Norddeutsche Backsteindome [2. Aufl. Reprint 2020]
 9783112361184, 9783112361177

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DEUTSCHE DOME

Norddeutsche

Backfteindome ausgenommen von

ALBERT RENGER-PATZSCH beschrieben von

WERNER BURMEISTER

Zweite Auflage 1938

DEUTSCHER KUNSTVERLAG/BERLIN

I N H ALT EINFÜHRUNG ........................................................................................................................

7

DER NORDDEUTSCHE BACKSTEINBAU.......................................................................... 8 Bedingungen.................................................................................................................................. 8 Der Außenbau........................................................................................................................ 11

Der Jnnenraum........................................................................................................................... 14 Der Bauschmuck........................................................................................................................... 16

Der Kirchplatz........................................................................................................................... 18

DIE BAUWERKE....................................................................................................................... 19 Romanische Anfänge.................................................................................................................. 19 Zifterzienserbaulen...................................................................................................................... 20

Die Marienkirche in Lübeck.........................................................................................................22 Die wendischen Städte............................................................................................................. 24 Niedersachsen............................................................................................................................... 27

Die Mark.................................................................................................................................... 30 Pommern ..................................................................................................................................... 33 Das Ordensland........................................................................................................................... 35

Schlesien.................................................................................................................................... 41

AUSBLICK.................................................................................................................................... 46 Verzeichnis der Bilder nach Orten........................................................................................... 48

Anordnung und Beschriftung der Bilder besorgte Dr. Werner Burmeister

EINFÜHRUNG Wie ein neuer Baustoff neue Formen schafft, eine eigene Welt künstlerischen Ausdrucke her­ vorzaubern kann, mag selten so stark erlebt werden, wie in der mittelalterlichen Backsteinkunst Norddeutschlands. In zwei Hälften sehen wir durch den augenfälligen Gegensatz des Stein­ materials das deutsche Kulturgebiet der Gotik gespalten, ein südwestliches Deutschland mit Bauwerken aus behauenem Sand- und Kalkstein, und ein nordöstliches, besten Bauten aus gebrannten Ziegeln bestehen. Der Gegensatz des baulichen Eindrucks, sehr allgemein gesprochen links und rechts der Elbe, ist Symptom geblieben für wirtschaftliche und ftammliche Gegen­ sätze bis in die Gegenwart. Nicht genau deckt sich die Grenze mit derjenigen zwischen altem Besitz und wiedergewonnenem Kolonialboden. Das Backsteingebiet der Altmark ist stets niedersächsisches Land gewesen; große Teile Obersachsens und Schlesiens sind Kolonialland, aber Hausteingebiet. Die kirchliche Monumentalkunst des Mittelalters rechnet mit dem gewachsenen, vom Stein­ metzen bearbeiteten Werkmaterial. Auö dem Kulturgut der Antike kam die Anschauung von der überragenden Würde des Steinbaues nach dem Norden. Das Gotteshaus mußte aus steinernen Mauern aufgeführi, durch steinerne Pfeiler und Bögen gegliedert fein. Die Welt prangte „in einem weißen Mantel von Kirchen". Als nun ein mächtiger Auödehnungsdrang, unterstützt durch die Gunst wirtschaftlicher Zeit­ umstände, die Deutschen über die weiten Landstrecken der niederdeutschen Tiefebene vorrücken ließ, erwuchs bald das dringliche Problem, in der hausteinlosen Ebene monumentale Gottes­ häuser zu bauen. Wohl plagte man sich zuerst mit den Granitfindlingen des Bodens ab, hieb sie zu Quadern und türmte aus ihnen zyklopische Werke, doch dann fand, wie stets, wenn ein Bedürfnis unabweisbar sich geltend macht, der Menschengeist die wirklich geeignete Hilfe, die nun in raschem Siegeslauf entwickelt wurde. Das alte Baumaterial der Römer, der im Norden längst verschollene gebrannte Ziegel, wurde aus Oberitalien, wo er feit langem einer entwickelten städtischen Baukultur dienstbar war, auf nordisches Neuland verpflanzt. Die wirtschaftliche Hochflut, welche die nord- und ostdeutschen Neugründungen im 13. und 14. Jahrhundert emportrug, fand in der Baukunst ihren sinnfälligen Ausdruck. Da die Leistung des Deutschtums zu dieser Zeit hauptsächlich in dem jugendlich wagemutigen Volkstum der Neulande lag, kann es nicht wundern, daß man hier auch baulich Außerordentliches, ja wohl das Kraftvollste und Eigenwüchsigste der Zeit findet. Über die zufälligen geschichtlichen Verknüpfungen hinaus gewinnt der Backstein infolge seiner sachlichen Anpassung und Allanwendbarkeit die Bedeutung deö Materials gereifter, zivilisatorisch expansiver Kulturen an sich, er gewinnt sie zurück, nachdem er sie schon zur römi­ schen Kaiserzeit, ja schon in den Großreichen deö alten Orients besessen hatte, aber unter dem hierarchisch-vergeistigten, dem zivilisatorischen Denken fremden Zeitideal des Mittelalters der Vernachlässigung anheimgefallen war. Mit zunehmender Zivilisation hat die Backsteintechnik in neuerer Zeit unaufhaltsam wachsende Verbreitung gefunden. Man baut heute auch in alten Hausteinländern überwiegend aus Ziegeln und wird es weiter tun, wenn nicht einmal die Betontechnik der uralten Arbeitsweise des Maurers das Ende bereitet.

DER NORDDEUTSCHE BACKSTEINBAU Bedingungen Die Baukunst, die sich in der norddeutschen Tiefebene ohne Tradition und Richtschnur er­ hebt, ist eine Schöpfung aus eigener künstlerischer Kraft. Ihre Leistung kann kaum hoch genug

bewertet werden.

Das Material, das fremd und neu war und besten Formfähigkeit erst erprobt werden mußte,

verlangte ein neues Verhältnis zur Umwelt, einen Verzicht, der nicht leicht wog. Bisher war Baumaterial dem Deutschen etwas, was in der umgebenden Landschaft, in Klippen, Stein­

brüchen, im Schutt des Bodens vorkam, zu besten Farbe und Körnigkeit bereits in der Land­

schaft Begleitakkorde erklangen. Dem Material des gebrannten Ziegels aber entspricht nichts in der umgebenden Natur. Das Bauwerk erscheint nicht „dem Boden entwachsen", sondern „darauf hingestellt". Der Backstein hat trotz seiner Schönheit in Farbe und Oberfläche die pein­ liche Eigenschaft, Kunststein zu sein, und das Mittelalter hat den Surrogatcharakter stark emp­

funden, wie besonders die farbige Behandlung des Innenraumes erkennen läßt. Aber das junge Volkstum der niederdeutschen Ebene war zu ehrlich, auch zu selbstbewußt, um deswegen das

Material verleugnen zu wollen. Vielmehr haben die niederdeutschen Meister gezeigt, daß dem

einförmigen Material wahre Wunderwerke an Kraft und Feinheit abzugewinnen waren, wenn man den Backstein seine eigenste Sprache sprechen ließ. Die unbegrenzte Weite der norddeutschen Landschaft zwingt den Menschen, um in ihr zu wirken, große, hart umgrenzte Masten zu formen. Die norddeutsch« Stadt konnte nicht dem

zierlichen Umriß einer fränkischen Stadt ähnlich werden; solche Formen hätten sich gegen den

weiten Himmel Norddeutschlands nicht behauptet, sie würden nicht die harmonische Wirkung haben wie im südlichen Hügellande. Dünn gesät sind in der Tiefebene die Siedlungen. Die

Städte werden von der Natur gedrängt, in ihrem Monumentalbau auf Fernwirkung aus­

zugehen. Als Kaufmannssiedlungen wollen sie bereits auf weite Strecken die Wagenzüge auf der Landstraße und vor allem die Schiffe auf der See wegweisend grüßen. Auch treten im Leben

der Norddeutschen bereits im Mittelalter die Züge intimer Feinheit entschieden zurück gegen Machtstreben und nüchternen Wirklichkeitsstnn.

Wenige, aber starke Akzente bezeichnen das Bild der norddeutschen Stadt. Hoch über allem Bauwerk ragen die wuchtigen Masten der Kirchen. Unter ihnen erhebt sich meistens eine in der

Mitte, die vornehmste und älteste, zu besonders monumentaler Haltung als Hauptheiligtum und weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt.

Zum größten Teil sind die Formen, die so mächtige Wirkung ausüben, auf dem jungen Boden des Koloniallandes selbständig entstanden. Der Versuch, sie aus fremden Quellen zu erklären, griffe in der Fragestellung fehl. Das junge Volkstum, das sich hier im Osten durch

Mischung bildete und zum Bürgertum neuer staatlicher Gebilde verschmolz, hatte von vorn­ herein andere wirtschaftliche und soziale Anschauungen und Ziele als seine Stammverwandten

in den verschiedenen Gegenden Altdeutschlandö. Es gewann sich sein Steinmaterial auf eigene

Weise und holte seine Baumeister aus ganz unbestimmter Richtung, oft von weit her, wie es uns

für die Frühzeit stilistische Anzeichen, für die Spätgotik zahlreiche Baumeisternamen beweisen. Der geographische Spielraum für wandernde Bauleute war hier im Norden infolge der regen Seeverbindungen und der lebhaften Nachfrage nach guten Kräften an den entferntesten Außenposten der deutschen Kultur besonders groß.

Da war einer Durchschüttelung und Mischung entferntester stammlicher Elemente die Tür weit

geöffnet. Die einzelnen Fäden des dicht gesponnenen Geflechtes sind nur in seltenen Fällen noch zu entwirren. Eine formale Analyse der Backsteingotik zum Zwecke eindeutiger Ableitung wird vielfach nicht möglich sein. Aber schließlich, was bedeuten Einflüsse bei einem so kräftig

treibenden Eigenwuchs! Das Rätsel, wie bei dieser Durcheinandcrwürfelung sich hier eine als Ganzes sofort erfaßbare

Baukunst stärkster Eigenart auf einem so ausgedehnten Gebiete aus dem Nichts entwickeln konnte, vermag nur das gemeinsame, alle örtlichen Verschiedenheiten überwindende monumen­

tale Wollen der Eroberer zu erklären, ein überall vorhandener Ehrgeiz voll Kraftbewußtsein

und Opferfreude mit dem Ziel, zum Ruhme der eigenen Stadt, mochte sie noch klein und

ärmlich sein, etwas Großes und Eindrucksvolles im Bau des Gotteshauses zu leisten. Das Bestreben, neugeschaffene Verhältnisse straff zu organisieren, wohnt dem deutschen Menschen inne, und in der jungen Staatenwelt des Ostens prägt sich bald eine konsequente

Gruppenbildung aus. Derselbe fast überall ähnliche Urtyp entwickelt sich in jeder Landschaft etwas anders, der Ausdruckswille arbeitet hier diese, dort andere Züge heraus.

Das Einströmen von Formen aus den Weftländern dauert an, aber der Strom fließt un­ regelmäßig, er überspringt, besonders infolge der Seeverbindungen, manchmal nähere Gebiete,

um in entfernteren stark fühlbar zu werden. Es bleibt, massig unterbaut zwar von den temperament- und blutgebundenen Grundströmungen in jeder Landschaft, ein eigenwilliges und folgen­

reiches Spiel dem Zufall offen. Ein eindrucksvoller Bau, den ein von ferne zugereister Meister irgendwo errichtet, bringt in den traditionsarmen Oftlanden eine Stilwelle aus dem Nichts

ins Rollen. Die landschaftlichen Typen der Backsteingotik wachsen großenteils aus Zufallssamungen, die ein guter Wind einmal dorthin getragen hat. Neben der Aufnahmefreudigkeit für eine

fremde Leistung besteht nämlich im Koloniallande eine in bezug auf schöpferische Kraft nur negativ zu wertende Neigung zur Serienbildung. Ein irgendwo errichteter Hauptbau wird zum Kanon für eine Landschaft, und die Nachahmungen tragen im allgemeinen kaum zur

Höherentwicklung, sondern viel eher zur Reduktion und Vermittelmäßigung des ersten selb­ ständigen Gedankens bei. Über die deutschen Neulande spannt die Kirche ein nur loses Netz geistlicher Versorgung, für

die Erbauung stattlicher Kirchen sorgt der wetteifernde Ehrgeiz der Bauernschaften aus eigenem Antriebe. Die bischöfliche Gewalt spielte im ostdeutschen Koloniallande eine untergeordnete

Roll«, und im Gegensatz zu dem großen kulturellen Einfluß, den im alten Deutschland die Kirchenfürften behielten, haben sie im niederdeutschen Neulande, ärmlich dotiert mit Eigen­

gebiet, auch kulturell wenig bedeutet. Dieses Verhältnis prägt sich im baulichen Bestände der

Kathedralkirchen unverkennbar aus. Lübecks Dom reicht zwar in seiner Anlage noch in glücklichere

Zeiten zurück, kann aber in seiner späteren Entwicklung mit der städtischen Marienkirche nicht

Schritt halten. Von den übrigen Domen des baltischen Norddcutschland sind die meisten von gemäßigter, bescheidener Haltung. Schwerin und Marienwerder sind wohl am großartigsten,

und bei den begrenzten Machtmitteln der Bischöfe sogar höchst anerkennenswerte Werke, die keinen Vergleich mit Domkirchen Altdeutschlandö zu scheuen brauchen.

Das Klosterwesen tritt in das koloniale Ostdeutschland erst in einer entwickelten Spätphase ein,

die wir allein hier suchen dürfen. Nicht mehr die Benediktiner, die Zisterzienser haben eine Auf­ gabe zu erfüllen. Auch baulich sind sie ein Vortrupp monumentaler Ansprüche. Im weiten Gebiet der deutschen Iunglande gründet der Orden eine ansehnliche Menge von Abteien, die meistens zu hoher Blüte und reichem Landbesitz gelangen und prächtige Abteikirchen errichten. Führende

Bedeutung haben sie gerade in der Frühzeit der norddeutschen Gotik, in der die aristokratische Haltung ihrer Kirchen im Gegensatz steht zu der volkstümlichen Derbheit der Kolonistenbauten. Das spätere Mittelalter gehört jüngeren Orden, vor allen den Dominikanern und Fran­ ziskanern, die als Prediger und Seelsorger in den Städten ihre Wirksamkeit ausüben. In ihren

Kirchen herrscht städtisch-rationeller, moderner Geist, sie sind klare Zeugen der geistigen Stre­ bungen und Bedürfnisse ihrer Zeit.

Für die großartige Haltung und Entwicklung der städtischen Pfarrkirche spielte noch ein

anderer Gesichtspunkt entscheidend mit. Dem schnellen Wachstum und jugendlichen Stolz der Städte entsprechend, sollte das Gotteshans ein Repräsentationsstück ersten Ranges sein. Kaum

anderswo hat das Bauwesen ans deutschem Boden so unverschleiert den Charakter des gewollten

Machtausdrucks getragen wie in der Hansestadt des Mittelalters. Aus sachlichen Bedürfnissen, die bei dem außerordentlich schnellen Wachstum der Städte sicher mitsprachen, ist das ununter­ brochene Neubauen, Abbrechen und Vergrößern nicht allein zu erklären. Auch wäre es irrig,

wollte man dem nüchternen Handelsgeist der Seestädte eine alle Stände ergreifende religiöse Erregung znmuten, wie sie in Frankreich den Bau der großen Kathedralen begleitet hat. Den­ noch wetteiferte die Bürgerschaft der Städte in ihrem leidenschaftlichen Gemeinsinn an Opfern zur Erhöhung der Pracht ihres Heiligtums. Das Selbstbewußtsein des hansischen Kaufmanns ver­

langte nach einem sinnfälligen Symbol seiner Macht, und nach mittelalterlicher Weise verschmolz

das Denkmal religiöser Devotion mit dem Ausdruck sozialen Geltungsanspruches des Erbauers. In der Art, wie sich das Streben der ganzen Bürgerschaft auf den Glanz des Hauptheilig­

tums der Stadt als Ausdruck ihrer Größe und Hoheit konzentrierte, liegt eine auffallende

Ähnlichkeit mit den italienischen Stadtrepubliken, etwa Florenz, Bologna und Siena, es liegt darin zutiefst ein Vergleichspunkt mit antikem Empfinden und dem schöpferischen Bürgerftolz

des griechischen Stadtstaates.

io

Der Außettbau

Das Gefühl, das beim Anblick der Backfteindome zuerst den Betrachter überwältigt, ist das Staunen über die gewaltigen Dimensionen dieser Kirchenleiber, deren Riesenwände sich aus so

kleinen, gleichmäßig gefügten Steinen zusammensetzen, und der düstere Ernst, der auö den dunkel vernarbten riefroten Ziegelmauern sich dem Betrachter mitteilt. Er ermißt die zähe, angespannte

Arbeit, die solche Bauten aufgeführt hat. Das Werk der Bauleute erscheint entsagungsvoller, untergeordnet unter die leitende Idee ohne die Möglichkeit eigener variierender Erfindung, wie

sie bei Hausteindomen jeder Strebepfeiler, jedes Profil bot.

Der Sinn ist nicht auf Teilformung, sondern auf das Ganze gerichtet. An Kühnheit des

Wurfes und sicherer Durchführung großangelegter Planungen kann sich den Backsteindomen

in deutschen Landen nur Weniges an die Seite stellen. Das Material begünstigt eine nackte und großzügige Maueraufführung. Man kann sich nicht damit aufhalten, wie beim Werkstein die Oberfläche plastisch zu lockern und ihr den Ein­ druck nüchterner Massigkeit zu nehmen. Zwar wird eö, besonders im Anfang des 15. Jahr­

hunderts, mit mancherlei Mitteln versucht, aber keines kann naturgemäß zu einer Verleugnung der dem Backstein von Natur innewohnenden Wirkungen führen. Nur an einigen Werken

Hinrich Brunsbergs in der Mark wird der nackte Materialcharakter des Backsteins übertönt durch das geistvolle Gespinst des Flächenschmuckes. Doch das ist eine Ausnahme, die sehr reizvoll

wirkt, aber im Sinne der Backsteinkunst fast als ein Abweg zu betrachten ist.

Die Backsteinkunst sucht, wenn sie ehrlich ist, künstlerische Wirkung mit den handwerklichen Mitteln des Maurers, und daß sie diesen Grundsatz aufs konsequenteste befolgt hat, ist der

norddeutschen Gotik größtes Verdienst. Dem gotischen Maurer steht ein Stein von einer Schönheit und Güte zur Verfügung, wie

er uns fremd geworden ist, und er mischt einen Mörtel, der felsenhart bindet. Sein Stolz sind tadellos ausgelotete glatte Mauern und Pfeiler und ebensolche riesenhohe Fensteröffnungen

mit teilendem dünnem Stabwerk, die ins Endlose emporwachsen. Konstruktiv lernt er immer kühnere, technisch vereinfachte Formen finden, mit denen er selbstsicher kokettiert. Mit dem hand­ lichen Backstein vermag er über weite Spannungen phantastisch dünne Gewölbeschalen zu

schlagen, ohne daß es schwerer Widerlager gegen den Seitenschub bedarf. Selbst das offene Strebewerk entfällt in der Spätgotik, ohne daß die Gewölbe gefährdet sind. Grundvorftellung des norddeutsch kolonialen Kirchenbaues ist stets: ein einziger gewaltiger,

möglichst ungeteilter Baukörper, dessen Begrenzung allseitig klar und logisch begründet dasteht, unter Fortfall jeder Verschleierung und Ablenkung durch allzu bewegtes Leben der Teilformen.

Ein Ziel, dem das gotische System mit seinem zerrissenen Wandaufbau nicht entgegenkommt, dem aber vor allem das innerlich unausgeglichene und ruhelose Wesen des Niederdeutschen selbst Schwierigkeiten bereitet.

So bietet auch der Außenbau der Backsteinkirchen eher ein Bild unruhiger Zerklüftung als ruhiger Ausgeglichenheit. Die kantig vorspringenden Strebepfeiler bringen Zerrissenheit in das

Außenbild, und dieselbe, noch verstärkte Wirkung geht von dem den Obergaden umklammernden Strebewerk aus. Unregelmäßige Kapellen, mehrgeschossige Sakristeianbauten, auch Quergiebel­

reihen oder Ziergiebelwände, die die Form des dahinterliegenden Daches verhüllen, dienen der

unruhigen Komplizierung des Kirchenhauses. Die von Süddeutschland eindringende große plastische Form des Riesendacheö der Hallen­

kirche, die dort völlig mit dem Raumgefühl des Stadtbildes und der Behäbigkeit der Giebel­ häuser eines Blutes war, begegnet in den Marken, wo sie vor allem zur Aufnahme gelangt, einem auflösenden Gegenspiel durch bewegte Dachbrüstungen und durch seitliche Anbauten mit zackigen, durchbrochenen Schauseiten.

Man bemerkt, daß die bizarre Phantastik, der Mangel an harmonischer Rundung, dem nor­ dischen Gefühl gemäß war, und daß ausgeglichene, ruhende Formen, wo sie einmal rein zur Anwendung kommen, bald wieder einer hartbrüchigen und spröden Formgebung weichen. Das

liegt nicht am Backsteivmaterial allein, es ist ebensosehr in den inneren Reibungen nieder­

deutscher Menschen begründet. Beide Hauptformen des mittelalterlichen Kultraumes, Halle und Basilika, sind im nord­

deutschen Backfteingebier zu sehr entschiedener Ausbildung gelangt. Da alle Teile des Gebäudes von der Wahl der einen oder anderen Raumform ergriffen werden, teilt sich der Kirchenbau in

zwei verschiedene Übungen, zwischen denen allerdings auch vermittelnde Bildungen stehen.

In der ganzen norddeutschen Tiefebene herrscht an sich die Halle, niedersächsischem Raum­ gefühl gemäß und zutiefst den Kultbedürfniffen, dem Rhythmus, dem Temperament des nord­

deutschen Menschen entsprechend. Der basilikale Kultraum wird nicht im Lande selbst von Anfang gepflegt, sondern von fremden Kunftgebieten eingeführt. Es ist ein gewaltsamer Ein­

bruch in diese geschloffene Welt, als mit Lübecks Marienkirche das hochgotische französische Basilikalsyftem auftritt, dessen Einführung nun im ganzen Küstengürtel bis zum preußischen Ordenslande «inen Kampf, auch ein Sichdurchwachsen und Verschmelzen beider Typen zur Folge hat, wobei nahe der Küste die Basilika vielfach im Übergewicht bleibt, dagegen weiter

im Binnenlande das Hwrschaftsgebiet der Halle zunimmt. Die Mark Brandenburg, die auch von Süddeutschland und Böhmen her starke Strömungen zugunsten der Hallenkirche aufnimmt,

kennt in der Gotik allein diese Form. Schlesien mit seinen schlanken Kirchenräumen, die der

Basilikaidee durch ihre Höhentendenz entgegenzukommen scheinen, kann sich doch auch der in

seinen Nachbargebieten herrschenden Halle nicht verschließen. Das Dach der vornehmen Backfteinkirchen ist in den frühesten Zeiten wohl ein Blei-, dann ein Kupferdach gewesen. Aber das ausgeprägte Materialgefühl der Backfteinbaukunst brachte es

bald dahin, daß auch das Dach mit Hohlziegeln („Mönch und Nonne") gedeckt wurde und so die Kirche bis zum First in das einheitliche Rot ihres Steines gekleidet war, ein sehr befriedi­

gender Anblick. Auch Tmmhelme wurden mit diesen Hohlziegeln gedeckt. An den Chorumgängen

von Schwerin und Wismar hat der Baumeister, um das Dach mit Ziegeln decken zu können, die

einspringenden Winkel durch einen Sturz oder Bogen überbrückt.

So sehen wir, daß im 15. Jahrhundert Wismar und Danzig, Thorn und Breslau ihre Kirchen mit Hohlziegeln decken, während die Hallendächer der Mark Brandenburg nach süd­

lichem Brauch flache Dachziegel erhalten. In den wendischen Städten erhielt sich doch auch das Gefühl für die Schönheit des Kupfer­

daches und die köstliche Wirkung von tiefrotem Backstein und lichtgrüner Kupferpatina, das im

17. Jahrhundert erneute Pflege fand. So hat Lübeck in all seinen Kirchendächern diese Wirkung be­ wahrt, und auch Rostock (mit graugelbem Backsteinton) und Stralsund bevorzugen Kupferdächer.

Hart und in brutaler Wucht steigt im Westen der Turm oder das Turmpaar auf. An gigan­ tischer kompakter Schwere und Steinmaffe nehmen die Türme einen unverhältnismäßig große»

Teil des Bauwerkes für sich in Anspruch. Auch sind die Türme der Teil des Kirchenbaues, in dem sich das Backfteingebiet niemals von der französischen Gotik ernstlich dreinreden ließ, sondern seine eigene derbe Sprache von Anfang durchsetzte. Diese Türme, beginnend mit dem

Turmpaar des Lübecker Domes, sind eigenstes Gut der deutschen Ostseeküste.

Die Türme im Kerngebiet deutschen Backfteinbaueö sind quadratische, starkwandig auf­ gemauerte Körper ohne Strebepfeiler, mit erstaunlichen Ziegelmassen aufgeführt. Die Wirkung

des geschlossenen Klotzes ist beabsichtigt, die Erleichterung der Mauern nach oben findet unsichtbar im Innern statt. Es ist der seit romanischer Zeit in Westfalen heimische Turmtyp, der

hier im Backsteinlande seine großartigste Auswirkung erlebt. Die Ecken versteifen helle Kalksteinquadern — nichts Neues an Türmen diesseits und senseits der Alpen, aber hier durch den

farbigen Kontrast des Steinmaterials ein besonders ausdrucksvolles tektonisches Motiv. Der Helm steigt in der Regel über vier großen Giebelfeldern in einfacher steiler Achteckpyramide mit

Kupferbekleidung zu gewaltigen Höhen empor. Der Osten, Danzig und Thorn, wählt einen Turmtypus der Niederlande, und auch der Südosten, das schlesische Backsteingebiet, bevorzugt einen schlanken Turmtypus mit bis oben

an das Ende des Mauerwerks reichenden Strebepfeilern, dem man eine Verwandtschaft mit den Niederlanden deutlich ansieht, neben einer süddeutsch alpinen Turmform.

So hochragend und vollständig wie in Lübeck findet man keine Turmpaare wieder. Breiter

und klotziger noch werden die Doppelturmanlagen in den anderen Seestädten, zuweilen verschmelzen sie zu einem einzigen breiten Westbau.

Die Einzeltürme sind, wie es auch in Westfalen vorgebildet ist, zumeist von einem Paar seitlicher Kapellen schulterartig flankiert. War in Lübeck außer einigen großformigen Bändern paßförmiger Blenden das Mauerwerk

schlicht, so gehen die östlichen Städte daran, den Turmseiten reichen Blendenschmuck einzufügen.

Ein Feld heiterer und ausdrucksvoller Schmuckfreude ist gefunden. Oder es übernehmen, wie in Wismar und Rostock, die Glasurziegel, den starren Wuchs der Türme mit zierlichem Flächen­ schmuck zu beleben.

Das Mauerwerk der Türme ist meistens gedrungen und überragt das Schiff nur mäßig. Von den riesenhohen Holzhelmen aber haben nur wenige die Seestürmr und Brände von vier

Jahrhunderten überdauert. Auch blieb der Turm, oder von einem Turmpaar einer, in vielen Fällen Torso. So ist denn für das norddeutsche Flachland im allgemeinen nicht die stets er­

neuerte und gepflegte fteilgetürmte Stadtsilhouette von Lübeck bezeichnend, sondern eher das

Bild Wismars, Kolbergs oder Thorns, wo die Turmriesen als unvollendete Stümpfe oder mit niedrigen Notbedachungen, ungefüge klotzige Massen, doch überwältigend mächtig das Häuser­ meer der Stadt beherrschen.

Oben über dem Dachfirst des Schiffes ist um die Türme eine Region von bizarrer Phantastik.

Holz, Kupferbeschlag und nackter Stein bringen da in handwerklich unbefangener Nachbar­ schaft überraschende Formen zustande. Wie seltsam wirken die kupferbekleideten Zugbalken

zwischen den Türmen, wie vortrefflich die umgreifenden Falze der Kupferhelme, die mit steilen Parallelfugen in maßlose Höhen streben, oder auch die dem spröden Blech abgerungenen Hauben-

formen des Barock. Und wie verschieden ist so eine Turmbekrönung in ihrem Verhältnis zum gemauerten Turmunterteil. In ihrer wechselnden Gestaltung hat die norddeutsche Phantasie viel Originelles geleistet in der Spätgotik wie im Barock.

Die Westfront der Kirchen ist eine unzugänglich schroffe Schildfläche, die sich kaum in Por­

talen öffnet, deren Portal jedenfalls kaum den Charakter eines einladend geweiteten Hauptzuganges hat. Die praktisch wichtigsten Portale liegen an den Langseiten und in der Stirnseite der Querarme. In der Ausbildung des Portals findet sich keineswegs der Drang zur mächtig

vorquellenden, sich weitenden Pracht, der die Hausteindome des Westens, besonders Frankreichs auszeichnet — die Backsteinportale haben die Neigung zu spröder Zugeschlossenheit und sind

klein im Verhältnis zu den Kirchenräumen, zu denen sie führen. Sie folgen darin westfälischer und, wie es scheint, auch englischer Tradition.

Der Innenraum Der Raum ist für deutsches Bauen vor allem anderen Gegenstand des künstlerischen Ge­

staltens, ja, man kann sagen, daß für den Deutschen das architektonische Schaffen sich in der Raumgestaltung so sehr erschöpft, daß alles, was sonst noch entsteht, Nebenprodukt ist. So hat

auch, was am Außenbau auffällig und bizarr schien, seine Entsprechung, seine Wurzel und Be­ gründung im Ringen um die Formung des Raumes. Schon hieraus folgt, daß diejenige Raum­ form, die an sich die absoluteste ist, die Halle, für das von Tradition unbeschwerte deutsche Neuland das eigentliche Zentralproblem werden mußte — oder hätte werden müssen. Aber gerade die Basiliken der Küstenftädte sind Räume von höchster Großartigkeit, und wenn wir an

Backsteinkirchenräume denken, haben wir diese am ersten vor Augen. Der Eindruck der Innenräume ist für den, der von der Baukunst des Westens und Südens

herkommt, ganz besonders fremdartig, und mancher wird im Anfang ein erkältendes und be­ drückendes Gefühl vor diesen nackten Riesenräumen empfangen. Statt der umschließenden

Harmonie, der Beruhigung in einer geformten Welt, dem warmen Material des Quader­ steines sind hier Räume von riesenhaften, unfaßbaren und abrupten Verhältnissen, zerrissen

durch klaffende, ungefüge Lichtöffnungen, geteilt durch formlos rohe Pfeiler, umschloffen durch Mauerfiächen von spröder Rauheit. Die Gewölbe, die in schwindelnder Höhe halbdunkel hängen,

sind mager und nackt oder phantastisch brüchige Spinnwebengebilde, sie stehen zu der unteren Wandzone in einem harten Gegensatz, nicht in logischer Beziehung.

Befremdend wirken auch die zahlreichen Zugbalken, die unter dem Gewölbe sich sperren. Immer haftet dem Backfteinbau auch im Innenraume etwas von „Rohbau" im Sinne des

Unfertigen, der Ergänzung Bedürftigen an.

Die ärmliche Nüchternheit der Ausstattung und die Nacktheit, in der die Räume nach Zeiten

der Verwüstung und Verwahrlosung auf uns gekommen sind, trägt viel Schuld an dem oft ungünstigen Eindruck; noch schlimmer aber hat vielfach rigorose Neugestaltung der Restaura­

toren die Unliebenswürdigkeit des Eindrucks gesteigert.

Im 14. und 15. Jahrhundert sahen diese Räume nicht so unwohnlich aus. Die bunte Fülle der vom Leben niederdeutschen Volkstums durchtränkten Geräte und Ausstattungsstücke ließ

keinen Winkel des Raumes öde erscheinen. Hart und sperrig wie der Raum selber prangten da

große und kleine Schnitzaltäre, Chorgestühl, Lettner und Schranken, Triumphkreuzgruppe, Sakramentshaus und Andachtsbilder, alles aus Eichenholz. Weihgeschenke und Beutestücke aus

Kriegszügen kamen dazu, und im 15. Jahrhundert füllten sich rings um den Raum die schmalen Kapellen mit Altären und Votivgaben der Familien und Zünfte.

Das Fremdartig-Hartbegrenzte, Unbeholfene und Ungebändigte war auch in allen Einzel­

teilen des mittelalterlichen Raumbildes herrschend. Vor allem: die Wände und Pfeiler standen nicht im nackten Ziegelrohbau, sondern waren hell

gestrichen in einer die Gliederungen farbig, doch zurückhaltend und locker unterstreichenden Weise,

und ihre Flächen füllten zarte Malereien mit reizvoller Einpassung in die Raumstimmung. Farbige Verglasung war wohl überall verwendet, füllte aber nur ausnahmsweise die ganzen

Fensterflächen. Das Licht, das durch schlicht weiße Bleiruten brach, konnte seine ungebrochene Wirkung entfalten. Wir können uns die Raumwirkung in ihrer einstigen Fülle nur lichtdurch­

flutet und reich vorftellen. Aber die Jahrhunderte der Reformation und des Dreißigi'ährigen Krieges sind mit diesem Reichtum nicht sanft umgegangen, und als man, verarmt und ohne die Möglichkeit, das Verlorene neu zu schaffen, nach all den Verwüstungen den Schaden heilen wollte, half

man sich, so gut es ging. Wirklich wurde durch Verzicht eine neue außerordentliche Schönheit

gewonnen. Der Raum wurde vom Boden zum Gewölbe einheitlich geweißt und eine ärmliche und schwerfällig-plumpe barocke Ausstattung darin aufgestellt. Messingene Kronen und Wandarme ver­

suchten ihm freundliche Festlichkeit zu geben.

Der Gewinn lag in der Lichtstimmung, die in den Räumen zu wundervoller Entfaltung kam. Auf dem neutralen Weiß der Wände entstand ein zauberisches Spiel des Lichtes im Raume, ein

Gegenspiel von warmen und kalten Tönen, Halbschatten und Reflexen.

Für die Würdigung des Raumeindruckes der Backsteindome ist der unrestaurierte Raum, der

noch in verstaubtem Weißanstrich und schlichter weißer Fensterverglasung steht, durchaus maß­ gebend und den beklagenswerten Neufassungen unbedingt vorzuziehen. Der Raum des Backsteindomes ist durchaus vom Licht modelliert und vorzugsweise optisch aufzufassen, wenig Möglichkeit ist proportionalem Wohllaut und taktischem Genießen der be­ grenzenden Massen gegeben. Dem voll und kühl einfallenden Licht sind diese schlichten Achteckund Rundpfeiler, diese entschieden und karg gegliederten Wände und hart eingetieften Nischen ein überaus entsprechendes Spielfeld.

Von den Einzelbildungen des Raumes kann nicht allzu breit die Rede sein. Die Pfeiler

sind kantig und schlicht, die Gewölbe lösen sich in der Spätzeit sehr entschieden von der Wand-

und Pfeilerzone ab und betonen den konstruktionsgemäßen Gegensatz zwischen aufgehendem Mauerwerk und getragener, in Spannung gehaltener Decke in handwerklicher Ehrlichkeit,

welche die doch theatralisch vorgeblendete Funktion der Dienste bald abstreift. Cö wird von den funktionell begründeten Schmuckformen der Haufteingotik alles abgeschafft, was in Wirklich,

keit als nicht passend sich erweist. So fällt das Maßwerk der Fenster, so der Kämpfer der Pfeiler bis auf einen meistens vorhandenen leicht vorspringenden Abschlußring.

Das Betrachten der Bilder lehrt, daß der Backsteinbau dem Chor in seinen großartigsten Werken meistens den festlichen polygonalen Abschluß gab. Es ist gewiß, daß der am Außenbau recht gut wirkende flache Schluß der Oftteile im Innern etwas Verlegenes, einen Mangel an räumlichem Abschluß bedeutet. Seine doch sehr weite Verbreitung erklärt sich aus dem nicht aus­

zurottenden Raumideal der einheitlich schlichten Halle ohne gesonderten Chor. Theoretisch ist dies der beste und folgerichtigste Gedanke der norddeutschen Gotik. Seine Auswirkung ist auch

bis an das Ende des Mittelalters zu verfolgen.

Noch eines mag Erwähnung finden: der Fußboden der Kirchen, der in den ansehnlicheren Städten völlig mit mächtigen Grabplatten aus gotländischem Kalkstein bedeckt ist. Wenig bleibt zumeist von dem ursprünglichen Ziegel- oder Tonplattenbelag übrig. Der Bauschmuck

Es ist kurz auf die schmückende Teilgestaltung des Außenbaues einzugehen.

Der Belebung der riesigen Mauerflächen dienen geputzte Blenden und eingelassene Gitter­

bildungen aus Formsteinen, diese als Horizontalbänder und als rechteckige Felder, die den Por-

talbogen umschließen. Die Blende tritt vor allem in den Turmseiten, an Giebeln und auch an den Stirnseiten der

Strebepfeiler auf. Wo ein großer Ost- und Weftgiebel vorhanden ist, wie häufig in Pommern, Preußen und Schlesien, setzt sich die Gliederung aus senkrecht teilenden Stäben und dazwischen

eingetieften Blenden zusammen, wozu noch oft eine waagerechte Streifenbildung kommt. In

Pommern sind die Blenden zuweilen mit Maßwerk aus glasierten Formsteinen gefüllt, in Ostpreußen wird ein solches häufig durch rot« Malerei auf dem Putzgrunde vorgetäuscht.

Etwas wirklich Bewundernswertes und Einzigartiges ist die schmuckreiche Ausbildung der Ostgiebel der Marienkirchen von Neubrandenburg und Prenzlau. Die riesige Dreiecksfläche

scheint dem Baumeister aufs höchste willkommen gewesen zu sein. In Prenzlau unterdrückt er im Außenbilde geradezu die polygonalen Chorschlüffe der drei Schiffe, um eine große, einheitliche

Oftwand zu erhalten. Die Zier dieser Giebel besteht in einem frei vor der geschlossenen Giebel­ wand stehenden Pfosten- und Maßwerksystem, nicht viel anders, als ob es sich um die Auf­ teilung gewaltiger Fenfterflächen handelte. Man hat bei diesen Giebeln, zumal dem älteren von Neubrandenburg, auf die Weftfaffade des Straßburger Münsters hingewiesen. In Wirk­

lichkeit erfolgte die Anregung von der Normandie aus, die uns in den Türmen von St. Stephan

in Caen sowie in Coutances ähnliche Formen zeigt, und von England, das zu der breit abge­ platteten Form das Vorbild bot. Jedenfalls geschah eine ganz freie Umformung im Backstein­

gebiet der Ostsee, wo junge Kräfte nach eigenem Ausdruck verlangten.

Die riesigen Prunkstücke, berechnet auf eine Wirkung in die Weite, sind frühe Zeugnisse der dem märkischen Kunstkreise eigenen Schmuckliebe.

Einer ähnlichen dekorativen Absicht, die aber auch eine intime Nahwirkung sucht, entstammt das reiche Wandschmucksystem der Gruppe von pommerschen und märkischen Kirchen, die man mit

dem Namen Hinrich Brunsbergs verbindet. Er ist nicht der Schöpfer, sondern der Vollender dieser Kunstrichtung. Der Chorumgang der Marienkirche von Stargard und die Südseite der Stettiner Jakobikirche sehen Brunsberg als jungen Gehilfen eines Meisters, der bereits das System des

Schmuckes voll ausgebildet hat. Brunsbergs selbständige Meisterwerke sind der Chor der Marien­

kirche von Königsberg in der Neumark und das Langhaus der Katharinenkirche von Brandenburg.

Sie stellen den Höhepunkt märkischer Schmuckfreude um die Zeitwende von 1400 dar. Ein selt­ sam träumerisches Beginnen, umwälzend und doch bescheiden, indem es den Baukörper mit einem verschleiert zarten Spitzengewand umhüllt, ohne an seine massige Grundform zu rühren.

Von der Mark aus verpflanzen sich die durchbrochenen Zierwände der seitlichen Anbauten auch an die Ostsee, wo sie natürlich gleich mehr Ernst mit der Dramatik machen. Der gedeihliche

Heimatboden bleibt die Mark und der blutsverwandte mittlere Teil Pommerns. Figuraler Schmuck ist selten. Wo er auftritt, hat er als Ziegelware den Charakter des be­ liebig wiederholten Ornaments. So trägt der Südgiebel der Nikolaikirche in Wismar einen

überaus reichen, reihenweise angeordneten Reliefziegelschmuck, der doch nur zwei Figuren,

Maria und St. Nikolaus, in fortwährendem Wechsel wiederholt. Individuelle Bauplastik, aus geschnittenen und gebrannten Tonblöcken zusammengesetzt, kommt als „Pfeilerfigur" an den Diensten der Chöre in Wilsnack und Stendal, außen an der Weftfassade in Rostock vor. Kleinere

Konsolfigürchen und Köpfe sind nicht selten. Nach Modeln gepreßte oder frei modellierte Relief­

platten treten an Portalen der Priegnitz und des Ordenslandes auf. Hier im Ordenslande hat

man häufig Portale aus Werkstein eingefügt, die aber auch in der Mark vorkommen. Die glatte Fläche zu beleben, dient der ja auch in allen Schmuckformen angewandte Glasur­

ziegel, von schwarzer, dunkelbrauner, ockergelber und grüner Farbe. Im Flächenschmuck kann er

ganze Schichten bilden und so die gesamte Mauerfläche bändern (so an der Rostocker Marien-

kirche), oder es können immer die Binder schwarzglasiert aus tiefbraunem Mauerwerk heraus­ funkeln, wie es in Breslau allgemein üblich ist, auch können einzelne glasierte Binder figurierend

zu einem Rautenmuster zusammengestellt werden, wie es, ein Beispiel von vielen, di« Nikolai­ kirche in Wismar zeigt. Solche Flächenmusterungen, die auch Rosetten, Rauten oder quadrie­

rend fortlaufende Paßmuster und ähnliches enthalten und die zum großen Teil von der eng­ lischen Gotik inspiriert sind, schmücken zuweilen die Giebelfelder der Türme. Bei reichlicher Ver­ wendung glasierter Steine ist die Mauerfläche ein Spielfeld für blänkernde Sonnenreflere.

Starke Wirkungen sind der Backsteinkunft fast immer erwünscht.

Der Kirchplatz

Das kirchliche Backsteinbauwerk liegt selten direkt an der Straße. Man sieht es beim Durch­ wandern der Stadt immer wieder über Häusergiebel ragen, im Blickpunkt einer Gaste, aber nicht nackt am Verkehröplatz — wenigstens durch eine stille, von Bäumen beschützte Zone von

ihm getrennt. Wohl sind vielfach durch Abbruch der eingeschobcnen Kleinhauöreihen die Kirch­

plätze freier geworden, aber an sehr schönen Beispielen, etwa der Nikolaikirche von Stralsund, der Marienkirche von Lübeck, die nur an ihrer Nordseite freigelegt ist, und der Marienkirche von Danzig erkennt man, wie abgeschlossen und fern von Durchgangs- und Platzcharakter der enge Bering um die Kirche war. Es waren Kirchhöfe zur Beerdigung der Toten, und sie pflegten

mit einer nur für die Zugangswege der Kirche unterbrochenen Mauer umhegt zu sein. Es ist kaum nötig, zu erwähnen, daß dieses Verhältnis zur Öffentlichkeit seinen Ausdruck in

der Bauweise finden mußte. Für Sichtbarkeit und Repräsentation werden im allgemeinen gerade die höheren Bauteile, Dachfriese, Giebel, Türme schmuckhast ausgeführt, während der

untere Teil völlig schmucklos ist und besonders im Falle der Freilegung eine sehr kahle und ärm­ liche Figur macht, so daß man oft gut getan hat, ihn durch Anpflanzung von Bäumen wieder

der Sicht zu entziehen. Der mittelalterliche Baumeister arbeitete oft sehr für den besonderen Fall, was den Bauschmuck anbetrifft, über dessen Austeilung er frei entscheiden konnte. Mancher

reiche Querschiffgiebel, manche uns heute unverständliche Abweichung von dem Erwarteten er­ klärt sich aus der umgebenden Lage und der Blickrichtung, in der ein Teilstück allein ausgenom­

men werden konnte. Mit der Neubebauung oder dem Abbruch der einst rahmenden Häuser hat

die Formung ihren Sinn und ihre einleuchtende Begründung verloren. Gärtnerische Anlagen sind völlig gegen den Geist der Plätze um die Backsteindome. Sie ver­

niedlichen und mildern, wo es gerade das Harte und Große gilt. Die Kirche muß auf einem schlichten Erdplatz stehen, über den man nach Bedürfnis gepflasterte Gehsteige legen kann. Be­

sonders köstlich ist der Platz im Süden und Westen der Marienkirche in Wismar, wo der Boden aus roten Backsteintrümmern besteht, Staub vergangener Bauwerke. Hier ist die Einheit mit dem Boden, die dem Backstein unerreichbar erscheint, zum Ereignis geworden.

DIE BAUWERKE Romanische Anfänge

Das Verdienst, die große Tragweite einer Verpflanzung der oberitalienischen Backfteintechnik

auf nordischen Boden zuerst erkannt zu haben, scheint König Waldemar dem Großen von Däne­ mark und seinem Kanzler, dem Bischof Absalon von Roskilde, zu gebühren. Unmittelbar folgt ihnen auf deutschem Boden Waldemars Rivale um die Ostseeherrschaft, der Sachsenherzog

Heinrich der Löwe. Um das Jahr 1200 steht in Niedersachsen, der Mark und den Wendenländern von Wagrien

bis Pommern schon eine ansehnliche Reihe von großen Backsteinkirchen im Bau. Da es hier, in einem kurzen Gang durch die Geschichte und Topographie des deutschen mittelalterlichen Backsteinbaues, darauf ankommt, die künstlerisch und entwicklungsgeschichtlich wert­

vollsten, ferner die für jede einzelne Landschaft führenden Bauwerke herauszunehmen und ihr

Wesen kurz zu charakterisieren, ist es nicht möglich, eine zusammenhängende Darstellung der Formenentwicklung und Formenwanderung zu geben. Die in der Darstellung klaffenden Lücken

mögen ihre Entschuldigung und Erklärung finden in der Wahl des Bildmaterials, das gleich­ falls ohne Rücksicht auf geschichtliche Vollständigkeit einen willkürlichen Griff aus der Fülle des

Stoffes darbietet. Die Domgründungen Heinrichs in Lübeck und Ratzeburg gaben den Anlaß zu den ersten backsteinernen Monumentalbauten. Es waren entwickelte romanische Gewölbebastliken ge­

bundenen Systems; die flache Balkendecke kommt im deutschen Backsteinbau nur als Archaismus vor. Beide Dome sind etwa gleichzeitig begonnen, für Lübeck ist das Datum der Grundstein­

legung 1173 überliefert. Beide folgen zusammen mit Heinrichs gleichzeitig gegründetem Haus­ heiligtum, dem ebenfalls seit 1173 im Bau begriffenen Braunschweiger Dom, dem gleichen, vom Herzog vorgeschriebenen Bauplan, den sie in die neue Technik übersetzen. Es geschieht bei

beiden, dem ungleichen Temperament ihrer Baumeister entsprechend, in verschiedener Weise.

Die freiere, selbständigere Schöpfung ist ohne Zweifel das Lübecker Werk, das den Reigen der

norddeutschen Backsteindome in unvergleichlicher Großartigkeit einleitet. Trotz sehr eingreifender späterer Umbauten hat der Lübecker Dom in seinem Raumbilde etwas von dem ursprünglichen Eindruck des Heinrichsbaues bewahrt. Dieses wuchtig breite Mittelschiff mit seinen raumhaltigen Kuppelwölbungen und dem schweren Schritt seiner Pfeiler

begreift tatsächlich in sich eine kommende Welt, läßt Möglichkeiten ahnen, die in den folgenden Jahrhunderten zu herrlicher Blüte kommen sollen. Es tritt bereits hier, scheinbar sehr bald nach

dem Baubeginn einsetzend, der westfälische Stammescharakter mit seinen Kuppelgewölben und seiner breiten Iochteilung entschieden hervor, der fast ein Jahrhundert lang Temperament und

Haltung des norddeutschen Kirchenbaues bestimmen wird. Der Umbau, der den Dom im

13. Jahrhundert zur Hallenkirche erweitert, scheint nur konsequente Vollendung der schon im ersten Bau geahnten Raumgedanken.

Di« Stilhaltung des Domes ist mannhaft und ernst. Wenn irgendwo dem Backstein «ine heroische Wirkung abgewonnen ist, tief und schlicht wie ein Heldenlied, so ist es im Lübecker Dom.

An der Wirkung des Äußeren trägt das mächtige Westwerk den größten Anteil. Es ist auch

eine besonders schöpferische Leistung, da ein doppeltürmiger Weftbau von solchen Dimensionen,

beiderseits weit über die Breite der Kirche ausgreifend, in der Braunschweiger Planung kaum vorgesehen war. Das westfälische Massengefühl des Meisters scheint hier das Erstlingswerk ge­

formt zu haben, das dann vorbildlich wurde für die Türme der Oftseeküfte bis Stockholm und Äbo. Der Eindruck der Turmfront des Lübecker Domes ist von unerreichter herber Großartigkeit,

packend auch die breite Räumigkeit des romanischen Westbaues, dessen Mauerwerk trotz un­

heimlich klaffender Risse den Zeiten Trotz bietet.

Nicht ohne Schwierigkeit ist das romanische Bild der Dome von Havelberg und Bran­ denburg dem inneren Blick wiederzugeben. Der Havelberger Dom wird erst durch späteren Ausbau ein Backsteindom, sein Kern ist eine herbe Pfeilerbasilika aus Bruchstein. Der Bran­

denburger Dom ist ihm an harter Schlichtheit ähnlich, aber ein reines Backsteinwerk; in seinen Chorfundamenten sollen sich die ältesten Versuche des Backsteinbaueö in Norddeutschland ver­ bergen, die Waldemars Unternehmungen gleichzeitig sind; der weitere, schleppend geförderte

romanische Bau aber kann neben den Großbauten des Löwen nicht als gleichwertig bestehen. Erheblich jünger ist die Bischofskirche Pommerns, der Dom von Kammin. Auch er geht über

eine mittlere Größe und künstlerische Haltung nicht hinaus. Uns mag er ein Beispiel sein für die

entwicklungsgeschichtlich bedeutende Gruppe von weftfälisch-weftfranzösisch gearteten Basiliken

mit quadratischen Kreuzkuppelgewölben, die für den Hauptteil des 13. Jahrhunderts die vor­ nehmeren kirchlichen Bauunternehmungen Norddeutschlands umschließt.

Ein reizvolles Seitenstück zu der wuchtigen Schwere dieser Werke ist die fein«, wohlgegliederte Klosterkirche von Jerichow in der Altmark. Jerichow ist das überraschende Denkmal einer unmittelbaren Versetzung lombardischer Formen auf märkischen Boden. Die Kirche mit ihren

wohlgeformten Backsteinsäulen mit Trapezkapitell, ihrer Krypta und flachen Holzdecke verdankt sicher einer italienischen Bauführung wesentliche Züge. Sie ist einer der ganz starken Eindrücke

reiner Architektur. Infolge der schlichten Strenge seiner Gliederung und der vollendeten Ab­ gewogenheit seiner Verhältnisse wirkt der Raum kunstlos; und gerade dies, die schlichte, un­

merkliche Vollendung, die in sich selber ruht, war das künstlerische Ziel ihres Meisters.

Zisterzienserbauten Auf der Schwelle vom romanischen zum gotischen Formgesetz treten die Zisterzienser als über­

zeugte und selbMchere Verbreiter neuer Bauanschauungen auf. Ihre Werke stehen im Lande

vereinzelt, sie wirken wie fremdartig unerklärliche Wunderblüten.

Die Mark hat in den Abteikirchen von Doberlug und Lehnin zwei schöne Zisterzienserbauten, Pommern ein gleichklingendes Werk in der leider mangelhaft erhaltenen Klosterkirche

von Kolb atz. Es sind edelgeformte, starke, in schlichtem Wohllaut gegliederte Räume von ent­ sagungsstolzem Herrenbewußtsein.

Die schlanken, strebigen Basilikalräume, die sich in der Vierung befreiend weilen, um im

Chorhaupt durch das Halbrund einer Apsis oder eine schlank durchfensterte Chorwand das Raumbild harmonisch zu schließen, sind für die Zeit der eben unter noch romanischem Kleide räumlich geahnten Frühgotik die führenden, doch unerreichbar vornehme Bauten; ein durchaus

wesensgleiches Abbild des Ordens, der so überlegen und unantastbar inmitten des drängenden, blutvoll-primitiven Lebenswillens der Kolonisten seine eigene Welt formte.

Schwer und ernst gleich den anderen frühen Zisterzienserkirchen ist die Ruine von Eldena bei Greifswald; fast ganz zerstört, bietet sie nur der einfühlenden Vorftelluugsarbeit ein künstle­ risches Erlebnis. Der strenge, von Mauergewalten wie von einem ehernen Panzer umschloffen«

Raum taucht für eine wache Vorstellung auf, so mönchisch ernst, wie er in Norddeutschland nicht wieder erlebt wird.

Ganz anders, heiter fast, zierlich und sehnig, strebt der köstliche gotische Bau von Chorin

in der Mark empor, auch er heute eine Ruine. Es ist einer der reichsten Eindrücke künstlerischer Formung, die das Backfteingebiet umschließt. Alles an dem Bau wirkt hochgereckt, schlank und

elastisch, obgleich in Wirklichkeit seine Mauern stark und massiv genug sind. Auch im Bettler­

kleide seines Ruinenzustandes besitzt er die Hoheit und Grazie eines edlen Geschlechtes. Bei Zifterzienserkirchen liegt ein seltsamer Reiz in der Durchdringung gotischer Formen mit

einer noch leise romanischen Grundauffaffung von Pfeiler, Wand und Öffnung. Das ist auch in Chorin der Fall. Man darf nur das Verhältnis von Mauer und Fenfterfläche in der Ober­ wand betrachten oder die Wandgebundenheit der Pfeiler, um den vollen Gegensatz zur Gotik

der französischen Schule zu bestätigen. Auf die bisher ungelöste Frage nach den stilistischen Beziehungen dieses Bauwerkes lautet die

Antwort, wie bei Lehnin und anderen Zifterzienserkirchen Norddeutschlands: Englands Ordens­ baukunst hat wesentlich dazu beigetragen, daß dieses Werk so wurde. Daß int einzelnen, be­

sonders in der Chorgestalt, die Anlehnung an das Mutterkloster Lehnin bestimmend war, ändert nichts an der immer aufs neue zu beobachtenden Erscheinung, daß norddeutsche Zister­

zienserkirchen der Hauch einer fremden Schönheit geheimnisvoll durchwebt, der Schönheit der großartigen, jetzt in Ruinen liegenden Abteien Großbritanniens.

Die Feststellung dieser Zusammenhänge, die nur ein Einzelfall einer weitausgreifenden Zeit­ erscheinung sind, schmälert nicht den Ruhm des feinfühlenden Ordensbruders, der Chorins

Abteikirche erbaute. Ob er ein Deutscher, ob ein Fremder war, ist bei dem regen Austausch von Kräften im Orden ganz ungewiß. Seine Leistung aber ist ein Werk von einer Schönheit, die

selbst durch die Zerstörung noch leuchtet, ein Dokument hoher Mönchskultur.

Di« Marienkirche in Lübeck Die konsequente Gotik im norddeutschen Backfteinbau ging nicht von den Zisterziensern aus, die nur hochwertige Einzelwerke schufen, unpopulär und für die einheimischen Baumeister zu

fremdartig, um sie nachzubilden.

Die jungen Hansestädte sind es, die mit der französischen Gotik als unausweichlichem Zeit­ ausdruck Ernst machen. Und der Bau, der als der erste mit überlegener Kühnheit gleich den treffenden und vollendeten Typus für mehr als ein Jahrhundert prägt, ist die Marienkirche in

Lübeck, die Hauptkirche des machtvollsten bürgerlichen Gemeinwesens im Bereich des baltischen

Meeres. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts hatte ein Brand die Stadt heimgesucht; man nimmt an, daß dieser Anlaß der Bürgerschaft willkommen war, ihre mächtige romanische Hauptkirche

abzubrechen und um ihre östlichen Teile die Mauern eines Erweiterungsbaues emporzuführen.

Was sie zunächst planten, war noch nicht dieser hochragende Basilikalbau, der jetzt steht; es

war eine raummächtige Halle mit weit ausschreitenden Jochen, erwachsen aus der in Westfalen zu jener Zeit aufgekommcnen Modeströmung für Hallenräume, deren Vorbilder im Westen

Frankreichs lagen und den seefahrenden Lübeckern wahrscheinlich nicht unbekannt waren. Man wollte in Lübeck, dem jungen, blühenden Handelsplatz, selbstverständlich das Allermodernste und

Fortgeschrittenste. Gerade diese Forderung aber brachte dem Hallenplan ein rasches Ende und rief seine Umwandlung in den jetzt bestehenden Basilikalbau hervor, der dann mit überraschender

Energie und Schnelligkeit durchgeführt wurde. Dem holsteinischen Temperament entspricht von Natur der breite Hallenraum, der auch in den übrigen Kirchen Lübecks di« Oberhand behalten hat. Wie Schlafmützen sind ihnen die

mächtigen Schleppdächer bis tief herabgezogen. Der Geist, der den Chor der Marienkirche errichtete, kam vom Auslande und wurde durch den

Ehrgeiz der führenden Lübecker Geschlechter herbeigerufen. Er muß die Normandie oder die südlichen Niederlande gekannt haben; er war aber sicher ein Deutscher. Das Werk ist deshalb so bedeutend, weil es zwar das nordfranzösische, und zwar normannische System unbedingt

sicher in seiner Proportion, unverkennbar in jeder Linie, übernahm, aber gleichzeitig, gebunden an die schon bestehenden Bauanfänge des Hallenplanes und an das dem Baumeister ungewohnte Material, etwas ganz'Neues und Zukunfttragendes schuf. Zum erstenmal reckt sich der Kirchenraum zu so gewaltiger Höhe, daß die beträchtliche Längen-

auSdehnung für den Eindruck ihre Bedeutung verliert. Auch die ungewöhnlichen Breitenverhältnisse gehen fast unter; die Höhe des Raumes reißt alles an sich, sie macht den Eindruck so überwältigend. Eine Füll« des Lichtes strömt durch die hohen Fenster auf Wände und Pfeiler,

und reflektiert wieder von den Gewölben. Der weiße Anstrich, der hier bewahrt ist, trägt zu einer schwebenden und verschmelzenden Durchlichtung bei, die der Härte und Sprödigkeit der Formen

gut anfteht.

Ein in jeder Beziehung verändertes Proportions- und Raumgefühl erfüllt den Bau. Die Pfeiler wollen nicht mehr Körper fein, Stützen, auf denen eine Last ruht; — diese Pfeiler be­ stehen für den Eindruck aus elastischem, gleichartigem Stoff mit Oberwand und Decke, aus

einem Stoff, der, wie durch gestanzte Bodenöffnungen in ein bestimmtes Profil gepreßt, bild­

sam und weich emporgetrieben und so erstarrt zu sein scheint. In der Höhe des Arkadenstmses scheint sich die Masse zu stauen und durch ein neues pressendes Profil die Oberwand mit ihren

langen Blendnischen, wiederum rein vertikale Formen, modelliert zu sein, bis dann in der Deckenzone die letzte, endgültig schließende Stauung stattfindet. Der Raum als Ganzes ist höchst einfach, er hat kein durchschneidendes Querhaus; das blieb

dem Bau von dem Hallenprojekt anhaften und trägt zu seiner Außergewöhnlichkeit bei. Es wird nun für Pfarrkirchen auch basilikalen Systems die Querfchifflofigkeit Regel.

Nur teilweise vorhanden ist auch der Kapellenkranz des Chors, der mit dem Umgang zu­ sammengezogen ist. Cs ist beim Anschluß an die überbreit angelegten Seitenschiffe zu einer

Kompromißlösung gekommen. Aber die Fülle des Lichtes, das Ungewohnte des reichen Raum­

abschlusses tun ihre volle Wirkung, wie überhaupt die wundervolle lichte Weiträumigkeit der Marienkirche, wenngleich durch die sich drängenden Prunkstücke ihrer reichen Ausstattung sehr

unterdrückt, doch in ihrer musikalischen Rhythmik immer wieder fühlbar wird.

Der Außenbau ist nicht weniger großartig; hier herrscht eine Schlichtheit und Rauheit, ein Verzicht auf jeglichen Schmuck, die nur ein Gefühl des Staunens vor einer fremdartigen Größe

zulassen. Die Wirkung wird bestimmt durch das Spiel der Massen, in dem in urtümlich wilder

Dramatik gegnerische Kräfte miteinander im Kampfe liegen. Die wüsten Griffe der ungefügen Strebebögen stützen das hochmütige Mittelschiff, das so kalt und unnahbar mit seinen kargen

Mauernischen und Wandpfeilern droben auffteigt, von dem gleich nüchternen und hochmütigen Dache gekrönt; — keine verbindliche Form läßt sich zu dem Betrachter herab. Das Lichtgrün der

Kupferdächer, die mit scharfen, schattenden Horizontalen das Mauerwerk überschneiden, kon­ trastiert gegen das volle, tiefe Ziegelrot in einem prachtvollen farbigen Akkord. Zwei kolossale quadratische Türme recken sich im Westen empor. An ihnen ist nichts Fran­ zösisches, sondern die alte Blutsverwandtschaft mit dem westfälischen Mutterlande hat die Ober­ hand behalten. Geschlossene schwere Mauermassen streben, durch energisch betonte Horizontal­

bänder immer wieder in der Aufwärtsbewegung gedämpft, zur endlichen Freiheit empor, die zwischen vier den horizontalen Bann aufhebenden Giebelfeldern erreicht wird und in zwei hoch­

ragenden Spitzen sich siegerhaft brüstet.

Durch diesen einzigen Bau der Lübecker Marienkirche, den ein Meister, kundig fremder hochentwickelter Formen, aber das neue Material sich erst unter eigener Wandlung erschließend,

an der Trave errichtet, wird der Anstoß zu einer Bauentwicklung an der Ostseeküste gegeben, die einsetzt, sobald der Chor fertig dasteht und die grenzenlose Bewunderung der Oftseedeutschen wie der nordischen Völker erregt. Alsbald beginnen die anderen großen Stadtgemeinden, Stral­ sund zuerst, dann Rostock, etwas später Wismar, aber auch an den nordischen Gestaden Kopen-

Hagen und Malmö, fern im Osten Riga und tief im Binnenland« Stargard, sich geübte Maurermeister zu verschreiben und den Bau zu kopieren, bald in trockener Nachahmung, bald mit schöpferischer Freiheit. Und nicht allein die Stadtkirchen, nein, auch Klofterkonvente und

Domkapitel des näheren Hinterlandes, wie Doberan und Schwerin, errichten Kirchen in An­

lehnung an das Lübecker Erstlingswerk.

Die wendischen Städte

Das „wendische Quartier", das sind die Städte der unmittelbaren Gefolgschaft Lübecks, die Oftseeküfte von Wismar bis Stralsund. Sie und ihr unmittelbares Hinterland bilden mit

Lübeck zusammen das Kerngebiet der norddeutschen Backsteinkunst und den Schauplatz ihrer

kühnsten und großartigsten Bauleistungen. Die Gruppe der wendischen Stadtkirchen steht aber nicht nur den Abmessungen und der technischen Leistung nach an der Spitze dessen, was in dem

ganzen weiten Gebiet des Backsteins in der Hochgotik geschaffen wird, sie hat auch den größten Gedankenreichtum und den hemmungslosen Mut, der vor keiner Aufnahme und Verarbeitung

neuer Formen zurückschreckt. In Lübeck selbst wird der westliche Basilikalraum nur noch einmal zur Tat, in der Kirche des

Franziskanerordcns, dem sein international weiter Horizont es ermöglicht, einen Raum von

ähnlicher Haltung zu wünschen. Im übrigen erweist sich trotz mehrfacher Ansätze, im Domchor,

in der Jakobikirche, die Halle als die stärkere, vom Volksempfinden bevorzugte Form. Die jungen fähigen Kräfte zogen dorthin, wo der Wille der Schwesterstädte ihrer bedurfte, um das in Lübeck stehende Werk in ähnlicher Größe nachzuformen. Daß man sich in der Weiter­

entwicklung und Variation des basllikalen Raumgedankens nicht genug tun konnte, beweist das Anhalten der basllikalen Neubauten großen Maßstabes bis tief ins 15. Jahrhundert.

Zeitlich teilen sich die Basiliken der wendischen Städte und benachbarten Stifte in zwei Gruppen, deren erste die Zeit bis etwa 1360 umfaßt, worauf allgemein eine Ruhepause eintritt. Nach dem siegreichen Kriege der Hansen gegen Dänemark folgt dann die zweite, variierende und

vollendende Gruppe, die von 1380 bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts reicht.

Wir ziehen aber zur größeren Klarheit eine Ordnung nach Raumtypen vor, die sich leicht aus dem Material ergibt. Der Lübecker Marienkirche am nächsten stehen die schlichten, hochgereckten Längsbasiliken mit französischem Kapellenkranz ohne Querschiff. Die Längsseiten und den

Chorschluß begleitet eine ununterbrochene Reihe von Strebebögen, die dem Außenbau eine be­ merkenswerte Steigerung im Ausdruck gibt, da die Bögen noch einen Teil des Außenluftraumes

an den Bau reißen und das Spiel dieser greifenden Riesenarme eine unheimliche Phantastik besitzt.

Die Gruppe wird gebildet durch die Nikolaikirche in Stralsund, die das Lübecker

Vorbild bei Wahrung seiner Eigenschaften bis ins einzelne ins Pommersch-Breite übersetzt, die eintürmigen, aber nach Proportion und Raumgefühl Lübeck am nächsten stehenden Kirchen

St. Marien und St. Nikolai in Wismar, und als späten Nachkömmling, auch außer­

halb des Gebietes der wendischen Städte gelegen, aber sachlich durchaus zu dieser Gruppe zu rechnen: die schöne, bereits ganz spätgotische Nikolaikirche zu Lüneburg.

Eine zweite Gruppe gleichfalls querschiffloser Basiliken ergibt sich aus einer Reduktion des Chorschluffes, der wegen seiner Kostspieligkeit bei den zweiten Pfarrkirchen der Städte ein­ facher gehalten wurde, wobei man den platten Chorschluß bevorzugte. Auch das Strebewerk

wurde oft weggelaffen. Einige ursprüngliche Hallenkirchen wurden zu Baslliken umgebaut und traten dieser Gruppe bei, so die Iakobikirche in Stralsund und die Nikolai­ kirche in Greifswald. Der Hauptbau der Gruppe ist die schöne Iakobikirche in Rostock,

die im Aufbau ihrer Innenwände intereffanie Beziehungen zur gotischen Baukunst Englands zeigt, die hier aber zu einem ganz eigenartigen Raumbilde sich verselbständigt haben.

Die wesentlichste Veränderung, welche die wendische Städtegruppe am Lübecker System

vornimmt, ist der Übergang zur kreuzförmigen Basilika, deren Beispiele die dritte Gruppe zusammenfaßt.

Die Zifterzienserkirche Doberan macht den Anfang, und in höchst bemerkenswerter Weise fast zaghaft, da die moderne, bewunderte Form der querschifflosen Basilika, deren Eindruck

die Mönche sich nicht entziehen konnten, in Widerspruch stand mit der Zisterzicnservorschrift, die eine kreuzförmige Gestalt der Kirche forderte. Die Lösung, die gefunden wurde, ist ästhetisch von wundervoller Wirkung. Im Außenbau ist ein voll ausgebildetes Querhaus vorhanden.

Nicht aber im Innern, wo das Mittelschiff durchgehende Arkaden und Gewölbetraveen hat.

Doch sind die Kreuzarme für das Raumbild nicht verloren: man blickt vom Hauptschiff durch die in lichte Doppelarkaden aufgelöste Wand in die Querarme, die durch eine palmcnschlanke

Mittelsäule zu phantastisch steilen Hallenräumen werden und durch den überschneidenden Rahmen der Wandöffnungen geheimnisvoll und voller Rätsel bleiben. Wenn auch Doberan den französischen Kapellenchor und hochgotische Architekturformen ausgenommen hat, bleibt doch die Zisterziensertradition überall am Bauwerk lebhaft fühlbar.

Eine zierliche und plastisch ausgewogene Gliederung bei fest und kastenförmig geschlossenen Wandmassen; der romanische Unterton des Zifterzienserbauwerkes ist auch hier vorhanden. Das

Werk ist eine hervorragende Offenbarung der Baukunst des Ordens in seiner herbstlichen Reife. Ein ähnlich zwischen reinem Längöbau und Kreuzform stehender Bau ist die Lübecker

Katharinenkirche, das Bethaus der Franziskaner, erstaunlich prächtig und großartig für den Orden der Armut. Dem bisherigen Typus der Bettelordenskirchen steht sie fern, aber die Großartigkeit des hier geschaffenen Raumcharakters wirkt seinerseits bis zu gewissem

Grade typenbildend: in der großartigen Halle der Brüder in Danzig begegnet ein Kirchentyp, der, wenn auch nur im allgemeinen Sinne des Großzügigen und Edelräumigen, auf das

Lübecker Werk zurückgeht. Die ganz vereinzelte, doch von vornherein geplante Zweigeschossigkeit des Chores durch Bildung einer gewölbten, kryptenähnlichen Unterkirche beruht wahrscheinlich auf dem prak-

tischen Bedürfnis nach einem geräumigen, abgeschlossen erhöhten Versammlungsraum, der

so zugleich Psallierchor der Mönche ist, eher benediktinisch-exklusiv als minoritengemäß. Bei Teilnahme an einem Ordenskapitel in einer oberitalienischen Kathedrale mag dem Lübecker Ordensvertreter die Anregung zu dieser ungewöhnlichen Anordnung gekommen sein.

Die von zahlreichen Nischen gegliederte, sehr lebendige Weftfassade ist das besondere Prunk­ stück des Außenbildes, das aber auch sonst mit seinem Zwillingsquerschiff und dem schlanken,

zinnenumkränzten Hochchor höchst wirkungsvoll im Straßenbilde steht.

Die völlige Ausbildung der Vierung durch die in französischen Kathedralen vorgebildete Durchdringung zweier gleichartiger Basilikalsysteme wird im Dom von Schwerin erreicht. Der langgestreckte Dombau, in dessen Mitte so ein reichgegliederter Zentralraum mit kurzen

Armen eingefügt wird, gehört zu den edelsten Raumschöpfungen der norddeutschen Gotik.

Da aber der tiefe Chorraum infolge seines zu niedrigen Obergadenö düster ist und nur den

Vierungsraum eine unvermittelt einströmende Lichtquelle erhellt, so ist dem Dom ein Zug des

Unausgeglichenen, zugleich doch Geheimnisvollen geblieben. Die Rostocker Marienkirche und die Georgenkirche in Wismar haben nur einen

einschiffigen Qucrbau, der wie mit einem gewaltsamen Axthieb die bisher in Brauch gewesene

schlichte Längeform spaltet. Die neue Geschmacksrichtung in den Seestädten für eine stark betonte Kreuzform der Kirche kommt um das Jahr 1400 aus den Niederlanden, wo damals die Großbauten in Backstein mächtig einsetzten und wo das einschiffige, sehr gestreckte Querhaus die landesübliche Form darstellt. Das Aufgeben der Strebebögen, manche neue Einzelformung

und eine verstärkte Wertung des Flächigen begleiten diese Bewegung. Die Spätgotik an der deutschen Ostseeküste steht allerorten unter dem Zeichen der gewaltig ausrückenden Niederlande.

Die Rostocker Marienkirche ist einer der schönsten Räume und vielleicht der zur vollsten Harmonie entfaltete Raum der wendischen Stadtkirchen. Mit ihrer barocken Ausstattung und dem Zauber des Lichtes in ihrem weiß gehaltenen Innern ist sie ein herrliches Erlebnis;

ebenso unvergleichlich ist ihr Außenbild mit dem riesig breiten Kreuzschiff und der schillernden Pracht farbiger Glasursteine auf ihren graugelb und smaragdgrün leuchtenden Mauerflächen.

Der massige, allseits stark ausladende Umriß der Kirche mit seinem ungewöhnlichen breiten Westwerk, das, ursprünglich zweitürmig geplant, später ein zusammenziehendes, leicht ge­ schwungenes Spitzdach mit zierlicher barocker Haubenspitze erhielt, ist für Rostock eine Stadt-

krone besonderer Art. Umgeben von den höheren, schlankeren Türmen der drei anderen Pfarr­ kirchen, blieb ihr dennoch der Schwerpunkt im Stadtbilde. Sie ruhte wie im Schutze dreier lanzenbewehrter Trabanten. Wismars Georgenkirche ist roher und formloser, aber von gewaltiger Wucht des Raum­

eindrucks. Und das gigantische, torsohaft fragmentarische Außenbild wird niemand vergessen,

der es einmal in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit erlebt hat. Wäre ihr Choe und ihr Turm nach Plan vollendet worden — welch ein Bau! Und doch liegt gerade in dem Zustand des Unfer­ tigen, mitten im Werden Erstarrten ein phantastischer Reiz.

Man zögert, zu entscheiden, welche der Städte in der Gestaltung ihres Stadtbildes Größeres

geplant und erreicht hat. Wismars Eigenart ist der Akkord dreier gleich schwerer, gleich gearteter Riesenmassen.

Am Ende steht das großartige Bauwerk der Marienkirche in Stralsund. Der Plan erstrebt hier etwas Vollendetes, die Vereinigung der Schweriner zentralisierenden Kreuzanlage mit der hochstrebenden Schlankheit und Durchlichtung der Hansekirchen. Dazu kommt ein

Turmausbau von ungewöhnlicher Art, reifer und durchgeistigter als bisher. Wahrscheinlich

das gestaffelte Bild englischer Kathedralen (Weftbau zu Ely) hat dieser Weftwerkanlagc Anregungen gegeben, und der neuartige Übergang zum Achteck im Hauptturm entstammt dem Aufbau flämischer Stadttürme.

Das Kircheninnere ist ein schlank aufstrebender harmonischer Raum von mehr verharrendem

als zügig bewegtem Ausdruck. Die so oft verurteilten, nur noch breite, formlose Raumnischen darstellenden Chorumgangskapellen — auch die zerteilten Fenster ihrer Seiten, die, etwas

phantastisch, für das Außenbild die Illusion verschwindender Kapellenseiten andeuten wollen — erhalten ihre Berechtigung durch die vereinfachende, einem klar begrenzten Außenkörper zu­ gewandte Grundidee des Bauwerkes. Sie sind die konsequente Endform der immer mehr

vereinfachten Kapellenkränzc. Die Art der Lösung ist pommersch. Nur hier ist die Liebe zu großflächiger Schlichtheit der Formen so ins Extrem getrieben, daß Zartheit und organische

Fühlsamkeit um einer kriftallhaft einfachen Großform willen beiseite gesetzt wird.

Der große und schöne Raum der durch Kriegsschäden und Brand verödeten Kirche ist ein besonderes Erlebnis infolge des Reizes seiner lichtdurchströmten Weite, Ergebnis einer nur der Spätgotik eigenen, unter Vernachlässigung der Einzelbildung feinfühlig das Ganze

formenden Raumkunst. Das Stadtbild Stralsunds ist von hinreißender Wucht der Erscheinung. Zerzaust von einer bewegten Geschichte, bietet es noch heute ein Bild heroischer Kraft. Niedersachsen

Anders als im Bereich der wendischen Küstenstädte stellt sich die Baukunst im niedersächsischen

Gebiet dar, das die Altmark mit Stendal, die Unterelbe mit Hamburg und die Lüneburger Heide mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt umfaßt. Der von Natur ärmeren Landschaft ent­

wuchs eine knorrige, gedrungene und fast geizig begrenzte Architektur. Die Halle wird hier mit konsequenter Formkraft einseitig und fast uniform ausgebildet; dennoch ist der Reichtum an

architektonischer Haltung und Raumstimmung bunter und wechselnder als im Küstengebiet. Man versteht sich hier auf die Herausarbeitung feiner Unterscheidungen.

Die Iohanniskirche in Lüneburg ist das älteste, weithin als mustergültig anerkannte Bauwerk dieser Familie. Es ist eine allmählich erweiterte, zuletzt fünfschiffige Halle von breiten

und gedrungenen Verhältniffen. Die Breite übertrifft die Längenerstreckung. Jedes Seiten­ schiff schließt mit einem eigenen Polygonchörchen.

So ist hier ein Raumtypus geschaffen, der zu der Straffheit und Apialität küftenländischer

Basiliken in stärkstem Gegensatz steht. Der Lüneburger Raum hat wenig RichtungS- und

Bewegungsbetonung. Er ruht breit und schwer auf seinen vier Pfeilerreihen unter weit­ gespannten, niedrigen Wölbungen, ein dämmeriger, ungefähr quadratischer Pfeilersaal.

Wie die Lübecker Marienkirche ein weithin vorbildlicher Musterbau, mußte die Johannis­

kirche doch, dem Schoße des konservativsten und für fremde Einflüsse unempfänglichsten Volksstammes entwachsen, ihrem Wesen nach jenem Denkmal traditionsloser Kolonialkultur entgegengesetzt sein. Der Hallenraum mit Rundpfeilern kommt aus Westfalen — der Versuch,

sein Werden zu analysieren, würde uns freilich ebenfalls über das Meer hinauszublicken zwingen, gegenüber den Formen der Lübecker Marienkirche aber dürfen wir die Lüneburger Halle als eine längst bodenständige Form ansehen. In der ragenden Wucht des Turmes der Johanniskirche, der als übergewaltiges Wahrzeichen

der Salzstadt den Hauptplatz des „Sandes" zu seinen Füßen beherrscht und über weite Land­

strecken ihre Macht verkündete, sehen wir einen niedersächsischen Bruder des Soester Patroklusturmes. Beide reckenhaften Stadttürme sind nach Wuchs und Bedeutung eines Blutes.

Stendal ist der Mittelpunkt des altmärkischen Kunstgebieteö. Der Dom ist in seinem heutigen Bestände außer den noch romanischen Türmen ein spätgotischer, erst im Jahre 1423 begonnener Neubau. Sein Bau wiederholt den Plan der vierzig Jahre vorher begonnenen Wallfahrtskirche von Wilsnack in der Mark. Obgleich die räumlich schwierige Vereinigung der kreuzförmigen Ostteile mit der Halle des

Langschiffes eine einheitliche Raumwirkung erschwert, erreicht der Dom doch ein Jnnenbild

von hehrer Großartigkeit, in der die Schönheit beider Raumformen, die konzentrierte Ge­ schlossenheit des Chorhaupteö und die ruhige Gelassenheit des Hallenschiffes, ihre Wirkung vereinigen. Was besonders wohltuend an dem Bau spricht, ist die für die Altmark bezeichnende

gediegene Durchformung. Leider hat eine radikale Restauration den Stendaler Dom um seinen räumlichen Reichtum gebracht. Unter der jetzt geschaffenen korrekten Nacktheit fällt eö schwer, sich den geschichtlichen Raum in seiner lebendigen Fülle vorzustellen.

Einige Jahre vor dem Dom begonnen und vollendet, steht neben ihm als mindestens gleich­

wertiger Konkurrent im Stadtbilde die Marienkirche, die Hauptpfarrkirche der Bürgerschaft,

deren straffes Turmpaar hinter dem schönen Rathaus auf den Markt herabschaut und mit ihm

den baulichen Höhepunkt Stendals bildet. In ihr vollendet sich die einheitliche Schönheit des

altmärkischen Hallenraumes. Nicht locker und zufällig, wie bei der Johanniskirche in Lüne­ burg, sondern straff, einheitlich und werkgerecht bis zum Letzten.

Alle Kräfte kreisen ohne Ablenkung und Zersplitterung im ringsum harmonisch geschloffenen,

in weihevollem Gleichgewicht sich rundenden Raum. Weich gleitet die Raumflucht um einen köstlichen Halbkranz hehrer Rundpfeiler, das Chorhaupt ist wie ein Kuppeldom; Stimmung

ruhevollen Bleibens gießt der Raum über den Betrachter aus. Die Marienkirche in Stendal ist der klassische Vertreter der reifen altmärkischen Gotik.

Eine ähnlich milde Stimmung umfängt uns in der Stephanskirche in Tangermünde, ausgezeichnet durch ihre beherrschende Lage über dem Elbufer und im Straßenbilde der Stadt und durch die schmuckhafte Durchformung ihrer Außenseite, deren Höhepunkt die beiden spät­

gotischen Querschiffportale darstellen. Das Innere des Langhauses aber fällt durch seine reich profilierten, der Greifswalder Marienkirche und letzten Endes englischer Gotik verwandten

Pfeiler auf. Steil und schmal, in noch ganz romanischen Verhältnissen, wachsen die Turmpaare der beiden Stendaler Kirchen, wie das von Tangermünde und manche andere, empor. Die gotischen

Erneuerungen haben die Abmessungen des romanischen Werkes übernommen. Sie tragen zu

dem Ausdruck wacher Aufgerecktheit und Gespanntheit, den die allmärkischen Kirchen machen,

Wesentliches bei und lassen den Zug beharrlicher Schwere in den Körpern der Kirchen übersehen, die doch auch im Inneren mit einer reisigen Gestrafftheil in reizvollem Widerstreit liegt.

Gemütlich breit lagern die Kirchenbauten der alten Heidestadt Salzwedel, wo sich ein

besonderer Typ herausbildet. Erdverwachsen und locker gruppiert, fast wie zusammengesunken träumen ihre Kirchen im Kranze alter Lindenbäume. Das Innere der Marienkirche gehört mit seinen beiderseits verdoppelten Seitenschiffen, dem breiträumigen Chor und Kreuzschiff und den im Westen um den uralten Rundturm durch Umbauung entstandenen abgesonderten Raum­ teilen zu den Kirchenräumen von allergrößtem malerischem Reiz. Ein Fremdling auf niedersächsischem Boden ist der schlanke und kurze Basilikalbau der

Lüneburger Nikolaikirche, der in das westelbische Hallengebiet die Form der baltischen Basilika noch im 15. Jahrhundert einführt, in einer spätgotischen und, wie es scheint, ostdeutsch

veränderten Formhaltung. Das Vorherrschen der konkaven Elemente in der Raumwirkung,

vorgetragen mit einer Betonung des Spitzigen und Unruhigen, auch in der Lichtführung, mag auf Erfahrungen des Meisters in Böhmen zurückgehen. Hamburg, das in seinem Dom einst ein höchst wertvolles Denkmal früher Backstein-

baukunst besessen hat, trägt heute, nachdem fast alle seine mittelalterlichen Kirchen durch Abbruch und Brand zerstört sind, nur wenig zu dem Reichtum deutscher Backsteinbaukunst bei.

Seine Pfarrkirchen zeigen einheitlich den niedersächsischen Hallentyp. Um so bedeutender ist die

Leistung der Stadt in der barocken Großen Michaeliskirche, dem fast einzigen monumentalen Backsteindom Norddeutschlandö aus nachmittelalterlicher Zeit. Am Rande des norddeutschen Backsteingebietes liegt das Stammesgebiet der Friesen und

Holsten. Beide haben in Backstein gebaut, aber der schweren Natur dieser Stämme ist nicht die Gabe der Befreiung im Kunstwerk verliehen. So fehlt es fast ganz an monumentalen

Bauleistungen.

In Bremen und Verden und den umgebenden Landstrichen mischt sich der Backsteinbau mit der Verwendung des gewachsenen Steins. Ein sehr wertvoller Bau ist die Ruine der

Zifterzienserabtei Hude in Oldenburg, deren Reste die gleiche Einstellung bekunden, welche die

Bauten des Ordens in ganz Norddeutschland auözeichnet.

Holsteins Baukunst ist ohne ausgeprägte Eigenart, es setzen sich in ihr die Züge des südlich anschließenden Lüneburger Landes, doch mit einem düster-großartigen normannischen Einschlag, fort, bis im Norden eine Berührung mit der dänischen Baukunst einiritt.

Di« Mark

Der ausgedehnte Binnenlandskomplex der Mark Brandenburg ist kein einheitliches Gebiet.

Das märkische Land ist nach allen Seiten hin Übergangszone, ein Zentrum fehlte ihm im Mittelalter. Seine Hauptplätze: Brandenburg, Frankfurt, Prenzlau, liegen vielmehr am

Rande. Der Charakter des märkischen Bauschaffens unterscheidet sich von dem der Küste wie die Stille

märkischer Seen und Föhrenwälder von der rauhen, vollsaftigen Bewegtheit der Gegend am Rande der Ostsee. In der flimmernden Luft der märkischen Landschaft stehen zartere, eigenwillig umrissene Architekturformen. Paarige Türme von verhaltenem Wuchs, fein durchbrochene gestaffelte Giebel und Zinnen, die den Umriß phantasievoll lockern, ohne doch die große, von

einem riesigen Satteldach zusammengehaltene Form ernstlich anzugreifen. Es ist eine eigen­

tümliche Stille und Feinheit in allem, was die Mark Brandenburg hervorbringt.

Soviel vom Äußern, auf das die zarte, lichtdurchflutete Einbettung des Bauwerkes in die Landschaft zuerst die Aufmerksamkeit lenkt. Aber die Mark Brandenburg ist vor allem ein

Baugebiet von gepflegter Innenraumsorm. Die Halle, die hier, abgesehen von den Werken der Frühzeit, etwa den Zisterzienserkirchen, die Alleinherrschaft hat, ist zur letzten Konsequenz,

nämlich zu einem länglichen ungeteilten Einraum geführt, bei dem selbst die Trennung von Chor und Langschiff grundsätzlich aufhört, eine Rolle zu spielen.

Ein schöpferisches Werk steht, wie gewöhnlich, am Anfang, die Marienkirche in Neu­ brandenburg, an der Grenze zwischen märkischem und pommerschem Einflußgebiet. Ein

Bau, der die konsequente Verkörperung einer einheitlichen Idee darstellt. Es ist ein regel­ mäßiges Rechteck von 9 Jochen, dem der ältere Westbau völlig eingepaßt ist, so daß der Turm

aus dem großen, nicht allzu steilen Satteldach herauswächft. Auch im Osten schließt der Bau in seiner gesamten Breite gerade ab. Die vier Ecken des Rechtecks sind durch Treppentürmchen betont.

Harmonische Mäßigung und Klarheit sowohl in der Durchbildung aller Außenflächen, unter

denen die Ostseite mit einem mächtigen, schmuckreich durchgebildeten Giebel besondere Auf­

merksamkeit verdient, wie im wohlräumig-gelassenen und disziplinierten Innenraum geben dem Bau eine Sonderstellung. Das Weihedatum des Chores 1298 macht ihn zum frühen Schritt­

macher seines Typs. Pfeilerform, Fenstermaßwerk und Portale sind unmittelbar aus der Hausteinpraxis geschaffen. Die Formen weisen nach Westdeutschland, daneben macht der

skandinavische Norden, dessen Dom von Linköping zunächst auf die verwandte Marienkirche

in Greifswald einwirkt, Ansprüche geltend.

Neben der stillen Festigkeit der Neubrandenburger Kirche steht ihr Tochterbau, die Marien­

kirche in Prenzlau, stolz und hochgereckt, reicher und komplizierter, ganz backsteingerecht,

aber auch abstrakter in der Formung. Die Kirche beherrscht mit ihrem alle Register backsteingemäßer Flächenzier meisternden Ost­

giebel in hinreißender Wirkung den großangelegten Marktring. Der leicht vibrierende Umriß

nimmt dem massigen Kirchenkörper alles Dumpfe und Schwere. Das plastische Leben an der

riesigen Schauwand ist unfaßbar reich, von den wechselnden Streben- und Fensterintervallen

des Unterbaues zu dem unmerklich leisen Rhythmus, der die Giebelaufteilung beherrscht und

so leicht über die Gefahr der Gleichförmigkeit triumphiert. Zudem, welche malerischen Quali­ täten! Alles funkelt und blitzt und spielt von Hellen Putzflächen zu Rot, Grün und Schwarz. Dazwischen fressen sich Schattentiefen aller Nuancen in die Wand, graben hier tief ein und

bleiben dort leicht an der Oberfläche. Zierliche Wimperg- und Fialenreihen setzen das Spiel längs

der Langseiten fort bis zu dem rassigen Turmpaar, dessen untere Hälfte ein Bau ganz aus

Granitquadern ist, das eindrucksvollste Werk der frühen Feldsteinarchitektur der Mark.

Das Innere, schlanker und leichter als der Raum von Neubrandenburg, strebt hemmungslos

mit vertikalen Linien aufwärts, die sich ohne Betonung des Kämpfers in die Scheidbögen und Gewölberippen verzweigen. Der Raum ist einheitlich, licht, weiträumig und wohlgestaltet, eine vollendete Leistung, die freilich auch etwas Kühles, allzu Regelrechtes hat. Der Prenzlauer Meister stellt einen neuen Kanon der Hallenschönheit auf. Die Stadt Brandenburg, die eine Vorrangstellung unter den märkischen Städten als

kirchlicher und bürgerlicher Mittelpunkt beanspruchen darf, fehlt in der reifen Gotik nicht mit bedeutenden Kirchenbauten. Die Altstadt errichtete die schöne St. Godehards-Kirche, die mächtigere Neustadt aber den großartigen Bau der Katharinenkirche, deren Plan Hinrich

Brunsberg von Stettin entwarf und größtenteils ausführte. Die Havelstadt verpflichtete sich

den besten Meister, der damals auf märkischem Boden zu finden war und der soeben den Chor der Kirche von Königsberg in der Neumark erbaut hatte, durch den er sich den Brandenburgern empfehlen mochte. Die Katharinenkirche wurde der Musterbau und Gipfelpunkt der branden-

burgischen reichen Gotik um 1400. Zugrunde liegt der Gesamtform der süddeutsche, in Schwaben zuerst ausgebildete Hallenraum mit vieleckigem, von flachen Kapellen begleitetem Chorschluß. Er ist hier zur vollendeten Einheit

im spätgotischen Sinne geführt, nach Gesetzen, für welche die Rücksicht auf den Raum und sein Eigenleben zuerst maßgebend ist. Mauerwerk und Pfeiler scheinen Restbestände, Resultate einer

aggressiven Formungsarbeit des leeren Luftraumes. Der Rundpfeiler ist zum schlanken Achteck abgefeilt; die Gewölbedecke des Mittelschiffes geht bereits leicht ins Netzgewölbe über in einer

Formung, die an die Wölbung des Prager Domchors erinnert. Diese Rippenführung verwischt die Jochtrennungen und gibt dem Raume etwas köstlich Gleitendes und Einheitliches. Dem

Eindruck räumlicher Geschlossenheit dient auch in höchstem Maße die Gliederung der Wände, denen zwischen den eingezogenen Strebepfeilern so etwas wie die illusionistische Proi'ektion

äußerer, kulisscnhaft zerdrückter Seitenschiffe eingefügt ist, wie zum Einsammeln aller noch

verfügbaren Kräfte zugunsten des Raumeindrucks. Was die Kaiharinenkirche berühmt macht, ist aber ihr Außenbau. Das System der Einziehung

der Strebepfeiler beraubte das Außenbild der plastischen Gliederung. Schon vor Brunsberg

war in Pommern der Gedanke einer flächigen Lockerung der entsprechenden Außenwandftreifen gefunden worden. Brunsberg führte diese Dekoration zur Vollendung und gab ihr statt der

zuerst gezeigten harten Flächigkeit eine vielfältige körperliche Tiefe, Weichheit und Licht­ modellierung. Nordische Phantasie vermählt sich in seinem Werk mit der schmelzenden Model­

lierung südostdeutscher Kunst. An der Brandenburger Katharinenkirche, dem Aufbau ihrer Langhausseiten und mehreren zierlichen Anbauten, deren schönster die geistvolle Marienkapelle der Nordseite ist, feiert die märkische Lust an überreicher Flächenzier wahre Feste. Leider ist nicht alles erhalten; man muß sich noch einen zierlichen Wimpergkranz freistehend über dem Haupt­

gesims dazudenken, durch deffen stichbogig überbrückte Intervalle die Dachschräge in schmalen

Zungen durchging. Nicht zu vergessen ist der farbige Reiz dieses Außenbildeö mit überreichem funkelndem

Schmuck grüner und schwarzer Formziegel zwischen dumpfrotem und düstergelbgrauem Mauerwerk. Dem westlichen Zentrum Brandenburg entspricht ein östliches: Frankfurt an der Oder.

Seine Marienkirche ist nicht weniger eindrucksvoll als die bisher genannten Bauwerke, aber ein Kind anderer, herber Umgebung, von einem ungefügeren, dem Barbarentum näheren

Schönheitsempfinden. Es ist ein Bau der Spätgotik, dessen Ausbau als Halle 1494 abge­ schlossen ist, dessen seitliche Erweiterungsbauten sich bis 1522 fortsetzen. Durch ein Paar von

trutzigen Türmen in der Art Lübecks, doch mit Zinnenkranz und kleinem Spitzhelm gekrönt,

wurde der schwere Bau zu mächtig beherrschender Wirkung emporgerissen. Nach Zusammen­ sturz des einen Turmes bildet der andere zusammen mit der buckligen Masse des Kirchendaches

eine Baugruppe von burgartig fremd anmutendem Umriß.

Der dämmernde Pfeilerwald des Innern, der im harmonisch durchlichieten Chor befreiend

ausklingt, läßt einen mittelalterlichen Raum von hohen Reizen ahnen, zumal die Ausstattung hochwertig und reich war. Der jetzige Zustand ist unter Einwirkung des Klassizismus mager und akademisch geworden. Gerade ein Schinkel durfte diesen Raum nicht umformen, er »ahm

ihm das Urwüchsig-Rauhe, das diesem Werk erhöhten Reiz verlieh. Ein Bau ganz besonderer Art ist die Kirche von Wilsnack nahe Wittenberge. Sie wurde

unmittelbar nach einem 1383 geschehenen Blutwunder als großzügiger Neubau an Stelle eines

Dorfkirchleins begonnen, und zwar zu dem ausgesprochenen Zweck einer Wallfahrtskirche, um große Menschenmassen aufzunehmen und ihnen die Verehrung der drei die Blutstropfen umschließenden Hostien zu ermöglichen.

Bis zum Ende des Jahrhunderts war der Bau im wesentlichen fertiggeftellt; ein weiterer Ausbau im Westen unterblieb, und ein Renaiffaneegiebel und Dachreiter gaben dem wuchtigen Torso seinen markanten Abschluß.

Noch wissen wir nicht, welcher Abstammung die Form des Bauwerks, die in der Mark un­

gewöhnlich ist, verdankt wird. Eine ausgebildete Kreuzanlage mit betontem tiefem Chorraum, daran anschließend ein weiträumiges, kurzes Hallenschiff. Eine Raumform jedenfalls, dank

ihrer versteckten zentralisierenden Züge geeignet, um große Menschenmassen um ein zentrales Ereignis zu vereinigen, ohne viel Behinderung der Sicht durch breite Pfeiler. In dem einst

durch einen Lettner abgeschlossenen weiten und tiefen Chor, dem ein kleiner, später zerstörter Umgang und darüber ein Laufgang noch gesteigerte szenische Möglichkeiten boten, bestand eine Bühne für die Entfaltung pomphafter Schaustellungen und Zeremonien. Die Empore des

Nordquerarmes, vom Bischofshofe aus zugänglich, diente hohen Gästen als Loge. Auf Grund ihres besonderen Zweckes mag die Raumform, in der sich ein Oftteil nach Art

älterer Stiftskirchen mit der populären Raumform des Hallenschiffes verbindet, spontan ent­

standen sein. Die stäbige Flächenzier der westlichen Schifföpfeiler läßt auch hier die zeitgemäße Hinneigung zu dem damals blühenden und fruchtbaren Südosten vermuten. In seiner stilisti­

schen Haltung ist der Bau ein niedersächsisch-märkischer Grenztyp, und im altmärkischen Stendal allein hat er unmittelbare Schulnachfolge gefunden.

Pommern

Die bauliche Atmosphäre des langgestreckten Landes ist der Mark nur im südlichen, mittleren Teile, links und rechts der Oder, näher verwandt, einem Landstrich, der auch stammlich und

sprachlich dem märkischen Volkstum nahesteht. Der Nordweftcn bis zur Peenegrenze, den wir

bereits mit den wendischen Städten vorwegnahmen, und ebenso der Osten Pommerns haben mit der Mark keine unmittelbare Berührung. Diese Teile haben vorwiegend niedersächsische,

über den Küstenweg vermittelte Kolonisation, während die binnenländisch märkische von Süden

her längs der Oder vorgerückt ist. Mittelpommern ist dementsprechend ein Land mit massigen Hallenkirchen und einer Neigung

zu flächigem Blendenschmuck, Ostpommern dagegen ein Land des herben kubischen Aufbaues, dessen Stadtkirchen häufig Basiliken sind, mit ganz schlichten Flächen und gesammeltem

Umriß. Die ungestaltete weite Landschaft mit wenig Bewegung und Plastik hat wohl Anteil an der betonten Schlichtheit und Großflächigkeit. Der dramatisch unruhige Formenapparat der wen­

dischen Städte würde dem Pommer als eine unwahr gespreizte Haltung erscheinen; er liebt es,

den Baukörper zu einer schlichten Großform zusammenzuziehen. Ferner hat Pommern das Gesetz der Serienbildung unter allen Backsteinländern am konsequentesten durchgeführt. Die Kleinstadtkirchen jedes Landesteiles sind einander durchaus ähnlich

und geben kaum jemals einem individuellen Einzelwerk Raum. So muß uns ein einziger monumentaler Bau, die Marienkirche zu Stargard, das mittelpommersche Gebiet, ein anderes vereinzeltes Großwerk, der Kolberger Dom, den östlichen Landesteil repräsentieren.

Stettin hat in unglücklichen Kriegs- und Brandkatastrophen den größten Teil seiner alten

Schönheit verloren. Sonst würde die alte Hansestadt unter den pommerschen Domen mit Bauten hohen Ranges vertreten sein.

Die Marienkirche in Stargard steht, verarmt zwar im Innern, doch in ihrem Baubeftande wohlerhalten aufrecht. In ihrer Baugeschichtc siegte nach anfänglicher Hallenanlage der basilikale Typus nach dem

Vorbilde der Lübecker Marienkirche. So wurde zunächst, im letzten Viertel des 14. Jahr­

hunderts, der basilikale Chorbau errichtet, dem das schon stehende Langhaus durch Erhöhung des Mittelschiffes angepaßt wurde. Im Westen schloß man die nunmehr einheitliche querschiff­ lose Basilika mit einem Paar mächtiger Wefttürme.

Aber die geistige Haltung ist in allen Teilen der des Lübecker Vorbildes entgegengesetzt. Der

Ausdruck des Emporstrebens, der dort alles beherrscht, ist hier gedämpft durch eine nur mäßige Höhe des Obergadens. Dafür ist das untere Arkadengeschoß schlank und hochräumig gebildet, und wie ein schönes Diadem legt sich rund herum über das Arkadensims ein ausgebildetes Tri-

forium, in der norddeutschen Backsteinkunst eine ganz vereinzelte Form.

Der Meister des Stargarder Marienchors, wahrscheinlich der Lehrer Brunsbergs, ist eine der

bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten im norddeutschen Backfteingebiet; ein Mann, der zweifel­

los in verschiedenen Ländern Kenntnisse gesammelt hatte und der einen Blick für reiche Raum­ stimmung und Aufbauwirkung, aber auch lebhaften ornamentalen Sinn besaß. Der Star­

garder Chor ist im Außenbau ein straffes und zierhaftes Werk, weit mehr aber bewundernswert als Innenraum. Hier ist ein Raum von einer unerhörten plastisch-räumlichen Formenfülle.

Alles ist ins Dreidimensionale vertieft, durchdringt, überschneidet sich; ein Raum von ganz einzigartiger formaler Durcharbeitung. Es wird schwerhalten, festzustellen, aus welchen Quellen die verschiedenen Motive geschöpft sind, die hier Zusammentreffen. Verrät das Triforium und der darüber in Höhe der Fenster­ nischen durchgeführte Laufgang eindeutig normannische, wahrscheinlich englische Herkunft, so

möchte man bei der Raumform des Umganges süddeutsche Anklänge wiederfinden — es ist der Umgang eines Hallenchors; auch ist auf die Ähnlichkeit des Chorgrundrisses der Barbarakirche

in Kuttenberg hingewiesrn worden. Bei den für Statuen bestimmten Konsolnischenkränzen um die Chorpfeiler denkt man gar an den Mailänder Dom. Jedenfalls stehen wir im Chorteil

der Stargarder Marienkirche einem Bauwerk von weltmännisch-internationaler Haltung

gegenüber. Wenig bedeutend, von landesüblich phlegmatischer Haltung ist der Weiterbau des Hoch-

schiffeö nach Westen. Doch in dem mächtig breiten Weftturmpaar, von dem nur der nördliche

vollendet wurde, besitzt die Marienkirche noch einen charaktervollen Abschluß. Wie der Außenbau überhaupt, entbehren auch die Türme des gespannt empordrängenden Lebens. Das Turmpaar würde wie ein unbewegter Klotz wirken, wenn nicht die hohen, kräftig eingeteilten Putzblenden

der Masse einen starken Vertikaltrieb geben und ihre Geschlossenheit lockern würden. Die laute

und derbe Barockharrbe mit Bleiverkleidung, echt ostländisch, ist so frisch und lustig, daß man sie nicht missen möchte.

Von gleichem Blute ist der Kolberger Mariendom, doch in oftpommerscher Abwandlung

und mit stärkerer hansisch-küstenländischer Beimischung. Er ist so bäuerlich erdverwachsen, daß

kein Betrachter an seinem bodenständigen Heimatörecht zweifeln wird. Tine weiträumige, düster-prächtige Halle, nicht allzu lang, aber sehr breit infolge beider­

seitiger Erweiterung, stellt der Kolberger Bau noch heute den unverfälschten pommerschen Raumtypus dar, der in ganz sinngemäßer Weise nach der Breite weiterenrwickelt wurde. Den liturgischen Bedürfnissen des hier einst bestehenden KollegiatstifteS entsprach ein gestreckter ein­

schiffiger Chor mit Polygonalschluß, dessen Wandflächen großenteils das Chorgeftühl ein­ nahm. Aus dem Zusammenfallen eines KollegiatstifteS und einer raummächtigen Bürgerkirche

mit zahlreichen Einzelkapellen und Sonderstiftungen erklärt sich die vereinzelte und scheinbar unlogische Raumbildung. Der Ännenraum, von bedeutender räumlicher Schönheit in dem Kon­ trast seiner halbdunklen Breithalle mit dem über dem Lettner schmal und lichterfüllt Hereinschauen­

den Chorraum macht durch eine reiche, gediegene Ausstattung und wertvolle Gewölbemalereien

Kolberg vollends zu einem reizvollen Gliede der Kette schöner Kirchen längs der Ostseeküste. Der Außenbau kann als extremes Beispiel von Großflächigkeit gelten. Ein so riesengroßes

schlichtes Satteldach wird kaum zum zweitenmal zu finden sein. Was dem Außenbau aber seine markante Erscheinung verleiht, ist der gigantische Breitklotz des Westwerks, das aus einer ge­

planten Zweiturmgruppe zu einem mächtigen Einheitskörper wurde, in einem ähnlichen Bau­

vorgang wie bei der Rostocker Marienkirche. Dieser Bau ist ein wahres Abbild der urwüchsigen

Kraft des jungen Volkstums hier im Osten. Welch ein naiver Gedanke: Wenn man die zwei Türme miteinander verband, erhielt man mehr aufragende Masse und konnte ihr statt zweier sogar drei Spitzen aufsetzen. Als dreispitzige, zentral gesteigerte Abschlußform gibt sich noch jetzt die Dachbekrönung des Turmbaues zu erkennen, die in ihrer heutigen barocken Form sehr reiz­

voll ist, freilich kaum den Träumen der spätgotischen Erbauer genügt hätte.

So steht trotz mancher Beschädigungen durch Beschießung dieser prachtvolle niederdeutsche Dom in seinem herben, ungebrochenen Trotz aufrecht, während die übrigen alten Bauten der Stadt: Rathaus, Stadttore und Giebelhäuser, in Staub gesunken sind. Weit über das tellerflache

Land, weit über die See hinaus kündet die Masse dieser Kirche die Bedeutung des alten Kolberg.

Das Ordensland Die beiden Hauptteile des ausgedehnten Gebietes, über das, wenigstens bis 1410, der

Deutsche Ritterorden als sein Kerngebiet gebot, Westpreußen und Ostpreußen, verhalten sich

sehr verschieden in ihrem Bestände mittelalterlicher kirchlicher Monumentalbauten. Während Westpreußen, von der Weichsel durchflossen, reich an ansehnlichen Städten wie an Klöstern, eine

charaktervolle und bedeutende Baukunst aufweist, fällt Ostpreußen, das ohne größere Städte

und Kloftersiedlungen war und allein nach den militärischen Gesichtspunkten des Ordens ver­

waltet wurde, für die kirchliche Monumentalkunft fast völlig aus. Wenn wir hier das Ordens­ land betrachten, so haben wir also besonders Westpreußen und seine Kirchenbauten im Auge.

Das blühende Tal der Weichsel, der Ausdruck natürlicher Kraftkonzentration in diesem leb­

haft die Landschaft formenden Einschnitt, wirkt nach den endlos weiten und unbetonten Land­ strecken des östlichen Pommerns aufs höchste überraschend und belebend. Noch einmal eine mar­ kant geformte, stark plastische Landschaft, ein großer Strom, aufrüttelnde Dinge, Anreiz zu

wirtschaftlicher Kraftballung und monumentalem Ausdruck.

Das preußische Ordensland zeichnet sich durch eine eigentümliche und kräftige Sonderart in

seinen Bauwerken aus. Gegenüber dem Westen besteht eine hart markierte Abgrenzung. Der Formendialekt Preußens, durchaus ostländisch, ist bis in die kleinsten Einzelheiten anders als dort: derber, von breiterer Grundlage und einer gesunden, von Tradition und Vorbildern un­

beschwerten Jugendlichkeit. Der Gesichtskreis ist weit; einerseits spielt ein Zusammenhang mit den Niederlanden, zum andern eine Verbindung mit dem Süden, Böhmen und Schlesien, die

bevorzugte Rolle. Mit der Baukunst des Ordens selbst, die wesentliche Züge mittelmeerischer Kunst enthält, hat der Kirchenbau in den meisten Fällen keine unmittelbare Berührung.

Die Zisterzienserklöster Oliva und Pelplin geben Beispiele älterer Monumentalbauten.

Pelplin, dessen Kirche im frühen 14. Jahrhundert einheitlich neu aufgeführt wurde, ein Tochter-

klofter Doberans, soll allein kurz beschrieben werden. Der monumentale Bau erhebt sich in einer krafterfüllten, geballten Geschlossenheit. Von den künstlerischen Eigenschaften, die der Bau des Mutterklosters der Tochter mitgeben konnte, sind nur die riesigen und trotzig-herben Motive

verwertet, die hochmittelalterliche Kostbarkeit der dortigen Münsterkirche ist hier einer kraft­

betonten Schlichtheit der Formen geopfert worden. Die Abtcikirche von Pelplin ist ein durchaus ostdeutscher Bau, bei dem auch die von fern herangetragenen Motive, wie das Querhaus mit

dem Mittelpfeiler, sogleich ins Preußische übersetzt wurden. Beim Querhaus ist die Ver­ schiebung fast in die Mitte der Längenerstreckung bezeichnend. In der lichten Weiträumigkeit, den massigen Achteckpfeilern, der kräftig betonten Ausladung der Querarme, endlich in dem

harten Schnitt des Oftfchlusses, der das Westende genau wiederholt, liegen Clemente eines

neuen Körpergefühls vor, sind vielfach Züge vorweggenommen, die in den Danziger Kirchen

einst ihre konsequente Ausbildung finden sollten. Die Gewölbe sind regelmäßige, klare Sterngewölbe; nur in den später erneuerten Querarmgewölben sind es kleinteilige Netzmuster.

Der Außenbau wirkt trotzig und stark. Wie ein Motiv des Festungsbaues muten die gepaarten Treppentürme an, die am West- wie am Ostende des Mittelschiffes das hohe Mittelfenster flankieren. Die Giebel sind getreppt. Besonders schmuckreich ist das nördliche Querarm­

portal mit Tympanon, Kämpfer- und Archivoltenfiguren aus Kunststein. Den starken Farbenwirkungen, welche die preußische Gotik aufsucht, entsprechen in Pelplin

wie anderswo Putzleisten oder Putzblenden, die mit aufgemaltem rotem Maßwerk geschmückt sind.

Ihrem Gesamteindruck nach gehört die Pelpliner Klosterkirche zu den straffsten, im höchsten Sinne zu einheitlicher Raum- und Körperwirkung geschloffenen Kirchenbauten des deutschen

Ostens, sie ist der klassische Dom Weftpreußenö.

Von den vier Bischofskirchen des Ordenslandes, den Domen von Kulmsee, Marienwerder, Frauenburg und Königsberg, ist der Dom von Marienwerder die monumentalste Anlage. Da das Domkapitel den Regeln des Deutschen Ordens folgte, so ist das Bauwerk eine einzig­

artige Verbindung von Kathedralkirche und Burg, ein Bau, der durch seine beherrschende Lage über dem Weichseltal und seine wehrhafte, doch beruhigte Form die geschichtliche Lage aufs ein­

dringlichste vergegenwärtigt. Über das ritterliche Kapitelschloß, das hier neben der mönchischen

Stille des Kreuzganges noch die Würde eines Domkapitels repräsentieren mußte, dominiert ruhevoll das große Dach des Gotteshauses mit seinem bergfriedgleichrn Glockenturm.

Der Aufbau ist so einfach wie möglich. Eine dreischiffige Pseudobasilikale Halle ohne Quer­

schiff mit einschiffigem, polygonal schließendem Chor. Am Außenbau herrscht die größte Ein­ fachheit; über den Fenstern läuft unter dem mächtigen Satteldach ein Wehrgang herum. Im Innern gliedern sehr untersetzte und wuchtige Pfeiler den Raum und tragen «in voll

ausgebautes, doch unbeleuchtetes Hochschiff, eine Raumform von seltener Phantastik bei so be­

deutenden Maßen. Die nackten Seitenwandflächen unter den hoch ansetzenden Fenstern be­ decken in ununterbrochener Folge große Wandmalereien, wie solche ja in den Bauten des Ordens eine bevorzugte Rolle spielten. Eine außergewöhnliche Formung ist die Erhöhung des Chores

über einer Krypta, die aber nur Begräbniskapelle war. Vielleicht spielte eine Vorstellung süd­

licher Kathedralen bei ihrer Erbauung mit.

Die Raumstimmung hat etwas von südlicher Losgelöstheit von der Außenwelt infolge des auf die hoch ansetzenden Seitenfenster begrenzten Lichteinfalls.

Ostpreußen, das fast keine bedeutenden kirchlichen Bauwerke besitzt, macht in dem Dom von Frauenburg, der ermländischen Kathedralkirche, doch einen Anlauf zu einer eigenen Monumen­

talkunst, die in der Tai, wäre mehr derartiges erwachsen, einen markanten Typus darstellen würde.

Der Frauenburger Dom erhebt sich auf einem Hügel am Ufer des Haffs, eng von einer Burgmauer mit Toren und Türmen umschloffen, innerhalb deren an seiner Süd- und Westseite ein schlichter freier Platz bleibt, während man vergeblich nach einer mit dem Dom verbundenen

Klausur sucht. Der Dom selbst ist unbefestigt, ein sehr schlichter, dreischiffiger Hallenbau mit einschiffigem und platt geschloffenem Chor. Ein beherrschender Turm fehlt der Anlage oder wird

von ihr vielmehr grundsätzlich abgelehnt. Das Äußere wie Innere sind von sehr charakteristischer selbständiger Haltung. Etwas leer erscheint die Formensprache, dabei überaus gehemmt und schwerfällig, obgleich die Außenbaugeftalt infolge der Ecktürmchcn eine gewisse Anmut besitzt.

Beim Raum wird man leicht an englische Zusammenhänge denken, die in der Grundriß­ bildung und den gedämpften Höhenproportionen unabweisbar sind, wie auch in den Stern­ gewölben, die in Preußen so früh ohne den Verkehr mit England kaum hätten entstehen können.

Niederländisches spielt in den vier kecken Ecktürmchen herein — aber auch der schmucke Weft-

giebel wird niederländischen Vorbildern seine Erscheinung verdanken. Die Raumform ist eine konsequente und wirkungsvolle Sonderausbildung der ostdeutschen

Halle in das Breite, Gedrungene, ihr Ausdruck Ernst und Geschlossenheit, ein fast erstickendes Pathos des Verzichts.

Die großartigste Leistung im Kirchenbau des deutschen Ostens vollbringen die blühenden Städte Westpreußens. Thorn hat drei prachtvolle Kirchen bewahrt, Kulm eine bedeutende Pfarr-

kirche, und Danzig schafft in seiner Marienkirche, die all seine anderen Kirchen weit überragt, die letzte, höchste Vollendung. Die Halle herrscht im spätgotischen Bauschaffen des Ostens durch­

aus vor; gegen Ende des Mittelalters fällt ihr die Alleinherrschaft zu. In Thorn ist die altstädtische Pfarrkirche St.Johann die älteste und vornehmste. Sie ent­

wickelt sich in mehreren Vergrößerungen allmählich in der beharrlichen Richtung auf eine frei­ räumig hohe, wohldurchlichtete Halle hin. So ist ihr Inneres heute ein etwa quadratischer,

weitgespannter Raum mit sehr schlank und schlicht in der durchlichteten Weite stehenden und von ihr umspielten Pfeilern. In die Seitenwände höhlen sich halbhohe Kapellenreihen, über

denen noch hohe Fenster die obere Wand durchbrechen. Als kaum zugehörig zum Raum wird

der weit niedrigere ältere Chorraum empfunden.

Ein riesiger Turm wächst nach dem Einsturz seines Vorgängers an der Westseite der Kirche

auf, ein Koloß niederländischer Herkunft von der Art des Utrechter Domturmes; er bleibt aber Torso und überragt nur eben die drei Satteldächer der auch im Außenbau sehr wirkungsvollen Hallenkirche.

Die zierliche Jakobikirche der Neustadt ist in vollem Gegensatz zur vorigen eine räumlich beengte schlanke Basilika, deren Hauptreiz der Außenbau ist mit köstlich reichem, doch ganz backfteingemäßem Fialen- und Giebelschmuck. Seiner formalen Zugehörigkeit nach steht der Bau den

wendischen Städten nahe; das zierlich ausgebildete Streben- und Fialenwerk, das der Jakobi­

kirche mit noch mehreren westpreußischcn Kirchen gemeinsam ist, leitet sich hier aber unmittelbar von Vorbildern aus Werkstein ab, die in England zu suchen sind, ein Zusammenhang, der durch

die Handelswege erklärt wird. Ein charaktervoller Weftturm mit kräftiger Blendengliederung und einer ganz der Ordensbaukunft entlehnten Ausbildung des Obergeschosses unter einem Zwillingödach vollendet das vortreffliche Außenbild der Kirche.

Die räumlich reifste und einheitlichste Schöpfung unter den Thorner Kirchen ist die Marien­ kirche, das Gotteshaus der Franziskaner. Sie ist entwicklungsgeschichtlich von hohem Wert,

da sie dieselben charakteristischen Merkmale spätgotischen Kirchenbaues vereinigt, die in der

Danziger Marienkirche die letzte Steigerung erfahren: glatte Außenmauern infolge Herein­ ziehens der Strebepfeiler; völlige Schlichtheit der Wand gegenüber bewegter Formgebung der Dach- und Giebelzone am Außenbau wie der Gewölbe im Innern, und (hier später verändert)

einzelne Satteldächer über jedem Schiff.

Die überaus schlank«, hinreißende Raumproportion darf man vom böhmisch-südostdeutschen

Kunftgebiet herleiten, aber die genannte Dachform scheint von den Niederlanden zu stammen.

Das Innere der Thorner Marienkirche ist einer der zauberhaftesten Kirchenräume, welche die norddeutsche Backsteinkunst geschaffen hat, wobei zu bemerken ist, daß alle Thorner Kirchen in

überaus reizvollem, durch Alter gedunkelten Weißanstrich stehen. Dem Außenbau gibt die

schlichte Straffheit seines Aufrisses und als ein feines Zierftück der mit drei schlanken Türmchen geschmückte schmale Chorgiebel, der keck über den Markt schaut, seinen besonderen Charakter.

Danzig ist im späten Mittelalter eine Großstadt geworden, und seine Kirchen stellen ein eigenes Kapitel in der Geschichte des Ostlandes dar. Man kann ihm nur Lübeck in seiner absoluten Bedeutung und der Geschlossenheit seines Schaffens gegenüberftellen. Aber wie verschieden in Atmosphäre und Gesamthaltung sind beide Städte: Lübeck hoch­

gemut und prahlerisch in der ragenden Kraft seiner Türme, Danzig untersetzter und niederer, aber wie mit verhaltener Kraft geladen. Nur ein Turm, der kolossale stumpfe Turm der Marien­ kirche, beherrscht das Stadtbild; auch dieser erscheint gegenüber den lagernden Massen der Kirche

verhalten und entlädt nicht frei seine Kraft.

Alle Kirchen Danzigs geben, mit de» Variationen, die verschiedene Bestimmung und Rang­ stufe den Bauten erteilen, einen ausgeprägten Typus wieder; dieser gipfelt in der Oberpfarr-

und Ratskirche St. Marien. Die Marienkirche war bis ins l5.Jahrhundert hinein eine nur mittelgroße, schlicht ge­

formte Basilika. Der Turm, der noch heute eine besondere Abstammung gegenüber dem Bau­ körper der Kirche zu erkennen gibt, gehört in seinem unteren Teil noch jener Basilika nieder­

ländisch beeinflußter Haltung an. Die beiden erst während des großen Neubaues der Kirche ihm

aufgesetzten Obergeschosse passen sich der Form des Unterbaues vortrefflich an und nehmen zu­ gleich Rücksicht auf die Abmessungen des neuen Kirchenbaues, mit dem der Turm zu unlösbarer

Einheit verwächst. Der Zusammenklang ist so wohlgelungen, daß man sich keinen anderen Turm

zu dem Baukörper der Marienkirche denken könnte. Im Jahr« 1379 würd«, vom Chor beginnend, der weit nach Osten wie nach Süden und Norden über die bisher bebaute Grundfläche vorgeschobene Neubau in Angriff genommen. Als

Leiter des Baues, also wohl auch der Erdenket des Planes, wird Meister Hinrich genannt. Wo­ her die Formen dieses Bautyps kommen, davon vermittelt uns die als nur mittelgroßer Bau

früher vollendete Marienkirche in Thorn eine Vorstellung. Es ist füdostdeutsch-böhmische Luft darin; und in den Ostteilen der Danziger Marienkirche sprechen die in konkaver Rundung ein-

gezogenen Seiten der Pfeiler für ähnlich gelagerte Beziehungen. Aber ein solcher Hallenchor

mit breiter östlicher Schlußwand ist im Südosten unbekannt, er ist vorgebildet in pommerschen Hallen (Neubrandenburg und Greifswald).

Der Plan der Danziger Marienkirche steckt sein Ziel weit jenseits von allem bis dahin Be­

stehenden. Im Wetteifer mit den im Gebiet der wendischen Städte die Geister bewegenden kreuzförmigen Basiliken unternimmt er einen Riesenbau, gebildet durch zwei sich in regelmäßiger

Kreuzform durchschneidende dreischiffige Hallen. Ein unerhörter, nirgends sonst verwirklichter

Raumgedanke. Schlank aufstrebende, vom Raum benagte und abgezehrte Pfeiler steigen in reißenden Ver­

tikallinien empor und tauchen oben in eine Zone des Halbdunkels, in dem phantastische Geäste von Netzrippen sich von Bogen zu Bogen zerren, sa zum Teil die für den Osten typischen Zellen­

gewölbe das Bild noch durch plastische Vertiefungen lockern, so daß eine poröse und unkörperliche Decke über dem Raum zu hängen scheint.

Und um die Kühnheit des schöpferischen Gedankens zu völlig beziehungslos erscheinender Neuformung zu steigern, sind rings um den Raum, an den Lang- wie Stirnseiten seiner Arme,

die Strebepfeiler nach innen gezogen und ist so ein das ganze riesige Raumgebilde umlaufender ununterbrochener Kranz von Kapellen gewonnen, eine in solchem Maße nie vorher erlebte Bereicherung des Innenbildes.

Bis zum Jahre 1447 stand die Osthälfte des neuen Werkes fertig, noch Jahrzehnte später blieb sie in grotesker Verbindung mit dem ihr gegenüber maßstäblich schwach wirkenden basilikalen Langhaus. Erst 1483 entschloß man sich zum vereinheitlichenden Umbau des Langschiffes zur Hallenform, die man in den Seitenschiffen noch erheblich verbreiterte, so daß die Langwände

auf nicht dafür vorgesehene Punkte der Querschiffflanken stoßen.

Doch der Bau wird, bereits in das 16. Jahrhundert vorschreitend, vollendet, die Vision Meister Hinrichs ist dank der Beharrlichkeit der Weichsclstadt verwirklicht worden. Es ist die

im Rahmen bürgerlicher Repräsentation wohl denkbar großartigste und dabei eine bemerkens­

wert sachliche und unpathetische Lösung. Schlicht und nackt wie bei einem Kastell streben die Mauern empor, nur durch die Fenster

unterbrochen. Schmuck zeigen nur die Portale, zu denen enge Gaffen schmale Blickfelder frei­

geben. Sonst ist der Schmuck auf die über die Häuser hinwegragende Dächer- und Giebelzone

konzentriert, die, während ein Zinnenkranz die Traufseiten der Dächer begleitet, durch schlanke Ecktürmchen sinngemäße Akzente erhält. Man mag die Wunderwelt dieses Bauwerkes von allen Seiten betrachten: vielfältig wech­

selnd ist sein Umriß, doch stets eine geschloffene wie gewachsene Einheit.

Der Turm! — Cs gibt wenig Türme von so klar entwickeltem, unbeirrbar wahrhaftem Wesen.

Er zeigt weder Kraftaufwand noch Pathos; er steht da, selbstverständlich und überzeugend wie ein Stück Natur. Tine hohe Spitze sollte er niemals haben. Die Zeit des zweckentbundenen

Höhendranges war vorbei, und das Ostland liebte ausgesprochen stumpfe Turmenden. So trat auch an die Stelle des räumlich nicht auszunutzenden, schwer zu erhaltenden Riesen­

daches eine Dreizahl niederer paralleler Sättel. Aber ist durch die Erniedrigung der Dachzone, durch die Stumpfheit des Turmes etwas an Ausdruck geopfert? Niemand wird es behaupten. Rhythmisch wohlgeordnet und schmuckhaft reich, selbst zierlich in seinem spitzenstarrenden Umriß steht der Breitblock der Kirche da, und den Turm

mitseinen untersetztenHöhenteilungen durchklingt wie sie der gleiche,schwerblütig-starkePulöschlag.

Das Innere ist zunächft so phantastisch, übergroß und verwirrend, daß man sich in seinem

pfeilerstarrenden Labyrinth wie unter Riesenstämmen und verästelten Baumkronen eines

Märchenwaldes bewegt. Erft allmählich gelingt es dem Auge, den Eindruck zu gliedern und zu ordnen. An das durch enge Pfeilerintervalle den Hallencharakter noch ein wenig hemmende

Langhaus — da das obere Ende der Pfeiler aus den Mauern der einstigen Basilika heraus­ gehauen ist, haben sie etwas von dem Charakter der trennenden Wand behalten — schließt sich in der Vierung und den drei von ihr ausstrahlenden Hallenräumen ein einzigartiges Raum­

gebilde von lichter Weiträumigkeit, reich an malerischen Durchblicken. Hier wird der große Wurf der Raumschöpfung voll erlebt.

Eö ist ein nordisches Raumbild, das phantastisch, hartkantig und splitterig bleibt trotz groß­

artiger Einheit der Konzeption. Abgeklärtheit und Beruhigung sind kaum erstrebt; Willens­ kräfte, die einander ringend durchwachsen, bekämpfen und steigern, formen den Eindruck. Was ihn zur Einheit bindet, ist nicht die Harmonie der Form, sondern das verschmelzende, alle Einzel­ strebungen zu herbem, kontrastvollem Akkord vereinende Spiel des Lichtes. Wir müssen es uns versagen, von den anderen, durchweg nicht unbedeutenden Kirchen Dan­

zigs zu sprechen. Es erübrigt sich um so eher, als sie alle gleichen Zielen zustreben wie der überragendeBau derHauptkirche. Die Iohanniskirche ist wie ein kleines Abbild vonSt.Marien; die untersetzte Halle der Katharinenkirche drückt besonders eindringlich das Proportions­

gefühl des Ostens aus; strebig und hell steht die raumweite Halle der Minoritcn, die Trinitatiskirche, am Stadtrande, die bis zur Ostgiebelkrönung die Form der Thorner Schwester­

kirche wiederholt. Ihrem Raumgefühl nach aber ist sie die ostdeutsche Parallele zu der Katha­ rinenkirche in Lübeck. Der Ranmgedanke der Danziger Marienkirche, der die beiden monumentalen Probleme des norddeutschen 15.Jahrhunderts vereinigt, Kathedralgrundriß und hallenmäßige Raumeinheil,

muß als die Krönung der norddeutschen spätesten Gotik, als die letzte ganz große architektonische

Tat des Mittelalters in den germanischen Nordlanden bezeichnet werden.

Schlesien

Das schlesische Land, das nur in eingeschränktem Sinne ein Backfteinland ist, beansprucht bei seiner eigenwüchsigen, von norddeutscher Haltung abweichenden Backsteinkunft ein waches Verständnis für seine landschaftliche Sonderstellung. Man kann den schlesischen Backsteinbau nicht als „norddeutsch" bezeichnen; dagegen ist es Volks- und stilgeographisch richtig, ihn mit

dem Ordenslande und den verstreuten deutschen Siedlungen in den Slawenländern als ost­ deutsche Grupp« zusammenzufaffen.

Neben dem regen Verkehr mit den Seehafenplätzen der nordischen Meere, die den großen

Handelsplatz Breslau der hansischen Ostseekunst nähern, stehen Verbindungen nach Thorn und Preußen wie nach Nürnberg, Prag, Krakau und Oberitalien, die alle durch diese Punkte nm-

faßten Länder in den Gesichtskreis des Breslauer Kaufmanns rücken. Schlesien ist eine Durchgangsftraße, ein Gebiet, das zahlreichen Einflüssen offensteht.

Die schlesischen Bauwerke zeichnet im allgemeinen eine gewisse Feingliedrigkeit und phan­

tastische Spitzigkeit des Wuchses aus. An Stelle der im Norden gewohnten Wucht und Massig­ keit ist hier eine magere Sehnigkeil getreten, ein stark betonter Vertikalismus, verbunden mit

rationell sparsamer Bauweise und konstruktiver Kühnheit, die nicht, wie an der Ostseeküste, mit Pathos donnert, sondern mit selbstgefälliger Pose kokettiert. Der schlesischen Baukunst liegt die Ausarbeitung eines rassigen Außenbildes mehr am Herzen

als ein raummächtiges Innenbild, das durch die einseitig betonte schmale Übertriebenheit der Proportionen hintangehalten wird. Es fehlt den schlesischen Kirchen meistens an der für deutsche gotische Räume bezeichnenden expansiven Kraft des Raumes. Schlesiens Kirchenräume wirken

durchweg spannungslos, wie ein schwächlich atmender Brustkorb.

Im Außenbau erreicht dagegen die Schlankheit des Wuchses, das zierliche Spiel schmaler, oft abgesetzter Strebepfeiler, eine sehr steile Dachform und der oft seitlich angeordnete und die Grup­ pierung bereichernde schlanke Turmaufbau eine bedeutende und geistreiche Wirkung, die durch ein bemerkenswertes Geschick, die Kirche in das Straßenbild einzufügen, besonders unterstrichen wird. Das Verhältnis zum Material ist ein anderes als im Norden. Der Schlesier kennt eine Back­ steinornamentik nur in sehr eingeschränktem Maße; für zierliche Gliederungen: Portale,Maßwerk,

Gesimse und dergleichen, steht Haustein zur Verfügung. So ist dem Backsteinbau nur die nackte

Aufführung der groben plastischen Massen überlassen, und diese Funktion ist in konsequenter, vollendeter Weise ausgebildet. Das schlesische Ziegelmaterial, samtartig dunkel und von kleinem Format, verleiht den Bauten eine neutrale stoffliche Unbetontheit, und die bei gotischem Ver­ band regelmäßig glasierten Binder geben der Fläche den textilen Charakter von altem Brokat.

Bedeutende Bauten der Zisterzienser stehen am Anfang, und es ist kein Zufall, daß dieser

Orden, der früh mit dem Backfteinbau vertraut ist, dieses koloniale Baumaterial auch hier

konsequent verwendet. Nach einem großartigen, aber untypischen Bau fürstlichen Willens in Trebnitz, wo oberitalienische Formen einzudringen scheinen, ist in den Zisterzienserkirchen von

Heinrich«» und Leubus die thüringisch-fränkische Mutterprovinz richtunggebend gewesen, und ein rechteckiger Chor mit Umgang, ähnlich dem von Ebrach, doch ohn« die dort die Um­ gangsseilen begleitenden Kapellen, ausgebildet worden.

Diesen Bauten schließt sich, wahrscheinlich unter Mitarbeit von Ordensleuten, der Chor des

Breslauer Doms an, dessen Innenbild eine leise Ähnlichkeit mit dem Langhause von Pforta hat, dem Mutterklofter der schlesischen Abteien. Den Ostecken des Chorumgangeö wurden aber

schon während deö Baues in einer etwas barbarischen Mißverstehung seines Wesens zwei breite viereckige Türme aufgesetzt, die wohl eine spätere Viertürmigkeit der Anlage nach dem Muster

des Doms von Bamberg im Auge hatten. Nach der Weihe des langgestreckten und geräumigen

Domchors 1272, der mit sechsteiligen Gewölben und edlem frühgotischem Fenftermaßwerk voll­ endet wurde, ist der Weiterbau lange ausgesetzt worden. Die zierliche axiale Ostkapelle des Klein-

chors, die den Marienkapellen der französischen Gotik entspricht, wurde 1361 angefügt und paßt sich mit ihren scharfkantigen Formen sehr geschickt dem Außenbilde ein. Heute steht sie schmal und

eigenwillig zwischen den breit vorquellenden, hell verputzten Masten der beiden Barockkapellen. Das Langschiff, das den Chor nach Westen fortsetzt, gehört dem Ende des 14. Jahrhunderts

an, und gemäß der Zeitfärbung dieses Abschnitts ist es ein Bau böhmischer Formhaltung.

Nicht völlig erklärt ist die außergewöhnliche Breite des ersten Joches. Da sie sich auch in der

Fensterzone durch überbreite Öffnungen fortsetzt und ihr Gewölbejoch ein Quadrat ist, muß die oft ausgesprochene Vermutung aufrechterhalten werden, daß hier, wie es ja nach dem Zister­ ziensersystem selbstverständlich war, ein Querschiff geplant und wohl im Fundament bereits

vorbereitet war, daß der Langhausmeister aber, wohl wegen geringer Mittel und um wenigstens das Langhaus weiterzufördern, das Joch zunächst in das LängSsyftem einbezog und das Quer­

haus einem späteren Ausbau vorbehielt, der niemals erfolgte.

Um 1400 wuchs die Turmfront empor, die wie die wenig frühere der Magdalenenkirche und die der Pfarrkirche von Schweidnitz flämischen Doppelturmfaffaden zu folgen scheint, wie über­

haupt, vermittelt wohl durch die zur Zeit der Spätgotik in Deutschland vielerorts tätigen niederländischen Maurermeister, eine auffallende Beziehung zum Flamland in der schlesischen

Architektur der Spätgotik zu beobachten ist. Der Breslauer Dom ist ein ausgesprochener Mischbau von Ziegel- und Werksteinanwendung in einem etwas ungeregelten, aber reizvollen Nebeneinander. Die übrigen Breslauer Bauten

sind entwickelter im Materialgefühl. Es sind reine Backsteinbauren, die nur bestimmte Gliede­ rungen und Zierftücke regelmäßig in Haustein einsetzen.

Die Kreuzkirche auf der Dominsel, 1288—1350 als Kollegiatkirche erbaut, ist einer der reizvollsten Kirchenbauten schlesischer Gotik. Ein zu straffer Gruppierung geschloffener Bau mit

zentralisierenden Elementen. Nicht nur der gestreckte Oftchorarm, auch die kurzen Querarme haben polygonalen Schluß. Das kurze Hallenlanghauö zeigt infolge der von Magdeburg aus­

gehenden, in Schlesien wie Niedersachsen häufigen Halbierung der Seitenschiffjoche gedrängte

Streben- und Fensterreihen mit Quergiebelchen. Zwei schlanke Türme stehen in den Winkeln zwischen Langhaus und Querarmen.

Die ganz eigenartige Disposition des Innenraumes ordnet zwei Kirchen übereinander an, über einer gedrückten kryptenartigen Unterkirche liegt hoch über dem Boden der wohlgestaltete,

schon etwas spätgotisch-formenarme eigentliche Kirchenraum. Nicht ein einzelnes Vorbild schwebte dem Baumeister für sein Werk vor. Er war ein wählender und ordnender Geist, der wohl den Westen und die Mitte Deutschlands kennengelernt hatte,

dessen Werk aber einer der rassigsten Bauten Schlesiens geworden ist. Beachtenswert erscheinen die Züge, die dieses Bauwerk mit dem viel später erbauten Stephansdom in Wien verbinden.

In der Nähe der Kreuzkirche steht der großräumige Hallenbau der Marienkirche auf dem

Sande, die erste der beiden raumschönen Hallen, die der Augustinerorden in Breslau errichtete. Von ihnen ist die Sandkirche, die Stiftskirche der Augustiner-Chorherrn, schon vor 1350 im

Bau. Ihr schwerfälliger Körper wird durch die straffe, enggestellle Reihe der Strebepfeiler be­ lebt, deren regelmäßige Absätze der Langseite in der Verkürzung einen packenden Rhythmus geben. Sonst steht der Außenbau bei unvollendetem Ausbau der Türme und unter einem zu niederen nachgotischen Dachstuhl zurück gegenüber der Weiträumigkeit und wohligen Licht­ führung des Innenraumes, der mit seinen weitgestellten Pfeilern, kräftigen Stern- und Zick­ zackgewölben und dem harmonisch durchlichteten dreiteiligen Chor ein besonders vollendeter Hallenraum einer vornehmen gotischen Stiftskirche ist. Die schlank aufstrebende Dorotheenkirche, der 1357 von Kaiser Karl IV. gegründete Bau der Augustiner-Eremiten, übertrifft die Sandkirche in der Einheit ihres Außenbildes, dem das riesig hohe, gemäß der einschiffigen Chorbildung abgesetzte Satteldach von schlesischer Steil­ form und der entsprechende, durch Vertikalstäbe gegliederte Weftgiebel besondere Reize verleihen. Das Innere ist berauschend hochräumig und schlankgliedrig, ein Raum, der unfehlbar freudig und heiter stimmt und alles Drückende vergessen macht. Sandkirche wie Dorotheenkirche haben reiche Barockausftattung, und daö Weiß ihrer Farb­ haltung trägt viel zu der unmateriell schwebenden Raumstimmung bet. Gegenüber der ausgeglichenen, gehaltvollen Stille der Stiftskirchen geht das Streben der Bürgerschaft, wie überall, in den Pfarrkirchen auf imposante Stattlichkeit und wirksame Reprä­ sentation. Der bevorzugte Raumtypuö der städtischen Pfarrkirche ist seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der Zeit des Beginnes der meisten dieser Neubauten, eine Basilika von schlanker, steiler Raumgestalt, die, wahrscheinlich nicht ohne Zusammenhang mit den Basilikalb«Uten der wendischen Hansestädte, das Querschiff ablehnt. Die gemäßigte Magdalenenkirche, die erste Pfarrkirche der Breslauer Altstadt, wird an ragendem Wuchs überboten durch die Elisabethkirche. In Schweidnitz, in Brieg und im Chor von Münsterberg streben gleichgeartete, sehr schlanke Basilikalkirchen auf, die im Innern eine plastisch etwas magere, aber durch ihren Vertikalismus wirkungsvolle Aufbaugliederung, im Äußeren einen entsprechenden nüchtern ftrebigen Hochwuchs von betonter Überschlankheit als künstlerisches Ziel verfolgen. Von dem naturgemäß bei so starker Überhöhung zunächst verwendten offenen Strebewerk macht sich dieser Basilikalbau bald frei, im Anschluß an die Nieder­ lande und auS selbstgefälliger Freude an der technischen Bravourleistung. Kleine unregelmäßige Kapellenausbanten, die sich reizvoll um das steile, wie eine Messerschneide gezogene Hochschiff gruppieren, geben gut erfühlte steigernde Maßstäbe für die zunehmend größer gewählten Höhen­ absätze des ftrebigen Aufbaues, der sich im Turm vollendet. Das innere System der Pfeiler und Arkaden, das auch in den Hallenkirchen ähnlich aus­ gebildet ist, zeigt sich von der Gotik Böhmens, zumal von der Prager Bauhütte, entscheidend beeinflußt. Hier ist die vom Sockel bis zum Bogenscheitel durchlaufende Einheit der Linien, das Modellieren der Pfeiler und Bögen im Sinne eines Herausschneidens aus der Wand vorgebildet, so daß der Pfeiler, der meistens längsoblongen Durchschnitt hat, ein restliches Stück Wand verkörpert, das die Lisene der Hochwand durchwächst und untrennbar einbindet.

Daß die Spätgotik Flanderns eine ähnliche Form bevorzugt, ist so bezeichnend für die Wahl­ verbindung in der spätgotischen Kunst beider Länder, wie das geometrisch-spitzfindige, gleichfalls

den südlichen Niederlanden verwandte Fenftermaßwerk.

Das schönste und vollendetste Beispiel der basilikalen Stadtkirche ist die Elisabethkirche in Breslau. 2n dem extrem schlanken Aufbau des Innern erlebt man ebenso die fehlende Raum-

dehnung wie die Kühnheit des Systems, die in diesem Beispiel hemmungslos, fast visionär

und ohne Körperschwere erscheint. Hier empfindet man auch, was diesen Basilikalkirchen im

Ausdruck fehlt: man sieht kein Moment des Widerstandes in ihrem Aufbau, sondern fühlt sich

einer maskenhaften Haltung von peinlicher Glätte gegenüber, der man die Leistung nicht ohne weiteres glaubt, weil der Ausdruck der Mühe und des Ringens selbstgefällig vermieden ist. Der Außenbau der Elisabethkirche ist ein Werk von hoher, bewußt geformter Wirkung. Der

Turm, der in einer überlegt gewählten seitlichen Stellung die Wirkung des Bauwerks überaus

fesselnd macht, ein in seiner Gruppierungsabsicht wie der geschlossenen Schlankheit seines Kör­ pers den südlichen Alpenländern entlehntes Motiv, drückt in seiner Geschoßteilung das im um­

gekehrten Sinne der Fallgeschwindigkeit nach oben beschleunigte Aufftreben aus, das einst in

einer nadelscharfen Spitze emporschnellte. Auch seine heutige Haubenform ist von graziösem Reiz, wie j» schlesische Haubenspitzen so gut den der aufgetürmten Steinmasse innewohnenden

Hochdrang zu bändigen wissen, um ihn im Kampfe von aufstrebenden und lastenden Gliedern leicht auöklingen zu lasten. Abseits von Breslau ist die Jakobikirche zu Neiße als Bau von selbständiger Eigenart zu nennen. Der regelmäßig geformte Körper dieser schönen Hallenkirche mit seinem gewaltigen

steilen Kammdach macht inmitten seines türmefrohen Stadtbildes den Eindruck eines riesen­ haften gotischen Reliquienschreins. Mit Willen ist der Turm abseits gestellt, besten groß an­ gelegter, mit Granitquadern verblendeter Stumpf zu einem alles beherrschenden Turmriesen

nach niederländischem Vorbilde aufwachsen sollte. Der Bau der Jakobikirche ist ein Grenzbau, der bei vorwiegend schlesischer Haltung doch auch

zu der spätgotischen Hallenkunst des Erzgebirges nahe verwandtschaftliche Beziehungen hat. Noch stärker ist hier — wie in den bayerischen Hallenkirchen Hans Stethaimers — der Misch­

baucharakter betont; die schlanken, scharfgratig exakten Pfeiler bestehen aus Werkstein. Der

Raumeindruck, einheitlich und von einer Meisterhand geschaffen, ist sehr packend, wenngleich

Restauralorenhand durch Verfälschung der Gewölbeform und sehr bunte Ausmalung sein charakteristisches Bild geschädigt hat. Zwischen der Jakobikirche in Neiße und der etwa gleichzeitigen Franziskanerkirche in Thorn

spannen sich enge Beziehungen der Raumform. Die ostdeutsche Baukunst ist trotz weit voneinander entfernter, durch Slawenländer räumlich getrennter Lage ihrer Hauptplätze, trotz vertikaler

Schlankheit im Süden gegenüber gelagerter Schwere im Norden, eine große stilistische Einheit.

AUSBLICK Die kirchlichen Backfteinbauten Deutschlands stehen als ragende Merkmale einer kraftvollen

Vergangenheit in Stadt und Land, ein reicher Schatz für die Erkenntnis des Wesens und

Werdens norddeutscher Art, der die Mahnung in sich schließt, das Erbe der Väter gut zu ver­ walten.

Die Gefahr, die den Domen in unserer Zeit droht, sind Restaurationen, die bereits die be­

klagenswertesten Schäden angerichtet haben. Das 19. Jahrhundert, dem ein pietätvolles Tra­ ditionsgefühl fremd war, und das die Meinung vertrat, einen historischen Zustand von vor­ gestern wiederherftellen zu können, hat in Wirklichkeit eine Reihe der wertvollsten Bauwerke

bis an die Grenze der künstlerischen Vernichtung geschädigt. Manche Lücke in der Bilderreihe ist auf das Konto solcher Maßnahmen zu setzen, die das Bauwerk zur Repräsentation seiner Art

im Buche ungeeignet machten.

Die Theorie, daß das Innere der Backsteinkirchen regelmäßig im Rohbau gestanden habe, ist heute als ein Irrtum erkannt. Ebensowenig wird hoffentlich mit dem Einsetzen von Maß­

werk und dem Schmuck der Fenster mit modernen Glasgemälden fortgefahren werden, «s feien denn vereinzelte, künstlerisch feinfühlige Arbeiten, deren Stiftung gewiß begrüßt wird. Verhängnisvoll ist oft die Ncuformung des Raumbildes gewesen. Mag der ältere Zustand,

verbaut durch Emporen, mit unregelmäßigem Gestühl und schlichten Bohlentüren, Notstands­ arbeiten böser und armer Zeiten, seine Mängel gehabt haben, — die so oft erfolgte radikale

Neuordnung in korrekter „Neugotik", mit schmiedeeisernen Kandelabern und Wänden von raumtötendem Ziegelrot ist meistens das Ende der Schönheit des Raumes gewesen. Der alte

Raum in seiner Verwahrlosung und Verbautheit, unter besten verstaubtem Weißanftrich sich

alle Unebenheiten und Zufälligkeiten abzeichneten, an besten Wänden und Pfeilern geschwärzte Bilder und naiv derbe Epitaphien träumten, hatte mehr sakrale Stimmung und vielfache

Verbindung mit der Vergangenheit. Er rührte an die weichen, beschaulichen und nachdenklich milden Seiten des Gemütes und gab ein Gefühl friedvoller Geborgenheit. Dasselbe Unbehagen, das unser Auge in dem neu hergerichteten Raum abftößt, scheinen Altar, Orgel und Epitaphien zu

empfinden. Sie leiden unter dem unruhigen, aufdringlichen Rot der Wände, das alle Formen ver­ schlingt und den auf weiße Folie berechneten Umriß der Holzschnitzwerke um seine Wirkung bringt.

Auch eine historische Einstellung sollte ein Empfinden dafür haben, daß nicht nur die Zeit der ersten Anlage, sondern auch die späteren Jahrhunderte an dem Reichtum des Raumbildes mitformen und «in Recht auf Berücksichtigung haben. Ein Versuch historisierender Rückbildung

verletzt stets den wohltuenden Eindruck natürlichen Wachsens und Werdens und versetzt die Formen späterer Zeit in eine unerträglich falsche Lage. Für ein feines Gefühl geht damit der

Ausdruck der Wahrhaftigkeit und der reine Klang des Gesamtbildes verloren. Leider lasten einige der jüngeren HerftellungSarbeiten, etwa der künstlerisch mißlungene, mit

dem sonst so schönen Raumbilde unvereinbare RekonftruktionSversuch gotischer Farbigkeit im

Chor der Katharinenkirche von Brandenburg, oder die gefühllos bunte Ausmalung der Rostocker

Jakobikirche, keine Wandlung zum Besseren bemerken. Vorbildliches wurde wohl nur in der feinfühligen Wiederherstellung der Nikolaikirche in Stralsund erreicht.

Das Außenbild der Dome ist nicht weniger mißhandelt. Man hat sich nicht gescheut, den alten Kirchen Dächer aus modernen Dachsteinen oder Schiefer aufzuzwingen, durch erkerartige Dach­ fenster, wie sie in Franken und am Rhein zu Haufe sind, „die Einförmigkeit der Fläche zu beleben", und statt des hübschen, eigenwilligen Dachreiters, der an unerwarteter Stelle die Firftlinie unterbrach, den überall gleichen „gotischen" Dachreiter mitten auf die Vierung zu

pflanzen. Was ging es den Restaurator an, ob der ursprüngliche Charakter verlorenging!

Die schlimmste Schädigung des Außenbildes ist das Aufsetzen oder Anfügen neugotischer

Türme, das im vorigen Jahrhundert in erschreckendem Maße geübt worden ist. Zahlreiche pom-

mersche und märkische Kirchen, die Dome von Schwerin und Schleswig erheben durch ihr ver­ fälschtes Außenbild Anklage über die Verständnislosigkeit der vorigen Generationen für das

Einmalige und Unantastbare alter kirchlicher Bauwerke. Nicht über die Restauration an sich soll der Stab gebrochen werden; der Mangel an Einfühlung in die Eigenart, an Achtung vor

dem in jedem Falle andersartigen inneren Formgesetz ist es, was diese Maßnahmen zu Ver­ brechen an den alten Bauwerken macht. Überall kann man vor dem Kriege entstandene Pläne

zum Aufbau unvollendeter Türme, zum Aufsetzen hoher „gotischer" Pyramidenspitzen und ähn­ liche Torheiten finden, vor deren Verwirklichung zum Teil nur die eingetretene wirtschaftliche Notlage die Kirchen bewahrt hat.

Das Verdienst, eine Reihe höchst wertvoller Backsteinkirchen uns überliefert zu haben, ohne sich durch die Zeitströmung zu den genannten Übereilungen hinreißen zu lassen, haben die See­ städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Danzig, aber auch im Binnenland« Thorn und

in einigen seiner Kirchen Breslau. Die Rücksicht auf barocke Einrichtungsstücke, die hier mitfpielt, ist schließlich nur eine äußerliche Dokumentierung dessen, worauf es ankommt und was

in diesen selbstbewußten Stadtgemeinden lebendig ist: ein gesundes Traditionsgefühl. Dieses zu wecken und bewußt zu machen, dazu möchte das Buch beitragen und einer von Ein­

fühlung und einsichtiger Liebe getragenen Denkmalpflege das Wort reden, die sich zur Aufgabe

setzt, das zu erhalten und zu schützen, was unserem Volke in seinen alten Kirchenbauten an kost­ barem Gut überkommen ist. Doch vor dem zerstörerischen Wirken eines unduldsamen Historizis­

mus wie vor dem Ehrgeiz neuzeitlicher Glättung und Vervollständigung auf Kosten ihrer un­ bemerkten und leicht zerstörten Eigenwerte möge das Schicksal unsere Dome in Zukunft be­ wahren.

VERZEICHNIS DER BILDER NACH ORTEN Brandenburg, Katharinen 56, 62, 83, 120;

Lüneburg, Johannis 50, 76; Nikolai 110, 115

Pauli 54, 109

Marienwerder, Dom 4,98

Breslau, Elisabeth 40, 87; Kreuz 27, 41; Sand

Prenzlau, Marien 14, 35

60,114; Dorotheen 104

Rostock, Marien 3, 36, 42, 80, 8r, 89, in;

Chorin 24

Nikolai 6; Petri 12

Danzig, Marien 9, 30, 43, 45, 49/ 6i, 68,91,94, 96/ 117; Katharinen 88, 112; Trinitatis 93

Katharinen 39

Doberan 26,79,99

Schwerin, Dom 37, 57

Frankfurt a.d.O., Marien io, 53

Stargard, Marien 28, 51, 70, 106, 119

Gadebusch 71

Stendal, Dom 55; Marien 52, 84, 85

Greifswald, Marien 21, 113, 128

Havelberg, Dom 5

Stralsund, Marien 7, 23, 59,69,116,126,127; Jakobi 124, 125; Nikolai 44, 47, 107

Jerichow i, 72, 73, 75

Tangermünde, Stephan 29,123

Kolberg, Dom 31, 33, 65

Wilönack 32, 63, 82, io2, 118, 121

Lübeck, Dom 48, 64, 74, 101, 103; Katharinen 34,92; Marien 2, 8,15, 18, 67, 78, 95, 97

Wismar, Georgen 17,19,20,22,66,105;Marien 11, 16, 17, 25, 46, 77; Nikolai 58, 86, 90

Salzwedel, Marien 13, 38, 100, 108, 122;

Den Einband zeichnete Prof. Ernst Böhm, Berlin Es lieferten: Das Papier Scheufelen, Oberlenningen; die Druckstöcke F. Bruckmann, München; den Druck Otto von Holten, Berlin; den Einband H. Sperling, Berlin

VORKLANG 1. Jerichow, Chorapsis. Südliche Ruhe und Klassik

DAS MATERIAL l AD SEINE AUSDRUCKSWEISE 2. Lübeck. Westfassade der Marienkirche. Aus zahllosen Schichten kleiner Steine ist der Riesenbau gefügt

DAS MATERIAL UND SEINE AUSDRUCKSW EISE 3. Rostock. Chor der Marienkirche. Kristallische Klarheit im Aufbau der Massen

TYPISCHE LAGEBILDER: DOM ÜBER KLEINSTADT 4. Marienwerder, Stadtbild mit Dom und Kapitelschloß

TYPISCHE LAGEBILDER: DOM ÜBER KLEINSTADT 5. Havelberg. Domstift auf der Höhe des Havelufers

TYPISCHE LAGEBILDER: PFARRKIRCHEN GRÖSSERER STÄDTE 6. Die Nikolaikirche in Rostock

TYPISCHE LAGEBILDER: PFARRKIRCHEN GRÖSSERER STÄDTE 7. Blick auf die Marienkirche in Stralsund

TYPISCHE LAGEBILDER: DAS GROSSBAUWERK DER MITTELALTERLICHEN METROPOLE 8. Lübeck, Marienkirche von Westen

TYPISCHE LAGEBILDER: DAS GROSSBALWERK DER MITTELALTERLICHEN METROPOLE 9. Danzig. Marienkirche von Osten

PLATZ UND BAUKÖRPER 10. Frankfurt a. xwaM< t

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FLÄCHEN SCHMUCK IN DER MARK UND IN POMMERN 29. Tangermünde, südliches Qnerschifiportal der Stephanskirche

DIE KIRCHE IM STRASSEN BILDE 30. Danzig. Marienkirche von der Jopengasse (\\ est ansicht)

DIE KIRCHE IM STRASSEMMLDE 31. Kolberg, der W e^lbau d