Nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung: Eine theoretische und empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz [1 ed.] 9783428533916, 9783428133918

Bevölkerungsalterung und medizinisch-technischer Fortschritt bilden den Mittelpunkt einer kontroversen Diskussion um ein

128 22 1MB

German Pages 246 Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung: Eine theoretische und empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz [1 ed.]
 9783428533916, 9783428133918

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Duisburger Volkswirtschaftliche Schriften Band 44

Nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung Eine theoretische und empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz

Von

Andreas Postler

Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS POSTLER

Nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung

Duisburger Volkswirtschaftliche Schriften

Herausgeber: Prof. Dr. Peter Anker (geschäftsführend) Prof. Dr. Christian Müller · Prof. Dr. Werner Pascha · Prof. Dr. Jens Südekum Prof. Dr. Markus Taube · Prof. Dr. Manfred Tietzel

Band 44

Nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung Eine theoretische und empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz

Von

Andreas Postler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Mercator School of Management – Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Duisburg-Essen hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-7020 ISBN 978-3-428-13391-8 (Print) ISBN 978-3-428-53391-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83391-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Geleitwort Obwohl im SGB V als Grundsatz festgeschrieben, ist „Beitragssatzstabilität“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bisher eine Schimäre geblieben: Trotz aller gesundheitspolitischen Versuche, den Beitragssatz durch einnahmen- und ausgabenseitige Maßnahmen stabil zu halten, ist sein Wachstumstrend bisher ungebrochen. Mehr noch: Verschiedene Beitragssatzprojektionen, die bis in das Jahr 2050 reichen, kommen unter Status-quo-Bedingungen zu dem Ergebnis, dass der Beitragssatz sogar noch progressiv ansteigen wird, wobei freilich die Streubreite aufgrund unterschiedlicher methodischer Annahmen erheblich ist. Gesundheitsökonomisch erklärt wird dieses Phänomen durch spezifische einnahmen- und ausgabenseitige Effekte auf den Beitragssatz, die in langfristiger Perspektive vom Zusammenwirken der demographischen Entwicklung einerseits und des medizinisch-technischen Fortschritts andererseits bestimmt werden. Dabei kommt dem in der GKV nach wie vor praktizierten Umlageverfahren mit den Arbeits- und Renteneinkünften als der wesentlichen Beitragsbemessungsgrundlage insofern eine zentrale Rolle zu, weil die Schere zwischen Ausgaben- und Einnahmenentwicklung sich in einer alternden Gesellschaft bei anhaltendem medizinisch-technischen Fortschritt immer weiter zu öffnen scheint. Gesundheitspolitisch wird daraus mehrheitlich der Schluss gezogen, dass die steigenden Beitragssätze in der Vergangenheit wie auch in der Zukunft primär Ausdruck einer genuinen Schwäche der GKV-Finanzierungsbasis ist, woraus sich die gängigen reformpolitischen Forderungen sowohl nach einer „Bürgerversicherung“, als auch nach einem „Kopfpauschalensystem“ ableiten lassen. Beide Reformoptionen bleiben jedoch dem Umlageverfahren verhaftet, das bekanntlich wenig demographieresistent ist. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die einnahmenund ausgabenseitigen Wirkungszusammenhänge in einer alternden Bevölkerung bei Fortgeltung des Umlageverfahrens weder theoretisch noch empirisch abschließend geklärt sind und demzufolge auch die Beitragssatzprojektionen relativ stark auseinanderliegen, stellt sich Andreas Postler die Aufgabe, diese Wirkungszusammenhänge grundlegend und umfassend aufzudecken und Argumente für eine durchgreifende Finanzierungsreform der GKV zu liefern. Dabei fokussiert er sein Erkenntnisinteresse auf die vermuteten Schwächen des Umlageverfahrens bei alternder Bevölkerung, um daraus am Schluss seiner Ar-

8

Geleitwort

beit pragmatisch relevante Reformvorschläge für eine nachhaltige, d. h. demographisch weniger anfällige Finanzierung der GKV ziehen zu können. Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2010 von der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre – Mercator School of Management – der Universität Duisburg-Essen als Dissertation angenommen. Gerade weil es dem Verfasser darin gelungen ist, eine valide Langfristprognose sowohl für den Beitragssatz als auch für eine mögliche Kopfpauschale zu stellen und damit eine beträchtliche Nachhaltigkeitslücke in der GKV-Finanzierung nachzuweisen, haben die Herausgeber diese theoretisch und empirisch profunde Arbeit gerne in die „Duisburger Volkswirtschaftlichen Schriften“ aufgenommen. Dies umso mehr, als in der anhaltenden gesundheitspolitischen Reformdiskussion Nachhaltigkeitsaspekte der GKV-Finanzierung sträflich vernachlässigt werden. Duisburg, im August 2010

Prof. Dr. Dieter Cassel

Vorwort Gesundheitspolitische Fragestellungen waren und sind stets Themenbereiche von besonderem Stellenwert, da sie Leben und Lebensumstände eines Jeden unmittelbar betreffen. In kaum einem anderen Bereich stehen sich wissenschaftliche Lehrmeinungen, politische Programme und die Interessen gesellschaftlicher Gruppen so unversöhnlich gegenüber. Die vorliegende Arbeit greift dieses Spannungsfeld auf, indem gefragt wird, wie unter den gegebenen demographischen Rahmenbedingungen und dem Voranschreiten des medizinisch-technischen Fortschritts eine nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet werden kann. Bis diese Arbeit in der vorliegenden Form abgeschlossen wurde, haben mich zahlreiche Personen auf unterschiedliche Weise unterstützt. Zuallererst gilt mein ganz besonderer Dank meinem Doktorvater und ehemaligem Chef Herrn Prof. Dr. Dieter Cassel. Er hat nicht nur mein Dissertationsprojekt betreut und begleitet, sondern mir auch stets die größtmögliche inhaltliche Freiheit gewährt. Herrn Prof. Dr. Peter Anker möchte ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens herzlich danken. Darüber hinaus gilt mein Dank ebenso den Herren Prof. Dr. Thomas Apolte und Prof. Dr. Bernd Rolfes, die als Mitglieder der Prüfungskommission fungierten. Der Erfolg einer Dissertation ist an bestimmte Rahmenbedingung geknüpft, die ich in nahezu jeder Projektphase in bestmöglicher Weise vorgefunden habe. Für das Vorliegen der fachlichen Rahmenbedingungen waren während meiner Assistentenzeit am Lehrstuhl für Allgemeine Wirtschaftspolitik neben meinem Doktorvater vor allem meine ehemaligen Kollegen verantwortlich. Danken möchte ich Frau Dipl.-Volkswirtin Marion Grote Westrick, die sich als meine unmittelbare Bürokollegin nicht nur durch hilfreiche fachliche Kommentare, sondern auch durch ihr Verständnis auszeichnete. Herr Dr. Torsten Sundmacher hatte stets offene und geduldige Ohren für die gerade aktuellen Probleme im Zusammenhang mit meiner Arbeit. Ihm verdanke ich wertvolle Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus Dr. Katrin Nihalani, die mich in diversen Phasen des Dissertationsprojektes unterstützt hat und zu guter Letzt als Protokollantin während der Disputation fungierte. Herzlich danken möchte ich ebenfalls den Herren Prof. Dr. Christian Müller und Dipl.-Ökonom Johannes Janßen, die den Entstehungsprozess der Arbeit mit ständigem Zuspruch begleitet haben.

10

Vorwort

Weiterhin möchte ich mich bei Frau Ulrike Michalski für ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung bei der Korrektur und Fertigstellung des Manuskripts herzlich bedanken. Außerdem war mir eine Reihe von studentischen Hilfskräften bei diversen Vorarbeiten zur Doktorarbeit behilflich. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle insbesondere bei Frau Dipl.-Ökonomin Gina Holländer, die mich bei der Literaturrecherche tatkräftig unterstützte und die nicht müde wurde einzelne Kapitel der Arbeit Korrektur zu lesen. Ein nicht unbedeutender Teil der Dissertation wurde während meiner Zeit beim Gesamtverband der Aluminiumindustrie e.V. erstellt. Hier gilt mein besonderer Dank meinem Chef Herrn Dipl.-Volkswirt Christian Wellner, der für die hervorragenden beruflichen Rahmenbedingungen verantwortlich war und an deren Nichtvorhandensein so manches Dissertationsprojekt scheitert. Das durchweg angenehme und anregende Arbeitsklima wurde nicht zuletzt durch Herrn Betriebswirt (VWA) Stephan Beckers geprägt, der sich unter anderem durch seine große Hilfsbereitschaft auszeichnete. Der deutschen Aluminiumindustrie sei für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung gedankt. Neben den fachlichen und beruflichen Rahmenbedingungen waren es vor allem die bestmöglichen privaten Rahmenbedingungen, die für den Erfolg der Arbeit ausschlaggebend waren und die entscheidend durch meine Familie gestaltet wurden. Sie musste sicherlich den größten Teil der direkten und indirekten Kosten des Dissertationsprojekts tragen. Allen voran gilt dies für meinen Sohn Friedrich Maximilian Postler, meine Tochter Charlotte Sophie Postler und meine Frau Daniela Postler. Dass diese Kosten nicht ins Uferlose gestiegen sind, habe ich meinem Vater Georg Waldemar Postler und meiner Mutter Christel Marianne Postler zu verdanken. Sie waren immer für uns da und haben uns in jeder Hinsicht unterstützt. Ohne all diese familiäre Unterstützung wäre diese Arbeit sicherlich nicht zustande gekommen. Deshalb widme ich diese Arbeit meiner Familie. Düsseldorf, im August 2010

Andreas Postler

Inhaltsverzeichnis A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle? ......................... 25 B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung ......................................................... 37 I.

Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006: ein Rückblick .................................................................................................. 38 1.

2.

Determinanten der Bevölkerungsentwicklung ........................................ 39 a)

Natürliche Bevölkerungsentwicklung .............................................. 39

b)

Räumliche Bevölkerungsentwicklung ............................................. 47

Bevölkerungsumfang und Bevölkerungsstruktur .................................... 47

II. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 2006 und 2050: ein Ausblick .................................................................................................... 49 1.

Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnung ..................................... 50

2.

Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung ..................................... 51

III. Zusammenfassung .......................................................................................... 53 C. Eine theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung ............. 56 I.

Bevölkerungsalterung, medizinisch-technischer Fortschritt und Beitragssatz: das Grundmodell .................................................................................... 57

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte .................................. 61 1.

Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben ................................... 62 a)

Sterbekosten und Gesundheitsausgaben .......................................... 62 aa) Kausalitätsbeziehungen ............................................................ 62 bb) Empirische Evidenz ................................................................. 65 cc) Prognoserelevanz ..................................................................... 68

b)

Morbidität, Mortalität und Gesundheitsausgaben ............................ 73 aa) Anstieg der Lebenserwartung................................................... 73 bb) Späterer Morbiditätsbeginn ...................................................... 75 cc) Kompression der Morbidität .................................................... 76 dd) Empirische Evidenz ................................................................. 77

2.

Finanzierungseffekte ............................................................................... 80

12

Inhaltsverzeichnis III. Alternde Bevölkerung und medizinisch-technischer Fortschritt ..................... 82 1.

Ausgabenwirkung des technischen Fortschritts in der Medizin .............. 82

2.

Demographie und medizinisch-technischer Fortschritt ........................... 84

IV. Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung: ein Drama in zwei Akten? .............................................................................. 84 D. Eine empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung ............. 88 I.

Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung: der Tragödie erster Teil ......................... 88 1.

Modell ..................................................................................................... 89 a)

Annahmen ....................................................................................... 89 aa) Datengrundlagen ...................................................................... 89 bb) Berechnung der Ausgabenprofile ............................................. 90 cc) Sterbekosten ............................................................................. 92 (1) Maß ................................................................................... 93 (2) Schätzung ......................................................................... 96 (3) Statistik ............................................................................. 97 dd) Morbiditätsentwicklung ......................................................... 102 (1) EOM-Modell .................................................................. 102 (2) STTR-Modell.................................................................. 103 (3) CM-Modell ..................................................................... 104 (4) COM-Modell .................................................................. 105

b)

Ergebnisse ..................................................................................... 106 aa) Ausgaben................................................................................ 106 (1) EOM-Modell .................................................................. 106 (a) Behandlungsausgaben ............................................. 106 (b) Pro-Kopf-Behandlungsausgaben ............................. 111 (2) STTR-Modell.................................................................. 114 (a) Behandlungsausgaben ............................................. 114 (b) Pro-Kopf-Behandlungsausgaben ............................. 119 (3) CM-Modell ..................................................................... 121 (4) COM-Modell .................................................................. 128 bb) Beitragsbemessungsgrundlage ............................................... 133 cc) Beitragssatz ............................................................................ 135

2.

Zwischenergebnis.................................................................................. 136

Inhaltsverzeichnis

13

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung: der Tragödie zweiter Teil.............................................................................. 139 1.

Modell ................................................................................................... 139 a)

Annahmen ..................................................................................... 139

b)

Ergebnisse ..................................................................................... 141 aa) Ausgaben................................................................................ 141 bb) Beitragssatz ............................................................................ 145

2.

Zwischenergebnis.................................................................................. 148

III. Zusammenfassung ........................................................................................ 149 1.

Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie bis zum Jahr 2050 ................................................................................. 149

2.

Quantitative Bedeutung des Prognosefehlers bei Verwendung des Standardansatzes ............................................................................. 151

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem: eine theoretische und empirische Analyse ........................................................ 153 I.

Umlage- vs. Kapitaldeckungsverfahren: Welche Vorteile bringt der Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren? ............................................ 155 1.

2.

Grundprinzipien und Eigenschaften ...................................................... 155 a)

Vorbemerkungen zum Modellrahmen ........................................... 155

b)

Umlageverfahren ........................................................................... 155

c)

Kapitaldeckungsverfahren ............................................................. 156

Ertragsraten ........................................................................................... 157 a)

Zur Relevanz der Mackenroth-These............................................. 157

b)

Implizite Renditen im Umlageverfahren........................................ 158 aa) Analyse bei exogener Bevölkerungsentwicklung: das Standardmodell ................................................................ 158 (1) Politik des konstanten Beitragssatzes ............................. 159 (2) Politik des konstanten Rentenniveaus............................. 160 bb) Analyse bei Berücksichtigung von Fertilitätsentscheidungen: eine Erweiterung....................................................... 161 (1) Privates Umlageverfahren............................................... 163 (2) Öffentliches Umlageverfahren ........................................ 163

c)

Renditen im Kapitaldeckungsverfahren ......................................... 165 aa) Politik des konstanten Beitragssatzes ..................................... 166 bb) Politik des konstanten Rentenniveaus .................................... 166

14

Inhaltsverzeichnis d)

Ertragsraten von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren im Vergleich .................................................................................. 167 aa) Historische Ertragsraten ......................................................... 167 bb) Volatilität ............................................................................... 169 cc) Bewertung .............................................................................. 170

e) 3.

4.

Zur Demographieresistenz des Kapitaldeckungsverfahrens .......... 170

Bedenken gegen das Kapitaldeckungsverfahren ................................... 173 a)

Anlagerisiko .................................................................................. 174

b)

Inflationsrisiko ............................................................................... 174

c)

Länder- und Wechselkursrisiko ..................................................... 175

d)

Konzentration wirtschaftlicher Macht ........................................... 175

e)

Politisches Risiko .......................................................................... 176

f)

Auftreten von Erwartungsirrtümern ............................................... 176

g)

Zusammenfassung ......................................................................... 177

Zur Effizienz des Umlageverfahrens ..................................................... 177 a)

Analyse der reinen Verfahren ........................................................ 177

b)

Analyse bei Berücksichtigung temporärer Mischsysteme ............. 181 aa) Modelle mit exogenem Arbeitsangebot.................................. 182 bb) Modelle mit endogenem Arbeitsangebot ................................ 183 (1) Systeme mit Pauschalrente ............................................. 184 (2) Systeme mit Teilhabeäquivalenz .................................... 186

5.

Zusammenfassung ................................................................................. 187

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens in der Gesetzlichen Krankenversicherung .................................................... 188 1.

Kollektives Kapitaldeckungsverfahren ................................................. 188 a)

2.

Funktionsweise .............................................................................. 189

b)

Intertemporale und intergenerative Verteilungswirkungen ............ 190

c)

Simulation ..................................................................................... 192

d)

Vor- und Nachteile ........................................................................ 194

Individuelles Kapitaldeckungsverfahren ............................................... 195 a)

Funktionsweise .............................................................................. 196

b)

Intertemporale und intergenerative Verteilungswirkungen ............ 196

c)

Simulation ..................................................................................... 197

d)

Vor- und Nachteile ........................................................................ 200

Inhaltsverzeichnis 3.

15

Zusammenfassung ................................................................................. 200

III. Eine Reformskizze........................................................................................ 202 1.

Finanzierungsmängel des Status quo..................................................... 202

2.

Grundriss eines Drei-Säulen-Reformmodells (PIARA) ........................ 204

3. F.

a)

Erste Säule: Das Pauschalprämiensystem ...................................... 204

b)

Zweite Säule: Die Teilkapitaldeckung ........................................... 204

c)

Dritte Säule: Der Solidarausgleich................................................. 205

Bewertung ............................................................................................. 206

Fazit ..................................................................................................................... 209 I.

Gegenstand und Gang der Untersuchung ..................................................... 209

II. Sterbekosten und Projektion von Gesundheitsausgaben ............................... 210 III. Kompressions- oder Medikalisierungsthese: Auswirkungen auf den Reformbedarf................................................................................................ 211 IV. Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie in der Gesetzlichen Krankenversicherung .............................................................. 212 V. Reformoption Kapitaldeckung: jetzt oder nie ............................................... 213 Mathematischer Anhang ........................................................................................... 215 Statistischer Anhang ................................................................................................. 217 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 222 Sachwortregister ........................................................................................................ 243

Tabellenverzeichnis Tabelle A-1:

Finanzielle Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung in den alten Bundesländern im Zeitraum von 1970 bis 1991 ............. 27

Tabelle A-2:

Finanzielle Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland im Zeitraum von 1991 bis 2007 ................................ 30

Tabelle B-1:

Natürliche Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von 1950 bis 2006 ............................................................................. 40

Tabelle B-2:

Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland von 1871 bis 1995 ............................................................................. 49

Tabelle B-3:

Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Geburtenziffer bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes .................... 50

Tabelle B-4:

Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Außenwanderungen bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes....... 51

Tabelle B-5:

Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Lebenserwartung bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes....... 51

Tabelle B-6:

Übersicht der Varianten der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes ............................ 52

Tabelle C-1:

Numerische Beispielszenarien im Grundmodell................................ 60

Tabelle C-2:

Beitragssatzwirkungen von Parameteränderungen im Grundmodell ................................................................................ 60

Tabelle C-3:

Demographischer Gesamteffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050 ......................................................... 61

Tabelle C-4:

Demographischer Ausgabeneffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050 ......................................................... 62

Tabelle C-5:

Durchschnittliche Anzahl von Krankenhaustagen ............................. 67

Tabelle C-6:

Ausgewählte Studien zum Restlebenszeiteffekt ................................ 68

Tabelle C-7:

Demographischer Finanzierungseffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050 ......................................................... 81

Tabelle D-1:

Modelle und Schätzergebnisse zur Approximation der Krankenhaustage ............................................................................... 94

Tabelle D-2:

Sterbekostenmodelle im Überblick .................................................... 96

Tabellenverzeichnis

17

Tabelle D-3:

Deskriptive Statistik der Sterbekosten im Jahr 2005 und 2006........ 100

Tabelle D-4:

Durchschnittliche Sterbekosten von gesetzlicher und privater Krankenversicherung im Vergleich ................................................. 102

Tabelle D-5:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im EOM-Modell, indexierte Darstellung ......................................... 107

Tabelle D-6:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Altersklassen im EOM-Modell, indexierte Darstellung ......................................... 109

Tabelle D-7:

Anteile der Hauptleistungsbereiche an den Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im EOM-Modell ................................................ 109

Tabelle D-8:

Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im EOM-Modell, indexierte Darstellung......................... 112

Tabelle D-9:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im STTR-Modell, indexierte Darstellung ........................................ 115

Tabelle D-10:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Altersklassen im STTR-Modell, indexierte Darstellung ........................................ 116

Tabelle D-11:

Anteile der Hauptleistungsbereiche an den Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im STTR-Modell ............................................... 117

Tabelle D-12:

Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im STTR-Modell, indexierte Darstellung ........................ 120

Tabelle D-13:

Prognosefehler des EOM-Modells bei Annahme konstanter Morbidität ...................................................................... 125

Tabelle D-14:

Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung von 2006 bis 2050 nach EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modell im Überblick ............................................................. 127

Tabelle D-15:

Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im EOMund STTR-Modell ........................................................................... 135

Tabelle D-16:

Rein demographisch bedingte Ausgaben- und Beitragssätze der Gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2050 im Überblick .................................................................................... 138

Tabelle D-17:

Implizite Morbiditätsannahmen im EOM- und STTR-Modell ........ 138

Tabelle D-18:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 nach dem EOM-, STTR- und COM-Modell bei alternativen Annahmen über den medizinisch-technischen Fortschritt ........................................................................................ 143

18

Tabellenverzeichnis

Tabelle D-19:

Entwicklung der Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im EOM-Modell mit 1 v. H. medizinischtechnischem Fortschritt p. a. ............................................................ 145

Tabelle D-20:

Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 ........................................................................... 151

Tabelle E-1:

Beitrags- und Kapitalstockentwicklung bei individuellem Kapitaldeckungsverfahren außerhalb des Krankenversicherungssystems nach dem Status-quo-Modell..................................... 199

Tabelle E-2:

Kernelemente des PIARA-Reformmodells zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ........................................... 207

Tabelle F-1:

Bandbreite der möglichen Beitragssatz- und Pauschalprämienentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 ....................................................... 213

Abbildungsverzeichnis Abbildung A-1:

Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 1970 bis 2009...................................................... 26

Abbildung A-2:

Ausgaben- und einnahmenseitige Wirkungen im Zeitraum von 1970 bis 1991 auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung des Jahres 1991 im früheren Bundesgebiet .............................................................................................. 29

Abbildung A-3:

Ausgaben- und einnahmenseitige Wirkungen im Zeitraum von 1991 bis 2007 auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung des Jahres 2007 in Deutschland ................... 31

Abbildung A-4:

Allgemeiner Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung und Subventionsbedarf der Krankenversicherung der Rentner im Zeitraum von 1970 bis 2005 .................................. 33

Abbildung A-5:

Ausgewählte Beitragssatzprognosen für die Gesetzliche Krankenversicherung für den Zeitraum von 2000 bis 2050............ 33

Abbildung B-1:

Verteilung der altersspezifischen Geburtenraten im Jahr 2006 in Deutschland ................................................................................ 41

Abbildung B-2:

Zusammengefasste Geburtenziffern im Zeitraum von 1871 bis 2005 in Deutschland ................................................................. 42

Abbildung B-3:

Frauen nach der Zahl der geborenen Kinder in Westdeutschland, Geburtsjahrgänge von 1935 bis 1967 .................................... 43

Abbildung B-4:

Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten für Frauen und Männer in Deutschland, Sterbetafel 2004/2006, logarithmische Darstellung. .................................................................................... 44

Abbildung B-5:

Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren zwischen 1960/62 und 2004/06 in Deutschland ........................................................... 46

Abbildung B-6:

Saldo der Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland im Zeitraum von 1955 bis 2005 ....................................... 48

Abbildung B-7:

Entwicklung des Bevölkerungsstandes in Deutschland bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes ........................................ 53

Abbildung B-8:

Entwicklung des Altenquotienten mit Altersgrenze 60 Jahre in Deutschland bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes .............................................................................................. 54

20

Abbildungsverzeichnis

Abbildung C-1:

Ausgabenprofile des Risikostrukturausgleichs im Jahr 2006 im Verhältnis zu den durchschnittlichen Ausgaben ........................ 63

Abbildung C-2:

Altersausgabenprofil bei einem Anstieg der Lebenserwartung ...... 71

Abbildung C-3:

Medikalisierungsthese ohne Veränderung der Symptomschwelle.. 74

Abbildung C-4:

Medikalisierungsthese mit Veränderung der Symptomschwelle .... 75

Abbildung C-5:

„Shift to the Right“-These .............................................................. 76

Abbildung C-6:

Kompressionsthese ohne Veränderung der Symptomschwelle ...... 78

Abbildung C-7:

Kompressionsthese mit Veränderung der Symptomschwelle ......... 78

Abbildung C-8:

Demographische Effekte auf die Gesundheitsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung ................................................ 85

Abbildung D-1:

Gesamtausgabenprofile des Risikostrukturausgleichs für das Jahr 2006 .................................................................................. 92

Abbildung D-2:

Inanspruchnahme von Krankenhaustagen durch Überlebende ....... 95

Abbildung D-3:

Inanspruchnahme von Krankenhaustagen durch Versterbende ...... 95

Abbildung D-4:

Pro-Kopf-Ausgaben für versterbende und überlebende männliche Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 ................................................................................... 98

Abbildung D-5:

Pro-Kopf-Ausgaben für versterbende und überlebende weibliche Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006 ................................................................................... 99

Abbildung D-6:

Relative Sterbekosten im internationalen Vergleich ..................... 101

Abbildung D-7:

Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, indexierte Darstellung ................................................................................... 108

Abbildung D-8:

Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, indexierte Darstellung .................................................................. 112

Abbildung D-9:

Pro-Kopf-Behandlungsausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, Darstellung auf Monatsbasis ........................................................ 114

Abbildung D-10:

Wachstumsdifferenzen der Behandlungsausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen dem EOM- und dem STTR-Modell.............................................. 118

Abbildung D-11:

Unterschiede in der relativen Bedeutung der Hauptleistungsbereiche in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell.............................................. 119

Abbildung D-12:

Wachstumsdifferenzen der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell ............................................................. 122

Abbildungsverzeichnis

21

Abbildung D-13:

Vergleich der monatlichen Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell ............................................................. 122

Abbildung D-14:

Lebenserwartung für Männer und Frauen nach den Sterbetafeln 2004/2006 und 2050-L1 ............................................................... 123

Abbildung D-15:

Gesamtausgabenprofile für männliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modelle 1 und 2............................................. 124

Abbildung D-16:

Gesamtausgabenprofile für weibliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modelle 1 und 2............................................. 124

Abbildung D-17:

Teilausgabenprofile nichtärztlicher Leistungen der ambulanten Dialyse im Jahr 2006 .................................................................... 129

Abbildung D-18:

Pro-Kopf-Ausgaben für überlebende männliche Versicherte gemäß CM- und COM-Modell im Jahr 2006 ............................... 131

Abbildung D-19:

Pro-Kopf-Ausgaben für überlebende weibliche Versicherte gemäß CM- und COM-Modell im Jahr 2006 ............................... 131

Abbildung D-20:

Gesamtausgabenprofile für männliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modelle ......................... 132

Abbildung D-21:

Gesamtausgabenprofile für weibliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modelle ......................... 132

Abbildung D-22:

Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen in Szenario 2 in Abhängigkeit vom Rentenniveau ............................................. 134

Abbildung D-23:

Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 im EOM-, CM- und COM-Modell ...................................... 136

Abbildung D-24:

Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im EOM-Modell mit 1 v. H. medizinisch-technischem Fortschritt pro Jahr, indexierte Darstellung .................................................................. 142

Abbildung D-25:

Pauschalprämien im Jahr 2050 nach dem EOM-, CM- und COM-Modell bei alternativen Annahmen über den medizinischtechnischen Fortschritt ................................................................. 144

Abbildung D-26:

Entwicklung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell mit medizinisch-technischem Fortschritt von 1 v. H. pro Jahr............ 146

Abbildung D-27:

Beitragssätze im Jahr 2050 nach dem EOM-, CM- und COMModell bei alternativen Annahmen über den medizinischtechnischen Fortschritt ................................................................. 147

Abbildung D-28:

Entwicklung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 ................................... 150

Abbildung E-1:

Sachanlagenrendite, Realzins und Reallohnentwicklung im Zeitraum von 1970 bis 1995 ......................................................... 168

22

Abbildungsverzeichnis

Abbildung E-2:

Beitragsentwicklung in einem kohortenübergreifenden kollektiven Kapitaldeckungsverfahren innerhalb des Krankenversicherungssystems nach dem Status-quo-Modell ......................... 193

Abbildung E-3:

Beitrags- und Kapitalstockentwicklung für männliche Versicherte ausgewählter Kohorten in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zu ihrem Lebensende nach dem Status-quo-Modell ........................................................................ 198

Abbildung E-4:

Beitrags- und Kapitalstockentwicklung für weibliche Versicherte ausgewählter Kohorten in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zu ihrem Lebensende nach dem Status-quo-Modell ........................................................................ 199

Abkürzungsverzeichnis AKV

Allgemeine Krankenversicherung

BBG

Beitragsbemessungsgrundlage

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BS

Beitragssatz

BV

Bevölkerungsvorausberechnung

COM

Compression of Morbidity / Kompressionsthese

CM

Constant Morbidity

DKV

Deutsche Krankenversicherung

DMP

Disease-Management-Programm

DMPG

Disease-Management-Programm-Gruppe

EOM

Expansion of Morbidity / Medikalisierungsthese

GKV

Gesetzliche Krankenversicherung

GPV

Gesetzliche Pflegeversicherung

GRV

Gesetzliche Rentenversicherung

HLB

Hauptleistungsbereich

KBV

Kassenärztliche Bundesvereinigung

KVdR

Krankenversicherung der Rentner

MTF

Medizinisch-technischer Fortschritt

NRR

Nettoreproduktionsrate

PKV

Private Krankenversicherung

RSA

Risikostrukturausgleich

SAR

Solidarische Alterungsreserve

SOEP

Sozio-ökonomisches Panel

STTR

Shift to the Right

TFR

Total Fertility Rate

VG

Versichertengruppe

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle? Seit Jahren steht das in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Anwendung kommende Umlageverfahren im Mittelpunkt von kontroversen Diskussionen in Wissenschaft und Politik. Die wissenschaftliche Diskussion wird dabei von mittel- bis langfristigen Zusammenhängen geprägt: Grundsätzlich erweist sich die Umlagefinanzierung bei stabilen sozio-ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen als unproblematisch. In Umgebungen allerdings, die sich durch sinkende Geburtenzahlen sowie steigende Lebenserwartung auszeichnen, wie dies in der Bundesrepublik Deutschland seit geraumer Zeit der Fall ist, führt die hieraus erwachsende Alten- und Rentnerlast zu Finanzierungsproblemen im Umlageverfahren, die in steigenden Beitragssätzen und intergenerativen Lastenverschiebungen zum Ausdruck kommen.1 In der politischen und öffentlichen Diskussion steht das Umlageverfahren jedoch überwiegend aufgrund von eher als kurzfristig zu charakterisierenden Finanzierungsproblemen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen: In konjunkturellen Schwächephasen sind Anhebungen des Beitragssatzes erforderlich, die die ohnehin schon als zu hoch angesehenen Lohnstückkosten noch weiter ansteigen lassen und somit die strukturellen Probleme der deutschen Volkswirtschaft verstärken. Ein ähnlich gelagertes Problem mit gleichen Implikationen für Wachstum und Beschäftigung ist das Wachstum der Gesundheitsausgaben. Liegt das Wachstum der Gesundheitsausgaben über dem der beitragspflichtigen Entgelte, so hat dies ebenfalls Beitragssatzsteigerungen zur Folge. Erfahrungen stark steigender Gesundheitsausgaben sind trotz der unterschiedlichen Gesundheitssysteme in vielen Ländern, darunter in den meisten europäischen Ländern sowie den USA, vorzufinden.2 Kostendämpfungsmaßnahmen, die diesem Phänomen entgegenwirken sollten, blieben in Deutschland mittel- bis langfristig erfolglos. Zwar konnten durch die Maßnahmen die Beitragssätze kurzfristig stabilisiert werden, jedoch ohne den Trend zu steigenden Beitragssätzen zu durchbrechen und das Ziel Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) zu erreichen (vgl. Abbildung A-1).

___________ 1 2

Siehe etwa Fetzer/Raffelhüschen (2005). Zur Empirie siehe Kotlikoff/Hagist (2005), S. 26.

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle? 16

16

14

14

12

12

10

10

8

8

6

6

4

4

2

2

0

Beitragssatz

Beitragssatz

26

0 1970 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 2000 02 04 06 08 Jahr Arbeitgeberanteil Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer

Arbeitnehmeranteil allgemeiner Beitragssatz

Durchschnittlicher Beitragssatz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen mit Entgeltfortzahlungsanspruch für mindestens sechs Wochen. Beitragssatz im Jahr 2005 unter Berücksichtigung des seit 1. Juli 2005 geltenden zusätzlichen Beitragssatzes von 0,9 v. H. Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2002), S. 492, Tabelle 75*; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 734, Tabelle 85*; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008), S. 109*, Tabelle 70*; Bundesministerium für Gesundheit (2008), S. 1; Bundesversicherungsamt (2008), S. 2; eigene Berechnungen.

Abbildung A-1: Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 1970 bis 2009

Im Folgenden wird zunächst untersucht, ob die Beitragssatzanstiege vornehmlich von der Einnahmen- oder der Ausgabenseite ausgelöst werden.3 Analysiert wird hierzu die Periode 1970 bis 2007. Aufgrund der besonderen historischen Situation in Deutschland sind die Zeiträume vor und nach der Wiedervereinigung getrennt voneinander zu betrachten. Deshalb werden zunächst die Beitragssatzwirkungen für die alten Bundesländer im Zeitraum 1970 bis 1991 und im Anschluss daran für Gesamtdeutschland im Zeitraum 1991 bis 2007 diskutiert. ___________ 3 Zahlreiche Untersuchungen zu den Finanzierungsproblemen der GKV beginnen mit der Frage, ob diese von der Ausgaben- oder der Einnahmenseite verursacht werden. Die Ergebnisse sind jedoch keineswegs eindeutig und werden kontrovers diskutiert. Während beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2002) zu dem Ergebnis kommt, dass die ausgabenseitigen Faktoren die einnahmenseitigen Faktoren eindeutig dominieren, identifizieren Meinhardt/Schulz (2003) die Ursache alleine auf der Einnahmenseite.

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

27

Im Zeitraum von 1970 bis 1991 sind die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im früheren Bundesgebiet stark gestiegen (vgl. Tabelle A-1). So nahmen die Leistungsausgaben von 12,2 auf 77,5 Milliarden Euro zu, was einer Steigerung um 535,8 v. H. entspricht. Das Wachstum der Gesamtausgaben war mit 534,7 v. H. ebenso stark, welche von 12,9 auf 81,7 Milliarden Euro anstiegen. Der jährliche Ausgabenanstieg entspricht damit in beiden Fällen 9,2 v. H. Da das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in dieser Periode nur um 294,1 v. H. bzw. jährlich um 6,7 v. H. gewachsen ist, stieg der Anteil der Gesamtausgaben am BIP von 3,7 v. H. im Jahr 1970 auf 5,9 v. H. im Jahr 1991. Da das Verhältnis der beitragspflichtigen Einkommen zum Bruttoinlandsprodukt nicht gesunken ist, wird vielfach von einer Kosten- beziehungsweise Ausgabenexplosion gesprochen.4 Tabelle A-1 Finanzielle Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung in den alten Bundesländern im Zeitraum von 1970 bis 1991 Jahr 1970

1975

1991

Milliarden Euro

19701991

Zeitraum 1975- 19701991 1975

Zuwachs in v. H.

19701991

Zeitraum 1975- 19701991 1975

Zuwachs in v. H. per annum

Ausgaben Gesamtausgaben

12,9

31,2

81,7

534,7

162,0

142,2

9,2

6,2

19,4

Leistungsausgaben

12,2

29,7

77,5

535,8

160,7

143,9

9,2

6,2

19,5

155,7 283,2

619,1

297,5

118,6

81,9

6,8

5,0

12,7

157,6 252,8

613,0

289,0

142,5

60,4

6,7

5,7

9,9

352,0 536,0

1387,1

294,1

158,8

52,3

6,7

6,1

8,8

Einnahmen Beitragspflichtige Einkommena Bruttolöhne und -gehälter nachrichtlich: BIP

Relation zum BIP

Zuwachs in v. H.

Zuwachs in v. H. per annum

Ausgaben Gesamtausgaben

3,7

5,8

5,9

61,1

1,3

59,1

2,3

0,1

9,7

Leistungsausgaben

3,5

5,5

5,6

61,3

0,7

60,2

2,3

0,0

9,9

44,2

52,8

44,6

0,9

-15,5

19,4

0,0

-1,0

3,6

44,8

47,2

44,2

-1,3

-6,3

5,3

-0,1

-0,4

1,0

Einnahmen Beitragspflichtige Einkommena Bruttolöhne und -gehälter a

Beitragspflichtige Einkommen, berechnet als Quotient aus Beitragseinnahmen und dem jahresdurchschnittlichen Beitragssatz. Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2002), S. 418, Tabelle 20*; S. 425, Tabelle 25*; S. 492, Tabelle 75*; S. 493, Tabelle 76*; eigene Berechnungen.

___________ 4 Eine Diskussion der Begriffe Kostenexplosion, Ausgabenexplosion und Beitragssatzexplosion ist zum Beispiel zu finden in Oberdieck (1998), S. 6.

28

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

Eine differenzierte Analyse lässt jedoch erkennen, dass das Wachstum sehr ungleichmäßig verlief, und es lassen sich grob zwei Wachstumsphasen identifizieren: In den fünf Jahren von 1970 bis 1975 stiegen die Ausgaben um jährlich mehr als 19 v. H., während sich das Wachstum ab dem Jahr 1975 auf 6,2 v. H. per annum verringerte. Dies ist auf eine Neuausrichtung der Gesundheitspolitik zurückzuführen: Während Anfang der 1970er Jahre der Leistungskatalog noch ausgeweitet wurde, traten seit Mitte der 1970er Jahre Ausgabendämpfungsmaßnahmen in den Vordergrund der Reformbemühungen im Gesundheitswesen.5 Da die Ausgabendynamik jedoch vor dem Beginn der Ausgabendämpfungsbemühungen im Zeitraum von 1970 bis 1975 stattfand, und sich die Ausgabenquote seitdem relativ konstant entwickelte, kann dementsprechend auch nur im erstgenannten Zeitraum von einer Ausgabenexplosion gesprochen werden. Der Beitragssatz stieg dabei von 8,2 v. H. im Jahr 1970 auf 10,5 v. H. im Jahr 1975, also um 28 v. H. oder jährlich 5,1 v. H. In der Phase der Ausgabendämpfung hat sich der Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt kaum verändert. In dieser Beziehung kann der Gesundheitspolitik ein gewisser Erfolg bescheinigt werden. Jedoch ist der Anteil der beitragspflichtigen Einkommen am BIP von 52,8 v. H. auf 44,6 v. H. gesunken, was einer Abnahme um 16 v. H. entspricht. Damit ist die Erosion der Finanzierungsgrundlage für die Beitragssatzdynamik verantwortlich. Hierdurch stieg der Beitragssatz von 10,5 v. H. im Jahr 1975 auf 12,2 v. H. im Jahr 1991, also um 16,2 v. H. beziehungsweise jährlich 3 v. H. Die von der Ausgaben- und Einnahmenseite ausgehenden Beitragssatzeffekte können quantifiziert werden, indem fiktive Beitragssätze einer Basisperiode berechnet werden.6 Signifikante Beitragssatzeffekte von der Ausgabenseite ___________ 5 Um die Ziele der Ausgabendämpfung zu erreichen, waren immer umfangreichere Reformmaßnahmen sowie häufigere Interventionen seitens der Gesundheitspolitik nötig. Zu nennen sind hier vor allem: das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz von 1977, das Kostendämpfungsgesetz von 1981, das Gesundheitsreformgesetz von 1989, das Gesundheitsstrukturgesetz von 1993, das 1. und 2. Neuordnungsgesetz sowie das Beitragsentlastungsgesetz von 1997, das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz von 1999, die GKV-Gesundheitsreform zusammen mit dem 10. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, dem Gesetz über den Verkehr von Arzneimitteln und dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser aus dem Jahr 2000. Im Jahr 2001 kamen das Festbetragsanpassungsgesetz, das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz und das Gesetz zur Reform des RSA in der GKV hinzu. Anschließend kamen das Gesetz zur Reform des Fremdkassenzahlungsausgleichs von 2001, das Beitragssatzsicherungsgesetz von 2002, das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Jahr 2003, das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz von 2006, das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz von 2006 sowie jüngst das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz im Jahr 2007. 6 Die Ableitung der Beitragssatzeffekte findet sich im mathematischen Anhang. Zur Berechnungsmethodik siehe Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2002), S. 166 ff., Tz. 246.

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

29

7

14

6

12

5

10

4

8

3

6

2

4

1

2

0

0

-1

Beitragssatz im Jahr 1991

Beitragssatzpunkte

lassen sich nur im Zeitraum 1970 bis 1975 feststellen (vgl. Abbildung A-2). Wären die Ausgaben seit dem Jahr 1970 nur so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt gestiegen, so ergäbe sich für das Basisjahr 1991 ein hypothetischer Beitragssatz von 7,2 v. H., der damit um fünf Beitragssatzpunkte unterhalb des tatsächlichen Beitragssatzes von 12,2 v. H. gelegen hätte. Da der Anteil der beitragspflichtigen Einkommen am Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 1970 und 1991 in etwa gleich hoch war, ist hier kein einnahmenseitiger Beitragssatzeffekt festzustellen.

-2 1970 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 Jahr ausgabenseitiger Beitragssatzeffekt (L)

einnahmenseitiger Beitragssatzeffekt (L)

Beitragssatz ohne ausgabenseitigen Druck (R)

Beitragssatz ohne einnahmenseitigen Druck (R)

Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2002), S. 418, Tabelle 20*; S. 425, Tabelle 25*; S. 492, Tabelle 75*; S. 493, Tabelle 76*; eigene Berechnungen.

Abbildung A-2: Ausgaben- und einnahmenseitige Wirkungen im Zeitraum von 1970 bis 1991 auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung des Jahres 1991 im früheren Bundesgebiet

Betrachtet man die Entwicklung ab dem Jahr 1975, so ergibt sich ein entgegengesetztes Bild: Während der Beitragssatz bei der Ausgabenquote des Jahres 1975 nahezu unverändert geblieben wäre, würde sich bei einem Anteil des beitragspflichtigen Einkommens am Bruttoinlandsprodukt von 1975 ein um knapp zwei Beitragssatzpunkte niedrigerer Beitragssatz von 10,3 v. H. einstellen. Dies zeigt, dass man für den Zeitraum von 1970 bis 1975 zwar von einer Ausgabenexplosion im früheren Bundesgebiet sprechen kann, seitdem jedoch die Erosion der Einnahmenseite die Ursache der fortwährenden Beitragssatzanstiege in der GKV ist. Das nominale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland stieg im Zeitraum 1991 bis 2007 von 1.534,6 auf 2.422,9 Milliarden Euro, was einer Steigerung von

30

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

57,9 v. H. entspricht (vgl. Tabelle A-2). Da die Gesamtausgaben der GKV mit 64,4 v. H. stärker wuchsen, stieg die Gesamtausgabenquote um 4,1 v. H. Die Leistungsausgaben stiegen von 88,7 auf 144,4 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 62,7 v. H. entspricht. Die Leistungsausgabenquote erhöhte sich mithin um 3,1 v. H. Auf der Einnahmenseite stieg das beitragspflichtige Einkommen um 39,1 v. H., und damit sank der Anteil der beitragspflichtigen Einkommen am BIP leicht von 46,7 v. H. auf 41,1 v. H. Tabelle A-2 Finanzielle Entwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland im Zeitraum von 1991 bis 2007 Jahr 1991

2000

Zeitraum 1991-2007

2007

Milliarden Euro

Zuwachs in v. H.

Zuwachs in v. H. per annum

Ausgaben Gesamtausgaben

93,6

133,7

153,8

64,4

3,2

Leistungsausgaben

88,7

125,9

144,4

62,7

3,1

716,3

958,4

996,4

39,1

2,1

691,2

884,5

958,0

38,6

2,1

1.534,6

2.062,5

2.422,9

57,9

2,9

Zuwachs in v. H.

Zuwachs in v. H. per annum

Einnahmen Beitragspflichtige Einkommena Bruttolöhne und -gehälter nachrichtlich: BIP

Relation zum BIP Ausgaben Gesamtausgaben

6,1

6,5

6,3

4,1

0,3

Leistungsausgaben

5,8

6,1

6,0

3,1

0,2

46,7

46,5

41,1

-11,9

-0,8

45,0

42,9

39,5

-12,2

-0,8

Einnahmen Beitragspflichtige Einkommena Bruttolöhne und -gehälter a

Beitragspflichtige Einkommen, berechnet als Quotient der Beitragseinnahmen und dem jahresdurchschnittlichen Beitragssatz. Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008), S. 53*, Tabelle 15*; S. 56*, Tabelle 18*; S. 107*, Tabelle 68*; S. 109*, Tabelle 70*; eigene Berechnungen.

Anhand von Abbildung A-3 ist zu erkennen, dass nach der Wiedervereinigung hauptsächlich einnahmenseitige Faktoren für den Anstieg des Beitragssatzes ursächlich waren. Der positive ausgabenseitige Beitragssatzeffekt des Jahres 1991 ist auf den Sondereffekt der Wiedervereinigung zurückzuführen: Da die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in den neuen Bundesländern hinter der der alten Bundesländer zurückblieb, während sich die Ausgaben in etwa gleich entwickel-

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

31

6

18

5

16

4

14

3

12

2

10

1

8

0

6

-1

4

-2

Beitragssatz im Jahr 2007

Beitragssatzpunkte

ten, führte dies zu einem Anstieg der Ausgabenquote. Im Zeitraum von 1992 bis 2007 lagen die Probleme hingegen klar auf der Einnahmenseite: Bei einer Ausgabenquote des Jahres 1996 läge der fiktive Beitragssatz von 2007 mit 16,01 v. H. um 1,21 Beitragssatzpunkte höher als der tatsächliche mit 14,8 v. H.; bei der Quote des beitragspflichtigen Einkommens des gleichen Jahres dagegen bei 12,83 v. H. und damit um knapp zwei Beitragssatzpunkte niedriger.

2 1991 92

93

94

95

96

97

98

99 2000 01

02

03

04

05

06

07

Jahr ausgabenseitiger Beitragssatzeffekt (L)

einnahmenseitiger Beitragssatzeffekt (L)

Beitragssatz ohne ausgabenseitigen Druck (R)

Beitragssatz ohne einnahmenseitigen Druck (R)

Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 661, Tabelle 29*; S. 732, Tabelle 83*; S. 734, Tabelle 85*; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008), S. 53*, Tabelle 15*; S. 56*, Tabelle 18*; S. 107*, Tabelle 68*; S. 109*, Tabelle 70*; eigene Berechnungen.

Abbildung A-3: Ausgaben- und einnahmenseitige Wirkungen im Zeitraum von 1991 bis 2007 auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung des Jahres 2007 in Deutschland

Für Deutschland ergibt sich damit tendenziell das gleiche Bild wie für die alten Bundesländer: Der Anstieg des Beitragssatzes ist zum größten Teil in einer Erosion der Finanzierungsgrundlage der GKV zu sehen, nicht jedoch in einer Explosion der Ausgaben oder Kosten. Die Wahl des Bruttoinlandsproduktes als Maß zur Trennung der Effekte ist in der Literatur üblich. So wird beispielsweise angeführt, dass das BIP die denkbar breiteste Beitragsbemessungsgrundlage ist, während die derzeitige Grundlage sich hauptsächlich auf die Lohn- und Renteneinkommen bezieht. Diese Position kann jedoch auch kritisch hinterfragt werden, denn letztlich handelt es sich hierbei um eine Frage der Präferenzen der Bevölkerung bezie-

32

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

hungsweise der Versicherten. Sind Gesundheitsleistungen superiore Güter, die bei steigendem Wohlstand auf eine hohe Einkommenselastizität der Nachfrage treffen, so beruhen die im Trend überproportional steigenden Gesundheitsausgaben auch auf den Präferenzen der Versicherten. Insofern stellen wachsende Gesundheitsausgaben auch keine Fehlentwicklung dar.7 Somit erwiese sich auch das Ziel der Beitragssatzstabilität als unzweckmäßig und unrealistisch, wenn eine an den Präferenzen der Versicherten orientierte Gesundheitspolitik betrieben würde. Das Ziel sollte vielmehr in einer Erhöhung der Allokationseffizienz und der Zielgenauigkeit gewollter Umverteilungswirkungen bestehen.8 Als Indikator für die mit den Beitragssatzanstiegen einhergehenden intergenerativen Umverteilungswirkungen kann die Selbstfinanzierungsquote der Rentner betrachtet werden, die den Anteil der Gesundheitsausgaben der Rentner angibt, der von ihnen selbst durch Beiträge finanziert wird.9 Der nicht durch eigene Beiträge der Rentner gedeckte Teil der eigenen Gesundheitsausgaben wird auch als Subventionsbedarf der Rentner bezeichnet. In Abbildung A-4 ist der allgemeine Beitragssatz zur GKV von 1970 bis 2005 als Säule dargestellt. Der obere Teil gibt dabei den Subventionsbedarf der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) an. Der untere Anteil entspricht dem Beitragssatz, den ein Erwerbstätiger im Durchschnitt zu entrichten hätte, wenn es keine intergenerative Umverteilung innerhalb der GKV geben würde. Es ist zu sehen, dass dieser hypothetische Beitragssatz über die letzten drei Jahrzehnte vergleichsweise konstant geblieben ist, während sich der Subventionsbedarf der KVdR beständig erhöht hat. Vor welchen Herausforderungen eine hauptsächlich an die Lohn- und Renteneinkommen gekoppelte GKV-Finanzierung steht, wird unmittelbar deutlich, wenn man sich die in Abbildung A-5 dargestellten Beitragssatzprognosen anschaut.10 Betrachtet werden hierbei drei Szenarien, welche die Bandbreite der zukünftigen Beitragssatzentwicklung kennzeichnen. Im rein demographischen Szenario steigt der Beitragssatz bis zum Jahr 2050 auf 16,5 v. H. Unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts ergibt sich ein Beitragssatzanstieg auf wenigstens 23,1 v. H. im sogenannten Best-Case-Szenario. Maximal steigt der Beitragssatz dagegen auf 39,5 v. H. im Worst-Case-Szenario an. Demnach weist das Zusammenwirken der demographischen Entwicklung und des medizinisch-technischen Fortschritts ein Vielfaches an Bedeutung gegenüber der rein demographischen Herausforderung auf. ___________ 7

Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 143. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2000), S. 240, Tz. 469. Siehe ebenfalls Cassel (1998), S. 23. 9 Dies ist ein theoretisches Konstrukt, denn die Hälfte der Beiträge der Rentner wird von der Gesetzlichen Rentenversicherung getragen. Letztendlich werden auch die Renten von der Erwerbsbevölkerung aufgebracht, die damit die gesamte Finanzierungslast trägt. 10 Eine ausführliche Zusammenstellung dieser und weiterer Untersuchungen zur Beitragssatzentwicklung in der GKV findet sich im statistischen Anhang. 8

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

33

14 12 10 8 6 4 2 0 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

Jahr Subventionsbedarf der KVdR in Beitragssatzpunkten Fiktiver AKV-Beitragssatz in v. H.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (1999, 2001, 2006); eigene Berechnungen.

Abbildung A-4: Allgemeiner Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung und Subventionsbedarf der Krankenversicherung der Rentner im Zeitraum von 1970 bis 2005 40

3 9 ,5

35

40

35

DIW 2 0 0 1

30

25

Niehaus 2 0 0 8

Knap p e 19 9 5

Ho f 2 0 0 1

Breyer/Ulrich 2 0 0 0

25 2 3 ,1

Pfaff 2 0 0 2

20 But tler u.a. 19 9 9

16 ,5

Pro g no s 19 9 8

15

20

Ho f 2 0 0 1

Erb s land /Wille 19 9 5 Schmähl 19 8 3

10

15

10 2000

2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Worst-Case-Szenario Modelle mit medizinisch-technischem Fortschritt Rein demographisches Szenario

Best-Case-Szenario Modelle mit rein demographischem Effekt

Quelle: Modifiziert nach Postler (2003), S. 15.

Abbildung A-5: Ausgewählte Beitragssatzprognosen für die Gesetzliche Krankenversicherung für den Zeitraum von 2000 bis 2050

Beitragssatz in v. H.

Beitragssatz in v. H.

Ob erd ieck 19 9 8

30

34

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

Vor diesem Hintergrund ist auch die am 12. November 2002 von der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt, eingerichtete „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme“ (sog. Rürup-Kommission) zu sehen. Aufgabe der Kommission war es, „Vorschläge für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Sozialversicherung zu entwickeln. Insbesondere muss es darum gehen, die langfristige Finanzierung der sozialstaatlichen Sicherungsziele und die Generationengerechtigkeit zu gewährleisten sowie die Systeme zukunftsfest zu machen. Um beschäftigungswirksame Impulse zu geben, sollen Wege dargestellt werden, wie die Lohnnebenkosten gesenkt werden können. … In der Gesetzlichen Krankenversicherung geht es darum, im Hinblick auf die durch die Bevölkerungsentwicklung und den medizinisch-technischen Fortschritt bewirkte Ausgabendynamik die Finanzierung langfristig zu sichern.“11

Im Bericht der Kommission heißt es hierzu an anderer Stelle: „Ein wichtiges Kriterium für ein dauerhaft tragbares Finanzierungssystem ist seine Verträglichkeit mit Beschäftigung und Wachstum. Eine wesentliche Vorgabe für die Kommission ist es, die Abgabenlast auf den Faktor Arbeit einzuschränken, um die Wachstumschancen und Beschäftigungsmöglichkeiten der gesamten Volkswirtschaft nicht zu beeinträchtigen. Neben seiner Wachstumsfreundlichkeit sollte ein Finanzierungskonzept auch nach seiner Konjunkturunabhängigkeit beurteilt werden. Anzustreben ist eine Beitragserhebung, die möglichst konjunkturelle Schwankungen nicht verstärkt, d. h. nicht prozyklisch wirkt.“12

Die dort erarbeiteten Konzepte im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung setzten primär an einer Verbesserung der Umlagefinanzierung an: So soll mit der sogenannten Bürgerversicherung, durch die Einbeziehung weiterer Einkunftsarten bei der Beitragsbemessung, eine Reduktion der Lohnnebenkosten erreicht werden, ohne die Verknüpfung mit dem Arbeitseinkommen vollständig aufzugeben. Die Befürworter des Kopfpauschalensystems streben hingegen die strikte Trennung von GKV und Arbeitsmarkt an.13 Die Kommission legte sich nicht abschließend auf eines der erarbeiteten Konzepte fest, sondern empfahl der Politik, „… diese gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung über die zukünftige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung rasch zu treffen und damit die Voraussetzungen für eine schrittweise, an einem Gesamtkonzept ausgerichtete Finanzierungsreform zu schaffen.“14

Aufgrund der mit den Alternativen verbundenen Verteilungswirkungen führte der Endbericht der Kommission zu einer starken Polarisierung der parteipoli___________ 11

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 23. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 146. 13 Zur konkreten Ausgestaltung der Vorschläge siehe Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 149 ff., S. 161 ff. 14 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 38. 12

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

35

tischen Landschaft. Während die SPD die Bürgerversicherung favorisierte, gab die CDU/CSU dem Kopfpauschalenmodell den Vorzug. Bei den Koalitionsverhandlungen konnte man sich auf keines der beiden Konzepte einigen. Stattdessen einigte man sich auf den Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V), welcher die Finanzierungsströme zwar neu organisiert, den Finanzierungsmodus des Status quo jedoch weitgehend unverändert lässt. Bedeutsam sind vor allem die Einführung eines Bundeszuschusses (§ 221 SGB V) sowie die zentrale Festlegung des allgemeinen Beitragssatzes (§ 241 SGB V). Der entscheidende Wettbewerbsparameter der Krankenkassen ist nun der Zusatzbeitrag bzw. die Erstattung. Aufgrund der spezifischen Ausgestaltung stellt diese Lösung jedoch einen Rückfall hinter den vor dem 1. Januar 2009 geltenden Wettbewerbsrahmen dar.15 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bringt es in seinem Jahresgutachten 2007/08 auf den Punkt: „Mit der Fonds-Lösung wurde der politische Lagerstreit zwischen den Unionsparteien, die sich für ein Pauschalprämienmodell ausgesprochen hatten, und der SPD, die ein Bürgerversicherungskonzept verfolgte, nur scheinbar überwunden. Die von der Politik letztlich verworfenen Reformmodelle, namentlich die Pauschalbeitragskonzepte, waren nicht nur durch mehr konzeptionelle Klarheit und Stringenz gekennzeichnet, etwa hinsichtlich der Abgrenzung des Versichertenkreises und der Beitragsgestaltung. Diese Konzepte gaben auch deutlich zielführendere Antworten auf die Fragen, wie die Finanzierung des Gesundheitswesens längerfristig stabilisiert und die Abgabenbelastung des Faktors Arbeit verringert werden können. Dadurch, dass diese Reformmodelle, darunter die Bürgerpauschale des Sachverständigenrates, durchweg detailliert mit quantitativen Schätzungen zu ihren Finanzierungs- und Verteilungseffekten unterlegt waren, machten sie sich jedoch politisch angreifbar. Die gefundene Fonds-Lösung ist hingegen in vielerlei Hinsicht unbestimmt und interpretationsoffen, und genau darin bestand vermutlich ihr politischer Charme. Denn mit dem Fonds lassen sich einige nur schwer umkehrbare konzeptionelle Festlegungen vermeiden oder zeitlich aufschieben. Zudem ist ein etablierter Fonds eine gute Voraussetzung, bei geänderten politischen Mehrheiten entweder sehr schnell durch den Einbezug der Privaten Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung zu gelangen oder durch eine Umwandlung der einkommensabhängigen Mitgliederbeiträge in Arbeitnehmerpauschalen das Konzept einer Gesundheitsprämie umzusetzen. Insofern gilt gerade bei der Gesundheitsreform 2007: Nach der Reform ist vor der Reform.“16

Damit ist und bleibt die Finanzierungsreform der Gesetzlichen Krankenversicherung Bestandteil der gesundheitspolitischen Agenda für die kommende Legislaturperiode. Die vorliegende Arbeit zielt jedoch nicht darauf ab, ein Votum für das eine oder andere Finanzierungskonzept abzugeben. Vielmehr soll argumentiert werden, dass beiden Konzeptionen eine wichtige Komponente fehlt: die Kapitaldeckungskomponente. ___________ 15

Siehe hierzu die Stellungnahme der Mitglieder des Ausschusses für Gesundheitsökonomie im Verein für Socialpolitik zu den „Eckpunkten zu einer Gesundheitsreform“ der Koalitionsparteien vom 4. Juli 2006 in Breyer et al. (2006), S. 515 f. 16 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2007), S. 199, Tz. 290; Hervorhebung im Original.

36

A. Gesetzliche Krankenversicherung in der Finanzierungsfalle?

Zunächst soll deshalb begründet werden, dass eine Reform zwingend notwendig erscheint. Dies ist deshalb geboten, weil die Beziehungen zwischen Bevölkerungsalterung, Morbidität und Gesundheitsausgaben keinesfalls trivial sind und ein bedeutender theoretischer Diskurs über diesen Wirkungszusammenhang bisher nicht als endgültig abgeschlossen betrachtet werden kann.17 Die in den Ergebnissen extrem voneinander abweichenden Beitragssatzprojektionen sind ein Ausdruck dieses Disputes. Bevor diese theoretische Auseinandersetzung aufgenommen und um den medizinisch-technischen Fortschritt als weiteren Einflussfaktor ergänzt wird, wird das Phänomen des demographischen Wandels näher beleuchtet. Hierbei werden insbesondere dessen Ursachen angesprochen, welche bei der anschließenden Beurteilung verschiedener Methoden der Beitragssatzprojektion von Bedeutung sind. Die unterschiedlichen Projektionsmodelle werden im Anschluss hieran simuliert. Nur auf diese Weise können die den Modellen oft implizit zugrunde gelegten Annahmen quantifiziert werden. Die großen Ergebnisunterschiede der Beitragssatzprognosen lassen sich hierdurch zum Teil erklären. Darüber hinaus soll gezeigt werden, dass auch im Falle von beachtlichen Morbiditätsverbesserungen im Zuge des Anstiegs der Lebenserwartung mit nennenswerten Beitragssatzsteigerungen zu rechnen ist, deren Höhe wiederum vom Ausmaß des medizinisch-technischen Fortschritts abhängig ist. Um aus diesem Befund Reformimplikationen für die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung abzuleiten, werden zunächst die Vorteile von kapitalfundierten Verfahren gegenüber Umlageverfahren erarbeitet und anschließend auf die Gesetzliche Krankenversicherung übertragen. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wird abschließend ein Reformmodell zur nachhaltigen GKV-Finanzierung entwickelt.

___________ 17 Zur Empirie siehe etwa Erbsland/Kronenberger (2007). Vereinzelt wird auch die Meinung vertreten, ein solcher Zusammenhang existiere überhaupt nicht. Siehe z. B. Kühn (2004).

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung Die Alterung der Bevölkerung wird als eines der zentralen Probleme für die zukünftige Finanzierung der GKV gesehen.1 Dabei stehen die direkten Wirkungszusammenhänge auf der Einnahmen- und Ausgabenseite im Vordergrund.2 Die Verbindung zur Einnahmenseite entsteht durch die konkrete Ausgestaltung der Umlagefinanzierung, da hauptsächlich die Arbeits- und Renteneinkommen zur Finanzierung herangezogen werden. Mit einer Zunahme des Anteils der Renteneinkommensbezieher sinkt die Beitragsbemessungsgrundlage und führt zu steigenden Beitragssätzen. Auch die Ausgabenseite wird berührt, da mit dem Alter die Gesundheitsausgaben ansteigen und damit ceteris paribus ebenfalls einen Beitragssatzanstieg auslösen. Neben diese direkten Zusammenhänge tritt zusätzlich die durch den Alterungsprozess ausgelöste Änderung der ökonomischen Rahmenbedingungen.3 Die Relevanz ergibt sich zum einen aus der Wirkung auf das zukünftige Wachstum, da die Bevölkerungsentwicklung das langfristige Erwerbspersonenpotential und folglich das Produktionspotential maßgeblich bestimmt.4 Der gesundheitspolitische Verteilungsspielraum wird somit bei alternder Bevölkerung eingeschränkt. Zum anderen wird die Entwicklung der Kapitalmärkte tangiert. Ältere Menschen werden ihre Ersparnisse aufbrauchen, während jüngere Menschen für ihren Ruhestand ansparen. Durch den demographischen Wandel wird der Anteil der Personen, der Ersparnisse auflöst, immer größer, während der Anteil der Sparer immer geringer wird. Da sich somit das Verhältnis von Kapitalnachfragern zu Kapitalanbietern verschiebt, wird dies eine Verminderung der Rendite von Kapitalanlagen nach sich ziehen.5 Letztgenanntes ist vor allem für die Diskussion alternativer ___________ 1

Siehe zum Beispiel Cassel/Postler (2003), S. 438 ff.; Ulrich (2005), S. 14. Ein Überblick über die hierbei auftretenden ausgabenseitigen Wirkungszusammenhänge ist zu finden in Cassel/Postler (2007), S. 580 ff. Zur Empirie siehe Postler (2003), S. 10 ff. Zum Einfluss des demographischen Wandels auf die Private Krankenversicherung siehe Beer (1995), S. 692 ff. 2 Siehe als ersten Überblick die Beiträge von Knappe/Rubart (2001); Ulrich (2001b); Ulrich (2003); Kostorz/Schnapp (2006). 3 Siehe hierzu insbesondere Deutscher Bundestag (1998); Deutscher Bundestag (2002). Für einen historischen Überblick über die Wirkungszusammenhänge siehe Buchheim (2003). 4 Siehe Birg (2001a), S. 16 ff.; Deutsche Bundesbank (2004), S. 18 ff.; Grömling (2004), S. 77 ff.; Schäfer/Seyda (2004), S. 98 ff., S. 104 ff. 5 Siehe Matthes/Römer (2004), S. 301 ff.

38

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

Finanzierungsmodelle von Bedeutung, wenn der Kapitaldeckung eine größere Rolle zukommen soll. Der Untersuchung der skizzierten Wirkungszusammenhänge wird die Analyse des demographischen Prozesses in Deutschland vorangestellt.6 Zunächst wird die historische Entwicklung der Determinanten beschrieben und zugleich demographische Grundbegriffe eingeführt.7 Daran anschließend werden die Ergebnisse gebräuchlicher Bevölkerungsvorausberechnungen dargestellt.

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006: ein Rückblick Das Phänomen des demographischen Wandels wird in vielen Ländern zu stark schrumpfenden und stark alternden Bevölkerungen führen. Dies zeigen alle neueren Bevölkerungsvorausberechnungen.8 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten 82,3 Millionen Menschen im Jahr 2006 in der Bundesrepublik Deutschland.9 Bis zum Jahr 2050 werden es trotz angenommener Nettozuwanderung von 4,4 bis 8,6 Millionen Ausländern nur noch zwischen 67 und 79,5 Millionen sein.10 Bevor die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnungen im nächsten Abschnitt genauer dargestellt werden, wird zunächst ein kurzer Überblick über die bisherige Entwicklung der deutschen Bevölkerung gegeben. Dabei wird die Entwicklung der Determinanten der Bevölkerungsentwicklung genauer analysiert, da diese im weiteren Verlauf der Arbeit noch von Bedeutung sein werden. Zudem ist die Kenntnis der Determinanten notwendig, um die bei den Bevölkerungsvorausberechnungen getroffenen Annahmen beurteilen zu können. ___________ 6 Eine Analyse der Wirkungen demographischer Prozesse auf die GKV-Finanzierung ist für die Formulierung von Reformvorschlägen unverzichtbar und darum auch Gegenstand umfangreicher Literatur. Dabei kann leicht übersehen werden, dass auch Wirkungen von der konkreten Ausgestaltung der Finanzierung auf den demographischen Bereich ausgehen können. Eine Frage, die in der Literatur bisher wenig Beachtung findet. Sollten negative Anreize von der Ausgestaltung des Finanzierungsverfahrens auf die Fertilitätsentwicklung ausgehen, ist dies bei der Formulierung von Reformvorschlägen zu beachten. 7 Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Grundlagen siehe Feichtinger (1979); Esenwein-Rothe (1982). Für die im Folgenden behandelten Maßzahlen siehe auch Lippe (1996); Mueller (2000). Immer noch lesenswert, obgleich das Zahlenmaterial schon älter ist, ist Dinkel (1984a). 8 Für eine Zusammenfassung verschiedener Prognosen siehe zum Beispiel Deutscher Bundestag (1998, 2002); Dickmann (2004). 9 Die Angaben zum Bevölkerungsstand ergeben sich aus der Fortschreibung der Ergebnisse der zuletzt durchgeführten Volkszählungen. Diese erfolgten für das frühere Bundesgebiet 1987 und für die neuen Länder 1981. Hieraus ergeben sich weitere Unsicherheiten bei den Projektionsergebnissen. 10 Vgl. Statistisches Bundesamt (2003).

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006

39

1. Determinanten der Bevölkerungsentwicklung a) Natürliche Bevölkerungsentwicklung Um einen Überblick über die Entwicklung einer Bevölkerung zu erhalten, ist es sinnvoll, sich zunächst mit Geburten und Sterbefällen auseinanderzusetzen, und dabei von Wanderungsbewegungen zu abstrahieren.11 Man konzentriert sich damit auf die Determinanten der sogenannten natürlichen Bevölkerungsentwicklung. Wie aus den Spalten 1-3 in Tabelle B-1 ersichtlich, ist die natürliche Bevölkerungsentwicklung Deutschlands, aufgrund einer die Geburtenanzahl übersteigenden Zahl von Sterbefällen, seit über 3 Jahrzehnten negativ. In diesem Fall spricht man von einer statistisch schrumpfenden Bevölkerung. Wichtig ist dieser auf absoluten Häufigkeiten beruhende Befund im Gesundheitsbereich beispielsweise bei der Bedarfsplanung. Für den internationalen Vergleich von Bevölkerungsentwicklungen ist dieser Befund jedoch unzureichend, da er nur dann sinnvoll zu Vergleichszwecken herangezogen werden kann, wenn die betrachteten Vergleichsgruppen die gleiche Größe aufweisen. Deshalb bildet man die rohe (unstandardisierte) Geburtenrate gtroh (je 1000 Personen der Gesamtbevölkerung) für eine Periode t gemäß Gleichung (1)

gtroh

Gt ˜ 1000 , Pt

sowie die rohe Sterberate mtroh gemäß Gleichung (2)

mtroh

Mt Pt

˜ 1000 .

Hierbei werden die Anzahl der Geburten Gt und die Zahl der Sterbefälle M t in Beziehung zur durchschnittlichen Bevölkerungszahl Pt der Betrach-

tungsperiode gesetzt. Die Entwicklung der rohen Geburten- sowie Sterberate ist für den Zeitraum von 1950 bis 2006 in Tabelle B-1 dargestellt.

Auch diese standardisierten Maßzahlen sind für Vergleichszwecke noch unzureichend, da sie von der zahlenmäßigen Besetzung der Altersklassen abhängig sind. Damit muss beispielsweise beim Vergleich der rohen Geburtenrate zwischen zwei Ländern die Anzahl der Frauen berücksichtigt werden, um eine ___________ 11 In der älteren demographischen Literatur wurde geraume Zeit nur die Fertilität als bedeutende Determinante der Bevölkerungsentwicklung angesehen. In der Bevölkerungswissenschaft vollzog sich erst seit 1984 ein Paradigmenwechsel. Seitdem wird auch die Bedeutung der Mortalität hervorgehoben. Die internationalen Wanderungsbewegungen, die sich in der kurzen bis mittleren Frist durchaus als bedeutend erweisen können, spielen für Langzeituntersuchungen eher eine untergeordnete Bedeutung. Vgl. Höhn (1999).

40

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

sinnvolle Aussage über die Geburtenneigung zu treffen, oder die Maßzahlen müssen durch ein Standardisierungsverfahren um die Effekte der Altersstruktur bereinigt werden. Hierzu sei im Folgenden das in der Bevölkerungswissenschaft übliche zweistufige Verfahren betrachtet. Auf der ersten Stufe werden altersspezifische Maßzahlen berechnet, die auf der zweiten Stufe addiert werden. Tabelle B-1 Natürliche Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von 1950 bis 2006

Jahr

Lebendgeborene insgesamt

Überschuss der Geborenen (+) bzw. Gestorbene insgesamt Gestorbenen (-)

Lebendgeborene je 1000 Einwohner

Überschuss der Gestorbene Geborenen (+) je 1000 bzw. Einwohner Gestorbenen (-)

[1]

[2]

[3]=[1]-[2]

[4]

[5]

[6]=[4]-[5]

1950

1.116.701

748.329

368.372

16,3

10,9

5,4

1955

1.113.408

795.938

317.470

15,8

11,3

4,5

1960

1.261.614

876.721

384.893

17,3

12,0

5,3

1965

1.325.386

907.882

417.504

17,5

12,0

5,5

1970

1.047.737

975.664

72.073

13,5

12,6

0,9

1975

782.310

989.649

-207.339

9,9

12,6

-2,6

1980

865.789

952.371

-86.582

11,0

12,1

-1,1

1985

813.803

929.649

-115.846

10,5

12,0

-1,5

1990

905.675

921.445

-15.770

11,4

11,6

-0,2

1995

765.221

884.588

-119.367

9,4

10,8

-1,5

2000

766.999

838.797

-71.798

9,3

10,2

-0,9

2005

685.795

830.227

-144.432

8,3

10,1

-1,8

2006

672.724

821.627

-148.903

8,2

10,0

-1,8

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008a), S. 30 (Tabelle 1.1.1) und S. 33 (Tabelle 1.2.1); eigene Darstellung.

Dies sei zunächst anhand der Geburtenrate verdeutlicht. Die Anzahl der Lebendgeborenen je 1000 Frauen eines bestimmten Alters Gt , x wird dabei in Beziehung zur durchschnittlichen Anzahl der Frauen Pt ,fx dieses Alters gesetzt und anschließend mit 1000 multipliziert: (3)

gt , x

Gt , x ˜ 1000 . f Pt , x

Abbildung B-1 zeigt die Verteilung der altersspezifischen Geburtenraten für das Jahr 2006.12 ___________ 12 Siehe zur Entwicklung der Verteilung der altersspezifischen Geburtenraten während des Zeitraums 1960 bis 2001 Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2004), S. 30.

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006

41

100 90

Lebendgeborene je 1000 Frauen

80 70 60 50 40 30 20 10 0 15< 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Alter

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008a), S. 52; eigene Darstellung.

Abbildung B-1: Verteilung der altersspezifischen Geburtenraten im Jahr 2006 in Deutschland

Die Summe der altersspezifischen Geburtenraten gemäß Gleichung (4) wird als zusammengefasste Geburtenziffer (engl. Total Fertility Rate; TFR) bezeichnet. (4)

TFRt

¦ gt , x

¦

Gt , x ˜ 1000 . f Pt , x

Bei Vernachlässigung der Sterblichkeit vor Ende des Reproduktionsprozesses und unter der Annahme, dass die Geburtenhäufigkeit der Beobachtungsperiode auch für die Zukunft Gültigkeit besitzt, gelangt man im Jahr 2006 für Deutschland zu der Aussage, dass 1000 Frauen über ihren Lebenszyklus 1329,2 Kinder zur Welt bringen. Abbildung B-2 zeigt die historische Entwicklung der TFR ab dem Jahr 1871. Kennzeichnend ist der anhaltende Trend einer sinkenden Geburtenrate, der temporär durch die beiden Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise verstärkt wurde (sog. „Erster demographischer Übergang“). Während es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu einem Anstieg der Geburtenrate kam (sog. „Golden Age of Marriage“), sank diese bis 1970 auf das noch heute gültige Niveau ab (sog. „Europe’s Second Demographic Transition“).13 ___________ 13 Der sogenannte Babyboom der 1950er und frühen 1960er Jahre beruht also vielmehr auf Struktur- und Timingeffekten als auf einer erhöhten Bereitschaft zur großen Familie. Siehe Höhn (1999), S. 24.

42

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

5

Deutschland Früheres Bundesgebiet DDR/Neue Bundesländer

4

3

2

1

0 1871/80 81/90

91/00 1901/10

15

25

35

45 50 55

60 65

70

75 80

85

90 95 2000 05

Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2008), S. 36.

Abbildung B-2: Zusammengefasste Geburtenziffern im Zeitraum von 1871 bis 2005 in Deutschland

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und lassen sich nicht ohne weiteres zu einer geschlossenen Theorie verdichten. Unter anderem werden der Wertewandel, die Emanzipation, der Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen, der Anstieg der Opportunitätskosten der Kindererziehung, die Einführung empfängnisverhütender Mittel sowie die zunehmend bessere Absicherung gegen elementare Lebensrisiken durch die Systeme der Sozialen Sicherung als Gründe für diese Entwicklung angeführt.14 Hinter der relativen Konstanz der zusammengefassten Geburtenziffer für Westdeutschland seit den 1970er Jahren steht ein grundlegender Wandel der Familienstrukturen. Im Zeitraum von 1935 bis 1967 vervierfachte sich der Anteil der zeitlebens kinderlosen Frauen (vgl. Abbildung B-3).15 Damit bleibt ein Drittel aller Frauen zeitlebens ohne Kinder, während zwei Drittel der weiblichen Bevölkerung mindestens ein Kind bekommen.16 Die beschriebene Entwicklung wird in der Bevölkerungswissenschaft unter dem Begriff Polarisierungsthese kontrovers diskutiert. Betrachtet man die zusammengefasste Geburtenziffer für West- und Ostdeutschland, so ist für den Zeitraum von 1955-75 ein Gleichlauf in der Ent-

___________ 14 Vgl. Birg (2000), S. 6 f. Ein Überblick über die Fertilitätsentwicklung und deren Determinanten ist zu finden in Hill/Kopp (2000). 15 Der Anteil kinderloser Frauen mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss ist in Westdeutschland inzwischen bis auf 42 v. H. angestiegen. Siehe Grünheid (2003), S. 12. 16 Siehe zur Entwicklung der Familienstrukturen auch Birg (2001b).

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006

43

100 90 80 70

Anteil

60 50 40 30 20 10 0 1935

1940

1945

1950

1955

1960

1965

1966

1967

Geburtsjahrgang der Frau Keine Kinder

Ein Kind

Zwei Kinder

Drei und mehr Kinder

Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2004), S. 25; eigene Darstellung.

Abbildung B-3: Frauen nach der Zahl der geborenen Kinder in Westdeutschland, Geburtsjahrgänge von 1935 bis 1967

wicklung festzustellen. Ab Mitte der 1970er Jahre ist jedoch eine deutliche Divergenz zwischen der Fertilitätsentwicklung in den alten und neuen Ländern zu erkennen.17 Während sich die Geburtenziffer im früheren Bundesgebiet stabilisiert hat und um einen Wert von etwa 1,4 schwankt, stieg die Geburtenziffer in der damaligen DDR zunächst – aufgrund staatlicher Fördermaßnahmen – auf 1,9 an und fiel nach der Wiedervereinigung bis Mitte der 1990er Jahre auf einen Wert von 0,77. Seitdem erfolgt ein Anpassungsprozess an die Entwicklung im früheren Bundesgebiet.18 Ähnlich wie bei der Standardisierung der Geburtenrate, wird die altersspezifische Sterberate mt , x mittels Gleichung (5)

mt , x

M t,x Pt , x

˜ 1000

___________ 17 Siehe zu den Ursachen des differenten Lebenserwartungsprozesses zwischen der DDR und der alten Bundesrepublik Wiesner (2001). 18 Siehe auch Kreyenfeld (2003).

44

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

berechnet. Die Anzahl der in der Betrachtungsperiode Verstorbenen eines bestimmten Alters M t , x wird dabei in Beziehung zur durchschnittlichen Anzahl der Personen dieses Alters Pt , x gesetzt und mit 1000 multipliziert.

Sterbewahrscheinlichkeit

Abbildung B-4 gibt einen Überblick über die altersspezifischen Mortalitätsraten gemäß der Sterbetafel 2004/2006.19 Der Verlauf der dargestellten Sterbewahrscheinlichkeiten ähnelt den für den Risikostrukturausgleich der Gesetzlichen Krankenversicherung berechneten Altersausgabenprofilen. Die Sterbewahrscheinlichkeiten der Frauen liegen unterhalb derer der Männer, folgen aber näherungsweise dem gleichen Trend. Die Wahrscheinlichkeit liegt dabei bis etwa zum 60. Lebensjahr unterhalb von 1 v. H. und erreicht erst oberhalb des 80. Lebensjahres Werte von über 10 v. H. 1,00000

1,00000

0,10000

0,10000

0,01000

0,01000

0,00100

0,00100

0,00010

0,00010

0,00001

0,00001 0

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Alter Männer

Frauen

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008c), S. 5 ff.; eigene Darstellung.

Abbildung B-4: Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten für Frauen und Männer in Deutschland, Sterbetafel 2004/2006, logarithmische Darstellung

Aufgrund besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen, gesunder Ernährung und durch Fortschritte im Gesundheitswesen ist die Lebenserwartung im Laufe des 20. Jahrhunderts stark gestiegen. Vor allem die erste Hälfte lässt sich als ___________ 19 Welchen Beitrag die Sterblichkeit zur Erklärung des Anstiegs der Gesundheitsausgaben genau leisten kann, wird in Kapitel C. dieser Arbeit ausführlich diskutiert.

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006

45

ausgeprägte Wachstumsphase identifizieren, in der die Lebenserwartung Neugeborener um 20 Jahre zunahm. Während ein im Jahr 1901 geborenes Mädchen eine Lebenserwartung von 48,3 Jahren hatte, stieg diese für die 1949 Geborenen auf 68,5 Jahre an. Für die Lebenserwartung eines neugeborenen Jungen zeigt sich die gleiche Entwicklung, jedoch auf niedrigerem Niveau: Die Lebenserwartung stieg auf 64,6 Jahre im Jahr 1949, von zuvor 44,8 Jahren. Dies ist im Wesentlichen die Folge eines Rückgangs der Säuglings- und Kindersterblichkeit. Im Verlauf der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist ebenfalls ein Anstieg der Lebenserwartung zu verzeichnen. Dieser fällt mit 10 Jahren jedoch nur halb so hoch aus, wie noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Ursachen für den geringeren Anstieg sind aber in erster Linie nicht mehr so stark die rückläufigen altersspezifischen Mortalitätsraten in jüngeren Jahren. Kennzeichnend für diese Periode ist vielmehr ein Rückgang der Alterssterblichkeit beziehungsweise ein Anstieg der fernen Lebenserwartung (vgl. Abbildung B-5).20 Ein heute lebender 60-Jähriger Mann hat im Durchschnitt noch eine Lebenserwartung von 20,6 Jahren. Dies bedeutet einen Anstieg von 4,4 (7,4) Jahren seit dem Jahr 1950 (1901). Der Anstieg der fernen Lebenserwartung bei Frauen fällt demgegenüber, mit 7 Jahren seit 1950 und 10,3 Jahren seit 1901, deutlich höher aus.21 Da die Säuglings- und Kindersterblichkeit bereits ein sehr niedriges Niveau erreicht hat, spielt die Entwicklung der fernen Lebenserwartung für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung eine größere Rolle. Mit Hilfe der bisherigen Betrachtungen lässt sich nun die Frage beantworten, ob und inwieweit das Bestandserhaltungsniveau einer Bevölkerung erreicht wird. Hierzu betrachtet man gewöhnlich nur den weiblichen Anteil der Bevölkerung. Die sogenannte Nettoreproduktionsrate NRRt kann wie folgt definiert werden: (6)

NRRt

45 f f ¦ gt , x ˜ lt , x /1000 . x 15

f

Hierbei stellt gtf, x den weiblichen Geburtenanteil und lt , x die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Frau im Alter von x Jahren dar. Das Bestandserhaltungsniveau ist dabei auf 1 normiert. Eine NRR von kleiner 1 führt dabei langfristig zu einem Rückgang der Bevölkerung, ein Wert über 1 zu einem Bevölkerungswachstum. Das zur Bestandssicherung notwendige Geburtenniveau wurde von keiner Frauengeneration, die nach 1880/81 geboren wurde, mehr er___________ 20 Siehe zum Einfluss der Wiedervereinigung auf die Lebenserwartung Hochbetagter Scholz/Maier (2003). 21 Ein Überblick zur Mortalitätsentwicklung ist zu finden in Höhn (2000). Siehe auch Sommer (2001, 2003).

46

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

26

26

24

24

22

22

20

20

18

18

16

16

14

14

Lebenserwartung (in Jahren)

Lebenserwartung (in Jahren)

reicht.22 Korrespondierend zur Nettoreproduktionsrate lässt sich die Anzahl der Kinder je Frau bestimmen, die notwendig ist, um langfristig einen Bevölkerungsrückgang zu vermeiden. Bei Außerachtlassung der Sterblichkeit sind theoretisch zwei Kinder nötig, die Vater und Mutter ersetzten. Diese theoretische Grenze ist heute mit einem den Bestand erhaltenden Niveau von 2,08 Kindern je Frau annähernd erreicht, lag jedoch in der Vergangenheit, insbesondere aufgrund der hohen Säuglings- und Kindersterblichkeit, schon bei einem Wert von 3,5.

12 12 1960/62 64/66 68/70 72/74 76/78 80/82 84/86 88/90 92/94 96/98 2000/02 04/06 Jahre Frauen

Männer

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008c), S. 402 ff.; eigene Darstellung.

Abbildung B-5: Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren zwischen 1960/62 und 2004/06 in Deutschland

Eine Bevölkerung wird als stabil bezeichnet, wenn die altersspezifischen Sterbe- und Geburtenraten konstant bleiben.23 Ein für die volkswirtschaftliche Modellbildung wichtiger Sonderfall der stabilen Bevölkerung ist die stationäre Bevölkerung.24 Sie zeichnet sich durch die Gleichheit der Zahl der Lebendgeborenen und der Zahl der Sterbefälle aus.25 Der Bevölkerungsumfang einer stationären Bevölkerung ändert sich somit nicht. ___________ 22

Dieses Ergebnis bezieht sich auf die Kohortenanalyse. Siehe die Ausführungen bei Dinkel (1992), S. 66 ff. 24 Insbesondere bei der Analyse des Umlageverfahrens. 25 Siehe Statistisches Bundesamt (2007), S. 12. 23

I. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 1871 und 2006

47

Alle bisher dargestellten demographischen Maße sind Periodenmaße. Insbesondere die aktuelle Entwicklung lässt sich damit gut erfassen. Neben der Periodenanalyse existiert die Kohortenanalyse als ein weiteres wichtiges Instrument der demographischen Analyse. Interessiert man sich zum Beispiel für das Geburtenverhalten einer bestimmten Kohorte von Müttern, so spielt der Zeitpunkt einer Geburt keine Rolle, sondern alle Geburten des Jahrgangs werden erfasst. Da für einen gegebenen Zeitpunkt bei der Kohortenanalyse ein Großteil der beobachteten Frauengeneration noch nicht am Ende ihres regenerativen Prozesses angekommen ist, sind die korrespondierenden Werte mittels Schätzungen zu bestimmen. Damit relativiert sich allerdings auch der Wert für die praktische Analyse.

b) Räumliche Bevölkerungsentwicklung Während sich im Fertilitätsverhalten und der Mortalitätsentwicklung gewisse Trendmäßigkeiten ablesen lassen, ist dies bei den Außenwanderungen nicht ohne weiteres möglich. Die Entwicklung des Saldos der Wanderungen ist in Abbildung B-6 seit 1955 dargestellt. Der Verlauf der Wanderungen von Deutschen ist dabei wesentlich stabiler als der von Ausländern. Die Stärke und die Richtung der Migrationsbewegungen hängen maßgeblich von den politischen Rahmenbedingungen ab und sind daher im Zeitablauf großen Schwankungen unterworfen. Die in der natürlichen Bevölkerungsentwicklung angelegte Alterung der Gesellschaft ist durch Zuwanderung kaum zu stoppen. Wollte man eine konstante Bevölkerungszahl sicherstellen, so würde diese pro Jahr eine Nettoeinwanderung von 344.000 Personen erfordern, eine Größe, die in Deutschland nur in wenigen Jahren erreicht wurde. Wollte man eine Konstanz des Durchschnittsalters erreichen, so müssten pro Jahr 3,62 Millionen Nettoeinwanderer nach Deutschland kommen.26 Damit wird deutlich, dass die Alterung der deutschen Bevölkerung kaum mehr zu verhindern ist. 2. Bevölkerungsumfang und Bevölkerungsstruktur Bevölkerungszahl und Altersstruktur sind Ergebnisse der im vorherigen Abschnitt diskutierten natürlichen sowie räumlichen Bevölkerungsentwicklung. Für sozialpolitische Bereiche sind insbesondere Verschiebungen der Altersstruktur von Bedeutung, die in Tabelle B-2 für den Zeitraum von 1871 bis 1995 dargestellt sind. ___________ 26 Siehe hierzu auch Dickmann (2004), S. 21 f. Um den Anstieg des Altenquotienten zu stoppen, müsste die Nettozuwanderung (von jüngeren Personen) bis zum Jahr 2050 188 Millionen betragen (United Nations 2000, S. 39). Siehe hierzu ebenfalls Birg (2001a), S. 10 f.

48

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV 1.000

800

800

600

600

400

400

200

200

0

in Tausend

in Tausend

1.000

0

-200

-200

-400

-400 1955

1960

1965

1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

Jahr Personen insgesamt

Ausländer/-innen

Deutsche

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008b), S. 75, Tabelle 3.1; eigene Darstellung.

Abbildung B-6: Saldo der Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland im Zeitraum von 1955 bis 2005

Hierbei wird deutlich, dass der Altenanteil (ab 65 Jahren) wuchs, während etwa in gleichem Umfang ein Rückgang des Jugendanteils (unter 20 Jahren) zu beobachten war. Zieht man als Maßzahl den Altersstrukturquotienten heran, der in der gängigen Definition das Verhältnis der Anzahl von Personen im Alter von über 65 Jahren zur Zahl der 20 bis 65-Jährigen Personen angibt, so nahm dieser um 179 v. H. im angegebenen Zeitraum zu.27 Tabelle B-2 stellt zudem die Entwicklung des Jugend- sowie Gesamtquotienten dar. Letzterer ergibt sich aus der Summe von Jugend- und Altenquotient.

___________ 27

An dieser Stelle sei angemerkt, dass sinnvolle ökonomische Aussagen nur dann aufgrund dieser Maßzahl getroffen werden können, wenn die demographische Relation die tatsächliche Abhängigkeit hinreichend genau wiedergibt. Also beispielsweise für die Gesetzliche Rentenversicherung dem Rentnerquotienten entspricht.

II. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 2006 und 2050

49

Tabelle B-2 Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland von 1871 bis 1995 Jahr

Anteil der jeweiligen Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung (in v. H.) 0 bis 6 bis 15 bis 20 bis 45 bis 65 und unter 6 unter 15 unter 20 unter 45 unter 65 älter

JugendAlten- Gesamtquotient1 quotient2 quotient3

1871

15,1

19,2

9,1

35,3

16,6

4,6

83,6

8,9

1880

16,2

19,2

9,3

34,6

15,8

4,7

88,7

9,3

92,5 98,0

1890

15,4

19,8

9,7

34,4

15,6

5,1

89,8

10,2

100,0

1900

15,5

19,3

9,4

35,6

15,3

4,9

86,8

9,6

96,5

1910

14,5

19,7

9,7

35,9

15,3

5

85,7

9,8

95,5

1925

11,4

14,3

10,5

38,8

19,2

5,8

62,4

10,0

72,4

1939

10

13,3

8,7

39,1

21,1

7,8

53,2

13,0

66,1

1950

7,9

15,3

7,3

34,5

25,4

9,7

50,9

16,2

67,1

1960

9,4

12,2

6,9

33,2

26,8

11,6

47,5

19,3

66,8

1970

9,1

14

6,8

34

22,2

13,8

53,2

24,6

77,8

1980

6,2

12

8,5

36

21,8

15,5

46,2

26,8

73,0

1990

6,7

9,5

5,5

38

25,4

14,9

34,2

23,5

57,7

1995 6,1 10,1 5,4 37,8 25,1 15,6 34,3 24,8 59,1 1 Personen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren bezogen auf die Bevölkerung von 25 bis unter 65 Jahren. 2

Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr bezogen auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 60 Jahren.

3

Summe aus Jugend- und Altenquotient.

Anmerkung: 1871 bis 1939 Deutschland in den jeweiligen Grenzen, ab 1959 früheres Bundesgebiet und DDR bzw. neue Länder gesamt. Quelle: Deutscher Bundestag (1998), S. 114.

II. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 2006 und 2050: ein Ausblick Demographische Entwicklungen berühren viele gesellschaftliche Bereiche. Bei der hier im Mittelpunkt stehenden Gesetzlichen Krankenversicherung resultiert die Abhängigkeit primär aus der Umlagefinanzierung. Um zukünftige Fehlentwicklungen frühzeitig identifizieren zu können, werden Berechnungen über den zukünftigen Verlauf der Bevölkerungsentwicklung benötigt. Die hierbei am häufigsten verwendete Berechnung ist die Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes, welche auch im Verlauf dieser Arbeit für die empirische Analyse demographischer Auswirkungen auf die Gesetzliche Krankenversicherung herangezogen wird. Daher werden im Folgenden kurz die Annahmen der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung, der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, skizziert und daran anschließend die Ergebnisse dargelegt.28 ___________ 28

Siehe hierzu auch Statistisches Bundesamt (2006a,b); Bomsdorf/Babel (2007).

50

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

1. Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnung Annahmen über die zukünftige natürliche Bevölkerungsentwicklung setzen plausible Grundtendenzen voraus. Das Statistische Bundesamt geht hierzu in der Basisannahme von der seit 1970 relativ konstanten Fertilitätsentwicklung aus. Für die Modellierung der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung schreibt das Statistische Bundesamt daher die konstante zusammengefasste Geburtenziffer von 1,4 fort.29 In weiteren Annahmen wird ein leichter Anstieg beziehungsweise ein leichter Rückgang der Geburtenziffer unterstellt (vgl. Tabelle B-3). 30 Tabelle B-3 Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Geburtenziffer bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Annahme G1: Annähernde Konstanz

G2: Leichter Anstieg

G3: Leichter Rückgang

Trend Fortsetzung der aktuellen altersspezifischen Entwicklung bis 2025; annähernd konstante zusammengefasste Geburtenziffer bei 1,4 Kindern je Frau bis 2050

Anstieg der zusammengefassten Geburtenziffer bis 2025 auf 1,6 Kinder je Frau, danach konstante Geburtenhäufigkeit

Rückgang der zusammengefassten Geburtenziffer auf 1,2 Kinder je Frau bis 2050

Zielwerte 2006 bis 2050: knapp 1,4 Kinder je Frau 2006 bis 2025: Anstieg von knapp 1,4 auf 1,6 Kinder je Frau; 2026 bis 2050: 1,6 Kinder je Frau 2006 bis 2050: Rückgang von knapp 1,4 auf 1,2 Kinder je Frau

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006b), S. 36; eigene Darstellung.

Aufgrund der Unsicherheiten bei den zukünftigen Migrationsprozessen werden der Modellrechnung vom Statistischen Bundesamt zwei Annahmen mit jährlichen Wanderungsgewinnen von 100.000 beziehungsweise 200.000 Personen bis zum Jahr 2050 zugrunde gelegt (vgl. Tabelle B-4). Die Annahme eines Wanderungssaldos von jährlich 100.000 Personen impliziert kumulierte Wanderungsgewinne von 4,4 Millionen Personen. Bei einem jährlichen Wanderungssaldo von 200.000 betragen diese 8,6 Millionen Personen. In der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung werden auch für die Lebenserwartung zwei Annahmen getroffen: In der Basisannahme wird von einem Anstieg der Lebenserwartung Neugeborener um 7,6 (6,5) Jahre für Männer (Frauen) und von einem Anstieg der fernen Lebenserwartung im Alter von ___________ 29 Die Ansicht, dass die zusammengefasste Geburtenziffer in naher Zukunft keinen Anstieg erfährt, wird auch von Herwig Birg vertreten. Siehe Birg (2000), S. 8. 30 Siehe auch die (Bevölkerungs-)Vorausberechnungen bei United Nations (1998) und Bomsdorf/Babel (2005), welche ebenfalls von einem Anstieg der Geburtenrate ausgehen.

II. Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zwischen 2006 und 2050

51

60 um 5,3 (5,0) Jahre für Männer (Frauen) ausgegangen. In der zweiten Annahme wird ein Anstieg der Lebenserwartung Neugeborener um 9,5 (8,3) Jahre für Männer (Frauen) und ein Anstieg der fernen Lebenserwartung im Alter von 60 um 7,2 (6,8) Jahre für Männer (Frauen) unterstellt (vgl. Tabelle B-5). Tabelle B-4 Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Außenwanderungen bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Annahme

jährlicher Wanderungsüberschuss

W1: Wanderungssaldo 100.000

W2: Wanderungssaldo 200.000

2006: 2007: 2008 bis 2050: 2006: 2007: 2008: 2009: 2010 bis 2050:

50.000 75.000 100.000 50.000 75.000 100.000 150.000 200.000

kumulierte Wanderungsgewinne bis zum Jahr 2050 4.425.000

8.575.000

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006b), S. 52; eigene Darstellung.

Tabelle B-5 Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Lebenserwartung bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes Lebenserwartung bei Geburt Männer Frauen Ferne Lebenserwartung im Alter 60 Männer Frauen

2002/2004

2050 Basisannahme (L1)

75,9 81,5

83,5 88,0

2002/2004

2050 Basisannahme (L1)

20,0 24,1

25,3 29,1

2050 Annahme mit hohem Anstieg (L2) 85,4 89,8 2050 Annahme mit hohem Anstieg (L2) 27,2 30,9

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006b), S. 42; eigene Darstellung.

Aus den Annahmen zur Geburtenziffer, zur Lebenserwartung und zu den Wanderungen lassen sich verschiedene Varianten berechnen (vgl. Tabelle B-6). Den hieraus resultierenden Ergebnissen wendet sich der folgende Abschnitt zu. 2. Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung Nach den Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes werden sich sowohl die Bevölkerungsstruktur als auch der Bevölkerungsumfang in den nächsten Jahrzehnten bedeutend verändern.

52

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

Tabelle B-6 Übersicht der Varianten der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes jährlicher Wanderungssaldo bis zum Jahr 2050: 100.000 Personen (W1)

annähernd konstant 1,4 (G1)

Geburtenhäufigkeit leicht steigend, ab 2025: 1,6 (G2)

leicht fallend, bis 2050 auf 1,2 (G3)

Lebenserwartung Neugeborener im Jahr 2050 männlich: 83,5 weiblich: 88,0

(L1)

Variante 1-W1 (Untergrenze der mittleren Bevölkerung)

Variante 3-W1

Variante 5-W1 (niedrigster Bevölkerungsumfang)

männlich: 85,4 weiblich: 89,8

(L2)

Variante 2-W1

Variante 4-W1

Variante 6-W1 (relativ alte Bevölkerung)

annähernd konstant 1,4 (G1)

Geburtenhäufigkeit leicht steigend, ab 2025: 1,6 (G2)

jährlicher Wanderungssaldo bis zum Jahr 2050: 200.000 Personen (W2)

leicht fallend, bis 2050 auf 1,2 (G3)

Lebenserwartung Neugeborener im Jahr 2050 männlich: 83,5 weiblich: 88,0

(L1)

Variante 1-W2 (Obergrenze der mittleren Bevölkerung)

männlich: 85,4 weiblich: 89,8

(L2)

Variante 2-W2

Variante 3-W2 (relativ junge Bevölkerung) Variante 4-W2 (höchster Bevölkerungsumfang)

Variante 5-W2

Variante 6-W2

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006b), S. 55; eigene Darstellung.

In Abbildung B-7 ist die Bandbreite für den zukünftigen Bevölkerungsumfang bis zum Jahr 2050 dargestellt. Der Bevölkerungsumfang wird sich dabei in der Variante 5-W1 von heute 82,3 Millionen Personen auf 76,5 Millionen Personen im Jahr 2030 und bis zum Jahr 2050 auf 67 Millionen Personen reduzieren. Der Bevölkerungsrückgang beträgt damit 18,6 v. H. In der Variante 4-W2 steigt der Bevölkerungsumfang bis zum Jahr 2022 noch leicht an und fällt dann bis zum Jahr 2050 auf 79,5 Millionen Personen und liegt damit um knapp 3 Millionen Personen unter dem Ausgangsniveau. Der Rückgang beträgt somit in dieser Variante lediglich 3,4 v. H. In den mittleren Varianten nimmt die Bevölkerungszahl auf 74 Millionen (Variante 1-W2) und 68,8 Millionen (Variante 1-W1) ab. Der Rückgang der deutschen Bevölkerung kann somit nach den mittleren Varianten zwischen 10,1 v. H. und 16,4 v. H. liegen. Die zukünftige Altersstruktur wird, gemessen an der Zahl der 60-Jährigen und Älteren zur Zahl der Personen von 20 bis unter 60 Jahren (Altenquotient), starken Veränderungen unterliegen. Der Altenquotient 60, welcher im Jahr 2006 45,2 betrug, steigt nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung auf 75,1 bis 80,8 im Jahr 2030 (vgl. Abbildung B-8). Dies entspricht einer Steigerung um 66,2 v. H. bis 78,8 v. H. Im Jahr 2050 liegen die Werte für den

III. Zusammenfassung

53

85

85

80

80

75

75

70

70

65

in Millionen

in Millionen

Altenquotient zwischen 81,7 v. H. und 99,2 v. H.; im letztgenannten Fall hat sich der Altenquotient damit verdoppelt.31

65 2006 08 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 2050

Jahre Variante 4-W2

Variante 1-W2

Variante 5-W1

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Darstellung.

Abbildung B-7: Entwicklung des Bevölkerungsstandes in Deutschland bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes

III. Zusammenfassung Bevölkerungsvorausberechnungen sind wie andere Aussagen, welche die Zukunft betreffen, mit Unsicherheiten behaftet. Dennoch wohnt der Bevölkerungsentwicklung in gewissem Umfang eine Eigendynamik inne, die auch als Phänomen der demographischen Trägheit bezeichnet wird.32 Die Eigendynamik resultiert hierbei daraus, dass eine einmalige Senkung der Geburtenrate zu einer weiteren Reduktion der Geburten führt, da die Zahl der potentiellen Eltern ___________ 31 Der Anstieg des Anteils älterer Menschen wird auch in probabilistischen Bevölkerungsprognosen als wahrscheinlich angesehen. Die langsame Bevölkerungsalterung der 1980er und 1990er Jahre ist auf einen kriegsbedingten Struktureffekt zurückzuführen. Die demographische Alterung wird sich in den nächsten Jahren deutlich beschleunigen, siehe Höhn (1999), S. 22, S. 26. 32 Vgl. Birg (2000), S. 6.

54

B. Demographische Grundlagen der Beitragssatzentwicklung in der GKV

durch den ursprünglichen Effekt gesunken ist.33 Ungeachtet der Abweichungen der Ergebnisse in den einzelnen Bevölkerungsvarianten lässt sich daher festhalten, dass durch den doppelten Alterungsprozess erhebliche Veränderungen auf Umfang und Struktur der deutschen Bevölkerung unmittelbar bevorstehen.34 Diese Veränderungen sind unter realistischen Annahmen für die nächste Zukunft nicht umkehrbar. 110

110

100

100

90

90

80

80

70

70

60

60

50

50

40

40 2006 08 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 2050 Jahre Variante 6-W1

Variante 1-W1

Variante 3-W2

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Darstellung.

Abbildung B-8: Entwicklung des Altenquotienten mit Altersgrenze 60 Jahre in Deutschland bis zum Jahr 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes

Bei der empirischen Analyse demographischer Effekte auf die Gesetzliche Krankenversicherung steht die Abschätzung der zukünftigen finanziellen Belastung der GKV im Vordergrund. Zur Abschätzung der absoluten Belastung ist ___________ 33

So äußert beispielsweise der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, dass die Zuverlässigkeit von demographischen Projektionen besser sei, als bei verschiedenen ökonomischen und medizinischen Determinanten der zukünftigen Beitragssatzentwicklung. Siehe hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005). Siehe ebenfalls Birg (2004), S. 81 ff. 34 Anhaltspunkte zur Beurteilung der Qualität beziehungsweise Güte der Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes finden sich bei Bretz (2001). Hier werden die tatsächliche Entwicklung den Ergebnissen der Vorausberechnung gegenübergestellt und die Ursachen analysiert, die zu einer Abweichung führten. Zu Grundlagen und Problemen von Bevölkerungsvorausberechnungen siehe Bretz (1986, 2000).

III. Zusammenfassung

55

insbesondere die Entwicklung des Bevölkerungsumfangs entscheidend, während für die relative Belastung (zum Beispiel Pro-Kopf-Ausgaben und Beitragssatz) die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur bedeutsamer ist. Um die Auswirkungen der Alterung zu simulieren, ist die Verwendung von Szenarien sinnvoll, welche die Bandbreite der möglichen Entwicklung angeben. Aus den 12 Varianten der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung sind daher die diesbezüglich relevanten auszuwählen. Für die absoluten Belastungen sind dies die in Abbildung B-7 dargestellten Varianten 4-W2, 1-W2 und 5-W1. Für die relativen Belastungen sind dies die in Abbildung B-8 dargestellten Varianten 6-W1, 1-W1 und 3-W2.

Habe nun, ach! Philosophie Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor. Goethe, Faust I

C. Eine theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung Die Diskussion um die zukünftige Beitragssatzentwicklung in der GKV verläuft kontrovers, obgleich über die wesentlichen Determinanten in der Literatur weitgehend Einigkeit besteht. Zum einen wird die Bevölkerungsalterung als zentrale Herausforderung gesehen, da Gesundheitsausgaben und Alter positiv korreliert sind und zu einer verstärkten Nachfrage nach Gesundheitsleistungen führen können. Zum anderen wird der medizinisch-technische Fortschritt als weitere bedeutsame Herausforderung betrachtet, da dieser nach allgemeiner Erwartung insbesondere in teuren Produktinnovationen zum Ausdruck kommt.1 Auch wenn beide Größen für sich genommen bereits zu nicht unbeachtlichen Beitragssatzanstiegen führen können, wird das eigentliche „Drama“ im Zusammenwirken der beiden Faktoren gesehen.2 Ungeachtet dieser weitgehenden Übereinstimmung, stehen sich die Ergebnisse von Beitragssatzprognosen, mit teilweise über zwanzig Prozentpunkten Differenz für das Jahr 2050, unversöhnlich gegenüber. Die hierin zum Ausdruck kommende Unsicherheit resultiert einerseits aus unterschiedlichen Erklärungsansätzen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Alter und Gesundheitsausgaben, die sich aus voneinander abweichenden Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Morbiditätsentwicklung sowie der Berücksichtigung von Sterbekosten ergeben. Andererseits resultiert die Unsicherheit aus unterschiedlichen Annahmen über die Wirkung des technischen Fortschritts in der Medizin auf die Gesundheitsausgaben. ___________ 1 Siehe Newhouse (1977, 1992); Okunade/Murthy (2002); Wille (2004); Breyer/Felder (2006). 2 Stellvertretend sei auf Beske/Drabinski verwiesen, die von einer dramatischen Ausgabenentwicklung sprechen, wenn der Einfluss des medizinisch-technischen Fortschritts auf die Ausgaben berücksichtigt wird (siehe Beske/Drabinski 2005, S. 28). Siehe auch Knappe (2000), S. 529; Knappe/Optendrenk (2000), S. 26.

I. Bevölkerungsalterung, medizinisch-technischer Fortschritt und Beitragssatz

57

Die beschriebene Divergenz der Projektionsergebnisse unterstreicht die Notwendigkeit, die Problematik grundsätzlicher anzugehen. Dies gilt umso mehr, als die vorliegenden Status-quo-Analysen einen gesundheitspolitischen Handlungsbedarf begründen sollen, der angesichts der angesprochenen Ergebnissowie Methodenvielfalt nicht notwendigerweise gegeben scheint. Aus diesem Grunde werden in dieser Arbeit nicht lediglich Modellergebnisse präsentiert, sondern Projektionsverfahren theoretisch und empirisch analysiert. Dies soll den politischen Entscheidungsträger in die Lage versetzen, die verschiedenen Modellergebnisse besser beurteilen zu können. Einleitend wird ein Überblick über die theoretische und empirische Literatur zum Zusammenhang zwischen Alter, Morbidität und Gesundheitsausgaben gegeben.3 Darüber hinaus werden die gängigen Prognoseverfahren dargestellt und deren theoretische Unterschiede herausgearbeitet. Hierzu sei zunächst ein Grundmodell betrachtet, mit dem wesentliche Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf den Beitragssatz dargestellt werden können. Anschließend wird das Grundmodell auf der Ausgabenseite erweitert, um die Bedeutung der Sterbekosten für die Projektion von Gesundheitsausgaben aufzuzeigen.4 Dieser erweiterte Analyserahmen bildet gleichzeitig die Grundlage für die in Kapitel D. zu bestimmenden Ausgaben- und Beitragssatzeffekte.

I. Bevölkerungsalterung, medizinisch-technischer Fortschritt und Beitragssatz: das Grundmodell Beitragssatzwirkungen des demographischen Wandels lassen sich in einem Zwei-Perioden-Modell überlappender Generationen bereits gut darstellen.5 Die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben seien in diesem elementaren Modell zunächst für alle Generationen identisch und betragen in der Erwerbsphase c1 und in der Ruhestandsphase c2, wobei (7)

c1  c2

gilt. Ein Anteil Ȝt der Erwerbsbevölkerung Nt sei Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung, ebenso ein Anteil Ȝt-1 der Personen im Ruhestand Nt-1. Daraus ergibt sich das von der GKV zu finanzierende Ausgabenvolumen At als ___________ 3 Einen knappen Überblick über die Determinanten bietet zum Beispiel Fetzer (2005). Für die folgenden Ausführungen vgl. Cassel/Postler (2007). 4 Siehe zum Begriff der Sterbekosten den Abschnitt „Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben“ in diesem Kapitel. 5 Siehe hierzu auch das Modell von Felder/Kifmann (2004).

58

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

(8)

At

c1 ˜ Ot ˜ N t  c2 ˜ Ot 1 ˜ N t 1 .

Die Beitragsbemessungsgrundlage BBGt bestehe aus dem Arbeitseinkommen w1 der Erwerbstätigen und aus den Rentenbezügen w1 ˜ U t der Ruheständler, die sich über das Rentenniveau U t aus dem Arbeitseinkommen ergeben:6 (9)

BBGt

w1 ˜ Ot ˜ N t  w1 ˜ U t ˜ Ot 1 ˜ N t 1 .

Das Budgetgleichgewicht für das in der GKV praktizierte Umlageverfahren lautet somit (10)

bt ( w1 ˜ lt ˜ N t ˜ w1 ˜ rt ˜ lt -1 ˜ N t -1 )

c1 ˜ lt ˜ N t  c2 ˜ lt -1 ˜ N t -1 ,

und der die Ausgaben deckende Beitragssatz bt kann gemäß Gleichung (11)

bt

c1 ˜ lt ˜ N t  c2 ˜ lt -1 ˜ N t -1 w1 ˜ lt ˜ N t  w1 ˜ rt ˜ lt -1 ˜ N t -1

berechnet werden.7 Durch Umformung lässt sich die Beitragssatzgleichung in die folgende Form überführen:8 c O N 1  2 ˜ t 1 ˜ t 1 c1 c1 Ot Nt . (12) ˜ bt w1 Ot 1 N t 1 1  Ut ˜ ˜ Ot N t c

Mit der Ausgabenrelation ar

t

rqt

2 c 1

und dem GKV-Rentnerquotienten

Ot 1 N t 1 lässt sich die Beitragssatzbestimmungsgleichung als ˜ Ot Nt

(13)

bt

c1 1  art ˜ rqt ˜ w1 1  U t ˜ rqt

___________ 6 Auf die explizite Berücksichtigung der beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen sowie von (Bundes-)Zuschüssen und Rücklagen wird im Grundmodell verzichtet. 7 Siehe hierzu auch Oberdieck (1998). Vgl. zu der im Folgenden formalen Darstellung sowie zur Quantifizierung der Effekte Postler (2003). 8 Siehe hierzu auch Schmähl (1986).

I. Bevölkerungsalterung, medizinisch-technischer Fortschritt und Beitragssatz

59

darstellen. Eine Änderung des Beitragssatzes hängt gemäß (13) von zwei Faktoren ab: c Der erste Faktor der Beitragssatzgleichung ( 1 ), welcher im Folgenden

1.

w1

als Äquivalenzfaktor bezeichnet wird, stellt aus Sicht eines Erwerbstätigen einen beitragsäquivalent kalkulierten Beitragssatz dar; die Beitragseinnahmen eines Erwerbstätigen decken gerade die von ihm selbst verursachten Gesundheitsausgaben.9 Steigen die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben der Erwerbstätigen schneller als die beitragspflichtigen Einkommen pro Kopf, dann steigt ceteris paribus auch der Beitragssatz. 2.

Der zweite Faktor (

1  art ˜ rqt 1  U t ˜ rqt

), hier als intergenerativer Solidarfaktor be-

zeichnet, beschreibt den intergenerativen Solidaritätsgrad zwischen Erwerbstätigen und Rentnern, wobei dieser unter der Bedingung art ! U t größer als eins ist. Dies ist aufgrund der Annahmen c1  c2 und U t  1 erfüllt. Hierin kommt das für die GKV konstitutive Solidarprinzip zum Ausdruck, nach dem die jeweils erwerbstätige Generation einen Teil der Ausgaben ihrer „Elterngeneration“ mitfinanziert. Der Faktor steigt und damit ceteris paribus auch der Beitragssatz, falls die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben der Rentner stärker als die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben der Aktiven steigen ( c2 nn! c1 n ), das Rentenniveau sinkt ( U p ) oder der Rentnerquotient ( rq n ) steigt. Letzteres gilt, da die Bedingung art ! U t erfüllt ist. Die Beitragssatzwirkung einer Erhöhung des Rentnerquotienten ( rq n ) wird damit umso größer sein, je höher die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben eines Rentners im Verhältnis zu denen eines c Erwerbstätigen sind ( 2 n ) und je niedriger die Pro-Kopf-Rente im Verc1

hältnis zum Arbeitseinkommen ist ( U t p ). Ein numerisches Beispiel verdeutlicht die Bedeutung des intergenerativen Solidarfaktors in Gleichung (13): Ausgangspunkt ist das in Tabelle C-1 aufge___________ Die Gesundheitsausgaben c1 können auch als durchschnittliche Gesundheitsausgaben der Erwerbstätigen interpretiert werden. Der Äquivalenzfaktor darf in diesem Falle nicht als individuell äquivalent kalkulierter Beitragssatz angesehen werden. Er bezieht sich nur auf einen für die Gruppe der Erwerbstätigen äquivalent kalkulierten Beitragssatz. Innerhalb dieser Gruppe finden die Umverteilungswirkungen, wie etwa der Einkommensausgleich oder der Geschlechterausgleich, weiterhin statt. 9

60

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

führte Basisszenario, welches die Situation der GKV im Jahr 2000 hinreichend genau wiedergibt (vgl. Tabelle C-2). Eine alleinige Erhöhung des Rentnerquotienten von 43 v. H. auf 81 v. H. führt zu einem Anstieg des Solidarfaktors von 1,47 auf 1,76 und damit zu einer Zunahme des Beitragssatzes von 13,1 v. H. auf 15,7 v. H. in Szenario I. Nimmt das Rentenniveau zusätzlich ab und/oder die Ausgabenrelation zu (Szenarien II.-IV.), so wird die multiplikative Wirkung des intergenerativen Solidarfaktors gegenüber Szenario I. verstärkt. Tabelle C-1 Numerische Beispielszenarien im Grundmodell Szenario

Parameter des Grundmodells

Beschreibung c1

c2

w1

ȡ

rq

Euro Basis

1940

ar

v. H.

3694

21691

55

43

19

I.

rqĹ

1940

3694

21691

55

81

19

II.

ȡĻ, rqĹ

1940

3694

21691

48

81

19

III.

arĹ, rqĹ

1940

9789

21691

55

81

50

IV.

ȡĻ, arĹ, rqĹ

1940

9789

21691

48

81

50

Quelle: In Anlehnung an Postler (2003), S. 10; Cassel/Postler (2003), S. 439.

Tabelle C-2 Beitragssatzwirkungen von Parameteränderungen im Grundmodell Szenario

Solidarfaktor

Äquivalenzfaktor

Beitragssatz

Zähler

Nenner

Gesamt

v. H.

v. H.

Basis

8,9

1,81

1,23

1,47

13,1

I.

8,9

2,54

1,44

1,76

15,7 16,4

II.

8,9

2,54

1,39

1,83

III.

8,9

5,08

1,44

3,52

31,5

IV.

8,9

5,08

1,39

3,66

32,7

Quelle: Eigene Berechnungen.

Das gewählte Beispiel illustriert zugleich die Vorgehensweise bei der Projektion demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung. Wird ausschließlich der Rentnerquotient erhöht, wie in Szenario I. angenommen, so wird hierunter üblicherweise die rein demographische Beitragssatzentwicklung verstanden (vgl. hierzu ebenfalls Tabelle C-3). Auch Szenario II. fällt unter die rein demographische

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

61

Analyse, falls die Änderung des Rentenniveaus ausschließlich auf demographische Faktoren zurückgeführt werden kann. Die Untersuchung medizinischtechnischer Effekte erfolgt im Grundmodell durch Variationen der Ausgabenrelation, wie sie in Szenarien III. und IV. unterstellt wurden.10 Um zu einer genaueren Analyse demographischer Effekte überzugehen, wird das Grundmodell im weiteren Verlauf des Kapitels ausdifferenziert. Tabelle C-3 Demographischer Gesamteffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050 Jahr

beitragspflichtige Einkommen

2000

958,2

Ausgaben

Milliarden Euro

126,0

Beitragssatz

kumulierter Anstieg

v. H.

Beitragssatzpunkte

13,1

2010

972,5

130,4

13,4

0,3

2020

1.006,1

140,9

14,0

0,9

2030

1.092,0

167,6

15,3

2,2

2040

1.092,4

167,7

15,4

2,2

2050

1.120,0

176,3

15,7

2,6

Quelle: Eigene Berechnungen.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte Im Folgenden werden Effekte der Bevölkerungsalterung diskutiert, die über die Ausgaben- und Finanzierungsseite die zukünftige Beitragssatzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen. Den Anfang und Schwerpunkt dieses Abschnitts bildet der demographische Ausgabeneffekt. Zwei Zusammenhänge sind hierbei grundlegend: die Bedeutung der Sterbekosten für die Gesundheitsausgaben sowie die Beziehung zwischen sinkender Mortalität, Morbidität und dem Wachstum der Gesundheitsausgaben. Im Nachfolgenden wird ebenfalls die Rolle des demographischen Finanzierungseffekts für die zukünftige Beitragssatzentwicklung erörtert.

___________ 10 Siehe hierzu Rürup (1986); Roppel (1987); Knappe (1995); Knappe/Rubart (2001); Postler (2003); Rürup (2007).

62

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

1. Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben

a) Sterbekosten und Gesundheitsausgaben aa) Kausalitätsbeziehungen Der demographische Ausgabeneffekt beschreibt ausgabenseitige Beitragssatzsteigerungen, die sich durch die Veränderung der Altersstruktur ergeben. Dies sei am Grundmodell verdeutlicht: Hierzu werden hypothetische Beitragssätze unter der Annahme berechnet, dass alle GKV-Mitglieder über die gleichen beitragspflichtigen Einkommen verfügen. Die hieraus folgende Zunahme des hypothetischen Beitragssatzes um 1,2 Prozentpunkte bis zum Jahr 2050 stellt daher nur die durch die Bevölkerungsalterung ausgelöste ausgabenseitige Beitragssatzsteigerung dar (vgl. Tabelle C-4). Gemessen am demographischen Gesamteffekt von 2,6 Prozentpunkten beträgt diese 46,2 v. H.11 Tabelle C-4 Demographischer Ausgabeneffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050 Jahr

beitragspflichtige Einkommen ohne Finanzierungseffekt1

Ausgaben mit hypothetischer demographischem Beitragssatz3 Ausgabeneffekt2

Milliarden Euro 2000 2010 2020 2030 2040 2050

1.108,4 1.134,5 1.195,9 1.352,7 1.353,5 1.404,0

126,0 130,4 140,9 167,6 167,7 176,3

Anstieg des hypothetischen Beitragssatzes

Beitragssatz mit demographischem Ausgabeneffekt4

v. H.

Beitragssatzpunkte

v. H.

11,4 11,5 11,8 12,4 12,4 12,6

0,1 0,3 0,6 0,0 0,2

13,1 13,3 13,6 14,2 14,2 14,3

1

Beitragspflichtige Einkommen aller Mitglieder betragen 21.691 Euro (w1)

2

Ausgaben der Erwerbstätigen belaufen sich auf 1.940 Euro (c1), die Ausgaben der Rentner auf 3.694 Euro (c2)

3

Ausgaben mit demographischem Ausgabeneffekt dividiert durch beitragspflichtige Einkommen ohne demographischem Finanzierungseffekt 4

Beitragssatz des Basisjahres 2000 (13,1 v. H.) zuzüglich des Anstiegs des hypothetischen Beitragssatzes

Quelle: Eigene Berechnungen.

___________ 11 Die Ausgabendifferenz beziehungsweise Ausgabenrelation zwischen Erwerbstätigen und Rentnern ist von zahlreichen Einflussfaktoren, unter anderem auch dem medizinisch-technischen Fortschritt, abhängig. Diese Ausgabenursachen gehen daher implizit in die Analyse des demographischen Ausgaben- und Gesamteffekts mit ein. Die ausgewiesenen Werte (vgl. z. B. Oberdieck 1998) sind daher mit Sorgfalt zu interpretieren.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

63

Die Erfassung der Ausgaben in zwei Klassen, einerseits der sogenannten Allgemeinen Krankenversicherung (AKV) und andererseits der sogenannten Krankenversicherung der Rentner (KVdR), wurde mit der Einführung des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der GKV überwunden, da für das Ausgleichsverfahren nach Alter und Geschlecht differenzierte Ausgabenprofile benötigt werden.12 Da die Menge der Altersklassen im RSA durch AK ^0,1, 2,! , 90` definiert ist, wird eine wesentlich genauere Bestimmung der zukünftigen Ausgabenentwicklung möglich, als dieses im Rahmen des Zwei-Klassen-Modells der Fall ist. In Abbildung C-1 ist für das Jahr 2006 exemplarisch ein altersspezifisches Ausgabenteilprofil nach Männern und Frauen getrennt dargestellt.13 Hierbei zeigt sich insbesondere in höheren Altersklassen eine positive Korrelation zwischen Alter und Gesundheitsausgaben. Die Ausgaben für 58-Jährige Männer und Frauen entsprachen im betrachteten Jahr dem Querschnitt der Versicherten. Für 74-Jährige Männer beziehungsweise 78-Jährige Frauen waren die Ausgaben doppelt so hoch, während bei den 85-Jährigen Männern zweieinhalbmal so hohe Ausgaben anfielen. 3

3

2,5

2,5

2

2

1,5

1,5

1

1

0,5

0,5

0

0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter

Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung C-1: Ausgabenprofile des Risikostrukturausgleichs im Jahr 2006 im Verhältnis zu den durchschnittlichen Ausgaben

___________ 12

Zu den ersten Schätzungen der GKV-Ausgabenprofile siehe Reschke/Jacobs (1994). Eine Erläuterung der RSA-Systematik bei der Datenerfassung erfolgt in Kapitel D. unter Datengrundlagen (Abschnitt D.I.1.a)aa). 13

64

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Um die Auswirkung auf die Ausgaben der GKV, die durch die Änderung der Altersstruktur ausgelöst wird, besser zu erfassen, ist Gleichung (8) wie folgt zu modifizieren: (14)

At

g g g ¦ ¦ ci ,t ˜ Oi ,t ˜ N i ,t , mit g^0,1` iAK

g N i ,t

Anzahl der Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t,

g Oi ,t g ci ,t g

Anteil der GKV zugehörigen Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t, Ausgaben in Altersklasse i zum Zeitpunkt t, sowie Geschlecht (0 = männlich, 1 = weiblich).

Gleichung (14) wird in der Literatur üblicherweise verwendet, um die zukünftigen Gesundheitsausgaben zu schätzen. Dazu werden alle Größen, außer der Anzahl der Personen in den Altersklassen ( N ig,t ) , die aufgrund der Bevölkerungsvorausschätzung bestimmt werden, konstant gehalten. Diese Vorgehensweise wird im Folgenden als „Standardansatz“ bezeichnet. In der Literatur finden sich auch die synonymen Begriffe „Status-quo-Prognose“, „naive Prognose“ und „Kompensationshypothese“. Wird der Zusammenhang zwischen Alter und Gesundheitsausgaben als Kausalbeziehung interpretiert – oder anders ausgedrückt, ist das chronologische Alter für die Höhe der Gesundheitsausgaben ausschlaggebend, so kann hierin eine Herausforderung für die zukünftige Finanzierung der GKV gesehen werden. Dies deshalb, weil im Verlauf des demographischen Wandels hohe und damit im Querschnitt zunehmend ausgabenstarke Altersklassen absolut und relativ stark besetzt sein werden, wodurch die Pro-Kopf-Ausgaben der Versichertenpopulation – und damit der Beitragssatz – ansteigen.14 Diese intuitiv plausible Interpretationsmöglichkeit wurde zuerst von Victor R. Fuchs abgelehnt.15 Er kritisiert die Einseitigkeit der Erklärung durch das Alter an sich und bietet stattdessen folgende Erklärung an: „Health care spending among the elderly is not so much a function of time since birth as it is a function of time to death. The principal reason why expenditures rise with age in cross-section (among persons aged 65 and over) is that the proportion of persons near death increases with age. Expenditures are particularly large in the last year of life, and, to a lesser extent, in the next-to-last-year life.“16

___________ 14 Siehe für eine entsprechende Argumentation Polder et al. (2002). Siehe zur Empirie zwischen Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben in den OECD-Ländern zum Beispiel O‘Connell (1996). 15 Siehe Fuchs (1984). 16 Fuchs (1984), S. 151 f.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

65

Damit wäre die Nähe zum Tode, nicht aber das chronologische Alter für den Anstieg der Gesundheitsausgaben verantwortlich. Ein Gedankenexperiment soll dies verdeutlichen: Angenommen, die Versicherten hätten über ihren gesamten Lebenszyklus Gesundheitsausgaben von null. Nur im Jahr vor dem Tode sind die Ausgaben – dies sind die sogenannten Sterbekosten – positiv. Da in den unteren Altersklassen nur wenige Personen versterben, sind dort die Gesundheitsausgaben gering. In den höheren Altersklassen versterben hingegen viele Menschen, so dass entsprechend oft Sterbekosten anfallen. Damit erhält das Ausgabenprofil die Gestalt, die aus diversen Abbildungen bekannt ist.17 Die positive Korrelation zwischen dem chronologischen Alter und den Gesundheitsausgaben ist in diesem einfachen Beispiel eine bloße Scheinkorrelation, da das chronologische Alter überhaupt keine Erklärungskraft besitzt. Die Nähe zum Tode ist die einzige relevante Variable, weshalb man auch vom „Restlebenszeiteffekt“ spricht. Schätzansätze, die diesen Zusammenhang nicht abbilden, sind somit falsch spezifiziert.18 Nun kann in der Realität nicht davon ausgegangen werden, dass die Ausgaben im Verlauf des Lebenszyklus null betragen. Jedoch sind sie um ein Vielfaches niedriger, als die Sterbekosten, wie im Folgenden gezeigt wird. Dies wird dadurch erklärt, dass der Zeitpunkt des Todes nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Somit werde alles Menschenmögliche getan, um den bevorstehenden Tod noch einmal abzuwenden. Hierbei spielt auch die zur Anwendung kommende kostspielige Technik in der Medizin eine wesentliche Rolle.19

bb) Empirische Evidenz Dieser von Victor R. Fuchs frühzeitig formulierte Erklärungsansatz ist von vielen Autoren aufgegriffen und für verschiedene Länder getestet worden. Wesentliche Ergebnisse seien im Folgenden kurz dargelegt:20 ___________ 17 Dies wird unmittelbar klar, wenn man sich den Verlauf der altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten aus Abbildung B-4 in Erinnerung ruft, der eine gravierende Ähnlichkeit zum in Abbildung C-1 dargestellten Ausgabenprofil aufweist. 18 Ähnlich auch Werblow/Felder/Zweifel (2007). 19 Auch im Todesfalle ist die Verteilung der Gesundheitsausgaben sehr asymmetrisch. So zeigen zum Beispiel Beck/Käser-Meier anhand einer Stichprobe von 14.944 Todesfällen einer Krankenversicherung aus der Schweiz, dass mindestens jeder Zehnte einen plötzlichen Tod ohne medizinische Behandlung stirbt. Vgl. Beck/Käser-Meier (2003), S. 25. 20 Siehe darüber hinaus auch die empirischen Studien von Lubitz/Prihoda (1984); Lubitz/Beebe/Baker (1995); Zweifel/Felder/Meier (1999); Felder/Meier/Schmitt (2000); Spillman/Lubitz (2000); Beck/Käser-Meier (2003); Yang/Norton/Stearns (2003); Schulz/ Leidl/König (2004); Seshamani/Gray (2004a,b); Stearns/Norton (2004); Zweifel/Felder/Werblow (2004).

66

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Lubitz/Riley untersuchen für die amerikanischen Medicare-Versicherten die Veränderung der Ausgabenanteile von 65-Jährigen und älteren Personen in ihrem letzten Lebensjahr.21 Dabei stellen sie während der vier Untersuchungsjahre 1976, 1980, 1985 und 1988 fest, dass die Ausgaben für Versterbende – die zwischen 5,1 v. H. und 5,4 v. H. aller Patienten ausmachten – in v. H. der Medicare-Gesamtausgaben, mit 27,2 bis 30,6, nur geringfügigen Schwankungen unterlagen. 60 v. H. der Medicare-Ausgaben für Patienten in ihrem letzten Lebensjahr fielen auf das letzte Quartal unmittelbar vor dem Tod. Von den Ausgaben des letzten Lebensjahres entfielen auf die letzten zwei Monate ca. 52 v. H. und auf den letzten Monat vor dem Tod ca. 40 v. H. Zudem waren die Ausgaben für jüngere Versterbende höher, als dies für ältere Versterbende der Fall war. Für Überlebende ab dem 65. Lebensjahr stiegen die Pro-KopfAusgaben mit dem Alter an. Zweifel/Felder/Meier kommen in einer Untersuchung für die Schweiz zu vergleichbaren Ergebnissen. Für das Jahr 1992 finden sie eine Relation zwischen den durchschnittlichen Ausgaben im letzten Lebensjahr und den Ausgaben für Überlebende von 5,1. Im Jahr 1983 betrugen diese relativen Sterbekosten noch 10,6. Für die über 65-Jährigen ergab sich im gleichen Zeitraum ein Rückgang der relativen Sterbekosten von 5,6 auf 3,7. Bei dem verwendeten Test stellte sich die Variable Kalenderjahr als nicht mehr signifikant heraus.22 In Stichprobe 1 (Stichprobe 2) fielen ca. 49 (42) v. H. der Ausgaben für Verstorbene in ihrem letzten Lebensjahr auf das letzte Quartal unmittelbar vor dem Tod. Den geringeren Wert im letzten Quartal, gegenüber der aufgeführten Studie von Lubitz/Riley, führen die Autoren auf die Subventionen der schweizer Kantone für Krankenhäuser und Pflegeheime zurück. Die in der Studie erfassten Kosten spiegeln damit nicht die tatsächlich angefallenen Kosten wider, wodurch der ausgewiesene Wert zu niedrig ist. Busse/Krauth/Schwartz untersuchen die Anzahl der Krankenhaustage, die von Sterbenden und Überlebenden verursacht werden, anhand eines Datensatzes der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse aus dem Jahr 2001, welcher eine Größe von insgesamt 87.106 Personen umfasst.23 Dabei zeigt sich, dass die Zahl der Krankenhaustage für überlebende Personen mit dem Alter kontinuierlich zunimmt. Von 0,8 Tagen für bis 24-Jährige bis auf 5,4 Tage für 85-Jährige und ältere Personen (vgl. Tabelle C-5).24 Für Personen, die sich im letzten Lebensjahr befinden, zeigt sich für die Inanspruchnahme von Krankenhaustagen ___________ 21

Vgl. Lubitz/Riley (1993), S. 1093 ff. Vgl. Zweifel/Felder/Meier (1996), S. 33, und die entsprechende Kritik in Breyer (1996). Siehe ebenfalls Zweifel/Felder/Meier (1999); Salas/Raftery (2001) zur methodischen Kritik. Ein neuer Ansatz ist zu finden bei Steinmann/Telser/Zweifel (2007). 23 Vgl. Busse/Krauth/Schwartz (2002). 24 Vgl. hierzu Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291, Tabelle 2, sowie Abbildung D-2. 22

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

67

ein eher quadratischer Verlauf.25 Für bis 24-Jährige liegt die Inanspruchnahme bei 24,2 Tagen, die dann mit 40,6 Tagen bei den 55 bis 64-Jährigen ihr Maximum erreicht und bis auf 23,2 Tage bei den 85-Jährigen und älteren Personen wieder abfällt.26 Das Minimum der in Anspruch genommenen Krankenhaustage beträgt 4,3 bei den 85-Jährigen und Älteren. Das Maximum in Höhe von 31 Tagen wird bei den 35 bis 44-Jährigen erreicht. Tabelle C-5 Durchschnittliche Anzahl von Krankenhaustagen Überlebende

Personen im drittletzten Lebensjahr

Personen im zweitletzten Lebensjahr

Personen im letzten Lebensjahr

Alter Tage

Tage

relative Sterbekosten

Tage

relative Sterbekosten

Tage

relative Sterbekosten

bis 24

0,8

9,3

11,6

11,2

14,0

24,2

29,2

25-34

0,9

13,4

14,9

12,0

13,3

28,6

30,8

35-44

1,1

13,7

12,5

22,5

20,5

34,7

31,0

45-54

1,9

11,0

5,8

15,5

8,2

39,2

21,1

55-64

2,3

6,9

3,0

12,4

5,4

40,6

17,6

65-74

3,0

9,0

3,0

12,4

4,1

36,4

12,0

75-84

4,8

8,5

1,8

11,4

2,4

31,8

6,6

85 und älter

5,4

5,1

0,9

6,3

1,2

23,2

4,3

Quelle: Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291, Tabelle 2.

Brockmann untersucht Daten der Allgemeinen Ortskrankenkasse für die Regionen Westfalen-Lippe und Thüringen. Sie findet relative Sterbekosten bei 20 bis 49-Jährigen Frauen von vier bis fünf und bei Männern von etwa drei. Die Sterbekosten sinken für beide Geschlechter beinahe linear ab, während die Kosten für Überlebende einen quadratischen Verlauf annehmen. Das Maximum wird bei den Männern etwa bei einem Alter von 65 bis 69 Jahren erreicht, bei Frauen hingegen in einem Alter von 70 bis 80 Jahren. Die Abnahme bei den Sterbekosten ist dabei ausgeprägter, als bei den Kosten der Überlebenden. Ab einem Alter von 80 Jahren unterscheidet sich die Höhe der Kosten kaum noch. Die Behandlungskosten für Personen über 90 Jahre sind dabei um 53 v. H. bis 57 v. H. niedriger, als dies für 65 bis 69 Jahre alte Personen der Fall ist.27 ___________ 25

Siehe hierzu Abbildung D-3. Eine fallende Hospitalisationsquote finden auch Ramroth et al. (2006), S. 13. Dies könnte auf eine größere Zurückhaltung beim Einsatz von High-Tech-Medizin hindeuten und die Bedeutung für die Nähe zum Tod unterstreichen. Siehe hierzu auch Ramroth/ Specht-Leible/Brenner (2005), S. 293. 27 Vgl. Brockmann (2002), S. 596 f. 26

68

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Tabelle C-6 enthält die Ergebnisse weiterer Studien. Insgesamt zeigt sich eine „gute empirische Evidenz“ über verschiedene Länder und Zeiträume hinweg. Tabelle C-6 Ausgewählte Studien zum Restlebenszeiteffekt Studie Lubitz/Riley 1993

Land USA

Jahr(e) 1976 1980 1985 1988

Zeitraum

Relative Sterbekosten 7,1 7,8 6,6 6,9

Hogan et al. 2001

USA

1993-1998

12 Monate

6,0

Garber/MaCurdy/McClellan 1998

USA

1988-1995

12 Monate

~6

McGrail et al. 2000

Canada

1986 1993

6 Monate 6 Monate

2,5-16,6 2,5-16,7

Zweifel/Felder/Meier 1996

Schweiz

1983 1992

Deutschland

1996-1997

Brockmann 2002

5,6 3,7 12 Monate

4-5 (w) ~3 (m)

Quelle: Eigene Zusammenstellung und Berechnung.

cc) Prognoserelevanz Die Bedeutung der Sterbekostenthese für die altersspezifischen Pro-KopfAusgaben wird unmittelbar deutlich, wenn man zu einer formalen Darstellung übergeht. Dazu sei die Funktion der Gesundheitsausgaben eines Versicherten i eines Jahrgangs j zu einem bestimmten Zeitpunkt t betrachtet:28 cij,t

(15)

(1  M ij ,t ) ˜ cij,,üt  M ij ,t ˜ cij,,st .

Hierin bezeichnet die Funktion cij,,üt den „reinen“ Alterseffekt und cij,,st die Sterbekosten. Der Funktion M ij ,t wird der Wert eins zugeordnet, falls die betrachtete Person im Zeitpunkt t verstirbt und der Wert null, falls die Person im Zeitpunkt t überlebt: ­0 für t  j W ij ° i (16) M j ,t ® . °1 t  j W ij ¯ ___________ 28

Vom Geschlecht wird in der Notation abgesehen.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

69

Dabei bezeichnet W ij das Alter, in dem Person i verstirbt. Die Anzahl N sj,t der in t versterbenden Personen der Alterskohorte j, die die Stärke N j,t aufweist, kann durch die Gleichung s N j ,t

(17)

N j ,t i ¦ M i 1 j ,t

beschrieben werden. Mit Blick auf die altersspezifischen Pro-Kopf-Ausgaben ist zunächst die Summe aller Leistungsausgaben eines Jahrgangs zu bilden: N j ,t i ¦ c i 1 j ,t

(18)

Dabei stellen cüj ,t

Überlebende

 

( N j ,t  N sj ,t ) ˜ c üj ,t 

N j ,t i i ¦ (1  M j ,t ) ˜ c j ,t i 1 s N j ,t  N j ,t

Verstorbene P ˜ c sj,t . N sj ,t

die altersspezifischen Pro-Kopf-

Ausgaben der überlebenden Versicherten (physischer Alterseffekt) und N j ,t

c

s j ,t

¦ M j , t ˜ c j ,t i

i 1

N sj,t

i

die durchschnittlichen Kosten eines Verstorbenen (Sterbekos-

ten) dar. Die Division von Gleichung (18) durch die Jahrgangsstärke ergibt die Pro-Kopf-Ausgaben c j ,t eines Jahrgangs: (19)

c j ,t

(1  q j,t ) ˜ c üj ,t  q j,t ˜ N physischer Alterseffekt

c sj ,t

N

.

Sterbekosten

Die Gesundheitsausgaben pro Kopf lassen sich somit als Summe der mit der Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum Zeitpunkt t gewichteten durchschnittlichen Kosten der Überlebenden und den mit der Sterbewahrscheinlichkeit bis zum Zeitpunkt t gewichteten durchschnittlichen Sterbekosten darstellen. Zusammen mit den in Abbildung B-4 dargestellten altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten zeigt Gleichung (19) im Hinblick auf das Alter zwei gegenläufige Effekte: Einerseits nimmt die Bedeutung des physischen Alterseffekts aufgrund 1  q j ,t in höheren Altersklassen ab, andererseits steigt die Bedeutung der Sterbekosten wegen q j ,t mit dem Alter überproportional an, da die Sterbewahrscheinlichkeit mit dem Alter steigt. Trotz der zunehmenden Bedeutung des Restlebenszeiteffekts liegt das höchste Gewicht stets auf den Ausga-

70

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

ben der Überlebenden, da der Anteil der Versterbenden in allen Altersklassen die Minderheit darstellt. Damit wurde der zuvor verbal geschilderte Erklärungsansatz für die mit dem Alter ansteigenden Gesundheitsausgaben formal beschrieben. Dies erlaubt unmittelbar das Verständnis der für die Entwicklung der Pro-Kopf-Ausgaben bei zunehmender Lebenserwartung von Victor R. Fuchs beschriebenen Konsequenz: „As age-specific death rates fall over time, there will be fewer people in the last year of life in any age category, and this will tend to reduce age-specific health care expenditures.“29

Anders formuliert: Steigt die Lebenserwartung, so verringert sich das Gewicht der Sterbekosten in den vom Anstieg der Lebenserwartung betroffenen Altersklassen. Dies hat nach Gleichung (19) zur Folge, dass die entsprechenden altersspezifischen Ausgaben sinken, wodurch sich unmittelbar Konsequenzen für die Projektion von Gesundheitsausgaben ergeben. Die Verwendung des Standardansatzes gemäß Gleichung (14), muss somit ceteris paribus den erwarteten Ausgabenanstieg überzeichnen. Dies kann anhand der Berechnungen von Breyer veranschaulicht werden.30 Dort wird gezeigt, inwieweit sich das Ausgabenprofil für über 60-Jährige ändern würde, wenn die Lebenserwartung um ein Jahr ansteigt. Das Ergebnis ist für die 65 bis 95-Jährigen in Abbildung C-2 dargestellt. Wird das im Querschnitt ermittelte Ausgabenprofil des Basisjahres zur Prognose verwendet, wie dies beim Standardansatz geschieht, so wird der demographische Ausgabeneffekt überzeichnet, da sich der Profilwert bei einem Anstieg der Lebenserwartung in jeder Altersklasse verringert. Der demographische Effekt muss daher insoweit relativiert werden, als er durch eine steigende Lebenserwartung hervorgerufen wird. Allerdings darf aus dem Sachverhalt, dass die Pro-Kopf-Ausgaben bei einem Anstieg der Lebenserwartung in jeder Altersklasse sinken, nicht der Schluss gezogen werden, dass es nicht zu demographisch bedingten Ausgabensteigerungen kommen kann. Denn für die Pro-Kopf-Ausgaben im Versichertenquerschnitt ist nicht nur das Ausgabenprofil, sondern die jeweilige Anzahl von Personen in den Altersklassen entscheidend. Und der Anteil der Personen in den höheren Altersklassen wird zunehmen. Ob der Sterbekosteneffekt von so großer Bedeutung ist, dass der Altersstruktureffekt vollständig kompensiert wird, ist eine empirisch zu beantwortende Frage. Eine Antwort hierauf wird im kommenden Abschnitt zu geben versucht. ___________ 29 30

Fuchs (1984), S. 152. Siehe Breyer (1999).

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

71

4.750 €

4.750 €

4.500 €

4.500 €

4.250 €

4.250 €

4.000 €

4.000 €

3.750 €

3.750 €

3.500 €

3.500 €

3.250 €

3.250 €

3.000 €

3.000 €

2.750 €

2.750 €

2.500 €

2.500 €

2.250 €

2.250 €

2.000 €

2.000 € 65

70

75

80

85

90

95

Alter Gesamtprofil im Basisjahr - ohne Anstieg der Lebenserwartung Gesamtprofil im Prognosejahr - Anstieg der Lebenserwartung um 1 Jahr Quelle: Breyer (1999), S. 59, S. 62 (Tabelle 2 und 4); eigene Darstellung und Berechnung.

Abbildung C-2: Altersausgabenprofil bei einem Anstieg der Lebenserwartung

Unter Beachtung von i t  j wird Gleichung (19) in Gleichung (14) eingesetzt und man erhält die zu schätzenden Gesundheitsausgaben nach dem Sterbekostenansatz: (20) g N i ,t

At

g g ,ü g g ,s g g ¦ ¦ ª(1  qi ,t ) ˜ ci,t  qi ,t ˜ ci ,t º ˜ Oi ,t ˜ N i,t , mit ¼ g^0,1` iAK ¬

Anzahl der Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t,

Oi ,t

g

Anteil der GKV zugehörigen Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t,

g ,ü ci ,t g ,s ci ,t g qi ,t

Kosten für nicht versterbende Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t,

g

Geschlecht (0 = männlich, 1 = weiblich).

Kosten für versterbende Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t, Sterbewahrscheinlichkeit in Altersklasse i zum Zeitpunkt t sowie

72

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Das in der Literatur gebräuchliche Argument, dass eine Verwendung des Standardansatzes zu einem Prognosefehler führt, ist nur unter der ceteris paribus Bedingung gültig und damit zu relativieren; denn streng genommen handelt es sich hierbei lediglich um eine contra-faktische Überlegung wie von Breyer/ Felder hervorgehoben wird: „To avoid possible misinterpretations of our study, we emphasize that we do not attempt to forecast future health care expenditures … Instead we try to calculate a contrafactual, namely what the expenditures in 2002 would have been if the demographic composition corresponded to the predictions for certain dates in the first half of the 21st century.“31

Damit verliert das Argument an Aussagekraft, da in den meisten Prognosen regelmäßig nicht unterstellt wird, dass alle anderen Faktoren konstant bleiben. So heißt es unter anderem bei Arnold/Knappe/Weissberger: „Werden jedoch … die Querschnittsprofile der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben, entsteht der Fehler grundsätzlich nicht. Denn in den Querschnittsprofilen der Vergangenheit ist die Wirkung beider Effekte bereits enthalten.“32

Hierin kommt zum Ausdruck, dass der Restlebenszeiteffekt und der Morbiditätseffekt zwar in der Analyse enthalten sind, die einzelnen Effekte jedoch nicht separat analysiert werden. Weil beim Standardansatz von einem konstanten Ausgabenprofil ausgegangen wird, müssen sich hierbei Morbiditäts- und Restlebenszeiteffekt exakt ausgleichen. Da vom Restlebenszeiteffekt eine entlastende Wirkung auf die zu schätzenden Ausgaben ausgeht, muss aus dem Morbiditätseffekt eine Ausgabensteigerung folgen. Konsequenz des Standardansatzes ist somit die implizite Annahme der im folgenden Abschnitt zu diskutierenden Medikalisierungsthese.33 Eine Überprüfung des durch die implizite Morbiditätsannahme ausgelösten Ausmaßes der Ausgabensteigerung kann jedoch mittels des Sterbekostenansatzes erfolgen, da die contra-faktische Fragestellung die Annahme konstanter Morbidität impliziert. Die Differenz der aus Standard- und Sterbekostenansatz resultierenden Ergebnisse ergibt die durch die Morbiditätsverschlechterung hervorgehende Ausgabensteigerung. Entsprechendes gilt für den Fall einer Morbiditätsverbesserung. Damit zeigt sich, dass auf eine explizite Modellierung der Sterbekosten bei der Prognose von Gesundheitsausgaben nicht verzichtet werden kann, insbesondere dann nicht, wenn der genaue Erklärungsbeitrag des Morbiditäts- und Restlebenszeiteffekts zu bestimmen ist. ___________ 31

Breyer/Felder (2006), S. 181; Hervorhebung im Original. Arnold/Knappe/Weissberger (2005), S. 4. 33 Ein Überblick über die verschiedenen Thesen zur Morbiditätsentwicklung ist zu finden in Schramm (1996); Hof (2001). 32

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

73

b) Morbidität, Mortalität und Gesundheitsausgaben Während der von Victor R. Fuchs postulierte Zusammenhang, nach dem die Nähe zum Tode maßgeblich für die Höhe der Gesundheitsausgaben verantwortlich ist, durch die empirische Forschung als weitgehend bestätigt gilt, ist die etwa zeitgleich im angelsächsischen Sprachraum aufgekommene Debatte über die zukünftige Morbiditätsentwicklung nicht abschließend beantwortet. Die Extreme bilden die beiden Paradigmen der „Compression of Morbidity (COM)“ und der „Expansion of Morbidity (EOM)“. Ersteres wird in der deutschsprachigen Literatur vorwiegend als Kompressionsthese, letzteres als Medikalisierungsthese bezeichnet.34 Sinkende Mortalität kann zu steigender, gleich bleibender oder sinkender Morbidität führen.35 Die Entwicklung der zukünftigen Morbidität und mögliche Ursachen hierfür werden im Folgenden anhand von Szenarien beschrieben.36

aa) Anstieg der Lebenserwartung Ein Anstieg der Lebenserwartung kann zunächst einmal zu einer Verlängerung der Krankheitsphase führen, wenn die Morbidität unverändert bleibt. Die gewonnenen Lebensjahre werden dann vollständig in Krankheit verbracht: „… we recognize that our life-saving technology of the past four decades has outstripped our health-preserving technology and that the net effect has been to worsen the people’s health …“37

Diesem ersten Szenario („Life Extension“) entspricht die Medikalisierungsthese, als deren Begründer Ernest M. Gruenberg gilt.38 Auch von Lois M. Verbrugge wird die Morbidität zukünftiger Kohorten negativ beurteilt: „The consequences for health and mortality statistics would be as follows. Mortality rates will continue to fall as fast or faster than in the 1970s. Prevalence rates for killer diseases could rise in the next few decades, mainly due to earlier diagnosis and to mortality reductions. In fact, further mortality declines will have a pernicious effect on population morbidity since future ‚new surviors‘ will have a pernicious effect on population morbidity since future ‚new survivors‘ will be even more ill and susceptible than those in the 1970s. Gradually, as primary prevention succeeds and incidence rates fall, the upward trend in prevalence rates may be slowed or stopped. Prevalence

___________ 34 Seltener findet man auch die Begriffe Morbiditätskompressionsthese beziehungsweise Morbiditätsexpansionsthese. 35 Vgl. Buttler/Fickel/Lautenschlager (1999), S. 125. 36 Vgl. hierzu Fries (1996), S. 65. 37 Gruenberg (2005), S. 798. 38 Siehe Gruenberg (2005). In der Literatur wird die Begründung der Medikalisierungsthese teilweise auch Lois M. Verbrugge zugeschrieben. Siehe Verbrugge (1984).

74

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte rates for nonkiller diseases will probably increase further, because longer life gives people more opportunity to develop them and because advances in primary prevention are unlikely. Little is known now about the causes of nonfatal chronic conditions, and medical research will continue to focus on killer diseases in coming decades. Short-term disability rates may continue to rise, a reflection or earlier diagnoses, mortality reductions, and personal motivations to care for illness.“39

Abbildung C-3 enthält eine graphische Darstellung der Medikalisierungsthese. Auf der Ordinatenachse ist die Symptomschwere und auf der Abszissenachse das Alter abgetragen. Die Symptomschwelle bezeichnet jenen Wert, ab dem die Krankheit vom Betroffenen wahrgenommen beziehungsweise durch die Medizin diagnostiziert werden kann. Erreicht die Symptomschwere die Todesschwelle, so verstirbt die betroffene Person. Im Ausgangszustand werden daher a0 Jahre in Krankheit verbracht. Steigt die Todesschwelle in der Zukunft an, so erhöhen sich die in Krankheit verbrachten Lebensjahre um a1. Abbildung C-4 enthält darüber hinaus die Wirkung einer Absenkung der Symptomschwelle, wie sie beispielsweise durch bessere Diagnoseverfahren erreicht werden kann. Hierdurch steigt die Anzahl der in Krankheit verbrachten Lebensjahre um zusätzlich a2 Jahre an. Es wird zudem deutlich, dass die Gültigkeit der Medikalisierungsthese lediglich von den Schwellenwerten, nicht jedoch von der Symptomschwere innerhalb der Schwellenwerte abhängt. Symptomschwere

„Todesschwelle“ (neu) „Todesschwelle“ (alt)

„Symptomschwelle“

a0

a1

Alter Quelle: In Anlehnung an Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), Tz. 159.

Abbildung C-3: Medikalisierungsthese ohne Veränderung der Symptomschwelle

___________ 39

Verbrugge (1984), S. 515.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

75

Symptomschwere

„Todesschwelle“ (neu) „Todesschwelle“ (alt)

„Symptomschwelle“ (alt) „Symptomschwelle“ (neu) a2

a0

a1

Alter Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung C-4: Medikalisierungsthese mit Veränderung der Symptomschwelle

Im Gegensatz zur häufig in der gesundheitsökonomischen Literatur anzutreffenden Darstellung der Medikalisierungsthese wird sie vom Begründer keineswegs als unabwendbar betrachtet. Vielmehr wird betont, in welcher Art und Weise die medizinische Forschung hierbei eine Rolle spielt: „… we must begin the search for preventable causes of the chronic illnesses which we have been extending. Epidemiologists must play a key role in finding these causes, but without the application of social pressures in that direction, few will take up the opportunity. For a period, at least, health saving must take precedence over life saving. And we will not move forward in enhancing health until we make the prevention of nonfatal chronic illness our top research priority.“40

Kann die Verschlechterung des Morbiditätszustandes der Bevölkerung nicht vollständig gestoppt werden, so ergibt sich ein zum Restlebenszeiteffekt gegensätzlicher Effekt.

bb) Späterer Morbiditätsbeginn Verschiebt sich zusätzlich zur Lebenserwartung auch der Beginn von chronischen Krankheiten um die gleiche Anzahl von Jahren in ein höheres Alter („Shift to the Right“), so bleiben die in Krankheit verbrachten Jahre absolut gleich. Dieser Fall ist in Abbildung C-5 dargestellt. Hierbei ist zu beachten, ___________ 40

Gruenberg (2005), S. 798.

76

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

dass die Todesschwelle konstant bleibt, insbesondere also keine lebensverlängernden Wirkungen des medizinisch-technischen Fortschritts auftreten. Symptomschwere

„Todesschwelle“

„Symptomschwelle“

a0

b0

Alter Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung C-5: „Shift to the Right“-These

cc) Kompression der Morbidität Im dritten Szenario verschieben sich Lebenserwartung und Morbiditätsbeginn in ein höheres Alter, wobei der Anstieg des Morbiditätsbeginns höher ausfällt. Dies ist das durch James F. Fries begründete „Compression of Morbidity“-Paradigma.41 Folgende Definition wird dabei zugrunde gelegt: „The compression of morbidity occurs if the age at first appearance of aging manifestations and chronic disease symptoms can increase more rapidly than life expectancy. This statement of the thesis recognizes that increases in life expectancy, whether or not associated with minor changes in the life span, are likely over the next 25 years. The question of whether the period of morbidity may be shortened depends upon whether the average onset age of a marker of morbidity (first heart attack, first dyspnea from emphysema, first disability from osteoarthritis, first memory loss of a certain magnitude) can increase more rapidly than does life expectancy from the same age. If it does, then the period between that marker and the end of life is shortened. Absolute compression of morbidity occurs if age-specific morbidity rates decrease more rapidly than agespecific mortality rates. Relative compression of morbidity occurs if the amount of life after first chronic morbidity decreases as a percentage of life expectancy.“42

___________ 41 42

Siehe Fries (1980). Fries (2005), S. 810 f.

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

77

Die Kompressionsthese findet in der absoluten Formulierung ihre stärkste Fassung, welche die relative Kompressionsthese impliziert.43 Demnach entspricht das Szenario „Shift to the Right“ der relativen Kompressionsthese, nicht aber der absoluten Kompression. Das letzte Szenario hingegen genügt der absoluten sowie der relativen Kompressionsthese.44 Absolute und relative Kompressionsthese lassen sich zum einen – wie bisher gesehen – auf der individuellen Ebene, zum anderen aber auch bevölkerungsbezogen definieren.45 Die bevölkerungsbezogene Kompressionsthese liegt mithin vor, wenn die Summe der in Krankheit verbrachten Jahre absolut beziehungsweise relativ abnimmt. So lässt sich von der individuellen Kompressionsthese nicht auf die bevölkerungsbezogene schließen, da die Summe der in Krankheit verbrachten Jahre durch die zahlenmäßig stärkere Besetzung höherer Altersklassen zunehmen kann. Für den Fall, dass es tatsächlich zu einer bevölkerungsbezogenen absoluten Kompressionsthese kommen sollte, wird von möglichen Ausgabensenkungen ausgegangen, da die Anzahl der in Krankheit verbrachten Jahre in der Bevölkerung beziehungsweise der Versichertenpopulation absolut rückgängig ist. Die Kompressionsthese wird in Abbildung C-6 graphisch veranschaulicht. Im Unterschied zur „Shift to the Right“-These erfolgt die Veränderung der Morbidität schneller als bei der Lebenserwartung. Dadurch verringert sich die in Krankheit verbrachte Zeit. Dieses Ergebnis kann sich verändern, wenn der medizinisch-technische Fortschritt hinzugenommen wird. In Abbildung C-7 ist eine Verbesserung der Diagnoseverfahren unterstellt worden, so dass die in Krankheit verbrachten Jahre wieder um b1 Jahre zunehmen.

dd) Empirische Evidenz Bislang konnten alle der oben dargestellten Szenarien beobachtet werden.46 Da ihr Auftreten häufig parallel stattfindet, ist die Gesamtwirkung nicht eindeutig, und der dominierende Effekt kann kaum identifiziert werden. Ein Großteil ___________ 43 Siehe hierzu den Exkurs beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), Ziffern 155-169; Rosenbrock (2007), S. 715 f. 44 Auch für die Medikalisierungsthese lassen sich eine relative und eine absolute Fassung definieren. Dies wird jedoch in der Regel unterlassen. Zur Formulierung dieser Thesen siehe Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), Ziffer 157; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2009), S. 108 ff. 45 Vgl. Rosenbrock (2007), S. 715 f. 46 So findet zum Beispiel Nocera für den ambulanten Sektor in der Schweiz eher die Kompressionsthese zutreffend, für den stationären Sektor eher die Medikalisierungsthese. Vgl. Nocera (1996), S. 64 ff. Die folgende Darstellung orientiert sich an Breyer et al. (2001), S. 76 ff. Siehe zudem Schulz/König/Leidl (2000).

78

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Symptomschwere

„Todesschwelle“

„Symptomschwelle“

a0

b0

Alter Quelle: In Anlehnung an Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), Tz. 159.

Abbildung C-6: Kompressionsthese ohne Veränderung der Symptomschwelle

Symptomschwere

„Todesschwelle“

„Symptomschwelle“ (alt)

a1

a0

b1

b0

„Symptomschwelle“ (neu)

Alter Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung C-7: Kompressionsthese mit Veränderung der Symptomschwelle

der Sterbefälle entfällt auf die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren. Da die Hochbetagten zumeist an Multimorbidität leiden, zeigt sich die lebensverlängernde Wirkung des medizinischen Fortschritts nur bedingt in der Gesamtmorbidität im Alter. Zudem handelt es sich bei den am häufigsten stationär behandelten Krankheiten älterer Patienten – wie zum Beispiel Herzinsuffizienz,

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

79

ischämischen Herzkrankheiten, zerebrovaskulären Krankheiten (Gruppe der Schlaganfälle), Zuckerkrankheit, bösartige Neubildungen und osteoporotische Krankheiten – um Leiden, die einerseits von den Dispositionen der Patienten, aber auch vom Gesundheitsverhalten der Betroffenen selbst abhängen.47 Oft wird eine Unterscheidung in „Krankheiten im Alter“ und „Alterskrankheiten“ getroffen.48 Ersteres deutet auf altersbegleitende Krankheiten hin, während letzteres auf eine durch das Alter an sich hervorgerufene Krankheit hindeutet. Eine weitergehende Typologie stammt von Walter/Schwartz/Seidler, welche vier Kategorien unterschieden:49 1.

Altersphysiologische Veränderungen mit möglichem „Krankheitswert“, wie zum Beispiel altersbedingte Veränderungen der Sehfähigkeit, zunehmende arteriosklerotische Gefäßveränderungen, vermehrte Koordinationsprobleme und Abnahme der Knochendichte (Osteopenie).

2.

(Altersbezogene) Erkrankungen mit langer präklinischer Latenzzeit, wie etwa Krebserkrankungen, arteriosklerotische Gefäßveränderungen mit pathologischem Verlauf, die das Herz, das Nervensystem, den Bewegungsapparat oder die Augen betreffen können und zu Herzinfarkt, Schlaganfall sowie Erblindung führen können.

3.

Erkrankungen mit im Alter verändertem physiologischen Verlauf aufgrund verminderter homoöstatischer Regulations- beziehungsweise Reparaturmechanismen, wie Infektionskrankheiten und schlechtere Wundheilung.

4.

Erkrankungen infolge langfristiger, mit der Lebenszeit steigender Exposition (Kumulation von gesundheitsbeeinflussenden Faktoren über den Lebenslauf), wie zum Beispiel physikalische und chemische Umweltfaktoren, Verhaltensweisen (insbesondere das Ernährungs- und Bewegungsverhalten), psychosoziale Stressoren, durchlebte Krankheiten und sozioökonomische Einflussfaktoren. In Bezug auf die zukünftige Morbiditätsentwicklung lassen sich aus diesen vier Kategorien zwei Anhaltspunkte gewinnen:50 1.

Krankheiten der Kategorien 1 und 4 weisen aufgrund ihrer mit dem Alter stark steigenden Inzidenz und dem häufig chronischen Verlauf auf einen Anstieg von Multimorbidität im Alter hin. Somit kann bei diesen Krankheiten davon ausgegangen werden, dass Mortalität und Morbidität in einer

___________ 47

Vgl. Breyer et al. (2001), S. 76; Schulz/König/Leidl (2000), S. 747 ff. Vgl. Cassel (2001), S. 87. 49 Siehe Walter/Schwartz/Seidler (1997). Vgl. hierzu ebenfalls Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), S. 150 ff. 50 Vgl. Breyer et al. (2001), S. 77. 48

80

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

inversen Beziehung zueinander stehen, ein Rückgang der Mortalität also zu einem Anstieg der Krankheiten führt. 2.

Krankheiten der Kategorien 2 und 3 verkürzen oftmals das Leben, weshalb man davon ausgehen kann, dass bei sinkender Mortalität die Gesundheitsstörungen später eintreten oder die Behandlungsmöglichkeiten angesichts des medizinischen Fortschritts zunehmen. Aufgrund der großen Bedeutung von Erkrankungen der Kategorie 2 (die häufigsten stationär behandelten Krankheiten fallen hierunter), könnte in den überwiegenden Fällen eher ein Hinausschieben der Morbidität mit sinkender Mortalität einhergehen. Die Morbidität im Alter hat den Ergebnissen des Mikrozensus zufolge abgenommen.51 Auch Untersuchungen auf der Grundlage des sozioökonomischen Panels (SOEP) kommen zu dem Ergebnis, dass der Anstieg der Lebenserwartung mit in Gesundheit verbrachten Lebensjahren einhergeht.52 Die Steigerung der aktiven Lebensjahre könnte ein Anzeichen für die Kompressionsthese sein.53

2. Finanzierungseffekte

Demographische Effekte können von der Finanzierungs- oder der Ausgabenseite ausgelöst werden.54 Der von der Bevölkerungsalterung ausgelöste Druck auf die Finanzierungsseite der GKV ist dabei kaum umstritten.55 Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, insbesondere der Definition der Beitragsbemessungsgrundlage sowie dem Renteneintrittsalter, führt der Eintritt in den Ruhestand zu einer Absenkung der beitragspflichtigen Einkommen und zu einem Beitragssatzanstieg. Dies sei erneut am Grundmodell verdeutlicht: Zu bilden sind hierzu hypothetische Beitragssätze unter der Annahme, dass alle GKVMitglieder dieselben Ausgaben verursachen. Aus dem Grundmodell folgt unter diesen Bedingungen eine Steigerung um 0,9 Prozentpunkte bis zum Jahr 2050 (vgl. Tabelle C-7). Der Anteil des demographischen Finanzierungseffekts am demographischen Gesamteffekt von 2,6 Prozentpunkten beträgt damit 34,6 ___________ 51

Vgl. Buttler/Fickel/Lautenschlager (1999), S. 126. Siehe Klein (1999); Klein/Unger (1999); Unger (2006). 53 Für eine andere Meinung siehe Ulrich (2001a), S. 31. Eine zusammenfassende Würdigung von Kompressionsthese und Medikalisierungsthese ist zu finden in Michel/Robine (2004). Siehe auch Dinkel (1999); Heigl (2002). 54 Vgl. Cassel (2001) sowie Cassel/Postler (2003). Die Trennung von demographischem und medizinisch-technischem Effekt in der hier vorgenommenen Weise, ist in der Literatur durchaus üblich, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll, welche zum Beispiel in Ried (2006a,b, 2007a,b) diskutiert werden. 55 Siehe zum Beispiel Cassel (2001); Ulrich (2001a), S. 31. Zur Quantifizierung des demographischen Finanzierungseffektes siehe Postler (2003); Ulrich/Schneider (2007). 52

II. Demographische Ausgaben- und Finanzierungseffekte

81

v. H. Demographische Effekte auf der Finanzierungsseite sind die Folge des für die Gesetzliche Krankenversicherung konstitutiven Solidarprinzips, welches eine Finanzierung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch einkommensproportionale Beiträge vorsieht. Tabelle C-7 Demographischer Finanzierungseffekt nach dem Grundmodell im Zeitraum von 2000 bis 2050

Jahr

beitragspflichtige Einkommen mit demographischem Finanzierungseffekt1

Ausgaben ohne demographischen Ausgabeneffekt2

Milliarden Euro 2000 2010 2020 2030 2040 2050

958,2 972,5 1.006,1 1.092,0 1.092,4 1.120,0

99,1 101,5 107,0 121,0 121,1 125,6

hypothetischer Beitragssatz3

Anstieg des hypothetischen Beitragssatzes

Beitragssatz mit demographischem Finanzierungseffekt4

v. H.

Beitragssatzpunkte

v. H.

10,3 10,4 10,6 11,1 11,1 11,2

0,1 0,2 0,4 0,0 0,1

13,1 13,2 13,4 13,9 13,9 14,0

1

Beitragspflichtige Einkommen der Erwerbstätigen betragen 21.691 Euro (w1), die der Rentner 11.874 Euro ( U ˜ w1)

2

Ausgaben aller Mitglieder betragen 1.940 Euro (c1)

3

Ausgaben ohne demographischem Ausgabeneffekt dividiert durch beitragspflichtige Einkommen mit demographischem Finanzierungseffekt 4

Beitragssatz des Basisjahres 2000 (13,1 v. H.) zuzüglich des Anstiegs des hypothetischen Beitragssatzes

Quelle: Eigene Berechnungen.

Neben diesem direkten Effekt wirkt sich der demographische Wandel zusätzlich indirekt über die Senkung des Rentenniveaus negativ auf die Beitragsbemessungsgrundlage und damit auf den Beitragssatz zur GKV aus. Im gegebenen institutionellen Umfeld hängt die Bedeutung des demographischen Finanzierungseffekts somit im Wesentlichen von der Rentenpolitik ab.56 Entlastende Effekte sind dann zu erwarten, wenn sich das tatsächliche Renteneintrittsalter dem gesetzlichen annähert. Hingegen würden weitere Absenkungen des Rentenniveaus den negativen Finanzierungseffekt verstärken. Eine Vermeidung des Finanzierungseffekts und die Schaffung langfristiger Stabilität der Beitragsbemessungsgrundlage, sind relativ einfach durch den Übergang zu ei-

___________ 56 Die Abhängigkeit von der Rentenpolitik schafft zudem das Problem der sogenannten Verschiebebahnhöfe.

82

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

nem Pauschalprämiensystem zu erreichen.57 Der demographische Finanzierungseffekt würde damit auf null reduziert.58

III. Alternde Bevölkerung und medizinisch-technischer Fortschritt 1. Ausgabenwirkung des technischen Fortschritts in der Medizin

Die Forschungsliteratur zur Ausgabenwirksamkeit des medizinisch-technischen Fortschritts fällt recht dürftig aus.59 Hauptsächlich können dafür drei Gründe angeführt werden:60 Erstens ist das Phänomen medizinisch-technischer Fortschritt angesichts seiner Vielschichtigkeit nur vage und unklar. Aus diesem Grunde ist zweitens die empirische Konzeptionalisierung problematisch, da sich die Suche nach geeigneten Indikatoren schwierig gestaltet. Was drittens wiederum die Verfügbarkeit und Beschaffung geeigneter Daten schwierig macht. Eine Möglichkeit, den medizinisch-technischen Fortschritt zu operationalisieren, liegt darin, ihn als Residuum zu betrachten. Den Ausgangspunkt hierzu bildet der im Journal of Economic Perspectives erschienene Aufsatz „Medical care costs: how much welfare loss?“ von Joseph P. Newhouse. Hierin unternimmt Newhouse den Versuch, eine Erklärung für den Anstieg der realen Gesundheitsausgaben pro Kopf in den USA im Zeitraum von 1940 bis 1990 zu geben. Dabei untersucht er die fünf Faktoren Alterung, Ausweitung von Krankenversicherungsleistungen, Einkommenssteigerungen, angebotsinduzierte Nachfrage und Faktorproduktivität in der Dienstleistungsindustrie.61 Diese erklären allerdings nur etwa 25 bis 50 v. H. des Anstiegs. Den restlichen Erklärungsbeitrag schreibt er dem seiner Meinung nach wichtigsten Faktor, dem medizinischtechnischen Fortschritt zu: „I believe the bulk of the residual increase is attributable to technological change, or what might loosely be called the march of science and the increased capabilities of medicine.“62

___________ 57 Siehe zum Beispiel die Vorschläge von Knappe/Arnold (2002, 2003); Breyer et al. (2004), Wille/Cassel/Ulrich (2009), Teil 1. 58 Alle Ausprägungen für Modelle mit Pauschalbeiträgen werden durch ein Steuertransfersystem sozial flankiert. Die demographische Abhängigkeit wird damit in der Ebene verschoben. Insgesamt bleiben die demographische und damit auch die Einkommensabhängigkeit erhalten, auch wenn sie für die GKV nicht mehr vorhanden sind. Siehe hierzu auch Breyer (2002). 59 Vgl. etwa Okunade/Murthy (2002); Arnold (2007), S. 695; GVG (2008). 60 Vgl. Henke/Reimers (2007), S. 746. 61 Vgl. Newhouse (1992), S. 5 ff. 62 Newhouse (1992), S. 11.

III. Alternde Bevölkerung und medizinisch-technischer Fortschritt

83

Diese Vermutung ist als sogenannte Newhouse-Conjecture in die Literatur eingegangen und zog einer Reihe empirischer Untersuchungen nach sich. Für den überwiegenden Teil der OECD-Länder können die Untersuchungen von Gelijns/Rosenberg und Okunade/Murthy die Newhouse-Conjecture bestätigen.63 Diese gilt in der gesundheitsökonomischen Literatur als weitgehend unumstritten.64 Begründet wird dies über Anreizmechanismen, bei denen Produktinnovationen gegenüber Prozess- und organisatorischen Innovationen begünstigt werden.65 Insbesondere zwei Gründe seien genannt.66 Erstens dürfte der wohl wichtigste Anreizmechanismus von der Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems ausgehen.67 Denn in Systemen, in denen die Versicherten die Kosten nicht in vollem Umfang tragen müssen, haben diese auch nur geringe Anreize, kostensenkende Prozessinnovationen nachzufragen. Anbieter werden ihr Augenmerk daher verstärkt auf Produktinnovationen richten. Der zweite Anreiz geht vom „technologischen Imperativ in der Medizin“ aus, ein Begriff, der von Victor R. Fuchs geprägt wurde.68 Hiermit wird eine rasante Verbreitung von Produktinnovationen im Gesundheitswesen beschrieben, welche auf ärztliche, vom Rest der Gesellschaft übernommene Werte zurückgeht.69 Für die Gesetzliche Krankenversicherung untersuchen Breyer/Ulrich in verschiedenen Modellen für den Zeitraum 1970 bis 1995 den Einfluss des Anteils der über 65-Jährigen an den Mitgliedern insgesamt, des realen beitragspflichtigen Einkommens je Mitglied und des Kalenderjahres – als Proxy für den medizinisch-technischen Fortschritt – auf die realen Pro-Kopf-Ausgaben.70 Sie erhalten für den als exponentiellen Trend spezifizierten technischen Fortschritt der Medizin ein jährliches Wachstum der realen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben von 1 v. H.71 Dieses Ergebnis wird in der überwiegenden Anzahl von Beitragssatzprognosen verwendet, um die Wirkungen des medizinischtechnischen Fortschritts abzubilden.

___________ 63

Vgl. Gelijns/Rosenberg (1994); Okunade/Murthy (2002). So auch Fetzer (2006). Zu den wenigen (deutschen) Ausnahmen zählen Pfaff (1994); Lauterbach/Stock (2001). 65 Beispiele für Prozessinnovationen finden sich zum Beispiel in Shapiro/Shapiro/Wilcox (2001); Cutler et al. (1998); GVG (2008). 66 Vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann (2002), S. 489 f.; Zweifel (1993). 67 Vgl. Goddeeris (1984a,b). 68 Vgl. Fuchs (1968). 69 Vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann (2002), S. 489. 70 Vgl. Breyer/Ulrich (2000). 71 Gestützt wird dieses Ergebnis von Sauerland (2002). 64

84

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

2. Demographie und medizinisch-technischer Fortschritt

Die sich gegenseitig verstärkende Wirkung von Demographie und medizinischtechnischem Fortschritt wird unter dem Begriff „Sisyphus-Syndrom“ diskutiert. Damit werden jedoch zwei unterschiedliche Sachverhalte angesprochen. Zum einen wird argumentiert, dass der medizinisch-technische Fortschritt zwar das Leben verlängert, die Krankheiten jedoch meist nicht vollständig heilt. Gerade ältere Patienten leiden zudem unter mehreren Krankheiten, so dass die Lebensverlängerung mit chronischen Krankheiten und Multimorbidität einhergehe und im statistischen Durchschnitt die Bevölkerung immer kränker werde.72 Zum anderen geht man ebenfalls von der lebensverlängernden Wirkung des medizinisch-technischen Fortschritts aus, stellt aber auf einen politischen Effekt ab: Der wachsende Anteil der älteren Mitbürger verschaffe ihnen ein zunehmendes Stimmengewicht im demokratischen Prozess, so dass es ihnen gelinge, vermehrt Ressourcen ins Gesundheitswesen umzuleiten.73 Die Ausgabenerhöhung resultiert hiernach aus dem höheren Bedarf an Gesundheitsleistungen aufgrund erhöhter Morbidität einerseits und aus einer erhöhten politisch induzierten Nachfrage andererseits.

IV. Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung: ein Drama in zwei Akten? In diesem Kapitel wurde zunächst der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben dargestellt. Abbildung C-8 stellt diesen Zusammenhang nochmals graphisch dar. Hierbei können drei für die Prognose von Gesundheitsausgaben relevante Effekte identifiziert werden: 1.

Altersstruktureffekt: Der erste Effekt (gestrichelte Linie), ist der gemeinsam durch die niedrige Fertilität und die steigende Lebenserwartung ausgelöste Anstieg des Altenquotienten, der – bei mit dem Alter ansteigenden Ausgaben – die Pro-Kopf-Ausgaben im Versichertenquerschnitt erhöht.

2.

Morbiditätseffekt: Der zweite Effekt (durchgehende Linie) beschreibt eine durch die steigende Lebenserwartung hervorgerufene Morbiditäts- beziehungsweise Ausgabenänderung und beeinflusst somit die Gestalt des altersspezifischen Ausgabenprofils. Die Wirkung auf die Gesundheitsausgaben hängt dabei von der Relevanz der zugrunde liegenden These (Medikalisierungs- vs. Kompressionsthese) ab. ___________ 72

Siehe Krämer (1997). Siehe Zweifel (1990); Zweifel/Ferrari (1992); Zweifel/Steinmann/Eugster (2005); Zweifel (2007). 73

IV. Beitragssatzentwicklung in der GKV: ein Drama in zwei Akten?

85

Alterung

von unten (niedrige Fertilität)

von oben (steigende Lebenserwartung)

1. Altersstruktureffekt

2. Morbiditätseffekt

Anstieg des Altenquotienten

Medikalisierungsthese

Expansion der Morbidität in den gewonnenen Lebensjahren

3. Restlebenszeiteffekt

Kompressionsthese

Reduktion der Morbidität in den gewonnenen Lebensjahren

altersspezifisches Ausgabenprofil (Querschnittsdaten)

Pro-Kopf-Ausgaben im Versichertenquerschnitt

Quelle: Modifiziert nach Postler/Sundmacher (2006), S. 6.

Abbildung C-8: Demographische Effekte auf die Gesundheitsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung

3. Restlebenszeiteffekt: Der dritte Effekt (gepunktete Linie) ist für die Prognose von Gesundheitsausgaben – mit im Versichertenquerschnitt gewonnenen altersspezifischen Ausgabenprofilen – von Bedeutung. Die Nichtberücksichtigung dieses Effektes führt zu einer Überschätzung des Ausgabenwachstums, da das „wahre“ Ausgabenprofil, unter Ausschluss von Morbiditätsänderungen, flacher als das verwendete Ausgabenprofil verläuft. Während die Nichtberücksichtigung des Restlebenszeiteffektes bei der Prognose dazu führt, dass die zukünftigen Ausgaben ceteris paribus als zu hoch eingeschätzt werden, ist eine ausschließliche Betrachtung des Restlebenszeiteffektes eine verkürzte Darstellung, da sie nur auf die sinkenden Pro-Kopf-Ausgaben in den einzelnen Altersklassen abstellt. Selbst wenn die Pro-Kopf-Ausgaben in allen Altersklassen sinken, so heißt dies nicht, dass auch die Pro-Kopf-Ausgaben im Versichertenquerschnitt sinken, da die Ausgaben mit der entsprechenden Jahrgangsstärke zu gewichten sind. Zudem sollte beachtet werden, dass der Restlebenszeiteffekt nur einen Partialeffekt darstellt. Für die Abschätzung des Gesamteffekts auf die Gesundheitsausgaben ist es ebenfalls wichtig, wie sich die Gesundheitsausgaben der aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung nichtversterbenden Versicherten entwickeln, da diese ein hohes Gewicht an den gesamten Ausgaben besitzen.74 ___________ 74

Vgl. Breyer (1996), S. 48.

86

C. Theoretische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Die genannten drei Effekte werden in der Literatur bisher unterschiedlich berücksichtigt. Beim Standardansatz wird aufgrund des annahmegemäß konstanten Ausgabenprofils nur der Altersstruktureffekt explizit modelliert, während die beiden anderen Effekte weitgehend außer Acht gelassen werden beziehungsweise implizit von sich kompensierendem Restlebenszeit- und Morbiditätseffekt ausgegangen wird. Die hierin zum Ausdruck kommende aggregierte Betrachtungsweise führt dazu, dass lediglich Medikalisierungsthese und Standardansatz miteinander vereinbar sind. Beim Sterbekostenansatz wird hingegen der Altersstruktur- sowie der Restlebenszeiteffekt berücksichtigt und von einer konstanten Morbidität ausgegangen. Veränderungen im Morbiditätsspektrum sind für die Prognose von Gesundheitsausgaben jedoch von großer Bedeutung, wenn der Einfluss der Bevölkerungsalterung auf die Gesundheitsausgaben herausgearbeitet werden soll. So wird beispielsweise im vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegebenen Gutachten zur Modellierung der Kompressionsthese ein sogenanntes Modell mit „reduzierter beziehungsweise verringerter Morbidität“ berechnet, bei dem das Ausgabenprofil nach rechts verschoben wird.75 Allerdings werden Sterbekosten bei diesem Modell nicht gesondert berücksichtigt, so dass bei dieser Vorgehensweise a priori nicht klar wird, welche implizite Morbiditätsannahme zugrunde gelegt wird. Diese Unklarheit resultiert aus dem Verhältnis der Ausgabensenkung infolge der Rechtsverschiebung des Ausgabenprofils und des Restlebenszeiteffekts. Dabei sind drei Fälle denkbar: 1.

Die Ausgabensenkung durch die Rechtsverschiebung des Ausgabenprofils fällt geringer aus als jene, die durch die explizite Berücksichtigung der Sterbekosten entstanden wäre. In diesem Fall würde von einer impliziten Morbiditätsverschlechterung im Sinne der Medikalisierungsthese ausgegangen.

2.

Die Ausgabensenkung durch die Rechtsverschiebung des Ausgabenprofils entspricht jener, die durch eine explizite Berücksichtigung der Sterbekosten entstanden wäre. In diesem Fall würde implizit von einer konstanten Morbidität ausgegangen.

3.

Die Ausgabensenkung durch die Rechtsverschiebung des Ausgabenprofils fällt höher aus als jene, die durch eine explizite Berücksichtigung der Sterbekosten entstanden wäre. Nur in diesem Fall würde implizit von einer Morbiditätsverbesserung im Sinne der Kompressionsthese ausgegangen. Ohne explizite Berücksichtigung von Sterbekosten bei der Prognose von Gesundheitsausgaben, bleibt damit nicht nur die genaue quantitative Wirkung der Ausgabeneffekte, sondern – zumindest beim Modell mit verringerter Morbidi___________ 75

Siehe Breyer et al. (2001), S. 100 ff.

IV. Beitragssatzentwicklung in der GKV: ein Drama in zwei Akten?

87

tät – schon die bloße Wirkungsrichtung im Unklaren. Diese kann erst bestimmt werden, wenn das gewonnene Modellergebnis dem Ergebnis des Sterbekostenansatzes gegenübergestellt wird. Da man die impliziten Morbiditätsannahmen a priori nicht ohne weiteres identifizieren kann, ist es zur Vermeidung von Unklarheiten ratsam, von einer impliziten zu einer expliziten Modellierung der Teileffekte überzugehen. Neben den demographischen Effekten wurde in diesem Kapitel ebenfalls auf die ausgabensteigernde Wirkung des medizinisch-technischen Fortschritts hingewiesen. Diese kommt durch zu geringe Anreize für kostensenkende Prozessinnovationen zustande. Gleichzeitig existieren verstärkt Anreizwirkungen, Produktinnovationen nachzufragen. Da der medizinisch-technische Fortschritt häufig älteren Versicherten zugute kommt, verstärken sich demographischer und medizinisch-technischer Effekt gegenseitig. Damit kann zumindest aus theoretischer Perspektive „ein Drama in zwei Akten für die Beitragssatzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ nicht ausgeschlossen werden.

D. Eine empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung: der Tragödie erster Teil In der Literatur werden vorwiegend drei demographische Ausgabeneffekte unterschieden: der Altersstruktureffekt, der Morbiditätseffekt und der Restlebenszeiteffekt. In Bezug auf die Schätzung des demographisch bedingten Ausgabenwachstums konzentriert man sich dabei hauptsächlich auf die Frage, ob der Altersstruktureffekt vollständig durch die Berücksichtigung von Sterbekosten kompensiert wird oder ob der Effekt zwar vorhanden, aber vernachlässigbar ist. Bei der Beantwortung dieser Fragestellung wird in der Regel von einer konstanten Morbidität im Prognosezeitraum ausgegangen. Die bisher veröffentlichten Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass der Altersstruktureffekt nicht vollständig kompensiert wird, es also zu demographisch bedingten Ausgabensteigerungen kommt.1 Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies auch dann noch der Fall ist, wenn von Veränderungen im Morbiditätsspektrum gemäß der Kompressionsthese ausgegangen wird, da der entlastende Effekt der Sterbekosten hierdurch zusätzlich verstärkt würde. Eine Arbeit von Breyer/Felder, die Ausgabenprofile aus der Schweiz verwendet, kommt zu dem Resultat, dass der Morbiditätseffekt die Wirkung des Sterbekosteneffekts zwar verstärkt, der Altersstruktureffekt jedoch nicht vollständig kompensiert wird.2 Im Folgenden wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob dieses Ergebnis aufrechterhalten werden kann, wenn man von einer bevölkerungsbezogenen absoluten Kompression ausgeht.

___________ 1 2

Siehe etwa die Untersuchungen von Breyer (1999); Breyer/Felder (2004). Siehe Breyer/Felder (2006).

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

89

1. Modell Die Bestimmung von demographischen Beitragssatzeffekten setzt einerseits die Schätzung der Veränderung auf der Einnahmen- und andererseits auf der Ausgabenseite voraus. Dies geschieht im Folgenden durch die Bildung von zwei Modellen – einem Einnahmen- und einem Ausgabenmodell. Beide Modelle werden anschließend kombiniert. Da die Entwicklung auf der Ausgabenseite im Vordergrund steht, ermöglicht dies die Spezifikation nur eines Einnahmenmodells und dessen Kombination mit unterschiedlichen Ausgabenmodellen. Hierbei handelt es sich um den Standardansatz (EOM-Modell), ein Modell mit reduzierter Morbidität (STTR-Modell), den Sterbekostenansatz (CM-Modell) und ein Modell zur Simulation der Kompressionsthese (COM-Modell).3 Alle Ausgabenmodelle beruhen auf Daten des Risikostrukturausgleichs, aus denen Ausgabenprofile bestimmt werden. Diese bilden die Datengrundlage für das EOM-Modell und das STTR-Modell. Für das CM-Modell werden aus den ermittelten Ausgabenprofilen die Ausgaben für Überlebende und Sterbende geschätzt. Die Berechnung des COM-Modells setzt zusätzlich die Spezifikation von Morbiditätsmodellen voraus. Der Vergleich der Modellergebnisse erlaubt die Beantwortung folgender zentraler Fragestellungen: 1. 2.

3.

4.

Welche impliziten Annahmen über die künftige Morbiditätsverschlechterung liegen dem EOM-Modell zugrunde? Wie hoch ist der Prognosefehler des EOM-Modells? Welche Verzerrung liegt also dem EOM-Modell zugrunde, wenn von einer konstanten Morbiditätsentwicklung ausgegangen wird? Wie groß ist der angenommene Morbiditätseffekt im STTR-Modell? Reicht das unterstellte Ausmaß der Ausgabenreduktion aus, um tatsächlich eine Morbiditätsreduktion zu simulieren? Kommt es bei Annahme der absoluten Kompressionsthese überhaupt zu demographisch bedingten Ausgabensteigerungen? a) Annahmen aa) Datengrundlagen

Die zur Berechnung des Altersausgabenprofils benötigten Daten wurden vom Bundesversicherungsamt, im Rahmen des im Jahr 2006 durchgeführten ___________ 3 Die genannten Modelle wurden in Abschnitt C.II.1.b) skizziert und werden in Abschnitt D.I.1.a)dd) formalisiert. Sie stehen für „Expansion of Morbidity“ (EOM), „Shift to the Right“ (STTR), „Constant Morbidity“ (CM) und „Compression of Morbidity“ (COM).

90

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Risikostrukturausgleichs, veröffentlicht. Die Daten sind dabei nach DiseaseManagement-Programm-Gruppen (DMPG)4, Hauptleistungsbereichen (HLB)5 und Versichertengruppen (VG)6 gegliedert.7 Es werden die Pro-Tag-Werte (PTW) sowie die korrespondierende Anzahl von Versichertentagen (VT) erfasst. Beim Krankengeld handelt es sich nicht um Sachleistungen mit direktem Morbiditätsbezug. Da diese Leistungen jedoch im Mittelpunkt der Analyse stehen, wird das Krankengeld bei der Berechnung nicht berücksichtigt.8 bb) Berechnung der Ausgabenprofile Da zur Berechnung der Ausgabenprofile nur nach Geschlecht g und Alter x differenzierte Ausgaben benötigt werden, sind die einzelnen Gruppen (VG) und Bereiche (HLB, DMPG) zusammenzufassen und ein durchschnittliches Profil zu berechnen. ,HLB,VG Zunächst werden hierzu die Pro-Tag-Ausgaben PTAgDMPG durch ,x ,HLB,VG die Multiplikation der Pro-Tag-Werte PTWgDMPG mit den Versicher,x ,VG tentagen VTgDMPG gemäß Gleichung ,x

___________ 4 Es gibt grundsätzlich 7 Disease-Management-Programm-Gruppen: DMPG 0: Nicht DMP (Normalversicherter); DMPG 1: DMP Diabetes Typ 2; DMPG 2: DMP Brustkrebs; DMPG 3: DMP Koronare Herzkrankheiten; DMPG 4: DMP Diabetes Typ 1; DMPG 5: DMP Asthma bronchiale; DMPG 6: DMP COPD. 5 Die Ausgaben werden in 7 Hauptleistungsbereichen erfasst. HLB 1: Ärzte; HLB 2: Zahnärzte; HLB 3: Apotheken; HLB 4: Krankenhaus; HLB 5: sonstige Leistungsausgaben; HLB 6: nichtärztliche Leistungsausgaben für ambulante Dialyse; HLB 7: Mehrleistungen DMP. 6 Die vom Bundesversicherungsamt erfassten Versichertengruppen sind: VG 1: Mitglieder mit allgemeinem Beitragssatz und Krankengeldanspruch nach mindestens 6 Wochen; VG 2: Mitglieder mit erhöhtem Beitragssatz und Krankengeldanspruch nach maximal 6 Wochen; VG 3: Mitglieder und Familienversicherte ohne Anspruch auf Krankengeld mit ermäßigtem Beitragssatz; VG 4: Mitglieder mit allgemeinem Beitragssatz und Krankengeldanspruch nach mindestens 6 Wochen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen; VG 5: Mitglieder mit erhöhtem Beitragssatz und Krankengeldanspruch nach maximal 6 Wochen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen (zusammengefasst mit VG 4); VG 6: Mitglieder und Familienversicherte ohne Krankengeldanspruch, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen. 7 Vgl. Bundesversicherungsamt (2007). 8 Bei langfristigen Schätzungen macht die Berücksichtigung darüber hinaus wenig Sinn, weil die Höhe des Krankengeldes relativ einfach geändert werden kann, und weil es zu starken Schwankungen des Altersausgabenprofils um das Rentenalter herum führt, die bei der langfristigen Abschätzung eines Trends zu Fehlern führen könnten. Vgl. hierzu Arnold/Knappe/Weissberger (2005), S. 21.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

(21)

DMPG,HLB,VG PTAg , x

91

DMPG,HLB,VG DMPG,VG PTWg , x ˜ VTg , x

bestimmt. Anschließend werden die so ermittelten Pro-Tag-Ausgaben über alle Disease-Management-Programm-Gruppen und alle Versichertengruppen gemäß Gleichung HLB PTAg , x

(22)

DMPG,HLB,VG ¦ ¦ PTAg , x DMPG VG

zu Pro-Tag-Ausgaben je Hauptleistungsbereich PTAgHLB , x zusammengefasst. Zu dieser Berechung äquivalent werden auch die Versichertentage VTg , x nach Gleichung (23)

VTg , x

DMPG,VG ¦ ¦ VTg , x DMPG VG

über die Disease-Management-Programm-Gruppen und die Versichertengruppen zusammengezogen. Aus den Gleichungen (22) und (23) lassen sich mittels PTAgHLB ,x

HLB

(24)

PTAg , x

¦ ¦ PTAg , x

DMPG , HLB ,VG

DMPG VG

VTg , x

¦ ¦ VTg , x

DMPG ,VG

DMPG VG

HLB

die durchschnittlichen Pro-Tag-Ausgaben je Hauptleistungsbereich PTAg , x HLB

bestimmen. Bezieht man PTAg , x auf ein Jahr, so erhält man die Ausgabenprofile für den entsprechenden Hauptleistungsbereich. Die Zusammenfassung HLB

der PTAg , x

(25)

über alle Hauptleistungsbereiche gemäß Gleichung

PTAg , x

HLB

¦ PTAg , x HLB



,VG DMPG , HLB ,VG ˜ VTgDMPG ¦ ¦ ¦ PTWg , x ,x HLB DMPG VG



¦ ¦ VTg , x

DMPG ,VG

DMPG VG

ergibt dann die durchschnittlichen Pro-Tag-Ausgaben PTAg , x in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht. Die so berechneten und auf ein Jahr bezogenen Ausgaben ergeben die in Abbildung D-1 für das Jahr 2006 dargestellten Gesamtausgabenprofile.9 Die signifikante Ausgabenerhöhung im 35. Lebensjahr ist weitestgehend nicht morbiditätsbedingt, sondern auf die statistische Erfassung zurückzuführen: Daten für Erwerbsminderungsrentner gehen erst ab dem Alter von 35 Jahren in die Statistik ein, während die Summe aller Ausgaben von Er___________ 9

Die Ausgabenteilprofile finden sich im statistischen Anhang.

92

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

werbsminderungsrentnern unter 35 Jahren vom Bundesversicherungsamt der Altersklasse 35 zugeordnet wird.10 Morbiditätsbedingt müssten die Ausgaben der unter 35-Jährigen daher höher ausfallen, diejenigen der 35-Jährigen dagegen niedriger. Der Verlauf des eigentlichen Ausgabenprofils fällt daher gleichmäßiger aus. 6.000 €

6.000 €

5.000 €

5.000 €

4.000 €

4.000 €

3.000 €

3.000 €

2.000 €

2.000 €

1.000 €

1.000 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-1: Gesamtausgabenprofile des Risikostrukturausgleichs für das Jahr 2006

cc) Sterbekosten Der Standardansatz, bei dem Daten der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung mit den Ausgabenprofilen des Risikostrukturausgleichs in einem Basisjahr verknüpft werden, überzeichnet bei Außerachtlassung von Morbiditätsverschlechterungen die künftige demographische Ausgabenentwicklung, da nicht nach Kosten für Versterbende und Überlebende differenziert wird. Im Folgenden wird daher die Trennung der Ausgaben vorgenommen. Die als Ergebnis der Schätzung erhaltenen Ausgabenprofile für Sterbende und Überlebende können dann auf verschiedene Szenarien der Bevölkerungsentwicklung angewandt und den Ergebnissen des Standardansatzes gegenübergestellt werden. ___________ 10 Entsprechend werden die Ausgaben von Erwerbsminderungsrentnern, die jenseits des 90. Lebensjahres anfallen, der Altersklasse 90 zugeordnet. Dies ist im Ausgabenprofil jedoch nicht erkennbar.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

93

(1) Maß Um die gemäß Gleichung (25) berechneten alters- und geschlechtsspezifischen Ausgabenprofile aus dem Risikostrukturausgleich aufspalten zu können, wird ein Maß für die Aufteilung der Ausgaben im letzten Lebensjahr benötigt. Hierzu wird die Untersuchung von Busse/Krauth/Schwartz (2002) verwendet und unterstellt, dass die Ausgaben für überlebende und sterbende Personen proportional zur Anzahl der dort ausgewiesenen Krankenhaustage sind. Einerseits wird durch diese Annahme der Anteil der Versterbenden an den Gesamtausgaben wahrscheinlich überzeichnet, da Versterbende einen höheren Anteil ihrer Leistungen im stationären Bereich empfangen als Überlebende. Andererseits wird der wahre Behandlungsaufwand für Versterbende durch die Verwendung der Krankenhaustage unterschätzt, insbesondere dann, wenn diese einen hohen Anteil an intensivmedizinischer Behandlung erhalten. A priori lässt sich so zumindest eine systematische Verzerrung durch die getroffene Proportionalitätsannahme ausschließen.11 Für eine genaue Zerlegung der Ausgabenprofile werden Daten für jedes Alter benötigt. In der genannten Untersuchung von Busse/Krauth/Schwartz (2002) ist die Anzahl der Krankenhaustage KHT jedoch lediglich in Altersklassen von wenigstens 10 Jahren angegeben und erfordert daher eine Approximation der Kurvenverläufe. Zur Bestimmung eines adäquaten Modells wurden verschiedene in Frage kommende Approximationsmodelle berechnet, deren Ergebnisse in Tabelle D-1 zusammengefasst sind. Angegeben sind jeweils die abhängige Variante, die Spezifikation, die geschätzten Koeffizienten Eˆ0 , Eˆ1 , Eˆ2 und Eˆ3 sowie das Bestimmtheitsmaß R2. Die unabhängige Variable x ist das Alter. Wie aus Tabelle D-1 ersichtlich ist, erweist sich die Kurvenanpassung mittels Gleichung ˆ KHT x

(26)

Eˆ0  Eˆ1 ˜ x  Eˆ2 ˜ x 2  Eˆ3 ˜ x 3 ,

nach der Methode der Kleinsten-Quadrate sowohl bei den Versterbenden als auch bei den Überlebenden als am geeignetsten. ˆ ü im Die geschätzte Anzahl der Krankenhaustage von Überlebenden KHT x Alter von x Jahren wird mittels Gleichung

ˆ ü KHT x

(27)

1,126  0, 058 ˜ x  0, 002 ˜ x 2  0, 0000082 ˜ x 3

___________ 11

Dies entspricht dem in Breyer (1999) gewählten Ansatz (vgl. Breyer 1999, S. 60).

94

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

geschätzt (vgl. Modell 2 in Tabelle D-1). Die Anpassung ist mit einem Bestimmtheitsmaß von 0,965 sehr gut. Die geschätzten Krankenhaustage sind den ursprünglichen Krankenhaustagen in Abbildung D-2 gegenüber gestellt. Tabelle D-1 Modelle und Schätzergebnisse zur Approximation der Krankenhaustage Parameter Abhängige Variable

Modell

Spezifikation RR

Krankenhaustage von überlebenden Personen Krankenhaustage von sterbenden Personen (Variante 1)

2

R

Eˆ0

Eˆ1

Eˆ2

Eˆ3 -0,0000082

1 2 3

Quadratisch Kubisch Exponentiell

0,958 0,965 0,944

0,741 1,126 0,545

-0,010 -0,058 0,025

0,001 0,002

4

Quadratisch

0,745

16,956

0,763

-0,007

5

Kubisch

0,829

21,597

0,186

0,007

0,822

33,353

1,233

-0,014

0,826

35,171

1,007

-0,009

Krankenhaustage von 6 Quadratisch sterbenden Personen 7 Kubisch (Variante 2) Die unabhängige Variable ist das Alter.

-0,0000986

-0,0000386

Quelle: Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291; eigene Berechnungen.

Für Versterbende werden zwei Modellvarianten geschätzt: In Variante 1 werden nur die Krankenhaustage des letzten Lebensjahres als sterbebedingt betrachtet. Variante 2 erfasst darüber hinaus, wie auch in Breyer 1999 unterstellt, die Ausgaben des vorletzten und drittletzten Lebensjahres, die über den Durchschnittswert für die Überlebenden hinausgehen.12 Für Variante 1 ergibt sich die geschätzte Anzahl der Krankenhaustage (vgl. Modell 5 in Tabelle D-1) nach Gleichung (28)

ˆ st ,1 KHT x

2 3 21, 597  0,186 ˜ x  0, 007 ˜ x  0, 0000986 ˜ x ,

für Variante 2 nach Gleichung (29)

ˆ st ,2 KHT x

2 3 35,171  1, 007 ˜ x  0, 009 ˜ x  0, 0000386 ˜ x

(vgl. Modell 7 in Tabelle D-1). Die jeweils zugehörige geschätzte Anzahl der Krankenhaustage ist in Abbildung D-3 dargestellt. Während der Wert für das Bestimmtheitsmaß in der hier durchgeführten Schätzung bei den Überlebenden in etwa dem von Breyer 1999 ermittelten

___________ 12

Vgl. Annahme 2 in Breyer (1999), S. 56.

95

7

7

6

6

5

5

4

4

3

3

2

2

1

1

0

Krankenhaustage

Krankenhaustage

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

0 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Alter Approximation

Ursprungsdaten

Quelle: Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291; eigene Berechnungen.

80

80

70

70

60

60

50

50

40

40

30

30

20

20

10

10

0

0 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Alter

Sterbende Modell 2: Ursprungsdaten

Sterbende Modell 2: Approximation

Sterbende Modell 1: Ursprungsdaten

Sterbende Modell 1: Approximation

Quelle: Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291; eigene Berechnungen.

Abbildung D-3: Inanspruchnahme von Krankenhaustagen durch Versterbende

Krankenhaustage

Krankenhaustage

Abbildung D-2: Inanspruchnahme von Krankenhaustagen durch Überlebende

96

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Wert von 0,998 entspricht, ist die Abweichung zwischen dem hier erzielten Wert von 0,829 (0,826) für das Bestimmtheitsmaß und dem von Breyer mit 0,979 angegebenen Wert relativ groß.13 Der niedrigere Wert ist darauf zurückzuführen, dass in der hier durchgeführten Schätzung die Ausgaben aller Altersklassen berücksichtigt werden, während Breyer nur die Ausgaben der 60Jährigen und Älteren betrachtet. Die geschätzten Krankenhaustage von Überlebenden lassen sich mit den beiden Varianten der geschätzten Krankenhaustage von Versterbenden kombinieren. Damit ergeben sich die in Tabelle D-2 aufgeführten Sterbekostenmodelle. Tabelle D-2 Sterbekostenmodelle im Überblick Modell

Überlebende

1

ü ˆ KHT x

1, 126  0, 058 ˜ x  0, 002 ˜ x

2

ü ˆ KHT x

1, 126  0, 058 ˜ x  0, 002 ˜ x

Sterbende 2

2

 0, 0000082 ˜ x

 0, 0000082 ˜ x

3

st ,1 ˆ KHT x

21, 597  0, 186 ˜ x  0, 007 ˜ x

3

st ,2 ˆ KHT x

35, 171  1, 007 ˜ x  0, 009 ˜ x

2

2

 0, 0000986 ˜ x

 0, 0000386 ˜ x

3

3

Quelle: Busse/Krauth/Schwartz (2002), S. 291; eigene Berechnungen.

(2) Schätzung Das oben ermittelte Ausgabenprofil des Jahres 2006 lässt sich nun nach Versterbenden und Überlebenden aufgliedern. Zunächst werden die Ausgaben je Krankenhaustag Aˆ gKHT , x mittels Gleichung Aˆ gKHT ,x

(30)

PTA g , x ü ˆ ˆ st VZ g , x ˜ KHTxü  VZ gst, x ˜ KHT x

geschätzt. Hierbei werden die gemäß Gleichung (25) ermittelten durchschnittlichen Ausgaben nach Alter und Geschlecht durch die Summe der geschätzten Krankenhaustage in der entsprechenden Altersklasse dividiert. Die Summe der Krankenhaustage wird durch die Multiplikation der Anzahl der überlebenden Versicherten VZ gü , x und der Anzahl der versterbenden Versicherten VZ gst, x mit ˆ ü beziehungsder Zahl der zugehörigen geschätzten Krankenhaustage ( KHT x st ˆ weise KHTx ) bestimmt, welche in Abhängigkeit des zugrunde gelegten Sterbekostenmodells ermittelt werden. Die Anzahl der Versterbenden und Überlebenden wird mittels Sterbetafel 2004/2006 berechnet.14 Anschließend können ___________ 13 14

Vgl. Breyer (1999), S. 57. Die verwendete Sterbetafel ist in Abbildung B-4 dargestellt.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

97

die Ausgaben für Überlebende Aˆ gü, x beziehungsweise Versterbende Aˆ gst, x durch die Multiplikation mit den geschätzten Ausgaben je Krankenhaustag ermittelt werden. Die zugehörigen Gleichungen lauten (31)

ü Aˆ g , x

KHT ˆ ü Aˆ g , x ˜ KHT g,x

st Aˆ g , x

KHT ˆ st . Aˆ g , x ˜ KHT g,x

und (32)

Die Ergebnisse der Schätzung sind für die oben diskutierten zwei Modelle in Abbildung D-4 und Abbildung D-5 dargestellt. Da sich diese für männliche und weibliche Versicherte nur in jenen Altersgruppen signifikant voneinander unterscheiden, in denen sich die Frauen im gebärfähigen Alter befinden, sei der Verlauf des Ausgabenprofils exemplarisch für männliche Versicherte dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich die altersspezifischen Ausgaben für überlebende Personen in Sterbekostenmodell 1 bis zu einem Alter von etwa 40 Jahren kaum von den altersspezifischen Ausgaben gemäß Gesamtausgabenprofil unterscheiden. Danach ist die Steigung des Ausgabenteilprofils der Überlebenden geringer, jedoch bis zum 78. Lebensjahr positiv. Erst danach sinken die Ausgaben leicht ab. Die Kosten für Sterbende liegen bei der Geburt bei ca. 75.000 Euro, sinken dann auf etwa 18.500 Euro ab und steigen bis zum 14. Lebensjahr relativ stark auf etwa 35.500 Euro an. Die Ausgaben gehen danach bis zum Alter von 20 Jahren wieder zurück. Vom 20. bis zum 70. Lebensjahr sind die Ausgaben dann mit durchschnittlich 27.500 Euro relativ konstant und sinken im Anschluss erstmals bis auf 15.500 Euro ab. Sterbekostenmodell 2 zeigt gegenüber Modell 1 einen ähnlichen Verlauf der Ausgabenprofile. Der Unterschied in den beiden Modellen liegt in der relativen Bedeutung von Sterbekosten und Ausgaben für Überlebende. Letztere fallen in Modell 2 geringer aus. So beträgt beispielsweise die Ausgabendifferenz im Alter von 75 Jahren 279 Euro. Die Sterbekosten sind dagegen in Modell 2 höher und betragen im Alter von 75 Jahren 35.805 Euro. In Modell 1 sind es hingegen lediglich 29.718 Euro. Die Sterbekosten sind zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr auch nicht mehr konstant, sondern sinken bis zum 90. Lebensjahr durchgängig. (3) Statistik Tabelle D-3 gibt einen Überblick über den Anteil der Sterbekosten an den gesamten Behandlungsausgaben in den Jahren 2005 und 2006.15 Aufgrund der gerin___________ 15 Die methodische Vorgehensweise bei der Schätzung der Sterbekosten für das Jahr 2005 entspricht der Bestimmung der Sterbekosten für das Jahr 2006.

98

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

gen Ergebnisabweichungen beider Jahre werden hier nur die Ergebnisse des Jahres 2006 diskutiert. Die abgeleiteten Aussagen gelten entsprechend für das Jahr 2005.

Sterbekostenmodell 1 160.000 €

6.000 € 5.500 €

140.000 € 5.000 € 120.000 €

4.000 €

100.000 €

3.500 € 80.000 €

3.000 € 2.500 €

60.000 €

2.000 €

Pro-Kopf-Sterbekosten

Pro-Kopf-Ausgaben

4.500 €

40.000 €

1.500 € 1.000 €

20.000 € 500 € 0€

0€ 0

5

10 15

20 25 30

35 40

45 50 55

60 65 70

75 80 85

90

Alter undifferenziert

Überlebende

Sterbende

Sterbekostenmodell 2 6.000 €

200.000 €

5.500 €

180.000 €

5.000 €

160.000 € 140.000 €

4.000 € 3.500 €

120.000 €

3.000 €

100.000 €

2.500 €

80.000 €

2.000 €

60.000 €

Pro-Kopf-Sterbekosten

Pro-Kopf-Ausgaben

4.500 €

1.500 € 40.000 €

1.000 €

20.000 €

500 € 0€

0€ 0

5

10 15 20 25 30

35 40 45 50 55

60 65 70 75 80 85

90

Alter

undifferenziert

Überlebende

Sterbende

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-4: Pro-Kopf-Ausgaben für versterbende und überlebende männliche Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV

99

Sterbekostenmodell 1 160.000 €

5.500 € 5.000 €

140.000 €

4.000 €

120.000 €

3.500 €

100.000 €

3.000 € 80.000 € 2.500 € 2.000 €

60.000 €

1.500 €

40.000 €

Pro-Kopf-Sterbekosten

Pro-Kopf-Ausgaben

4.500 €

1.000 € 20.000 €

500 € 0€

0€ 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Alter undifferenziert

Überlebende

Sterbende

Sterbekostenmodell 2 5.500 €

200.000 €

5.000 €

180.000 €

4.500 €

160.000 €

Pro-Kopf-Ausgaben

140.000 €

3.500 €

120.000 €

3.000 € 100.000 € 2.500 € 80.000 €

2.000 €

60.000 €

1.500 € 1.000 €

40.000 €

500 €

20.000 €

0€

Pro-Kopf-Sterbekosten

4.000 €

0€ 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Alter undifferenziert

Überlebende

Sterbende

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-5: Pro-Kopf-Ausgaben für versterbende und überlebende weibliche Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2006

100

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte Tabelle D-3 Deskriptive Statistik der Sterbekosten im Jahr 2005 und 2006

Ausgaben der über 65-Jährigen (GA65) insgesamt (GA) Sterbekosten (SK) Modell 1 Modell 2 Sterbekosten der über 65-Jährigen (SK65) Modell 1 Modell 2

SK/GA Modell 1 Modell 2 SK65/GA Modell 1 Modell 2 SK65/GA65 Modell 1 Modell 2

Männer 2005 2006

in Mrd. Euro Frauen 2005 2006

23,155 59,846

23,579 61,280

30,250 69,852

30,808 71,608

53,404 129,698

54,387 132,888

9,185 11,729

9,105 11,644

8,470 10,389

8,433 10,354

17,655 22,118

17,538 21,998

6,632 7,918

6,566 7,852

13,736 16,199

13,618 16,078

Männer 2005 2006

7,104 7,052 8,281 8,226 Anteil in v.H. Frauen 2005 2006

Gesamt 2005 2006

15,3 19,6

14,9 19,0

12,1 14,9

11,8 14,5

13,6 17,1

13,2 16,6

11,1 13,2

10,7 12,8

10,2 11,9

9,8 11,5

10,6 12,5

10,2 12,1

28,6 34,2

27,8 33,3

23,5 27,4

22,9 26,7

25,7 30,3

25,0 29,6

Gesamt 2005 2006

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Der Anteil der Sterbekosten an den Behandlungsausgaben insgesamt liegt zwischen 13,4 v. H. und 16,8 v. H. und ist damit geringfügig höher, als der von Felder für die Schweiz ermittelte Anteil von 12 v. H.16 Der Sterbekostenanteil für Männer liegt in beiden Sterbekostenmodellen über denen der Frauen. Der Anteil der insgesamt Versterbenden betrug 1,0 v. H. Bezieht man nur die Sterbekosten von über 65-Jährigen auf die Gesamtausgaben, so liegt der Anteil zwischen 10,6 v. H. und 12,5 v. H. Der Anteil der Sterbekosten von über 65-Jährigen an den von ihnen insgesamt verursachten Ausgaben liegt zwischen 25,1 v. H. und 29,6 v. H., wobei der Anteil der Versterbenden 4,2 v. H. betrug. Damit zeigt sich, ungeachtet der sehr unterschiedlichen Gesundheitssysteme, eine Ähnlichkeit mit den Ergebnissen, die Lubitz/ Riley für die amerikanischen Medicare-Versicherten erzielen. Sie finden Ausgabenanteile zwischen 27,2 v. H. und 30,6 v. H. für die 5,1 v. H. bis 5,4 v. H. versterbenden Personen.17 Felder ermittelt für die Schweiz einen Anteil von 22 ___________ 16 17

Vgl. Felder (1996), S. 139, Fußnote 1. Vgl. Lubitz/Riley (1993), S. 1093.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 101

v. H. für den Zeitraum von 1980 bis 1992, welcher in den darauf folgenden zwei Jahren auf 18 v. H. absinkt.18 Die Relation zwischen den durchschnittlichen Ausgaben 65-Jähriger und Älterer im letzten Lebensjahr und den Ausgaben für Überlebende der gleichen Altersgruppe beträgt 7,0 in Modell 1 und 8,6 in Modell 2 (vgl. Abbildung D-6). Die Ergebnisse entsprechen damit wiederum in etwa den von Lubitz/Riley gefundenen Werten von 6,6 bis 7,1. Ferner liegen die relativen Sterbekosten geringfügig über den bei Garber/MaCurdy/McClellan (1998) und Hogan et al. (2001) ermittelten Werten von etwa sechs.19 10 9

relative Sterbekosten

8 7 6 5 4 3 2 1 0 Lubitz/Riley

Zweifel/Felder/Meier

Hogan et al.

Garber/ MaCurby/ McClellan

Postler

Autor M inimum

M aximum

Quelle: Tabelle C-6; eigene Berechnungen.

Abbildung D-6: Relative Sterbekosten im internationalen Vergleich

Darüber hinaus ist ein Vergleich der durchschnittlichen Sterbekosten von GKV und PKV interessant (vgl. Tabelle D-4). Die von Niehaus geschätzten Sterbekosten für die männliche PKV-Population des Jahres 2004 betragen 23.131 Euro und liegen damit geringfügig unter den in Sterbekostenmodell 1 geschätzten 25.945 Euro für das Jahr 2005 beziehungsweise 26.647 Euro für das Jahr 2006.20 Die Sterbekosten für die weibliche PKV-Population liegen bei 20.423 Euro, während sie 21.734 Euro für das Jahr 2005 und 22.257 Euro für ___________ 18

Vgl. Felder (1996), S. 139. Vgl. Tabelle C-6. 20 Vgl. Niehaus (2006a), S. 126; Niehaus (2006b) als Überblick; eine weitere Untersuchung auf Basis von DKV-Daten ist zu finden in Rodrig/Wiesemann (2004). 19

102

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

das Jahr 2006 in Sterbekostenmodell 1 betragen. Die gemäß Sterbekostenmodell 2 ermittelten durchschnittlichen Sterbekosten liegen beträchtlich höher und betragen 33.131 Euro für die männliche GKV-Population des Jahres 2005 beziehungsweise 34.077 Euro für das Jahr 2006. Für die weibliche GKVPopulation des Jahres 2005 betragen die mittleren Sterbekosten 26.657 Euro und 27.328 Euro für das Jahr 2006. Tabelle D-4 Durchschnittliche Sterbekosten von gesetzlicher und privater Krankenversicherung im Vergleich PKV Datengewinnung Basisjahr

GKV #

Primärdaten 2004

2005

2006

2005

2006

männliche Verstorbene

23.131 €

25.945 €

26.647 €

33.131 €

34.077 €

weibliche Verstorbene

20.423 €

21.734 €

22.257 €

26.657 €

27.328 €

Modell 1*

Modell 2

* Sterbekostenmaß: Krankenhaustage des letzten Lebensjahres #

Sterbekostenmaß: Krankenhaustage der letzten drei Lebensjahre

Quelle: Niehaus (2006a), S. 126, Tabelle 3 und eigene Berechnungen.

dd) Morbiditätsentwicklung (1) EOM-Modell Die Abschätzung zukünftiger demographisch bedingter Ausgabensteigerungen setzt Annahmen über die Entwicklung der Morbidität voraus. So wird in der von Prognos vorgelegten Studie für den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger von einem über die Zeit konstanten Ausgabenprofil ausgegangen.21 Somit muss Gleichung EOM c2006 t , x

(33)

c2006, x für 0 d t d 44 und 0 d x d 90

(EOM)

erfüllt sein, wobei t das Prognosejahr und x das Alter repräsentieren. Diese Vorgehensweise wird für den Standardansatz verwendet, welcher im Folgenden als Vergleichsmaßstab herangezogen wird.

___________ 21

Vgl. Prognos (1998), S. 83 ff.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 103

(2) STTR-Modell Andere Arbeiten verwenden ein nach rechts verschobenes Ausgabenprofil, um der Kompressionsthese Rechnung zu tragen.22 Diese Morbiditätsentwicklung wird hier simuliert, indem angenommen wird, dass sich die Ausgaben m,STTR c2006 t , x für Männer des Alters x im Prognosejahr t gemäß der Funktion

(34)

m , STTR c2006 t , x

m ­c2006, °c m x ° 2006, x 'LE x2006,2006t °c m2006,x °m ®c2006, x 'LE x2006,2006t °c m ° 2006,x m °c2006, x 'LE x2006,2006t °c m ¯ 2006,x

für 0 d x d 44 für 45 d x d 83 für x

84

für 85 d x d 86 für x

(STTR-G1)

87

für 88 d x d 89 für x

90

m für 0 d t d 44 bestimmen lassen. Hierbei steht c2006, x für den der Altersklasse

x im Ausgabenprofil des Jahres 2006 zugeordneten Wert und 'LE x2006,2006t für die Veränderung der Lebenserwartung im Alter x zwischen dem Basis- und Prognosejahr. Es wird somit die Annahme getroffen, dass sich die Morbidität im Prognosezeitraum verringert. Diese Annahme wird im Modell mit verringerter Morbidität (STTR-Modell) herangezogen. Die Gesundheitsausgaben für einen 67-Jährigen Mann im Jahr 2050 entsprechen dann beispielsweise den Ausgaben eines im Jahre 2006 63-Jährigen Mannes, da die Restlebenserwartung eines 67-Jährigen Mannes gemäß den Sterbetafeln 2004/2006 und 2050/L1 um 4 Jahre angestiegen ist. Da mit der Kompressionsthese eine Verringerung der Morbidität beziehungsweise der Ausgaben angenommen wird, mussten die Profilwerte für das Alter 84, 87 und 90 als konstant unterstellt werden. Eine Rechtsverschiebung würde andernfalls zu einer Expansion der Ausgaben in diesen Altersjahren führen, da die Ausgaben im Profil des Basisjahres sinken (vgl. Abbildung D-1). Entsprechendes gilt für die Konstanz des Profils im Bereich der unter 45-Jährigen.23 Dieser Bereich des Ausgabenprofils ist jedoch relativ flach, wodurch die Nichtberücksichtigung an Bedeutung verliert.

___________ 22

Vgl. Breyer et al. (2001), S. 100 ff. Beim angesprochenen Gutachten im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (vgl. Breyer et al. 2001, S. 100) wird das Ausgabenprofil im Bereich der unter 60-Jährigen konstant gehalten, so dass der gewählte Bereich der Morbiditätsreduktion als hinreichend groß betrachtet werden kann. 23

104

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

w,STTR für weibAnalog zu dieser Vorgehensweise werden die Ausgaben c2006 t , x liche Versicherte gemäß Gleichung (35) bestimmt.

(35)

w , STTR c2006  t , x

w ­c2006, x °c w x 'LE x2006,2006t °° 2006, w ®c 2006,x °c w x 'LE x2006,2006t ° 2006, w °¯c2006, x

für 0 d x d 44 für 45 d x d 86 für x

87

für x

88

.

(STTR-G2)

für 89 d x d 90

(3) CM-Modell Die beschriebenen zwei Modelle zur Morbiditätsentwicklung sind in der Literatur üblich. Dennoch erlauben sie nur eine implizite Beschreibung der Morbiditätsentwicklung, da bei dieser Vorgehensweise keine Trennung zwischen Morbiditäts- und Sterbekosteneffekt vorgenommen wird. Um eine Separierung der Effekte zu erreichen, sind daher explizite Annahmen über die Morbiditätsentwicklung notwendig. Beim Sterbekostenansatz wird eine konstante Morbidität (CM) während der Simulation unterstellt. Die im Folgenden beschriebenen Gleichungen sind für 0 d x d 90 und 0 d t d 44 definiert. Die Ausgaben eines versterbenden männlichen Versicherten betragen im Prognosejahr (36)

m ,st ,CM c2006 t , x

m ,st c2006, x .

(CM-G1)

Für Ausgaben einer versterbenden weiblichen Versicherten wird analog angenommen, dass sie (37)

w,st ,CM c2006 t , x

w, st c2006, x

(CM-G2)

betragen. Für nicht versterbende Versicherte wird entsprechend angenommen, dass sie (38)

m ,ü ,CM c2006 t , x

m ,ü c2006, x

(CM-G3)

w,ü c2006, x

(CM-G4)

für männliche Versicherte und (39)

w,ü ,CM c2006 t , x

für weibliche Versicherte betragen.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 105

(4) COM-Modell Zur Simulation der Kompressionsthese (COM) werden das CM-Modell und das STTR-Modell kombiniert. Für sterbende Personen gelten die aus dem CMModell bekannten Gleichungen (36) und (37), d. h. (40)

m ,st ,COM c2006 t , x

m,st c2006, x

(COM-G1)

w,st ,COM c2006 t , x

w,st c2006, x .

(COM-G2)

und (41)

Für überlebende Personen gelten die Gleichungen (34) und (35) des STTRModells in leicht modifizierter Form, d. h. die Gleichungen

(42)

m ,ü ,COM c2006  t , x

m ,ü ­c2006, ° m ,ü x ®c2006, x 'LE x2006,2006t [ °c m ,ü ¯ 2006,x

für 45 d x d 78

­c w , ü x ° 2006, w ,ü ®c2006, x 'LE x2006,2006t [ °c w,ü ¯ 2006,x

für 45 d x d 83

für 0 d x d 44

(COM-G3)

für 79 d x d 90

und (43)

w ,ü ,COM c2006 t , x

für 0 d x d 44

(COM-G4)

für 84 d x d 90

müssen für 0 d t d 44 erfüllt sein. Die Intervallgrenzen des COM-Modells sind im Gegensatz zum STTR-Modell anders gewählt, da sich ersteres lediglich auf das Ausgabenprofil der Überlebenden, letzteres jedoch auf das Gesamtprofil bezieht (vgl. Abbildung D-4). [ bezeichnet hierbei eine geeignet zu wählende Konstante. Mit Gleichungen (40) und (41) wird angenommen, dass sich die Sterbekosten im Prognosezeitraum nicht verändern. Gleichungen (42) und (43) stellen die eigentliche Kompressionsannahme dar, indem das Ausgabenprofil für Überlebende nach rechts verschoben wird. Im Gegensatz zum STTRModell stellt dies jedoch keine implizite, sondern eine explizite Morbiditätsannahme dar. Durch die Wahl von [ kann bestimmt werden, ob es sich um eine individuelle oder bevölkerungsbezogene Kompression handelt.24 Beide Modelle werden im Verlauf der Arbeit untersucht. ___________ 24 Siehe hierzu die Erläuterungen in Abschnitt D.I.1.b)aa)(4), insbesondere Gleichungen (46) und (47).

106

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

b) Ergebnisse Der demographische Ausgabeneffekt wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Im Folgenden wird daher zunächst hierauf Bezug genommen: Die mögliche Ausgabenentwicklung wird anhand von vier Hauptmodellen dargestellt und analysiert. Die Differenzen in den Modellergebnissen resultieren einerseits aus der unterschiedlichen Behandlung der Sterbekosten, andererseits aus den zugrunde gelegten Annahmen in den unterschiedlichen Morbiditätsmodellen. Im Anschluss an die Darstellung ausgabenseitiger Entwicklungen wird auch die Entwicklung der Beitragsbemessungsgrundlage kurz dargelegt. Beide Entwicklungen werden abschließend zum Nachweis der Beitragssatzentwicklung kombiniert. aa) Ausgaben

(1) EOM-Modell (a) Behandlungsausgaben Altersstruktur und Bevölkerungsstand bestimmen die Entwicklung der Behandlungsausgaben maßgeblich. Der Anstieg des Altenquotienten führt aufgrund des Altersstruktureffekts zu steigenden Behandlungsausgaben, da diese im Versichertenquerschnitt mit dem Lebensalter zunehmen. Als „Bevölkerungsstandseffekt“ wird im Folgenden jener entlastende Effekt auf die Behandlungsausgaben bezeichnet, der durch den Rückgang der Bevölkerung hervorgerufen wird. Um die Wirkungen beider Effekte auf die Behandlungsausgaben zu analysieren, wird das EOM-Modell für drei demographische Szenarien modelliert: –

Szenario 1 (niedriger Ausgabendruck): In der Variante 5-W1 der Bevölkerungsvorausberechnung nimmt die Bevölkerungszahl am stärksten ab, da hier eine sinkende Geburtenrate unterstellt wurde.25 Da der Bevölkerungsstandseffekt in dieser Variante am größten ist, müssen die gesamten Behandlungsausgaben in diesem Modell am wenigsten stark zunehmen.



Szenario 2 (mittlerer Ausgabendruck): In der Bevölkerungsvariante 1-W2 nimmt die Bevölkerungszahl mittelmäßig ab. Der Bevölkerungsstandseffekt entfaltet daher eine geringere Wirkung als in Szenario 1, und die Behandlungsausgaben nehmen in diesem Szenario deshalb stärker zu.



Szenario 3 (hoher Ausgabendruck): In der Variante 4-W2 der Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes nimmt die Bevölkerungszahl am

___________ 25

Vgl. Tabelle B-6 zu den Varianten der Bevölkerungsvorausberechnung.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 107

geringsten ab, da eine steigende Geburtenrate, ein hoher Anstieg der Lebenserwartung und eine hohe Zuwanderung unterstellt wurden. Der Bevölkerungsstandseffekt entfaltet in dieser Variante seine geringste Wirkung, womit die Behandlungsausgaben am stärksten zunehmen müssen. Im Szenario mit niedrigem Ausgabendruck steigen die Behandlungsausgaben um 7,1 v. H. bis zum Jahr 2050 an. Gemäß dem Szenario mit hohem Ausgabendruck ist ein Zuwachs von 23 v. H. zu erwarten. Schließlich ist im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck von einem Anstieg um 14,1 v. H. auszugehen (vgl. Tabelle D-5). Tabelle D-5 Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im EOM-Modell, indexierte Darstellung Szenario 1 2010

Jahr 2020 2030

Szenario 3

Szenario 2

Ärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 101,4 103,6 103,3 100,9 95,4 100,0 102,5 106,8 108,3 106,8 101,2 100,0 100,6 101,3 99,8 96,8 91,3

100,0 101,6 105,1 106,5 106,1 102,9 100,0 102,7 108,4 111,8 112,4 109,4 100,0 100,8 102,8 102,8 101,7 98,4

100,0 101,8 106,6 109,7 111,1 110,3 100,0 102,9 110,3 115,8 118,7 118,2 100,0 101,0 104,0 105,4 105,9 104,8

Zahnärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,0 100,0

100,0 100,0 100,0

100,0 100,0 100,0

Apotheken Gesamt Männer Frauen

100,0 103,1 108,6 114,0 115,8 110,6 100,0 104,1 110,9 117,6 119,7 113,8 100,0 102,2 106,5 110,8 112,4 107,8

100,0 103,2 109,6 116,3 119,9 116,9 100,0 104,2 112,1 120,3 124,4 121,0 100,0 102,3 107,4 112,9 115,9 113,3

100,0 103,4 111,3 120,0 125,8 125,3 100,0 104,4 113,9 124,5 131,3 130,6 100,0 102,5 108,9 116,1 121,0 120,7

Krankenhaus Gesamt Männer Frauen

100,0 103,7 109,9 115,6 119,9 116,4 100,0 105,1 113,7 121,5 126,4 121,9 100,0 102,3 106,5 110,2 114,0 111,3

100,0 103,8 111,3 118,3 124,3 123,2 100,0 105,3 115,1 124,4 131,2 129,5 100,0 102,5 107,8 112,7 118,0 117,4

100,0 104,2 113,5 122,9 131,7 133,8 100,0 105,6 117,6 129,6 139,7 141,4 100,0 102,8 109,9 116,8 124,4 126,9

Sonstige Leistungsausgaben Gesamt Männer Frauen

100,0 103,8 111,7 118,6 125,5 128,1 100,0 105,2 115,4 125,0 132,6 133,9 100,0 102,8 109,2 114,2 120,7 124,2

100,0 103,9 113,0 121,3 129,8 134,6 100,0 105,3 116,7 128,1 137,6 141,5 100,0 103,0 110,4 116,6 124,5 130,0

100,0 104,2 115,6 127,3 139,4 149,2 100,0 105,5 119,5 135,0 148,7 158,1 100,0 103,3 112,9 122,0 133,1 143,2

Insgesamt Gesamt Männer Frauen

100,0 102,8 107,7 110,2 111,2 107,1 100,0 103,9 110,9 114,7 116,0 111,3 100,0 101,8 105,0 106,3 107,0 103,5

100,0 102,9 109,0 113,0 115,8 114,1 100,0 104,1 112,3 117,8 121,1 119,0 100,0 101,9 106,2 108,9 111,2 109,8

100,0 103,1 110,8 116,8 121,9 123,0 100,0 104,3 114,2 122,1 128,1 128,9 100,0 102,1 107,8 112,3 116,6 117,8

94,5 95,0 94,0

88,8 89,3 88,2

82,3 83,0 81,7

2050

74,7 75,5 73,9

2006

2010

99,2 99,5 99,0

96,0 96,6 95,5

92,4 93,2 91,7

2040

88,2 89,1 87,4

2050

82,6 83,6 81,7

2006

2010

Jahr 2020 2030

2006

99,1 99,3 98,9

2040

Jahr 2020 2030

Hauptleistungsbereiche

99,3 99,5 99,1

96,5 97,2 95,9

94,1 95,0 93,3

2040

91,2 92,2 90,2

2050

86,9 88,1 85,8

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Die hierbei auftretende Entwicklungsdynamik lässt sich durch zwei Phasen charakterisieren:26 1.

In der ersten Phase wirkt sich die Verschiebung der Altersstruktur stärker als der Bevölkerungsrückgang aus (vgl. Abbildung D-7). Die Phasenlänge nimmt dabei mit zunehmendem Bevölkerungsrückgang ab. So steigen die Ausgaben in Szenario 3 bis zum Jahr 2047 um 23,2 v. H. an. Die Behand-

___________ 26 Siehe hierzu auch die Berechnungen von Erbsland (1994); Erbsland/Wille (1995); Erbsland/Ried/Ulrich (1999); Ulrich (2001b); Postler (2003), in denen ein entsprechender Verlauf festgestellt wird.

108

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

125

125

120

120

115

115

110

110

105

105

100

100

95

2006=100

2006=100

lungsausgaben erreichen im Szenario 2 mit 15,9 v. H bereits im Jahr 2042 ihren Höhepunkt. In Szenario 1 verkürzt sich die erste Phase bis auf das Jahr 2039, in der der Anstieg der Behandlungsausgaben 11,2 v. H. erreicht.

95 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-7: Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, indexierte Darstellung

2.

In der zweiten Phase bis zum Jahr 2050 wirkt sich der Bevölkerungsrückgang stärker aus, was zu einem Rückgang der Ausgaben auf die oben genannten Werte führt. Die Ausgabendynamik findet dabei vorwiegend in den hohen Altersklassen der 70-Jährigen und Älteren statt (vgl. Tabelle D6). So ergibt sich bis zum Jahr 2050 für die Altersklasse der 90-Jährigen und Älteren in Szenario 1 und 2 eine Verdreifachung der Ausgaben (exakt: 330,8 v. H. und 333,3 v. H.) gegenüber dem Ausgangswert im Jahr 2006. In Szenario 3 ist die Dynamik wesentlich stärker, was in etwa zu einer Verfünffachung der Ausgaben (genau: 475,3 v. H.) führt. Der Zuwachs der Behandlungsausgaben und die Bedeutung des Altersstruktureffekts fallen in den einzelnen Hauptleistungsbereichen recht unterschiedlich aus, da die Altersabhängigkeit dort stark variiert. Grob lässt sich sagen, dass die Entwicklung in den Hauptleistungsbereichen Ärzte und Zahnärzte eher Ausgaben senkend wirkt, während die starke Altersabhängigkeit im Hauptleistungsbereich Krankenhaus sowie bei den sonstigen Leistungsausgaben zu einem starken Ausgabenwachstum führt. Differenziert man die Ausgabenentwicklung

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 109

nach dem Geschlecht, so zeigt sich, dass die Dynamik bei den Männern in der Regel vergleichsweise stärker ausgeprägt ist. Tabelle D-6 Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Altersklassen im EOM-Modell, indexierte Darstellung

Altersklasse 0-10 10-20 20-30 30-40 40-50 50-60 60-70 70-80 80-90 90Gesamt

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 93,6 92,5 101,9 87,9 101,1 108,5 91,9 115,1 116,0 106,6 102,8

Szenario 1

Szenario 2

Jahr 2020 2030 86,3 76,4 79,2 72,6 88,6 76,7 90,7 79,0 72,2 74,3 125,4 90,0 110,1 128,3 109,3 135,4 156,3 152,4 173,7 275,2 107,7 110,2

Jahr 2020 2030 92,6 87,5 80,4 78,1 91,9 81,0 93,8 84,4 73,6 78,1 126,4 92,5 110,4 129,5 109,5 136,0 156,6 152,8 174,1 276,0 109,0 113,0

2040 66,1 65,1 70,7 68,9 65,1 93,0 92,8 160,8 202,3 292,4 111,2

2050 59,2 56,4 64,1 63,7 56,9 81,9 96,8 118,5 247,3 430,8 107,1

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 94,4 92,7 102,5 88,2 101,2 108,6 92,0 115,2 116,0 106,6 102,9

Szenario 3 2040 78,9 74,9 78,5 75,1 70,7 98,4 95,8 162,5 203,4 293,9 115,8

2050 75,4 67,6 76,0 73,2 63,1 89,6 102,8 122,4 250,2 433,3 114,1

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 95,8 92,7 102,5 88,2 101,2 108,6 92,0 115,4 116,5 108,1 103,1

Jahr 2020 2030 100,5 99,7 81,0 84,0 91,9 81,5 93,8 84,4 73,6 78,1 126,5 92,6 110,7 130,2 110,9 139,1 162,5 163,9 189,9 326,2 110,8 116,8

2040 92,1 84,9 83,6 75,5 70,7 98,5 96,4 167,4 222,5 372,7 121,9

2050 92,5 78,1 84,9 77,7 63,4 89,7 103,5 126,5 278,2 575,3 123,0

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Die Hauptleistungsbereiche im Einzelnen: –

Der Hauptleistungsbereich „Ärzte“ hat mit 19 v. H. im Jahr 2006 den zweitgrößten Anteil an den Behandlungsausgaben (vgl. Tabelle D-7). Bei geringem Ausgabendruck nehmen die Behandlungsausgaben bis zum Jahr 2050 um bis zu 4,6 v. H. ab, und der Ausgabenanteil fällt auf bis zu 17,3 v. H. Im Szenario mit hohem Ausgabendruck reduziert sich der Ausgabenanteil auf bis zu 16,7 v. H. im Jahr 2050, obwohl die Behandlungsausgaben um 10,3 v. H. ansteigen. Der Rückgang des Ausgabenanteils erfolgt hier vielmehr aufgrund des unterproportionalen Ausgabenanstiegs im Vergleich zum durchschnittlichen Anstieg von 23 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck nehmen die Ausgaben noch um 2,9 v. H. zu, während der Ausgabenanteil des Hauptleistungsbereichs „Ärzte“ an den Behandlungsausgaben auf 17 v. H. zurückgeht. Tabelle D-7

Anteile der Hauptleistungsbereiche an den Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im EOM-Modell Hauptleistungsbereiche

Szenario 1

Szenario 2

Jahr

Jahr

Szenario 3 Jahr

2006

2010

2020

2030

2040

2050

2006

2010

2020

2030

2040

2050

2006

2010

2020

2030

2040

2050

Ärzte

19,0

18,8

18,4

18,0

17,5

17,3

19,0

18,8

18,3

17,8

17,3

17,0

19,0

18,8

18,2

17,7

17,1

16,7

Zahnärzte

10,4

10,0

9,1

8,5

8,0

7,6

10,4

10,0

9,1

8,4

7,7

7,3

10,4

10,0

9,0

8,2

7,5

6,9

Apotheken

17,6

17,6

17,7

18,1

18,1

17,9

17,6

17,6

17,7

18,2

18,3

18,1

17,6

17,7

17,8

18,2

18,3

18,2

Krankenhaus

36,7

37,0

37,5

38,4

39,4

39,6

36,7

37,0

37,5

38,5

39,6

39,8

36,7

37,0

37,5

38,7

39,8

40,2

Sonstige Leistungsausgaben

10,4

10,5

10,8

11,2

11,7

12,3

10,4

10,5

10,8

11,2

11,8

12,5

10,4

10,5

10,9

11,4

12,0

12,9

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

110

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte



Für den Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ ist der Altersstruktureffekt bedeutungslos, was sich in der kontinuierlichen Abnahme der Behandlungsausgaben widerspiegelt: in Szenario 3 sinken die Ausgaben bis zum Jahr 2050 um 13,1 v. H. und in Szenario 1 sogar um 25,3 v. H. In Szenario 2 nehmen die Ausgaben immerhin noch um 17,4 v. H. ab. Der Ausgabenanteil fällt bis zum Jahr 2050 in Szenario 3 mit bis zu 3,5 Prozentpunkten am stärksten und beträgt dann nur noch 6,9 v. H. Minimal muss von einem Rückgang des Anteils um 2,4 v. H. in Szenario 1 ausgegangen werden, während im Mittel ein Anteilsrückgang um 2,7 v. H. erwartet werden muss. Geschlechtsspezifische Differenzen sind im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ am wenigsten stark ausgeprägt.



Der Hauptleistungsbereich „Apotheken“ ist mit einem Anteil von 17,6 v. H. an den Behandlungsausgaben der im Jahr 2006 drittwichtigste Bereich. Die Zuwächse der Ausgaben entsprechen hier in etwa dem Anstieg der Behandlungsausgaben insgesamt. Bei geringem Ausgabendruck steigen die Ausgaben um 10,6 v. H. und damit um 3,5 Prozentpunkte stärker als im Durchschnitt. Bei hohem Ausgabendruck nehmen sie dagegen um 25,3 v. H. zu und liegen damit um 2,3 Prozentpunkte über dem Ausgabenwachstum insgesamt. Da das Wachstum der Behandlungsausgaben im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ somit nur geringfügig über dem durchschnittlichen Wachstum aller Hauptleistungsbereiche liegt, steigt auch der Ausgabenanteil nur geringfügig an. Im Szenario mit geringem Ausgabendruck beträgt der Anteil im Jahr 2050 17,9 v. H., während er im Szenario mit starkem Ausgabendruck nur unwesentlich stärker steigt und im Jahr 2050 18,2 v. H. beträgt. Bei mittlerem Ausgabendruck ist von einem Zuwachs um 0,5 Prozentpunkte auf 18,1 v. H. im Jahr 2050 auszugehen.



Da der Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ im Jahr 2006 mit einem Ausgabenanteil von 36,7 v. H. an den gesamten Behandlungsausgaben die bei weitem größte Bedeutung aufweist, wirken sich auch die hohen Zuwächse in diesem Bereich deutlich auf das Wachstum der Behandlungsausgaben insgesamt aus. Das Wachstum beträgt dabei schon im Szenario mit geringem Ausgabendruck 16,4 v. H., während es im Szenario mit hohem Ausgabenwachstum beachtliche 33,8 v. H. sind. Bei mittlerem Ausgabendruck wachsen die Behandlungsausgaben noch um 23,2 v. H. Der Altersstruktureffekt dominiert den Niveaueffekt bei niedrigem bis mittlerem Ausgabendruck bis zum Jahr 2040. Bei hohem Ausgabendruck ist die Bedeutung des Altersstruktureffekts so groß, dass bis zum Jahr 2050 ein monotoner Zuwachs der Behandlungsausgaben erfolgt. Der Anteil des Hauptleistungsbereichs „Krankenhaus“ steigt in diesem Fall auf 40,2 v. H. an. In den Szenarien mit geringem und mittlerem Ausgabenwachstum liegen die korrespondierenden Anteile im Jahr 2050 bei 39,6 v. H. und 39,8 v. H. Der Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ weist eine der höchsten geschlechtsspezifischen Ausgaben-

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 111

unterschiede auf. Für das Jahr 2050 betragen diese beispielsweise 14,5 Prozentpunkte im Szenario mit hohem Ausgabenwachstum. –

Der Ausgabenzuwachs fällt im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ am höchsten aus und liegt bis zum Jahr 2050 zwischen 28,1 v. H. und 49,2 v. H. Die Bedeutung des Altersstruktureffekts ist hier am größten und führt in allen Szenarien zu einem kontinuierlichen Anstieg der Ausgaben. Der Ausgabenanteil nimmt folglich bis zum Jahr 2050 zu und beträgt dann 12,3 v. H. bis 12,9 v. H.

(b) Pro-Kopf-Behandlungsausgaben Anders als bei den Behandlungsausgaben insgesamt, fällt für die Pro-KopfBehandlungsausgaben der entlastende Bevölkerungsstandseffekt weg. Da somit nur der Altersstruktureffekt relevant ist, kann man sich bei der Szenarienanalyse auf die Bevölkerungsvarianten konzentrieren, in denen der Altenquotient am höchsten beziehungsweise am geringsten ausfällt. –

Szenario 1 (niedriger Ausgabendruck): Da der Altenquotient in Bevölkerungsvariante 3-W2 durch die unterstellte steigende Geburtenrate und den hohen Wanderungssaldo den geringsten Anstieg erfährt, steigen auch die Pro-Kopf-Behandlungsausgaben in diesem Szenario am geringsten an.



Szenario 2 (mittlerer Ausgabendruck): In Bevölkerungsvariante 1-W1 steigt der Altenquotient mittelmäßig an und führt daher auch zu höheren Pro-Kopf-Ausgaben als in Szenario 1.



Szenario 3 (hoher Ausgabendruck): In Variante 6-W1 altert die Bevölkerung durch die angenommene sinkende Geburtenrate und den hohen Anstieg bei der Lebenserwartung am stärksten. Der Altenquotient führt hier zu den am stärksten steigenden Pro-Kopf-Behandlungsausgaben.

Die Behandlungsausgaben je Versicherten nehmen über alle Hauptleistungsbereiche zusammen bis zum Jahr 2050 um mindestens 23,8 v. H. und höchstens 35,5 v. H. zu (vgl. Abbildung D-8). Die Pro-Kopf-Behandlungsausgaben wachsen aufgrund des fehlenden Niveaueffekts kontinuierlich. Hier zeigt sich in allen Szenarien ein weitgehend linearer Trend, der zwischen den Jahren 2040 und 2045 endet und danach in eine Phase geringeren Ausgabenwachstums übergeht. Demographisch bedingt steigen die Pro-Kopf-Ausgaben ab dem Jahr 2050 nur noch im Szenario mit hohem Ausgabendruck merklich an. Rein demographisch erhöht hat sich das Niveau der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben gegenüber dem Basisjahr 2006 um durchschnittlich 29,7 v. H. (vgl. Tabelle D-8). Die Entwicklung der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben ist in den einzelnen Hauptleistungsbereichen unterschiedlich:

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte 140

140

135

135

130

130

125

125

120

120

115

115

110

110

105

105

100

100

95

2006=100

2006=100

112

95 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Szenario 3

Szenario 2

Szenario 1

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-8: Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, indexierte Darstellung

Tabelle D-8 Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im EOM-Modell, indexierte Darstellung Szenario 1 2010

Jahr 2020 2030

Szenario 3

Szenario 2

Ärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 101,9 106,2 109,3 111,7 112,6 100,0 102,8 109,2 114,3 118,0 119,1 100,0 101,3 104,2 105,8 107,4 108,1

100,0 102,0 106,8 110,7 114,2 116,0 100,0 102,9 109,8 115,9 120,9 123,2 100,0 101,4 104,7 107,2 109,6 111,0

100,0 102,0 107,2 111,8 116,2 119,0 100,0 102,9 110,3 117,3 123,6 127,4 100,0 101,4 105,1 108,1 111,0 113,1

Zahnärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,0 100,0

100,0 100,0 100,0

100,0 100,0 100,0

Apotheken Gesamt Männer Frauen

100,0 103,5 110,5 118,7 125,1 126,1 100,0 104,3 112,5 122,2 129,4 130,2 100,0 102,8 108,7 115,6 121,3 122,5

100,0 103,6 111,8 121,9 130,5 133,5 100,0 104,4 113,8 125,4 134,9 137,5 100,0 102,9 110,0 118,8 126,6 129,9

100,0 103,7 112,8 124,3 134,7 139,9 100,0 104,5 114,9 128,1 139,6 144,7 100,0 103,0 111,0 121,0 130,3 135,6

Krankenhaus Gesamt Männer Frauen

100,0 104,2 112,5 121,0 130,2 133,5 100,0 105,5 115,9 126,7 136,9 139,6 100,0 103,1 109,4 115,8 124,1 127,9

100,0 104,2 113,3 123,8 135,4 140,9 100,0 105,5 116,8 129,8 142,6 147,6 100,0 103,1 110,2 118,4 128,8 134,7

100,0 104,3 114,4 126,6 140,4 148,6 100,0 105,5 118,0 132,9 148,4 156,7 100,0 103,2 111,2 120,9 133,0 141,2

Sonstige Leistungsausgaben Gesamt Männer Frauen

100,0 104,2 114,0 124,1 136,0 145,8 100,0 105,4 117,5 130,9 143,9 152,9 100,0 103,5 111,8 119,7 130,7 141,1

100,0 104,3 115,1 127,0 141,7 154,9 100,0 105,5 118,5 133,7 149,8 162,3 100,0 103,6 112,8 122,5 136,2 149,9

100,0 104,5 116,8 131,2 149,0 167,0 100,0 105,6 120,1 138,0 157,7 175,8 100,0 103,8 114,6 126,7 143,1 161,0

Insgesamt Gesamt Männer Frauen

100,0 103,3 110,1 115,6 121,3 123,8 100,0 104,2 112,9 120,0 126,4 128,6 100,0 102,5 107,7 111,8 117,0 119,6

100,0 103,3 111,0 118,0 125,5 129,7 100,0 104,3 113,8 122,6 130,9 134,9 100,0 102,5 108,5 114,1 120,9 125,2

100,0 103,4 111,8 120,1 129,2 135,5 100,0 104,3 114,7 124,9 135,2 141,7 100,0 102,6 109,3 116,0 124,1 130,2

96,7 96,9 96,6

94,9 95,1 94,7

93,3 93,8 93,0

2050

91,1 91,7 90,5

2006

2010

99,6 99,6 99,6

97,2 97,4 97,1

95,2 95,5 94,9

2040

93,4 94,1 92,8

2050

91,3 92,3 90,3

2006

2010

Jahr 2020 2030

2006

99,5 99,5 99,5

2040

Jahr 2020 2030

Hauptleistungsbereiche

99,6 99,6 99,6

97,2 97,4 97,1

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

95,0 95,4 94,6

2040

93,0 93,8 92,2

2050

90,5 91,8 89,2

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 113



Im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ nehmen die Pro-Kopf-Ausgaben im Szenario mit geringem Ausgabendruck bis zum Jahr 2050 um 12,6 v. H. zu, bei hohem Ausgabendruck immerhin um 19 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck ist eine Ausgabensteigerung von 16 v. H. festzustellen. Das Pro-Kopf-Wachstum der Behandlungsausgaben ist im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ jedoch nur unterdurchschnittlich (vgl. Tabelle D-8).



Die Behandlungsausgaben je Versicherten im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ sinken über den gesamten Projektionszeitraum: In Szenario 1 um 8,9 v. H. und in Szenario 3 sogar um 9,5 v. H. Der Anstieg in Szenario 2 entspricht mit 8,7 v. H. in etwa dem Ergebnis aus Szenario 1. Im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ treten kaum geschlechtsspezifische Ausgabenunterschiede auf.



Im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ steigen die Pro-Kopf-Behandlungsausgaben etwa so stark wie im Durchschnitt aller Hauptleistungsbereiche an. Beim Szenario mit niedrigem Ausgabendruck beträgt der Anstieg 26,1 v. H. bis zum Jahr 2050 und im Szenario mit hohem Ausgabendruck 39,9 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck nehmen die Ausgaben immerhin noch um 33,5 v. H. zu.



Im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ treten stark überdurchschnittliche Steigerungen der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben auf. Im Szenario mit hohem Ausgabendruck beträgt die Zunahme 48,6 v. H. bis zum Jahr 2050, im Szenario mit geringem Ausgabendruck noch 33,5 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck steigen die Ausgaben um weitere 7,4 Prozentpunkte gegenüber dem Szenario mit niedrigem Ausgabendruck an. Die geschlechtsspezifischen Ausgabenunterschiede sind im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ am stärksten ausgeprägt.



Das Wachstum der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben ist im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ wiederum am höchsten und beträgt zwischen 45,8 v. H. und 67 v. H. bis zum Jahr 2050.

Abbildung D-9 gibt den Verlauf der zuvor beschriebenen Pro-Kopf-Behandlungsausgaben als absolute Monatswerte wieder. Im Basisjahr 2006 betrugen die monatlichen Ausgaben je Versicherten 150 Euro. Dieser Wert lässt sich als Pauschalprämienanteil interpretieren, wenn man von einer beitragsfreien beziehungsweise -reduzierten Mitversicherung von Kindern absieht.27 Eine derart ermittelte Prämie deckt nur die im RSA ausgleichsfähigen Ausgaben ab. Weitere zu berücksichtigende Bestandteile der Prämie sind insbesondere die Satzungsleistungen sowie die Verwaltungsausgaben der GKV. Die tatsächlich zu ___________ 27 Eine Zusammenstellung von Untersuchungen zur Pauschalprämienentwicklung findet sich im statistischen Anhang.

114

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

zahlende Prämie liegt somit höher. Ohne diese Faktoren würde die Prämie gemäß Szenario 2 bis zum Jahr 2050 um 45 Euro auf dann 195 Euro ansteigen; in Szenario 3 würde sie auf 203 Euro und in Szenario 1 auf 186 Euro ansteigen. 220 €

220 €

210 €

210 €

200 €

200 €

190 €

190 €

180 €

180 €

170 €

170 €

160 €

160 €

150 €

150 €

140 €

140 €

130 €

130 € 120 €

120 € 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Szenario 3

Szenario 2

Szenario 1

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-9: Pro-Kopf-Behandlungsausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell, Darstellung auf Monatsbasis

(2) STTR-Modell (a) Behandlungsausgaben Auch der Analyse der Behandlungsausgaben im STTR-Modell werden die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Szenarien mit niedrigem, mittlerem und hohem Ausgabendruck zugrunde gelegt. Eine verminderte Morbidität führt im Szenario mit niedrigem Ausgabendruck bis zum Jahr 2050 zu einem Rückgang der Ausgaben um 1,5 v. H. Im Szenario mit hohem Ausgabendruck steigen die Behandlungsausgaben um 17,4 v. H., während im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck immerhin noch von einem Anstieg um 5 v. H. auszugehen ist (vgl. Tabelle D-9).

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 115 Tabelle D-9 Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im STTR-Modell, indexierte Darstellung 2010

Szenario 1

Szenario 2

Jahr 2020 2030

Jahr 2020 2030

2006

2040

2050

Ärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,1 102,2 101,3 98,6 100,0 100,6 104,8 105,3 103,4 100,0 99,8 100,4 98,4 95,3

90,7 94,2 88,2

100,0 100,3 103,8 104,5 103,7 97,9 100,0 100,8 106,4 108,8 108,9 101,9 100,0 99,9 101,9 101,4 100,0 95,2

100,0 100,5 105,2 107,7 108,7 105,3 100,0 101,0 108,3 112,8 115,1 110,6 100,0 100,1 103,1 104,1 104,3 101,5

Zahnärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,2 100,0 100,3 100,0 100,0

78,8 79,5 78,1

100,0 100,3 100,0 100,5 100,0 100,2

100,0 100,4 100,0 100,5 100,0 100,2

Apotheken Gesamt Männer Frauen

100,0 100,4 105,6 109,9 110,7 100,4 100,0 101,1 107,6 112,8 114,1 102,3 100,0 99,8 103,9 107,3 107,8 98,6

100,0 100,5 106,6 112,1 114,6 106,1 100,0 101,2 108,8 115,5 118,6 108,9 100,0 99,9 104,8 109,3 111,2 103,6

100,0 100,7 108,3 115,8 120,5 114,4 100,0 101,4 110,6 119,6 125,4 118,2 100,0 100,1 106,3 112,5 116,3 111,0

Krankenhaus Gesamt Männer Frauen

100,0 100,5 106,6 110,8 113,8 104,3 100,0 101,5 109,8 115,9 119,6 108,1 100,0 99,6 103,6 106,2 108,6 100,8

100,0 100,7 107,9 113,4 118,0 110,4 100,0 101,7 111,2 118,7 124,2 114,8 100,0 99,7 104,9 108,6 112,4 106,4

100,0 101,0 110,2 118,0 125,3 120,8 100,0 102,0 113,7 123,9 132,5 126,4 100,0 100,1 106,9 112,7 118,8 115,7

Sonstige Leistungsausgaben Gesamt Männer Frauen

100,0 100,6 108,3 113,2 118,3 113,4 100,0 101,9 111,7 119,1 124,9 117,9 100,0 99,8 105,9 109,2 113,8 110,3

100,0 100,8 109,5 115,8 122,5 119,4 100,0 102,0 113,1 122,1 129,7 124,8 100,0 99,9 107,1 111,6 117,5 115,7

100,0 101,0 112,1 121,7 131,8 133,4 100,0 102,2 115,9 128,9 140,6 140,6 100,0 100,2 109,5 116,9 125,9 128,4

Insgesamt Gesamt Männer Frauen

100,0 100,5 105,4 106,7 106,9 98,5 100,0 101,3 108,1 110,6 111,1 101,3 100,0 99,8 103,0 103,4 103,3 96,1

100,0 100,7 106,7 109,5 111,4 105,0 100,0 101,5 109,5 113,6 116,0 108,3 100,0 100,0 104,2 105,9 107,4 102,1

100,0 100,9 108,4 113,3 117,4 113,7 100,0 101,7 111,4 117,9 122,9 118,0 100,0 100,2 105,8 109,3 112,7 110,0

90,6 91,1 90,1

84,4 84,9 83,8

2010

97,3 97,8 96,8

94,3 95,0 93,6

2040

90,4 91,1 89,6

2050

87,0 88,0 86,1

2006

2010

Jahr 2020 2030

Hauptleistungsbereiche

95,7 96,2 95,3

2006

Szenario 3

97,8 98,4 97,2

96,0 96,8 95,2

2040

93,3 94,3 92,4

2050

91,4 92,5 90,2

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Die Entwicklungsdynamik besteht auch im STTR-Modell aus zwei Phasen: 1.

2.

Die Altersstrukturverschiebung in der ersten Phase führt in Szenario 1 zu einem Anstieg der Behandlungsausgaben bis zum Jahr 2040 um 6,9 v. H. und in Szenario 2 um 11,4 v. H. Die Änderung der Altersstruktur in Szenario 3 ist so stark, dass sich die erste Phase gegenüber den ersten beiden Szenarien verlängert und die Ausgaben bis zum Jahr 2050 kontinuierlich ansteigen. Der Anstieg der Behandlungsausgaben beträgt dabei 17,4 v. H. In der zweiten Phase führt der Bevölkerungsstandseffekt zu einer Ausgabensenkung. Im Vergleich zur Analyse des EOM-Modells ändert sich die Ausgabendynamik durch eine Reduktion der Morbidität nicht. Das Wachstum der Ausgaben wird auch hier von den hohen Altersklassen bestimmt, wobei quantitativ nur geringe Unterschiede bestehen. So ergibt sich bis zum Jahr 2050 für die Altersklasse der 80 bis 90-Jährigen in Szenario 1 ein Ausgabenzuwachs um 138,8 v. H. gegenüber dem Basisjahr 2006. Die größere Dynamik in Szenario 2 und 3 führt zu Ausgabenzuwächsen um 141,7 v. H. beziehungsweise 168,9 v. H. (vgl. Tabelle D-10). Das Wachstum der Ausgaben für die Altersklasse der 90-Jährigen und Älteren ändert sich im Vergleich zum EOM-Modell aufgrund des angenommenen Verlaufs des Ausgabenprofils nicht.

116

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte Tabelle D-10 Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Altersklassen im STTR-Modell, indexierte Darstellung Szenario 1

Altersklasse 0-10 10-20 20-30 30-40 40-50 50-60 60-70 70-80 80-90 90Gesamt

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 93,6 92,5 101,9 87,9 99,2 103,9 88,5 111,1 115,6 106,6 100,5

Jahr 2020 2030 86,3 76,4 79,2 72,6 88,6 76,7 90,7 79,0 70,9 71,7 120,2 82,7 106,1 122,6 105,7 130,8 155,7 149,9 173,7 275,2 105,4 106,7

Szenario 2 2040 2050 66,1 59,2 65,1 56,4 70,7 64,1 68,9 63,7 62,3 51,9 85,5 66,8 86,2 82,6 153,7 105,3 198,8 238,8 292,4 430,8 106,9 98,5

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 94,4 92,7 102,5 88,2 99,3 104,0 88,6 111,2 115,6 106,6 100,7

Jahr 2020 2030 92,6 87,5 80,4 78,1 91,9 81,0 93,8 84,4 72,2 75,3 121,1 85,0 106,4 123,8 105,8 131,4 156,0 150,3 174,1 276,0 106,7 109,5

Szenario 3 2040 78,9 74,9 78,5 75,1 67,6 90,5 88,9 155,4 199,9 293,9 111,4

2050 75,4 67,6 76,0 73,2 57,6 73,1 87,7 108,8 241,7 433,3 105,0

2006 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2010 95,8 92,7 102,5 88,2 99,3 104,0 88,6 111,4 116,1 108,1 100,9

Jahr 2020 2030 100,5 99,7 81,0 84,0 91,9 81,5 93,8 84,4 72,2 75,3 121,1 85,1 106,7 124,4 107,3 134,4 161,9 161,2 189,9 326,2 108,4 113,3

2040 92,1 84,9 83,6 75,5 67,6 90,6 89,5 160,1 218,7 372,7 117,4

2050 92,5 78,1 84,9 77,7 57,9 73,2 88,3 112,4 268,9 575,3 113,7

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Für die Hauptleistungsbereiche im Einzelnen gilt: –

Im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ nehmen die Behandlungsausgaben bei geringem Ausgabendruck bis zum Jahr 2050 um bis zu 9,3 v. H. ab (vgl. Tabelle D-11), und der Ausgabenanteil fällt auf 17,9 v. H. Im Szenario mit hohem Ausgabendruck reduziert sich der Ausgabenanteil auf 17,2 v. H. im Jahr 2050, obwohl die Behandlungsausgaben um 8,7 v. H. ansteigen. Die Ausgaben nehmen damit auch bei verringerter Morbidität nicht ab, sondern es erfolgt wie beim EOM-Modell im Bezug auf das Gesamtwachstum ein nur unterproportionaler Ausgabenanstieg. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck nehmen die Ausgaben um 2,1 v. H. ab, während der Ausgabenanteil des Hauptleistungsbereichs „Ärzte“ an den Behandlungsausgaben insgesamt auf 17,6 v. H. zurückgeht.



Für den Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ ist der Altersstruktureffekt auch im Modell mit verringerter Morbidität vernachlässigbar, was wiederum zu einer kontinuierlichen Abnahme der Ausgaben führt: Bis zum Jahr 2050 sinken die Behandlungsausgaben in Szenario 3 um 6,7 v. H. und in Szenario 1 mit 21,2 v. H. noch deutlicher. In Szenario 2 nehmen die Ausgaben um 13 v. H. ab. Bis zum Jahr 2050 reduziert sich der Ausgabenanteil in Szenario 3 mit 2,5 Prozentpunkten am stärksten und beträgt dann nur noch 7,9 v. H. Im Minimum muss von einem Rückgang des Anteils um 1,7 v. H. in Szenario 1 ausgegangen werden, während im Durchschnitt ein Anteilrückgang um 2 v. H. zu erwarten ist. Die geschlechtsspezifischen Differenzen sind auch bei reduzierter Morbidität im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ belanglos.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 117 Tabelle D-11 Anteile der Hauptleistungsbereiche an den Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im STTR-Modell Hauptleistungsbereiche 2006

2010

Szenario 1

Szenario 2

Jahr

Jahr

2020

2030

2040

2050

2006

2010

2020

Szenario 3 Jahr

2030

2040

2050

2006

2010

2020

2030

2040

2050

Ärzte

19,0

18,9

18,5

18,2

17,8

17,9

19,0

18,9

18,5

18,1

17,6

17,6

19,0

18,9

18,4

17,9

17,4

17,2

Zahnärzte

10,4

10,3

9,4

9,0

8,5

8,7

10,4

10,3

9,4

8,8

8,2

8,4

10,4

10,3

9,3

8,6

7,9

7,9

Apotheken

17,6

17,6

17,6

18,0

18,0

17,7

17,6

17,6

17,6

18,1

18,2

17,9

17,6

17,6

17,7

18,1

18,2

17,9

Krankenhaus

36,7

36,7

37,2

38,0

38,9

38,6

36,7

36,7

37,1

38,1

39,0

38,8

36,7

36,7

37,2

38,3

39,3

39,2

Sonstige Leistungsausgaben

10,4

10,4

10,7

11,0

11,5

11,9

10,4

10,4

10,7

11,1

11,5

12,0

10,4

10,5

10,8

11,2

11,8

12,4

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.



Die Zuwächse der Behandlungsausgaben im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ entsprechen in etwa dem Anstieg der Behandlungsausgaben insgesamt. Bei geringem Ausgabendruck steigen die Ausgaben um 0,4 v. H., bei hohem Ausgabendruck um 20,5 v. H.; sie liegen damit um 3,1 Prozentpunkte über dem Ausgabenwachstum insgesamt. Da das Wachstum der Behandlungsausgaben im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ folglich nur geringfügig über dem durchschnittlichen Wachstum aller Hauptleistungsbereiche liegt, steigt auch der Ausgabenanteil im STTR-Modell nur leicht an. Im Szenario mit geringem Ausgabendruck beträgt der Anteil im Jahr 2050 17,7 v. H., während er in den Szenarien mit mittlerem und starkem Ausgabendruck nur geringfügig stärker zunimmt und im Jahr 2050 17,9 v. H. beträgt.



Im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ beträgt das Wachstum der Behandlungsausgaben im Szenario mit geringem Ausgabendruck nur 4,3 v. H., während es im Szenario mit hohem Ausgabenwachstum bereits 25,3 v. H. sind. Bei mittlerem Ausgabendruck wachsen die Behandlungsausgaben dagegen um 10,4 v. H. Der Altersstruktureffekt überwiegt den Bevölkerungsstandseffekt bei niedrigem bis mittlerem Ausgabendruck bis zum Jahr 2040. Bei hohem Ausgabendruck erfolgt dagegen bis zum Jahr 2050 ein monotoner Zuwachs der Behandlungsausgaben. Der Anteil des Hauptleistungsbereichs „Krankenhaus“ steigt hierbei auf 39,2 v. H. an. In den Szenarien mit geringem und mittlerem Ausgabenwachstum liegen die entsprechenden Ausgabenanteile im Jahr 2050 bei 38,6 v. H. und 38,8 v. H. Wie im EOM-Modell, weist der Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ eine der höchsten geschlechtsspezifischen Ausgabenunterschiede auf. Für das Jahr 2050 im Szenario mit hohem Ausgabenwachstum immerhin 13,7 Prozentpunkte.



Die Ausgabensteigerung ist im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ wiederum am höchsten. Sie liegt bis zum Jahr 2050 zwischen 13,4 v. H. und 31,8 v. H. In der Folge nimmt der Ausgabenanteil bis zum Jahr 2050 zu und macht dann zwischen 11,9 v. H. und 12,4 v. H. aus.

118

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

In Abbildung D-10 sind die Unterschiede zwischen dem EOM-Modell und dem Modell mit verringerter Morbidität im Hinblick auf die Entwicklung der Behandlungsausgaben im Jahr 2050 dargestellt, welche in den einzelnen Hauptleistungsbereichen unterschiedlich zum Tragen kommen. Im Durchschnitt führt das STTR-Modell zu einem im Vergleich zum EOM-Modell um 8,6 bis 9,3 Prozentpunkte geringerem Ausgabenwachstum. Die Auswirkungen sind dabei im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ mit 4,7 bis 5,1 Prozentpunkten nur unterdurchschnittlich. Die Annahme verringerter Morbidität führt im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ sogar zu einem im Vergleich zum EOM-Modell um 4,1 bis 4,4 Prozentpunkte stärkerem Wachstum der Behandlungsausgaben. In den übrigen Hauptleistungsbereichen bewirkt die verringerte Morbidität dagegen eine bedeutende Abschwächung des Altersstruktureffekts: Im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ führt sie im Vergleich zum EOM-Modell zu 11,5 bis 12,4 Prozentpunkte geringerem Wachstum. Noch stärker sind die Effekte verringerter Morbidität im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“, mit einer Abschwächung von 12,1 bis 13 Prozentpunkten. Die bedeutsamste Abschwächung zeigt sich mit 14,7 bis 15,9 v. H. Prozentpunkten jedoch im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“.

20

Prozentpunkte

15

10

5

0

-5 Ärzte

Zahnärzte

Apotheken

Krankenhaus Sonstige Insgesamt Leistungsausgaben

Hauptleistungsbereiche Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-10: Wachstumsdifferenzen der Behandlungsausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen dem EOM- und dem STTR-Modell

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 119

In den Hauptleistungsbereichen „Ärzte“ und „Zahnärzte“, in denen eine unterdurchschnittliche beziehungsweise sogar negative Entlastung stattfindet, nimmt auch die relative Bedeutung um 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte beziehungsweise 1,0 bis 1,1 Prozentpunkte ab (vgl. Abbildung D-11). In den verbleibenden Hauptleistungsbereichen führt die verringerte Morbidität allerdings zu einem Anstieg der relativen Bedeutung, welcher mit einem Prozentpunkt im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ am stärksten ausfällt.

1,5

Prozentpunkte

1,0 0,5

0,0 -0,5 -1,0 -1,5 Ärzte

Zahnärzte

Apotheken

Krankenhaus

Sonstige Leistungsausgaben

Hauptleistungsbereiche Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-11: Unterschiede in der relativen Bedeutung der Hauptleistungsbereiche in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell

(b) Pro-Kopf-Behandlungsausgaben Die Behandlungsausgaben je Versicherten steigen über alle Hauptleistungsbereiche zusammen bis zum Jahr 2050 minimal um 14,1 v. H. und maximal um 25 v. H. an (vgl. Tabelle D-12). Gegenüber dem EOM-Modell fällt der Zuwachs um durchschnittlich etwa 10 Prozentpunkte geringer aus. Die Entwicklung der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben im STTR-Modell ist in den einzelnen Hauptleistungsbereichen recht unterschiedlich: –

Im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ nehmen die Pro-Kopf-Ausgaben im Szenario mit geringem Ausgabendruck um 7,2 v. H. bis zum Jahr 2050 zu, bei

120

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

hohem Ausgabendruck dagegen um 13,4 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck ist eine Ausgabensteigerung von 10,4 v. H. zu erwarten. Das Pro-Kopf-Wachstum der Behandlungsausgaben ist somit im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ nur unterdurchschnittlich (vgl. Tabelle D-12). Tabelle D-12 Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 nach Hauptleistungsbereichen im STTR-Modell, indexierte Darstellung 2010

Szenario 1

Szenario 2

Jahr 2020 2030

Jahr 2020 2030

2006

Ärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,6 104,9 107,2 109,2 107,2 100,0 101,0 107,2 111,3 114,3 111,2 100,0 100,4 103,3 104,4 105,7 104,6

100,0 100,7 105,4 108,6 111,7 110,4 100,0 101,0 107,7 112,8 117,1 114,9 100,0 100,5 103,8 105,8 107,8 107,3

100,0 100,7 105,8 109,7 113,6 113,4 100,0 101,0 108,3 114,2 119,8 119,0 100,0 100,5 104,2 106,7 109,3 109,4

Zahnärzte Gesamt Männer Frauen

100,0 100,6 100,0 100,5 100,0 100,6

100,0 100,7 100,0 100,6 100,0 100,7

100,0 100,7 100,0 100,6 100,0 100,7

Apotheken Gesamt Männer Frauen

100,0 100,8 107,5 114,4 119,7 114,6 100,0 101,3 109,1 117,3 123,4 117,3 100,0 100,3 106,0 112,0 116,5 112,2

100,0 100,9 108,7 117,5 124,8 121,2 100,0 101,4 110,4 120,4 128,6 123,9 100,0 100,5 107,3 115,0 121,5 118,9

100,0 101,0 109,7 119,9 129,0 127,5 100,0 101,5 111,5 123,0 133,3 130,8 100,0 100,6 108,3 117,2 125,2 124,6

Krankenhaus Gesamt Männer Frauen

100,0 101,1 109,1 116,1 123,7 120,0 100,0 101,9 112,0 121,0 129,6 124,1 100,0 100,3 106,5 111,7 118,4 116,1

100,0 101,1 109,9 118,7 128,5 126,4 100,0 101,9 112,9 123,9 134,9 131,1 100,0 100,3 107,2 114,0 122,7 122,0

100,0 101,1 111,0 121,5 133,4 133,8 100,0 102,0 114,0 127,0 140,6 139,7 100,0 100,4 108,2 116,5 126,8 128,3

Sonstige Leistungsausgaben Gesamt Männer Frauen

100,0 101,1 110,6 118,6 128,4 129,6 100,0 102,1 113,8 124,9 135,8 135,3 100,0 100,4 108,5 114,5 123,4 125,9

100,0 101,2 111,5 121,3 133,6 137,4 100,0 102,2 114,8 127,5 141,2 143,2 100,0 100,5 109,4 117,2 128,5 133,4

100,0 101,3 113,2 125,4 140,7 148,7 100,0 102,3 116,4 131,5 148,9 155,8 100,0 100,7 111,1 121,2 135,2 143,9

Insgesamt Gesamt Männer Frauen

100,0 101,0 107,7 112,0 116,8 114,1 100,0 101,6 110,1 115,7 121,2 117,2 100,0 100,5 105,7 108,9 113,0 111,4

100,0 101,1 108,6 114,3 120,7 119,4 100,0 101,6 111,0 118,2 125,4 122,9 100,0 100,6 106,5 111,0 116,7 116,4

100,0 101,1 109,4 116,4 124,4 125,0 100,0 101,7 111,9 120,5 129,7 129,4 100,0 100,6 107,3 112,9 119,9 121,2

96,7 96,9 96,6

95,5 95,8 95,2

2050

95,8 96,3 95,3

2006

2010

98,5 98,6 98,5

97,1 97,4 96,9

2040

95,7 96,2 95,2

2050

96,2 97,1 95,3

2006

2010

Jahr 2020 2030

Hauptleistungsbereiche

98,0 98,1 98,0

2040

Szenario 3

98,5 98,6 98,4

96,9 97,3 96,5

2040

95,3 96,0 94,6

2050

95,5 96,7 94,3

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.



Die Behandlungsausgaben je Versicherten im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ sinken über den gesamten Projektionszeitraum. In Szenario 1 um 4,2 v. H. und in Szenario 3 sogar um 4,5 v. H.



Der Anstieg der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ entspricht wieder ungefähr dem durchschnittlichen Wachstum über alle Hauptleistungsbereiche. Beim Szenario mit niedrigem Ausgabendruck beträgt der Anstieg 14,6 v. H. bis zum Jahr 2050 und im Szenario mit hohem Ausgabendruck 27,5 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck steigen die Ausgaben noch um 21,2 v. H. an.



Im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ treten erneut stark überdurchschnittliche Steigerungen der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben auf. Sie betragen im Szenario mit hohem Ausgabendruck 33,8 v. H. bis zum Jahr 2050, im Szenario mit geringem Ausgabendruck noch 20 v. H. Im Szenario mit mittlerem Ausgabendruck liegen die Ausgaben um 6,4 Prozentpunkte über denen im Szenario mit niedrigem Ausgabendruck.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 121



Auch im STTR-Modell ist das Wachstum der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ erneut am höchsten und liegt zwischen 29,6 v. H. und 48,7 v. H. im Jahr 2050.

Abbildung D-12 zeigt die Differenz der Wachstumsraten der Pro-KopfBehandlungsausgaben im Jahr 2050 zwischen dem EOM- und STTR-Modell. Durch die unterschiedliche Altersabhängigkeit in den verschiedenen Hauptleistungsbereichen sind auch die Auswirkungen auf das Wachstum in den einzelnen Hauptleistungsbereichen vergleichsweise unterschiedlich. Durchschnittlich führt die verringerte Morbidität zu einem um 9,7 bis 10,5 Prozentpunkte geringerem Ausgabenwachstum im Vergleich zum EOM-Modell. Im Hauptleistungsbereich „Ärzte“ sind die Effekte auf das Wachstum mit 5,3 bis 5,6 Prozentpunkten unterdurchschnittlich. Im Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ führt die gemäß STTR-Modell spezifizierte geringere Morbidität sogar zu einem im Vergleich zum EOM-Modell um 4,6 bis 5 Prozentpunkte stärkeren Wachstum. In den Hauptleistungsbereichen „Apotheken“ und „Krankenhaus“ sowie „sonstige Leistungsausgaben“ führt eine verringerte Morbidität dagegen zu einer erheblichen Abschwächung des Altersstruktureffekts: Diese liegt im Hauptleistungsbereich „Apotheken“ zwischen 11,5 und 12,4 Prozentpunkten. Im Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ ist die Abschwächung mit 13,5 bis 14,8 Prozentpunkten noch bedeutsamer. Die gewichtigste Abschwächung tritt allerdings im Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ mit 16,2 bis 18,3 Prozentpunkten auf. Während die monatlichen Behandlungsausgaben je Versicherten im EOMModell bei mittlerem Ausgabendruck (Szenario 2) von 2006 bis 2050 um 45 Euro auf 195 Euro zunehmen, fällt der Zuwachs bei verringerter Morbidität im STTR-Modell mit 29 Euro um etwa ein Drittel geringer aus. Die Pro-KopfBehandlungsausgaben belaufen sich damit auf 179 Euro im Jahr 2050 (vgl. Abbildung D-13). Im Szenario mit geringem Ausgabendruck betragen die Ausgaben nach dem STTR-Modell 171 Euro, bei hohem Ausgabendruck dagegen 188 Euro.

(3) CM-Modell Die Überzeichnung des Ausgabenwachstums beim Standardansatz entsteht durch eine sich verändernde Lebenserwartung zwischen Basis- und Projektionsjahr. Diese ist in Abbildung D-14 für Männer und Frauen zwischen den Jahren 2004/2006 und 2050 dargestellt.28 Es zeigt sich ein signifikanter Rückgang der Sterblichkeit für Personen ab dem 60. Lebensjahr.

___________ 28 Der Autor dankt Reinhold Zahn vom Statistischen Bundesamt für die Bereitstellung der Sterbetafeln des Jahres 2050 nach der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.

122

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte 20

15

Prozentpunkte

10

5

0

-5

-10 Ärzte

Zahnärzte

Apotheken

Krankenhaus

Sonstige Insgesamt Leistungsausgaben

Hauptleistungsbereiche Szenario 1

Szenario 2

Szenario 3

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-12: Wachstumsdifferenzen der Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell 210 € 203 €

200 € 195 €

190 €

188 €

186 € 180 € 179 € 170 €

171 €

160 €

150 € Szenario 1

Szenario 2 STTR-Modell

Szenario 3

EOM-Modell

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-13: Vergleich der monatlichen Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 zwischen EOM- und STTR-Modell

1,00

1,00

0,95

0,95

0,90

0,90

0,85

0,85

0,80

0,80

0,75

0,75

0,70

0,70

0,65

0,65

0,60

Überlebenswahrscheinlichkeit

Überlebenswahrscheinlichkeit

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 123

0,60 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Alter Männer 2004/06

Frauen 2004/06

Männer 2050

Frauen 2050

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008c), S. 5 ff.; eigene Darstellung.

Abbildung D-14: Lebenserwartung für Männer und Frauen nach den Sterbetafeln 2004/2006 und 2050-L1

Die Kombination der geschätzten Ausgabenprofile für Überlebende und Versterbende mit der für das Jahr 2050 vom Statistischen Bundesamt angenommenen Lebenserwartung führt zu den in Abbildung D-15 und Abbildung D-16 dargestellten altersspezifischen Ausgaben für Männer und Frauen. Es ist zu erkennen, dass eine Differenzierung des Ausgabenprofils im Basisjahr nach Ausgaben für Versterbende und Überlebende für unter 45-Jährige praktisch keine Auswirkungen auf das Profil des Prognosejahres besitzt. Auch bis zum 60. Lebensjahr verändern sich diese nicht gravierend. Für männliche Versicherte betragen die Ausgabendifferenzen im Alter von 60 Jahren 150 Euro in CM-Modell 1 und 216 Euro in CM-Modell 2 (vgl. Abbildung D-15). Mit steigendem Lebensalter weichen die Ausgaben immer stärker voneinander ab. Für das 90. Lebensjahr ergibt sich bei den Männern eine Differenz von 677 Euro in Modell 1 und 721 Euro in Modell 2. Die Ausgabendifferenz für weibliche Versicherte steigt im gleichen Bereich von 78 Euro in Modell 1 bzw. 115 Euro in Modell 2 auf 633 Euro in Modell 1 bzw. 677 Euro in Modell 2 (vgl. Abbildung D-16).

124

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

6.000 €

6.000 €

5.000 €

5.000 €

4.000 €

4.000 €

3.000 €

3.000 €

2.000 €

2.000 €

1.000 €

1.000 € 0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter EOM-Modell

CM-Modell 1

CM-Modell 2

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-15: Gesamtausgabenprofile für männliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modelle 1 und 2

6.000 €

6.000 €

5.000 €

5.000 €

4.000 €

4.000 €

3.000 €

3.000 €

2.000 €

2.000 €

1.000 €

1.000 € 0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

Alter EOM-Modell

CM-Modell 1

CM-Modell 2

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-16: Gesamtausgabenprofile für weibliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modelle 1 und 2

90

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 125

Aufgrund dessen lässt sich nun die Frage nach der genauen Größenordnung des Prognosefehlers beantworten. Hierzu wird ein indirekter Ansatz gewählt: Zunächst werden die Ausgaben gemäß EOM-Modell bestimmt und anschließend die Ausgaben des CM-Modells. Ein Vergleich der Ergebnisse gibt Aufschluss über den Prognosefehler des EOM-Modells, welcher auf zweierlei Weise ausgedrückt werden kann: Einerseits besteht die Möglichkeit, den Prognoseˆ zu quantifizieren darin, dass die Differenz zwifehler des EOM-Modells 4 schen dem Ausgabenwachstum nach dem EOM-Modell gˆ tEOM und dem CMModell gˆ tCM gemäß Gleichung gˆ tEOM  gˆ tCM

ˆ 4 t

(44)

bestimmt wird. Nach dem EOM-Modell steigen die Pro-Kopf-Ausgaben bis zum Jahr 2050 um 29,7 v. H. an. Nach CM-Modell 1 beträgt der Anstieg lediglich 19,5 v. H. und gemäß CM-Modell 2 17,1 v. H. Der hieraus resultierende Prognosefehler des EOM-Modells ist in Tabelle D-13 dargestellt und beträgt in CM-Modell 1 (2) bezogen auf die Pro-Kopf-Ausgaben 10,2 (12,6) Prozentpunkte. Für die Gesamtausgaben liegt das Wachstum bei 8,3 v. H. nach dem EOM-Modell, während es bei Berücksichtigung von Sterbekosten um 0,2 v. H. in CM-Modell 1 und 2,2 v. H. in CM-Modell 2 leicht zurückgeht. Der Gesamtausgabenanstieg wird im EOM-Modell somit um 8,5 bis 10,5 Prozentpunkte übertrieben. Der durch die Verwendung des EOM-Modells entstehende Fehler ist folglich sowohl bei den Pro-Kopf-Ausgaben als auch bei den GesamtausgaTabelle D-13 Prognosefehler des EOM-Modells bei Annahme konstanter Morbidität Männer

Modell 1

Frauen

Gesamt

EOM-Modell

CM-Modell 1

EOM-Modell

CM-Modell 1

EOM-Modell

CM-Modell 1

Pro-Kopf-Ausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Prognosefehler Prognosefehler in v. H.

1.702 € 2.296 € 199 € 11,7

1.702 € 2.097 € -

1.897 € 2.375 € 169 € 8,9

1.897 € 2.206 € -

1.801 € 2.336 € 184 € 10,2

1.801 € 2.153 € -

Gesamtausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Prognosefehler Prognosefehler in v. H.

61.708.828.166 € 69.511.017.557 € 6.025.197.920 € 9,8

61.708.828.166 € 63.485.819.637 € -

71.724.302.528 € 75.048.800.393 € 5.332.616.528 € 7,4

71.724.302.528 € 69.716.183.865 € -

133.433.130.694 € 144.559.817.950 € 11.357.814.448 € 8,5

133.433.130.694 € 133.202.003.502 € -

Männer

Modell 2

Frauen

Gesamt

EOM-Modell

CM-Modell 2

EOM-Modell

CM-Modell 2

EOM-Modell

CM-Modell 2

Pro-Kopf-Ausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Prognosefehler Prognosefehler in v. H.

1.702 € 2.296 € 248 € 14,6

1.702 € 2.048 € -

1.897 € 2.375 € 205 € 10,8

1.897 € 2.169 € -

1.801 € 2.336 € 226 € 12,6

1.801 € 2.110 € -

Gesamtausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Prognosefehler Prognosefehler in v. H.

61.708.828.166 € 69.511.017.557 € 7.509.594.624 € 12,2

61.708.828.166 € 62.001.422.933 € -

71.724.302.528 € 75.048.800.393 € 6.493.418.629 € 9,1

71.724.302.528 € 68.555.381.764 € -

133.433.130.694 € 144.559.817.950 € 14.003.013.253 € 10,5

133.433.130.694 € 130.556.804.697 € -

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

126

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

ben nicht unbeträchtlich. Andererseits wird in der Literatur auch der Anteil des Ausgabenanstiegs nach dem CM-Modell gˆ tCM am Ausgabenanstieg nach dem EOM-Modell gˆ tEOM als Maß für die Prognosegüte des EOM-Modells verwendet. Der Prognosefehler )ˆ t wird dann gemäß Gleichung (45)

ˆ ) t

EOM ˆ CM gˆ t  gt EOM gˆ t

ˆ 4 t EOM gˆ t

berechnet. Nach dem CM-Modell 1 beträgt der Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben 19,5 v. H. beziehungsweise 29,7 v. H. nach dem EOM-Modell (vgl. auch Tabelle 14). Damit werden zwei Drittel des Ausgabenanstiegs nach dem EOMModell richtig vorhergesagt und nur ein Drittel des Anstiegs (genau: 34,3 v. H.) wird übertrieben. Alternativ kann dies auch für die Gesamtausgaben berechnet werden: Nach dem EOM-Modell beträgt der Anstieg 8,3 v. H. beziehungsweise -0,2 v. H. nach CM-Modell 1. Der Prognosefehler beträgt damit gut 102,1 v. H. und ist deutlich größer als dies bei den Pro-Kopf-Ausgaben der Fall ist. Die korrespondierenden Werte für das CM-Modell 2 betragen 42,3 v. H. für die Pro-Kopf-Ausgaben und beachtliche 125,9 v. H. für die Gesamtausgaben.

Breyer berechnet bei einem Anstieg der Restlebenserwartung um ein Jahr eine Überschätzung der Gesamtausgabensteigerung bei den 60-Jährigen und Älteren von 3,5 Prozentpunkten.29 Um dieses Ergebnis mit den oben ermittelten Werten vergleichbar zu machen, muss der Prognosefehler mit dem zugrunde gelegten Anstieg der Lebenserwartung um rund 5 Jahre gewichtet werden.30 Die Verwendung des Standardansatzes würde damit nach Breyer zu einer Übertreibung von 17,5 Prozentpunkten führen und damit 9 (7) Punkte über dem Ergebnis gemäß CM-Modell 1 (2) liegen. Diese Differenz kann darauf zurückgeführt werden, dass im Modell von Breyer lediglich Ausgaben von 60-Jährigen und Älteren berücksichtigt werden. Die Bedeutung der Sterbekosten ist in diesem Fall erheblich höher, als im Fall der gesamten Versichertenpopulation, wie sie hier unterstellt wird. Der tatsächliche altersbedingte Ausgabenanstieg beträgt in der Arbeit von Breyer lediglich 38,4 v. H. des durch den Standardansatz ermittelten Wertes, und der Prognosefehler liegt bei den Gesamtausgaben um 61,6 v. H. unterhalb der hier berechneten Fehler. Hof berechnet nach dem Standardansatz einen Anstieg der realen Gesundheitsausgaben pro Kopf im Zeitraum von 1995 bis 2040 um 19,8 v. H.31 Durch die Berücksichtigung von Sterbekosten reduziert sich der Anstieg auf 17,7 v. H. ___________ 29

Vgl. Breyer (1999), S. 63. Dies entspricht der Basisannahme der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. 31 Vgl. Hof (2001), S. 153 ff. 30

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 127

Hieraus lässt sich der aus dem Standardansatz resultierende Prognosefehler bestimmen, der im Jahr 2040 etwa 10,6 v. H. beträgt. Die dämpfende Wirkung auf die Pro-Kopf-Ausgaben von 2 Prozentpunkten erhöht sich bis zum Jahr 2050 auf 3 Prozentpunkte. Diese im Gegensatz zu CM-Modell 1 und 2 geringe Wirkung kommt durch einen vereinfachten Ansatz zustande, bei dem die Sterbekosten aufgrund der von Felder gefundenen Relation ermittelt werden, nach der der Anteil der Sterbekosten der Gesamtbevölkerung 12 v. H. an den lebenslangen Gesundheitsausgaben beträgt.32 Darüber hinaus berechnet Hof ein weiteres Modell, in dem ein stärkerer Anstieg der Lebenserwartung unterstellt wird. Das Ergebnis kann als „Sterbekostenparadoxon“ bezeichnet werden, denn die Differenz zwischen Standard- und Sterbekostenansatz wird geringer und beträgt im Jahre 2050 nur noch 2 Prozentpunkte. Tabelle D-14 Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung von 2006 bis 2050 nach EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modell im Überblick Männer

Pro-Kopf-Ausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Anstieg in v. H.

bevölkerungsbezogenes COM-Modell

EOM-Modell

CM-Modell 1

individuelles COM-Modell

1.702 € 2.296 € 34,9

1.702 € 2.097 € 23,2

1.702 € 1.967 € 15,6

1.702 € 1.882 € 10,6

bevölkerungsbezogenes COM-Modell

Frauen

Pro-Kopf-Ausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Anstieg in v. H.

EOM-Modell

CM-Modell 1

individuelles COM-Modell

1.897 €

1.897 €

1.897 €

1.897 €

2.375 €

2.206 €

2.098 €

2.025 €

25,2

16,3

10,6

6,7

bevölkerungsbezogenes COM-Modell 1.801 € 1.955 € 8,5

Gesamt

Pro-Kopf-Ausgaben Basisjahr 2006 Zieljahr 2050 Anstieg in v. H.

EOM-Modell

CM-Modell 1

individuelles COM-Modell

1.801 € 2.336 € 29,7

1.801 € 2.153 € 19,5

1.801 € 2.033 € 12,9

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

___________ 32 Vgl. Felder (1996), S. 139. Dieser Ansatz wird ebenfalls in Buttler/Fickel/Lautenschlager (1999) gewählt.

128

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Breyer/Felder verwenden Daten aus der Schweiz und kommen für die ProKopf-Ausgaben im Zeitraum von 2002 bis 2050 auf ein Wachstum von 24 v. H., welches 5,7 Punkte unterhalb der hier berechneten Schätzung liegt. Werden Sterbekosten berücksichtigt, beträgt das Wachstum nur noch 19,5 v. H., was mit den Ergebnissen der hier berechneten CM-Modelle 1 (19,5) und 2 (17,1) vergleichbar ist. Breyer/Felder kommen damit auf eine Übertreibung des Standardansatzes um 18,5 v. H.33 Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die von ihnen verwendeten Profile steiler als die aus dem deutschen RSA verlaufen, so dass ihr Modell die demographisch bedingte Ausgabenentwicklung überzeichnet.34 (4) COM-Modell Die Projektion des demographischen Ausgabeneffekts mittels des Standardansatzes ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Einerseits kommt es zu der berechneten Verzerrung der Schätzergebnisse aufgrund der Nichtberücksichtigung der Sterbekosten. Andererseits wird implizit davon ausgegangen, dass sich der Sterbekosteneffekt und die Morbiditätsentwicklung gegenseitig kompensieren. Wird von einer Verringerung der Morbidität in zukünftigen Jahren ausgegangen, so ist diese Annahme nicht mehr aufrecht zu erhalten, wodurch der Standardansatz fraglich wird. Die Grundlage für die nachfolgende Berechnung bildet daher der Sterbekostenansatz. Hierbei wird vom zuvor berechneten CM-Modell 1 ausgegangen. Inhalt der Kompressionsthese ist die Abnahme der in Krankheit verbrachten Zeit. Nimmt die Anzahl der in Krankheit verbrachten Jahre lediglich relativ ab, so handelt es sich um die relative Kompressionsthese. Nimmt die Anzahl der in Krankheit verbrachten Jahre dagegen absolut ab, so handelt es sich um die absolute Kompressionsthese. Da die absolute Kompressionsthese die relative Kompressionsthese impliziert, kann sich die Simulation im Folgenden auf die absolute Kompressionsthese beschränken. Zur Überprüfung, ob es sich um eine absolute Kompression handelt, ist die Kenntnis zweier Schwellenwerte erforderlich: der Symptomschwelle und der Todesschwelle. Führt die Verringerung der Morbidität dazu, dass sich der Zeitpunkt des Erreichens der Symptomschwelle stärker hinauszögert, als sich der Zeitpunkt des Erreichens der Todesschwelle in ein höheres Alter verlagert, so sind die Voraussetzungen für die (individuelle) absolute Kompressionsthese erfüllt. ___________ 33 Für die Schweiz beträgt die Übertreibung 18,1 v. H. im Jahr 2050. Vgl. Felder (2006), S. 68. 34 Vgl. Breyer/Felder (2004), S. 11. Siehe auch Zweifel/Felder/Werblow (2004).

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 129

Nimmt man für jede Kohorte vereinfachend an, dass die Lebenserwartung im Basisjahr der Todesschwelle entspricht, so zögert sich das Erreichen der Todesschwelle im Prognosejahr um den Anstieg der Lebenserwartung hinaus. Um den Voraussetzungen der absoluten Kompressionsthese zu entsprechen, muss das Erreichen der Symptomschwelle weiter hinausgezögert werden. Hierzu muss zunächst noch die Symptomschwelle festgelegt werden. Um einen Anhaltspunkt für die Symptomschwelle zu erhalten, sei das Ausgabenprofil für nichtärztliche Leistungen der ambulanten Dialyse im Jahr 2006 in Abbildung D-17 betrachtet. Hierbei ist festzustellen, dass die Ausgaben ab dem 60. Lebensjahr verstärkt ansteigen. Auch wenn die Ausgaben ab dem 80. Lebensjahr wieder stark rückläufig sind, liegen diese im 90. Lebensjahr höher, als vor dem 60. Lebensjahr. Vereinfacht sei hier deshalb von der Annahme ausgegangen, dass die Symptomschwelle den Ausgaben einer 60-Jährigen Person im Basisjahr entspricht. Demnach werden alle Personen unter 60 Jahre als gesund eingestuft, während alle Personen über 60 Jahre als chronisch krank gelten.

140 €

140 €

120 €

120 €

100 €

100 €

80 €

80 €

60 €

60 €

40 €

40 €

20 €

20 € 0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter Männer

Frauen

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-17: Teilausgabenprofile nichtärztlicher Leistungen der ambulanten Dialyse im Jahr 2006

Für die Veränderung der Symptomschwelle wird angenommen, dass sich das Ausgabenprofil der Überlebenden geringfügig stärker verschiebt, als das Ausmaß des Anstiegs der Restlebenserwartung in der entsprechenden Altersklasse. Die Restlebenserwartung einer männlichen (weiblichen) Person im Alter von 60 Jahren steigt beispielweise um 4,7 (4,6) Jahre an. Die Kompressionsthese er-

130

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

fordert eine stärkere Hinauszögerung, weshalb hier eine Verschiebung um 5 Jahre unterstellt wird (vgl. Abbildung D-18 und Abbildung D-19). Damit entsprechen beispielsweise die Ausgaben eines im Jahr 2050 65-Jährigen den Ausgaben eines heute 60-Jährigen. Folglich verschiebt sich der Krankheitsbeginn um 5 Jahre. In allen Altersklassen oberhalb des 60. Lebensjahres ist der Anstieg der Restlebenserwartung jedoch geringer, womit die Voraussetzungen für die individuelle absolute Kompressionsthese erfüllt sind. Bei der Simulation der Kompressionsthese wird zudem von konstanten Sterbekosten ausgegangen. Zu prüfen ist darüber hinaus, ob die hier getroffenen Annahmen für die individuelle Kompressionsthese bereits die Voraussetzungen der bevölkerungsbezogenen Kompressionsthese implizieren. Da die Anzahl der Personen im hier spezifizierten Modell der Anzahl der in Krankheit verbrachten Jahre entspricht, wäre dies dann der Fall, wenn Ungleichung

(46)

100 100 g g ¦ ¦ pi,2006 ! ¦ ¦ p i 60 g m,w i 65 g m,w i,2050

(bevölkerungsbezogene COM) g

erfüllt wäre. Hierbei bezeichnet pi,t die Anzahl der Personen in Altersklasse i zum Zeitpunkt t und g das Geschlecht. Sollte stattdessen Ungleichung

(47)

100 100 j j ¦ ¦ pi ,2006  ¦ ¦ p i 60 j m,w i 65 j m ,w i ,2050

(individuelle COM) erfüllt sein, so würde es sich ausschließlich um eine individuelle absolute Kompression handeln. Es handelt sich nach obiger Spezifikation tatsächlich ausschließlich um eine individuelle absolute Kompression. Um zu einer bevölkerungsbezogenen absoluten Kompression zu gelangen, ist das Ausgabenprofil von überlebenden Personen so weit nach rechts zu verschieben, dass Ungleichung (46) erfüllt ist. Im unterstellten Modell muss das Ausmaß der Rechtsverschiebung mindestens 3 Jahre betragen. Die entsprechenden Ausgabenprofile sind ebenfalls in Abbildung D-18 und Abbildung D-19 dargestellt. In Abbildung D-20 und Abbildung D-21 sind die korrespondierenden Gesamtprofile für das Jahr 2050 dargestellt.

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 131 4.000 €

4.000 €

3.500 €

3.500 €

3.000 €

3.000 €

2.500 €

2.500 €

2.000 €

2.000 €

1.500 €

1.500 €

1.000 €

1.000 €

500 €

500 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter Sterbekostenansatz (Modell 1) Kompressionsthese (bevölkerungsbezogen)

Kompressionsthese (individuell)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-18: Pro-Kopf-Ausgaben für überlebende männliche Versicherte gemäß CM- und COM-Modell im Jahr 2006

4.000 €

4.000 €

3.500 €

3.500 €

3.000 €

3.000 €

2.500 €

2.500 €

2.000 €

2.000 €

1.500 €

1.500 €

1.000 €

1.000 € 500 €

500 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter Sterbekostenansatz (CM-Modell 1) Kompressionsthese (bevölkerungsbezogen)

Kompressionsthese (individuell)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-19: Pro-Kopf-Ausgaben für überlebende weibliche Versicherte gemäß CM- und COM-Modell im Jahr 2006

132

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

6.000 €

6.000 €

5.000 €

5.000 €

4.000 €

4.000 €

3.000 €

3.000 €

2.000 €

2.000 €

1.000 €

1.000 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter EOM-Modell COM-Modell (individuell)

CM-Modell 1 COM-Modell (bevölkerungsbezogen)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-20: Gesamtausgabenprofile für männliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modelle

6.000 €

6.000 €

5.000 €

5.000 €

4.000 €

4.000 €

3.000 €

3.000 €

2.000 €

2.000 €

1.000 €

1.000 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

90

Alter EOM-Modell COM-Modell (individuell)

CM-Modell 1 COM-Modell (bevölkerungsbezogen)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D-21: Gesamtausgabenprofile für weibliche Versicherte im Jahr 2050: EOM-Modell, CM-Modell 1 und COM-Modelle

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 133

Tabelle D-14 enthält eine Übersicht über die Ausgaben des Jahres 2050 nach den berechneten Ansätzen. Während sich die Pro-Kopf-Ausgaben nach dem EOM-Modell um 29,7 v. H. erhöhen, fällt der Anstieg nach dem CM-Modell 1 um 10,2 Prozentpunkte geringer aus. Werden zusätzlich Verbesserungen im Morbiditätsspektrum berücksichtigt, so reduziert dies den Ausgabenanstieg um weitere 6,6 bis 11 Prozentpunkte. Der gesamte Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben beträgt in diesem Fall nur 8,5 v. H. bis 12,9 v. H. und fällt damit im Vergleich zum EOM-Modell um etwa zwei Drittel geringer aus. Die von Breyer/Felder für den Zeitraum von 2002 bis 2050 berechnete Übertreibung des Standardansatzes bei den Pro-Kopf-Ausgaben um 18,5 v. H. vergrößert sich bei Annahme der Kompressionsthese auf 41,6 v. H. und fällt damit mehr als doppelt so hoch aus.35 Der hier errechnete Anstieg der ProKopf-Ausgaben von 8,5 v. H. (bevölkerungsbezogenes COM-Modell) geht mit einer Übertreibung um knapp drei Viertel einher (genau: 71,4 v. H.). bb) Beitragsbemessungsgrundlage Im Folgenden werden die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Beitragsbemessungsgrundlage (BBG) der GKV simuliert. Die zu erwartende Auswirkung auf die beitragspflichtigen Einkommen ist dabei schwerwiegender, als dies bei den Behandlungsausgaben der Fall ist, da sowohl die schrumpfende Bevölkerung, als auch der Anstieg des Rentnerquotienten zu Einnahmeminderungen führt. In der Projektion werden hierzu proportionale Beziehungen zwischen der Bevölkerungsgröße und den Mitgliederzahlen der GKV unterstellt. Diese Annahme gewährleistet, dass ausschließlich die demographische Komponente, nicht aber andere Einflussfaktoren Eingang in die Analyse finden.36 Für die weiterhin notwendigen Annahmen über die beitragspflichtigen Löhne und Renten wird unterstellt, dass die Löhne je Erwerbstätigen konstant sind und dass das für die GKV maßgebliche Rentenniveau entweder –

konstant bleibt (Variante 1),



um 15 v. H. sinkt (Variante 2) oder



um 20 v. H. sinkt (Variante 3).

___________ 35

Vgl. Breyer/Felder (2006), S. 184, Tabelle 1. Ein nicht demographischer Einflussfaktor könnte beispielsweise eine Änderung der Präferenzstruktur bei freiwillig Versicherten zugunsten der Privaten Krankenversicherung sein. Der Anteil der GKV-Mitglieder an der Gesamtbevölkerung würde sich damit verringern, ohne dass hierbei eine demographische Ursache zugrunde liegt. 36

134

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

105

105

100

100

95

95

90

90

85

85

80

80

75

2006=100

2006=100

In Variante 1 werden die direkten demographischen Wirkungen auf die Beitragsbemessungsgrundlage der GKV analysiert. Bereits unter diesen Rahmenbedingungen sinken die beitragspflichtigen Einkommen der GKV um 9 v. H. (Szenario 1) bis 18 v. H (Szenario 3).37 Um auch die indirekten Wirkungen des demographischen Wandels analysieren zu können, die sich durch die Rückwirkungen der Absenkung des Rentenniveaus über die Gesetzliche Rentenversicherung ergeben, werden zwei weitere Varianten berechnet. Die in Variante 2 unterstellte Reduktion um 15 v. H. führt zu einer Reduktion der Beitragsbemessungsgrundlage um 14 v. H. (Szenario 1) bis 22 v. H. (Szenario 3). Gemäß Variante 3 sinken die beitragspflichtigen Einkommen um etwa einen Prozentpunkt stärker.38 Abbildung D-22 gibt einen Überblick über die Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen in Abhängigkeit vom Rentenniveau. Für dieses wahrscheinliche Bevölkerungsszenario ist ein Rückgang der beitragspflichtigen Einkommen zwischen 19 v. H. und 24 v. H. zu erwarten.

75 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Konstanz des Rentenniveaus Absenkung des Rentenniveaus um 15 v. H. Absenkung des Rentenniveaus um 20 v. H. Quelle: Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-22: Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen in Szenario 2 in Abhängigkeit vom Rentenniveau

___________ 37

Zur Beschreibung der Szenarien siehe Abschnitt D.I.1.b)aa)(1). Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 97 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008), S. 360 ff. 38

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 135

cc) Beitragssatz Für das EOM- und das STTR-Modell sind die Ergebnisse der Beitragssatzprojektion in Tabelle D-15 wiedergegeben. In Abhängigkeit vom demographischen Szenario und Rentenniveau liegen die GKV-Beitragssätze im Jahr 2050 zwischen 16,9 v. H. und 21,2 v. H. Die demographisch bedingte Beitragssatzspanne zwischen dem geringsten und höchsten Schätzwert beträgt demnach für das Jahr 2050 gut vier Beitragssatzpunkte. Tabelle D-15 Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im EOM- und STTR-Modell Szenario

Rentenniveau

Jahr 2006 2010 2020 2030 2040 2050

Jahr 2006 2010 2020 2030 2040 2050

ohne medizinisch-technischen Fortschritt STTR-Modell EOM-Modell 1

konstant -15% -20%

14,2 14,2 15,3 16,5 17,2 16,9 14,2 14,3 15,5 17,1 18,1 17,7 14,2 14,3 15,6 17,3 18,4 18,1

14,2 14,5 15,6 17,1 17,9 18,3 14,2 14,6 15,9 17,6 18,8 19,3 14,2 14,6 15,9 17,8 19,1 19,6

2

konstant -15% -20%

14,2 14,2 15,3 16,6 17,5 17,4 14,2 14,3 15,6 17,2 18,4 18,4 14,2 14,3 15,6 17,4 18,8 18,7

14,2 14,5 15,7 17,2 18,2 18,9 14,2 14,6 15,9 17,8 19,2 20,0 14,2 14,6 16,0 18,0 19,5 20,3

3

konstant -15% -20%

14,2 14,2 15,4 16,8 17,9 18,1 14,2 14,3 15,7 17,4 18,9 19,2 14,2 14,3 15,7 17,6 19,2 19,5

14,2 14,5 15,7 17,3 18,6 19,6 14,2 14,6 16,0 18,0 19,6 20,8 14,2 14,6 16,1 18,2 20,0 21,2

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Die Beitragssätze bei konstantem Rentenniveau geben dabei nicht den vollständigen Einfluss des demographischen Wandels auf den Beitragssatz an, sondern lediglich die Höhe des Beitragssatzes, der sich beim zugrunde liegenden Morbiditätsspektrum aufgrund der direkten demographischen Wirkungen in der GKV einstellen würde. Zur Abschätzung des gesamten demographischen Beitragssatzeffekts sind auch die indirekten Wirkungen zu berücksichtigen, die sich vor allem über die Gesetzliche Rentenversicherung vollziehen. Im Zuge des Alterungsprozesses wird sich das Rentenniveau reduzieren und somit zu einer Senkung der Beitragsbemessungsgrundlage führen. Die indirekten Wirkungen verstärken somit den demographischen Finanzierungseffekt, welcher in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden demographischen Szenario und Rentenniveau zu einer Steigerung des Beitragssatzes auf 17,7 v. H. bis 19,5 v. H. im STTR-Modell führen kann. Im EOM-Modell liegen die Beitragssätze mit 19,3 v. H. bis 21,2 v. H. um etwa 1,5 Prozentpunkte höher. In Abbildung D-23 sind für das Szenario mit mittlerem Ausgabendruck und einer Rentenniveauabsenkung um 15 v. H. die Beitragssätze bei alternativen Morbiditätsentwicklungen dargestellt. Bei angenommener Medikalisierungsthe-

136

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

se im EOM-Modell liegt der Beitragssatz bei knapp 20 v. H. Bei konstanter Morbidität gemäß CM-Modell 1 liegt der Beitragssatz dagegen bei 18,4 v. H, während sich nach CM-Modell 2 der Beitragssatzanstieg auf 18 v. H. beläuft. Der implizit angenommene Medikalisierungseffekt beträgt daher etwa zwei Beitragssatzpunkte. Wird von Morbiditätsverbesserungen im Sinne der individuellen Kompressionsthese (individuelles COM-Modell) ausgegangen, so ergibt sich ein Beitragssatz von 17,4 v. H., bei Gültigkeit der bevölkerungsbezogenen Kompressionsthese (bevölkerungsbezogenes COM-Modell) ein Beitragssatz von 16,7 v. H. Die Unterstellung der Kompressionsthese führt daher zu einer zusätzlichen Entlastung von 1 bis 1,7 Beitragssatzpunkten. 21

20 Beitragssatz in v. H.

20,0 19 18,4

18

18,0 17,4

17

16,7 16

15 EOM

CM 1

CM 2 Modell

COM individ.

COM bevölk.

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-23: Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 im EOM-, CM- und COM-Modell

2. Zwischenergebnis Im Mittelpunkt der vorangegangenen Ausführungen standen die Analyse von Ausgaben- und Beitragssatzwirkungen des demographischen Wandels für die GKV einerseits sowie die Überprüfung der impliziten Annahmen verschiedener Prognoseansätze andererseits. Hierzu wurden Modelle mit und ohne Berücksichtigung von Sterbekosten berechnet. Die Zerlegung der alters- und geschlechtsspezifischen Ausgabenprofile aus dem Risikostrukturausgleich ergibt eine Verteilung der Sterbekosten, welche annähernd mit den Ergebnissen internationaler Untersuchungen übereinstimmt. Darüber hinaus zeigt sich, dass andere Abgrenzungen der Sterbekosten nur ver-

I. Simulation rein demographischer Effekte auf den Beitragssatz der GKV 137

nachlässigbare Konsequenzen für die Ergebnisse haben. Diese können demgemäß als relativ robust angesehen werden. Auch ein Vergleich mit originären Daten der Privaten Krankenversicherung zeigt eine weitgehende Übereinstimmung bei den durchschnittlichen Sterbekosten. Der Sterbekostenansatz ermöglicht die Bestimmung des demographischen Ausgabeneffekts, welcher in Abhängigkeit der Morbiditätsänderung quantifiziert werden kann. Im EOM-Modell steigen die Pro-Kopf-Ausgaben im Zeitraum von 2006 bis 2050 um 29,7 v. H. an. Dies entspricht einem demographischen Ausgabeneffekt von 0,6 v. H. pro Jahr. Gegenüber dem EOM-Modell fällt das Wachstum im CM-Modell um wenigstens 10,2 Prozentpunkte geringer aus, und der jährliche demographische Ausgabeneffekt reduziert sich auf 0,4 v. H. Im individuellen COM-Modell vermindert sich das Wachstum der Pro-Kopf-Ausgaben um weitere 6,6 Prozentpunkte, so dass der demographische Ausgabeneffekt nur noch 0,3 v. H. pro Jahr beträgt. Im bevölkerungsbezogenen COM-Modell fällt das Ausgabenwachstum nochmals um 4,4 Prozentpunkte niedriger aus. In dessen Folge verringert sich der demographische Ausgabeneffekt auf 0,2 v. H. per annum. Hieraus ergeben sich zwei wesentliche Konsequenzen: 1.

Die Nichtberücksichtigung von Sterbekosten sowie demographisch bedingter Morbiditätsverbesserungen können zu beachtlichen Fehlern bei der Projektion von Gesundheitsausgaben führen. 2. Eine vollständige Kompensation des Altersstruktureffekts, wie von einigen Vertretern der Sterbekostenthese angenommen wird, kann nicht bestätigt werden. Sie gilt auch dann nicht, wenn von einer bevölkerungsbezogenen absoluten Kompression der Morbidität in den kommenden Jahrzehnten ausgegangen wird. Unter Berücksichtigung der rein demographischen Effekte liegen die Beitragssätze für das Jahr 2050 somit zwischen 16,7 v. H. und 20,0 v. H. (vgl. Tabelle D-16). Der Vergleich zwischen EOM- und CM-Modell ermöglicht die Berechnung des im EOM-Modell unterstellten Medikalisierungseffekts, welcher 1,6 Beitragssatzpunkte beträgt. Der Vergleich zwischen CM- und COMModell erlaubt die Quantifizierung des Kompressionseffekts, welcher sich auf 1 bis 1,7 Beitragssatzpunkte beläuft. Tabelle D-17 gibt einen Überblick über die den unterschiedlichen Prognoseansätzen zugrunde liegenden impliziten Annahmen. Beim Standardansatz resultieren für das Jahr 2050 ein Beitragssatz in Höhe von 20,0 v. H. beziehungsweise Pro-Kopf-Ausgaben von 2.336 Euro. Wird dieses Ergebnis um den durch die Sterbekosten ausgelösten Effekt bereinigt, so ergibt sich ein durch den Morbiditätseffekt ausgelöster Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben um 184 Euro (226 Euro) beziehungsweise des Beitragssatzes um 1,6 (2,0) Prozentpunkte.

138

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Dieser Anstieg resultiert aus der implizit unterstellten Medikalisierungsthese. Beim STTR-Modell ergibt sich für das Jahr 2050 ein uneinheitliches Bild: Der Beitragssatz beträgt 18,4 v. H., und die Pro-Kopf-Ausgaben liegen bei 2.151 Euro. Wird auch dieses Ergebnis um die Sterbekosten bereinigt, so zeigt sich, dass nach CM-Modell 1 eine „schwache Kompression“ unterstellt wird (-2 Euro). Aus CM-Modell 2 folgt dagegen die Annahme einer „Medikalisierung“ (41 Euro). Da sich die Ergebnisse der CM-Modelle entgegenstehen, beide Morbiditätseffekte jedoch in der Größenordnung vernachlässigbar sind, kann von einer konstanten Morbiditätsannahme ausgegangen werden. Die Auswirkungen von Morbiditätsverbesserungen auf die Gesundheitsausgaben lassen sich dagegen mit dem hier spezifizierten STTR-Modell nicht abschätzen.

Tabelle D-16 Rein demographisch bedingte Ausgaben- und Beitragssätze der Gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2050 im Überblick Morbidität

Sterbekosten STTR-Modell ohne Pro-Kopf-Ausgaben Beitragssatz in v. H.

EOM-Modell

2.151 € 18,4

2.336 € 20,0

COM-Modell individuell

bevölkerungsbezogen

konstant

CM-Modell 1 Pro-Kopf-Ausgaben Beitragssatz in v. H.

2.033 € 17,4

1.955 € 16,7

2.153 € 18,4

CM-Modell 2 Pro-Kopf-Ausgaben Beitragssatz in v. H.

-

-

2.110 € 18,0

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Tabelle D-17 Implizite Morbiditätsannahmen im EOM- und STTR-Modell Modell

Differenz zum Sterbekostenmodell

Morbiditätsannahme

CM-Modell 1

CM-Modell 2

CM-Modell 1

CM-Modell 2

EOM

2.336 €

184 €

226 €

Medikalisierung

Medikalisierung

STTR

2.151 €

-2 €

41 €

Kompression

Medikalisierung

CM Modell 1 Modell 2

2.153 € 2.110 €

-

-

Konstanz Konstanz

Konstanz Konstanz

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte

139

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte auf den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung: der Tragödie zweiter Teil Der absehbare demographische Wandel wird sich in den nächsten Jahrzehnten ausgaben- und einnahmenseitig auf die Beitragssatzentwicklung in der GKV auswirken. Ausgabenseitig kommt dem medizinisch-technischen Fortschritt eine besondere Bedeutung zu, weil er im Gesundheitswesen hauptsächlich als Produktinnovation auftritt.39 Durch die Aufnahme neuer Diagnose- und Therapieverfahren in den Leistungskatalog wirkt der medizinisch-technische Fortschritt schon ohne den demographischen Wandel ausgabentreibend. Dies zeigt sich in einer fortwährenden Versteilerung der altersabhängigen Ausgabenprofile und führt zu einem Anstieg der Relation der Pro-Kopf-Ausgaben von Rentnern zu Erwerbstätigen, wie man ihn seit dem Anfang der 1970er Jahre beobachten kann.40 Um diesem Sachverhalt Rechnung zu tragen, wird die bisher gültige Annahme einer konstanten medizinischen Technologie im Folgenden fallen gelassen. 1. Modell

a) Annahmen Grundlage für die nachfolgenden Berechnungen sind die im vorangegangenen Abschnitt entwickelten Modelle. Die Integration des medizinisch-technischen Fortschritts erfolgt über die multiplikative Verknüpfung der Modellergebnisse mit dem als exponentiellen Trend unterstellten medizinischtechnischen Fortschritt.41 Allgemein gilt Gleichung (48)

MTF ct

1(2006t ) (1  G ) ˜ ct

zur Bestimmung der Ausgaben. Hierbei stellen ctMTF die Ausgaben unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts, G die Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts und ct die Ausgaben des rein demographischen Modells zum Zeitpunkt t dar. Die Bestimmung der Ausgabenwirkungen des medizinisch-technischen Fortschritts setzt somit die Kenntnis der Wachstumsrate G voraus. Zur Beschrei-

___________ 39

Vgl. Ulrich (2001b); Zweifel (2003); Breyer/Felder (2006); Rosenbrock (2007); GVG (2008). 40 Vgl. Buchner/Wasem (2000); Buchner (2002); GVG (2006). 41 Siehe für eine vergleichbare Vorgehensweise Breyer et al. (2001), S. 117.

140

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

bung des Status quo wird G 1 gewählt. Dies entspricht dem Ergebnis der Untersuchung von Breyer/Ulrich und unterstellt eine Wirkung des medizinischtechnischen Fortschritts, wie sie im Zeitraum von 1970 bis 1995 zu beobachten war. Ferner soll berücksichtigt werden, dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen in Zukunft vermutlich anders darstellen werden. Hierzu werden zwei extreme Fälle betrachtet: Im ersten Fall argumentieren Postler/Sundmacher, dass die Produktion im deutschen Gesundheitswesen keineswegs effizient ausgestaltet ist:

1.

„The absence of competition and of not very well performing other coordination and control techniques characterise (not only) the German system and leads to the intimated efficiency problems. These problems are clearly more felt outside the stationary sector, because a relatively strict budgeting (and since 2004 a DRG reimbursement system) has led to considerable cost pressure at German hospitals. This circumstance of an ineffective production reminds one of the situations in many European net industries before the liberalisation push, beginning in the middle of the 1990s. In these industries, suppliers were permitted (as state monopolists, in officially protected area monopolies or in insufficiently regulated natural monopolies) to shift costs completely to customers without any punishment of inefficient behavior. An incentive regulation scheme in those areas of net industries, which are not contestable natural monopolies (in which a market-based competition therefore is not possible), has resulted in high improvements in many countries and industries. By introducing price caps, the regulator has chosen very different efficiency parameters which must be reached by the network industries. … 0.6 % increased efficiency per year is the minimum up to now.“ 42

Nach dieser Argumentation dürfte genügend Potential für Effizienzsteigerungen vorhanden sein, denn die durchschnittliche Effizienz deutscher Krankenhäuser wurde im Jahr 2002 auf lediglich 79 v. H. geschätzt.43 Wenn die Effizienzprobleme außerhalb des stationären Bereichs durch den mangelnden Wettbewerb noch größer sind, dann könnten Effizienzsteigerungen durch eine entsprechend ausgestaltete Gesundheitspolitik erzwungen werden. Dieser Fall wird hier abgebildet, indem ein von Postler/Sundmacher ausgewiesener minimaler jährlicher Effizienzgewinn von 0,6 v. H. unterstellt wird. Die Wachstumsrate G lässt sich dann als Differenz zum Status quo Wachstum bestimmen. Man erhält somit ein G von 0, 4 . In diesem optimistischen Fall beträgt der durch den Fortschritt ausgelöste Anstieg der Gesamtausgaben 0,4 v. H. pro Jahr.44 ___________ 42

Postler/Sundmacher (2006), S. 7. Vgl. auch Postler/Sundmacher (2007), S. 144 ff. Vgl. Steinmann et al. (2004), S. 223. 44 Felder/Fetzer unterstellen bei der Modellierung ihres Modells eine nur geringfügig höhere Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts von 0,5 v. H. Siehe Felder/Fetzer (2007b), S. 606. 43

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte

2.

141

Einige Autoren sehen dagegen eine Wachstumsrate von 1 v. H. noch als moderat an.45 Deshalb sei im Folgenden unterstellt, dass die Effizienzverbesserungen gegenüber dem Status quo nicht vollständig realisiert werden können und es stattdessen zu einem zusätzlichen jährlichen Gesamtausgabenanstieg um 0,6 v. H. kommt. Dieses Szenario stellt somit den spiegelbildlichen Fall zum Szenario bei Postler/Sundmacher dar. Die Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts G würde sich demnach auf 1,6 v. H. belaufen.46

b) Ergebnisse aa) Ausgaben Bei einem jährlichen autonomen Wachstum der Gesamtausgaben von 1 v. H. steigen die Behandlungsausgaben im EOM-Modell bis zum Jahr 2050 in Abhängigkeit vom zugrunde gelegten demographischen Szenario um 67,9 v. H. bis 80,6 v. H. Die Behandlungsausgaben je Versicherten steigen mit 91,7 v. H. bis 109,9 v. H. deutlich stärker, da vom abnehmenden Bevölkerungsumfang kein kompensatorischer Effekt mehr auf die Behandlungsausgaben ausgeht (vgl. Abbildung D-24). In Abhängigkeit von der demographischen Entwicklung variieren somit die Pro-Kopf-Ausgaben um bis zu 18,2 Prozentpunkte. Die Auswirkungen des medizinisch-technischen Fortschritts auf den Prognosefehler des Standardansatzes können für die mittlere Bevölkerungsentwicklung aus Tabelle D-18 entnommen werden und sind je nach Szenario recht unterschiedlich:

Szenario 1 (schwacher medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 0, 4 ): Nach dem EOM-Modell nehmen die Pro-Kopf-Ausgaben im Zeitraum 2006 bis 2050 von 1.801 Euro auf 2.785 Euro bzw. um 54,6 v. H. zu, während der Ausgabenanstieg nach dem CM-Modell 1 lediglich 42,4 v. H. beträgt. Die Überzeichnung beläuft sich somit auf 12,1 Prozentpunkte, und der Prognosefehler beträgt 22,2 v. H. Wird zusätzlich von einer Kompression der Morbidität ausgegangen, so erhöht sich die Überzeichnung auf 20,0 Prozentpunkte im individuellen COM-Modell, während sie im bevölkerungsbezogenen COM-Modell 25,2 Punkte beträgt. Daraus ergibt sich im individuellen COM-Modell ein Prognosefehler von 36,7 v. H. und im bevölkerungsbezogenen COM-Modell einer von 46,2 v. H.



___________ 45

Siehe zum Beispiel Felder (2006), S. 69. Diese Annahme entspricht damit annähernd dem von Kotlikoff/Haigst berechneten Wert von 1,7 v. H. Siehe Kotlikoff/Hagist (2005). 46

142

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

225 200 175 150 125 100 75 50 25 0 2006

2010

2020

2030

2040

2050

Jahr Szenario 1 (3-W2)

Szenario 2 (1-W1)

Szenario 3 (6-W1)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-24: Pro-Kopf-Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 im EOM-Modell mit 1 v. H. medizinisch-technischem Fortschritt pro Jahr, indexierte Darstellung



Szenario 2 (mittlerer medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 1, 0 ): Nach dem EOM-Modell steigen die Pro-Kopf-Ausgaben im Zeitraum 2006 bis 2050 von 1.801 Euro auf 3.620 Euro bzw. um 100,9 v. H. an. Da der Anstieg im CM-Modell 1 lediglich 85,1 v. H. beträgt, beläuft sich die Überzeichnung auf 15,8 Prozentpunkte. Der Prognosefehler beträgt in diesem Fall 15,6 v. H. Eine angenommene Kompression der Morbidität erhöht die Überzeichnung auf 26,0 Prozentpunkte im individuellen COMModell, während sie im bevölkerungsbezogenen COM-Modell 32,8 Punkte beträgt. Als Prognosefehler ergibt sich im individuellen COM-Modell 25,8 v. H. und im bevölkerungsbezogenen COM-Modell 32,5 v. H.



Szenario 3 (starker medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 1, 6 ): Hiernach steigen die Pro-Kopf-Ausgaben im EOM-Modell bis zum Jahr 2050 um 160,8 v. H., während der Ausgabenanstieg nach dem CM-Modell 1 lediglich 140,3 v. H. beträgt. Die Überzeichnung beläuft sich somit auf 20,5 Prozentpunkte und der Prognosefehler beträgt bei angenommener konstanter Morbidität 12,7 v. H. Wird zusätzlich von Morbiditätsverbesserungen ausgegangen, so erhöht sich die Überzeichnung auf 33,8 Prozentpunkte gemäß des individuellen beziehungsweise auf 42,6 Punkte gemäß des bevölkerungsbezogenen COM-Modells. Die Prognosefehler betragen

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte

143

21,0 v. H. im individuellen und 26,5 v. H. im bevölkerungsbezogenen COM-Modell. Tabelle D-18 Behandlungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2050 nach dem EOM-, STTR- und COM-Modell bei alternativen Annahmen über den medizinisch-technischen Fortschritt Medizinisch-technischer Fortschritt

EOM-Modell

Szenario 1

CM-Modell 1

individuelles COM-Modell

bevölkerungsbezogenes COM-Modell

schwacher Ausgabendruck (0,4 v.H.)

Pro-Kopf-Ausgaben in 2006

1.801 €

1.801 €

1.801 €

1.801 €

Pro-Kopf-Ausgaben in 2050

2.785 €

2.566 €

2.424 €

2.330 €

54,6

42,4

34,6

29,3

Überzeichnung in v. H. Punkte

-

12,1

20,0

25,2

Prognosefehler in v. H.

-

22,2

36,7

46,2

Anstieg in v. H.

Szenario 2

mittlerer Ausgabendruck (1 v.H.)

Pro-Kopf-Ausgaben in 2006

1.801 €

1.801 €

1.801 €

1.801 €

Pro-Kopf-Ausgaben in 2050

3.620 €

3.335 €

3.151 €

3.029 €

100,9

85,1

74,9

68,1

Überzeichnung in v. H. Punkte

-

15,8

26,0

32,8

Prognosefehler in v. H.

-

15,6

25,8

32,5

Anstieg in v. H.

Szenario 3

starker Ausgabendruck (1,6 v.H.)

Pro-Kopf-Ausgaben in 2006

1.801 €

1.801 €

1.801 €

1.801 €

Pro-Kopf-Ausgaben in 2050

4.697 €

4.328 €

4.089 €

3.930 €

160,8

140,3

127,0

118,2

Überzeichnung in v. H. Punkte

-

20,5

33,8

42,6

Prognosefehler in v. H.

-

12,7

21,0

26,5

Anstieg in v. H.

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen der rein demographischen Analyse des vorangegangenen Abschnitts, so fällt auf, dass sich der Prognosefehler in allen Modellen stark reduziert. Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen von Breyer/Felder, bei denen sich die Fehler auf etwa ein Drittel verringern.47 Wie bei der rein demographischen Analyse liegen allerdings auch die absoluten Prognosefehler im Vergleich zu Breyer/Felder höher, die für den Sterbekostenansatz ohne Morbiditätsverbesserungen 6,6 v. H. und den Sterbekostenansatz mit Morbiditätsverbesserungen 14,7 v. H. ermitteln. Nach dem CM-Modell 1 beträgt der Fehler hingegen 15,6 v. H. und nach dem COM-Modell 25,8 v. H. bis 32,5 v. H. ___________ 47

Vgl. Breyer/Felder (2006), S. 184.

144

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Da diese Ergebnisse von der angenommenen Wachstumsrate für den medizinisch-technischen Fortschritt abhängig sind, erscheint die Berechnung alternativer Szenarien sinnvoll. Tabelle D-18 enthält daher auch die Prognosefehler für die Szenarien mit schwachem und starkem durch den medizinischtechnischen Fortschritt verursachten Ausgabendruck. Hierbei zeigt sich, dass der Prognosefehler umso niedriger ausfällt, je höher die Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts ist und umgekehrt. Der Prognosefehler ist somit hochgradig von der durch den medizinisch-technischen Fortschritt ausgelösten Wirkung auf das Ausgabenwachstum abhängig. Abbildung D-25 enthält die nach den verschiedenen Modellansätzen für das Jahr 2050 geschätzten Pauschalprämien. Unter der Annahme einer jährlichen Wachstumsrate der Gesamtausgaben von 1 v. H. liegt die Prämie zwischen 252 Euro im bevölkerungsbezogenen COM-Modell und 302 Euro im EOM-Modell. Die Pauschalprämie wird demzufolge nach dem Standardansatz um knapp 50 Euro überschätzt, sollte die Kompressionsthese die zukünftige Morbiditätsentwicklung richtig beschreiben. Bei einem jährlichen autonomen Wachstum der Gesamtausgaben von 0,4 v. H. beträgt die Prämie im bevölkerungsbezogenen

450 €

328 €

341 €

252 € 194 €

214 €

200 €

232 €

250 €

263 €

278 €

302 €

300 €

202 €

350 €

361 €

391 €

400 €

COM individ.

COM bevölk.

150 € 100 € 50 € 0€ EOM

CM 1 Modell Szenario 1 (0,4 v.H.)

Szenario 2 (1,0 v.H.)

Szenario 3 (1,6 v.H.)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-25: Pauschalprämien im Jahr 2050 nach dem EOM-, CM- und COM-Modell bei alternativen Annahmen über den medizinisch-technischen Fortschritt

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte

145

COM-Modell 194 Euro und im EOM-Modell 232 Euro. Der Prognosefehler des Standardansatzes reduziert sich somit auf 38 Euro. Nach dem EOM-Modell steigt die Pauschalprämie bis zum Jahr 2050 um 54,7 v. H. bis 160,7 v. H. an, während sie nach dem bevölkerungsbezogenen COM-Modell im gleichen Zeitraum um 29,3 v. H. bis 118,7 v. H. zunimmt. bb) Beitragssatz Die Wechselwirkung zwischen demographischem Wandel und medizinischtechnischem Fortschritt führt bei der Beitragssatzprojektion je nach Annahme zur Entwicklung des Rentenniveaus zu Beitragssätzen zwischen 28,4 v. H. und 32,8 v. H. im Jahr 2050 (vgl. Tabelle D-19), wenn von einem jährlichen Wachstum der Gesamtausgaben um 1 v. H. ausgegangen wird. Die Ergebnisdifferenzen beruhen auf alternativen Annahmen bezüglich des demographischen Szenarios sowie des Rentenniveaus. Das demographische Szenario kann das Ergebnis um etwa einen Beitragssatzpunkt, das Rentenniveau um etwa zwei Beitragssatzpunkte verändern.

Tabelle D-19 Entwicklung der Beitragssätze zur Gesetzlichen Krankenversicherung im EOM-Modell mit 1 v. H. medizinisch-technischem Fortschritt p. a. Szenario

Rentenniveau

Jahr 2006 2010 2020 2030 2040 2050 1 v. H. MTF p. a. EOM-Modell

1

2

3

konstant

14,2 15,1 17,9 21,7 25,1 28,4

-15%

14,2 15,2 18,2 22,4 26,4 29,8

-20%

14,2 15,2 18,3 22,6 26,8 30,3

konstant

14,2 15,1 18,0 21,8 25,6 29,3

-15%

14,2 15,2 18,3 22,5 26,9 30,9

-20%

14,2 15,2 18,4 22,8 27,4 31,5

konstant

14,2 15,1 18,1 22,0 26,1 30,4

-15%

14,2 15,2 18,4 22,8 27,5 32,2

-20%

14,2 15,2 18,5 23,1 28,0 32,8

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

146

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

35

35

30

30

25

25

20

20

15

15

10

Beitragssatz in v. H.

Beitragssatz in v. H.

Für das mittlere demographische Szenario (1-W1) ist die Beitragssatzentwicklung in Abbildung D-26 dargestellt. Hierbei ist zu erkennen, dass die Beitragssatzentwicklung nahezu monoton verläuft. Die etwa ab dem Jahr 2020 leicht zunehmende Steilheit der Beitragssatzkurve geht auf den Einfluss der Altersstruktur zurück.

10 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Rentenniveau -20 v. H.

Rentenniveau -15 v. H.

Rentenniveau konstant

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-26: Entwicklung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 im EOM-Modell mit medizinisch-technischem Fortschritt von 1 v. H. pro Jahr

Abbildung D-27 enthält die zu erwartenden Beitragssätze zur GKV für das Jahr 2050 unter der Annahme alternativer Wachstumsraten der Gesamtausgaben, die durch den medizinisch-technischen Fortschritt ausgelöst sind, sowie von drei alternativen Szenarien der Morbiditätsentwicklung: –

Szenario 1 (schwacher medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 0, 4 ): Wird eine schwache Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts unterstellt, so beträgt der Beitragssatz des Jahres 2050 im EOMModell 23,8 v. H. Werden zudem Sterbekosten bei der Kalkulation berücksichtigt, so liegt der Beitragssatz im CM-Modell 2 nur noch bei 21,5 v.H. Bleibt die Morbidität in den kommenden Jahrzehnten unverändert, so beträgt die Übertreibung des EOM-Modells bis zu 2,3 Beitragssatzpunkte. Sollte sich die Morbidität hingegen verbessern, läge der Beitragssatz dagegen nun noch bei 19,9 v. H. Die Übertreibung des EOM-Modells beträgt in diesem Fall knapp vier Beitragssatzpunkte (genau: 3,9).

II. Simulation demographischer und medizinisch-technischer Effekte

147

45

25,9 19,9

COM individ.

33,6

34,9 26,9

CM 2

21,5

21,9

20

20,7

25

27,9

28,5

30,9

30

23,8

Beitragssatz in v. H.

35

36,2

37,0

40,1

40

15 10 5 0 EOM

CM 1

COM bevölk.

Modell Szenario 1 (0,4 v.H.)

Szenario 2 (1 v.H.)

Szenario 3 (1,6 v.H.)

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-27: Beitragssätze im Jahr 2050 nach dem EOM-, CM- und COM-Modell bei alternativen Annahmen über den medizinisch-technischen Fortschritt



Szenario 2 (mittlerer medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 1 ): Gemäß EOM-Modell ergibt sich für das Status-quo-Szenario im Prognosejahr 2050 ein Beitragssatz von 30,9 v. H. Bei Berücksichtigung von Sterbekosten beträgt der Beitragssatz nur 28,5 v. H. (CM-Modell 1) beziehungsweise 27,9 v. H. (CM-Modell 2). Geht man also von einer zukünftig konstanten Morbidität aus, so beläuft sich die Übertreibung des EOM-Modells auf etwa zwei Beitragssatzpunkte. Geht man hingegen von Morbiditätsverbesserungen gemäß der Kompressionsthese aus, so erhöht sich die Übertreibung auf bis zu fünf Beitragssatzpunkte. Der Beitragssatz beträgt in diesem Falle 25,9 v. H.



Szenario 3 (starker medizinisch-technischer Ausgabendruck, G 1, 6 ): Bei einem durch den medizinisch-technischen Fortschritt bedingten starken Wachstum der Gesamtausgaben beträgt der Beitragssatz des Jahres 2050 im EOM-Modell 40,1 v. H. Die Berücksichtigung von Sterbekosten reduziert den Beitragssatz auf 36,2 v. H. im CM-Modell 2. Wird eine Kompression der Morbidität unterstellt, so läge der Beitragssatz bei 33,6 v. H. Die Übertreibung des EOM-Modells beträgt in diesem Fall 6,5 Beitragssatzpunkte.

148

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

2. Zwischenergebnis Im Mittelpunkt dieses Kapitels standen die durch den demographischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt ausgelösten Ausgabenund Beitragssatzentwicklungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Grundlage bilden die entwickelten Morbiditätsmodelle, welche um den medizinisch-technischen Fortschritt ergänzt wurden. Da die quantitative Wirkung des Fortschritts in der Medizin nicht exakt bestimmt werden kann, wurden die Modelle unter alternativen Annahmen berechnet. Hierbei zeigt sich in der mittleren Bevölkerungsvariante und unter der Annahme, dass der medizinisch-technische Fortschritt die Gesamtausgaben um 1 v. H. pro Jahr ansteigen lässt, eine Steigerung der Pro-Kopf-Ausgaben von maximal 100,9 v. H. (EOM-Modell), während im günstigsten Falle mit Steigerungen von 68,1 v. H. (bevölkerungsbezogenes COM-Modell) gerechnet werden muss. Die nicht unbedeutende Spanne von 32,8 Prozentpunkten geht dabei auf die Nichtberücksichtigung von Sterbekosten und Morbiditätsverbesserungen zurück. Wird dagegen von einer jährlichen Wachstumsrate der Gesamtausgaben von nur noch 0,4 v. H. ausgegangen, so liegt die maximale Steigerung der Pro-Kopf-Ausgaben mit 54,6 v. H. deutlich niedriger. Im günstigsten Falle beträgt sie sogar nur 29,3 v. H. Die Spanne beläuft sich in diesem Szenario immerhin noch auf 25,2 Prozentpunkte. Die Prognosefehler liegen bei einem jährlichen Wachstum der Gesamtausgaben um 1 v. H. zwischen 15,6 v. H. und 32,5 v. H., während sie bei einem Wachstum von 0,4 v. H. zwischen 22,2 v. H. und 46,2 v. H. liegen. Der Prognosefehler bei Verwendung des Standardansatzes, der durch die Nichtberücksichtigung von Sterbekosten und Morbiditätsverbesserungen entsteht, ist damit hochgradig von den zugrunde liegenden Annahmen über den medizinischtechnischen Fortschritt abhängig. Die Gesundheitspolitik könnte sich deshalb in den kommenden Jahren veranlasst sehen, die Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts einzudämmen. Je besser dies gelingen sollte, umso bedeutsamer wird die Berücksichtigung der Sterbekosten bei der Projektion von Gesundheitsausgaben und umso geringer ist die Ausgabendynamik. Die Beitragssätze im Jahr 2050 liegen je nach unterstellter Bevölkerungsentwicklung zwischen 28,4 und 32,8 v. H. im EOM-Modell, wenn man von einem jährlichen Wachstum der Gesamtausgaben um 1 v. H. ausgeht. Bei einer mittleren Bevölkerungsentwicklung beträgt der Beitragssatz 30,9 v. H. Bei konstanter Morbidität fällt dieser um bis zu 3 Prozentpunkte niedriger aus, während bei einer Kompression der Morbidität ein bis zu 5 Prozentpunkte geringerer Beitragssatz zu erwarten ist. Wird von einem Wachstum der Gesamtausgaben um 0,4 v. H. ausgegangen, so liegt der Beitragssatz gemäß EOMModell bei lediglich 23,8 v. H. Hier reduziert sich der Beitragssatz bei Berücksichtigung von Sterbekosten um etwa 2 Beitragssatzpunkte, während die Be-

III. Zusammenfassung

149

rücksichtigung von Morbiditätsverbesserungen den Beitragssatz bis auf 19,9 v. H. reduziert.

III. Zusammenfassung Zentrale Herausforderungen für die zukünftige GKV-Finanzierung sind der demographische Wandel und der medizinisch-technische Fortschritt. Der demographische Wandel führt zu einem höheren Beitragssatzniveau, weil hierdurch die durchschnittlichen Einnahmen sinken und die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben steigen. Strittig ist hierbei das genaue Ausmaß der Ausgabenwirkung. Einerseits bleiben Sterbekosten bei der Projektion der Ausgabenentwicklung in der Regel unberücksichtigt, womit die Tatsache ignoriert wird, dass Versterbende höhere Gesundheitsausgaben verursachen als Überlebende. Andererseits wird in diesen Berechnungen implizit eine Verschlechterung der Morbidität unterstellt, obwohl eine Reihe von Indikatoren auf Morbiditätsverbesserungen in den nächsten Jahrzehnten hindeutet. Beides könnte den Ausgabendruck verringern, wenn nicht gar, so die Propagandisten, zu sinkenden Gesundheitsausgaben führen. Daher galt es diesen Sachverhalten bei der Simulation gebührend Rechnung zu tragen. Es zeigt sich, dass die beiden Einwände zusammengenommen allenfalls dazu ausreichen, den ausgabenseitigen Druck abzumildern. Keinesfalls wird hierdurch der Trend zu höheren Beitragssätzen durchbrochen. Der Auftrieb des Beitragssatzes wird zudem durch den medizinisch-technischen Fortschritt bedeutend verstärkt. 1. Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie bis zum Jahr 2050 Nach den vorliegenden Berechnungen erhöht sich der jahresdurchschnittliche Beitragssatz der GKV bis zum Jahr 2050 im Status-quo-Szenario auf 30,9 v. H. (vgl. Abbildung D-28). Im günstigsten Fall liegt der Beitragssatz im BestCase-Szenario bei 26,9 v. H., während er im ungünstigsten Fall des WorstCase-Szenarios auf 34,9 v. H. ansteigt. Bei allen Szenarien wurden Morbiditätsverbesserungen gemäß dem individuellen COM-Modell angenommen und Sterbekosten berücksichtigt. Die verbleibende Abweichung von +/- vier Prozentpunkten gegenüber dem Status-quo-Modell ergibt sich aus der unsicheren Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts. Diese konnte die Gesundheitspolitik in der Vergangenheit durch unzählige Kosten- und Ausgabendämpfungsgesetze immerhin beschränken (Best-Case-Szenario). Ob ihr dies in Zukunft gelingt, ist allerdings fraglich, da der „demographische Druck“ zunimmt: Einerseits wird sich die Bevölkerungsalterung Deutschlands in naher Zukunft deutlich beschleunigen und damit zu einem höheren Ausgabenwachstum beitragen. Andererseits dürfte der politische Druck der älteren Wahlbevölkerung dazu führen, die Gesundheitsausgaben weniger stark als bisher zu begrenzen.

150

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

40

40

35

35

30

30

25

25

20

20

15

15

10

Beitragssatz in v. H.

Beitragssatz in v. H.

Damit könnte die Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts zunehmen (Worst-Case-Szenario). Da sich über die Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven und eine stärkere wettbewerbliche Ausgestaltung des Gesundheitswesens noch Möglichkeiten zur Ausgabendämpfung ergeben, wird für das Statusquo-Szenario eine mittlere Ausgabenwirkung zugrunde gelegt.

10 2005

2010

2015

2020

2025

2030

2035

2040

2045

2050

Jahr Best-Case-Szenario

Status-quo-Szenario

Worst-Case-Szenario

Anmerkung: Basis der Berechnung ist das individuelle COM-Modell. Unterstellte Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts: 1 v. H. im Best-Case-Szenario, 1,3 v. H. im Status-quo-Szenario und 1,6 v. H. im Worst-Case-Szenario. Interpolation des zeitlichen Verlaufs erfolgt aufgrund des EOM-Modells. Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

Abbildung D-28: Entwicklung des Beitragssatzes zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050

Die Pauschalprämie der GKV erhöht sich bis zum Jahr 2050 auf 263 Euro im Best-Case-Szenario und 341 Euro im Worst-Case-Szenario (vgl. Tabelle D-20). Nach dem Status-quo-Szenario steigt die Pauschalprämie bis zum Jahr 2050 auf 302 Euro. Die geringere Zunahme der Pauschalprämie gegenüber dem Beitragssatz ist die Folge des fehlenden demographischen Finanzierungseffekts. Angesichts der Verdopplung der Pauschalprämie scheint auch in diesem Falle die Zeit reif für eine Reform der GKV-Finanzierung. In diesem Kapitel wurde anhand von Simulationsrechnungen analysiert, worauf die zum Teil erheblichen Differenzen der Beitragssatzprojektionen für die Gesetzliche Krankenversicherung zurückzuführen sind. Hierzu wurden verschiedene Modelle spezifiziert und deren Wirkungen auf zwei Ebenen untersucht. Zum einen wurden auf der rein demographischen Ebene die Unterschie-

III. Zusammenfassung

151

de identifiziert, welche auf die Nichtberücksichtigung von Sterbekosten und Morbiditätsverbesserungen zurückgeführt werden können. Zum anderen wurde die demographische Ebene in Kombination mit dem medizinisch-technischen Fortschritt untersucht. Tabelle D-20 Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie zur Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2050 Jahr 2006 2010 2020 2030 2040 2050

Best-Case-Szenario

Status-quo-Szenario

Worst-Case-Szenario

Beitragssatz Pauschalprämie in v. H. in Euro

Beitragssatz Pauschalprämie in v. H. in Euro

Beitragssatz Pauschalprämie in v. H. in Euro

14,2 15,0 17,5 20,9 24,1 26,9

150 159 183 209 238 263

14,2 15,2 18,3 22,5 26,9 30,9

150 161 191 225 264 302

14,2 15,3 19,0 24,1 29,5 34,9

150 163 199 240 290 341

Anmerkung: Basis der Berechnung ist das individuelle COM-Modell. Unterstellte Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts: 1 v. H. im Best-Case-Szenario, 1,3 v. H. im Status-quo-Szenario und 1,6 v. H. im Worst-Case-Szenario. Interpolation des zeitlichen Verlaufs erfolgt aufgrund des EOM-Modells. Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); Statistisches Bundesamt (2006c); eigene Berechnungen.

2. Quantitative Bedeutung des Prognosefehlers bei Verwendung des Standardansatzes Für die erste Ebene wurde nachgewiesen, dass sich die auf das Jahr 2050 projizierten Beitragssätze verringern, wenn der Standardansatz zugunsten des Sterbekostenansatzes aufgegeben wird, also Sterbekosten explizit in der Beitragssatzprojektion berücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, so werden die rein demographischen Beitragssatzsteigerungen aufgrund zu hoch kalkulierter Ausgaben überzeichnet. Die Übertreibung bei den Pro-Kopf-Ausgaben beträgt bei gleich bleibender Morbidität bereits ein Drittel und wächst bei Annahme von Morbiditätsverbesserungen auf knapp drei Viertel! Eine Nichtberücksichtigung der Sterbekosten erscheint somit auf demographischer Ebene höchst fraglich. Für die zweite Ebene wurde dargelegt, dass sich die quantitative Bedeutung des Prognosefehlers bei Anwendung des Standardansatzes gegenüber der demographischen Ebene verringert. Bei der Projektion von Gesundheitsausgaben werden die Sterbekosten daher häufig vernachlässigt. Dies mag bei der Annahme konstanter Morbidität noch gerechtfertigt erscheinen, weil der Prognosefehler in diesem Fall „lediglich“ 15,6 v. H. beträgt. Werden dagegen, wie in dieser Arbeit, Morbiditätsverbesserungen als wahrscheinlich angenommen, so ist der auftretende Fehler gewichtig und liegt zwischen einem Viertel und einem Drittel.

152

D. Empirische Analyse demographischer und medizinisch-technischer Effekte

Die Übertreibung des Standardansatzes ist in hohem Grade von der unterstellten Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts abhängig. Jedoch belegen die Simulationsrechnungen, dass auch dies keinen hinreichenden Grund für die Nichtberücksichtigung der Sterbekosten liefert. Zwar führt eine höhere Wachstumsrate zu einem stärkeren Rückgang des Prognosefehlers, jedoch ist dieser quantitativ nicht unbedeutend: Bei einem Wachstum von 1,6 v. H. und Morbiditätsverbesserungen beläuft sich der Fehler auf mehr als ein Fünftel. Wird dagegen ein geringeres Ausgabenwachstum angenommen, so erweist sich die Außerachtlassung der Sterbekosten erst recht nicht als gerechtfertigt, weil in diesem Fall der Fehler deutlich höher liegt.

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem: eine theoretische und empirische Analyse Vorschläge für eine Finanzierungsreform der Gesetzlichen Krankenversicherung existieren in zahlreichen Varianten. Allgemein kann ihre Systematisierung durch eine Kombination der nachstehenden drei Merkmale erfolgen: 1.

Versichertenkreis: Zum einen existieren Konzeptionen, die an einer Aufrechterhaltung der Dualität von GKV und PKV festhalten.1 Die bisherigen Abgrenzungen der Versichertenkreise behalten hierin ihre Gültigkeit. Zu nennen wären hier die Gesundheitsprämienmodelle von der RürupKommission beziehungsweise der Herzog-Kommission.2 Zum anderen bestehen Konzeptionen, welche ein einheitliches Krankenversicherungssystem anstreben. Der Versichertenkreis würde damit auf die Wohnbevölkerung ausgeweitet. Hier sei auf das ebenfalls von der Rürup-Kommission entwickelte Konzept der Bürgerversicherung oder das vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung favorisierte Konzept der Bürgerpauschale verwiesen.3 Beitragserhebung: In einigen Reformvorschlägen wird für die Beibehaltung der Einkommensabhängigkeit bei der GKV-Beitragserhebung plädiert, während in anderen Vorschlägen eine Einkommensunabhängigkeit der Beitragserhebung für sinnvoll erachtet wird. Die in der Öffentlichkeit am meisten diskutierten Modelle sind wiederum das Gesundheitsprämienmodell sowie die Bürgerversicherung der Rürup-Kommission.4 Kapitaldeckung: Auch bezüglich der Kapitaldeckung unterschieden sich die in die Finanzierungsreformdebatte der GKV eingebrachten Reformvorschläge deutlich. In den Modellen der Rürup-Kommission wird weiterhin am reinen Umlageverfahren festgehalten. Eine ergänzende Kapitaldeckung

2.

3.

___________ 1

Zur Dualität von GKV und PKV siehe den Überblick bei Henke (2007). Siehe Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 161 ff.; Herzog-Kommission (2003), S. 16 ff. 3 Siehe Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), S. 149 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 397 ff. 4 Zur Bürgerversicherung siehe die Ausführungen bei Jacobs (2003); Langer/Pfaff/ Pfaff (2003). Zum Prämienmodell siehe Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2004); Wille/Rürup (2004). Siehe darüber hinaus auch Haufler (2004). 2

154

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

stellt das Duisburger Konzept der Solidarischen Alterungsreserve dar, während beispielsweise in Konzepten der PKV der vollständige Übergang auf das Kapitaldeckungsverfahren gefordert wird.5 Die vorangegangene Analyse der langfristigen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung ergab, dass das Umlageverfahren als nicht nachhaltig angesehen werden kann.6 Dieses Ergebnis ist dabei grundsätzlich unabhängig von der Form der Beitragserhebung. Denn auch in einem Pauschalprämiensystem sind, trotz des abwesenden demographischen Finanzierungseffekts, stark steigende Beiträge zu erwarten. Die durchgeführte Analyse beschränkt sich zwar auf den Versichertenkreis der GKV, jedoch dürfte die bloße Ausdehnung des Versichertenkreises auf die Wohnbevölkerung bei Beibehaltung des gegenwärtigen Finanzierungsmodus nicht zielführend sein. Denn einerseits werden die bisherigen Finanzierungsprobleme auf den Versichertenkreis der PKV ausgedehnt und andererseits das an sich nachhaltige PKV-System aufgegeben. Die auf eine reine Umlagefinanzierung zielenden Reformüberlegungen werden daher nicht weiter betrachtet. In der nachfolgenden Diskussion um das Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren wird im Rahmen der Theorie der Alterssicherung argumentiert, dass sich demographische Strukturveränderungen mittels Kapitaldeckung leichter bewältigen lassen. Darüber hinaus wird jedoch aufgezeigt, dass ein Systemwechsel vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren mit hohen Umstellungskosten verbunden ist.7 Folglich ist die politische Durchsetzbarkeit solcher Reformbestrebungen, so vorteilhaft sie im Einzelnen auch erscheinen mögen, als gering einzustufen und sollen deshalb hier ebenfalls nicht weiter thematisiert werden.8 Im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen stehen vielmehr Möglichkeiten, welche das gewachsene GKV-System nicht grundsätzlich in Frage stellen und gleichzeitig eine deutliche Verbesserung in Sinne der Nachhaltigkeit ___________ 5 Zum Konzept der Solidarischen Alterungsreserve siehe Cassel (2003b), S. 249 f. Zum PKV-Konzept siehe beispielsweise Henke et al. (2002); Henke/Grabka/Borchardt (2002); Grabka et al. (2003). 6 Dies wird von Untersuchungen auf der Basis von Generationenbilanzen bestätigt. Siehe hierzu etwa Fetzer/Hagist/Höfer (2004); Fetzer/Häcker/Hagist (2005); Fetzer/ Mevis/Raffelhüschen (2003). Zur Methodik der Generationenbilanzierung siehe Auerbach/Gokhale/Kotlikoff (1992); Auerbach/Gokhale/Kotlikoff (1994). Eine modifizierte Version stammt von Felder (1997). Eine kritische Stellungnahme zur Generationenbilanzierung ist zu finden in Viebrok/Dräther (1999); Schmähl (2002). Bereits in Schulenburg/Kleindorfer (1986) wurde der Frage nachgegangen, inwieweit der Generationenvertrag in der GKV stabil ist und vermutet, dass „… ab 1980 alle Generationen zu den Nettozahlern gehören …“ (Schulenburg/Kleindorfer 1986, S. 431). 7 Siehe hierzu ebenfalls die Berechnungen von Felder/Fetzer (2007b), S. 612 ff. 8 Siehe beispielhaft Oberender et al. (2006) für das sogenannte Bayreuther Versichertenmodell.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

155

gegenüber dem Status quo sicherstellen. Diese Vorschläge zeichnen sich durch eine die Umlagefinanzierung ergänzende Kapitaldeckung aus.9

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren: Welche Vorteile bringt der Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren? 1. Grundprinzipien und Eigenschaften a) Vorbemerkungen zum Modellrahmen Das Modell überlappender Generationen bildet üblicherweise den Rahmen zur Diskussion von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren.10 Zu einem gegebenen Zeitpunkt leben zwei Generationen. Hierbei befindet sich eine Generation in der Erwerbsphase, während sich die andere Generation im Ruhestand befindet. Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass sich die Phasenlängen entsprechen. Die Anzahl der in Periode t Geborenen wird mit dem Symbol N t , die Anzahl der Personen im Ruhestand mit N t1 bezeichnet. Der Wachstumsfaktor der Erwerbstätigen ist durch M t : 1  g N : N t / N t 1 gegeben. Weitert

hin wird unterstellt, dass die Erwerbstätigen unelastisch eine Arbeitseinheit zum Lohnsatz wt anbieten. Der Wachstumsfaktor des Lohnsatzes wird entsprechend als Gt : 1  g w : wt / wt 1 definiert. Schließlich wird der Zinssatz

t rt als gegebene Größe betrachtet und der korrespondierende Zinsfaktor mit Rt : 1  rt bezeichnet.

b) Umlageverfahren Beim Umlageverfahren werden Beiträge von den Erwerbstätigen erhoben, mit denen dann die Renten der sich im Ruhestand befindlichen Personen finanziert werden. Wenn die jetzigen Erwerbstätigen selbst im Rentenalter sind, sind die derzeitigen Rentner, die zuvor die Leistungen empfangen haben, bereits verstorben. Aus diesem Grund erwerben die Aktiven mit ihren Beiträgen keinen realen, sondern einen hypothetischen Gegenwert.11 Sie müssen darauf ver___________ 9 Werden derartige Reformen auf der Finanzierungsseite mit einer effizienteren Gestaltung der Leistungsseite kombiniert, so kann dies zu einer erheblichen Entlastung führen. Siehe Henke (2005). 10 Vgl. Breyer (1990), S. 2 ff., S. 15 ff. 11 Vgl. Neumann (1998), S. 260.

156

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

trauen, dass sie im Alter ebenfalls Leistungen von der nachfolgenden Generation erhalten. Das Umlageverfahren beruht dementsprechend auf der Solidarität zwischen aufeinander folgenden Generationen.12 Aus diesem Grund spricht man auch von einem Generationenvertrag.13 In vorindustrieller Zeit wurde von einer relativ großen Gruppe der Bevölkerung die Alterssicherung innerfamiliär geregelt, weshalb man hier von einem Generationenvertrag in direktem Sinn sprechen kann.14 Heutzutage beschränkt sich der Generationenvertrag nicht mehr auf die Familie mit der Folge, dass vor allem ein Schutz bei Kinderlosigkeit gewährleistet ist.15 Da sich die Erwerbstätigen unter Umständen nicht dazu bereit erklären, auf einen Teil ihres Einkommens zugunsten der Elterngeneration zu verzichten, müssen sie dazu bewegt werden, die Leistungen auch tatsächlich zu erbringen. Dies kann durch Zwang oder durch das Versprechen auf eine mindestens gleichwertige Gegenleistung geschehen, aber auch dadurch, dass die Erwerbstätigen eine allgemein anerkannte soziale Norm akzeptieren.16 Charakteristikum eines Umlageverfahrens ist, dass der Rentenversicherungsträger zu keiner Zeit über Kapital verfügt.17 c) Kapitaldeckungsverfahren Beim Kapitaldeckungsverfahren bilden die Erwerbstätigen Ersparnisse, die auf dem Kapitalmarkt verzinslich angelegt werden. Das so angesammelte Deckungskapital wird auf dem persönlichen Konto des Versicherten gutgeschrieben.18 Im Alter wird der angesparte Kapitalstock wieder aufgelöst. Im Unterschied zum Umlageverfahren können bilaterale Kreditverträge geschlossen werden, in denen der Staat oder eine parafiskalische Institution der Kreditnehmer ist.19 Grundsätzlich ist auch eine privatwirtschaftliche Lösung möglich, bei der die Einhaltung der Verträge durch den Staat sichergestellt wird.20

___________ 12

Vgl. Dinkel (1984b), S. 165. Siehe z. B. Scherf (1997), S. 4. 14 Vgl. Dinkel (1986), S. 82. 15 Siehe etwa Sinn (2004). 16 Vgl. Breyer (2000), S. 385. 17 Hierbei wird von der gesetzlichen Schwankungsreserve abgesehen. 18 Dieses Verfahren wird verschiedentlich auch als Anwartschaftsdeckungsverfahren bezeichnet. Unter Kapitaldeckungsverfahren wird dann die Ansammlung eines Deckungskapitals verstanden, wenn der Versicherungsfall – hier das Erreichen des Rentenalters – eintritt. Vgl. beispielsweise Männer (1973/74), S. 246. 19 Vgl. hierzu Breyer (2000), S. 385. 20 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), S. 235, Tz. 403. 13

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

157

2. Ertragsraten a) Zur Relevanz der Mackenroth-These Eine Gegenüberstellung von Renditen und Risiken im Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren setzt voraus, dass beide Verfahren realwirtschaftlich nicht äquivalent sind. An dieser Stelle setzt die im Jahre 1952 von Gerhard Mackenroth formulierte These an, welche behauptet, dass aller Sozialaufwand immer aus dem laufenden Volkseinkommen erbracht werden muss und daher Umlagesowie Kapitaldeckungsverfahren allokativ gleichwertig sind:21 „Nun gilt der einfache und klare Satz, daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Fonds, keine Übertragung von Einkommensteilen von Periode zu Periode, kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne –, ... das ist immer so gewesen und kann nie anders sein.“22

Dies ist zunächst auch einleuchtend, denn werden in einer gegebenen Periode Wertpapiere erworben, so kann dies nur über einen Konsumverzicht aus dem laufenden Sozialprodukt erfolgen.23 Der Verkäufer des Wertpapiers kann stattdessen vermehrt konsumieren oder investieren, wobei das Sozialprodukt allerdings verbraucht wird. Will der Wertpapierkäufer seine Wertpapiere in der Folgeperiode wieder in Konsum umwandeln, so ist auch dieses nur durch einen Verzicht eines Teils des Sozialprodukts seitens des neuen Käufers möglich. Volkswirtschaftlich betrachtet, gelingt die Transformation von Konsummöglichkeiten in die Zukunft auf diesem Wege folglich nicht. Die gewünschte Transformation kann jedoch über die vermehrte Produktion von langlebigen Konsumgütern, beispielsweise in Form von Wohnhäusern, erfolgen.24 Zudem gilt die These nur für eine geschlossene Volkswirtschaft, da der Sozialaufwand in einer offenen Volkswirtschaft durch ein Leistungsbilanzdefizit finanziert werden kann. „Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“25

Diese Schlussfolgerung Gerhard Mackenroths ist jedoch nicht gerechtfertigt; sie ist es auch dann nicht, wenn man die bisherigen Einwände unberücksichtigt lässt. Denn sie trifft nur unter der Voraussetzung zu, dass die Wahl des Finanzierungsverfahrens keine Auswirkung auf das Niveau des Sozialprodukts hat. ___________ 21

Zur Urheberschaft der Mackenroth-These siehe Schmähl (1981). Zur kritischen Diskussion siehe Homburg (1988), S. 66; Breyer (2000), S. 386. 22 Mackenroth (1952), S. 41. Hervorhebung im Original gesperrt. 23 Vgl. Apolte/Chomiuk (1995), S. 138. 24 Vgl. Breyer (2000), S. 386. 25 Mackenroth (1952), S. 43.

158

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Diese Annahme lässt sich jedoch nicht aufrecht erhalten, da bei Wahl des Kapitaldeckungsverfahrens das Sozialprodukt der Folgeperiode größer ist als beim Umlageverfahren.26 Denn die Beiträge zur Umlage stellten aus Sicht eines Individuums Ersparnisse dar, sind dies jedoch gesamtwirtschaftlich nicht, da sie als Transfers wieder ausgeschüttet werden.27 Die allokative Gleichwertigkeit ist in der gegenwärtigen Ausgestaltung auch unter einem weiteren Gesichtspunkt nicht gewährleistet: Wird ein Umlageverfahren eingeführt, so kann dies unter Umständen die Anreize zur Fertilität senken.28 Somit wäre auch in diesem Falle das zukünftige Sozialprodukt geringer, als dies beim Kapitaldeckungsverfahren der Fall ist. b) Implizite Renditen im Umlageverfahren aa) Analyse bei exogener Bevölkerungsentwicklung: das Standardmodell Beim Umlageverfahren werden die Beitragseinnahmen der Erwerbstätigen zur Deckung der Rentenausgaben derselben Periode verwendet.29 Aus Sicht der Rentenversicherungsanstalt ergeben sich die laufenden Einnahmen als Produkt der Zahl der Erwerbstätigen N t , dem Lohn wt und dem Beitragssatz bt nach Gleichung (49)

N t ˜ wt ˜ bt ,

während sich die laufenden Ausgaben aus dem Produkt der Anzahl der Rentner N t1 und der Pro-Kopf-Rente pt nach Gleichung (50)

N t 1 ˜ pt

ergeben. Da sich Einnahmen und Ausgaben einer Periode beim Umlageverfahren entsprechen müssen, also (51)

N t ˜ wt ˜ bt

N t 1 ˜ pt

___________ 26

Siehe beispielsweise Homburg (2001), S. 3. Siehe etwa Berthold/Külp (1987), S. 107; Homburg (1988), S. 55 f.; Siebert (1997), S. 15 ff.; Nguyen (2000), S. 57 ff. 28 Siehe für eine entsprechende Argumentation z. B. Sinn (2003), S. 10 ff.; Henman/ Voigtländer (2004). 29 Von der Schwankungsreserve wird hier abgesehen. Siehe dazu Deutsche Bundesbank (1999). Ebenso wird von der Berücksichtigung der steuerfinanzierten Bundeszuschüsse oder der versicherungsfremden Leistungen abgesehen. Siehe hierzu etwa Schmähl (2001). 27

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

159

gilt, erhält jeder Rentner im Umlageverfahren eine Rente von (52)

wt ˜ bt ˜ (1  g N ) . t

pt

Die Rentenhöhe ist nicht von den Beiträgen wt 1 ˜ bt 1 abhängig, die eine Generation selbst geleistet hat, sondern von den Beiträgen wt ˜ bt der jetzigen Erwerbstätigen sowie dem Verhältnis der Stärke der aufeinander folgenden Generation. Der Staat hat in diesem Rahmen die Möglichkeit, das Rentenniveau oder den Beitragssatz festzulegen. Daraus ergeben sich die im Folgenden dargestellten Politikmöglichkeiten. (1) Politik des konstanten Beitragssatzes Bei der Politik des konstanten Beitragssatzes lässt sich aus Gleichung (52) und unter Beachtung von bt b für alle t das Rentenniveau Qt , welches gemäß (53)

Qt

pt / wt ,

als Verhältnis zwischen Rente und Lohn der jeweiligen Periode definiert ist,30 ermitteln: (54)

Qt

(1  g N ) ˜ b . t

Demnach steigt das Rentenniveau bei wachsender Bevölkerung ( g N ! 0) t und sinkt im Falle einer schrumpfenden Bevölkerung ( g N  0) . t

Da die Einnahmen einer Periode im Umlageverfahren direkt wieder an die Rentner für deren Konsumzwecke ausgeschüttet werden, ist die Verzinsung im Umlageverfahren aus volkswirtschaftlicher Sicht gleich null. Aus Sicht eines Individuums lässt sich jedoch eine interne Verzinsung, verstanden als Relation von Rente zu gezahlten Beiträgen, gemäß Gleichung (55)

it

pt bt 1 ˜ wt 1

1

ermitteln.31 Sie ist positiv, wenn die geleisteten Beiträge geringer sind als die ___________ 30 Somit entspricht diese Definition einer auf den Bruttolohn bezogenen Rente. Siehe Homburg (1988), S. 19. 31 Synonyme für interne Verzinsung sind implizite Rendite oder auch implizite Ertragsrate.

160

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Rente. Sie ist hingegen negativ, falls die Rente geringer als die geleisteten Beiträge ausfällt. Für das Umlageverfahren ist die interne Verzinsung it unter Bezugnahme auf die Gleichungen (55) und (52) als (56)

it

(1  g N ) ˜ (1  g w ) ˜ ( bt / bt 1 )  1 t t

darstellbar. Bei Konstanz des Beitragssatzes entspricht die interne Verzinsung damit der Wachstumsrate der Lohnsumme: (57)

it

(1  g N ) ˜ (1  g w )  1 . t t

Somit lässt sich die interne Verzinsung im Umlageverfahren in zwei Bestandteile zerlegen: 1.

Der erste Renditebestandteil g N wird von Paul Samuelson in seinem im t Journal of Political Economy erschienenen Aufsatz „An exact consumption-loan model of interest with or with-out the social contrivance of money“ als biologische Verzinsung bezeichnet.32 Hierzu sei eine Volkswirtschaft betrachtet, in der die Bevölkerungszahl sowie die Löhne konstant sind. Da in dieser Situation, wie aus Gleichung (52) folgt, jeder Rentner genauso viel Rente bezieht, wie er eigene Beiträge entrichtet hat, ist die interne Verzinsung null. Wenn die Bevölkerung nun wächst, dann führt dies zu einem Anstieg der Beitragssumme. Diese wird auf eine relativ geringe Zahl von Rentnern verteilt und deshalb erhält jeder Rentner mehr an Leistungen aus der Rentenkasse, als er selber an Beiträgen eingezahlt hat. Die interne Verzinsung ist also positiv. Der zweite Renditebestandteil ist die Wachstumsrate des Lohnsatzes. Ist sie in der Ausgangssituation positiv, dann steigt auch hier die Beitragssumme, und die interne Verzinsung ist positiv.

2.

(2) Politik des konstanten Rentenniveaus Bei einer Politik des konstanten Rentenniveaus erhält man aus den Gleichungen (53) und (52) den zum Bilanzausgleich notwendigen Beitragssatz (58)

bt

___________ 32

Siehe Samuelson (1958).

Q 1  gN t

.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

161

Demnach führt eine wachsende Bevölkerung ( g N ! 0) zu einem sinkenden t

Beitragssatz und eine schrumpfende Bevölkerung ( g N  0) zu einem Anstieg t des Beitragssatzes.33 Für die interne Verzinsung ergibt sich aus den Gleichungen (55), (52) und (58): (59)

it

(1  g N ) ˜ (1  g w )  1 . t t 1

Die Verzinsung im Umlageverfahren mit konstantem Rentenniveau hängt also nicht, wie im Fall eines konstanten Beitragssatzes, von g N ab, sondern von t

der Veränderung der erwerbstätigen Bevölkerung in der Vorperiode, welche beschrieben wird.34 Dies rührt daher, dass der Effekt von der ersdurch g N t1

ten Größe durch eine Beitragssatzänderung gemäß Gleichung (58) ausgeglichen wird. Die letzte Größe bestimmt die eigenen Beitragszahlungen und ist daher für die interne Verzinsung maßgeblich. bb) Analyse bei Berücksichtigung von Fertilitätsentscheidungen: eine Erweiterung Die Analyse im Grundmodell stellt die intergenerativen Austauschbeziehungen in den Vordergrund, während intragenerative Austauschbeziehungen per Definition ausgeschlossen sind. Letztere werden im Folgenden in die Analyse integriert, da der dem Umlageverfahren zugrunde liegende Generationenvertrag grundsätzlich zwei Aspekte aufweist: Transferleistungen der Erwerbstätigen an die Rentner und die Erziehung und Ausbildung von Kindern, welche hier als „Investitionen in Humankapital“ bezeichnet werden.35 Eine auf den ersten Aspekt reduzierte Sichtweise führt dazu, dass die Begriffe Umlageverfahren bzw. Kapitaldeckungsverfahren den Anschein erwecken, zum einen auf Stromgrößen und zum anderen auf Bestandsgrößen zu basieren. Da eine Umlage, wie auch eine Kapitaldeckung, nur aus Beständen finanziert werden kann, muss also auch beim Umlageverfahren ein Bestand aufgebaut werden. Dies geschieht jedoch gegenwärtig in Deutschland nicht in hinreichen___________ 33 Zur Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Rentenversicherung siehe beispielsweise Sinn/Thum (1999). 34 Vgl. Homburg (1988), S. 23. 35 Siehe beispielsweise Apolte (2002); Sinn/Werding (2000); Werding (1998, 1999, 2005); Eekhoff (1997).

162

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

dem Maße, denn die im Umlageverfahren an die Rentenversicherungsanstalt gezahlten Beiträge der Aktiven stellen nicht deren spätere Rente dar, sondern sichern ausschließlich den Konsum der jetzigen Rentnergeneration. Aus diesem Grund müssen die Aktiven zusätzlich für ihr Alter vorsorgen. Dies kann vom Grundsatz her entweder durch Realkapitalinvestitionen oder durch Humankapitalinvestitionen geschehen. Im erstgenannten Fall erhält man im Ruhestand Erträge aus Realkapital, im letztgenannten Fall Anteile am Arbeitseinkommen der dann Erwerbstätigen. Folglich kann alternativ von einem Humankapitaldeckungsverfahren anstatt von einem Umlageverfahren gesprochen werden.36 Die Funktionsfähigkeit des Umlageverfahrens setzt in jedem Fall beide Aspekte des Generationenvertrags voraus.37 Investitionen in Humankapital können zum einen durch die Kindererziehung, zum anderen durch die Ausbildung der Nachkommen erfolgen.38 Im erstgenannten Fall wird ein quantitativer Aspekt (Kinderzahl) betrachtet, während im letztgenannten Fall ein qualitativer Aspekt im Vordergrund steht. Dies ermöglicht die Beschreibung der Bevölkerungsgröße in Abhängigkeit der Investitionen in die Kindererziehung sowie des Lohns in Abhängigkeit der Ausbildungsinvestition. Die Bevölkerungsentwicklung wird somit im Gegensatz zum Grundmodell endogenisiert. Setzt man den Barwert der erwarteten Rente, der sich in Abhängigkeit des als konstant unterstellten Beitragssatzes b ergibt, in Relation zum Barwert der KE und Ausbildung HK , so erhält Aufwendungen für Kindererziehung I t I t1 1 39 man die Rendite im Umlageverfahren:

(60)

U rt

HK KE b ˜ wt ( I t 1 ) N t ( I t 1 ) ˜  1. HK KE N t 1 I t 1  I t 1

Bei dieser Betrachtungsweise spielen die von einer Generation selbst entrichteten Beiträge b ˜ wt 1 zur Rentenversicherung keine Rolle, da diese lediglich die Gegenleistung für die von der Elterngeneration geleisteten Aufwendungen für Ausbildung und Erziehung darstellen. Aus der Endogenisierung der Bevölkerungsentwicklung lassen sich weitere Implikationen bezüglich der optimalen Höhe von Humankapitalinvestitionen ableiten. Hierzu ist die Unterscheidung zwischen einem privaten und einem öffentlichen Umlageverfahren erforderlich. ___________ 36

Siehe Apolte (1998), S. 8 ff. Vgl. hierzu Dinkel (1984a), S. 192. 38 Zur Berechnung der Höhe von Humankapitalinvestitionen siehe auch Sinn (2001). 39 Für die folgenden Ausführungen vgl. Postler (2002), S. 23 ff. 37

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

163

(1) Privates Umlageverfahren Die Rente aus der Humankapitalinvestition ergibt sich für ein privates Umlageverfahren, welches beispielsweise innerhalb eines Familienbundes organisiert sein kann, zu

(61)

pt

HK KE b ˜ wt ( I t 1 ) ˜ nt ( I t 1 ) .

Wobei nt die Anzahl der persönlichen Nachkommen angibt. Da die Eltern alternativ auch in Realkapital investieren können, kann die biologische Verzinsung als Überschuss der Erträge aus Humankapital über die Erträge aus Realkapital definiert werden:

(62)

HK KE KE HK BRt { b ˜ wt ( I t 1 ) ˜ nt ( I t 1 )  Rt ˜ ( I t 1  I t 1 ) . KE

HK

Die Größe Rt ˜ ( I t 1  I t 1 ) stellt mithin die Opportunitätskosten der Humankapitalinvestition dar. Unter Rückgriff auf Gleichung (62) können die Bedingungen erster Ordnung für die optimale Höhe der Humankapitalinvestitionen berechnet werden:

(63)

b ˜ nt ˜

wwt HK wI t 1

Rt ;

(64)

b ˜ wt ˜

wnt KE wI t 1

Rt .

Demnach ist die optimale Höhe dann erreicht, wenn die Grenzerträge aus der Humankapitalinvestition dem Zinsfaktor entsprechen. (2) Öffentliches Umlageverfahren Um das Entscheidungskalkül in einem öffentlichen Umlageverfahren zu analysieren, ist zu berücksichtigen, dass die Erträge einer Humankapitalinvestition sozialisiert werden, da die Aufwendungen für Erziehung und Ausbildung in das Rentenversicherungsvermögen eingehen, aus dem sämtliche Renten finanziert werden.

164

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Die Rentner der Periode t seien mit i=1,2,...,m,...Nt-1 bezeichnet. Die Rente des m-ten Rentners lässt sich dann wie folgt berechnen: (65)

ptm

HK KE º ¦ wti ˜ nti  wtm ( I t -1m ) ˜ ntm ( I t -1m ) » ; für i z m . N t -1 « i 1 ¬ ¼» b

ª Nt-1

˜«

Als biologische Rente BRtm des m-ten Rentners erhält man: (66)

b BR

˜

tm N

t 1

ª N¦t 1 wti ˜ nti ¬i 1

 w

tm

(I

HK KE ) ˜ n (I ) t 1m tm t 1m

KE º  Rt ˜ ( I tHK  I ) 1m t 1m ; für ¼

i z m

.

Hieraus lassen sich wieder die Bedingungen für eine optimale Humankapitalinvestition ableiten: b

(67)

N t 1 b

(68)

N t 1

˜ ntm ˜

wwtm HK wI t 1m

Rt ;

˜ wtm ˜

wntm KE wI t 1m

Rt .

Aus diesen Bedingungen ist ersichtlich, dass der Beitragssatz im öffentlichen Umlagesystem nur zu einem Bruchteil in das Optimierungskalkül eingeht. Und für eine große Bevölkerungszahl verschwindet der Anreiz zur Investition in Humankapital, die in Hinsicht auf die Altersvorsorge getroffen wird, vollkommen. Mithin beinhaltet dieses System eine positive Externalität, die durch die Zugriffsmöglichkeit auf das Einkommen von Kindern anderer Personen entsteht. Die Externalität kann als Begründung dafür angesehen werden, weshalb die biologische Verzinsung negativ werden kann und das Rentenniveau bei konstantem Beitragssatz sinkt. Dies ist aufgrund der Exogenität der Bevölkerungsentwicklung im Grundmodell nicht erklärbar. Darüber hinaus lassen sich nun Aussagen über Umverteilungseffekte im öffentlichen Umlageverfahren treffen, welche von der praktizierten Politik abhängig sind:40 –

Politik des konstanten Beitragssatzes: Investiert eine Generation als Ganzes viel in Humankapital, dann steigen Rente und Rentenniveau gleichermaßen. Hierbei treten somit keine Umverteilungseffekte zwischen den Generationen auf. Wird dieses Wachstum gleichermaßen innerhalb einer

___________ 40

Vgl. Apolte (2002), S. 116 f.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

165

Generation getragen, so tritt auch hier keine Umverteilung auf. Entziehen sich jedoch Teile der Bevölkerung dem Generationenvertrag, indem sie keine Humankapitalinvestitionen vornehmen, so erfolgt eine Umverteilung von denjenigen, die Aufwendungen für Kindererziehung und Ausbildung getragen haben zu denen, die dies nicht haben (intragenerationale Umverteilung). –

Politik des konstanten Rentenniveaus: Hier treten zwei Arten von Umverteilungen auf: Auch wenn eine Generation insgesamt wenig in Humankapital investiert, kann das Rentenniveau annahmegemäß nicht sinken. Um den Budgetausgleich zu erreichen, wird der Beitragssatz angehoben und somit von den Erwerbstätigen hin zu den Rentnern umverteilt. Die Pro-KopfRente ist hingegen von der Investition in das Humankapital abhängig. Daraus resultiert, analog zur Politikannahme eines konstanten Beitragssatzes, eine intragenerationale Umverteilung von denjenigen, die Aufwendungen für Kindererziehung und Ausbildung getragen haben, zu denen, die diese Investitionen nicht vorgenommen haben.41 c) Renditen im Kapitaldeckungsverfahren

In einem kapitalgedeckten System bildet jedes Individuum Ersparnisse. Diese werden auf dem Kapitalmarkt angelegt und zum Marktzins verzinst. Im Alter wird der so gebildete Kapitalstock wieder aufgelöst.42 Aus Sicht des Rentenversicherers sind die Einnahmen und Ausgaben einer Periode weiterhin durch Gleichung (49) und (50) bestimmt. Dies führt zur Budgetbeschränkung des Rentenversicherers im Kapitaldeckungsverfahren: (69)

pt ˜ N t 1

(1  rt ) ˜ bt 1 ˜ wt 1 ˜ N t 1 .

Die Höhe der individuellen Rente erhält man durch Division durch N t1 . (70)

pt

(1  rt ) ˜ bt 1 ˜ wt 1 .

Damit besteht für jede Generation Beitragsäquivalenz, womit ein Kapitaldeckungsverfahren per definitionem auch teilhabeäquivalent ist, d. h. dass die Rente in proportionaler Beziehung zu den Beiträgen steht.43 Umverteilungen ___________ 41

Siehe Sinn/Werding (2000), S. 14. Im Unterschied zum Umlageverfahren erfolgt damit der Bilanzausgleich nicht pro Periode, sondern über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Vgl. Deutsche Bundesbank (1999), S. 16. 43 Damit erhält jemand, der doppelt so hohe Beiträge gezahlt hat, auch die doppelte Rente. Der Proportionalitätsfaktor entspricht dabei der internen Verzinsung des Umlageverfahrens, also bei konstantem Beitragssatz der Wachstumsrate der Lohnsumme. 42

166

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

innerhalb einer Generation (sogenannte intragenerationale Umverteilung) sind damit ausgeschlossen. Da im Kapitaldeckungsverfahren jede Generation „Selbstversorger“ ist, findet auch keine Umverteilung zwischen den Generationen (sogenannte intergenerationale Umverteilung) statt. aa) Politik des konstanten Beitragssatzes Aus Gleichung (70) unter Berücksichtigung von (53) lässt sich das Rentenniveau als (71)

Qt

1  rt 1  gw t

˜b

bestimmen. Das Rentenniveau entwickelt sich ceteris paribus gleichgerichtet mit dem Kapitalmarktzins und entgegengesetzt zum Lohnwachstum. Es hängt hingegen nicht, wie beim Umlageverfahren, vom Verhältnis der Stärke der Generationen zueinander ab. Jede Generation ist somit für das eigene Rentenniveau selbst verantwortlich. bb) Politik des konstanten Rentenniveaus Durch Gleichung (70) und (53) erhält man den im Kapitaldeckungsverfahren zum Bilanzausgleich notwendigen Beitragssatz:

(72)

bt

1  gw t 1  rt

˜Q .

Diese Politikart ist mit zwei Problemen verbunden: Zum einen ist zur Bestimmung des Beitragssatzes der aktuellen Periode gemäß Gleichung (72) eine Prognose des Lohnwachstums g w und des Zinses rt nötig. Prognosen über t große Zeitspannen stellen aber ein nicht unerhebliches Problem dar. Treten Erwartungsirrtümer auf, so muss der Beitragssatz entsprechend verändert werden. Zum anderen macht der Anstieg der Wachstumsrate der Löhne eine Beitragssatzerhöhung notwendig. Damit würde dieser Finanzierungsmodus Gefahr laufen, undurchführbar zu werden, wenn das Lohnwachstum dauerhaft über dem Zinssatz liegt.44

___________ 44

Vgl. Homburg (1988), S. 27.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

167

Die interne Verzinsung im Kapitaldeckungsverfahren entspricht definitionsgemäß der Kapitalmarktverzinsung rt : (73)

it

rt .

d) Ertragsraten von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren im Vergleich Die bisherige Analyse hat gezeigt, dass die interne Verzinsung im Umlageverfahren mit konstantem Beitragssatz durch die Wachstumsrate der realen Lohnsumme bestimmt wird, während die interne Verzinsung im Kapitaldeckungsverfahren dem Realzins entspricht. Damit ist das Kapitaldeckungsverfahren für den einzelnen Versicherten vorteilhaft, wenn der Realzins die Wachstumsrate der realen Lohnsumme übersteigt. Aufgrund wachstumstheoretischer Überlegungen kommt beispielsweise Horst Siebert zu dem Schluss, dass „die Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens über der Rendite des Umlageverfahrens liegen muß.“45

aa) Historische Ertragsraten Auch empirische Untersuchungen bieten Anhaltspunkte für eine höhere Ertragsrate des Kapitaldeckungsverfahrens. So ermittelt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für den Zeitraum von 1970 bis 1994 eine reale Kapitalrendite von 4,7 v. H., während die Zuwachsrate des realen Bruttoarbeitseinkommens lediglich 2,4 v. H. betrug (vgl. auch Abbildung E-1).46 Die durchschnittliche Steigerungsrate der realen Standardrente lag im gleichen Zeitraum sogar nur bei 1,9 v. H.47 Dies deutet auf eine gut zwei Prozentpunkte höhere Rendite im Kapitaldeckungsverfahren hin.48 Betrachtet man einzelne Perioden, so hat die Renditedivergenz zwischen den Finanzierungsverfahren im Zeitablauf sogar zugenommen. Für die Periode von 1970 bis 1979 belief sich der Unterschied auf einen Prozentpunkt, für die Periode von 1980 bis 1989 hingegen bereits auf drei Prozentpunkte und ist von 1990 bis 1994 nochmals gestiegen. Die Ertragsrate des Kapitaldeckungsverfahrens ist im untersuchten Zeitraum relativ konstant, während die Ertragsrate des Umlageverfahrens kontinuierlich abnimmt. Die Verzinsung im Kapitaldeckungsverfahren ist in allen ___________ 45

Siebert (1997), S. 11. Siehe zu den Zinszyklen im Zeitraum von 1960 bis 2001 auch Deutsche Bundesbank (2001), S. 33 ff. 47 Vgl. Siebert (1997), S. 11. 48 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), S. 237. Zulässig ist dieser Vergleich streng genommen nur bei konstantem Beitragssatz. 46

168

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

16

16

14

14

12

12

10

10

8

8

6

6

4

4

2

2

0

0

-2

-2

-4

Ertragsrate in v.H.

Ertragsrate in v.H.

Einzeljahren positiv, wohingegen sie im Umlageverfahren auch negative Werte angenommen hat (1975, 1981-1983 und 1993-1994).

-4 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 Jahr

Sachanlagenrendite Realzins (Wertpapierrendite deflationiert mit dem Erzeugerpreisindex gewerblicher Produkte) Realzins (Wertpapierrendite deflationiert mit dem Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte) Veränderungsrate der realen Bruttoarbeitseinkommen

Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), S. 238; eigene Darstellung.

Abbildung E-1: Sachanlagenrendite, Realzins und Reallohnentwicklung im Zeitraum von 1970 bis 1995

Einen weiteren Beleg für die höhere Verzinsung des Kapitaldeckungsverfahrens bietet eine Studie von Miles und Timmermann. Die Autoren führten für den Zeitraum zwischen 1970 und 1998 auf der Basis europäischer Aktienkurse eine Million Simulationen von 30 Jahres-Perioden durch. Im Durchschnitt wäre mit dem Kapitaldeckungsverfahren eine Rendite von 6,27 v. H. und mit dem Umlageverfahren von 2,46 v. H. zu erzielen gewesen.49 Letzteres wurde anhand des Wachstums des Bruttosozialprodukts gemessen.

___________ 49 Siehe zu Renditeberechnungen für die Gesetzliche Rentenversicherung ebenfalls Schnabel (1998); Börsch-Supan (2001b); Schnabel/Ottnad (2008).

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

169

bb) Volatilität Miles und Timmermann weisen in der zitierten Studie ebenfalls Kennzahlen zur Volatilität der Ertragsraten aus. Die Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens wäre mit einer Standardabweichung von 3,2 v. H. zu erzielen gewesen. Die deutlich geringere Rendite des Umlageverfahrens dagegen mit einer Standardabweichung von lediglich 0,26 v. H. Da die Vorsorge im Alter einen gewissen Grad an Sicherheit bedarf, ist für einen Vergleich nicht nur entscheidend, welche Durchschnittsrendite erzielt werden kann, sondern wie groß die Wahrscheinlichkeit einer geringen oder sogar negativen Rendite ist. Die Simulation zeigt, dass im Kapitaldeckungsverfahren eine Wahrscheinlichkeit von 9,33 v. H. für eine Rendite von unter zwei Prozent und eine Wahrscheinlichkeit von 2,82 v. H. für eine negative Rendite vorhanden gewesen war. Im Umlageverfahren hat die Wahrscheinlichkeit für eine Rendite von unter zwei Prozent bei 4,12 v. H. und für eine negative Rendite sogar bei null gelegen. Darüber hinaus konnten Miles und Timmermann mit ihrer Studie zwei populäre Irrtümer aufdecken: 1.

Zum einen wird argumentiert, dass Wertschwankungen langfristig nicht relevant seien, da sich diese im Laufe der Zeit ausglichen.50 Dies ist jedoch ein Trugschluss, da nicht nur die Wertschwankungen eine Rolle spielen, sondern auch die Größe des Portfolios.51 Da der Wert des Portfolios im Ansparzeitraum steigt, ergibt sich eine starke Sensitivität bezüglich der Kurse nahe der Ruhestandsphase. Zum anderen wird weiter argumentiert, dass dies durch eine entsprechende Strategie, bei der zunächst verstärkt in Aktien und dann vermehrt in Staatspapiere investiert wird, verhindert werden könnte.52 In der Simulation sank durch dieses Vorgehen die Standardabweichung auf 2,41 v. H. und der Durchschnittsertrag auf 4,99 v. H. Die Wahrscheinlichkeit für eine negative Verzinsung reduzierte sich jedoch nur von 2,82 auf 2,21 v. H. und die Wahrscheinlichkeit, eine Verzinsung von weniger als 2 v. H. zu erzielen, erhöhte sich von 9,33 v. H. auf 10,89 v. H. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die ausgewiesenen Renditen den Haushalten nicht direkt zur Verfügung stehen, sondern dass erst die Transaktionskosten und Provisionen der Finanzintermediäre abgezogen werden müssen.53

2.

___________ 50

In diesem Sinne vgl. Schnabel/Raffelhüschen/Miegel (1998). Siehe Miles/Timmermann (1999), S. 264. Siehe z. B. Schnabel/Raffelhüschen/Miegel (1998). 53 Vgl. Börsch-Supan (1998), S. 412. 51 52

170

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

cc) Bewertung Der bisherige Vergleich der Ertragsraten ist insoweit zu relativieren, dass in der umlagefinanzierten Rentenversicherung zusätzliche Risiken abgesichert werden. So muss ein Vergleich der Ertragsraten den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen und sich nicht nur auf die Ansparphase beziehen. Folglich ist auch die Entnahmephase zu berücksichtigen.54 Hier ist die Versicherung gegen das Risiko der Langlebigkeit von Bedeutung.55 Dieser Schutz kann über die Umwandlung der Ersparnisse in eine Leibrente gewährleistet werden, die mit entsprechenden Kosten verbunden ist.56 Eine Kapitallebensversicherung mit Leibrente brachte von 1980 bis 1995 durchschnittlich eine Rendite von 4,2 v. H.57 Aus den Studien ergibt sich damit trotz der verwendeten sehr unterschiedlichen Indikatoren ein recht einheitliches Bild mit einer realen Ertragsrate des Kapitaldeckungsverfahrens von gut 4 v. H. Eine Studie des HWWI (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut) kommt – unter Berücksichtigung der Finanzmarktkrise – zu dem Schluss, dass Sachwerte eine krisenresistente Anlageform seien.58 HWWI-Direktor Thomas Straubhaar erwartet beispielsweise eine langfristige reale Rendite von drei bis fünf Prozent für Aktien.59 Auch wenn über die konkreten Auswirkung der Finanzmarktkrise auf die (kurzfristige) Vorteilhaftigkeit von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren bisher keine gesicherten Aussagen möglich sind, so sei jedoch nachdrücklich davor gewarnt, die Finanzmarktkrise zu instrumentalisieren und als Pauschalargument gegen das Kapitaldeckungsverfahren zu verwenden.60 e) Zur Demographieresistenz des Kapitaldeckungsverfahrens Die Abhängigkeit der impliziten Rendite von demographischen Strukturveränderungen ist für das Umlageverfahren unmittelbar ersichtlich, da diese neben der Wachstumsrate des Lohnsatzes Bestandteile der Bestimmungsgleichungen (57) beziehungsweise (59) darstellen. Bei einem Bevölkerungsrückgang sinkt ___________ 54

Vgl. Breyer (2000), S. 389. Siehe Breyer (2004). Für eine ausführliche Diskussion der Risiken im Lebenszyklus siehe Börsch-Supan (2005). 56 Vgl. Eisen (2000), S. 167. 57 Vgl. Börsch-Supan (1998), S. 413; Schnabel/Raffelhüschen/Miegel (1998), S. 50. Hierbei wurde jedoch noch nicht berücksichtigt, dass die Gesetzliche Rentenversicherung auch das Invaliditätsrisiko und das Hinterbliebenenrisiko absichert. Auch die Absicherung dieser beiden biometrischen Risiken lässt sich durch einen Abschlag auf die Rendite erfassen. 58 Siehe Bräuninger/Stiller/Vöpel (2009). 59 Vgl. Mertgen (2009), S. 6. 60 Vgl. etwa Benz/Raffelhüschen/Vatter (2009). 55

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

171

unvermeidlich auch die implizite Rendite des Umlageverfahrens. Geht man von einer Politik des konstanten Rentenniveaus aus, so führt die sinkende Bevölkerungszahl zu einem Anstieg des zum Bilanzausgleich notwendigen Beitragssatzes. Die Beitragsbelastung steigt damit im Gegensatz zu einer konstanten Bevölkerungszahl an, während die implizite Rendite abnimmt. Beim Kapitaldeckungsverfahren wird für jede Generation eine Prämie erhoben, die bei konstantem Leistungsniveau gleich hoch festgesetzt werden kann. Bei der Berechnung der Prämie zur Deckung der zukünftigen generationenbezogenen Ausgaben kommt es nicht auf das Verhältnis der Stärke der Generationen zueinander an. Die entscheidende Rolle spielt in einem kapitalgedeckten System vielmehr der Zins.61 Um die Wirkung demographischer Strukturveränderungen auf die implizite Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens zu untersuchen, muss daher der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Realzins erklärt werden.62 In einer kleinen offenen Volkswirtschaft mit vollkommener Kapitalmobilität wird der inländische Zins durch das Angebot und die Nachfrage auf dem Weltkapitalmarkt bestimmt. Ein demographisch bedingter Rückgang der inländischen Kapitalnachfrage wird somit nicht zu einem Absinken des Zinssatzes führen, da der Rückgang durch die ausländische Kapitalnachfrage substituiert wird. Einerseits ist der Zinssatz damit unabhängig von der demographischen Bevölkerungsentwicklung im Inland, andererseits besteht eine Abhängigkeit vom Weltkapitalmarkt. Ob sich hierdurch eine Entlastung bezüglich der demographischen Entwicklung ergibt, hängt davon ab, inwieweit sich die Länder mit Einfluss auf den Weltkapitalmarkt hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung und der institutionellen Ausgestaltung ihrer Rentenversicherungssysteme unterscheiden. Nimmt man einen hohen Homogenitätsgrad hinsichtlich beider Faktoren an, so kann sich keine Entlastung einstellen, da die Wirkungen demographischer Strukturveränderungen der relevanten Länder auf den Weltmarktzins übertragen werden.63 Diese Argumentation kann prinzipiell auf eine große offene Volkswirtschaft mit Einfluss auf den Weltkapitalmarktzins übertragen werden. Je größer die relative Bedeutung des Landes für den Weltkapitalmarkt ist, umso geringer werden die zu erwartenden Entlastungen ausfallen und vice versa. In einer geschlossenen Volkswirtschaft ergibt sich über den Realzins indirekt eine Abhängigkeit von der Bevölkerungsentwicklung. Denn der Realzins ist von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Realkapital und somit von ___________ 61

Siehe Schmähl (1992), S. 44 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen insbesondere Apolte/Chomiuk (1995), S. 137 ff. 63 Da zwar die Weltbevölkerung insgesamt zunimmt, dieses Wachstum aber von relativ armen Ländern mit geringer Kapitalnachfrage getragen wird, kann nur wenig über den Einfluss des Weltbevölkerungswachstums auf die internationale Kapitalverzinsung ausgesagt werden. Vgl. Apolte/Chomiuk (1995), S. 139. 62

172

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

der Relation der Zahl der Rentner zur Zahl der Erwerbstätigen abhängig. Die Rentner haben während ihrer Erwerbstätigkeit Realkapital akkumuliert, welches sie nun nicht unmittelbar konsumieren können. Folglich müssen sie Käufer unter den jetzt Erwerbstätigen finden. Wollen die Erwerbstätigen nicht im gleichen Umfang Realkapital bilden, wie die jetzigen Rentner dies getan haben, so ist die Nachfrage nach Realkapital zu gering und damit sinken die Wertpapierkurse und folglich der Realzins. Dies hat bei schrumpfender Bevölkerung, solange sich die Präferenzen der Erwerbstätigen nicht in Richtung zu mehr Altersvorsorge ändern, zur Folge, dass das Rentenniveau gesenkt oder die Beitragssätze angehoben werden müssen. Damit ist die Einflussrichtung der demographischen Entwicklung bei beiden Finanzierungsverfahren gleich.64 Im Gegensatz zum Umlageverfahren lässt sich der Einfluss von demographischen Strukturveränderungen auf die Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens nicht unmittelbar erkennen. Aufgrund der angenommenen realwirtschaftlichen Äquivalenz von Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren gehen die Befürworter der Mackenroth-These davon aus, dass sich die Renditewirkungen demographischer Strukturveränderungen eins zu eins übertragen lassen. Bei diesem Argument wird jedoch übersehen, dass die Abschreibungen in einer geschlossenen Volkswirtschaft wenigstens einen Teil der demographisch ausgelösten Wirkungen auf die Rendite abfangen können.65 Zur Verdeutlichung sei angenommen, dass sich Beitragseinnahmen und Rentenausgaben entsprechen. Der Kapitalstock der Rentenversicherungsanstalt unterliegt somit in der Ausgangsperiode keinen Veränderungen. Kommt es in der Folge zu einem Bevölkerungsrückgang, so sinken ceteris paribus die Beitragseinnahmen. Diese reichen dann nicht mehr aus, um den vorhandenen Kapitalstock der Rentnergeneration vollständig zu übernehmen. Da der Kapitalstock aber nicht unmittelbar von den Rentnern konsumiert werden kann, muss eine Rückwandlung vorgenommen werden. Bevor jener Teil des Kapitalstocks, welcher nicht von der Erwerbstätigengeneration übernommen werden kann, auf dem Kapitalmarkt zu einem gesunkenen Preis verkauft werden muss, kann zuvor auf Ersatzinvestitionen verzichtet werden. Durch diese Maßnahme kann bis zur Höhe der Abschreibungen der Kapitalstock in Konsum umgewandelt werden. Erst ein hierüber hinausgehender Transferbedarf muss am Kapitalmarkt zum gesunkenen Preis beschafft werden. Die Wirkungen der demographischen Strukturveränderungen fallen somit bei weitem nicht so groß aus, wie von den Vertretern der Mackenroth-These angenommen wird.

___________ 64 Siehe z. B. Deutscher Bundestag (1994), S. 186; Deutsche Bundesbank (1999), S. 19 f. Für einen Überblick siehe ebenfalls Rürup/Liedtke (1998). 65 Vgl. Homburg (1988), S. 68.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

173

Wie sich zeigt, ist das Kapitaldeckungsverfahren zwar nicht vollständig demographieresistent, aber im Vergleich zum Umlageverfahren zumindest demographieresistenter. Diese Einschätzung wird von den Ergebnissen verschiedener empirischer Studien erhärtet. Würden beispielsweise alle OECD-Länder gleichzeitig ihre umlagefinanzierten Systeme auslaufen lassen, so würde die Rendite um einen halben bis einen Prozentpunkt sinken.66 Würde lediglich in Deutschland zum Kapitaldeckungsverfahren übergegangen, so würde der Effekt maximal einem Viertelprozentpunkt entsprechen.67 Berechnungen für eine geschlossene (deutsche) Volkswirtschaft ergeben, dass der Renditerückgang zwischen 0,5 und 0,7 Prozentpunkten liegt.68 3. Bedenken gegen das Kapitaldeckungsverfahren Der Schwerpunkt der bisherigen Analyse liegt im Vergleich der Ertragsraten zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren. Hierbei wurde modelltheoretisch und empirisch gezeigt, dass das Kapitaldeckungsverfahren eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt: Die erwartete Ertragsrate fällt im Kapitaldeckungsverfahren höher als im Umlageverfahren aus und ist weniger stark von der demographischen Entwicklung abhängig. Unter der Voraussetzung, dass Altersvorsorgesparen nicht substitutiv ist, ist das Sozialprodukt höher als im Umlageverfahren, wodurch demographische Strukturveränderungen leichter bewältigt werden können. Darüber hinaus führt das Kapitaldeckungsverfahren nicht zu Belastungsverschiebungen zwischen den Generationen. Der empirische Vergleich der Ertragsraten muss zwangsläufig auf bereits realisierten Daten beruhen. Zum Zeitpunkt der Analyse bestehen daher vollständige Informationen. Das Ergebnis des Vergleichs der Ertragsraten darf aufgrund unvollständiger Informationen jedoch nicht einfach in die Zukunft fortgeschrieben werden. Zu berücksichtigen sind daher insbesondere die spezifischen Risiken, welche mit dem Umlage- und dem Kapitaldeckungsverfahren verbunden sind. Ein risikoaverses Wirtschaftssubjekt wird sich nur dann für das Kapitaldeckungsverfahren entscheiden, wenn die hierbei erzielbare höhere Ertragsrate nicht mit einem unangemessen hohen Risiko erkauft werden muss. Bei den Risiken des Kapitaldeckungsverfahrens handelt es sich nach dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Wesentlichen um das Anlagerisiko, das Inflationsrisiko, das Länder- und ___________ 66

Vgl. Miles (1999), S. 28. Vgl. Birg/Börsch-Supan (1999), S. 218 ff. 68 Vgl. Börsch-Supan et al. (2003), S. 151. Siehe ebenfalls Börsch-Supan/Ludwig/Winter (2002); Börsch-Supan/Ludwig/Winter (2003); Börsch-Supan/Ludwig/Winter (2006); Ludwig (2008). 67

174

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Wechselkursrisiko, das politische Risiko und das Auftreten von wirtschaftlicher Macht.69 Darüber hinaus können Erwartungsirrtümer erhebliche Risiken für die Praktikabilität des Kapitaldeckungsverfahrens darstellen. a) Anlagerisiko Bedenken gegen das Kapitaldeckungsverfahren werden insbesondere aufgrund des Anlagerisikos geäußert. In einem kapitalgedeckten System werden die Beiträge im Gegensatz zum Umlageverfahren nicht direkt wieder ausgeschüttet, sondern angelegt. Dem Verwalter kommt die Aufgabe zu, eine geeignete Anlageform auszuwählen. Die verschiedenen Anlagemöglichkeiten unterscheiden sich hinsichtlich erwarteter Renditen und spezifischer Risiken. Umso größer die erwartete Rendite ist, desto höher fällt im Allgemeinen die Inkaufnahme der hiermit verbundenen Risiken aus. Im Einzelfall kann die Wahrscheinlichkeit einer realisierten negativen Rendite daher beträchtlich sein. Insgesamt kommt es jedoch weniger auf die Rendite einzelner Anlageoptionen an, sondern auf die Rendite eines diversifizierten Portfolios. Zwar werden die Versicherungsunternehmen in der Regel selbst ein Interesse an einer Risikostreuung haben und spezielle Risiken durch eine Absicherung der Finanzanlagen abdecken, dennoch ist ein System von Regeln erforderlich, dessen Einhaltung von einer Versicherungsaufsicht sichergestellt werden muss. So können einzelne Anlageformen ausgeschlossen oder deren Anteil am Gesamtportfolio begrenzt werden. Sollte ein einzelner Versicherer dennoch in finanzielle Schwierigkeiten geraten, so muss über eine zusätzliche Absicherung in Form eines Insolvenzfonds sichergestellt werden, dass dieser dann zugunsten des Versicherten eintritt.70 b) Inflationsrisiko Spezifische Risiken einzelner Anlagen können durch Diversifikation auf ein Minimum reduziert werden. Schwieriger stellt sich die Absicherung gegen das allgemeinere Risiko der Inflation dar, da es sich gleichermaßen auf alle Nominalwerte bezieht. Inflation stellt insbesondere dann ein Problem dar, wenn diese nicht antizipiert wurde. Wurde beispielsweise ein Teil der Anlagen in Form von festverzinslichen Wertpapieren investiert, so würde der Kurswert infolge einer nicht antizipierten Inflation fallen. In Deutschland beruhen diesbezügliche Bedenken auf den zwei großen Inflationen des letzten Jahrhunderts. Der Sachver___________ 69 Vgl. hierzu und zu den Ausführungen im Folgenden Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), S. 238 ff. 70 Vgl. Bahr/Kater (1998), S. 217.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

175

ständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schätzt die Bedingungen für Geldwertstabilität heutzutage als deutlich günstiger ein, „nicht zuletzt deshalb, weil man gelernt hat, daß Inflation keine Probleme löst, sondern nur Probleme schafft; weltweit ist die Geldwertvernunft größer geworden.“71

Versicherungsunternehmen können das Risiko einer nicht antizipierten Inflation begrenzen, indem sie beispielsweise ein Portfolio wählen, dessen reales Entwertungsrisiko relativ gering ist (Immobilien oder Aktien).72 c) Länder- und Wechselkursrisiko Gegen das Kapitaldeckungsverfahren werden weiterhin Bedenken geäußert, weil die Anlagemöglichkeiten des Inlands nicht hinreichend groß seien, um einen (vollständigen) Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren zu ermöglichen. Die Anlagen müssten daher notwendigerweise auch im Ausland erfolgen. Nun sei das Anlagespektrum im industriellen Ausland ebenfalls begrenzt, wenn auch in diesen Ländern zum Kapitaldeckungsverfahren übergegangen würde. Demzufolge müsste nach Anlagemöglichkeiten in Schwellenländern gesucht werden, die jedoch mit besonders hohen Risiken behaftet seien und zu denen dann noch ein generell erhöhtes Wechselkursrisiko treten würde. Zentraler Punkt bei dieser Argumentation ist, dass das Inland nicht in ausreichendem Maße über Anlagemöglichkeiten verfügt. Dagegen kann eingewandt werden, dass zum einen der inländische Kapitalstock mittlerweile doppelt so groß ist wie alle bestehenden Rentenansprüche zusammen, so dass problemlos im Inland investiert werden kann; und zum anderen würde ein Übergang nicht sofort, sondern über einen längeren Zeitraum stattfinden.73 Anlagen müssen daher nicht zwingend im Ausland getätigt werden. Sie können dennoch dort erfolgen, wenn die auftretenden Länder- und Wechselkursrisiken bei der Anlagestrategie angemessen berücksichtig werden. d) Konzentration wirtschaftlicher Macht Ein nicht unbedeutendes Problem des Kapitaldeckungsverfahrens wird in der Konzentration von Marktmacht gesehen. Diese könnte auf dem Kapitalmarkt dann entstehen, wenn die Verwaltung des Kapitalstocks zentral im Rahmen der Sozialversicherung erfolgen würde. ___________ 71

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), S. 239. 72 Vgl. Breyer (1995), S. 28. 73 Siehe ebenfalls Siebert (1998), S. 26.

176

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Deshalb ist diese Form der spezifischen Ausgestaltung des Kapitaldeckungsverfahrens auch äußerst kritisch zu beurteilen. Vielmehr sollte eine wettbewerbliche Organisation unter staatlicher Aufsicht (Kartellbehörde) angestrebt werden, wodurch dem Marktmachtproblem hinreichend vorgebeugt würde.74 e) Politisches Risiko Ein anderer Einwand gegen das Kapitaldeckungsverfahren ist, dass die Politik der Versuchung unterliegen könnte, den angesammelten Kapitalstock aufzulösen, um so die eigene Beliebtheit bei bestimmten Wählergruppen zu steigern.75 Die Stichhaltigkeit dieses Arguments hängt wesentlich von der Ausgestaltung der Kapitaldeckung ab. Läge die Verfügungsgewalt vollständig in der öffentlichen Hand, so wäre dies durchaus nicht unbedenklich. Deshalb sollte ein Kapitaldeckungsverfahren staatsfern im Wettbewerb organisiert und das angesammelte Kapital als individuelles Eigentum geschützt sein. Hierdurch würde ein starker Schutz vor Missbrauch des Kapitalstocks seitens des politischen Entscheidungsträgers gewährleistet. Dabei ist darauf zu achten, dass die privaten Versicherungsunternehmen nicht gezwungen werden Staatsanleihen zu kaufen, denn andernfalls könnte die Politik auf diese Weise an die gebildeten Kapitalien gelangen.76 f) Auftreten von Erwartungsirrtümern Ein Charakteristikum des Kapitaldeckungsverfahrens besteht in der Beitragsäquivalenz, also in der Übereinstimmung der Barwerte der Beitragseinnahmen und Rentenausgaben. Die Kalkulation der Prämie setzt Informationen über die zukünftig zu erwartenden Ausgaben voraus, die maßgeblich von der zu erwartenden Rentenbezugsdauer und damit von der Lebenserwartung abhängen. Da die Festlegung der Prämie ex ante erfolgt, können Erwartungsirrtümer mit der Folge auftreten, dass die Prämie zu niedrig oder zu hoch angesetzt wird. Das hierbei auftretende Ausmaß des Risikos ist von der verbleibenden Erwerbszeit abhängig. Während Irrtümer nahe dem Eintritt ins Rentensystem durch eine geringe Prämienanpassung korrigiert werden können, ist dies nahe dem Renteneintritt unter Umständen nur noch mit einem exorbitant hohen Prä___________ 74

Siehe hierzu auch Henke/Borchardt (2003), S. 7. Diese Möglichkeit ist auch in der umlagefinanzierten Rentenversicherung gegeben, weil sie ex ante keine fest definierten Leistungen garantiert, sondern diese erst im politischen Prozess festgelegt werden. Siehe etwa Berthold/Külp (1987), S. 110; BörschSupan (1998), S. 412 f.; Börsch-Supan (2001a), S. 215. 76 Vgl. Bahr/Kater (1998), S. 217. 75

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

177

mienaufschlag möglich. Nach dem Eintritt in die Rentenphase ist eine Korrektur sogar nur noch über Anpassungen auf der Leistungsseite möglich. Zur Begrenzung der Folgen von Erwartungsirrtümern ist daher eine vorsichtige Prämienkalkulation im Kapitaldeckungsverfahren unerlässlich. Ein weiteres Problem taucht dann auf, wenn Sachleistungen anstelle von Geldleistungen gewährt werden, wie dies beispielsweise in der GKV oder der GPV der Fall ist. So kommen etwa für die Pflegeversicherung Erwartungen bezüglich des Anteils der Pflegebedürftigen in den einzelnen Pflegestufen und über die relativen Preise für Pflegeleistungen hinzu.77 In der Krankenversicherung stellt hingegen die Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts eine schwer kalkulierbare Größe dar. g) Zusammenfassung Das Kapitaldeckungsverfahren ist grundsätzlich mit Risiken behaftet, die durch die Anlage der Beitragseinnahmen entstehen und die auch nicht vollständig beseitigt werden können. Dennoch können diese Risiken verringert werden, indem eine entsprechende Anlagestrategie zur Diversifikation des Portfolios durch das private Versicherungsunternehmen verfolgt wird. Eine wichtige Rolle kommt dem Staat bei der Gestaltung einer effizienten Wettbewerbsordnung zu. Eine staatsferne Organisation des Kapitaldeckungsverfahrens bildet zudem einen substantiellen Schutz gegen Begehrlichkeiten der Politik am gesammelten Kapitalstock der Versicherten. 4. Zur Effizienz des Umlageverfahrens a) Analyse der reinen Verfahren Im Modell überlappender Generationen wird in der Rentnerphase kein Einkommen mehr erwirtschaftet. Um die in dieser Phase auftretenden Konsumwünsche dennoch befriedigen zu können, müssen daher bereits in der Erwerbsphase Ersparnisse gebildet werden. Die Individuen maximieren daher ihren Nutzen gemäß der Nutzenfunktion (74)

Ut

U ( ct , zt 1 ) .

Hierbei bezeichnet ct den Konsum während der Erwerbsphase und zt1 den Konsum in der Rentnerphase. Um die optimale Konsumentscheidung über den ___________ 77

Vgl. Breyer (1995), S. 29.

178

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

gesamten Lebenszyklus bestimmen zu können, sind die folgenden Restriktionen zu beachten: ct  st

(75) (76)

zt 1

wt ˜ (1  b) ,

(1  rt 1 ) ˜ st  pt 1 .

Hierbei bezeichnet ct

den Konsum während der Erwerbsphase t,

st wt

die Ersparnis in Periode t,

zt1

den Konsum während der Rentnerphase t+1,

rt1 pt1

den Zinssatz in Periode t+1 und

das Arbeitseinkommen in Periode t,

das Renteneinkommen in Periode t+1.

Existiert ein obligatorisches Alterssicherungssystem, so werden vom Rentenversicherer Beiträge in Höhe von wt ˜ b erhoben. Der Rest des verfügbaren Einkommens kann frei zwischen Konsum ct und Ersparnis st aufgeteilt werden. Im Ruhestand steht damit neben den Ersparnissen und den Zinsen rt 1 ˜ st auch die Rente pt1 , welche erst durch das Finanzierungsverfahren genau bestimmbar wird, für Konsumzwecke zur Verfügung. Im Folgenden wird untersucht, welches Finanzierungsverfahren intergenerational Pareto-effizient ist. Dabei heißt ein Finanzierungsverfahren A intergenerational Pareto-besser als ein Finanzierungsverfahren B, wenn jedes Individuum einer jeden Generation durch A mindestens den gleichen Nutzen hat wie in B und mindestens ein Individuum einen größeren Nutzen hat als in B.78 Ein Finanzierungsverfahren heißt intergenerational Pareto-effizient, wenn es kein Verfahren gibt, das intergenerational Pareto-besser ist. Zur Vereinfachung der nachstehenden Analyse wird zunächst gezeigt, dass es für die Effizienzanalyse hinreichend ist, das Lebenseinkommen anstatt den Nutzen zu vergleichen. Löst man die beiden Gleichungen (75) und (76) nach der Ersparnis auf und setzt sie gleich, so erhält man die intertemporale Budgetbeschränkung eines Individuums: ct 

(77)

zt 1 Rt 1

wt 

pt 1 Rt 1

 b ˜ wt .

___________ 78

Vgl. Fenge (1997), S. 16 f.; Breyer (1990), S. 19.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

179

Veränderungen des Lebenseinkommens treten danach immer auf, wenn 't :

(78)

pt 1 / Rt 1  b ˜ wt ,

von null verschieden ist. Dieser Term sei als Nettozahlung des Rentensystems bezeichnet.79 Definitionsgemäß weisen Systeme mit Beitragsäquivalenz eine Nettozahlung von null auf. Ist die Nettozahlung hingegen positiv, dann findet ein positiver Transfer vom Rentensystem zum Individuum statt. Das Lebenseinkommen steigt, und im Zuge der Nutzenmaximierung wird das Individuum das zusätzliche Einkommen dazu verwenden, seinen Konsum in beiden Perioden zu steigern. Damit steigt auch sein Nutzen.80 Die folgende Analyse kann sich daher bei gegebenen Preisen darauf beschränken, die Nettozahlungen von Rentensystemen zu vergleichen, um Aussagen über die Effizienz zu treffen. Für die Nettozahlung in einem kapitalgedeckten System ergibt sich aus den Gleichungen (78) und (70) aufgrund der Beitragsäquivalenz eine Nettozahlung des Rentensystems von: 't

(79)

pt 1 Rt 1

wt ˜ b ˜ Rt 1

 b ˜ wt

Rt 1

 b ˜ wt

0.

Das Lebenseinkommen eines Individuums wird somit durch das Kapitaldeckungsverfahren nicht verändert. Für ein umlagefinanziertes System ergibt sich aus den Gleichungen (78) mit (57) und (55) 't

(80)

ª M t 1 ˜ Gt 1 « ¬ Rt 1

º

 1» ˜ b ˜ wt

¼

¬ª At 1  1¼º ˜ b ˜ wt .

Als Erstes sei der Vergleich für einen unendlichen Zeitraum durchgeführt. Dabei wird angenommen, dass das Umlageverfahren zu einem Zeitpunkt t=0 eingeführt und niemals abgeschafft wird. Für die Gründergeneration gilt grundsätzlich, dass sie von der Einführung eines Umlageverfahrens profitiert, da sie keine Beiträge an die Rentenversicherungsanstalt abgeführt hat, aber von dieser Leistungen erhält. Damit fällt der Term  b ˜ wt in Gleichung (80) weg und es gilt: '0

(81)

A1 ˜ b ˜ w0 ! 0 .

Für die Anfangsgeneration erhöht sich mithin das Lebenseinkommen aufgrund der positiven Nettozahlung beziehungsweise Subvention. Dies gilt selbst

___________ 79 80

Vgl. Fenge (1997), S. 30. Siehe hierzu Breyer (1990), S. 20 f.

180

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

dann, wenn die interne Verzinsung im Umlageverfahren kleiner ist als die Kapitalmarktverzinsung. Für alle folgenden Generationen t t 1 gilt: 't

(82)

ª¬ At 1  1º¼ ˜ b ˜ wt

t 0,

wenn die Aaron-Bedingung ( At 1 t 1 ) erfüllt ist. Das bedeutet: „… that social insurance can increase the welfare of each person if the sum of the 81 rates of growth of population and real wages exceeds the rate of interest.“

Ist die Bedingung für jeden Zeitpunkt erfüllt, stellen sich die Individuen im Umlageverfahren besser als im Kapitaldeckungsverfahren. Ist die Bedingung jedoch für wenigstens einen Zeitpunkt nicht erfüllt, die Nettozahlung also negativ, stellt sich mindestens eine Generation im Vergleich zum Kapitaldeckungsverfahren schlechter. Wie ändert sich das Ergebnis, wenn das Umlageverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt T abgeschafft wird oder zusammenbricht? Für den Vergleich der Finanzierungsverfahren bei endlichem Zeitraum kommt es dann auf den Nutzen der letzten Generation an. Diese Generation hat keinen Anspruch mehr auf eine Altersrente, obwohl sie Beiträge an den Rentenversicherer abgeführt hat. Damit erleidet sie durch den Bruch des Generationenvertrags einen Nettoverlust in Höhe von 'T

(83)

 b ˜ wT  0 ,

wodurch sich ihr Nutzen verringert. Zusammenfassend erhält man damit das Ergebnis einer Arbeit von Klaus Spremann aus dem Jahre 1984:82 1.

Bei endlichem Zeithorizont sind sowohl das Kapitaldeckungsverfahren als auch das Umlageverfahren Pareto-effizient. Die Einführung eines Umlageverfahrens erhöht das Lebenseinkommen der ersten Generation. Sie erhält ein Renteneinkommen ohne Beiträge gezahlt zu haben. Da das Lebenseinkommen bei Einführung eines Kapitaldeckungsverfahrens unverändert bleibt, ist das Umlageverfahren effizient. Der umgekehrte Fall tritt bei der Abschaffung oder dem Zusammenbruch des Umlageverfahrens ein. Die letzte Generation im Umlageverfahren hat Beiträge gezahlt ohne eine Gegenleistung erhalten zu haben. Das Lebenseinkommen dieser Generation ist damit geringer als im Kapitaldeckungsverfahren. Hieraus ergibt sich die Effizienz des Kapitaldeckungsverfahrens.

___________ 81 Aaron (1966), S. 372; diesen Zusammenhang bezeichnet Aaron als „the social insurance paradox“. 82 Vgl. Spremann (1984).

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

2.

3.

181

Bei unendlichem Zeithorizont ist das Umlageverfahren Pareto-effizient, wenn die Aaron-Bedingung für jeden Zeitpunkt erfüllt ist. Die Unmöglichkeit der Abschaffung oder des Zusammenbruchs des Umlageverfahrens schließt die Schlechterstellung einer letzten Generation aus. Die AaronBedingung gewährleistet hingegen, dass das Lebenseinkommen aller Generationen gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren ansteigt. Zusammengenommen folgt hieraus die Effizienz des Umlageverfahrens. Bei unendlichem Zeithorizont sind sowohl das Kapitaldeckungsverfahren als auch das Umlageverfahren Pareto-effizient, falls die Aaron-Bedingung für einen Zeitpunkt nicht erfüllt ist. Wiederum schließt die Unmöglichkeit der Abschaffung oder des Zusammenbruchs des Umlageverfahrens eine Schlechterstellung einer letzten Generation aus. Da die Aaron-Bedingung für wenigstens eine Generation nicht erfüllt ist, verringert sich deren Lebenseinkommen gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren. Da sich das Lebenseinkommen der Einführungsgeneration im Umlageverfahren erhöht, folgt daraus die Effizienz sowohl für das Kapitaldeckungs- als auch für das Umlageverfahren. b) Analyse bei Berücksichtigung temporärer Mischsysteme

Soll ein bestehendes Rentensystem vom Umlage- auf das Kapitaldeckungsverfahren umgestellt werden, so ergibt sich grundsätzlich das Problem der Doppelbelastung. Denn zum Zeitpunkt der Umstellung finanzieren die dann Erwerbstätigen ihre Renten durch den Aufbau eines Kapitalstocks sowie die Renten der nicht mehr Erwerbstätigen. Die Rentenansprüche der Nichterwerbstätigen müssen schon deshalb respektiert werden, da diese keine Möglichkeit mehr haben, einen hinreichend großen Kapitalstock zu bilden. Sollte ein Übergangsmechanismus existieren, bei dem die Doppelbelastung vermieden werden kann, so könnte die Transformation eines umlagefinanzierten Alterssicherungssystems in ein kapitalgedecktes System im politischen Prozess leicht durchgesetzt werden. Der Effizienzvergleich der reinen Finanzierungsverfahren im vorangegangenen Abschnitt ergab, dass die Ein- bzw. Fortführung eines Umlageverfahrens mit konstantem Beitragssatz auch dann nicht vom Kapitaldeckungsverfahren Pareto-dominiert wird, wenn der Zinssatz größer ist als die Wachstumsrate der Lohnsumme. Denn die letzte Beitragszahlergeneration im Umlageverfahren stellt sich beim Wechsel zum Kapitaldeckungsverfahren, durch den Verlust der Rentenanwartschaft, schlechter. Effizienz setzt jedoch weiter voraus, dass das Umlageverfahren auch nicht von einem Mischsystem dominiert wird. Hierbei greift der Staat während der Übergangsphase zum Kapitaldeckungsverfahren mit kreditfinanzierten Transferzahlungen ein.

182

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

In dem 1981 im Canadian Journal of Economics erschienenen Aufsatz „Public choice and the social insurance paradox: a note“ formuliert Peter Townley ein Konzept zur Vermeidung einer Doppelbelastung beim Übergang von Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren, welches eine theoretische Diskussion um die Effizienz des Umlageverfahrens nach sich zog. Der Grundgedanke lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:83 Ab einem bestimmten Zeitpunkt finanzieren die neu ins Erwerbsleben eintretenden Generationen ihre Renten durch ein Kapitaldeckungsverfahren. Die bestehenden Rentenanwartschaften der letzten Beitragszahlergeneration im Umlageverfahren werden über die Aufnahme eines Kredits durch den Staat bedient. Der Nutzen der letzten Beitragszahlergeneration unterliegt keinen Veränderungen, da die Generation aufgrund der durch den Kredit finanzierten Kompensationszahlungen genauso gut gestellt wird, als wäre das Umlageverfahren nicht abgeschafft worden. Da alle folgenden Generationen aufgrund der höheren Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens besser gestellt werden, als es im Umlageverfahren der Fall gewesen wäre, kann diesen Generationen eine Steuer auferlegt werden. Die Höhe wird hierbei so bemessen, dass sich die Versicherten nicht schlechter stellen als beim Verbleib im Umlageverfahren. Gelingt es nun, die aufgenommene Staatsschuld in endlicher Zeit zu tilgen, so ist dieses Verfahren gegenüber dem Umlageverfahren Pareto-superior, da jede Generation nach dem Übergang von der höheren Rendite des kapitalgedeckten Systems profitiert. aa) Modelle mit exogenem Arbeitsangebot Für Modelle mit exogenem Arbeitsangebot ist in den 1980er Jahren zum ersten Mal überprüft worden, ob ein effizienter Übergang vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren möglich ist. Das Ergebnis dieser Untersuchungen spielt auch in der gegenwärtigen Diskussion einer Stärkung der Kapitalbildung eine entscheidende Rolle, weshalb die Ergebnisse im Folgenden kurz zusammengefasst werden. Für den Fall einer kleinen offenen Volkswirtschaft zeigt Friedrich Breyer im Jahr 1989, dass kein Pareto-verbessernder Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren nach dem von Townley vorgeschlagenen Mechanismus möglich ist. Dies liegt an dem Umstand, dass mit einem höheren Zinssatz zum einen zwar die Vorteilhaftigkeit des Kapitaldeckungsverfahrens steigt, zum anderen aber auch die Zinsen auf die Staatsschuld wachsen. Diese beiden Effekte heben sich gegenseitig auf, so dass die Pro-Kopf-Staatsschuld konstant bleibt.84 Somit ist das ___________ 83 84

Vgl. Townley (1981), S. 715 f. Vgl. Breyer (1989), S. 645 ff.; Fenge (1997), S. 44 f.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

183

Umlageverfahren bei exogenem Arbeitsangebot in einer kleinen offenen Volkswirtschaft effizient. Diese Überlegungen beruhen auf der Idee, eine Staatsschuld im Ausland aufzunehmen und damit die Ansprüche der letzten Beitragszahlergeneration zu finanzieren. In einer geschlossenen Volkswirtschaft kann die Aufnahme einer Staatsschuld jedoch nur bei den Erwerbstätigen im Inland erfolgen.85 Die Aktiven müssen, da sie keinen Rentenanspruch mehr aus dem Umlagesystem besitzen, privat Vorsorge für ihr Alter treffen. Da keine Beiträge mehr zur Umlage anfallen, sind sie dazu auch in der Lage. Aus diesem Grund wird die Ersparnis der Erwerbstätigen steigen und damit auch die Kapitalbildung. Allerdings sinkt durch die verstärkte Ersparnis der Konsum während der Erwerbszeit unter das gewünschte Niveau. Um die Aktiven für diesen Nutzenverlust zu entschädigen, muss erneut eine Staatsschuld bei der nachfolgenden Generation aufgenommen werden. Auch hier wird die intertemporale Konsumentscheidung verzerrt, so dass auch diese Generation Kompensationszahlungen erhalten muss usw. Die Möglichkeit eines Pareto-verbessernden Übergangs hängt somit von der Existenz einer Folge von Kompensationszahlungen ab, die nach endlich vielen Perioden auf null fällt. Breyer zeigt nun, dass die Folge von Kompensationszahlungen nach unten beschränkt und ihre Schranke größer als null ist.86 Damit ist auch in einer geschlossenen Volkswirtschaft kein Pareto-verbessernder Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren möglich. Das Umlageverfahren ist also in diesem Fall Pareto-effizient. Dies liegt daran, dass in diesem Modell zwei gegensätzlich wirkende Effekte auftreten. Einerseits verdrängt das Umlageverfahren Ersparnis, und von daher ist der Kapitalstock kleiner als ohne Umlageverfahren. Durch den Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren wird nun mehr gespart. Damit sind Kapitalstock und Sozialprodukt höher als bei der Umlage, wodurch die Konsummöglichkeiten steigen. Andererseits wird die intertemporale Konsumentscheidung entschieden gestört, wobei die Nutzeneinbuße nicht durch den möglichen Mehrkonsum ausgeglichen werden kann.87 bb) Modelle mit endogenem Arbeitsangebot Bei der bisherigen Analyse wurde die Betrachtung des Arbeitsmarktes ausgeblendet, indem ein vollkommen preisunelastisches Arbeitsangebot unterstellt wurde. Es wurde gezeigt, dass innerhalb dieser Modelle kein verbessernder Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren möglich ist. Die hierzu notwendige Bedingung, dass der Zinssatz die Wachstumsrate der Lohnsumme übersteigen ___________ 85

Siehe für die folgenden Ausführungen Fenge (1997), S. 77. Vgl. Breyer (1989), S. 652. 87 Vgl. Breyer (1990), S. 87. 86

184

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

muss, impliziert jedoch eine Verzerrung der Arbeitsangebotsentscheidung, da der implizite Steuersatz größer als null ist.88 Zum einen kann eine Substitution von Arbeitszeit durch Freizeit die Folge sein, zum anderen aber auch eine „Flucht“ in die Scheinselbständigkeit.89 Die Zusatzlast, welche durch diese Verzerrung entsteht, schätzen Stefan Homburg und Wolfram Richter für Deutschland Anfang der 1990er Jahre auf etwa 18 Milliarden Euro.90 Eine Beseitigung dieser Arbeitsmarktineffizienz könnte deshalb den Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren ermöglichen, ohne dass dabei eine Generation schlechter gestellt wird als im Umlageverfahren. Deshalb wird im Folgenden das Arbeitsangebot in die Analyse einbezogen. Zunächst werden Systeme untersucht, in denen die Beiträge proportional zur Höhe des Arbeitsaufkommens erhoben werden, aber eine beitragsunabhängige Rente ausbezahlt wird. Hier ist die Verzerrung des Arbeitsangebots und damit die Zusatzlast maximal, was die Möglichkeit eines Übergangs begünstigt. (1) Systeme mit Pauschalrente Wenn vom Staat eine Pauschalrente gewährt wird und die Beiträge proportional zur Höhe des Arbeitseinkommens erhoben werden, so bewirkt dies eine maximale Verzerrung der Arbeitsangebotsentscheidung. Von Homburg wird im Rahmen einer kleinen offenen Volkswirtschaft die Möglichkeit eines Übergangs zum Kapitaldeckungsverfahren untersucht, wobei drei Szenarien möglich sind:91 1.

2.

Szenario ohne Tilgung der Staatsschuld: Um die letzte Beitragszahlergeneration für ihren Verlust der Rente zu entschädigen, muss eine Staatsschuld aufgenommen werden. Alle folgenden Generationen müssen die Zinsen der (expliziten) Staatsschuld in Form einer Einkommensteuer tragen. Dadurch bleibt die Staatsschuld im Zeitablauf konstant. Da die erhobene Einkommensteuer jedoch geringer als der zuvor erhobene Beitrag ist, sinkt die Zusatzlast. Szenario gemäß Townley 1981: Es wird wiederum eine Staatsschuld aufgenommen, um die letzte Beitragszahlergeneration für ihren Verlust der Rente zu kompensieren. Alle nachfolgenden Generationen erhalten keine Rente, müssen aber Beiträge zahlen, um Staatsschuld und Zinsen zu tilgen. Die Beitragshöhe wird wieder so bemessen, dass alle Generationen so gut

___________ 88 Vgl. Homburg/Richter (1989), S. 186. Für den Geburtsjahrgang 1945 beträgt der implizite Steuersatz etwa 10 v. H. und für den Jahrgang 2000 schon 20 v. H. Siehe hierzu Fenge/Werding (2003), S. 10 ff. 89 Siehe Neumann (1998), S. 261. 90 Vgl. Homburg/Richter (1989), S. 187. 91 Vgl. Fenge (1997), S. 118 ff.

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

185

gestellt sind wie beim Umlageverfahren. Die Beiträge sind dabei niedriger als im Umlageverfahren, da der Rentenanspruch weggefallen ist. Allerdings sind sie höher als beim ersten Szenario, da die Staatsschuld nicht konstant gelassen, sondern getilgt wird. Und weiter sind sie höher als im Modell mit exogenem Arbeitsangebot, da der Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren einen Teil des impliziten Steuersatzes reduziert und damit die Zusatzlast verringert. Somit konnte Homburg zeigen, dass ein Übergang in endlicher Zeit abgeschlossen werden kann.92 Alle Generationen nach der Tilgung der Staatsschuld sind damit besser gestellt, da ihnen die höhere Rendite des Kapitaldeckungsverfahrens zugute kommt. 3. Kombination der Szenarien 1 und 2: Grundsätzlich ist es möglich, die ersten beiden Szenarien des Übergangs zu kombinieren. Die Umstellung erfolgt analog dem obigen Vorgehen. Im Unterschied dazu wird der Beitragssatz aber so festgesetzt, dass dieser zwischen den Beitragssätzen von Szenario 1 und 2 liegt. Damit sind wie im ersten Fall alle Generationen – außer der letzten Beitragszahlergeneration, deren Nutzen sich nicht ändert – besser gestellt. Zusätzlich wurde aber, wie im zweiten Szenario, die Staatsschuld getilgt. Damit besteht nach Homburg grundsätzlich die Möglichkeit eines Paretoverbessernden Übergangs zum Kapitaldeckungsverfahren. Die hierbei zugrunde gelegten Annahmen blieben in der Literatur jedoch nicht ohne Kritik: Erstens beruht das Ergebnis auf der Annahme, dass alle Wirtschaftssubjekte homogen sind.93 Wird diese Annahme aufgehoben, so zeigt sich, dass der Übergang zum kapitalgedeckten System mit intragenerationalen Umverteilungseffekten verbunden ist. Unterscheiden sich die Wirtschaftssubjekte bezüglich ihrer Arbeitsproduktivität und damit ihres Lohnsatzes, so impliziert die Pauschalrente eine intragenerationale Umverteilung von den produktiveren zu den weniger produktiven Personen. Die Umwandlung der impliziten Staatsschuld in eine explizite ist mit einem Wegfall der Pauschalrente verbunden. Ob der Nutzengewinn der weniger Produktiven, der durch die Reduktion der Zusatzlast entsteht, größer ist als der Verlust der Transferzahlung, hängt von der Differenz der Lohnsätze und der Elastizität des Arbeitsangebots ab. Je geringer die Differenz der Lohnsätze ist, desto eher ist der Nutzengewinn größer als der Transferverlust, denn in diesem Fall ist der Verlust durch den Wegfall der Transfers relativ gering. Ein verbessernder Übergang ist auch möglich, wenn das Arbeitsangebot sehr elastisch ist, denn dann fällt, aufgrund der Beseitigung der Arbeitsmarktineffizienz, der Nutzengewinn relativ hoch aus. ___________ 92 93

Vgl. Homburg (1990). Vgl. Brunner (1994). Siehe ebenfalls Brunner (1996).

186

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Zweitens basiert das Ergebnis auf einer inkonsistenten Modellwelt.94 Denn beim Umlageverfahren werden den Individuen Präferenzen zugunsten einer Umverteilung unterstellt, beim Kapitaldeckungsverfahren jedoch das Gegenteil. Wäre zu Beginn keine Umverteilung erwünscht gewesen, so wären Kopfsteuern das adäquate Mittel gewesen. Da diese aber keine Ineffizienzen am Arbeitsmarkt begründen, können diese auch nicht für einen Übergang genutzt werden. Und man gelangt wieder zum Ergebnis von Breyer aus dem Jahr 1989 für eine Modellwelt mit exogenem Arbeitsangebot: Das Umlageverfahren ist effizient, und ein Pareto-verbessernder Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren demzufolge nicht möglich.95 (2) Systeme mit Teilhabeäquivalenz Für das Modell der kleinen offenen Volkswirtschaft untersucht Robert Fenge im Jahr 1995, ob es bei Teilhabeäquivalenz, also der Proportionalität von Leistungen und Beiträgen, einen Pareto-verbessernden Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren geben kann.96 Ist der Kapitalmarktzins höher als die interne Verzinsung des Umlageverfahrens, dann existiert auch bei Teilhabeäquivalenz eine Verzerrung der Arbeitsangebotsentscheidung. Die implizite Lohnsteuer auf das Lebenseinkommen entspricht in diesem Fall den entgangenen Zinsen auf die Beiträge, die durch die Teilnahme am Umlageverfahren entstehen. Werden die Beiträge zur Umlage von einer Staatsschuld abgelöst, dann fallen dafür in der Folgeperiode Zinsen an. Diese müssen getilgt werden, um ein Anwachsen der Pro-Kopf-Staatsschuld zu verhindern. Da die dem Staat zur Verfügung stehenden Beiträge zur Tilgung der Zinsen jedoch nicht ausreichen, muss die Differenz als Steuer erhoben werden. Verfügt der Staat nicht über das Instrument der Pauschalsteuer, so muss eine verzerrende Steuer auf das Lebenseinkommen erhoben werden. Fenge zeigt nun, dass beide Steuersätze übereinstimmen und die Verzerrung der Arbeitsangebotsentscheidung nicht reduziert werden kann. Auch ein Umlageverfahren mit Teilhabeäquivalenz ist demnach Pareto-effizient.

___________ 94

Vgl. Wagner (2000), S. 139. Siehe auch Sinn (2000). Diese theoretischen Überlegungen werden von zahlreichen empirischen Berechnungen gestützt. Siehe zum Beispiel Börsch-Supan 1998. Zur Idee über den Einsatz von Staatsverschuldung zur intertemporalen Glättung der Steuersätze einen Pareto-verbessernden Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren zu finden siehe Hirte/Weber (1997). 96 Vgl. Fenge (1995). 95

I. Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

187

5. Zusammenfassung Die vorangegangenen Ausführungen haben Folgendes gezeigt: Im Kapitaldeckungsverfahren –

ist die zu erwartende Ertragsrate und die hierbei auftretende Volatilität höher als im Umlageverfahren;



ist das Sozialprodukt höher als im Umlageverfahren, wenn das Altersvorsorgesparen nicht substitutiv ist;



können demographische Strukturveränderungen leichter bewältigt werden, da der Einfluss der demographischen Entwicklung auf den Zins durch die Abschreibungen und den internationalen Zinszusammenhang gedämpft wird;



unterscheiden sich die spezifischen Risiken grundsätzlich von denen des Umlageverfahrens; risikoaverse Wirtschaftssubjekte würden eher eine Kombination aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren wählen;97



können die durch das Umlageverfahren verursachten intergenerativen Belastungsunterschiede eingeebnet werden.

Somit lässt sich die Frage, ob das Kapitaldeckungsverfahren vergleichsweise vorteilhaft ist, eindeutig mit ja beantworten. Es wurde allerdings auch gezeigt, dass ein Pareto-verbessernder Übergang vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren nicht möglich ist. Damit kann ein Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren zumindest nicht mit Effizienzgewinnen im Sinne von Pareto begründet werden, was die politische Durchsetzbarkeit einer derartigen Reform deutlich vereinfacht hätte.98 Hierüber hinausgehende Gründe für einen Übergang könnten in der Unmöglichkeit einer Fortsetzung des Umlageverfahrens oder in einer gerechteren Lastenverteilung gesehen werden.99 Hier wird üblicherweise argumentiert, dass die intergenerative Lastenverteilung durch das Kapitaldeckungsverfahren geglättet werden kann. Es wurde dargelegt, dass auch im Sinne der intragenerativen Lastenverteilung einiges für das Kapitaldeckungsverfahren spricht, da das Umlageverfahren die Belastungen ungleich auf diejenigen verteilt, die Aufwendungen für Kindererziehung und Ausbildung getragen haben und denen, die diese Investitionen nicht vorgenommen haben.100

___________ 97

In diesem Sinne auch Althammer (2000), S. 129 f.; Ulrich (2006), S. 204. Siehe Breyer/Spremann (1990) für eine Betrachtung des Übergangsproblems unter Gerechtigkeitsaspekten. 99 Vgl. Breyer (2000), S. 398. 100 Siehe hierzu auch Weikard (2004). 98

188

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens in der Gesetzlichen Krankenversicherung Kapitaldeckungsverfahren existieren in mannigfaltigen Organisationsformen, welche grundsätzlich auch einem Krankenversicherungssystem wie der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehen. Die Wahl einer bestimmten Organisationsform hat ihrerseits Auswirkungen auf die Höhe der dabei auftretenden intergenerativen Transferleistungen und damit Konsequenzen für die intergenerative Gerechtigkeit. Im Folgenden werden zwei spezifische Varianten betrachtet und deren Auswirkungen auf die intergenerative Verteilung analysiert. Beide Organisationsformen unterscheiden sich insbesondere durch die Beantwortung der nachstehenden Fragen. 1.

Soll die Kapitaldeckung innerhalb oder außerhalb des Krankenversicherungssystems erfolgen? 2. Wird eine kollektive oder individuelle Kapitaldeckung angestrebt? Beide Fragestellungen sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Im Kapitaldeckungsverfahren im System der Privaten Krankenversicherung (PKV) werden beispielsweise kohortenspezifische Alterungsrückstellungen bei jeder Krankenversicherung gebildet.101 Die Solidarische Alterungsreserve (SAR) ist dagegen ein Konzept für ein kohortenübergreifendes Kapitaldeckungsverfahren innerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).102 Gesundheitssparkonten sind beispielhaft für individuelle Kapitaldeckungsverfahren außerhalb des Krankenversicherungssystems.103 1. Kollektives Kapitaldeckungsverfahren Im Folgenden wird ein kollektives Kapitaldeckungsverfahren analysiert, welches konzeptionell dem der Solidarischen Alterungsreserve entspricht. Es handelt sich hierbei um ein kohortenübergreifendes kollektives Kapitaldeckungsverfahren, welches innerhalb des Krankenversicherungssystems organisiert ist. Das Kapitaldeckungsverfahren ist für die versicherten Personen obligatorisch. ___________ 101

Siehe Terhorst (2000). Das Konzept der Solidarischen Alterungsreserve geht auf Dieter Cassel zurück. Siehe zum Beispiel Cassel (2003b), S. 249 f. 103 Siehe Eiff/Massaro/Ziegenbein (2002); Schreyögg (2003); Schreyögg/Busse (2004), Bornemann/Daumann (2005); Schreyögg (2005). Darüber hinaus wird beispielsweise auch das zweckgebundene Ansparen von Selbstbeteiligungen als Ergänzung zur Krankenversicherung diskutiert. Siehe hierzu Klein (2004) und Pütz (2004). 102

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

189

Das Konzept der Solidarischen Alterungsreserve ist in Analogie zur Bildung von Alterungsrückstellungen nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren in der PKV zu sehen.104 Die privaten Krankenversicherungen führen einen Teil der Prämieneinnahmen ihrer jüngeren Versicherten einer zu verzinsenden Alterungsrückstellung zu, aus der Deckungsbeiträge zugesetzt werden, sobald die mit dem Alter zunehmenden Pro-Kopf-Ausgaben die altersabhängig nicht steigenden Prämien dieser Versicherten überschreiten.105 Somit müssen die privaten Krankenversicherungen im Prinzip keine altersbedingten Prämienerhöhungen vornehmen. Konkret handelt es sich hierbei um ein Konzept zur ergänzenden Kapitaldeckung in Form einer Demographiereserve, die mit dem gewachsenen System der GKV kompatibel ist, also nicht gegen das GKV-konstitutive Solidarprinzip verstößt und daher keinen Systemwechsel erfordert. Die Zuführungen erfolgen einkommensproportional durch kasseneinheitliche Aufschläge auf die jeweils herrschenden Beitragssätze. Der Aufbau des Kapitalstocks erfolgt damit alleine durch die GKV-Versicherten, und die begleitende Einführung von steuerfinanzierten Sozialtransfers ist somit nicht erforderlich. Da kein Systemwechsel vorgesehen ist, entfällt prinzipiell auch das Übergangsproblem. Zudem wird durch dieses Konzept der wettbewerblich erwünschte Kassenwechsel – und damit die materielle Kassenwahlfreiheit – nicht beeinträchtigt. Denn es entsteht kein individueller Anspruch auf den Kapitalstock, und auch eine Nichtmitgabe von Kapitalstockanteilen beim Kassenwechsel hätte keinerlei negative wirtschaftliche Folgen für das wechselnde GKV-Mitglied. Auch auf der Seite der Krankenkassen kommt es nicht zu Verzerrungen, da durch die kasseneinheitlichen Aufschläge beziehungsweise Entlastungen die Beitragssatzdifferenzen zwischen den Kassen erhalten bleiben. 106 a) Funktionsweise Ziel dieser Organisationsform ist die Glättung des Beitrags zum Krankenversicherungssystem über einen – grundsätzlich genau spezifizierten – Zeitraum hinweg. Der Systembeitrag (Beitragssatz) in einer festgelegten Basisperiode wird über den zur Deckung der Ausgaben nötigen Umlagebeitrag angehoben und der hieraus resultierende Überschuss zum Aufbau eines Kapitalstocks verwendet. Der zusätzlich zum Umlagebeitrag erhobene Aufschlag ist von der Länge des festgelegten Zeitraums und vom erwünschten Beitragspfad abhängig. Dem Kapitalstock werden dabei solange Zuschüsse zugeführt, bis der ___________ 104

Siehe Terhorst (2000), S. 67 ff. Vgl. Cassel (2003b), S. 250; Cassel/Postler (2003), S. 444. 106 Vgl. Cassel/Oberdieck (2002), S. 21. 105

190

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Systembeitrag mit dem Umlagebeitrag übereinstimmt, sich also der Beitragspfad des reinen Umlageverfahrens und des Systembeitragspfades schneiden. Danach wird der Umlagebeitrag zu einem Anteil aus dem Systembeitrag und zum anderen aus dem Kapitalstock finanziert. Durch die Verzinsung erfolgt zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Abnahme des Kapitalstocks. Erst wenn die Entnahme aus dem Kapitalstock in einer Periode den Zinsen derselbigen Periode entspricht, sinkt auch der Kapitalstock. Im festgelegten Endzeitpunkt ist der Kapitalstock vollständig aufgelöst. Diese Organisationsform der Kapitaldeckung ist zur Lösung von Übergangsproblemen geeignet, da sie konzeptionell auf die Glättung von Belastungen angelegt ist, welche in einem grundsätzlich fest umschriebenen Zeitraum auftreten. Da der demographische Wandel als ein solches Übergangsproblem angesehen werden kann, bietet diese Form der Organisation eine Möglichkeit zur Belastungsglättung von demographischen Beitragssteigerungen. Zusätzlich kann auch für solche Beitragssteigerungen, welche aus der Kombination des demographischen Wandels und dem medizinisch-technischen Fortschritt entstehen, eine Belastungsglättung erreicht werden, da auch diese als ein zeitlich befristetes Problem verstanden werden können. Bei zeitlich unbefristeten Herausforderungen, wie dem medizinisch-technischen Fortschritt an sich, ist diese Konstruktion hingegen nicht geeignet, da der gebildete Kapitalstock zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst ist und der Systembeitrag auf das dann herrschende Beitragsniveau im Umlageverfahren angehoben werden muss. Auch ein festgelegter Anstieg des Beitragspfades kann das Auftreten dieses Problems nicht gänzlich verhindern, da auch in diesem Fall der Kapitalstock zu einem bestimmten – wenngleich späteren – Zeitpunkt aufgebraucht ist. Eine theoretische Möglichkeit, dieses Problem teilweise zu entschärfen, könnte darin gesehen werden, den Kapitalstock auf einer bestimmten Höhe einzufrieren und nur die Zinserträge zur Glättung des Beitragspfades zu verwenden.107 Damit sind im Folgenden zwei Ausgestaltungsmöglichkeiten des kollektiven Kapitaldeckungsverfahrens auf ihre intertemporalen beziehungsweise intergenerativen Verteilungswirkungen zu untersuchen. Das kollektive Kapitaldeckungsverfahren mit endlichem Zeithorizont und das kollektive Kapitaldeckungsverfahren mit unendlichem Zeithorizont. b) Intertemporale und intergenerative Verteilungswirkungen Bei einem kollektiven Kapitaldeckungsverfahren mit endlichem Zeithorizont, wird der Kapitalstock von einer Einführungsgeneration gebildet, welche in Abhängigkeit vom gewählten Endzeitpunkt nicht zwingend in den Genuss ___________ 107

Für einen diesbezüglichen Vorschlag siehe Heigl (2003).

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

191

von Erträgen aus dem Kapitalstock kommen muss. Später in das Krankenversicherungssystem eintretende Generationen, welche sich nur anteilig oder gar nicht am Aufbau des Kapitalstocks beteilig haben, können dagegen in den Genuss der Erträge kommen. Die Beitragspfade verschiedener Generationen können daher durch ein kollektives Kapitaldeckungsverfahren modifiziert werden. Die mit der Modifikation der Beitragspfade einhergehenden Be- und Entlastungen werden hierbei barwertmäßig verändert. Ob eine Generation barwertmäßig be- oder entlastet wird, hängt maßgeblich von dem Zeitpunkt der Zuführungen aus dem Kapitalstock ab, also von dem Zeitpunkt, an dem die eigentliche Stabilisierung des Beitrags anfängt: –

Generationen, welche zu einem Zeitpunkt vor der Stabilisierungsphase in das Krankenversicherungssystem eintreten und den überwiegenden Teil ihrer Versichertenzeit in dieser Phase verbringen, gehören zu den Zahlergenerationen.



Generationen, welche in der Stabilisierungsphase ins Krankenversicherungssystem eintreten, gehören zu den Empfängergenerationen.



Generationen, welche nach der Auflösung des Kapitalstocks ins Krankenversicherungssystem eintreten und den dann herrschenden hohen Beitrag leisten müssen, sind weder Empfänger noch Zahler intergenerativer Transferleistungen.

Bei einem kollektiven Kapitaldeckungsverfahren mit unendlichem Zeithorizont wird die Einführungsgeneration durch den Aufbau des (permanenten) Kapitalstocks belastet. Alle zukünftigen Generationen, welche während der Stabilisierungsphase in das Krankenversicherungssystem eintreten, kommen in den Genuss der Beitragsglättung, ohne selbst einen Beitrag hierzu geleistet zu haben. Daher werden alle zukünftigen Generationen entlastet. Grundsätzlich bietet sich somit in einem Krankenversicherungssystem mit kollektivem Kapitaldeckungsverfahren die Möglichkeit die intergenerative Verteilung zu beeinflussen und nachfolgende Generationen zu entlasten. In Abhängigkeit vom gewählten Zeithorizont sind jedoch unterschiedliche intergenerative Verteilungswirkungen zu erwarten. Bei endlichem Zeithorizont (Bildung eines temporären Kapitalstocks) erfolgt eine Ungleichbehandlung künftiger Generationen, bei einem unendlichen Zeithorizont (Bildung eines permanenten Kapitalstocks) dagegen grundsätzlich eine Gleichbehandlung der künftigen Generationen. Im System mit endlichem Zeithorizont erfolgt die Ungleichbehandlung zwischen den Generationen, welche während der Stabilisierungsphase und nach dieser ins Krankenversicherungssystem eingetreten sind. Im ersten Fall werden die Generationen entlastet, im zweiten Fall dagegen nicht. Im System mit unendlichem Zeithorizont werden dagegen alle künftigen Generationen um die Zinserträge des Kapitalstocks entlastet.

192

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

c) Simulation Zur Illustration eines kohortenübergreifenden Kapitaldeckungsverfahrens wird im Folgenden eine Simulation auf Basis des Status-quo-Modells mit einem angenommenen medizinisch-technischen Fortschritt von 1 v. H. durchgeführt. Hierbei wird ein Pauschalprämienmodell unterstellt, dessen korrespondierender Beitragspfad in Abbildung E-2 dargestellt ist. Im Basisjahr 2006 betrage der Umlagebeitrag 150 Euro, welcher bis zum Jahr 2050 auf 302 Euro ansteigen soll. Da der demographische Übergang zu diesem Zeitpunkt als abgeschlossen betrachtet wird, wächst der Umlagebeitrag in den Folgejahren nur noch mit der angenommenen Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts an. Der Beitragspfad verläuft damit ab dem Jahr 2050 flacher, als dies bis zum Jahr 2050 der Fall ist, da sich demographische Entwicklung und medizinisch-technischer Fortschritt nicht mehr gegenseitig verstärken. Der Zeitraum zwischen 2006 und 2050 stellt somit die Phase des Übergangs dar, deren Belastung durch ein kohortenübergreifendes kollektives Kapitaldeckungsverfahren mit endlichem Zeithorizont geglättet werden soll. Hierzu wird ein Systembeitrag von 205 Euro festgelegt, welcher bei einer unterstellten realen Verzinsung von 2,5 v. H. bis zum Jahr 2050 konstant gehalten werden kann.108 Im Jahr 2006 fließen 150 Euro des Systembeitrags ins umlagefinanzierte Krankenversicherungssystem, und 55 Euro werden zum Aufbau des Kapitalstocks verwendet. In den Folgejahren fließt ein immer höherer Anteil des Systembeitrags in das umlagefinanzierte Krankenversicherungssystem. Der Anteil zum Aufbau des Kapitalstocks wird entsprechend geringer. Im Jahr 2025 fließen 100 v. H. des Systembeitrags ins Krankenversicherungssystem. Ab diesem Zeitpunkt reicht der Systembeitrag nicht mehr zur Deckung des Umlagebeitrags aus. Die Differenz zwischen Systembeitrag und Umlagebeitrag, welche zur Ausgabendeckung erforderlich ist, wird aus dem Kapitalstock finanziert. Bis zum Jahr 2030 reichen die Zinserträge aus, um die Deckung sicherzustellen, ohne dass der Kapitalstock abgebaut wird. Danach sinkt der Kapitalstock bis zum Jahr 2050 auf null ab. Das kollektive Kapitaldeckungsverfahren ist abgeschlossen, und eine Beitragsstabilisierung findet ab diesem Zeitpunkt nicht mehr statt.

___________ 108 In Abschnitt E.I.2.d) wurde gezeigt, dass die im Kapitaldeckungsverfahren erzielbare reale Ertragsrate über 4 v. H. betrug. Die hier unterstellte reale Verzinsung von 2,5 v. H. kann daher als untere Grenze betrachtet werden. Gleichwohl ist Preisniveaustabilität notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Kapitaldeckungsverfahrens. Tritt unerwartet Inflation auf, so sinkt die reale Verzinsung unterhalb des erwarteten Niveaus. Der Systembeitrag müsste angehoben werden, da sich ansonsten die Phase der Beitragsstabilisierung verkürzen würde.

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

193 70

300 €

60

250 €

50

200 €

40

150 €

30

100 €

20

50 €

10

Milliarden €

350 €

0

0€ 2006 10

14

18

22

26

30

34

38

42

46

50

54

58

62

66

70

74

Jahr Umlagebeitrag (L)

Systembeitrag (L)

Kapitalstock (R)

Anmerkung: Bei der Berechnung wurde eine reale Verzinsung von 2,5 v. H. unterstellt. Quelle: Eigene Berechnung.

Abbildung E-2: Beitragsentwicklung in einem kohortenübergreifenden kollektiven Kapitaldeckungsverfahren innerhalb des Krankenversicherungssystems nach dem Status-quo-Modell

Hiernach steigt der Systembeitrag allerdings sprunghaft von 205 Euro auf 302 Euro an, weil die anfallenden Gesundheitsausgaben wiederum vollständig aus den Umlagebeiträgen finanziert werden müssen (vgl. Abbildung E-2). Der für dieses Übergangsproblem gebildete Kapitalstock erreicht eine maximale Höhe von 58,3 Milliarden Euro. Die Begründung für diese relativ moderate Höhe des Kapitalstocks ist darin zu sehen, dass eine Beitragsglättung und nicht etwa eine Beitragssatzglättung erfolgen soll. Letzteres würde annahmegemäß nur zusätzlich Rückstellungen für demographisch bedingte Ausfälle bei den Beitragseinnahmen erfordern, welche in einem Pauschalprämiensystem nicht anfallen können. Denn hier zahlen Rentner den gleichen Beitrag wie Erwerbstätige. Eine Beitragssatzglättung aufgrund eines kohortenübergreifenden Kapitaldeckungsverfahrens erfordert daher den Aufbau eines erheblich höheren Kapitalstocks, als dies in einem Pauschalprämiensystem erforderlich wäre.109

___________ 109 Siehe beispielsweise die auf Postler (2003) basierenden Berechnungen von Cassel (2003b).

194

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Im Bezug auf die intergenerative Verteilung zeigt sich, dass alle Personen, welche sich zum Zeitpunkt der Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens bereits im Krankenversicherungssystem befinden oder diesem beitreten, jedoch vor dem Jahr 2030 versterben, zu den Zahlergenerationen gehören. Sie bauen den Kapitalstock auf, ohne in den Genuss der Erträge zu kommen. Personen, welche dem Krankenversicherungssystem zwischen dem Jahr 2030 und dem Jahr 2050 beitreten, gehören zu den Empfängergenerationen, da diese in der Phase der Beitragsstabilisierung ins System eintreten, ohne den Kapitalstock mit aufgebaut zu haben. Personen, die dem Krankenversicherungssystem erst nach dem Jahr 2050 beitreten, erfahren durch das kohortenübergreifende kollektive Kapitaldeckungsverfahren weder Be- noch Entlastungen. d) Vor- und Nachteile Zu den Vorzügen des kohortenübergreifenden kollektiven Kapitaldeckungsverfahrens gehört die Möglichkeit, intergenerative Transfers zu beeinflussen. Damit können zukünftige Generationen entlastet werden. Durch die spezifische Form der Kapitaldeckung wird der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen nicht verzerrt, da die Versicherten keinen individuellen Anspruch auf den Kapitalstock haben. Durch dieses System wird das gewachsene Krankenversicherungssystem nicht berührt. Diese Konzeption ist zur Lösung eines Übergangsproblems geeignet, wie es durch den demographischen Wandel in Kombination mit dem medizinisch-technischen Fortschritt verursacht wird. Die Veränderung intergenerativer Transfers bringt jedoch auch Probleme mit sich. So haben die zusätzlichen Beiträge für jene Generationen Steuercharakter, welche die intergenerativen Transfers erbringen müssen. Umgekehrt ergibt sich hieraus ein Subventionscharakter, für jene Generationen, welche die intergenerativen Transfers erhalten.110 Zudem entstehen intergenerative Gerechtigkeitsprobleme, da zukünftige Generationen unterschiedlich behandelt werden. Die genaue Abgrenzung des Übergangsproblems ist in der Realität schwierig und bringt die Gefahr von Willkür mit sich. Dies gilt sowohl bezüglich der zeitlichen als auch der quantitativen Abgrenzung. So kann weder genau bestimmt werden, wann das Problem beginnt noch wann es endet. Zudem müssen die genaue Höhe der notwendigen Kapitaldeckung festgelegt werden und die genauen temporären Wirkungen feststehen. Hierbei können zum Beispiel der demographische Finanzierungseffekt und der demographische Ausgabeneffekt alleine oder in Kombination mit dem medizinisch-technischen Fortschritt dienen. Ins___________ 110 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 396 f., Tz. 509.

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

195

besondere die Quantifizierung des medizinisch-technischen Fortschritts ist dabei schwierig. Die sprunghafte Beitragsanhebung nach dem Ende des temporären Kapitaldeckungsverfahrens kann ebenfalls als Nachteil der solidarischen Alterungsreserve angesehen werden. Hierzu sind Vorschläge unterbreitet worden, um dieses Problem quantitativ abzumildern:111 –

Die Beitragssatzdynamik kann durch Leistungskürzungen, die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven oder die Begrenzung der beitragsfreien Mitversicherung von Familienangehörigen gedämpft werden.112 Hierdurch verlängert sich die zeitliche Reichweite des Kapitalstocks.



Statt eines im Zeitablauf konstanten Beitragssatzes wäre es ebenfalls möglich, den erhobenen Beitragssatz von Jahr zu Jahr steigen zu lassen, seine Steigerungsrate jedoch deutlich unterhalb der Rate des ausgabendeckenden Beitragssatzes zu halten.



In den Simulationsrechnungen zur SAR ist eine relativ niedrige Verzinsung des Kapitalstocks unterstellt worden, welche unter der dauerhaft erzielbaren Verzinsung von Deckungsstöcken in der privaten Assekuranz liegt. Auch hierdurch wird die zeitliche Reichweite des Kapitalstocks deutlich verlängert.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem könnte dann entstehen, wenn die SAR als Einheitsfonds ausgestaltet würde. Zum einen erhielte der Staat hierüber maßgeblichen Einfluss auf die Allokation auf dem Kapitalmarkt und zum anderen bestünde die Gefahr einer Zweckentfremdung, die sich nicht vollständig ausschließen ließe. Die finanzielle Reserve könnte die Politik dazu verleiten, mit der Leistungsgewährung zu großzügig zu sein und die Verschuldungsspielräume anderer Fiski zu öffnen.113 2. Individuelles Kapitaldeckungsverfahren Nachstehend wird ein individuelles Kapitaldeckungsverfahren betrachtet, welches außerhalb des Krankenversicherungssystems organisiert ist. Für die versicherten Personen soll die Teilnahme am Kapitaldeckungsverfahren wie im SAR-Modell obligatorisch sein. ___________ 111

Vgl. Cassel (2003b), S. 254 f. Siehe beispielsweise die Vorschläge von Klose/Schellschmidt (2001); Jacobs/ Schellschmidt (2002); Wille (2002); Cassel (2003b). 113 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 395, Tz. 506. 112

196

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

a) Funktionsweise Der Systembeitrag in der Basisperiode wird auch beim individuellen Kapitaldeckungsverfahren über den zur Deckung der Ausgaben dieser Periode nötigen Umlagebeitrag angehoben. Der hieraus resultierende Überschuss wird jedoch zum Aufbau von individuellen Alterungsrückstellungen verwendet. Das Ausmaß der Anhebung ist hierbei neben der realen Verzinsung von der Restlebenszeit des Individuums abhängig und wird so bemessen, dass die erwarteten Ausgaben den Beiträgen entsprechen. Technisch betrachtet ist die Funktionsweise mit dem kollektiven Kapitaldeckungsverfahren identisch. Dem Kapitalstock werden solange Zuschüsse zugeführt, bis der Umlagebeitrag mit dem Systembeitrag übereinstimmt. Danach wird der Umlagebeitrag zu einem Anteil aus dem Systembeitrag und zum anderen aus dem Kapitalstock finanziert. Zum erwarteten Todeszeitpunkt ist der Kapitalstock vollständig aufgebraucht. Der Endzeitpunkt des individuellen Kapitalstocks ist somit im Gegensatz zum Endzeitpunkt des kollektiven Kapitalstocks klarer definierbar. Aus individueller Perspektive endet das Kapitaldeckungsverfahren, nicht jedoch aus Sicht des Krankenversicherungssystems an sich. b) Intertemporale und intergenerative Verteilungswirkungen Beim individuellen Kapitaldeckungsverfahren baut jedes Individuum einen Kapitalstock aus eigenen Beiträgen auf, welcher über den Lebenszyklus des Individuums wieder abgeschmolzen wird. Eine intergenerative Umverteilung findet nicht statt. Somit kann hierüber auch keine Entlastung künftiger Generationen erreicht werden. Demgegenüber kommt es über den Lebenszyklus betrachtet auch zu keiner zusätzlichen Belastung. Dies gilt unabhängig davon, ob einkommensabhängige oder pauschale Beiträge erhoben werden. In einem System mit Pauschalprämien treten dennoch intertemporale Transferströme auf, welche jedoch nicht über das Kapitaldeckungsverfahren, sondern über das Steuertransfersystem ausgelöst werden. Ein Steuertransfersystem ist nötig, um einkommensschwachen Personen den Zugang zur Krankenversicherung zu gewährleisten. Wird eine bestimmte Belastungsgrenze überschritten, so wird eine Transferzahlung ausgelöst. Steigen die Beiträge schneller als die Einkommen, so steigt das zukünftige Transfervolumen an. Wird die Pauschalprämie durch ein individuelles Kapitaldeckungsverfahren geglättet, so wird der Kapitalstock einkommensschwacher Personen aus Steuermitteln finanziert. Das zukünftige Transfervolumen wird somit reduziert. Damit beeinflusst ein Pauschalprämiensystem mit individueller Kapitaldeckung die intertemporale Steuerlastverteilung. 114 ___________ 114

Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 395, Tz. 507.

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

197

c) Simulation Zur Illustration eines individuellen Kapitaldeckungsverfahrens wird im Folgenden ebenfalls eine Simulation auf Basis des Status-quo-Modells mit einem angenommenen medizinisch-technischen Fortschritt von 1 v. H. durchgeführt. Die Beitragspfade für männliche und weibliche Versicherte sind aufgrund des unterstellten Pauschalprämiensystems identisch (vgl. Abbildung E-3 und E-4). Beim individuellen Kapitaldeckungsverfahren unterscheiden sich die Systembeiträge nach der Restlebenserwartung sowie nach dem Geschlecht der versicherten Person. Exemplarisch werden daher für ausgewählte Kohorten, getrennt nach männlichen und weiblichen Versicherten, die Verläufe des individuellen Kapitaldeckungsverfahrens bei angenommener realer Verzinsung von 2,5 v. H. berechnet. Je älter eine Generation bei Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens ist, desto geringer fallen die erforderlichen Systembeiträge aus und damit auch die maximale Höhe des erforderlichen Kapitalstocks (vgl. Tabelle E-1). Das Modell wurde so konzipiert, dass die (System-)Beiträge über den Lebenszyklus den erwarteten Ausgaben entsprechen.115 Entwicklung für männliche Versicherte im Einzelnen: –

Für eine im Jahr 2006 20-Jährige männliche Person betrage der Systembeitrag im Basisjahr 220 Euro, welcher um 70 Euro über dem dann gültigen Umlagebeitrag von 150 Euro liegen soll. Im Jahr 2064 ergebe sich ein Umlagebeitrag von 316 Euro. Der Stabilisierungseffekt im letzten Lebensjahr beliefe sich damit auf 96 Euro. Für die Stabilisierung wäre ein maximaler Kapitalstock von 16.712 Euro erforderlich, dessen Höhe im Jahr 2037 erreicht würde. Bereits ab dem Jahr 2027 erfolgten Zusätze aus dem Kapitalstock, da der festgelegte Systembeitrag nicht mehr zur Deckung des dann herrschenden Umlagebeitrags ausreichte.



Der Beitrag für einen im Basisjahr 40-Jährigen Versicherten müsste im Basisjahr von 150 Euro auf 200 Euro angehoben werden, um die gewünschte Beitragsglättung zu erzielen. Im letzten Lebensjahr 2044 fiele ein Umlagebeitrag von 280 Euro an. Hiervon könnten 200 Euro aus dem Systembeitrag und 80 Euro aus dem Kapitalstock finanziert werden. Im Jahr 2028 wäre mit 7.568 Euro die maximale Höhe des Kapitalstocks erreicht. Die Notwendigkeit zur anteiligen Finanzierung über den Kapitalstock ergäbe sich ab dem Jahr 2023.

___________ 115

Die Vorgehensweise entspricht damit im Prinzip der Prämienkalkulation der PKV. Der gravierende Unterschied zwischen beiden Verfahren besteht in der hier vorgesehenen institutionellen Trennung zwischen dem Umlagebeitrag und den Alterungsrückstellungen.

198

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

400 €

20.000 €

350 €

17.500 €

300 €

15.000 €

250 €

12.500 €

200 €

10.000 €

150 €

7.500 €

100 €

5.000 €

50 €

2.500 €

0€

0€ 2006 10

14

18

22

26

30

34

38

42

46

50

54

58

62

66

70

74

Jahr Umlagebeitrag (L) Systembeitrag 40 (L)

Systembeitrag 60 (L) Kapitalstock 60 (R)

Systembeitrag 20 (L) Kapitalstock 20 (R)

Kapitalstock 40 (R)

Anmerkung: Bei der Berechnung wurde eine reale Verzinsung von 2,5 v. H. unterstellt. Quelle: Eigene Berechnung.

Abbildung E-3: Beitrags- und Kapitalstockentwicklung für männliche Versicherte ausgewählter Kohorten in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zu ihrem Lebensende nach dem Status-quo-Modell



Der Systembeitrag für einen im Basisjahr 60-Jährigen Versicherten sei auf 178 Euro festgesetzt, welcher den dann gültigen Umlagebeitrag von 150 Euro um 28 Euro überstiege. Der Umlagebeitrag im erwarteten letzten Lebensjahr 2027 beliefe sich auf 214 Euro, welcher zu 178 Euro aus dem Systembeitrag und zu 36 Euro aus dem Kapitalstock finanziert werden müsste. Die maximale Höhe hätte der Kapitalstock im Jahr 2017 erreicht, welche sich auf 2.184 Euro beliefe. Entnahmen aus dem Kapitalstock würden ab dem Jahr 2016 erfolgen. Entwicklung für weibliche Versicherte im Einzelnen: Eine im Basisjahr 20-Jährige müsste für die gewünschte Beitragsglättung einen Systembeitrag von 224 Euro entrichten, der damit um 74 Euro über dem im Jahr 2006 gültigen Umlagebeitrag von 150 Euro läge. Im Jahr 2069 betrüge der Umlagebeitrag 321 Euro, welcher zu 97 Euro aus dem Kapitalstock finanziert werden könnte. Die maximale Kapitalstockhöhe von 18.779 Euro würde im Jahr 2039 erreicht. Schon ab dem Jahr 2030 wären Entnahmen aus dem Kapitalstock erforderlich.

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

199

400 €

20.000 €

350 €

17.500 €

300 €

15.000 €

250 €

12.500 €

200 €

10.000 €

150 €

7.500 €

100 €

5.000 €

50 €

2.500 €

0€

0€ 2006 10

14

18

22

26

30

34

38

42

46

50

54

58

62

66

70

74

Jahr Umlagebeitrag (L) Systembeitrag 40 (L) Kapitalstock 40 (R)

Systembeitrag 60 (L) Kapitalstock 60 (R)

Systembeitrag 20 (L) Kapitalstock 20 (R)

Anmerkung: Bei der Berechnung wurde eine reale Verzinsung von 2,5 v. H. unterstellt. Quelle: Eigene Berechnung.

Abbildung E-4: Beitrags- und Kapitalstockentwicklung für weibliche Versicherte ausgewählter Kohorten in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zu ihrem Lebensende nach dem Status-quo-Modell

Tabelle E-1 Beitrags- und Kapitalstockentwicklung bei individuellem Kapitaldeckungsverfahren außerhalb des Krankenversicherungssystems nach dem Status-quo-Modell Alter im Jahr 2006

letztes Lebensjahr

20 Jahre 40 Jahre 60 Jahre

20 Jahre 40 Jahre 60 Jahre

Beitrag im Jahr 2006

im letzten Lebensjahr

2064 2044 2027

150 € 150 € 150 €

316 € 280 € 214 €

2069 2049 2031

150 € 150 € 150 €

321 € 298 € 229 €

Kapitalstock

Systembeitrag

Aufschlag in 2006

max. Höhe

im Jahr

Zusatz ab

70 € 50 € 28 €

16.712 € 7.568 € 2.184 €

2037 2028 2017

2029 2023 2016

73 € 56 € 33 €

18.779 € 9.863 € 3.119 €

2039 2030 2019

2030 2025 2018

männlich 220 € 200 € 178 €

weiblich 224 € 206 € 184 €

Anmerkung: Bei der Berechnung wurde eine reale Verzinsung von 2,5 v. H. unterstellt. Quelle: Eigene Berechnung.

200

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem



Die Festlegung eines Systembeitrags von 206 Euro wäre für eine im Basisjahr 40-Jährige Versicherte zur Beitragsglättung erforderlich. Der Aufschlag zum Umlagebeitrag von 150 Euro soll damit im Basisjahr 56 Euro betragen. Der Umlagebeitrag des Jahres 2049 von 298 Euro könnte zu 92 Euro aus dem Kapitalstock finanziert werden. Die maximale Kapitalstockhöhe entspräche im Jahr 2030 9.863 Euro. Entnahmen aus dem Kapitalstock wären ab dem Jahr 2030 notwendig.



Für eine im Basisjahr 60-Jährige Versicherte betrage der Systembeitrag im Basisjahr 184 Euro, welcher um 33 Euro über dem dann gültigen Umlagebeitrag von 150 Euro läge. Im Jahr 2031 fiele ein Umlagebeitrag von 229 Euro an. Der durch das Kapitaldeckungsverfahren erzielte Stabilisierungseffekt im erwarteten letzten Lebensjahr betrüge folglich 46 Euro. Hierzu wäre eine maximale Höhe des Kapitalstocks von 3.119 Euro (im Jahr 2019) erforderlich. Ab dem Jahr 2018 entstünde Zuschussbedarf aus dem Kapitalstock. d) Vor- und Nachteile

Da im individuellen Kapitaldeckungsverfahren die individuellen Belastungen lediglich anders über die Zeit verteilt werden und somit keine Be- und Entlastungen über den Lebenszyklus stattfinden, besteht auch nicht die Möglichkeit, die intergenerativen Transfers zu verändern und zukünftige Generationen zu entlasten. Bei einem Pauschalprämiensystem wird durch das individuelle Kapitaldeckungsverfahren die Höhe des zukünftigen Transfervolumens für den sozialen Ausgleich gering gehalten. Damit wirkt dieses Verfahren systemstabilisierend. Andernfalls könnte sich der Staat zu Leistungskürzungen veranlasst sehen, welche von den Versicherten nicht gewünscht werden. Diese Stabilisierung geht jedoch zu Lasten des gegenwärtigen sozialen Ausgleichs, da dieser im Gegenzug ansteigen muss. 3. Zusammenfassung Es wurden zwei Ausprägungen zur ergänzenden Kapitaldeckung analysiert, welche als Reformoptionen für die Gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich in Betracht kommen. Einerseits das kohortenübergreifende kollektive Kapitaldeckungsverfahren und andererseits das individuelle Kapitaldeckungsverfahren. Ein Vorteil des Kapitaldeckungsverfahrens liegt grundsätzlich darin begründet, dass die im Umlageverfahren angelegte intergenerative Ungleichbehand-

II. Verschiedene Organisationsformen des Kapitaldeckungsverfahrens

201

lung als Folge des demographischen Wandels reduziert werden kann. Es wurde gezeigt, dass die Glättung von intergenerativen Transfers in der Gesetzlichen Krankenversicherung von der spezifischen Ausgestaltung des Kapitaldeckungsverfahrens abhängig ist. Im kollektiven Kapitaldeckungsverfahren ist eine Reduktion der intergenerativen Transfers prinzipiell möglich, auch wenn eine Ungleichbehandlung zukünftiger Generationen damit verbunden ist. Beim individuellen Kapitaldeckungsverfahren ist diese Reduktion nicht möglich, womit die Ungleichbehandlung der Generationen durch das Umlageverfahren weiter Bestand hat. Wird die alleinige Einführung eines Kapitaldeckungsverfahrens gefordert, so wäre das kohortenübergreifende kollektive Kapitaldeckungsverfahren zur Reduktion der intergenerativen Transfers die adäquate Reformoption. Anders als in der Gesetzlichen Rentenversicherung bietet das Umlageverfahren der GKV jedoch weitere Möglichkeiten, intergenerative Transfers einzudämmen.116 So halten die Vertreter eines kollektiven Kapitaldeckungsverfahrens zum Beispiel eine höhere Belastung der Rentner als komplementäre Maßnahme für erforderlich.117 Damit relativiert sich an dieser Stelle der Vorteil des kollektiven Verfahrens, da durch die Modifikation des praktizierten Umlageverfahrens die intergenerativen Transfers zielgenau gesteuert werden können. Da das individuelle Kapitaldeckungsverfahren die intergenerativen Transfers nicht berührt, kann dieses Instrument darüber hinaus gezielt zur Glättung des Beitragspfades eingesetzt werden. Die gewünschte intergenerative und intertemporale Belastungsverteilung kann somit erreicht werden. Dies zeigen auch die Ergebnisse eines von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Stärkung der nachhaltigen Finanzierung der GKV.118 Hierin wird das Konzept der impliziten Steuer zur Beurteilung von Reformvorschlägen herangezogen.119 Für den Status quo ergibt sich, dass alle vor 1965 geborenen Generationen vom derzeit praktizierten Modus profitieren, während alle nach 1965 geborenen Jahrgänge belastet werden. So beträgt beispielsweise die implizite Pro-Kopf-Steuer des Jahrgangs 2005 21.193 Euro, während die implizite Pro-Kopf-Subvention des Jahrgangs 1945 32.601 Euro beträgt. Durch die Einführung eines kollektiven Kapitaldeckungsverfahrens und Beibehaltung der einkommensabhängigen Beitragserhebung reduziert sich die implizite Pro-Kopf-Steuer des Jahrgangs 2005 auf 19.603 Euro. Gleichzeitig verringert sich auch die implizite Pro-Kopf-Subvention des Jahrgangs 1945 auf 31.671 Euro. Die Reduktion der inter___________ 116 Siehe zur Empirie der intergenerativen Verteilungswirkungen beispielsweise Fetzer/Hagist (2004). 117 Siehe beispielsweise Cassel (2003a); Cassel (2003b), S. 255 ff. 118 Siehe Ulrich et al. (2005). 119 Siehe zum Konzept der impliziten Steuer Hirte (2000); Thum/Weizsäcker (2000); Beckmann (2000).

202

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

generativen Ungleichbehandlung durch die alleinige Einführung eines kollektiven Kapitaldeckungsverfahrens gelingt somit nur in einem begrenzten Maße. Berechnet wurden im KBV-Gutachten zudem die Wirkungen einer Gesundheitsprämie: Hiernach würde sich die implizite Pro-Kopf-Steuer für den Jahrgang 2005 auf 12.940 Euro und die Pro-Kopf-Subvention für den Jahrgang 1945 auf 28.073 Euro reduzieren. Ältere Versicherte mit den eigenen Gesundheitsausgaben stärker zu belasten, ist unter dem Nachhaltigkeitsaspekt somit als zielführender anzusehen. In der hier simulierten Kombination von kollektiver Kapitaldeckung und Pauschalprämie wird die Nachhaltigkeitswirkung des Gesundheitsprämienmodells dagegen geringfügig erhöht. Ein grundsätzlicher Nachteil des Kapitaldeckungsverfahrens gegenüber umlagefinanzierten Systemen sind die höheren Verwaltungs- und Transaktionskosten. Die Kosten sind in einem kohortenübergreifenden kollektiven Kapitaldeckungsverfahren jedoch deutlich niedriger, als dies in einem individuellen Kapitaldeckungsverfahren der Fall ist. Beim individuellen Kapitaldeckungsverfahren bietet sich jedoch die Möglichkeit, die individuellen Kapitaldeckungsverfahren der Rentenversicherung mit der für die GKV zu kombinieren. In diesem Fall besteht somit erhebliches Potential, die Verwaltungs- und Transaktionskosten zu senken. Ein Vorteil des individuellen gegenüber dem kollektiven Kapitaldeckungsverfahren besteht darin, dass es sich aus Systemsicht nicht um ein temporäres Kapitaldeckungsverfahren, sondern um ein permanentes Kapitaldeckungsverfahren handelt. Damit wird sichergestellt, dass es nicht zu einem Beitragssprung im Endzeitpunkt kommt. Zudem ist dieses Verfahren nicht nur zur Glättung von Übergangsproblemen einsetzbar, sondern auch zur Glättung jener Belastungen, welche in Folge des medizinisch-technischen Fortschritts entstehen. Darüber hinaus bietet das individuelle Kapitaldeckungsverfahren zwei weitere Vorzüge. Zum einen haben die Beiträge zum Aufbau des Kapitalstocks aus Sicht des Individuums im Gegensatz zum kollektiven Kapitaldeckungsverfahren keinen Steuercharakter. Zum anderen sind die angesammelten individuellen Kapitalstöcke dem Zugriff des Staates weitestgehend entzogen, so dass die Gefahr einer Zweckentfremdung des Kapitals minimiert wird.

III. Eine Reformskizze 1. Finanzierungsmängel des Status quo Die solidarische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung steht vor grundlegenden Schwierigkeiten. Sie ist aufgrund ihrer Beitragsgestaltung konjunkturell abhängig: Die Finanzierungsbasis verschmälert sich in Zeiten

III. Eine Reformskizze

203

steigender Arbeitslosigkeit sowie Frühverrentung und erzwingt Erhöhungen des Beitragssatzes. Arbeitgeber werden hierdurch belastet, da aufgrund der paritätischen Finanzierung die Lohnstückkosten zunehmen. Im internationalen Vergleich werden die deutschen Unternehmen weniger wettbewerbsfähig, was die gegenwärtige Finanzierung beschäftigungs- und wachstumsfeindlich macht. Auch die Verteilungswirkungen sind in höchstem Grade intransparent und vielfach ungerecht (z. B. unterschiedliche Beitragsbelastung bei gleichem Haushaltseinkommen, überproportionale Belastung kleiner und mittlerer Einkommen durch die regressive Wirkung der Beitragsbemessungsgrenze, ...). Für einen funktionsfähigen Wettbewerb zwischen den Kassen stellen die Beitragssätze auch kein ausreichendes Preissignal dar. Zudem ergibt sich aus der Beitragsgestaltung ein Nachhaltigkeitsproblem: Da die beitragspflichtigen Einkommen der Rentner im Durchschnitt deutlich unter denen der Erwerbstätigen liegen, führt ein steigender Rentneranteil zu einer Verringerung des beitragspflichtigen Einkommens insgesamt und damit zu einem Beitragssatzanstieg. Die Belastung der Erwerbstätigen steigt damit gegenüber der der Rentner an. Dies ist Ausdruck einer zunehmenden Umverteilung zwischen den Generationen und wird durch die Entwicklung auf der Ausgabenseite (z. B. aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts) noch verstärkt. Der im Solidarprinzip angelegte Generationenvertrag gerät damit unter Druck. Damit ist zugleich ein grundlegendes Problem der Umlagefinanzierung angesprochen: Denn Umlageverfahren sind Humankapitaldeckungsverfahren und daher vor dem Hintergrund des demographischen Wandels mit Schwierigkeiten behaftet. Sinkt der Humankapitalbestand bei schrumpfender Bevölkerung, so kann alternativ auch ein Realkapitaldeckungsverfahren zur Wahrung der Nachhaltigkeit eingeführt werden. Die bestehende Umlagefinanzierung müsste also teilweise durch Kapitaldeckung ergänzt werden. Das deutsche PKV-System ist bereits ein Umlageverfahren mit Teilkapitaldeckung und daher unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit besser zu beurteilen als das rein umlagebasierte GKV-System. Die spezifische Ausgestaltung der Kapitaldeckung in der PKV führt jedoch zu einer Einschränkung des Wettbewerbs: Die in der PKV gebildeten Alterungsrückstellungen sind nicht individualisiert und werden daher beim Wechsel eines Versicherten nicht mitgegeben. Beim Eintritt in eine andere Versicherung würde der dann Neuversicherte nicht nur bezüglich seiner Morbidität neu eingestuft, er müsste ebenfalls seine verlorenen Alterungsrückstellungen neu bilden. Um Neu- beziehungsweise Bestandskunden findet daher nur ein sehr eingeschränkter Wettbewerb statt.120 Die Finanzierung der PKV kann daher nicht als Blaupause für eine Reform der GKV herangezogen werden. ___________ 120 Siehe Nell/Rosenbrock (2008), S. 174. Nach § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen ab dem 01.01.2009 eingeschränkt möglich.

204

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

2. Grundriss eines Drei-Säulen-Reformmodells (PIARA) Um die GKV-Finanzierung zukunftsfest zu machen, wird hier ein DreiSäulen-Konzept vorgeschlagen. Es besteht aus einer Kombination von Pauschalprämien in der GKV, einem Solidarausgleich über das Steuertransfersystem sowie individuellen Alterungsrückstellungen in der Alterssicherung (PIARA). Der Versichertenkreis ändere sich im Vergleich zum Status quo nicht. a) Erste Säule: Das Pauschalprämiensystem Bestandteil der ersten Säule ist eine Umstellung der bislang einkommensabhängigen GKV-Finanzierung auf kassenindividuelle alters- und geschlechtsunabhängige Pauschalprämien. Hierdurch wird einerseits die Anfälligkeit des gegenwärtigen Umlagesystems gegenüber konjunkturellen Schwankungen beseitigt und andererseits die Bedeutung des Äquivalenzprinzips durch die mit der Prämienfinanzierung verbundene Ausgabenorientierung gestärkt. Aus wettbewerblicher Sicht ist dies zu begrüßen, da der Versicherte über die Prämie nun ein Preissignal erhält.121 Der Übergang zum Pauschalprämiensystem bewirkt darüber hinaus eine Reduktion der intergenerativen Ungleichverteilung, da insbesondere ältere Versicherte mehr zur Finanzierung ihrer eigenen Gesundheitskosten beitragen.122 Dies ist von entscheidender Bedeutung, da eine durch den medizinisch-technischen Fortschritt ausgelöste Versteilerung der altersspezifischen Ausgaben erwartet werden kann. Je bedeutender der Versteilerungseffekt ausfällt, desto bedeutsamer ist die durch die Umstellung auf Pauschalprämien bewirkte Stärkung des Äquivalenzprinzips. b) Zweite Säule: Die Teilkapitaldeckung Gegenstand der zweiten Säule ist die Einführung einer das Umlageverfahren ergänzenden Teilkapitaldeckung in Form eines obligatorischen individuellen Kapitaldeckungsverfahrens (Alterungsrückstellungen). Der Zwang zur Bildung von Alterungsrückstellungen ist unter zwei Gesichtspunkten sinnvoll. Zum einen entstünde ansonsten durch das Steuertrans___________ 121

Siehe Henke (1997), S. 494. Siehe auch Wasem/Hessel/Greß (2004), S. 122. Durch die Ausgabenorientierung kann die intergenerative Belastungsverteilung zudem relativ genau gesteuert werden. Im Extrem würde eine Weiterentwicklung zu einem risikogerechten Prämiensystem den Weg zu einer intergenerativen Gleichbehandlung ebnen. Siehe hierzu die Reformvorschläge von Zweifel/Breuer (2002); Zweifel/Breuer (2003), S. 85 ff., sowie die theoretische Debatte bei Zweifel/Breuer (2006a,b); Van De Ven (2006); McGuire (2006). Hierüber können die Kosten der demographischen Alterung auch den Generationen angelastet werden, die den Bevölkerungsrückgang durch geringe Kinderzahlen verursacht haben. Siehe hierzu Buchholz et al. (2001), S. 19 f.; Cassel (2003b), S. 250. 122

III. Eine Reformskizze

205

fersystem (dritte Säule) die Gefahr, dass sich ein bedeutender Anteil der Bevölkerung gegen die Bildung von Alterungsrückstellungen entscheiden könnte.123 Denn das Steuertransfersystem wirkt für alle GKV-Versicherten, insbesondere für die Bezieher niedriger Einkommen, wie eine implizite Beitragsstabilisierungsversicherung. Um ein mögliches Freifahrerverhalten auszuschließen, ist die Bildung von Alterungsrückstellungen daher verpflichtend zu machen.124 Zum anderen ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit ein weiterer Vorteil des Obligatoriums. Der aufzubauende Kapitalstock fiele in diesem Falle höher aus, als jener, der bei wahlweiser Bildung von Alterungsrückstellungen entstünde. Da sich in diesem Fall sowohl die zukünftige Beitragsbelastung als auch das notwendige Steuertransfervolumen verringern würden, könnten kommende Generationen auf diese Weise zusätzlich entlastet werden. Um eine effiziente Versorgung mit Gesundheitsleistungen sicherzustellen, muss auf eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der Kapitaldeckung geachtet werden.125 Die genannten Wettbewerbsprobleme in der PKV, welche sich durch die Nichtmitgabe der Alterungsrückstellungen ergeben, wären grundsätzlich durch eine institutionelle Trennung von Prämie (Umlagebeitrag) und Alterungsrückstellung lösbar.126 Im Reformmodell ist deshalb das Ansparen der Alterungsrückstellungen in der Alterssicherung, also vorwiegend in der Gesetzlichen Rentenversicherung, vorgesehen. Ein Nachteil des individuellen gegenüber dem kollektiven Kapitaldeckungsverfahren könnte in den damit verbundenen höheren Kosten (Verwaltungs- und Transaktionskosten) gesehen werden. Diese Zusatzkosten beschränken sich jedoch bei Integration in die Alterssicherung (z. B. Riester-Rente) auf ein Minimum. Sie sind der Preis für einen effizienten Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und dem höchstmöglichen Schutz (individuelles Eigentumsrecht) vor politischem Missbrauch des aufgebauten Kapitalstocks. c) Dritte Säule: Der Solidarausgleich Die dritte Säule sieht die Einführung eines Solidarausgleichs vor. Dies ist bei der Umstellung der GKV-Beitragserhebung auf Pauschalprämien geboten, da sich ansonsten eine große Personenzahl den GKV-Versicherungsschutz nicht mehr leisten könnte.127 Übersteigt der Prämienanteil am Haushaltseinkommen eine definierte Belastungsgrenze, so wird vom Transfersystem eine Transaktion ausgelöst. Die Höhe der ausgelösten Transferzahlung entspricht hierbei dem ___________ 123

Siehe ebenfalls Wasem/Greß/Rothgang (2004), S. 79. Siehe hierzu auch Ulrich et al. (2005), S. 97. 125 Siehe ebenfalls Knappe/Hörter (2001), S. 320. 126 Siehe Meyer (2001); Felder (2003). 127 Zu einer verfassungsökonomischen Begründung siehe Kifmann (2002). 124

206

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Differenzbetrag zwischen individueller Belastungsgrenze und kassendurchschnittlicher Prämie. Die Wahl der kassendurchschnittlichen anstatt der kassenindividuellen Prämie ist notwendig, um auch Niedrigeinkommensbeziehern den Anreiz zu kostenbewusster Kassenwahl zu belassen. Die Einführung eines individuellen Kapitaldeckungsverfahrens (zweite Säule) erfordert zudem die Ausweitung des Steuertransfersystems auf die Beiträge zum Kapitaldeckungsverfahren, damit alle Versicherte die Möglichkeit zur Beitragsglättung erhalten. Die staatliche Förderung bedingt zudem die ausschließliche Verwendung des angesparten Kapitalstocks zum Zwecke der Prämienglättung. Aufgrund von Qualitätssteigerungen durch den medizinisch-technischen Fortschritt und des Luxusgutcharakters von Gesundheitsleistungen ist es darüber hinaus zweckmäßig, die Belastungsgrenze zu dynamisieren. Kernelement eines Pauschalprämiensystems ist eine Zurückführung der im derzeitigen GKV-System angelegten Umverteilung.128 In Abhängigkeit der konkreten Ausgestaltung werden unter Umständen Alleinstehende und Ehepaare entlastet, während dagegen Familien belastet werden.129 Da die Hauptlast der zukünftigen GKV-Finanzierung im Reformmodell weiterhin auf der Umlagefinanzierung liegt und der zugrundeliegende Generationenvertrag Investitionen in Humankapital voraussetzt, wären diese sowohl aus allokativer, als auch aus distributiver Sicht fragwürdigen Implikationen durch einen entsprechenden Ausgleich über das Steuertransfersystem zu neutralisieren. 3. Bewertung Das skizzierte Reformmodell, dessen Kernelemente nochmals in Tabelle E-2 zusammengefasst wurden, weist wesentliche Vorzüge auf: –

Der Versichertenkreis ändert sich im Vergleich zum Status quo nicht, wodurch mögliche verfassungsrechtliche Probleme, wie sie beispielsweise im Bürgerpauschalenmodell des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auftreten könnten, im Vorhinein ausgeschlossen werden.



Gegenüber dem Status quo ist die Beitragsbemessungsgrundlage wesentlich breiter definiert (z. B. Kapitaleinkünfte).



Dem Äquivalenzprinzip kommt mehr Bedeutung zu. Dies impliziert einerseits, dass die Versicherten über die Prämie nun ein Preissignal erhalten und reduziert andererseits die intergenerative Ungleichbehandlung. ___________ 128 Siehe Breyer/Haufler (2000). Zu den Umverteilungswirkungen siehe Wasem/Greß/ Rothgang (2003), S. 5; Moog/Raffelhüschen (2006); Buchner/Deppisch/Wasem (2007). 129 Siehe etwa Pfaff et al. (2003), S. 17.

III. Eine Reformskizze



207

Die Weiterentwicklung des Reformmodells ist gewährleistet: Wird langfristig der Übergang auf ein System mit absoluter Nachhaltigkeit, also ohne intergenerative Umverteilung, angestrebt, so ist die Bildung von Alterungsrückstellungen gegen finanzielle Überforderung im Alter zwingend erforderlich.130 Da sich in diesem Falle die Kalkulationsgrundlagen von GKV und PKV nicht wesentlich unterscheiden, denn auch die PKV ist nur teilkapitalgedeckt, würde dann auch nichts mehr gegen einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt sprechen.

Ein möglicher Einwand gegen das Reformmodell könnte in der durch die Bildung von Alterungsrückstellungen ausgelösten monatlichen Mehrbelastung gegenüber dem Status quo gesehen werden. Nach den Simulationen hätte diese im Basisjahr 2006 für 20-Jährige Personen zwischen 70 Euro und 73 Euro gelegen, wohingegen sich die Mehrbelastung von 60-Jährigen Personen auf 28 Euro bis 33 Euro belaufen hätte. Hierbei ist zu bedenken, dass die angenommene reale Verzinsung des Kapitalstocks äußerst niedrig angesetzt wurde und sich die Belastung bei einer höheren Verzinsung deutlich reduzieren würde. Da die Höhe des Systembeitrags so kalkuliert wurde, dass sich durch die Alterungsrückstellungen über den Lebenszyklus weder Be- noch Entlastungen ergeben, stellen die hierbei auftretenden Mehrbelastungen zudem nur eine temporäre Erscheinung dar, welcher entsprechende Entlastungen im weiteren Verlauf des Lebenszyklus gegenüberstehen. Tabelle E-2 Kernelemente des PIARA-Reformmodells zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung Säule

Forderung

Ausgestaltung

Ziel

I. Gesetzliche Krankenversicherung

Übergang zum Pauschalprämiensystem

Kassenindividuelle Beitragserhebung, alters- und geschlechtsunabhängig

Reduktion der intergenerativen Ungleichverteilung, Beseitigung der Anfälligkeit gegenüber konjunkturellen Schwankungen, Versicherte erhalten über die Prämie ein Preissignal

II. Alterssicherung

Einführung eines individuellen Kapitaldeckungsverfahrens zur Bildung von Alterungsrückstellungen

Versicherungspflicht, Zweckgebundenheit

Glättung von intertemporalen Belastungen, Glättung von intergenerativen Belastungen (in Kombination mit einem Steuertransfersystem), Glättung von intragenerativen Belastungen, Sicherstellung einer wettbewerbsneutralen Ausgestaltung der Kapitaldeckung

III. Solidarausgleich

Einführung eines Steuertransfersystems

Festlegung einer Belastungsschwelle, Dynamisierung

Sicherstellung, dass sich alle Personen den Versicherungsschutz und zusätzlich die Bildung eines Kapitalstocks leisten können

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

___________ 130

Siehe hierzu beispielsweise das Modell von Felder/Fetzer (2007a).

208

E. Kapitaldeckung im Krankenversicherungssystem

Ein grundlegendes Problem bleibt dagegen weiterhin bestehen: Das Umlageverfahren, sofern einmal eingeführt, ist effizient, und ein Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren führt daher nicht zu einer Pareto-verbessernden Situation. Je stärker nachfolgende Generationen entlastet werden sollen, umso höher sind heute lebende Generationen zu belasten. Daran kann auch das hier entworfene Reformmodell nichts ändern. Dennoch führt kein Weg an einer Reform vorbei, da sich die Teilnahmebereitschaft der nachkommenden Generationen am Umlageverfahren in der Zukunft stark verringern dürfte.131 Der Wirkungsgrad eines kapitalgedeckten Reformmodells wird zudem umso geringer ausfallen, je länger man seine Umsetzung hinauszögert. Das Übergangsproblem bleibt hiervon jedoch unberührt.

___________ 131

So auch Börsch-Supan (2003), S. 10; Cassel/Postler (2003), S. 442.

F. Fazit

I. Gegenstand und Gang der Untersuchung Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung steht gegenwärtig und insbesondere zukünftig vor einer Reihe von bedeutenden Herausforderungen. Die Frage, inwieweit die nachhaltige Finanzierung gefährdet ist und welche sinnvollen Reformmöglichkeiten zu ihrer Wiederherstellung bestehen, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Einerseits herrscht in der ökonomischen Literatur ein weitgehender Konsens, dass der demographische Wandel und der medizinisch-technische Fortschritt die bedeutendsten Herausforderungen für die zukünftige GKV-Finanzierung darstellen, andererseits kommen Projektionen in Bezug auf die zukünftige Beitragssatzentwicklung zu gravierend abweichenden Ergebnissen. Während die Beitragssätze in einigen Berechnungen Dimensionen annehmen, welche nahezu unvorstellbar hoch sind, folgt hingegen aus anderen Simulationen, dass die Beitragssätze eher moderat ansteigen werden und die Finanzierung der GKV somit auch nicht vor unüberwindbare Probleme gestellt wird.1 Diese Divergenz der Befunde verwirrt den politischen Entscheidungsträger eher, als ihn auf eine notwendige Finanzierungsreform auszurichten. An den Beginn der Arbeit wurde daher die Analyse der Fundamentalfaktoren der Ausgaben- und Beitragsentwicklung in der GKV, die Bevölkerungsalterung und der medizinisch-technische Fortschritt, gestellt (Kapitel B. und C.). Da der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsalterung und Gesundheitsausgaben in der ökonomischen wie medizinischen Literatur als überaus umstritten gilt und somit neben den Projektionsmethoden eine wesentliche Ursache für die Ergebnisdifferenzen darstellen könnte, wurde dieser umfassend diskutiert. Im Mittelpunkt steht deshalb die Bedeutung der Sterbekosten für die Projektion von Gesundheitsausgaben sowie die zukünftige Entwicklung des Gesundheitszustandes. Relevanz und Wirkung dieser Sachverhalte könnten letztlich nur empirisch beantwortet werden. Die Formulierung und Simulation von Sterbekostenund Morbiditätsmodellen stand daher im Zentrum der weiteren Analyse (Kapitel D.). Hier konnte gezeigt werden, dass eine GKV-Finanzierungsreform unerläss___________ 1 Zu den wenigen Ausnahmen, die keine gravierenden Ausgabenwirkungen aus der Kombination von demographischer Entwicklung und Innovationen in der Medizin erwarten, zählen Lauterbach/Stock/Evers (2001).

210

F. Fazit

lich ist. Demzufolge wird anschließend die Möglichkeit einer (Teil-)Kapitaldeckung für die Gesetzliche Krankenversicherung überprüft (Kapitel E.).

II. Sterbekosten und Projektion von Gesundheitsausgaben Für die Gesetzliche Krankenversicherung zeigen Daten aus dem Risikostrukturausgleich einen positiven Zusammenhang zwischen dem Alter einer versicherten Person und den verursachten Gesundheitsausgaben. Oft wird dieses sogenannte Altersausgabenprofil bei der Projektion konstant gehalten und die Gesundheitsausgaben in den einzelnen Altersklassen mit der erwarteten Bevölkerungszahl gewichtet. Da im Zuge der Bevölkerungsalterung hohe und damit im Querschnitt zunehmend ausgabenstarke Altersklassen absolut und relativ stark besetzt sein werden, nehmen die durchschnittlichen Gesundheitsausgaben der GKV-Versichertenpopulation und damit der Beitragssatz zu. Ein gewichtiges Argument gegen diese Projektionsmethode ist, dass die Nähe zum Tode die eigentliche Ursache für den Anstieg der Gesundheitsausgaben mit dem Alter darstellt. Empirischen Studien zufolge liegen die Ausgaben Versterbender, die sogenannten Sterbekosten, um ein Vielfaches über den Ausgaben Überlebender. Da sich mit zunehmendem Alter der Anteil versterbender Personen erhöht, steigen die Gesundheitsausgaben ebenfalls mit dem Alter an. Da in den kommenden Jahren eine ansteigende Lebenserwartung erwartet wird, nimmt der Anteil der Versterbenden generell ab. Das Ausgabenprofil verläuft daher flacher, und die Zunahme der durchschnittlichen Gesundheitsausgaben verringert sich oder sie nehmen im Gegenteil sogar ab, weil sich die Ausgaben für Versterbende in hohem Lebensalter rückläufig entwickeln. Um dieses Argument für die Gesetzliche Krankenversicherung zu prüfen, wurden in einem ersten Schritt zwei Sterbekostenmodelle spezifiziert und auf Daten des Risikostrukturausgleichs angewandt. Hiernach verursachen Versterbende im Durchschnitt sieben bis achteinhalb Mal so hohe Gesundheitsausgaben wie Überlebende, was sich nahtlos in die veröffentlichte internationale Forschungsliteratur der letzten Jahre einreiht. Ein Vergleich mit PKV-Daten zeigt, dass die Ausgaben für Überlebende sowie Versterbende in der GKV nur unwesentlich über denen der hier durchgeführten Schätzungen liegen. Dies spiegelt das gegenüber der GKV höhere durchschnittliche Gesundheitsniveau der PKV wider. Die ermittelten Ausgabenprofile sollten daher die Situation in der GKV zutreffend beschreiben. Im zweiten Schritt wurden die berechneten Profile zur Projektion der Gesundheitsausgaben für das Jahr 2050 verwendet. Anhand der durchgeführten Simulation lässt sich eine Überzeichnung der durchschnittlichen Ausgaben um 10,2 v. H. bis 12,6 v. H. nachweisen, wenn Sterbekosten bei der Projektion un-

F. Fazit

211

berücksichtigt bleiben. Aus beiden Modellen folgt somit ein annähernd gleich großer Prognosefehler. Diese Aussage änderte sich auch mit der Verwendung eines anderen Basisjahres nicht. Diese Sensitivitätsanalysen belegen die Robustheit der aus den Sterbekostenmodellen gewonnenen Ergebnisse gegenüber den bei der Spezifikation getroffenen Annahmen. Ergebnis: Die Gültigkeit der Sterbekostenthese konnte für die Gesetzliche Krankenversicherung belegt werden, weshalb Sterbekosten bei der Projektion von Gesundheitsausgaben berücksichtigt werden sollten. Ein Verzicht hierauf führt lediglich zu einer unnötigen Prognoseunsicherheit und Verunsicherung der politischen Entscheidungsträger.

III. Kompressions- oder Medikalisierungsthese: Auswirkungen auf den Reformbedarf Für die Entwicklung der zukünftigen Gesundheitsausgaben ist es von entscheidender Bedeutung, ob die in Gesundheit verbrachte Zeit mit der Zunahme der Lebenserwartung steigt, wie mit der Kompressionsthese angenommen, oder abnimmt, wie bei der Medikalisierungsthese vermutet wird. Wie bei der Sterbekostenthese wird auch bei der Kompressionsthese eine Verringerung des Ausgabenzuwachses beziehungsweise eine Ausgabenentlastung erwartet. Wenngleich die Kompressionsthese nicht abschließend bestätigt werden kann, weisen zumindest eigene Indizien auf deren Vorliegen hin.2 Damit wird das Ergebnis der Sterbekosten für die Projektion von Gesundheitsausgaben erhärtet, denn die Analyse der Projektionsmethoden hat offengelegt, dass bei Nichtberücksichtigung der Sterbekosten implizit das Zutreffen der Medikalisierungsthese unterstellt wird. Bei Gültigkeit der Kompressionsthese sind Projektionsansätze, welche Sterbekosten außer Acht lassen, daher ungeeignet. Dies gilt nicht nur für die rein demographische Analyse: Auch wenn der hierbei auftretende Prognosefehler bei Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts an Gewicht verliert, so hängt dieser doch hochgradig von der Wachstumsrate des medizinisch-technischen Fortschritts ab. Da die Gesundheitspolitik zukünftig verstärkt gezwungen sein wird, die Ausgabenwirkung des medizinisch-technischen Fortschritts zu begrenzen, der Prognosefehler in diesem Fall jedoch wieder an Bedeutung zunimmt, sollten Sterbekosten bei der Projektion von Gesundheitsausgaben berücksichtigt werden. Welche quantitativen Effekte lassen sich aus der Kompressionsthese für die Projektion von Gesundheitsausgaben ableiten? In früheren Untersuchungen zeigen insbesondere Friedrich Breyer und Stefan Felder, dass die entlastenden ___________ 2

Diese Ansicht wird auch in Kruse (2002), S. 136 ff., vertreten.

212

F. Fazit

Effekte einer spezifischen Form der Kompressionsthese nicht ausreichen, um den durch die Verschiebung der Altersstruktur ausgelösten Effekt vollständig zu kompensieren.3 Ob dieses Ergebnis auch dann noch aufrechterhalten werden kann, wenn von der stärksten Form der Kompressionsthese ausgegangen wird, ist eine der hier nachgegangenen zentralen Fragestellungen. Sie kann folgendermaßen beschrieben werden: Gegeben, es kommt zu einer bevölkerungsbezogenen absoluten Kompressionsthese, d. h. die in Krankheit verbrachte Zeit nimmt nicht nur auf individueller Ebene absolut ab, sondern auch insgesamt, also für die gesamte Bevölkerung. Reicht dieser Effekt dann aus, um den Altersstruktureffekt vollständig zu kompensieren?

Die berechneten Modelle belegen, dass es auch in diesem Fall zu einem signifikanten Anstieg des Beitragssatzes beziehungsweise der Prämie kommen würde: Bei der Simulation erhöhte sich der Beitragssatz von 14,2 v. H. im Basisjahr 2006 auf durchschnittlich 25,9 v. H. im Jahr 2050. Für die Pauschalprämie wurde für den gleichen Zeitraum ein Anstieg von 150 Euro auf 252 Euro ermittelt. Ergebnis: Einige Argumente sprechen für das Zutreffen der Kompressionsthese in der Gesetzlichen Krankenversicherung, womit sich die Ausgabenentwicklung als weniger dramatisch herausstellen dürfte, als dies in einigen Simulationen angenommen wurde. Entscheidend ist jedoch, dass sich aus den Berechnungen gleichwohl eine deutliche Steigerung der durchschnittlichen Ausgaben sowie des Beitragssatzes ergibt. Damit erweist sich die Beantwortung der Fragestellung, ob nun Kompressions- oder Medikalisierungsthese die zukünftige Morbiditätsentwicklung zutreffend beschreibt, als sekundär, da auch im günstigen Fall der Kompressionsthese die zwingende Reformnotwendigkeit der GKV-Finanzierung bestehen bleibt.

IV. Entwicklung von Beitragssatz und Pauschalprämie in der Gesetzlichen Krankenversicherung Die in dieser Arbeit als wahrscheinlich angenommene Beitragssatz- und Pauschalprämienentwicklung ist in Tabelle F-1 wiedergegeben. Die Bandbreite der Beitragssatzentwicklung, die als Grad für die Prognoseunsicherheit dienen kann, ist mit +/- vier Prozent im Jahr 2050 wesentlich niedriger, als dies bisherige Untersuchungen zeigen. So weist der Übersichtsartikel von Postler eine mögliche Beitragssatzentwicklung von rund 23 v. H. bis zu 40 v. H. aus.4 Die Prognoseunsicherheit konnte demgemäß um mehr als die Hälfte reduziert wer___________ 3 4

Als Überblick siehe die Ausführungen bei Felder (2008). Siehe Postler (2003).

F. Fazit

213

den. Mit einem durchschnittlichen Beitragssatz von 30,9 v. H. sowie einer Pauschalprämie von 302 Euro liegt die Reformnotwendigkeit klar auf der Hand. Tabelle F-1 Bandbreite der möglichen Beitragssatz- und Pauschalprämienentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Zeitraum von 2006 bis 2050 Jahr 2006 2010 2020 2030 2040 2050

Beitragssatz in v. H. Min Ø Max 14,2 14,2 14,2 15,0 15,2 15,3 17,5 18,3 19,0 20,9 22,5 24,1 24,1 26,9 29,5 26,9 30,9 34,9

Min 150 € 159 € 183 € 209 € 238 € 263 €

Pauschalprämie Ø 150 € 161 € 191 € 225 € 264 € 302 €

Max 150 € 163 € 199 € 240 € 290 € 341 €

Quelle: Tabelle D-20.

V. Reformoption Kapitaldeckung: jetzt oder nie! Eine stärkere (Teil-)Kapitaldeckung weist insbesondere hinsichtlich der intergenerativen Gleichbehandlung Vorteile gegenüber dem bisherigen „reinen“ Umlagesystem der GKV auf. Diese kommen jedoch nur bei der Einführung von Kapitaldeckungsverfahren zum Tragen; aufgrund der Effizienz von bestehenden Umlageverfahren aber nicht beim Übergang. Damit bleiben insbesondere verteilungspolitische Argumente für einen Systemwechsel bestehen. Neben den Aspekten der intergenerativen Gerechtigkeit wurde betont, dass auch aus intragenerativer Sicht einige Argumente für einen stärkeren Einbezug von kapitalgedeckten Elementen sprechen. Auswirkungen der Kapitaldeckung hängen von ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Daher wurden zwei mögliche Reformoptionen für die Gesetzliche Krankenversicherung, das individuelle und das kollektive Kapitaldeckungsverfahren, analysiert und gezeigt, dass die individuelle Bildung von Alterungsrückstellungen eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer kollektiven Variante aufweist. Aufgrund dieses Befundes wurde ein Reformmodell entworfen, welches verdient, näher in den Blickpunkt der gesundheitspolitischen Diskussion zu rücken: eine Kombination von Pauschalprämien in der GKV und individuellen Alterungsrückstellungen in der Alterssicherung (PIARA). Keinesfalls sollte man dabei der Illusion unterliegen, dass die mit der Reform verbundene Entlastung zukünftiger Generationen kostenlos zu erreichen ist. Will man die langfristige Stabilität der GKV-Finanzierung sicherstellen, so führt hieran jedoch kein Weg vorbei. Auch ein weiteres Aufschieben der Reform ist nicht ratsam, da die Belastungen aufgrund des Bevölkerungsrückgangs

214

F. Fazit

mit jedem hinausgezögerten Jahr auf weniger Schultern verteilt werden müssen.5 Im Sinne der Nachhaltigkeit ist die Gesundheitspolitik deshalb gefordert, eine schnelle Neuausrichtung der Finanzierungsgrundlagen zu schaffen und die vielleicht letzte Chance hierzu nicht zu versäumen.6 Insofern gilt gerade jetzt: Nach der Reform ist vor der Reform, aber auch: Für manche Reformen ist es nie zu spät, für die Reform zur nachhaltigen Finanzierung der GKV in Kürze wohl für immer.

___________ 5 6

Siehe Felder/Fetzer (2007b), S. 615 ff. Siehe Sinn/Übelmesser (2000, 2002).

Mathematischer Anhang

Kapitel A Zuerst sei eine Änderung der Finanzierungsquote betrachtet. Der Anteil des beitragspflichtigen Einkommens ( bpfEt ) am Bruttoinlandsprodukt ( BIPt ) einer Periode t, die sog. Finanzierungsquote ( FQt ), ist durch FQt :

bpfEt BIPt

gegeben. Hätte die Finanzierungsquote des betrachteten Jahres t in der Basisperiode 0 weiterhin Gültigkeit, so ergäbe sich ein fiktives beitragspflichtiges Einf kommen ( bpfE0,t ) in Höhe von f bpfE0,t : BIP0 ˜ FQt .

Damit hätte ein fiktiver Beitragssatz ( b0,f t ) in Höhe von f b0,t

BE0 f bpfE0,t

gelten müssen, um die Beitragseinnahmen des Basisjahres zu generieren. Die Gegenüberstellung von fiktivem und tatsächlichem Beitragssatz ( b0 ) des Basisjahres gibt den Beitragssatzeffekt ( 'b0,t ) an: 'b0,t

f b0  b0,t .

Beitragssatzeffekte, die von der Ausgabenseite ausgehen, lassen sich durch die Ausgabenquote ( AQt ) darstellen, die folgendermaßen definiert ist: At . AQt : BIPt

216

Mathematischer Anhang

Damit betragen die fiktiven Ausgaben ( A0,f t ) in der Basisperiode f A0,t : BIP0 ˜ AQt .

Als Beitragssatzeffekt ergibt sich damit 'b0,t

f A0  A0,t . bpfE0

Die Beitragssatzeffekte lassen sich in drei Fälle unterteilen: 'b0,t

0 : Die Finanzierungsquote (Ausgabenquote) ist seit der betrachteten

Periode konstant geblieben. Eine Beitragssatzänderung kann damit weder auf eine Änderung der Einnahmen- noch der Ausgabenseite zurückgeführt werden. 'b0,t  0 : Wären die beitragspflichtigen Einkommen oder die Ausgaben seit

der betrachteten Periode ebenso stark gestiegen wie das Bruttoinlandsprodukt, so läge der Beitragssatz in der Basisperiode um 'b0,t Beitragssatzpunkte höher. Damit ergibt sich ein entlastender Effekt in Höhe von 'b0,t Beitragssatzpunkten, welcher auf die Einnahmen- oder Ausgabenseite zurückgeführt werden kann. 'b0,t ! 0 : Wären die beitragspflichtigen Einkommen oder die Ausgaben seit

der betrachteten Periode ebenso stark gestiegen wie das Bruttoinlandsprodukt, so läge der Beitragssatz in der Basisperiode um 'b0,t Beitragssatzpunkte niedriger. Damit ergibt sich ein belastender Effekt in Höhe von 'b0,t Beitragssatzpunkten, welcher auf die Einnahmen- oder Ausgabenseite zurückgeführt werden kann.

Statistischer Anhang

Kapitel A Tabelle A.1 Projektionen zur Status-quo-Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Jahr 2050 Steigerung in Beitragssatzpunkten

Beitragssatz2 in v. H. im Jahr Basisjahr

Studie

Basisjahr bis (2040) bzw. 2050

2010 bis (2040) bzw. 2050

25,3

10,5

9,5

Basis2010 2020 2030 2040 2050 jahr

Niehaus 2008 Postler/Sundmacher 2006

1

2007

14,8

15,8

17,0

19,6

22,6

2005

13,7

14,8

17,6

21,1

24,6

-

(10,9)

(9,8)

Ulrich et al. 20051

2002

14,3

16,7

20,4

24,9

30,2

35,7

21,4

19,0

1

Breyer et al. 2004

2003

14,2

15,8

18,6

22,0

25,3

29,8

15,6

14,0

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 20041

2004

14,1

16,1

20,8

27,7

37,3

50,4

36,3

34,3

Postler 20031

2000

13,6

16,3

20,0

26,5

32,0

39,5

25,9

23,2

Fetzer/Moog/Raffelhüschen 2002

1999

13,5

16,0

18,5

21,7

24,8

25,3

11,8

9,3

Breyer et al. 2001

1999

13,6

17,5

20,1

27,9

34,0

-

(20,4)

(16,5)

Hof 20011

1995

13,1

15,3

17,2

19,5

22,3

26,1

13,0

10,8

Breyer/Ulrich 2000

2000

13,1

15,4

15,6

20,7

23,1

-

(10,0)

(7,7)

Oberdieck 1998

1995

13,2

15,0

18,0

24,8

31,2

-

(18,0)

(16,2)

Prognos 1998

1995

13,4

14,1

-

15,2

15,9

-

(2,5)

(1,8)

1

Angaben beziehen sich auf das Modell mit dem höchsten durchschnittlichen Beitragssatz zur GKV.

2

Beitragssätze auf eine Nachkommastelle gerundet.

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

218

Statistischer Anhang Tabelle A.2 Projektionen zur rein demographischen Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Jahr 2050 Steigerung in Beitragssatzpunkten

Beitragssatz2 in v. H. im Jahr Basisjahr

Studie

Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 20041 Postler 20031 Fetzer/Moog/Raffelhüschen 2002 Breyer et al. 2001

Basis2010 2020 2030 2040 2050 jahr

Basisjahr 2010 bis bis (2040) (2040) bzw. bzw. 2050 2050

2002

14,0

14,4

15,2

16,3

17,4

18,0

4,0

3,6

2000

13,6

14,1

14,8

16,1

16,3

16,5

2,9

2,4

1999

13,5

14,4

15,1

16,0

16,8

17,1

3,6

2,7

1999

13,6

-

-

-

19,3

20,3

6,7

-

Hof 20011

1995

13,1

13,7

15,1

16,7

18,1

19,2

6,1

5,5

Breyer/Ulrich 2000 Buttler/Fickel/Lautenschlager 1999 Erbsland/Ried/Ulrich 1999

2000

13,1

13,9

13,4

15,2

15,3

-

(2,2)

(1,4)

1995

13,2

-

-

-

19,1

-

(5,9)

-

1995

12,9

-

-

15,2

15,5

-

(2,6)

-

1

Angaben beziehen sich auf das Modell mit dem höchsten durchschnittlichen Beitragssatz zur GKV.

2

Beitragssätze wurden auf eine Nachkommastelle gerundet.

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

Kapitel D Tabelle D.1 Projektionen zur Pauschalprämienentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Jahr 2050 Studie

Basisjahr

Prämie im Jahr Basisjahr

2010

2020

2030

2040

2050

Prämienanstieg Basisjahr 2010 bis bis 2050 2050

in Euro zu konstanten Preisen

in v. H.

Arnold 20061

2004

155

185

266

402

641

1.069

589,7

477,8

Ulrich et al. 20051

2002

190

235

330

464

652

892

369,5

279,6

Breyer et al. 20042 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 20041

2003

190

217

245

268

302

353

85,8

62,7

2004

198

226

301

414

574

806

307,1

256,6

1

Angaben beziehen sich auf das Modell mit der höchsten durchschnittlichen Prämie zur GKV.

2

Demographischer Anstieg aufgrund des Standardansatzes.

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

Statistischer Anhang

219

800 €

800 €

700 €

700 €

600 €

600 €

500 €

500 €

400 €

400 €

300 €

300 €

200 €

200 €

100 €

100 € 0€

0€ 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Alter Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D.1: Ausgabenprofil für den Hauptleistungsbereich „Ärzte“ im Jahr 2006

350 €

350 €

300 €

300 €

250 €

250 €

200 €

200 €

150 €

150 €

100 €

100 €

50 €

50 €

0€

0€ 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 Alter

Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D.2: Ausgabenprofil für den Hauptleistungsbereich „Zahnärzte“ im Jahr 2006

220

Statistischer Anhang

3.500 €

3.500 €

3.000 €

3.000 €

2.500 €

2.500 €

2.000 €

2.000 €

1.500 €

1.500 €

1.000 €

1.000 € 500 €

500 €

0€

0€ 0

5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

75 80 85 90

Alter Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D.3: Ausgabenprofil für den Hauptleistungsbereich „Krankenhaus“ im Jahr 2006

1.200 €

1.200 €

1.000 €

1.000 €

800 €

800 €

600 €

600 €

400 €

400 €

200 €

200 € 0€

0€ 0

5

10 15

20 25 30

35 40

45 50 55

60 65 70

75 80 85

Alter Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D.4: Ausgabenprofil für den Hauptleistungsbereich „Apotheken“ im Jahr 2006

90

Statistischer Anhang

221

1.400 €

1.400 €

1.200 €

1.200 €

1.000 €

1.000 €

800 €

800 €

600 €

600 €

400 €

400 €

200 €

200 €

0€

0€ 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

60

65

70

75

80

85

Alter Frauen

Männer

Quelle: Bundesversicherungsamt (2007); eigene Berechnungen.

Abbildung D.5: Ausgabenprofil für den Hauptleistungsbereich „sonstige Leistungsausgaben“ im Jahr 2006

90

Literaturverzeichnis Aaron, H. (1966), The social insurance paradox, in: Canadian Journal of Economics and Political Science 32 (3), S. 371-374. Althammer, J. (2000), Zur optimalen Kombination umlagefinanzierter und kapitalfundierter Alterssicherungssysteme – Eine portfoliotheoretische Analyse, in: Schmähl, W. (Hrsg.), Soziale Sicherung zwischen Markt und Staat, Berlin, S. 115-134. Apolte, T. (1998), Ein System der Alterssicherung bei schrumpfender Bevölkerung, Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Gerhard-MercatorUniversität Duisburg, Nr. 252, Juni 1998, Duisburg. – (2002), Alterssicherung und intergenerationelle Umverteilung in kleinen offenen Transformationswirtschaften, in: Nutzinger, H. G. (Hrsg.), Verteilungsprobleme im Transformationsprozeß, Berlin, S. 107-135. Apolte, T./Chomiuk, L. (1995), Die Reform der Rentenversicherung in Polen, in: van der Beek, K./Weiss, P. (Hrsg.), Sozialpolitik im Transformationsprozeß: Ordnungs- und sozialpolitische Reformen in Polen, Berlin, S. 131-154. Arnold, R. (2006), Ein normativ begründetes Modell für die Krankenversicherung in Deutschland, Aachen. – (2007), Bestimmungsgründe für den medizinischen Fortschritt, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 681-698. Arnold, R./Knappe, E./Weissberger, D. (2005), Trennung verschiedener Ausgabensteigerungseffekte bei Pauschalprämien in der Krankenversicherung, Mimeo, Trier. Auerbach, A. J./Gokhale, J./Kotlikoff, L. J. (1992), Social security and medicare policy from the perspective of generational accounting, in: Tax Policy and the Economy 6, S. 129-145. – (1994), Generational accounting: a meaningful way to evaluate fiscal policy, in: Journal of Economic Perspectives 8 (1), S. 73-94. Bahr, H./Kater, U. (1998), Umlageverfahren versus Kapitaldeckungsverfahren – Quo vadis Rentenversicherung?, in: Wirtschaftsdienst 77 (9), S. 212-219. Beck, K./Käser-Meier, U. (2003), Die Krankheitskosten im Todesfall: Eine deskriptiv statistische Analyse, in: Managed Care (2), S. 24-26. Beckmann, K. (2000), A note on the tax rate implicit in contributions to pay-as-you-go public pension systems, in: Finanzarchiv 57 (1), S. 63-76. Beer, H. (1995), Bevölkerungsentwicklung und Finanzierung der Privaten Krankenversicherung, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 84 (4), S. 687-696. Benz, T./Raffelhüschen, B./Vatter, J. (2009), Finanzkrise und Altersvorsorge – Wie groß sind die Verluste wirklich?, Köln.

Literaturverzeichnis

223

Berthold, N./Külp, B. (1987), Rückwirkungen ausgewählter Systeme der Sozialen Sicherung auf die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft, Berlin. Beske, F./Drabinski, T. (2005), Finanzierungsdefizite in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Prognose 2005-2050, Kiel. Birg, H. (2000), Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und Europa: Konsequenzen für die sozialen Sicherungssysteme, Unterlagen für den Vortrag bei der Sachverständigenanhörung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, 4. Juli 2000, Universität Bielefeld, Bielefeld. – (2001a), Auswirkungen und Kosten der Zuwanderung nach Deutschland, Gutachten im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, Bielefeld. – (2001b), Die demographische Zeitenwende – Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa, München. – (2004), Die Weltbevölkerung – Dynamik und Gefahren, München. Birg, H./Börsch-Supan, A. (1999), Für eine neue Aufgabenteilung zwischen gesetzlicher und privater Altersversorgung: Eine demographische und ökonomische Analyse, Gutachten für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, Bielefeld/Mannheim. Bomsdorf, E./Babel, B. (2005), Wie viel Fertilität und Migration braucht Deutschland?, in: Wirtschaftsdienst 85 (6), S. 387-394. – (2007), Annahmenflexible Bevölkerungsvorausberechnungen und die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes, in: Wirtschaft und Statistik (9), S. 905-912. Bornemann, S./Daumann, F. (2005), Medical Savings Accounts als Reformoption für das deutsche Gesundheitswesen?, in: Gesundheits- und Sozialpolitik 59 (3-4), S. 42-46. Börsch-Supan, A. (1998), Zur deutschen Diskussion eines Übergangs vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Finanzarchiv 55 (3), S. 400-428. – (2001a), Quo Vadis Rentenversicherung? Alternativen und Ergänzungen zur umlagefinanzierten Rente, in: Schmähl, W./Ulrich, V. (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, Tübingen, S. 205-220. – (2001b), Rentabilitätsvergleiche im Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren: Konzepte, empirische Ergebnisse, sozialpolitische Konsequenzen, in: Theurl, E. (Hrsg.), Der Sozialstaat an der Jahrtausendwende: Analysen und Perspektiven, Heidelberg, S. 207-233. – (2003), Vom Schnupfen zur Grippe: Der Patient und sein Gesundheitswesen, Diskussionsbeitrag des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel, Nr. 27, Mannheim. – (2005), Risiken im Lebenszyklus: Theorie und Evidenz, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 6 (4), S. 449-469. Börsch-Supan, A./Heiss, F./Ludwig, A./Winter, J. (2003), Pension reform, capital markets and rate of return, in: German Economic Review 4 (2), S. 151-181. Börsch-Supan, A./Ludwig, A./Winter, J. (2002), Aging and international capital flows, MEA Working Paper, Nr. 10-02, January 2002, Mannheim.

224

Literaturverzeichnis

– (2003), Alterung, deutsche Renditeentwicklung und globale Kapitalmärkte, Aktuelle Themen der Deutschen Bank Research, Demografie Spezial, Nr. 273, 16. Juni 2003, Frankfurt am Main. – (2006), Aging, pension reform, and capital flows: a multi-country simulation model, in: Economica 73 (292), S. 625-658. Bräuninger, M./Stiller, S./Vöpel, H. (2009), Langfristige Perspektiven von Anlagen in Sachwerten, in: HWWI Policy Report, Nr. 11, März 2009, Hamburg. Bretz, M. (1986), Bevölkerungsvorausberechnungen: Statistische Grundlagen und Probleme, in: Wirtschaft und Statistik (4), S. 233-260. – (2000), Methoden der Bevölkerungsvorausberechnung, in: Mueller, U./Nauck, B./Dieckmann, A. (Hrsg.), Handbuch der Demographie 1, Berlin et al., S. 643-681. – (2001), Zur Treffsicherheit von Bevölkerungsvorausberechnungen, in: Wirtschaft und Statistik (11), S. 906-921. Breyer, F. (1989), On the intergenerational Pareto efficiency of pay-as-you-go financed pension systems, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 145, S. 643-658. – (1990), Ökonomische Theorie der Alterssicherung, München. – (1995), Ökonomische Grundlagen der gesetzlichen Pflegeversicherung, Diskussionsbeiträge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Universität Konstanz, Nr. 277, Mai 1995, Konstanz. – (1996), Korreferat: Demographische Alterung und Gesundheitskosten: Eine Fehlinterpretation?, in: Oberender, P. (Hrsg.), Alter und Gesundheit, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 26, Baden-Baden, S. 47-48. – (1999), Lebenserwartung, Kosten des Sterbens und die Prognose der Gesundheitsausgaben, in: Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 50 (1), S. 53-65. – (2000), Kapitaldeckungs- versus Umlageverfahren, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 1 (4), S. 383-405. – (2002), Einkommensbezogene versus pauschale GKV-Beiträge: Eine Begriffsklärung, in: Schmollers Jahrbuch 122 (4), S. 605-616. – (2004), Auf Leben und Tod – Steigende Lebenserwartung und Sozialversicherung, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 5 (2), S. 227-241. Breyer, F./Adam, H./Cassel, D./Daumann, F./Eisen, R./Felder, S./Jacobs, K./Karmann, A./Kifmann, M./Kliemt, H./Krämer, W./Leidl, R./Meyer, U./Pfaff, A. B./Ried, W./ Ulrich, V./Schellhorn, M./Wagner, G./Wambach, A./Wasem, J. (2006), Gesundheitspolitik in der Kompromissfalle: Kein Problem gelöst, aber neue geschaffen, in: Wirtschaftsdienst 86 (8), S. 515-516. Breyer, F./Felder, S. (2004), Lebenserwartung und Gesundheitsausgaben im 21. Jahrhundert: Eine neue Berechnung unter Berücksichtigung der Sterbekosten, Working Paper der Faculty of Economics and Management Magdeburg (FEMM), Nr. 5/2004, Magdeburg. – (2006), Life expectancy and health care expenditures: a new calculation for Germany using the costs of dying, in: Health Policy 75 (2), S. 178-186.

Literaturverzeichnis

225

Breyer, F./Franz, W./Homburg, S./Schnabel, R./Wille, E. (2004), Reform der sozialen Sicherung, Berlin et al. Breyer, F./Grabka, M. M./Jacobs, K./Meinhardt, V./Ryll, A./Schulz, E./Spieß, C. K./ Wagner, G. G. (2001), Wirtschaftliche Aspekte der Märkte für Gesundheitsdienstleistungen: Ökonomische Chancen unter sich verändernden demographischen und wettbewerblichen Bedingungen in der Europäischen Union, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Endbericht, 29. Oktober 2001, Berlin. Breyer, F./Haufler, A. (2000), Health care reform: separating insurance from income redistribution, in: International Tax and Public Finance (7), S. 445-461. Breyer, F./Spremann, K. (1990), Übergangsprobleme der Rentenversicherung bei abnehmender Bevölkerung und Nozicks Theorie der Gerechtigkeit, in: Felderer, B. (Hrsg.), Bevölkerung und Wirtschaft, Berlin, S. 389-404. Breyer, F./Ulrich, V. (2000), Gesundheitsausgaben, Alter und medizinischer Fortschritt: Eine Regressionsanalyse, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 220 (1), S. 1-17. Breyer, F./Zweifel, P./Kifmann, M. (2002), Gesundheitsökonomie, 4. Auflage, Berlin et al. Brockmann, H. (2002), Why is less money spent on health care for the elderly than for the rest of the population? Health care rationing in German hospitals, in: Social Science & Medicine 55 (4), S. 593-608. Brunner, J. K. (1994), Redistribution and the efficiency of the pay-as-you-go pension system, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 150 (3), S. 511-523. – (1996), Transition from a pay-as-you-go to a fully funded pension system: the case of differing individuals and intragenerational fairness, in: Journal of Public Economics 60 (1), S. 131-146. Buchheim, C. (2003), Das Zusammenspiel von Wirtschaft, Bevölkerung und Wohlstand aus historischer Sicht, Mannheim Research Institute for the Economics of Aging, Nr. 40-2003, Mannheim. Buchholz, W./Edener, B./Grabka, M. M./Henke, K.-D./Huber, M./Ribhegge, H./Ryll, A./Wagener, H.-J./Wagner, G. (2001), Wettbewerb aller Krankenversicherungen kann Qualität verbessern und Kosten des Gesundheitswesens senken, DIW-Diskussionspapiere, Nr. 247, März 2001, Berlin. Buchner, F. (2002), Versteilerung von Ausgabenprofilen in der Krankenversicherung, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 37, Baden-Baden. Buchner, F./Deppisch, R./Wasem, J. (2007), Umverteilungseffekte in der Finanzierung von Gesundheitsleistungen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 699-724. Buchner, F./Wasem, J. (2000), Versteilerung der alters- und geschlechtsspezifischen Ausgabenprofile von Krankenversicherern, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 89 (2/3), S. 357-392. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2004), Bevölkerung: Fakten – Trends – Ursachen – Erwartungen – die wichtigsten Fragen, Schriftenreihe des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, Sonderheft, 2. überarbeitete Auflage, Wiesbaden.

226

Literaturverzeichnis

– (2008), Bevölkerung – Daten, Fakten, Trends zum demographischen Wandel in Deutschland, Wiesbaden. Bundesministerium für Gesundheit (1999), Daten des Gesundheitswesens, Baden-Baden. – (2001), Daten des Gesundheitswesens, Baden-Baden. – (2006), Gesetzliche Krankenversicherung: Kennzahlen und Faustformeln, Berlin. – (2008), Gesetzliche Krankenversicherung, Allgemeiner Beitragssatz, 1991 bis 2007, März 2008, Ergebnisse der GKV-Statistik KM1, 23. April 2008, Berlin. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2003), Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, August 2003, Berlin. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (2004), BDA-Finanzierungskonzept für das Gesundheitsprämienmodell, 13. September 2004, Berlin. Bundesversicherungsamt (2007), Jahresausgleich 2006, Bonn. – (2008), Bericht des Schätzerkreises zur Unterstützung der Entscheidung der Bundesregierung über die Höhe des einheitlichen Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung, Bonn. Busse, R./Krauth, C./Schwartz, F. W. (2002), Use of acute hospital beds does not increase as the population ages: results from a seven year cohort study in Germany, in: Journal of Epidemiol and Community Health 56 (4), S. 289-293. Buttler, G./Fickel, N./Lautenschlager, B. (1999), Die Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Kosten im Gesundheitswesen, in: Allgemeines Statistisches Archiv 83 (1), S. 120-136. Cassel, D. (1998), Ausgabendynamik und Beitragssatzstabilität: Steht die Gesetzliche Krankenversicherung vor einer harten Rationierung?, in: Forum für Gesellschaftspolitik (1), S. 21-24. – (2001), Demographischer Wandel: Folgen für die Gesetzliche Krankenversicherung, in: Wirtschaftsdienst 81 (2), S. 87-91. – (2003a), Die Notwendigkeit ergänzender Alterungsreserven und höherer Rentnerbeiträge in der GKV, in: Wirtschaftsdienst 83 (2), S. 75-80. – (2003b), Intergenerative Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: Cassel, D./Müller, H./Thieme, H. J. (Hrsg.), Stabilisierungsprobleme in der Marktwirtschaft: Prozesse und Strukturen, Festschrift zum 80. Geburtstag von Artur Woll, München, S. 235-261. Cassel, D./Oberdieck, V. (2002), Kapitaldeckung in der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: Wirtschaftsdienst 82 (1), S. 15-22. Cassel, D./Postler, A. (2003), Warten auf Rürup? Zur Dringlichkeit einer Finanzierungsreform der GKV, in: Wirtschaftsdienst 83 (7), S. 437-444. – (2007), Alternde Bevölkerung und Gesundheitsausgaben: Eine theoretische Analyse demographischer Ausgabeneffekte auf den Beitragssatz der GKV, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 578-602.

Literaturverzeichnis

227

Cutler, D. M./McClellan, M./Newhouse, J. P./Remler, D. (1998), Are medical prices declining? Evidence from heart attack treatments, in: The Quarterly Journal of Economics 113 (4), S. 991-1024. Deutsche Bundesbank (1999), Möglichkeiten und Grenzen einer verstärkten Kapitaldeckung der gesetzlichen Alterssicherung in Deutschland, Monatsbericht 51 (12), S. 15-31. – (2001), Realzinsen: Entwicklung und Determinanten, Monatsbericht 53 (7), S. 33-50. – (2004), Demographische Belastungen für Wachstum und Wohlstand in Deutschland, Monatsbericht 56 (12), S. 15-30. Deutscher Bundestag (1994), Hrsg., Demographischer Wandel: Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik (Zur Sache 4/94), Bonn. – (1998), Demographischer Wandel: Zweiter Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen und die Politik (Zur Sache 8/98), Bonn. – (2002), Demographischer Wandel: Schlußbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel“ – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik (Zur Sache 3/2002), Berlin. Dickmann, N. (2004), Grundlagen der demographischen Entwicklung, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Perspektive 2050: Ökonomik des demographischen Wandels, Köln, S. 11-33. Dinkel, R. H. (1984a), Die Auswirkungen eines Geburten- und Bevölkerungsrückgangs auf Entwicklung und Ausgestaltung von gesetzlicher Alterssicherung und Familienlastenausgleich, Berlin. – (1984b), Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren als Organisationsprinzipien einer allgemeinen Sozialversicherung, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 13 (4), S. 165-169. – (1986), Die Zukunftsprobleme der Rentenversicherung: Eine Folge des Versicherungsverfahrens?, in: Wirtschaftsdienst 66 (2), S. 79-86. – (1992), Demographische Alterung: Ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung der Mortalitätsentwicklungen, in: Baltes, P. B./Mittelstraß, J. (Hrsg.), Zukunft des Alterns und gesellschaftliche Entwicklung, Berlin, S. 62-93. – (1999), Demographische Entwicklung und Gesundheitszustand: Eine empirische Kalkulation der Healthy Life Expectancy für die Bundesrepublik auf Basis von Kohortendaten, in: Häfner, H. (Hrsg.), Gesundheit – unser höchstes Gut? Schriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Nr. 4, Berlin et al., S. 61-83. Eekhoff, J. (1997), Die Zukunft der sozialen Sicherung in einem integrierten Europa: Konsequenzen für die Rentenreform?, in: Beihefte der Konjunkturpolitik: Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung/Applied Economics Quarterly (46), S. 27-48. Eiff, W. von/Massaro, T./Ziegenbein, R. (2002), Medical savings accounts: a core feature of Singapore's health care system, in: European Journal of Health Economics 3, S. 188-195.

228

Literaturverzeichnis

Eisen, R. (2000), (Teil-)Privatisierung der Sozialen Sicherung: „Das Modell Chile“ als Muster- oder Glücksfall?, in: Schmähl, W. (Hrsg.), Soziale Sicherung zwischen Markt und Staat, Berlin, S. 141-174. Erbsland, M. (1994), Demographische Effekte auf die zukünftigen Behandlungsausgaben der GKV, ZEW Discussion Paper, Nr. 94-04, Februar 1994, Mannheim. Erbsland, M./Kronenberger, S. (2007), Alterung der Bevölkerung und Gesundheitsausgaben: Eine Grangerkausalitätsanalyse für Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Schweiz, in: Ulrich, V./Ried, W. (Hrsg.), Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen; Theorie und Politik öffentlichen Handelns, insbesondere in der Krankenversicherung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Eberhard Wille, Baden-Baden, S. 755-776. Erbsland, M./Ried, W./Ulrich, V. (1999), Die Auswirkungen der Bevölkerungsstruktur auf Ausgaben und Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Wille, E. (Hrsg.), Entwicklung und Perspektiven der Sozialversicherung, Beiträge zum ZEWSymposium: Ansätze und Reform des Steuer- und Sozialversicherungssystems am 10. und 11. März 1997 in Mannheim, Baden-Baden, S. 173-197. Erbsland, M./Wille, E. (1995), Bevölkerungsentwicklung und Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 84 (4), S. 661-686. Esenwein-Rothe, I. (1982), Einführung in die Demographie: Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsprozeß aus der Sicht der Statistik, Wiesbaden. Feichtinger, G. (1979), Demographische Analyse und populationsdynamische Modelle: Grundzüge der Bevölkerungsmathematik, Wien et al. Felder, S. (1996), Nachfrage nach medizinischen Leistungen in den letzten Lebensjahren, in: Zweifel, P./Felder, S. (Hrsg.), Eine ökonomische Analyse des Alterungsprozesses, Bern et al., S. 139-176. – (1997), Vom „Deficit Accounting“ zum „General Accounting“: Eine Anwendung für die Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik 133 (3), S. 497-512. – (2003), Kapitaldeckung in der gesetzlichen Krankenversicherung über den Risikostrukturausgleich, in: Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften 54 (1), S. 60-72. – (2006), Lebenserwartung, medizinischer Fortschritt und Gesundheitsausgaben: Theorie und Empirie, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 7 (s1), S. 49-73. – (2008), Im Alter krank und teuer? Gesundheitsausgaben am Lebensende, in: G+G Wissenschaft 8 (4), S. 23-30. Felder, S./Fetzer, S. (2007a), Die Gesundheitsreform – (Kein) Weg zur Entlastung zukünftiger Generationen?, in: Gesundheits- und Sozialpolitik 61 (7-8), S. 39-45. – (2007b), Kapitaldeckung in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Wer bezahlt den Übergang?, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 603-620. Felder, S./Kifmann, M. (2004), Kurz- und langfristige Folgen einer Bürgerversicherung, in: Cassel, D. (Hrsg.), Wettbewerb und Regulierung im Gesundheitswesen, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 44, Baden-Baden, S. 9-32. Felder, S./Meier, M./Schmitt, H. (2000), Health care expenditure in the last months of life, in: Journal of Health Economics 19 (5), S. 679-695.

Literaturverzeichnis

229

Fenge, R. (1995), Pareto-efficiency of the pay-as-you-go pension system with intragenerational fairness, in: Finanzarchiv 52 (3), S. 357-363. – (1997), Effizienz der Alterssicherung, Frankfurt am Main. Fenge, R./Werding, M. (2003), Ageing and the tax implied in public pension schemes: simulations for selected OECD countries, CESifo Working Paper, Nr. 841, München. Fetzer, S. (2005), Determinanten der zukünftigen Finanzierbarkeit der GKV: Doppelter Alterungsprozess, Medikalisierungs- vs. Kompressionsthese und medizinisch-technischer Fortschritt, Diskussionsbeiträge des Instituts für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Nr. 130/05, Freiburg. – (2006), Zur nachhaltigen Finanzierung des gesetzlichen Gesundheitssystems, Frankfurt am Main. Fetzer, S./Häcker, J./Hagist, C. (2005), (Teil-)Privatisierung mit sozialer Flankierung - Ein geeignetes Mittel zur langfristigen Sicherung der Gesundheits- und Pflegekosten?, Diskussionsbeiträge des Instituts für Finanzwissenschaft der Albert-LudwigsUniversität Freiburg im Breisgau, Nr. 125/05, Freiburg. Fetzer, S./Hagist, C. (2004), GMG, Kopfpauschalen und Bürgerversicherungen: Der aktuelle Reformstand und seine intergenerativen Verteilungswirkungen, in: Schmollers Jahrbuch 124 (3), S. 387-420. Fetzer, S./Hagist, C./Höfer, M. A. (2004), Nachhaltige Gesundheitsreformen?, Diskussionsbeiträge des Instituts für Finanzwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Nr. 124/04, Freiburg. Fetzer, S./Mevis, D./Raffelhüschen, B. (2003), Zur Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens. Eine Nachhaltigkeitsstudie zur marktorientierten Reform des deutschen Gesundheitswesens, Gutachten im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) e.V., Berlin. Fetzer, S./Moog, S./Raffelhüschen, B. (2002), Zur Nachhaltigkeit der Generationenverträge: Eine Diagnose der Kranken- und Pflegeversicherung, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 91 (3), S. 278-302. Fetzer, S./Raffelhüschen, B. (2005), Zur Wiederbelebung des Generationenvertrags in der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Freiburger Agenda, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 6 (2), S. 255-274. Fries, J. F. (1980), Aging, natural death, and the compression of morbidity, in: New England Journal of Medicine 303 (3), S. 130-135. – (1996), Physical activity, the compression of morbidity, and the health of the elderly, in: Journal of the Royal Society of Medicine 89 (2), S. 64-68. – (2005), The compression of morbidity, in: Milbank Quarterly 83 (4), S. 801-823. Fuchs, V. R. (1968), The growing demand for medical care, in: New England Journal of Medicine 279 (4), S. 190-195. – (1984), „Though much is taken“: reflections on aging, health, and medical care, in: Milbank Memorial Fund Quarterly / Health and Society 62 (2), S. 143-166. Garber, A. M./MaCurdy, T. E./McClellan, M. L. (1998), Medical care at the end of life: diseases, treatment patterns, and costs, NBER Working Paper, Nr. 6748, October 1998, Cambridge, MA.

230

Literaturverzeichnis

Gelijns, A./Rosenberg, N. (1994), The dynamics of technological change in medicine, in: Health Affairs 13 (3), S. 28-46. Goddeeris, J. H. (1984a), Insurance and incentives for innovation in medical care, in: Southern Economic Journal 51 (2), S. 530-539. – (1984b), Medical insurance, technological change, and welfare, in: Economic Inquiry 22 (1), S. 56-67. Grabka, M. M./Andersen, H. H./Henke, K.-D./Borchardt, K. (2003), Kapitaldeckung für die GKV? Zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen eines Umstiegs vom Umlage- auf das Kapitaldeckungssystem, in: Schmollers Jahrbuch 123 (2), S. 265-283. Grömling, M. (2004), Wirtschaftswachstum, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Perspektive 2050, Ökonomik des demographischen Wandels, Köln, S. 67-96. Gruenberg, E. M. (2005), The failures of success, in: The Milbank Quarterly 83 (4), S. 779-800. Grünheid, E. (2003), Junge Frauen in Deutschland: Hohe Ausbildung contra Kinder?, in: BiB-Mitteilungen 24 (1), S. 9-15. GVG (2006), Hrsg., Auswirkungen des medizinisch-technischen Fortschritts: Entwicklung von Bewertungskriterien – Stellungnahme des GVG, Informationsdienst, Nr. 317, Köln. – (2008), Der medizinisch-technische Fortschritt zwischen Gesundheitschancen und Kosteneffekten, Schriftenreihe der GVG, Band 61, Bonn. Haufler, A. (2004), Welche Vorteile bringt eine Pauschalprämie für die Finanzierung des Gesundheitswesens?, in: Schmollers Jahrbuch 124 (4), S. 539-556. Heigl, A. (2002), Aktive Lebenserwartung: Konzeptionen und neuer Modellansatz, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 35 (6), S. 1-9. – (2003), Roadmap zur Kapitaldeckung in der Gesetzlichen Krankenversicherung, 25. September 2003, München. Henke, K.-D. (1997), Die Zukunft der Gesundheitssicherung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 216 (4+5), S. 478-497. – (2005), Was ist uns die Gesundheit wert? Probleme der nächsten Gesundheitsreform und ihre Lösungsansätze, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 6 (1), S. 95-111. – (2007), Zur Dualität von GKV und PKV, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 502-528. Henke, K. D./Borchardt, K. (2003), Capital funding versus pay-as-you-go in health-care financing reconsidered, in: CESifo DICE Report – Journal for Institutional Comparisons (3), S. 3-8. Henke, K. D./Grabka, M. M./Borchardt, K. (2002), Kapitaldeckung, auch im Gesundheitswesen? Auf dem Wege zu einer ordnungspolitischen Erneuerung der Krankenversicherung, in: Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften 10 (3), S. 196-210. Henke, K. D./Johannßen, W./Neubauer, G./Rumm, U./Wasem, J. (2002), Zukunftsmodell für ein effizientes Gesundheitswesen in Deutschland, München.

Literaturverzeichnis

231

Henke, K. D./Reimers, L. (2007), Zum Einfluss von Demographie und medizinischtechnischem Fortschritt auf die Gesundheitsausgaben, in: Ulrich, V./Ried, W. (Hrsg.), Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen; Theorie und Politik öffentlichen Handelns, insbesondere in der Krankenversicherung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Eberhard Wille, Baden-Baden, S. 735-753. Henman, B./Voigtländer, M. (2004), Unzureichende Berücksichtigung der Kindererziehung als Ursache der Rentenkrise, in: Wirtschaftsdienst 84 (3), S. 166-173. Herzog-Kommission (2003), Bericht der Kommission „Soziale Sicherheit“ zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, Berlin. Hill, P. B./Kopp, J. (2000), Fertilitätsentwicklung: Trends, Erklärungen und empirische Ergebnisse, in: Mueller, U./Nauck, B./Dieckmann, A. (Hrsg.), Handbuch der Demographie 2, Berlin et al., S. 729-750. Hirte, G. (2000), Struktur der impliziten Steuersätze der Gesetzlichen Rentenversicherung, in: ifo Studien 46 (3), S. 315-334. Hirte, G./Weber, R. (1997), Pareto improving transition from a pay-as-you-go to a fully funded system – is it politically feasible?, in: Finanzarchiv 54 (3), S. 303-330. Hof, B. (2001), Auswirkungen und Konsequenzen der demographischen Entwicklung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, Gutachten im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungsgesellschaft e.V. und des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V., Köln. Hogan, C./Lunney, J./Gabel, J./Lynn, J. (2001), Medicare beneficiaries‘ costs of care in the last year of life, in: Health Affairs 20 (4), S. 188-195. Höhn, C. (1999), Die demographische Alterung: Bestimmungsgründe und wesentliche Entwicklungen, in: Höhn, C./Grünheid, E. (Hrsg.), Demographische Alterung und Wirtschaftswachstum, Opladen, S. 9-32. – (2000), Mortalität, in: Mueller, U./Nauck, B./Dieckmann, A. (Hrsg.), Handbuch der Demographie 2, Berlin et al., S. 751-781. Homburg, S. (1988), Theorie der Alterssicherung, Berlin et al. – (1990), The efficiency of unfunded pension schemes, in: Journal of Institutional and Theoretical Economics 146 (4), S. 640-647. – (2001), Kapitaldeckung und demographische Änderung, Mimeo, Hannover. Homburg, S./Richter, W. F. (1989), Eine effizienzorientierte Reform der GRV, in: Felderer, B. (Hrsg.), Bevölkerung und Wirtschaft, Berlin, S. 183-191. Jacobs, K. (2003), Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bürgerversicherung versus Kopfpauschale. Alternative Finanzierungsgrundlagen für die Gesetzliche Krankenversicherung, Bonn, S. 7-21. Jacobs, K./Schellschmidt, H. (2002), Äquivalenz, Leistungsfähigkeit und Solidarität – Konturen einer GKV-Finanzierungsreform, in: G+G Wissenschaft 2 (3), S. 15-22. Kifmann, M. (2002), Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung durch Kopfbeiträge aus verfassungsökonomischer Sicht, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 71 (4), S. 505-512. Klein, R. (2004), Ansparen von Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung?, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 73 (4), S. 510-521.

232

Literaturverzeichnis

Klein, T. (1999), Soziale Determinanten der aktiven Lebenserwartung, in: Zeitschrift für Soziologie 28 (6), S. 448-464. Klein, T./Unger, R. (1999), Aktive Lebenserwartung in der Bundesrepublik, in: Das Gesundheitswesen 61 (4), S. 168-178. Klose, J./Schellschmidt, H. (2001), Finanzierung und Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, Einnahmen- und ausgabenbezogene Gestaltungsvorschläge im Überblick, Bonn. Knappe, E. (1995), Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Gesundheitssektor, in: Oberender, P. (Hrsg.), Transplantationsmedizin: Ökonomische, ethische, rechtliche und medizinische Aspekte, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 23, Baden-Baden, S. 11-41. – (2000), Demographischer Wandel, medizinischer Fortschritt, europäische Integration, in: Die BKK (12), S. 527-533. Knappe, E./Arnold, R. (2002), Pauschalprämie in der Krankenversicherung: Ein Weg zu mehr Effizienz und mehr Gerechtigkeit, Gutachten im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Juni 2002, München. – (2003), Pauschalprämien zur Kassenfinanzierung: Kein Rückschritt für Familien, in: Gesundheit und Gesellschaft 6 (3), S. 54-58. Knappe, E./Hörter, S. (2001), Notwendige Reformschritte in der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 50 (3), S. 311-322. Knappe, E./Optendrenk, S. (2000), Reform des Gesundheitswesens bleibt aktuell, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 35-36, S. 23-29. Knappe, E./Rubart, T. (2001), Auswirkungen des demographischen Wandels: Gesetzliche Pflege- und Krankenversicherung im Vergleich, in: Schmähl, W./Ulrich, V. (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, Tübingen, S. 95-120. Kostorz, P./Schnapp, F. E. (2006), Der Bevölkerungswandel in Deutschland und seine Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme, in: Gesundheits- und Sozialpolitik 60 (9/10), S. 18-33. Kotlikoff, L. J./Hagist, C. (2005), Who's going broke?, NBER Working Paper, Nr. 11833, December 2005, Cambridge, MA. Krämer, W. (1997), Hippocrates und Sisyphus - Die modere Medizin als das Opfer Ihres eigenen Erfolges, in: Kirch, W./Kliemt, H. (Hrsg.), Rationierung im Gesundheitswesen, Regensburg, S. 7-19. Kreyenfeld, M. (2003), Crisis or adaptation – reconsidered: a comparison of East and West German fertility patterns in the first six years after the ‚Wende‘, in: European Journal of Population 19 (3), S. 303-329. Kruse, A. (2002), Demographische Umgestaltung der Gesundheitsversorgung, in: Politische Studien 53 (2), S. 136-154. Kühn, H. (2004), Demographischer Wandel und demographischer Schwindel: Zur Debatte um die gesetzliche Krankenversicherung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik (6), S. 742-752.

Literaturverzeichnis

233

Langer, B./Pfaff, A. B./Pfaff, M. (2003), Kopfprämien zur Finanzierung der GKV? Eine gesundheitspolitische Bewertung, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Bürgerversicherung versus Kopfpauschale. Alternative Finanzierungsgrundlagen für die Gesetzliche Krankenversicherung, Bonn, S. 23-33. Lauterbach, K. W./Stock, S. (2001), Zwei Dogmen der Gesundheitspolitik: Unbeherrschbare Kostensteigerungen durch Innovation und demographischen Wandel? Gutachten und Thesenpapier für den Gesprächskreis Arbeit und Soziales der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Lauterbach, K. W./Stock, S./Evers, T. (2001), Einfluss einer Strukturreform und Prävention auf die Finanzierbarkeit des deutschen Gesundheitssystems, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 50 (3), S. 323-336. Lippe, P. M. von der (1996), Wirtschaftsstatistik, Amtliche Statistik und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 5. Auflage, Stuttgart. Lubitz, J. D./Beebe, J./Baker, C. (1995), Longevity and medicare expenditures, in: New England Journal of Medicine 332 (15), S. 999-1003. Lubitz, J. D./Prihoda, R. (1984), The use and costs of medicare services in the last two years of life, in: Health Care Financing Review 5 (3), S. 117-131. Lubitz, J. D./Riley, G. F. (1993), Trends in medicare payments in the last year of life, in: New England Journal of Medicine 328 (15), S. 1092-1096. Ludwig, B. (2008), Rentenreform und Kapitalmarktrendite im demografischen Wandel, Schriftenreihe volkswirtschaftlicher Forschungsergebnisse, Band 139, Hamburg. Mackenroth, G. (1952), Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 4, Berlin. Männer, L. (1973/74), Überlegungen zum optimalen Finanzierungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung, in: Finanzarchiv 32 (2), S. 244-257. Matthes, J./Römer, C. (2004), Kapitalmärkte, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Perspektive 2050, Ökonomik des demographischen Wandels, Köln, S. 293-319. McGrail, K./Green, B./Barer, L./Evans, R. G./Hertzman, C./Normand, C. (2000), Age, cost of acute and long-term care and proximity to death: evidence for 1987-88 and 1994-95 in British Columbia, in: Age and Aging 29 (3), S. 249-253. McGuire, A. (2006), Response: the case for risk-based premiums in health care insurance, in: Health Economics, Policy and Law 1 (2), S. 189-193. Meinhardt, V./Schulz, E. (2003), Kostenexplosion im Gesundheitswesen?, in: DIWWochenbericht 70 (7), S. 105-109. Mertgen, F. (2009), Sachanlagen: unangefochtener Inflationsschutz, in: Focus-Money (15), S. 6. Meyer, U. (2001), Mehr Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung durch Übertragbarkeit der Alterungsrückstellung, Arbeitspapier für die VVG-Reformkommission, 25. September 2001, Bamberg. Michel, J.-P./Robine, J.-M. (2004), A „new“ general theory of population ageing, in: The Geneva Papers on Risk and Insurance 29 (4), S. 667-678. Miles, D. (1999), Modelling the impact of demographic change on the economy, in: Economic Journal 109 (452), S. 1-36.

234

Literaturverzeichnis

Miles, D./Timmermann, A. (1999), Risk sharing and transition costs in the reform of pension systems in Europe, in: Economic Policy 14 (29), S. 251-286. Moog, S./Raffelhüschen, B. (2006), Sozialpolitisch motivierte Umverteilungsströme in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Eine empirische Analyse, Studie des Forschungszentrums Generationenverträge im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, April 2006, Freiburg. Mueller, U. (2000), Die Maßzahlen der Bevölkerungsstatistik, in: Mueller, U./Nauck, B./Dieckmann, A. (Hrsg.), Handbuch der Demographie 1, Berlin et al., S. 1-91. Nell, M./Rosenbrock, S. (2008), Wettbewerb in kapitalgedeckten Krankenversicherungssystemen: Ein risikogerechter Ansatz zur Übertragung von Alterungsrückstellungen in der Privaten Krankenversicherung, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 9 (2), S. 173-195. Neumann, M. J. M. (1998), Ein Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Renten ist das Gebot der Stunde, in: Wirtschaftsdienst 78 (5), S. 259-264. Newhouse, J. P. (1977), Medical-care expenditure: a cross-national survey, in: Journal of Human Resources 12 (1), S. 115-125. – (1992), Medical care costs: how much welfare loss?, in: Journal of Economic Perspectives 6 (3), S. 3-21. Nguyen, T. (2000), Alterssicherung, gesamtwirtschaftliche Kapitalbildung und demographischer Wandel, Göttingen. Niehaus, F. (2006a), Alter und steigende Lebenserwartung: Eine Analyse der Auswirkungen auf die Gesundheitsausgaben, Köln. – (2006b), Auswirkungen des Alters auf die Gesundheitsausgaben, Diskussionspapier des Wissenschaftlichen Instituts der PKV, Nr. 5/06, Köln. – (2008), Prognose des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung, Köln. Nocera, S. (1996), Alterung und Gesundheit, in: Zweifel, P./Felder, S. (Hrsg.), Eine ökonomische Analyse des Alterungsprozesses, Bern et al., S. 61-99. Oberdieck, V. (1998), Beitragssatzexplosion in der gesetzlichen Krankenversicherung? Demographische und medizintechnische Determinanten der Beitragssatzdynamik und ihre reformpolitischen Implikationen, Hamburg. Oberender, P./Felder, S./Ulrich, V./Schneider, U./Werblow, A./Zerth, J. (2006), Bayreuther Versichertenmodell. Der Weg in ein freiheitliches Gesundheitswesen, Bayreuth. O'Connell, J. M. (1996), The relationship between health expenditures and the age structure of the population in OECD countries, in: Health Economics 5 (6), S. 573-578. Okunade, A. A./Murthy, V. N. R. (2002), Technology as a ‚major driver‘ of health care costs: a cointegration analysis of the Newhouse conjecture, in: Journal of Health Economics 21 (1), S. 147-159. Pfaff, A. B./Pfaff, M./Kern, A. O./Langer, B. (2003), Auswirkungen verschiedener Modellvarianten von Kopfpauschalen auf die Finanzierung von Krankenversicherungsleistungen in Deutschland, Augsburg-Stadtbergen. Pfaff, M. (1994), Können wir uns die soziale Krankenversicherung in Zukunft noch leisten?, in: Arbeit und Sozialpolitik 48 (9/10), S. 19-32.

Literaturverzeichnis

235

Polder, J. J./Bonneux, L./Meerding, W. J./van der Maas, P. J. (2002), Age-specific increases in health care costs, in: European Journal of Public Health 12 (1), S. 57-62. Postler, A. (2002), Finanzierungsalternativen in der Gesetzlichen Rentenversicherung und Pflegeversicherung. Zur Diskussion um das Kapitaldeckungsverfahren und ihre Lehren für die Gesetzliche Krankenversicherung, Ausgewählte volkswirtschaftliche Diplomarbeiten der Fakultät 3 – Wirtschaftswissenschaft der Gerhard-MercatorUniversität Duisburg, Nr. 36, Duisburg. – (2003), Modellrechnungen zur Beitragssatzentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung, Diskussionsbeiträge der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Nr. 298, Februar 2003, Duisburg. Postler, A./Sundmacher, T. (2006), Ageing and health care expenses: Institutional influences on the causalities, in: Health and Ageing 15 (10), S. 5-10. – (2007), Institutions and age related health care costs: The case of the German SHI, in: Pravartak 2 (2), S. 144-151. Prognos (1998), Auswirkungen veränderter ökonomischer und rechtlicher Rahmenbedingungen auf die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland, DRV-Schriften, Band 9, Frankfurt am Main. Pütz, C. (2004), Krankensparkonten aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Versicherten, Korreferat zum Beitrag von Ronny Klein: „Ansparen von Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung?“, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 73 (4), S. 522-527. Ramroth, H./Specht-Leible, N./Brenner, H. (2005), Hospitalisations before and after nursing home admission: a retrospective cohort study from Germany, in: Age and Aging 34 (3), S. 291-294. Ramroth, H./Specht-Leible, N./König, H.-H./Mohrmann, M./Brenner, H. (2006), Inanspruchnahme stationärer Krankenhausleistungen durch Pflegeheimbewohner, in: Deutsches Ärzteblatt 103 (41), S. 2710-2713. Reschke, P./Jacobs, K. (1994), GKV-Ausgabenprofile nach Alter und Geschlecht 1995, Gutachten im Auftrag des Bundesversicherungsamtes, Berlin. Ried, W. (2006a), Demographischer Wandel, medizinischer Fortschritt und Ausgaben für Gesundheitsleistungen: Eine theoretische Analyse, Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionspapiere der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald, Nr. 09/2006, November 2006, Greifswald. – (2006b), Gesundheitsausgaben für Überlebende und Verstorbene im demographischen Wandel: Der Einfluss des medizinischen Fortschritts, Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionspapiere der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der ErnstMoritz-Arndt-Universität Greifswald, Nr. 10/2006, Dezember 2006, Greifswald. – (2007a), Altersspezifische Gesundheitsausgaben im demografischen Wandel: Welche Rolle spielt der medizinische Fortschritt, in: Ulrich, V./Ried, W. (Hrsg.), Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen; Theorie und Politik öffentlichen Handelns, insbesondere in der Krankenversicherung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Eberhard Wille, Baden-Baden, S. 807-830. – (2007b), Medizinisch-technischer Fortschritt und altersspezifische Gesundheitsausgaben, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 636-659.

236

Literaturverzeichnis

Rodrig, S./Wiesemann, H.-O. (2004), Der Einfluss des demographischen Wandels auf die Ausgaben der Krankenversicherung, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 93 (1), S. 17-46. Roppel, U. (1987), Die Auswirkungen auf das System sozialer Sicherung: Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung unter dem Druck der Bevölkerungsentwicklung, in: Der Bürger im Staat 37 (3), S. 169-181. Rosenbrock, R. (2007), Primärprävention als Beitrag zu einer zukunftsfähigen Gesundheitspolitik, in: Ulrich, V./Ried, W. (Hrsg.), Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen; Theorie und Politik öffentlichen Handelns, insbesondere in der Krankenversicherung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Eberhard Wille, Baden-Baden, S. 713-734. Rürup, B. (1986), Die Auswirkungen der langfristigen Bevölkerungsentwicklung auf die gesetzlichen Krankenkassen, in: Die Krankenversicherung 38 (9), S. 245-248. – (2007), Was kostet Gesundheit 2030?, in: Gesundheit und Gesellschaft 10 (3), S. 22-29. Rürup, B./Liedtke, P. M. (1998), Umlageverfahren versus Kapitaldeckung, in: Cramer, J.-E./Förster, W./Ruland, F. (Hrsg.), Handbuch zur Altersversorgung, Frankfurt am Main, S. 779-798. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005), Koordination und Qualität im Gesundheitswesen, Stuttgart. – (2009), Koordination und Integration – Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft des längeren Lebens, Sondergutachten 2009, Bonn. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (1996), Reformen voranbringen, Jahresgutachten 1996/97, Stuttgart. – (2000), Chancen auf einen höheren Wachstumspfad, Jahresgutachten 2000/01, Wiesbaden. – (2002), Zwanzig Punkte für Beschäftigung und Wachstum, Jahresgutachten 2002/03, Stuttgart. – (2004), Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland, Jahresgutachten 2004/ 05, Berlin. – (2007), Das Erreichte nicht verspielen, Jahresgutachten 2007/08, Wiesbaden. – (2008), Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, Jahresgutachten 2008/ 09, Wiesbaden. Salas, C./Raftery, J. P. (2001), Econometric issues in testing the age neutrality of health care expenditure, in: Health Economics 10 (7), S. 669-671. Samuelson, P. A. (1958), An exact consumption-loan model of interest with or with-out the social contrivance of money, in: Journal of Political Economy 66 (6), S. 467-482. Sauerland, D. (2002), Gesundheitspolitik in Deutschland, Reformbedarf und Entwicklungsperspektiven, Gütersloh. Schäfer, H./Seyda, S. (2004), Arbeitsmärkte, in: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.), Perspektive 2050, Ökonomik des demographischen Wandels, Köln, S. 97-120. Scherf, W. (1997), Langfristige Sicherheit der Renten: Eine sozialpolitische Illusion?, Arbeitspapier des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen, Nr. 48, Gießen.

Literaturverzeichnis

237

Schmähl, W. (1981), Über den Satz „Aller Sozialaufwand muß immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden“: Methodische und dogmenhistorische Anmerkungen zur „Belastung“ in einer Volkswirtschaft durch Nichterwerbstätige und durch Sozialabgaben, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 26, S. 147-171. – (1986), Bevölkerungsentwicklung und soziale Sicherung. Auswirkungen demographischer Veränderungen auf die soziale Sicherung im Alter, bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Ein Überblick, in: Felderer, B. (Hrsg.), Beiträge zur Bevölkerungsökonomie, Berlin, S. 169-238. – (1992), Zum Vergleich von Umlageverfahren und kapitalfundierten Verfahren zur Finanzierung einer Pflegeversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Senioren, Stuttgart. – (2001), Umlagefinanzierte Rentenversicherung in Deutschland – Optionen und Konzepte sowie politische Entscheidungen als Einstieg in einen grundlegenden Transformationsprozeß, in: Schmähl, W./Ulrich, V. (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, Tübingen, S. 123-204. – (2002), Leben die „Alten“ auf Kosten der „Jungen“, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 35 (4), S. 304-314. Schnabel, R. (1998), Rates of return of the German pay-as-you-go pension system, in: Finanzarchiv 55 (3), S. 374-399. Schnabel, R./Ottnad, A. (2008), Gesetzliche und private Altersvorsorge: Risiko und Rendite im Vergleich, Köln. Schnabel, R./Raffelhüschen, B./Miegel, M. (1998), Renditen der gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zu alternativen Anlageformen, Frankfurt am Main. Scholz, R./Maier, H. (2003), German unification and the plasticity of mortality at older ages, MPIDR Working Paper, Nr. 2003-031, Rostock. Schramm, A. (1996), Altern und Gesundheit aus der Sicht der Geriatrie, in: Oberender, P. (Hrsg.), Alter und Gesundheit, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 26, Baden-Baden, S. 11-28. Schreyögg, J. (2003), Medical Savings Accounts, Baden-Baden. – (2005), Medical Savings Accounts als kapitalgedecktes Finanzierungssystem: Eine Chance für die deutsche GKV?, in: RPG 11 (3), S. 58-68. Schreyögg, J./Busse, R. (2004), „Medical Savings Accounts“ (MSAs) – Ein Modell auch für Deutschland?, in: Die BKK 92 (6), S. 230-236. Schulenburg, J.-M. von der/Kleindorfer, P. R. (1986), Wie stabil ist der Generationenvertrag in der sozialen Krankenversicherung? Zum Problem der Gerechtigkeit und Akzeptanz intergenerativer Umverteilung, in: Gäfgen, G. (Hrsg.), Ökonomie des Gesundheitswesens, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 159, Berlin, S. 413-434. Schulz, E./König, H.-H./Leidl, R. (2000), Auswirkungen der demographischen Alterung auf den Versorgungsbedarf im Krankenhausbereich: Modellrechnungen bis zum Jahre 2050, in: DIW-Wochenbericht 67 (44), S. 739-759. Schulz, E./Leidl, R./König, H.-H. (2004), The impact of ageing on hospital care and long-term care – the example of Germany, in: Health Policy 67 (1), S. 57-74.

238

Literaturverzeichnis

Seshamani, M./Gray, A. M. (2004a), Ageing and health-care expenditure: the red herring argument revisited, in: Health Economics 13 (4), S. 303-314. – (2004b), A longitudinal study of the effects of age and time to death on hospital costs, in: Journal of Health Economics 23 (2), S. 217-235. Shapiro, I./Shapiro, M. D./Wilcox, D. W. (2001), Measuring the value of cataract surgery, in: Cutler, D. M./Berndt, E. R. (Hrsg.), Medical care output and productivity, National Bureau of Economic Research studies in income and wealth, Chicago, S. 411-437. Siebert, H. (1997), Umlageverfahren versus Kapitaldeckungsverfahren in der Alterssicherung, Kieler Arbeitspapier, Nr. 817, Juni 1997, Kiel. – (1998), Pay-as-you-go versus capital-funded pension systems: the issues, in: Siebert, H. (Hrsg.), Redesigning social security, Tübingen, S. 3-33. Sinn, H.-W. (2000), Why a funded pension system is needed and why it is not needed, in: International Tax and Public Finance 7 (4-5), S. 389-410. – (2001), The value of children and immigrants in a pay-as-you-go pension system, in: ifo Studien 47 (1), S. 77-94. – (2003), Das demographische Defizit: Die Fakten, die Folgen, die Ursachen und die Politikimplikationen, in: ifo Schnelldienst 56 (5), S. 20-36. – (2004), The pay-as-you-go pension system as fertility insurance and an enforcement device, in: Journal of Public Economics 88 (7-8), S. 1335-1357. Sinn, H.-W./Thum, M. (1999), Gesetzliche Rentenversicherung: Prognosen im Vergleich, in: Finanzarchiv 56 (1), S. 104-135. Sinn, H.-W./Übelmesser, S. (2000), Wann kippt Deutschland um?, in: ifo Schnelldienst 53 (28-29), S. 20-25. – (2002), Pensions and the path to gerontocracy in Germany, in: European Journal of Political Economy 19 (1), S. 153-158. Sinn, H.-W./Werding, M. (2000), Rentenniveausenkung und Teilkapitaldeckung, in: ifo Schnelldienst 53 (3), S. 12-25. Sommer, B. (2001), Entwicklung der Bevölkerung bis 2050: Ergebnisse der 9. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder, in: Wirtschaft und Statistik (1), S. 22-29. – (2003), Bevölkerungsentwicklung bis 2050: Annahmen und Ergebnisse der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, in: Wirtschaft und Statistik (8), S. 693-701. Spillman, B. C./Lubitz, J. D. (2000), The effekt of longevity on spending for acute and long-term care, in: New England Journal of Medicine 342 (19), S. 1409-1415. Spremann, K. (1984), Intergenerational contracts and their decomposition, in: Zeitschrift für Nationalökonomie/Journal of Economics 44 (3), S. 237-253. Statistisches Bundesamt (2003), Bevölkerung Deutschlands bis 2050, 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden. – (2006a), 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung – Annahmen und Ergebnisse, Wiesbaden.

Literaturverzeichnis

239

– (2006b), Bevölkerung Deutschlands bis 2050 – 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden. – (2006c), Bevölkerung Deutschlands bis 2050 – Ergebnisse der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden. – (2007), Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 1.1, Natürliche Bevölkerungsbewegung, Wiesbaden. – (2008a), Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 1.1, Natürliche Bevölkerungsbewegung, Wiesbaden. – (2008b), Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie 1, Reihe 1.2, Wanderungen, Wiesbaden. – (2008c), Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine und abgekürzte Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2004/2006, Wiesbaden. Stearns, S. C./Norton, E. C. (2004), Time to include time to death? The future of health care expenditure predictions, in: Health Economics 13 (4), S. 315-327. Steinmann, L./Dittrich, G./Karmann, A./Zweifel, P. (2004), Measuring and comparing the (in)efficiency of German and Swiss hospitals, in: The European Journal of Health Economics 5 (3), S. 216-226. Steinmann, L./Telser, H./Zweifel, P. (2007), Aging and future healthcare expenditure: a consistent approach, in: Forum for Health Economics & Policy 10 (2), S. 1041-1041. Terhorst, E. (2000), Wahlfreiheit und Wettbewerb in der Privaten Krankenversicherung: Versicherungstechnische Grundlagen, vorhandene Beschränkungen und reformpolitische Lösungsansätze, Berlin. Thum, M./von Weizsäcker, J. (2000), Implizite Einkommensteuer als Messlatte für die aktuellen Rentenreform, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 1 (4), S. 453-468. Townley, P. G. C. (1981), Public choice and the social insurance paradox: a note, in: Canadian Journal of Economics 14 (4), S. 712-717. Ulrich, R. E. (2005), Demographic change in Germany and implications for the health system, in: Journal of Public Health 13 (1), S. 10-15. Ulrich, V. (2001a), Alters- und Fortschrittseffekte auf die Nachfrage nach medizinischen Leistungen: Einige Anmerkungen zum Problem der langfristigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, in: Michaelis, W. (Hrsg.), Der Preis der Gesundheitspolitik, Wissenschaftliche Analysen, Politische Konzepte, Perspektiven der Gesundheitspolitik, Landsberg/Lech, S. 26-45. – (2001b), Demographische Alterung und medizinischer Fortschritt: Mehr als ein potentieller Sprengsatz für die GKV?, in: Schmähl, W./Ulrich, V. (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, Tübingen, S. 23-43. – (2003), Demographische Effekte auf Ausgaben und Beitragssatz der GKV, Wirtschaftswissenschaftliche Diskussionspapiere der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth, Nr. 09-03, Juni 2003, Bayreuth. – (2006), Ökonomische Aspekte des technischen Fortschritts in der Medizin, in: Rebscher, H. (Hrsg.), Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politikberatung, Heidelberg, S. 191-207.

240

Literaturverzeichnis

Ulrich, V./Felder, S./Schneider, U./Werblow, A. (2005), Stärkung der Nachhaltigkeit in der Finanzierung des Versicherungsschutzes der GKV-Versicherten, Gutachten im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Oktober 2005, Bayreuth/Magdeburg. Ulrich, V./Schneider, U. (2007), Prognosen der Beitragssatzentwicklung in der GKV: Was lässt sich aus langfristigen Szenarien lernen?, in: Ulrich, V./Ried. W. (Hrsg.), Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen; Theorie und Politik öffentlichen Handelns, insbesondere in der Krankenversicherung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Eberhard Wille, Baden-Baden, S. 777-795. Unger, R. (2006), Trends in active life expectancy in Germany between 1984 and 2003: a cohort analysis with different health indicators, in: Journal of Public Health 14 (3), S. 155-163. United Nations (1998), World population prospects, 1998 revision, New York. – (2000), Replacement Migration, New York. Van De Ven, W. (2006), Response: the case for risk-based premiums in health care insurance, in: Health Economics, Policy and Law 1 (2), S. 195-199. Verbrugge, L. M. (1984), Longer life but worsening health? Trends in health and mortality of middle-aged and older persons, in: Milbank Memorial Fund Quarterly/ Health and Society 62 (3), S. 475-519. Viebrok, H./Dräther, H. (1999), Alterssicherung auf der Grundlage von Sicherheit, Rentabilität und sozialer Verantwortung, Berlin. Wagner, G. (2000), Perspektiven der Alterssicherung, in: Hauser, R. (Hrsg.), Die Zukunft des Sozialstaats, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 271, Berlin, S. 113-166. Walter, U./Schwartz, F. W./Seidler, A. (1997), Typology of illness in aging – consequences for prevention concepts, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 30 (1), S. 10-17. Wasem, J./Greß, S./Rothgang, H. (2003), Kopfprämien in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Eine Perspektive für die Zukunft? Expertise für die Hans-BöcklerStiftung, Abschlussbericht, Essen/Bremen. – (2004), Kopfprämien in der Gesetzlichen Krankenversicherung: Eine Perspektive für die Zukunft? Aktualisierte und erweiterte Expertise für die Hans-Böckler-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung, Essen/Fulda. Wasem, J./Hessel, F./Greß, S. (2004), Generationengerechtigkeit und Krankenversicherung, in: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), Generationengerechtigkeit: Inhalt, Bedeutung und Konsequenzen für die Alterssicherung, Jahrestagung 2003 des Forschungsnetzwerkes Alterssicherung (FNA) am 4. und 5. Dezember in Erfurt, DRV-Schriften, Band 51, Februar 2004, Bad Homburg, S. 117-124. Weikard, H.-P. (2004), A rights-egalitarian pay-as-you-go pension system, in: Schmollers Jahrbuch 124 (3), S. 355-369. Werblow, A./Felder, S./Zweifel, P. (2007), Population ageing and health care expenditure: a school of ‚red herrings‘?, in: Health Economics 16 (10), S. 1109-1126. Werding, M. (1998), Zur Rekonstruktion des Generationenvertrags, Ökonomische Zusammenhänge zwischen Kindererziehung, sozialer Alterssicherung und Familienleistungsausgleich, Tübingen.

Literaturverzeichnis

241

– (1999), Umlagefinanzierung als Humankapitaldeckung: Grundrisse eines erneuerten „Generationenvertrages“, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 218 (3+4), S. 491-511. – (2005), Generationengerechtigkeit und Gesellschaftsvertrag, in: Leschke, M./Pies, I. (Hrsg.), Wissenschaftliche Politikberatung: Theorien, Konzepte, Institutionen, Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft, Band 75, Stuttgart, S. 207-226. Wiesner, G. (2001), Der Lebensverlängerungsprozess in Deutschland: Stand – Entwicklung - Folgen, Berlin. Wille, E. (2002), Reformoptionen der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: G+G Wissenschaft 2 (3), S. 7-14. – (2004), Die Reform der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Widerstreit der Meinungen, in: Sodan, H. (Hrsg.), Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Grundrechte der Leistungserbringer, Vorträge im Rahmen der 1. Berliner Gespräche zum Gesundheitsrecht am 16./17. Juni 2003, Schriften zum Gesundheitsrecht, Band 1, Berlin, S. 71-88. Wille, E./Cassel, D./Ulrich, V. (2009), Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und des Arzneimittelmarktes, Beiträge zum Gesundheitsmanagement, Band 27, BadenBaden. Wille, E./Rürup, B. (2004), Zwei Köpfe für eine Pauschale, in: Gesundheit und Gesellschaft 7 (7-8), S. 20-25. Yang, Z./Norton, E. C./Stearns, S. C. (2003), Longevity and health care expenditures: the real reasons older people spend more, in: Journal of Gerontology: Social Sciences 58B (1), S. 2-10. Zweifel, P. (1990), Bevölkerung und Gesundheitswesen: Ein Sisyphus-Syndrom?, in: Felderer, B. (Hrsg.), Bevölkerung und Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 202, Berlin, S. 373-386. – (1993), Technischer Fortschritt und Gesundheitswesen, in: Wirtschaftspolitische Blätter (6), S. 570-577. – (2003), Medical innovation: a challenge to society and insurance, in: Geneva Papers on Risk and Insurance 28 (2), S. 194-202. – (2007), Das Sisyphus-Syndrom im Gesundheitswesen: Neue Evidenz, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 227 (5+6), S. 660-678. Zweifel, P./Breuer, M. (2002), Weiterentwicklung des deutschen Gesundheitssystems, Zürich. – (2003), Plädoyer für risikogerechte Prämien in der Krankenversicherung, in: Wirtschaftsdienst 83 (2), S. 85-88. – (2006a), The case for risk-based premiums in public health insurance, in: Health Economics, Policy and Law 1 (2), S. 171-188. – (2006b), Reply to our critics, in: Health Economics, Policy and Law 1 (2), S. 201-202. Zweifel, P./Felder, S./Meier, M. (1996), Demographische Alterung und Gesundheitskosten: Eine Fehlinterpretation, in: Oberender, P. (Hrsg.), Alter und Gesundheit, Gesundheitsökonomische Beiträge, Band 26, Baden-Baden, S. 29-46.

242

Literaturverzeichnis

– (1999), Ageing of population and health care expenditure: a red herring?, in: Health Economics 8 (6), S. 485-496. Zweifel, P./Felder, S./Werblow, A. (2004), Population ageing and health care expenditure: new evidence on the „red herring“, in: Geneva Papers on Risk and Insurance 29 (4), S. 652-666. Zweifel, P./Ferrari, M. (1992), Is there a Sisyphus syndrome in health care?, in: Zweifel, P./Frech III., E. H. (Hrsg.), Health Economics Worldwide, Developments in Health Economics and Public Policy Series, Bosten et al., S. 311-330. Zweifel, P./Steinmann, L./Eugster, P. (2005), The Sisyphus syndrome in health revisited, in: International Journal of Health Care Finance and Economics 5 (2), S. 127-145.

Sachwortregister Aaron-Bedingung 178 f. Allokationseffizienz 30 Altenquotient 45 ff., 50 ff., 82 f., 104, 109 Altersstruktur 38, 45, 47, 50, 60, 62, 104 f., 113, 144, 210 Altersstruktureffekt 68, 82 ff., 86, 104, 106, 108 f., 114 ff., 119, 135, 210 Alterungsrückstellungen 186 f., 194 f., 201 ff., 205 f., 211 Äquivalenzfaktor 57 f. Äquivalenzprinzip 202, 205 Arbeitsangebot ௅ endogen 181 ௅ exogen 180 f., 183 f. Arbeitsmarktineffizienz 182 f. Ausgabendämpfung 26, 147 f. Ausgabeneffekt, demographisch 59 f., 68, 79, 86, 104, 126, 135, 192 Ausgabenprofil 42, 61, 63, 68 ff., 82 ff. 86 ff., 94 f., 100 f., 103, 113, 121 f., 127 f., 130, 134, 137, 208 Außenwanderungen 45, 49 Beitragsbemessungsgrenze 201 Beitragsbemessungsgrundlage 29, 35, 56, 78 f., 104, 131 ff., 205 Beitragssatzentwicklung 30, 35, 52, 54, 58 f., 82, 85, 104, 137, 144, 146, 159, 207, 210 Beitragssatzprognosen 30 f., 34, 54, 81 Beitragssatzstabilität 23, 30 Belastungsgrenze 194, 204 Bevölkerung ௅ stabil 44 ௅ stationär 44 Bevölkerungsentwicklung ௅ natürliche 37 f., 45, 48 ௅ räumliche 45 Bevölkerungsvorausberechnung 36, 47 ff., 104, 119, 124

Bundeszuschuss 33, 156 Bürgerversicherung 32 f., 151 CM-Modell 87, 102 f., 119, 121 ff., 129 ff., 134 ff., 139 ff., 144 f. COM-Modell 87, 103, 125 f., 129 ff., 134 ff., 139 ff., 145 ff. Doppelbelastung 179 f. Drei-Säulen-Reformmodell (PIARA) 202 Einführungsgeneration 179, 188 f. Einkommenselastizität der Nachfrage 30 EOM-Modell 87, 100, 104 ff., 110, 112 ff., 119 f., 122 ff., 130 f., 133 ff., 139 ff., 148 f. Finanzierungseffekt, demographisch 59 f., 78 ff., 133, 148, 152, 192 Freifahrerverhalten 203 Geburtenrate ௅ altersspezifische 38 f., 44 ௅ rohe 37 Geburtenziffer, zusammengefasste 39 f., 48 Generationenbilanzierung 152 Generationenvertrag 152, 154, 159 f., 163, 178, 201, 204 Gesundheitsfonds 33 Hauptleistungsbereiche 88 f., 105 ff., 113 ff. Herzog-Kommission 151 Humankapitalinvestitionen 160 ff. Kapitaldeckungsverfahren 152 ff., 159 f., 163 ff., 177 ff., 188 ff., 197 ff., 203 f., 206, 211

244

Sachwortregister

Kapitalmobilität, vollkommene 169 Kapitalstock 154, 163, 170, 173 ff., 179, 181, 187 ff., 200, 203 ff. Kassenwahlfreiheit, materielle 187 Kompensationshypothese 62 Kompensationszahlung 180 f. Kompressionsthese 71, 75 f., 78, 82 ff., 86 f., 101, 103, 126 ff., 131, 134, 142, 145, 209 f. Kopfpauschalenmodell 33 Krankenhaustage 64 f., 91 ff., 100 Lebenserwartung 23, 34, 42 ff., 48 ff., 68 f., 71, 73 ff., 78, 82 f., 101, 105, 109, 119, 121, 124 f., 127 f., 174, 195, 208 f. Mackenroth-These 155, 170 Medikalisierungsthese 70 ff., 75, 78, 83 f., 136, 209 f. Medizinisch-technischer Fortschritt 30 ff., 34, 54 f., 60, 74 ff., 78, 80 ff., 85, 133, 137 ff., 175, 188, 190, 192 f., 195, 200 ff., 204, 207, 209 Mitversicherung, beitragsfreie 111, 193 Modell überlappender Generationen 55, 153, 175 Morbiditätseffekt 70, 82 ff., 86 f., 135 f. Multimorbidität 76 f., 82 Nachhaltigkeit 32, 152, 200 f., 205, 212 Nettoreproduktionsrate 43 f. Newhouse-Conjecture 81 Pareto ௅ besser 176 ௅ effizient 176, 178 f., 181, 184 ௅ superior 180 ௅ verbessernd 180 f., 183 ff., 206 Pauschalprämie 142 f., 147 ff., 194, 200, 202, 204, 210 f. Pauschalprämienentwicklung 111, 210 f. Pauschalprämiensystem 80, 152, 191, 195, 198, 202, 204, 206

Polarisierungsthese 40 Produktinnovation 54, 81, 85, 137 Prognose, naive 62 Prognosefehler 70, 87, 123 ff., 139 ff., 146, 149 f., 209 Prozessinnovation 81, 85 Realkapitalinvestitionen 160 Rentenniveau 56 ff., 79, 131 ff., 143 f., 157 ff., 162 ff., 169 f. Rentnerquotient 46, 56 ff., 131 Restlebenszeiteffekt 63, 66 f., 70, 73, 83 f., 86 Risikostrukturausgleich (RSA) 26, 42, 61, 87 f., 90 f., 111, 126, 134, 208 Rürup-Kommission 32, 151 Sisyphus-Syndrom 82 Solidarausgleich 202, 204, 206 Solidarfaktor, intergenerativer 57 f. Solidarprinzip 57, 79, 187, 201 Staatsschuld 180 ff. Standardansatz 62, 68, 70, 84, 87, 90, 100, 119, 124 ff., 131, 135, 139, 142 f., 146, 149 f. Status-quo-Prognose 62 Sterbekosten 54 f., 59 f., 63 ff., 70, 84, 86, 90, 95 ff., 103 f., 123 ff., 128, 134 ff., 144 ff., 149 f., 207 ff. Sterbekostenansatz 69 f., 84 f., 87, 102, 125 f., 129, 135, 141, 149 Sterbekostenmodell 94 ff., 136, 208 f. Sterbekostenparadoxon 125 Steuersatz, implizit 182 f. STTR-Modell 87, 101, 103, 112 ff., 133, 136 Subventionsbedarf der KVdR 30 f. Symptomschwelle 72 ff., 76, 126 f. Symptomschwere 72 ff., 76 Teilhabeäquivalenz 163, 184 Teilkapitaldeckung 201, 203 Todesschwelle 72 ff., 76, 126 f. Transaktionskosten 167, 200, 203 Transfers, intergenerative 192, 198 f. Übergangsproblem 185, 187 f., 191 f., 200, 206

Sachwortregister Umlageverfahren 23, 34, 44, 56, 151 ff., 175, 177 ff., 188, 199, 201, 203, 206, 211 Umverteilung ௅ intergenerationale 164 ௅ intragenerationale 163 f., 183 Versichertenkreis 33, 151 f., 202, 205 Verzinsung ௅ interne 157 ff., 165, 178, 184 ௅ biologische 158, 161 f.

Volkswirtschaft ௅ geschlossene 155, 169 ff., 181 ௅ große offene 169 ௅ kleine offene 169, 180 ff., 184 Wettbewerb 138, 174, 192, 201 ff. Zeithorizont ௅ endlich 178, 188 ff. ௅ unendlich 179, 188 f. Zusatzlast 182 f. Zusatzbeitrag 24, 33

245