Norddeutsche Backsteindome [Reprint 2020 ed.] 9783112361221, 9783112361214


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German Pages 48 [185] Year 1930

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Norddeutsche Backsteindome [Reprint 2020 ed.]
 9783112361221, 9783112361214

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NORDDEUTSCHE

BACKSTLINDOME A U F G E N O M M E N VON

ALBERT RENGER-PATZSCH B E S C H R I E B E N VON

WERNER BURMEISTER

DEUTSCHER KUNSTVERLAG B E R L I N 1930

TEXTDRUCK ERNST B I L D E R D R U C K A. D R U C K S T Ö C K E F. E I N B A N D H.

H E D R I C H NACHF. / L E I P Z I G WOHLFELD / MAGDEBURG BRUCKMANN / MÜNCHEN SPERLING / BERLIN

ZEICHNUNG AUF DEM EINBAND NACH EINEM MOTIV DER MARIENKIRCHE IN STRALSUND PROFESSOR ERNST BÖHM, BERLIN / UMSCHLAG E R N S T HERMANN, B E R L I N

INHALT E I N F Ü H R U N G S. 7 D E R N O R D D E U T S C H E B A C K S T E I N B A U S. 8 Bedingungen S. 8

Der Außenbau S. 10

Der Bauschmuck S. 16

Der Innenraum S. 14

Der Kirchplatz S. 18

D I E B A U W E R K E S. 19 Romanische Anfänge S. 19 Die Marienkirche in Lübeck S. 22 Niedersachsen S. 27

Zisterzienserbauten S. 20 Die wendischen Städte S. 24

Die Mark S. 30

Das Ordensland S. 35

Pommern S. 33

Schlesien S. 41

A U S B L I C K S. 46 Verzeichnis der Bilder nach Orten S. 48

Anordnung und Beschriftung der Bilder besorgte Dr. Werner Burmeister

m A 7* I E ein neuer Baustoff neue Formen schafft, eine eigeneWelt künstlerischen Aus% / % / d r u c k s hervorzaubern kann, mag selten so stark erlebt werden, wie in der mittel• • alterlichen Backsteinkunst Norddeutschlands. I n zwei Hälften sehen wir durch den augenfälligen Gegensatz des Steinmaterials das deutsche Kulturgebiet der Gotik gespalten, ein südwestliches Deutschland mit Bauwerken aus behauenem Sand- und Kalkstein, und ein nordöstliches, dessen Bauten aus gebrannten Ziegeln bestehen. Der Gegensatz des baulichen Eindrucks, sehr allgemein gesprochen links und rechts der Elbe, ist Symptom geblieben f ü r wirtschaftliche und stammliche Gegensätze bis in die Gegenwart. Nicht genau deckt sich die Grenze mit derjenigen zwischen altem Besitz und wiedergewonnenem Kolonialboden. Das Backsteingebiet der Altmark ist stets niedersächsisches Land gewesen; große Teile Obersachsens und Schlesiens sind Kolonialland, aber Hausteingebiet. Die kirchliche Monumentalkunst des Mittelalters rechnet mit dem gewachsenen, vom Steinmetzen bearbeiteten Werkmaterial. Aus dem Kulturgut der Antike kam die Anschauung von der überragenden Würde des Steinbaues nach dem Norden. Das Gotteshaus mußte aus steinernen Mauern aufgeführt, durch steinerne Pfeiler und Bögen gegliedert sein. Die Welt prangte „in einem weißen Mantel von Kirchen". Als nun ein mächtiger Ausdehnungsdrang, unterstützt durch die Gunst wirtschaftlicher Zeitumstände, die Deutschen über die weiten Landstrecken der niederdeutschen Tiefebene vorrücken ließ, erwuchs bald das dringliche Problem, in der hausteinlosen Ebene monumentale Gotteshäuser zu bauen. Wohl plagte man sich zuerst mit den Granitfindlingen des Bodens ab, hieb sie zu Quadern und türmte aus ihnen zyklopische Werke, doch dann fand, wie stets, wenn ein Bedürfiiis unabweisbar sich geltend macht, der Menschengeist die wirklich geeignete Hilfe, die n u n in raschem Siegeslauf entwickelt wurde. Das alte Baumaterial der Römer, der im Norden längst verschollene gebrannte Ziegel, wurde aus Oberitalien, wo er seit langem einer entwickelten städtischen Baukultur dienstbar war, auf nordisches Neuland verpflanzt. Die wirtschaftliche Hochflut, welche die nord- und ostdeutschen Neugründungen im 13. und 14. Jahrhundert emportrug, fand in der Baukunst ihren sinnfälligen Ausdruck. Da die Leistung des Deutschtums zu dieser Zeit hauptsächlich in dem jugendlich wagemutigen Volkstum der Neulande lag, kann es nicht wundern, daß man hier auch baulich Außerordentliches, j a wohl das Kraftvollste und Eigenwüchsigste der Zeit findet. Uber die zufälligen geschichtlichen Verknüpfungen hinaus gewinnt der Backstein infolge seiner sachlichen Anpassung und Allanwendbarkeit die Bedeutung des Materials gereifter, zivilisatorisch expansiver Kulturen an sich, er gewinnt sie zurück, nachdem er sie schon zur römischen Kaiserzeit, j a schon in den Großreichen des alten Orients besessen hatte, aber unter dem hierarchisch-vergeistigten, dem zivilisatorischen Denken fremden Zeitideal des Mittelalters der Vernachlässigung anheimgefallen war. Mit zunehmender Zivilisation hat die Backsteintechnik in neuerer Zeit unaufhaltsam wachsende Verbreitung gefunden. Man b a u t heute auch in alten Hausteinländern überwiegend aus Ziegeln und wird es weiter tun, wenn nicht einmal die Betontechnik der uralten Arbeitsweise des Maurers das Ende bereitet. 7

DER N O R D D E U T S C H E BACKSTEINBAU BEDINGUNGEN Die Baukunst, die sich in der norddeutschen Tiefebene ohne Tradition und Richtschnur erhebt, ist eine Schöpfung aus eigener künstlerischer Kraft. Ihre Leistung kann kaum hoch genug bewertet werden. Das Material, das fremd und neu war und dessen Formfähigkeit erst erprobt werden mußte, verlangte ein neues Verhältnis zur Umwelt, einen Verzicht, der nicht leicht wog. Bisher war Baumaterial dem Deutschen etwas, was in der umgebenden Landschaft, in Klippen, Steinbrüchen, im Schutt des Bodens vorkam, zu dessen Farbe und Körnigkeit bereits in der Landschaft Begleitakkorde erklangen. Dem Material des gebrannten Ziegels aber entspricht nichts in der umgebenden Natur. Das Bauwerk erscheint nicht „dem Boden entwachsen", sondern „darauf hingestellt". Der Backstein hat trotz seiner Schönheit in Farbe und Oberfläche die peinliche Eigenschaft, Kunststein zu sein, und das Mittelalter hat den Surrogatcharakter stark empfunden, wie besonders die farbige Behandlung des Innenraumes erkennen läßt. Aber das junge Volkstum der niederdeutschen Ebene war zu ehrlich, auch zu selbstbewußt, um deswegen das Material verleugnen zu wollen. Vielmehr haben die niederdeutschen Meister gezeigt, daß dem einförmigen Material wahre Wunderwerke an Kraft und Feinheit abzugewinnen waren, wenn man den Backstein seine eigenste Sprache sprechen ließ. Die unbegrenzte Weite der norddeutschen Landschaft zwingt den Menschen, um in ihr zu wirken, große, hart umgrenzte Massen zu formen. Die norddeutsche Stadt konnte nicht dem zierlichen Umriß einer fränkischen Stadt ähnlich werden; solche Formen hätten sich gegen den weiten Himmel Norddeutsclilands nicht behauptet, sie würden nicht die harmonische Wirkung haben wie im südlichen Hügellande. Dünn gesät sind in der Tiefebene die Siedlungen. Die Städte werden von der Natur gedrängt, in ihrem Monumentalbau auf Fernwirkung auszugehen. Als Kaufmannssiedlungen wollen sie bereits auf weite Strecken die Wagenzüge auf der Landstraße und vor allem die Schiffe auf der See wegweisend grüßen. Auch treten im Leben der Norddeutschen bereits im Mittelalter die Züge intimer Feinheit entschieden zurück gegen Machtstreben und nüchternen Wirklichkeitssinn. Wenige, aber starke Akzente bezeichnen das Bild der norddeutschen Stadt. Hoch über allem Bauwerk ragen die wuchtigen Massen der Kirchen. Unter ihnen erhebt sich meistens eine in der Mitte, die vornehmste und älteste, zu besonders monumentaler Haltung als Hauptheiligtum und weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt. Zum größten Teil sind die Formen, die so mächtige Wirkung ausüben, auf dem jungen Boden des Koloniallandes selbständig entstanden. Der Versuch, sie aus fremden Quellen zu erklären, griffe in der Fragestellung fehl. Das junge Volkstum, das sich hier im Osten durch Mischung bildete und zum Bürgertum neuer staatlicher Gebilde verschmolz, hatte von vornherein andere wirtschaftliche und soziale Anschauungen und Ziele als seine Stammverwandten in den verschiedenen Gegenden Altdeutschlands. Es gewann sich sein Steinmaterial auf eigene Weise und holte seine Baumeister aus ganz unbestimmter Richtung, oft von weit her, wie es uns für die Frühzeit stilistische Anzeichen, 8

für die Spätgotik zahlreiche Baumeisternamen beweisen. Der geographische Spielraum für wandernde Bauleute war hier im Norden infolge der regen Seeverbindungen und der lebhaften Nachfrage nach guten Kräften an den entferntesten Außenposten der deutschen Kultur besonders groß. Da war einer Durchschüttelung und Mischung entferntester stammlicher Elemente die Tür weit geöffnet. Die einzelnen Fäden des dicht gesponnenen Geflechtes sind nur in seltenen Fällen noch zu entwirren. Eine formale Analyse der Backsteingotik zum Zwecke eindeutiger Ableitung wird vielfach nicht möglich sein. Aber schließlich, was bedeuten Einflüsse bei einem so kräftig treibenden Eigenwuchs! Das Rätsel, wie bei dieser Durcheinanderwürfelung sich hier eine als Ganzes sofort erfaßbare Baukunst stärkster Eigenart auf einem so ausgedehnten Gebiete aus dem Nichts entwickeln konnte, vermag nur das gemeinsame, alle örtlichen Verschiedenheiten überwindende monumentale Wollen der Eroberer zu erklären, ein überall vorhandener Ehrgeiz voll Kraftbewußtsein und Opferfreude mit dem Ziel, zum Ruhme der eigenen Stadt, mochte sie noch klein und ärmlich sein, etwas Großes und Eindrucksvolles im Bau des Gotteshauses zu leisten. Das Bestreben, neugeschaffene Verhältnisse straff zu organisieren, wohnt dem deutschen Menschen inne, und in der jungen Staatenwelt des Ostens prägt sich bald eine konsequente Gruppenbildung aus. Derselbe fast überall ähnliche Urtyp entwickelt sich in jeder Landschaft etwas anders, der Ausdruckswille arbeitet hier diese, dort andere Züge heraus. Das Einströmen von Formen aus den Westländern dauert an, aber der Strom fließt unregelmäßig, er überspringt, besonders infolge der Seeverbindungen, manchmal nähere Gebiete, um in entfernteren stark fühlbar zu werden. Es bleibt, massig unterbaut zwar von den temperament- und blutgebundenen Grundströmungen in jeder Landschaft, ein eigenwilliges und folgenreiches Spiel dem Zufall offen. Ein eindrucksvoller Bau, den ein von ferne zugereister Meister irgendwo errichtet, bringt in den traditionsarmen Ostlanden eine Stilwelle aus dem Nichts ins Rollen. Die landschaftlichen Typen der Backsteingotik wachsen großenteils aus Zufallssamungen, die ein guter Wind einmal dorthin getragen hat. Neben der Aufnahmefreudigkeit für eine fremde Leistung besteht nämlich im Koloniallande eine in bezug auf schöpferische Kraft nur negativ zu wertende Neigung zur Serienbildung. Ein irgendwo errichteter Hauptbau wird zum Kanon für eine Landschaft, und die Nachahmungen tragen im allgemeinen kaum zur Höherentwicklung, sondern viel eher zur Reduktion und Vermittelmäßigung des ersten selbständigen Gedankens bei. Uber die deutschen Neulande spannt die Kirche ein nur loses Netz geistlicher Versorgung, für die Erbauung stattlicher Kirchen sorgt der wetteifernde Ehrgeiz der Bauernschaften aus eigenem Antriebe. Die bischöfliche Gewalt spielte im ostdeutschen Koloniallande eine untergeordnete Rolle, und im Gegensatz zu dem großen kulturellen Einfluß, den im alten Deutschland die Kirchenfürsten behielten, haben sie im niederdeutschen Neulande, ärmlich dotiert mit Eigengebiet, auch kulturell wenig bedeutet. Dieses Verhältnis prägt sich im baulichen Bestände der Kathedralkirchen unverkennbar aus. Lübecks Dom reicht zwar in seiner Anlage noch in glücklichere Zeiten zurück, 2

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kann aber in seiner späteren Entwicklung mit der städtischen Marienkirche nicht Schritt halten. Von den ührigen Domen des baltischen Norddeutschland sind die meisten von gemäßigter, bescheidener Haltung. Schwerin und Marienwerder sind wohl am großartigsten, und bei den begrenzten Machtmitteln der Bischöfe sogar höchst anerkennenswerte Werke, die keinen Vergleich mit Domkirchen Altdeutschlands zu scheuen brauchen. Das Klosterwesen tritt in das koloniale Ostdeutschland erst in einer entwickelten Spätphase ein, die wir allein hier suchen dürfen. Nicht mehr die Benediktiner, die Zisterzienser haben eine Aufgabe zu erfüllen. Auch baulich sind sie ein Vortrupp monumentaler Ansprüche. I m weiten Gebiet der deutschen Junglande gründet der Orden eine ansehnliche Menge von Abteien, die meistens zu hoher Blüte und reichem Landbesitz gelangen und prächtige Abteikirchen errichten. Führende Bedeutung haben sie gerade in der Frühzeit der norddeutschen Gotik, in der die aristokratische Haltung ihrer Kirchen im Gegensatze steht zu der volkstümlichen Derbheit der Kolonistenbauten. Das spätere Mittelalter gehört jüngeren Orden, vor allen den Dominikanern und Franziskanern, die als Prediger und Seelsorger in den Städten ihre Wirksamkeit ausüben. In ihren Kirchen herrscht städtisch-rationeller, moderner Geist, sie sind klare Zeugen der geistigen Strebungen und Bedürfnisse ihrer Zeit. Für die großartige Haltung und Entwicklung der städtischen Pfarrkirche spielte noch ein anderer Gesichtspunkt entscheidend mit. Dem schnellen Wachstum und jugendlichen Stolz der Städte entsprechend, sollte das Gotteshaus ein Repräsentationsstück ersten Ranges sein. K a u m anderswo hat das Bauwesen auf deutschem Boden so unverschleiert den Charakter des gewollten Machtausdrucks getragen wie in der Hansestadt des Mittelalters. Aus sachlichen Bedürfnissen, die bei dem außerordentlich schnellen Wachstum der Städte sicher mitsprachen, ist das ununterbrochene Neubauen, Abbrechen und Vergrößern nicht allein zu erklären. Auch wäre es irrig, wollte man dem nüchternen Handelsgeist der Seestädte eine alle Stände ergreifende religiöse Erregung zumuten, wie sie in Frankreich den Bau der großen Kathedralen begleitet hat. Dennoch wetteiferte die Bürgerschaft der Städte in ihrem leidenschaftlichen Gemeinsinn an Opfern zur Erhöhung der Pracht ihres Heiligtums. Das Selbstbewußtsein des hansischen Kaufmanns verlangte nach einem sinnfälligen Symbol seiner Macht, und nach mittelalterlicher Weise verschmolz das Denkmal religiöser Devotion mit dem Ausdruck sozialen Geltungsanspruches des Erbauers. In der Art, wie sich das Streben der ganzen Bürgerschaft auf den Glanz des Hauptheiligtums der Stadt als Ausdruck ihrer Größe und Hoheit konzentrierte, liegt eine auffallende Ähnlichkeit mit den italienischen Stadtrepubliken, etwa Florenz, Bologna und Siena, es hegt darin zutiefst ein Vergleichspunkt mit antik'em Empfinden und dem schöpferischen Bürgerstolz des griechischen Stadtstaates. DER

AUSSENBAU

Das Gefühl, das beim Anblick der Backsteindome zuerst den Betrachter überwältigt, ist das Staunen über die gewaltigen Dimensionen dieser Kirchenleiber, deren Riesenwände sich aus so kleinen, gleichmäßig gefügten Steinen zusammensetzen, und der düstere Ernst, der aus den dunkel vernarbten tiefröten Ziegelmauern sich dem Be-

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kann aber in seiner späteren Entwicklung mit der städtischen Marienkirche nicht Schritt halten. Von den ührigen Domen des baltischen Norddeutschland sind die meisten von gemäßigter, bescheidener Haltung. Schwerin und Marienwerder sind wohl am großartigsten, und bei den begrenzten Machtmitteln der Bischöfe sogar höchst anerkennenswerte Werke, die keinen Vergleich mit Domkirchen Altdeutschlands zu scheuen brauchen. Das Klosterwesen tritt in das koloniale Ostdeutschland erst in einer entwickelten Spätphase ein, die wir allein hier suchen dürfen. Nicht mehr die Benediktiner, die Zisterzienser haben eine Aufgabe zu erfüllen. Auch baulich sind sie ein Vortrupp monumentaler Ansprüche. I m weiten Gebiet der deutschen Junglande gründet der Orden eine ansehnliche Menge von Abteien, die meistens zu hoher Blüte und reichem Landbesitz gelangen und prächtige Abteikirchen errichten. Führende Bedeutung haben sie gerade in der Frühzeit der norddeutschen Gotik, in der die aristokratische Haltung ihrer Kirchen im Gegensatze steht zu der volkstümlichen Derbheit der Kolonistenbauten. Das spätere Mittelalter gehört jüngeren Orden, vor allen den Dominikanern und Franziskanern, die als Prediger und Seelsorger in den Städten ihre Wirksamkeit ausüben. In ihren Kirchen herrscht städtisch-rationeller, moderner Geist, sie sind klare Zeugen der geistigen Strebungen und Bedürfnisse ihrer Zeit. Für die großartige Haltung und Entwicklung der städtischen Pfarrkirche spielte noch ein anderer Gesichtspunkt entscheidend mit. Dem schnellen Wachstum und jugendlichen Stolz der Städte entsprechend, sollte das Gotteshaus ein Repräsentationsstück ersten Ranges sein. K a u m anderswo hat das Bauwesen auf deutschem Boden so unverschleiert den Charakter des gewollten Machtausdrucks getragen wie in der Hansestadt des Mittelalters. Aus sachlichen Bedürfnissen, die bei dem außerordentlich schnellen Wachstum der Städte sicher mitsprachen, ist das ununterbrochene Neubauen, Abbrechen und Vergrößern nicht allein zu erklären. Auch wäre es irrig, wollte man dem nüchternen Handelsgeist der Seestädte eine alle Stände ergreifende religiöse Erregung zumuten, wie sie in Frankreich den Bau der großen Kathedralen begleitet hat. Dennoch wetteiferte die Bürgerschaft der Städte in ihrem leidenschaftlichen Gemeinsinn an Opfern zur Erhöhung der Pracht ihres Heiligtums. Das Selbstbewußtsein des hansischen Kaufmanns verlangte nach einem sinnfälligen Symbol seiner Macht, und nach mittelalterlicher Weise verschmolz das Denkmal religiöser Devotion mit dem Ausdruck sozialen Geltungsanspruches des Erbauers. In der Art, wie sich das Streben der ganzen Bürgerschaft auf den Glanz des Hauptheiligtums der Stadt als Ausdruck ihrer Größe und Hoheit konzentrierte, liegt eine auffallende Ähnlichkeit mit den italienischen Stadtrepubliken, etwa Florenz, Bologna und Siena, es hegt darin zutiefst ein Vergleichspunkt mit antik'em Empfinden und dem schöpferischen Bürgerstolz des griechischen Stadtstaates. DER

AUSSENBAU

Das Gefühl, das beim Anblick der Backsteindome zuerst den Betrachter überwältigt, ist das Staunen über die gewaltigen Dimensionen dieser Kirchenleiber, deren Riesenwände sich aus so kleinen, gleichmäßig gefügten Steinen zusammensetzen, und der düstere Ernst, der aus den dunkel vernarbten tiefröten Ziegelmauern sich dem Be-

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trachter mitteilt. Er ermißt die zähe, angespannte Arbeit, die solche Bauten aufgeführt hat. Das Werk der Bauleute erscheint entsagungsvoller, untergeordnet unter die leitende Idee ohne die Möglichkeit eigener variierender Erfindung, wie sie bei Hausteindomen jeder Strebepfeiler, jedes Profil bot. Der Sinn ist nicht auf Teilformung, sondern auf das Ganze gerichtet. An Kühnheit des Wurfes und sicherer Durchführung großangelegter Planungen kann sich den Backsteindomen in deutschen Landen nur Weniges an die Seite stellen. Das Material begünstigt eine nackte und großzügige Maueraufführung. Man kann sich nicht damit aufhalten, wie beim Werkstein die Oberfläche plastisch zu lockern und ihr den Eindruck nüchterner Massigkeit zu nehmen. Zwar wird es, besonders in der Spätzeit, mit mancherlei Mitteln versucht, aber keines kann naturgemäß zu einer Verleugnung der dem Backstein von Natur innewohnenden Wirkungen führen. Nur an einigen Werken Hinrich Brunsbergs in der Mark wird der nackte Materialcharakter des Backsteins übertönt durch das geistvolle Gespinst des Flächenschmuckes. Doch das ist eine Ausnahme, die sehr reizvoll wirkt, aber im Sinne der Backsteinkunst fast als ein Abweg zu betrachten ist. Die Backsteinkunst sucht, wenn sie ehrlich ist, künstlerische Wirkung mit den handwerklichen Mitteln des Maurers, und daß sie diesen Grundsatz aufs konsequenteste befolgt hat, ist der norddeutschen Gotik größtes Verdienst. Dem gotischen Maurer steht ein Stein von einer Schönheit und Güte zur Verfügung, wie er uns fremd geworden ist, und er mischt einen Mörtel, der felsenhart bindet. Sein Stolz sind tadellos ausgelotete glatte Mauern und Pfeiler und ebensolche riesenhohe Fensteröffnungen mit teilendem dünnem Stabwerk, die ins Endlose emporwachsen. Konstruktiv lernt er immer kühnere, technisch vereinfachte Formen finden, mit denen er selbstsicher kokettiert. Mit dem handlichen Backstein vermag er über weite Spannungen phantastisch dünne Gewölbeschalen zu schlagen, ohne daß es schwerer Widerlager gegen den Seitenschub bedarf. Selbst das offene Strebewerk entfällt in der Spätgotik, ohne daß die Gewölbe gefährdet sind. Grundvorstellung des norddeutsch kolonialen Kirchenbaues ist stets: ein einziger gewaltiger, möglichst ungeteilter Baukörper, dessen Begrenzung allseitig klar und logisch begründet dasteht, unter Fortfall jeder Verschleierung und Ablenkung durch allzu bewegtes Leben der Teilformen. Ein Ziel, dem das gotische System mit seinem zerrissenen W a n d a u f b a u durchaus nicht entgegenkommt, dem aber vor allem das innerlich unausgeglichene u n d ruhelose Wesen des Niederdeutschen selbst Schwierigkeiten bereitet. So bietet auch der Außenbau der Backsteinkirchen eher ein Bild unruhiger Zerklüftung als ruhiger Ausgeglichenheit. Die kantig vorspringenden Strebepfeiler bringen Zerrissenheit in das Außenbild, und dieselbe, noch verstärkte Wirkung geht von dem den Obergaden umklammernden Strebewerk aus. Unregelmäßige Kapellen, mehrgeschossige Sakristeianbauten, auch Quergiebelreihen oder Ziergiebelwände, die die Form des dahinterliegendenDaches verhüllen, dienen der unruhigen Komplizierung des Kirchenhauses. Die von Süddeutschland eindringende große plastische Form des Riesendaches der Hallenkirche, die dort völlig mit dem Raumgefühl des Stadtbildes u n d der Behäbigkeit der Giebelhäuser eines Blutes war, begegnet in den Marken, wo sie vor allem zur 2*

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Aufnahme gelangt, einem auflösenden Gegenspiel durch bewegte Dachbrüstungen und durch seitliche Anbauten mit zackigen, durchbrochenen Schauseiten. Man bemerkt, daß die bizarre Phantastik, der Mangel an harmonischer Rundung, dem nordischen Gefühl gemäß war, und daß ausgeglichene, ruhende Formen, wo sie einmal rein zur Anwendung kommen, bald wieder einer hartbrüchigen und spröden Formgebung weichen. Das liegt nicht am Backsteinmaterial allein, es ist ebensosehr in den inneren Reibungen niederdeutscher Menschen begründet. Beide Hauptformen des mittelalterlichen Kultraumes, Halle und Basilika, sind im norddeutschen Backsteingebiet zu sehr entschiedener Ausbildung gelangt. Da alle Teile des Gebäudes von der Wahl der einen oder anderen Raumform ergriffen werden, teilt sich der Kirchenbau in zwei verschiedene Übungen, zwischen denen allerdings auch vermittelnde Bildungen stehen. In der ganzen norddeutschen Tiefebene herrscht an sich die Halle, niedersächsischem Raumgefühl gemäß und zutiefst den Kultbedürfnissen, dem Rhythmus, dem Temperament des norddeutschen Menschen entsprechend. Der basilikale Kultraum wird nicht im Lande selbst von Anfang gepflegt, sondern von fremden Kunstgebieten eingeführt. Es ist ein gewaltsamer Einbruch in diese geschlossene Welt, als mit Lübecks Marienkirche das hochgotische französische Basilikalsystem auftritt, dessen Einführung nun im ganzen Küstengürtel bis zum preußischen Ordenslande einen Kampf, auch ein Sichdurchwachsen und Verschmelzen beider Typen zur Folge hat, wobei nahe der Küste die Basilika vielfach im Übergewicht bleibt, dagegen weiter im Binnenlande das Herrschaftsgebiet der Halle zunimmt. Die Mark Brandenburg, die auch von Süddeutschland und Böhmen her starke Strömungen zugunsten der Hallenkirche aufnimmt, kennt in der Gotik allein diese Form. Schlesien mit seinen schlanken Kirchenräumen, die der Basiiikaiidee durch ihre Höhentendenz entgegenzukommen scheinen, kann sich doch auch der in seinen Nachbargebieten herrschenden Halle nicht verschließen. Das Dach der vornehmen Backsteinkirchen ist in den frühesten Zeiten wohl ein Blei-, dann ein Kupferdach gewesen. Aber das ausgeprägte Materialgefühl der Backsteinbaukunst brachte es bald dahin, daß auch das Dach mit Hohlziegeln („Mönch und Nonne") gedeckt wurde und so die Kirche bis zum First in das einheitliche Rot ihres Steines gekleidet war, ein sehr befriedigender Anblick. Auch Turmhelme wurden mit diesen Hohlziegeln gedeckt. An den Chorumgängen von Schwerin und Wismar hat der Baumeister, um das Dach mit Ziegeln decken zu können, die einspringenden Winkel durch einen Sturz oder Bogen überbrückt. So sehen wir, daß im 15. Jahrhundert Wismar und Danzig, Thorn und ßreslau ihre Kirchen mit Hohlziegeln decken, während die Hallendächer der Mark Brandenburg nach südlichem Brauch flache Dachziegel erhalten. In den wendischen Städten erhielt sich doch auch das Gefühl für die Schönheit des Kupferdaches und die köstliche Wirkung von tiefrotem Backstein und lichtgrüner Kupferpatina, das im 17. Jahrhundert erneute Pflege fand. So hat Lübeck in all seinen Kirchendächern diese Wirkung bewahrt, und auch Rostock (mit graugelbem Backsteinton) und Stralsund bevorzugen Kupferdächer. 12

Hart und in brutaler Wucht steigt im Westen der Turm oder das Turmpaar auf. An gigantischer kompakter Schwere und Steinmasse nehmen die Türme einen unverhältnismäßig großen Teil des Bauwerkes für sich in Anspruch. Auch sind die Türme der Teil des Kirchenbaues, in dem sich das Backsteingebiet niemals von der französischen Gotik ernstlich dreinreden ließ, sondern seine eigene derbe Sprache von Anfang durchsetzte. Diese Türme, beginnend mit dem Turmpaar des Lübecker Domes, sind eigenstes Gut der deutschen Ostseeküste. Die Türme im Kerngebiet deutschen Backsteinbaues sind quadratische, starkwandig aufgemauerte Körper ohne Strebepfeiler, mit erstaunlichen Ziegelmassen aufgeführt. Die Wirkung des geschlossenen Klotzes ist beabsichtigt, die Erleichterung der Mauern nach oben findet unsichtbar im Innern statt. Es ist der seit romanischer Zeit in Westfalen heimische Turmtyp, der hier im Backsteinlande seine großartigste Auswirkung erlebt. Die Ecken versteifen helle Kalksteinquadern - nichts Neues an Türmen diesseits und jenseits der Alpen, aber hier durch den farbigen Kontrast des Steinmaterials ein besonders ausdrucksvolles tektonisches Motiv. Der Helm steigt in der Regel über vier großen Giebelfeldern in einfacher steiler Achteckpyramide mit Kupferbekleidung zu gewaltigen Höhen empor. Der Osten, Danzig und Thorn, wählt einen Turmtypus der Niederlande, und auch der Südosten, das schlesische Backsteingebiet, bevorzugt einen schlanken Turmtypus mit bis oben an das Ende des Mauerwerkes reichenden Strebepfeilern, dem man eine Verwandtschaft mit den Niederlanden deutlich ansieht, neben einer süddeutsch alpinen Turmform. So hochragend und vollständig wie in Lübeck findet man keine Turmpaare wieder. Breiter und klotziger noch werden die Doppelturmanlagen in den anderen Seestädten, zuweilen verschmelzen sie zu einem einzigen breiten Westwerk. Die Einzeltürme sind, wie es auch in Westfalen vorgebildet ist, zumeist von einem Paar seitlicher Kapellen schulterartig flankiert. War in Lübeck außer einigen großformigen Bändern paßförmiger Blenden das Mauerwerk schlicht, so gehen die östlichen Städte daran, den Turmseiten reichen Blendenschmuck einzufügen. Ein Feld heiterer und ausdrucksvoller Schmuckfreude ist gefunden. Oder es übernehmen, wie in Wismar, die Glasurziegel, den starren Wuchs der Türme mit zierlichem Blendenschmuck zu beleben. Das Mauerwerk der Türme ist meistens gedrungen und überragt das Schiff nur mäßig. Von den riesenhohen Holzhelmen aber haben nur wenige die Seestürme und Brände von vier Jahrhunderten überdauert. Auch blieb der Turm, oder von einem Turmpaar einer, in vielen Fällen Torso. So ist denn für das norddeutsche Flachland im allgemeinen nicht die stets erneuerte und gepflegte steilgetürmte Stadtsilhouette von Lübeck bezeichnend, sondern eher das Bild Wismars, Kolbergs oder Thorns, wo die Turmriesen als unvollendete Stümpfe oder mit niedrigen Notbedachungen, ungefüge klotzige Massen, doch überwältigend mächtig das Häusermeer der Stadt beherrschen. Oben über dem Dachfirst des Schiffes ist um die Türme eine Region von bizarrer Phantastik. Holz, Kupferbeschlag und nackter Stein bringen da in handwerklich unbefangener Nachbarschaft überraschende Formen zustande. Wie seltsam wirken die 13

kupferbekleideten Zugbalken zwischen den Türmen, wie vortrefflich die umgreifenden Falze der Kupferhelme, die mit steilen Parallelfugen in maßlose Höhen streben, oder auch die dem spröden Blech abgerungenen Haubenformen des Barock. Und wie verschieden ist so eine Turmbekrönung in ihrem Verhältnis zum gemauerten Turmunterteil. I n ihrer wechselnden Gestaltung hat die norddeutsche Phantasie viel Originelles geleistet in der Spätgotik wie im Barock. Die Westfront der Kirchen ist eine unzugänglich schroffe Schildfläche, die sich kaum in Portalen öffnet, deren Portal jedenfalls kaum den Charakter eines einladend geweiteten Hauptzuganges hat. Die praktisch wichtigsten Portale liegen an den Langseiten und in der Stirnseite der Querarme. I n der Ausbildung des Portals findet sich keineswegs der Drang zur mächtig vorquellenden, sich weitenden Pracht, der die Hausteindome des Westens, besonders Frankreichs, auszeichnet - die Backsteinportale haben die Neigung zu spröder Zugeschlossenheit und sind klein im Verhältnis zu den Kirchenräumen, zu denen sie führen. Sie folgen darin westfälischer und, wie es scheint, auch englischer Tradition. DER

INNENRAUM

Der Raum ist f ü r deutsches Bauen vor allem anderen Gegenstand des künstlerischen Gestaltens, ja, m a n kann sagen, daß für den Deutschen das architektonische Schaffen sich in der Raumgestaltung so sehr erschöpft, daß alles, was sonst noch entsteht, Nebenprodukt ist. So h a t auch, was am Außenbau auffällig und bizarr schien, seine Entsprechung, seine Wurzel und Begründung im Ringen um die Formung des Raumes. Schon hieraus folgt, daß diejenige Raumform, die an sich die absoluteste ist, die Halle, f ü r das von Tradition unbeschwerte deutsche Neuland das eigentliche Zentralproblem werden mußte - oder hätte werden müssen. Aber gerade die Basiliken der Küstenstädte sind Räume von höchster Großartigkeit, und wenn wir an Backsteinkirchenräume denken, haben wir diese am ersten vor Augen. Der Eindruck der Innenräume ist für den, der von der Baukunst des Westens und Südens herkommt, ganz besonders fremdartig, und mancher wird im Anfang ein erkältendes und bedrückendes Gefühl vor diesen nackten Riesenräumen empfangen. Statt der umschließenden Harmonie, der Beruhigung in einer geformten Welt, dem warmen Material des Quadersteines sind hier Räume von riesenhaften, unfaßbaren und abrupten Verhältnissen, zerrissen durch klaffende, ungefüge Lichtöffnungen, geteilt durch formlos rohe Pfeiler, umschlossen durch Mauerflächen von spröder Rauhheit. Die Gewölbe, die in schwindelnder Höhe halbdunkel hängen, sind mager und nackt oder phantastisch brüchige Spinnwebengebilde, sie stehen zu der unteren Wandzone in einem harten Gegensatz, nicht in logischer Beziehung. Befremdend wirken auch die zahlreichen Zugbalken, die unter dem Gewölbe sich sperren. Immer haftet dem Backsteinbau auch im Innenraume etwas von „ R o h b a u " im Sinne des Unfertigen, der Ergänzung Bedürftigen an. Die ärmliche Nüchternheit der Ausstattung und die Nacktheit, in der die Räume nach Zeiten der Verwüstung und Verwahrlosung auf uns gekommen sind, trägt viel

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kupferbekleideten Zugbalken zwischen den Türmen, wie vortrefflich die umgreifenden Falze der Kupferhelme, die mit steilen Parallelfugen in maßlose Höhen streben, oder auch die dem spröden Blech abgerungenen Haubenformen des Barock. Und wie verschieden ist so eine Turmbekrönung in ihrem Verhältnis zum gemauerten Turmunterteil. I n ihrer wechselnden Gestaltung hat die norddeutsche Phantasie viel Originelles geleistet in der Spätgotik wie im Barock. Die Westfront der Kirchen ist eine unzugänglich schroffe Schildfläche, die sich kaum in Portalen öffnet, deren Portal jedenfalls kaum den Charakter eines einladend geweiteten Hauptzuganges hat. Die praktisch wichtigsten Portale liegen an den Langseiten und in der Stirnseite der Querarme. I n der Ausbildung des Portals findet sich keineswegs der Drang zur mächtig vorquellenden, sich weitenden Pracht, der die Hausteindome des Westens, besonders Frankreichs, auszeichnet - die Backsteinportale haben die Neigung zu spröder Zugeschlossenheit und sind klein im Verhältnis zu den Kirchenräumen, zu denen sie führen. Sie folgen darin westfälischer und, wie es scheint, auch englischer Tradition. DER

INNENRAUM

Der Raum ist f ü r deutsches Bauen vor allem anderen Gegenstand des künstlerischen Gestaltens, ja, m a n kann sagen, daß für den Deutschen das architektonische Schaffen sich in der Raumgestaltung so sehr erschöpft, daß alles, was sonst noch entsteht, Nebenprodukt ist. So h a t auch, was am Außenbau auffällig und bizarr schien, seine Entsprechung, seine Wurzel und Begründung im Ringen um die Formung des Raumes. Schon hieraus folgt, daß diejenige Raumform, die an sich die absoluteste ist, die Halle, f ü r das von Tradition unbeschwerte deutsche Neuland das eigentliche Zentralproblem werden mußte - oder hätte werden müssen. Aber gerade die Basiliken der Küstenstädte sind Räume von höchster Großartigkeit, und wenn wir an Backsteinkirchenräume denken, haben wir diese am ersten vor Augen. Der Eindruck der Innenräume ist für den, der von der Baukunst des Westens und Südens herkommt, ganz besonders fremdartig, und mancher wird im Anfang ein erkältendes und bedrückendes Gefühl vor diesen nackten Riesenräumen empfangen. Statt der umschließenden Harmonie, der Beruhigung in einer geformten Welt, dem warmen Material des Quadersteines sind hier Räume von riesenhaften, unfaßbaren und abrupten Verhältnissen, zerrissen durch klaffende, ungefüge Lichtöffnungen, geteilt durch formlos rohe Pfeiler, umschlossen durch Mauerflächen von spröder Rauhheit. Die Gewölbe, die in schwindelnder Höhe halbdunkel hängen, sind mager und nackt oder phantastisch brüchige Spinnwebengebilde, sie stehen zu der unteren Wandzone in einem harten Gegensatz, nicht in logischer Beziehung. Befremdend wirken auch die zahlreichen Zugbalken, die unter dem Gewölbe sich sperren. Immer haftet dem Backsteinbau auch im Innenraume etwas von „ R o h b a u " im Sinne des Unfertigen, der Ergänzung Bedürftigen an. Die ärmliche Nüchternheit der Ausstattung und die Nacktheit, in der die Räume nach Zeiten der Verwüstung und Verwahrlosung auf uns gekommen sind, trägt viel

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Schuld an dem oft ungünstigen Eindruck; noch schlimmer aber hat vielfach rigorose Neugestaltung der Restauratoren die Unliebenswürdigkeit des Eindrucks gesteigert. Im 14. und 15. Jahrhundert sahen diese Räume nicht so unwohnlich aus. Die bunte Fülle der vom Leben niederdeutschen Volkstums durchtränkten Geräte und Ausstattungsstücke ließ keinen Winkel des Raumes öde erscheinen. Hart und sperrig wie der Raum selber prangten da große und kleine Schnitzaltäre, Chorgestühl, Lettner und Schranken, Triumphkreuzgruppe, Sakramentshaus und Andachtsbilder, alles aus Eichenholz. Weihgeschenke und Beutestücke aus Kriegszügen kamen dazu, und im 15. Jahrhundert füllten sich rings um den Raum die schmalen Kapellen mit Altären und Votivgaben der Familien und Zünfte. Das Fremdartig-Hartbegrenzte, Unbeholfene und Ungebändigte war auch in allen Einzelteilen des mittelalterlichen Raumbildes herrschend. Vor allem: die Wände und Pfeiler standen nicht im nackten Ziegelrohbau, sondern waren hell gestrichen in einer die Gliederungen farbig, doch zurückhaltend und locker unterstreichenden Weise, und ihre Flächen füllten zarte Malereien mit reizvoller Einpassung in die Raumstimmung. Farbige Verglasung war wohl überall verwendet, füllte aber nur ausnahmsweise die ganzen Fensterflächen. Das Licht, das durch schlicht weiße Bleiruten brach, konnte seine ungebrochene Wirkung entfalten. Wir können uns die Raumwirkimg in ihrer einstigen Fülle nur lichtdurchflutet und reich vorstellen. Aber die Jahrhunderte der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges sind mit diesem Reichtum nicht sanft umgegangen, und als man, verarmt und ohne die Möglichkeit, das Verlorene neu zu schaffen, nach all den Verwüstungen den Schaden heilen wollte, half man sich, so gut es ging. Wirklich wurde durch Verzicht eine neue außerordentliche Schönheit gewonnen. Der Raum wurde vom Boden zum Gewölbe einheitlich geweißt und eine ärmliche und schwerfällig-plumpe barocke Ausstattung darin aufgestellt. Messingene Kronen und Wandarme versuchten ihm freundliche Festlichkeit zu geben. Der Gewinn lag in der Lichtstimmung, die in den Räumen zu wundervoller Entfaltung kam. Auf dem neutralen Weiß der Wände entstand ein zauberisches Spiel des Lichtes im Räume, ein Gegenspiel von warmen und kalten Tönen, Halbschatten und Reflexen. Für die Würdigung des Raumeindruckes der Backsteindome ist der unrestaurierte Raum, der noch in verstaubtem Weißanstrich und schlichter weißer Fensterverglasung steht, durchaus maßgebend und den beklagenswerten Neufassungen der restaurierten Bauwerke unbedingt vorzuziehen. Der Raum des Backsteindomes ist durchaus vom Licht modelliert und vorzugsweise optisch aufzufassen, wenig Möglichkeit ist proportionalem Wohllaut und taktischem Genießen der begrenzenden Massen gegeben. Dem voll und kühl einfallenden Licht sind diese schlichten Achteck- und Rundpfeiler, diese entschieden und karg gegliederten Wände und hart eingetieften Nischen ein überaus entsprechendes Spielfeld. Von den Einzelbildungen des Raumes kann nicht allzu breit die Rede sein. Die Pfeiler sind kantig und schlicht, die Gewölbe lösen sich in der Spätzeit sehr entschieden von der Wand- und Pfeilerzone ab und betonen den konstruktionsgemäßen Gegensatz 15

zwischen aufgehendem Mauerwerk und getragener, in Spannung gehaltener Decke in handwerklicher Ehrlichkeit, welche die doch theatralisch vorgeblendete Funktion der Dienste bald abstreift. Es wird von den funktionell begründeten Schmuckformen der Hausteingotik alles abgeschafft, was in Wirklichkeit als nicht passend sich erweist. So fallt das Maßwerk der Fenster, so der Kämpfer der Pfeiler bis auf einen meistens vorhandenen leicht vorspringenden Abschlußring. Das Betrachten der Bilder lehrt, daß der Backsteinbau dem Chor in seinen großartigsten Werken meistens den festlichen polygonalen Abschluß gab. Es ist gewiß, daß der am Außenbau recht gut wirkende flache Schluß der Ostteile im Innern etwas Verlegenes, einen Mangel an räumlichem Abschluß bedeutet. Seine doch sehr weite Verbreitung erklärt sich aus dem nicht auszurottenden Raumideal der einheitlich schlichten Halle ohne gesonderten Chor. Theoretisch ist dies der beste und folgerichtigste Gedanke der norddeutschen Gotik. Seine Auswirkung ist auch bis an das Ende des Mittelalters zu verfolgen. Noch eines mag Erwähnung finden: der Fußboden der Kirchen, der in den ansehnlicheren Städten völlig mit mächtigen Grabplatten aus gotländischem Kalkstein bedeckt ist. Wenig bleibt zumeist von dem ursprünglichen Ziegel- oder Tonplattenbelag übrig. DER

BAUSCHMUCK

Es ist kurz auf die schmückende Teilgestaltung des Außenbaues einzugehen. Der Belebung der riesigen Mauerflächen dienen geputzte Blenden und eingelassene Gitterbildungen aus Formsteinen, diese als Horizontalbänder und als rechteckige Felder, die den Portalbogen umschließen. Die Blende tritt vor allem in den Turmseiten, an Giebeln und auch an den Stirnseiten der Strebepfeiler auf. Wo ein großer Ost- oder Westgiebel vorhanden ist, wie häufig in Pommern, Preußen und Schlesien, setzt sich die Gliederung aus senkrecht teilenden Stäben und dazwischen eingetieften Blenden zusammen, wozu noch oft eine wagerechte Streifenbildung kommt. I n Pommern sind die Blenden zuweilen mit Maßwerk aus glasierten Formsteinen gefüllt, in West- und Ostpreußen wird ein solches häufig durch rote Malerei auf dem Putzgrunde vorgetäuscht. Etwas wirklich Bewundernswertes und Einzigartiges ist die schmuckreiche Ausbildung der Ostgiebel der Marienkirchen von Neubrandenburg und Prenzlau. Die riesige Dreiecksfläche scheint dem Baumeister aufs höchste willkommen gewesen zu sein. I n Prenzlau unterdrückt er im Außenbilde geradezu die polygonalen Chorschlüsse der drei Schiffe, um eine große, einheitliche Ostwand zu erhalten. Die Zier dieser Giebel besteht in einem frei vor der geschlossenen Giebelwand stehenden Pfosten- und Maßwerksystem, nicht viel anders, als ob es sich um die Aufteilung gewaltiger Fensterflächen handelte. Man hat bei diesen Giebeln, zumal dem älteren von Neubrandenburg, auf die Westfassade des Straßburger Münsters hingewiesen. Wenn man der Herkunft der Formen nachgehen würde, so würde wahrscheinlich England als Ursprungsland anerkannt werden müssen, das auch zu der breit abgeplatteten Chorform die Vorbilder bot. Vielleicht erfolgte die Anregung durch Kleinkunstwerke, jedenfalls geschah eine ganz freie

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zwischen aufgehendem Mauerwerk und getragener, in Spannung gehaltener Decke in handwerklicher Ehrlichkeit, welche die doch theatralisch vorgeblendete Funktion der Dienste bald abstreift. Es wird von den funktionell begründeten Schmuckformen der Hausteingotik alles abgeschafft, was in Wirklichkeit als nicht passend sich erweist. So fallt das Maßwerk der Fenster, so der Kämpfer der Pfeiler bis auf einen meistens vorhandenen leicht vorspringenden Abschlußring. Das Betrachten der Bilder lehrt, daß der Backsteinbau dem Chor in seinen großartigsten Werken meistens den festlichen polygonalen Abschluß gab. Es ist gewiß, daß der am Außenbau recht gut wirkende flache Schluß der Ostteile im Innern etwas Verlegenes, einen Mangel an räumlichem Abschluß bedeutet. Seine doch sehr weite Verbreitung erklärt sich aus dem nicht auszurottenden Raumideal der einheitlich schlichten Halle ohne gesonderten Chor. Theoretisch ist dies der beste und folgerichtigste Gedanke der norddeutschen Gotik. Seine Auswirkung ist auch bis an das Ende des Mittelalters zu verfolgen. Noch eines mag Erwähnung finden: der Fußboden der Kirchen, der in den ansehnlicheren Städten völlig mit mächtigen Grabplatten aus gotländischem Kalkstein bedeckt ist. Wenig bleibt zumeist von dem ursprünglichen Ziegel- oder Tonplattenbelag übrig. DER

BAUSCHMUCK

Es ist kurz auf die schmückende Teilgestaltung des Außenbaues einzugehen. Der Belebung der riesigen Mauerflächen dienen geputzte Blenden und eingelassene Gitterbildungen aus Formsteinen, diese als Horizontalbänder und als rechteckige Felder, die den Portalbogen umschließen. Die Blende tritt vor allem in den Turmseiten, an Giebeln und auch an den Stirnseiten der Strebepfeiler auf. Wo ein großer Ost- oder Westgiebel vorhanden ist, wie häufig in Pommern, Preußen und Schlesien, setzt sich die Gliederung aus senkrecht teilenden Stäben und dazwischen eingetieften Blenden zusammen, wozu noch oft eine wagerechte Streifenbildung kommt. I n Pommern sind die Blenden zuweilen mit Maßwerk aus glasierten Formsteinen gefüllt, in West- und Ostpreußen wird ein solches häufig durch rote Malerei auf dem Putzgrunde vorgetäuscht. Etwas wirklich Bewundernswertes und Einzigartiges ist die schmuckreiche Ausbildung der Ostgiebel der Marienkirchen von Neubrandenburg und Prenzlau. Die riesige Dreiecksfläche scheint dem Baumeister aufs höchste willkommen gewesen zu sein. I n Prenzlau unterdrückt er im Außenbilde geradezu die polygonalen Chorschlüsse der drei Schiffe, um eine große, einheitliche Ostwand zu erhalten. Die Zier dieser Giebel besteht in einem frei vor der geschlossenen Giebelwand stehenden Pfosten- und Maßwerksystem, nicht viel anders, als ob es sich um die Aufteilung gewaltiger Fensterflächen handelte. Man hat bei diesen Giebeln, zumal dem älteren von Neubrandenburg, auf die Westfassade des Straßburger Münsters hingewiesen. Wenn man der Herkunft der Formen nachgehen würde, so würde wahrscheinlich England als Ursprungsland anerkannt werden müssen, das auch zu der breit abgeplatteten Chorform die Vorbilder bot. Vielleicht erfolgte die Anregung durch Kleinkunstwerke, jedenfalls geschah eine ganz freie

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Umformung. In seiner Großarchitektur hat auch England nichts unmittelbar Vergleichbares. Die riesigen Prunkstücke, berechnet auf eine Wirkung in die Weite, sind frühe Zeugnisse der dem märkischen Kunstkreise eigenen Schmuckliebe. Einer ähnlichen dekorativen Absicht, die aber auch eine intime Nahwirkung sucht, entstammt das reiche Wandschmucksystem der Gruppe von pommerschen und märkischen Kirchen, die man mit dem Namen Hinrich Brunsbergs verbindet. Er ist nicht der Schöpfer, sondern der Vollender dieser Kunstrichtung. Der Chorumgang der Marienkirche von Stargard und die Südseite der Stettiner Jakobikirche sehen Brunsberg als jungen Gehilfen eines Meisters, der bereits das System des Schmuckes voll ausgebildet hat. Brunsbergs selbständige Meisterwerke sind der Chor der Marienkirche von Königsberg in der Neumark und das Langhaus der Katharinenkirche von Brandenburg. Sie stellen den Höhepunkt märkischer Schmuckfreude um die Zeitwende von 1400 dar. Ein seltsam träumerisches Beginnen, umwälzend und doch bescheiden, indem es den Baukörper mit einem verschleiert zarten Spitzengewand umhüllt, ohne an seine massige Grundform zu rühren. Von der Mark aus verpflanzen sich die durchbrochenen Zierwände der seitlichen Anbauten auch an die Ostsee, wo sie natürlich gleich mehr Ernst mit der Dramatik machen. Der gedeihliche Heimatboden bleibt die Mark und der blutsverwandte mittlere Teil Pommerns. Figuraler Schmuck ist selten. Wo er auftritt, hat er als Ziegelware den Charakter des beliebig wiederholten Ornaments. So trägt der Südgiebel der Nikolaikirche in Wismar einen überaus reichen, reihenweise angeordneten Reliefziegelschmuck, der doch nur zwei Figuren, Maria und St» Nikolaus, in fortwährendem Wechsel wiederholt. Individuelle Bauplastik, aus geschnittenen und gebrannten Tonblöcken zusammengesetzt, kommt als „Pfeilerfigur" an den Diensten der Chöre in Wilsnack und Stendal, außen an der Westfassade in Rostock vor. Kleinere Konsolfigürchen und Köpfe sind nicht selten. Nach Modeln gepreßte oder frei modellierte Reliefplatten treten an Portalen der Priegnitz und des Ordenslandes auf. Hier im Ordenslande hat man häufig Portale aus Werkstein eingefügt, die aber auch in der Mark, in Frankfurt oder Wilsnack, vorkommen. Die glatte Fläche zu beleben, dient der j a auch in allen Schmuckformen angewandte Glasurziegel, von schwarzer, dunkelbrauner, ockergelber und grüner Farbe. Im Flächenschmuck kann er ganze Schichten bilden und so die gesamte Mauerfläche bändern (so an der Rostocker Marienkirche), oder es können immer die Binder schwarzglasiert aus tiefbraunem Mauerwerk herausfunkeln, wie es in Breslau allgemein üblich ist, auch können einzelne glasierte Binder figurierend zu einem Rautenmuster zusammengestellt werden, wie es, ein Beispiel von vielen, die Nikolaikirche in Wismar zeigt. Solche Flächenmusterungen, die auch Rosetten, Rauten oder quadrierend fortlaufende Paßmuster und ähnliches enthalten und die zum großen Teil von der englischen Gotik inspiriert sind, schmücken zuweilen die Giebelfelder der Türme. Bei reichlicher Verwendung glasierter Steine ist die Mauerfläche ein Spielfeld für blänkernde Sonnenreflexe. Starke Wirkungen sind der Backsteinkunst fast immer erwünscht. 3

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DER

KIRCHPLATZ

Das kirchliche Backsteinbauwerk liegt selten direkt an der Straße. Man sieht es beim Durchwandern der Stadt immer wieder über Häusergiebel ragen, im Blickpunkt einer Gasse, aber nicht nackt am Verkehrsplatz - wenigstens durch eine stille, von Bäumen beschützte Zone von ihm getrennt. Wohl sind vielfach durch Abbritch der eingeschobenen Kleinhausreihen die Kirchplätze freier geworden, aber an sehr schönen Beispielen, etwa der Nikolaikirche von Stralsund, der Marienkirche von Lübeck, die nur an ihrer Nordseite freigelegt ist, und der Marienkirche von Danzig erkennt man, wie abgeschlossen und fern von Durchgangs- und Platzcharakter der enge Bering um die Kirche war. Es waren Kirchhöfe zur Beerdigung der Toten, und sie pflegten mit einer nur f ü r die Zugangswege der Kirche unterbrochenen Mauer umhegt «u sein. Es ist kaum nötig, zu erwähnen, daß dieses Verhältnis zur Öffentlichkeit seinen Ausdruck in der Bauweise finden mußte. F ü r Sichtbarkeit und Repräsentation werden im allgemeinen gerade die höheren Bauteile, Dachfriese, Giebel, Türme schmuckhaft ausgeführt, während der untere Teil völlig schmucklos ist und besonders im Falle der Freilegung eine sehr kahle und ärmliche Figur macht, so daß man oft gut getan hat, ihn durch Anpflanzung von Bäumen wieder der Sicht zu entziehen. Der mittelalterliche Baumeister arbeitete oft sehr für den besonderen Fall, was den Bauschmuck anbetrifft, über dessen Austeilung er frei entscheiden konnte. Mancher reiche Querschiffgiebel, manche uns heute unverständliche Abweichung von dem Erwarteten erklärt sich aus der umgebenden Lage und der Blickrichtung, in der ein Teilstück allein aufgenommen werden konnte. Mit der Neubebauung oder dem Abbruch der einst rahmenden Häuser h a t die Formung ihren Sinn und ihre einleuchtende Begründung verloren. Heute ist der Zustand der Kirchplätze je nach dem Schicksal der Stadt und der Willkür des Magistrats sehr verschiedenartig. So gut Bäume wirken können, so verderblich sind gärtnerische Anlagen um die Kirche. Möge man nicht fortfahren, Wismars herrliche ungepflegte Kirchplätze durch kostspielige, häßliche Anlagen zu zerstören! Gärtnerische Anlagen sind völlig gegen den Geist der Plätze u m die Backsteindome. Sie verniedlichen und mildern, wo es gerade das Harte und Große gilt. Die Kirche muß auf einem schlichten Erdplatz stehen, über den man nach Bedürfnis gepflasterte Gehsteige legen kann. Zum Glück ist noch um viele norddeutsche Kirchen so ein herbes, alles Kleinlichen entbehrendes, doch ringsum von alten Winkeln umlauertes Platzbild. Besonders köstlich ist der Platz im Süden und Westen der Marienkirche in Wismar, wo der Boden aus roten Backsteintrümmern besteht, Staub vergangener Bauwerke. Hier ist die Einheit mit dem Boden, die dem Backstein unerreichbar erscheint, zum Ereignis geworden.

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DIE BAUWERKE ROMANISCHE

ANFÄNGE

Das Verdienst, die große Tragweite einer Verpflanzung der oberitalienischen Backsteintechnik auf nordischen Boden zuerst erkannt zu haben, scheint, wenn auch in Brandenburg erste schüchterne Versuche vorher gemacht waren, König Waldemar dem Großen von Dänemark und seinem Kanzler, dem Bischof Absalon von Roskilde, zu gebühren. Unmittelbar folgt ihnen auf deutschem Boden Waldemars Rivale um die Ostseeherrschaft, der Sachsenherzog Heinrich der Löwe. Um das Jahr 1200 steht in Niedersachsen, der Mark und den Wendenländern von Wagrien bis Pommern schon eine ansehnliche Reihe von großen Backsteinkirchen im Bau. Da es hier, in einem kurzen Gang durch die Geschichte und Topographie des deutschen mittelalterlichen Backsteinbaues, darauf ankommt, die künstlerisch und entwicklungsgeschichtlich wertvollsten, ferner die für jede einzelne Landschaft führenden Bauwerke herauszunehmen und ihr Wesen kurz zu charakterisieren, ist es nicht möglich, eine zusammenhängende Darstellung der Formenentwicklung und Formenwanderung zu geben. Die in der Darstellung klaffenden Lücken mögen ihre Entschuldigung und Erklärung finden in der Wahl des Bildmaterials, das gleichfalls ohne Rücksicht auf geschichtliche Vollständigkeit einen willkürlichen Griff aus der Fülle des Stoffes darbietet. Die Domgründungen Heinrichs i n L ü b e c k u n d R a t z e b u r g gaben denAnlaß zu den ersten backsteinernen Monumentalbauten. Es waren entwickelte romanische Gewölbebasiliken gebundenen Systems; die flache Balkendecke kommt im deutschen Backsteinbau nur als Archaismus vor. Beide Dome sind etwa gleichzeitig begonnen, für Lübeck ist das Datum der Grundsteinlegung 1173 überliefert. Beide folgen zusammen mit Heinrichs gleichzeitig gegründetem Hausheiligtum, dem ebenfalls seit 1173 im Bau begriffenen Braunschweiger Dom, dem gleichen, vom Herzog vorgeschriebenen Bauplan, den sie in die neue Technik übersetzen. Es geschieht bei beiden, dem ungleichen Temperament ihrer Baumeister entsprechend, in verschiedener Weise. Die freiere, selbständigere Schöpfung ist ohne Zweifel das Lübecker Werk, das den Reigen der norddeutschen Backsteindome in unvergleichlicher Großartigkeit einleitet. Trotz sehr eingreifender späterer Umbauten hat der L ü b e c k e r D o m in seinem Raumbilde etwas von dem ursprünglichen Eindruck des Heinrichsbaues bewahrt. Dieses wuchtig breite Mittelschiff mit seinen raumhaltigen Kuppelwölbungen und dem schweren Schritt seiner Pfeiler begreift tatsächlich in sich eine kommende Welt, läßt Möglichkeiten ahnen, die in den folgenden Jahrhunderten zu herrlicher Blüte kommen sollen. Es tritt bereits hier, scheinbar sehr bald nach dem Baubeginn einsetzend, der westfälische Stammescharakter mit seinen Kuppelgewölben und seiner breiten Jochteilung entschieden hervor, der fast ein Jahrhundert lang Temperament und Haltung des norddeutschen Kirchenbaues bestimmen wird. Der Umbau, der den Dom im 13. Jahrhundert zur Hallenkirche erweitert, scheint nur konsequente Vollendung der schon im ersten Bau geahnten Räumgedanken. z*

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Die Stilhaltung des Domes ist mannhaft und ernst. Wenn irgendwo dem Backstein eine heroische Wirkung abgewonnen ist, tief und schlicht wie ein Heldenlied, so ist es im Lübecker Dom. An der Wirkung des Äußeren trägt das mächtige Westwerk den größten Anteil. Es ist auch eine besonders schöpferische Leistung, da ein doppeltürmiges Westwerk von solchen Dimensionen, beiderseits weit über die Breite der Kirche ausgreifend, in der Braunschweiger Planung kaum vorgesehen war. Das westfälische Massengefühl des Meisters scheint hier das Erstlingswerk geformt zu haben, das dann vorbildlich wurde für die Türme der Ostseeküste bis Stockholm und Äbo. Der Eindruck der Turmfront des Lübecker Domes ist von unerreichter herber Großartigkeit, packend auch die breite Räumigkeit des romanischen Westbaues, dessen Mauerwerk trotz unheimlich klaffender Risse den Zeiten Trotz bietet. Nicht ohne Schwierigkeit ist das romanische Bild der Dome von H a v e l b e r g und B r a n d e n b u r g dem inneren Blick wiederzugeben. Der Havelberger Dom wird erst durch späteren Ausbau ein Backsteindom, sein Kern ist eine herbe Pfeilerbasilika aus Bruchstein. Der Brandenburger Dom ist ihm an harter Schlichtheit ähnlich, aber ein reines Backsteinwerk; in seinen Chorfundamenten sollen sich die ältesten Versuche des Backsteinbaues im Norden verbergen, die Waldemars und Heinrichs Unternehmungen vorausgehen; der weitere, schleppend geförderte romanische Bau aber kann neben den Großbauten des Löwen nicht als gleichwertig bestehen. Erheblich jünger ist die Bischofskirche Pommerns, der Dom von K a m m i n . Auch er geht über eine mittlere Größe und künstlerische Haltung nicht hinaus. Uns mag er ein Beispiel sein für die entwicklungsgeschichtlich bedeutende Gruppe von westfälisch-westfranzösisch gearteten Basiliken mit quadratischen Kreuzkuppelgewölben, die für den Hauptteil des 13. Jahrhunderts die vornehmeren kirchlichen Bauunternehmungen Norddeutschlands umschließt. Ein reizvolles Seitenstück zu der wuchtigen Schwere dieser Werke ist die feine, wohlgegliederte Klosterkirche von J e r i c h o w in der Altmark. Jerichow ist das überraschende Denkmal einer unmittelbaren Versetzung lombardischer Formen auf märkischen Boden. Die Kirche mit ihren wohlgeformten Backsteinsäulen mit Trapezkapitell, ihrer Krypta und flachen Holzdecke könnte fast auch in der Poebene stehen und verdankt sicher einer italienischen Bauführung wesentliche Züge. Sie ist einer der ganz starken Eindrücke reiner Architektur. Infolge der schlichten Strenge seiner Gliederung und der vollendeten Abgewogenheit seiner Verhältnisse wirkt der Raum kunstlos; und gerade dies, die schlichte, unmerkliche Vollendung, die in sich selber ruht, war das künstlerische Ziel ihres Meisters.

ZISTERZIENSERBAUTEN Auf der Schwelle vom romanischen zum gotischen Formgesetz treten die Zisterzienser als überzeugte und selbstsichere Verbreiter neuer Bauanschauungen auf. Ihre Werke stehen im Lande vereinzelt, sie wirken wie fremdartig unerklärliche Wunderblüten.

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Die Stilhaltung des Domes ist mannhaft und ernst. Wenn irgendwo dem Backstein eine heroische Wirkung abgewonnen ist, tief und schlicht wie ein Heldenlied, so ist es im Lübecker Dom. An der Wirkung des Äußeren trägt das mächtige Westwerk den größten Anteil. Es ist auch eine besonders schöpferische Leistung, da ein doppeltürmiges Westwerk von solchen Dimensionen, beiderseits weit über die Breite der Kirche ausgreifend, in der Braunschweiger Planung kaum vorgesehen war. Das westfälische Massengefühl des Meisters scheint hier das Erstlingswerk geformt zu haben, das dann vorbildlich wurde für die Türme der Ostseeküste bis Stockholm und Äbo. Der Eindruck der Turmfront des Lübecker Domes ist von unerreichter herber Großartigkeit, packend auch die breite Räumigkeit des romanischen Westbaues, dessen Mauerwerk trotz unheimlich klaffender Risse den Zeiten Trotz bietet. Nicht ohne Schwierigkeit ist das romanische Bild der Dome von H a v e l b e r g und B r a n d e n b u r g dem inneren Blick wiederzugeben. Der Havelberger Dom wird erst durch späteren Ausbau ein Backsteindom, sein Kern ist eine herbe Pfeilerbasilika aus Bruchstein. Der Brandenburger Dom ist ihm an harter Schlichtheit ähnlich, aber ein reines Backsteinwerk; in seinen Chorfundamenten sollen sich die ältesten Versuche des Backsteinbaues im Norden verbergen, die Waldemars und Heinrichs Unternehmungen vorausgehen; der weitere, schleppend geförderte romanische Bau aber kann neben den Großbauten des Löwen nicht als gleichwertig bestehen. Erheblich jünger ist die Bischofskirche Pommerns, der Dom von K a m m i n . Auch er geht über eine mittlere Größe und künstlerische Haltung nicht hinaus. Uns mag er ein Beispiel sein für die entwicklungsgeschichtlich bedeutende Gruppe von westfälisch-westfranzösisch gearteten Basiliken mit quadratischen Kreuzkuppelgewölben, die für den Hauptteil des 13. Jahrhunderts die vornehmeren kirchlichen Bauunternehmungen Norddeutschlands umschließt. Ein reizvolles Seitenstück zu der wuchtigen Schwere dieser Werke ist die feine, wohlgegliederte Klosterkirche von J e r i c h o w in der Altmark. Jerichow ist das überraschende Denkmal einer unmittelbaren Versetzung lombardischer Formen auf märkischen Boden. Die Kirche mit ihren wohlgeformten Backsteinsäulen mit Trapezkapitell, ihrer Krypta und flachen Holzdecke könnte fast auch in der Poebene stehen und verdankt sicher einer italienischen Bauführung wesentliche Züge. Sie ist einer der ganz starken Eindrücke reiner Architektur. Infolge der schlichten Strenge seiner Gliederung und der vollendeten Abgewogenheit seiner Verhältnisse wirkt der Raum kunstlos; und gerade dies, die schlichte, unmerkliche Vollendung, die in sich selber ruht, war das künstlerische Ziel ihres Meisters.

ZISTERZIENSERBAUTEN Auf der Schwelle vom romanischen zum gotischen Formgesetz treten die Zisterzienser als überzeugte und selbstsichere Verbreiter neuer Bauanschauungen auf. Ihre Werke stehen im Lande vereinzelt, sie wirken wie fremdartig unerklärliche Wunderblüten.

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Die Mark hat in den Abteikirchen von D o b r i l u g und L e h n i n zwei schöne Zisterzienserbauten, Pommern ein gleichklingendes Werk in der leider mangelhaft erhaltenen Klosterkirche von K o l b a t z . Es sind edelgeformte, starke, in schlichtem Wohllaut gegliederte Räume von entsagungsstolzem Herrenbewußtsein. Die schlanken, strebigen Basilikalräume, die sich in der Vierung befreiend weiten, u m im Ghorhaupt durch das Halbrund einer Apsis oder eine schlank durchfensterte Chorwand das Raumbild harmonisch zu schließen, sind für die Zeit der eben unter noch romanischem Kleide räumlich geahnten Frühgotik die führenden, doch unerreichbar vornehme Bauten; ein durchaus wesensgleiches Abbild des Ordens, der so überlegen und unantastbar inmitten des drängenden, blutvoll-primitiven Lebenswillens der Kolonisten seine eigene Welt formte. Schwer und ernst gleich den anderen frühen Zisterzienserkirchen ist die Ruine von E l d e n a bei Greifswald; fast ganz zerstört, bietet sie nur der einfühlenden Vorstellungsarbeit ein künstlerisches Erlebnis. Der strenge, von Mauergewalten wie von einem ehernen Panzer umschlossene R a u m taucht für eine wache Vorstellung auf, so mönchisch ernst, wie er in Norddeutschland nicht wieder erlebt wird. Ganz anders, heiter fast, zierlich und sehnig, strebt der köstliche gotische Bau von G h o r i n in der Mark empor, auch er heute eine Ruine. Es ist einer der reichsten Eindrücke künstlerischer Formung, die das Backsteingebiet umschließt. Alles an dem Bau wirkt hochgereckt, schlank u n d elastisch, obgleich in Wirklichkeit seine Mauern stark und massiv genug sind. Auch im Bettlerkleide seines Ruinenzustandes besitzt er die Hoheit und Grazie eines edlen Geschlechtes. Bei Zisterzienserkirchen liegt ein seltsamer Reiz in der Durchdringung gotischer Formen mit einer noch leise romanischen Grundauffassung von Pfeiler, Wand u n d Öffnung. Das ist auch in Ghorin der Fall. Man darf nur das Verhältnis von Mauer u n d Fensterfläche in der Oberwand betrachten oder die Wandgebundenheit der Pfeiler, um den vollen Gegensatz zur Gotik der französischen Schule zu bestätigen. Auf die bisher ungelöste Frage nach den stilistischen Beziehungen dieses Bauwerkes lautet die Antwort, wie bei Lehnin und anderen Zisterzienserkirchen Norddeutschlands: Englands Ordensbaukunst h a t wesentlich dazu beigetragen, daß dieses Werk so wurde. Daß im einzelnen, besonders in der Ghorgestalt, die Anlehnung an das Mutterkloster L e h n i n bestimmend war, ändert nichts an der immer aufs neue zu beobachtenden Erscheinung, daß norddeutsche Zisterzienserkirchen der Hauch einer fremden Schönheit geheimnisvoll durchwebt, der Schönheit der großartigen, jetzt in Ruinen liegenden Abteien Großbritanniens. Die Feststellung dieser Zusammenhänge, die nur ein Einzelfall einer weitausgreifenden Zeiterscheinung sind, schmälert nicht den Ruhm des feinfühlenden Ordensbruders, der Chorins Abteikirche erbaute. Ob er ein Deutscher, ob ein Fremder war, ist bei dem regen Austausch von Kräften i m Orden ganz ungewiß. Seine Leistung aber ist ein Werk von einer Schönheit, die selbst durch die Zerstörung noch leuchtet, ein Dokument hoher Mönchskultur.

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DIE

MARIENKIRCHE

IN

LÜBECK

Die konsequente Gotik im norddeutschen Backsteinbau ging nicht von den Zisterziensern aus, die nur hochwertige Einzelwerke schufen, unpopulär und für die einheimischen Baumeister zu fremdartig, um sie nachzubilden. Die jungen Hansestädte sind es, die mit der französischen Gotik als unausweichlichem Zeitausdruck Ernst machen. Und der Bau, der als der erste mit überlegener Kühnheit gleich den treffenden und vollendeten Typus für mehr als ein Jahrhundert prägt, ist die Marienkirche in Lübeck, die Hauptkirche des machtvollsten bürgerlichen Gemeinwesens im Bereich des baltischen Meeres. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts hatte ein Brand die Stadt heimgesucht; man nimmt an, daß dieser Anlaß der Bürgerschaft willkommen war, ihre mächtige romanische Hauptkirche abzubrechen und um ihre östlichen Teile die Mauern eines Erweiterungsbaues emporzuführen. Was sie zunächst planten, war noch nicht dieser hochragende Basilikalbau, der jetzt steht; es war eine raummächtige Halle mit weit ausschreitenden Jochen, erwachsen aus der in Westfalen zu jener Zeit aufgekommenen Modeströmung f ü r Hallenräume, deren Vorbilder im Südwesten Frankreichs lagen und den seefahrenden Lübeckern wahrscheinlich nicht unbekannt waren. Man wollte in Lübeck, dem jungen, blühenden Handelsplatz, selbstverständlich das Allermodernste und Fortgeschrittenste. Gerade diese Forderung aber brachte dem Hallenplan ein rasches Ende und rief seine Umwandlung in den jetzt bestehenden Basilikalbau hervor, der dann mit überraschender Energie und Schnelligkeit durchgeführt wurde. Dem holsteinischen Temperament entspricht von Natur der breite Hallenraum, der auch in den übrigen Kirchen Lübecks die Oberhand behalten hat. Wie Schlafmützen sind ihnen die mächtigen Schleppdächer bis tief herabgezogen. Der Geist, der den Chor der Marienkirche errichtete, kam vom Auslande und wurde durch den Ehrgeiz der führenden Lübecker Geschlechter herbeigerufen. Er muß aus der Normandie oder den südlichen Niederlanden gekommen sein und beide Landschaften gekannt haben; er war aber wohl Nordfranzose. Das Werk ist deshalb so bedeutend, weil es zwar das nordfranzösische, und zwar normannische System unbedingt sicher in seiner Proportion, unverkennbar in jeder Linie, übernahm, aber gleichzeitig, gebunden an die schon bestehenden Bauanfänge des Hallenplanes und an das dem Baumeister ungewohnte Material, etwas ganz Neues und Zukunfttragendes schuf. Zum erstenmal reckt sich der Kirchenraum zu so gewaltiger Höhe, daß die beträchtliche Längenausdehnung für den Eindruck ihre Bedeutung verliert. Auch die ungewöhnlichen Breitenverhältnisse gehen fast unter; die Höhe des Raumes reißt alles an sich, sie macht den Eindruck so überwältigend. Eine Fülle des Lichtes strömt durch die hohen Fenster auf Wände und Pfeiler, und reflektiert wieder von den Gewölben. Der weiße Anstrich, der hier bewahrt ist, trägt zu einer schwebenden und verschmelzenden Durchlichtung bei, die der H ä r t e und Sprödigkeit der Formen gut ansteht. Ein in jeder Beziehung verändertes Proportions- und Raumgefühl erfüllt den Bau. Die Pfeiler wollen nicht mehr Körper sein, Stützen, auf denen eine Last r u h t ; - diese 22

Pfeiler bestehen für den Eindruck aus elastischem, gleichartigem Stoff mit Oberwand und Decke, aus einem Stoff, der, wie durch gestanzte Bodenöffnungen in ein bestimmtes Profil gepreßt, bildsam und weich emporgetrieben und so erstarrt zu sein scheint. In der Höhe des Arkadensimses scheint sich die Masse zu stauen und durch ein neues pressendes Profil die Oberwand mit ihren langen Blendnischen, wiederum rein vertikale Formen, modelliert zu sein, bis dann in der Deckenzone die letzte, endgültig schließende Stauung stattfindet. Der Raum als Ganzes ist höchst einfach, er hat kein durchschneidendes Querhaus; das blieb dem Bau von dem Hallenprojekt anhaften und trägt zu seiner Außergewöhnlichkeit bei. Es wird nun für Pfarrkirchen auch basilikalen Systems die Querschifflosigkeit Regel. Nur halb vorhanden ist auch der Kapellenkranz des Chors, der mit dem Umgang zusammengezogen ist. Es ist beim Anschluß an die überbreit angelegten Seitenschiffe zu einer Kompromißlösung gekommen. Aber die Fülle des Lichtes, das Ungewohnte des reichen Raumabschlusses tun ihre volle Wirkung, wie überhaupt die wundervolle lichte Weiträumigkeit der Marienkirche, wenngleich durch die sich drängenden Prunkstücke ihrer reichen Ausstattung sehr unterdrückt, doch in ihrer musikalischen Rhythmik immer wieder fühlbar wird. Der Außenbau ist nicht weniger großartig; hier herrscht eine Schlichtheit und Rauhheit, ein Verzicht auf jeglichen Schmuck, die nur ein Gefühl des Staunens vor einer fremdartigen Größe zulassen. Die Wirkung wird bestimmt durch das Spiel der Massen, in dem in urtümlich wilder Dramatik gegnerische Kräfte miteinander im Kampfe liegen. Die wüsten Griffe der ungefügen Strebebögen stützen das hochmütige Mittelschiff, das so kalt und unnahbar mit seinen kargen Mauernischen und Wandpfeilern droben aufsteigt, von dem gleich nüchternen und hochmütigen Dache gekrönt; - keine verbindliche Form läßt sich zu dem Betrachter herab. Das Lichtgrün der Kupferdächer, die mit scharfen, schattenden Horizontalen das Mauerwerk überschneiden, kontrastiert gegen das volle, tiefe Ziegelrot in einem prachtvollen farbigen Akkord. Zwei kolossale quadratische Türme recken sich im Westen empor. An ihnen ist nichts Französisches, sondern die alte Blutsverwandtschaft mit dem westfälischen Mutterlande hat die Oberhand behalten. Geschlossene schwere Mauermassen streben, durch energisch betonte Horizontalbänder immer wieder in der Aufwärtsbewegung gedämpft, zur endlichen Freiheit empor, die zwischen vier den horizontalen Bann aufhebenden Giebelfeldern erreicht wird und in zwei hochragenden Spitzen sich siegerhaft brüstet. Durch diesen einzigen Bau der Lübecker Marienkirche, den ein Fremder, kundig fremder hochentwickelter Formen, aber das neue Material sich erst unter eigener Wandlung erschließend, an der Trave errichtet, wird der Anstoß zu einer Bauentwicklung an der Ostseeküste gegeben, che einsetzt, sobald der Chor fertig dasteht und die grenzenlose Bewunderung der Ostseedeutschen wie der nordischen Völker erregt. Alsbald beginnen die anderen großen Stadtgemeinden, Stralsund zuerst, dann Rostock, etwas später Wismar, aber auch an den nordischen Gestaden Kopenhagen und Malmö, fern im Osten Riga und tief im Binnenlande Stargard, sich geübte Maurermeister zu verschreiben 23

und den Bau zu kopieren, bald in trockener Nachahmung, bald mit schöpferischer Freiheit. Und nicht allein die Stadtkirchen, nein, auch Klosterkonvente und Domkapitel des näheren Hinterlandes, wie Doberan und Schwerin, errichten Kirchen in Anlehnung an das Lübecker Erstlingswerk. DIE

WENDISCHEN

STÄDTE

Das „wendische Quartier", das sind die Städte der unmittelbaren Gefolgschaft Lübecks, die Ostseestädte von Wismar bis Greifswald. Sie und ihr unmittelbares Hinterland bilden mit Lübeck zusammen das Kerngebiet der norddeutschen Backsteinkunst und den Schauplatz ihrer kühnsten und großartigsten Bauleistungen. Die Gruppe der wendischen Stadtkirchen steht aber nicht nur den Abmessungen und der technischen Leistung nach an der Spitze dessen, was in dem ganzen weiten Gebiet des Backsteins in der Hochgotik geschaffen wird, sie h a t auch den größten Gedankenreichtum und den hemmungslosen Mut, der vor keiner Aufnahme und Verarbeitung neuer Formen zurückschreckt. I n Lübeck selbst wird der westliche Basilikalraum nur noch einmal zur Tat, in der Kirche des Franziskanerordens, dem sein international weiter Horizont es ermöglicht, einen Raum von ähnlicher Haltung zu wünschen. I m übrigen erweist sich trotz mehrfacher Ansätze, im Domchor, in der Jakobikirche, die Halle als die stärkere, vom Volksempfinden bevorzugte Form. Die jungen fähigen Kräfte zogen dorthin, wo der Wille der Schwesterstädte ihrer bedurfte, u m das in Lübeck stehende Werk in ähnlicher Größe nachzuformen. Daß man sich in der Weiterentwicklung und Variation des basilikalen Raumgedankens nicht genug t u n konnte, beweist das Anhalten der basilikalen Neubauten großen Maßstabes bis tief ins 15. Jahrhundert. Zeitlich teilen sich die Basiliken der wendischen Städte und benachbarten Stifte in zwei Gruppen, deren erste die Zeit bis etwa 1360 umfaßt, worauf allgemein eine Ruhepause eintritt. Nach dem siegreichen Kriege der Hansen gegen Dänemark folgt dann die zweite, variierende und vollendende Gruppe, die von 1380 bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts reicht. Wir ziehen aber zur größeren Klarheit eine Ordnung nach R a u m t y p eil vor, die sich leicht aus dem Material ergibt. Der Lübecker Marienkirche am nächsten stehen die schlichten, hochgereckten Längsbasiliken mit französischem Kapellenkranz ohne Querschiff. Die Längsseiten und den Chorschluß begleitet eine ununterbrochene Reihe von Strebebögen, die dem Außenbau eine bemerkenswerte Steigerung im Ausdruck gibt, da die Bögen noch einen Teil des Außenluftraumes an den Bau reißen und das Spiel dieser greifenden Riesenarme eine unheimliche Phantastik besitzt. Die Gruppe wird gebildet durch die N i k o l a i k i r c h e i n S t r a l s u n d , die das Lübecker Vorbild bei Wahrung seiner Eigenschaften bis ins einzelne ins Pommersch-Breite übersetzt, die eintüimigen, aber nach Proportion und Raumgefühl Lübeck am nächsten stehenden Kirchen St. M a r i e n und S t . N i k o l a i i n W i s m a r , und als späten Nachkömmling, auch außerhalb des Gebietes der wendischen Städte gelegen, aber sachlich.

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und den Bau zu kopieren, bald in trockener Nachahmung, bald mit schöpferischer Freiheit. Und nicht allein die Stadtkirchen, nein, auch Klosterkonvente und Domkapitel des näheren Hinterlandes, wie Doberan und Schwerin, errichten Kirchen in Anlehnung an das Lübecker Erstlingswerk. DIE

WENDISCHEN

STÄDTE

Das „wendische Quartier", das sind die Städte der unmittelbaren Gefolgschaft Lübecks, die Ostseestädte von Wismar bis Greifswald. Sie und ihr unmittelbares Hinterland bilden mit Lübeck zusammen das Kerngebiet der norddeutschen Backsteinkunst und den Schauplatz ihrer kühnsten und großartigsten Bauleistungen. Die Gruppe der wendischen Stadtkirchen steht aber nicht nur den Abmessungen und der technischen Leistung nach an der Spitze dessen, was in dem ganzen weiten Gebiet des Backsteins in der Hochgotik geschaffen wird, sie h a t auch den größten Gedankenreichtum und den hemmungslosen Mut, der vor keiner Aufnahme und Verarbeitung neuer Formen zurückschreckt. I n Lübeck selbst wird der westliche Basilikalraum nur noch einmal zur Tat, in der Kirche des Franziskanerordens, dem sein international weiter Horizont es ermöglicht, einen Raum von ähnlicher Haltung zu wünschen. I m übrigen erweist sich trotz mehrfacher Ansätze, im Domchor, in der Jakobikirche, die Halle als die stärkere, vom Volksempfinden bevorzugte Form. Die jungen fähigen Kräfte zogen dorthin, wo der Wille der Schwesterstädte ihrer bedurfte, u m das in Lübeck stehende Werk in ähnlicher Größe nachzuformen. Daß man sich in der Weiterentwicklung und Variation des basilikalen Raumgedankens nicht genug t u n konnte, beweist das Anhalten der basilikalen Neubauten großen Maßstabes bis tief ins 15. Jahrhundert. Zeitlich teilen sich die Basiliken der wendischen Städte und benachbarten Stifte in zwei Gruppen, deren erste die Zeit bis etwa 1360 umfaßt, worauf allgemein eine Ruhepause eintritt. Nach dem siegreichen Kriege der Hansen gegen Dänemark folgt dann die zweite, variierende und vollendende Gruppe, die von 1380 bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts reicht. Wir ziehen aber zur größeren Klarheit eine Ordnung nach R a u m t y p eil vor, die sich leicht aus dem Material ergibt. Der Lübecker Marienkirche am nächsten stehen die schlichten, hochgereckten Längsbasiliken mit französischem Kapellenkranz ohne Querschiff. Die Längsseiten und den Chorschluß begleitet eine ununterbrochene Reihe von Strebebögen, die dem Außenbau eine bemerkenswerte Steigerung im Ausdruck gibt, da die Bögen noch einen Teil des Außenluftraumes an den Bau reißen und das Spiel dieser greifenden Riesenarme eine unheimliche Phantastik besitzt. Die Gruppe wird gebildet durch die N i k o l a i k i r c h e i n S t r a l s u n d , die das Lübecker Vorbild bei Wahrung seiner Eigenschaften bis ins einzelne ins Pommersch-Breite übersetzt, die eintüimigen, aber nach Proportion und Raumgefühl Lübeck am nächsten stehenden Kirchen St. M a r i e n und S t . N i k o l a i i n W i s m a r , und als späten Nachkömmling, auch außerhalb des Gebietes der wendischen Städte gelegen, aber sachlich.

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durchaus zu dieser Gruppe zu rechnen: die schöne, Bereits ganz spätgotische N i k o l a i k i r c h e zu Lüneburg. Eine zweite Gruppe gleichfalls querschiffloser Basiliken ergibt sich aus einer Reduktion des Chorschlusses, der wegen seiner Kostspieligkeit bei den zweiten Pfarrkirchen der Städte einfacher gehalten wurde, wobei man den platten Chorschluß bevorzugte. Auch das Strebewerk wurde oft weggelassen. Einige ursprüngliche Hallenkirchen wurden zu Basiliken umgebaut und traten dieser Gruppe bei, so die J a k o b i kirche in S t r a l s u n d und die N i k o l a i k i r c h e in Greifswald. Der Hauptbau der Gruppe ist die schöne J a k o b i k i r c h e in Rostock, die im Aufbau ihrer Innenwände interessante Beziehungen zur gotischen Baukunst Englands zeigt, die hier aber zu einem ganz eigenartigen Raumbilde sich verselbständigt haben. Die wesentlichste Veränderung, welche die wendische Städtegruppe am Lübecker System vornimmt, ist der Ubergang zur kreuzförmigen Basilika, deren Beispiele die dritte Gruppe zusammenfaßt. Die Zisterzienserkirche Doberan macht den Anfang, und in höchst bemerkenswerter Weise fast zaghaft, da die moderne, bewunderte Form der querschifflosen Basilika, deren Eindruck die Mönche sich nicht entziehen konnten, in Widerspruch stand mit der Zisterzienservorschrift, die eine kreuzförmige Gestalt der Kirche forderte. Die Lösung, die gefunden wurde, ist ästhetisch von wundervoller Wirkung. Im Außenbau ist ein voll ausgebildetes Querhaus vorhanden. Nicht aber im Innern, wo das Mittelschiff durchgehende Arkaden und Gewölbetraveen hat. Doch sind die Kreuzarme für das Raumbild nicht verloren: man blickt vom Hauptschiff durch die in lichte Doppelarkaden aufgelöste Wand in die Querarme, die durch eine palmenschlanke Mittelsäule zu phantastisch steilen Hallenräumen werden und durch den überschneidenden Rahmen der Wandöffnungen geheimnisvoll und voller Rätsel bleiben. Wenn auch Doberan den französischen Kapellenchor und hochgotische Architekturformen aufgenommen hat, bleibt doch die Zisterziensertradition überall am Bauwerk lebhaft fühlbar. Eine zierliche und plastisch ausgewogene Gliederung bei fest und kastenförmig geschlossenen Wandmassen; der romanische Unterton des Zisterzienserbauwerkes ist auch hier vorhanden. Das Werk ist eine hervorragende Offenbarung der Baukunst des Ordens in seiner herbstlichen Reife. Ein ähnlich zwischen reinem Längsbau und Kreuzform stehender Bau ist die Lübecker K a t h a r i n e n k i r c h e , das Bethaus der Franziskaner, erstaunlich prächtig und großartig für den Orden der Armut. Dem bisherigen Typus der Bettelordenskirchen steht sie fern, aber die Großartigkeit des hier geschaffenen Raumcharakters wirkt seinerseits bis zu gewissem Grade typenbildend: in der großartigen Halle der Brüder in Danzig begegnet ein Kirchentyp, der, wenn auch nur in einem allgemeinen Sinne des Großzügigen und Edelräumigen, auf das Lübecker Werk zurückgeht. Die ganz vereinzelte, doch von vornherein geplante Zweigeschossigkeit des Chores durch Bildung einer gewölbten, kryptenähnlichen Unterkirche beruht wahrscheinlich auf dem praktischen Bedürfnis nach einem geräumigen, abgeschlossen erhöhten Versammlungsraum, der so zugleich Psallierchor der Mönche ist, eher benediktinisch-exklusiv als minoritengemäß. Bei Teilnahme an einem Ordenskapitel in einer oberitalie4

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irischen Kathedrale mag dem Lühecker Ordensvertreter die Anregung zu dieser ungewöhnlichen Anordnung gekommen sein. Die von zahlreichen Nischen gegliederte, sehr lebendige Westfassade ist das besondere Prunkstück des Außenbildes, das aber auch sonst mit seinem Zwillingsquerschiff und dem schlanken, zinnenumkränzten Hochchor höchst wirkungsvoll im Straßenbilde steht. Die völlige Ausbildung der Yierung durch die in französischen Kathedralen vorgebildete Durchdringung zweier gleichartiger Basilikalsysteme wird im Dom von Schwerin erreicht. Der langgestreckte Dombau, in dessen Mitte so ein reichgegliederter Zentralraum mit kurzen Armen eingefügt wird, gehört zu den edelsten Raumschöpfungen der norddeutschen Gotik. Da aber der tiefe Chorraum infolge seines zu niedrigen Obergadens düster ist und nur den Vierungsraum eine unvermittelt einströmende Lichtfülle erhellt, so ist dem Dom ein Zug des Unausgeglichenen, in der vollen Wirkung Gehemmten geblieben. Die Rostocker M a r i e n k i r c h e und die Georgenkirche in W i s m a r haben nur einen einschiffigen Querbau, der wie mit einem gewaltsamen Axthieb die bisher in Brauch gewesene schlichte Längsform spaltet. Die neue Geschmacksrichtung in den Seestädten für eine stark betonte Kreuzform der Kirche kommt um das Jahr 1400 aus den Niederlanden, wo damals die Großbauten in Backstein mächtig einsetzen und wo das einschiffige, sehr gestreckte Querhaus die landesübliche Form darstellt. Das Aufgeben der Strebebögen, manche neue Einzelformung und eine verstärkte Wertung des Flächigen begleiten diese Bewegung. Die Spätgotik an der deutschen Ostseeküste steht allerorten unter dem Zeichen der gewaltig aufrückenden Niederlande. Die Rostocker Marienkirche ist einer der schönsten Räume und vielleicht der zur vollsten Harmonie entfaltete Raum der wendischen Stadtkirchen. Mit ihrer barocken Ausstattung und dem Zauber des Lichtes in ihrem weiß gehaltenen Innern ist sie ein fesselndes Erlebnis; ebenso einmalig und unvergleichlich ist ihr Außenbild mit dem riesig breiten Kreuzschiff und der schillernden Pracht farbiger Glasursteine auf ihren graugelb und smaragdgrün leuchtenden Mauerflächen. Der massige, allseits stark ausladende Umriß der Kirche mit seinem ungewöhnlichen breiten Westwerk, das, ursprünglich zweitürmig geplant, später ein zusammenziehendes, leicht geschwungenes Spitzdach mit zierlicher barocker Haubenspitze erhielt, ist für Rostock eine Stadtkrone besonderer Art. Umgeben von den höheren, schlankeren Türmen der drei anderen Pfarrkirchen, blieb ihr dennoch der Schwerpunkt im Stadtbilde. Sie ruhte wie im Schutze dreier lanzenbewehrter Trabanten. Wismars Georgenkirche ist roher und formloser, aber von gewaltiger Wucht des Raumeindrucks. Und das gigantische, torsohaft fragmentarische Außenbild wird niemand vergessen, der es einmal in seiner ganzen Ungeheuerlichkeit erlebt hat. Wäre ihr Chor und ihr Turm nach Plan vollendet worden - welch ein Bau! Und doch liegt gerade in dem Zustand des Unfertigen, mitten im Werden Erstarrten ein phantastischer Reiz. Man zögert, zu entscheiden, welche der Städte in der Gestaltung ihres Stadtbildes Größeres geplant und erreicht hat. Wismars Eigenart ist der Akkord dreier gleich schwerer, gleich gearteter Riesenmassen. 26

Am Ende steht das großartige Bauwerk der M a r i e n k i r c h e in S t r a l s u n d . Der Plan erstrebt hier etwas Vollendetes, die Vereinigung der Schweriner zentralisierenden Kreuzanlage mit der hochstrebenden Schlankheit und Durchlichtung der Hansekirchen. Dazu kommt ein T u r m a u f b a u von ungewöhnlicher Art, reifer und durchgeistigter als bisher. Wahrscheinlich das gestaffelte Bild englischer Kathedralen (Ely) h a t dieser Westwerkanlage Anregungen gegeben, und der neuartige Übergang zum Achteck im H a u p t t u r m entstammt dem A u f b a u flämischer Stadttürme. Das Kircheninnere ist ein schlank aufstrebender harmonischer Raum von mehr verharrendem als zügig bewegtem Ausdruck. Die so oft verurteilten, nur noch breite, formlose Raumnischen darstellenden Chorumgangskap eilen - auch die zerteilten Fenster ihrer Seiten, die, etwas phantastisch, für das Außenbild die Illusion verschwindender Kapellenseiten andeuten wollen - erhalten ihre Berechtigung durch die vereinfachende, einem klar begrenzten Außenkörper zugewandte Grundidee des Bauwerkes. Sie sind die konsequente Endform der immer mehr vereinfachten Kapellenkränze; nichtsdestoweniger ist die Roheit und Ungrazilität dieser Formgebung als künstlerisch untüchtig zu verurteilen. Übrigens ist die Art der Lösung spezifisch pommersch. Nur hier ist die Liebe zu großflächiger Schlichtheit der Formen so ins Extrem getrieben, daß alle Zartheit und organische Fühlsamkeit beiseite gesetzt wird. Der große und schöne Raum der durch Kriegsschäden und Brand verödeten Kirche ist ein besonderes Erlebnis infolge des Reizes seiner lichtdurchströmten Weite, Ergebnis einer nur der Spätgotik eigenen, unter Vernachlässigung der Einzelbildung feinfühlig das Ganze formenden Raumkunst. Das Stadtbild Stralsunds ist von hinreißender Wucht der Erscheinung. Zerzaust von einer bewegten Geschichte, bietet es noch heute ein Bild heroischer K r a f t . NIEDERSACHSEN Anders als im Bereich der wendischen Küstenstädte stellt sich die Baukunst im niedersächsischen Gebiet dar, das die Altmark mit Stendal, die Unterelbe mit Hamburg und die Lüneburger Heide mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt umfaßt. Der von Natur ärmeren Landschaft entwuchs eine knorrige, gedrungene und fast geizig begrenzte Architektur. Die Halle wird hier mit konsequenter Formkraft einseitig und fast uniform ausgebildet; dennoch ist der Reichtum an architektonischer Haltung und Raumstimmung bunter und wechselnder als im Küstengebiet. Man versteht sich hier auf die Herausarbeitung feiner Unterscheidungen. Die J o h a n n i s k i r c h e i n L ü n e b u r g ist das älteste, weithin als mustergültig anerkannte Bauwerk dieser Familie. Es ist eine allmählich erweiterte, zuletzt fünfschiffige Halle von breiten und gedrungenen Verhältnissen. Die Breite übertrifft die Längenerstreckung. Jedes Seitenschiff schließt mit einem eigenen Polygonchörchen. So ist hier ein Raumtypus geschaffen, der zu der Straffheit und Axialität küstenländischer Basiliken in stärkstem Gegensatz steht. Der Lüneburger Raum hat wenig Richtungs- und Bewegungsbetonung. Er ruht breit und schwer auf seinen vier Pfeilerreihen unter weitgespannten, niedrigen Wölbungen, ein dämmeriger, ungefähr quadratischer Pfeilersaal. 4*

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Am Ende steht das großartige Bauwerk der M a r i e n k i r c h e in S t r a l s u n d . Der Plan erstrebt hier etwas Vollendetes, die Vereinigung der Schweriner zentralisierenden Kreuzanlage mit der hochstrebenden Schlankheit und Durchlichtung der Hansekirchen. Dazu kommt ein T u r m a u f b a u von ungewöhnlicher Art, reifer und durchgeistigter als bisher. Wahrscheinlich das gestaffelte Bild englischer Kathedralen (Ely) h a t dieser Westwerkanlage Anregungen gegeben, und der neuartige Übergang zum Achteck im H a u p t t u r m entstammt dem A u f b a u flämischer Stadttürme. Das Kircheninnere ist ein schlank aufstrebender harmonischer Raum von mehr verharrendem als zügig bewegtem Ausdruck. Die so oft verurteilten, nur noch breite, formlose Raumnischen darstellenden Chorumgangskap eilen - auch die zerteilten Fenster ihrer Seiten, die, etwas phantastisch, für das Außenbild die Illusion verschwindender Kapellenseiten andeuten wollen - erhalten ihre Berechtigung durch die vereinfachende, einem klar begrenzten Außenkörper zugewandte Grundidee des Bauwerkes. Sie sind die konsequente Endform der immer mehr vereinfachten Kapellenkränze; nichtsdestoweniger ist die Roheit und Ungrazilität dieser Formgebung als künstlerisch untüchtig zu verurteilen. Übrigens ist die Art der Lösung spezifisch pommersch. Nur hier ist die Liebe zu großflächiger Schlichtheit der Formen so ins Extrem getrieben, daß alle Zartheit und organische Fühlsamkeit beiseite gesetzt wird. Der große und schöne Raum der durch Kriegsschäden und Brand verödeten Kirche ist ein besonderes Erlebnis infolge des Reizes seiner lichtdurchströmten Weite, Ergebnis einer nur der Spätgotik eigenen, unter Vernachlässigung der Einzelbildung feinfühlig das Ganze formenden Raumkunst. Das Stadtbild Stralsunds ist von hinreißender Wucht der Erscheinung. Zerzaust von einer bewegten Geschichte, bietet es noch heute ein Bild heroischer K r a f t . NIEDERSACHSEN Anders als im Bereich der wendischen Küstenstädte stellt sich die Baukunst im niedersächsischen Gebiet dar, das die Altmark mit Stendal, die Unterelbe mit Hamburg und die Lüneburger Heide mit ihrer gleichnamigen Hauptstadt umfaßt. Der von Natur ärmeren Landschaft entwuchs eine knorrige, gedrungene und fast geizig begrenzte Architektur. Die Halle wird hier mit konsequenter Formkraft einseitig und fast uniform ausgebildet; dennoch ist der Reichtum an architektonischer Haltung und Raumstimmung bunter und wechselnder als im Küstengebiet. Man versteht sich hier auf die Herausarbeitung feiner Unterscheidungen. Die J o h a n n i s k i r c h e i n L ü n e b u r g ist das älteste, weithin als mustergültig anerkannte Bauwerk dieser Familie. Es ist eine allmählich erweiterte, zuletzt fünfschiffige Halle von breiten und gedrungenen Verhältnissen. Die Breite übertrifft die Längenerstreckung. Jedes Seitenschiff schließt mit einem eigenen Polygonchörchen. So ist hier ein Raumtypus geschaffen, der zu der Straffheit und Axialität küstenländischer Basiliken in stärkstem Gegensatz steht. Der Lüneburger Raum hat wenig Richtungs- und Bewegungsbetonung. Er ruht breit und schwer auf seinen vier Pfeilerreihen unter weitgespannten, niedrigen Wölbungen, ein dämmeriger, ungefähr quadratischer Pfeilersaal. 4*

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Wie die Lübecker Marienkirche ein weithin vorbildlicher Musterbau, mußte die Johanniskirche doch, dem Schöße des konservativsten und für fremde Einflüsse unempfänglichsten Volksstammes entwachsen, ihrem Wesen nach jenem Denkmal traditionsloser Kolonialkultur entgegengesetzt sein. Der Hallenraum mit Rundpfeilern kommt aus Westfalen - der Versuch, sein Werden zu analysieren, würde uns freilich ebenfalls über das Meer hinauszublicken zwingen; gegenüber den Formen der Lübecker Marienkirche aber dürfen wir die Lüneburger Halle als eine längst bodenständige Form ansehen. I n der ragenden Wucht des Turmes der Johanniskirche, der als übergewaltiges Wahrzeichen der Salzstadt den Hauptplatz des „Sandes" zu seinen Füßen beherrscht und über weite Landstrecken ihre Macht verkündete, sehen wir einen niedersächsischen Bruder des Soester Patroklusturmes. Beide reckenhaften Stadttürme sind nach Wuchs und Bedeutung eines Blutes. S t e n d a l ist der Mittelpunkt des altmärkischen Kunstgebietes. Der D o m ist in seinem heutigen Bestände außer den noch romanischen Türmen ein spätgotischer, erst im Jahre 1423 begonnener Neubau. Sein Bau wiederholt den Plan der vierzig Jahre vorher begonnenen Wallfahrtskirche von Wilsnack in der Mark. Obgleich die räumlich schwierige Vereinigung der kreuzförmigen Ostteile mit der Halle des Langschiffes eine einheitliche Raumwirkung erschwert, erreicht der Dom doch ein Innenbild von hehrer Großartigkeit, in der die Schönheit beider Raumformen, die konzentrierte Geschlossenheit des Chorhauptes und die ruhige Gelassenheit des Hallenschiffes, ihre Wirkung vereinigen. Was besonders wohltuend an dem Bau spricht, ist die für die Altmark bezeichnende gediegene Durchformung. Leider hat eine radikale Restauration den Stendaler Dom um seinen räumlichen Reichtum gebracht. Unter der jetzt geschaffenen korrekten Nacktheit fallt es schwer, sich den geschichtlichen R a u m in seiner lebendigen Fülle vorzustellen. Einige Jahre vor dem Dom begonnen und vollendet, steht neben ihm als mindestens gleichwertiger Konkurrent im Stadtbilde die M a r i e n k i r c h e , die Hauptpfarrkirche der Bürgerschaft, deren straffes Turmpaar hinter dem schönen Rathaus auf den Markt herabschaut und mit ihm den baulichen Höhepunkt Stendals bildet. I n ihr vollendet sich die einheitliche Schönheit des altmärkischen Hallenraumes. Nicht locker und zufällig, wie bei der Johanniskirche in Lüneburg, sondern straff, einheitlich und werkgerecht bis zum Letzten. Alle Kräfte kreisen ohne Ablenkung und Zersplitterung im ringsum harmonisch geschlossenen, in weihevollem Gleichgewicht sich rundenden Raum. Weich gleitet die Raumflucht um einen köstlichen Halbkranz hehrer Rundpfeiler, das Chorhaupt ist wie ein Kuppeldom; Stimmung ruhevollen Bleibens gießt der Raum über den Betrachter aus. Die Marienkirche in Stendal ist der klassische Vertreter der reifen altmärkischen Gotik. Eine mildere Stimmung umfangt uns in der S t e p h a n s k i r c h e i n T a n g e r m ü n d e , ausgezeichnet durch ihre beherrschende Lage- über dem Elbufer und im Straßenbilde der Stadt und durch die schmuckhafte Durchformung ihrer Außenseite, deren Höhepunkt die beiden spätgotischen Querschiffportale darstellen. Das Innere des Langhauses

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aber fällt auf durch seine reiche Pfeilerform, die durch die Pfeiler des Matthias von Arras im Prager Dom angeregt scheinen und an die Zeit erinnern, wo Tangermünde Residenz Kaiser Karls IV., des kunstliebenden Böhmerkönigs, war. Steil und schmal, in noch ganz romanischen Verhältnissen, wachsen die Turmpaare der beiden Stendaler Kirchen, wie das von Tangermünde und manche andere, empor. Die gotischen Erneuerungen haben die Abmessungen des romanischen Werkes übernommen. Sie tragen zu dem Ausdruck wacher Aufgerecktheit und Gespanntheit, den die altmärkischen Kirchen machen, Wesentliches bei und lassen den Zug beharrlicher Schwere in den Körpern der Kirchen übersehen, die doch auch im Inneren mit einer reisigen Gestrafftheit in reizvollem Widerstreit liegt. Gemütlich breit lagern die Kirchenbauten der alten Heidestadt Salzwedel, wo sich ein besonderer Typ herausbildet. Erdverwachsen und locker gruppiert, fast wie zusammengesunken träumen ihre Kirchen im Kranze alter Lindenbäume. Das Innere der Marienkirche gehört mit seinen beiderseits verdoppelten Seitenschiffen, dem breiträumigen Chor und Kreuzschiff und den im Westen um den uralten Rundturm durch Umbauung entstandenen abgesonderten Raumteilen zu den Kirchenräumen von allergrößtem malerischem Reiz. Ein Fremdling auf niedersächsischem Boden ist der kleine, vorzeitig im Westen abgeschlossene Basilikalbau der L ü n e b u r g e r N i k o l a i k i r c h e , der in das westelbische Hallengebiet die Form der baltischen Basilika noch im 15. Jahrhundert einführt, in einer spätgotischen und, wie es scheint, ostdeutsch veränderten Formhaltung. Das Vorherrschen der konkaven Elemente in der Raumwirkung, vorgetragen mit einer Betonung des Spitzigen und Unruhigen, auch in der Lichtführung, mag auf Erfahrungen des Meisters in Böhmen zurückgehen. H a m b u r g , das in seinem Dom einst ein höchst wertvolles Denkmal früher Backsteinbaukunst besessen hat, trägt heute, nachdem fast alle seine mittelalterlichen Kirchen durch Abbruch und Brand zerstört sind, nur wenig zu dem Reichtum deutscher Backsteinbaukunst bei. Seine Pfarrkirchen zeigten einheitlich den niedersächsischen Hallentyp. Um so bedeutender ist die Leistung der Stadt in der barocken Großen Michaelis k i r c h e , dem fast einzigen monumentalen Backsteindom Norddeutschlands aus nachmittelalterlicher Zeit. Am Rande des norddeutschen Backsteingebietes liegt das Stammesgebiet der Friesen und Holsten. Beide haben in Backstein gebaut, aber der schweren Natur dieser Stämme ist nicht die Gabe der Befreiung im Kunstwerk verliehen. So fehlt es fast ganz an monumentalen Bauleistungen. In Bremen und Verden und den umgebenden Landstrichen mischt sich der Backsteinbau mit der Verwendung des gewachsenen Steins. Ein sehr wertvoller Bau ist die Ruine der Zisterzienserabtei Hude in Oldenburg, deren Reste die gleiche Einstellung bekunden, welche die Bauten des Ordens in ganz Norddeutschland auszeichnet. Holsteins Baukunst ist ohne ausgeprägte Eigenart, es setzen sich in ihr die Züge des südlich anschließenden Lüneburger Landes fort, bis im Norden eine Berührung mit der dänischen Baukunst eintritt. 29

DIE

MARK

Der ausgedehnte Binnenlandskomplex der Mark Brandenburg ist kein einheitliches Gebiet. Das märkische Land ist nach allen Seiten hin Übergangszone, ein Zentrum fehlte ihm im Mittelalter. Seine Hauptplätze: Brandenburg, Frankfurt, Prenzlau, liegen vielmehr am Rande. Der Charakter des märkischen Bauschaffens unterscheidet sich von dem der Küste wie die Stille märkischer Seen und Föhrenwälder von der rauhen, vollsaftigen Bewegtheit der Gegend am Rande der Ostsee. In der flimmernden Luft der , märkischen Landschaft stehen zartere, eigenwillig umrissene Architekturformen. Paarige Türme von verhaltenem Wuchs, fein durchbrochene gestaffelte Giebel und Zinnen, die den Umriß phantasievoll lockern, ohne doch die große, von einem riesigen Satteldach zusammengehaltene Form ernstlich anzugreifen. Es ist eine eigentümliche Stille und Feinheit in eillem, was die Mark Brandenburg hervorbringt. Soviel vom Äußern, auf das die zarte, lichtdurchflutete Einbettung des Bauwerkes in die Landschaft zuerst die Aufmerksamkeit lenkt. Aber die Mark Brandenburg ist vor allem ein Baugebiet von gepflegter Innenraumform. Die Halle, die hier, abgesehen von den Werken der Frühzeit, etwa den Zisterzienserkirchen, die Alleinherrschaft hat, ist zur letzten Konsequenz, nämlich zu einem länglichen ungeteilten Einraum geführt, bei dem selbst die Trennung von Chor und Langschiff grundsätzlich aufhört, eine Rolle zu spielen. Ein schöpferisches Werk steht, wie gewöhnlich, am Anfang, die M a r i e n k i r c h e i n N e u b r a n d e n b u r g , an der Grenze zwischen märkischem und pommerschem Einflußgebiet. Ein Bau, der die konsequente Verkörperung einer einheitlichen Idee darstellt. Es ist ein regelmäßiges längliches Rechteck von 9 Jochen, dem der ältere Westbau völlig eingepaßt ist, so daß der Turm aus dem großen, nicht allzu steilen Satteldach herauswächst. Auch im Osten schließt der Bau in seiner gesamten Breite gerade ab. Die vier Ecken des Rechtecks sind durch Treppentürmchen betont. Harmonische Mäßigung und Klarheit sowohl in der Durchbildung aller Außenflächen, unter denen die Ostseite mit einem mächtigen, schmuckreich durchgebildeten Giebel besondere Aufmerksamkeit verdient, wie im wohlräumig-gelassenen und disziplinierten Innenraum geben dem Bau eine Sonderstellung, für deren Charakterisierung der Renaissancebegriff der Concinnitas nicht verfehlt erscheint. Das Weihedatum des Chores 1298 macht den Bau zum frühen Schrittmacher seines Typs. Pfeilerform, Fenstermaßwerk und Portale sind unmittelbar aus der Hausteinpraxis geschaffen. Die Formen weisen nach Westdeutschland, doch darüber hinaus verrät der Grundriß und mehrere Einzelzüge Vertrautheit mit der Baukunst Englands. Neben der stillen Festigkeit der Neubrandenburger Kirche steht ihr Tochterbau, die M a r i e n k i r c h e i n P r e n z l a u , stolz und hochgereckt, reicher und komplizierter, ganz backsteingerecht, aber auch magerer und abstrakter in der Formung. Die Kirche beherrscht mit ihrem alle Register backsteingemäßer Flächenzier meisternden Ostgiebel in hinreißender Wirkung den großangelegten Marktring. Der leicht vibrierende Umriß nimmt dem massigen Kirchenkörper alles Dumpfe und Schwere.

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Das plastische Leben an der riesigen Schauwand ist unfaßbar reich, von den wechselnden Streben- und Fensterintervallen des Unterbaues zu dem unmerklich leisen Rhythmus, der die Giebelaufteilung beherrscht und so leicht über die Gefahr der Gleichförmigkeit triumphiert. Zudem, welche malerischen Qualitäten! Alles funkelt und blitzt und spielt von hellen Putzflächen zu Rot, Grün und Schwarz. Dazwischen fressen sich Schattentiefen aller Nuancen in die Wand, graben hier tiefein und bleiben dort leicht an der Oberfläche. Zierliche Wimperg- und Fialenreihen setzen das Spiel längs der Langseiten fort bis zu dem rassigen Turmpaar, dessen untere Hälfte ein Bau ganz aus Granitquadern ist, das eindrucksvollste Werk der frühen Feldsteinarchitektur der Mark. Das Innere, schlanker und leichter als der Raum von Neubrandenburg, strebt hemmungslos mit vertikalen Linien aufwärts, die sich ohne Betonung des Kämpfers in die Scheidbögen und Gewölberippen verzweigen. Der Raum ist einheitlich, licht, weiträumig und wohlgestaltet, eine vollendete Leistung, die freilich auch etwas Kühles, allzu Regelrechtes hat. Der Prenzlauer Meister stellt einen neuen Kanon der Hallenschönheit auf. Die S t a d t B r a n d e n b u r g , die eine Vorrangstellung unter den märkischen Städten als kirchlicher und bürgerlicher Mittelpunkt beanspruchen darf, fehlt in der reifen Gotik nicht mit bedeutenden Kirchenbauten. Die Altstadt errichtete die schöne S t . G o d e h a r d s - K i r c h e , die mächtigere Neustadt aber den großartigen Bau der K a t h a r i n e n k i r c h e , deren Plan Hinrich Brunsberg von Stettin entwarf und größtenteils ausführte. Die Havelstadt verpflichtete sich den besten Meister, der damals auf märkischem Boden zu finden war und der soeben den Chor der Kirche von Königsberg in der Neumark erbaut hatte, durch den er sich den Brandenburgern wohl empfehlen mochte. Die Katharinenkirche wurde der Musterbau und Gipfelpunkt der brandenburgischenreichen Gotik um 1400. Zugrunde liegt der Gesamtform der süddeutsche, in Schwaben zuerst ausgebildete Hallenraum mit vieleckigem, von flachen Kapellen begleitetem Chorschluß. E r ist hier zur vollendeten Einheit im spätgotischen Sinne geführt, nach Gesetzen, für welche die Rücksicht auf den Raum und sein Eigenleben zuerst maßgebend ist. Mauerwerk und Pfeiler scheinen Restbestände, Resultate einer aggressiven Formungsarbeit des leeren Luftraumes. Der Rundpfeiler ist zum schlanken Achteck abgefeilt; die Gewölbedecke des Mittelschiffes geht bereits leicht ins Netzgewölbe über in einer Formung, die an die Wölbung des Prager Domchors erinnert. Diese Rippenführung verwischt die Jochtrennungen und gibt dem Räume etwas köstlich Gleitendes und Einheitliches. Dem Eindruck räumlicher Geschlossenheit dient auch in höchstem Maße die Gliederung der Wände, denen zwischen den eingezogenen Strebepfeilern so etwas wie die illusionistische Projektion äußerer, kulissenhaft zerdrückter Seitenschiffe eingefügt ist, wie zum Einsammeln aller noch verfügbaren Kräfte zugunsten des Raumeindrucks. Was die Katharinenkirche berühmt macht, ist aber ihr Außenbau. Das System der Einziehung der Strebepfeiler beraubte das Außenbild der plastischen Gliederung. Schon vor Brunsberg war in Pommern der Gedanke einer flächigen Lockerung der entsprechenden Außenwandstreifen gefunden worden. Brunsberg führte diese Dekoration zur Vollendung und gab ihr statt der zuerst gezeigten harten Flächigkeit eine vielfaltige körperliche Tiefe, Weichheit und Lichtmodellierung. Nordische Phantasie vermählt sich in 31

seinem Werk mit der schmelzenden Modellierung südostdeutscher Kunst. An der Brandenburger Katharinenkirche, dem Aufbau ihrer Langhausseiten und mehreren zierlichen Anbauten, deren schönster die geistvolle Marienkapelle der Nordseite ist, feiert die märkische Lust an überreicher Flächenzier orgiastische Feste. Leider ist nicht alles erhalten; man muß sich noch einen zierlichen Wimpergkranz freistehend über dem Hauptgesims dazudenken, durch dessen stichbogig überbrückte Intervalle die Dachschräge in schmalen Zungen durchging. Nicht zu vergessen ist der farbige Reiz dieses Außenbildes mit überreichem funkelndem Schmuck grüner und schwarzer Formziegel zwischen dumpfrotem und düstergelbgrauem Mauerwerk. Dem westlichen Zentrum Brandenburg entspricht ein östliches: F r a n k f u r t an der Oder. Seine Marienkirche ist nicht weniger eindrucksvoll, als die bisher genannten Bauwerke, aber ein Kind anderer, herber und kampferfüllter Umgebung, von einem ungefügeren, dem Barbarentum näheren Schönheitsempfinden. Es ist ein Bau der Spätgotik, dessen Ausbau als Halle 1494 abgeschlossen ist, dessen seitliche Erweiterungsbauten sich bis 1522 fortsetzen. Durch ein Paar von trutzigen Türmen in der Art Lübecks, doch mit Zinnenkranz und kleinem Spitzhelm gekrönt, wurde der ungefüge, schwere Bau zu mächtig beherrschender Wirkung emporgerissen. Nach Zusammensturz der einen Turmes bildet der andere zusammen mit der buckligen Masse des Kirchendaches eine Baugruppe von burgartig fremd anmutendem Umriß. Der phantastisch dämmernde Pfeilerwald des Innern, der im harmonisch durchlichteten Chor befreiend ausklingt, läßt einen mittelalterlichen Raum von hohen Reizen ahnen, zumal die Ausstattung hochwertig und reich war. Der jetzige Zustand ist unter Einwirkung des Klassizismus mager und akademisch geworden. Gerade ein Schinkel durfte diesen Raum nicht umformen, er nahm ihm das Urwüchsig-Rauhe und verkleidete die harten Bruchstellen und Baunarben seiner Entwicklung, die diesem Werk erhöhten Reiz verliehen. Volle Freude kann noch heute der Außenbau geben, trotz des leider gefallenen Südturmes. Dem mächtigen Chorrund, das in ein hohes Steildach gipfelt, fügt sich ein sehr breites Langschiff an, dessen äußere Seitenschiffe hohe, mit Stab- und Blendengliederung belebte, durch Zackenreihen bekrönte Schildmauern verkleiden, eine reine, nur Pultdächer verbergende Schmuckarchitektur. Das zierliche Halbpolygon der Taufkapelle an der Nordseite verstellt den älteren Giebel des völlig vom Hallenbau verschlungenen Querschiffarms. Feine Sandsteinportale in Zusammenhang mit eingelassenen figürlichen Reliefplatten erinnern an eine Stiftung Kaiser Karls IV. Ein Bau ganz besonderer Art ist die Kirche von W i l s n a c k nahe Wittenberge. Sie wurde unmittelbar nach einem 1383 geschehenen Blutwunder als großzügiger Neubau an Stelle eines Dorfkirchleins begonnen, und zwar zu dem ausgesprochenen Zweck einer Wallfahrtskirche, um große Menschenmassen aufzunehmen und ihnen die Verehrung der drei die Blutstropfen umschließenden Hostien zu ermöglichen. Bis zum Ende des Jahrhunderts war der Bau im wesentlichen fertiggestellt; ein weiterer Ausbau im Westen unterblieb, und ein Renaissancegiebel und Dachreiter gaben dem wuchtigen Torso seinen markanten Abschluß. 32

Noch wissen wir nicht, welcher Abstammung die Form des Bauwerks, die in der Mark ungewöhnlich ist, verdankt wird. Eine ausgebildete Kreuzanlange mit betontem tiefem Chorraum, daran anschließend ein weiträumiges, kurzes HallenschifF. Eine Raumform jedenfalls, dank ihrer versteckten zentralisierenden Züge geeignet, um große Menschenmassen um ein zentrales Ereignis zu vereinigen, ohne viel Behinderung der Sicht durch breite Pfeiler. In dem einst durch einen Lettner abgeschlossenen weiten und tiefen Chor, dem ein kleiner, später zerstörter Umgang und darüber ein Laufgang noch gesteigerte szenische Möglichkeiten boten, bestand eine Bühne für die Entfaltung pomphafter Schaustellungen und Zeremonien. Die Empore des Nordquerarmes, vom Bischofshofe aus zugänglich, diente hohen Gästen als Loge. Auf Grund ihres besonderen Zweckes mag die Raumform, in der sich ein Ostteil nach Art älterer Stiftskirchen mit der populären Raumform des Hallenschiffes verbindet, spontan entstanden sein. Die stäbige Flächenzier der westlichen Schiffspfeiler läßt auch hier die zeitgemäße Hinneigung zu dem damals blühenden und fruchtbaren Südosten vermuten. In seiner stilistischen Haltung ist der Bau ein niedersächsischmärkischer Grenztyp, und im altmärkischen Stendal allein hat er unmittelbare Schulnachfolge gefunden. POMMERN Die bauliche Atmosphäre des langgestreckten Landes ist der Mark nur im südlichen, mittleren Teile, links und rechts der Oder, näher verwandt, einem Landstrich, der auch stammlich und sprachlich dem märkischen Volkstum nahesteht. Der Nordwesten bis zur Peenegrenze, den wir bereits mit den wendischen Städten vorwegnahmen, und ebenso der Osten Pommerns haben mit der Mark keine unmittelbare Berührung. Diese Teile haben vorwiegend niedersächsische, über den Küstenweg vermittelte Kolonisation, während die binnenländisch märkische von Süden her längs der Oder vorgerückt ist. Mittelpommern ist dementsprechend ein Land mit massigen Hallenkirchen und einer Neigung zu flächigem Blendenschmuck, Ostpommern dagegen ein Land des straffen kubischen Aufbaues, dessen Stadtkirchen häufig Basiliken sind, mit ganz schlichten Flächen, aber kühnem und schlankem Wuchs. Die ungestaltete weite Landschaft mit wenig Bewegung und Plastik hat wohl Anteil an der betonten Schlichtheit und Großflächigkeit. Der dramatisch unruhige Formenapparat der wendischen Städte würde dem Pommer als eine unwahr gespreizte Haltung erscheinen; er liebt es, den Baukörper zu einer schlichten, ungegliederten Großform zusammenzuziehen. Ferner hat Pommern das Gesetz der Serienbildung unter allen Backsteinländern am konsequentesten durchgeführt. Die Kleinstadtkirchen jedes Landesteiles sind einander durchaus ähnlich und geben kaum jemals einem individuellen Einzelwerk Raum. So muß uns ein einziger monumentaler Bau, die Marienkirche zu Stargard, das mittelpommersche Gebiet, ein anderes vereinzeltes Großwerk, der Kolberger Dom, den östlichen Landesteil repräsentieren. 5

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Noch wissen wir nicht, welcher Abstammung die Form des Bauwerks, die in der Mark ungewöhnlich ist, verdankt wird. Eine ausgebildete Kreuzanlange mit betontem tiefem Chorraum, daran anschließend ein weiträumiges, kurzes HallenschifF. Eine Raumform jedenfalls, dank ihrer versteckten zentralisierenden Züge geeignet, um große Menschenmassen um ein zentrales Ereignis zu vereinigen, ohne viel Behinderung der Sicht durch breite Pfeiler. In dem einst durch einen Lettner abgeschlossenen weiten und tiefen Chor, dem ein kleiner, später zerstörter Umgang und darüber ein Laufgang noch gesteigerte szenische Möglichkeiten boten, bestand eine Bühne für die Entfaltung pomphafter Schaustellungen und Zeremonien. Die Empore des Nordquerarmes, vom Bischofshofe aus zugänglich, diente hohen Gästen als Loge. Auf Grund ihres besonderen Zweckes mag die Raumform, in der sich ein Ostteil nach Art älterer Stiftskirchen mit der populären Raumform des Hallenschiffes verbindet, spontan entstanden sein. Die stäbige Flächenzier der westlichen Schiffspfeiler läßt auch hier die zeitgemäße Hinneigung zu dem damals blühenden und fruchtbaren Südosten vermuten. In seiner stilistischen Haltung ist der Bau ein niedersächsischmärkischer Grenztyp, und im altmärkischen Stendal allein hat er unmittelbare Schulnachfolge gefunden. POMMERN Die bauliche Atmosphäre des langgestreckten Landes ist der Mark nur im südlichen, mittleren Teile, links und rechts der Oder, näher verwandt, einem Landstrich, der auch stammlich und sprachlich dem märkischen Volkstum nahesteht. Der Nordwesten bis zur Peenegrenze, den wir bereits mit den wendischen Städten vorwegnahmen, und ebenso der Osten Pommerns haben mit der Mark keine unmittelbare Berührung. Diese Teile haben vorwiegend niedersächsische, über den Küstenweg vermittelte Kolonisation, während die binnenländisch märkische von Süden her längs der Oder vorgerückt ist. Mittelpommern ist dementsprechend ein Land mit massigen Hallenkirchen und einer Neigung zu flächigem Blendenschmuck, Ostpommern dagegen ein Land des straffen kubischen Aufbaues, dessen Stadtkirchen häufig Basiliken sind, mit ganz schlichten Flächen, aber kühnem und schlankem Wuchs. Die ungestaltete weite Landschaft mit wenig Bewegung und Plastik hat wohl Anteil an der betonten Schlichtheit und Großflächigkeit. Der dramatisch unruhige Formenapparat der wendischen Städte würde dem Pommer als eine unwahr gespreizte Haltung erscheinen; er liebt es, den Baukörper zu einer schlichten, ungegliederten Großform zusammenzuziehen. Ferner hat Pommern das Gesetz der Serienbildung unter allen Backsteinländern am konsequentesten durchgeführt. Die Kleinstadtkirchen jedes Landesteiles sind einander durchaus ähnlich und geben kaum jemals einem individuellen Einzelwerk Raum. So muß uns ein einziger monumentaler Bau, die Marienkirche zu Stargard, das mittelpommersche Gebiet, ein anderes vereinzeltes Großwerk, der Kolberger Dom, den östlichen Landesteil repräsentieren. 5

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Stettin hat in unglücklichen Kriegs- und Brandkatastrophen den größten Teil seiner alten Schönheit verloren. Sonst würde die alte Hansestadt unter den pommerschen Domen mit Bauten hohen Ranges vertreten sein. Die M a r i e n k i r c h e in S t a r g a r d steht, verarmt zwar im Innern, doch in ihrem Baubestande wohlerhalten aufrecht. In ihrer Baugeschichte siegte nach anfänglicher Hallenanlage der basilikale Typus nach dem Vorbilde der Lübecker Marienkirche. So wurde zunächst, im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts, der basilikale Chorbau errichtet, dem das schon stehende Langhaus durch Erhöhung des Mittelschiffes angepaßt wurde. Im Westen schloß man die nunmehr einheitliche querschifflose Basilika mit einem Paar mächtiger Westtürme. Aber die geistige Haltung ist in allen Teilen der des Lübecker Vorbildes entgegengesetzt. Der Ausdruck des Emporstrebens, der dort alles beherrscht, ist hier gedämpft durch eine nur mäßige Höhe des Obergadens. Dafür ist das untere Arkadengeschoß schlank und hochräumig gebildet, und wie ein schönes Diadem legt sich rund herum über das Arkadensims ein ausgebildetes Trifolium, in der norddeutschen Backsteinkunst eine ganz vereinzelte Form. Der Meister des Stargarder Marienchors, wahrscheinlich der Lehrer Brunsbergs, ist eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten im norddeutschen Backsteingebiet; ein Mann, der zweifellos in verschiedenen Ländern Kenntnisse gesammelt hatte und der einen sicheren Blick für großartig reiche Raumstimmung und Aufbauwirkung, aber auch lebhaften ornamentalen Sinn besaß. Der Stargarder Chor ist im Außenbau ein straffes und zierhaftes Werk, weit mehr aber bewundernswert als Innenraum. Hier ist ein Raum von einer unerhörten plastisch-räumlichen Formenfülle. Alles ist ins Dreidimensionale vertieft, durchdringt, überschneidet sich; ein Raum von ganz einzigartiger formaler Durcharbeitung. Es wird schwer halten, festzustellen, aus welchen Quellen die verschiedenen Motive geschöpft sind, die hier zusammentreffen. Verrät das Triforium und der darüber in Höhe der Fensternischen durchgeführte Laufgang eindeutig normannische, wahrscheinlich englische Herkunft, so möchte man bei der Raumform des Umganges süddeutsche Anklänge wiederfinden - es ist der Umgang eines Hallenchors; auch ist auf die Ähnlichkeit des Chorgrundrisses der Barbarakirche in Kuttenberg hingewiesen worden. Bei den für Statuen bestimmten Konsolnischenkränzen um die Chorpfeiler denkt man gar an den Mailänder Dom. Jedenfalls stehen wir im Chorteil der Stargarder Marienkirche einem Bauwerk von höchst weltmännisch-internationaler Haltung gegenüber. Wenig bedeutend, von landesüblich phlegmatischer Haltung ist der Weiterbau des Hochschiffes nach Westen. Doch in dem mächtig breiten Westturmpaar, von dem nur der nördliche vollendet wurde, besitzt die Marienkirche noch einen charaktervollen Abschluß. Wie der Außenbau überhaupt, entbehren auch die Türme des gespannt empordrängenden Lebens. Das Turmpaar würde wie ein unbewegter Klotz wirken, wenn nicht die hohen, kräftig eingeteilten Putzblenden der Masse einen starken Vertikaltrieb geben und ihre Geschlossenheit lockern würden. Die laute und derbe Barockhaube mit Bleiverkleidung, echt ostländisch, ist so frisch und lustig, daß man sie nicht missen möchte. 34

Scheint die Marienkirche von Stargard infolge ihrer basilikalen Raumgestalt dank der persönlichen Leistung des Chormeisters ein für das Land untypischer Bau zu sein, so ist dagegen zu behaupten, daß hier trotz fremden Einbruchs ein durchaus pommersches Werk entstanden ist. Von gleichem Blute ist der K o l b e r g e r M a r i e n d o m , doch in ostpommerscher Abwandlung und mit stärkerer hansisch-küstenländischer Beimischung. Er ist so bäuerlich erdverwachsen, daß kein Betrachter jemals an seinem bodenständigen Heimatsrecht zweifeln wird. Eine weiträumige, düster prächtige Halle, nicht allzu lang, aber sehr breit infolge beiderseitiger Erweiterung, stellt der Kolberger Bau noch heute den unverfälschten pommerschen Raumtypus dar, der in ganz sinngemäßer Weise nach der Breite weiterentwickelt wurde. Den liturgischen Bedürfnissen des hier einst bestehenden Kollegiatstiftes entsprach ein gestreckter einschiffiger Chor mit Polygonalschluß, dessen Wandflächen großenteils das Chorgestühl einnahm. Aus dem Zusammenfallen eines Kollegiatstiftes und einer raummächtigen Bürgerkirche mit zahlreichen Einzelkapellen und Sonderstiftungen erklärt sich die vereinzelte und scheinbar unlogische Raumbildung. Der Innenraum, von bedeutender räumlicher Schönheit in dem Kontrast seiner halbdunklen Breithalle mit dem über dem Lettner schmal und lichterfüllt hereinschauenden Chorraum wird durch eine reiche, gediegene Ausstattung und wertvolle Gewölbemalereien vollends zu einem besonders reizvollen Gliede der Kette schöner Kirchen in den Ostseestädten. Der Außenbau kann als extremes Beispiel pommerscher Großflächigkeit gelten. Ein so riesengroßes schlichtes Satteldach wird kaum zum zweitenmal zu finden sein. Was dem Außenbau aber seine markante Erscheinung verleiht, ist der gigantische Breitklotz des Westwerks, das aus einer geplanten Zweiturmgruppe zu einem mächtigen Einheitskörper wurde, in einem ähnlichen Bauvorgang wie bei der Rostocker Marienkirche. Dieser Bau ist ein wahres Abbild der urwüchsigen Kraft des jungen Volkstums hier im Osten. Welch ein naiver Gedanke: Wenn man die zwei Türme miteinander verband, erhielt man mehr aufragende Masse und konnte ihr statt zweier sogar drei Spitzen aufsetzen. Als dreispitzige, zentral gesteigerte Abschlußform gibt sich noch jetzt die Dachbekrönung des Turmbaues zu erkennen, die in ihrer heutigen barocken Form sehr reizvoll ist, freilich kaum den Träumen der spätgotischen Erbauer genügt hätte. So steht trotz mancher Beschädigungen durch Beschießung dieser prachtvolle niederdeutsche Dom in seinem herben, ungebrochenen Trotz aufrecht, während die übrigen alten Bauten der Stadt, Rathaus, Stadttore und Giebelhäuser, in Staub gesunken sind. Weit über das tellerflache Land, weit über die See hinaus kündet die Masse dieser Kirche die Bedeutung des alten Kolberg. DAS

ORDENSLAND

Die beiden Hauptteile des ausgedehnten Gebietes, über das, wenigstens bis 1410, der Deutsche Ritterorden als sein Kerngebiet gebot, Westpreußen und Ostpreußen, verhalten sich sehr verschieden in ihrem Bestände mittelalterlicher kirchlicher Monumentalbauten. Während Westpreußen, von der Weichsel durchflössen, reich an ansehnlichen 5*

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Scheint die Marienkirche von Stargard infolge ihrer basilikalen Raumgestalt dank der persönlichen Leistung des Chormeisters ein für das Land untypischer Bau zu sein, so ist dagegen zu behaupten, daß hier trotz fremden Einbruchs ein durchaus pommersches Werk entstanden ist. Von gleichem Blute ist der K o l b e r g e r M a r i e n d o m , doch in ostpommerscher Abwandlung und mit stärkerer hansisch-küstenländischer Beimischung. Er ist so bäuerlich erdverwachsen, daß kein Betrachter jemals an seinem bodenständigen Heimatsrecht zweifeln wird. Eine weiträumige, düster prächtige Halle, nicht allzu lang, aber sehr breit infolge beiderseitiger Erweiterung, stellt der Kolberger Bau noch heute den unverfälschten pommerschen Raumtypus dar, der in ganz sinngemäßer Weise nach der Breite weiterentwickelt wurde. Den liturgischen Bedürfnissen des hier einst bestehenden Kollegiatstiftes entsprach ein gestreckter einschiffiger Chor mit Polygonalschluß, dessen Wandflächen großenteils das Chorgestühl einnahm. Aus dem Zusammenfallen eines Kollegiatstiftes und einer raummächtigen Bürgerkirche mit zahlreichen Einzelkapellen und Sonderstiftungen erklärt sich die vereinzelte und scheinbar unlogische Raumbildung. Der Innenraum, von bedeutender räumlicher Schönheit in dem Kontrast seiner halbdunklen Breithalle mit dem über dem Lettner schmal und lichterfüllt hereinschauenden Chorraum wird durch eine reiche, gediegene Ausstattung und wertvolle Gewölbemalereien vollends zu einem besonders reizvollen Gliede der Kette schöner Kirchen in den Ostseestädten. Der Außenbau kann als extremes Beispiel pommerscher Großflächigkeit gelten. Ein so riesengroßes schlichtes Satteldach wird kaum zum zweitenmal zu finden sein. Was dem Außenbau aber seine markante Erscheinung verleiht, ist der gigantische Breitklotz des Westwerks, das aus einer geplanten Zweiturmgruppe zu einem mächtigen Einheitskörper wurde, in einem ähnlichen Bauvorgang wie bei der Rostocker Marienkirche. Dieser Bau ist ein wahres Abbild der urwüchsigen Kraft des jungen Volkstums hier im Osten. Welch ein naiver Gedanke: Wenn man die zwei Türme miteinander verband, erhielt man mehr aufragende Masse und konnte ihr statt zweier sogar drei Spitzen aufsetzen. Als dreispitzige, zentral gesteigerte Abschlußform gibt sich noch jetzt die Dachbekrönung des Turmbaues zu erkennen, die in ihrer heutigen barocken Form sehr reizvoll ist, freilich kaum den Träumen der spätgotischen Erbauer genügt hätte. So steht trotz mancher Beschädigungen durch Beschießung dieser prachtvolle niederdeutsche Dom in seinem herben, ungebrochenen Trotz aufrecht, während die übrigen alten Bauten der Stadt, Rathaus, Stadttore und Giebelhäuser, in Staub gesunken sind. Weit über das tellerflache Land, weit über die See hinaus kündet die Masse dieser Kirche die Bedeutung des alten Kolberg. DAS

ORDENSLAND

Die beiden Hauptteile des ausgedehnten Gebietes, über das, wenigstens bis 1410, der Deutsche Ritterorden als sein Kerngebiet gebot, Westpreußen und Ostpreußen, verhalten sich sehr verschieden in ihrem Bestände mittelalterlicher kirchlicher Monumentalbauten. Während Westpreußen, von der Weichsel durchflössen, reich an ansehnlichen 5*

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Städten wie an Klöstern, eine charaktervolle und bedeutende Baukunst aufweist, fällt Ostpreußen, das ohne größere Städte und Klostersiedlungen war und allein nach den militärischen Gesichtspunkten des Ordens verweiltet wurde, für die kirchliche Monumentalkunst fast völlig aus. Wenn wir hier das Ordensland betrachten, so haben wir also besonders Westpreußen und seine Kirchenbauten im Auge. Das blühende Tal der Weichsel, der Ausdruck natürlicher Kraftkonzentration in diesem lebhaft die Landschaft formenden Einschnitt, wirkt nach den endlos weiten und unbetonten Landstrecken des östlichen Pommern aufs höchste überraschend und belebend. Noch einmal eine markant geformte, stark plastische Landschaft, ein großer Strom, aufrüttelnde Dinge, Anreiz zu wirtschaftlicher Kraftballungund monumentalem Ausdruck. Das preußische Ordensland zeichnet sich durch eine eigentümliche und kräftige Sonderart in seinen Bauwerken aus. Gegenüber dem Westen besteht eine hart markierte Abgrenzung. Der Formendialekt Preußens, durchaus ostländisch, ist bis in die kleinsten Einzelheiten anders als dort: derber, von breiterer Grundlage und einer gesunden, von Tradition und Vorbildern unbeschwerten Jugendlichkeit. Der Gesichtskreis ist weit; einerseits spielt ein Zusammenhang mit den Niederlanden, zum andern eine Verbindung mit dem Süden, Polen, Böhmen und Schlesien, die bevorzugte Rolle. Mit der Baukunst des Ordens selbst, die wesentliche Züge mittelmeerischer Kunst enthält, hat der Kirchenbau in den meisten Fällen keine unmittelbare Berührung. Die Z i s t e r z i e n s e r k l ö s t e r Oliva und P e l p l i n geben Beispiele älterer Monumentalbauten. Pelplin, dessen Kirche im frühen 14. Jahrhundert einheitlich neu aufgeführt wurde, ein Tochterkloster Doberans, soll allein kurz beschrieben werden. Der monumentale Bau erhebt sich in einer krafterfüllten, geballten Geschlossenheit. Von den künstlerischen Eigenschaften, die der Bau des Mutterklosters der Tochter mitgeben konnte, sind nur die reisigen und trotzig-herben Motive verwertet, die hochmittelalterliche Kostbarkeit der dortigen Münsterkir'che ist hier einer kraftbetonten Schlichtheit der Formen geopfert worden. Die Abteikirche von Pelplin ist ein durchaus ostdeutscher Bau, bei dem auch die von fern herangetragenen Motive, wie das Querhaus mit dem Mittelpfeiler, sogleich ins Ostische übersetzt werden. Beim Querhaus ist die Verschiebung fast in die Mitte der Längenerstreckung bezeichnend. In der lichten Weiträumigkeit, den massigen Achteckpfeilern, der kräftig betonten Ausladung der Querarme, endlich in dem harten Schnitt des Ostschlusses, der das Westende genau wiederholt, liegen Elemente eines neuen Körpergefühls vor, sind vielfach Züge vorweggenommen, die in den Danziger Kirchen einst ihre konsequente Ausbildung finden sollen. Die Gewölbe sind regelmäßige, klare Sterngewölbe; nur in den später erneuerten Querarmgewölben sind es kleinteilige Netzmuster. Der Außenbau wirkt trotzig und stark. Wie ein Motiv des Festungsbaues muten die gepaarten Treppentürme an, die am West- wie am Ostende des Mittelschiffes das hohe Mittelfenster flankieren. Die Giebel sind getreppt. Besonders schmuckreich ist das nördliche Querarmportal mit Tympanon, Kämpfer- und Archivoltenfiguren aus Kunststein. Den starken Farbenwirkungen, welche die preußische Gotik aufsucht, entsprechen in Pelplin wie anderswo Putzleisten oder Putzblenden, die mit aufgemaltem rotem Maßwerk geschmückt sind. 36

Ihrem Gesamteindruck nach gehört die Pelpliner Klosterkirche zu den straffsten, im höchsten Sinne zu einheitlicher Raum- und Körperwirkung geschlossenen Kirchenbauten des deutschen Ostens, sie ist der klassische Dom Westpreußens. Von den vier Bischofskirchen des Ordenslandes, den Domen von Kulmsee, Marienwerder, Frauenburg und Königsberg, ist der D o m v o n M a r i e n w e r d e r die monumentalste Anlage. Da das Domkapitel den Regeln des Deutschen Ordens folgte, so ist das Bauwerk eine einzigartige Verbindung von Kathedralkirche und Burg, ein Bau, der durch seine beherrschende Lage über dem Weichseltal und seine wehrhafte, doch beruhigte Form die geschichtliche Lage aufs eindringlichste vergegenwärtigt. Uber das ritterliche Kapitelschloß, das hier neben der mönchischen Stille des Kreuzganges noch die Würde eines Domkapitels repräsentieren mußte, dominiert ruhevoll das große Dach des Gotteshauses mit seinem bergfriedgleichen Glockenturm. Der A u f b a u ist so einfach wie möglich. Eine dreischiffige pseudobasilikale Halle ohne Querschiff mit einschiffigem, polygonal schließendem Chor. Am Außenbau herrscht die größte Einfachheit; über den Fenstern läuft Vinter dem mächtigen Satteldach ein Wehrgang herum. I m Innern gliedern sehr untersetzte und wuchtige Pfeiler den Raum und tragen ein voll ausgebautem, doch unbeleuchtetes Hochschiff, eine Raumform von seltener Phantastik bei so bedeutenden Maßen. Die nackten Seitenwandflächen unter den hoch ansetzenden Fenstern bedecken in ununterbrochener Folge große Wandmalereien, wie solche j a in den Bauten des Ordens eine bevorzugte Rolle spielten. Eine außergewöhnliche Formung ist die Erhöhung des Chores über einer Krypta, die aber nur Begräbniskapelle war. Vielleicht spielte eine Vorstellung südlicher Kathedralen bei ihrer Erbauung mit. Die Raumstimmung hat etwas von südlicher Losgelöstheit von der Außenwelt infolge des auf die hoch ansetzenden Seitenfenster begrenzten Lichteinfalls. Ostpreußen, das fast keine bedeutenden kirchlichen Bauwerke besitzt, macht in dem Dom von Frauenburg, der ermländischen Kathedralkirche,doch einen Anlauf zu einer eigenen Monumentalkunst, die in der Tat, wäre mehr derartiges erwachsen, einen markanten Typus versprechen würde. Der F r a u e n b u r g e r D o m erhebt sich auf einem Hügel am Ufer des Haffs, eng von einer Burgmauer mit Toren und Türmen umschlossen, innerhalb deren an seiner Südund Westseite ein schlichter freier Platz bleibt, während man vergeblich nach einer mit dem Dom verbundenen Klausur sucht. Der Dom selbst ist unbefestigt, ein sehr schlichter, langgestreckter Bau von dreischiffigem Hallencharakter mit langem, einschiffigem und platt geschlossenem Chor. Ein beherrschender Turm fehlt der Anlage oder wird von ihr vielmehr grundsätzlich abgelehnt. Das Äußere wie Innere sind von sehr charakteristischer, selbständiger Haltung. Etwas leer erscheint die Formensprache, dabei überaus gehemmt und schwerfällig, obgleich die Außenbaugestalt infolge der Ecktürmchen eine gewisse Anmut besitzt. Beim Raum wird man leicht an englische Zusammenhänge denken, die in der Grundrißbildung und den gedämpften Höhenproportionen unabweisbar sind, wie auch in den Sterngewölben, die in Preußen so früh ohne den Verkehr mit England kaum 37

hätten entstehen können. Niederländisches spielt in den vier kecken Ecktüxmchen herein - aber auch der schmucke Westgiebel wird niederländischen Vorbildern seine Erscheinung verdanken. Die Raumform ist eine konsequente und wirkungsvolle Sonderausbildung der ostdeutschen Halle in das Breite, Gedrungene, ihr Ausdruck Ernst und Geschlossenheit, ein fast erstickendes Pathos des Verzichts. Die großartigste Leistung im Kirchenbau des deutschen Ostens vollbringen die blühenden Städte Westpreußens. Thorn hat drei prachtvolle Kirchen bewahrt, Kulm eine bedeutende Pfarrkirche, und Danzig schafft in seiner Marienkirche, die all seine anderen Kirchen weit überragt, die letzte, höchste Vollendung. Die Halle herrscht im spätgotischen Bauschaffen des Ostens durchaus vor; gegen Ende des Mittelalters fällt ihr die Alleinherrschaft zu. In Thorn ist die altstädtische Pfarrkirche St. Johann die älteste und vornehmste. Sie entwickelt sich in mehreren Vergrößerungen allmählich in der beharrlichen Richtung auf eine freiräumig hohe, wohldurchlichtete Halle hin. So ist ihr Inneres heute ein etwa quadratischer, weitgespannter Raum mit sehr schlank und schlicht in der durchlichteten Weite stehenden und von ihr umspielten Pfeilern. In die Seitenwände höhlen sich halbhohe Kapellenreihen, über denen noch hohe Fenster die obere Wand durchbrechen. Als kaum zugehörig zum Raum wird der weit niedrigere ältere Chorraum empfunden. Ein riesiger Turm wächst nach dem Einsturz seines Vorgängers an der Westseite der Kirche auf, ein Koloß niederländischer Herkunft von der Art des Utrechter Domturmes; er bleibt aber Torso und überragt nur eben die drei Satteldächer der auch im Außenbau sehr wirkungsvollen Hallenkirche. Die zierliche J a k o b i k i r c h e der Neustadt ist in vollem Gegensatz zur vorigen eine räumlich beengte schlanke Basilika, deren Hauptreiz der Außenbau ist mit köstlich reichem, doch ganz backsteingemäßem Fialen- und Giebelschmuck. Seiner formalen Zugehörigkeit nach steht der Bau den wendischen Städten nahe; das zierlich ausgebildete Streben- und Fialenwerk, das der Jakobikirche mit noch mehreren westpreußischen Kirchen gemeinsam ist, leitet sich hier aber unmittelbar von Vorbildern aus Werkstein ab, die in England zu suchen sind, ein Zusammenhang, der durch die Handelswege erklärt wird. Ein charaktervoller Westturm mit kräftiger Blendengliederung und einer ganz der Ordensbaukunst entlehnten Ausbildung des Obergeschosses unter einem Zwillingsdach vollendet das vortreffliche Außenbild der Kirche. Die räumlich reifste und einheitlichste Schöpfung unter den Thorner Kirchen ist die M a r i e n k i r c h e , das Gotteshaus der Franziskaner. Sie ist entwicklungsgeschichtlich von hohem Wert, da sie dieselben charakteristischen Merkmale spätgotischen Kirchenbaues vereinigt, die in der Danziger Marienkirche die letzte Steigerung erfahren: Glatte Außenmauern infolge Hereinziehens der Strebepfeiler; völlige Schlichtheit der Wand gegenüber bewegter Formgebung der Dach- und Giebelzone am Außenbau, wie der Gewölbe im Innern; und (hier später verändert) einzelne Satteldächer über jedem Schiff. 38

Die überaus schlanke, hinreißende Raumproportion darf man vom böhmisch-südostdeutschen Kunstgebiet herleiten, aber die genannte Dachform scheint von Flandern oder England zu stammen. Das Innere der Thorner Marienkirche ist einer der zauberhaftesten Kirchenräume, welche die norddeutsche Backsteinkunst geschaffen hat, wobei zu bemerken ist, daß alle Thorner Kirchen in überaus reizvollem, durch Alter gedunkelten Weißanstrich stehen. Dem Außenbau gibt die schlichte Straffheit seines Aufrisses und als ein feines Zierstück der mit drei schlanken Türmchen geschmückte schmale Chorgiebel, der keck über den Markt schaut, seinen besonderen Charakter. D a n z i g ist im späten Mittelalter eine Großstadt geworden, und seine Kirchen stellen ein eigenes Kapitel in der Geschichte des Ostlandes dar. Man kann ihm nur Lübeck in seiner absoluten Bedeutung und der Geschlossenheit seines Schaffens gegenüberstellen. Aber wie verschieden in Atmosphäre und Gesamthaltung sind beide Städte: Lübeck hochgemut und prahlerisch in der ragenden Kraft seiner Türme, Danzig untersetzter und niederer, aber wie mit verhaltener Kraft geladen. Nur ein Turm, der kolossale stumpfe Turm der Marienkirche, beherrscht das Stadtbild; auch dieser erscheint gegenüber den lagernden Massen der Kirche verhalten und entlädt nicht frei seine Kraft. Alle Kirchen Danzigs geben, mit den Variationen, die verschiedene Bestimmung und Rangstufe den Bauten erteilen, einen ausgeprägten Typus wieder; dieser gipfelt in der Oberpfarr- und Ratskirche St. Marien. Die M a r i e n k i r c h e war bis ins 15. Jahrhundert hinein eine nur mittelgroße, schlicht geformte Basilika. Der Turm, der noch heute eine besondere Abstammung gegenüber dem Baukörper der Kirche zu erkennen gibt, gehört in seinem unteren Teil noch jener Basilika niederländisch beeinflußter Haltung an. Die beiden erst während des großen Neubaues der Kirche ihm aufgesetzten Obergeschosse passen sich der Form des Unterbaues vortrefflich an und nehmen zugleich Rücksicht auf die Abmessungen des neuen Kirchenbaues, mit dem der Turm zu unlösbarer Einheit verwächst. Der Zusammenklang ist so wohlgelungen, daß man sich keinen anderen Turm zu dem Baukörper der Marienkirche denken könnte. Im Jahre 1379 wurde, vom Chor beginnend, der weit nach Osten wie nach Süden und Norden über die bisher bebaute Grundfläche vorgeschobene Neubau in Angriff genommen. Als Leiter des Baues, also wohl auch der Erdenker des Planes, wird Meister Hinrich genannt. Woher die Formen dieses Bautyps kommen, davon vermittelt uns die als nur mittelgroßer Bau früher vollendete Marienkirche in Thorn eine Vorstellung. Es ist südostdeutsch-böhmische Luft darin; und in den Ostteilen der Danziger Marienkirche sprechen die in konkaver Rundung eingezogenen Seiten der Pfeiler für ähnlich gelagerte Beziehungen. Aber ein solcher Hallenchor mit breiter östlicher Schlußwand ist im Südosten unbekannt, er ist vorgebildet in nordmärkisch-pommerschen Hallen (Marienkirchen von Neubrandenburg und Greifswald). Der Plan der Danziger Marienkirche steckt sein Ziel weit jenseits von allem bis dahin Bestehenden. Im Wetteifer mit den im Gebiet der wendischen Städte die Geister bewegenden kreuzförmigen Basiliken unternimmt er einen Riesenbau, gebildet durch zwei sich in regelmäßiger Kreuzform durchschneidende dreischiffige Hallen. Ein unerhörter, nirgends sonst verwirklichter Raumgedanke. 39

Die Einheit ist im Sinne der ostdeutschen Halle erreicht. Schlank aufstrebende, vom Raum benagte und abgezehrte Pfeiler steigen in reißenden Vertikallinien empor und tauchen oben in eine Zone des Halbdunkels, in dem phantastische Geäste von Netzrippen sich von Bogen zu Bogen zerren, ja, zum Teil die für den Osten typischen Zellengewölbe das Bild noch durch plastische Vertiefungen lockern, so daß eine poröse und unkörperliche Decke über dem Raum zu hängen scheint. Und um die Kühnheit des schöpferischen Gedankens zu völlig beziehungslos erscheinender Neuformung zu steigern, sind rings um den Raum, an den Lang- wie Stirnseiten seiner Arme, die Strebepfeiler nach innen gezogen und ist so ein das ganze riesige Raumgebilde umlaufender ununterbrochener Kranz von Kapellen gewonnen, eine in solchem Maße nie vorher erlebte (gaben spanische Kirchen die Anregung?) erweiternde und füllende Bereicherung des Innenbildes. Bis zum Jahre 1447 stand die Osthälfte des neuen Werkes fertig, noch Jahrzehnte später blieb sie in grotesker Verbindung mit dem ihr gegenüber maßstäblich schwach wirkenden basilikalen Langhaus. Erst 1483 entschloß man sich zum vereinheitlichenden Umbau des Langschiffes zur HallenfoTm, die man in den Seitenschiffen noch erheblich verbreiterte, so daß die Langwände auf nicht dafür vorgesehene Punkte der Querschiffflanken stoßen. Doch der Bau wird, bereits in das 16. Jahrhundert vorschreitend, vollendet, die Vision Meister Hinrichs ist dank der Beharrlichkeit der Weichselstadt verwirklicht worden. Es ist die im Rahmen bürgerlicher Repräsentation wohl denkbar großartigste und dabei eine bemerkenswert sachliche und unpathetische Lösung. Schlicht und nackt wie bei einem Kastell streben die Mauern empor, nur durch die Fenster unterbrochen. Schmuck zeigen nur die Portale, zu denen enge Gassen schmale Blickfelder freigeben. Sonst ist der Schmuck auf die über die Häuser hinwegragende Dächer- und Giebelzone konzentriert, die, während ein Zinnenkranz die Traufseiten der Dächer begleitet, durch schlanke Ecktürmchen sinngemäße Akzente erhält. Man mag die Wunderwelt dieses Bauwerkes von allen Seiten betrachten: vielfaltig wechselnd ist sein Umriß, doch stets eine geschlossene, wie gewachsene Einheit. Der Turm! - es gibt wenig Türme von so klar entwickeltem, unbeirrbar wahrhaftem Wesen. Er zeigt wedeT Kraftaufwand noch Pathos; er steht da, selbstverständlich und überzeugend wie ein Stück Natur. Eine hohe Spitze sollte er niemals haben. Die Zeit des zweckentbundenen Höhendranges war vorbei, und das Ostland Hebte ausgesprochen stumpfe Turmenden; vor allem aber brauchte man seine Plattform zur Ausschau. So trat auch an die Stelle des räumlich nicht auszunutzenden, schwer zu erhaltenden Riesendaches eine Dreizahl niederer paralleler Sättel. Aber ist durch die Erniederung der Dachzone, durch die Stumpfheit des Turmes etwas an Ausdruck geopfert? Niemand wird es behaupten. Rhythmisch wohlgeordnet und schmuckhaft reich, selbst zierlich in seinem spitzenstarrenden Umriß steht der Breitblock der Kirche da, und den Turm mit seinen untersetzten Höhenteilungen durchklingt wie sie der gleiche, schwerblütig-starke Pulsschlag. Das Innere ist zunächst so phantastisch, übergroß und verwirrend, daß man sich in seinem pfeilerstarrenden Labyrinth wie unter Riesenstämmen und verästelten Baum-

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krönen eines Märchenwaldes bewegt. Erst allmählich gelingt es dem Auge, den Eindruck zu gliedern und zu ordnen. An das durch enge Pfeilerintervalle den Hallencharakter noch ein wenig hemmende Langhaus - da das obere Ende der Pfeiler aus den Mauern der einstigen Basilika herausgehauen ist, haben sie etwas von dem Charakter der trennenden Wand behalten - schließt sich in der Vierung und den drei von ihr ausstrahlenden Hallenräumen ein einzigartiges Raumgebilde von lichter Weiträumigkeit, reich an malerischen Durchblicken. Hier wird der große Wurf der Raumschöpfung voll erlebt. Es ist ein nordisches Raumbild, das phantastisch, hartkantig und splitterig bleibt trotz großartiger Einheit der Konzeption. Abgeklärtheit und Beruhigung sind kaum erstrebt; Willenskräfte, die einander ringend durchwachsen, bekämpfen und steigern, formen den Eindruck. Was ihn zur Einheit bindet, ist nicht die Harmonie der Form, sondern das verschmelzende, alle Einzelstrebungen zu herbem, kontrastvollem Akkord vereinende Spiel des Lichtes. Wir müssen es uns versagen, von den anderen, durchweg nicht unbedeutenden Kirchen Danzigs zu sprechen. Es erübrigt sich um so eher, als sie alle gleichen Zielen zustreben, wie der überragende Bau der Hauptkirche. Die J o h a n n i s k i r c h e ist wie ein kleines Abbild von St. Marien; die untersetzte Halle der K a t h a r i n e n k i r c h e drückt besonders eindringlich das Proportionsgefühl des Ostens aus; strebig und hell steht die raumweite Halle der Minoriten, die T r i n i t a t i s k i r c h e , am Stadtrande, die bis zur Ostgiebelkrönung die Form der Thorner Schwesterkirche wiederholt. Ihrem Raumgefühl nach aber ist sie die ostdeutsche Parallele zu der Katharinenkirche in Lübeck. Der Raumgedanke der Danziger Marienkirche, der die beiden monumentalen Probleme des norddeutschen 15. Jahrhunderts vereinigt, Kathedralgrundriß und hallenmäßige Raumeinheit, muß als die Krönung der norddeutschen spätesten Gotik, als die letzte ganz große architektonische Tat des Mittelalters in den germanischen Nordlanden bezeichnet werden. SCHLESIEN Das schlesische Land, das nur in eingeschränktem Sinne ein Backsteinland ist, beansprucht bei seiner höchst eigenwüchsigen, von norddeutscher Haltung abweichenden Backsteinkunst ein waches Verständnis für seine landschaftliche Sonderstellung. Man kann den schlesischen Backsteinbau nicht als „norddeutsch1' bezeichnen; dagegen ist es volks- und stilgeographisch richtig, ihn mit dem Ordenslande und den verstreuten deutschen Siedlungen in den Slawenländern als ostdeutsche Gruppe zusammenzufassen. Neben dem regen Verkehr mit den Seehafenplätzen der nordischen Meere, die den großen Handelsplatz Breslau der hansischen Ostseekunst nähern, stehen Verbindungen nach Thorn und Preußen wie nach Nürnberg, Prag, Krakau und Oberitalien, die alle durch diese Punkte umfaßten Länder in den Gesichtskreis des Breslauer Kaufmanns rücken. Schlesien ist eine Durchgangsstraße, ein Gebiet, das zahlreichen Einflüssen offensteht. Die schlesischen Bauwerke zeichnet im allgemeinen eine gewisse Feingliedrigkeit und phantastische Spitzigkeit des Wuchses aus. An Stelle der im Norden gewohnten 6

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krönen eines Märchenwaldes bewegt. Erst allmählich gelingt es dem Auge, den Eindruck zu gliedern und zu ordnen. An das durch enge Pfeilerintervalle den Hallencharakter noch ein wenig hemmende Langhaus - da das obere Ende der Pfeiler aus den Mauern der einstigen Basilika herausgehauen ist, haben sie etwas von dem Charakter der trennenden Wand behalten - schließt sich in der Vierung und den drei von ihr ausstrahlenden Hallenräumen ein einzigartiges Raumgebilde von lichter Weiträumigkeit, reich an malerischen Durchblicken. Hier wird der große Wurf der Raumschöpfung voll erlebt. Es ist ein nordisches Raumbild, das phantastisch, hartkantig und splitterig bleibt trotz großartiger Einheit der Konzeption. Abgeklärtheit und Beruhigung sind kaum erstrebt; Willenskräfte, die einander ringend durchwachsen, bekämpfen und steigern, formen den Eindruck. Was ihn zur Einheit bindet, ist nicht die Harmonie der Form, sondern das verschmelzende, alle Einzelstrebungen zu herbem, kontrastvollem Akkord vereinende Spiel des Lichtes. Wir müssen es uns versagen, von den anderen, durchweg nicht unbedeutenden Kirchen Danzigs zu sprechen. Es erübrigt sich um so eher, als sie alle gleichen Zielen zustreben, wie der überragende Bau der Hauptkirche. Die J o h a n n i s k i r c h e ist wie ein kleines Abbild von St. Marien; die untersetzte Halle der K a t h a r i n e n k i r c h e drückt besonders eindringlich das Proportionsgefühl des Ostens aus; strebig und hell steht die raumweite Halle der Minoriten, die T r i n i t a t i s k i r c h e , am Stadtrande, die bis zur Ostgiebelkrönung die Form der Thorner Schwesterkirche wiederholt. Ihrem Raumgefühl nach aber ist sie die ostdeutsche Parallele zu der Katharinenkirche in Lübeck. Der Raumgedanke der Danziger Marienkirche, der die beiden monumentalen Probleme des norddeutschen 15. Jahrhunderts vereinigt, Kathedralgrundriß und hallenmäßige Raumeinheit, muß als die Krönung der norddeutschen spätesten Gotik, als die letzte ganz große architektonische Tat des Mittelalters in den germanischen Nordlanden bezeichnet werden. SCHLESIEN Das schlesische Land, das nur in eingeschränktem Sinne ein Backsteinland ist, beansprucht bei seiner höchst eigenwüchsigen, von norddeutscher Haltung abweichenden Backsteinkunst ein waches Verständnis für seine landschaftliche Sonderstellung. Man kann den schlesischen Backsteinbau nicht als „norddeutsch1' bezeichnen; dagegen ist es volks- und stilgeographisch richtig, ihn mit dem Ordenslande und den verstreuten deutschen Siedlungen in den Slawenländern als ostdeutsche Gruppe zusammenzufassen. Neben dem regen Verkehr mit den Seehafenplätzen der nordischen Meere, die den großen Handelsplatz Breslau der hansischen Ostseekunst nähern, stehen Verbindungen nach Thorn und Preußen wie nach Nürnberg, Prag, Krakau und Oberitalien, die alle durch diese Punkte umfaßten Länder in den Gesichtskreis des Breslauer Kaufmanns rücken. Schlesien ist eine Durchgangsstraße, ein Gebiet, das zahlreichen Einflüssen offensteht. Die schlesischen Bauwerke zeichnet im allgemeinen eine gewisse Feingliedrigkeit und phantastische Spitzigkeit des Wuchses aus. An Stelle der im Norden gewohnten 6

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Wucht und Massigkeit ist hier eine magere Sehnigkeit getreten, ein stark betonter Vertikalismus, verbunden mit rationell sparsamer Bauweise und konstruktiver Kühnheit, die nicht, wie an der Ostseeküste, mit Pathos donnert, sondern mit selbstgefälliger Pose kokettiert. Der schlesischen Baukunst liegt die Ausarbeitung eines rassigen Außenbildes mehr am Herzen, als ein raummächtiges Innenbild, das durch die einseitig betonte schmale Übertriebenheit der Proportionen hintangehalten wird. Es fehlt den schlesischen Kirchen meistens an der für deutsche gotische Räume bezeichnenden expansiven Kraft des Raumes. Schlesiens Kirchenräume wirken durchweg spannungslos, wie ein schwächlich atmender Brustkorb. Im Außenbau erreicht dagegen die Schlankheit des Wuchses, das zierliche Spiel schmaler, oft abgesetzter Strebepfeiler, eine sehr steile Dachform und der oft seitlich angeordnete und die Gruppierung bereichernde schlanke Turmaufbau eine bedeutende und geistreiche Wirkung, die durch ein bemerkenswertes Geschick, die Kirche in das Straßenbild einzufügen, besonders unterstrichen wird. Das Verhältnis zum Material ist ein anderes als im Norden. Der Schlesier kennt eine Backsteinornamentik nur in sehr eingeschränktem Maße; für zierliche Gliederungen, Portale, Maßwerk, Gesimse und dergleichen steht Haustein zur Verfügung. So ist dem Backsteinbau nur die nackte Aufführung der groben plastischen Massen überlassen, und diese Funktion ist in konsequenter, vollendeter Weise ausgebildet. Das schlesische Ziegelmaterial, samtartig dunkel und von kleinem Format, verleiht den Bauten eine neutrale stoffliche Unbetontheit, und die bei gotischem Verband regelmäßig glasierten Binder geben der Fläche den textilen Charakter von altem Brokat. Bedeutende Bauten der Z i s t e r z i e n s e r stehen am Anfang, und es ist kein Zufall, daß dieser Orden, der früh mit dem Backsteinbau vertraut ist, dieses koloniale Baumaterial auch hier konsequent verwendet. Nach einem großartigen, aber untypischen Bau fürstlichen Willens in T r e b n i t z , wo oberitalienische Formen einzudringen scheinen, ist in den Zisterzienserkirchen von H e i n r i c h a u und L e u b u s die thüringisch-fränkische Mutterprovinz richtunggebend gewesen, und ein rechteckiger Chor mit Umgang, ähnlich dem von Ebrach, doch ohne die dort die Umgangsseiten begleitenden Kapellen, ausgebildet worden. Diesen Bauten schließt sich, wahrscheinlich unter Mitarbeit von Ordensleuten, der Chor des B r e s l a u e r Doms an, dessen Innenbild eine leise Ähnlichkeit mit dem Langhause von Pforta hat, dem Mutterkloster der schlesischen Abteien. Den Ostecken des Chorumganges wurden aber schon während des Baues in einer etwas barbarischen Mißverstehung seines Wesens zwei breite viereckige Türme aufgesetzt, die wohl eine spätere Viertürmigkeit der Anlage nach dem Muster des Doms von Bamberg im Auge hatten. Nach der Weihe des langgestreckten und geräumigen Domchors 1272, der mit sechsteiligen Gewölben und edlem frühgotischem Fenstermaßwerk vollendet wurde, ist der Weiterbau lange ausgesetzt worden. Die zierliche axiale Ostkapelle des Kleinchors, die den Marienkapellen der französischen Gotik entspricht, wurde 1361 angefügt und paßt sich mit ihren scharfkantigen Formen sehr geschickt dem Außenbilde ein. 42

Heute steht sie schmal und eigenwillig zwischen den breit vorquellenden, hell verputzten Massen der beiden Barockkapellen. Das Langschiff, das den Chor nach Westen fortsetzt, gehört dem Ende des 14. Jahrhunderts an, und gemäß der Zeitfarbung dieses Abschnitts ist es ein Bau böhmischer Formhaltung. Nicht völlig erklärt ist die außergewöhnliche Breite des ersten Joches. Da sie sich auch in der Fensterzone durch überbreite Öffnungen fortsetzt und ihr Gewölbejoch ein Quadrat ist, m u ß die oft ausgesprochene Vermutung aufrechterhalten werden, daß hier, wie es j a nach dem Zisterziensersystem selbstverständlich war, ein Querschiff geplant und wohl im Fundament bereits vorbereitet war, daß der Langhausmeister aber, wohl wegen geringer Mittel und um wenigstens das Langhaus weiterzufördern, das Joch zunächst in das Längssystem einbezog und das Querhaus einem späteren Ausbau vorbehielt, der niemals erfolgte. U m 1400 wuchs die Turmfront empor, die wie die wenig frühere der Magdalenenkirche und die der Pfarrkirche von Schweidnitz flämischen Doppelturmfassaden zu folgen scheint, wie überhaupt, vermittelt wohl durch die zur Zeit der Spätgotik in Deutschland vielerorts tätigen niederländischen Maurermeister, eine auffallende Beziehung zum Flamland in der schlesischen Architektur der Spätgotik zu beobachten ist. Der Breslauer Dom ist ein ausgesprochener Mischbau von Ziegel- und Werksteinanwendung in einem etwas ungeregelten, aber reizvollen Nebeneinander. Die übrigen Breslauer Bauten sind entwickelter im Materialgefühl. Es sind reine Backsteinbauten, die nur bestimmte Gliederungen und Zierstücke regelmäßig in Haustein einsetzen. Die K r e u z k i r c h e auf der Dominsel, 1288-1350 als Kollegiatkirche erbaut, ist einer der reizvollsten Kirchenbauten schlesischer Gotik. Ein zu straffer Gruppierung geschlossener Bau mit zentralisierenden Elementen. Nicht nur der gestreckte Ostchorarm, auch die kurzen Querarme haben polygonalen Schluß. Das kurze Hallenlanghaus zeigt infolge der von Magdeburg ausgehenden, in Schlesien wie Niedersachsen häufigen Halbierung der Seitenschiffjoche gedrängte Streben- und Fensterreihen mit Quergiebelchen. Zwei schlanke Türme stehen in den Winkeln zwischen Langhaus und Querarmen. Die ganz eigenartige Disposition des Innenraumes ordnet zwei Kirchen übereinander an, über einer gedrückten kryptenartigen Unterkirche liegt hoch über dem Boden der wohlgestaltete, schon etwas spätgotisch-formenarme eigentliche Kirchenraum. Nicht ein einzelnes Vorbild schwebte dem Baumeister f ü r sein Werk vor. Er war ein wählender und ordnender Geist, der wohl den Westen und die Mitte Deutschlands kennengelernt hatte, dessen Werk aber eines der rassigsten Bauten Schlesiens geworden ist. Beachtenswert erscheinen die Züge, die dieses Bauwerk mit dem viel später erbauten Stephansdom in Wien verbinden. I n der Nähe der Kreuzkirche steht der großräumige Hallenbau der M a r i e n k i r c h e a u f d e m S a n d e , die erste der beiden raumschönen Hallen, die der Augustinerorden in Breslau errichtete. Von ihnen ist die Sandkirche, die Stiftskirche der AugustinerChorherrn, schon vor 1350 im Bau. Ihr schwerfälliger Körper wird durch die straffe, enggestellte Reihe der Strebepfeiler belebt, deren regelmäßige Absätze der Langseite in der Verkürzung einen packenden Rhythmus geben. Sonst steht der Außenbau bei un6«

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vollendetem Ausbau der Türme und unter einem zu niederen nachgotischen Dachstuhl zurück gegenüber der Weiträumigkeit und wohligen Lichtführung des Innenraumes, der mit seinen weitgestellten Pfeilern, kräftigen Stern- und Zickzackgewölben und dem harmonisch durchlichteten dreiteiligen Chor ein besonders vollendeter Hallenraum einer vornehmen gotischen Stiftskirche ist. Die schlank aufstrebende D o r o t h e e n k i r c h e , der 1357 von Kaiser Karl IV. gegründete Bau der Augustiner-Eremiten, übertrifft die Sandkirche in der Einheit ihres Außenbildes, dem das riesig hohe, gemäß der einschiffigen Chorbildung abgesetzte Satteldach von schlesischer Steilform und der entsprechende, durch Vertikalstäbe gegliederte Westgiebel besondere Reize verleiht. Das Innere ist berauschend hochräumig und schlankgliedrig, ein Raum, der unfehlbar freudig und heiter stimmt und alles Drückende vergessen macht. Sandkirche wie Dorotheenkirche haben' reiche Barockausstattung, und das Weiß ihrer Farbhaltung trägt viel zu der unmateriell schwebenden Raumstimmung bei. Gegenüber der ausgeglichenen, gehaltvollen Stille der Stiftskirchen geht das Streben der Bürgerschaft, wie überall, in den Pfarrkirchen auf imposante Stattlichkeit und wirksame Repräsentation. Der bevorzugte Raumtypus der städtischen Pfarrkirche ist seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der Zeit des Beginnes der meisten dieser Neubauten, eine Basilika von schlanker, steiler Raumgestalt, die, wahrscheinlich nicht ohne Zusammenhang mit den Basilikalbauten der wendischen Hansestädte, das Querschiff ablehnt. Die gemäßigte M a g d a l e n e n k i r c h e , die erste Pfarrkirche der Breslauer Altstadt, wird an ragendem Wuchs überboten durch die E l i s a b e t h k i r c h e . In Schweidnitz, in Brieg und im Chor von Münsterberg streben gleichgeartete, sehr schlanke Basilikalkirchen auf, die im Innern eine plastisch etwas magere, aber durch ihren Vertikalismus wirkungsvolle Aufbaugliederung, im Äußeren einen entsprechenden nüchtern strebigen Hochwuchs von betonter Uberschlankheit als künstlerisches Ziel verfolgen. Von dem naturgemäß bei so starker Überhöhung zunächst verwendeten offenen Strebewerk macht sich dieser Basilikalbau bald frei, im Anschluß an die Niederlande und aus selbstgefälliger Freude an der technischen Bravourleistung. Kleine unregelmäßige Kapellenausbauten, die sich reizvoll um das steile, wie eine Messerschneide gezogene Hochschiff gruppieren, geben gut erfühlte steigernde Maßstäbe für die zunehmend größer gewählten Höhenabsätze des strebigen Aufbaues, der sich im Turm vollendet. Das innere System der Pfeiler und Arkaden, das auch in den Hallenkirchen ähnlich ausgebildet ist, zeigt sich von der Gotik Böhmens, zumal von der Prager Bauhütte, entscheidend beeinflußt. Hier ist die vom Sockel bis zum Bogenscheitel durchlaufende Einheit der Linien, das Modellieren der Pfeiler und Bögen im Sinne eines Herausschneidens aus der Wand vorgebildet, so daß der Pfeiler, der meistens längsoblongen Durchschnitt hat, ein restliches Stück Wand verkörpert, das die Lisene der Hochwand durchwächst und untrennbar einbindet. Daß die Spätgotik Flanderns eine ähnliche Form bevorzugt, ist so bezeichnend für die Wahlverbindung in der spätgotischen Kunst beider Länder, wie das geometrischspitzfindige, gleichfalls den südlichen Niederlanden verwandte Fenstermaßwerk.

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Das schönste und vollendetste Beispiel der basilikalen Stadtkirche ist die E l i s a b e t h k i r c h e in Breslau. In dem extrem schlanken Aufbau des Innern erlebt man ebenso die fehlende Raumdehnung wie die Kühnheit des Systems, die in diesem Beispiel hemmungslos, fast visionär und ohne Körperschwere erscheint. Hier empfindet man auch, was diesen Basilikalkirchen im Ausdruck fehlt: man sieht kein Moment des Widerstandes in ihrem Aufbau, sondern fühlt sich einer maskenhaften Haltung von peinlicher Glätte gegenüber, der man die Leistung nicht ohne weiteres glaubt, weil der Ausdruck der Mühe und des Ringens selbstgefällig vermieden ist. Der Außenbau der Elisabethkirche ist ein Werk von hoher, bewußt geformter Wirkung. Der Turm, der in einer überlegt gewählten seitlichen Stellung die Wirkung des Bauwerks überaus fesselnd macht, ein in seiner Gruppierungsabsicht wie der geschlossenen Schlankheit seines Körpers den südlichen Alpenländern entlehntes Motiv, drückt in seiner Geschoßteilung das im umgekehrten Sinne der Fallgeschwindigkeit nach oben beschleunigte Aufstreben aus, das einst in einer nadelscharfen Spitze emporschnellte. Auch seine heutige Haubenform ist von graziösem Reiz, wie ja schlesische Haubenspitzen sp gut den der aufgetürmten Steinmasse innewohnenden Hochdrang zu bänbändigen wissen, um ihn im Kampfe von aufstrebenden und lastenden Gliedern leicht ausklingen zu lassen. Abseits von Breslau ist die J a k o b i k i r c h e zu Neiße als Bau von selbständiger Eigenart zu nennen. Der regelmäßig geformte Körper dieser schönen Hallenkirche mit seinem gewaltigen steilen Kammdach macht inmitten seines türmefrohen Stadtbildes den Eindruck eines riesenhaften gotischen Reliquienschreins. Mit Willen ist der Turm abseits gestellt, dessen groß angelegter, mit Granitquadern verblendeter Stumpf zu einem alles beherrschenden Turmriesen nach niederländischem Vorbilde aufwachsen sollte. Der Bau der Jakobikirche ist ein Grenzbau, der bei vorwiegend schlesischer Haltung doch auch zu der spätgotischen Hallenkunst des Erzgebirges nahe verwandtschaftliche Beziehungen hat. Noch stärker ist hier - wie in den bayerischen Hallenkirchen Hans Stethaimers - der Mischbaucharakter betont; die schlanken, scharfgratig exakten Pfeiler bestehen aus Werkstein. Der Raumeindruck, einheitlich und von einer Meisterhand geschaffen, ist sehr packend, wenngleich Restauratorenhand durch Verfälschung der Gewölbeform und sehr bunte Ausmalung sein charakteristisches Bild geschädigt hat. Zwischen der Jakobikirche in Neiße und der etwa gleichzeitigen Franziskanerkirche in Thorn spannen sich enge Beziehungen der Raumform. Die ostdeutsche Baukunst ist trotz weit voneinander entfernter, durch Slawenländer räumlich getrennter Lage ihrer Hauptplätze, trotz vertikaler Schlankheit im Süden gegenüber gelagerter Schwere im Norden, eine große stilistische Einheit.

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AUSBLICK Die kirchlichen Backsteinbauten Deutschlands stehen als ragende Merkmale einer kraftvollen Vergangenheit in Stadt und Land, ein reicher Schatz für die Erkenntnis des Wesens und Werdens norddeutscher Art, der die Mahnung in sich schließt, das Erbe der Väter gut zu verwalten. Die Gefahr, die den Domen in unserer Zeit droht, sind die Restaurationen, die bereits die beklagenswertesten Schäden angerichtet haben. Das 19. Jahrhundert, dem ein pietätvolles Traditionsgefühlt fremd war, und das die Meinung vertrat, einen historischen Zustand von vorgestern wiederherstellen zu können, hat in Wirklichkeit eine Reihe der wertvollsten Bauwerke bis an die Grenze der künstlerischen Vernichtung geschädigt. Manche Lücke in der Bilderreihe ist auf das Konto solcher Maßnahmen zu setzen, die das Bauwerk zur Repräsentation seiner Art im Buche ungeeignet machten. Die Theorie, daß das Innere der Backsteinkirchen regelmäßig im Rohbau gestanden habe, ist heute als ein Irrtum erkannt. Ebensowenig wird hoffentlich mit dem Einsetzen von Maßwerk und dem Schmuck der Fenster mit modernen Glasgemälden fortgefahren werden, es seien denn vereinzelte, künstlerisch feinfühlige Arbeiten, deren Stiftung gewiß begrüßt wird. Verhängnisvoll ist oft die Neuformung des Raumbildes gewesen. Mag der ältere Zustand, verbaut durch Emporen, mit unregelmäßigem Gestühl und schlichten Bohlentüren, Notstandsarbeiten böser und armer Zeiten, seine Mängel gehabt haben, - die so oft erfolgte radikale Neuordnung in korrekter „Neugotik", mit schmiedeeisernen Kandelabern und Wänden von raumtötendem Ziegelrot ist meistens das Ende der Schönheit des Raumes gewesen. Der alte Raum in seiner Verwahrlosung und Verbautheit, unter dessen verstaubtem Weißanstrich sich alle Unebenheiten und Zufälligkeiten abzeichneten, an dessen Wänden und Pfeilern geschwärzte Bilder und naiv derbe Epithaphien träumten, hatte mehr sakrale Stimmung und vielfache Verbindung mit der Vergangenheit. Er rührte an die weichen, beschaulichen und nachdenklich milden Seiten des Gemütes und gab ein Gefühl friedvoller Geborgenheit. Dasselbe Unbehagen, das unser Auge in dem neu hergerichteten Raum abstößt, scheinen Altar, Orgel und Epitaphien zu empfinden. Sie leiden unter dem unruhigen, aufdringlichen Rot der Wände, das alle Formen verschlingt und den auf weiße Folie berechneten Umriß der Holzschnitzwerke um seine Wirkung bringt. Auch eine historische Einstellung sollte ein Empfinden dafür haben, daß nicht nur die Zeit der ersten Anlage, sondern auch die späteren Jahrhunderte an dem Reichtum des Raumbildes mitformen und ein Recht auf Berücksichtigung haben. Ein Versuch historisierender Rückbildung verletzt stets den wohltuenden Eindruck natürlichen Wachsens und Werdens und versetzt die Formen späterer Zeit in eine unerträglich falsche Lage. Für ein feines Gefühl geht damit der Ausdruck der Wahrhaftigkeit und der reine Klang des Gesamtbildes verloren. Leider lassen einige der jüngeren Herstellungsarbeiten, etwa der künstlerisch mißlungene, mit dem sonst so schönen Raumbilde unvereinbare Rekonstruktionsversuch gotischer Farbigkeit im Chor der Katharinenkirche von Brandenburg, oder die gefühl46

los bunte Ausmalung der Rostocker Jakobikirche, keine Wandlung zum Besseren bemerken. Vorbildliches wurde wohl nur in der feinfühligen Wiederherstellung der Nikolaikirche in Stralsund erreicht. Das Außenbild der Dome ist nicht weniger mißhandelt. Man h a t sich nicht gescheut, den alten Kirchen Dächer aus modernen Dachsteinen oder Schiefer aufzuzwingen, durch erkerartige Dachfenster, wie sie in Franken und am Rhein zu Hause sind, „die Einförmigkeit der Fläche zu beleben", und statt des hübschen, eigenwilligen Dachreiters, der an unerwarteter Stelle die Firstlinie unterbrach, den überall gleichen „gotischen" Dachreiter mitten auf die Vierung zu pflanzen. Was ging es den Restaurator an, ob der ursprüngliche Charakter verloren ging! Die schlimmste Schädigung des Außenbildes ist das Aufsetzen oder Anfügen neugotischer Türme, das im vorigen Jahrhundert in erschreckendem Maße geübt worden ist. Zahlreiche pommersche und märkische Kirchen, die Dome von Schwerin und Schleswig erheben durch ihr verfälschtes Außenbild Anklage über die Verständnislosigkeit der vorigen Generationen für das Einmalige und Unantastbare alter kirchlicher Bauwerke. Nicht über die Restauration an sich soll der Stab gebrochen werden; der Mangel an Einfühlung in die Eigenart, an Achtung vor dem in jedem Falle andersartigen inneren Formgesetz ist es, was diese Maßnahmen zu Verbrechen an den alten Bauwerken macht. Überall kann man vor dem Kriege entstandene Pläne zum A u f b a u unvollendeter Türme, zum Aufsetzen hoher „gotischer" Pyramidenspitzen und ähnliche Torheiten finden, vor deren Verwirklichung zum Teil nur die eingetretene wirtschaftliche Notlage die Kirchen bewahrt hat. Das Verdienst, eine Reihe höchst wertvoller Backsteinkirchen uns überliefert zu haben, ohne sich durch die Zeitströmung zu den genannten Übereilungen hinreißen zu lassen, haben die Seestädte L ü b e c k , R o s t o c k , S t r a l s u n d , D a n z i g , aber auch im Binnenlande T h o r n und in einigen seiner Kirchen B r e s l a u . Die Rücksicht auf barocke Einrichtungsstücke, die hier mitspielt, ist schließlich nur eine äußerliche Dokumentierimg dessen, worauf es ankommt und was in diesen selbstbewußten Stadtgemeinden lebendig ist: ein gesundes Traditionsgefühl. Dieses zu wecken und bewußt zu machen, dazu möchte das Buch beitragen und einer von Einfühlung und einsichtiger Liebe getragenen Denkmalpflege das Wort reden, die sich zur Aufgabe setzt, das zu erhalten und zu schützen, was unserem Volke in seinen alten Kirctienbauten an kostbarem Gut überkommen ist. Doch vor dem zerstörerischen Wirken eines unduldsamen Historizismus wie vor dem Ehrgeiz neuzeitlicher Glättung und Vervollständigung auf Kosten ihrer unbemerkten und leicht zerstörten Eigenwerte möge das Schicksal unsere Dome in Zukunft bewahren.

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VERZEICHNIS DER : ILDER.NACH

ORTEN

BRANDENBURG, Katharinen 56, 62, 83, 120; Pauli 54, 109

LÜNEBURG, Johannis 50, 76; Nikolai 110, 115

BRESLAU, Elisabeth 40, 87; Kreuz 27, 41; Sand

PRENZLAU, Marien 14, 35

60, 114; Dorotheen 104 CHORIN 24 DANZIG, Marien 9, 30, 43, 45, 49, 61, 68, 91, 94, 96, 117; Katharinen 88, 112; Trinitatis 93 DOBERAN 26, 79, 99 FRANKFURT a. d. O., Marien 10, 53 GADEBUSCH 71 GREIFSWALD, Marien 21, 113, 128 HAVELBERG, Dom 5 JERICHOW 1, 72, 73, 75 KOLBERG, Dom 31, 33, 65 LÜBECK, Dom 48, 64, 74, 101, 103; Katharinen 34, 92; Marien 2, 8, 15, 18, 67, 78, 95, 97

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MARIENWERDER, Dom 4, 98 ROSTOCK, Marien 3, 36, 42, 80, 81, 89, 111; Nikolai 6; Petri 12 SALZWEDEL, Marien 13, 38, 100, 108, 122; Katharinen 39 SCHWERIN, Dom 37, 57 STARGARD, Marien 28, 51, 70, 106, 119 STENDAL, Dom 55; Marien 52, 84, 85 STRALSUND, Marien 7, 23, 59, 69, 116, 126, 127; Jakobi 124, 125; Nikolai 44, 47, 107 TANGERMÜNDE, Stephan 29, 123 WILSNACK 32, 63, 82, 102, 118, 121 WISMAR, Georgen 17, 19, 20, 22, 66, 105; Marien 11, 16, 17, 25, 46, 77; Nikolai 58,86,90

1. E L \ F R E M D E R K L A N G Jerichow. Chorapsis. E i n lombardischer B a u auf m ä r k i s c h e m Boden. Südliche R u h e u n d Klassizität

2. D A S M A T E R I A L U N D S E I N E A U S D R U C K S W E I S E Lübeck, W e s t f a s s a d e der Marienkirche. Aus zahllosen Schichten kleiner Steine ist der Riesenbau gefügt

3. DAS M A T E R I A L UND S E I N E A U S D R U C K S W E I S E Rostock, Chor der Marienkirche. Kristallische Klarheit im Aufbau der Massen

6. T Y P I S C H E L A G E B I L D E R : P F A R R K I R C H E N G R Ö S S E R E R STÄDTE Die Nikolaikirche in Rostock

7. TYPISCHE LAGEBILDER: PFARRKIRCHEN GRÖSSERER STÄDTE Blick auf die Marienkirche in Stralsund

8. TYPISCHE LAGEBILDER: DAS GROSSBAUWERK DER MITTELALTERLICHEN METROPOLE Lübeck, Marienkirche von Westen

9. TYPISCHE LAGEBILDER: DAS GROSSBAUWERK DER MITTELALTERLICHEN METROPOLE Danzig, Marienkirche von Osten

10. P L A T Z U N D B A U K Ö R P E R F r a n k f u r t a. d. 0 . , Nordseite der Marienkirche v o n Nordosten

11. PLATZ UND B A U K Ö R P E R Wismar, Südseite der Marienkirche

12. GLIEDERNDER AUFBAU Rostock, Petrikirche von Nordosten. Ausnutzung der Lage am Hügelrand zu straffem, emporschnellendem Aufgipfeln

13. G L I E D E R N D E R A U F B A U Salzwedel, Nordseite der Marienkirche. des T u r m e s

Aus breiten, lockeren B a u m a s s e n überraschendes Aufschießen

14. N O R D D E U T S C H E S M A S S E N G E F Ü H L Prenzlau, Marienkirche

15. NORDDEUTSCHES MASSENGEFÜHL Lübeck, Marienkirche. Ansicht vom Turm der Petrikirche

16. DER WILLE ZUM RIESENHAFTEN IN DEN OSTSEESTÄDTEN Wismar, Chor der Marienkirche von Süden

17. DER WILLE ZUM RIESENHAFTEN IN DEN OSTSEESTÄDTEN Wismar, Georgen- und Marienkirche von Südwesten

20. STEIGERUNG DES BAUWERKS DURCH DIE WINZIGEN MASSE DER BÜRGERHÄUSER Wismar, Südquerarm der Georgenkirche von Westen

21. STEIGERUNG DES BAUWERKS DURCH DIE WINZIGEN MASSE DER BÜRGERHÄUSER Greifswald, Marienkirche von Südwesten

22. SCHROFFE H E R B H E I T IM AUFBAU DER WESTFRONT Wismar, Georgenkirche

23. SCHROFFE H E R B H E I T IM AUFBAU DER WESTFRONT Stralsund, Marienkirche

25. FREUNDLICHE GESTALTUNG EINZELNER SCHAUSEITEN Wismar, Südliche Halle der Marienkirche

2(i. G L I E D E R U N G DURCH S T R E B E P F E I L E R Doberan, Klosterkirche von Nordwesten

27. GLIEDERUNG DURCH STREBEPFEILER Breslau, Kreuzkirche von Nordosten

28. FLÄCHENSCHMUCK IN D E R MARK UND IN POMMERN Stargard, Chor der Marienkirche von Osten

29. FLÄCHENSCHMUCK IN D E R MARK UND IN POMMERN Tangermünde, südliches Querschiffportal der Stephanskirche

30. D I E K I R C H E IM S T R A S S E N B I L D E Danzig, Marienkirche von der Jopengasse (Westansicht)

31. D I E K I R C H E IM S T R A S S E N B I L D E Kolberg, der Westbau des Doms in der Domstraße

32. KIRCHPLÄTZE MIT BÄUMEN Wilsnack, Südseite der Wallfahrtskirche

33. K I R C H P L Ä T Z E MIT BÄUMEN Kolberg, Dom von Südosten

34. G E S T E I G E R T E W I R K U N G B E I E N G E R Lübeck. Katharinenkirche von Osten

UMBAUUNG

35. GESTEIGERTE W I R K U N G BEI ENGER UMBAUUNG Prenzlau, Ostgiebel der Marienkirche

36. W I N K E L U N D S C H L A G S C H A T T E N Rostock, nördlicher Q u e r a r m der Marienkirche von Osten

37. W I N K E L U.ND S C H L A G S C H A T T E N Südostwinkel des Schweriner Doms, links Südquerarm, rechts Ansatz des Kapellenkranzes

38. N I E D E R S Ä C H S I S C H B R E I T E G R U P P I E R U N G Salzwedel, Südseite der Marienkirche

39. NIEDERSÄCHSISCH BREITE GRUPPIERUNG Salzwedel, Südseite der Katharinenkirche

40. STEILER VERTIKALAUFBAU IN SCHLESIEN Breslau, Chorhaupt der Elisabethkirche

41. STEILER VERTIKALAUFBAU IN SCHLESIEN Breslau, Kreuzkirche von Nordwesten

42. W E C H S E L S P I E L VON K Ö R P E R UND RAUM Rostock, Südlicher Querarm der Marienkirche

43. WECHSELSPIEL VON KÖRPER UND RAUM Danzig, Turm der Marienkirche von Norden durch die Goldschmiedegasse

44. GIPFELUNG DER MASSEN IM TURM Stralsund, Nikolaikirche von Osten über die Dächer

45. GIPFELUNG DER MASSEN IM TURM Danzig, Marienkirche von Südwesten über die Dächer

46. K U B I S C H E W I R K U N G D E S T Ü R M K Ö R P E R S Wismar, Turm der Marienkirche von Westen

47. K U B I S C H E W I R K U N G D E S T U R M K Ö R P E R S Stralsund, Nikolaikirche von Südosten

48. PHANTASTISCHE ZONE ÜBER DEN DÄCHERN Lübeck, die Domtürme von Osten mit dem Kirchendach

49. P H A N T A S T I S C H E Z O N E Ü B E R D E N D Ä C H E R N Danzig, Blick auf die Nordseite der Marienkirche v o n dem Dache der königlichen Kapelle

50. D E R T U R M I N N A H S I C H T L ü n e b u r g , T u r m der J o h a n n i s k i r c h e . Westseite

51. DER TURM IN NAHSICHT Stargard, Nordturm der Marienkirche von Nordosten

52. DAS R E I C H D E R GLOCKEN UND D E S T U R M W Ä C H T E R S Stendal, Turmpaar der Marienkirche

53. DAS R E I C H D E R GLOCKEN UND D E S T U R M W Ä C H T E R S F r a n k f u r t , Umgang mit Zinnen auf dem Turm der Marienkirche

54. A B S E I T S D E R S T R A S S E B r a n d e n b u r g , Kreuzhof des Pauliklosters

55. A B S E I T S D E R STRASSE Stendal, Domchor von Süden

56. DIE A U S S E N H A U T DES B A U W E R K S Brandenburg, Südseite der Katharinenkirche mit südwestlichem Portal

57. DIE AUSSENHAUT DES BAUWERKS Schwerin, Domchor von Süden

58. D I E A ü S S E N H A U T D E S B A U W E R K S ; SPÄTGOTISCHE Wismar, Südseite und Querschiffgiebel der Nikolaikirche

FLÄCHIGKEIT

59. D I E A U S S E N H A U T D E S B A U W E R K S ; SPÄTGOTISCHE Stralsund, Seite des Chorumgangs von Nordosten

FLÄCHIGKEIT

60. D I E A U S S E N H A U T D E S B A U W E R K S Breslau, Nordseite der Sandkirche von Nordosten

(»I. D I E AUSSEM HAUT D E S B A U W E R K S Danzig, Südwestecke der Marienkirche von Westen

62. S C H M U C K AM A U S S E N B A U B r a n d e n b u r g , Giebel der Kapelle des heiligen Blutes an der Südseite der K a t h a r i n e n k i r c h e

63. S C H M U C K AM A U S S E N B A ü Wilsnack, Strebepfeiler an der Südseite des L a n g h a u s e s

64. D E R C H A R A K T E R D E R O B E R F L Ä C H E Lübeck, Dachboden des Domchors mit Gewölben

65. D E R C H A R A R T I " K DKK O B E R F L Ä C H E Kolberg. Teil der W e s t r a n d des D o m s

72. R O M A N I S C H E R Ä U M E Jerichow, K r y p t a der Klosterkirche v o n Südosten

73. R O M A N I S C H E R Ä U M E Jerichow, schräger Blick d u r c h das Schift' von Nordwesten

74. ROMANISCHE RÄUME Lübeck, Blick von Osten in das Mittelschiff des Doms

75. R O M A N I S C H E R Ä U M E Jerichow, nördlicher N e b e n c h o r der Klosterkirche

76. N I E D E R S Ä C H S I S C H E R

HALLENRAUM

L ü n e b u r g , s c h r ä g e r D u r c h b l i c k d u r c h die J o h a n n i s k i r c h e n a c h

Südosten

77. B A S I L I K A D E R O S T S E E K Ü S T E Wismar, Mittelschiff der Marienkirche gegen Osten

78. BASILIKALRÄUME D E S K Ü S T E N L A N D E S Lübeck, Mittelschiff der Marienkirche gegen Osten

79. B A S I L I K A L R Ä U M E D E S K Ü S T E N L A N D E S Doberan, Klosterkirche. Mittelschiff gegen Osten

80. DER KREUZFÖRMIGE BASILIKALRAUM Rostock, Marienkirche. Schräger Durchblick nach Südwesten in den Südquerarm

81. D E R K R E U Z F Ö R M I G E B A S I L I K A L R A U M Rostock, Blick durch das Querschiff der Marienkirche nach Norden

82. MÄRKISCHE HALLENRÄUME Wilsnack, Blick in das Langhaus von Nordosten

83. MÄRKISCHE HALLENRÄUME Brandenburg, südliches Seitenschiff der Katharinenkirche gegen Westen

84. A L T M Ä R K I S C H E

HALLE

Stendal. Marienkirche, schräger Durchblick nach

Nortln.-len

85. A L T M Ä R K I S C H E H A L L E Stendal, Marienkirche, Blick quer zur Achse gegen N o r d e n . R e c h t s der Lei tue

86. D I E SPÄTGOTISCHE BASILIKA Wismar, Mittelschiff der Nikolaikirche

87. D I E SPÄTGOTISCHE B A S I L I K A Breslau, Mittelschiff" der Elisabethkirche

89. STIMMUNGSVOLLE K I R C H E N R Ä U M E D E R O S T S E E K Ü S T E Rostock, nördliches Seitenschiff der Marienkirche gegen Westen

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90. S T R A F F H E I T UND LOCKERUNG, Z W E I P H A S E N D E R BALTISCHEN Wismar, südliches Seitenschiff der Nikolaikirche gegen Westen

SPÄTGOTIK

91. S T R A F F H E I T UND L O C K E R U N G , Z W E I P H A S E N D E R BALTISCHEN Danzig. schräger Durchblick durch das Langhaus nach Nordwesten

SPÄTGOTIK

92. F R A N Z I S K A N E R K I R C H E N Lübeck, Mittelschiff der K a t h a r i n e n k i r c h e gegen Westen

93. F R A N Z I S K A N E R K I R C H E N D a n / i g . s ü d l i c h e Pt'eilerreihe d e r T r i n i t a t i s k i r c h e

94. S E I T E N S C H I F F UND P F E I L E R R E I H E Danzig, Marienkirche. Nördliche Pfeilerreihe des Langhauses

95. SEITENSCHIFF UND P F E I L E R R E I H E Lübeck, nördliches Seitenschiff der Marienkirche

96. S E I T E N R Ä U M E MIT M A L E R I S C H E R W I R K U N G Danzig, südliches Seitenschiff der Marienkirche

97. SEITENRÄUME MIT MALERISCHER WIRKUNG Lübeck, Chorumgang der Marienkirche mit der Trese (Schatzkammer und Ratsarchiv)

98. DIE A R K A D E N W A N D Marienwerder, südliche Arkadenreihe des Doms

99. D I E A R K A D E N W A N D D o b e r a n , Blick in den südlichen K r e u z a r m der Klosterkirche

100. D U R C H B L I C K E B E I M A L E R I S C H - U N K L A R E R RAUMFORM Salzwedel, Blick durch die Marienkirche von Nordwesten

101. DURCHBLICKE BEI MALERISCH-UNKLARER RAUMFORM Lübeck, Chorumgang des Doms mit Marientidenkapelle

102. RAUMSTILLE DER HALLENKIRCHE Wilsnack, Blick von der Empore des Nordquerarms in das Langhaus

103. RAUMSTILLE D E R H A L L E N K I R C H E Lübeck, nördliches Seitenschiff des Domchors gegen Osten

104. F R E U N D L I C H E F Ü L L U N G D E S R A U M E S D U R C H DIE A U S S T A T T U N G Breslau, südliches Seitenschiff der Dorotheenkirche

105. FREUNDLICHE FÜLLUNG DES RAUMES DURCH DIE AUSSTATTUNG Wismar, Blick durch die Vierung der Georgenkirche nach Nordosten

106. F A R B E Stargard,

IM

RAUM

Querblick durch den Chor der Marienkirche.

herzustellen

R e s t a u r i e r e n d e r V e r s u c h , die a l t e

Polychromie

107. F A R B E IM R A U M Stralsund, nördliches Seitenschiff der Nikolaikirche. Sehr glückliche zartfarbige Herstellung nach erhaltenen Spuren der einstigen Bemalung

108. L I C H T E I N F A L L IN H A L L E N R Ä U M E N Salzwedel, südliche Seitenschiffe der Marienkirche

109. L I C H T E I N F A L L IN H A L L E N R Ä U M E N Brandenburg, nördliche Pfeilerreihe der Paulikirche

110. DII-; H A U M D E C K E L ü n e b u r g . S t e r n g e w ö l b e im Mittelschiff d e r

Nikolaikirche

111. DIE RAUMDECKE Rostock, Gewölbe vom Querschiff der Marienkirche

112. G E W Ö L B E F O R M E N Danzig, Zellengewölbe in der K a t h a r i n e n k i r c h e

113. G E W Ö L B E F O R M E N Greifswald, Kreuzgewölbe im nördlichen Seitenschiff der Marienkirche

114. GEWÖLBEFORMEN Breslau, dreikappige Wechselgewölbe im südlichen Seitenschiff der Sandkirche

11:..