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German Pages 636 [648] Year 1870
Ms-erne Zweifel
am christlichen Glauben.
Moderne Zweifel am christlichen Glauben für ernstlich Suchende erörtert
von
Dr. Theodor Christlieb, ort». Professor der Theoloqic und UniDcrfitöt^prcbiflcr in Bonn.
Zweite erweiterte Auflage.
Bonn, Verlag von Adolph Marcus.
Das Recht der Übersetzung ist Vorbehalten.
Vorwort. Die vom Jahr 1866 bis 1868 in einzelnen Heften
veröffentlichte und bloß für die Schweiz bestimmte Sepa
ratausgabe dieser Borträge, die Frucht apologetischer Vor lesungen, die ich zuerst in kleinerem Umfang in der City
von London als dortiger deutscher Pastor und dann in er weiterter Gestalt im Winter 1865—66 als Stadtpfarrer von Friedrichshafen in St. Gallen hielt auf Einladung
der dortigen evang. Gesellschaft, erscheint hier dem Wunsche Vieler gemäß in einer überarbeiteten Gesammtausgabe für das deutsche Publicum.
Daß hiebei Einzelnes mehr
nur dem localen Interesse der Schweiz Dienende wegblieb, war ebenso geboten, als daß andrerseits die religiösen Zu stände und
Bedürfnisse Deutschlands gründlicher berück
sichtigt wurden.
Es mußte daher namentlich der erste
Vortrag bedeutend erweitert werden; und daß hiebei einige kurze Streifblicke auch auf die kirchlichen Verhältnisse Eng
lands fielen, wird manchem Leser nicht unwillkommen sein. Jin Uebrigen ist das Ganze mehr in systematischen Zu
sammenhang gebracht, durch Gliederung der umfangreichen
früheren Hefte in einzelne Gruppen die Uebersichtlichkeit er
leichtert, dem Zeitbedürfniß in seinen neusten Entwicklungs phasen Rechnung getragen und hiebei auch die wachsende apo-
IV
Vorwort.
logetische Literatur, unter der ich besonders das „System der christlichen Apologetik" von Delitzsch (Leipzig 1869) gern bemerkte, so weit nöthig, berücksichtigt, da und dort benützt,
dabei aber auch, wie ich hoffe, bereichert worden.
Denn
es stünde um die wissenschaftliche Bertheidignng des christ lichen Glaubens, wie um jede andere Wissenschaft, ebenso
schlimm, wenn sie immer nur Neues zu bieten suchte, als
wenn sie stets nur Bekanntes wiederholte. — Von den drei Hauptquellen moderner Zweifel am
christlichen Glauben: Philosophie, historische Kritik und Naturwissenschaft ist hier die Erste und ungefähr die Hälfte
der Zweiten d. h. die kritische Auffassung der evangelischen Geschichte und des Urchristenthums in der Weise behandelt, daß sich Alles um den unsern ganzen Glauben tragenden
Mittelpunkt, die biblisch-christliche Gottesidee, herum lagert, zu der die ersten Abschnitte über Vernunft und Of fenbarung und über die nichtbiblischen Gottesbegriffc den Weg bahnen, während die folgenden über das Wunder und
die Hauptangriffsobjecte der wunderscheuen historischen Kritik
dieselbe zur Voraussetzung und Basis haben.
Daß bei dem
Abschnitt über Vernunft und Offenbarung das Verhält
niß von Offenbarung und h. Schrift nicht mit herbeige zogen wurde, hat seinen Grund einmal darin, daß ich die
Scheidung (nicht bloß Unterscheidung) der Begriffe „Offen
barung" und „Schriftinspiration", welche die ältere Ortho
doxie als Wechselbegriffe behandelte, für einen wirklichen Fortschritt der neueren Dogmatik halte, wenn gleich auch heute noch nach populärer Vorstellung Offenbarung und
h. Schrift ziemlich dasselbe bedeuten.
Sodann habe ich auch
von Anfang an mir Vorbehalten, die Inspiration der h.
Schrift sammt den speciellen kritischen Fragen über Aechtheit und Glaubwürdigkeit der einzelnen Bücher der Schrift,
sowie die Einwürfe der Naturwissenschaft gegen die bib-
V
Vorwort.
lische Lehre von der Schöpfung, Sündfluth,
im Universtlm
Erde
Stellung der
des Menschenge
und Abstammung
schlechts in einem späteren zweiten Cyclus von Bor
gesondert
trägen
zu behandeln,
dessen Ausarbeitung ich,
soweit es die schweren Anforderungen meines neuen Amtes
gestatten werden, wenigstens im Auge behalte.
Bei der reichlich aufsprossenden
tischen Literatur unsrer Tage
und
dort Stimmen laut
populären apologe
hört man freilich schon da
werden,
es sei dieser Art von
theologischer Arbeit nun genug und das Zeitbedürfniß be Solche seien daran erinnert,
friedigt.
daß verglichen mit
dem breiten Strom der Literatur des Unglaubens die apo
logetischen Erscheinungen doch immer noch ein kleines Bäch
daß z. B. allein das Leben Jesu von Renan
lein bilden,
in mehr Exemplaren verbreitet ist, als sämmtliche apologe
tische Schriften der letzten zehn Jähre zusammen, daß die Eine „Gartenlaube" in etwa dreimal mehr Häuser Zugang
findet
sämmtliche
als
evangelisch
kirchliche Zeitschriften
Deutschlands zusammen, und daß überhaupt der Unglaube
seine
vermeintlichen Entdeckungen
in
rasch sich folgenden
Auflagen durch unzählige Canäle sofort unter das gesammte
gebildete und
halbgebildete Publicum zu
bringen
weiß,
während es der Vertheidigungswissenschaft noch immer an Organen fehlt,
um über die theologisch kirchlichen Kreise
hinaus ein Wort zu reden.
Und doch wird heute eine all-
gcmeinere, in die unteren und oberen Schichten der Gesell schaft vordringende Vertheidigung
wendiger.
England,
Denn
mit jedem Tage noth
während früher, als nach
einander
in
dann in Frankreich und endlich in Deutschland
sich Zweifel
und Einwürfe
gegen das
christliche Dogma
erhoben, dem angreifenden Theil die Last des Beweises
zufiel, hat sich jetzt das Verhältniß umgekehrt, so daß nach ziemlich allgemeiner Meinung derjenige beweisen soll,
der
VI
Vorwort.
noch glaubt. ganz
Dazu
sind die vielen kleineren, für einen
speciellen Zweck verfaßten apologetischen Schriftchen,
wie die Erfahrung lehrt,
die umfassenderen,
fast alle sehr kurzlebig, dagegen
den ganzen Kreis der heutigen Streik
punkte behandelnden noch keineswegs
zahlreich.
das niederere Volk berechneten aber,
so gute Dienste sie
in manchen Kreisen thun mögen, befriedigen
Die fär
das Bedürf
niß der Gebildeten keineswegs, da der mit den Gründen
der Gegner näher Bekannte bei dem oft zu mühelos er rungenen Sieg bald fühlt, daß die Schlacht eigentlich noch
gar nicht geschlagen ist. Wohl
haben
berufene
Apologeten,
wie namentlich
Luthardt in seinen weit verbreiteten „apologetischen Bor
trägen über die Grundwahrheiten des Christenthums" auch zu den Gebildeten gesprochen.
manche Laien gefunden,
Indessen habe ich doch auch
denen
die Abfertigung
einzelner
Cardinalfragen, wie der über Vernunft und Offenbarung, über die philosophischen, besonders den pantheistischen Gottes
begriff,
über das Wunder und dergl. mit einigen kurzen
Bemerkungen, so sehr sie auch den Kern der Sache treffen mochten, nicht völlig genügten.
Ich habe daraus erkannt,
daß denn doch ein über die bisherigen apologetischen Leistun gen noch hinausliegendes Bedürfniß da und dort vorhanden ist.
Und eben diesem
möchte ich durch eingehendere Be
handlung jener Grundfragen entgegenkommen.
und Bedürfniß ist eben sehr verschieden. und dies ist die Mehrzahl —
wollen
Geschmack
Die Einen —
in
diesen Fragen
alles möglichst kurz zusammengedrängt; für sie war seither schon ziemlich hinreichend gesorgt.
Andere aber, wenn auch
unter den Laien nicht sehr Viele,
nehmen
sich Zeit
Mühe zu genauerer Verfolgung der Streitfragen.
und
Ihnen
möchten die folgenden Blätter dienlich sein.
Diese Vorträge wollen
also
nicht populär sein
im
VII
Vorwort.
weitesten Sinne des Wortes.
Ihre Addresse geht an die
tiefer und ernster Suchenden unter
den Gebildeten, nicht
an die halb, sondern an die wirklich Gebildeten und
an logisches Denken Gewöhnten, an deren wissenschaftliche
Fassungskraft denn auch öfters ziemlich hohe Anforderungen gemacht werderi.
Doch habe ich nrich ebenso bemüht, ihnen
allgemein verständlich zu bleiben,
als zugleich die wissen
schaftliche Grundlage des Ganzen zu
wahren, und hoffte,
hiedurch auch Studenten wenigstens zur vorläufigerl Orientirung
in den brennendsten theologischen Fragen der Ge
genwart nützlich werden zu können.
— Ich habe daher
auch, zugleich um den Zusammenhang mit der ersten Aus
gabe deutlicher festzuhalten,
die ursprüngliche Form des
Vortrags nicht ganz aufgeben wollen, sie aber doch öfters
zurücktreten lassen müssen. arbeitung
mußten
schon um der Zeit
so
Denn bei wiederholter Durch
manche beim
willen
mündlichen Vortrag
nothwendige Lücken
ausgefüllt
werden, daß der Umfang sich weit über den einzelner Vor
lesungen hinaus erweiterte. — Das Bewußtsein, daß hinter dem christlichen Glauben
auch eine gläubige Wissenschaft steht, ist heute unsrem Volke, zumal den Gebildeten,
durch die tägliche Speise einer in
der Regel glaubensfeindlichcn Presse mehr und mehr ab
handen gekommen.
Bei einem auf Hebung der Erkennt
nißschätze in allen Gebieten des Wissens vor Andern an
gelegten Volke, beim Volk der Denker,
wie wir Deutsche
uns gern nennen lassen, ist dieses Symptom sicherlich ein besonders bedenkliches.
In solchem Volk jenes Bewußt
sein neu zu wecken und zn stärken, ihm immer auf's Neue, immer tiefer und klarer
zn zeigen, daß in Christo „ver
borgen liegen alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß",
daß
der Unglaube,
weil gegen Christus, auch gegen die
Wahrheit, und weil gegen
die Wahrheit,
auch gegen die
VIII
Vorwort.
Wissenschaft ist, thut darum besonders Noth, und doppelt
so in einer Zeit, in der es immer deutlicher an der Tag
tritt, daß alle „Fragen", von denen sie in geistiger, volitischer und socialer Hinsicht bewegt wird, sich schließlich auf lösen müssen in die Eine christliche Frage.
An dieser Aufgabe der Apologetik wollte ich in meinem
bescheidenen Theil mitarbeiten. so mehr bestrebt,
Ich habe mich hiebci um
auch das in den Ansichten der Gegner
Wahre und Berechtigte überall anzuerkenuen, als
ich eben dies in den apologetischen Schriften sehr häufig vermißte,
und doch der Irrthum,
der
ja stets eine Mi
schung von Wahrheit und Lüge ist, nicht überwunden werden kann, so lange die in ihm enthaltenen Wahrheitselemente
nicht
als
werden.
solche anerkannt
sorgfältig
und
ausgeschieden
Auf der andern Seite war ich aber auch bemüht,
mich vor dem Schlagen falscher Bermittlungsbrücken zwischen Christenthum und moderner Bildung, wie dies heute zum
inneren Schaden beider von einer bekannten Partei ver sucht wird, streng zu hüten und nach keiner Seite hin die Ecken dem Eckstein abznschleifen.
lich
Ich mußte daher die sitt
religiösen Grundbedingungen
zur
Annahme unseres
Glaubens ohne Scheu überall durchblicken lassen, und durfte der von den Gegnern neuerdings immer ungescheuter an
gefochtenen Unterscheidung
von
„Gläubigen und Ungläu
bigen" auch nicht ein Körnlein ihres vollen Gewichtes neh
men.
Hier den von der Schrift
klar und scharf festge
haltenen Unterschied zu verwischen und die bestimmte Farbe
in bloße Nüance abzuschwächen, ist ein trauriges Zeichen
sittlich religiöser Schlaffheit und Verschwommenheit.
Ist
hier kein durchgreifender Unterschied, so gibt's überhaupt keinen, und ist von jeher aller Streit umsonst geführt worden! Die ächte Apologetik kann von diesem Unterschied nicht
lassen, aber eben deßhalb auch
nicht erwarten, daß durch
IX
Vorwort.
ihre Dienste die Welt int Kroßen und Ganzen sich werde zuin Klauben zurückführcn lassen.
Geistig sittliche Dinge
lassen sich ja nicht mathematisch
beweisen; noch weniger
göttliche Wahrheiten.
Der,
welcher gesagt:
„meine Ge
danken sind nicht eure Gedanken", hat in sein Thun und seine Worte eine viel höhere Logik gelegt, als jene ist, die
Aristoteles erfunden hat.
kann man
Zur Annahme seiner Wahrheiten
ans
deßhalb Niemand
logischem Wege
bloß
zwingctt, am Wenigsten Diejettigcn,
welche nicht glauben
wollen und darum das Können nie ernstlich untersuchen.
Schott zu mündlichen apologetischen Borträgett kommen Letz
tere nach uteiner Erfahrung selten. Theil der Zuhörer besteht dabei aus
Der weitaus größere
kirchlich Gläubigen;
und sic sind auch die hauptsächlichen Leser apologetischer
Schriften.
Sie suchen darin Waffen, nm gegen die Ein
würfe des Unglaubetis,
die ihnen auf Schritt und Tritt
bcgcgncit, gerüsteter zn sein,
oder auch sich vor sich selbst
klarere Rechenschaft von ihrem Glauben geben zu können. viel von den Un
Aber auch wenn solche Schriften, ohne
gläubigen beachtet zn werden, Glauben
Stehenden
nur
Waffen
den
ohnehin
darrcichen
im zum
guten Kampf und ihren Glaubctt stärken, so ist dies eine
schöne Frucht und ein großer Dienst, der der Kirche Christi
geschieht. So sei denn attch diese Arbeit dem Herrn übergeben,
daß er sie unter Freund
und Feind, die ich im Uebrigen
auf das Schlußwort verweise, mit seinem Segen begleite,
und dadurch wo nicht viele Zweifler zum Glauben zurück,
doch manche Glaubende tiefer
in die Erkentttniß der Un
erschütterlichkeit ihres Klaubens führe, und damit auch die Hoffnung auf den einstigen Sieg desselben in ihnen stärke.
Uns und unsre Waffen braucht ja der Herr zu seinem Siege
nicht.
Er, der die Wahrheit selber ist,
ist in sich selbst
X
Vorwort.
nicht bloß Grund und Gegenstand,
sondern
auch Beweis
unsres Glaubens und vollgenügende Bürgschaft seines Sieges. Aber glauben
lernen an diesen Sieg müssen die
Seinen, und dann am Meisten,
wenn die Zeitläufte ihn
immer mehr in Frage zu stellen scheinen.
Ihr Glaube an
den Sieg ist der Anfang des Siegs! Bonn, den 18. Oktober 1869.
Der Verfasser.
Inhalt. I.
Die gegenwärtige Kluft Mischen Sildung un- Chri stenthum ................................................................S. 1—77 1. Ursachen dieser Kluft. Geschichtliche S. 3—9; modern wissenschaftliche 9—13; kirch liche: in der römischen Kirche; in der protestantischen; in der
kirchl. Theologie 13—21; kirchlich politische 22—26; politische 27—29; sociale 30; sittliche 31—33.
2.
Gegenwärtige Tiefe und Weite dieser Kluft. Blick in die evang. Kirchen; in die römisch kath. Länder; in die Schulen, niedere und höhere 34—37; in die Literatur und Tagespresse 38—41; der Unglaube in England 41—43.
3.
Läßt sich diese Kluft noch ausfüllen? Das Christenthum als Quelle und Träger aller wahren Bil dung:- sein eigenthümliches Wesen 44—48: das Wesen der
Bildung; Einheit beider in Zweck und Ziel 49—52; historischer
Nachweis dieser Einheit; unsre germanische Cultur und Sitte
eine Frucht des Evang. 53—62; praktisches Resultat 63—64. —
Unsre heutige Ausgabe: falscher und wahrer Weg zu ihrer Lö sung 65—69; Versöhnung der Gegensätze ein besonderes Be
dürfniß und
ein besonderer
Beruf der germanischen Völker
nach Anlage und Geschichte 69—72; Aussicht auf die Ausfül lung der Kluft 73 —77.
II. Vernunft und Offenbarung
S. 78—147
Woraus schöpfen wir unsre Erkenntniß Gottes 78—79.
1. Die natürliche GotteSerkenntniß. Die Vernunft: ihr Recht; ihr Wesen; Grenze ihrer Erkenntniß nach Philosophie und Schrift; ihr jetziger Zustand; Erkenntniß
quelle oder Erkenntnißvermögen? 80—87;
ihre geschichtlichen
Leistungen in Religion und Philosophie als Beweis ihrer Un-
Inhalt.
XII
Zulänglichkeit 87—92; die Naturforschung 93. — Das Gewissen:
sein Wesen und Inhalt 94—97; seine geschichtlichen Verirrungen als Beweis für die Nothwendigkeit der Offenbarung 97—100.
Das sittlich-religiöse Bedürfniß; die Schuld und der sittliche Dualismus 101 - 106. 2.
Die übernatürliche Gotteserkenntniß. Die Offenbarung : ihr Wesen und Gegenstand: ihre innern Ge
setze 106—11'1. Einwendungen gegen ihren specifischen Werth 111 — 112; gegen ihre Nothwendigkeit, Lessing und „die Er ziehung des Menschengeschlechts", Unmöglichkeit der Vervollkomm nung der Religion über das Christenth. hinaus 113—120. — Möglichkeit der Offenbarung, positive Andeutungen 121—123; Einwürfe von Strauß, Grimm, Schenkel, Rousseau 124—127. —
Erkennbarkeit der Offenbarung, Einwürfe von Kant, Fichte, Lessing 128—133; ihre Thatsächlichkeit 133—135.
3.
Verhältniß der übernatürlichen Gotteserkenntniß zur na türlichen. Falscher Gegensatz von Glaube und Wissen: alles Wissen be
dingt durch ein Glauben 136—139. Unmöglichkeit der Ent gegensetzung von Offenbarung und Vernunft; Nothwendigkeit
der Leitung, Normirung, Ergänzung der Vernunft durch die Offenbarung; der Glaube als höchste Vernunft; Unterordnung der Vernunft unter die Offenbarung; die Offenb. als Leuchte und Norm des Gewissens: die morgenländischen Weisen
140- 147.
III. Die neueren nichttnbttschen Gottesbegriffe
S. 148—225
Der heutige Stand der Controverse über den Gottesbegriff. Mannigfaltigkeit der nichtbiblischen Gottesbegriffe, ihre Grund formen 148—151.
1.
Der Atheismus. Sein geschichtliches Auftreten; die „Göttin der Vernunft"; deutsche Gottesleugner 151 - 153. Ethnologische Allgemeinheit
und psychologische Nothwendigkeit der Gottesidee; die unmittel bare Gottesgewißheit 154—156. Unmöglichkeit des Beweises, daß Gott nicht ist, Anmaßung und Unfruchtbarkeit des Atheis
mus 156-157. 2.
Der Materialismus. Sein Princip und geschichtl. Auftreten; seine wissenschaftliche Schwäche 158—161. Prüfung seiner Hauptsätze: Beweis, daß die sinnliche Wahrnehmung nicht die einzige Quelle unsrer Er
kenntniß; Laura Bridgmann 162—164;
Beweis, daß alles
Geistige nicht bloße Thätigkeit und Wirkung der Materie; Ver hältniß von Gehirn und Gedanke, specifischer Unterschied des menschlichen Seelenlebens vom thierischen; warum bringt es das
Inhalt.
XII
Thier nicht zu Begriffen und Ideen? die sittlich-religiöse An lage; der Geist; das Selbstbewußtsein 164—169. Die Conse quenzen des Materialismus für Religion und Erziehung, seine
Aufhebung aller Moral durch Leugnung der Willensfreiheit; seine Wahrheitselemente 169 - 174.
3.
Der Pantheismus. Sein Princip u. Zusammenhang mitdemPolytheism. 175—176.
Spinoza, Hegel 176 - 177. — Wissenschaftliche Unhaltbarkeit des Pantheismus a. von philosophisch-logischer Seite: unbewiesene
Voraussetzungen
und innere Widersprüche des Gottesbegriffs
Spinoza» und Hegel's 178 -181; woher unsre Persönlichkeit? Persönlichkeit keine Beschränktheit, sondern eine Nothwendigkeit für das Absolute 181—185. b. von kosmologischer Seite: der kosmolog. Beweis für Gottes Dasein; der teleologische 185—188; Stützen desselben von Seiten der neueren Natur wissenschaft, der Widerspruch einer bewußtlosen Weisheit, der thierische Instinkt. Zeugniß der Weltgeschichte 188—194. —
c. von Seiten der Religionsgeschichte: allgemeiner Zug nach persönlicher Fassung der Götter 195 -197. — d. von Seiten der Moral und Religion: woher das Gewissen, das Sittengesetz, das relig. Bewußtsein s Nothwendigkeit der Persönlichkeit Gottes für die moralische Weltordnung 197—199; Leugnung
der Freiheit, Aufhebung der Moral, Vernichtung der sittl. Per sönlichkeit des Menschen durch den Pantheismus 199—201. Resultat 202.
4.
Wahrheitselemente des Panth. 202—204.
Der Deismus und Rationalismus. Sein Princip und geschichtliches Austreten 204—206. Seine wissenschaftliche Unhaltbarkeit und Unvernunft, Halbheiten und Inkonsequenzen 207—208. a. theologische Gegengründe: Gott verliert dadurch seine Göttlichkeit 209—211. — b. kosmologische:
die Kreatur verliert dadurch ihre kreatürliche Abhängigkeit; sie wird zur Schranke für Gott; die moderne Naturwissenschaft als
scheinbare Stütze des Deismus 212—217. — c. moralische: die sittliche Welt verliert dadurch ihren Halt und Nerv; Werthlosigkeit des deistischen Gottes; A. Schweizer 218—221. Irra
tionalität des Rationalismus
222; seine Wahrheitselemente
223—225.
IV. Mrr biblisch-christliche Gottesbegriff
2.226—317
1. Der biblische Theismus. Ausschließung der Irrthümer des Atheismus, Materialismus, Pantheismus, Deismus und Rationalismus 226—229; die Gottesnamen Elohim und Jehova 229—231; Vereinigung aller
Wahrheitselemente der nichtbiblischen Gottesbegriffe 232—235.
Der
biblische Theismus
a.
nach seiner
innern
Wahrheit,
Inhalt.
XIV
Gott als Geist, Liebe, Vater 235—240.
- b. nach seiner Ver
nünftigkeit 241—243. — v. nach seiner Schönheit, Jehova Ze baoth, heilige Liebe 243—247. — Die Gottes unwürdig sein
sollenden Anschauungen des alten Test.: sein herablassender Um
gang mit den ersten Menschen; der „Parttculargott" Israels; über 2 Mos. 3, 21- 22; Ausrottung der Kananiter; die Rache
psalmen 248—255.
2.
Der christlich-trinitarische Gottesbegriff.
Kirchliche Fassung dieses Dogmas, ihre Mängel; Einheit und Vielheit Gottes nach der Schrift 256—259. — A. die Schrift zeugnisse: a. vom Vater 260—261. — b. vom Sohne: Selbst
zeugniß Christi über seine Wesensgleichheit mit dem Vater: ab hängige Stellung dem Vater gegenüber; ob Gleichewigkeit oder bloße Vorzeitlichkeit 261— 267. Die apostolischen Bestimmungen
über das Verhältniß des Sohnes zum Vater; der Streit, über ideale oder persönliche Präexistenz Christi, Beyschlag; Abhängig keit vom Vater, vermittelndes Verhältniß des Sohnes zwischen Gott und der Welt, Wesenseinheit und persönlicher Unterschied vom Vater 268—275. — C. vom h. Geist: seine auf Persön
lichkeit deutenden Eigenschaften
und Werke:
Unterschied
von
unsrem Geist; Wesenseinheit mit Gott 276—280. — d. von
der Trinität im Ganzen:
Tausbesehl und s. f.;
Streit über
Wesens- und Ofsenbarungstrinität 281—286. — Trinitarische
Andeutungen im A. Test. 286—291. — Gemeinsame Wirk samkeit vom Vater, Sohn und Geist; Abwehr der Dreigötterei;
Resultat;
Rückblick auf die Kirchenlehre 292—296. — B.
Wissenschaftliche Stützpunkte der Trinitätslehre, a. religionsge-
schichtliche: die Götterdreiheit in den heidnischen Religionen;
innere Leere des abstracten Monotheismus
297—300. — b.
theologische und kosmolog. Vortheile der trinit. Gottesanschau ung 3ol—302. — c. spekulative Gründe aus dem Selbstbe wußtsein und der Liebe Gottes 303—306. — d. Analogien aus
dem menschl. Wesen und Denken, aus der sinnlichen Welt und
Natur 306—310.
—
e. Die Trinitätsidee in der neuern
Philosophie, Schlüssel zum Verständniß der letzten Welträthsel
311—313.
Nothwendigkeit der Annahme des trinit. Glaubens;
eine Frage an's Gewissen 314—317. —
V. Die moderne Leugnung des Wunders .
.
S. 318—391
Wunder — der größte Anstoß für den Geist unsrer Zeit; Blick auf die Consequenzen der Wunderleugnung, Vernichtung jeder Re
ligion, der fittlichen Persönlichkeit des Menschen; fundamentale Bedeutung der Frage 318—323.
1.
Begriff und Möglichkeit des Wunders.
a. Begriff desselben, seine Hauptmomente, Namen und Arten
Inhalt.
XV
324—328. — b. Ursprung der Wunderleugnung 328—332. —
c.
Voraussetzung
theoretische
und
derselben
Grundirrthum
333—334. — d. Möglichkeit des Wunders; ob „Durchlöcherung
Fortdauer der Naturgesetze trotz
des Naturzusammenhangs" ?
der Wunder; Einordnung des Wunderproducts in den Naturlaus 335—344; Steigerungsfähigkeit der natürl. Kräfte; Macht und
Freiheit
ob Wunder eine „Nachhilfe"
Gottes;
für die Welt
345-347.
2.
Nothwendigkeit und geschichtliches Austreten des Wunders. nicht die
Der innere Zweck der Wunder — ein Heilszweck;
Natur,
sondern die
Unnatur des
Verderbens durchbrechend;
Herstellung der ursprüngl. Ordnung; nothwendig zur Erlösung
und Vollendung der Welt 347 -351.
sein pädagogischer Zweck;
Gebiet des Wunders;
Begleitung und Bekräftigung
der
Offenbarung 352—354. — Stufenmäßiges Auftreten des Wun ders; Christus das zweite große Wunder nach der Schöpfung.
Geschichte des Wunders; seine innere Gesetzmäßigkeit 355—359. —
Erkennbarkeit des wahren Wunders. Thatsächlichkeit der Schrift Spinoza's und
Einwendungen
wunder.
Resultat
Hume's.
359—366.
3.
Einige besonders angefochtene Schriftwunder. Der Stillstand der
Der redende Esel Bileams 367—370. —
Sonne unter Josua 370—374. — Die Himmelfahrt des Elia 374 — 378. — Jona im Bauch des Fisches 378—382.
4.
Die Frage nach der Fortdauer der Wunder. Gründe für das Zurücktreten derselben; Unterschied der kirchen gründenden und kirchenerhaltenden Epoche 382—383. des
Wunders
in
der
neuern
Missionsgeschichte
Auftreten 384—386.
Krankenheilungen und Gebetswunder 387—388. — Wunder
führt zu noch
leugnung
durch
Lebensverbindung
größeren Räthseln;
mit
dem
Wunder
zu überwinden Wunder
aller
389—391.
VI. Die modernen wunderscheuen Darstellungen des Le bens IesU S. 392—514 Concentrirung der neuern Theologie um die christologische Frage; verschiedene Wege zur Rationalisirung des Lebens Jesu;
ihre
Einheit
und
Leugnung des
in
Wunders;
Rationalismus
Mythicismus 392—397.
1.
Die rationalistische Darstellung des Lebens Jesu. Ihr Princip;
Dr. Paulus; Aehrenlese rationalistischer Exegese
398—400; ihre Willkür und Unnatur; vergebliche Auswege ;
verfehltes Princip und falscher Maßstab;
Unmöglichkeit der
Loslösung
evang.
des
Uebernatürlichen von der
Geschichte
400—406. *
Inhalt.
XVI
2.
Dr. Schenkels Charakterbild Jesu. Seine Behandlung der Evang.; widerspruchsvolle Willkür der selben 407—410 ;
Leugnung der Gottheit Christi;
wurf der Lebensentwicklung Jesu 411—415;
sein Ent
seine Erklärung
der Wunder Jesu bald rationalistisch, bald mythisch 416—419. Willkürliche Behandlung der Reden Jesu; woher das messianische
Bewußtsein Jesu?
wie wenig Schenkel es erklärt 420 - 424.
Krankhafte Sucht, Entwicklung in Jesu nachzuweisen 425—426. —
vr.Keirn's „Geschichte Jesu von Nazara" 427—429. - Schenkels
Herabsetzung der sittl. Würde Jesu;
sein täuschender Erlöser
begriff ; relig. Bewußtsein Jesu nicht erklärt 430—433.
gogische
Tendenz
Parteistandpunkt
und
seiner
Dema
Darstellung
434-436.
3.
Das Leben Jesu von Strauß. Ursprung des Mythicismus; Strauß.
Princip
Grohmann, der Vorläufer von
Das Leben Jesu von 1835; Entstehung der Mythen; Verfahren
und
von Strauß hiebei;
Gegenschriften
436—442. — Das Leben Jesu für das Deutsche Volk 1864; seine Grundtendenz und Anordnung 442 - 444.
Rest des Lebens Jesu 445 - 450. 450—451.
der Darstellung.
Form
Der geschichtl.
Proceß der Mythenbildung Kritik
der Evangelien
452—455. — Prüfung des Werks: sein Pantheist. Grundprincip, Leugnung
vorausgesetzte
alles
Uebernatürlichen
456—459-
Mythe nur Mittel zur Entfernung des Wunders; unhistorijche Willkür seines Verfahrens; Prüfung seiner Methode 460—463. — Untersuchung der Möglichkeit der Entstehung der Mythen - der
Boden des Mythus; sein Charakter, Gepräge, Bildungsproceß
463-466.
Unmöglichkeit der Erfindung des Christusbildes
467. Historische Schwierigkeiten der Mythenhypothese: Verhalten
der Gegner, der ersten Gemeinden 468—470; Zeugniß Pauli
als Bestätigung der Wunderberichte der Evang., ihr bescheidenes
Maß 471—473.
—
Prüfung der
Ansicht von der Person
Christi: pantheistische Menschwerdung Gottes; der ideale Christus
statt des historischen; verkehrte Unterordnung Christi unter die
Menschheit 473—477. ohne Wunder?
Rabbi?
Woher der Glaube an Jesu Messianität
die Mythenbildung um
den bloß menschlichen
woher die höhere Anschauung Christi von sich selbst?
478—481.
Strauß' Angriff
Achillesferse seiner
auf
die
Geschichtsconstruction;
des Mythicismus 482—485.
Sündlosigkeit
Jesu;
optische Täuschung
Entstehung der
christl. Kirche
nicht erklärt 486-488.
4.
Das Leben Jesu von Renan. Entstehung und Charakter des Buchs; seine Skizze des Lebens
Jesu; 3 Perioden der öffentl. Wirksamkeit 489—494.
Legen-
XVII
Inhalt. den von Wundern Jesu; Auferweckung des Lazarus; Rolle der Frauen 495—497. — Prüfung dieser Darstellung; Leugnung
der Sündlosigkeit Jesu. Periodisirung
Verkehrung der Geschichte; willkürliche
498—501.
Renan's
ausmalende
Phantasie;
falsche Schminke der Darstellung. Unfähigkeit zu einem Historiker;
schillernde
Schreibart.
Grundmangel:
Verdunklung des sitt
lichen Bewußtseins 501—506. — Schluß: wessen die Wunderscheuen uns beschuldigen.
Ihr Be
kenntniß von Christo und der Glaube der Kirche; ihr Aufgeben
des Christenthums 506—509.
Wissenschaftliche Schwäche und
Unhaltbarkeit der wunderscheuen Auffassung als Ergebniß. dennoch an ihr zu lernen ist.
Was
Aufgabe der kirchlichen Christo
logie 509—514. —
VII. Die moderne Leugnung der Auferstehung Jesu or Allem die Schule.
Während unter den Theologen der Rato-
nalismus zum weitaus größeren Theil überwunden ist, herricht
er noch vielfach unter den Lehrern, theils unter denen der >öheren Schulen, besonders auch den Lehrern der Mathematik, die durch die exakten Wissenschaften daran gewöhnt, für Alles Grmd
und Beweis zu fordern, dadurch oft eine starke Vorliebe für len Vernunftglauben bekommen und leicht vergessen, daß in der sttlichen Welt viele incommensurable Größen sind; indem sie „l,u-
ter deutliche Idem haben wollen, verlieren sie die lebhaft«," (Bengel); — theils unter den halbgebildeten Lehrern der Doksschulen, die um so häufiger der Versuchung unterliegen, sich üier
den alten Volksglauben erhaben zu dünken, je weniger gründich und umfassend ihre wiffenschaftliche Bildung in der Regel ist mb sein kann. Sie betrachten nur zu oft nicht mehr die christlihe, die religiös-sittliche Bildung des Volks als Hauptaufgabe »er Schule, sondern nur die „Bildung zur Humanität." Daher las allgemeine Losungswort: Emanzipation der Schule von der Kirye;
*) Die Mitglieder der letzteren Gesellschaft verpflichten sich, »die 6nmischung der Priester überall und vornehmlich in der Familie zurückzuweien, daher 1. keinen Priester beim Tode oder Begräbniß zuzulassen; 2. Ehen tur vor der bürgerlichen Obrigkeit zu schließen; 3. den Kindern weder die Taife noch daS Abendinahl noch die Confirmation geben zu lassen!"
2. Tiefe und Weite derselben. daher das
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Streben, den Religionsunterricht möglichst zu ver
kürzen, ja die Religion aus der fundamentalen und centralen Stel lung, die sie seither int Volksunterricht einnahm, auf die eines
mt den vielen andern kaum gleichberechtigten Fachs zurückzu dringen; daher neustens an vielen Orten der (wie oft schon mißglickte!) Versuch, völlig confessionslose, für Katholiken und Pro tefanten gemeinschaftliche Schulen zu errichten. Daß in den meisten Gymnasien und gelehrten Schulen i)i( Religion als Nebensache behandelt wird (in den letzten Jahren
mcg es hierin an manchen Orten etwas besser geworden sein), ist bekannt. Um Zeit zu gewinnen für alle möglichen Fächer, in deren die Anforderungen sich beharrlich steigern, hat man hier fei: vielen Jahren den Religionsunterricht so sehr beschränkt, daß Tcusenden und aber Tausenden von Schülern schon durch diese ungleiche Zeitvertheilung, durch die Verdrängung der Relision in einen Winkel des Stundenplans eine Gleich giltigkeit gegen dieselbe systematisch eingepflanzt wurde und wird.
Dcher sehen wir bei ihnen neben einer oft übertriebenen Detailkemtniß in den andern Fächern so oft eine jämmerliche Unwis senheit in der biblischen Geschichte und Religionslehre hergehen. Dcher kann inan manchmal schon Knaben, die kaum an der Grenze des Jünglingsalters stehen, mit freigeisterischen Ansichten prchlen hören. Ist es doch in einem preußischen Gymnasium vor-
geiomnten, daß man unter den Knaben (von 13 bis 15 Jahren) eine geheime Verbindung entdeckte, die ganz atheistische Statuten hatte. Der erste Paragraph lautete: „wer an einen Gott glaubt, ist von diesem Verein ansgeschloffen." Wer kann sich da wundern, daß jetzt auf unsern Univer
sitäten unter den Studenten in der Regel fast nur Theologen die Kirche besuchen? Erlauben sich doch viele Docenten der andem Fakultäten in ihren Vorlesungen oft genug bittere Seitenhieie auf den christlichen Glauben, was bei ihren Zuhörern in der
Re;el vollständig hinreicht, sie glauben zu machen, der Besuch der Ki:che sei ganz unter ihrer Würde. Daher steht auch die heutige Beamten weit mit dem nicht geringen Einfluß ihres Exempels in ihrer großen Mehrzahl dem Christenthum gleichgiltig, bisweilen
sogtr feindselig gegenüber; und darin liegt ein Hauptgrund, weßhab Kirche d. h. die Gemeinde Christi und Staat je länger je
tiefr sich gegenseitig entfremdet werden. —
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I. Gegenwärtige Kluft zwischen Bildung und Christenthum. Sehen wir weiter auf die Literatur der Gegenwart, so
zeigt sich uns da vollends die Kluft zwischen Bildung und Christen thum in einer fast bodenlosen Tiefe. Während früher der Un glaube das aristokratische Gewand der Wissenschaft und Philoso phie trug, erscheint er heute in einer Form, die Jedermann be quem ist. Er ist längst nicht mehr ein Geheimgut der Gelehrten, der „geistreichen Cirkel," er wird nicht mehr in einer Sprache be
sprochen und gedruckt, die dem Volk unverständlich wäre; er hat die Volksliteratur bis auf die Kalender hinaus durchdrungen; er ist durch zahllose Schriften und Flugblätter, durch unchristliche und unsittliche Romane und Novellen, durch Zeitschriften und illustrirte Blätter, durch die große und kleine Tagespreffe hinabgestiegen bis zu dem Handwerker- und Arbeiterstand, ja schon kommen da
und dort auch die Bauern an die Reihe. Der Zug nach Popularisirung wirklicher oder vermeintlicher Wahrheiten beherrscht, wie unsre heutige Literatur überhaupt, so namentlich die des Unglaubens. Daher die reißend schnelle Erweiterung und Vertiefung des Riffes zwischen Christenthum und deutschem Volksthum. Noch vor we
nigen Jahrzehenden erforderte es ein ernstes Studium, in die neuere deutsche Philosophie einzudringen. Selbst Hegel wurde verhältnißmäßig von Wenigen gelesen und von noch Wenigeren verstanden. Die atheistischen Consequenzen aber, die nachher Feuerbach, der philosophische Taschenspieler, in seinem „Wesen des Christen
thums" und andern Schriften daraus zog, sind eine leicht ver ständliche, pikante Lectüre. Er konnte seine Doctrinen sogar vor Handwerksburschen entwickeln. — Was S t r a u ß vor Jahrzchenden den Theologen beweisen wollte, das verkündet er jetzt „dem deut schen Volk." Und so fast durchgängig. Jeder will sich jetzt auf das Volk stützen. Der Beifall der Massen soll seinen Ansichten ein bedeutenderes Relief verleihen. Daher die Umprägung früher mehr abstrakt wiffenschaftlich gehaltener Untersuchungen in gang
bare Münze, in eine Popularphilosophie des Unglaubens, die denn auch schnell in'sBlut der heutigen Tagespresse überging. Wenn Feuerbach und Andere deducirten, Gott sei das Wesen des Menschen, angeschaut als ein anderes Ich, in der Religion ver gegenständliche der Mensch nur sein eigenes Wesen, wenn er bete, so bete er im Grunde nur zu sich selbst, — oder wenn jetzt drüben in der neuen Welt ein Emerson ausruft: „beten ist eine Schwäche des Willens," gleich sind hundert Federn bereit, solche
2. Tiefe und Weite derselben.
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Sätze in allen möglichen Formen unter das große Publikum zu schleudern, und statt der bisherigen religiösen Versenkung des Ge müthes in Gott das „Ausruhen am Busen der Natur" als wahre
Friedensquelle, die Arbeit, die eigene Anstrengung, das sittliche
Handeln als einzig ächte Religion anzupreisen. Daher nicht bloß die allgemeine Wunderscheu, das Leugnen oder doch als zweifelhaft Hinstellen des Ucbernatürlichen in unsrer Tagespresse, sondern auch bei den davon hauptsächlich zehrenden
„Gebildeten" die Menge leerer Phrasen,
unklarer Stichwörter,
halb verstandener philosophischer Begriffe wie „Cultus des Genius", „Religion der reinen Humanität", „moralische Weltordnung" und dergleichen, die unter Unzähligen so gäng und gebe geworden sind, daß sogar in der gewöhnlichen Sprache und Conversation spezifisch christliche und biblische Ausdrücke möglichst gemieden werden, weil man sich dadurch sofort in den Geruch des „Pie tismus" bringen würde. An die Stelle Gottes ist, wenn es noch gut geht, „die Vorsehung" oder „der Himmel", an die Stelle der göttlichen Fügung „das Schicksal" oder „der Zufall", an die
Stelle des Heils in Christo die „Selbsthilfe", an die Stelle der Hoffnung der ewigen Seligkeit, der Vollendung des göttlichen Reiches der „allgemeine Fortschritt des Menschengeschlechtes" u. s. w.
getreten. Auch im größeren Theil der heutigen ästhetischen Literatur, der Poesie, der Unterhaltungs- und der socialpolitischen Literatur finden wir diese bald mehr rationalistischen, bald mehr pan theistischen und materialistischen Grundanschauungen herrschend. Ja in vielen Produkten derselben ist die biblische Welt- und Geschichts betrachtung so in Mißcredit gekommen, daß sie im positiven Christenthum oft geradezu das größte Hinderniß der wahren
Bildung erkennen. Ein Chorführer der letzteren Richtung!, Arnold Rüge, nennt das Christenthum gar nicht mehr bei seinem Namen,
sondern bezeichnet es immer nur als „Asiatismus" oder„Judenthum." „Dieser Asiatismus belastet alle unsere Zustände und feffelt uns in einer raffinirten oder unraffinirten Barbarei;" auch Voltaire, Lessing, Göthe, Schiller, Kant, Fichte, Hegel, so
viel sie zur Aufklärung leisteten, seien doch selbst tief im „Asia
tismus" gestanden u. s. w. Und für solche Eruptionen eines fanatischen Unglaubens preist ihn „die Gartenlaube" als das
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I. Gegenwärtige Kluft zwischen Bildung und Christenthum.
Vor dem Siegeszug der „N>triumphirt ein Anderer „müssen Brahnv, Buddha, Jupiter und Jehova weichen, um die erhabenen PrnIdeal eines deutschen Mannes!
turwiffenschaften",
zipien der Vernunft und Liebe in ihr volles Recht einzusetzen" *).
— Ein dritter, nachdem er dem Katholizimus
und Protestantö-
mus auf gleiche Weise den Stab gebrochen, schwelgt in dem G:danken der Erhebung des Theaters zum Sitz eines neuen Crttus: „jetzt geht eine große Lüge durch die ganze menschliche Grsellschaft. Priester und Laien lügen, lügen wider Willen utb oft wider Wissen. Wenn wir den Katechismus den Kindem geben, ohne seinen Inhalt selbst zu glauben, lügen wir nicht? — Eine neue Kirche muß kommen. — Ich gehe zu der freien Bühle
über. Pas Theater wird ein Tempel des neuen Cultus werde:, ein Gotteshaus wie bei den Griechen. Religion und das äche
Drama fallen für mich zusammen!" (Eckardt.) Doch Sie erlassen mir weitere Belege, die überall zu Du zenden zu haben find. Hier sehen wir offenbar Christenthun und Bildung in den größtmöglichen Gegensatz gebracht, aS unversöhnliche Feinde einander gegenübergestellt. Nehmen sie dazu
die politische Tagespreffe, die solchen Stimmen in der Reg'l
lebhaft seeundirt, bie zu ihrem weitaus größten Theil eine garz indifferente ja feindselige Stellung gegen das positive Christnthum tinnimmt, und sich unzählige bittere Ausfälle gegen Kiräe und Religion erlaubt, die oft auch die praktische Thätigkeit d«x Kirche, die Bestrebungen der innern **) und äußern Missim mit Schmach übergießt, — denken Sie an den ungeheuren Enfluß dieser Presse auf alle Classen der Gesellschaft, an die Ur kirchlichkeit, die in den politischen Vereinen, ja in den Vereiner überhaupt, besonders der Turner, Schützen, Sänger u. s. «. wenigstens in der Regel der herrschende Ton ist, an die Ar, wie da und dort große Perrine sich schon in ihren Devisen gruntsätzlich vom christlichen Glauben lossagen, besonders an die allg«-
*) Sergi, hier auch Wichern,
„Die Verpflichtung der Kirche zu»
Kampf gegen die Widersacher des Glaubens" S. 7 ff. **) Sergi, besonders das vor einigen Jahren erhobene Geschrei gegn
„den Orden des Rauhen Hauses", das freilich durch
die Liebesarbeit dr
Brüder auf den Schlachtfeldern in Schleswig und Böhmen wieder etwas ve» stummte.
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2. Tiefe und Weite derselben.
meine Annahme des Grundsatzes der Selbsthilfe statt der Gottes
hilfe, wie z. B. die Genossenschaft der Shawlweber in Berlin zu ihrem Prinzip machte: „Bedenke, Mensch, wie groß du bist, Dein Wille dein Erlöser ist,"
— erinnern Sic sich, wie man vor 20 Jahren zu dem großen Weik dcr politischen Wiedergeburt unsres Volkes nicht vor Allem Got te; Beistand erflehen, sondern selber Alles thun wollte, wie einst in Frankfurter Parlament der Antrag, die Sitzungen mit Gebet zu eröffnen, mit schallendem Hohngelächter empfangen und sofort abgelehnt wurde, — beachten Sie endlich, wie vor einigen Jrhren (und seitdem öfters in ähnlicher Weise) auf der allge
meinen deutschen Lehrerversammlung unter dem Beifall von vie ler Hunderten unsrer heutigen Volkserzieher
verkündet
wurde:
„Das confessionslose Christenthum der Humanität möge die Religion der Deutschen sein:" — und Sie sehen in
solchen Zeichen der Zeit die Kluft zwischen moderner Bildung uid christlichem Glauben in ihrer ganzen Tiefe und Weite
va sich! Man kann wohl sagen: die große Masse der Gebildeten urd noch mehr der Halbgebildeten in Deutschland ist heute dem plsitiven Christenthum entfremdet; die Diplomatie fast ausnahmsio? und von jeher mit ihren Prinzipien, die große Mehrzahl ursrer Offiziere, Beamten, Lehrer (wenn wir von den Theologen
assehen), unsrer Juristen, Aerzte, Künstler, unsrer Dolksabgeordnäen und Gesetzgeber,
unsrer Fabrikanten und Kaufleute steht
arf dem Boden einer rationalistischen oder auch ganz ungläubigen Weltanschauung, während der mittlere Bürgerstand (also von
dm Bauern abgesehen), fortgeriffen von der Strömung des matenalistischen Zeitgeistes, gleichfalls zum größeren Theil eine wenizstens gleichgiltige oder mißtrauische Stellung zum alten Glauben eiigenommen hat. — Aber stellt sich nicht in andern Ländern das Verhältniß dö gebildetm Theils der Nation zum Christenthum günstiger, z.B. in England und Amerika? Es kann keine Frage
sch, hier zeigt sich uns jene Kluft bei Weitem nicht so groß und ti