in einer bestimmten Mindestgröße errichten müssen, um dauerhaft auf dem Markt bestehen zu können. Unterhalb der mindestoptimalen Betriebsgröße würden sie zu teuer produzieren, die etablierten Anbieter hätten ihnen gegenüber Größenvorteile. Je größer nun die auf einem Markt erforderliche mindestoptimale Betriebsgröße ist, desto größer ist auch der Kapitalbedarf für einen Markteintritt, der möglicherweise über die Kapitalmärkte zu Finanzierungskosten gedeckt werden muß, die höher liegen als die der etablierten Unternehmen. Bedeutsam ist auch das Verhältnis von mindestoptimaler Betriebsgröße zum Gesamtvolumen des Marktes. Sind große Betriebsgrößen und entsprechend große Produktionsmengen erforderlich, so ist zu berücksichtigen, daß die zusätzliche große Produktionskapazität zu einer erheblichen Steigerung des Gesamtausbringungsvolumens des Marktes führen kann. Ist der Marktanteil, den ein neuer Anbieter erreichen muß, um Betriebsgrößenvorteile zu realisieren, so groß, daß er die Aufnahmefähigkeit des Marktes übersteigt, so würde ein Marktzutritt aufgrund der zusätzlich kostenbedingt hohen Angebotskapazität, die nur bei einer Preisunterbietung absetzbar ist, einen Preisverfall des betreffenden Produktes bewirken. Dementsprechend steigt die Unsicherheit über das Gelingen des Marktzutritts. 459 Je größer somit ein Produktionsbetrieb auf einem Oligopolmarkt sein muß, um mindestoptimal zu produzieren und je größer die Ausbringungsmenge im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Marktes ist, desto größer ist der Nachteil gegenüber den aktuellen Wettbewerbern und desto höher sind mithin die Marktzutrittsschranken
457 Vgl. Bain, Barriers to new competition, S. 3 ff.; Freitag, WuW 1971, 294, 299 ff. 458 Vgl. Bain, Barriers to new competition, S. 53; Longré, Marktzutrittsschranken und potentielle Konkurrenz unter wettbewerbspolitischem Aspekt, S. 24 ff. Die Ursachen von economies of scale sind vielfältig. Besonders bedeutsam ist hierbei der Umstand, das die verbreiteten automatisierten Produktionsprozesse aufgrund hoher Fixkosten erst bei größeren Ausbringungsmengen rentabel werden (sog. „indivisibilities"). Weitere Ursachen sind in Spezialisierungsvorteilen aufgrund von Arbeitsteilung, geringeren Transportkosten und Lerneffekten zu sehen, vgl. hierzu Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 97 ff. 459 Vgl. Machlup, Wettbewerb im Verkauf, S. 227; Williamson, Europäische Wirtschaft Nr. 57 (1994), 143, 156; /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 64; Freitag, WuW 1971, 294, 299; Leftwich, Lehrbuch der mikroökonomischen Theorie, S. 209.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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aufgrund von Betriebsgrößenvorteilen. 460 Unabhängig von der Frage der Marktzutrittsschranken ist für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, daß eine hohe mindestoptimale Betriebsgröße auf einem oligopolistischen Markt zwangsläufig zu einer geringen Anbieterzahl führt und zudem eine höhere horizontale Markttransparenz der Produktionsbedingungen zur Folge hat, durch die Cheating erschwert und eine Kollusion stabilisiert wird. 4 6 1 Produktdifferenzierungsvorteile (product differentiation advantages) der etablierten Unternehmen gegenüber potentiellen Konkurrenten entstehen dadurch, daß die Abnehmer etablierte Produkte gegenüber neuen, unbekannten Substituten bevorzugen, wodurch den Anbietern dieser Produkte ein Spielraum bei der Preisgestaltung erwächst. 462 Die Ursachen für Produktdifferenzierungsvorteile sind vielfältig. Sie können auf einem überlegenen Vertriebssystem, dem Angebot von Serviceleistungen, auf einem designbedingten besonderen Image der Ware, auf dem Ruf von Markenwaren, auf Werbung und auch auf einer unterschiedlichen Qualität der Produkte beruhen. 463 Ist ein Oligopolmarkt durch eine starke Produktdifferenzierung gekennzeichnet, indem beispielsweise aufgrund intensiver Werbung oder langjähriger Kundenbetreuung starke Nachfragepräferenzen zugunsten der etablierten Oligopolisten bestehen, so können potentielle Konkurrenten nur dann erfolgreich in den Markt eindringen, wenn es ihnen gelingt, diese bestehenden Präferenzen zu ihren Gunsten zu verschieben. Dies können sie dadurch versuchen, daß sie ihre Produkte in der Anfangszeit unter Kosten verkaufen, um diese bekannt zu machen und Nachfrage anzuziehen und/oder erhebliche Aufwendungen in Werbung und Service investieren, um eigene Präferenzen aufzubauen. Dennoch wird es Newcomern in einer solchen Situation auch bei überlegenem PreisLeistungs-Verhältnis erst im Laufe der Zeit gelingen, signifikante Nachfrage von den etablierten Anbietern abzuziehen. Ein stark differenzierter Markt kann daher die Kosten-Erlös-Struktur derart verschlechtern, daß ein Marktzutritt trotz überhöhter Gewinne nicht zu befürchten ist. Für die Wirkung von Produktdifferenzierungsvorteilen als Markteintrittsschranke ist es dabei unerheblich, ob die etablierten Unternehmen früher ebenfalls solche Investitionen zu tätigen hatten, da es entscheidend auf den aktuellen Kostennachteil der Newcomer ankommt. 464
460 Für Anhänger der Chicago School existieren demgegenüber nur institutionelle Marktzutrittsschranken, während economies of scale als Ausdruck ökonomischer Effizienz wohlfahrtsökonomisch erwünscht seien sollen. Vgl. hierzu Schultze, Marktzutrittsschranken in der Fusionskontrolle, S. 24 und die Auseinandersetzung mit der Chicago School im 1. Kapitel, I., 3. 461 Vgl. ausführlich zu den Auswirkungen der Markttransparenz auf die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 4. 462 Vgl. Bain, Barriers to new competition, S. 114 f.; Longré, Marktzutrittsschranken und potentielle Konkurrenz unter wettbewerbspolitischem Aspekt, S. 32 f. 463 Vgl. Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 183 ff.; Freitag, WuW 1971, 294, 300. 464 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 85; Freitag, WuW 1971, 294, 300.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Absolute Kostenvorteile (absolute cost advantages) der etablierten Oligopolisten gegenüber potentiellen Konkurrenten resultieren daraus, daß ihre Produktionskosten unabhängig von der Produktionsmenge unter denen der potentiellen Konkurrenten liegen. Für zahlreiche Märkte, insbesondere bei technologisch hochentwikkelten und komplexen Produkten gilt, daß Newcomer nach ihrem Eintritt nicht zu den gleichen Stückkosten produzieren können, wie die etablierten Anbieter, sondern höhere Kosten aufweisen. Die Ursachen hierfür können in einem alleinigen oder zumindest besseren Zugang zu den Rohstoff- oder Absatzmärkten ζ. B. durch vertikale Integration, in einer höheren Arbeitsproduktivität aufgrund von Lerneffekten, in technischem Wissen und qualifizierten Arbeitskräften, in der Kontrolle überlegener Produktionstechniken durch gewerbliche Schutzrechte oder in günstigeren Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten liegen. 465 Je höher die Kosten sind, die potentielle Konkurrenten aufbringen müssen, um diese Nachteile zu kompensieren, um so schwieriger ist ein Marktzutritt. (3) Strategische Marktzutritts
schranken
Während es sich bei den instututionellen und strukturellen Marktzutrittsschranken um extern vorgegebene Größen handelt, haben neuere verhaltensorientierte Ansätze gezeigt, daß Marktzutrittsschranken auch von den etablierten Unternehmen bewußt mit dem Ziel errichtet werden können, Newcomer vom Eintritt abzuschrecken. 466 Der Markteintritt eines Newcomers bedeutet für die etablierten Oligopolisten auf dem Markt Gewinnminderungen und eine Bedrohung für die Stabilität von Kollusion, so daß kaum anzunehmen ist, daß diese sich in einem solchen Fall wie „naive Gewinnmaximierer" verhalten werden. 467 Die Oligopolisten werden vielmehr versuchen, ihre angestammte Marktstellung und die sicheren Gewinne zu verteidigen. Tritt ein Newcomer in einen oligopolistischen Markt ein, so sieht er sich wenigen, marktanteilsstarken und meist auch großen Unternehmen gegenüber. Anders als bei polypolistischen Märkten muß er wegen der hohen Reaktionsverbundenheit unter den Oligopolisten damit rechnen, daß sein Marktzutritt zu unmittelbaren Gegenmaßnahmen führt und die Oligopolisten zur Verteidigung ihrer Position gezielt Vergeltungs- und Verdrängungsstrategien anwenden. Ohne das bereits ein wettbewerbsrechtlich vorwerfbares Verhalten vorzuliegen braucht, vermag unter Umständen bereits allein die Größe der etablierten Oligopolisten potentielle Konkurrenten zu entmutigen und so von einem Marktzutritt abzuhalten. Bei strategischen Marktzutrittsschranken kann es sich sowohl um einzelne Verhaltensweisen oder ihre glaubwürdige Androhung als auch um von den Unternehmen geschaffene Strukturen handeln. Erhebliche Bedeutung kommt dabei Limitpreisstrategien zu, bei denen die etablierten Unternehmen bei einem drohenden Marktzutritt den Preis 465 Vgl. Bain, Industrial Organization, S. 260 ff.; /. Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399. 466 Vgl. hierzu ausführlich die Darstellung bei Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 63-101. 467 Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 94.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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gezielt so niedrig setzen, daß es für den Newcomer unmöglich wird, kostendeckend in den Markt einzutreten. 468 Können die Oligopolisten potentiellen Konkurrenten glaubhaft signalisieren bzw. androhen, solche Praktiken nach einem Marktzutritt anzuwenden, so besteht eine strategische Marktzutrittsschranke. Halten die Oligopolisten bewußt große Überkapazitäten vor, so können sie dadurch potentiellen Konkurrenten signalisieren, daß ein Eintritt von ihnen mit einer Angebotsausweitung und Preissenkung beantwortet würde, die dem Newcomer keine Kostendeckung ermöglicht. Entsprechend ist für Newcomer das Markteintrittsrisiko bei einer Kapazitätskollusion der Oligopolisten geringer als bei einer Preiskollusion, da die Oligopolisten aufgrund fehlender Reservekapazitäten ihre Produktionsmenge nicht kurzfristig zu strategischen Zwecken ausweiten können. Schließlich können die etablierten Unternehmen bewußt Produktdifferenzierungsvorteile schaffen, indem sie möglichst viele Produktvarianten anbieten, den Zugang zu wichtigen Inputfaktoren für Newcomer beschränken oder verteuern oder eine strategische Patentpolitik betreiben. 469 Die Berücksichtigung von strategischen Marktzutrittschranken bei der Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit ist jedoch nicht unproblematisch. Zum einen verursacht die Errichtung strategischer Eintrittsbarrieren regelmäßig Kosten, wodurch sich nicht nur die Proftitabilität von Kollusion verringert, sondern auch eine Verteilungsproblematik entsteht. Überkapazitäten im Oligopol als strategische Marktzutrittsschranke erfordern für die Preiskollusion eine große Disziplin unter den Oligopolisten, da der Wettbewerbspreis verlustbringend wäre. Eine strategische Überkapazitätsstrategie im Oligopol ist daher mit erheblichen Risiken verbunden. 470 Eintrittsverhindernde Strategien sind zudem nur dann überhaupt sinnvoll und erfolgversprechend, wenn sie auch durch andere Marktzutrittsschranken unterstützt werden. 471 Im Rahmen der Fusionskontrolle, die eine Zukunftsprognose über einen gewissen Zeitraum erfordert, sollte bei der Beurteilung der Kollusionsgefahr aber auch auf die Möglichkeiten der Oligopolisten zu eintrittsbehindernden Strategien zurückgegriffen werden, zumindest insoweit diese ihre Ursachen in strukturellen Marktzutrittsschranken oder auch in der Finanzkraft haben. (4) Irreversible
Kosten
Die Problematik struktureller Marktzutrittsschranken und darauf basierendem eintrittsverhinderndem Verhalten hängt eng mit dem Problem der irreversiblen 468
Vgl. Scherer/Ross, Industrial Market Structure and Economic Performance, S. 356 ff. Zu den vielfältigen Möglichkeiten vgl. Salop/Scheffinan, American Economic Review 83 (1983), 267 ff. 470 Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 96, bezeichnen Uberkapazitätsstrategien im Oligopol daher treffend als „Trapezakt ohne Netz". 469
471 Vgl. v. Weizäcker, Barriers to entry, S. 13 ff.; Longré, Marktzutrittsschranken und potentielle Konkurrenz unter wettbewerbspolitischem Aspekt, S. 22; Schutze, Marktzutrittsschranken in der Fusionskontrolle, S. 23.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
(oder versunkenen) Kosten (sunken costs) zusammen. Die Irreversibilität ist ein Merkmal vieler Kostenstrukturen und ihre Höhe kennzeichnet das Ausmaß, in dem eine Investition auf eine bestimmte ökonomische Verwendung festgelegt ist. 4 7 2 Langlebige Produktionsfaktoren, die nur für eine spezielle Verwendung genutzt werden können, begründen Irreversibilitäten, da ein Transfer dieser Ressourcen in andere Verwendungen mit Produktivitäts- und Wertverlusten verbunden ist. 4 7 3 Jeder Marktzutritt erfordert nun ein bestimmtes Maß an irreversiblen Kosten. Darunter versteht man diejenigen Kosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Marktzutritt stehen und auch dann nicht abgebaut werden können, wenn bei einem Marktaustritt die Produktion vollständig eingestellt und die Investitionsgüter liquidiert werden müssen. Dabei kann es sich um Investitionen in eine spezifische immobile Produktionsanlage, in Vertriebswege, in Forschung und Entwicklung oder in Werbekampagnen handeln. Zukünftige wirtschaftliche Abläufe, wie die Entwicklung der gewinnbringenden Faktoren, lassen sich nicht mit Sicherheit vorhersagen, so daß jeder Markteintritt die Ungewißheit hinsichtlich seines Erfolges beinhaltet. Bei der Entscheidung zum Markteintritt müssen potentielle Konkurrenten daher auch diejenigen Kosten berücksichtigen, die ihnen unwiederbringlich verlorengehen, wenn sie früher als erwartet wieder aus dem Markt ausscheiden müssen. Eine hohe Irreversibilität der Investitionen auf einem Markt führt somit zu einem hohen Risiko eines Markteintritts, wodurch eine ähnliche potentielle Konkurrenten abschreckende Wirkung wie durch Marktzutrittsschranken entsteht.474 Ein Zusammenhang zwischen Betriebsgrößenvorteilen und der Höhe der Irreversibilität besteht nun insoweit, als große mindestoptimale Betriebsgrößen einen hohen Kapitalaufwand erfordern, was regelmäßig irreversible Kosten zur Folge hat. Um Produktdifferenzierungsvorteile zu realisieren, sind ebenfalls erhebliche Investitionen erforderlich, die aufgrund ihrer Produktspezifität bei einem Marktaustritt als versunken angesehen werden müssen. Die Frage nach der Möglichkeit eines kostenlosen Marktaustritts aufgrund fehlender irreversibler Kosten hat vor allem Eingang in die Theorie der angreifbaren Märkte (contestable markets school) gefunden. 475 Diese Theorie betont den Grad der Marktoffenheit als entscheidendes Modell zur wettbewerbstheoretischen Beurteilung von Märkten und sieht den Idealzustand eines vollkommen angreifbaren Marktes als gegeben an, wenn Markteintritte und Marktaustritte ohne Kosten möglich sind, wenn also weder Marktzutrittsschranken noch Marktaustrittsschranken existieren. 476 Für die wettbewerbliche Beurteilung oligopolistischer Märkte bedeu472
Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 56. Die Höhe der Irreversibilität bemißt sich nach dem Wertunterschied des Investitionsobjektes zwischen der geplanten und seiner besten alternativen Verwendung nach der Festlegung. 474 Vgl. Eickhoff, ORDO 43 (1992), 173, 186; /. Schmidt/Engelke, WiSt 1989, 399, 400; Gilchrist, Schwerpunkte des Kartellrechts 1991/92, 85, 96. 475 Vgl. Baumol/ Ponzar/ Willig, Contestable Markets and the Theory of Industry Structure. 473
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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tet das, daß eine hohe Unternehmenskonzentration und ausgezeichnete Kollusionsmöglichkeiten dann keine praktische Bedeutung haben, wenn andere Unternehmen den Markt betreten und verlassen können, ohne bei den erforderlichen Investitionen nennenswerte Verluste zu erleiden. Denn sobald die Oligopolisten versuchen, durch Kollusion überhöhte Gewinne zu erzielen, werden potentielle Konkurrenten eine Gelegenheit für schnelle Gewinne sehen und in den Markt eintreten, den sie dann auch wieder ohne Kosten verlassen können (hit-and-run-Strategie). Auf vollkommen angreifbaren Märkten wäre Kollusion schon allein durch die Eintrittsbedrohung seitens potentieller Wettbewerber nicht durchführbar. Anders dagegen auf nicht angreifbaren Märkten, auf denen ein Marktzutritt erhebliche irreversible Investitionen erfordert. Die Theorie der angreifbaren Märkte ist vielfach wegen ihrer realitätsfernen Modellvorgaben (Fehlen von Produktdifferenzierung, Kostenvorteilen und anderen Unsicherheitsfaktoren) und der ungeklärten Frage, in welchem Ausmaß Marktzutritts- bzw. Marktaustrittsschranken gegeben sein dürfen, um einen Markt noch als angreifbar zu bezeichnen, kritisiert worden. 477 In der Praxis dürfte für vollkommen angreifbare Märkte kein Beispiel vorhanden sein, weil der Marktzutritt zu eigentlich jedem Markt gewisse irreversible Investitionen von einem Unternehmen erfordert. Für die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit liefern die Voraussetzungen für die Nicht-Bestreitbarkeit eines Marktes aber dennoch zusätzliche wichtige Anhaltspunkte. So läßt sich feststellen, daß die Gefahr, bei einem Markteintritt ein hohes Maß an irreversiblen Kosten zu erleiden, für potentielle Konkurrenten einerisikoerhöhende und damit auch eine eintrittsverhindernde Wirkung hat. Desto höher die Irreversibilitäten auf einem oligopolistischen Markt sind, desto höher sind somit auch die Marktzutrittschranken und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine Kollusion auch stabil sein wird.
bb) Eintrittsfähigkeit und Eintrittswilligkeit potentieller Konkurrenten Problematisch ist, ob die Kollusionsgefahr auf einem Oligopolmarkt unter dem Gesichtspunkt potentiellen Wettbewerbs schon allein durch niedrige oder fehlende Marktzutrittsschranken reduziert wird oder ob hierfür zusätzlich noch eintrittswillige potentielle Konkurrenten vorhanden sein müssen. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß potentieller Wettbewerb im Rahmen der Fusionskontrolle nur dann als ein entmachtender Faktor berücksichtigt werden könne, wenn neben fehlenden Marktzutrittsschranken auch die Eintrittsfähigkeit und Eintrittsbereitschaft potentieller Konkurrenten gegeben sei 4 7 8 Die Eintrittsfähigkeit, die unter der Annahme, 476
Vgl. Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets and the Theory of Industry Structure, S. 12: „A contestable market is one into which entry is absolutely free, and exit is absolutely costless". 477 Vgl. Schwartz/Reynolds, American Economic Review 1983 (73), 488 ff.; Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 68; Fehl, ORDO 37 (1986), 141, 148.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
sich bietende Gewinnchancen würden erkannt und genutzt, die Eintrittsbereitschaft beeinflußt, wird jedoch stets von der Höhe der Marktzutrittsschranken mitbestimmt. 479 Entscheidend ist allein, daß dann, wenn die etablierten Unternehmen die Preise über das Wettbewerbsniveau heben oder sich ihre Leistungen verschlechtern, neue Wettbewerber von den sich bietenden Gewinnmöglichkeiten angelockt werden und diese dann Gegebenheiten vorfinden, die ihnen die Möglichkeit zum Markteintritt eröffnen. Denn in der Regel wird in offene Märkte bei bestehenden Gewinnchancen auch eingetreten. Wollte man für die Zukunft all diejenigen Unternehmen feststellen, die als potentielle Konkurrenten in Betracht kommen, so würde dies schon an der objektiven Unmöglichkeit dieses Unterfangens scheitern, da niemand wissen kann, wer in drei bis fünf Jahren zu einem Markteintritt fähig und bereit sein wird. 4 8 0 Das teilweise vorgebrachte Argument, daß niedrige Marktzutrittsschranken potentiellen Wettbewerb zwar ermöglichten, ihn aber nicht notwendigerweise herbeiführten, 481 vermag gerade in Oligopolsituationen nicht zu überzeugen. Wie bereits mehrfach erörtert, wirken sich vor allem Unsicherheiten unter den Oligopolisten kollusionshemmend aus. Auch wenn die Oligopolisten daher nicht genau wissen, von welchen und wievielen Unternehmen ein an sich möglicher Markteintritt zu befürchten ist, wird Kollusion allein schon durch die Marktoffenheit ansich unwahrscheinlich. Würden die Oligopolisten in dieser Situation erkunden, ob vorhandene Eintrittschancen wahrgenommen werden, indem sie sich quasi „versuchsweise" kollusiv verhalten, so wäre dies äußerst riskant, da einmal eingetretene Unternehmen nicht ohne weiteres wieder den Markt verlassen werden. Darüber hinaus bliebe die Ungewißheit für die Zukunft bestehen, da weiterhin unklar wäre, ob alle potentiellen Konkurrenten die günstigen Eintrittschancen bereits erkannt haben oder bei ihrer Entscheidung bleiben, nicht in den Markt einzutreten. Für die Beurteilung der Auswirkungen potentiellen Wettbewerbs auf die Kollusionswahrscheinlichkeit kommt es daher allein auf die objektive Feststellung von Marktzutrittsschranken an, während es unerheblich ist, ob Unternehmen konkret die Absicht und Fähigkeit haben, auf dem Oligopolmarkt als Wettbewerber tätig zu werden. Abschließend läßt sich daher feststellen, daß die Kollusionsgefahr eher gering ist, wenn auf dem betreffenden Markt nicht irgendeine Art von wesentlichen Marktzutrittsschranken besteht, wobei grundsätzlich schon das Vorhandensein einer einzigen ausreichend hohen Marktzutrittsschranke genügen dürfte. 482
478 Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24, RdNr. 483 ff.; Bartholomeyczik, WuW 1971, 764 ff. 479 Vgl. Immenga, RIW 1981, 577, 578; Jickeli, Marktzutrittsschranken im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, S. 125; Kerber, Die europäische Fusionskontrollpraxis, S. 78 f. 480 481 482
Vgl. Schultze, Marktzutrittsschranken in der Fusionskontrolle, S. 30. So Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 216. So auch Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 100 f.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Die FKVO normiert in Art. 2 Abs. 1 lit a) ausdrücklich, daß es bei der Beurteilung der wettbewerblichen Wirkungen eines Zusammenschlusses neben dem tatsächlichen auch auf den potentiellen Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft ansässige Unternehmen ankommen soll. Im Anschluß daran werden in Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO „rechtliche oder tatsächliche Marktzutrittsschranken" als entscheidungsrelevante Strukturfaktoren genannt. Bei der Beurteilung der wettbewerblichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses geht die Kommission daher regelmäßig auf die Frage ein, ob auf dem relevanten Markt ausreichend potentieller Wettbewerb vorhanden ist, um die Ausübung von Marktmacht durch das fusionierte Unternehmen zu verhindern. 483 Innerhalb der traditionellen Auffassung zur Oligopolmarktbeherrschung besteht Unklarheit darüber, ob sich ein starker potentieller Wettbewerbsdruck nun auf den Innen- oder den Außenwettbewerb des Oligopois auswirkt. 484 Diese systematische Diskrepanz, die innerhalb dieser Ansicht nicht näher problematisiert wird, macht erneut die Willkürlichkeit und Künstlichkeit der Trennung zwischen dem Innenund dem Außenwettbewerb des Oligopois deutlich. Auch die Kommissionspraxis ist insoweit uneinheitlich. In Entscheidungen, in denen die Kommission noch entsprechend der traditionellen Auffassung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis differenziert, wird der potentielle Wettbewerb und das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken ausdrücklich im Rahmen des Außenwettbewerbs untersucht. 485 In vielen Fällen verzichtet die Kommission jedoch auf diese Zweiteilung und nimmt eine einheitliche Prüfung der Wettbewerbsverhältnisse vor, in deren Rahmen sie dann auch die Auswirkungen potentiellen Wettbewerbs auf die Fähigkeit der Oligopolisten zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten untersucht. 486 Grundsätzlich geht die Kommission davon aus, daß ein starker potentieller Wettbewerb durch tatsächliche oder drohende Markteintritte die Fähigkeit der Oligopolisten zu einer gemeinsamen Gewinnmaximierung beeinträchtigen kann und eine 483 Vgl. Kommission, 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1994, Tz. 311; 22. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1992, Tz. 246. 484 Für die Prüfung im Außenverhältnis Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 238; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 306 ff.; wohl auch Mestmäcker /Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 155; für die Prüfung im Innen Verhältnis hingegen Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 23a RdNr. 107; Bundeskartellamt, Auslegungsgrundsätze zur Fusionskontrolle (2000), S. 50. 48
5 Vgl. Kommission v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens/Philips, Tz. 61 ff.; v. 31. 1.1994 I V / M . 315 Mannesmann / Vallourec /Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 96, 116 ff. 48 6 Vgl. Kommission v. 30. 7. 1998 I V / M . 1245 Valeo/ITT Industries, WuW EU-V 119, Tz. 55; v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 22; v. 10. 6. 1997 I V / M. 911 Clarian/Hoechst, MCR 3249, Tz. 27; v. 23. 5. 1996 I V / M . 605 Hoechst/KlöcknerWerke/Hartfolien, MCR 2215, Tz. 20.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
dauerhafte Bedrohung für das Zustandekommen und die Stabilität einer wettbewerbswidrigen gleichgerichteten Verhaltensweise darstellt. 487 Für die Beurteilung des potentiellen Wettbewerbs kommt es nach Ansicht der Kommission darauf an, ob ein wettbewerblich relevanter und effektiver Markteintritt möglich und wahrscheinlich wäre, der den Preisfestsetzungsspielraum der Oligopolisten wirksam einengen oder die Aufrechterhaltung überhöhter Preise unmöglich machen würde. 488 Eine eingehende Analyse der Voraussetzungen potentiellen Wettbewerbs in einer Oligopolsituation nahm die Kommission im Fall Nestlé /Perrier vor, nachdem sich die beteiligten Unternehmen im Verfahren darauf berufen hatten, daß die Marktmacht der beiden Dyopolisten auf dem französischen Mineralwassermarkt durch zahlreiche große Getränke- und Nahrungsmittelhersteller als potentielle Wettbewerber eingeschränkt sei. 489 Die Kommission konstatierte, daß der Markteintritt neuer Wettbewerber innerhalb einer Zeitspanne erfolgen müsse, die kurz genug sei, um die betreffenden Unternehmen von der Ausnutzung ihrer Marktmacht abzuhalten. Um nun die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts ermitteln zu können, untersuchte die Kommission, ob Marktzutrittsschranken vorhanden seien. Dabei zeigte sich, daß das Wachstum auf dem französischen Mineralwassermarkt nahezu zum Stillstand gekommen war und der Markt aufgrund der Zahl der Marken und der Produktpalette als gesättigt anzusehen war. Der Bedarf der Einzelhandelsgeschäfte war schon durch die etablierten Marken gedeckt, so daß neue Marken viel billiger und mit größeren Rabatten verkauft werden müßten, um in die Sortimente aufgenommen zu werden. Der Zugang zu den Vertriebswegen war zudem durch Kopplungsrabatte erschwert, mit denen die etablierten Anbieter die Einzel- und Großhändler an ihr Gesamtsortiment zu binden versuchten. Das entscheidende Problem für den Marktzutritt sah die Kommission jedoch in dem Renommé der etablierten Marken, das den Oligopolisten einen angestammten Vorteil gegenüber jedem Newcomer sicherte. Die etablierten Anbieter hatten jahrelang erhebliche Summen in die Marken Werbung investiert, was zu einer niedrigen Nachfrageelastizität und damit zu einer erheblichen Marktzutrittsschranke für potentielle Newcomer geführt hatte. Die Kommission argumentierte, da Werbung und Verkaufsförderung Ist-Kosten der Vergangenheit seien, die sich im Fall eines Fehlschlages auf dem Markt nicht wieder hereinholen ließen, sei für 487 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 107, 130; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 133, v. 21. 5. 1999 I V / M . 1430 Vodafone/Airtouch, MCR 5615, Tz. 28; v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 481. Vgl. hierzu auch den früheren Wettbewerbskommissar Brittan, European Competition Policy 25 (1992): „ ( . . . ) in markets where new entrants are likely, or innovation and change play a key role, collusion or price parallelism are not usually present." 488 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé / Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 91. 489 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé / Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 90-107.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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Newcomer die Einführung einer neuen Marke nicht nur sehr kostspielig und zeitaufwendig, sondern auch extrem risikoreich, weil im Falle eines Fehlschlages die gesamte Investition verloren sei. Die Kommission erkennt damit zutreffend Produktdifferenzierungsvorteile der etablierten Unternehmen gegenüber potentiellen Konkurrenten als Marktzutrittsschranke an und läßt in ihrer Argumentation gleichzeitig auch eine gewisse Nähe zum Konzept der versunkenen Kosten als Marktzutrittschranke erkennen. Zusätzlich bestanden auf dem Markt Anzeichen für strategische Marktzutrittsschranken, da die Dyopolisten in der Vergangenheit durch gemeinsame Aktionen erfolgreich die Übernahme des Zielunternehmens Perrier durch andere Unternehmen und damit einen Markteintritt potentieller Wettbewerber vereitelt hatten. In der Entscheidung wird dieser Umstand jedoch nicht weiter verfolgt. Insgesamt kam die Kommission zu dem Schluß, daß es keinen den Preisfestsetzungsspielraum wirklich einengenden potentiellen Wettbewerb gab, der die Marktposition der beiden verbleibenden Anbieter rasch und spürbar hätte bedrängen können. 490 An einem ausreichend hohen potentiellen Wettbewerbsdruck als Bedrohung für ein mögliches Parallelverhalten der Oligopolisten fehlte es auch in der Entschei491 dung Pilkington/Techint/SIV. Bei dem hier betroffenen Markt für Floatglas handelte es sich um einen sehr kapitalintensiven Markt. In erneuter Affinität zum Konzept der versunkenen Kosten verwies die Kommission darauf, daß die Produktionsanlagen so spezialisiert seien, daß entsprechende Investitionen beträchtliche Ist-Kosten der Vergangenheit darstellten, die sich bei einem fehlgeschlagenen Markteintritt nicht wieder hereinholen ließen. Besorgt äußerte sich die Kommission darüber, daß neue Wettbewerber möglicherweise nicht die Kenntnisse für den Betrieb einer hochtechnologischen Floatglasanlage hätten, womit absolute Kostenvorteile der etablierten Anbieter als strukturelle Marktzutrittsschranke angesprochen sind. Schließlich wurden die allgemein bestehenden Überkapazitäten und deren zu erwartende Zunahme auf dem Markt schon für sich als ein „gewichtiger Hemmschuh" für einen neuen Markteintritt angesehen. Dabei bleibt jedoch unklar, ob die Kommission insoweit die Problematik berücksichtigt, daß bei großen mindestoptimalen Betriebsgrößen eine zusätzliche große Produktionsmenge auf einem gesättigten Markt nur zu einem Preisverfall und damit zu einer Erhöhung des 490 Vgl. Kommission v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 107. 491 Vgl. Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 44. Auch in der Entscheidung v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/30, Tz. 154, Schloß die Kommission wirksamen potentiellen Wettbewerb auf das Oligopol aufgrund hoher Marktzutrittsschranken aus. Entscheidend war hier, daß sich die Rohstoffvorkommen fast ausschließlich in den Händen der Oligopolisten befanden und es sich um eine kapitalintensive Industrie handelte. Auf die mit einem Marktzutritt verbundenen beträchtlichen Investitionen, die in hohem Maße versunkene Kosten darstellten, verwies die Kommission auch in der Entscheidung v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 111, um darzulegen, daß potentielle Anbieter die starke Marktstellung der Dyopolisten nicht effektiv angreifen könnten.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
Marktzutrittsrisikos führen kann oder ob hiermit die Möglichkeiten der etablierten Oligopolisten zu Abwehrstrategien aufgrund von Drohkapazitäten angesprochen sind. Abschließend hob die Kommission hervor, daß schon der Bau einer Produktionsanlage für Floatglas zwei Jahre beanspruche, so daß insgesamt ein potentieller Marktzutritt mittelfristig nicht wahrscheinlich sei. 492 Das Fehlen von Markteintrittsschranken und ein entsprechend starker potentieller Wettbewerb wird in vielen Entscheidungen meist nur beiläufig neben anderen Faktoren erwähnt, um eine mögliche Oligopolmarktbeherrschung zu verneinen. 493 Eine entscheidende Rolle spielte der potentielle Wettbewerbsdruck auf die Oligopolisten dagegen in der Entscheidung Mannesmann /Vallourec/Ilva. 494 Hier führte der Zusammenschluß auf dem westeuropäischen Markt für nichtrostende Stahlrohre zu einem Dyopol mit einem gemeinsamen Marktanteil von 70%, während keiner der übrigen Wettbewerber mehr als 13% auf sich vereinigen konnte. Zwischen den beiden Dyopolisten bestanden nach Ansicht der Kommission grundsätzlich erhebliche Anreize zu einem wettbewerbswidrigen Parallelverhalten, insbesondere aufgrund der symmetrischen Marktpositionen der Dyopolisten, der hohen Markttransparenz, der stagnierender preisunelastischer Nachfrage und der bestehenden strukturellen Uberkapazitäten. Gleichwohl wurde der Zusammenschluß im Ergebnis ohne Auflagen freigegeben. Zur Begründung führte die Kommission allein den potentiellen Wettbewerbsdruck mittel- und osteuropäischer Hersteller an, deren Marktzutritt in naher Zukunft zu erwarten sei und verwies zudem darauf, daß mögliche Preiserhöhungen der Dyopolisten einen weiteren Marktzutritt japanischer Anbieter hervorrufen würden. 495 Diese optimistische Bewertung des potentiellen Wettbewerbs durch die Kommission erscheint jedoch aus mehreren Gründen fragwürdig. So zeigten beide Dyopolisten ein verstärktes Engagement in Osteuropa, wobei sie sich um Partnerschaften mit den dortigen Herstellern bemühten. Der bekannteste osteuropäische Wettbewerber stand sogar kurz vor der Übernahme durch einen der Dyopolisten. Bei den rostfreien Edelstahlrohren handelte es sich um qualitativ hochwertige High-Tech-Produkte, die von den osteuropäischen Herstellern nicht ohne weiteres hergestellt werden konnten. Deren gegenwärtige Produktion war zudem durch Organisations- und Führungsmängel sowie durch fehlende kommerzielle und logistische Fähigkeiten gekennzeichnet, so daß von erheblichen strukturellen Marktzutrittsschranken in Form absoluter Kostenvorteile 492 Vgl. Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 44 a.E. 493 Kommission v. 3. 12. 1997 I V / M . 942 VEBA/Degussa, WuW EU-V 93, Tz. 44; v. 10. 6. 1997 I V / M . 911 Clariant/Hoechst, MCR 3249, Tz. 27; v. 23. 5. 1996 I V / M . 605 Hoechst/Klöckner-Werke/Hartfolien, MCR 2515, Tz. 20; v. 10. 2. 1995 I V / M . 533 TWD/ Akzo Nobel-Kuagtextil, MCR 1803, Tz. 27; v. 18. 10. 1995 I V / M . 630 Henkel/Schwarzkopf, MCR 2215, Tz. 30; v. 17. 1. 1994 I V / M . 368 Snecma/TI, MCR 1319, Tz. 34. 494 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 133. 495 Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, 102/15, Tz. 116 ff.
ABl. 1994 L
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
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der etablierten Dyopolisten ausgegangen werden mußte. Angesichts der Tatsache, daß neu eintretende Anbieter ihre Produkte nicht ohne weiteres auf den Markt bringen konnten, sondern diese bestimmten DIN-Normen entsprechen mußten und TUV-Zulassungen erforderten, bestanden auch merkliche institutionelle Marktzutrittsschranken. Zudem sollten bestehende Zollschranken erst in den nächsten Jahren stufenweise abgebaut werden. Aufgrund der niedrigen Arbeitskosten in Osteuropa existierten zwar gewisse Kostenvorteile der potentiellen Konkurrenten, die allerdings zu den vorhandenen Marktzutrittsschranken in keiner Verbindung standen. Völlig unberücksichtigt ließ die Kommission auch die stagnierende Nachfrage und die strukturellen Uberkapazitäten auf dem Markt, die einen Marktzutritt für Newcomer ebenfalls als wenig gewinnbringend erscheinen ließen. Insgesamt vermag die Entscheidung daher nicht überzeugend zu erklären, warum die hohe Kollusionsgefahr auf dem Markt trotz der bestehenden Marktzutrittschranken durch potentiellen Wettbewerb verringert werden sollte. Vieles deutet daraufhin, daß der potentielle Wettbewerb in diesem Fall als „Feigenblatt" für die Freigabe eines Zusammenschlusses diente, dessen Untersagung in der Kommission keine Mehrheit fand. 496 An dem grundlegenden Konzept der Kommission zum potentiellen Wettbewerb fällt auf, daß sie diesen nur dann berücksichtigt, wenn es klare Indizien gibt, welche die Wahrscheinlichkeit eines kurzfristigen Marktzutritts belegen. Als wichtige Anhaltspunkte hierfür werden freie Kapazitäten potentieller Konkurrenten und erfolgreiche Marktzutritte in der Vergangenheit angesehen.497 Die Konzeption der Kommission kann jedoch keinesfalls als konsistent bezeichnet werden. So stellt sie teilweise sehr unterschiedliche Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsnachweis eines Marktzutritts. 498 Unklar ist bisher auch, ob die Kommission die Eintrittswilligkeit als eine Voraussetzung für wirksamen potentiellen Wettbewerb ansieht. Während in einigen Entscheidungen die Aussagen potentieller Wettbewerber als wichtiges Argument für die Wahrscheinlichkeit möglicher Marktzutritte gewertet wurden, 499 leitet die Kommission ihr Wahrscheinlichkeitsurteil meist aus 496
Obwohl die Generaldirektion Wettbewerb eine Untersagung des Zusammenschlusses empfohlen hatte und dabei von der Mehrheit des Beratenden Ausschusses unterstützt wurde, fand dieser Vorschlag in der Kommission als Beschlußgremium bei einem Stimmenergebnis von 8:8:1 keine Mehrheit; vgl. hierzu Löffler, WuW 1994, 924, 926. Ridyard, ECLR 1994, 255, 261, zieht hieraus den wohl zutreffenden Schluß, daß diese Entscheidung „was motivated primarily by political considerations rather than any genuine disagreement with DG IV's analysis of the market". 497 Vgl. Kommission v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/Polygram, MCR 4661, Tz. 30; v. 3. 12. 1997 I V / M . 942 Veba/Degussa, WuW EU-V 93, Tz. 44; v. 10. 1. 1994 I V / M . 390 Akzo/Nobel Industrier, MCR 1307, Tz. 18; v. 23. 12. 1992 I V / M . 238 Siemens / Philips, Tz. 63. 498 Vgl. nur die die hohen Anforderungen in der Entscheidung v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé / Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 90-107, mit den vergleichsweise geringen Anforderungen in der Entscheidung v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 133.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
objektiven Kriterien ab, nämlich aus Marktzutrittsschranken und der darauf beruhenden Eintrittsfähigkeit potentieller Wettbewerber. Dabei bestimmt die Kommission Marktzutrittsschranken weniger nach einem bestimmten theoretischen Konzept, als vielmehr nach einem eher pragmatischen Ansatz als Auffangbecken für alle Verhältnisse und Umstände, die Newcomer vor einem Marktzutritt berücksichtigen müssen und die sie von einem solchen abschrecken könnten. 500 Im Hinblick auf die oligopolistische Marktbeherrschung schätzt die Kommission die Auswirkungen, die von der Höhe der Marktzutrittschranken und der Stärke des potentiellen Wettbewerbs auf die Kollusionsgefahr ausgehen, prinzipiell richtig ein. Allerdings hinterläßt die Kommissionpraxis den Eindruck, daß die Relativierung der Kollusionsgefahr durch potentiellen Wettbewerb in einigen Fällen zu voreilig und ohne die erforderliche Sorgfalt vorgenommen wird, wobei insbesondere dem Vorhandensein von Marktzutrittsschranken zu wenig Beachtung geschenkt wird. 5 0 1 Darüber hinaus sind auch die in manchen Entscheidungen anzutreffenden hohen Anforderungen an die Kurzfristigkeit und die konkrete Absehbarkeit von potentiellem Wettbewerb aus wettbewerbstheoretischer Sicht nicht unbedenklich. Wie bereits festgestellt, wirkt es sich auf einem Oligopolmarkt bereits kollusionshemmend aus, daß hier keine oder nur geringe Marktzutrittsschranken bestehen, ohne daß es hierfür noch einer Identifizierung konkreter potentieller Wettbewerber bedürfte, die kurzfristig zu einem Marktzutritt bereit sind.
499 Vgl. Kommission v. 14. 2. 1995 I V / M . 477 Mercedes-Benz/Kässbohrer, ABl. 1995 L 211/1, Tz. 80; v. 15. 3. 1994 I V / M . 422 Unilever France/Ortiz-Miko (II), MCR 1373, Tz. 51. 500 Vgl. Portwood, Mergers under EEC Competition Law, S. 76 f. Für eine ausführliche Untersuchung der Bestimmungsgründe von Marktzutrittsschranken in der Kommissionspraxis vgl. Jickeli, WuW 1992, 195 ff. soi Während die Kommission in der Entscheidung v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 PilkingtonTechint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 44, potentiellen Wettbewerb auf dem Floatglasmarkt überzeugend verneint hatte, ging sie auf die Marktzutrittsschrankenproblematik in der späteren, den gleichen Markt betreffenden Entscheidung v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230 Glaverbel/ PPG, MCR 4537, Tz. 22, mit keinem Wort mehr ein. Spürbare Marktzutrittschranken aufgrund von Kapitalproblemen waren nach Ansicht der Kommission auch in der Entscheidung v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 31-34, gegeben, da hier die fünf größten etablierten Hersteller von Tonträgern einen großen Teil ihres Umsatzes mit in der Vergangenheit produzierten Titeln erwirtschafteten und durch diese laufende Finanzierungsquelle größere Risiken bei Investitionen in neue Künstler eingehen konnten als Newcomer. Zudem waren alle Markteintritte in der Vergangenheit wenig erfolgreich gewesen. In der den gleichen Markt betreffenden Entscheidung v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/ Ρolygram, MCR 4661, Tz. 30, die zu einer weiteren Verengung des Oligopois führte, finden sich hierzu allerdings keine Ausführungen mehr. Widersprüchlich ist auch die Argumentation in der Entscheidung v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 67 f. Zunächst stellte die Kommission fest, daß auf dem Markt hohe Marktzutrittsschranken bestehen würden, was für einen wettbewerbsloses Oligopol spreche. Dessen ungeachtet verwies sie später in ihren Argumenten gegen eine oligopolistische Marktbeherrschung auf den angeblichen potentiellen Wettbewerb kanadischer Hersteller ohne zu erläutern, welchen Einfluß die festgestellten Marktzutrittsschranken hierauf haben.
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
303
12. Irreversibilitäten und Marktbindung der Oligopolisten
a) Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit Das Vorhandensein irreversibler Investitionen auf einem oligopolistischen Markt beeinflußt die Kollusionswahrscheinlichkeit nicht nur über die Begründung von Marktzutrittsschranken für potentielle Konkurrenten. Die Höhe der Irreversibilitäten hat darüber hinaus auch erheblichen Einfluß auf das Interesse der Oligopolisten am Zustandekommen einer Kollusion und auf die Cheating-Anreize. Die Irreversibilität kennzeichnet das Ausmaß, in dem eine Investition auf eine bestimmte ökonomische Verwendung festgelegt ist. 5 0 2 Haben die von den Anbietern auf einem Markt getätigten Investitionen in hohem Maße irreversiblen Charakter, so werden die Angebotsmengen relativ starr sein. Mit der Höhe der irreversiblen Investitionen steigt zugleich die Länge der Nutzungszeiten der Investitionsobjekte und damit auch die Bindung der Unternehmen an den betreffenden Markt. Es entstehen Marktaustrittsschranken und die Angebotsfunktion des Marktes wird inelastisch. Kommt es in solchen Situationen zu Nachfragerückgängen, so fällt der wettbewerbliche Marktpreis und es entstehen Uberkapazitäten, da die Anbieter auch bei Verlusten nicht aus dem Markt austreten. Das Interesse der Anbieter an einer Verhinderung eines weiteren Preisverfalls und an einem Schutz ihrer getätigten irreversiblen Investitionen bewirkt einen erheblichen Anreiz zu kollusiven Verhaltensweisen. Je größer der Anteil der irreversiblen Kosten an den Gesamtkosten der Oligopolisten ist, um so größer sind folglich die Vorteile aus einer Preiskollusion und damit die Kollusionsanreize. Obwohl hier auf den ersten Blick auch starke Cheating-Anreize bestehen, ist eine Preiskollusion in solchen Situationen erheblich stabiler als in Märkten ohne irreversibilitätsbedingte Marktaustrittsschranken. Grundsätzlich bestehen bei nachfragebedingten Uberkapazitäten zwar zunächst für jeden Oligopolisten starke Anreize, durch Unterbieten des Kollusionspreises die individuellen Absatzmengen zu erhöhen und die Uberkapazitäten abzubauen. Denn mit jeder Mengeneinheit, für die ein Preis oberhalb der reversiblen Stückkosten erzielt wird, kann ein Deckungsbeitrag für den Block der irreversiblen Kosten erwirtschaftet werden. Ob es in dieser Situation zum Cheating und zu einem Auseinanderfallen der Kollusion kommt, hängt jedoch entscheidend davon ab, ob die Oligopolisten diese kurzfristigen Cheating-Vorteile höher bewerten, als die langfristig möglichen Gewinne aus kollusivem Verhalten. 503 Die Zeitpräferenzen und die Planungshorizonte der Anbieter werden dabei entscheidend durch den Kapitalbindungszeitraum bestimmt, in dessen Abhängigkeit sie entweder eher langfristig oder eher kurzfristig ausgerichtete Strategien verfolgen. Je länger die zeitliche Erstreckung der Irreversibilität ist, das heißt je länger die geplante Restnutzungsdauer der verwendungsspezifischen Produktionsmittel ist, desto länger ist 502 Vgl. Kantzenbach/Kruse, 503
Kollektive Marktbeherrschung, S. 147 ff.
Instruktiv zu den Auswirkungen unterschiedlicher Zeitpräferenzen auf das Zustandekommen einer Kollusion am Beispiel der OPEC Martin, Industrial Economics, S. 155.
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
das Unternehmen an den betreffenden Markt gebunden und desto längerfristig ist auch sein wirtschaftlicher Entscheidungshorizont angelegt.504 Die Anreize zum Cheating verringern sich nun erheblich, wenn die Unternehmen aufgrund irreversibler Investitionen noch für einen längeren Zeitraum an den Markt gebunden sind. Dadurch, daß die Unternehmen noch lange aufeinander angewiesen sind, müssen sie befürchten, daß kurzfristige Cheating-Gewinne zu längerfristigen Verlusten bedingt durch intensiven Preiswettbewerb oder durch Vergeltungsmaßnahmen der Konkurrenten führen. Es kann davon ausgegangen werden, daß das Interesse an einer gemeinsamen Stabilisierung der Gewinne und einer langfristigen Ertragssicherung und -Verbesserung den Anreiz überwiegt, die individuelle Ertragssituation durch Cheating kurzfristig zu verbessern. Unabhängig von der Frage der Kapazitätsauslastung gilt, daß vergleichbar langfristige Bindungen aller Oligopolisten an den Markt aufgrund ähnlicher Irreversibilitäten eine Interessenharmonie bewirken, die kollusives Verhalten fördert und stabilisiert. Die kollusionsfördernden Wirkungen irreversibler Investitionen betreffen nicht nur die Preiskollusion, sondern gelten ebenso für die Kapazitätskollusion. Allerdings sind die Cheating-Anreize hier noch weitaus geringer. Denn jedes Unterlaufen der Kollusion durch individuelle Kapazitätsausweitung wäre erneut mit irreversiblen Investitionen verbunden, was das Investitionsrisiko erhöht. Im Gegensatz zur Preiskollusion ist ein Unterlaufen von Kapazitätskollusion unter den Bedingungen hoher Irreversibilität praktisch nicht rücknehmbar und schwer zu verbergen, so daß auch die Wahrscheinlichkeit für Kapazitätskollusion mit der Höhe der Irreversibilität ansteigt. 505 Somit zeigt sich, daß die Homogenität der Oligopolisten hinsichtlich ihrer Zeitpräferenzen und Planungshorizonte erheblichen Einfluß auf das Zustandekommen und die Stabilität von Kollusion hat. Für eine sachgerechte Beurteilung der Kollusionsgefahr muß daher auch eingeschätzt werden, wie die Unternehmen langfristige gegenüber kurzfristigen Erträgen bewerten, wofür die Dauer der Bindungen an den Markt, die durch irreversible Investitionen verursacht werden, aussagekräftige Anhaltspunkte liefern.
b) Kritische Auswertung der Rechtspraxis Dem Bestehen von Irreversibilitäten hat die Kommission bisher nur im Rahmen der Marktzutrittschrankenanalyse Beachtung geschenkt, indem sie einen Marktzutritt für Newcomer als extrem risikoreich einschätzt, wenn die bei einem Marktzutritt entstehenden Kosten Ist-Kosten der Vergangenheit seien, die sich im Fall eines Fehlschlages auf dem Markt nicht wieder hereinholen ließen. 506 Den Einfluß von 504 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 58 f. 505 Vgl. Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 58 f. 506 Vgl. hierzu bereits 5. Kapitel, III., 11. b).
III. Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren
305
irreversiblen Investitionen auf die Kollusions- und Cheating-Anreize hat die Kommission dagegen bisher noch in keiner Entscheidung untersucht, obwohl dies in einigen Fällen durchaus nahegelegen hätte. Im Fall Pilkington-Techint/SIV zeigte sich, daß die zur Herstellung des hier relevanten Produktes Floatglas eingesetzte Technologie sehr kapitalintensiv war. 507 Bereits die Kosten für die Errichtung einer Floaglasproduktionsanlage mit nur minimaler Wirtschaftlichkeit schätzte die Kommission auf rund 100 Mio. Euro. Mit Inbetriebnahme der Produktion mußte eine Anlage während der nächsten zehn Jahre rund um die Uhr kontinuierlich in Betrieb bleiben und aus technischen und wirtschaftlichen Gründen mit nahezu voller Kapazität gefahren werden. Die Angebotsmengen der Oligopolisten waren demnach relativ starr, so daß die Marktpreise bereits in der Vergangenheit bei konjunkturbedingt nachlassender Nachfrage unter starkem Druck geraten waren. Auf dem Floatglasmarkt bestand somit eine Situation, in der es bei Nachfrageschwankungen typischerweise zu intensivem Preiswettbewerb kommt, wodurch für die langfristig an den Markt gebundenen Anbieter ein starker Anreiz entsteht, das Preisniveau kollusiv zu stabilisieren anstatt kurzfristige Cheating-Vorteile zu erzielen. Insoweit wirkte sich die Irrversibilität der von den fünf etablierten Oligopolisten getätigten Investitionen als spürbare Marktaustrittsschranke aus. Die Kommission ging jedoch auf diese Auswirkungen nicht ein und berücksichtigte die Irreversibilitäten lediglich als einen das Markteintrittsrisiko erhöhenden Umstand. In der Entscheidung Gencor/Lonrho bestanden langfristige Marktbindungen der beiden weltweit größten Produzenten von Platin. 508 Die Investitionen der Dyopolisten in die Platinbergwerke, immobile Produktionsanlagen, für die eine alternative wirtschaftliche Verwendung innerhalb oder außerhalb der Unternehmen nicht bestand, wiesen einen hohen Grad an Irreversibilität auf. 509 Die Produktion konnte auch angesichts des hohen Fixkostenanteils von 70% nicht wesentlich variiert werden. Die Angebotsmenge war nach Erkenntnissen der Kommission so starr, daß selbst Abbaustätten mit geringem oder keinem Rentabilitätsbeitrag nicht einfach kurzfristigen Entwicklungen des Platinpreises folgend außer Betrieb gesetzt würden. 510 Obwohl die Kommission im Ergebnis zutreffend die Begründung eines marktbeherrschenden Dyopols durch den Zusammenschluß annahm, ließ sie eine 507 Vgl. Kommission v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, Tz. 29,44. 508 Vgl. Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11/31, Tz. 86 ff. 509 Auch wenn hier eine Veräußerung oder Umwidmung eines Teils der Investitionsobjekte mit mehr oder minder hohen Wertverlusten möglich wäre, so sind vor allem die erheblichen Kosten des Abtäufens der Bergwerksschächte und der Installation der Anlagen usw. unwiederbringlich verloren. Nach Schätzungen der Kommission beliefen sich die Anfangsinvestitionen im Platinbergbau für den Erwerb von Land und Grubenfeldern und die Ausrüstungsinvestitionen auf mehr als 100 Mio. US-Dollar, vgl. Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABl. 1997 L 11 / 31, Tz. 89. 510 Vgl. Kommission v. 24. 4. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, Tz. 138 ff. 20 Hahn
ABl. 1997 L 11/31,
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5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
mögliche kollusionsfördernde und stabilisierende Interessenharmonie der Anbieter aufgrund einer vergleichbar langfristigen Marktbindung unberücksichtigt.
IV. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung Die Konkretisierung des kollusiven Verhaltensspielraums einer Gruppe von Unternehmen erfordert die Bestimmung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem betreffenden Markt, indem dieser daraufhin untersucht wird, ob hier ein kollusives Verhalten der Unternehmen zu erwarten ist und auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Zu diesem Zweck werden in der traditionellen Wirtschaftstheorie die einzelnen Marktfaktoren üblicherweise daraufhin analysiert und unterschieden, ob sie sich kollusionshemmend oder kollusionsfördernd auswirken. Die Erkenntnisse der neueren industrieökonomischen Forschung erfordern zwar keine grundlegend veränderte Beurteilung dieser Bestimmungsfaktoren, eröffnen aber insgesamt neue Perspektiven für die Einschätzung der Kollusionswahrscheinlichkeit. Insbesondere die spieltheoretische Oligopolanalyse ermöglicht ein besseres Verständnis der interaktiven Entscheidungsprobleme zwischen den Oligopolisten, lenkt so die Aufmerksamkeit auf zusätzliche und bisher nur wenige beachtete Aspekte und führt zu einer Präzisierung der Auswirkungen anderer Marktfaktoren in einem übergeordneten Zusammenhang. Aus den interaktiven Wirkungszusammenhängen von Kollusionen, die durch die Antinomie zwischen kollektiver und individueller Rationalität der Unternehmen beeinflußt werden, läßt sich eine generelle Wirkungskette zur Bestimmung stabiler Kollusionen ableiten. Voraussetzung für das Entstehen von Kollusion ist zunächst, daß auf dem betroffenen Markt überhaupt Anreize und günstige Bedingungen zur Herausbildung kollusiver Verhaltensweisen vorhanden sind. Ob ein solches Verhalten auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann, hängt dann davon ab, wie stark die marktspezifischen Anreize zum Unterlaufen der Kollusion sind, wie lange es dauert, bis ein Bruch der Kollusion von den übrigen Oligopolisten entdeckt wird und ob Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Bestrafung abweichenden Verhaltens bestehen. Bei der Untersuchung der Marktfaktoren sind deren mögliche kollusionsfördernden oder kollusionshemmenden Wirkungen daher differenziert danach zu bestimmen, auf welcher Ebene der Wirkungskette sie die Kollusionswahrscheinlichkeit jeweils beeinflussen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich viele Faktoren gleichzeitig auf den verschiedenen, in einem Interdependenzverhältnis befindlichen Ebenen auswirken können. Die Zahl der Oligopolisten und die Höhe des Konzentrationsgrades ist der zentrale Indikator der Kollusionsgefahr und Aufgreifkriterium für die Prüfung auf Oligopolmarktbeherrschung. Die Möglichkeiten für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen sind um so günstiger, je geringer die Zahl der Oligopolisten ist, da die Reaktionsverbundenheit um so höher ist, ein Kollusionbruch um so schneller entdeckt wird und die Konkurrenten um so stärker zu Gegenreaktionen veran-
IV. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung
307
laßt werden. Die Messung des Konzentrationsgrades sollte dabei vorrangig unter Verwendung von Konzentrationsraten erfolgen, da diese Methode gerade auf Oligopolmärkten sachgerechtere und neutralere Aussagen liefert als der HerfindahlHirschmann-Index. Eine kritische Konzentrationsschwelle, bei deren Erreichen regelmäßig von einem marktbeherrschenden Oligopol ausgegangen werden kann, läßt sich aufgrund der festgestellten Interdependenz zwischen den verschiedenen kollusionsfördernden und kollusionshemmenden Faktoren nicht allgemeingültig festlegen. Allerdings ist davon auszugehen, daß die Wahrscheinlichkeit von Kollusion ab Erreichen einer Vier-Firmen-Konzentration von 50% signifikant zunimmt, so daß eine eingehende Untersuchung der Kollusionsgefahr immer dann vorgenommen werden sollte, wenn der Konzentrationsgrad auf dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt diese Schwelle erreicht oder überschreitet. Wesentliche Bedeutung kommt dem Grad der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol zu. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß Anbieter, deren Wettbewerbspositionen vergleichbar sind, weil ihre Eigenschaften in bezug auf wichtige Wettbewerbsparameter übereinstimmen, auch über gleichgerichtete Interessen verfügen, wodurch eine Kollusion erleichtert wird. Bestehen dagegen Asymmetrien zwischen den Unternehmen, so sind die Vorteile aus einem kollusiven Verhalten nicht ausgewogen verteilt und eine kollektive Gewinnmaximierung wird schwieriger. So wirken beispielsweise andauernde Kostenvorteile eines Unternehmens innerhalb der Oligopolgruppe nicht nur einer Interessenharmonie entgegen, sondern implizieren auch einen starken Anreiz zum Unterlaufen der Kollusion. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere die Marktanteile, die Kostenstrukturen, die Produktionskapazitäten, die vertikale Integration und die Ressourcen der Oligopolisten auf ihre Ausgeglichenheit hin zu untersuchen. Strukturelle Verflechtungen zwischen den Oligopolisten haben erhebliche kollusionsfördernde Wirkungen. Sie können sowohl das Zustandekommen von kollusiven Verhaltensweisen erleichtern, als auch den Anreiz zum Unterlaufen der Kollusion vermindern und durch eine Verbesserung der Informationsstrukturen das frühzeitige Aufdecken eines Kollusionsbruchs ermöglichen. Allerdings stellen strukturelle Verflechtungen weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für eine stabile Kollusion dar. Auch bei anderen Marktfaktoren lassen sich die Auswirkungen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit relativ eindeutig bestimmen. So ist eine gewisse Markttransparenz Voraussetzung dafür, daß die Anbieter überhaupt ihre Reaktionsverbundenheit und deren negative Effekte auf ihr Wettbewerbsverhalten durchschauen können. Eine hohe Markttransparenz verstärkt dabei nicht nur den Anreiz zur Kollusion, sondern wirkt sich zugleich auch kollusionsstabilisierend aus, da es für die Oligopolisten um so leichter ist, ihr Marktverhalten gegenseitig zu überwachen, je durchsichtiger der Markt in Bezug auf Preise, Absatz, Nachfrage und Produktion ist. Weitere Indikatoren für eine erhöhte Kollusionswahrscheinlichkeit sind Nachfragestrukturen mit zahlreichen anonymen Nachfragern und häufigen kleinen Transaktionen, das Vorhandensein lediglich zersplitterter Oligopolaußenseiter, de20*
308
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
ren Möglichkeiten zur Produktionssteigerung begrenzt sind und Anhaltspunkte für kollusive Verhaltensweisen in der Vergangenheit, aus denen die Oligopolisten die Erwartung bilden können, daß die Konkurrenten auch in Zukunft entsprechende Strategien verfolgen werden. Das Entwicklungsstadium des Marktes ist insoweit von Bedeutung, als sich eine Kollusion nur dann dauerhaft aufrechterhalten läßt, wenn die äußeren Rahmenbedingungen relativ stabil sind. Aus diesem Grunde besteht in dynamischen Märkten, die durch technische Innovationen und eine wachsende Nachfrage gekennzeichnet sind, eine eher geringe Kollusionswahrscheinlichkeit. Das Bestehen von Marktzutrittsschranken auf dem Oligopolmarkt ist eine notwendige Bedingung für Kollusion. In Märkten ohne oder mit nur sehr niedrigen Marktzutrittsschranken läßt sich ein kollusives Verhalten nicht dauerhaft aufrechterhalten. Angelockt von den überdurchschnittlichen Gewinnchancen würden Newcomer in den Markt eintreten und die Kollusion erodieren. Auf solchen Märkten wirken sich bereits die vorhandenen günstigen Voraussetzungen und Möglichkeiten für einen erfolgreichen Markteintritt kollusionshemmend aus, ohne daß dieser tatsächlich erfolgen muß. Für die Beurteilung der Kollusionwahrscheinlichkeit ist es daher wichtig, diejenigen Faktoren zu identifizieren, die Marktzutrittschranken erzeugen. Die Berücksichtigung spieltheoretischer Analysen oligopolistischer Interaktionen zeigt, daß die Auswirkungen einiger Marktfaktoren auf die Kollusionswahrscheinlichkeit nicht so eindeutig sind, wie dies verbreitet angenommen wird. Das gilt vor allem für die Beurteilung der Produktbeschaffenheit. Auf Märkten mit homogenen Gütern ist die Reaktionsverbundenheit der Oligopolisten aufgrund der hohen Elastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage zwar besonders stark ausgeprägt, so daß zunächst ein starkes Interesse der Unternehmen an einer Beschränkung des Wettbewerbs durch Kollusion besteht, deren Zustandekommen durch die Gleichartigkeit der Produkte noch zusätzlich erleichtert wird. Gleichzeitig bedingen hohe Elastizitäten aber auch größere Anreize zum Unterlaufen der Kollusion, da hier schon kleine Preiszugeständnisse ausreichen, um relativ große Absatzsteigerungen erzielen zu können. Die Stabilität einer Kollusion bei hoher Produkthomogenität und hoher Preiselastizität der unternehmensindividuellen Nachfrage läßt sich daher immer nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren beurteilen. Dies gilt ebenfalls für Produktheterogenitäten, die zwar zunächst einen hemmenden Einfluß auf das Zustandekommen einer Preiskollusion haben, andererseits aber auch die Möglichkeiten für gezielte Vergeltungsmaßnahmen verbessern. Eine heterogenitätsbedingte Segmentierung des betrachteten Marktes kann zudem für eine Marktschrankenkollusion förderlich sein. Bisher kaum beachtet wurden die Auswirkungen von Multimarkt-Kontakten und Irreversibilitäten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit. Irreversibilitäten in langlebigen Produktionsanlagen erhöhen grundsätzlich die Kollusionswahrscheinlichkeit, da die Unternehmen durch entsprechende Investitionen langfristig an den
IV. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung
309
Markt gebunden sind, entsprechend lange Planungshorizonte aufweisen und somit ein starkes Interesse an einer langfristigen Kollusion haben, das durch kurzfristige wettbewerbliche Aktionen nur gefährdet würde. Bestehen Multimarkt-Kontakte zwischen den Oligopolisten, indem sich die Unternehmen auf verschiedenen sachlichen oder räumlichen Märkten als Konkurrenten gegenüber stehen, so erleichtert dies eine Kollusion auf dem primär untersuchten Zielmarkt. Multimarkt-Kontakte verschaffen den Anbietern zusätzliche Informationen über ihre jeweiligen Konkurrenten, erleichtern damit das Zustandekommen von kollusiven Verhaltensweisen und bieten zusätzliche Möglichkeiten für Vergeltungsaktionen im Falle eines Kollusionsbruchs Insgesamt zeigen die Ergebnisse der vorgenommenen Wirkungsanalysen, daß sich zahlreiche Marktfaktoren als eindeutig kollusionsfördernd oder als kollusionshemmend einteilen lassen, während dies bei anderen aufgrund ihrer ambivalenten Wirkungen nicht möglich ist, sondern es hier stets auf das Zusammenwirken mit anderen Faktoren im Einzelfall ankommt. Ein deduktiv zwingender Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einzelner Faktoren und einer insgesamt hohen bzw. geringen Kollusionsgefahr auf einem Markt läßt sich nicht herstellen, da eine stabile Kollusion erst durch das Ineinandergreifen und Zusammenwirken der verschiedenen untersuchten Faktoren in der Wirkungskette möglich wird. Das Vorliegen einer Oligopolmarktbeherrschung läßt sich daher nicht dadurch bestimmen, daß man die Kollusionsfaktoren einfach nach ihrer Wirkung abzählt und Marktbeherrschung schon dann verneint, wenn nicht alle Faktoren für eine erhöhte Kollusionswahrscheinlichkeit sprechen. Denn während einige Marktbedingungen, wie der Konzentrationsgrad und das Bestehen gewisser Marktzutrittschranken eine notwendige Bedingung für Kollusion sind, können die kollusionshemmenden Wirkungen anderer Faktoren ohne weiteres durch die kollusionsfördernden Wirkungen dritter Faktoren wieder ausgeglichen oder sogar überlagert werden. Die Kollusionswahrscheinlichkeit ist grundsätzlich um so höher, je stärker einerseits die Anreize zu kollusivem Verhalten und die daraus zu erwartenden kollektiven Vorteile sind und je geringer andererseits die individuellen Anreize zum Kollusionsbruch sind. Letzteres hängt insbesondere davon ab, wie lange es dauert, bis ein Kollusionsbruch entdeckt wird und welche Reaktionen der Konkurrenten hierauf zu erwarten sind. Eine sachgerechte und ursachenadäquate Bestimmung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem von einem Zusammenschluß betroffenen Markt erfordert daher stets eine zusammenfassende Betrachtung aller vier Ebenen der Wirkungskette und der jeweils konkret auf ihnen wirkenden Faktoren. Bei der Auswertung der europäischen Fusionskontrollpraxis gegenüber Oligopolen ist deutlich geworden, daß das Oligopolmachtkonzept der Kommission noch an zahlreichen Stellen der Weiterentwicklung bedarf und nicht immer eine sachgerechte Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit ermöglicht. Auffällig ist zunächst, daß die Kommission in der Regel nur bei sehr engen Oligopolen und einer hohen absoluten Marktkonzentration eine ausführliche Prüfung auf Oligopolmarktbeherrschung vornimmt. Diese Praxis beinhaltet die Gefahr, daß durch eine
310
5. Kap.: Das Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums
einseitige Überbewertung der Bedeutung des Konzentrationsgrades für das Zustandekommen stabiler Kollusionen, Marktstrukturen von vornherein für wettbewerblich unbedenklich erklärt werden, in denen aufgrund der kollusionsfördernden Wirkungen der übrigen Marktfaktoren dennoch insgesamt eine hohe Kollusionswahrscheinlichkeit besteht. Allerdings werden die meisten der untersuchten Marktfaktoren von der Kommission hinsichtlich ihrer kollusionsfördernden oder kollusionshemmenden Wirkung im Ergebnis durchaus zutreffend beurteilt, wenn auch die ambivalenten Wirkungen einiger Faktoren wie Produkthomogenitäten und -heterogenitäten unbeachtet bleiben. Insgesamt zeigt sich aber, daß die Kommission oft einen eher schematischen und eindimensionalen Ansatz verfolgt, bei dem die vielschichtigen Wirkungszusammenhänge innerhalb stabiler Kollusionen unberücksichtigt bleiben. Diese führt in der Praxis häufig dazu, daß einzelne Faktoren überbewertet werden, während andere Faktoren, wie Multimarkt-Kontakte und Irreversibilitäten, keine Beachtung finden. Schließlich konzentriert sich die Kommission bei ihren Untersuchungen fast ausschließlich auf die Preiskollusion. Die Gefahr einer Kapazitäts- oder Marktschranken-Kollusion zwischen Oligopolisten wird dagegen bisher kaum berücksichtigt. Angesichts der teilweise sehr oberflächlichen Prüfungen auf Oligopolmarktbeherrschung, bei denen nur die kollusionshemmenden Faktoren nach Art eines „Chinese Menue" abgehakt werden, 511 sollte die Kommission insbesondere dazu übergehen, diejenigen Annahmen konkret zu benennen, aus denen sie ihre Schlußfolgerungen ableitet, daß ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Oligopolisten in Zukunft wahrscheinlich zu erwarten ist oder nicht. Denn nur so läßt sich sicherstellen, daß kollusionsgefährdete Marktstrukturen auch als solche identifiziert werden. Insoweit wäre es ratsam, wenn die Kommission eine „Mitteilung zur Oligopolmarktbeherrschung" erlassen würde, vergleichbar den bereits bestehenden Mitteilungen etwa zum Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens oder zum Begriff des Zusammenschlusses.512 In diese Bekanntmachung sollten an den bisher gewonnenen Erkenntnissen orientierte Wahrscheinlichkeitskriterien aufgenommen werden, anhand derer die betroffenen Unternehmen überprüfen können, in welchen Fällen sie voraussichtlich nicht mit einer Unvereinbarkeitserklärung rechnen müssen und in welchen es jedenfalls zu einer eingehenderen Prüfung des Zusammenschluß Vorhabens im Hauptverfahren kommen wird. 5 1 3 Dadurch würde
511
Vgl. zu diesem Vorwurf in Bezug auf die Prüfung von Einzelmarktbeherrschung durch die Kommission Hawk, United States, Common Market and International Antitrust: A Comparative Guide, Band 2, S. 101. 512 Vgl. Mitteilung der Kommission über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, ABl. 1998 C 66/1 und Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses, ABl. 1998 C 66/5. McGregor, ECLR 2001, 434, 438 ff., diskutiert in diesem Zusammenhang, ob das Oligopolproblem den Erlass einer speziellen Verordnung zu Oligopolmarktbeherrschung oder sogar die Schaffung einer eigenen unabhängigen europäischen Wettbewerbsbehörde zur Kontrolle von Oligopolmärkten erfordert, verneint dies aber im Ergebnis zutreffend.
IV. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung
311
gleichzeitig einer wichtigen Anforderung an die Wettbewerbspolitik entsprochen, kartellbehördliches Einschreiten für die Betroffenen möglichst vorhersehbar zu gestalten und den Unternehmen durch eine Orientierung an klaren Entscheidungsregeln eine gewisse Planungssicherheit zu gewähren.
513 Das für Wettbewerb zuständige Mitglied der Kommission Mario Monti hat auf der „EC Merger Control 10 th Anniversary Conference" am 15. 9. 2000 angekündigt, daß die Kommission mittelfristig eine entsprechende Bekanntmachung veröffentlichen wird. Vgl. insoweit auch Kommission, 30. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2000, Tz. 259.
6. Kapitel
Die Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois durch einen Zusammenschluß I. Der Eingreiftatbestand der Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois in der europäischen Fusionskontrolle In den beiden vorangegangenen Kapiteln wurde untersucht, unter welchen Voraussetzungen mehrere rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen zu einem marktbeherrschenden Oligopol zusammengefaßt werden können. Allerdings stehen sowohl die FKVO als auch die Wettbewerbsregeln des EGV der marktbeherrschenden Stellung eines oder auch mehrerer Unternehmen an sich neutral gegenüber.1 So ist nach Art. 82 Satz 1 EGV nicht etwa schon die Innehabung einer solch beherrschenden Stellung, sondern nur deren mißbräuchliche Ausnutzung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten. Auch die Aufgabe der FKVO besteht nicht in der aktiven Auflösung marktbeherrschender Stellungen im Gemeinsamen Markt, sondern vielmehr darin, die Herausbildung derartigen Machtpositionen durch externes Unternehmenswachstum von vornherein zu unterbinden oder falls eine solche Position schon besteht, eine weitere Verschlechterung der Marktstruktur zu verhindern. 2 Dementsprechend kann die Kommission einen Unternehmenszusammenschluß nur dann nach Art. 2 Abs. 3 FKVO i.V.m. Art. 8 Abs. 3 FKVO untersagen, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. 3 Für eine solche Unvereinbarkeitserklärung der Kommission bedarf es allerdings nicht der zusätzlichen Feststellung, daß durch die begründete bzw. verstärkte marktbeherrschende Stellung auch noch ι Vgl. Kartte, in: Raisch / Sölter / Kartte, Fusionskontrolle Für und Wider, 87, 91: „Unternehmenskonzentration ist von vornherein weder als gut noch als schlecht zu beurteilen." 2 Eine nachträgliche Beseitigung einer marktbeherrschenden Stellung durch Entflechtung ist nach Art. 8 Abs. 4 FKVO nur möglich, wenn ein untersagter Zusammenschluß bereits vollzogen wurde. 3 Die FKVO verhindert lediglich den Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung durch Zusammenschluß, beinhaltet aber kein allgemeines Monopolisierungsverbot. Kommt es daher auf einem Markt durch internes Wachstum der wenigen großen Anbieter zu einer Marktstruktur, in der eine hohe Kollusionswahrscheinlichkeit besteht, kann gegen diese „Wettbewerbsbeschränkung durch Zustand" weder mit der FKVO noch mit den Art. 81 ff. EGV vorgegangen werden.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
313
„wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde." Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der Behinderungsklausel des Art. 2 Abs. 3 Halbsatz. 2 FKVO lediglich um ein tautologisches Tatbestandsmerkmal ohne eigenständige Bedeutung, das nur den Begriff der Marktbeherrschung beschreibt.4 Im folgenden wird nun zu untersuchen sein, unter welchen Voraussetzungen ein Zusammenschluß zur Begründung oder Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois führt. Dabei wird zunächst auf den Meinungstand in der Literatur eingegangen, bevor in einer Stellungnahme hierzu eine Operationalisierung des Konzepts des kollusiven Verhaltensspielraums als Eingreifkriterium in der Fusionskontrolle erfolgt. Im Anschluß daran wird die Kommissionspraxis auf ihre Übereinstimmung mit den gefundenen Ergebnissen hin überprüft.
1. Der Meinungsstand in der Literatur
Die erste Alternative des Art. 2 Abs. 3 FKVO („begründen") setzt denklogisch voraus, daß ohne den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung nicht besteht oder bestehen würde. In diesem Fall ist daher zu prüfen, ob durch den Zusammenschluß die neue Unternehmensverbindung oder ein beteiligtes Unternehmen erstmals eine marktbeherrschende Stellung erlangen wird. 5 Soweit es um die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung in Form eines Oligopois geht, verlangt die traditionelle Ansicht in der Literatur, daß der Zusammenschluß dazu führt, daß erstmals eine Gruppe von Unternehmen entsteht, zwischen deren Mit4 Vgl. hierzu ausführlich 3. Kapitel, II., 2., e). 5 Die Entscheidung, ob ein Zusammenschluß nach Art. 2 Abs. 3 FKVO zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung führt, erfordert stets eine Zukunftsprognose. Auch wenn sich dies dem Wortlaut der FKVO nicht so eindeutig entnehmen läßt wie § 36 Abs. 1 GWB („zu erwarten ist"), so folgt die Notwendigkeit einer Prognoseentscheidung bereits aus dem zwingend präventiven Charakter der europäischen Fusionskontrolle. Denn werden Zusammenschlußvorhaben schon vor ihrem Vollzug präventiv und nicht erst danach reaktiv auf ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb hin untersucht, so hat dies notwendigerweise zur Folge, daß zum Prüfungszeitpunkt noch gar keine veränderten Wettbewerbsvoraussetzungen geschaffen sind. Um zu entscheiden, ob ein angemeldetes Zusammenschlußvorhaben zur Begründung oder Verstärkung einer Oligopolmarktbeherrschung führt, bedarf es daher stets eines Vergleichs der strukturellen Wettbewerbsbedingungen unmittelbar vor dem Zusammenschluß und ihrer Veränderungen durch den Zusammenschluß, wobei die Erhebung des Zustandes nach Vollzug des Zusammenschlusses eine Prognose erfordert, vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 23; Kögel, Die Angleichung der deutschen an die europäische Fusionskontrolle, S. 170 f. Unklar ist dagegen, inwieweit die Kommission bei dieser Prognose auch zukünftige Veränderungen der durch den Zusammenschluß geschaffenen Wettbewerbsstruktur zu berücksichtigen hat. Überwiegend wird der relevante Prognosezeitraum, der unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit von Marktentwicklungen noch einbezogen werden kann, mit drei bis fünf Jahren angegeben; vgl. Landzettel, Unterschiede und Gemeinsamkeiten des deutschen und europäischen Fusionskontrollrechts, S. 111 m. w. N.
314
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
gliedern im Innenverhältnis kein wesentlicher Wettbewerb besteht und die in ihrer Gesamtheit auch keinem wesentlichen Außenwettbewerb ausgesetzt sind.6 Die Begründung eines marktbeherrschenden Oligopois soll sowohl dadurch möglich sein, daß der Zusammenschluß wesentlichen Innenwettbewerb bei fortbestehender marktbeherrschender Stellung im Außenverhältnis entfallen läßt, als auch dadurch, daß aufgrund des Zusammenschlusses bei fehlendem wesentlichen Innenwettbewerb der bisher bestehende wesentliche Außenwettbewerb wegfällt. Schließlich soll es auch möglich sein, daß durch die zusammenschlußbedingten Veränderungen der Marktstruktur ein vorher bestehender Innen- und Außenwettbewerb des Oligopois gleichzeitig aufgehoben wird. 7 Die zweite Alternative des Art. 2 Abs. 3 FKVO („verstärken") geht davon aus, daß bereits vor dem Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung bestand, die nunmehr durch den Zusammenschluß verstärkt wird. Nach allgemeiner Ansicht soll das Tatbestandsmerkmal der Verstärkung einer weiteren Verkrustung der Märkte entgegenwirken und den auf schon beherrschten Märkten noch vorhandenen aktuellen oder potentiellen Wettbewerb vor weiteren, durch den Zusammenschluß zu erwartenden Beschränkungen schützen.8 Die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung ist dabei an den Kriterien zu messen, die insbesondere nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) FKVO für die Marktbeherrschung relevant sind. Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit es zu einer negativen Veränderung der Beherrschungskriterien kommt und wie sich diese konkret auf die Marktstellung auswirken, wobei nicht unbedingt neue Marktanteile durch den Zusammenschluß hinzugewonnen werden müssen.9 Bestand schon vor dem Zusammenschluß ein marktbeherrschendes Oligopol, so ist dieser Eingreiftatbestand des Art. 2 Abs. 3 FKVO folglich nur dann erfüllt, wenn durch den Zusammenschluß die Marktstellung des Oligopois insgesamt verstärkt wird. Das soll nach der traditionellen Ansicht dann der Fall sein, wenn der schon vorher nicht mehr wesentliche Wettbewerb im Innenverhältnis weiter vermindert wird oder wenn das Oligopol im Außenverhältnis seine Marktstellung verstärkt. Dabei wird angenommen, daß sich eine Verstärkung im Innenverhältnis in der Regel auch auf das Außenverhältnis auswirke, da die Oligopolisten aufgrund der Verminderung des Innenwettbewerbs noch näher zu6 Vgl. Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 242, Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 22 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 852; Rieger, in: Frankfurter Kommentar (48. Lfg.), § 36 RdNr. 52; Ehlermann, EuZW 1994,647,649; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 538 f. 7 Vgl. Rieger, in: Frankfurter Kommentar (48. Lfg.), § 36 RdNr. 52; Emmerich, Kartellrecht, S. 287, 296 f. 8 Vgl. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 853; Kleinmann /Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 28; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 183. 9 Vgl. Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 28; Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 24; Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 302 ff.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
315
sammenrückten und sich dadurch nach außen hin stärkten. 10 Insoweit soll es auch bei der Verstärkung einer Oligopolmarktbeherrschung auf Veränderungen bei den einzelnen Beherrschungskriterien ankommen, wie beispielsweise auf den Zuwachs von Marktanteilen, Finanzkraft oder Ressourcen bei einem Oligopolmitglied aufgrund des Zusammenschlusses. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur das Problem diskutiert, ob schon allein in der Verstärkung der Marktposition eines Oligopolmitglieds automatisch eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Oligopois insgesamt gesehen werden kann. Teilweise wird hierzu die Ansicht vertreten, daß sobald ein marktbeherrschendes Oligopol vorliege, es für eine Verstärkung durch Zusammenschluß ausreiche, wenn sich die Marktposition eines Mitgliedes verstärke. Denn dadurch werde regelmäßig auch das ganze Oligopol gestärkt, sei es durch die Marktanteilserhöhung oder durch die Verstärkung der Reaktionsverbundenheit bei weiterer Verengung oder Angleichung des Oligopois.11 Nach anderer Auffassung kann die Stärkung eines Oligopolmitglieds nicht mit einer automatischen Stärkung des Oligopois gleichgesetzt werden. Vielmehr sei für das Oligopol in jedem Einzelfall zu prüfen, ob sich die Stärkung eines bestimmten Mitglieds auf die gemeinsame Marktbeherrschung des Oligopois gleichfalls verstärkend, neutral oder gar schwächend auswirke. 12
2. Stellungnahme: Die Operationalisierung des kollusiven Verhaltensspielraums als Eingreifkriterium in der europäischen Fusionskontrolle
Die Argumentation der traditionellen Ansicht in der Literatur zur Frage der Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen marktbeherrschenden Stellung offenbart erneut die Widersprüchlichkeit und Willkürlichkeit der Trennung zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis des Oligopois. Die Annahme, daß eine Oligopolmarktbeherrschung dadurch begründet werden könne, daß durch einen Zusammenschluß der bisher vorhandene Außenwettbewerb entfalle, während wesentlicher Innenwettbewerb zwischen den Oligopolisten schon vorher nicht bestand, ist praktisch nicht vorstellbar und widerspricht den wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen zur Stabilität von Kollusionen. Sind die Oligopolisten im 10 Vgl. Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 84; Rieger, in: Frankfurter Kommentar (48. Lfg.), § 36 RdNr. 64. n So Immenga, in: Immenga/Mestmäcker, EG-WbR I, Art. 2 FKVO RdNr. 243; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 156; Niederleithinger, Schwerpunkte des Kartellrechts 1979/80, 33, 51; Monopolkommission, Hauptgutachten 4, Tz. 629; Hauptgutachten 6, Tz. 467.
ι 2 So Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 546 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 865; Markert, BB 1986, 1660, 1666; Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 321; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 86 und § 23 a RdNr. 104; Canenbly/Moosecker, Fusionskontrolle, S. 225.
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6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
Außenverhältnis einem erheblichen Wettbewerbsdruck durch aktuelle oder potentielle Wettbewerber ausgesetzt, so wirkt sich dies bereits in hohem Maße erschwerend auf das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen unter den Oligopolisten aus. Bei wesentlichem Außenwettbewerb wird sich eine Kollusion der Oligopolisten, wenn sie überhaupt zustandekommt, auch nicht dauerhaft aufrechterhalten lassen, oder anders formuliert, wird auch im Innenverhältnis grundsätzlich immer Wettbewerb bestehen. Fehlt es dagegen an wesentlichem Außenwettbewerb, weil neben den Oligopolisten keine aktuellen Wettbewerber vorhanden sind und angesichts hoher Marktzutrittsschranken kein potentieller Wettbewerbsdruck besteht, so muß dies nicht zwangsläufig bedeuten, daß auf dem Markt insgesamt eine hohe Kollusionsgefahr besteht. Denn aufgrund der kollusionshemmenden Wirkungen der übrigen Marktfaktoren kann das Zustandekommen einer stabilen Kollusion dennoch sehr unwahrscheinlich sein, oder anders formuliert, kann trotzdem wesentlicher Innenwettbewerb bestehen. So betrachtet läßt sich die Begründung einer Oligopolmarktbeherrschung mit der traditionellen Ansicht sachgerecht nur in solchen Fällen annehmen, in denen durch den Zusammenschluß bisher bestehender wesentlicher Innenwettbewerb im Oligopol erstmals wegfällt, entweder allein oder zusammen mit bisher vorhandenem Außenwettbewerb. 13 Dadurch konzentriert sich die Betrachtung wiederum allein auf den Innenwettbewerb, der jedoch ohne Berücksichtigung der Interdependenzbeziehung zum Außen Wettbewerb nicht sachgerecht beurteilt werden kann. Das Dilemma ist perfekt. Auch beim Tatbestandsmerkmal der Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung läßt sich eine sachgerechte Trennung zwischen der isolierten Stärkung des Oligopois im Innen- und im Außenverhältnis nicht sinnvoll durchführen. Dies wird letztlich auch von den Vertretern der traditionellen Ansicht eingeräumt, wenn darauf hingewiesen wird, daß sich eine Verstärkung im Innenverhältnis aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen Innen- und Außenverhältnis regelmäßig auch auf das Außenverhältnis auswirke. 14 Damit wird deutlich, daß zwischen Innen- und Außenverhältnis ein, wenn auch ungleichgewichtiges Interdependenzverhältnis besteht, so daß eine isolierte Betrachtung des jeweiligen Wettbewerbsverhältnisses keine brauchbaren Aussagen über die wettbewerbliche Gefährlichkeit des Oligopois nach dem Zusammenschluß liefert. Vielmehr ermöglicht nur eine einheitliche Untersuchung und eine zusammenfassende Betrachtung aller kollusionshemmenden und kollusionsfördernden Faktoren des relevanten Marktes eine sachgerechte und ursachenadäquate Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit. Versteht man daher ein marktbeherrschendes Oligopol zutreffend als eine Gruppe von Unternehmen, die über einen strukturell bedingten Verhaltensspielraum verfügen, sich die Vorteile eines kollusiven Marktverhaltens anzueignen, so lassen sich auch die methodischen und praktischen Probleme der traditionellen Ansicht bei 13 Allerdings ist es praktisch kaum vorstellbar, daß ein Zusammenschluß gleichzeitig sowohl die Voraussetzungen für wesentlichen Innen- als auch für wesentlichen Außenwettbewerb entfallen läßt. 14 Vgl. Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 84.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
317
der künstlichen Differenzierung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis von vornherein vermeiden. Die Begründung eines marktbeherrschenden Oligopois erfordert danach, daß durch den Zusammenschluß ein nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum der Oligopolgruppe entsteht, indem erstmals die marktstrukturellen Möglichkeiten für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion der Anbieter auf dem Markt geschaffen werden. Demgegenüber wird ein marktbeherrschendes Oligopol durch einen Zusammenschluß verstärkt, wenn dadurch der kollusive Verhaltensspielraum erweitert oder gefestigt wird, sich also die Kollusionsmöglichkeiten auf dem Markt dergestalt verbessern, daß die schon bestehende Kollusionsgefahr noch weiter erhöht wird. Allerdings entsteht auch bei der Verwendung des Konzepts des kollusiven Verhaltensspielraums das Problem, daß sich die beiden alternativen Eingreiftatbestände der Begründung und der Verstärkung in der Praxis nicht immer klar voneinander trennen lassen, sondern beide Merkmale mehr oder weniger ineinander übergehen werden. Der Grund hierfür ist, daß ein Zusammenschluß nicht sämtliche Wettbewerbsbedingungen des betroffenen Marktes so umfassend verändert, daß eine zusammenfassende Betrachtung für die Zeit nach dem Vollzug ein gänzlich anderes Bild ergibt als vorher. Insbesondere auf oligopolistischen Märkten, auf denen von vornherein schon aufgrund der geringen Anbieterzahl und der damit zusammenhängenden unterschwelligen Reaktionsverbundenheit eine gewisse wenn auch geringe Kollusionswahrscheinlichkeit besteht, dürfte daher dem Merkmal der Verstärkung die größere praktische Bedeutung zukommen. Die eigentlichen Schwierigkeiten entstehen jedoch bei der Frage, welche Veränderungen der Marktstruktur von einem Zusammenschluß ausgehen müssen, damit sich die bestehende Kollusionswahrscheinlichkeit erhöht oder erstmals wettbewerbliche Relevanz erlangt. Allgemeingültige Antworten kann es hierauf naturgemäß nicht geben. Schon die Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit an sich verlangt eine zusammenfassende Einzelfallbetrachtung, da eine stabile Kollusion erst durch das Ineinandergreifen und Zusammenwirken der auf dem jeweiligen Markt konkret vorhandenen kollusionshemmenden und kollusionsfördernden Faktoren in der Wirkungskette möglich wird. Daher kann grundsätzlich jede Steigerung der kollusionsfördernden Wirkungen und jede Verringerung der kollusionshemmenden Wirkungen der vorhandenen Marktfaktoren durch den Zusammenschluß die Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem Markt positiv beeinflussen. 15 Eine gewisse Konkretisierung der möglichen Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf die Kollusionswahrscheinlichkeit läßt sich allerdings mit Hilfe einer nach den unterschiedlichen Zusammenschlußarten differenzierenden Betrachtung erreichen.
15 In diesem Zusammenhang stellt Denis, Antitrust Bulletin 38 (1993), 479, 513, treffend fest: „The variety of stories that may be told as to how a merger might make things worse is limited only by the number of market factors relevant to the success of coordinated interaction in the particular market setting."
318
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
a) Horizontale Zusammenschlüsse auf Oligopolmärkten Unter horizontalen Zusammenschlüssen versteht man solche Unternehmenszusammenschlüsse, die zwischen aktuellen Wettbewerbern auf dem gleichen sachlich und räumlich relevanten Markt stattfinden. Dieser Art von Zusammenschlüssen kommt bei der Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung regelmäßig die größte Bedeutung zu. Ein horizontaler Zusammenschluß auf einem Oligopolmarkt kann sich dabei sowohl in der Form vollziehen, daß sich zwei Unternehmen aus der Oligopolgruppe zusammenschließen, als auch dadurch, daß sich ein Oligopolist mit einem Außenseiter des Oligopois zusammenschließt.
aa) Zusammenschlüsse innerhalb des Oligopois und die Bedeutung von Aufholfusionen Die Auswirkungen, die von Zusammenschlüssen innerhalb der Oligopolgruppe auf die Kollusionswahrscheinlichkeit ausgehen, stehen traditionell im Mittelpunkt der fusionskontrollrechtlichen Oligopolbetrachtung. Dies liegt vor allem daran, daß sich die Verschlechterung der Marktstruktur bei horizontalen Zusammenschlüssen verhältnismäßig leicht identifizieren läßt. Denn dadurch, daß ein Wettbewerber aus dem Markt ausscheidet und das bisher getrennte Marktpotential in einer neuen Einheit zusammengefaßt wird, kann zunächst eine einfache Marktanteilsaddition durchgeführt werden, die Auskunft über das Verhältnis der Marktanteile der neuen Unternehmenseinheit zu jenen seiner Mitkonkurrenten gibt. Der entscheidende, die Kollusionswahrscheinlichkeit beeinflussende Impuls eines Zusammenschlusses zweier Oligopolisten geht von der marktmorphologischen Verengung des Oligopois aus. Durch die Erhöhung der relativen Konzentration infolge des Wegfalls eines Unternehmens der Gruppe steigt grundsätzlich die Reaktionsverbundenheit zwischen den verbleibenden Oligopolisten und damit auch der Anreiz zur Kollusion weiter an. 16 Gleichzeitig verbessern sich angesichts der reduzierten Teilnehmerzahl auch die Möglichkeiten für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen und für das kurzfristige Aufdecken von Cheating, da sich ein Kollusionsbruch aufgrund der höheren Mengen- und Gewinnveränderungen schneller und spürbarer auf die übrigen Konkurrenten auswirkt. Desweiteren führt eine Verringerung der Anbieterzahl auch zu einer kollusionsfördernden Steigerung der horizontalen Markttransparenz und kann sich unter Umständen auch als Marktzutrittschranke auswirken. 17 Diese generellen kollusionsfördernden Wirkungen 16
Die absolute Marktkonzentration bleibt dagegen unverändert, da das Oligopol keine neuen Marktanteile hinzugewinnt: Schließen sich zwei Mitglieder eines Dreieroligopols mit einem aggregierten Marktanteil von 75% zusammen, so verändert sich allein der relative Konzentrationgrad des Marktes von einer CR 3 von 75% auf eine CR 2 von 75%. 17 Vgl. zur Bedeutung der Anbieterzahl als Marktzutritsschranke 5. Kapitel, III., 11., a), aa), (3).
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
319
von oligopolinternen Zusammenschlüssen stellen zwar bei einer bereits vorhandenen Kollusionswahrscheinlichkeit auf einem Markt starke Indizien für deren weitere Erhöhung dar. 18 Dies darf allerdings nicht zu der pauschalen Annahme verleiten, daß damit in jedem Fall einer Oligopol Verengung automatisch die Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem Markt insgesamt ansteigt. Genausowenig wie die Anzahl der Oligopolisten für sich allein eine abschließende Beurteilung der Kollusionswahrscheinlichkeit zuläßt, ermöglicht auch der isoliert betrachtetet Umstand der weiteren numerischen Oligopolverengung keine sachgerechte Einschätzung der Problematik. Wie schon mehrfach betont, läßt sich dies nur aufgrund einer zusammenfassenden Betrachtung aller kollusionsfördernden und kollusionshemmenden Faktoren und deren Zusammenwirken auf den verschiedenen Kollusionsebenen beurteilen. In diesem Zusammenhang kommt es vor allem darauf an, inwieweit sich durch die Verengung der Grad der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen im Oligopol verändert. Zusammenschlüsse innerhalb eines Oligopois können dessen Symmetrie grundsätzlich in zwei Richtungen verändern. So können asymmetrische Oligopolstrukturen durch die Annäherung der Marktstellung bisher kleinerer Oligopolunternehmen an die des (Oligopol-) Marktführers ausgeglichener werden. 19 Die Beurteilung dieser sogenannten „Aufholfusionen" ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die Ansicht vertreten, daß Zusammenschlüsse schwächerer Oligopolmitglieder zu Lasten der oligopolführenden Unternehmen zu einer Intensivierung des Wettbewerbs im Oligopol beitragen können oder zumindest wettbewerbsneutral seien.20 Demgegenüber wird verbreitet darauf hingewiesen, daß durch eine Privilegierung von Aufholfusionen alle Zusammenschlüsse legitimiert würden, die unterhalb der jeweils erreichten stärksten Marktstellung blieben, so daß der höchste bereits erreichte Konzentrationsgrad zur Zielgröße für die kleineren Oligopolisten werde. 21 Darüber hinaus vergrößere eine stärkere Ausgeglichenheit im Oligopol gerade die Voraussetzungen für den Ausschluß des Wettbewerbs, da sie tendenziell die wechselseitige Reaktionsverbundenheit begünstige.22
18
Unrichtig daher Huber, WuW 1975, 371, 385, der die Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois nur durch Zusammenschluß mit einem Außenseiter oder mit einem ressourcenstarken Dritten, nicht jedoch durch bloße Verengung für möglich hält. 19 In einem asymmetrischen Dreieroligopol, in dem das Unternehmen A einen Marktanteil von 45% hält und die Unternehmen Β und C jeweils Marktanteile von 22% erreichen, würde ein Zusammenschluß B-C zu einem nahezu symmetrischen Dyopol führen. 20
Harms, in: Gemeinschaftskommentar (4. Aufl.), § 24 RdNr. 548 ff.; Kleinmann/ Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 86; Emmerich, Kartellrecht, S. 297; abwägend Paschke/Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 300. 21 Monopolkommission, Hauptgutachten 4, Tz. 629, 631: „Eine zusätzliche Aufholfusion im festgestellten marktbeherrschenden Oligopol ist bereits denknotwendig ausgeschlossen."; dies., Hauptgutachten 2, Tz. 428 ff.; 435 f.; zustimmend Autenrieth, WRP 1983, 256, 258 f.; Burrichter, WuW 1982, 661, 670; Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, Art. 2 FKVO RdNr. 132.
320
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
Ausgangspunkt einer sachgerechten Beurteilung von Aufholfusionen muß die Frage sein, wie sich eine ausgeglichene Struktur innerhalb des Oligopois auf das Zustandekommen einer stabilen Kollusion auswirkt. Diese Problematik wurde bereits oben ausführlich analysiert. 23 Dabei hat sich gezeigt, daß Anbieter, deren Wettbewerbspositionen vergleichbar sind, weil ihre Eigenschaften in bezug auf wichtige Wettbewerbsparameter übereinstimmen, auch über gleichgerichtete Interessen verfügen werden, wodurch das Zustandekommen einer Kollusion erleichtert wird. Gleichzeitig sind auch die Anreize zum Unterlaufen der Kollusion geringer, da wegen des relativen Gleichgewichts der Kräfte kein Unternehmen damit rechnen kann, daß die anderen wettbewerbliche Maßnahmen zu Lasten der eigenen Marktanteile kampflos hinnehmen werden. Bestehen dagegen Asymmetrien zwischen den Unternehmen, so sind die Vorteile aus einem kollusiven Verhalten nicht ausgewogen verteilt und eine kollektive Gewinnmaximierung wird schwieriger. Eine Angleichung der Wettbewerbspositionen im Oligopol durch eine Aufholfusion hat daher grundsätzlich kollusionsfördernde Wirkungen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß eine Annäherung bei den Marktanteilen der Oligopolisten immer nur ein erstes Indiz für die Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen sein kann. Denn hierfür kommt es vor allem auf die Gleichartigkeit der Kostenstrukturen, der Ressourcen und des Auslastungsgrades der Produktionskapazitäten an. So kann ein Zusammenschluß zweier kleinerer Oligopolisten zwar zu symmetrischen Marktanteilen innerhalb des Oligopois führen. Hatten aber beide Unternehmen schon vorher jeweils höhere Überkapazitäten und Fixkostenanteile als die übrigen Oligopolmitglieder, so besteht für die neue Unternehmenseinheit nunmehr ein noch größerer Anreiz die eigene Produktionsmenge zu erhöhen und eine Kollusion zu unterlaufen. Oligopolinterne Zusammenschlüsse können allerdings auch dazu führen, daß sich ein Oligopolist von seinen bisher gleichstarken Konkurrenten nunmehr als (Oligopol-)Marktführer absetzt.24 Eine isolierte Bewertung solcher asymmetrischen Marktanteilsverschiebungen als kollusionshemmender Faktor ist jedoch nur in Extremfällen zulässig, in denen der Marktführer durch den Zusammenschluß eine überragende Marktstellung erlangt. Denn allein eine asymmetrische Marktanteilsverteilung verhindert nicht das Zustandekommen stabiler Kollusionen. Erlangt der marktanteilsstärkere Oligopolist keine spürbaren Vorteile hinsichtlich bedeutender Wettbewerbsparameter, so reichen Marktanteilsunterschiede allein in der Regel nicht aus, um die Partikularinteressen der Oligopolisten an einer Kollusion auseinanderzudividieren. Führt der Zusammenschluß dagegen zu andauernden Kostenvorteilen bei der neuen Unternehmenseinheit, etwa infolge bedeutender 22
Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 878; Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, vor § 35 RdNr. 38. 23 Vgl. hierzu ausführlich 5. Kapitel, III., 2. 24 In einem symmetrischen Viereroligopol, in dem die Unternehmen A, B, C und D jeweils Marktanteile von 20% erreichen, hätte ein Zusammenschluß Α-B eine deutlich unausgeglichene Marktstruktur mit einem klaren Marktführer zur Folge.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
321
Synergieeffekte, so wirkt dies nicht nur einer Interessenharmonie der Oligopolisten entgegen, sondern impliziert auch einen starken Anreiz zum Unterlaufen von Kollusion.
bb) Der Wegfall eines Außenseiters durch den Zusammenschluß mit einem Oligopolisten Ein horizontaler Zusammenschluß auf einem (teil-)oligopolistischen Markt kann auch dadurch erfolgen, daß sich ein Oligopolmitglied mit einem Außenseiter des Oligopois, einer sogenannten Fringe Firm, zusammenschließt. Die von einem solchen Zusammenschluß ausgehenden sichtbaren Veränderungen der Marktstruktur sowie die direkten Auswirkungen der geringfügigen Erhöhung des Konzentrationsgrades auf die Kollusionswahrscheinlichkeit sind meist nur marginal. 25 Weitaus bedeutsamer ist jedoch, daß kleine Außenseiter häufig die wichtigste externe Bedrohung für eine stabile Kollusion der Oligopolisten darstellen, insbesondere, wenn es sich dabei um effizient arbeitende, wettbewerblich eingestellte Unternehmen handelt, die die Möglichkeit zu wesentlichen Kapazitätsausweitungen haben. Die Existenz solcher Außenseiter und die realistische Möglichkeit, daß diese ihre Marktanteile und Kapazitäten ausweiten können, diszipliniert die kosten- und produktrelevanten Entscheidungen der Oligopolisten und vermindert den Anreiz zu kollusivem Verhalten selbst dann, wenn die Außenseiter gegenwärtig unter der Preisführerschaft der Oligopolisten gute und sichere Gewinne machen.26 Darüber hinaus hat das Vorhandensein von Außenseitern auf dem Oligopolmarkt auch Auswirkungen auf den potentiellen Wettbewerbsdruck. So sind die Aussichten für einen erfolgreichen Markteintritt von Newcomern besonders günstig, wenn diese einen kleinen Wettbewerber auf dem Oligopolmarkt erwerben können und so durch die Nutzung des Know-hows, der spezifischen Marktkenntnisse, der vorhandenen Lieferbeziehungen usw. bestehende Marktzutrittsschranken überwinden können (sogenannte „toehold acquisition").27 Aus diesem Grunde hat der Wegfall
25 In einem teiloligopolistischen Markt, in dem die drei größten Anbieter zusammen einen Marktanteil von 75% halten, führt der Zusammenschluß eines Oligopolisten mit einem Außenseiter mit 4% Marktanteil lediglich zu einer Veränderung des absoluten Konzentrationsgrades von einer CR 3 von 75% auf eine CR 3 von 79%. 26 Vgl. hierzu Kantzenbach/Kruse, Kollektive Marktbeherrschung, S. 136 f., sowie ausführlich 5. Kapitel, III., 10. 27 Eine toehold acquisition gefährdet die Kollusionsstabilität vor allem dann, wenn es sich bei dem Newcomer um ein diversiviziertes Großunternehmen handelt, daß gewillt ist, die neu erworbene Marktstellung durch den Einsatz seiner Ressourcen auszubauen. In dieser Situation kann die veränderte Wettbewerbssituation der erworbenen Fringe Firm, die sich bisher dem Oligopolverhalten angepaßt hat, aber nunmehr über beträchtliche Ressourcen verfügt, eine bestehende Kollusion aufbrechen, da sich die Oligopolisten dann einem aggressiven Wettbewerber gegenüber sehen, der die eingespielten Verhaltensregeln auf dem Markt durchbricht und die Oligopolisten damit zu wettbewerblichen Gegenmaßnahmen nötigt.
21 Hahn
322
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
eines Außenseiters durch Zusammenschluß mit einem Oligopolisten grundsätzlich erhebliche kollusionsfördernde und kollusionsstabilisierende Wirkungen. 28
b) Vertikale
Zusammenschlüsse unter Beteiligung eines Oligopolisten
Schließt sich ein Oligopolist nicht mit einem Wettbewerber auf dem Oligopolmarkt zusammen, sondern mit einem Unternehmen, das auf einer anderen voroder nachgelagerten Wirtschaftsstufe tätig ist, so handelt es sich hierbei um einen vertikalen Zusammenschluß.29 Die wettbewerblichen Gefahren vertikaler Zusammenschlüsse unter Beteiligung einzelner marktmächtiger Unternehmen bestehen vor allem darin, daß diese eine starke Marktposition auf einem vor- oder nachgelagerten Markt zu Behinderungs- und Verdrängungsstrategien gegenüber konkurrierenden, nicht integrierten Anbietern ausnutzen können, indem sie diesen die Versorgungskanäle (bei einer Rückwärtsintegration) oder die Absatzkanäle (bei einer Vorwärtsintegration) verstopfen. Für die Beurteilung der Auswirkungen vertikaler Zusammenschlüsse von Oligopolisten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit kommt es dagegen primär auf die dadurch bewirkten Veränderungen des vertikalen Integrationsgrades im Oligopol an. Eine asymmetrische vertikale Integration im Oligopol wirkt sich aus verschiedenen Gründen kollusionshemmend aus.30 So kann die Verbindung eines Oligopolisten mit Unternehmen auf vor- oder nachgelagerten Märkten zu erheblichen Effizienz- und Kostenvorteilen führen, wodurch die für das Zustandekommen von Kollusion erforderliche Interessensymmetrie beeinträchtigt wird und der Anreiz zu wettbewerblichem Verhalten steigt. Demgegenüber wird ein kollusives Marktverhalten bei einer symmetrischen vertikalen Integration der Oligopolisten wahrscheinlicher, da diese zu ausgeglichenen Wettbewerbspositionen der Unternehmen führt und die Markttranzparenz verbessert. Eine gleichmäßige vertikale Integration der Oligopolisten wirkt sich zudem als eine kollusionsabsichernde Marktzutrittsschranke aus, da für potentielle Konkurrenten die Nachteile gegenüber den vertikal integrierten Unternehmen infolge des erhöhten Kapitalbedarfs und des technischen Know-hows eine abschreckende Wirkung haben. Führt die vertikale Diversifikation eines Oligopolisten daher zu einer 28 So auch Jones /Gonzälez-Diaz, The EEC Merger Regulation, S. 176; Baker, Antitrust Bulletin 38 (1993), 143, 204; Denis, Antitrust Bulletin 38 (1993), 479, 513; zu eng dagegen Briones, ECLR 1995, 334, 338, der den Erwerb einer Fringe Firm erst dann als wettbewerblich bedenklich ansieht, wenn diese einen Marktanteil von mindestens 10% hat. Vergleichbare kollusionsfördernde Wirkungen wie beim Wegfall eines Außenseiters auf dem relevanten Markt, können sich bei hoher Elastizität der Gesamtmarktnachfrage auf dem Oligopolmarkt auch beim Wegfall eines Anbieters von marktnahen Substitutionsprodukten durch Zusammenschluß mit einem Oligopolisten ergeben. Terminologisch gehören diese sogenannten Markterweiterungszusammenschlüsse allerdings zur Gruppe der konglomeraten Zusammenschlüsse. 29
Vgl. ausführlich zur Abgrenzung zwischen den verschiedenen Zusammenschlußformen /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 132 ff. 30 Vgl. hierzu ausführlich 5. Kapitel, III., 2., d).
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
323
Angleichung des vertikalen Integrationsgrades im Oligopol, so erhöht sich dadurch grundsätzlich die Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem Referenzmarkt. 31 Bewirkt ein solcher Zusammenschluß dagegen, daß ein Oligopolist im Gegensatz zu seinen nichtintegrierten Konkurrenten bedeutende Kostenvorteile realisieren kann, beispielsweise durch Verbindung mit einem Rohstoffproduzenten, so wirkt sich dies aufgrund der nunmehr unausgeglichenen Wettbewerbspositionen im Oligopol kollusionshemmend aus.
c) Konglomerate Zusammenschlüsse unter Beteiligung eines Oligopolisten Ein konglomerater Zusammenschluß eines Oligopolisten liegt vor, wenn sich dieser mit einem Unternehmen zusammenschließt, das weder auf dem gleichen relevanten Markt, noch auf einer vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe tätig ist. Zusammenschlüsse von Unternehmen aus ganz verschiedenen Märkten lassen sich aufgrund ihrer ambivalenten Wirkungen nur schwer mit dem herkömmlichen Instrumentarium der Fusionskontrolle erfassen. Insbesondere die Schaffung reiner Konglomerate durch Unternehmenszusammenschlüsse stellt die Wettbewerbspolitik regelmäßig vor erhebliche Probleme, auf die an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen werden kann. 32 Im vorliegenden Zusammenhang kommt es allein auf die grundsätzlichen Auswirkungen einer konglomeraten Diversifikation eines Oligopolisten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit an. Diese können einerseits darin bestehen, daß durch den Zusammenschluß bisher bestehende Ressourcendivergenzen im Oligopol ausgeglichen werden. Die kollusionsfördernde Wirkung einer symmetrischen Ressourcenverteilung im Oligopol folgt aus dem ähnlichen Durchhalte- und Vergeltungspotential der Unternehmen, das dem Anreiz zum Unterlaufen einer Kollusion entgegenwirkt. Zum anderen können konglomerate Zusammenschlüsse auch Multimarkt-Kontakte zwischen den Oligopolisten herstellen. Stehen sich die Oligopolisten nicht nur auf einem, sondern gleichzeitig auf mehreren Märkten als Konkurrenten gegenüber, so wird dadurch das Zustandekommen von Kollusionen durch marktübergreifende Verhaltensübertragungen erleichtert. 33 Gleichzeitig verbessern sich die Möglichkeiten für Vergeltungsmaßnahmen im Falle eines Kollusionsbruchs und es entsteht ein „Geflecht von Verletzlichkeiten", das ein wirksamer Stabilisierungsfaktor für Kollusion sein kann.
31
Der Begriff der Diversifizierung betrifft sowohl die Ausweitung des unternehmerischen Tätigkeitsbereichs in vertikaler als auch in diagonaler (konglomerater) Hinsicht; vgl. Böhnke, Diversifizierte Unternehmen, S. 38 f. 32 Vgl. hierzu ausführlich Büscher, Diagonale Unternehmenszusammenschlüsse im amerikanischen und deutschen Recht, S. 349 ff. 33 Vgl. ausführlich zu den Auswirkungen von Multimarkt-Kontakten auf die Kollusionswahrscheinlichkeit 5. Kapitel, III., 9. 21*
324
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
d) Gemeinschaftsunternehmen
zwischen Oligopolisten
34
Die Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung kann sich schließlich auch aus der Bildung von Gemeinschaftsunternehmen zwischen Oligopolmitgliedern ergeben.35 Häufig wird sich die Tätigkeit eines solchen Gemeinschaftsunternehmens auf räumlich benachbarten oder vor- bzw. nachgelagerten Märkten abspielen.36 Die Verflechtung von Oligopolisten in Gemeinschaftsunternehmen hat erhebliche kollusionsfördernde Wirkungen. 37 So kann die Zusammenarbeit der Oligopolisten in einem Gemeinschaftsunternehmen die Unsicherheiten über das jeweilige, in der Zukunft zu erwartende Marktverhalten des Konkurrenten verringern helfen und dadurch das Zustandekommen von kollusiven Verhaltensweisen erleichtern. Gleichzeitig verstärkt sich bei den Partnern auch die Einsicht, daß ein wettbewerbliches Verhalten auf dem Oligopolmarkt beiden Unternehmen nur schaden und damit auch die Zusammenarbeit in dem Gemeinschaftsunternehmen gefährden würde. Durch die verbesserte Informationsstruktur kann zudem das frühzeitige Aufdecken eines Kollusionsbruchs vor allem in ansonsten intransparenten Märkten erleichtert werden. In welchem Ausmaß die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen Oligopolisten derartige kollusionsfördernde Gruppeneffekte auf dem Oligopolmarkt erwarten läßt, hängt allerdings stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere dem
34
Mit der Revision der FKVO 1997 ist die bis dahin geltende Unterscheidung zwischen konzentrativen und kooperativen Gemeinschaftsunternehmen weggefallen. Nach Art. 2 Abs. 4 FKVO stellt nunmehr die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt, einen Zusammenschluß im Sinne von Art. 1 lit. b) FKVO dar. Gemeinschafstunternehmen, die vor allem strukturelle Wirkungen auf dem Markt haben, werden nach Art. 2 Abs. 3 FKVO auf die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung überprüft. Bewirkt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens jedoch, daß der Wettbewerb zwischen den Gründerunternehmen auf vorgelagerten, nachgelagerten oder benachbarten Märkten beschränkt wird, so ist eine solche Koordinierung gemäß Art. 2 Abs. 4 FKVO nach den Kriterien des Art. 81 Abs. 1 und 3 EGV zu beurteilen. Bei dieser Würdigung hat die Kommission unter den sonstigen Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 1 EGV zu prüfen, ob die aus der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens erwachsende Koordinierung den beteiligten Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Auf die Problematik der Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Art. 81 Abs. 1 EGV kann jedoch an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da in der vorliegenden Untersuchung allein Fragen der Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle behandelt werden; vgl. hierzu ausführlich Lohse, Kartellfreie Gemeinschaftsunternehmen im europäischen Wettbewerbsrecht. 35 Vgl. Immenga/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 155; Kleinmann/ Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 88; Rieger, in: Frankfurter Kommentar (48. Lfg.), § 36 RdNr. 65. 36 So können die Oligopolisten ζ. B. ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, dem sie die Produktion eines wichtigen Vorproduktes übertragen, um somit den gegenseitigen Nachfragewettbewerb beim Einkauf dieses Vorproduktes auszuschalten 37 Vgl. hierzu ausführlich 5. Kapitel, III., 3., a).
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
325
Tätigkeitsgebiet und der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung des Gemeinschaftsunternehmens.
3. Kritische Auswertung der Rechtspraxis
Bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen auf oligopolistischen Märkten auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt steht in der Entscheidungspraxis der Kommission die Prüfung einer möglichen Begründung einer oligopolistischen beherrschenden Stellung eindeutig im Mittelpunkt. 38 In allen Entscheidungen, in denen ein Zusammenschluß bisher aufgrund von Oligopolmarktbeherrschung untersagt oder nur unter Bedingungen und Auflagen freigegeben wurde, stützte sich die Kommission auf den Eingreiftatbestand der Begründung eines marktbeherrschenden Oligopois. 39 Auf eine mögliche Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopois wurde nur in wenigen Fällen und dann auch nur oberflächlich eingegangen. In den betreffenden Entscheidungen verwies die Kommission lediglich darauf, daß es dahinstehen könne, ob bereits vor dem Zusammenschluß ein marktbeherrschendes Oligopol bestand, da zumindest nicht davon auszugehen sei, daß das Oligopol durch den Zusammenschluß verstärkt werde. 40 Der Grund für die Dominanz des Tatbestandsmerkmals der Begründung könnte möglicherweise in dem häufig zu beobachtenden pragmatischen Vorgehen der Kommission liegen, eine Frage immer dann offenzulassen, wenn diese für die konkrete Entscheidung nicht von Bedeutung ist, da jede Festlegung notwendigerweise Einfluß auf künftige Entscheidungen hat. 41 So lassen sich durch die Prüfung einer Marktbeherr38 Vgl. nur Kommission v. 2. 4. 1998 I V / M . 1127 Nestlé /Dalgety, WuW EU-V 45, Tz. 28; v. 2. 10. 1997 I V / M . 984 DuPont/ICI, MCR 3495, Tz. 52; v. 19. 1. 1995 I V / M . 523 Akzo Nobel/Monsanto, MCR 1785, Tz. 44; v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/llva, ABl. 1994 L 102/15, Tz. 52. 39 Vgl. Kommission v. 13. 6. 2000 COMP/M. 1673 VEBA/VIAG, ABl. 2001 L 188/1, Tz. 130; v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours /First Choice, ABl. 2000 L93/1, Tz. 153; v. 24.04. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABL. 1997 L 11 /30, Tz. 142, 206; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 117 ff.; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/Mdk/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 62; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/ Daimler-Benz, ABl. 1997L 11/1, Tz. 124, bzgl. des Marktes für Straßenbahnen und U-BahnFahrzeuge. Die Kommissionspraxis bewegt sich damit genau konträr zur Oligopolpraxis in der deutschen Fusionskontrolle, bei der die Untersagung von Zusammenschlüssen auf oligopolistischen Märkten bisher fast ausschließlich auf die Verstärkung einer Oligopolmarktbeherrschung gestützt wurde; vgl. Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen RdNr. 863; Immenga/Veelken, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 152. 40 Vgl. Kommission v. 10. 5. 1993 I V / M . 284 Hoechst/Wacker, MCR 1095, Tz. 17; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997L 11/1, Tz. 115, bzgl. des Marktes für Fernverkehrsschienenfahrzeuge. In der Entscheidung v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, Tz. 258, ließ es die Kommission hingegen offen, ob der Zusammenschluß ohne Auflagen auf dem Markt für Erdgasfernleitung zur Verstärkung einer Einzelmarktbeherrschung oder einer Oligopolmarktbeherrschung geführt hätte. 41 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Veröffentlichungs- und Begründungspflicht der Entscheidungen nach Art. 20 FKVO.
326
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
schungsbegründung Präjudizen vermeiden, die sich aus der für eine Marktbeherrschungsverstärkung notwendigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer solchen Stellung für spätere Entscheidungen auf dem gleichen Markt ergeben könnten. Teilweise verzichtet die Kommission aber auch ganz auf eine Trennung zwischen den beiden Eingreiftatbeständen des Art. 2 Abs. 3 FKVO. Vor allem bei Freigabeentscheidungen, die innerhalb der ersten Prüfungsphase nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) FKVO ergehen, untersucht die Kommission häufig ganz allgemein, ob die Marktbedingungen ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Oligopolisten erwarten lassen und stellt dann abschließend fest, daß der Zusammenschluß weder zur Begründung noch zur Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung führe. 42 Insgesamt zeigt die Analyse der Rechtspraxis, daß sich die Kommission ausschließlich auf horizontale Zusammenschlüsse auf Oligopolmärkten konzentriert. 43 Die möglichen Auswirkungen vertikaler und konglomerater Zusammenschlüsse einzelner Mitglieder eines Oligopois auf die Kollusionswahrscheinlichkeit wurden dagegen bisher noch nicht untersucht. 44 Die Anforderungen, die die Kommission bei horizontalen Zusammenschlüssen an die für ein Einschreiten erforderlichen Veränderungen der Marktstruktur stellt, sind dabei relativ hoch. 45 Dies vermag insoweit nicht zu verwundern, als sich die Kommission fast ausschließlich auf die Begründung einer Oligopolmarktbeherrschung konzentriert, an deren Nachweis ungleich höhere Anforderungen zu stellen sind, als an eine bloße Verstärkung einer schon bestehenden marktbeherrschenden Stellung.46 So wurde die Begründung einer Oligopolmarktbeherrschung bisher nur bei horizontalen Zusammenschlüssen innerhalb einer engen Oligopolgruppe festgestellt, die zu deutlichen und tiefgreifenden Veränderungen in der bisherigen Marktstruktur führten. Dabei handelte es sich ganz überwiegend um Zusammenschlüsse zweier Oli42 Vgl. nur Kommission v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 68; v. 21. 9. 1998 I V / M . 1219 Seagram/ Polygram, MCR 4661, Tz. 29; 7. 8. 1998 I V / M. 1230 Glaverbel/PPG, MCR 4537, Tz. 19. 43 Die Notwendigkeit, daß die Kommission zwischen den verschiedenen Zusammenschlußformen differenziert, folgt aus dem Merkmal „Struktur aller betroffenen Märkte" in Art. 2 Abs. 1 lit. a) FKVO; vgl. Bos/Stuyck/Wytinck, Concentration Control in the EEC, S. 222. 44 In der Praxis ist die Einordnung von Zusammenschlußvorhaben in einzelne Fallgruppen allerdings oft problematisch, da viele Zusammenschlüsse insbesondere Großfusionen kummulativ eine horizontale, vertikale und konglomerate Dimension aufweisen können; vgl. nur allgemein die Entscheidung v. 19. 12. 1991 I V / M . 65 VIAG/EB Brühl, WuW/E EV 1806, in der die Kommission ausdrücklich zwischen horizontalen, vertikalen und konglomeraten Aspekten differenzierte. 4 5 Vgl. hierzu Briones, ECLR 1995, 334, 338, ein Mitglied der Merger Task Force der Generaldirektion Wettbewerb: „However the Commission's practice shows that the merger as such has to represent a significant change in the market, either in qualitative terms or in quantitative terms, in order to be questioned." 46 Vgl. Kleinmann /Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 32; Monopolkommission, Hauptgutachten 6, Tz. 448 f.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
327
gopolisten eines Dreieroligopols, die eine Verengung auf ein Dyopol und einen erheblichen Anstieg der relativen Konzentration zur Folge hatten.47 Auch in der Entscheidung Airtours/First Choice, der bislang einzigen Untersagungsentscheidung, in der die Kommission die Begründung eines beherrschenden Dreieroligopols annahm, hätte der Zusammenschluß zwischen den zwei kleineren Mitgliedern eines Viereroligopols zu einer signifikanten Verengung des Oligopois von einer CR 4 auf eine CR 3 von 83% geführt. 48 Warum die Kommission in diesen Fällen allerdings eine Begründung und nicht eine Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopol annahm, ist unklar. So waren die betreffenden Märkte jeweils schon vor Vollzug der Zusammenschlußvorhaben mit Drei-Firmen-Konzentrationen zwischen 60% und 100% sehr hoch konzentriert und auch die übrigen Marktfaktoren sprachen jeweils für eine schon bestehende erhöhte Kollusionsgefahr. Besonders deutliche Anhaltspunkte für eine bereits vor dem Zusammenschluß bestehende Oligopolmarktbeherrschung waren im Fall Gencor/Lonrho gegeben.49 Auf dem weltweiten Platinmarkt hatten die drei größten Anbieter einen gemeinsamen Marktanteil von ca. 70%, während ihr Anteil an den Weltvorkommen von Platin sogar 90% betrug. Für eine schon bestehende Kollusionsgefahr sprach hier vor allem, daß der Markt für das homogene und ausgereifte Produkt Platin hochgradig transparent und durch hohe Marktzutrittsschranken abgeschottet war, die Nachfrage über keine gegengewichtige Marktmacht verfügte und preisunelastisch reagierte, strukturelle Verflechtungen sowie Multimarkt-Kontake zwischen den Oligopolisten bestanden und es bereits in der Vergangenheit zu kollusiven Verhaltensweisen der Unternehmen gekommen war. Die Kommission bemerkte zwar anfangs, daß es so scheine, als ob der Markt „bereits vor dem Zusammenschluß viele Merkmale eines nichtwettbewerblichen oligopolistischen Marktes" aufweise, stellte dann aber im Ergebnis doch auf die Begründung eines marktbeherrschenden Dyopols ab. 50 Angesichts der zahlreichen kollusionsfördernden Marktfaktoren 47 Vgl. Kommission v. 24. 04. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABL. 1997 L 11/30, Tz. 142, 206; v. 22. 7. 1992 I V / M . 190 Nestlé /Perrier, ABl. 1992 L 356/1, Tz. 117 ff.; v. 14. 12. 1993 I V / M . 308 Kali+Salz/Mdk/Treuhand, ABl. 1994 L 186/38, Tz. 62; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997L 11 /1, Tz. 124. 48 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice, ABl. 2000 L 93/1, Tz. 139. In der Auflagenentscheidung v. 29. 9. 1999 I V / M . 1383 Exxon/Mobil, nahm die Kommission die Begründung von marktbeherrschenden Dreier- bzw. Viereroligopolen auf verschiedenen betroffenen Märkten an. Eine nähere Analyse der Konzentrationsgrade dieser Märkte, deren Veränderung durch den Zusammenschluß und ihrer Beurteilung durch die Kommission ist hier jedoch nicht möglich, da die Entscheidung der Kommission bis dato nicht im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurde. Sämtliche Angaben zu dieser Entscheidung sind der allein von den beteiligten Unternehmen autorisierten Entscheidungsfassung entnommen, die jedoch keinerlei Marktanteilsdaten zur Bestimmung der Marktkonzentration u.ä. enthält. 49 Kommission v. 24. 04. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABL. 1997 L 11/30, Tz. 140-178. so Kommission v. 24. 04. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABL. 1997 L 11 /30, Tz. 141,
206.
328
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
dürfte der Zusammenschluß durch die weitere Verengung und Angleichung der Wettbewerbspositionen im Oligopol jedoch „lediglich" zu einer Verstärkung einer bereits bestehenden Oligopolmarktbeherrschung geführt haben.51 Insgesamt scheint die Kommission in ihrer Fusionskontrollpraxis eher pragmatisch vorzugehen, indem sie auch bei bestehender Kollusionsgefahr auf einem Markt die Frage offenläßt, ob vor dem Zusammenschluß schon ein marktbeherrschendes Oligopol bestand, wenn feststeht, daß durch den Zusammenschluß jedenfalls jetzt der für eine Oligopolmarktbeherrschung erforderliche Beherrschungsgrad erreicht wird. Diese Praxis der Kommission hat jedoch den schwerwiegenden Nachteil, daß dadurch bisher nur tiefgreifende Veränderungen der Marktstruktur auf Oligopolmärkten von der Kommission verhindert wurden. Zusammenschlüsse, die „nur" zu einer Verfestigung bestehender Oligopole führten und dadurch die Möglichkeiten für stabile Kollusionen verbesserten, blieben dagegen unbeanstandet. So hat die Kommission den horizontalen Zusammenschluß von Oligopolisten in Vierer-, Fünfer, und Sechseroligopolen bislang erst in einem Fall als eine ausreichende Marktstrukturveränderung für ein Einschreiten angesehen.52 Ein Grund hierfür dürfte die in der bisherigen Kommissionspraxis festgestellt Überbewertung der Bedeutung des Konzentrationsgrades für das Zustandekommen stabiler Kollusionen sein. Dementsprechend hat die Kommission in der Vergangenheit auch Zusammenschlüsse von Oligopolisten mit kleinen Außenseitern, die nur geringe Marktanteile erreichten, allein aufgrund der marginalen Veränderung des Konzentrationsgrades durchweg für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt. 53 Gerade der Wegfall eines Oligopolaußenseiters kann die Kollusionswahrscheinlichkeit jedoch spürbarer erhöhen, als dies die addierten Marktanteile erwarten lassen. Denn solche Fringe Firms stellen häufig die wichtigste externe Bedrohung für eine
51 Da der Platinmarkt jedoch vorher durch ein Dreieroligopol beherrscht wurde, „begründete" der Zusammenschluß tatsächlich ein marktbeherrschendes Dyopol, so daß die Kommission beim Begriff der „Begründung" möglicherweise nicht richtig zwischen der quantitativen Verengung des Oligopois und den qualitativen Auswirkungen auf die Marktbeherrschung (Kollusionswahrscheinlichkeit) unterscheidet. 52 Kommission v. 22. 9. 1999 I V / M . 1524 Airtours/First Choice , ABl. 2000 L 93/1. Vgl. hingegen die unbeanstandete Verengung von einem Sechser- auf ein Fünferoligopol auf dem kollusionsgefährdeten Floatglasmarkt in der Entscheidung v. 21. 12. 1993 I V / M . 358 Pilkington-Techint/SIV, ABl. 1994 L 158/24, sowie dessen weitere Verengung auf ein Viereroligopol in der Folgefusion Glaverbel/PPG, Entscheidung v. 7. 8. 1998 I V / M . 1230, MCR 4537.Vgl. insoweit auch ausdrücklich Kommission v. 25. 11. 1998 I V / M . 1225 Enso/ Stora, ABl. 1999 L 254/9, Tz. 68: „The change from six to five members of the oligopoly is not significant in order to lead to the creation or strengthening of an oligopolistically dominant position."
53 Vgl. Kommission v. 28. 9. 1992 I V / M . 256 Linde/Fiat, WuW/E EV 1989, Tz. 27: Wegfall eines Außenseiters mit 5% Marktanteil; ν. 3. 2. 1994 I V / M . 399 Rhône-PoulencSNIA/Nordfaser, MCR 1323, Tz. 23: Wegfall eines Außenseiters mit 4% Marktanteil; v. 27. 4. 1992 I V / M . 202 Thorn EMI/Virgin Music, WuW/E EV 1836, Tz. 22: Wegfall eines Außenseiters mit ca. 5% Marktanteil, bei dem es sich selbst nach Ansicht der Kommission um „the last remaining significant independent record company" auf dem Markt handelte.
I. Der Eingreiftatbestand in der europäischen Fusionskontrolle
329
stabile Kollusion der Oligopolisten dar. Eine weitaus kritischere Haltung hat die Kommission nunmehr in der Untersagungsentscheidung SCA/Metsä Tissue eingenommen.54 Auf den Märkten für Toiletten- und Küchenpapier bestand hier bereits vor dem Zusammenschluss eine dyopolistische Marktsituation, in der die beiden größten Hersteller mit ähnlich hohen Marktanteilen nahezu 90% des Marktes belieferten. Nach Ansicht der Kommission hätte der Zusammenschluß eines der beiden Marktführer mit einem kleineren Anbieter mit einem Marktanteil von ca. 5% die Begründung einer dyopolistischen beherrschenden Stellung der Marktführer bewirkt, da hierdurch der einzige realistische Wettbewerber der Oligopolisten aus dem Markt ausgeschieden wäre. 55 Ob die Kommission insoweit tatsächlich ihre bisherige Überbewertung der Bedeutung des Konzentrationsgrades in Zukunft relativieren wird bleibt jedoch abzuwarten. Denn die Untersagung des Zusammenschlusses wurde im wesentlichen mit der Entstehung einzelmarktbeherrschender Stellungen der neuen Unternehmenseinheit auf 24 weiteren Märkten begründet, so daß unklar ist, ob die Kommission auch dann zu diesem Ergebnis gekommen wäre, wenn der Zusammenschluß lediglich den Oligopolmarkt betroffen hätte. Aufholfusionen, die zu einer Angleichung der Marktstellungen in der Oligopolgruppe führen, werden in der Kommissionspraxis nicht immer einheitlich beurteilt. In einigen Entscheidungen scheint es so, als ob die Kommission von Fusionen, die den Abstand zum Oligopolmarktführer verringern, eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen erwarten würde. 56 Grundsätzlich bewertet die Kommission jedoch die Herausbildung symmetrischer Oligopolstrukturen richtigerweise als einen Umstand, der ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten der Anbieter erleichtert und damit für eine oligopolistische Marktbeherrschung spricht. 57 Eine deutliche Ablehnung der Privilegierung von Aufholfusionen findet sich in der Entscheidung Gencor/Lonrho, 58 Hier stellte die Kommission fest, daß der Zusammenschluß deshalb zu einer oligopolistischen Marktbeherrschung führe, weil dadurch ein Unternehmen von derselben Größe und mit ähnlichen Kostenstrukturen wie der bisher stärkste Oligopolist geschaffen werde, so daß es nunmehr keinen Anreiz für die Dyopolisten gäbe, miteinander zu konkurrieren. Dadurch, daß die Kommission bislang fast ausschließlich die Begründung einer Oligopolmarktbeherrschung untersucht hat, ist es bisher offen geblieben, ob sie es für die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung eines Oligopois als ausreichend ansieht, daß durch den Zusammenschluß die Marktposition nur eines Oligo-
54 Kommission v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue , Tz. 143 ff. 55 Kommission v. 31. 1. 2001 COMP/M. 2097 SCA/Metsä Tissue, Tz. 146. 56 Vgl. Kommission v. 10. 8. 1992 I V / M . 206 Rhône-Poulenc /SNIA, WuW/E EV 1983, Tz. 7.2.3.; v. 18. 10. 1995 I V / M . 580 ABB/Daimler-Benz, ABl. 1997L 11 /1, Tz. 113 ff. 57 Vgl. Kommission v. 31. 1. 1994 I V / M . 315 Mannesmann/Vallourec/Ilva, ABl. 1994 L 104/15, Tz. 55, 57, v. 15. 10. 1993 I V / M . 337 Knorr-Bremse/ Allied Signal, WuW/E EV 2105, Tz. 45; v. 23. 9. 1993 I V / M . 360 Arvin/Sogefl, MCR 1193,Tz. 22. 58 Kommission v. 24. 04. 1996 I V / M . 619 Gencor/Lonrho, ABL. 1997 L 11 /30, Tz. 190.
330
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
polmitglieds verstärkt wird. Angesichts der stark einzelfallbezogenen Oligopolpraxis der Kommission erscheint es jedoch eher unwahrscheinlich, daß sie sich dieser Auffassung anschließen wird.
II. Exkurs: Marktbeherrschende Nachfrageoligopole (Oligopsone) Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der wettbewerbsrechtlichen Behandlung von Oligopolen, also von Marktstrukturen, bei denen sich das Angebot an bestimmten Waren oder gewerblichen Leistungen auf eine geringe Anzahl von Anbietern verteilt, denen viele Nachfrager gegenüberstehen. Zur Abrundung des Gesamtbildes soll nun noch exkursorisch auf die inverse Problematik auf der Nachfrageseite eines Marktes, also auf Nachfrageoligopole eingegangen werden, die wirtschaftstheoretisch als Oligopsone bezeichnet werden. 59 Während das Monopson, also eine Marktform mit nur einem Nachfrager, noch in relativ vielen preistheoretischen Darstellungen behandelt wird, fehlen entsprechende Untersuchungen des Oligopsons fast völlig. 60 Letztlich stellt die Marktform des Oligopsons nichts anderes dar, als eine spiegelbildliche Übertragung der Oligopolmodelle auf die Nachfrageseite. 61 Insofern wird vorausgesetzt, daß ausschließlich die Nachfrager als Oligopsonisten Preise setzen, während die Anbieter lediglich polypolistische Mengenanpasser sind. Unabhängig davon, welches speziell auf die Nachfrageseite übertragene Oligopolmodell man verwendet, kann die durch Nachfragerkoordination intendierte Preisreduktion bei diesen Modellen immer nur durch eine horizontal koordinierte künstliche Verminderung der nachgefragten Menge zustande kommen. In kartellrechtlicher Hinsicht wird überwiegend davon ausgegangen, daß es sich bei der Marktbeherrschung auf der Angebotsseite und der Nachfrageseite um dasselbe Grundphänomen handelt. Danach beruhen sowohl Angebots- wie auch Nachfragemacht auf einer (horizontalen) Beschränkung des Wettbewerbs, so daß auf die Erfassung von Nachfragemacht in spiegelbildlicher Weise die gleichen Kriterien anzuwenden sind, wie auf die Erfassung von Angebotsmacht.62 Grundsätzlich kön59 Vgl. zur Terminologie Schumann, Grundzüge der mikroökonomischenTheorie, S. 325; Krelle, Preistheorie, S. 16. 60 Vgl. zum Monopson Krelle, Preistheorie (1. Aufl.), S. 468 ff.; Ott, Grundzüge der Preistheorie, S. 201 ff. 61 Vgl. Machlup, Wettbewerb im Verkauf, S. 122 ff.; Krelle, Preistheorie, S. 12 ff. 62 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 7, Tz. 44 ff.; dies., Sondergutachten 14, Tz. 137; Bergmann, Nachfragemacht in der Fusionskontrolle, S. 42; Köhler, Nachfragewettbewerb und Marktbeherrschung, S. 37; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, RdNr. 515, 525; Immenga/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 36 RdNr. 124; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 96 f. a.A. Ramrath, Die „überragende Marktstellung" als Merkmal der Fusionskontrolle, S. 64 ff.
II. Exkurs: Marktbeherrschende Nachfrageoligopole (Oligopsone)
331
nen daher auch mehrere nachfragende Unternehmen gemeinsam marktbeherrschend sein. Eine Gruppe von Nachfragern soll entsprechend der Literaturauffassung zur Angebotsseite aber erst dann als marktbeherrschendes Oligopson gelten, wenn zwischen den Gruppenmitgliedern kein wesentlicher Nachfragewettbewerb herrscht und das Oligopson auch in seiner Gesamtheit im Außenverhältnis keinem wesentlichen Nachfragewettbewerb von (Außenseiter-) Nachfragern ausgesetzt ist. 63 In der wettbewerbsrechtlichen Praxis und Literatur hat das marktbeherrschende Oligopson im Vergleich zum Oligopol bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Obwohl die FKVO grundsätzlich Angebots- und Nachfragemarktbeherrschung erfaßt, mußte sich die Kommission in ihrer Fusionskontrollpraxis bisher noch in keinem Fall mit der Problematik der Nachfrage-Oligopolmarktbeherrschung auseinandersetzen.64 Das Bundeskartellamt hat lediglich bei einigen Zusammenschlußfällen im Lebensmittelhandel ein marktbeherrschendes Oligopson der sechs größten Nachfrager angenommen. Dies wurde damit begründet, daß aufgrund der Unverzichtbarkeit der einzelnen Nachfrager für die Anbieter, diese bei ihren Forderungen nach niedrigeren Einkaufspreisen und günstigeren Konditionen kein Ausweichen der Anbieter auf andere Oligopolmitglieder oder kleine Außenseiter zu befürchten brauchten und daher sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis kein wesentlicher Nachfragewettbewerb bestanden habe.65 Abgesehen von der Fragwürdigkeit des Abstellens auf ein monopsonistisches Element wie die Unverzichtbarkeit einzelner Nachfrager, wird hierbei wiederum deutlich, daß sich auch auf der Nachfrageseite eine sachgerechte und sinnvolle Trennung zwischen dem Innen- und Außenwettbewerb des Oligopsons nicht durchhalten läßt. 66 Das hier vorgeschlagene Konzept des kollusiven Verhaltensspielraums läßt sich gleichfalls spiegelbildlich auf die Nachfrageseite, also auf Beschaffungsmärkte mit nur wenigen marktanteilsstarken Unternehmen übertragen. Für eine Preiskollusion auf der Nachfrageseite ist es dabei erforderlich, daß die Oligopsonisten durch 63
Vgl. Bergmann, Nachfragemacht in der Fusionskontrolle, S. 110 ff.; Köhler, Nachfragewettbewerb und Marktbeherrschung, S. 99 ff.; Monopolkommission, Sondergutachten 14, Tz. 146 f.; Paschke /Kersten, in: Frankfurter Kommentar (39. Lfg.), § 22 RdNr. 322 ff.; Bechtold, Kartellgesetz, § 19 RdNr. 45; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 22 RdNr. 214 ff.; Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, Art. 2 FKVO RdNr. 135; Leo, in: Gemeinschaftskommentar, § 19 RdNr. 1318. 64 Auch mit der grundsätzlichen Problematik der Nachfragemacht in der Fusionskontrolle hat sich die Kommission bisher nicht ernsthaft beschäftigt; vgl. zu den wenigen Fällen Bos/ Stuyck/Wytinck, Concentration Control in the EEC, S. 223 f. 65 Bundeskartellamt v. 14. 8. 1984, Coop/Wandmaker, WuW/E BKartA 2161, 2166; v. 20. 6. 1983 Metro/Kaufhof, WuW/E BKartA 2060, 2061; v. 23. 3. 1982, Coop/Supermagazin, WuW/E BKartA 1970, 1978. 66 Das Kammergericht hat die Annahme eines marktbeherrschenden Sechser-Oligopsons dann auch u. a. mit der Begründung verworfen, daß die Unverzichtbarkeit der führenden Nachfrager für einzelne Anbieter für sich kein Kriterium der Nachfragemarktbeherrschung sei; vgl. KG v. 5. 11. 1986, Coop/Wandmaker, WuW/E OLG 3917, 3934. Kritisch zur Auffassung des Bundeskartellamtes auch Köhler, Nachfragewettbewerb und Marktbeherrschung, S. 100 sowie die Monopolkommission, Sondergutachten 14, Tz. 139 ff.
332
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
gleichförmiges Verhalten die Nachfragemenge reduzieren und dadurch günstigere Konditionen und niedrigere Preise bei der Marktgegenseite durchsetzen können. Als eine Form der Marktschrankenkollusion stellt es sich dagegen dar, wenn die Nachfrager auf Dauer von Geschäftsabschlüssen mit den „Stammlieferanten" der jeweils anderen Nachfrager absehen.67 Eine Kollusion der Nachfrager begrenzt im jedem Fall die Ausweichmöglichkeiten der Anbieter, was zu einer Senkung von Preisuntergrenzen und damit zu einer Erhöhung der Nachfragespielräume der sich kollusiv verhaltenden Nachfrager gegenüber den Anbietern führt. Eine Preissenkung kann dabei einerseits durch eine explizit kollusive Reduktion der gesamten nachgefragten Menge erreicht werden, in deren Folge ein künstliches Überangebot geschaffen wird mit der Konsequenz des dann möglichen vertikalen Preisdrucks seitens der Nachfrager. Andererseits kann eine Preissenkung - analog zu oligopolistischen Verhaltensweisen - auch als Folge impliziter Kollusion eintreten. So können die Nachfrager allein deshalb darauf verzichten andere Nachfrager zu überbieten, weil sie mit dem entsprechenden Nachziehen ihrer Konkurrenten rechnen müssen, so daß sich ein Überbieten letztlich nicht lohnt. 68 Insofern kann auch auf der Nachfrageseite mit zunehmender Reduzierung der Anzahl von Nachfragern allein aufgrund der oligopsonistischen Reaktionsverbundenheit ein Übergang von unabhängigen wettbewerblichen Verhaltensweisen zu kollusiven Verhaltensweisen stattfinden. Die aus der Untersuchung oligopolistischer Marktstrukturen gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der kollusionsfördernden bzw. kollusionshemmenden Auswirkungen der verschiedenen Marktfaktoren lassen sich grundsätzlich spiegelbildlich auf das Oligopson übertragen. So bedarf es auch für ein kollusives Nachfrageverhalten einer hohen absoluten und relativen Konzentration auf dem Beschaffungsmarkt. Denn ein Einkaufspreis, der unter dem Marktpreis bei wirksamen Wettbewerb liegt, läßt sich von einer Gruppe von Nachfragern nur dann durchsetzen, wenn diese zusammen einen so hohen Marktanteil halten, daß ihre gemeinsame Nachfragezurückhaltung zu einem spürbaren Rückgang der Gesamtnachfrage auf dem relevanten Markt führt. Eine notwendige Voraussetzung für Kollusion ist gleichfalls eine erhöhte Markttransparenz auf dem Beschaffungsmarkt in Bezug auf Einkaufspreise, Konditionen und Vertriebsleistungen. Nur dann ist gewährleistet, daß kein Oligopsonmitglied im Alleingang Marktanteile gewinnen kann, indem es höhere Preise und ungünstigere Konditionen akzeptiert, da sein Kollusionsbruch sofort bemerkt und durch Nachziehen anderer Oligopsonmitglieder neutralisiert würde. Dennoch ist das Zustandekommen einer stabilen Kollusion auf der Nachfrageseite eines Marktes tatsächlich mit größeren Schwierigkeiten verbunden als auf der Angebotsseite. Zum einen sind die vorgelagerten (Angebots-) Märkte in der wirt67
Vgl. hierzu Hölzer/Satzky, Nachfragemächtige Handelsunternehmen, S. 91. Ein solches Verhalten hätte, ebenso wie umgekehrt das oligopolistische, eine Verminderung der nachgefragten Menge zur Folge im Vergleich zu einem polypsonistischen Verhalten. 68
II. Exkurs: Marktbeherrschende Nachfrageoligopole (Oligopsone)
333
schaftlichen Realität regelmäßig nicht durch eine Vielzahl atomistischer und passiver Anbieter gekennzeichnet, sondern den Nachfragern stehen häufig große industrielle Produzenten gegenüber.69 Entsprechend werden Preise und Konditionen nicht in allgemeingültigen Listenpreisen, sondern in Einzelverhandlungen festgelegt, wodurch die Markttransparenz stark eingeschränkt und eine Kollusion erschwert wird. Besonders problematisch ist das Zustandekommen einer oligopsonistischen Kollusion auf den im Mittelpunkt der Nachfragemachtdiskussion stehenden Handelsmärkten, bei denen die Nachfrager nicht die Endverbraucher der bezogenen Produkte sind, sondern diese selbst wieder als Zwischenhändler weitervertreiben. Handelsunternehmen stehen gleichzeitig auf vorgelagerten Nachfragemärkten sowie auch auf nachgelagerten Absatzmärkten in Wettbewerbsbeziehungen zueinander, so daß sich ein kollusives oder wettbewerbliches Verhalten auf dem einen Markt zwangsläufig auf die Verhaltensweisen auf dem anderen Markt auswirkt. Aufgrund der Interdependenz zwischen den Märkten läßt sich ein Preiswettbewerb auf der Nachfrageseite des Handels, also das Einräumen höherer Preise und ungünstigerer Konditionen nur dann durch Kollusion ausschließen, wenn sich die Unternehmen gleichzeitig auch auf der Angebotsseite kollusiv verhalten und den Preis- und Standortwettbewerb untereinander ausschließen. Besteht zwischen den Handelsunternehmen ein lebhafter Absatzwettbewerb, so schlägt jede Veränderung der Marktanteile auf dem Absatzmarkt unmittelbar auf den Beschaffungsmarkt durch, auf dem es dann jedem Unternehmen darauf ankommt, billiger als die anderen einzukaufen und seine Einkaufskonditionen geheimzuhalten. Das Entstehen einer für Kollusion erforderlichen Interessenharmonie zwischen den Oligopsonisten wird dadurch verhindert. Ohne kollusives Verhalten auf der Angebotseite ist daher kollusives Nachfrageverhalten von Handelsunternehmen regelmäßig nicht möglich. 70 Damit steigt jedoch die Komplexität der für eine stabile Kollusion notwendigen Wirkungszusammenhänge, so daß die Kollusionswahrscheinlichkeit auf hochkonzentrierten Handelsmärkten im Vergleich zu sogenannten reinen Nachfragemärkten von vornherein geringer einzuschätzen ist. 71 Besondere Bedeutung kommt schließlich auch der Ausgeglichenheit der Wettbewerbspositionen zu, insbesondere hinsichtlich der Vertriebsformen und Einkaufspreise der Oligopsonisten. So ist das Zustandekommen einer Kollusion zwischen Nachfragern, die dauerhaft günstigere Einkaufspreise erzielen können oder eine Discountstrategie mit Billigprodukten verfolgen und solchen, deren Einkaufspreise dauerhaft ungünstiger sind bzw. die ein breites Sortiment mit einem erheblichen Anteil an Markenartikeln vertreiben, eher unwahrscheinlich.
69 Vgl. die Untersuchung von Lademann, Machtverteilung zwischen Industrie und Handel, S. 67 ff., wonach in Deutschland auf den Märkten zwischen der Ernährungsindustrie und dem Lebensmittelhandel, bezogen auf einzelne Güterklassen, die Anbieterkonzentration im Durchschnitt größer ist als die Nachfragekonzentration. 70 Vgl. hierzu Köhler, Nachfragewettbewerb und Marktbeherrschung, S. 105 sowie Monopolkommission, Sondergutachten 14, Tz. 146. 71 Vgl. auch Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 214.
334
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß auch Oligopsone eine wettbewerbliche Gefahrenlage darstellen, da die Durchsetzung von Preissenkungen durch künstliche Verminderung der nachgefragten Menge zu allokativen Ineffizienzen führt, weil dann im Vergleich zu einem funktionsfähigen Nachfragewettbewerb zu wenige Güter produziert werden. Auch wenn für die Bestimmung der Kollusionswahrscheinlichkeit in Oligopsonen grundsätzlich dieselben Kriterien wie bei Oligopolen herangezogen werden können, dürfte das Zustandekommen einer stabilen oligopsonistischen Kollusion vor allem auf der Nachfrageseite von Handelsmärkten mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbunden sein. 72 Problematisch ist zudem, daß die Oligopsontheorie noch zahlreiche Unsicherheiten aufweist, vor allem weil es bisher noch keine empirischen Untersuchungen darüber gibt, ab welchem Grad der Nachfragekonzentration eine Kollusion wahrscheinlich wird und ob insoweit tatsächlich ein Wertungsgleichklang mit der Angebotsseite besteht. Allerdings scheinen die eigentlichen wettbewerblichen Probleme, die sich aus dem Vorhandensein weniger großer Nachfrager auf einem Markt ergeben, ihre Ursache eher in vertikalen Machtverhältnissen der einzelnen Nachfrager gegenüber einzelnen Anbietern zu haben, als in der horizontalen Vermachtung und damit im Bereich der Marktbeherrschung. So verfügen größere Unternehmen oft auch ohne marktbeherrschend zu sein allein aufgrund ihres Beschaffungsvolumens über genügend Verhandlungsstärke, um sich einseitigen Preisfixierungen durch die Anbieter zu entziehen.73
I I I . Zusammenfassung Die Feststellung, daß die durch einen Zusammenschluß entstehende neue Unternehmenseinheit bzw. ein am Zusammenschluß beteiligtes Unternehmen einem marktbeherrschenden Oligopol auf dem Referenzmarkt angehört, ist für sich allein nicht ausreichend, damit die Kommission den Zusammenschluß für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklären kann. Wie sich aus dem allgemeinen Eingreiftatbestand des Art. 2 Abs. 3 FKVO ergibt, ist vielmehr erforderlich, daß die marktbeherrschende Stellung des Oligopois durch den Zusammenschluß entweder begründet oder verstärkt wird. Eine künstliche Trennung zwischen dem Innenverhältnis und dem Außenverhältnis des Oligopois läßt sich auch bei der insoweit not-
72 Nach Ansicht von Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, § 24 RdNr. 214, macht die oligopolistische ReaktionsVerbundenheit auf Nachfragemärkten angesichts der nur schwach ausgeprägten horizontalen Komponente des „Nachfragewettbewerbs" viel weniger Sinn als auf Angebotsmärkten, denn ein Nachfrager reagiere im allgemeinen weniger auf Handlungen anderer Nachfrager, als vielmehr auf das Verhalten der Anbieter. A.A. Schütz, in: Gemeinschaftskommentar, Art. 2 FKVO RdNr. 135, der davon ausgeht, daß ein Oligopol auf der Nachfrageseite eher eine beherrschende Stellung einnehme als ein einzelnes Unternehmen. 73
Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 14, Tz. 212 f.
III. Zusammenfassung
335
wendigen Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Marktstruktur nicht widerspruchsfrei aufrechterhalten und ist praktisch kaum durchführbar. Richtigerweise kann es daher nur darauf ankommen, ob durch den Zusammenschluß erstmals ein kollusiver Verhaltensspielraum der Oligopolgruppe entsteht, indem die marktstrukturellen Möglichkeiten für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion auf dem Referenzmarkt geschaffen werden oder ob ein bestehender kollusiver Verhaltensspielraum erweitert oder gefestigt wird, also die Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem Markt noch weiter ansteigt. Auch wenn die Feststellung der Begründung oder Verstärkung einer oligopolistischen Marktbeherrschung stets einer zusammenfassenden Betrachtung der zusammenschlußbedingten Strukturveränderungen bedarf, so lassen sich dennoch verschiedene grundsätzliche Wirkungsrichtungen feststellen, je nachdem, ob es sich um einen horizontalen, vertikalen oder konglomeraten Zusammenschluß handelt. Bei horizontalen Zusammenschlüssen zwischen zwei Oligopolisten führt die marktmorphologische Verengung des Oligopois zu einem unmittelbaren Anstieg der Reaktionsverbundenheit, wodurch sich der Anreiz zur Kollusion erhöht. Gleichzeitig verbessern sich durch die verringerte Teilnehmerzahl sowohl die Möglichkeiten für das Zustandekommen kollusiver Verhaltensweisen als auch für das kurzfristige Aufdecken eines Kollusionsbruchs. Eine generelle Privilegierung von Aufholfusionen kleinerer Oligopolmitglieder ist abzulehnen, da sich eine Angleichung der Wettbewerbspositionen im Oligopol grundsätzlich kollusionsfördernd auswirkt. Der Wegfall eines Oligopolaußenseiters durch Zusammenschluß mit einem Oligopolisten führt zwar meist nur zu einem geringen Anstieg der absoluten Konzentration, hat aber erhebliche kollusionsfördernde und kollusionsstabilisierende Wirkungen, da Fringe Firms häufig die wichtigste externe Bedrohung für eine stabile Kollusion der Oligopolisten sind. Vertikale Zusammenschlüsse unter Beteiligung eines Oligopolisten können die Kollusionswahrscheinlichkeit dadurch erhöhen, daß sie zu einer Angleichung des vertikalen Integrationsgrades im Oligopol und damit zu ausgeglicheneren Wettbewerbspositionen der Unternehmen führen. Die kollusionsspezifischen Gefahren konglomerater Zusammenschlüsse bestehen sowohl in der Angleichung von Ressourcendivergenzen als auch in der Schaffung von Multimarkt-Kontakten. Besondere Aufmerksamkeit erfordert schließlich die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen zwischen Oligopolisten insbesondere auf vor- oder nachgelagerten Märkten, da derartige strukturelle Verflechtungen das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung von Kollusion in vielfältiger Weise erleichtern. Die Kommission untersucht in ihrer bisherigen Oligopolpraxis ausschließlich die Auswirkungen horizontaler Zusammenschlüsse, wobei sie hohe Anforderungen an die für eine Oligopolmarktbeherrschung erforderlichen zusammenschlußbedingten Veränderungen der Marktstruktur stellt. So wurde der Eingreiftatbestand des Art. 2 Abs. 3 FKVO bisher dem Grunde nach fast nur bei Zusammenschlüssen bejaht, die zur Oligopol Verengung auf Dyopole mit Marktanteilen von mindestens 60% führten. Die bedenkliche Uberbewertung des Konzentrationsgrades für das Zustandekommen einer stabilen Kollusion in der Kommissionspraxis zeigt sich
336
6. Kap.: Die Begründung durch einen Zusammenschluß
auch daran, daß Zusammenschlüsse von Oligopolisten mit kleinen Außenseitern bisher durchweg unkritisch freigegeben wurden. Marktbeherrschende Nachfrageoligopole (Oligopsone) spielen in der wettbewerbsrechtlichen Praxis und Literatur nur eine untergeordnete Rolle. So hat die Kommission noch in keinem Fall die mögliche Beherrschung eines Beschaffungsmarktes durch eine Gruppe marktanteilsstarker Nachfrager untersucht. Grundsätzlich sind auf die Erfassung von Nachfragemacht in spiegelbildlicher Weise die gleichen Kriterien anzuwenden, wie auf die Erfassung von Angebotsmacht. Auch die aus der Analyse oligopolistischer Marktstrukturen gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der kollusionsfördernden bzw. kollusionshemmenden Wirkungen der einzelnen Marktfaktoren lassen sich spiegelbildlich auf das Oligopson übertragen. Das Zustandekommen einer stabilen Kollusion auf der Nachfrageseite eines Marktes, insbesondere die künstliche Verringerung der Nachfragemenge durch gleichförmiges Verhalten der Oligopsonisten, ist jedoch tatsächlich mit größeren Schwierigkeiten verbunden als das inverse Verhalten auf der Angebotsseite. Dies gilt vor allem für die praktisch bedeutsamen Handelsmärkte, auf denen das Interdependenzverhältnis zwischen vorgelagerten Nachfragemärkten und nachgelagerten Absatzmärkten die Komplexität der Wirkungszusammenhänge für eine stabile Kollusion potenziert.
IV. Ergebnis der Untersuchung Die europäische Wettbewerbspolitik steht bei der Kontrolle oligopolistischer Märkte vor erheblichen Schwierigkeiten. Grund hierfür ist, daß in diesen Marktstrukturen unter bestimmten Bedingungen wettbewerbsbeeinträchtigende Verhaltensweisen von Unternehmen möglich sind, die mit den kartellrechtlichen Verboten des EGV gar nicht oder nur unzureichend erfaßt werden können. Während die Effizienz des Kartellverbots gegenüber expliziter Kollusion aufgrund des erforderlichen Nachweises einer vorangegangenen Abstimmung zwischen den Oligopolisten sehr gering ist, läßt sich eine implizite Kollusion, vor allem ein bewußtes Parallelverhalten, mit den Wettbewerbsregeln überhaupt nicht erfassen. Daraus kann jedoch noch nicht der Schluß gezogen werden, daß oligopolistische Märkte einer unvermeidlichen kartellrechtlichen „Extraterritorialität" unterliegen. Ein wirksames Instrument zur Bekämpfung spezifisch oligopolistischer Wettbwerbsbeschränkungen ist vielmehr eine präventive Fusionskontrolle, die das Entstehen neuer und die weitere Verengung bestehender kollusionsgefährdeter Oligopolstrukturen durch externes Unternehmenswachstum von vornherein verhindert. Mit der FKVO verfügt die Kommission zwar grundsätzlich über die gemeinschaftsrechtliche Kompetenz zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt. Mit dem normativen Eingreiftatbestand der FKVO kann die Kommission jedoch nur die Entstehung oder Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung eines einzel-
IV. Ergebnis der Untersuchung
337
nen Unternehmens verhindern. Auf den Fall, daß mehrere voneinander unabhängige Unternehmen gemeinsam durch ein aus ihnen gebildetes Oligopol einen Markt beherrschen, ist die FKVO hingegen nicht anwendbar. Die gegenteilige Norminterpretation von Kommission und Rechtsprechung steht im Widerspruch zu den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten gemeinschaftsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen und vermag das wettbewerbspolitisch erwünschte Ergebnis der Erfassung oligopolistischer Marktbeherrschung rechtsmethodisch nicht überzeugend herzuleiten. Um diese empfindliche Lücke im System der europäischen Fusionskontrolle zu schließen, bedarf es vielmehr einer Revision der FKVO. Der Rechtsbegriff des marktbeherrschenden Oligopois ist ein normativer Zweckbegriff, der vom Schutzzweck der Fusionskontrolle und dem ihr zugrunde liegenden Marktmachtkonzept her bestimmt werden muß. Die wettbewerbspolitische Aufgabe der Fusionskontrolle auf Oligopolmärkten besteht darin, die Herausbildung und weitere Verbesserung der marktstrukturellen Voraussetzungen für ein kollusives Verhalten der wenigen Anbieter eines Marktes zu verhindern. Der Begriff des marktbeherrschenden Oligopois kennzeichnet daher eine Marktstruktur, in der eine Gruppe von Unternehmen über einen vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierten, strukturell bedingten Verhaltensspielraum verfügt, sich die Vorteile eines kollusiven Marktverhaltens anzueignen. Die künstliche Aufspaltung des Oligopoltatbestandes in ein Innenverhältnis und ein Außenverhältnis des Oligopois ist dagegen nicht sachgerecht, weil sich beide Bereiche gegenseitig beeinflussen und untrennbar miteinander verknüpft sind. Die Konkretisierung des kollusiven Verhaltensspielraums einer Gruppe von Unternehmen erfordert die Bestimmung der Kollusionswahrscheinlichkeit auf dem betreffenden Markt, indem dieser daraufhin untersucht wird, ob hier ein kollusives Verhalten der Unternehmen zu erwarten ist und auch dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Zu diesem Zweck müssen die einzelnen Marktfaktoren analysiert und danach unterschieden werden, auf welcher Ebene der für eine stabile Kollusion erforderlichen Wirkungskette sie sich kollusionsfördernd oder kollusionshemmend auswirken. Die für eine Feststellung oligopolistischer Markbeherrschung in der Fusionskontrolle erforderliche Wahrscheinlichkeit zukünftigen kollusiven Verhaltens kann schließlich immer nur aufgrund einer zusammenfassenden Betrachtung der kollusionsspezifischen Wirkungen aller Marktfaktoren und deren Beeinflussung durch die zusammenschlußbedingten Strukturveränderungen im konkreten Einzelfall beurteilt werden.
22 Hahn
Verzeichnis der zitierten Konimissionsentscheidungen zur FKVO
I V / M . Datum
Kurzbezeichnung
veröffentlicht in
Entscheidung gemäß (FKVO)
004
07. 11. 1990
Art. 61 lit. b)
08. 02. 1991
WuW/E EV 1611
Art. 61 lit. b)
012
31.07. 1991
Renault/Volvo Fiat Geotech/Ford New Holland Varta/ Bosch Aérospatiale / MBB Mitsubishi/UCAR Alcatel/Telettra CEAC/Magneti Marelli Aérospatiale-Alenia / de Havilland Digital/Kinzle Eridania/ISI VIAG/EB Brühl Tetra Pack/Alfa-Laval VIAG/Continental Can Thomson / Pilkington Elf / BC / CEPS A Courtaulds / SNIA Metallgesellschaft / Feldmühle Nobel Elf Atochem / Rohm und Haas
WuW / E EV 1542
009
AB1.1991L 320/26
Art. 811
017
25. 02. 1991
024
04.01. 1991
042
12. 04. 1991
043
29. 05. 1991
053
02. 10. 1991
057
22. 02. 1991
062
30. 07. 1991
065
19. 12. 1991
068
19. 07. 1991
081
06. 06. 1991
086
23. 10. 1991
098
18. 06. 1991
113
18. 12. 1991
119
14. 10. 1991
160
28. 7. 1992
164
13. 12. 1991
165
17. 12. 1991
166
24. 2. 1992
186
23. 3. 1992
190
22. 7. 1992
202
27. 4. 1992
Mannesmann / VDO Alcatel/ AEG Kabel Torras/Sarrio Henkel/Nobel Nestlé /Perder Thorn EMI / Virgin Music
WuW/E EV 1587
Art. 61 lit. b)
WuW/E EV 1557
Art. 61 lit. b)
ABI. 1991 L 122/48
Art. 8 I I
ABI. 1991 L 222/38
Art. 8 I I
ABI. 1991 L 334/42
Art. 8 III
WuW/E EV 1584
Art. 61 lit. b)
MCR 2912
Art. 61 lit. b)
WuW/E EV 1806
Art. 61 lit. b)
ABI. 1991 L 290/35
Art. 811
WuW/E EV 1626
Art. 61 lit. b)
WuW/E EV 1724
Art. 61 lit. b)
MCR 203
Art. 61 lit. b)
WuW/E EV 1763
Art. 61 lit. b)
WuW / E EV 1749
Art. 61 lit. b)
WuW/E EV 2001
Art. 61 lit. b)
W u W / E E V 1799
Art. 61 lit. b)
WuW/EV 1740
Art. 61 lit. b)
W u W / E E V 1817
Art. 61 lit. b)
WuW/EV 1829
Art. 61 lit. b)
ABI. 1992 L 356/1
Art. 8 I I
W u W / E E V 1836
Art. 61 lit. b)
1 Alle Entscheidungen sind auf der Internet-Seite der Kommission unter www.europa.eu.int / comm / competition / mergers / cases / veröffentlicht. 2 MCR 291 = Kluwers EC Merger Control Reporter, S. 291.
Verzeichnis der zitierten Kommissionsentscheidungen zur FKVO I V / M . Datum
339
Kurzbezeichnung
veröffentlichtin
Entscheidung gemäß (FKVO) Art. 61 lit. b)
206
10. 08. 1992
Rhône-Poulenc /SNIA
WuW/E EV 1983
214
30. 09. 1992
Du Pont/ICI
ABl. 1993 L 7/13
Art. 8 I I
222
12. 11. 1992
Mannesmann / Hoesch
ABl. 1993 L I 14/34
Art. 811
238
23. 12. 1992
Siemens/Philips
vgl. WuW 1993,211
Art. 61 lit c) (Anmeldung zurückgezoge: Art. 61 lit. b)
256
28. 09. 1992
Linde/Fiat
WuW/E EV 1989
258
25. 09. 1992
CCIE/GTE
MCR 891
Art. 61 lit. b)
284
10. 05. 1993
Hoechst/Wacker
MCR 1095
Art. 61 lit. b)
308
14. 12. 1993
Kali+Salz/MdK/ Treuhand
ABl. 1994 L 186/38
Art. 811
310
29. 04. 1993
Harrisons&Crosfield / AKZO
WuW/E EV 2053
Art. 61 lit. b)
315
31.01. 1994
Mannesmann/ Vallourec/Ilva
ABl. 1994 L 102/15
Art. 8 II
320
19. 04. 1993
Ahold /Jeronimo Martins / Inovacao
MCR 911
Art. 61 lit. b)
330
29. 10. 1993
McCormick / CPC / Rabobank / Ostmann
WuW/E EV 2157
Art. 9 III
331
31.03. 1993
Fletcher Challenge / Methanex
WuW/E EV 2030
Art. 61 lit. b)
337
15. 10. 1993
Knorr-Bremse/ Allied Signal
WuW/E EV 2104
Art. 61 lit. b)
354
01. 10. 1993
American Cyanamid/ Shell
MCR 1663
Art. 61 lit. b)
355
08. 09. 1993
Rhône-Poulenc / SNIA (II)
MCR 1165
Art. 61 lit. b)
358
21. 12. 1993
Pilkington-Techint / SIV
ABl. 1994 L 158/24
Art. 8 I I
360
23. 09. 1993
Arvin/Sogefi
MCR 1193
Art. 61 lit. b)
362
15. 09. 1993
Nestlé/Italgel
MCR 1187
Art. 61 lit. b)
368
17.01. 1994
SNECMA/TI
MCR 1319
Art. 61 lit. b)
384
01. 12. 1993
UAP/Vinci
MCR 1269
Art. 61 lit. b)
390
10. 1. 1994
AKZO/ Nobel Industrier
MCR 1307
Art. 61 lit. b)
392
06. 01. 1994
Hoechst / Schering
WuW/E EV 2122
Art. 61 lit. b)
399
03. 02. 1994
Rhone-Poulenc-SNIA / Nordfaser
MCR 1323
Art. 61 lit. b)
422
15. 03. 1994
Unilever France/ Oritz Miko (II)
MCR 1373
Art. 61 lit. b)
442
29. 07. 1994
ELF Atochem/ Rütgers
MCR 1549
Art. 61 lit. b)
22*
340
Verzeichnis der zitierten Kommissionsentscheidungen zur FKVO
I V / M . Datum
Kurzbezeichnung
veröffentlicht in
Entscheidung gemäß (FKVO)
460
06. 07. 1994
Holdercim/Cedest
MCR 1533
Art. 61 lit. b)
475
22. 12. 1994
Shell-Chimie / Elf-Atochem
MCR 1767
Art. 61 lit. b)
477
14. 02. 1995
Mercedes-Benz / Käsbohrer
ABl. 1995 L 211/1
Art. 8 II
478
28. 07. 1994
Voith/Sulzer (II)
MCR 1567
Art. 61 lit. b)
484
21. 12. 1994
Krupp / Thyssen / Riva / Falck / Tadfin / AST
ABl. 1995 L 251/18
Art. 8 II
523
19.01. 1995
AKZO Nobel / Monsanto
MCR 1785
Art. 61 lit. b)
533
10. 02. 1995
TWD/AKZO Nobel-Kuagtextil
MCR 1803
Art. 61 lit. b)
580
18. 10. 1995
ABB/Daimler-Benz
ABl. 1997 L 11/1
Art. 8 I I
603
14. 11. 1995
Crown Cork & Seal/ Carnaud Metalbox
ABl. 1996 L 75/38
Art. 811
605
23. 05. 1996
Hoechst / Klöckner-Werke /Hartfolien MCR 2515
Art. 61 lit. b)
619
24. 04. 1996
Gencor/Lonrho
ABl. 1997 L 11/30
Art. 8 III
630
31. 10. 1995
Henkell / Schwarzkopf
MCR 2215
Art. 61 lit. b)
669 704
11. 12. 1995
Charterhouse / Porterbrook MCR 2261
Art. 61 lit. b)
20. 03. 1996
Unilever / Diversey
MCR 2419
Art. 61 lit. b)
726
09. 04. 1996
Bosch/Allied Signal
MCR 2447
Art. 61 lit. b)
751
03. 07. 1996
Bayer /Hüls
MCR 2577
Art. 61 lit. b)
818
02. 12. 1996
Cardo/Thyssen
MCR 2803
Art. 61 lit. b)
821
09. 10. 1996
Baxter/Immuno
MCR2735
Art. 61 lit. b)
845
Art. 61 lit. b)
911 942
17. 06. 1997 10. 06. 1997
BASF/Hoechst Clariant/Hoechst
MCR 3283 MCR 3249
03. 12. 1997
VEBA/Degussa
ABl. 1998 L 201/102 Art. 811
984
02. 10. 1997
Du Pont/ICI
MCR 3495
Art. 61 lit. b)
1009
10. 11. 1997
Preussag/ Hapag-Lloyd Preussag / T U I
MCR 3555
Art. 9 III
1016
20. 05. 1998
Price Waterhouse/ Coopers & Lybrand
ABl. 1999 L 50/27
Art. 8 II
1044
04. 02. 1998
KPMG/ Ernst & Young
vgl. WuW 1998, 692
Art. 61 lit. c) (Anmeldung zurückgezogei
1080
02. 06. 1998
Thyssen / Krupp
WuW EU-V 74
Art. 61 lit. b)
1127
02. 04. 1998
Nestlé/Dalgety
WuW EU-V 45
Art. 61 lit. b)
1174
11.06. 1998
1219
21.09. 1998
RWE-DEA/Hüls Seagram / Polygram
MCR 4261 MCR 4661
Art. 61 lit. b) Art. 61 lit. b)
Art. 61 lit. b)
1001/
Verzeichnis der zitierten Kommissionsentscheidungen zur FKVO I V / M . Datum
Kurzbezeichnung
veröffentlichtin
Entscheidung gemäß (FKVO)
1225
25. 11. 1998
Enso/Stora
ABl. 1999 L 254/9
Art. 8 I I
1230
07. 08. 1998
Glaverbel / PPG
MCR 4537
Art. 61 lit. b)
1245
30. 07. 1998
Valeo / ITT Industries
WuW EU-V 119
Art. 61 lit. b)
1313
09. 03. 1999
Danish Crown/ Vestjyske Slagterier
ABl. 2000 L 20/1
Art. 8 I I
1342
14. 12. 1998
Knorr-Bremse / Bosch
MCR 4931
Art. 61 lit. b)
1363
05. 02. 1999
DuPont/Hoechst/ Herberts
MCR 5115
Art. 61 lit. b)
1383
29. 09. 1999
Exxon/Mobil
-
Art. 8 I I
1415
17. 03. 1999
BAT/Rothmans
MCR 5325
Art. 61 lit. b)
1430
21.05. 1999
Vodafone / Airtouch
MCR 5615
Art. 61 lit. b)
1524
21. 09. 1999
Airtours / First Choice
ABl. 2000 L 93/1
Art. 8 III
1629
22. 08. 1999
Knorr Bremse / Mannesmann
MCR 6029
Art. 61 lit. b)
1630
18. 01. 2000
Air Liquide/BOC
-
Art. 8 I I
1663
14. 03. 2000
Alcan/Alusuisse
-
Art. 8 II Art. 811 Art. 61 lit. b)
1673
13. 06. 2000
VEBA/VIAG
ABl. 2001 L 188/1
1681
22. 11. 1999
Akzo Nobel / Hoechst Roussel VET
-
1838
27. 03. 2000
BT/ESAT
MCR 6851
Art. 61 lit. b)
1882
17. 04. 2000
Pirelli/Bicc
-
Art. 8 I I
1891
18. 05. 2000
BP Amoco / Castrol
-
Art. 61 lit. b)
2097
31.01.2001
SCA/Metsä Tissue
-
Art. 8 III
2201
20. 06. 2001
MAN/Auwärter
-
Art. 8 II
2498
21. 11.2001
UPM-Kymmene / Haindl
-
Art. 8 I I
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trtverzeichnis Angreifbare Märkte, 294 f. Aufgreifschwelle, 196 ff., 199 ff. Auslegung - des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 67 ff. - grammatikalische, 70 ff. - historische, 88 ff. - rechtsvergleichende, 85 ff. - systematische, 74 ff. - teleologische, 91 ff. - von Art. 2 Abs. 3 FKVO, 67 ff. Ausschreibungsverfahren, 239 Außen Verhältnis, /-Wettbewerb, 121 ff., 162 ff. Bagatellklausel, 75 ff. Betriebsgröße, mindestoptimale, 290 Betriebsgrößennachteile, 280 Betriebsgrößenvorteile, 290 f. Break-Even Point, 216 CEWAL, 139 ff. Cheating, 180 ff. Chicago School, 30 ff. Durchschnittskosten, 290 Eintrittsfähigkeit,/-Willigkeit, 295 ff. Entwicklungsstadium des Marktes, 252 ff. Finanzkraft, 219 ff. Fixkosten, 213 Flachglas (Italien), 136 ff. Fringe Firms, 280 ff. Gefangenendilemma, 179 ff. Gemeinschaftsunternehmen, Bildung zwischen Oligopolisten, 324 ff. Gencor/Lonrho, 158 ff. Gesamtbetrachtungstheorie, 129 ff.
Gesamtkosten, 212 Gesetzeslücke in der FKVO, 98 ff. Gewinnmaximierung, 226, 265, 287 f. Gleichpreisigkeit als oligopolistischer Normalzustand, 122 ff. Großaufträge, 266 f. Harvard School, 30 Herfindahl-Hirschmann-Index, 192 ff. Horizontal-Merger-Guidelines, 192 ff. Industrieökonomik, neue, 178 ff. Innen Verhältnis /-Wettbewerb, 121 ff., 162 ff. Integration, vertikale, 292, 322 Interdependenz, oligopolistische, 19 ff. Interessensymmetrie, 46, 208 Investitionen, irreversible, 293 ff. Kali+Salz / MdK/ Treuhand, 60 ff., 154 ff. Kapazitätsauslastung, 215 ff. Kapitalbindungszeitraum, 303 Knöpfle, 124 ff. Kollusion - Arten, 184 ff. - explizite, 25 f. - implizite, 26 ff. - Kapazitätskollusion, 185 f. - Marktschrankenkollusion, 186 f. - Preiskollusion, 185 f - Wirkungskette, 182 ff. Kollusionsstrategie, 25 ff. Kollusionswahrscheinlichkeit - Analyse der einzelnen Wettbewerbsfaktoren, 190 ff. Konzentration-Gewinn-Relation, 177, 198 Konzentrationsgrad - absoluter, 190 f. - relativer, 208 ff. - Schwellenwert, kritischer, 196 f.
366
trtverzeichnis
Konzentrationsmessung - diskrete, 193 - Maßstäbe, 191 ff. - sachgerechte auf Oligopolmärkten, 193 ff. - summarische, 192 f. Konzentrations-Theorie, 176 Koordinationstheorie, 177 Kosten, irreversible, 293 ff. Kostenstrukturen, 211 ff. Kostenvorteile, absolute, 292, 299 Kreuz-Preis-Elastizität, 249 Marktanteile - asymmetrische, 207 - symmetrische, 206 Marktbeherrschende Stellung - Begriff i.R.d. Art. 82 EGV, 104 ff. - Begriff i.R.d. Art. 2 Abs. 3 FKVO, 110 ff. - Unterschiede zwischen Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle, 111 Marktbindungen, 303 ff. Marktergebniskontrolle, 43 ff. Marktinformationsverfahren, 234 f. Marktmorphologie, 19 Marktphasen, 252 ff. Marktstrukturkontrolle, 46 f. Markttransparenz - Determinanten, 234 ff. - horizontale, 232 - vertikale, 232 Marktverengungsstrategien, 29 f. Marktverhalten der Oligopolisten, 258 ff. Marktverhaltenskontrolle, 35 ff. Mehrsprachenauthentizität, 71 Monopson, 330 Multimarkt-Kontakte, 274 ff. Nachfrage, unternehmensindividuelle, 241 f. Nachfrageelastizitäten, 248 ff. Nachfrageoligopole, marktbeherrschende, 330 ff. Nachfrageseite des Marktes, 264 ff. Nestlé/Perrier, 56 ff. Oligopol - asymmetrisches, 195, 206 ff. - Dyopol, 19 - enges, 20
- Marktform, 18 - symmetrisches, 195, 206 ff. - weites, 20 Oligopol, marktbeherrschendes - analoge Anwendbarkeit der FKVO, 98 ff. - Anwendbarkeit der FKVO, 49 ff. - Begriff im europäischen Kartellrecht, 120 ff. - Begriff i.R.d. Art. 82 EGV, 132 ff. - Begriff i.R.d. Art. 2 Abs. 3 FKVO, 150 ff. - Begründung, 313 f. - Verstärkung, 314 f. Oligopolaußenseiter, 280 ff. Oligopolfriede, 21, 23 Oligopoltheorie, 18 ff. Oligopolvermutung, 76 Oligopson, 330 ff. Parallelverhalten, oligopolistisches - als Indiz für eine Verhaltensabstimmung, 37 ff. - als mißbräuchliche Verhaltensweise i. S. d. Art. 82 EGV, 43 Polypol, 19 Preiserhöhungen, parallele, 259 Preisführerschaft - barometrische, 28 - dominierende, 27 f. Preismeldestellen, 27,126 Preismißbrauchsaufsicht, 44 Preisstabilität, 259 Produktheterogenität, 242 f. Produkthomogenität, 241 f. Reaktionsverbundenheit, 21 f. Ressourcen, 219 ff. Sandrock, 122 ff. Selbständigkeitspostulat, 36 Spieltheorie, 178 ff. Substitutionsbeziehungen zu benachbarten Märkten, 248 ff. Substitutionselastizität, 242, 250 Überkapazitäten, 216 ff. Unausweichlichkeitswirkung, 127 ff.
Stichwortverzeichnis Verdrängungsstrategien, 108, 260 Verfahrensrechte Dritter im Zusammenschlussverfahren, 78 ff. Verflechtungen, 224 ff. Vergeltungsmaßnahmen, 180 f., 183 Verhaltensspielraum - einheitlicher, 107 f. - im Verhältnis zu den Wettbewerbern, 106 - im Verhältnis zur Marktgegenseite, 107 - kollusiver, 172 ff. Verhaltensweisen, abgestimmte, 36 ff. Vertragsziele - Bedeutung für die Auslegung der FKVO, 93 f. - methodologische Klassifikation, 92 f.
- potentieller, 286 ff. Wettbewerbsbehinderung, erhebliche - als Abwägungskriterium, 113 - als quantitatives Kriterium, 116 - als Verhaltenskriterium, 113 - als zeitliches Kriterium, 115 - tautologische Funktion, 117 Wirtschaftliche Verbindungen, 137 ff. Wirtschaftstheorie, 176 ff. Zellstoff, 40 ff. Zusammenschlüsse auf Oligopolmärkten - horizontale, 318 ff. - konglomerate, 323 - oligopolinterne, 324
Wettbewerb - aktueller 280 ff.
- vertikale, 322 durch
Oligopolaußenseiter,
Zwei-Weg-Kommunikationsflüsse, 190
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