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German Pages 259 [264] Year 1994
Linguistische Arbeiten
314
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Jörg Meibauer
Modaler Kontrast und konzeptuelle Verschiebung Studien zur Syntax und Semantik deutscher Modalpartikeln
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1994
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meibauer, Jörg: Modaler Kontrast und konzeptuelle Verschiebung : Studien zur Syntax und Semantik deutscher Modalpartikeln / Jörg Meibauer, - Tübingen: Niemeyer, 1994 (Linguistische Arbeiten; 314) NE:GT ISBN 3-484-30314-x
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1994 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren
Inhalt
Vorwort
1.
Einleitung
l. l 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.5 1.6
Drei Probleme der Modalpartikelforschung Bedeutungsminimalismus und Heterosemie Modularität Bedeutungsminimalismus Polysemie, Homonymie, Heterosemie Konzeptuelle Verschiebung und Grammatikalisierung Konzeptuelle Verschiebung Zur Bedeutung von Modalpartikeln Grammatikal is ierung Akzentuierung und modaler Kontrast Zur Wortart/Kategorie von Modalpartikeln Gegenstand und Aufbau der Arbeit
2.
Modalpartikeln als Wortart
2. l 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4
Einleitung Die Wortart Modalpartikel Eine Heuristik für Modalpartikeln Adjektive und Adjektivadverbien Adverbien, "Affirmations-", Konjunktional- und Satzadverbien Gradpartikeln Steigerungspartikeln Antwortpartikeln und Gliederungspartikeln Dubiose Kandidaten: nicht und mir/dir Modalpartikeln und die X-bar-Theorie Kategorien und Merkmale Zum X-bar-Status von Modalpartikeln Sind Modalpartikeln Klitika? Zusammenfassung
IX
l 2 2 3 5 7 7 11 15 19 22 25
28 29 29 32 35 38 42 42 43 50 50 53 56 61
VI
3.
Fokus und Kontrast
3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.5
Einleitung Zur Theorie der Informationsstruktur Enger Fokus, weiter Fokus und Kontrast Grundlegendes zur Fokusprojektion Typen der Fokusinterpretation Grundposition von Modalpartikeln und Fokus-Hintergrund-Gliederung Kontrastierte Modalpartikeln Kontrastakzent oder emphatischer Akzent? Der Fall eigentlich Modalpartikel-Fokus vs. fokussierte Modalpartikel Zusammenfassung
4.
DOCH: Adverb oder Modalpartikel?
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
Einleitung Konjunktion, Adverb und Modalpartikel doch Die Satztypendistribution Die Bedeutung Die Akzentuierung Die Kombinierbarkeit Die Bedeutung von DOCH Zusammenfassung
5.
JA und ja: Polysemie oder Identität
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10
Einleitung Die Satztypendistribution Die Bedeutung Die Akzentuierung Die Kombinierbarkeit Das Desiderat: der Zusammenhang zwischen ja und JA Modaler Kontrast Konzeptuelle Verschiebung und konzeptuelle Struktur Zur Entwicklung von^'a und JA im Fnhd. Zusammenfassung
62 63 63 64 67 73 88 88 95 103
104 105 108 110 118 119 121 131
132 133 135 138 139 140 142 152 158 169
VII
6.
schon: Gradpartikel und Modalpartikel
6.1
Einleitung
171
6.2
Die Modalpartikel schon und ihre Heteroseme
171
6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.5 6.6
Die Gradpartikel schon als Phasenquantor Die Modalpartikel schon schon - Varianten Semantik: schon als temporale Modalpartikel Kontrastakzentuiertes SCHON Tempus und Modalität Konzeptuelle Verschiebung, Metonymie und Metapher Zusammenfassung
176 183 183 186 197 201 210 220
7.
Nochmals modaler Kontrast
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4
Einleitung Weitere akzentuierbare Modalpartikeln DENN EH (SOWIESO/OHNEHIN) Probleme mit WOHL Ausschluß der Kontrastierbarkeit einfach/ruhig/glatt halt etwa Zusammenfassung
221 221 221 224 229 233 233 235 236 238
8.
Schluß
239
9.
Literatur
242
Vorwort
'Well,' said Frog, don't suppose anyone ever is completely self-winding. That's what friends are for.' Russell Hoban, The Mouse & his Child
Meinen herzlichen Dank an Marga Reis für Ansporn, Förderung und Kritik. Gewidmet ist die Arbeit Gustav und Bettina - for winding me up.
Tübingen, April 1994
Jörg Meibauer
1. Einleitung l. l Drei Probleme der Modalpartikel-Forschung Seit der einflußreichen Arbeit von Weydt (1969) hat es eine Fülle von Studien zu deutschen Modalpartikeln gegeben, die meisten davon unter kommunikativ-pragmatischem Gesichtspunkt. 1 Durch diese Untersuchungen hat sich unser Wissen um einzelne Modalpartikeln rapide vermehrt; sie haben aber auch eine ungeahnte Komplexität des Gegenstands gezeigt. Drei wesentliche Probleme der Modalpartikel-Forschung blieben jedoch ungelöst: das Problem der sog. Homonymie von Modalpartikeln, das Problem der akzentuierten Modalpartikeln und das Problem der Wortart/Kategorie von Modalpartikeln. Das Homonymieproblem ergibt sich aus der Tatsache, daß Modalpartikeln in der Regel ein Gegenstück oder mehrere Gegenstücke haben, die zwar von der Wortform her identisch sind, aber andere syntaktische oder semantische Eigenschaften haben und anderen Wortarten zugerechnet werden. Wie kann man dieses erstaunliche Faktum erklären? Die meisten Ansätze haben sich damit zufrieden gegeben, die sog. Homonymie lediglich zu konstatieren: So versuchen Weydt/Hentschel (1983) eine 'übergreifende Bedeutung' anzugeben, die für die betreffende Modalpartikel und ihre Homonyme gilt, und Heibig (1988) bemüht sich, eine entsprechende 'Gesamtbedeutung' anzugeben. Wie jedoch das Phänomen der ModalpartikelHomonymie zu deuten ist, wie es zu den jeweiligen Homonymen-Konstellationen kommt, diese Fragen wurden kaum gestellt. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Problem, dem Problem der akzentuierten Modalpartikeln. Zwar ist einerseits zu beobachten, daß manche Modalpartikeln einen Akzent tragen können. Wurde aber nicht anderseits immer wieder in der Modalpartikel-Forschung festgestellt, daß Modalpartikeln unbetonbar seien?2 Es hat zwar einige Versuche gegeben, dem Phänomen auf die Spur zu kommen, z.B. bei Weydt (1986) und Doherty (1987), aber diese können nur als ein Ansatzpunkt zu einer generelleren Erklärung gelten. Zumeist wird die Akzentuierung als bloß 'emphatisch' betrachtet und damit als Randphänomen eingestuft. Das dritte Problem der Modalpartikel-Forschung, oft als solches gar nicht recht wahrgenommen3, ist das Problem der Wortart/Kategorie von Modalpartikeln. Zumeist wird einfach eine Kategorie 'Partikel' angenommen, unter die dann freilich recht Verschiedenes subsumiert wird; dies entspricht der 'Polyfunktionalitätshypothese' bei Altmann (1979) und Thurmair (1989). Oder man schreibt ihnen 'adverbialen' Status zu, wie etwa Jacobs (1991a) und Abraham (l 991 a). Es gibt jedoch wenig Anstrengung, die jeweiligen theoretischen Kriterien explizit zu machen. Was spricht eigentlich gegen eine Kategorie 'ModalpartikeP?
1 2 3
Vgl. die Partikelbibliographie von Weydt/Ehlers (1987); einen Forschungsbericht unter kommunikativpragmatischem Vorzeichen enthält die Einleitung zu Heibig (1988). Vgl. jüngst noch Heibig (1988, 32) oder König (1991b, 801). Ausnahmen sind Altmann (1979) und Kohrt (1988).
Daß diese drei Probleme eng miteinander verknüpft sind, läßt sich etwa am Fall der Partikel DOCH zeigen.4 DOCH im Mittelfeld des deutschen Satzes wird meist der Kategorie 'Adverb' zugewiesen. Ein Grund dafür ist, daß es keine Modalpartikel sein kann, weil diese nicht betonbar seien. Wenn es aber betonbare Modalpartikeln gibt, warum soll dann DOCH nicht auch eine sein? Das Homonymieproblem stellt sich unter dieser Voraussetzung ganz anders, denn dann muß man nicht das Verhältnis der zweifelsfreien Modalpartikel doch zum Adverb DOCH untersuchen, sondern das Verhältnis der Modalpartikel doch zur Modalpartikel DOCH.5 Die Kategorisierung als Modalpartikel ist also von zugrundeliegenden Annahmen über ihre grammatischen Eigenschaften abhängig, die selbst der Explikation und der Einbettung in eine gesamtgrammatische Theorie bedürfen. In der vorliegenden Arbeit versuche ich, den drei genannten Problemen anhand der bereits gut untersuchten Modalpartikeln doch, ja und schon auf den Grund zu gehen. In den folgenden Abschnitten arbeite ich vor dem aktuellen Forschungshintergrund die Problematik stärker heraus und deute die Richtung meiner Argumentation an.
l .2 Bedeutungsminimalismus und Heterosemie 1.2.1 Modular ität In den 70er Jahren hat man die Modalpartikeln vorwiegend unter pragmatischem Gesichtspunkt erforscht. So hat etwa Heibig (1977) Modalpartikeln als 'illokutionäre Indikatoren' betrachtet, Bublitz (1978) hat die mit den Modalpartikeln verbundene 'Sprechereinstellung' analysiert, und Franck (1980) hat die Funktion von Modalpartikeln in der Konversation untersucht.6 Den Stand der Forschung zum Ende der 70er Jahre hat Weydt (1981) überzeugend zusammengefaßt. Seit den 80er Jahren ist eine stärkere Berücksichtigung der Semantik und Syntax zu bemerken. Unzufrieden mit den Beschränkungen einer rein kommunikativ-pragmatischen Analyse, hat man mehr und mehr typisch 'modulare' Fragestellungen an die bisher gesicherten Fakten herantragen. Diese Entwicklung korrespondiert mit der zunehmenden Deutung linguistischer Sachverhalte unter kognitiven Aspekten. Unter dem Begriff Modularität können freilich verschiedene Dinge verstanden werden: ein methodisches Prinzip der wissenschaftlichen Entdeckung; der innere Aufbau von Theorien in Form separater Komponenten; ein inneres Organisationsprinzip des menschlichen
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Versalien bedeuten im folgenden, daß der entsprechende Ausdruck akzentuiert ist. Vom Verhältnis der Modalpartikel zu ihren Gegenstücken in anderen Kategorien (Konjunktion, Antwortpartikel etc.) sehe ich hier ab. Vgl. Kap. 4 zur detaillierten Argumentation. Vgl. auch die Arbeiten von Lütten (1977) und Lindner (1983).
Geistes/Gehirns.7 Während die letztgenannte Auffassung, wie sie sich etwa in verschiedenen Schriften Chomskys und bei J.A. Fodor (1983) findet, umstritten ist, wird die Annahme, daß linguistische Theorien (bis zu einem gewissen Grad) modular sind, und daß der Versuch eines modularen Vorgehens wissenschaftlich fruchtbringend ist, von vielen Forschern geteilt.8 Module sind durch ihre Autonomie und ihre Fähigkeit zur Interaktion gekennzeichnet. Autonomie eines Moduls gegenüber einem anderen Modul heißt, daß es über eigene Einheiten, Regeln und Prinzipien verfügt, wobei dies prinzipiell nur empirisch feststellbar ist.9 Interaktion eines Moduls mit anderen Modulen heißt, daß die Ausgabe eines Moduls über eine 'Schnittstelle' an ein anderes Modul weitergegeben wird, und dort als Eingabe akzeptiert werden kann. Vor allzu naiven Auffassungen, die sich vor allem mit der 'Strengen Autonomiehypothese' verbinden, derzufolge Module diskret sind, hat Sadock (1983) gewarnt.10 Problematisch bleibt auch, ob eine Isomorphie modularer Theorien mit dem menschlichen Geist/Gehirn angenommen werden kann.11 Ich möchte im weiteren unter der Modularität eines grammatischen oder pragmatischen Systems verstehen, daß es in Komponenten mit je eigenen Einheiten, Regeln und Prinzipien strukturierbar ist, welche bei der Erzeugung und Interpretation sprachlicher Ausdrücke zusammenwirken.1J
1.2.2 Bedeutungsminimalismus Modulares Vorgehen in der Modalpartikelanalyse ist eng mit Bedeutungsminimalismus verknüpft. Bedeutungsminimalismus, wie in Posner (1979) dargestellt, heißt für ein gegebenes lexikalisches Element möglichst wenige Bedeutungen anzunehmen, und andere Bedeutungseffekte auf nichtsemantische Komponenten oder auf die Interaktion von Komponenten zurückzuführen. Bedeutungsmaximalistisch verfahren dagegen all jene Ansätze, die lexikali-
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12
Vgl. den Überblick von Wiese (1982). Dies gilt jedenfalls für den Bereich der Grammatik. Für die Pragmatik wurden anti-modulare Positionen von Verschueren (1987) und Wilson/Sperber (1986) artikuliert, vgl. dagegen Harnish/Farmer (1984). Der modulare Status der Pragmatik wird ferner in Kasher (1991) diskutiert. Vgl. die Definition bei Reis (1977, 2). Ihm zufolge müssen Module nicht formal distinkt sein, können unscharfe Grenzen haben, können intern homogen sein, können interaktionell komplex sein und redundante Funktionen haben. Die einzige Arbeit, die sich unter diesem Gesichtspunkt mit Modalpartikeln befaßt, ist Bayer (1991).- Bayer betrachtet Gradpartikeln als semantische Partikeln, Modalpartikeln als pragmatische Partikeln (was meines Erachtens problematisch ist, vgl. Meibauer 1993). Neurolinguistische Untersuchungen in bezug auf die Verarbeitung beider Partikelsorten bei Patienten mit Schädigung der rechten Hemisphäre, Aphasikern und Gesunden sprechen nach Bayer für die Unterscheidung eines in der linken Hemisphäre angesiedelten grammatischen Moduls und eines allgemeinen kognitiven Moduls ohne Lokalisierung, das auch die Pragmatik enthält. Vgl. auch die Diskussion in Stechow/Sternefeld (1988, 13ff.) und insbesondere ihre Charakterisierung von Modularität S. 15.
sehen Elementen eine ganze Reihe (mehr oder minder kontextabhängiger) Bedeutungen zuordnen, ohne eine Reduktion auf interagierende Module und damit die Ermittlung einer Grundbedeutung überhaupt anzustreben.13 Maximalistisch ist unter den neueren Arbeiten z.B. Heibig (1988), der einem Modalpartikel-Lexem unter Umständen mehrere Bedeutungsvarianten zuordnet. Minimalistisch sind etwa Doherty (1987), Jacobs (l 991 a) und Thurmair (1989). Bei Thurmair (1989) finden sich die explizitesten Erläuterungen zur Modalpartikel Semantik. Eine minimalistische Orientierung verknüpft sich dabei insbesondere mit ihrer Annahme, daß jede Modalpartikel nur eine einzige Bedeutung habe (S. 98).14 Diese Grundbedeutung könne aber je nach Satzmodus verschieden ausgeprägt sein (S. 99). Auch diese Auffassung ist essentiell minimalistisch, wenn auch unklar ist, ob durch eine solche Interaktion eine neue Partikelbedeutung entsteht oder der Ausprägungseffekt mit der Komposition der Partikel- und der Satzmodus-Bedeutung zusammenhängt. Die Grundbedeutung, d.h. der Bedeutungskern, wird durch semantische Merkmale erfaßt; zusätzliche Bedeutungskomponenten lassen sich aus diesem Bedeutungskern ableiten (S. 99). Letztlich bleibt hier jedoch undeutlich, nach welchen Prinzipien eine solche Ableitung vonstatten geht. Minimalistisch sind auch die Arbeiten von Doherty (1987) und Jacobs (l 991 a). Doherty (1987) geht davon aus, daß Modalpartikeln auch illokutionsrelevant sind, daß aber unabhängig davon auch die epistemische Bedeutung der Modalpartikeln erfaßt werden kann; daß die jeweiligen kontextuellen Beschränkungen in hohem Maße idiosynkratisch und daher nicht verallgemeinerbar seien. Oft entsteht jedoch der Eindruck, daß bestimmte Bedeutungen ohne Begründung von der Analyse ausgeschlossen werden.15 Jacobs (1991a) ist insofern minimalistisch, als für die Modalpartikel ja nicht verschiedene Bedeutungsvarianten angenommen werden, sondern nur eine Grundbedeutung; diese modifiziert 'Illokutionstypen'16, so daß komplexe Illokutionstypoperatoren wie z.B. J-ASSERT entstehen. Die eigentliche Bedeutung der beiden letztgenannten Arbeiten besteht nicht so sehr in der minimalistischen Beschreibung einzelner Modalpartikeln, sondern in der Entwicklung einer kompositionalen Modalpartikelsemantik. Ich versuche in der vorliegenden Arbeit, einen bedeutungsminimalistischen Ansatz im Rahmen der kognitiv-semantischen Theorie von Bierwisch zu entwickeln. Bierwischs Ansatz
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Im folgenden steht "minimalistisch" für "bedeutungsminimalistisch" und "maximalistisch" für "bedeutungsmaximalistisch". Gegen den Bedeutungsmaximalismus bringt Thurmair (1989, 89) zwei Argumente vor, die beide letztlich nicht überzeugen: Zum einen sei es relativ unwahrscheinlich, daß ein Sprecher mehrere Varianten einer Modalpartikel gespeichert habe. Zum anderen könne der Hörer nicht die vom Sprecher intendierte Variante erkennen, wenn diese weder durch Akzent noch durch den Satzmodus von einer anderen Variante abgrenzbar sei. (Dieses Postulat entspricht übrigens dem Monosemie-Prinzip bei Ruhl 1989.) Vgl. die Besprechungen von Foolen (1989) und Meibauer (1987a). Jacobs Ansatz baut auf der von Zaefferer (1979), (1984) entwickelten 'Illokutionssemantik' auf. Eine illokutionssemantische Repräsentation eines Satzes ist eine logische Beschreibung des Illokutionstyps, der einem Satz bei wörtlicher Verwendung zugewiesen wird.- Ich ziehe es vor, Illokutionstypen als pragmatische Größen zu betrachten. Illokutionstypoperatoren im Sinne der Illokutionssemantik entsprechen den Satzmodusoperatoren bei Jacobs (1991b).
wird in Abschnitt 1.3.1 im Hinblick auf das Phänomen der konzeptuellen Verschiebung vorgestellt und im Abschnitt 1.3.2 im Zusammenhang mit der Bedeutung von Modalpartikeln diskutiert.
1.2.3 Polysemie, Homonymie, Heterosemie Die semantische Beziehung von Bedeutungsvarianten eines Lexems untereinander wird traditionell als Polysemie bezeichnet. Geht man z.B. mit Gornik-Gerhardt (1981) davon aus, daß das schon der plausiblen Begründung und das rhetorische schon Varianten der Modalpartikel schon sind, dann liegt zwischen diesen Varianten Polysemie vor, vgl. (la) mit (Ib): (1) a. Du wirst das schon schaffen. b. Wer will das schon? c. Schon kam sie zur Tür herein. Will man jedoch die semantischen Beziehungen zwischen einem Modalpartikel-Lexem und seinem von der Wortform her gesehen identischen Gegenstück in einer anderen Kategorie bezeichnen (z.B. zwischen der Modalpartikel schon und dem Temporaladverb schon in (lc)), ergibt sich die Schwierigkeit, daß der Terminus Homonymie eigentlich nicht anwendbar ist, weil mit ihm traditionell identische Wortformen derselben Kategorie ohne semantische Ableitungsbeziehung bezeichnet werden. Der Terminus 'Gesamtbedeutung' bei Heibig (1988) ist insofern irreführend, als man sich darunter die Summe aller Bedeutungsmerkmale von einem Lexem in zwei oder mehr Kategorien vorstellen könnte. Gemeint sein können aber nur geteilte Bedeutungsaspekte, also nur solche, die auch die Verwandtschaft stiften. Mit Lichtenberk (1991), der seinerseits den Terminus Persson (1988) entlehnt hat, soll die beschriebene Bedeutungsbeziehung Heterosemie genannt werden." Lichtenberk (1991, 476) subsumiert unter Heterosemie solche Fälle, "where two or more meanings or functions that are historically related, in the sense of deriving from the same ultimate source, are borne by reflexes of the common source element that belong in different morphosyntactic categories." Wie Polysemie hat auch Heterosemie einen synchronen und einen diachronen Aspekt. Eine synchrone Fragestellung wäre etwa: Welches Wissen über den Bedeutungszusammenhang zwischen dem Temporaladverb schon und der Modalpartikel schon hat ein Sprecher des Deutschen? Eine diachrone Fragestellung wäre: Hat sich die Bedeutung der Modalpartikel schon aus der Bedeutung des Temporaladverbs schon entwickelt oder war es umgekehrt?
17
Die Notwendigkeit dieses Begriffs wurde zuerst von Persson (1988) anhand engl. deverbaler Nomina wie z.B. drive = 1. 'an instance of driving', 2. 'means or manner of driving', 3. 'place to drive on' demonstriert, bei denen die Beziehung zwischen den einzelnen Bedeutungen weder als Homonymie (klare Verwandtschaft wegen des Bezugs auf das Elternlexem to drive!) noch als Polysemie (es ist keine primäre Bedeutung erkennbar, von denen andere abgeleitet werden!) dargestellt werden kann.
Auch in bezug auf Heterosemie kann man von Minimalismus reden. Minimalistisch ist im Grunde jeder Versuch, eine Ableitungsbeziehung zwischen den Heterosemen herzustellen, sei dies nun - eher implizit - in Form einer 'übergreifenden Bedeutung' wie bei Hentschel/ Weydt (1983) oder durch Untersuchung historischer Zusammenhänge wie bei Hentschel (1986a); maximal istisch ist die Annahme, daß die Heteroseme keinerlei Beziehung aufweisen (vgl. Jacobs 1991a, 154). Eine besonders radikale minimalistische Position bezüglich heterosemer Beziehungen vertritt Abraham (1991a, 209), der annimmt, "that the actual, concrete and, consequently, also the illocutive reading of an MP is a function of the lexical reading of the respective lexeme in the non-MP category, its syntactic use [...], and contextual premisses. The MPreading, thus, is taken to be a projection of some sort of these three rudimentary components." Anstatt gewisse 'illokutive' Eigenschaften einer Modalpartikel, z.B. 'Resignation' im Falle der Modalpartikel eben, direkt als Bedeutung der Partikel zu verbuchen, sei es adäquater, sie aus der Bedeutung des Adjektivs eben abzuleiten. Im folgenden Dialog (2) A: Ich spreche Deutsch immer noch nicht perfekt. (Die Wortstellung macht mir Schwierigkeiten.) B: Deutsch ist eben schwer. bedeute die Modalpartikel eben, "that the conclusion by B could (and possibly should) have been reached by speaker A just the same, on the basis of his very utterance" (S. 220), das heißt insbesondere der möglichen Information in Klammern. Zugrundegelegt wird die Bedeutung 'flach, gleichmäßig' des Adjektivs, die bei der Modalpartikel als 'genau so; ohne Unterschied' erscheint; der Effekt der Resignation sei demgegenüber sekundär.18 Im Zusammenhang mit der Begründung der Ableitungsrichtung ergibt sich jedoch ein Problem: Während sich die Modalpartikelbedeutung aus der Adjektivbedeutung ableiten lassen soll, sei die Gradpartikelbedeutung von eben auf die Bedeutung des Temporaladverbs eben zurückzuführen. Warum sollte aber nicht z.B. die Modalpartikelbedeutung auf die Gradpartikelbedeutung zurückführbar sein? So haben wir im Falle von schon ebenfalls das Temporaladverb, die Gradpartikel und die Modalpartikel, vgl. (3), aber kein Adjektiv: (3) a. Egon hatte schon das Essen fertig, als wir kamen. b. Schon drei Laugenmäuse hatte Nastassja verdrückt. c. Keine Sorge, das wird schon klappen. Da es kein Adjektiv schon gibt, kann auch nicht - analog zu eben - die Modalpartikel von diesem abgeleitet werden, so daß sich die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit von Ableitungsbeziehungen stellt.
18
Damit wäre der Bedeutungsbeitrag der Modalpartikel nicht kompositional, sondern ein "rhetoric type of a posteriori-reasoning" (S. 220).- Abraham scheint solchen Schlußprozessen sogar psychologische Realität zuzuschreiben: "[...] it is implausible to assume that our memory will not make use of derivational processes of a general sort to relate the obvious meaning correspondences between the respective words, instead of simply listing them under different, unrelated entries."
Ohne die Aufstellung synchron wirksamer Prinzipien der Ableitbarkeit, aber auch ohne die Berücksichtigung der sprachhistorischen Entwicklung ist die Motivation von Ableitungsrichtungen leicht der Gefahr der Spekulation ausgesetzt. Trotz erster Ansätze - im Bereich der Gradpartikeln siehe König (1991a) und Nevalainen (1991), im Bereich der Modalpartikeln Abraham (1991b) und Brauße (1992) - ist man jedoch von einer erschöpfenden, integrativen Analyse (unter den beiden Gesichtspunkten) auch nur einer Partikel weit entfernt. Gründe dafür liegen nicht nur in der ungenügenden Kenntnis der Geschichte der Partikeln, sondern auch in der mangelnden Entwicklung geeigneter theoretischer Konzepte. Ich mache in dieser Arbeit bei dem Versuch, Aspekte der Polysemie und Heterosemie bei deutschen Modalpartikeln in einer minimal istischen Weise zu analysieren, Gebrauch von Theorien der konzeptuellen Verschiebung und der Grammatikalisierung. Diese werden in den Abschnitten 1.3.1 und 1.3.3 jeweils zunächst skizziert, bevor ich zu ihrer Übertragung auf die Modalpartikeln komme.
1.3 Konzeptuelle Verschiebung und Grammatikalisierung 1.3.1 Konzeptuelle Versch iebung Bestimmte Phänomene, die Bierwisch (1983a) in seiner modularen, die Unterscheidung zwischen der Ebene der semantischen Form und der konzeptuellen Struktur voraussetzenden Theorie unter dem Stichwort der konzeptuellen Verschiebung abhandelt, wurden traditionell als Metonymie bezeichnet. Schifko (1979, 241) definiert Metonymie als sprachlichen Ausdruck einer (kausalen, funktionalen, lokalen oder temporalen) Kontiguitätsbeziehung, wobei unter Kontiguität eine "Relation zwischen zwei oder mehreren unmittelbar zusammengehörigen Teilfaktoren eines Sachverhaltsganzen" zu verstehen ist. Einschlägige Beispiele sind Faulkner: PERSON -> WERK, ham-sandwich: DING -> PERSON, Universität: GEBÄUDE -> INSTITUTION, Gips: STOFF -> INSTRUMENT. Seit dem einflußreichen Aufsatz von Nunberg (1979) sind eine Fülle von Studien zur Metonymie erschienen, neben der genannten Untersuchung von Bierwisch z.B. Deane (1988), Fauconnier (1985), Lakoff (1987), Lakoff/Johnson (1980). Bierwisch (1983a) geht aber weder auf traditionelle Analysen der Metonymie ein (vgl. Schifko 1979), noch setzt er sich mit dem 'radikal-pragmatischen' Ansatz von Nunberg (1979) oder alternativen Auffassungen im Rahmen der kognitiven Semantik (z.B. Lakoff/Johnson 1980) auseinander. Bierwischs kognitiv-semantische Theorie begreift Bedeutung als das Zusammenspiel mehrerer Module des Sprachsystems.19 Im Herzen dieser Theorie liegt die Unterscheidung
19
Vgl. u.a. Bierwisch (1980), (1982), (1983a), (1983b), (1987), Bierwisch/Lang (1987), Bierwisch/Schreuder (1992).
8 zwischen der semantischen Form (SF) und der konzeptuellen Struktur (CS).20 Für eine solche Unterscheidung sprechen u.a. die Verhältnisse bei Deiktika, Eigennamen und Dimensionsadjektiven. So muß man Situationswissen haben, um zu wissen, welcher Zeitpunkt durch das Temporaladverb jetzt in Ich gehe jetzt bezeichnet wird. Die wörtliche Bedeutung von Bertil ist nur, daß es sich um einen Eigennamen handelt, mit dem wir männliche Personen, die diesen Namen tragen, identifizieren können; das Wissen über unseren Sportskameraden Bertil werden wir mit dieser wörtlichen Bedeutung nicht vermischen. Wenn ich sage Fliegen sind klein, vergleiche ich Fliegen mit der Durchschnittsgröße der Tiere. Wenn ich sage Diese Fliege ist klein vergleiche ich eine bestimmte Fliege mit der Durchschnittsgröße der Fliegen. Die Bezogenheit auf Normen ist kontextuell ermittelbar, nicht jedoch aus der wörtlichen Bedeutung von klein. Man kann also sagen: "[...] the conceptual structure CS, in terms of which the actual interpretation of linguistic expressions is specified, merges the conditions specified by SF with information coming from different domains of encyclopedic background knowledge, contextual information and situational conditions." (Bierwisch/Schreuder 1992, 32) Ein anderer Fall sind Eigennamen-Metonymien wie in (4): (4) a. b. c. d.
Faulkner ist schwer zu verstehen. Faulkners Aussprache ist schwer zu verstehen. Faulkners Handlungsweise ist schwer zu verstehen. Faulkners Bücher sind schwer zu verstehen.
Der Satz (4a) kann in verschiedenen Kontexten et jeweils wie in (4b)-(4d) verstanden werden; (4b)-(4d) identifizieren also jeweils die kontextabhängigen Interpretation m,- m3 von Faulkner.21 Da weder Faulkner noch verstehen als mehrdeutig oder vage anzusehen sind, stellt sich die Frage, wie die verschiedenen Interpretationen erklärt werden können. Bierwisch (1983a) bezeichnet das mit der Interpretation von Faulkner gegebene Problem als Problem der konzeptuellen Verschiebung.22 Die grundlegende Idee der Unterscheidung zwischen sem (als Einheit der SF) und m (als Einheit der CS) läßt sich am Beispiel Faulkner illustrieren. Im Lexikoneintrag LE für Faulkner gibt es eine Information SEM, i.e. "die redundanzfreie Spezifizierung der Informationen, die LE zur semantischen Repräsentation sem beiträgt." (S. 70) Eine Interpretationsfunktion F bildet nun sem (im Kontext et) in m ab. Zum Verhältnis zwischen SEM und m heißt es bei Bierwisch (1983a, 81): "Die semanti-
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Diese Unterscheidung rechtfertigt auch das Etikett 'zweistufige Semantiktheorie', das insbesondere in Abgrenzung zu all solchen Theorien Sinn macht, die Semantik und konzeptuelle Struktur identifizieren (vgl. zu unterschiedlichen Positionen Fodor, J.A. 1975, Miller/Johnson-Laird 1976, Jackendoff 1983, 1991). Zur Kritik vgl. Taylor (1994). Diese werden 'Konzepte' genannt. Bierwisch (1983a, 63) notiert im Vorbeigehen, konzeptuelle Strukturen seien "gedankliche Einheiten und Operationen", identifiziert aber Konzepte im wesentlichen mit kontextabhängigen Lesarten eines Lexems, die nicht auf Metaphorik oder Vagheit zurückzuführen sind. In bezug auf die mit verstehen verknüpften Lesarten redet er von 'konzeptueller Differenzierung', in bezug auf den Zusammenhang zwischen den Lesarten von Faulkner und denjenigen von verstehen von 'Selektion'.
Zum Verhältnis zwischen SEM und m heißt es bei Bierwisch (1983a, 81): "Die semantische Eintragung SEM einer lexikalischen Einheit LE determiniert eine Familie von konzeptuellen Einheiten, die mögliche Interpretationen für SEM sind." Die Interpretationsfunktion F wählt im Kontext et eine geeignete konzeptuelle Einheit aus dieser Konzeptfamilie (z.B. INDIVIDUUM, AUSSPRACHE, HANDLUNGSWEISE, etc.) als Interpretation für SEM aus. Probleme der konzeptuellen Verschiebung diskutiert Bierwisch (1983a) detailliert anhand des Lexems Schule. Vgl. dazu die folgenden Beispiele: (5) a. Die Schule, spendete einen größeren Betrag. INSTITUTION b. Die Schule2 hat ein Flachdach. GEBÄUDE c. Die Schule3 macht ihm großen Spaß. PROZESS d. Die Schule4 ist eine der Grundlagen der Zivilisation. PRINZIP (6) a. Die Schule machte einen Ausflug ins Siebengebirge. TEILNEHMER b. Die Schule legte Widerspruch beim Präsidium ein. DIREKTOR Für Bierwisch ist dabei das INSTITUTIONS-Konzept zentral, da die anderen Konzepte auf ihm beruhen; andere mögliche Konzepte wie in (6) werden von Bierwisch nicht erörtert. Bierwisch (1983a, 85ff.) skizziert nun zwei Wege, um dem Verhältnis zwischen SEM und m gerecht zu werden. Der Lösungsvorschlag A verlangt die Identifikation von SEM mit der primären konzeptuellen Interpretationsvariante, von der durch bestimmte Funktionen dann weitere Konzepte abgeleitet werden können. Gemäß diesem Lösungsvorschlag würde sich für SEM von Schule ergeben: (7) SEM =
XX [INSTITUTION X UND ZWECK X W] mit W = LEHR- UND LERNPROZESSE
Das heißt, X ist eine Institution, und der Zweck von X sind Lehr- und Lernprozesse. Der Lösungsvorschlag B sieht dagegen vor, daß SEM alle konzeptuellen Einheiten determiniert, und es gewisse konzeptuelle Schemata gibt, die SEM in voll spezifizierte Konzepte überführen. Gemäß diesem Lösungsvorschlag würde sich für SEM von Schule (8) ergeben: (8) SEM =
XX [ZWECK X W] mit W = LEHR- UND LERNPROZESSE
Durch Anwendung des konzeptuellen Schemas für INSTITUTION kann (8) in das voll spezifizierte Konzept vom Typ (7) umgewandelt werden. Bierwisch plädiert dafür, daß der Lösungsweg B der adäquatere ist. Bei Lösungsweg A muß nämlich genau eine Interpretation
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als lexikalische Bedeutung ausgezeichnet werden. Es scheint aber keinerlei Evidenz dafür zu geben, daß zum Beispiel gerade die Institutionslesart der lexikalischen Bedeutung entspricht, und nicht etwa die Lokalitätslesart. Bei Lösungsweg B dagegen muß von vornherein keine primäre Variante ausgezeichnet werden, weil alle Varianten Mitglieder der Konzeptfamilie sind. Gemäß Lösungsweg A muß es außerdem ein Verfahren geben, die verschiedenen Lesarten von der primären Variante abzuleiten. Die abgeleiteten Lesarten sind aber genauso wörtlich und direkt wie die primäre.23 Lösungsweg B hat demgegenüber den Vorteil, daß hier keine nicht-primären Varianten als irgendwie abgeleitet bestimmt werden müssen. Schließlich ist zu berücksichtigen, wie im Rahmen des Lösungsvorschlags A der unterschiedlichen Anwendbarkeit der Ableitungsfunktion Rechnung getragen werden kann, z.B. im Falle der Blockierung der Lokalitätsinterpretation von Regierung (vs. Parlament). Wie Bierwisch argumentiert, stellt dies für Vorschlag B kein Problem dar. Bierwisch (1983a, 88) macht selbst darauf aufmerksam, daß man für 'neutrale Kontexte' eventuell doch eine Präferenz für bestimmte Konzepte annehmen könnte, so daß zum Beispiel die GEBÄUDE-Variante neutraler sei als die INSTITUTIONS-Variante.24 Schließlich wird von der Konzeptfamilie Exhaustivität gefordert; die Beispiele in (6) haben aber gezeigt, daß es zusätzlich zu den von Bierwisch diskutierten Fällen bei Schule noch weitere Varianten gibt. Dadurch ergibt sich die Frage, wie man alle für ein Lexem relevanten Konzepte erfassen kann, ob diese in irgendeinem Sinne prädiktabel sind, und ob es Grenzen der konzeptuellen Verschiebung gibt. Probleme der konzeptuellen Verschiebung und das Modell der zweistufigen Semantik mit ihrer Unterscheidung zwischen der semantischen Form und der konzeptuellen Verschiebung werden inzwischen in einer Vielzahl von empirischen und theoretischen Zusammenhängen diskutiert.25 Es gibt allerdings bislang keinen Versuch, diese Ansätze auf die Modalpartikelsemantik zu übertragen oder für die Heterosemieproblematik fruchtbar zu machen. Ich diskutiere einschlägige Probleme im Rahmen dieser Arbeit in Abschnitt 5.8 und in Abschnitt 6.5. Ausgangspunkt für unsere Skizze war die Vermutung, daß konzeptuelle Verschiebung ein für die Analyse von Polysemie und Heterosemie relevantes theoretisches Konzept ist. So könnte Polysemie mit der Gewinnung neuer Mitglieder einer Konzeptfamilie verbunden sein. Angenommen, zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte die Konzeptfamilie für Schule aus den Konzepten INSTITUTION, LOKALITÄT, PRINZIP, PROZESS bestanden. Wenn man jedoch von einer Schule von Walen spricht, ist keines dieser Konzepte brauchbar; man kann
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Gerade diese Beobachtung hatte Nunberg (1979) dazu geführt, die Berechtigung von wörtlichen Bedeutungen überhaupt in Zweifel zu ziehen. 24 Hier wären auch Untersuchungen zum Konzepterwerb nutzlich. Meine diesbezügliche Hypothese ist, daß das GEBÄUDE-Konzept vor dem INSTTTUTIONS-Konzept erworben wird.- Zu beachten ist auch die bei Fauconnier (1985) und Deane (1988) diskutierte Unterscheidung von offener und geschlossener Polysemie, die die unterschiedlich gute Zugänglichkeit und damit auch die Gewichtung von Konzepten nahelegt. 25 Vgl. auch Dölling (1992) und Herweg/Maienborn (1992).
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sich nun vorstellen, daß daher das hier zu veranschlagende Konzept MITGLIEDER in die Konzeptfamilie aufgenommen wird, so daß größere Möglichkeiten der konzeptuellen Verschiebung entstehen. Wird eine Konzeptfamilie ausdifferenziert, so muß es Grenzen dafür geben.26 Wird eine Grenze überschritten, dann liegt es nahe, das Bedürfnis nach neuen Konzepten mit einer Umkategorisierung bzw. mit der Etablierung einer neuen Kategorie zu beantworten. Auf diese Weise scheint auch Heterosemie mit konzeptueller Verschiebung verbunden zu sein. Wenn man nun davon ausgeht, daß Modalpartikeln eine wörtliche Bedeutung im Sinne von SEM haben, sich aber in unterschiedlicher Weise auf Bereiche beziehen, die Kenntnis des Gesprächszusammenhangs, Einstellungen des Gesprächspartners und Hintergrundwissen verlangen, dann könnte es sein, daß auch Modalpartikeln mit bestimmten Konzepten bzw. Konzeptfamilien verbunden sind. Im folgenden möchte ich daher näher auf die Frage eingehen, worin die Bedeutung von Modalpartikeln zu sehen ist, und welche Modularisierung sich im Modell von Bierwisch ergibt.
1.3.2 Zur Bedeutung von Modalpartikeln Anstatt anzunehmen, daß die "Bedeutung" der Modalpartikel in der Indikation oder Modifizierung von Illokutionen besteht und sich darin erschöpft, gehe ich von der allgemeinen Hypothese aus, daß die Bedeutung der Modalpartikeln modular is ierbar ist, so daß sich Bestandteile ihrer Bedeutung auf der Ebene von SEM und der Ebene von m nachweisen lassen. Hinzu kommen pragmatische Bedeutungsbestandteile auf der Ebene des kommunikativen Sinns es (vgl. dazu Bierwisch 1980), zum Beispiel in Form von konversationellen Implikaturen. Eine der wesentlichen Beobachtungen zu den Modalpartikeln ist nun, daß diese keinen Beitrag zur Proposition des Satzes, in dem sie vorkommen, liefern. Dies ist sehr deutlich daran zu sehen, daß Sätze mit oder ohne Modalpartikel den gleichen Wahrheitsbedingungen unterliegen und in einer Äußerungssituation den gleichen Wahrheitswert erhalten müssen: Zum Beispiel ist der Satz Karin ist ja naß unter den gleichen Bedingungen wahr wie der Satz Karin ist naß. Man hat daher den Beitrag der Bedeutung einer Modalpartikel zur Bedeutung ihres Trägersatzes als nicht-proposhional bezeichnet. Es besteht auch weitgehend Einigkeit darin, daß diese nicht-propositionale Bedeutung von Modalpartikeln etwas mit Einstellungen des Sprechers (zur Proposition) zu tun hat. Diese Idee wurde schon von Weydt (1969, 68,22) formuliert und ist seitdem in einer Vielzahl von Arbeiten ausformuliert worden (besonders bei Bublitz 1978, Doherty 1987, Wolski 1986; vgl. auch Heibig 1988, 55ff. und Thurmair 1989, 94ff.).
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Meyer (1992, 22) spricht von einer 'meaning shift scale", deren eines Ende durch Nomina wie Buch, Oper, Keiffee mit einem hohen Grad von Verschiebungsmöglichkeiten, deren anderes Ende durch natürliche Arten bezeichnende Nomina gegeben ist, die nur Verschiebung zwischen genetischer und nicht-generischer Lesart erlauben.
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Umstritten ist jedoch, (a) was unter einer Einstellung des Sprechers zu verstehen ist, und (b) in welchem Modul (oder Modulen) diese zu lokalisieren ist. Zunächst zur Frage (a). Hilfreich ist hier der Ansatz von Kiefer (1987) - der seinerseits auf Bierwisch (1980) und Kratzer (1981) aufbaut -, demzufolge der Ausdruck einer Sprechereinstellung ein Typ von Modalität ist. Wenn dies zuträfe, erführe auch die Rede von einer "Modal"partikel eine Legitimation. Kiefer unterscheidet zwischen drei Arten von Modalität: (i) (ii) (iii)
Modalität als Ausdruck von Möglichkeit oder Notwendigkeit, Modalität als Bedeutung von propositionalen Einstellungen, Modalität als Ausdrücke der Sprechereinstellung.
Der erste Modalitätstyp entspricht der logischen Tradition mit ihrer Differenzierung zwischen logischer (alethischer), epistemischer, deontischer, boulomaischer und dispositionaler Modalität. Alle diese Modalitäten lassen sich im Rahmen der Mögliche-Welten-Semantik behandeln, wenn man den Begriff der 'zugänglichen möglichen Welt' (accessible possible world) berücksichtigt. Zum Beispiel ist im Falle der epistemischen Modalität die Menge der möglichen Welten w' von einer Welt w aus genau dann zugänglich, wenn w und w' hinsichtlich bestimmter Fakten, nämlich dem, was ein Sprecher über sie weiß, übereinstimmen. Für die logische und die epistemische Modalität sind die Begriffe der Möglichkeit und Notwendigkeit zentral, für die deontische Modalität die Begriffe der Verpflichtung und Erlaubnis. Modalität im Sinne des ersten Modalitätstyps kann daher bestimmt werden als notwendige oder mögliche Wahrheit oder Falschheit von p relativ zu einer zugänglichen möglichen Welt. Damit ein sprachlicher Ausdruck mit Modalität im Sinne von (i) in Zusammenhang gebracht werden kann, muß er Notwendigkeit oder Möglichkeit ausdrücken, und er muß prepositional sein. Dies gilt von den meisten Modalverben, dem Suffix -bar, unpersönlichen Konstruktionen wie es ist möglich, daß (vgl. die Beispiele bei Kratzer 1981). Es gilt nicht für Verben der propositionalen Einstellung, weil diese nicht in Termini von Notwendigkeit und Möglichkeit zu interpretieren sind, und es gilt nicht von Satzadverbien, weil diese nichtpropositional sind. Der zweite Modalitätstyp wird durch Verben der propositionalen Einstellung wie wissen, glauben, annehmen, bezweifeln etc. ausgedrückt. Für diese Einstellungsverben gilt, daß sie (a) einen kognitiven, emotiven oder volitiven Zustand ausdrücken und somit statisch sind, und daß sie (b) ein rfo/f-Satz-Komplement aufweisen. Der Ausdruck "propositionale Einstellung" ist hier so zu verstehen, daß die Einstellung - die sich jeweils auf das Subjekt des Matrixsatzes bezieht - selbst propositional ausgedrückt wird. Bei "Sprechereinstellungen" (s.u.) handelt es sich dagegen um nicht-propositional ausgedrückte Einstellungen des Sprechers. Kiefer (1987) faßt Verben der propositionalen Einstellung als in der Satzstruktur verankerte Mittel auf, die Zugänglichkeitsrelation zur möglichen Welt explizit zu machen; diese muß dagegen etwa im Fall der verschiedenen Interpretationen von können und müssen dem Kontext entnommen werden. Eine allgemeine Modalitätsdefinition für alle propositiona-
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len Aspekte der Modalität basiert wiederum auf der Zugänglichkeitsrelation, umfaßt aber logische Notwendigkeit und Möglichkeit nur, insofern diese linguistisch relevant sind. Diese "modifizierte logische Definition der Modalität" lautet nach Kiefer (1987, 86) folglich: "Modality is the set of linguistically relevant accessibility relations." Bezüglich des dritten Modalitätstyps unterscheidet Kiefer zunächst zwischen deskriptiven und nicht-deskriptiven Sätzen, vgl. (9a) vs. (9b): (9) a. John is sick. b. John is probably sick. Deskriptive Sätze können unter den Prädikaten know, assert/state eingebettet werden, in i/eingeleiteten Nebensätzen erscheinen, und sie können negiert werden. All dies gilt nicht für nicht-deskriptive Sätze. Ausdrücke der Sprechereinstellung wie z.B. probably können nach Kiefer keinen kontrastiven Akzent tragen, nicht koordiniert werden, und nicht quantifiziert werden. Einstell ungsoperatoren können zwar Skopus über Quantoren haben, aber nicht umgekehrt. Als lexikalische Träger von Einstellungsoperatoren kommen in Betracht: (i) Satzadverbien, (ii) Modalpartikeln, (iii) parenthetische Verben, und (iv) Modalverben (im sog. subjektiv-epistemischen Gebrauch). Strukturiert man nun den Satz in einen (Komplex von) Einstellungsoperator(en) und einen propositionalen Gehalt (also Att (p)), kann man als linguistische Definition der Modalität nach Kiefer (1987, 77) ansetzen: "The modality of a sentence is determined by its attitudinal operators." Satztypen wie Interrogativsatz, Imperativsatz, Exklamativsatz und Optativsatz sind ebenfalls nicht-deskriptiv, da sie keine Propositionen enthalten. (Sie haben propositionalen Gehalt.) Man kann daher die "Satzmodalität" ebenfalls auf Sprechereinstellungen beziehen; zum Beispiel kann man für Interrogativsätze einen Einstellungsoperator Qu mit der Paraphrase want to know...' annehmen, obgleich dies nach Kiefer insofern gefährlich ist, als man nicht propositionalisieren sollte, was nicht-propositional ist. Deklarativsätze wurden oft als modalitätsneutral angesehen (vgl. auch Bierwisch 1980). Denkt man aber an die Fregesche Unterscheidung zwischen Gedanke, Urteil und Assertion, dann liegt es nahe, den Urteilsstrich als Einstellungsoperator aufzufassen. Man kann dann nicht mehr sagen, daß Deklarativsätze wie (9a) deskriptiv seien, da sie ja ebenfalls einstellungsbewertete Sätze sind. (Man kann nur sagen, daß deskriptive Sätze einen Urteilsoperator enthalten.) Die Modalitäten von Satztypen werden durch formale sprachliche Mittel ausgedrückt. Ein weiteres Problem taucht in Paaren wie (lOa/b) auf: (10) a. Leider kommt Peter. b. Ich bedauere, daß Peter kommt. Gemäß Kiefers Definition sind Einstellungsoperatoren nicht-propositional. Dies trifft aber nur auf (lOa) zu, nicht auf (lOb). Es muß also eine Möglichkeit geben, den Zusammenhang zwischen nicht-propositionalem und propositionalem Ausdruck von Modalität zu erfassen.
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Dies soll die oben angeführte linguistisch relevante Zugänglichkeitsrelation ansatzweise leisten.27 Die skizzierte Idee, Satzmodalität oder Satzmodus auf Typen von Sprechereinstellungen zu beziehen, liegt einer Reihe von Satzmodustheorien zugrunde.28 Die Gegenposition, daß der Satzmodus einstellungsfrei zu definieren sei, stützt sich u.a. auf das Argument, daß Einstellungen keine semantischen, sondern pragmatische Größen sind; der Satzmodus wird hier als etwas aufgefaßt, was den Referenztyp eines Satzes spezifiziert.29 Auf diese Debatte detailliert einzugehen, würde hier zu weit führen. Ich denke jedoch, daß der Bezug sowohl der Modalpartikelbedeutung als auch des Satzmodus auf die Größe der Sprechereinstellung eine Möglichkeit bietet, deren spezifische Interaktion zu beschreiben. Zum Beispiel gibt ja im Deklarativsatz Karin ist ja naß eine Einstellung des Sprechers zur Proposition 'daß Karin naß ist' wieder. Diese Einstellung könnte etwa paraphrasiert werden mit 'Sprecher hält für unkontrovers, daß p' (vgl. Kap. 5). Daß ja mit Deklarativsätzen kompatibel, mit Imperativsätzen aber inkompatibel ist, muß dann auf den mit diesen Satztypen verbundenen Satzmodus zurückführbar sein. Eine Theorie, die diesen Grundgedanken auf die Modalpartikel-Satzmodus-Interaktion anwendet, hat Doherty (1987) entwickelt; diese leidet aber u.a. an einem unausgereiften Satzmodusbegriff.30 Wenn man, wie Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 72), die Bedeutung von Modalpartikeln in keinerlei Zusammenhang mit Einstellungen bringen will, sondern sie eher in bestimmten pragmatischen Funktionen sieht, hat man auch keinen systematischen Ort, "ihre besondere Nähe zum Satzmodus" (S. 73) zum Ausdruck zu bringen. Ich komme nun zu der Frage (b), auf welcher Ebene in der zweistufigen Semantik Bierwischs Einstellungen anzusetzen sind. Im Prinzip kommen dafür sowohl SEM als auch m in Betracht (vgl. Bierwisch 1980). Bei SEM von Modalpartikeln müßte es sich um eine kontextunabhängige, dabei im explizierten Sinne modale Bedeutung handeln, die identisch mit einem Einstellungskonzept sein kann. Als Typen von Einstellungskonzepten kommen vor allem epistemische, intentionale und emotionale Konzepte in Frage. Auf der Ebene der Äußerungsbedeutung m können Modalpartikeln mit einer Reihe von Einstellungskonzepten verknüpft sein; da auf dieser Ebene Prozesse der konzeptuellen Verschiebung und Differenzierung stattfinden, ist diese Ebene auf jeden Fall relevant für die Erfassung der Modalpartikelbedeutung. Ob man im Falle der Modalpartikeln tatsächlich beide Ebenen benötigt, und wie sich das Verhältnis dieser beiden Ebenen zueinander gestaltet, kann nicht a priori entschieden werden, sondern muß sich aus einer genauen
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Vgl. zu dieser Problematik auch Lang (1983), Pasch (1985) und Rosengren (1985). Vgl. u.a. Altmann (1987), Bierwisch (1979), (1980), Jacobs (1991b), Lang (1979), (1983), Motsch/Pasch (1986), Pasch (1989a,b). Vgl. vor allem Brandt/Rosengren/Zimmermann (1990), Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992), Rehbock (1991). Vgl. zur Kritik Foolen (1989) und Meibauer (1987a).- Zu einem Versuch, die Modalpartikel-SatzmodusInteraktion im Rahmen des einstellungsfreien Satzmodusmodells von Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) darzustellen, vgl. Ormelius (1993).
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empirischen Analyse der jeweiligen Modalpartikel ergeben. Nur aus solchen detaillierten Untersuchungen kann sich letztlich eine begründete Hypothese über die vermutlich recht abstrakte wörtliche Bedeutung von Modalpartikeln ergeben. Ich gehe auf diese Problematik vor allem im Abschnitt 5.8 ein, wobei ich zusätzlich den Aspekt der Sprachproduktion einbeziehe.
1.3.3 Grammatikalisierung Die sprachhistorische Dimension der konzeptuellen Verschiebung wird bei Bierwisch (1983a) nicht erfaßt, liegt aber all jenen Forschungsrichtungen zugrunde, die sich im weitesten Sinne mit Grammatikalisierung befassen.31 Ein einflußreicher Versuch, die maßgeblichen Prozesse der Grammatikalisierung zu ermitteln, findet sich bei Lehmann (1985).32 Ingesamt werden sechs verschiedene Prozesse unterschieden: (a) (b) (c) (d) (e) (f)
Beim Prozeß der Abnutzung wird ein (möglicherweise mehrsilbiges) Element mit einem Bündel semantischer Merkmale zu einem (möglicherweise monosegmentalen) Element mit wenigen semantischen Merkmalen. Beim Prozeß der Paradigmatisierung partizipiert ein Element zunächst nur lose an einem semantischen Feld, und wird dann Mitglied eines kleinen und dicht integrierten Paradigmas. Bei der Obligatorisierung ergibt sich ein Wandel von freier Wahl eines Elements gemäß der kommunikativen Intention zu systematisch beschränkter bzw. nahezu obligatorischer Wahl. Beim Prozeß der Kondensation bezieht sich ein Element zunächst auf eine Konstituente beliebiger Komplexität, bevor es ein Wort oder einen Stamm modifiziert. Koaleszenz betrifft die Bindung an ein anderes Element; während ein Element zunächst unabhängig auftritt, wird es später zum Affix oder phonologischen Merkmal des Trägerelements. Bei der Fixierung wird ein Element mit freier Wortstellung zu einem Element, das eine ganz bestimmte Position besetzen muß.
Diese Kriterien wurden von König (1989) in bezug auf Gradpartikeln (Fokuspartikeln) geprüft. König (1989, 326f.) gelangt zum Ergebnis, daß phonologische Abnutzung bei Fokuspartikeln insofern nicht vorliegt, als diese unter bestimmten Bedingungen den Hauptakzent tragen können. Semantische Abnutzung33 ist dagegen eine typische Begleiterscheinung der Entwicklung von Fokuspartikeln, und auch Integration in ein mehr oder minder festes Paradigma liegt vor. Eine Zunahme syntaktischer Kohäsion läßt sich allenfalls in dem Bezug auf einen Fokus sehen, der auch die Position determiniert. Ein Verlust paradigmatischer oder syntaktischer Variabilität kann hingegen nicht registriert werden. Abraham (1991b, 337f.) stellt anhand einer ähnlichen Prüfliste fest, daß Modalpartikeln (im Vergleich mit ihren historischen Wurzeln) insofern ein Grammatikalisierungsphänomen
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Vgl. u.a. Abraham (1991b), Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991a,b), Lehmann (1985), (1989), Nevalainen (1991), Traugott (1989), Traugott/Heine (1991), Traugott/König (1991).- Eine Skizze synchroner Grammatikalisierungsphänomene des Deutschen bietet Lehmann (1991). Vgl. auch die Prinzipien der Schichtung, Divergenz, Spezialisierung, Persistenz und Dekategorisierung bei Hopper (1991). In der Literatur oft als 'semantic bleaching' bezeichnet.
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darstellen, als sie eine Entwicklung von einem (eher) lexikalischen zu einem (eher) grammatischen Element exemplifizieren und ein Verlust an semantischer Komplexität und syntaktischer Freiheit zu konstatieren ist. Ein Verlust an pragmatischer Signifikanz und phonetischer Substanz ist jedoch genausowenig festzustellen wie eine größere Beschränkung durch grammatische Regeln (es sei denn, man deutet ihre spezifische Satztypendistribution bzw. Mittelfeldbeschränktheit so). Eine generelle Definition von Grammatikalisierung wird von Traugott/König (1991, 189) vorgeschlagen: "'Grammaticalization' [...] refers primarily to the dynamic, unidirectional historical process whereby lexical items in the course of time acquire a new status as grammatical, morpho-syntactic forms, and in the process come to code relations that either were not coded before or were coded differently."
Heterosemie kann demnach als Ergebnis von Grammatikalisierung betrachtet werden. Als Triebkräfte der Grammatikalisierung, insbesondere aber des semantischen Wandels, sind in jüngster Zeit Metapher und Konventionalisierung der konversationellen Implikatur identifiziert worden.34 So geht Sweetser (1988) anhand des englischen go-Futurs der Frage nach, welche Bedeutungsaspekte eines Lexems im Grammatikalisierungsprozeß verloren gehen und welche bewahrt werden.35 Bedeutungsübertragung ('meaning transfer') ist metaphorisch strukturiert und basiert auf Imageschemata (vgl. Lakoff 1987). Diese werden aus der früheren Bedeutung des Lexems abstrahiert und auf einen neuen Bereich übertragen. Dabei entsteht Bedeutungsverlust bezüglich des alten Bereichs, aber Bedeutungsgewinn bezüglich des neuen.36 Traugott (1989, 48ff.) argumentiert gegen solche Ansätze, die (a) Grammatikalisierung mit Desemantisierung ('semantic bleaching') in Verbindung bringen oder (b) semantischen Wandel als reinen Metaphorisierungsprozeß betrachten. Gegen die erstgenannte Richtung spricht, daß man zum Beispiel am semantischen Wandel englischer Modalverben eine Zunahme von Information (über Sprechereinstellungen) beobachten kann. Subjektivierung ist also nicht mit Informationsverlust, sondern -gewinn verbunden.37 Gegen die zweite Richtung spricht, daß sie nicht zwischen der Entwicklung epistemischer und nicht-epistemischer Bedeutung unterscheidet. Im ersten Bereich kann durchaus von
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Zur Metapher vgl. vor allem Claudi/Heine (1986), Reischman (1989), Heine/Claudi/Hünnemeyer (1991b), Sweetser (1988), (1990); zur Konventionalisierung der konversationellen Implikatur vgl. vor allem Traugott (1989), Traugott/König (1991a). Vgl. auch die Studien in Sweetser (1990). So umfaßt das Imageschema für engl. go die Bewegung entlang eines Pfads von einer Quelle in der Nähe des Ego hin zu einem entfernten Ziel. Die futurische Bedeutung von go erweist sich als metaphorische Übertragung des Bewegungsschemas, wobei jedoch nicht alle seine Aspekte übertragen werden; z.B. ist Bewegung umkehrbar und beschleunigbar, Zeit jedoch nicht. Übertragen werden die Linearität und die Gerichtetheit der Bewegung und die Position am Ausgangspunkt; der semantische Verlust betrifft nur den physischen Aspekt der Bewegung. Vgl. zum Begriff der Subjektivierung auch Langacker (1990), der ihm im Rahmen seiner 'Cognitive Grammar' jedoch eine speziellere Bedeutung gibt.
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metaphorischer Übertragung die Rede sein, im zweiten Bereich handelt es sich jedoch eher um eine Konventionalisierung konversationeller Implikaturen38, d.h. um einen Fall von pragmatischer Verstärkung ('pragmatic strengthening'). Metaphorische Prozesse betreffen die Repräsentation kognitiver Kategorien, pragmatische Verstärkung (der Informativität und Relevanz) betrifft den Ausdruck der Sprechereinstellung und das strategische Aushandeln der Sprecher-Hörer-I nteraktion. Traugotts eigener Ansatz basiert auf der Überzeugung, daß Prozesse des semantischen Wandels grundsätzlich regulär sind, so daß prädiktive Hypothesen aufgestellt werden können: "They [crosslinguistic processes of semantic change] are sufficiently predictive that one can take synchronic polysemies from any period in any language and project change back into the past. In other words, one can do internal semantic-pragmatic reconstruction." (S. 31) Im einzelnen werden drei Tendenzen des semantischen Wandels unterschieden, wobei diese Tendenzen untereinander geordnet sind: Tendenz I ist die Grundlage für die Tendenz II; Tendenz l und Tendenz II sind die Grundlagen für die Tendenz III.39 Bei der Tendenz I entwickeln sich Bedeutungen, die in der extern beschriebenen Situation basieren, zu Bedeutungen, die in der intern (evaluativ/perzeptiv/kognitiv) beschriebenen Situation basieren. Als Beispiele können pejorative Entwicklungen wie boor 'farmer' > 'crude person', metaphorische Übertragungen wie Fuchs 'Tierspezies' > 'schlauer Mensch' oder Herz Organ' > 'Mitleid' dienen. Tendenz II betrifft Bedeutungen, die in der extern oder intern beschriebenen Situation basieren; diese entwickeln sich zu Bedeutungen, die in der textuellen oder metasprachlichen Situation basieren. Einschlägig für die textuelle Situation ist die Entwicklung von Ae. pa hwile be 'at the time that' > Me. while 'during' > Ne. while 'although'. Unter metasprachlichem, weil sprechaktbezogenem, Wandel ist etwa die Entwicklung von observe 'perceive (that)' > 'state that' anzuführen, die zwischen ca. 1500 und 1605 stattgefunden hat. Bei Tendenz III neigen Bedeutungen dazu, immer mehr im subjektiven Glauben bzw. der Einstellung des Sprechers zur Proposition verankert zu sein. Hier ist etwa die Entwicklung von Me. very 'true' zum skalaren Gebrauch im Fne. zu nennen (z.B. in the very height of her career).40 Dieser Ansatz wird in Traugott/König (1991), der u.a. die Entwicklung von kausalen und konzessiven Konjunktionen und Präferenz-/Ablehnungsmarkierern behandelt, in zwei Richtungen weiterentwickelt. Einerseits wird die Konzeption der Konventionalisierung
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Dieser Gedanke wurde meines Wissens zum ersten Mal von Cole (1975, 273) in bezug auf die Entwicklung bestimmter let 'j-Konstruktionen entwickelt. Die Traugottsche These von der internen Rekonstruktion muß jedoch relativiert werden: Erstens ist von Prädiktion die Rede, wo es Retrodiktion heißen sollte, zweitens ist aufgrund von Tendenzen (statt Entwicklungsgesetzen) strenggenommen weder Prädiktion noch Retrodiktion möglich.- Nevalainen (1991,16f.) macht darauf aufmerksam, daß Traugott nur den semantischen Wandel individueller Elemente betrachtet; um aber Voraussagen über semantischen Wandel machen zu können, sei es nötig, ganze lexikalische Felder bzw. Klassen synonymer Elemente zu analysieren. In diese Rubrik fällt auch der von Sweetser (1988) diskutierte Fall des #o-Futurs.
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konversationeller Implikaturen eingebettet in die Relevanztheorie von Sperber/Wilson (1986)41, andererseits wird dafür argumentiert, daß die Konventionalisierung konversationeller Implikaturen einen Fall von Metonymie darstellt und damit neben der Metapher die zweite wichtige Triebkraft des semantischen Wandels bildet: "We propose extending the notion of metonymy from traditional covert and overt contexts to cognitive and covert contexts, specifically the pragmatic contexts of conversational and conventional inference. The contiguity involved is based in the discourse world. The 'indexing' involved is the pointing to relevance that conversational inferences about stereotypical situations entail." (S. 211)
Die oben erläuterten Tendenzen I und II sind metaphorisch, weil ein Sachverhalt durch einen anderen, im Kontext jedoch nicht vorliegenden, spezifiziert wird; Tendenz III ist dagegen metonymisch, weil ein Sachverhalt durch einen anderen, im Kontext vorliegenden, spezifiziert wird. Wie der Konventionalisierungsansatz funktioniert, zeigt König (1989) am Beispiel von engl. even*2, dessen ursprüngliche Bedeutung 'level, straight, horizontal(ly)' war.43 Daraus hat sich seit dem frühen Ae. eine abstraktere Bedeutung 'equally, exactly' entwickelt. Im Me. und Fne. war die Bedeutung 'exactly' häufig anzutreffen, vgl. (Ha): (11) a. The one that you gaze on.- Even she I meane. (Shakespeare, Shrew I.ii) b. Even as it admits of serious pollution problems, Germany is substituting cheap brown coal for imported oil. c. John works even on Sundays. In solchen emphatischen Beteuerungen der Identität - wie sie auch in (lib) vorliegt erwächst nun eine zunächst konversationelle Implikatur 'the coincidence is an unlikely and remarkable one', die dann konventionalisiert wird, vgl. (lie). Solche und ähnliche Skizzen sind suggestiv, haben aber eher heuristischen Charakter: In der Regel wird die Unterscheidung zwischen generalisierten und partikulären konversationellen Implikaturen, die Notwendigkeit von Tests (vgl. Sadock 1978) und die plausible Ausarbeitung von Schlußprozessen nicht beachtet; hinzu kommt natürlich die sprachhistorische Schwierigkeit, Indizien zu finden, die die Etappen der Konventionalisierung belegen. Voraussetzung für entsprechende Grammatikalisierungsstudien sind daher sorgfältige sprachhistorische Untersuchungen. Zwar ist Abraham (1991b) die erste Arbeit überhaupt, die deutsche Modalpartikeln unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalisierung behandelt, aber empirisch baut sie auf Hentschel (1986a) auf, die die Geschichte der Modalpartikeln ja, doch, halt, eben untersucht hat.44
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Vgl. zu einem ersten Versuch, Modalpartikeln relevanztheoretisch zu analysieren, die Arbeit von König/ Requadt (1991). Ähnliches soll für dt. eben und gerade gelten. Vgl. auch König (1991a, 69ff.). Ebenso Abraham (1988).
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Daß die Beleglage vor allem für die wichtige Epoche des Fnhd. spärlich ist, zeigt sich deutlich anhand von eben: Nach Hentschel (1986a) hat sich die Modalpartikel eben aus dem Adjektiv eben (von got. ibns) entwickelt und kommt noch im Mhd. als Adjektiv oder Adverb in dieser Bedeutung vor; für das Mhd. ist nur ein Beleg mit temporaler Bedeutung bekannt, so daß es als deiktisch angesehen werden kann. Im Ahd. taucht es nur als Bestandteil von Derivata und Komposita auf. Da die frühesten Belege für eine Abtönungsfunktion aus dem 18. Jh. stammen, kann nur vermutet werden, daß sich die Abtönungspartikel zwischen dem 13. Jh. und dem 18. Jh. herausgebildet hat. Für diesen Zeitraum gibt es aber keine empirische Untersuchung, so daß man weitgehend auf Spekulationen angewiesen ist.43 Oben bin ich davon ausgegangen, daß konzeptuelle Verschiebung ein Faktor sein könnte, der Polysemie und Heterosemie bei Modalpartikeln bewirkt. Dies stimmt in gewisser Weise mit dem Ansatz von Traugott und König überein, daß der semantische Wandel im modalen Bereich metonymischen Charakter hat. Während aber Bierwisch konzeptuelle Verschiebung (alias Metonymie) als semantisch-konzeptuelles Problem ansieht, verankern Traugott und König ihr Modell im Diskurs bzw. in diskursabhängig entstehenden konversationellen Implikaturen, die später konventionalisiert werden. Ob dies zwei Arten sind, dieselbe Sache auszudrücken, ist noch unklar; z.B. könnten neue Konzepte aus konversationellen Implikaturen erwachsen oder neue Konzepte zu neuen konversationellen Implikaturen führen. Die wesentliche Frage scheint daher zu sein, was Erweiterung einer Konzeptfamilie bzw. Konventionalisierung eigentlich ist. Ich diskutiere Grammatikalisierungsfragen in den Abschnitten 5.9, 6.4.4 und 6.5 der vorliegenden Arbeit.
l .4 Akzentuierung und modaler Kontrast Eine Standardauffassung von Modalpartikeln besagt, daß diese "immer unbetont" sind (Heibig 1988, 32) bzw. nicht betont werden können (König 1991b, 801). Sie geht auf Weydts (1969, 68) bekannte Definition zurück, in der Akzentuierung der Partikel mit Funktionsklassenwechsel in Zusammenhang gebracht wird. Dies gilt nach Weydt jedenfalls für die Partikeln auch, eben und vielleicht (S. 57); bei denn, eigentlich, wohl und doch könne der "Satzakzent" auf der Partikel liegen, ohne daß sich ihre kategorielle Identität ändert (S. 55f.). Das Phänomen der Akzentuierbarkeit von Modalpartikeln (bzw. Kandidaten für diesen Status) sei hier an einigen Partikeln demonstriert:
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Abraham (1991b, 365) kommt dennoch zu folgenden Schluß: "The development of the MP eben is thus as follows: (1) topographical evenness; (2) the addition of the meaning of temporal similarity next to the original, topographical evenness in MHG; and (3) a causal relation between two utterances, in the late 18th century."
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(12) a. b. c. d. e. f.
Egon hat das doch GESAGT!/Egon hat das DOCH gesagt! Was MEINST du eigentlich?/Was meinst du EIGENTLICH? Wie HEISST sie denn?/Wie heißt sie DENN? Das war wohl NASTASSJA./Das war WOHL Nastassja. Das kann man schon SAGEN./Das kann man SCHON sagen. Da kommt ja FRIDOLIN!/Mach JA deine HAUSaufgaben!
Will man den Zusammenhang zwischen den beiden Erscheinungsformen der Partikel klären, stellen sich die beiden folgenden Fragen: (a) Um was für eine Art von Akzent handelt es sich? (b) Hat der Akzent einen Einfluß auf die Wortartzugehörigkeit bzw. auf die Identität der Modalpartikel? Als Kontrastakzent wird der fragliche Akzent von Weydt (1986) bezüglich denn, doch, wohl und eigentlich bezeichnet, von Lerner (1987) bezüglich doch, von Doherty (1987) bezüglich ja, denn, doch und wohl. Thurmair (1989) spricht für die sog. Affirmationsadverbien (doch, schon, wohl; eventuell denn) von einem Kontrastakzent, bei ja, nur und bloß dagegen von einem emphatischen Akzent. Dieser Gegensatz spielt auch eine Rolle bei der Kontroverse um eigentlich zwischen Kohrt (1989) und Oppenrieder/Thurmair (1989). Wenn Unbetonbarkeit zu einem definierenden Kriterium für Modalpartikelstatus gemacht wird, können akzentuierte Partikel vorkommen im Mittelfeld des deutschen Satzes nicht zu den Modalpartikeln gerechnet werden. Entsprechend hat man akzentuiertes DOCH, EIGENTLICH und WOHL für Adverbien gehalten. Die Einrichtung einer eigenen Funktionsklasse 'Affirmationsadverb' bei Thurmair (1989) ist die Konsequenz aus dem Festhalten am Unbetontheitskriterium. Vor dem Hintergrund unserer Überlegungen zu Heterosemie und Polysemie ist nun klar, daß die Frage der Akzentuierung dafür unmittelbar relevant ist: Wenn es nämlich ein heterosemes Adverb gibt, dann muß zusätzlich zu den anderen Heterosemierelationen noch die Heterosemie zwischen dem Adverb und der Modalpartikel untersucht werden; gibt es ein solches Adverb jedoch nicht, weil es sich um die Modalpartikel handelt, vereinfacht sich die Untersuchung also erheblich. Betontes JA im Mittelfeld wurde meines Wissens niemals als Adverb betrachtet, sondern eher als "Variante" von ja; für die Untersuchung von Polysemie ist daher der Status des Akzents ebenfalls von Bedeutung. Ich vertrete in dieser Arbeit die Auffassung, daß der Akzent auf Modalpartikeln ein Kontrastakzent ist. Unter Kontrastakzent verstehe ich einen Akzent mit kontrastiver Wirkung. Modaler Kontrast ist demgemäß der mit dem Gebrauch von akzentuierten Modalpartikeln verbundene Effekt der Kontrastierung. Die Akzentuierung von Modalpartikeln und die damit verbundene kontrastive Wirkung sollte aus den Prinzipien einer Theorie der Informationsstruktur (Fokus-Hintergrund-Gliederung) ableitbar sein bzw. von dieser berücksichtigt werden. Der Begriff des Kontrastakzents darf nicht im Sinne eines eigenen Akzenttyps, etwa im Gegensatz zum Normalakzent, verstanden werden. Wie vor allem Bing (1980), (1983) und Ladd (1980) gezeigt haben, handelt es sich einfach um einen Akzent, der engen Fokus
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signalisiert.46 Kontrast ist also ein semantisch-pragmatischer Begriff; nicht jeder enge Fokus signalisiert Kontrast, und umgekehrt kann Kontrast auch durch weite Foki ausgedrückt werden. Die detaillierteste Behandlung von Fokusphänomenen im generativen Rahmen erfolgt bei Rochemont (1986).47 Rochemont unterscheidet zwischen dem P-Merkmal (für 'prominence') und dem F-Merkmal (für 'focus'). Das P-Merkmal wird zwischen D- und S-Struktur beliebigen lexikalischen Kategorien zugewiesen; es dient als Auslöser der Akzentzuweisung. Das F-Merkmal wird ebenfalls zwischen D- und S-Struktur nach bestimmten Regeln +Pmarkierten Konstituenten zugewiesen und dient als Auslöser der LF-Operation 'Focus raising'. Die Zuweisung eines Fokusmerkmals (+F) an bestimmte Konstituenten ist für Rochemont also eine rein grammatische Angelegenheit. Fokussierte Konstituenten werden im Diskurs auf verschiedene Weise interpretiert. Rochemonts Auffassung dieser Interpretation basiert auf der traditionellen Unterscheidung zwischen alter und neuer Information. Etwas ist alte Information, wenn es aus dem Kontext ableitbar ist. Alles, was nicht aus dem Kontext ableitbar ist, ist neue Information. Etwas kann entweder direkt aus dem Kontext ableitbar sein, oder indirekt, wobei beide Verfahren konventionell (lexikalisch) oder konversationell (pragmatisch) sein können. Die Haupttypen der Fokusinterpretation sind präsentativer und kontrastiver Fokus, wobei er letzteren am Standardfall einer Korrektursequenz illustriert.48 Im Rahmen von Jacobs (1988) 'relationaler Fokustheorie' spielen pragmatische Gesichtspunkte eine eher marginale Rolle. Kontrastiv sei ein Fokus, "wenn er im jeweiligen sprachlichen Kontext explizit irgendwelchen Fokusalternativen gegenübergestellt wird." (S. 113) Als Beispiel nennt Jacobs vor allem den Negationsfokus, weist aber auch auf den Fokus von Illokutionstyp-Operatoren hin, mit denen seiner Theorie zufolge jeder Satz ausgestattet ist; diese erlauben eine semantische Gliederung in Fokus und Hintergrund selbst dann, wenn es keine expliziten fokusinduzierenden Elemente gibt. So kann Jacobs' Generalisierung, daß jeder Fokus der Fokus eines anderen Elements ist, aufrecht erhalten werden. Ich baue bei meiner Analyse des modalen Kontrasts auf der Arbeit von Rochemont (1986) auf, da diese zwischen den grammatischen und pragmatischen Faktoren der Fokuszuweisung und -interpretation klar trennt, und auch deutlich den Diskursbezug des Kontrastfokus herausstellt.49
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47 48 49
Unter engem Fokus ist die Akzentuierung einer Konstituente ohne Fokusprojektion zu verstehen; weiter Fokus ist die Akzentuierung einer Konstituente mit Fokusprojektion. Zur Erklärung dieser Begriffe vgl. ausfuhrlich Abschnitt 3.2. Frühere Vorschläge liegen von Chomsky (1971), Culicover/Rochemont (1983), Höhle (1982), Jackendoff (1972) und Selkirk (1984) vor. Vgl. die Diskussion bei Heiland (1992, Kap. 5). Dazu genauer Abschnitt 3.2.3 der vorliegenden Arbeit. Vgl. auch die Besprechung von Lenerz/Klein (1988). Vgl. vor allem den Abschnitt 3.2 der vorliegenden Arbeit. Für das Deutsche werden auch die Arbeiten von Rosengren (1991) und Uhmann (1991) ergänzend herangezogen.- Phonetische Untersuchungen von Dietrich (1990) haben ergeben, daß im Deutschen Kontrast sowohl durch starken Tonanstieg als auch durch starken Tonfall ausgedrückt werden kann. Starker Tonanstieg zeigt sog. kontradiktorischen Kontrast, starker Tonfall zeigt sog. komplementären Kontrast. Auf diese Unterscheidung gehe ich in Abschnitt 3.2.3 und 5.7 ein.
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Die einzigen Arbeiten, die sich mit kontrastakzentuierten Modalpartikeln im minimalistischen Stil befassen, sind Doherty (1987), Lerner (1987) und Abraham (1991a). In diesen Arbeiten werden Begriffe wie 'Kontrastfolgerelation', 'kontrastierte Einstellung', 'Kontrastdomäne' eingeführt, die alle für unser Thema relevant zu sein scheinen; allerdings fehlt eine Einordnung in den größeren Zusammenhang einer Theorie der Informationsstruktur und eine Generalisierung in bezug auf die gesamte Klasse der akzentuierten Modalpartikeln. Ich gehe auf diese Arbeiten in gegebenem Zusammenhang ein (vgl. vor allem Kap. 4. und 5). Ein wesentliches Problem bei der Analyse des modalen Kontrasts soll hier schon erwähnt werden: Kontrast wird meist anhand kontrastierter Nominalphrasen illustriert, und so ist auch das Problem des Bezugs auf Wahrheitsbedingungen bzw. der Geltung bestimmter Propositionen im Diskurs am besten zu thematisieren. Modalpartikeln leisten aber bekanntlich keinen Beitrag zu den Wahrheitsbedingungen eines Satzes, sondern sind modal in dem Sinne, daß sie die Einstellungen von Sprechern zu einer Proposition betreffen. Es ist also zu klären, wie die kontrastive Interpretation von Modalpartikeln mit dem Wissensstand über Propositionen zusammenhängt.
1.5 Zur Wortart/Kategorie von Modalpartikeln Relativ wenig ist über die Frage reflektiert worden, welche Wortart/Kategorie Modalpartikeln aufweisen. Dabei ist die Beantwortung dieser Frage sowohl wichtig für die Untersuchung der Heterosemie als auch für die Untersuchung der Akzentuierung von Modalpartikeln. Bei der Untersuchung der Heterosemie muß nämlich zunächst geklärt sein, in welchen Kategorien ein Lexem vorkommt, bevor man sich an die Analyse der sychronen und diachronen Beziehungen zwischen diesen Heterosemen begeben kann. Intuitiv besteht ein großer Unterschied darin, ob man nun das Verhältnis einer Modalpartikel zu einem Gegenstück der Kategorie Adjektiv, oder das Verhältnis einer Modalpartikel zu einem Gegenstück der Kategorie Adverb betrachtet. Ebenso ist klar, daß es unabhängige Kriterien zur Wortartbestimmung geben muß, wenn Akzentuiertheit als Kriterium (z.B. für adverbialen vs. Modalpartikel-Status) ausfällt. Auch Fragen wie die, warum nicht alle Modalpartikeln kontrastiert werden können bzw. Akzentuierung mit Kategorienwechsel verbunden ist wie im Fall von eben und ruhig, setzen eine Fixierung der Wortart voraus. Eine der wenigen Arbeiten, die sich mit der Wortartenfrage - allerdings aus der Perspektive der Gradpartikeln - explizit auseinandersetzen, ist Altmann (1979). Altmann vergleicht die Partikeln mit den Hauptwortarten. Genau wie eine Nominalphrase in der
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syntaktischen Funktion eines Subjekts oder Objekts vorkommen kann50, so können Partikeln die syntaktische Funktion z.B. als Gradpartikel, Modalpartikel oder Antwortpartikel aufweisen. Partikeln haben somit die Eigenschaft der Polyfunktionalität, wobei diese nach Altmann als syntaktische Eigenschaft zu verstehen ist. Diese Position ist von Thurmair (1989) übernommen worden und wird auch in Oppenrieder/Thurmair (1989) offensiv (gegen Kohrt 1988) vertreten. So heißt es bei Thurmair (1989, 8f.): "'Partikel' als Oberbegriff umfaßt (mindestens) die Partikelklassen Präpositionen, Vergleichspartikeln, Konjunktionen, Konjunktionaladverbien, Adverbien, Satzadverbien, Modalpartikeln, Steigerungspartikeln, Gradpartikeln, Negationspartikeln, Gliederungspartikeln und Interjektionen. Die Partikeln im gesamten sind als Wortart zu sehen; die einzelnen Subklassen dagegen nicht als Wortarten, sondern als Punktionen, in denen bestimmte Partikeln auftreten können."
Noch prononcierter formulieren Oppenrieder/Thurmair (1989, 38), daß "es sich beim 'Modalpartikelgebrauch' um die Verwendung einer Partikel (Form) in einer bestimmten Funktion" handele, und "die Suche nach einer W o r t a r t 'Modalpartikel' also von vornherein illusorisch" sei. Für diese Auffassungen werden aber keine plausiblen Begründungen gegeben. Den Begriff der syntaktischen Funktion von den Hauptwortarten (bzw. den Projektionen entsprechender Elemente) auf die Partikeln zu übertragen, verlangt ja eine Übertragbarkeit von bestimmten syntaktischen Hauptworteigenschaften, die für die Partikeln nicht zu gewährleisten ist. Nehmen wir als Beispiel die Nominalphrase, die in der syntaktischen Funktion eines Subjekts oder Objekts auftreten kann; diese unterscheiden sich durch ihre Position in der Satzstruktur. Positionelle Variabilität läßt sich zwar im Partikelbereich feststellen, aber sie scheint anderer Natur zu sein als etwa bei der Nominalphrase, und vor allem ist sie durchaus spezifisch für die jeweilige Partikelart, wie man sich leicht am Beispiel der Präpositionen oder Konjunktionen klarmachen kann. Gegen die mögliche Alternative, "jeder Funktion eine eigene Lesart desselben Lexems" zuzuordnen, spricht nach Altmann (1979, 325), daß in vielen Fällen "Verwandtschaft zwischen den Bedeutungen der Lexeme je nach Funktionen zu erkennen" sei.51 Ein Echo findet dieser Einwand bei Thurmair (1989, 9), die behauptet, daß mit der Annahme, daß Partikel-Subklassen Funktionen darstellen, die Polyfunktionalität "leichter zu erklären sei." Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern die Erklärung von Bedeutungsverwandtschaft innerhalb der Partikeln dadurch erleichtert werden soll, daß man sich der Etablierung von
50
51
Dies wird deutlich in Fn. l, S. 363, wo es heißt: "Funktion' ist nicht metaphorisch zu verstehen, sondern präzise als Konstellation von Kategorialsymbolen in einem KS-Baum, durchaus im Sinne etwa von 'Subjekt von' [...)." Ferner seien die Bedeutungsunterschiede "in einer ganzen Reihe von Fällen kaum als wahrheitsfunktional zu werten" (S. 352) und es sei "wenig überzeugend, für jede Funktion eine [sie!] neues Lexem anzusetzen, solange man nicht eindeutig sagen kann, ob die Bedeutungsunterschiede nun dem Lexem oder der syntaktischen Funktion zuzuordnen sind." (ebd.) Dazu ist einerseits zu sagen, daß Bedeutungen nicht unbedingt wahrheitsfunktional sein müssen, und daß es anderseits wiederum unklar ist, inwiefern Funktionen Bedeutungen haben können.
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Wortarten verweigert und stattdessen das hier vage werdende Konzept der syntaktischen Funktionen bemüht. Gegen die zitierte Auffassung von Thurmair spricht vor allem folgendes: Nach Thurmair wären Adjektive eine eigene Wortart, während Konjunktionen und Modalpartikeln PartikelSubklassen sind, also keine eigenen Wortarten darstellen; man kann nun aber kaum behaupten, daß die Beziehung zwischen doch als Konjunktion und als Modalpartikel wegen der hier vorhandenen Polyfunktionalität prinzipiell leichter zu erklären ist als die Beziehung zwischen ruhig als Adjektiv und als Modalpartikel, weil hier keine Polyfunktionalität vorliegt. Zudem ist zu beachten, daß das Phänomen der Polyfunktionalität nicht die Beziehung zwischen Partikel-Subklassen betrifft, sondern Eigenschaften eines einzelnen Worts. Es geht also nicht darum, daß eine Beziehung zwischen der Menge der Gradpartikeln und der Menge der Modalpartikeln besteht, sondern darum, daß z.B. schon u.a. Gradpartikel und Modalpartikel ist, denn aber Konjunktion und Modalpartikel ist, usw. Der Status als Wortart bedarf natürlich empirischer und theoretischer Rechtfertigung. Schwierigkeiten bei der Kategorisierung scheint zunächst der Umstand zu machen, "daß die einzelnen Partikelfunktionen syntaktisch-distributionell meist nicht eindeutig voneinander geschieden sind, also zumindest einige distributionelle Eigenschaften teilen." (Altmann 1979, 352) Soweit dies sog. "Funktionsambiguitäten" betrifft, mag dem zugestimmt werden. Dies kann aber nur die observationelle Seite der Medaille betreffen, denn niemand würde behaupten, daß etwa Konjunktionen, Präpositionen, Gradpartikeln oder Modalpartikeln die gleiche Distribution aufweisen. Selbst wenn sie einige distributioneile Eigenschaften teilen würden, wäre dies kein Manko für die Klassenbildung. Sieht man von der unbegründeten These von Altmann, Oppenrieder und Thurmair ab, daß es keine Wortart Gradpartikel, Modalpartikel, etc. gebe, da es sich hier jeweils um eine bloße syntaktische Funktion handele, stellt sich die Frage, wie man einen entsprechenden Wortartstatus rechtfertigen kann. Ich schließe mich hier den in neueren Grammatikmodellen üblichen Annahmen an, daß Bezeichnungen für Wortarten Namen für Klassen von Lexemen sind, die sich aufgrund phonologischer, morphologischer und syntaktischer Eigenschaften gleich oder ähnlich verhalten, und daß Wortarten grammatische Kategorien sind, die sich als solche nur dadurch rechtfertigen lassen, daß grammatische Regeln notwendig auf sie Bezug nehmen (vgl. Plank 1984). Wie Reis (1982, 172) deutlich gemacht hat, gilt dies für jedes relevante Beschreibungskonzept im Rahmen einer optimalen Gesamtgrammatik einer Sprache. Was gibt es für Alternativen zur Klassifikation der Modalpartikeln als Partikeln? Unter syntaktischem Gesichtspunkt müssen die Stellungseigenschaften als ein Kriterium der Wortartbestimmung gewertet werden.52 Obwohl sich Modalpartikeln diesbezüglich von Adverbien deutlich unterscheiden, weil sie niemals allein im Vorfeld stehen dürfen, werden
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Der phonologische Gesichtspunkt kann aus den oben diskutierten Gründen zunächst keine Rolle spielen; ebenso versagt das morphologische Kriterium wegen der mangelnden Flektierbarkeit von Modalpartikeln. Ein meines Wissens bisher nicht verfolgter Ansatzpunkt böte sich höchstens darin, daß einige Modalpartikeln nicht monomorphematisch sind.
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ihnen oft grundsätzlich adverbiale Eigenschaften zugeschrieben (vgl. Abraham 1991a, 239; Jacobs 1991a, 155; Bayer 1991, 265). In Abraham (1988), (1991a) stehen Modalpartikeln unter einem MP-Knoten an allen adverbialen Positionen im Mittelfeld; in Abraham (1991b) wird ein Knoten PART angenommen, der MP dominiert. Bayer (1991) nimmt ebenfalls einen Knoten PART an, unter dem sowohl Grad- als auch Modalpartikeln stehen können. All dies erfährt keine tiefere Begründung. Dies hängt wohl mit dem prekären Status von Modalpartikeln in der X-bar-Theorie zusammen. Dem Phrasenprinzip zufolge müßte jeder Nicht-Kopf eine Phrase sein. Modalpartikeln scheinen aber einerseits keine Köpfe zu sein, weil sie nicht projizieren, anderseits sind sie aber auch keine Phrasen, d.h. Projektionen von Köpfen, da sie selber nicht erweitert werden können. Ich verfolge in dieser Arbeit die Hypothese, daß Modalpartikeln eine eigene Wortart sind und die Kategorie MP haben. Eine Abgrenzung zu den anderen relevanten Wortarten und eine Diskussion im Rahmen der X-bar-Syntax erfolgt in Kap. 2.
l .6 Gegenstand und Aufbau der Arbeit Hauptgegenstand der folgenden Untersuchungen sind die deutschen Modalpartikeln doch, ja und schon; daneben werden auch die Modalpartikeln eigentlich, denn, eh (sowieso l ohnehin), einfach/ruhig/glatt, halt und etwa behandelt. Die Auswahl dieser Partikeln ist motiviert durch die behandelten Fragestellungen. Es gibt zwar eine Fülle von Untersuchungen zu diesen Modalpartikeln, aber es wird sich zeigen, daß empirisch und theoretisch bedeutsame Fragen bisher noch nicht gestellt wurden. In Kap. 2 geht es zunächst um Modalpartikeln als Wortart. Aufgrund ihrer syntaktischen Eigenschaften, die sie von anderen Wortarten wie den Adjektiven, Adverbien, Gradpartikeln, Steigerungs-, Antwort-, und Gliederungspartikeln unterscheiden, soll die Annahme einer eigenen Kategorie MP gerechtfertigt werden. Der theoretische Rahmen ist das CP-IP-System der deutschen Satzstruktur bzw. das Xbar-System. Schwierigkeiten, die sich bei der Erfassung der Modalpartikeln im X-barSystem ergeben, werden diskutiert; die mögliche Analyse als Klitika wird verworfen. In Kap. 3 versuche ich zu zeigen, daß die Annahme, es gebe kontrastakzentuierte Modalpartikeln, sinnvoll ist. Im Anschluß an eine Skizze der Fokusprojektion im Deutschen werden die Typen der Fokusinterpretation nach Rochemont (1986) dargestellt. Es folgt eine Diskussion der Rolle von Modalpartikeln bei der Fokus-Hintergrund-Gliederung, wobei auch auf die Frage nach einer möglichen Grundposition von Modalpartikeln eingegangen wird. Anhand von eigentlich wird dann exemplarisch die Frage aufgerollt, ob der Akzent bei Modalpartikeln ein emphatischer oder kontrastiver ist. Meine Antwort ist, daß es sich um
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einen Kontrastakzent handelt, was wiederum nahelegt, den Status der akzentuierten Modalpartikeln bei der Fokus-Hintergrund-Gliederung zu untersuchen. Die folgenden Kapp. 4 - 6 befassen sich mit den Modalpartikeln doch, ja und schon. Ein übergreifender Gesichtspunkt ergibt sich dadurch, daß es jeweils kontrastakzentuierte Gegenstücke DOCH, JA und SCHON gibt. Im einzelnen geht es um folgende Fragen: In Kap. 4 geht es um das Verhältnis von doch und DOCH. Akzentuiertes DOCH im Mittelfeld wird oft als Adverb betrachtet. Bei der Erörterung der Heterosemie der Modalpartikel müßte also unter anderem auch die Beziehung zum Adverb DOCH betrachtet werden. Ich versuche dagegen zu zeigen, daß nichts gegen eine Analyse von DOCH als akzentuierte Modalpartikel spricht. Diese Teilstudie zeigt also, daß eine sorgfältige Untersuchung der Kategorisierungsproblematik für die Untersuchung der Heterosemie unabdingbar ist. Kap. 5 ist eine Studie zum Verhältnis der Modalpartikelvarianten ja und JA und damit ein Beitrag zur Frage der Polysemie. Es wird dafür plädiert, daß die Bedeutung von JA auf die Bedeutung von je plus der Bedeutung des Kontrastakzents, d.h. der kontrastiven Interpretation, zurückgeführt werden kann. Das Kapitel schließt ab mit Überlegungen zur Einordnung der Ergebnisse in die Zwei-Ebenen-Semantik von Bierwisch und mit einer Analyse frühneuhochdeutscher Daten, die Aufschluß über die mit ja und JA verbundenen Prozesse der Grammatikalisierung geben soll. In den Untersuchungen zu schon in Kap. 6 geht es sowohl um Heterosemie, d.h. dem Bezug der Modalpartikel zum Temporaladverb und der Gradpartikel, als auch um Polysemie, d.h. den Varianten von schon als Modalpartikel, von denen wiederum akzentuiertes SCHON eine darstellt. Die Analyse baut auf dem Ansatz der Phasenquantifikation von Löbner (1989) auf und zielt auf den Nachweis ab, daß die temporale Skala des Temporaladverbs und der Gradpartikel auch der Modalpartikel zugrunde liegt. Dies ist Anlaß zu untersuchen, ob es sich hier um einen Fall der Konventionalisierung konversationeller Implikaturen ('Metonymie' im Sinne von Traugott/König 1991) oder Metapher handelt. Gewisse Ambiguitäten im Zusammenhang mit werden-SsAzen geben einen Einblick in zugrundeliegende Prozesse der Grammatikal is ierung. Im Kap. 7 werden weitere akzentuierbare Modalpartikeln behandelt: (a) denn, eh (sowieso, ohnehin) (b) einfach/ruhig/glatt, deren Betonung emphatisch ist, und (c) halt und etwa, bei denen Kontrastakzentuierung ausgeschlossen ist. Kap. 8 faßt die wichtigsten Ergebnisse hinsichtlich der sog. Homonymie von Modalpartikeln und der Akzentuierung von Modalpartikeln zusammen. Ich schlage eine die besprochenen Fälle verallgemeinernde Definition des Begriffs 'modaler Kontrast' vor und deute Möglichkeiten der weiteren Forschung an. Wie deutlich wurde, ist die Arbeit einem modularen und minimalistischen Vorgehen, jedoch keinem bestimmten theoretischen Modell verpflichtet. Sie macht vielmehr Gebrauch von einer Reihe von Analyseansätzen:
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(a)
der Theorie der generativen Grammatik, insbesondere, wo es um die Stellung der Modalpartikeln im deutschen Satz, ihre Kategorie, ihren Status im X-bar-System geht; (b) der Zwei-Ebenen-Semantik Bierwischs, die zusätzlich zur Ebene der semantischen Form noch die Ebene der konzeptuellen Struktur annimmt; (c) der Theorie der Informationsstruktur, die zwar in der Version von Rochemont (1986) sich als generativ-grammatische versteht, jedoch um eine pragmatische, diskursbasierte Komponente erweitert ist; (d) den verschiedenen, in einem breiten Sinn funktional istischen Ansätzen zur Grammatikalisierung, die Phänomenen Aufmerksamkeit schenken, die in der Theorie der generativen Grammatik weitgehend vernachlässigt werden.
Ich strebe also eine breite, integrative Behandlung des Themas an und hoffe, daß die Ergebnisse theorieneutral sind in dem Sinne, daß verschiedene Theorien davon Gebrauch machen können, sie aber auch für jede Theorie als Herausforderung verstanden werden können.
2.
Modalpartikeln als Wortart
2.1 Einleitung In diesem Kapitel möchte ich zeigen, daß Modalpartikeln eine eigene Wortart sind. Daß es sich um Partikeln handelt, folgt aus ihrer grundsätzlichen Unflektierbarkeit. Diese Eigenschaft teilen sie aber auch mit Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen, die ansonsten ganz andere grammatische Eigenschaften haben. Modalpartikeln können nicht wie die Adverbien andere Kategorien modifizieren, und sie können auch nicht wie diese valenznotwendig sein. Modalpartikeln projizieren nicht wie Präpositionen, und sie werden nicht durch bestimmte Verbklassen selegiert wie (eine Teilklasse) der subordinierenden Konjunktionen. Zu den Partikeln kann man auch Gradpartikeln, Antwort- und Gliederungspartikeln rechnen. Aber auch hier lassen sich grammatische Unterschiede zu den Modalpartikeln finden, die eine eigene Kategorisierung rechtfertigen. So haben Modalpartikeln keinen Bezug auf eine bestimmte andere Konstituente wie die Gradpartikeln, sie können nicht als Antwort dienen wie die Antwortpartikeln, und sie stehen nicht außerhalb von Sätzen wie die Gliederungspartikeln. Bis auf die Präpositionen bestehen zwischen den genannten Partikelarten einerseits - und weiteren, wie den Satzadverbien und den Konjunktionaladverbien - und einzelnen Modalpartikeln anderseits Heterosemien. Adjektive sind dagegen nicht dem Kriterium der Nichtflektierbarkeit unterworfen und stellen damit keine Partikeln dar; auch sie sind jedoch Heteroseme von Modalpartikeln. Gleiches gilt für bestimmte Adjektivadverbien. Wenn Modalpartikeln Heteroseme in anderen Wortarten haben, sollte es zu Ambiguitäten kommen können. Dies ist auch tatsächlich der Fall, wie ich im nächsten Abschnitt zeigen möchte. Die Existenz dieser Ambiguitäten ist ein klares Argument dafür, daß eine Wortartenklassifikation im Partikelbereich deskriptiv nützlich und theoretisch sinnvoll ist. Sie zeigt aber auch, daß das Bedürfnis nach Disambiguierung ein weiterer Faktor der Entwicklung von Heterosemie sein dürfte. Anstatt auf das zu grobrasterige Kriterium der Nichtflektierbarkeit abzuheben, scheint es mir sinnvoller, die Stellungs- und gegebenenfalls die Projektionseigenschaften zur Grundlage der Partikelkategorisierung zu machen. Grundlegende Stellungseigenschaften von Modalpartikeln sind die folgenden:1
l
In der Verwendung von Begriffen wie Mittelfeld, Vorfeld etc. stütze ich mich auf die topologische Analyse bei Höhle (1986); vgl. auch den Überblick in Grewendorf (1988, Kap. 4) und bei Dürscheid (1989).
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(a) Allein können Modalpartikeln nur im Mittelfeld stehen; (b) zusammen mit einem w-Ausdruck können sie im Vorfeld von W-Interrogativsätzen stehen; (c) sie können nicht im Nachfeld stehen. Während Modalpartikeln einerseits keine lexikalischen Köpfe wie N, V, A oder P sind, weil sie nicht projizieren, können sie anderseits auch keine Phrasen sein, weil sie nicht erweiterbar sind. Sie scheinen also aus dem X-bar-Schema herauszufallen. Ausgehend von einer Heuristik für Modalpartikeln, werde ich im nächsten Abschnitt in deskriptiver Weise Modalpartikeln gegen Adjektive, Adverbien, Gradpartikeln, Steigerungs-, Antwort- und Gliederungspartikeln abgrenzen und abschließend zwei problematische Fälle (nicht, mir/dir) diskutieren. Dabei zeige ich an einschlägigen Beispielen, welche Heterosemie-Beziehungen bestehen, und welches typische Ambiguitäten sind. Im darauf folgenden Abschnitt geht es dann um den Status der Modalpartikeln im X-barSystem. Nach Überlegungen zu möglichen Merkmalen einer Kategorie Modalpartikel wird der Status der Modalpartikel im X-bar-System sowie eine mögliche Analyse als Klitikum diskutiert.
2.2
Die Wortart Modalpartikel
2.2.1 Eine Heuristik für Modalpartikeln Thurmair (1989, 37) hat anhand der Modalpartikel halt das "distributionelle Grundmuster" der Modalpartikeln folgendermaßen fixiert.2 Modalpartikeln sind demnach: (a) (b) (c) (d) (e) (f) (g) (h) (i) (j) (k)
unflektiert, unbetont bzw. unbetonbar, fakultativ, nicht erfragbar, haben Satzskopus, können nicht negiert werden, stehen nur im Mittelfeld, u.zw. meist vor dem Rhema, sind satzmodusabhängig, illokutionstypmodifizierend, miteinander kombinierbar.
Dies ist methodologisch geschickt, denn halt ist die einzige Modalpartikel, die kein Gegenstück in einer anderen Wortart hat. (Die von Heibig (1988, 159) erwähnte Imperativform des Verbs halten rechne ich nicht als ernsthaften Kandidaten.) -Vgl. auch den Überblick in Heibig (1988, 32ff.).
30 Diese Liste müßte noch hinsichtlich der Eigenschaften 'nicht koordinierbar' und 'nicht erweiterbar' (vgl. dazu Abschnitt 2.3.2) ergänzt werden. Ohne weiteres akzeptiert werden können von diesen Kriterien nur (a)/Unflektiertheit (besser: Unflektierbarkeit), (d)/NichtErfragbarkeit, (f)/Nicht-Negierbarkeit, und (k)/Kombinierbarkeit. Diese seien im folgenden kurz charakterisiert: Unflektierbarkeit ist, wie schon oben gesagt, eine Eigenschaft der traditionell "Partikeln" genannten Gruppe, zu der auch Konjunktionen, Präpositionen und Adverbien gezählt wurden. Modalpartikeln sind - wie auch Gradpartikeln - nicht durch W-Fragen oder Entscheidungsfragen erfragbar, d.h. sie können nicht als selbständige Antwort auf entsprechende Fragen vorkommen. Heibig (1988, 22f.) führt das auf ihre fehlende Satzgliedschaft zurück: (1) a. Fritz hat halt keine Antwort gewußt. b. A: Wie hat Fritz keine Antwort gewußt? B: *Halt. c. A: Hat Fritz eine Antwort gewußt? B: *Halt. Dagegen können Satzadverbien (als "latente Sätze", vgl. Heibig 1988, 23) in der Regel als Antwort auf Entscheidungsfragen vorkommen (vgl. aber Ausnahmen wie wirklich, scheinbar, etc.), Adverbien als Antwort auf W-Fragen: (2) A: Kommt er heute? B: Sicher. (SAdv) *Spät. (Adv) (3) A: Wann kommt er heute? B: *Sicher. (SAdv) Spät. (Adv) Nicht-Negierbarkeit bedeutet, daß die Modalpartikel nicht im Skopus der Negation stehen darf: (4) a. b. c. d.
Fritz hat halt die Antwort nicht gewußt. Fritz hat die Antwort halt nicht gewußt. *Fritz hat nicht die Antwort halt gewußt. *Fritz hat die Antwort nicht halt gewußt.
Satzgliednegation ist schon deshalb nicht möglich, weil Modalpartikeln keine Satzglieder sind.3 Das Kriterium der Nicht-Negierbarkeit wird in Abschnitt 3.4 behandelt.
3
Andere Skopusverhältnisse ergeben sich aber bei Betonung der Modalpartikel, vgl. Abschnitt 3.4.2.
31
Die Kombinierbarkeit von Modalpartikeln, die sich etwa an Sätzen wie Das ist denn doch wohl die Höhe! beobachten läßt, ist Gegenstand der Untersuchungen von Thurmair (1989), (1991a). Ich gehe darauf in den Abschnitten 4.6 und 5.5 ein. Sehen wir uns nun die problematischeren Kriterien an, nämlich (b)/Unbetonbarkeit, (c)/Fakultativität, (g)/(h) Beschränktheit auf das Mittelfeld vor dem Rhema, (e)/Skopus, (i)/(j) Satzmodusabhängigkeit/Illokutionstypmodifikation: Das Kriterium der Unbetonbarkeit läßt sich, wie schon in Abschnitt 1.4 angedeutet, nicht halten; ich verteidige meine Auffassung in Kap. 3 und bei den Studien zu den einzelnen Modalpartikeln. Fakultativität scheint in manchen Fällen eingeschränkt zu sein, vgl. Optativsätze und Eund W-Komplementierersätze in deliberativer Verwendung (vgl. Scholz 1991): (5) a. b. (6) a. b. (7) a. b. (8) a. b. (9) a. b.
?Wäre ich Millionär! ?Wenn ich Millionär wäre! Wäre ich doch/nur Millionär! Wenn ich doch/nur Millionär wäre! Ach, wäre ich Millionär! Ach, wenn ich Millionär wäre! Ob er wohl kommt? Wer das wohl ist? Ob er jetzt durchdreht? Wozu er das macht?
Wie (9a/b) klar zeigen, kann jedoch die These, daß bei E- und W-Komplementierersätzen Modalpartikeln obligatorisch sind4, nicht aufrecht erhalten werden. Bei Optativsätzen können Modalpartikeln nur suspendiert werden, wenn die Interjektion ach vor den Satz tritt. Mindestens in einem Fall (von marginalen bzw. dialektalen Fällen mit Modalpartikeln im Vorfeld oder Nachfeld von Deklarativsätzen sehe ich hier ab) ist das Kriterium der Beschränktheit auf das Mittelfeld nicht intakt; in W-Interrogativsätzen kann eine Modalpartikel - allerdings immer zusammen mit einem w-Ausdruck - im Vorfeld stehen.5 Die Modalpartikel lehnt sich dabei eng an den w-Ausdruck an, was zu der Apostrophierung "enklitisch" geführt hat: (10) a. Wer denn von uns allen will das? b. *Wer von uns allen denn will das? Ich diskutiere diese Fälle in Abschnitt 2.3.3. Als problematisch für das Mittelfeldkriterium müssen natürlich auch all die Fälle gelten, die bei Heibig (1988) als "erststellenfähige" Modalpartikeln bezeichnet werden. Ich gehe darauf im Abschnitt 2.2.3 ein. Ich werde jedoch argumentieren, daß es sich aufgrund des
4 5
Vgl. dazu Altmann (1987) und Oppenrieder (1989). Vgl. Meibauer (1986, 114,123), (1991).
32
Ausschlusses der Modalpartikeln vom Vorfeld nur um Heteroseme der Modalpartikel handeln kann und benutze somit die Mittelfeldbeschränkung als Leitkriterium der Abgrenzung gegen die anderen Wortarten. Das Kriterium der Position im Mittelfeld vor dem Rhema wird, ausgehend von den Beispielen Thurmairs (1989) bzw. ihrer Deutung, und eingebettet in den Rahmen der FokusHintergrund-Theorie, ausführlich in Abschnitt 3.3 diskutiert. Zum Beispiel können rhematische Elemente im Vorfeld stehen, oder das finite Verb kann Rhema sein; dann muß die Modalpartikel nach dem Rhema stehen: (11) A: B: (12) A: B: A:
Wer hat sich einen Schlitten gekauft? EGON hat sich doch einen Schlitten gekauft. Nastassja will einen Walkman. Und was macht ihre Mutter? Sie KAUFT eben den Walkman.
Das Kriterium des Satzskopus wird ebenfalls in Abschnitt 3.3 behandelt. Fragen der Satzmodusabhängigkeit bzw. der Satztypendistribution von Modalpartikeln werden im Zusammenhang mit den einzelnen Modalpartikelanalysen diskutiert (vgl. den Überblick bei Thurmair 1989, 42-82); dort wird auch über die mit der Modalpartikelverwendung verbundenen illokutionären Effekte gehandelt, soweit es die Darstellung erfordert.
2.2.2 Adjektive und Adjektivadverbien Eine Teilklasse der Modalpartikeln (MP) hat Gegenstücke bei den Adjektiven (ADJ):6
(13) MP : ADJ a. eben, ruhig, einfach, glatt, bloß, gar (H 152), gleich (H 157) b. eigentlich (H131) Adjektive verfügen über die folgenden typischen Eigenschaften: Sie sind (a) flektierbar (deklinierbar und komparierbar), (b) haben eine typische Distribution (attributiv oder prädikativ), (c) sie sind erweiterbar. Einige Adjektive, wie z.B. ähnlich, wert, sind (d) rektionsfähig. Sie können (e) im Vorfeld und im Mittelfeld auftreten. Das Kriterium (b) erlaubt eine Klassifikation in drei Gruppen (vgl. Helbig/Buscha 1984, 310ff.):7
6 7
Dies wurde überprüft anhand von Heibig (1988); "H" kürzt diesen Titel ab. Attributiver Gebrauch eines Adjektivs liege vor, wenn es in den Rahmen der ... Mann einsetzbar sei, prädikativer Gebrauch, wenn es in den Rahmen der Mann ist ... einsetzbar sei.- Die Gruppen A und B können wiederum nach den Eigenschaften der Deklinierbarkeit und Graduierbarkeit subklassifiziert werden.
33
A. B. C.
[+attr, +präd] [+attr, -präd] [-attr, +präd]
klein, fest, billig der obere Weg, der starke Raucher fit, futsch, pleite, schade
Adjektive in prädikativer Verwendung werden nicht flektiert. Da Adverbien anderseits generell nicht flektiert sind und zudem auch in prädikativer Verwendung vorkommen können, gibt es Fälle, in denen schwer entscheidbar ist, ob ein Ausdruck ein Adverb oder ein Adjektiv ist. (14) a. b. c. d.
Der Der Der Der
Student arbeitet dort. Student ist dort. Student arbeitet fleißig. Student ist fleißig.
ADV, ADV, ?? ADJ
(adverbial) (prädikativ) (adverbial) (prädikativ)
Vorkommen eines Adjektivs in adverbialer Funktion wie in (14c) hat man auch Adjektivadverb genannt.8 So definieren Helbig/Buscha (1984, 337) Adjektivadverbien als "Adverbien, die der Form nach mit den Adjektiven übereinstimmen", was etwa auf fleißig in (14c) zutrifft. Wenn Adjektivadverbien aber prädikativ verwendet werden wie in (14d), seien sie zu den Adjektiven zu rechnen (S. 343). Gegen die Etablierung einer eigenen Wortart 'Adjektivadverb' argumentieren Heidolph et al. (1981) und Eisenberg (1989). Wesentliche Argumente sind: (a) Der Unterschied zwischen Sätzen wie (14c) vs. (14d) sei einer in der syntaktischen Funktion (bzw. Konstituentenstruktur), nicht der Wortart.9 (Heidolph et al. 1981, 445f., 621f.) (b) Die Etablierung einer eigenen Wortart Adjektivadverb basiere auf der Verwechslung zwischen Nichtflektierbarkeit bei Adverbien und Unflektiertheit von Adjektiven in prädikativen und adverbialen Positionen. (Eisenberg 1989, 220) Von den unter (13) genannten Adjektiven ist die erste Gruppe sowohl attributiv als auch prädikativ verwendbar, während eigentlich nur attributiv verwendbar ist. Es folgen einige Beispiele, in denen aufgrund der genannten Eigenschaften zwischen Modalpartikeln und ihren Gegenstücken als Adjektiv unterschieden werden kann (um die Betonungsstruktur zu kontrollieren, verwende ich einen Fokus auf dem finiten Verb10):
8 9
10
Vgl. Admoni (1970), Erben (1980), Starke (1977), die alle prädikativ gebrauchte Adjektive zu den Adjektivadverbien rechnen. - Bergenholtz/Schaeder (1977, 100) weisen diese Elemente den Adverbien zu. Heidolph et al. (1981, 446) machen zu Recht darauf aufmerksam, daß man auch bei Substantiven in der Funktion eines Prädikativs keine neue Wortart postulieren würde. Vgl. auch S. 622 und Eisenberg (1989, 220) zum Aspekt der Homonymie. Vgl. Höhle (1988), (1992) zum sog. Verum-Fokus.
34
(15) a. b. c. d.
Dort IST es eben. Dort IST es sehr eben/ebener. Es WAR eben da. Es WAR sehr eben/ebener da.
(ADJ/MP) (ADJ/*MP) (ADJ/MP/TAdv/GP) (ADJ/*MP/*TAdv/GP)
(16) a. b. c. d.
Er HAT glatt die Treppe geputzt! Er HAT die glatte Treppe geputzt! Er HAT die Treppe glatt geputzt! Er HAT die Treppe sehr glatt/glatter geputzt!
(*ADJ/MP) (ADJ/*MP) (ADJ/MP) (ADJ/*MP)
Man kann sich die verschiedenen Lesarten klarer machen, wenn man die Modalpartikel eben durch halt, das Adjektiv eben durch flach und das Temporaladverb eben durch gerade ersetzt. In (15a) kann eben Modalpartikel oder Adjektiv sein; Erweiterung und Steigerung in (15b) zeigen, daß hier nur das Adjektiv eben vorliegen kann. In (15c) kommt noch als zusätzliche Möglichkeit die Lesart als Temporaladverb hinzu. Da das Temporaladverb eben nicht durch sehr modifizierbar (vgl. dagegen sehr spät) oder steigerbar ist, wird die Lesart als Temporaladverb zusammen mit der Modalpartikel-Lesart in (15d) ausgeschlossen. Bei eben ist zu beachten, daß es auch als Gradpartikel vorkommt (vgl. dazu Abschnitt 2.2.4). Die Gradpartikel eben benötigt nach Heibig (1988, 122) als Bezugskonstituente ein(e) "Substantivgruppe oder Präpositionalgruppe mit Zahlwort, Demonstrativum oder Possessivum, Adverb". In (15c) kann als Bezugskonstituente das Adverb da dienen. In (16a) ist glatt nur als Modalpartikel (im Sinne von erstaunlicherweise) zu interpretieren; in dieser Lesart ist glatt nicht im Vorfeld möglich. In (16b) kann man glatt nur als attributives Adjektiv betrachten, das das Nomen Treppe modifiziert und flektiert ist. In (16c) liegt wiederum Ambiguität zwischen der Modalpartikel und dem (objektsprädikativen) Adjektiv vor; modifiziert man es mit sehr oder steigert man es, wird die Modalpartikel Lesart ausgeschlossen, vgl. (16d). Akzentuierung und Intonation können disambiguierende Effekte haben: (17) a. Sie hat es eben geMACHT. b. Sie hat es EBEN gemacht.
(MP/*ADJ)n (*MP/ADJ)
(18) a. MACH es ruhig! b. Mach es RUHIG!
(MP/*ADJ) (*MP/ADJ)
Dies scheint zu bedeuten, daß deadjektivische Modalpartikeln wie unter (13a) nicht kontrastakzentuierbar sind (vgl. Abschnitt 7.3.1); eine Ausnahme bildet (möglicherweise, falls überhaupt von einem Adjektiv abgeleitet) eigentlich (vgl. dazu Abschnitt 3.4.1).
11
Bei einer Korrekturlesart ist allerdings die Interpretation als Adjektiv möglich: (i) Sie hat es eben geMACHT, nicht geLASSEN.
35
2.2.3 Adverbien, "Affirmations-", Konjunktional- und Satzadverbien Modalpartikeln, die ein Gegenstück als Adverb haben, sind nach Heibig (1988):12
(19) MP : ADV a. schon, erst, noch, eben, immer (H163), nun (H188), schließlich (H200), denn (=dann)(H110) b. also (H87), auch (H93), doch (Hl 19), einmal (H135), mal (H177), nur (H194), wohl (H242) Dabei ist bemerkenswert, daß es keine Modalpartikeln gibt, die ein lokales Adverb als Gegenstück haben; ein Heterosem als modales Adverb liegt bei wohl vor, als modale Adjektivadverbien sind ruhig, einfach, glatt zu nennen. Es sind vor allem Temporaladverbien (vgl. 19a), die ein Modalpartikel-Heterosem aurweisen. Adverbien sind (a) nicht flektierbar, (b) haben eine typische Distribution (adverbial, attributiv, prädikativ), sind (c) erweiterbar, und können (d) allein im Vorfeld stehen. Aufgrund des Kriteriums (b) bilden Helbig/Buscha (1984, 342f.) die folgenden Klassen13: A. B. C. D.
[+adv, [+adv, [+adv, [+adv,
+präd, -l-attr] -präd, -l-attr] -l-präd, -attr] -präd, -attr]
dort, draußen, damals, gestern dorthin anders, ebenso, so dann, ebenfalls; gern, bald
Es wird hier sehr deutlich, daß die adverbiale Distribution nur ein, allerdings notwendiges Kriterium für Adverbien darstellt. Die Abgrenzung zu den Adjektiven erfolgt über das Kriterium der Nichtflektierbarkeit, zu den Modalpartikeln über das Kriterium der Vorfeldfähigkeit. Eine Ambiguität mit einer Modalpartikel liegt etwa in folgendem Beispiel vor: (20) a. Nastassja hat das Rennen schon gewonnen. (MP/TAdv) b. Schon hat Nastassja das Rennen gewonnen. (*MP/TAdv) In (20a) sieht man, daß schon im Mittelfeld Modalpartikel oder Temporaladverb sein kann; zur weiteren Ambiguität mit der Gradpartikel-Lesart vgl. Abschnitt 6.2. Im Vorfeld dagegen kann schon nur Temporaladverb sein, vgl. (20b). Man muß natürlich beachten, daß eine
12 13
Zum problematischen Status von noch und erst als Modalpartikeln vgl. die Diskussion in Abschnitt 6.2 der vorliegenden Arbeit. Bei der adverbialen Verwendung könne das Adverb in den Rahmen Der Mann arbeitet.... bei der prädikativen Verwendung in den Rahmen Der Mann ist... und bei der attributiven Verwendung in den Rahmen Der Mann ... arbeitet den ganzen Tag eingesetzt werden.- Bis auf einige Elemente der Gruppe D (nämlich bald, sehr, gern, oft, viel, wenig, wohl) können die Mitglieder dieser Klassen nicht graduiert werden.
36
entsprechende Probe dort nicht anwendbar ist, wo Modalpartikeln grundsätzlich an Satztypen ohne Vorfeld gebunden sind.14 Eine neue Subklasse von Adverbien etabliert Thurmair (1989) mit den sog. Affirmationsadverbien. Diese seien satzintegriert und obligatorisch betont (DOCH, SCHON, WOHL, evt. DENN). Die Elemente dieser Klasse sind jedoch nicht vorfeldfähig, so daß ihnen eine typische Eigenschaft von Adverbien fehlt. Vgl. die Diskussion in Abschnitt 3.4.1 der vorliegenden Arbeit. Einen Problemfall stellen auch die sog. vorfeldfähigen Modalpartikeln (vgl. (21a)) bzw. die sog. Konjunktionaladverbien (vgl. (21b)) dar: (21) a. allerdings, eigentlich, immerhin, jedenfalls, schließlich, überhaupt (Heibig 1988) b. außerdem, doch, immerhin, jedoch, kaum, nur, trotzdem, schließlich (Thurmair 1989) Wie man sieht, überlappen diese Klassen teilweise. Zu den sog. vorfeldfähigen Modalpartikeln führt Heibig (1988, 36) aus, daß diese "an der Peripherie der Subklasse stehen und erststellenfähig sind (dabei in gleicher Funktion auftreten, d.h. nicht in eine andere Wortklasse übertreten), die zumeist nicht einsilbig sind und keine Homonyme in anderen Wortarten haben, [...]."" Vgl. (22) a. Schließlich ist er nicht irgendwer! b. Er ist schließlich nicht irgendwer! Dabei ist "Funktion" offensichtlich im Sinne von "Bedeutung" zu verstehen, denn Vorfeldfähigkeit spricht für XP-Charakter und ist damit ein starkes Indiz für Wortartwechsel. Gerade bei schließlich stellt Heibig (1988, 200) auch ein Homonym als Adverb (in der Bedeutung 'am Schluß') fest, nämlich in einem Satz wie Schließlich hatte er Erfolg, was nach seiner Definition ausgeschlossen sein sollte. Hält man am Kriterium der mangelnden Vorfeldfähigkeit der Modalpartikeln fest, kann schließlich in (22a) keine Modalpartikel sein, sondern muß ebenfalls Adverb sein. Thurmair (1989, 13ff.) bezeichnet die Lexeme unter (21b) als Konjunktionaladverbien. Diese verknüpfen zwei Sätze inhaltlich (wie die Konjunktionen), stehen aber im Vorfeld. Koordinierende Konjunktionen besetzen dagegen das Vor-Vorfeld bzw. die KOORD-Position in Hohles (1986) topologischen Schemata. Anders als die Konjunktionen können diese
14
15
Zum Beispiel ist die Modalpartikel nun an Entscheidung«- und W-Interrogativsätze gebunden. In letzteren können Modalpartikeln zwar im "klitischen" Verbund mit w-Ausdrücken vorkommen, aber dies ist deutlich von der Fähigkeit der Adverbien zur selbständigen Vorfeldbesetzung zu unterscheiden; vgl. dazu Abschnitt 2.3.3.- Zu eben vgl. den vorangehenden Abschnitt; zu doch Kap. 4 und zu schon Kap. 6 der vorliegenden Arbeit. Mit dem Begriff "erststellenfähig" ist bei Heibig (1988) in der Regel das Vorfeld gemeint, gelegentlich aber auch einfach "die erste Stelle" im Satz. Zum Beispiel sei bloß in den Sätzen unter (i) "erststellenfähig" (Heibig 1988, 102): (i) Bloß nicht so schnell laufen! Bloß aufpassen!
37
Elemente auch im Mittelfeld stehen. Dies ist jedoch auch für Adverbien möglich, die ebenfalls im Vorfeld stehen können, aber keine verknüpfende Funktion haben. Der Terminus 'Konjunktionaladverb' ist also eher semantisch motiviert. Wenn Vorfeld- und Mittelfeldfähigkeit ein Kriterium für Adverbien ist und sich diese darin sowohl von den Konjunktionen als auch von den Modalpartikeln unterscheiden, gibt es keinen syntaktischen Grund, eine eigene Wortart 'Konjunktionaladverb' anzunehmen.16 Ich komme auf die skizzierte Problematik in Kap. 4 zurück. Es wundert nicht, daß einige Lexeme unter (21) auch zu den Satzadverbien (Modalwörtern) gerechnet wurden. Satzadverbien haben die folgenden Eigenschaften, die sie mit Adverbien teilen:17 (a) allein vorfeldfähig, (b) allein mittelfeldfähig und im Mittelfeld umstellbar. Anders als normale Adverbien können sie jedoch (c) nicht erfragt werden, (d) nur in Ausnahmefällen koordiniert werden (dies scheint eine semantische Eigenschaft zu sein), (e) nicht mit Gradpartikeln verbindbar zu sein. Sie haben (f) bestimmte Stellungsrestriktionen bezüglich Negationselementen und Modalpartikeln, (g) können als Antwort auf Entscheidungsfragen und Behauptungen vorkommen, und sind (h) satzmodusabhängig. Im Gegensatz zu den modalen Adverbien beziehen sie sich auf den ganzen Satz, d.h. haben Satzskopus. Bei folgenden Modalpartikeln ist diskutiert worden, ob sie Gegenstücke als Satzadverbien haben18: (23) MP : SAdv vielleicht, überhaupt, eigentlich, wohl Aufgrund des Vorfeldkriteriums ist dies tatsächlich der Fall: (24) a. Vielleicht hat Karl jetzt einen Bart. b. Karl hat jetzt vielleicht einen Bart.
(*MP/SAdv) (MP/SAdv)
(Man beachte, daß die Modalpartikel-Interpretation in (24b) mit einer exklamativen Intonation korreliert.) Während vielleicht bei Heibig (1988) und Helbig/Helbig (1990) als
16
17 18
Man beachte, daß die von Thurmair (1989) identifizierten Konjunktionaladverbien in der Studie von ThirnMabrey (1985) 'Para-Konjunktionen' genannt werden, wobei Thim-Mabrey deren Positionierbarkeit an der sog. 'Nullstelle' (=KOORD) hervorhebt, wo normalerweise koordinierende Konjunktionen stehen. Den Terminus 'Konjunktionaladverb' reserviert sie für Ausdrücke wie deshalb, folglich, sonst, die im Gegensatz zu den Para-Konjunktionen nicht an der Position zwischen Erstglied und finitem Verb stehen dürfen, vgl.: (i) Fritz schließlich hat gewonnen. (ii) *Fritz deshalb hat gewonnen. Aber dazu gibt es Ausnahmen in beiden Richtungen: (iii) ?Fritz überhaupt hat gewonnen. (iii') Der größte Angeber ÜBERhaupt hat gewonnen. (iv) Fritz folglich hat gewonnen. Vgl. Clement (1980), Helbig/Helbig (1990), Heiland (1992), Lang (1979). Zu eigentlich und überhaupt vgl. Harden (1982).
38
Modalpartikel und Satzadverb (Modalwort) angesehen wird, werden überhaupt und eigentlich nur als Modalpartikeln kategorisiert. Ihre offensichtliche Vorfeldfähigkeit wird unter der Rubrik "erststellenfähige ModalpartikeP verbucht, was unseren kategoriellen Kriterien klar zuwiderläuft. Auf die Problematik bei eigentlich werde ich in Abschnitt 3.4.1 eingehen. Wohl wird zwar als Modalpartikel und Satzadverb betrachtet, jedoch ist es nach Heibig/ Heibig (1990, 284) nicht vorfeldrahig, so daß nur semantische Kriterien bleiben. Auf die Verhältnisse bei wohl gehe ich in Abschnitt 7.2.3 knapp ein. Ich gehe davon aus, daß Modalpartikeln grundsätzlich nicht vorfeldfähig sind (zu den "klitischen" Fällen vgl. Abschnitt 2.3.3), und daß dies das wesentliche syntaktische Abgrenzungskriterium zu allen Arten von Adverbien darstellt. Die sog. vorfeldfähigen Modalpartikeln sind daher keine Modalpartikeln, sondern Adverbien und somit Heteroseme von Modalpartikeln.
2.2.4 Gradpartikeln Gradpartikeln (Fokuspartikeln) sind nicht flektierbare Elemente, die in einem besonderen Verhältnis zu einem anderen Ausdruck in demselben Satz stehen; dieser andere Ausdruck ist akzentuiert und in besonderer Weise semantisch betroffen. Bei der folgenden Skizze ihrer syntaktischen Eigenschaften folge ich der Darstellung von Jacobs (1983).19 Zunächst läßt sich zeigen, daß Gradpartikeln an allen adverbialen Positionen des Satzes sowie satzinitial auftreten können (das Element in Versalien ist jeweils akzentuiert): (25) a. b. c. d.
weil weil weil weil
sogar FRITZ dem Kind ein Eis spendierte Fritz sogar dem KIND ein Eis spendierte Fritz dem Kind sogar ein EIS spendierte Fritz dem Kind ein Eis sogar SPENDIERTE
(26) a. Sogar FRITZ spendierte dem Kind ein Eis. b. FRITZ sogar spendierte dem Kind ein Eis. Satzinitial können Gradpartikeln nur zusammen mit einem anderen vorfeldfähigen Ausdruck vorkommen, insbesondere mit einer Nominalphrase. Gradpartikeln können Bestandteile von Adjektiv- oder Partizipphrasen sein, die ihrerseits Nominalphrasen modifizieren: (27) a. das sogar sehr SELTENE Auto b. das sogar von FRITZ spendierte Eis
19
Vgl. auch Altmann (1976), König (1991a,b).
39
Gradpartikeln können innerhalb von Präpositionalphrasen und Nominalphrasen im Genitiv vorkommen:20 (28) a. Mit nur FÜNF Mark sind Sie dabei. b. Der Verlust nur EINER Stimme kostete sie ihren Einfluß. Das akzentuierte Element kann vor oder nach der Gradpartikel stehen; der Akzent ist auch nicht fest an ein bestimmtes Element gebunden: (29) a. sogar PETER; PETER sogar b. sogar das EIS von Peter; sogar das Eis von PETER Mit der Veränderung der Position der Gradpartikel und des Akzents gehen jeweils charakteristische Veränderungen in der Bedeutung der Sätze einher. Um diese systematisch zu erfassen, muß zwischen dem syntaktischen Bereich, dem semantischen Bereich (Skopus) und dem Fokus unterschieden werden. Der syntaktische Bereich einer Gradpartikel läßt sich über die c-Kommando-Relation definieren. Gradpartikeln können an folgende maximale Projektionen adjungiert werden: (30) a. b. c. d. e.
sogar sogar sogar sogar sogar
Fritz nach Köln schick in Urlaub fahren daß Fritz in Urlaub fährt
NP PP AP VP CP
Auch nicht-maximale V-Projektionen sind nach Jacobs möglich: (31) a. sogar spendiert hat sie mir das Eis V° b. sogar das Eis spendiert hat sie mir V1 Ferner können Gradpartikeln auch Pronomen und Determinierer als Bezugselemente haben21: (32) a. sogar sie b. sogar fünf Der syntaktische Bereich der Gradpartikel kann also mit den Elementen identifiziert werden, die von ihr c-kommandiert werden (vgl. Jacobs 1983, 8f.).22
20 21
22
Laut Jacobs (1983, 5) sind dies eher marginale Fälle. Wenn diese als Merkmale (+min, +max) erhalten, können nach Bayer (1990b, 15) folgende generelle Regeln angenommen werden: (i) ""- Partikel X"" (ü) V - Partikel V (0 £ n £ max) Zweifel an dieser Generalisierung melden Hoeksema/Zwarts (1991, 54) an, die auf Beispiele wie Der PAPST hat sogar diesen Brauch erlaubt hinweisen, wo der Papst von sogar nicht c-kommandiert wird.
40 Der semantische Bereich einer Gradpartikel heißt auch Skopus, weil er dem Skopus eines Operators in einer logischen Repräsentation entspricht. Nach König (1991b, 790) ist der Skopus der Gradpartikel der Teil eines Satzes, der für die Repräsentation des Bedeutungsbeitrags der Partikel relevant ist. Zum Beispiel ist in Ich bedaure, daß ich auch EGON unterstützt habe der Objektsatz im Skopus der Gradpartikel, in Ich bedaure auch, daß ich EGON unterstützt habe der komplexe Satz. Syntaktischer Bereich und Skopus brauchen also nicht zusammenzufallen. Unter Fokus ist nach Jacobs (1983, 10) ein durch Akzentuierung hervorgehobenes Element zu verstehen, das "als semantisch besonders betroffen zu verstehen ist." Der Fokus kann mit dem syntaktischen Bereich der Gradpartikel zusammenfallen, oder er kann nur einen Teil des syntaktischen Bereichs betreffen: (33) a. Sogar FRITZ spendet für das Rote Kreuz, b. Sogar FRITZ einladen ist jetzt erlaubt. In (33a) fallen syntaktischer Bereich und Fokus zusammen, in (33b) ist Fritz Fokus, aber der syntaktische Bereich ist V1, d.h. Fritz einladen. Einige Aspekte der Gradpartikeln sind umstritten: (a) ob Partikel -l- XP eine Konstituente bildet, (b) wie ihre Logische Form abzuleiten ist, (c) welchen Status sie in einer allgemeinen Fokustheorie haben.23 Bei der Interpretation von Gradpartikeln gibt es verschiedene Dimensionen, deren Status zwischen Semantik, konzeptueller Struktur und Pragmatik noch nicht restlos geklärt ist. Ich möchte nur die folgenden Punkte nennen und am Beispiel von nur illustrieren (vgl. auch Heibig 1988, 37ff.): (a) (b) (c) (d)
Assertion vs. (Präsupposition vs. Implikatur), quantifizierend vs. skalierend, exklusiv vs. inklusiv, bewertend vs. nicht-bewertend.
Der Satz (34a) hat die Assertion (34b) und als weiteres Bedeutungselement (34c): (34) a. Egon ist nur Pragmatiker. b. ASSERTION: Egon ist Pragmatiker. c. PRÄSUPPOSITION/IMPLIKATUR: Es gibt keine Eigenschaft außer 'PragmatikerSein', die auf Egon noch zutrifft. Umstritten ist, ob (34c) als Präsupposition oder als konventionelle Implikatur aufgefaßt werden soll (vgl. zu diesen Begriffen Levinson 1983); bei Heibig (1988, 38) wird dies offengelassen. Auf diese Problematik kann hier nicht näher eingegangen werden. König (1991a, 53ff.) entscheidet sich dafür, (34c) als Präsupposition anzusetzen, worunter eine
23
Diese Fragen brauchen hier nicht weiter verfolgt zu werden. Vgl. etwa Bayer (1990 a,b), Jacobs (1983), Rooth (1985), (1992) mit wichtigen Ansätzen.
41 strukturell verankerte semantische Eigenschaft von Sätzen zu verstehen sei.24 Die mit bestimmten Gradpartikeln wie etwa ausgerechnet verbundenen Bewertungen werden dagegen als konventionelle Implikaturen betrachtet. In (34c) liegt offenbar eine quantifizierende Interpretation vor, denn alles, was Egon ausmacht, ist sein 'Pragmatiker-Sein'. Daneben ist aber auch noch eine skalierende Interpretation möglich, die eine Ordnung zwischen Eigenschaften etabliert, z.B. Hausmann > Pragmatiker > BMW-Fahrer > GB-Freak, mit > = 'schlechter als'. Die quantifizierende Interpretation setzt die Fokuskonstituente in eine quantifizierende Beziehung zu typengleichen Konstituenten, die skalierende Interpretation weist der Fokuskonstituente einen Platz innerhalb einer gerichteten Skala zu. Bei dieser Skala wird gleich deutlich, daß Bewertungen eine Rolle spielen können, wobei diese bzw. die Gerichtetheit der Skala vermutlich rein pragmatisch ableitbar sind. Schließlich ist nur eine exklusive Gradpartikel, die andere Werte ausschließt, und unterscheidet sich als solche von inklusiven Gradpartikeln wie sogar, die andere Werte einschließt. Heibig (1988, 45f.) führt aufgrund der erwähnten und anderer Kriterien sechs Gruppen von Gradpartikeln auf. Von den dort angeführten Mitgliedern gibt es folgende Gegenstücke zu den Modalpartikeln: (35) MP : GP nur, bloß, auch, eben, erst, schon, noch, etwa, vielleicht
Dieser Liste muß noch ja in Verwendungsweisen wie Mut, ja Verwegenheit zeichnete sie aus hinzugefügt werden. Als ein Beispiel für eine Ambiguität zwischen Grad- und Modalpartikel soll hier bloß dienen (zu schon siehe Kap. 6): (36) a. Wann fährt bloß der Intercity ab? (MP/GP) b. Bloß der Intercity ist abgefahren. (*MP/GP) In (36a) ist bloß Gradpartikel, wenn ein Intercity syntaktischer Bereich/Fokus ist. (Man muß sich dazu eine Fragesituation vorstellen, in der einmal ein Intercity zusammen mit einem Güterzug, einmal allein abfährt.) In der Modalpartikel-Lesart besteht ein solcher Bezug nicht, vielmehr wird eine "nachdrückliche subjektive Anteilnahme des Sprechers" (Heibig 1988, 103) ausgedrückt. In (36b) dagegen ist die Modalpartikel-Lesart aufgrund der mangelnden Vorfeldfähigkeit von Modalpartikeln ausgeschlossen. Der wesentliche syntaktische Unterschied zu den Modalpartikeln besteht also darin, daß Modalpartikeln - bis auf die Ausnahme bei W-Interrogativsätzen - nicht im Vorfeld stehen können, während Gradpartikeln zusammen mit ihrer Bezugskonstituente im Vorfeld stehen können, und daß Modalpartikeln im Gegensatz zu den Gradpartikeln keine Bezugskonstituente haben. Bei solchermaßen unterschiedlichen syntaktischen Eigenschaften erstaunt es,
24
Gegen diese Auffassung hat Reis (1977) ausführlich argumentiert.
42
daß es überhaupt Heterosemie zwischen Modalpartikeln und Gradpartikeln gibt. Ich gehe der Problematik im 6. Kapitel anhand der Modalpartikel schon nach.
2.2.5
Steigerungspartikeln
Steigerungspartikeln zeigen nach Heibig (1988, 46ff.) folgende Eigenschaften: (a) Bezug auf Adjektive oder Adjektiv-Adverbien, marginal auf Verben, (b) "Restriktionen im Hinblick auf die Verträglichkeit mit unterschiedlichen Steigerungsformen (Positiv, Komparativ, Superlativ) der Adjektive, auf die sie sich beziehen" (S. 47), (c) Stellung vor dem Bezugswort. Zusammen mit ihrem Bezugselement können sie auch im Vorfeld stehen. Es gibt Steigerungspartikeln, die nur in dieser Funktion vorkommen, vgl. (37a), oder Adjektive in der Funktion von Steigerungspartikeln, vgl. (37b): (37) a. sehr, besonders, weitaus, überaus, höchst b. ungewöhnlich, außerordentlich, total, völlig, absolut, restlos Modalpartikeln, die ein Gegenstück als Steigerungspartikel haben, sind allerdings rar. Thurmair (1989, 128) rechnet einfach ( = 'schlichtweg') in den folgenden Belegen zu den Steigerungspartikeln: (38) a. Der Typ hat einfach einen umwerfenden Charme! b. Ich finde den Urlaub mit den Eltern echt einfach riesig! c. Einfach toll ist dieser Film! Vergleichbare Belege sortiert jedoch Heibig (1988, 133) zu den Modalpartikeln.
2.2.6 Antwortpartikeln und Gliederungspartikeln Anders als Thurmair (1989, 18f.) scheint es mir sinnvoll, zwischen Antwortpartikeln und Gliederungspartikeln zu unterscheiden. Als Antwortpartikeln betrachte ich Wörter, die (a) isoliert (unabhängig von Sätzen) auftreten und (b) als Reaktion auf Äußerungen zu verstehen sind (vgl. auch Heibig 1988, 49f.) Zu den Antwortpartikeln gehören also ja, nein, doch, eben, genau, schon. Folgende Antwortpartikeln haben daher Gegenstücke bei den Modalpartikeln:
(39)
MP : AP ja, doch, eben, schon
Von diesen stellt schon insofern einen Problemfall dar, als es "elliptisch" verstanden werden kann, vgl. Abschnitt 6.4.1. Schwierigkeiten bestehen vor allem hinsichtlich der Abgrenzung
43
zu Satzadverbien wie sicherlich, vermutlich, etc. auf die die beiden genannten Kriterien ebenfalls zutreffen. Gliederungspartikeln sind dagegen solche Partikeln, die vor dem Satz, nach dem Satz, oder parenthetisch innerhalb des Satzes auftreten können. Sie sind syntaktisch und intonatorisch disintegriert, aber eben nicht isoliert wie die Antwortpartikeln: (40)
ja, also, so, na, naja, nicht, ne, oder, hm, übrigens, nun
Diese Gruppe kann vielfach subklassifiziert werden, vgl. Heibig (1988, 52f.) und Willkop (1988), wobei sich Überlappungen mit den Interjektionen (vgl. dazu Fries 1992) ergeben. Die prominenteste Heterosemie besteht sicher im Verhältnis zur Modalpartikel ja.
2.2.7 Dubiose Kandidaten: nicht und mir/dir Im Vorangehenden ist deutlich geworden, aufgrund welcher grammatischer Kriterien die Abgrenzung einer Wortart Modalpartikel sinnvoll ist und wie Ambiguitäten mit Heterosemen erfaßt werden können. Im folgenden diskutiere ich die Abgrenzungsproblematik anhand zweier weiterer Anwärter für den Modalpartikel-Status, nämlich nicht und mir/dir. Wie Ulvestad (1975) gezeigt hat, kann die Negationspartikel nicht in bestimmten Fällen allein im Vorfeld stehen (und wirkt dann kontrastiv). Dies ist für Modalpartikeln ganz ausgeschlossen. Die Negationspartikel nicht kann auch - anders als die Modalpartikeln - im Vorfeld zusammen mit einem anderen Ausdruck stehen: (41) a. Sie wußten alles über die traurigen Zustände, sie wußten, daß (...), sie wußten auch, daß (...), nicht wußten sie aber, daß die Russen schon an der Elbe standen. (Ulvestad 1975, 386) b. Nicht/*halt das Parfüm hat Nastassja geklaut. Für Jacobs (1982) ist nicht ein Adsentential, das u.a. auch als Adverb, in Fällen wie (41b) jedoch als Ad-NP fungiert. Daß es auch eine Modalpartikel nicht gibt, wird u.a. von Brauße (1991), Heibig (1988), Hentschel (1986b), Thurmair (1989) vertreten, von Meibauer (1988), (1990) und Rosengren (1992) dagegen in Zweifel gezogen. Der ethische Dativ in Form von mir/dir wird u.a. von Jacobs (1991a), Thurmair (1989), Wegener (1989) als Modalpartikel betrachtet.25 Ich setze mich im folgenden kritisch mit den jeweils detailliertesten Analysen, und zwar denen von Brauße (1991) und Wegener (1989) auseinander. Mein Ziel ist zu zeigen, daß es sich eher um dubiose Kandidaten handelt. Die ernsthaftesten syntaktischen Indizien für den Modalpartikelstatus von nicht sind distributionelle. Wie Brauße (1991, 443) zeigt, kann nicht im Entscheidungsfragesatz in
25
In Jacobs (1991a, 141) heißt es sogar, das semantische und syntaktische Verhalten von (ja und) nur/dir sei typisch für die ganze Klasse der Modalpartikeln.
44
bestimmten Positionen nur modal, in anderen nur modal oder negierend verstanden werden26: (42)
I
Hat Hat Hat HAT
-/M -/M -/M -/M
II
PETER Peter Peter Peter
-/M N/M -/M N?/M
III
seine Mutter seine MUTTER seine Mutter seine Mutter
N/M N/M N/M N/M
benachrichtigt? benachrichtigt? BENACHRICHTIGT? benachrichtigt?
Auffällig ist nun, daß in der Position I, der Position nach dem finiten Verb, nicht ausschließlich modal interpretiert werden darf. Da sich in dieser Position typischerweise schwachtonige Elemente wie Personalpronomina oder eben Modalpartikeln aufhalten (vgl. Lenerz 1984, 1985), liegt der Verdacht nahe, daß es sich bei diesem nicht um eine Modalpartikel handelt. Wenn M in I eine Modalpartikel ist, so wird weiter geschlossen, kann M in II und III auch eine Modalpartikel sein. So besteht in allen Sätzen unter (42) mindestens in einer Position Ambiguität zwischen der Lesart als Negationspartikel und der Lesart als Modalpartikel (vgl. Brauße 1991, 447f.). Einen syntaktischen Nachweis bleibt Brauße jedoch schuldig. Der Schluß auf den Modalpartikelstatus von nicht erfolgt allein aus der modalen Lesart, die nicht in bestimmten Positionen haben kann. So heißt es, "daß die wechselnden Möglichkeiten der Zuweisung der Einstellungsalternativen zu den Dialogpartnern die Erklärungsbasis abgeben für mögliche Interpretationen von nicht als Negationspartikel und als Modalpartikel." (447) Dagegen ist einzuwenden, daß die kategorielle Identität keine Sache der Interpretation ist, sondern aus grammatischen Eigenschaften abgeleitet werden muß. Die Möglichkeit einer rhetorischen Interpretation leitet Brauße (1991, 445ff.) überzeugend aus der Charakteristik von Entscheidungsfragesätzen und bestimmten Einstellungen von Sprecher und Hörer zu im Diskurs relevanten Propositionen ab.27 Grundsätzlich seien zwei verschiedene Einstellungskonstellationen relevant: (a)
"Der Sprecher anderer als der (b) "Der Sprecher anderer als der
26 27
hat zum Sprecher hat zum Sprecher
Sprechzeitpunkt die Vermutung, daß -p zutrifft und daß ein die alternative Vermutung hat, daß p zutrifft." Sprechzeitpunkt die Vermutung, daß p zutrifft, und daß ein die alternative Vermutung hat, daß -p zutrifft."
Wie üblich sind akzentuierte Elemente in Versalien gesetzt. "N" steht für negierende Interpretation, "M" für modale Interpretation. Sie baut dabei auf dem Begriff der Diskurspräsupposition von Givon (1978) und dem Polyphonie-Konzept von Ducrot (1984) auf. Einstellungen werden auf der Ebene der Äußerungsbedeutung im Sinne Bierwischs (1980) erfaßt.- Vgl. die Skizze von Meibauer (1990), die ebenfalls von Givon ausgeht, jedoch ein pragmatisches Schlußverfahren auf der Basis der Maxime der negativen Uninformativität (vgl. Leech 1983) annimmt.
45
Wird in der Konstellation (a) die Frage Kommst du nicht mit? geäußert, wird nicht als Negationspartikel interpretiert. Wird dieselbe Frage in der Konstellation (b) geäußert, dann wird nicht als Modalpartikel verstanden. Bei dieser Analyse bleibt aber unklar, ob in der Konstellation (b) nicht eine Modalpartikel i s t (dann würde nämlich ?(p) gefragt), oder ob es eine "umgedeutete" Negationspartikel ist.28 Brauße hat also nicht die Existenz einer Modalpartikel nicht nachgewiesen, sondern gezeigt, wie die rhetorische Interpretation von Sprecher- und Hörereinstellungen abhängig ist. Eine grammatische Begründung für die Existenz einer Modalpartikel nicht muß von der Beobachtung ausgehen, daß die N-Lesart in Entscheidungsfragesätzen in manchen Positionen - abhängig von der Fokuskonstituente - nicht möglich ist. Diese Fälle seien hier noch einmal aufgeführt: (43) a. b. c. d.
Hat nicht PETER seine Mutter benachrichtigt? Hat nicht Peter seine MUTTER benachrichtigt? Hat nicht Peter seine Mutter BENACHRICHTIGT? HAT nicht Peter seine Mutter beachrichtigt?
(44) a. Hat PETER nicht seine Mutter benachrichtigt? b. Hat Peter nicht seine Mutter BENACHRICHTIGT? Für die Fälle unter (43) gilt nun folgendes: Erstens ist nicht in der Position nach dem finiten Verb nie betonbar; in den anderen Positionen ist nicht prinzipiell (aber abhängig vom Fokus) betonbar. Zweitens kann die Position allein für den Ausschluß der N-Lesart nicht verantwortlich sein, wie Beispiele mit anderen Satztypen zeigen, wo nicht ebenfalls in der Position nach dem finiten Verb steht, aber negierend ist, vgl.: (45) a. Daß nicht Peter mir die Mutter benachrichtigt! b. Wenn nicht Peter bald die Mutter benachrichtigt, werde ich stinkesauer. c. Hätte nicht Peter die Mutter benachrichtigt, wäre das nicht passiert. Daher ist der Ausschluß der N-Lesart in der Position nach dem finiten Verb an den EInterrogativsatz gebunden29, für den sich eine Erklärung nach dem Muster von Brauße (1991) anbietet. Was Brauße (1991) aber unerklärt läßt, ist die Asymmetrie zwischen der Position I und den Positionen II und III. Auch Rosengren (1992) argumentiert gegen den Modalpartikel-Status von nicht. Sie versucht jedoch, die verschiedenen Lesarten aus strukturellen Faktoren herzuleiten.
28 29
Vgl. S. 448, wo einerseits von einer Ambiguität von nicht die Rede ist, anderseits von einer "Uniinterpretation von nicht", bei der "MP-Verwendung angenommen wurde". In diesem Zusammenhang ist jedoch der Exklamativsatz-Fall Was weiß sie nicht alles!, wo man ebenso die Modalpartikel nicht vermutet hat, zu erwähnen. Hier sind jedoch die komplizierten Verhältnisse der Interaktion mit alles zu bedenken; vgl. Meibauer (1990, 459ff.), Reis (1992a,b) (zu w-a/fer), Rosengren (1992).
46
Ausgangspunkt ist das unterschiedliche Verhalten von nicht ein und kein in Sätzen wie den folgenden: (46) a. Hat Peter kein neues Auto gekauft? b. Hat nicht Peter ein neues Auto gekauft? c. Hat Peter nicht gestern ein neues Auto gekauft? Der Satz (46a) kann mit (47a), die Sätze (46b/c) können mit (47b) paraphrasiert werden: (47) a. Ist es der Fall oder nicht der Fall, daß Peter kein neues Auto gekauft hat? b. Ist es der Fall oder nicht der Fall, daß nicht Peter ein neues Auto gekauft hat? Rosengren (1992, 276) argumentiert nun wie folgt: (Hl) (H2) (H3) (H4)
In (46b/c) ist nicht Adjunkt zu VP, in (46a) hat nicht (bevor es mit ein zu kein verschmilzt) seine Grundposition "unterhalb von VP". Wenn nicht Adjunkt zu VP ist, steht es adjazent zum OFFEN-Operator und die Verschmelzung zu kein ist blockiert.30 Die Negation nicht hebt sich mit dem negativen Disjunkt des OFFEN-Operators auf, und es bleibt die positive Alternative übrig. Daher haben Sätze wie (46b/c) positive Antworterwartung, Sätze wie (46a) nicht.
Im folgenden will ich zunächst prüfen, ob sich der Kontrast zwischen nicht ein und kein über die genannten Fälle hinaus erhärten läßt, bevor ich auf die Hypothesen (H1)-(H4) eingehe. Zunächst ist durchaus fraglich, ob kein mit neutraler Antworterwartung korreliert. Dies hat Hentschel (1986b, 84) anhand von Paaren wie (48) a. Hat sie nicht einen Job gefunden? b. Hat sie keinen Job gefunden? behauptet, aber in Fällen wie (49) scheint eher die Verwendung von kein mit der rhetorischen Interpretation zu korrelieren (vgl. Meibauer 1990, 446f.): (49) a. War das nicht eine Lüge? b. War das keine Lüge? Es scheint daher problematisch, eine (pragmatische) Größe wie "Antworterwartung" an den nicht ein vs. kein - Kontrast zu binden. Es gibt allerdings Hinweise darauf, daß sich mit nicht ein vs. kein Skopusunterschiede verbinden. Dies wird besonders deutlich in kohärenten Konstruktionen:
30
Vgl. die Explikation des OFFEN-Operators in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 38ff.). Die vorgeschlagene LF-Repräsentation müßte wie in (i) aussehen: (i) OFFEN [NEG[3e[e INST p]]]
47 (50) a. Egon mußte nicht ein Schuldgeständnis machen. LA 1: Egon war nicht gezwungen, ein Schuldgeständnis zu machen. *LA 2: Egon war gezwungen, nicht ein (=kein) Schuldgeständnis zu machen, b. Egon mußte kein Schuldgeständnis machen. LA 1: Egon war nicht gezwungen, ein Schuldgeständnis zu machen. LA 2: Egon war gezwungen, kein Schuldgeständnis zu machen. Wenn nicht ein zu kein verschmilzt, sind zwei Lesarten möglich: in der einen hat die Negation weiten Skopus, in der anderen hat sie engen Skopus, vgl. (50b). Mit nicht ein dagegen ist nur die Lesart mit weitem Skopus möglich, vgl. (50a). Der anvisierte Unterschied läßt sich auch in (a) Sätzen ohne kohärente Konstruktion, (b) in anderen Satztypen nachweisen, wobei (c) die mit nicht verknüpften Bedeutungen auch in der Position unmittelbar nach dem finiten Verb bzw. dem Komplementierer auftauchen: (51) a. Wenn nicht Dr. Motz (bald) ein Geständnis macht, schaufelt er sich sein eigenes Grab. b. Wenn Dr. Motz nicht (bald) ein Geständnis macht, schaufelt er sich sein eigenes Grab. c. Wenn Dr. Motz (*bald) kein Geständnis macht, schaufelt er sich sein eigenes Grab. In diesen Sätzen liegt der Skopusunterschied, der für kohärente Konstruktionen typisch ist, nicht auf der Hand. Dennoch läßt sich ein feiner Bedeutungsunterschied feststellen, der mit dem Merkmal [+/-spezifisch] zu tun hat. Und tatsächlich ist Spezifizität als weiter Skopus gedeutet worden (vgl. Heim 1991, 516f.). In (51a/b) kann ein spezifisches oder nicht spezifisches Geständnis gemeint sein, d.h. es dreht sich um ein Geständnis von einem bestimmten Sachverhalt oder überhaupt ein Geständnis. In (51c) dagegen ist das Geständnis immer unspezifisch, d.h. Dr. Motz sollte irgendein beliebiges Geständnis machen. Dies scheint mit dem Umstand zu korrespondieren, daß in (51a/b) ein Temporaladverb möglich ist, in (51c) dagegen nicht. Ich komme nun auf die Hypothesen (H1)-(H4) von Rosengren (1992) zurück. Wie wir gesehen haben, gibt es Evidenz für einen mit nicht ein vs. kein verbundenen Bedeutungsunterschied; wenn dieser durch den Skopus bedingt ist, könnte dies mit verschiedenen Positionen der Negation im Sinne von (Hl) zu tun haben. Wie Grewendorf (1990, 70ff.) zeigt, sind jedoch die Annahmen, daß (a) nicht linksadjungiert an VP sei, was eine Scrambling-Analyse voraussetzt, (b) daß es eine adsententiale mc/tf-Position im Sinne von Jacobs (1982), auf den sich Rosengren (1992) beruft, gebe, eher problematisch.31
31
Wenn nicht linksadjungiert an VP ist, müssen in Sätzen wie (i) alle VP-Konstituenten aus der VP herausgescrambelt werden. (i) weil Peter [dem Jungen][das Buch][VP nicht[VP 11 gab]] Dagegen spricht nach Grewendorf (1990, 71ff.) nicht nur, daß Scrambling ein optionaler Prozeß sein sollte, es gibt auch -jedenfalls in der Theorie von Webelhuth (1989), auf die sich Grewendorf bezieht - Probleme mit der Fokussierung, mit parasitären Lücken und mit 'preposition stranding', die gegen eine Scrambling-Analyse sprechen.- Gegen die syntaktische Kategorisierung von nicht als Adsentential bei Jacobs (1982) macht Grewendorf geltend, daß Jacobs gezwungen ist, in Sätzen wie
48
Bezüglich (H2) ist gänzlich unklar, inwiefern die operatoradjazente Position die Verschmelzung blockieren können soll. Ebenso ist die Natur des in (H3) postulierten Aufhebungsprozesses, der noch dazu eine Interpretation des OFFEN-Operators im Sinne einer Disjunktion voraussetzt, klärungsbedürftig.32 Ferner bleibt der Sprung in (H4) von einem auf LF-Ebene anzusiedelnden Aufhebungsprozeß zu einer essentiell pragmatischen Antworterwartung unverständlich. Aufgrund der obigen Diskussion haben wir angenommen, daß nicht (skopus-) ambig ist. Es ist jedoch unklar, wie dieses Faktum (a) mit der Position von nicht verbunden ist (die Hypothese von Rosengren besagt nur, daß eine Korrelation zwischen der Verschmelzung zu kein und der Position besteht, sagt aber nicht, was mit den Lesarten passiert, wenn keine Verschmelzung stattfindet), und (b) wie die Ambiguität eigentlich mit der modalen Interpretation zusammenhängt, d.h. welche Lesart von (VP-adjungiertem) nicht nun so beschaffen ist, daß sie mit Bestandteilen des OFFEN-Operators verschmelzen kann, zumal ja in Position III der Braußeschen Tabelle in (42) die Ambiguität zwischen der negierenden und der modalen Lesart erhalten bleibt. Außerdem ist unklar, wie der Umstand erklärt werden kann, daß W-Interrogativsätze ebenfalls den OFFEN-Operator aufweisen, dort aber nicht jene Aufhebungsprozesse eintreten, die eine mit modalem nicht verknüpfte positive Antworterwartung nach den Hypothesen von Rosengren verlangen. Der strukturelle Ansatz von Rosengren bleibt zwar attraktiv, ist jedoch mit schweren theoretischen Hypotheken befrachtet. Die einfachste Analyse scheint mir daher zu sein, (a) die Ableitung der modalen Effekte rein pragmatisch zu halten (vgl. Meibauer 1990, Brauße 1991), (b) nicht jedoch als Negationspartikel zu analysieren (Meibauer 1990, Rosengren 1992). Warum nicht in -Interrogativsätzen in der Position nach dem finiten Verb durchgängig modale Interpretation erhält, bleibt eine offene Frage. Als Modalpartikel betrachtet Wegener (1989) auch den ethischen Dativ: (52) a. Paulinchen, geh mir nicht ans Feuerzeug! b. Konrad, daß du mir nicht am Daumen lutschst! (53) a. Der verprügelt dir noch den Schiedsrichter! b. Der lutscht dir schon wieder am Daumen! Im Gegensatz zu sämtlichen Modalpartikeln sind aber mir und dir Flexionsformen (Dat. Sg.). Sie können nach Wegener sogar in den Plural gesetzt werden (uns, euch). Gegen den Modalpartikel-Status spricht auch, daß der ethische Dativ stellungsfest ist - er unterliegt den Stellungsregularitäten für Pronomen - und nicht die Stellungsfreiheit der Modalpartikeln im Mittelfeld teilt.
32
(ii) Nicht jeder Professor liebt Käsekuchen. eine Besetzung des Vorfelds durch zwei Konstituenten anzunehmen, was nicht unabhängig empirisch gerechtfertigt werden kann. Man beachte, daß ein solcher Aufhebungsprozeß schon von Blanken (1983) angenommen wurde.
49
Mit den Modalpartikeln teilen die ethischen Dative mir/dir nach Wegener weitere Eigenschaften (vgl. S. 57f.), so (a) nicht betonbar zu sein, und (b) nicht vorfeldfähig zu sein, und (c) an bestimmte Satztypen gebunden zu sein, vgl. (52) vs. (53).33 Als Beweis dafür, daß "es sich beim Ethicus n i c h t um ein Dativobjekt handelt" wertet sie sein Vorkommen zusammen mit einem Dativobjekt, vgl. (S4):34 (54) a. b. c. d. e.
Daß du mir niemandem etwas davon sagst! Der Blüm, der hat dir dem Pinochet aber die Meinung gesagt! Der Blüm, der hat's dir den Zahnärzten aber gegeben! Nun wasch mir dir endlich die Haare! ?Nun putz mir doch endlich mal mir die Schuhe!
Von diesen Beispielen halte ich aber nur (54a) für restlos akzeptabel. Die Fragwürdigkeit von (54e) spricht auch dafür, daß der Ethicus doch "Reste referentieller Bedeutung" aufweist, wie Wegener (1989, 67) auch bezüglich eines Beispiels wie Der verliert dir noch das Match! eingesteht, das "nur möglich in einer Situation [sei], wo der Hörer auf den hier mit dir referiert wird, tatsächlich anwesend ist." Wegener unterscheidet zwei Typen des Ethicus, den Aufforderungs-Ethicus, realisiert durch mir, und den Ausrufe-Ethicus, realisiert durch mir oder dir. Der Ethicus mir erhält aber nicht zwei verschiedene Lexikoneinträge, weil die unterschiedlichen Bedeutungen vom Satzmodus ableitbar seien. Jedoch muß mir/dir als Modalpartikel analysiert werden, und hat also Homonyme als Possessivpronomen. Ich halte die Position, Elemente mit gewissen modalen Effekten als Modalpartikeln einzustufen35, wenn sie nur einige Eigenschaften mit den Modalpartikel teilen, für falsch. Dies gilt jedenfalls, solange man andere Optionen, insbesondere die der konzeptuellen oder pragmatischen Ableitung der modalen Effekte, gar nicht erst in Erwägung zieht. Wegener selbst macht darauf aufmerksam, daß in einem Paar wie (55) a. Putz mir bitte die Schuhe! b. Putz mir bitte dem Papa die Schuhe! die semantische Rolle BENEFAKTIV verschiedene Ebenen betrifft: die propositionale beim Dativobjekt (vgl. 55a), die illokutive beim Ethicus (vgl. 55b). Eine Parallele liegt auch bei der semantischen Rolle REFERENT vor:
33
34 35
Vgl. aber Beispiel (i), wo gegen die Kriterien (a) und (b) verstoßen wird; dies wäre nach Wegener ein 'Dativus iudicantis': (i) MIR gehst du NICHT noch mal auf die Straße! Zu (c) ist zu bemerken, daß es den ethischen Dativ auch in -Interrogativsätzen gibt: (ii) Hast du mir schon wieder RTL geguckt? Bewertungen von H. Wegener. So auch Richter (1989) in seinen Überlegungen zum " Korrelat-«"; vgl. auch die Anm. 3 in Hentschel/Weydt (1989, 6) (im selben Band).
50
(56) a. Das Auto fahrt mir zu schnell, b. DAS Auto fährt mir zu schnell. Dem Dativ iudicantis in (56a) entspricht die Rolle REFERENT auf der propositionalen Ebene, dem Ethicus die gleiche Rolle auf der illokutiven Ebene. Wenn dem so ist, sollte untersucht werden, ob hier ein Prozeß der konzeptuellen Verschiebung oder Grammatikalis ierung vorliegt.36 Ein Gricescher Rekonstruktionsprozeß in bezug auf (55b) könnte wie in (57) ablaufen: (57) a. b. c. d.
Sp will, daß ich dem Papa die Schuhe putze. Ich weiß, daß die Schuhe dem Papa gehören. dem Papa bezeichnet den Nutznießer der geforderten Handlung. mir bezeichnet normalerweise (d.h. in einem vergleichbaren Kontext, siehe (55a)) ebenfalls den Nutznießer der Handlung. e. Der Referent von mir kann aber nicht Nutznießer der Handlung sein, weil nicht ihm, sondern Papa die Schuhe gehören. f. Sp hat also scheinbar gegen die Maximen der Relevanz und der Quantität verstoßen. g. Ich kann seine Äußerung nur dann als kooperativ betrachten, wenn ich davon ausgehe, daß er mir sein besonderes Interesse am Zustandekommen der geforderten Handlung signalisieren wollte.
Solch ein Schlußprozeß kann verdeutlichen, wie eine "modale" Interpretation des Ethicus Zustandekommen kann. Die Zuschreibung einer neuen Wortartspezifik erscheint daher überflüssig; vielmehr spricht die Flektiertheit von nur/dir eindeutig gegen Modalpartikelstatus und für den Status als Pronomen.
2.3
Modalpartikeln und die X-bar-Theorie
2.3.1
Kategorien und Merkmale
Die X-bar-Theorie wurde in erster Linie auf Projektionen der lexikalischen Kategorien N, V, A, P (also bezogen auf die Hauptwortarten) angewandt. "Kleine Kategorien" wurden vernachlässigt37; eine X-bar-theoretische Analyse von Modalpartikeln existiert bislang nicht. Chomsky (1970) hat für die Kategor is ierung der Hauptwortarten vorgeschlagen, von den zwei Begriffen 'substantive' und 'predicative' auszugehen; verwendet man die entsprechenden Merkmale [+/-N] und [+/-V], ergibt sich die folgende Matrix:
36 37
Vgl. die Diskussion in Abschnitt 1.3, insbesondere die Ansätze von Bierwisch (1983a) und Traugott (1989). Jackendoff (1977) ist eine rühmliche Ausnahme.
51
(58) a. b. c. d.
A [+N, +V] V [-N, +V] N [+N, -V] P [-N, -V]
Zwar kann man nun die gemeinsame Eigenschaft der Kasuszuweisung durch Verben und Präpositionen mit dem geteilten Merkmal [-N] in Verbindung bringen, aber dem weiteren Ziel, 'natürliche Klassen' zu bilden, kommt man damit wohl kaum näher.38 Wie Muysken/ Riemsdijk (1986, 3) argumentieren, ist z.B. {N, V} kaum weniger eine natürliche Klasse als {A, V}. Wie ich im folgenden zeigen werde, kann die Bildung natürlicher Klassen im Bereich der kleinen Kategorien für die Beschreibung von Heterosemie nützlich sein. Zur Erleichterung der Klassenbildung bei den Nebenwortarten muß man zunächst die Merkmalsmenge erweitern. Modalpartikeln sind etwa der Kategorie P in (58d) insofern vergleichbar, als sie weder "Substantiv" noch "prädikativ" sind, d.h. die Merkmale [-N, -V] tragen müßten; auf der anderen Seite haben Modalpartikeln und Präpositionen andere grammatische Eigenschaften, so daß die Kategorien nicht die gleiche Merkmalsmenge aufweisen dürfen. Muysken (1983) hat nun vorgeschlagen, die X-bar-Ebenen durch merkmalsspezifizierte Ebenen zu ersetzen, wobei er die Merkmale [+/-maximal] und [+/-Projektion] verwendet.39 Geht man davon aus, daß Partikeln nicht projizieren, d.h. keine Komplexitätserweiterung erfahren und entsprechend als "schon maximal" beschrieben werden können, würde sich folgende Merkmalskombination anbieten: (59)
Prt [-N, -V, -proj, +max]
Damit wird aber noch nicht den Unterschieden zwischen den verschiedenen Partikelsorten Rechnung getragen. Im Prinzip können jedoch, wie wir in Abschnitt 2.2 gesehen haben, weitere Merkmale gefunden werden; welche der möglichen Merkmale verwendet werden sollten, muß sich natürlich aus übergreifenden, gesamtgrammatischen Überlegungen ergeben. Für den Bereich Modalpartikel - Gradpartikel - Satzadverb könnte man z.B. an folgende Merkmalsmengen denken:
(60) a. MP [a, (8, +S, -adv] b. GP [a, 0, -S, -adv] c. SAdv [ ,/3, +S, +adv] wobei -> [-N, -V] -> [-proj, +max]
38 39
Für das Deutsche wäre ferner zu beachten, daß auch manche Adjektive Kasus zuweisen. Wie Speas (1990, 42) anmerkt, kann man in dem Vorschlag von Muysken einen ersten Versuch sehen, die X'-Ebene abzuschaffen. Vgl. auch Hellan (1991), Hoekstra (1991) und Speas (1990) selbst.
52
Das Merkmal [+S] bedeutet, daß sich die Kategorie auf den ganzen Satz bezieht; [-S] bedeutet, daß sich die Kategorie auf Nicht-S-Konstituenten bezieht.40 Das Merkmal [+adv] trägt der Vorfeldfähigkeit der betreffenden Kategorie Rechnung; wie wir gesehen haben, können nur Satzadverbien allein das Vorfeld besetzen, Modalpartikeln und Gradpartikeln erhalten daher das Merkmal [-adv]. Mithilfe einer solchen Merkmalsmatrix können sog. natürliche Klassen gebildet werden, die kategorienübergreifende Generalisierungen erlauben (vgl. Stechow/Sternefeld 1988, 145ff.). Man muß hierzu ganz klar sagen, daß die Merkmalszuteilung ein theoretisches Konstrukt ist, so daß genau die Klassen als natürlich bzw. unnatürlich erscheinen, die eben aufgrund geteilter oder nichtgeteilter Merkmale überhaupt gebildet werden können. Natürliche Klassen in bezug auf (60) wären (die Merkmale a und lasse ich hier der Übersichtlichkeit halber weg): (61) a. b. c. d.
[+S] = {MP, SAdv} [-S] = {GP} [-adv] = {MP, GP} [+adv] = {SAdv}
Zunächst ist zu bemerken, daß einelementige Klassen wie (61b) und (61d) nicht sehr erhellend sind. Man muß also mehr Wortarten betrachten, damit sich interessante Klassen ergeben. Dies führt wiederum zum Problem, welches Merkmal dasjenige ist, das die interessanteste Klassenbildung erlaubt. Im Rahmen dieser Arbeit ist von Interesse, daß die Annahme natürlicher Klassen die Erklärung von Heterosemie voranbringen kann. So liegt Heterosemie zwischen Modalpartikeln und Satzadverbien vor, was mit dem Merkmal [+S] erklärt werden könnte, vgl. eigentlich; desgleichen gibt es Heterosemie zwischen Modalpartikeln und Gradpartikeln, was mit dem Merkmal [-adv] erklärt werden könnte, vgl. schon. Wenn aber {SAdv, GP} eine unnatürliche Klasse ist, könnte das erklären, warum es keine Heterosemie zwischen Satzadverbien und Gradpartikeln gibt.41
40
41
Syntaktisch beziehen sich auch manche Präpositionen auf Sätze (z.B. seit Hans kam), aber Präpositionen sind (a) projizierende Kategorien und somit durch das Merkmal f+projl abgegrenzt, (b) selegieren sie ihr DP/CPKomplement, während Modalpartikeln und Satzadverbien nicht Sätze selegieren. - Einige Gradpartikeln können sich ebenfalls syntaktisch (und skopal) auf CPs beziehen, aber die Gradpartikel hat nur Skopus über ihren syntaktischen Bereich: (i) »Sogar daß Nastassja nach New York fahrt. (i1) Sogar daß Nastassja nach New York fahrt, ärgert Fritz, (ii) Nastassja fährt halt/leider nach New York. Dagegen ist der Skopus von Modalpartikeln/Satzadverbien die gesamte CP. Das Merkmal [+S] ist also am besten im Sinne von 'Skopus ist die höchste CP' zu verstehen. (Eine andere Möglichkeit wäre, für Gradpartikeln ein Merkmal [+foc] einzuführen.) Wie Marga Reis (persönliche Mitteilung) beobachtet hat, würde jedoch auch {A, MP} eine unnatürliche Klasse bilden. Vermutlich läuft hier aber die Entwicklung über das Adverb, da Unflektierheit eine Voraussetzung für Modalpartikel-Status ist. Und für {Adv, MP} ließe sich vermutlich der Status als natürliche Klasse rechtfertigen.
53
2.3.2 Zum X-bar-Status von Modalpartikeln Modalpartikeln sind zwar einerseits X°-Kategorien (und daher lexikalische Köpfe im Sinne des X-bar-Schemas), verfügen aber anderseits nicht über die Projektionsmöglichkeiten von lexikalischen Köpfen wie N°, V°, A°, P°. Dem trägt Muysken (1983) in seinem Merkmalssystem dadurch Rechnung, daß projizierende Kategorien auf der X°-Ebene die Merkmale [proj, -max] erhalten, nicht projizierende Kategorien dagegen (aufgrund ihrer Nicht-Erweiterbarkeit) die Merkmale [-proj, +max].42 Zudem können Modalpartikeln wegen ihrer Nicht-Erweiterbarkeit auch keine Phrasen sein, und sie sind auch keine Komplemente. Sie scheinen daher aus dem X-bar-Schema herauszufallen. Welcher X-bar-Status kommt ihnen also zu? Zunächst betrachten wir die Möglichkeit, daß sie funktionale Elemente sind. Diese weisen nach Abney (1987, 64f.) die folgenden Eigenschaften auf43: (a) Functional elements constitute closed lexical classes. (b) Functional elements are generally phonologically and morphologically dependent. They are generally stressless, often clitics or affixes, and sometimes even phonologically null. (c) Functional elements permit only one complement, which is in general not an argument. The arguments are CP, PP, and (I claim) DP. Functional elements select IP, VP, NP. (d) Functional elements are usually inseparable from their complement. (e) Functional elements lack what I will call "descriptive content". Their semantic contribution is second-order, regulating or contributing to the interpretation of their complement. They mark grammatical or relational features, rather than picking out a class of objects. Gehen wir diese Kriterien der Reihe nach durch: Modalpartikeln bilden eine geschlossene lexikalische Klasse. Sie sind weder phonologisch noch morphologisch abhängig. Unbetonbarkeit gilt nur für eine Teilklasse der Modalpartikeln; wie ich in Abschnitt 2.3.3 zeige, sind sie weder Klitika noch Affixe. Modalpartikeln nehmen keine Argumente zu sich; es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sie sich auf IP oder VP beziehen. Modalpartikeln sind (aufgrund ihrer Fakultativität) auf jeden Fall trennbar von ihrer Bezugsgröße und unterscheiden sich gerade darin von typischen funktionalen Elementen. Modalpartikeln haben bekanntlich keinen deskriptiven Gehalt (wie etwa Nomen, Adjektive und Verben), obwohl sie meines Erachtens eine wörtliche Bedeutung haben. Obgleich nach dieser Überprüfung einiges für einen Status der Modalpartikeln als funktionale Elemente spricht, spricht doch Eigenschaft (d) stark dagegen. Dagegen spricht aber vor allem, daß funktionale Elemente im allgemeinen als projizierende Köpfe betrachtet werden - und Modalpartikeln projizieren nicht.
42
43
Maximale Projektionen bekommen das Merkmal [+proj, +max], alle Elemente, die weder lexikalische Kategorien sind noch maximale Projektionen, erhalten die Merkmale [+proj, -max). Vgl. auch Stechow/ Sternefeld (1988, 138ff.). Vgl. auch die Eigenschaften funktionaler Köpfe nach Fukui/Speas (1986, 133).
54
Allerdings hängt diese Analyse sehr stark vom verwendeten Kopfbegriff ab. Rothstein (1991) vertritt die Auffassung, daß kategoriale Projektion keine essentielle Eigenschaft von Köpfen ist, sondern daß es auch Köpfe gibt, die Komplemente subkategorisieren. Diese "kleinen" funktionalen Köpfe unterscheiden sich von funktionalen Köpfen wie DET, INFL (evtl. COMP) gerade darin, daß sie keine Theta-Positionen in den Theta-Rastern ihrer Komplemente binden und keine Kategorienmerkmale projizieren. Solche kleinen funktionalen Köpfe bilden etwa die englischen Konjunktionen and und or, sowie die Intensivierungspartikel too. Konjunktionen zeigen, daß (a) Köpfe nicht die Kategorie ihrer Projektion zu bestimmen brauchen, daß sie aber (b) Komplemente kategorisieren:
(62) a. John is proud of her and angry with him. b. I saw the boy and the girl. c. I put the cushions on the sofa and in the armchair. Das einzige nicht-maximale Element in den kursivierten Konstituenten ist die Konjunktion and; sie selegiert Paare von Konstituenten gleicher Kategorie als ihre Konstituenten, wobei die dominierende Kategorie von der gleichen Art ist wie die Kategorie der Komplemente. Die Struktur der gesamten kursivierten Konstituenten in (62) wird jedoch durch die Konjunktion bestimmt, vgl. (63) a. *John is proud of her and. b. *John is proud of her angry with him. c. *John is and angry with him. und da die Komplemente auch Prädikate sein können, ist auch klar, daß Konjunktionen keine Theta-Rollen vergeben. In ähnlicher Weise könnte man daran denken, daß Modalpartikeln als kleine funktionale Köpfe VP als ihr Komplement subkategorisieren (warum gerade VP, erörtere ich in Abschnitt 3.3). Modalpartikeln sind ebenfalls nicht-maximal, und sie projizieren auch nicht ihre Kategorie; sie vergeben keine Theta-Rollen. (Vielleicht bis auf die Fälle, wo sie obligatorisch auftreten, haben sie jedoch keinen strukturbestimmenden Charakter.) Eine solche Analyse hätte den Vorteil, daß man nicht Modalpartikeln als Kopf einer Modalpartikelphrase betrachten müßte, wie es einer Adaption von Pollocks (1989) Ansatz für die englischen und französischen Negationspartikeln entsprechen würde. Haider (1993, 177) sieht zwar die Nicht-Topikalisierbarkeit von Modalpartikeln als Indiz für möglichen Kopfcharakter, hält diese aber unter Verweis auf das Verhalten von inhärenten Reflexiva (nicht vorfeldfähig) vs. anaphorischen Reflexiva (vorfeldfähig) für nicht unbedingt rein syntaktisch bedingt.44
44
Ein beteiligter Faktor scheint Kontrastakzentuierung zu sein, da anaphorische Reflexiva im Vorfeld obligatorisch akzentuiert werden müssen (darauf hat mich Jochen Geilfuß hingewiesen): (i) *Sich/*SICH hat er geschämt, (ii) *Sich/SICH hat er die Schuhe zugebunden.
55
Als nächstes prüfen wir, ob Modalpartikeln Spezifizierer sind. Unter Spezifizieren! versteht man im allgemeinen Töchter von maximalen Projektionen (vgl. etwa SpecC, Specl und Spec V). Auf Fukui/Speas (1986) geht die Charakterisierung zurück, daß Spezifizierer Phrasen "abschließen", so daß keine weitere Projektion möglich ist.45 Als Spezifizierer werden von Stechow/Sternefeld (1988, 132) u.a. Subjekte (als Spezifizierer des Satzes), Determinierer (als Spezifizierer von Nominalphrasen), das Gradwort sehr (als Spezifizierer von Adjektiv- und Adverbphrasen) genannt; Fanselow/Felix (1987, 54) erwähnen die Gradpartikel only (als Adverb kategorisiert) als VP-Spezifizierer.46 In Speas (1990, 109ff.) wird der Vorschlag gemacht, die Anzahl von Spezifizierern durch die eineindeutige Zuweisung von Käse-Merkmalen (d.h. Kasus- und w-Merkmalen) durch den entsprechenden funktionalen Kopf zu beschränken.47 Damit ist aber klar, daß Modalpartikeln nicht als Spezifizierer fungieren können, denn sie erhalten weder Kasus- noch wMerkmale. Im Vorschlag von Muysken (1983) erhalten Partikeln die Merkmale [-N, -V, -proj, +max]. Modalpartikeln sind nun zweifelsohne lexikalische Elemente, d.h. X°-Elemente; diese aber werden normalerweise als nicht-maximal eingestuft. Die Motivation zur Annahme des Merkmals [+max] ergibt sich aus dem Phrasenprinzip, demzufolge jeder Nicht-Kopf eine Phrase ist (vgl. Stechow/Sternefeld 1988, 126). Eine Strategie ist nun zu sagen, daß es Elemente gibt, bei denen Maxi- und Minimalität gewissermaßen zusammenfällt, nämlich sog. Modifizierer.48 Intuitiv kann man als Modifizierer Elemente betrachten, die andere Elemente modifizieren, z.B. Gradpartikeln oder Intensivierungspartikeln. Stechow/Sternefeld (1988, 140ff.) entwickeln ihre Konzeption vom Modifikator anhand des attributiven Adjektivs. Dieses ist zwar selbst eine XP und ist damit in Übereinstimmung zum Phrasenprinzip, erhöht aber nicht die Komplexität des modifizierten Nomens. Modalpartikeln mögen also in einem gewissen Sinne maximal sein, aber dies darf auf keinen Fall bedeuten, daß sie XPs sind, da sie nicht projizieren und nicht im Vorfeld stehen dürfen.
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Vgl. Fukui/Speas (1986, 132): "[...] we will henceforth use the term specifier to mean an element that closes off a category projection." Nur Spezifizierer von funktionalen Köpfen schließen in diesem Sinne eine Projektion ab; Spezifizierer von lexikalischen Köpfen sind dagegen unbeschränkt, vgl. etwa (i) the very old man (ii) 'the the old man Oppenrieder (1991a, 176) merkt kritisch an, daß unklar bleibt, was diese verschiedenen Elemente gemeinsam haben und hält die Spezifizierer-Position für nicht gerechtfertigt. - Wenn im verbalen Bereich Adverbien VPSpezifizierer sein sollen, müßten Spezifizierer gegen Adjunkte abgegrenzt werden, wenn dort Gradpartikeln Spezifizierer sein sollen, müßte ihre Verbindbarkeit mit nicht-maximalen Projektionen erklärt werden. Vgl. die folgende Definition (Speas 1991, 112): "Käse features (=Case +WH Features) in English are assigned and licensed under adjacency, in a direction specified by the particular head: rightward for V, P; leftward for COMP, DET, INFL." Nur eine XP kann linksadjazent von einem funktionalen Kopf stehen, daher kann nur eine XP die entsprechenden Merkmale zugewiesen bekommen. Vgl. die Formulierung in Grewendorf/Hamm/Sternefeld (1987, 204): Modifikatoren "sind schon Phrasen, obwohl sie lexikalische Elemente sind. Wir wollen die Möglichkeit nicht ausschließen, daß bestimmte Kategorien maximal sind, obwohl sie Elemente des Lexikons sind."
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Kategorien, die die Komplexität einer syntaktischen Struktur nicht erhöhen, werden in der X-bar-Theorie Adjunkte genannt. Wenn Modalpartikeln also Modifikatoren und damit Adjunkte sind, ist zu fragen, woran sie adjungiert sind. Abraham (1991c, 240f.) nimmt an, daß Modalpartikeln als Adjunkte von VP, V1 und V° im eingebetteten Satz, und von IP, V1, und V° im Hauptsatz auftreten können; keine von diesen Positionen ist eine Grundposition. Für Brandt/Reis/Rosengren/ Zimmermann (1992, 72) sind Modalpartikeln "basiseingesetzte Adjunkte"; ihre Grundposition sei die Position "direkt nach I°", über die hinweg XP-Konstituenten gescrambelt werden können (S. 75). Als adjungiert werden die Modalpartikeln auch bei Haider (1993, 177) betrachtet. Ich schließe mich im folgenden dieser Sichtweise an. Auf die Frage nach der Grundposition der Modalpartikeln werde ich in Abschnitt 3.3 eingehen.
2.3.3 Sind Modalpartikeln Klitika? Sprachliche Elemente, die gewissermaßen aus dem Kategorieninventar des X-bar-Schemas herausfallen, sind Klitika; sie sind morphologisch unselbständig, phonologisch abhängig, haben "affixalen" Status und damit keine eigene Kategorie. Man nimmt im allgemeinen an, daß sie an andere Konstituenten adjungiert werden.49 Im folgenden soll untersucht werden, ob Modalpartikeln Klitika sind. Explizit wird diese Annahme in Reis (1992a,b) vertreten.50 Bevor ich auf die Daten eingehe, die eine solche Annahme motivieren können, will ich jedoch den Begriff des Klitikums präzisieren.51 Zu den phonologischen Eigenschaften von Klitika wird gerechnet, daß sie sich (a) phonologisch an einen Wirt ('host') anlehnen und mit diesem zusammen ein Wort bilden, (b) selbst aber keinen Akzent tragen. Das Kriterium (b) wird besonders deutlich in solchen Fällen, wo neben den Klitika nichtklitische Parallelformen bestehen. Während letztere zwar meist unbetont auftreten, prinzipiell aber betont werden können, sind echte Klitika unbetonbar: (64) a Harriet IS a linguist, b. *Harriet=S a linguist.
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Z.B. nimmt Kayne (1989) bezüglich der Klitika in romanischen Sprachen an, (a) daß sie sich mit funktionalen Kategorien verbinden, (b) daß sie Kopfstatus haben, (c) daß sie linksadjungiert sind. Eine entsprechende Überlegung findet sich jedoch schon in Kaisse (1982, lOff.), die sog. sententiale (S'-) Klitika behandelt. Sententiale Klitika kommen in Pashto, Tagalog, Altgriechisch, Serbokroatisch und Ngiyambaa vor; im einzelnen gilt folgendes: (a) das Klitikum steht dort immer in der zweiten Position des Satzes (der Wackernagel-Position, vgl. Spencer 1991, 355), (b) der Ausdruck in der ersten Position muß mindestens eine betonte Silbe enthalten, (c) das Klitikum bezieht sich auf den ganzen Satz.- Die Diskussion bei Kaisse leidet daran, daß ihr kein topologisches Modell des deutschen Satzes zur Verfügung steht, das über das bloße Abzählen der Position in der linearen Abfolge hinaus den Bezug auf topologische Felder erlauben würde. Ich stütze mich dabei auf die Darstellung von Spencer (1991), der seine Charakterisierung von Klitika auf vier Fallstudien des Serbokroatischen, Mazedonischen, Portugiesischen und Polnischen basiert.
57 Zum Beispiel ist es möglich, das Auxiliar in (64a) zu betonen, was mit der reduzierten, klitischen Form in (64b) nicht möglich ist. Eine weitere Eigenschaft von Klitika ist, daß sie 'kl i tische Bündel' ('clitic cluster') bilden. So ist das klitische Bündel im Serbokroatischen nach Spencer (1991, 356) (65) ü - Aux - Dat. - Akk. - Refl. -je wobei U ein Fragewort ist und je die 3. PS. Präs, des Verbs 'sein'. Klitische Bündel haben eine lineare, keine hierarchische Anordnung. Von Modalpartikeln kann man jedoch nicht sagen, daß sie phonologisch mit einem Wirt verschmelzen; einige Modalpartikeln sind betonbar12; ein klitisches Bündel kann man allenfalls in Modalpartikelkombinationen sehen, bei denen es bestimmte Abfolgemuster gibt (vgl. Thurmair 1989). Umstritten ist, ob Klitika Affixe oder Worte sind, oder ob sie eine nicht auf eines der beiden reduzierbare, eigene Klasse linguistischer Entitäten bilden. Von Zwicky (1985) stammt die Unterscheidung zwischen einfachen und speziellen Klitika ('simple clitics' vs. 'special clitics'). Einfache Klitika sind z.B. die englischen Auxiliarklitika, weil sie parallele nicht-klitische Formen haben. Spezielle Klitika sind z.B. die serbokroatischen Klitika, die keine nicht-klitischen Parallelformen aufweisen. Spezielle Klitika ähneln eher Affixen, während einfache Klitika eher Worten ähneln. Wenn Modalpartikeln Klitika sind, dann sind sie eher einfache Klitika als spezielle Klitika. Als Unterschiede zwischen Affixen und (einfachen) Klitika nennt Zwicky (1985, 286ff.): (i) (ii) (iii) (iv)
Affixe sind obligatorisch, (einfache) Klitika nicht. Affixe werden an Stämme oder Wurzeln gehängt, (einfache) Klitika an Wörter. Affixe können wortartverändernd sein, (einfache) Klitika nicht. Affixe haben keine eigene Wortart, (einfache) Klitika haben die Wortart ihrer nichtklitischen Parallelformen. (v) Affixe kategorisieren die Bedeutung des Wortes, (einfache) Klitika und ihre nicht-klitischen Parallelformen haben dieselbe Bedeutung. Von dieser Übersicht her zu urteilen, ähneln deutsche Modalpartikeln eher einfachen Klitika als Affixen. Ist es sinnvoll, Modalpartikeln als einfache Klitika zu bezeichnen oder sind sie nicht ganz einfach Wörter? Für Wörter gelten im Unterschied zu Klitika die folgenden Eigenschaften (vgl. Zwicky 1985, 287ff.): (a) Wörter sind nicht (an Wirte) gebunden. (b) Wörter haben eine komplexe Distribution.
(c) Wörter unterliegen bestimmten syntaktischen Prozessen wie Tilgung, Substitution, oder Bewegung. 52
Allerdings diskutiert Klavans (1982) einige Ausnahmen zum Unbetonbarkeitskriterium, bei denen es sich um Fälle von Emphase oder Kontrast handelt.
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Diesen Kriterien zufolge wären Modalpartikeln keine Klitika, sondern eher Wörter. Modalpartikeln sind ungebunden in dem Sinne, daß sie keine speziellen Klitika sind; ihre Distribution ist insofern frei, als sie an allen "adverbialen" Positionen im Mittelfeld auftreten können; schließlich unterliegen sie bestimmten Prozessen wie der Adjunktion.53 Das freie Vorkommen von Wörtern braucht aber nach Meinung mancher Forscher kein Indiz gegen den Klitikumstatus zu sein. Man muß sich dazu nur klarmachen, daß Klitika unterschiedliche Bereiche haben können. Dieser Begriff spielt eine wichtige Rolle in der Klitikum-Klassifikation von Klavans (1985).54 Aufgrund der drei Parameter 'initial/final', 'after/before' und 'enclitic/ proclitic' unterscheidet Klavans zwischen acht klitischen Konfigurationen. Für die beiden ersten Parameter spielt der Begriff des Bereichs eine wichtige Rolle. Der Bereich eines klitischen Elements cl sei in (66) die VP, markiert durch eckige Klammern: (66) NP=cl [V NP NP] AP
(initial, before, enclitic)
Dann erhält cl die Werte 'initial', weil es links von der VP steht, 'before', weil es vor der linkesten Konstituente der VP steht, und 'enclitic', weil es nach der Wirts-NP kommt. Wie Spencer (1991) bemerkt, läuft das darauf hinaus, einen phonologischen Wirt, nämlich die erste NP, zu der cl in einem enklitischen Verhältnis steht, von einem syntaktischen Wirt (dem Bereich), nämlich der VP zu unterscheiden. Spencer (1991, 381) erwägt die Differenzierung zwischen lexikalischen Klitika, die an ein Wort einer bestimmten syntaktischen Kategorie, z.B. ein Verb, klitisieren und phrasalen Klitika, die auf Phrasen, also auch auf Sätze bezogen sind. Im Hinblick auf Modalpartikeln wäre also zu prüfen, ob diese lexikalische Klitika und/oder phrasale Klitika sind. Insgesamt bieten diese Überlegungen wenig Anhaltspunkte, um Modalpartikeln als Klitika einzustufen. Sie gehen keine phonologische Verbindung mit einem Wirt ein, sie sind weder spezielle Klitika (wie sie im Serbokroatischen zu finden sind), noch einfache Klitika (wie die englischen Auxiliarklitika). Sie sind Worte und haben damit einen eigenständigen kategorialen Status. Das wichtigste Indiz dafür, daß Modalpartikeln möglicherweise Klitika sind, ist die Beobachtung, daß Modalpartikeln in W-Interrogativsätzen rechtsadjazent zu einem W-Wort im Vorfeld auftreten dürfen:
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Zwickys Position ist, daß spezielle Klitika und Affixe akategorial sind; Partikeln sind für ihn weder Klitika noch Affixe, sondern Worte.- Gegen Kaisse (1982) verteidigt er die Auffassung, daß deutsche Modalpartikeln (die für ihn die Kategorie 'Adverb' haben), keine Klitika sind, sondern Affixe. Dafür sprechen für ihn (a) die Ungebundenheit von Modalpartikeln (seine Beispiele zeigen jedoch Antwortpartikeln), (b) phraseninitiales Vorkommen (seine Beispiele sind Gradpartikeln) (c) die Ableitbarkeit der Beschränkung auf die dritte Position in Hauptsätzen und die zweite Position in Nebensätzen aus dem adverbiellen Charakter der Modalpartikeln (hier beachtet er nicht, daß Adverbien vorfeldfähig sind). Vgl. dazu die kritische Diskussion in Sadock (1991, 72ff.) und Spencer (1991, 377ff.).
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(67) a. Wer schon will das? b. Wozu denn soll das gut sein? c. Warum auch hat er nicht die Polizei alarmiert? Die in Frage kommenden Modalpartikeln sind schon, denn, auch, überhaupt, eigentlich, nur, wohl, bloß (vgl. Meibauer 1991, 228). Die Modalpartikel kann hier nicht durch anderes Material vom Fragewort getrennt werden: (68) a. *Wer von den restlichen Wählern schon will das? b. *Wozu zum Teufel denn soll das gut sein? Eine phonologische Verbindung mit dem Fragewort-Wirt ist jedoch nicht auszumachen. Zudem kann die Modalpartikel denn in dieser Position kontrastbetont werden, was gegen den Status als Klitikum spricht: (69) A: Einer will das, aber ich weiß nicht wer. Fritz ist es nicht, Nastassja auch nicht. B: Wer DENN will das? Was die Behandlung von Modalpartikeln als Klitikum in dieser Konstellation so attraktiv macht, ist offenbar, daß nur so das erstaunliche Eindringen der Modalpartikel ins Vorfeld erklärt werden kann. Wenn nämlich 'Fragewort + Modalpartikel' eine klitische Einheit bilden, hätte hier die Modalpartikel eher den Status als einfaches Klitikum denn als Wort (wenn wir wieder von der mangelnden phonologischen Reduktion absehen). Zu fragen wäre dann, ob alle Modalpartikeln im Grunde Klitika sind, oder ob sie nur Klitika in "enklitischer" Kookkurrenz mit einem Fragewort sind. In Reis (1992a,b) werden Modalpartikeln und quantifizierende Partikeln wie alles (sog. l-alles) als Klitika betrachtet. Klitische Positionen der Modalpartikel sind nach diesem Ansatz (a) die gerade besprochene Position rechtsadjazent zu einem Fragewort im Vorfeld, (b) sowie die Grundstellung am Beginn des Mittelfelds, d.h. linksadjungiert an die VProjektion. Die Klassifikation als Klitikum wird jedoch darauf gegründet, daß Klitika für spezifische Typen syntaktischer Phrasen subkategorisiert seien, und daß sie phonologische Verbindung mit einem Wirt zeigten. Gerade letzteres ist aber, wie wir gesehen haben, nicht der Fall; Reis (1992b, 484) folgert daraus in bezug auf l-alles, es handele sich um eine "phrasal host position that is phonologically empty". Dies bedeutet aber letzten Endes, daß das traditionell wichtigste Hauptkriterium für Klisis aufgegeben und diese zu einer rein syntaktischen Angelegenheit gemacht wird. Der Bereich der Modalpartikeln ist nach Reis die V/I-Projektion, was die Frage aufwirft, wie die Modalpartikeln in die Adjazenzposition zum jeweiligen W-Element geraten können. Dieses Problem diskutiert Reis anhand der folgenden Beispiele:
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(70) a. Wer schon hätte damals wen schon fürchterlich ernstgenommen? b. Wer schon hätte wen schon damals fürchterlich ernstgenommen? c. ?*Wer schon hätte wenj damals tj schon fürchterlich ernstgenommen? Das Beispiel (70a) zeigt, daß "Klitisierung" an das Fragewort auch im Mittelfeld stattfinden kann.55 Während die Position von wen schon vor dem Temporaladverb grundsätzlich erlaubt ist, wie (70b) zeigt, kann die Modalpartikel bei Bewegung des Fragewortes wohl kaum zurückgelassen werden, vgl. (70c). Daraus sei zu schlußfolgern, daß Modalpartikeln entweder vor w-Bewegung an ihren w-Wirt klitisieren, oder aber erst auf der S-StrukturEbene/der Phonetischen Form.56 Insgesamt sprechen daher gegen die Einstufung von Modalpartikeln als Klitika (a) die mangelnde phonologische Verschmelzung mit einem Wirt, (b) ihre Betonbarkeit selbst in der "klitischen" Vorfeldposition. Ein weiteres Argument gegen ihren Klitikumstatus ist, daß die Modalpartikel denn selbst eine klitische Form aufweist: (71) a. Was ist denn los? b. Was is'n los? Es scheint aber sonst keine Fälle zu geben, wo Klitika selbst klitische Formen haben. Vielmehr muß n in (71b) als einfaches Klitikum eingestuft werden, das eine nicht-klitische Parallelform, nämlich das Wort denn hat. Zu beachten ist auch, daß das Phänomen der Anlehnung an ein w-Wort im Vorfeld nicht auf Modalpartikeln beschränkt zu sein scheint. Zum Beispiel können einige Adverbien ebenfalls in der entsprechenden Position auftreten, ohne daß man diese als Klitika einstufen wollte: (72) a. Wer vermutlich wird sich auf die Stelle bewerben? b. Wozu sonst sollte ich mich für den Job gemeldet haben?
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Dies scheint soweit richtig; man beachte jedoch, daß "Klitisierung" nur im Mittelfeld nicht möglich zu sein scheint: (i) Wer hat schon wen getroffen? (ii) *Wer hat wen schon getroffen? (iii) Wer schon hat wen schon getroffen? Dies versucht Reis mithilfe der mw-Konstruktion, von der angenommen wird, dal) was in der satzinitialen Position basisgeneriert wird, zu testen; die Ergebnisse scheinen darauf hinzuweisen, daß an basisgenerierte Phrasen nicht klitisiert werden kann: (i) Was meint er denn, wer die Wahl gewinnt? (ii) ??Was denn meint er, wer die Wahl gewinnt? (iii) ??Was wird er schon meinen, wer die Wahl gewinnt? (iv) *Was schon wird er meinen, wer die Wahl gewinnt? Wenn man jedoch die Grundposition der Modalpartikel in der Adjunktsposition zu VP vermutet, bleibt eigentlich nur die Annahme, daß das w-Element auf seinem Weg ins Vorfeld sich dort die Modalpartikel "abholt". Wie das W-Element sich mit der Modalpartikel verbinden kann, wenn es in seiner Basisposition bleibt, ist dagegen unklar, wenn man keine MP-Bewegung annehmen will.
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Dies weist darauf hin, daß wir es hier mit einem generelleren, nicht auf Modalpartikeln beschränkten Phänomen zu tun haben.
2.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel habe ich argumentiert, daß Modalpartikeln die Kategorie MP haben, d.h. keine Adverbien sind und sich auch von anderen, gewöhnlich der Gruppe der Partikeln zugeordneten Elementen grammatisch unterscheiden. Modalpartikeln sind keine Köpfe, Komplemente, oder Klitika; sie sind Adjunkte (Modifizierer), die u.a. die Merkmale [-proj, +max] aufweisen.
3. Fokus und Kontrast 3.1 Einleitung Unbetontheit bzw. Unbetonbarkeit wird zwar meist als eine zentrale Eigenschaft von Modalpartikeln betrachtet, aber es ist auch beobachtet worden, daß zumindest die Modalpartikeln unter (la) unter bestimmten Bedingungen betonbar sind (vgl. Abschnitt 1.4). Allerdings würden einige Forscher - gerade wegen des Kriteriums der Unbetonbarkeit - einige dieser Partikeln nicht als Modalpartikeln, sondern als Adverbien einstufen, so z.B. Heibig (1988) in bezug auf betontes DOCH. (1) a. bloß, denn, doch, eigentlich, ja, nur, schon, wohl b. eh, einfach, immer, immerhin, ohnehin, ruhig, sowieso, überhaupt Über die Liste in (la) hinaus sind nach dem Ausweis von Heibig (1988) auch die Modalpartikeln in (Ib) betonbar. Zu diesen Modalpartikeln würde ich noch die Partikel glatt hinzufügen, die bei Heibig (1988) nicht genannt wird. Ich gehe auf doch in Kap. 4, auf ja (sowie nur/bloß) in Kap. 5 und auf schon in Kap. 6 ein. Eigentlich wird in Abschnitt 3.4.1 exemplarisch behandelt. In Kap. 7 diskutiere ich denn, eh (sowieso, ohnehin) und einfach/ruhig/glatt. Das Phänomen der betonten Modalpartikeln ist zwar gelegentlich diskutiert worden, so zuletzt bei Weydt (1986), Doherty (1987), Lerner (1987), Kohrt (1988), Oppenrieder/ Thurmair (1989), Thurmair (1989), aber es gibt noch keine einheitliche Erklärung dafür. Ich möchte die Idee verfolgen, daß es sich bei dem fraglichen Akzent in der Regel um einen Kontrastakzent handelt; eine Ausnahme stellen nur die Modalpartikeln einfach/ruhig/ glatt dar, deren Akzentuierung als emphatisch gelten muß. Wenn der Nachweis als Kontrastakzent gelingt, hätte dies - wie in Kap. l gezeigt - eine Reihe von Vorteilen: - Die Annahme zweier Modalpartikel-Varianten, von denen eine betont, die andere unbetont ist, wäre überflüssig. - Der Zwang zur Umkategorisierung einer Partikel aufgrund der Betonbarkeit entfällt. - Das Phänomen kann in eine einheitliche Theorie über kontrastierte Ausdrucksmittel eingeordnet werden. Die Akzentuierung von Modalpartikeln sollte aus den Prinzipien einer Theorie der Informationsstruktur (Fokus-Hintergrund-Gliederung) ableitbar sein bzw. von dieser berücksichtigt werden. Vorliegende Theorien der Informationsstruktur divergieren in wichtigen Punkten.1 Ich stütze mich im wesentlichen auf die Untersuchungen von Hetland (1992), Rochemont
l
Eine umfassende und detaillierte Diskussion der verschiedenen theoretischen Ansätze ist hier nicht möglich. Man vgl. Hetland (1992), Höhle (1982), (1992), Jacobs (1983), (1988), (1991c), Marek (1987), Rochemont (1986), Rooth (1985), (1992), Selkirk (1984), Taglicht (1984), Uhmann (1991), von Stechow (1991a).
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(1986), Rosengren (1991) und Uhmann (1991), deren für uns wichtige Ergebnisse ich in Abschnitt 3.2 zunächst darstelle. Anschließend geht es in Abschnitt 3.3 um den Zusammenhang zwischen der Position von Modalpartikeln im Mittelfeld und der Fokus-HintergrundGliederung des Satzes. Schließlich diskutiere ich in Abschnitt 3.4 kontrastierte Modalpartikeln, wobei zunächst am Beispiel von eigentlich plausibel gemacht werden soll, daß es sich um einen Kontrastakzent, nicht jedoch um einen emphatischen Akzent handelt, bevor der Zusammenhang zur Theorie der Informationsstruktur hergestellt werden kann.
3.2 Zur Theorie der Informationsstruktur 3.2.1 Enger Fokus, weiter Fokus und Kontrast Der Begriff des Kontrastakzents ist insofern irreführend, als man sich darunter einen bestimmten, phonologisch spezifizierbaren Akzenttyp vorstellen könnte. Es besteht jedoch weitgehende Übereinstimmung darin, daß 'Kontrastakzent' nichteinen bestimmten Akzenttyp bezeichnet, sondern sich auf einen Fokus bezieht, der kontrastiv gebraucht wird (Culicover/ Rochemont 1983, 15l).2 In Uhmann (1991, 266) wird der Begriff des 'Kontrastakzents' (der Kontrastbetonung) sowie der korrelierende Begriff der 'Normalbetonung' als "überflüssig" abgelehnt, da diese Begriffe "aus anderen, allgemeineren Strukturen abgeleitet werden können." Der Normalbetonung entspricht in ihrem System "ein weiter Fokus mit Akzent auf einem Fokusexponenten und Fokusprojektion", dem Kontrastakzent ein enger Fokus, insbesondere aber die "Fokussierung einer Konstituente, die nicht Fokusexponent eines maximalen Syntagmas sein kann und die im Kontext einer Korrektursequenz produziert wird." Kann man sagen, daß eine kontrastive Interpretation immer durch engen Fokus realisiert wird? Dies scheint der Kern der Auffassung von Ladd (1980, 79) zu sein, der behauptet: "'Contrastive stress' is nothing more than accent placement that signals narrow focus, and narrow focus can be used for things other than explicit contrast." Nehmen wir mit Rochemont (1986, 68) an, daß damit gemeint ist, daß kontrastive Interpretation intrinsisch mit engem Fokus zusammenhängt.3 Dagegen spricht nach Rochemont, daß in Beispiel (2a) mit weitem Fokus sämtliche möglichen Foki ein kontrastives Gegenstück haben (vgl. 2b.-e.): (2) a. A: Laurie followed Ralph into the BEDROOM. b. B: Laurie followed Ralph into the HOUSE. c. Laurie followed Ralph to AFRICA.
2 3
Zur Geschichte dieses Gedankens, der sich bis auf Pike (1945) zurückfiihren läßt, vgl. Marek (1987, 57ff.) Es könnte auch gemeint sein, daß es keinen phonologischen Unterschied zwischen Kontrastakzent und Fokusakzent gibt; vgl. dazu Uhmann (1991, 266).
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d. e.
Laurie LEFT. Ralph went out into the GARDEN.
Umgekehrt braucht natürlich ein enger Fokus nicht unbedingt Kontrast zu signalisieren; es kann sich genauso gut um neue Information handeln. Ladd (1980) selbst zeigt dies - in Übereinstimmung mit obiger Behauptung - sehr klar an folgendem Beispiel, wo enger Fokus neue Information liefert: (3) A: What kind of man is John? B: Oh, he's a WONDERFUL man. Ich gehe daher davon aus, daß enge Foki und weite Foki unter bestimmten Bedingungen eine kontrastive Interpretation erhalten können. Kontrastive Interpretation ist dabei ein semantisch-pragmatischer Begriff (vgl. Rochemont 1986). Aus der Tatsache, daß es kontrastive Interpretation gibt, darf jedoch nicht auf das Vorhandensein eines eigenen kontrastiven Akzenttyps geschlossen werden. Unter Kontrastakzent will ich also einen Akzent verstehen, der einen engen Fokus signalisiert, welcher mit einer kontrastiven Interpretation verknüpft ist. Im folgenden Abschnitt möchte ich zunächst auf die Fokusprojektion im Deutschen eingehen, bevor ich das Modell der Fokus interpretation von Rochemont (1986) vorstelle.
3.2.2 Grundlegendes zur Fokusprojektion Die meisten Arbeiten zur Fokusprojektion stimmen darin überein, daß Fokuszuweisung ein grammatisches Phänomen ist. Einer Konstituente oder mehreren Konstituenten wird dabei auf einer bestimmten Stufe der Ableitung ein Fokusmerkmal F zugewiesen. Dieses Merkmal F hat als phonologisches Korrelat einen Akzentton, der auf einer Silbe innerhalb der mit F markierten Konstituente realisiert wird. Mit F ausgezeichnete Konstituenten gehören zum Fokus eines Satzes, der Rest zum Hintergrund. Dies wird im allgemeinen getestet durch die Einbettung in Frage-AntwortSequenzen bzw. Korrektursequenzen, so daß sich eine 'Fokuskontrolle' ergibt: (4) A: WaSj mag Nastassja am liebsten? B: Nastassja mag am liebsten (FiGUMMIbärchen). In (4B) ist Gummibarchen fokussiert, d.h es stellt die neue Information dar, während der Rest des Satzes, der in der Frage schon erwähnt wurde, zum Hintergrund zählt. (5) A: Nastassja mag am liebsten GUMMIbärchenj. B: Nein, das stimmt nicht. Nastassja mag am liebsten (FiKINDERschokolade). Entsprechend ist in (5B) das fokussierte Kinderschokolade neue Information, während der Rest des Satzes Hintergrund ist. Dabei muß nicht immer nur e i n e Konstituente fokussiert
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sein bzw. den Akzentton tragen, wie sich u.a. an Antworten auf multiple W-Fragen, sowie bei mehrteiligem oder mehrfachem Fokus zeigt (vgl. Uhmann 1991, 196f.). Die in (4) und (5) angezeigten Foki sind enge Foki, d.h. Foki auf einfachen Konstituenten. Es gibt aber auch den Fall des weiten Fokus (der Fokusprojektion), wo der Fokusbereich sich auf weitere Konstituenten neben der akzenttontragenden Konstituente erstreckt. Bei weitem Fokus wird die akzentuierte Konstituente der (projizierende) Fokusexponent genannt. So sind, wie sich an folgendem Beispiel von Höhle (1982, 91f.) gut verdeutlichen läßt, bei Akzent auf Buch im Satz Karl hat dem Kind das BUCH geschenkt je nach Vorgängeräußerung unterschiedlich weite Foki möglich. Die Fokusprojektion eines projizierenden Fokusexponenten umfaßt alle potentiellen Foki, wobei durch die Fragen Disambiguierungskontexte festgelegt werden: (6) A: B: (7) A: B: (8) A: B: (9) A: B: (10) A: B:
Was hat Karl dem Kind geschenkt? Karl hat dem Kind (pdas BUCH) geschenkt. Was hat Karl hinsichtlich des Kindes getan? Karl hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). Was hat Karl getan? Karl hat (pdem Kind das BUCH geschenkt). Was hat das Kind erlebt? (FKarl) hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). Was ist geschehen? (FKarl hat dem Kind das BUCH geschenkt).
Dabei liegt in (6B) enger Fokus, in (7B-10B) weiter Fokus vor.4 Die wesentliche Aufgabe einer Theorie der Informationsstruktur ist es nun, die Regeln der Fokusprojektion zu bestimmen.5 Einigkeit besteht darüber, daß diese von der 'Grundabfolge' (Rosengren) bzw. 'normalen linearen Ordnung' (Uhmann) des Prädikats und seinen Argumenten abhängig ist.6 So findet nach Rosengren (1991, 177) maximale Projektion statt, wenn (primäre oder sekundäre) Grundabfolge der Konstituenten gegeben ist, und wenn "das dem Verb innerhalb
Zur Kritik des Höhleschen Konzepts der Normalbetonung anhand dieser Beispiele vgl. Uhmann (1991, 220f.). Umstritten ist, ob die Regeln der Fokusprojektion technisch im Sinne einer Merkmalsvererbung (Perkolation) aufzufassen sind, wie es dem Ansatz von Rochemont (1986) entspricht. Vor allem Jacobs (1991c) hat dagegen argumentiert. Rosengren (1991, 177) hält Merkmalsperkolation für überflüssig, da man die Fokusprojektion "allein aus der Position von +F und der Wortstellung ablesen bzw. errechnen" könne. Rosengren (1991) unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Grundabfolge. Die primäre Grundabfolge ist nach Rosengren (1991, 179) durch die Verbargumente und die vom Verb abhängigen Adverbiale bestimmt und liegt auf der Ebene der D-Struktur vor. Die sekundäre Grundabfolge entsteht durch bestimmte Bewegungen, die vor -t-F-Zuweisung stattfinden und Spuren hinterlassen, die ebenfalls +F erhalten können.- Uhmann bezieht sich auf den von Haftka (1981, 207) vorgeschlagenen Test für die normale lineare Ordnung, der auf der Bildung von Infinitivgruppen basiert; normale lineare Ordnung liegt vor, wenn die Infinitivgruppen (a) keine Vorerwähnung voraussetzen, (b) nur einen einzigen Intonationsschwerpunkt haben und dieser am Ende der Infinitivgruppe liegt. Zu Mängeln dieses Tests siehe Uhmann (1991, 211, Fn. 33).
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der VP am nächsten stehende (meist verbadjazente) interne Argument [...] bzw. seine Spur" +F aufweist. Gibt es kein internes Argument, bekommt das Verb das +F-Merkmal. Uhmann (1991, 215) legt in ihrer 'Erweiterten Fokusprojektionsregel für Prädikat/ Argument-Strukturen' fest, daß in einer Struktur (F...a.../3...) oder (F...ß...a...), in der Argument von ist, a als Fokusexponent fungiert, wenn es das am weitesten rechts stehende interne Argument von 0 ist. Wenn der Fokusexponent nach dieser Regel bestimmt ist und keine Abweichung von der normalen linearen Ordnung vorliegt, ist Fokusprojektion möglich. Einige einfache Beispiele mögen das Gesagte illustrieren. Ist nur e i n internes Argument vorhanden, wird dieses als Fokusexponent gewählt:7 (11) a. b. c. d.
Egon (Pkauft ja einen PORSCHE). Egon (Fhat ja einen PORSCHE gekauft). weil (FEgon ja einen PORSCHE kauft) weil (pEgon ja einen PORSCHE gekauft hat)
Wenn m e h r als ein internes Argument vorhanden ist, wird das am weitesten rechts stehende als Fokusexponent gewählt, vgl.: (12) a. b. c. d.
Egon (Fschenkt ja seinem Onkel einen STABmixer). Egon (Fhat ja seinem Onkel einen STABmixer geschenkt). weil (FEgon ja seinem Onkel einen STABmixer schenkt) weil (FEgon ja seinem Onkel einen STABmixer geschenkt hat)
Wie aus diesen Beispielen ersichtlich ist, scheinen unbetonte Modalpartikeln keinen Einfluß auf die Fokusprojektion zu haben. Da fokussierte Modalpartikeln keine Argumente sind, können sie nur minimal fokussiert sein und sind keine Fokusexponenten. Die Fokusverhältnisse bei Modalpartikeln werden in Abschnitt 3.4.2 detailliert diskutiert. Verschiedene Auffassungen existieren zum Ort der F-Zuweisung. In der generativen Tradition geht man gewöhnlich von einer mehr oder minder modifizierten D-Struktur aus. Bei Rochemont (1986, 85) werden die Regeln der Fokuszuweisung spät ("late") in der Ableitung der S-Struktur angewendet, "associating a given D-structure with a set of Sstructure representations in which the basic focus and inherited focus constituents are identified." Hetland (1992, 203ff.) schließt sich dem im Prinzip an, betont jedoch auch die Relevanz der linearen Abfolge auf der S-Struktur. Bei Rosengren (1991, 177) wird das FMerkmal zwischen D- und S-Struktur vor Bewegungen wie Scrambling, Topikalisierung und Bewegung des Verbs nach C° zugewiesen, jedoch nach Bewegungen wie z.B. NP-Bewegung,
Vgl. auch die Beispiele von Rosengren (1991, 181ff.) und Uhmann (1991, 216f.). Problematisch bleiben vor allem Sätze mit adverbialen Angaben, mit Pronomina, externen Argumenten im Vorfeld sowie präsentative Fälle.
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w-Bewegung. Uhmann (1991, 197) geht jedoch davon aus, daß das Fokusmerkmal auf der S-Struktur-Ebene zugewiesen wird. Umstritten ist auch, ob man neben dem Fokusmerkmal noch ein Prominenzmerkmal benötigt. Rochemont (1986) nimmt an, daß ein P-Merkmal zwischen D- und S-Struktur beliebigen lexikalischen Kategorien zugewiesen wird. Das P-Merkmal ist Input für die phonologische Komponente, die den Akzentton zuweist, das F-Merkmal ist Input für die Logische Form (vgl. Rochemont 1986, 204). Das F-Merkmal wird allen mit P ausgezeichneten Konstituenten zugewiesen. Hetland (1992, 210) schließt sich diesem Modell an. Bei Rosengren (1991, 177) wird umgekehrt zunächst ein F-Merkmal vergeben, und erst dann ein PMerkmal, welches alle mit F ausgezeichneten Konstituenten erhalten; das P-Merkmal bleibt unter bestimmten Bedingungen entweder erhalten oder fällt weg, d.h. "verlagert" sich auf andere Konstituenten (siehe Abschnitt 3.3). Im Modell von Uhmann (1991, 243) erfolgt die Akzenttonzuweisung an mit F ausgezeichnete Konstituenten auf der Ebene der F-Struktur, die der S-Struktur-Ebene nachgeordnet ist. Welche Vor- und Nachteile mit jedem dieser Modelle verbunden sind, kann hier nicht ausführlich diskutiert werden; ich gehe davon aus, daß ein F-Merkmal vor dem P-Merkmal zwischen D- und S-Struktur zugewiesen wird (wie es auch der Ordnung in Uhmanns 1991 Ansatz entspricht), wobei das P-Merkmal nur F-ausgezeichnete Konstituenten erhalten können. Was das Modell von Rosengren (1991) attraktiv macht, ist die Berücksichtigung des Einflusses von Bewegungen auf die Fokusprojektion (vgl. Abschnitt 3.3). Modalpartikeln selbst unterliegen aber keinen Bewegungen; ihr F-Merkmal wird frei zugewiesen, und sie erhalten zusätzlich ein P-Merkmal.
3.2.3 Typen der Fokusinterpretation Das Verhältnis von Fokus und Kontrast ist umstritten. So wird meist wie in der Klassifikation von Fokusphänomenen bei Dik et al. (1981) Kontrast als ein Untertyp von Fokus verstanden. Umgekehrt sieht es Wunderlich (1991a), der Fokus als einen Untertyp von Kontrast betrachtet, da sich jede neue Information, die sich mit Fokus verbinde, in gewissem Sinne mit der schon vorgegebenen Information kontrastiere. Jacobs (1988) lehnt die Assoziation von Fokus mit neuer Information unter Verweis auf den Gradpartikel- oder Negationsfokus ab und spricht stattdessen von der Herstellung eines Bezugs auf Alternativen (vgl. Dretske 1972, Rooth 1985); ich komme unten kurz darauf zurück. Diese und andere Ansätze (vgl. Chafe 1976, Werth 1984) können hier nicht detailliert behandelt werden; eine umfassende Theorie der Kontrastierung steht noch aus. Ich möchte im folgenden die Typen der Fokusinterpretation nach Rochemont (1986) vorstellen, da in diesem Ansatz die bislang klarsten Explikationen vorliegen; im Anschluß daran stelle ich die Unterscheidung zwischen komplementärem und kontradiktorischem Kontrast von Dietrich (1990) vor. Rochemonts (1986) Auffassung der Interpretation von Fokus basiert auf der traditionellen Unterscheidung zwischen alter und neuer Information. Etwas ist alte Information, wenn es aus dem Kontext ableitbar ist. Alles, was nicht aus dem Kontext ableitbar ist, ist neue
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Information. Etwas kann entweder direkt aus dem Kontext ableitbar sein, oder indirekt. Beide Verfahren können entweder konventionell (lexikalisch) oder konversationell (pragmatisch) sein. Rochemont (1986, 41) definiert 'Fokus' mithilfe des Begriffs der c-Konstruierbarkeit: (13) Fokus A string P is focus if, and only if, it is not c-construable. Sehen wir uns zunächst den Begriff der (direkten) c-Konstruierbarkeit an (Rochemont 1986, 62f.): (14) Direkte c-Konstruierbarkeit An expression P is directly c-construable in if, and only if, (i) P has a semantic antecedent P' in , or (ii) the intended antecedent of in has been brought to the attention of the participants in . Hier konzentrieren wir uns auf die Klausel (14i); die Klausel (14ii) bezieht sich auf unmittelbar in der Diskurssituation erhältliches Kontextwissen. Was heißt es für einen Ausdruck P, ein semantisches Antezedens P' zu haben? Dies wird in (15) definiert (Rochemont 1986, 47): (15) Semantisches Antezedens A string P has a semantic antecedent in a discourse , = {^i,...,^„}, if, and only if, there is a prior and readily available string P' in , such that the uttering of P' either formally or informally entails the mention of P. Mit der Formulierung "prior and readily available" ist entweder gemeint, daß die Kette aus dem aktuellen Diskurs stammt, oder aus einem vergangenenen Diskurs, auf den der Sprecher Bezug nimmt, und auf den die Aufmerksamkeit des Hörers gerichtet wird. Die Formulierung "formally or informally entails" bezieht sich auf Fälle formaler Folgerung wie in 'John left and Mary wept'-> 'Mary wept', und auf informelle Folgerung wie in 'John is a bachelor'-> 'John is unmarried' (informell ist diese, da sie nur e i n e n möglichen Wortsinn von bachelor erschöpft). Dem in (13) festgelegten Fokusbegriff entspricht nun, daß (a) nur das fokussiert wird, was im Diskurs neue Information ist, (b) alles was neue Information ist, fokussiert wird, (c) alles, was c-konstruierbar, also alte Information ist, nicht fokussiert wird. Durch den Begriff der c-Konstruierbarkeit werden also grundsätzlich folgende Fälle abgedeckt, in denen unterschiedliche Fokusprojektionen vorliegen: (16) a. A: What happened? b. What did Laurie do? c. Where did Laurie follow Ralph? d. What did Laurie follow Ralph into? e. B: (Laurie (followed Ralph (into (the BEDROOM)))).
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Der Begriff der informellen Folgerung in (15) wird einem Fall wie in (17) gerecht: (17) A: I saw some GORILLAS in the SUBWAY today.
B: Oh, really? We saw some animals at the zoo today. Animals in (17B) braucht deshalb nicht fokussiert zu sein, weil es über gorillas in (17A) crekonstruierbar ist. Während die besprochenen Fälle alle 'konventionell' im Sinne von Grice (1975) sind, d.h. c-Konstruierbarkeit lexikalisch vermittelt ist, geht es in dem folgenden Beispiel um konversationell, rein situativ vermittelte c-Konstruierbarkeit: (18) a. Did you HEAR it? b. Do you KNOW him? Hier darf it/him nicht Fokus sein, weil es in der Situation unmittelbar ersichtlich und damit c-konstruierbar ist, worauf die Anapher sich bezieht. Neben der direkten c-Konstruierbarkeit gibt es nach Rochemont noch indirekte c-Konstruierbarkeit, wobei hier wiederum die konventionell/konversationell-Dichotomie angesetzt wird (vgl. (i) vs. (ii)): (19) Indirekte c-Konstruierbarkeit An expression is indirectly c-construable in if, and only if, (i) P is a member of a lexically specified class of scene setters, or (ii) is an acceptable scenesetter in by virtue of the participants' anticipated familiarity with speaker's discourse setting. Als Mitglieder der Klasse der 'scenesetter' werden von Rochemont genannt: (20) a. I, you, we..., here, there..., now, then...,tomorrow, last night... b. verbs of appearance: appear, arrive, ... Gemünzt ist (19i) auf Fälle wie diskursinitiales A LETTER arrived for you today, wo arrive aufgrund seines Status als 'scenesetter' indirekt c-konstruierbar ist und damit nicht fokussiert werden darf. Schließlich kann (19ii) denjenigen Fällen gerecht werden, in denen einfach nur aufgrund des Hintergrundwissens bestimmte Elemente als bekannt vorausgesetzt werden. Ist etwa dem Hörer im Kontext bekannt, daß der Sprecher einen Krankenhausbesuch vorhatte, kann (21a) geäußert werden: (21) a. I ran into JOHN in the hospital this morning. b. I ran into JOHN in the HOSPITAL this morning. Hier wäre nämlich hospital indirekt c-konstruierbar. Wenn dagegen auch hospital neue Information ist, muß wie in (21b) fokussiert werden.
70 Rochemont (1986) unterscheidet zwischen zwei Arten von Fokus: 'Presentational Focus' und 'Contrastive Focus'. Zun chst die Definition des pr sentativen Fokus: (22) Pr sentativer Fokus An expression P is a Presentational Focus in a discourse δ, δ= {φ^.,.,φ} if, and only if, (i) P is an expression in ^, and (ii) at the time of utterance of φ·,, in δ, Ρ is not c-construable. Weder direkt noch indirekt c-konstruierbar und somit pr sentativer Fokus ist der Standardfall (16) genauso wie die folgenden diskurser ffnenden u erungen: (23) a. b. c. c'. d.
A LETTER arrived for you today. My FATHER broke his LEG last night. A strange MAN came into my office today, A strange MAN came into my OFFICE today. Do you KNOW him?
Kontrastiver Fokus erh lt die folgende Definition8: (24) Kontrastiver Fokus An expression P is a Contrastive Focus in a discourse δ, δ={φι,...,φη} if, and only if, (i) P is an expression in ψλ, and (ii) if Ρ/φ-, is the result of extracting Ρ from φ{ then Ρ/φί is directly c-construable, and φ, is not directly c-construable. Rochemont diskutiert den kontrastiven Fokus am Standardfall einer Korrektursequenz: (25) A: Bill's financial situation is a source of constant concern to Mary. B: Bill's financial situation is a source of constant concern to BILL. In diesem Beispiel ist P = BILL, also Fokus. Ρ/φ{ ist Bill's financial situation is a source of constant concern to X; diese Kette ist direkt c-konstruierbar, weil in (25A) vorerw hnt. Nicht direkt c-konstruierbar ist φί = Bill's financial situation is a source of constant concern to Bill. u erungen wie unter (23) sollen nat rlich nicht als kontrastiv betrachtet werden; deshalb mu in (24) explizit von direkter c-Konstruierbarkeit die Rede sein. Schlie lich ist festzuhalten, da ein Fokus durchaus sowohl pr sentativ als auch kontrastiv sein kann. Rochemont (1986, 53) demonstriert dies am Beispiel John hit Mary, and then he KICKED her, wo auf den Fokus KICKED beide Fokusdefinitionen zutreffen. Der Ansatz von Rochemont (1986), Fokus mithilfe der (Nicht-)c-Konstruierbarkeit zu definieren, ist prinzipiell der Kritik von Jacobs (1988) unterworfen, da z.B. Negations-
8
Kritik an dieser Definition erfolgt in Abschnitt 4.7 im Zusammenhang mit der Anwendung auf DOCH.
71 oder Gradpartikelfokus klare Fälle von Fokus sind, aber nicht neue Information zu signalisieren brauchen, d.h. c-konstruierbar sein können. Der allgemeinere Begriff des Alternativenbezugs sei hingegen in der Lage, auch diese Fälle abzudecken.9 Dabei heißt Alternativenbezug ganz einfach, daß jedes fokussierte Element X in einem Satz mit Fokus-Hintergrund-Gliederung mit einer Menge von Alternativen verknüpft ist (Jacobs 1988, 91). Ich denke, daß diese Kritik prinzipiell berechtigt ist, daß dies aber nicht - jedenfalls für den Fall der akzentuierten Modalpartikeln - die Überflüssigkeit des Begriffs der neuen Information beweist; vielmehr sind die Konzepte des Alternativenbezugs und der neuen Information miteinander vereinbar, wie sich am folgenden Beispiel zeigt: (26) A: Egon ist nicht verheiratet. B: Egon ist DOCH/SCHON verheiratet. Der Fokus auf doch/schon stellt einen Bezug zu einer Alternative her, die aus dem Kontext (im weiten Sinne der Geschichte des Diskurses) ableitbar sein muß; dies ist in (26) die Äußerung von A. Das fokussierte Element selbst vermittelt offenbar neue Information, d.h. Information, die nicht schon in (26A) vorhanden ist. Dietrich (1990) vertritt die Auffassung, daß sich Fokus und Kontrastfokus gleichermaßen auf Alternativen beziehen; beim Fokus werde jedoch eine Alternative aus einer Menge von thematisierten Alternativen herausgegriffen, beim Kontrastfokus beziehe sich der Sprecher auf eine beim Hörer aktuell geltende Alternative, vgl. den folgenden Dialog: (27) (In einem Gespräch über Klara:] A: Wie alt wird die eigentlich morgen? B: Ich glaube, sie wird fünfundZWANZIG. A: Dann schicken wir ihr vielleicht zwei Dutzend Rosen. B: Sie wird FÜNFundzwanzig. Während in der ersten Äußerung von B eine Auswahl aus einer Menge von thematisierten Alternativen getroffen wird (nämlich den möglichen Altersangaben), nimmt er in der zweiten Äußerung Bezug auf eine aus seiner Sicht (d.h. von ihm erschlossene) beim Hörer A geltende Alternative, nämlich der, daß Klara vierundzwanzig wird.10 Wir müssen uns also
9
10
Allerdings nötigt die angestrebte Generalisierung der relationalen Fokustheorie, die besagt, daß jeder Fokus der Fokus von einem anderen Element ist, zu der zwar theoretisch attraktiven, aber nicht zwingenden Annahme, dal) in Sätzen ohne offensichtlich tbkussierendes Element der Illokutionstypoperator diese Funktion habe (vgl. Jacobs 1984, 1988 und Heiland 1992, 238ff.). Dietrich (1990, 422) macht an diesem Beispiel auch klar, daß das Wesen des Fokus (a) 'weder in der Auswahl aus einer Menge typengleicher Alternativen" bestehen kann, denn eine solche Auswahl werde auch für nicht-fokussierte Elemente wie z.B. ich, glaube, sie, wird etc. getroffen, noch (b) in der Nicht-Vorerwähntheit, denn in der Äußerung (i) sei sowohl vierundzwanzig als inichflinfundzwanzJg vorerwähnt, dennoch sei in (ii) ßinfundzwanzig fokussiert. (i) A: Wie alt wird die eigentlich morgen, VIERundzwanzig oder FÜNFundzwanzig? (ii) B: Ich glaube, sie wird FÜNFundzwanzig. Der entscheidende Begriff sei daher die Geltung von Propositionen.- Daran ist richtig, daß es sich immer nur
72
fragen, in welchem Sinne ein Sprecher bei der Verwendung einer fokussierten Modalpartikel von der Geltung einer alternativen Proposition ausgeht. Dietrich (1990) unterscheidet weiter aufgrund phonetischer Untersuchungen zwischen einem komplementären und einem kontradiktorischen Kontrast, welche sich nach seinen phonetischen Untersuchungen in unterschiedlichen Tonmustern manifestieren. Generell gelte zwar, daß bei Kontrastmarkierung der Sprecher mit der Geltung einer alternativen Proposition beim Hörer rechnet; beim kontradiktorischen Kontrast sei jedoch (aus der Sicht des Sprechers) die kontrastierte Alternative dem Hörer bereits bekannt, beim komplementären Kontrast werde sie dagegen einer (aus der Sicht des Sprechers) beim Hörer vorhandenen Alternativenmenge neu hinzugefügt. Die beiden Kontrasttypen werden phonetisch unterschiedlich realisiert: Der komplementäre Kontrast durch starken Tonfall (H\\T), der kontradiktorische Kontrast durch starken Tonanstieg (T//H): (a) Typ l, 'komplementär': H\\T (28) Das Zahnrad legst du jetzt an die Breit\\seite der Platte. 1. 2.
3.
Es gilt die Proposition p = «,...«;...«„. Es gibt mindestens ein ak, das zu a, in dem Sinne in Opposition steht, daß die alternative Proposition p' = a,...ak...a„ gebildet werden kann, und zwar so, daß die Bedeutung und die Struktureigenschaften der in p und p' identischen Teilketten gleichbleibt. Und aus der Sicht des Sprechers ist mit der Geltung von p' beim Hörer zu rechnen. Es gilt aber p und nicht p'.
In bezug auf das Beispiel (28) wäre p'= 'Adressat legt Zahnrad an die (Längs-, Quer-...) Seite.' (b) Typ 2, 'kontradiktorisch': T//H (29) Das Zahnrad legst du jetzt an die Breit//sei\te der Platte. 1. 2. 3.
Es gilt die Proposition p = ,... {... . Aus der Sicht des Sprechers ist beim Hörer mit der Geltung von non-p zu rechnen. Es gilt aber p und nicht non-p.
Bezogen auf das Beispiel (29) wäre non-p = 'Adressat legt Zahnrad nicht an die Breitseite.' Wie Dietrich (1990, 424) selbst betont, sind bei diesem Ansatz viele Fragen offen. Eine offene Frage betrifft z.B. die Annahme, daß der kontradiktorische Kontrast ein Spezialfall des komplementären sei. Wenn aber die phonetischen Untersuchungen korrekt sind, dann scheint die kontrastive Interpretation im Deutschen nicht nur mit engem Fokus zusammenzuhängen, sondern ebenso mit Tonanstieg und -fall auf der Fokussilbe, wobei diesen Größen verschiedene Typen der kontrastiven Interpretation entsprechen.
um relevante Alternativen handeln kann, und daß Fokus auch bei Vor-Erwähntheit vorliegen kann; soweit ich sehe, ist auch beides in Übereinstimmung mit Jacobs' Ansatz.
73 Überlegungen zur Anwendbarkeit der Definition des Kontrastfokus nach Rochemont (1986) finden sich in den Abschnitten 4.7, 5.7 und 6.4.3; die skizzierte Unterscheidung von Dietrich (1990) diskutiere ich in Kap. 5.7 anhand der Modalpartikel JA.
3.3 Grundposition von Modalpartikeln und Fokus-Hintergrund-Gliederung Ich wende mich nun der Frage zu, was Modalpartikeln mit der Fokus-Hintergrund-Gliederung zu tun haben. Dabei gehe ich so vor, daß ich zuerst einige Daten und Ansätze diskutiere, die bei der Bestimmung einer Grundposition der Modalpartikel eine Rolle spielen. Anschließend wird die traditionelle Beobachtung, daß Modalpartikeln zwischen Thema und Rhema stehen, mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten der Fokusprojektion in Zusammenhang gebracht. Als Grundposition der Modalpartikel gilt in neueren Arbeiten (Brandt/Reis/Rosengren/ Zimmermann 1992, Haider 1993) der Beginn des Mittelfeldes, d.h. der VP. Zum Beispiel würde die Struktur eines V2-Deklarativsatzes im Modell von Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) folgendermaßen aussehen:
(30)
IP
Specl
I1 A 1° VP MP
VP A SpecV V1 A ... V°
Haider (1993, 176) schlägt eine 'Schalenstruktur' des Mittelfeldes vor, mit "WP" für die Wackernagel-Position und "P" für die Partikelposition: (31) [WP[VP ... XPj ...[P[VP[... tf, ...V]] Daß z.T. enklitische, schwachtonige Partikeln und Pronomina in der sog. WackernagelPosition stehen, hat etwa Lenerz (1984, 87ff.) vermutet." Gegen eine Einstufung der Wackernagel-Position als Normalposition der Modalpartikeln spricht aber nach Abraham (1988, 456), daß unakzentuierte Personalpronomina Modalpartikeln aus dieser Position verdrängen:
11
In Lenerz (1993, 117ff.) wird auch die Auffassung, daß die sog. Wackernagelposition die Grundposition der Pronomina sei, aufgegeben.
74 (32) a. b. c. d.
da er ja auch dem Vater sein Fahrrad versteckt hat *da ja auch er dem Vater sein Fahrrad versteckt hat Wo hat sie denn die Tauben vergiftet? *Wo hat denn sie die Tauben vergiftet?
Die Sätze (32b) und (32d) sind allerdings möglich, wenn das Pronomen fokussiert ist (vgl. Haider 1993, Lenerz 1993), d.h. mit der Stellung des Pronomens relativ zu den Partikeln ist ein Interpretationsunterschied verbunden. Noch klarer sind jene von Haider (1993, 178) genannten Fälle, in denen man den Partikeln vorangehen muß: (33) a. Hat man denn/etwa auf ihn geschossen? b. *Hat denn/etwa man auf ihn geschossen? c. Hat denn/etwa Max auf ihn geschossen? Man sollte also wie Haider (1993) zwischen der Wackernagel-Position und der einer möglichen (Modal-)Partikelposition unterscheiden. Im folgenden möchte ich auf drei (Daten-) Bereiche eingehen, aus denen sich Argumente für eine Grundposition der Modalpartikel ableiten lassen bzw. bei denen die Annahme einer Grundposition eine wesentliche Rolle spielt. Es sind dies (a) Skopusbeziehungen, (b) Definitheitseffekte, (c) Scrambling, insbesondere der Zusammenhang zwischen Fokus und Scrambling. Zunächst zum Punkt (a), Skopusbeziehungen. Das wesentliche Problem bei der Begründung der Normalposition aufgrund von Skopusbeziehungen ist, daß diese essentiell semantischer Natur sind. So heißt es bei Brandt/Rosengren/Zimmermann (1989, 23f.), der Beginn des Mittelfeldes sei die Skopusposition der Modalpartikeln.12 In der Skopusposition können die Modalpartikeln nach Brandt/Rosengren/Zimmermann (1989) keinen Einfluß auf das Fokuspotential des Satzes nehmen; stünden die Modalpartikeln aber nicht in der Skopusposition, bewirken sie eine Aufgliederung des Mittelfeldes in Hintergrund (links von der Modalpartikel) und Fokus (rechts von der Modalpartikel). Solche Überlegungen zum semantischen Skopus reichen jedoch nicht aus, um die syntaktische Normalposition der Modalpartikeln zu rechtfertigen. Die explizitesten Überlegungen zum semantischen Skopus von Modalpartikeln finden sich bei Jacobs (1991a). Für Jacobs sind Modalpartikeln Modifizierer des Hlokutionstyps IT.13
12 13
Dies ist revidiert in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 71ff.). Der Begriff des 'Dlokutionstyps' ist der 'Illokutionssemantik' von Zaefferer (1984) entlehnt. Eine illokutionssemantische Repräsentation eines Satzes ist eine logische Beschreibung des illokutionären Akttyps, der einem Satztyp bei wörtlicher Verwendung zugewiesen wird. Illokutionstypen werden durch Bündel propositionaler Einstellungen charakterisiert.- Unter 'Illokutionstyp' ist diejenige Größe zu verstehen, die auch unter dem Begriff 'Satzmodus' bekannt geworden ist. Zu verschiedenen Satzmodusbegriffen vgl. Altmann (1987), Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992), Jacobs (1991b), Pasch (1989a).- Was unter Modifikation über den rein technischen Aspekt hinaus zu verstehen ist, bleibt bei Jacobs unklar. König (1991a, 176) bemerkt kritisch, daß Modifikation eines Hlokutionstyps jedenfalls nicht die zentrale Eigenschaft von Modalpartikeln sein könne, da (a) Dlokutionstypen auch durch kontextuelle Faktoren determiniert würden, und (b) sie jeweils
75
Als Prädikate für Illokutionstypen (also IT-Operatoren) sind mindestens ASSERT für den assertiven Illokutionstyp und DIR für den direktiven Illokutionstyp anzunehmen.14 Die Hinzufügung einer Modalpartikel zu einem Satz, der normalerweise einen Illokutionstyp X determiniert, resultiert in einer spezifischeren Version von X, nämlich X'. Formal heißt Modifikation eines Illokutionstyps zunächst einmal nichts anderes, als daß ein komplexer Operator gebildet wird, z.B. J-ASSERT im Falle einer durch die Modalpartikel ja modifizierten Assertion. Dies ist insbesondere dadurch legitimiert, daß Illokutionstypoperatoren und Modalpartikeln den gleichen semantischen Skopus haben, sich nämlich auf den ganzen Satz beziehen.15 Ein Problem scheint durch den Kommentar von Jacobs (1991a, 151) zu entstehen, daß ein Operator wie J-ASSERT logisch äquivalent mit dem komplexen Operator JA(ASSERT) sei, wobei der Operator JA durch ein spezifisches Bedeutungspostulat definiert wird. Brauße (1991, 451) und Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 72) interpretieren dies fälschlich so, daß Modalpartikeln Skopus über den Illokutionstyp haben. Brauße bringt die Kritik vor, daß diese Anordnung der Skopuselemente nicht deduziert werden könne, weil der Satzmodus im Gegensatz zu Modalpartikeln nicht lexikalisch ausgedrückt sei. Man muß jedoch beachten, daß JA-ASSERT eine Instantiation von JA(P) ist, mit P für die zulässigen IT-Operatoren. Mit dieser Funktion wird einfach der Kompositionalität zwischen Modalpartikel und Illokutionstyp Rechnung getragen. Die Verschmelzung der beiden Operatoren in JASSERT ist also nicht so aufzufassen, daß der IT-Operator im Skopus der Modalpartikel steht. Die von Jacobs (1991a, 155) verwendete Definition von Skopus basiert - wie allgemein üblich - auf der c-Kommando-Relation. Wenn , und Z Konstituenten sind, und X und semantischen Skopus haben und nicht in Kopfpositionen erscheinen16, gelten die folgenden Regeln: (34) a. X is in the scope of in S only if in the D-structure of S (i.e. before movement rules) X follows Y. b. Z is in the scope of in S only if in the D-structure of S all maximal projections dominating also dominate Z. Da Modalpartikeln vor Negationspartikeln, Gradpartikeln und Adverbialen stehen müssen, vgl. (34), ergibt sich die Hypothese, daß Modalpartikeln in der D-Struktur allen Konstituenten im Skopus des IT-Operators vorausgehen müssen; Ausnahmen sind nur Elemente ohne semantischen Skopus oder Elemente in Kopfpositionen.
14 15 16
mit mehreren Modalpartikeln kompatibel seien. Jacobs würde jedoch (a) ablehnen, da es ihm ja nicht um Sprechakttypen geht; (b) ist problematischer, weil Jacobs in der Tat so viele modifizierte Illokutionstypen annehmen müßte, wie es IT-kompatible Modalpartikeln gibt. Satzmodusprobleme bei W-Interrogativsätzen werden in Jacobs (1991b) diskutiert. Vgl. die Formulierung S. 159: "[...] our assumption that MPs have the same semantic scope as the IToperator corresponding to the MP in semantic structure." Elemente, die keinen Skopus haben, sind z.B. Eigennamen und Personalpronomen. In Kopfpositionen stehen z.B. Verben und Präpositionen.
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(35) a. weil Udo Gerda ("nicht) ja geheiratet hat b. weil (*sogar) Udo ja geheiratet hat c. weil Udo (*gern) ja geheiratet hat Die Regel (34a) trägt diesen Fällen Rechnung. So haben in (34a) sowohl die Negationspartikel nicht (=Y) als auch die Modalpartikel ja (=X) Skopus. Ja darf aber nicht nicht folgen, deshalb kann ja nicht im Skopus von nicht sein, sondern es ist umgekehrt der Fall, daß nicht im Skopus vony'fl ist. Entsprechendes gilt für die Gradpartikel und das Adverb in (35b/c). Die Regel (34b) kommt für die folgenden Fälle auf: (36) a. Es stimmt, daß Udo (*ja) verheiratet ist. b. Diese ja schon oft erhobenen Vorwürfe hat sie wiederholt, b'. *Ja schon oft erhobene Vorwürfe hat sie wiederholt. Die Modalpartikel (=Z) ist in (36a) nicht im Skopus des IT-Operators (=Y), da der Nebensatz eine maximale Projektion ist. Das gleiche gilt für die Objekt-NP in (36b'); dagegen ist (36b) erlaubt, weil hier die Modalpartikel im Skopus eines eigens für die Apposition zuständigen IT-Operators steht. Die Daten unter (36) sind jedoch nicht repräsentativ: In Nebensätzen können - abhängig vom Verb im Matrixsatz bzw. dem Nebensatztyp17 - durchaus Modalpartikeln vorkommen, vgl. (37a); auch scheinen Strukturen wie (36b') nicht gänzlich ausgeschlossen, vgl. (37b): (37) a. Mir ist eingefallen, daß Udo ja verheiratet ist. b. A: Was ist dabei herausgekommen? B: Eh/halt/eben schon (zu) oft erhobene Vorwürfe hat sie wiederholt, das war's dann auch. Probleme für die soweit gut bestätigte Hypothese, daß Modalpartikeln Negationspartikeln, Gradpartikeln und Adverbiale in ihren Skopus nehmen, stellen folgende Fälle dar:
17
Thumiair (1989, 74ff.) kommt zum folgenden Ergebnis: (a) In Ergänzungssätzen, die nicht von verba dicendi abhängen, können Modalpartikeln nicht auftreten. In Ergänzungssätzen, die von verba dicendi abhängen, können Modalpartikeln auftreten; hier dominiert die Funktion der Redewiedergabe über den syntaktischen Status des Nebensatzes. (b) Die Adverbialsätze verhalten sich unterschiedlich. Ausgeschlossen sind Modalpartikeln in Temporalsätzen, Lokalsätzen und sog. Proportionalsätzen (je-desto). Marginal sind sie in Konditionalsätzen und Instrumentalsätzen. Prinzipiell möglich sind sie in Vergleichssätzen, Kausalsätzen, Konzessivsätzen, Adversativsätzen, Konsekutivsätzen und Finalsätzen. (c) In restriktiven Relativsätzen können keine Modalpartikeln auftreten; Modalpartikeln sind nur in nichtrestriktiven Relativsätzen möglich, da diese eigenständige Propositionen darstellen. (d) Modalpartikeln können in weiterführenden Nebensätzen auftreten, da diese eine eigenständige illokutive Kraft aufweisen.Brandt (1990, 96ff.) kritisiert, daß Thurmair für (c) vs. (d) zwei verschiedene Erklärungen bemühe; Modalpartikeln könnten "in fast allen Typen von restriktiven Sätzen auftreten" (S. 96) und der Unterschied zwischen restriktiven vs. nicht-restriktiven Sätzen hinsichtlich der Modalpartikelselektion sei auf die argumentative Funktion der Modalpartikeln zurückzuführen.
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(38) a. b. c. c'. d.
Luise ist gestern ja alleine gekommen. Peter hat einige dieser Bücher ja schon als Kind gelesen. Er hat sichy'a doch sehr um sie bemüht, ?Er hat sich doch ja sehr um sie bemüht. Peter kommt vielleicht ja erst am MONTAG. (Bsp. von Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992) e. Fritz hat vielleicht DOCH zugesagt.
Die Akzeptabilität von (38a) wird von Jacobs auf den deiktischen, skopusneutralisierenden Charakter des Temoraladverbials zurückgeführt; indefinite Quantifizierer wie in (38b) können Modalpartikeln vorausgehen, wenn sie spezifisch sind; bei Modalpartikelkombinationen wie in (38c/c') entsteht das Problem, daß unklar ist, ob diese durch rein syntaktische Eigenschaften oder Skopusrestriktionen der Modalpartikeln determiniert sind.18 Die Beispiele unter (38d) und (38e) zeigen, daß als weiterer interferierender Faktor der Fokus hinzukommt; auf diese Fälle komme ich im nächsten Abschnitt zu sprechen. Es sollte nun klargeworden sein, daß der Begriff der 'Skopusposition' problematisch ist, wenn er dazu dient, eine syntaktische Normalposition zu legitimieren; Skopus über andere Elemente kann eine Modalpartikel auch dann haben, wenn sie nicht am Beginn des Mittelfelds steht (z.B. in Fritz hat gestern ja vermutlich Karin angerufen). Ich komme nun zum Punkt (b), Definitheitseffekte. Die Stellung der Modalpartikeln im Mittelfeld ist in der Arbeit von Diesing (1992) als Diagnoseinstrument für die S-StrukturPosition des Subjekts benutzt worden. Diesing (1992, 369) geht dabei von der folgenden Struktur aus:
(39)
/\ VP
/\
I
Spec V (Kinder) /\ PP V auf der Straße spielen
18
Für die logische Repräsentation sei die Abfolge aber unmaßgeblich, da JA(DOCH(ASSERT)) und DOCH(JA(ASSERT)> äquivalent seien. Wenn es also semantischen Skopus gebe, sei dieser idiosynkratischer Natur und nicht durch allgemeine logische Prinzipien ableitbar. (Die Überprüfung dieser Behauptung setzt natürlich eine Theorie über die Semantik der einzelnen Modalpartikeln voraus.)
78 Dabei geht es Diesing um den semantischen Kontrast von 'bare plurals' in der äußeren und inneren Subjekt-Position: (40) a. weil Kinder ja doch auf der Straße spielen (generische Lesart) b. weil ja doch Kinder auf der Straße spielen (existentielle Lesart) In der äußeren Subjektposition in (40a) sei nur die generische Lesart möglich, in der inneren Subjektposition in (40b) nur die existentielle.19 Diesing nimmt nun eine direkte Abbildung der S-Struktur auf die LF an, dergestalt daß das Material innerhalb der VP dem nuklearen Skopus im Sinne von Heim (1982) entspricht, und die innere Subjektposition einen existentiellen Abschluß der VP darstellt. Die Beschränkung der inneren Subjektposition auf die existentielle Lesart betrachtet sie als einen Beleg für diese Annahmen.20 Wie Lenerz (1993, 145) anmerkt, bleibt die syntaktische Analyse der beobachteten Lesartenasymmetrie stipulativ. Das Problem liegt darin, daß Diesing die Scramblingverhältnisse nicht mitkontrolliert. Sie sieht zwar deutlich, daß das äußere Subjekt aus der VP herausgescrambelt sein könnte, reklamiert jedoch Diagnoseschwierigkeiten und behauptet, daß zumindest in (40a) keine Zweifel an der Abbildung auf den 'restrictive clause' bestünde. Nimmt man jedoch ihre Annahme hinzu, daß Modalpartikeln selbst gescrambelt werden können, ist vollends unklar, inwiefern eine Struktur wie in (39) korrekt ist. Die Annahme, daß Modalpartikeln eine 'clausal boundary' im Sinne von Jackendoff (1972) darstellen, mag also richtig sein, müßte aber zunächst bewiesen werden, bevor man die Zuordnung von äußeren und inneren Subjekten zu LF-Verhältnissen vornehmen kann. Umgekehrt kann man aus solchen Verhältnissen nichts über die (Grund-) Position von Modalpartikeln schließen. Zu beachten ist auch der korrelierende Faktor der Fokussierung. Wenn man etwa annimmt, daß in (40a) das Subjekt über die Modalpartikeln gescrambelt wurde, erübrigt sich womöglich die Annahme einer speziellen äußeren Subjekt-Position. Vergleichen wir dazu die folgenden Sätze: (41) a. weil Kinderj ja doch t, auf der STRAsse spielen (generisch, maximal) b. weil KINDER, ja doch t, auf der Straße spielen (existentiell, minimal)
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20
Für die innere Subjektposition ist aber auch eine generische Interpretation möglich, wie Haider (1993, 178) betont; vgl. auch Diesing (1992, 370, Fn. 17). Der entscheidende Punkt ist also die Beschränkung auf die existentielle Interpretation bei der äußeren Subjektposition. Als ein weiteres Datum nennt Haider (1993, 178) die Beobachtung von Kratzer (1989), daß die Stellung von quantifizierten DPs relativ zu Modalpartikeln eine Disambiguierung von Skopusambiguitäten bei Modalverben erlaubt.
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c. weil ja doch Kinder auf der STRAsse spielen (generisch, maximal) d. weil ja doch KINder auf der Straße spielen (existentiell, minimal) Es scheint, daß sich die existentielle Lesart immer mit einem minimalen Fokus verbindet (vgl. (41b,d)), und zwar unabhängig von der Stellung des Subjekts, während die generische Lesart sich mit der Defokussierung des Subjekts (d.h. einem maximalen Fokus) verknüpft, d.h. wiederum unabhängig von der Subjekt-Position ist (vgl. (41a,c)). Es könnte daher sein, daß sich die Lesarten nicht aus Positionen, sondern aus der Fokussierung ergeben. Ich komme nun zum Punkt (c), also zur Ableitung der Grundposition der Modalpartikel aus Beobachtungen zum Scrambling, insbesondere dem Zusammenhang zwischen Fokus und Scrambling. Eine Standardannahme der Forschung ist, daß fokussierte Phrasen im Mittelfeld nicht umgestellt (gescrambelt) werden dürfen.21 Wenn fokussierte Phrasen gescrambelt werden, können sie nicht mehr projezierender Fokusexponent sein, sie können aber einen minimalen Fokus bilden. Nun ist in folgendem diagnostischen Kontext (42) A: Wanttj hat Peter einen Versuch gemacht? B: a. Peter hat doch [FiGESTERN] einen Versuch gemacht. b. #Peter hat [FjG ESTERN,] doch t! einen Versuch gemacht. das Temporaladverbial jeweils fokussiert, aber nur die Abfolge doch GESTERN in (42a) scheint akzeptabel zu sein; in diesem Fall wäre also gestern Fokusexponent. In (42b) könnte es sich allenfalls um einen minimalen Fokus handeln. Daraus kann man schließen, daß die Position nach dem finiten Verb die Normalposition der Modalpartikel ist. Ob gestern in (42a) tatsächlich der projizierende Fokusexponent ist, also auch wirklich einen weiten Fokus erlaubt, ist schlecht zu kontrollieren, weil Antworten auf entsprechende Kontrollfragen Fokussierung des internen Arguments oder Verbs verlangen22: (42') a. A: Was ist passiert? B: [FPeter hat doch gestern geHEIRATET] ... b. A: Was ist passiert? B: [FPeter hat doch gestern einen VERSUCH gemacht]. c. A: Was hat Peter gemacht? B: Peter hat doch [Fgestern einen VERSUCH] gemacht. Es scheint mir auch nicht ganz ausgeschlossen, (41b) als angemessene Antwort zu sehen, z.B. in (42"):
21 22
Vgl. Fanselow (1990), Geilftiß (1991), Lenerz (1977), Rosengren (1991), Stechow/Sternefeld (1988), Webelhuth (1990). Vgl. zum Status von Adverbialen in der Fokusprojektion Rosengren (1991, 184ff.).
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(42")
A: Wann hat Peter einen Versuch gemacht? B: Ahm - Peter hat GESTERN doch einen Versuch gemacht, nicht?
Es ist also unklar, ob gestern in (42b) notwendig minimaler Fokus ist. Das genannte Argument für die Normalposition der Modalpartikel geht auf Brandt/Reis/ Rosengren/Zimmermann (1992, 74f.) zurück, die die folgenden Beispiele anführen: (43) a. b. c. d. e.
Einmal hat PETER doch einen Versuch gemacht. Peter hat GESTERN doch seine Mutter besucht. Peter hat GESTERN ja alles eingereicht. Peter hat die ganze NACHT doch nicht geschlafen. Wer wird MORGEN wohl der Mutter helfen?
Diese seien "alle mehr oder weniger schlecht" bzw. "stark kontrastiv"; am besten sei (43e). Zu fragen ist hier generell, ob links von der Modalpartikel fokussiertes Material stehen darf. Ich denke, daß es Kontexte gibt, in denen die Beispiele (42b), (43a) und (43b) akzeptabel sind:23 (44) A: Peter hat niemals einen Versuch gemacht. B: (Wieso?) Peter hat GESTERN doch einen Versuch gemacht! (45) A: Niemals hat einer einen Versuch gemacht. B: (Wieso?) Einmal hat PETER doch einen Versuch gemacht! (46) A: Peter besucht seine Mutter überhaupt nicht mehr. B: (Wieso?) Peter hat GESTERN doch seine Mutter besucht! In all diesen Fällen ist der Fokus ein minimaler Kontrastfokus. In der Äußerung von B wird jeweils eine im Vorgängersatz behauptete (thematische) Alternative bestritten. (Dieser Effekt tritt auch ein, wenn (42A) eine deutliche rhetorische Markierung erhält, z.B. Wann hätte Peter jemals einen Versuch gemacht?; in diesem Kontext wirkt (42b) angemessen.) Entsprechend halten viele Informanten die folgende B-Äußerung - vgl. oben (42) - für weniger akzeptabel: (47) a. A: Warum haben Fritz und Frieda Zoff? B: Fritz hat Frieda das FUNKtelefon doch geklaut. b. Fritz hat Frieda das FUNKtelefon doch zurückgeben müssen, (und da ist er ausgerastet). In diesem Beispiel gehört auch das Verb zum Fokus. Die Akzeptabilität scheint jedoch größer zu werden, wenn rechts von der Modalpartikel mehr Material erscheint. Ein Vergleich der Fälle (44B)-(46B) mit den entsprechenden Reaktionen mit doch GESTERN ergibt,
23
Dieses Urteil wird von einigen Informanten nicht geteilt. Manche reagieren auf alle Beispiele mehr oder weniger ablehnend, manche halten sie durch die Bank für akzeptabel.
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daß letztere trotz gleichfalls kontrastiver Wirkung unmarkierter wirken. Während die klar kontrastiven Fälle kein Problem für das Argument darstellen, ist meines Erachtens nicht klar, daß diese Fälle immer und notwendig nur minimale Foki darstellen bzw. daß das Adverb in seiner Stellung nach der Modalpartikel tatsächlich projezierender Fokusexponent ist. Ein diesbezüglicher Unterschied zwischen MORGEN wohl und wohl MORGEN in (43e) ist auch schwer zu erkennen. Ich komme weiter unten bei der Frage, ob Modalpartikeln eine Grenze für die Fokusprojektion darstellen, noch einmal auf die diskutierten Fälle zurück. Haider (1993, 177) begründet seine Option für die Modalpartikelposition in (31) mit Beobachtungen an W-Indefmita. Diese können nicht gescrambelt werden. Während definite Nominalausdrücke im Mittelfeld sowohl vor als auch nach Modalpartikeln auftreten können, vgl. (48) a. daß hier ja wohl der Meister die bessere Lösung nicht verworfen haben könnte b. daß hier der Meister ja wohl die bessere Lösung nicht verworfen haben könnte c. daß hier der Meister die bessere Lösung ja wohl nicht verworfen haben könnte beobachten wir im Fall der W-Indefinita anderes Verhalten: (49) a. daß hier ja wohl wer was nicht kapiert haben könnte b. ??daß hier wer ja wohl was nicht kapiert haben könnte c. ??daß hier wer was ja wohl nicht kapiert haben könnte Da die W-Indefinita als stellungsfest gelten, können sie nicht wie in (49b/c) geschrambelt werden. Dagegen müssen (48b/c) als Scramblingvarianten von (48a) betrachtet werden. Fazit: Es gibt einige Gründe, eine VP-adjazente Grundposition der Modalpartikel am Beginn des Mittelfeldes anzunehmen. Eine mögliche Alternativposition - Basisgeneration der Modalpartikeln in allen "adverbialen" Positionen, vgl. Abraham (1991a, 240f.) - ist unter anderem deshalb unattraktiv, weil bei ihnen das schiefe Bild entstehen würde, daß sich Modalpartikeln auf IP, VP und V1 genauso beziehen wie z.B. ein attributives Adjektiv auf sein Bezugsnomen. Für die Annahme einer Grundposition spricht auch, daß diskontinuierliches Auftreten von Modalpartikeln wie in (50) zu diversen Adjunktionspositionen nötigen würde, d.h. die Beziehung zwischen (50a) und (50b) wäre nicht ausdrückbar: (50) a. Wie haben die Leute das Klavier denn bloß getragen? b. Wie haben denn die Leute das Klavier bloß getragen? Ich komme nun zu der Frage, was Modalpartikeln mit der Fokus-Hintergrund-Struktur zu tun haben. Seit Krivonosov (1965) ist immer wieder diskutiert worden, daß Modalpartikeln eng mit der Thema-Rhema-Struktur eines Satzes verknüpft sind. Thurmair (1989, 35) kommt zu dem Ergebnis, daß Modalpartikeln zwar auf die Thema-Rhema-Struktur eines Satzes "rea-
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gieren", der Zusammenhang zwischen der Stellung der Modalpartikeln und der ThemaRhema-Gliederung aber letztlich "nicht eindeutig" zu formulieren sei.24 Ich möchte im folgenden auf die (u.a. von Krivonosov 1965 u.ö.) vertretene Hypothese eingehen, daß Modalpartikeln immer vor dem Rhema (verstanden im Sinne von neuer Information, identifiziert mit dem Fokus) stehen. Thurmair (1989) diskutiert drei für diese These kritische Fälle, nämlich (i) (ii) (iii)
rhematische Elemente im Vorfeld eines V2-Satzes, das finite Verb im V2-Satz ist Rhema, akzentuierte Pronomina stehen vor der Modalpartikel.
Aber diese Fälle müssen nicht unbedingt im Widerspruch zur genannten Hypothese stehen. Nimmt man (a) eine Grundposition für Modalpartikeln an, und betrachtet (b) nicht nur die reinen Abfolgeverhältnisse auf der S-Struktur, sondern Informationen über vorangegangene Bewegungen, läßt sich die These (wenn auch nicht unbedingt in dieser Formulierung) aufrechterhalten.25 Dies setzt allerdings Klarheit darüber voraus, auf welcher Ebene das Fokusmerkmal zugewiesen wird. Sehen wir uns dazu noch einmal den Ansatz von Rosengren (1991) an. Dort heißt es explizit (in R l, S. 177), daß das Fokusmerkmal +F v o r Scrambling, Topikalisierung und Bewegung des Verbs nach C° zugewiesen werde, und zwar X°-Elementen bzw. Spuren. Rosengren unterscheidet im wesentlichen zwischen maximalem (weitem) und minimalem (engem) grammatischem Fokus; mittleren Fokus gibt es nur bei Scrambling und Topikalisierung. Maximale Projektion findet statt, wenn (primäre oder sekundäre) Grundabfolge der Konstituenten gegeben ist, und wenn "das dem Verb innerhalb der VP am nächsten stehende (meist verbadjazente) interne Argument [...] bzw. seine Spur" (S. 177, R2) +F aufweist. Gibt es kein internes Argument (IA) und keine Spur, bekommt das Verb das +F-Merkmal. Neben dem +F-Merkmal wird noch das Merkmal +P (für 'Prominenz') vergeben, das auf der Ebene der Phonetischen Form den Akzent auslöst. Alle +F-Konstituenten erhalten auch +P. Mit +F ausgezeichnete Konstituenten können bei maximaler Projektion nun +P entweder behalten oder verlieren. Behalten können sie +P nur, wenn +F auf das IA oder das Verb fällt, die lexikalisch und nicht-pronominal sein müssen. Verlust des +P-Merkmals tritt dann ein, wenn +F auf eine Spur fällt. Dann 'verlagert' sich -l-P nach bestimmten Regeln (vgl. Figur l, S. 178) auf ein nicht-pronominales und verbadjazentes IA oder auf das Verb. Wichtig ist die Annahme, daß auch Spuren +F erhalten können. Bestimmte Bewegungen können nämlich v o r Zuweisung von +F stattfinden. Die +F-Zuweisung operiert dann auf
24 25
Zu beachten ist dabei, daß Thurmair (1989, 29, Fn. 35) "Thema" mit "Fokusexponent" identifiziert, so daß weite Foki nicht erfaßt werden. Vgl. auch die Diskussion in Abraham (1991c).
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der sekundären Grundabfolge. Bewegungen, die vor +F-Zuweisung stattfinden, sind die +w-Bewegung und die Bewegung des Subjekts aus der SpecV-Position.26 Nach +F-Zuweisung finden Scrambling und Topikalisierung statt. Gescrambelte oder topikalisierte Konstituenten nehmen ihr +F/+P-Merkmal also mit in die neue Position: Ihre Spur kann nicht +P erhalten, weil dieses Merkmal ja schon vergeben ist. Dem Fall (i) - rhematische Elemente befinden sich im Vorfeld eines V2-Satzes - entspricht das folgende Beispiel bei Thurmair (1989, 31, Bsp. (42)): (51) A: Wer hat sich ein Fahrrad gekauft? B: PETER hat sich doch ein Fahrrad gekauft. Dem Fall (ii) - das finite Verb im V2-Satz ist Rhema - entsprechen Beispiele mit Betonung des finiten Verbs (ebd., Bsp. (44)): (52) A: Da gibts doch jetzt diese BMX-Räder. Und Ruth möchte unbedingt so eins haben. Jetzt hat sie ein gebrauchtes an der Hand, das allerdings immer noch ziemlich teuer ist. B: Und was macht ihre Mutter? A: Naja, du kennst sie doch. Sie KAUFT dieses Fahrrad . Bei (51) und (52) handelt es sich in jedem Fall um einen minimalen Fokus.Bei normaler Fokusprojektion mit maximalem Fokus müßte in (51B), d.h. einem V2-Deklarativsatz, +F/ + P auf Fahrrad liegen, was hier nicht der Fall ist. Es muß also eine Verlagerung des Fokusmerkmals auf das Subjekt stattgefunden haben. Dieses steht aber in der D-Struktur rechts von der Modalpartikel und wird von dort aus in die Vorfeld-Position bewegt. Bei der zweiten Äußerung von A in (52) ergibt sich, daß das fokussierte Verb durch Finitum-Voranstellung an die C°-Position gebracht wird. Sämtliche Modalpartikel-Positionen liegen in der D-Struktur links von der Verbposition, so daß (52) kein besonderes Problem darzustellen scheint. Das Phänomen der Betonung eines finiten Verbs bzw. Komplementierers in der C°Position hat Höhle (1988), (1992) als Verum-Fokus bezeichnet. Dieser kommt nach Höhle (1988, 4) nur in F-Sätzen (d.h. VI- oder V2-Sätzen) - gleich ob uneingebettet oder eingebettet - vor, wobei "durch die Betonung des finiten Verbs offenbar das (behauptete oder erfragte) Wahrsein eines aus dem Kontext bekannten Gedankens hervorgehoben" wird. Vgl. die folgenden Beispiele für uneingebettete Deklarativ-, E- und W-Interrogativsätze (53)-(55), sowie für eingebettete Sätze (56):
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Subjekte können nach Rosengren (1991) - einem Vorschlag von Diesing (1988) und Kratzer (1988) folgend sowohl in SpecV als auch in Specl basisgeneriert werden. Wird das Subjekt in SpecV basisgeneriert, ist es ein internes Argument eines Phasenprädikats (z.B. streiken); wird es in Specl basisgeneriert, ist es externes Argument eines Eigenschaftsprädikats.
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(53) a. A: Ist Karl krank? b. B: Karl IST krank. c. 'Es ist wahr, daß Karl krank ist.' (54) a. A: Es heißt, daß Karl den Hund getreten hat. b. B: HAT Karl denn den Hund getreten? c. 'Ist es denn wahr, daß Karl den Hund getreten hat?' (55) a. A: Ich habe den Hund nicht getreten und Karl hat es auch nicht getan. b. B: Wer HAT den Hund denn getreten? c. 'Hinsichtlich welcher Person ist es denn wahr, daß den Hund getreten hat?' (56) a. b.
Jemand, der meint, sie IST nicht in Rom gewesen, ist nicht bei Trost, IST sie nicht in Rom gewesen, (so) sieht alles anders aus.
Ist dagegen das finite Verb in -Sätzen (d.h. VL-Sätzen) fokussiert, tritt dagegen nicht der Verum-Effekt auf (sondern ein anderer, von Höhle nicht spezifizierter): (57) a. Jemand, der meint, daß sie nicht in Rom gewesen IST, ist nicht bei Trost, b. Wenn sie nicht in Rom gewesen IST, (so) sieht alles anders aus. Genauso hat (58a) einen VERUM-Effekt, aber nicht der uneingebettete
-Satz (58b):
(58) a. NÄHME doch jemand an der Versammlung teil! b. Wenn doch jemand an der Versammlung teilNÄHME! Damit bestätigt sich nach Höhle (1988, 5), daß es die C°-Position (bei ihm: FINIT-Position) ist, mit der "ein Inhaltselement VERUM assoziiert" ist. Modalpartikeln sind, wie auch Negationselemente und Satzadverbien, einerseits Teil des Fokus, anderseits liegt VERUM in ihrem semantischen Bereich (Skopus). Das Verb in der FINIT-Position verhält sich also skopusmäßig so, als würde es in der VL-Position stehen. Dieser Umstand spricht nach Höhle (1988, 7) für die These, daß "gewisse semantisch relevante Eigenschaften des Satzes (bes. VERUM-Fokus) [...] erst durch die Einsetzung des finiten Verbs in die Position FINIT determiniert" sind. Ich komme nun zu dem Fall (iii), wo akzentuierte Pronomina vor der Modalpartikel stehen. Generell können akzentuierte Pronomina vor oder nach der Modalpartikel stehen. Wenn sie aber vor der Modalpartikel stehen und rhematisch sind, widerspricht das der These, daß Thematisches Material immer hinter der Modalpartikel steht: (59) a. A: Du brauchst nicht abzuspülen. b. B: Das kann ja ICH machen. c. Das kann ICH ja machen. Thurmair (1989, 33) vertritt nun die These, daß sich das unterschiedliche Stellungsverhalten von akzentuierten rhematischen Personalpronomina und Nominalphrasen nur erfassen ließe,
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wenn man neben der Unterscheidung (+/-bekannt) noch die zwischen (+/-auffällig) einführte. Akzentuierte Pronomina der l./2.Ps. seien einerseits bekannt, anderseits auffällig: (60) Pers.Pr. l./2.Ps.
Stellung
+bekannt, -auffällig vor der MP +bekannt, +auftallig vor und nach der MP -bekannt, 4-auf fäll ig nach der M P Thurmair bringt dies in Zusammenhang mit den Personalpronomina derldieldas, die auch in unbetonter Verwendung als auffällig gelten sollen. Für die 3. PS. schlägt Thurmair folgendes Schema vor: (61)
3.PS. er/sie/es der/die/das
Stellung -(-bekannt, -auffällig +bekannt, +auffäll ig
vor der MP vor und nach der MP
Damit soll dem Faktum Rechnung getragen werden, daß nur die Gruppe der/die/das im Mittelfeld vor und nach der Modalpartikel auftritt: (62) a. Wo geht sie denn hin? b. *Wo geht denn sie hin? (63) a. Wo geht denn die hin? b. Wo geht die denn hin? Thurmair verzichtet aber auf eine Präzisierung des Begriffs 'auffällig'. Tatsächlich wird dieser Begriff einmal im Sinne von "akzentuiert" verwendet, nämlich wenn akzentuierte Pronomina der l./2.Ps. sowohl als (^bekannt) als auch als (+auffällig) gelten, vgl. (60); andererseits ist damit aber auch "stilistisch auffällig" gemeint, nämlich wenn der/die/das auch in unbetonter Verwendung als auffällig gelten sollen. Ferner scheint sich die Akzeptabilität von (62b) bei Akzentuierung des Personalpronomens zu erhöhen. Vgl. auch die entsprechenden Pluralformen: (64) a. Wo gehen denn WIR hin? b. Wo geht denn IHR hin? c. Wo gehen denn SIE hin? Thurmair kommt diesem Argument aber insofern zuvor, als sie explizit festlegt, daß die Auffälligkeit von derldieldas nicht akzentgebunden ist. Somit erweist sich aber (60) als ad hoc.
Kommen wir zu dem Beispiel (59c), Das kann ICH ja machen, zurück. Wenn man im VL-Satz von Stellungsverhältnissen wie in Weil ja ich das machen kann ausgeht, kann man
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annehmen, daß ich eine Bewegung aus der SpecV-Position in die Position rechts vom Finitum mitmacht, so daß sich (59c) ergäbe. Man erhält wiederum einen minimalen Fokus.27 Wenn der skizzierte Analyseansatz für die problematischen Fälle (i) - (iii) zutrifft, bietet sich folgende Generalisierung an: (65) In der D-Struktur stehen Fokusexponenten immer rechts von Modalpartikeln. Damit erfahrt auch die These, daß das Rhema immer hinter den Modalpartikeln steht (obgleich hier traditionell S-Strukturen gemeint sind), eine gewisse Rechtfertigung. Die Generalisierung (65) trägt den oben diskutierten Fällen Rechnung, wo links von der Modalpartikel ein fokussiertes Element auftritt; dieses schien immer ein minimaler Fokus, also kein Fokusexponent zu sein. Die Generalisierung (65) stimmt auch mit der Generalisierung überein, daß eine gescrambelte Phrase nicht der Fokusexponent einer Fokusprojektion sein darf (vgl. Geilfuß 1991, 23 und Rosengren 1991, 190). Diese Generalisierung läßt aber durchaus zu, daß eine gescrambelte Phrase ein minimaler Fokus ist, vgl. das Beispiel von Geilfuß (1991, 24): (66) A: Was liest Fritz einem Kind vor? B: Fritz liest [F das MÄRchen] einem Kind t, vor. Zu dieser Hypothese würde es auch passen, daß ein Temporaladverbial über eine in ihrer Normalposition stellungsfeste Modalpartikel gescrambelt werden kann, vgl. oben (42), (42"), (43).28 Nur dann, wenn man die oben diskutierten Fälle (44)-(47) nicht akzeptiert29, gilt die Feststellung von Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 75), daß die Modalpartikel "Grenze für die Fokusprojektion im Mittelfeld" ist (verstanden in dem Sinne, daß links von der Modalpartikel kein minimaler Fokus oder Teil einer Fokusprojektion stehen darf). Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) beziehen sich zustimmend auf die Untersuchung von Lerner (1987, 223), bei dem es bezüglich der Modalpartikel doch heißt: "Tritt doch an anderer Stelle als der normalen auf, so kann keine Fokuserweiterung stattfinden, die über die Modalpartikel hinaus nach links gehen würde. Doch wirkt an diesen Stellen als Barriere für die Fokuserweiterung, die im selben Satz ohne doch möglich wären [sie!]."
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Dies ist in Übereinstimmung mit der Regel R3b bei Rosengren (1991, 177), derzufolge ein projizierender Fokusexponent bei maximaler Projektion +P nur dann behalten kann, wenn es sich n i c h t um ein Pronomen handelt. Stechow/Sternefeld (1988, 466) argumentieren mit dem Beispiel (i) (i) weil freiwillig das niemand tun würde gegen die Auffassung von Webelhuth, daß Adverbialphrasen nicht gescrambelt werden können. Vgl. das Resümee in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 75): "Es ist nicht oder nur unter ganz bestimmten kontextuellen Bedingungen möglich, eine Konstituente vor der Modalpartikel (minimal) zu fokussieren."
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Als Satzadverb habe doch als normale Position diejenige unmittelbar vor der VP. Wenn doch dort steht, wie in (67a), übe es keinen Einfluß auf die Möglichkeiten der Fokusprojektion aus. (67) a. Ich habe doch gestern GRENOUILLE gesehen. b. Ich habe gestern doch GRENOUILLE gesehen. c. Ich habe gestern GRENOUILLE doch gesehen. (67a) hat das größte Fokuspotential: Grenouille, Grenouille gesehen, gestern Grenouille gesehen und den ganzen Satz; (67b) hat nur Grenouille und Grenouille gesehen als mögliche Foki und (68c) nur Grenouille. Hier ist aber zunächst zu beachten, daß unklar ist, inwiefern doch in (67c) - falls man das Beispiel überhaupt akzeptiert - als "Barriere" wirken kann, wo es doch nach dem Fokusexponenten steht. Da diese Modalpartikel-Position nur bei Kontrastakzent oder bei Fokus auf dem infiniten Verb akzeptabel ist, will ich sie bei dem folgenden Versuch, den Fokus zu kontrollieren, außer Acht lassen. Ich bediene mich dabei der bekannten Frage-AntwortSequenzen von Höhle (1982); spitze Klammern denotieren mögliche Modalpartikel-Positionen, runde Klammern den Fokusbereich: (68) A: Was hat Karl denn dem Kind geschenkt? B: Karl hat dem Kind (pdas BUCH) geschenkt. (69) A: Was hat Karl denn hinsichtlich des Kindes getan? B: Karl hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). (70) A: Was hat Karl denn getan? B: Karl hat (pdem Kind das BUCH geschenkt). (71) A: Was hat das Kind denn erlebt? B: (pKarl) hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). (72) A: Was ist denn geschehen? B: (FKarl hat dem Kind das BUCH geschenkt). Es ist nun nicht der Fall, daß in (68) - (72) die zulässigen Modalpartikel-Positionen je nach Fokus variieren. Insofern sind die Erläuterungen zu (67) nicht überzeugend, und (65) scheint die angemessene Generalisierung zu sein.
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3.4
Kontrastierte Modalpartikeln
3.4.1 Kontrastakzent oder emphatischer Akzent? Der Fall eigentlich Die folgenden Paare zeigen jeweils im a.-Satz eine unbetonte Modalpartikel, im b.-Satz ihre betonte Variante: (73) a. Wo ist bloß/nur der AUTOschlüssel? b. Komm BLOSS/NUR rechtzeitig nach Hause! (74) a. Fritz hat ja Nastassja geheiratet, b. Komm JA rechtzeitig nach Hause! (75) a. Wie HEISST du denn/eigentlich? b. Wie heißt du DENN/EIGENTLICH? (76) a. Das hat er doch geSAGT. b. Das hat er DOCH gesagt. (77) a. Das wird schon klappen. b. [A: Das hat er nicht gesagt. B:] Das hat er SCHON gesagt. Will man den Zusammenhang zwischen den beiden Erscheinungsformen der jeweiligen Partikel klären, stellen sich - wie in Abschnitt l .4 bereits erläutert - folgende Fragen: Erstens, um was für eine Art von Akzent handelt es sich? Während die Angaben bei Heibig (1988) den Eindruck erwecken, als sei die Betonung oder Nichtbetonung bestimmter Modalpartikeln (in bestimmten Satztypen) ins Belieben der Sprecher gestellt und habe keine systematische Basis, gibt es doch eine Reihe von Forschern, die den fraglichen Akzent als Kontrastakzent analysieren (so Weydt 1986 bezüglich denn, doch, wohl und eigentlich, Lerner 1987 bei doch und Doherty 1987 beiy'a, denn, doch und wohl). Thurmair (1989) hält den Akzent bei den sog. Affirmationsadverbien doch, schon, wohl (und eventuell denn) für einen Kontrastakzent; bei ja, nur, bloß handelt es sich jedoch nach ihrer Auffassung um einen emphatischen Akzent. Zweitens, hat der Akzent einen Einfluß auf die Wortartzugehörigkeit bzw. auf die Identität der Modalpartikel? So wird das doch in (76b) oft für ein Adverb gehalten, ebenso wie betontes eigentlich (vgl. (75b)) und wohl.30 Wie schon gesagt, etabliert Thurmair (1989) eine eigene Funktionsklasse Affirmationsadverb unter anderem deshalb, weil ihrer Auffassung nach Modalpartikeln nicht betonbar sind. Im folgenden will ich diesen beiden Fragen anhand der Partikel eigentlich nachgehen, die Gegenstand einer Kontroverse zwischen Kohrt (1988) und Oppenrieder/Thurmair (1989) ist.
30
Auf doch gehe ich ausführlich in Kap. 4, auf wohl knapp in Abschnitt 7.2 ein. Vgl. zu wohl Brauße (1992) und Meibauer (i.V.).
89
Heibig (1988, 128f.) unterscheidet folgende Varianten der Modalpartikel eigentlich: (78) a. EIGENTLICH ist das MEIN Buch, (aber das macht nichts), b. Das ist EIGENTLICH MEIN Buch, (aber das macht nichts). (79) a. Eigentlich ist er ein netter Kerl, b. Er ist eigentlich ein netter Kerl. (80)
Hast du eigentlich den Herd ausgemacht?
(81) a. Wie heißt du eigentlich? b. Wie heißt du EIGENTLICH? In Deklarativsätzen kann eigentlich betont oder unbetont vorkommen, und zwar im Vorfeld oder im Mittelfeld. Die Vorfeldfähigkeit weckt aber Zweifel am Status als Modalpartikel, und gibt der Vermutung Auftrieb, es handele sich um ein Satzadverb. Heibig (1988, 129) gibt hier einem semantischen vor dem syntaktischen Kriterium den Vorzug: "Durch die Erststellenfähigkeit" ergebe sich "kein Bedeutungsunterschied, so daß es zweckmäßig ist, von einer 'Partikel' zu sprechen." Begründung: "Sonst müßte man das Paradoxon akzeptieren, daß allein die Stellung (die Vorfeldfähigkeit) zur Annahme einer anderen (gesonderten) Wortklasse fuhren würde, daß sich nur durch Veränderung der Wortstellung (bei gleichbleibender Bedeutung des Satzes und seiner Lexeme) die Wortklassen verändern."
Kann man wirklich von einem "Paradoxon" sprechen? Bei der Klassifizierung von Wortarten sollte man in der Verwendung der Klassifikationskriterien konsequent sein. Wenn man überhaupt Stellungsrestriktionen als relevantes Kriterium betrachtet, dann muß es auch gleichermaßen auf alle Fälle angewendet werden und darf nicht vorübergehend - aus semantischen Gründen - suspendiert werden. Was aber die "semantische Einheitlichkeit" angeht, so gibt es nur zwei Wege: (a) Entweder sie ist berechtigt, dann haben wir den Fall der Heterosemie, dem man durch die in Kap. l beschriebenen Verfahren zu Leibe rücken muß, oder (b) sie entpuppt sich wenigstens in einem Punkt als Schimäre, ganz einfach weil eine andere Wortart qua Wortart eine andere semantische Charakterisierung verlangt. Selbstverständlich setzt dies eine genauere Kenntnis über generelle Aspekte der Semantik von Satzadverbien und Modalpartikeln voraus, als wir sie zur Zeit haben.
Für den durchgängigen Status als Satzadverb hat insbesondere Kohrt (1988) plädiert.31
3l
Die Terminologie von Kohrt (1988) ist nicht ganz einheitlich; Ausdrücke wie vermutlich, leider, tatsächlich etc. werden einmal als Satzadverbien, einmal als Modaladverbien bezeichnet (vgl. S. 107, 127 und Oppenrieder/Thurmair (1989, 27)). Kohrt (1988, 113ff., 118ff.) versucht einen ausführlichen Nachweis des Bedeutungsunterschieds zwischen dem attributiven Adjektiv eigentlich wie in das eigentliche Problem und dem Satzadverb/Modaladverb wie in Er ist eigentlich ein netter Kerl, der letztlich zeigen soll, daß "modales" eigentlich nicht bloß ein Adverb zum Adjektiv ist; der schwache Punkt scheint mir darin zu bestehen, daß die Bedeutung des Satzadverbs eher in bestimmten pragmatischen Funktionen gesehen wird.- Auf die Bedeutungsdifferenzen und -gemeinsamkeiten zwischen dem Adjektiv, dem Satzadverb und der Modalpartikel will ich im folgenden nicht ausfuhrlich eingehen, weil es mir hier vor allem auf den Nachweis ankommt, daß die von
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Oppenrieder/Thurmair (1989) haben dazu kritisch Stellung genommen. Für sie ergibt sich die folgende Klassifikation: (82) Deklarativsatz E-/W-Interrogativsatz
bet (78a,b) (81b)
SAdv unbet (79a,b) -
bet
MP unbet
-
(80,8 la)
Die Vorfeldfähigkeit von eigentlich, sei es betont oder unbetont, ist ein guter Grund, von einem Status als Satzadverb auszugehen; dies ist auch in Übereinstimmung mit Kohrt (1988) und Oppenrieder/Thurmair (1989).32 Bei E- und W-Interrogativsätzen sieht die Lage anders aus: Erstere haben kein Vorfeld, bei letzteren ist es typischerweise mit einem w-Ausdruck besetzt. Oppenrieder/Thurmair entscheiden sich so, das betonte eigentlich den Satzadverbien zuzuschlagen, das unbetonte dagegen den Modalpartikeln.33 Ich gehe dagegen im folgenden (mit Weydt 1986) davon aus, daß es sich bei betontem und unbetontem eigentlich in W-Interrogativsätzen (bzw. -Interrogativsätzen, auf die ich nicht weiter eingehe) um Modalpartikeln handelt: Der Knackpunkt ist hier die Frage, welchen Status der Akzent hat. Schwierigkeiten für beide Ansätze bereiten W-Interrogativsätze mit w-Ausdruck plus Partikel im Vorfeld. Oppenrieder/Thurmair (1989, 37) werten diese Möglichkeit als Argument für den Modalpartikel-Status von unbetontem eigentlich, da sich eigentlich hier wie eine ins Vorfeld verschobene Modalpartikel verhalte; Satzadverbien dürfen nicht im Gefolge eines w-Ausdrucks im Vorfeld stehen (egal ob betont oder unbetont): (83) a. Was eigentlich hatte sie mit ihm zu schaffen? b. *Was EIGENTLICH hatte sie mit ihm zu schaffen? Nun ist aber einerseits zu beobachten, daß es unbetonte Satzadverbien nach einem WAusdruck im Vorfeld gibt; anderseits kann zumindest die Modalpartikel denn in dieser Position betont werden, so daß Unbetonbarkeit in dieser Position nicht per se für den Modalpartikel-Status spricht.
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33
Oppenrieder/Thurmair (1989) vorgenommene Kategorisierung wesentlich vom Betonbarkeitskriterium abhängt, und daß sich bei anderer Bewertung dieses Kriteriums andere Kategorisierungsoptionen ergeben. Schwer zu entscheiden ist die Frage, ob unbetontes eigentlich im Mittelfeld von Deklarativsätzen Satzadverb oder Modalpartikel ist. Die etwa bei Oppenrieder/Thurmair (1989) gegebenen Paraphrasen 'in Wirklichkeit' für das Satzadverb vs. 'im Grunde' für die Modalpartikel fuhren hier nicht weiter.- Da sich auch die Kritik von Oppenrieder/Thurmair (1989) an Kohrt (1988) wesentlich auf die Interrogativsätze bezieht, lasse ich diese Frage hier offen. Betontes und unbetontes eigentlich (SAdv) in -Interrogativsätzen sind marginal und können daher vernachlässigt werden, vgl. die folgenden Beispiele von Oppenrieder/Thurmair (1989, 35)(ihre Bsp. (36) und (39)): (i) Hat sie EIGENTLICH für die VORARLBERGER spioniert? (ü) A: War sie TATSÄCHLICH eigentlich Linguistin? B: Ja, stell dir vor! EIGENTLICH WAR sie das.
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(84) a. Was vermutlich wollte sie von ihm erfahren? b. Was DENN wollte sie von ihm erfahren? Daher kann man im Prinzip annehmen, daß eigentlich im Fall (83a) ein (unbetonbares) Satzadverb oder eine Modalpartikel ist (mit den in Abschnitt 2.3.3 diskutierten Vorbehalten). Generell, d.h. auch bei Satzadverbien, argumentieren Oppenrieder/Thurmair (1989) gegen den Status des möglichen Akzents als Kontrastakzent. Erstens folge dem Akzent auf eigentlich in Deklarativsätzen immer noch ein weiterer Akzent, und zweitens sei kein kontrastiertes Element ( in (86A)) auszumachen: (85) A: Wie heißt du EIGENTLICH? B: EIGENTLICH heiße ich RUMPELSTILZCHEN. (86) A: Mata Hari war ^_ Spionin. B: *(Nein.) Sie war EIGENTLICH Spionin. Wie ich noch zeigen werde, spricht nichts dagegen, neben dem Fokusakzent noch einen Kontrastakzent anzunehmen.34 In bezug auf (86) machen Oppenrieder und Thurmair einfach den Fehler, nach einem kontrastierten L e x e m (z.B. uneigentlich) zu suchen. Was jedoch kontrastiert wird, ist die ganze Vorgängerproposition, z.B. p = 'daß Mata Hari Spionin war' in dem folgenden Dialog: (87) A: Mata Hari war Spionin. B: (Nein.) Sie war EIGENTLICH TÄNZERIN. Sehen wir uns nun die Argumente in bezug auf das betonte eigentlich in W-Interrogativsätzen an. Wir gehen von folgendem Paar (vgl. (75), (81)) und der Klassifikation bei Oppenrieder/Thurmair (1989) aus: (88) a. Wie HEISST du eigentlich? b. Wie heißt du EIGENTLICH?
MP SAdv
Zunächst sei (88a) mit 'in Wirklichkeit/im Grunde' paraphrasierbar, (88b) dagegen nur mit 'in Wirklichkeit'. (Die Möglichkeit 'im Grunde' wird mit einem Fragezeichen bewertet.) Auf (88b) könne man ferner auch mit EIGENTLICH antworten, ohne daß dies überinformativ wirke. Fazit: "Der Bedeutungsunterschied ist erklärt, wenn man das unbetonte eigentlich als (nicht kontrastierbare) MP beschreibt, das betonte dagegen als kontrastiertes Satzadverb." (S. 33) Dies ist insofern kaum plausibel, als der Akzent in (88b) ja auch von Oppenrieder/ Thurmair als Kontrastakzent eingestuft wird, so daß eine Ableitung der EIGENTLICH-Bcdeutung aus der Bedeutung der Modalpartikel plus der Interpretation des Kontrastakzents
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Oppenrieder/Thurmair (1988,28, Fn. 5) sprechen von einem "thematischen Akzent', ohne diesen Begriff zu explizieren.
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naheliegen würde. Grund für die Klassifikation von EIGENTLICH scheint also nur die Annahme, daß Modalpartikeln nicht betont sein dürfen. Diese Annahme bildet denn auch das zweite Argument, das an den (unbetonbaren!) Modalpartikeln halt und etwa belegt wird. Wir haben aber Grund zu der Auffassung, d a ß es betonte Modalpartikeln gibt. Gegen den Kontrastakzent bei eigentlich in Deklarativsätzen sprach ja, daß hier noch ein anderer Fokusakzent vorkomme. Dieser läßt sich nun bei W-Interrogativsätzen nicht nachweisen. Dies hänge aber mit dem "konstruktionellen Fokus" des w-Ausdrucks zusammen. Weitere Argumente betreffen Modalpartikel-Kombinationen (eigentlich bloß), die Kombinierbarkeit mit übrigens, sowie die Kombination von unbetontem und betontem eigentlich wie in (89B): (89) A: Ich arbeite jetzt an meinem neuen Programm 'Mata Hari B: Wie heißt du eigentlich EIGENTLICH?
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Vergleichbare Fälle gibt es jedoch auch im Bereich der Modalpartikeln, ohne daß man hier von Satzadverbien sprechen würde: (90) A: Ich heiße nicht Fridolin. B: Wie heißt du denn DENN? (91) Ich muß ja meine Hausaufgaben JA machen! Alles in allem gibt es gute Gründe für die Annahme, daß die entsprechenden Restriktionen ebenso gut aus den Besonderheiten des Kontrastakzents abgeleitet werden können. Für Kohrt (1988) sind betontes und unbetontes eigentlich in W-Interrogativsätzen Satzadverbien, für Oppenrieder und Thurmair ist in diesem Fall nur das betonte (=kontrastakzentuierte) eigentlich Satzadverb, das unbetonte dagegen Modalpartikel. Da nach Kohrt (1988, 122) unbetontes eigentlich "'einen Schnitt' im thematischen Konnex" darstellt, muß nach Oppenrieder/Thurmair (1989, 34) die Möglichkeit der Fokussierung "mysteriös" bleiben, denn Kontrastierung setzt ja den Bezug auf einen konversationell gegebenen Hintergrund. Unter der Annahme, daß es sich einmal um die Modalpartikel, das andere Mal um ein Satzadverb handelt, sei dies problemlos. Kohrt kann aber geholfen werden (jedenfalls wenn er die Charakterisierung als "'Schnitt' im thematischen Konnex" nicht mit der Bedeutung des Satzadverbs eigentlich verwechselt): Gerade der Kontrastakzent kann ja ein Mittel sein, die Suche nach dem relevanten Hintergrund einzuleiten. Dies gilt auch für die Hypothese, daß beide Vorkommen Modalpartikeln sind. Ich gehe von der Bedeutungscharakterisierung für attributives eigentlich bei Kohrt (1988, 117) aus, derzufolge der Sprecher durch die Verwendung von eigentlich zu verstehen gibt, "daß es jenseits des bereits Thematisierten oder zumindest leicht Erkennbaren in seinen Augen noch etwas anderes, damit in Verbindung stehendes, auf einer anderen Ebene aber zugleich Eigenständiges gibt, das eine gewisse Relevanz besitzt." Oppenrieder /Thurmair
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(1988, 33) bescheiden sich mit den Paraphrasen 'in Wirklichkeit' für die Bedeutung des Satzadverbs, 'im Grunde' für die Bedeutung der Modalpartikel. Obgleich es gerade bei eigentlich sehr schwer ist, einigermaßen aussagekräftige Paraphrasen zu geben, scheint mir doch, daß die Charakterisierung der Modalpartikelbedeutung deutlicher auf die Sprechereinstellung Bezug nehmen muß. Betrachten wir die beiden folgenden Dialoge: (92) A: Ich gehe bald aufs Gymnasium. B: Wie HEISST du eigentlich? (93) A: Die meisten Leute nennen mich Knörki. B: (Und) Wie heißt du EIGENTLICH? Die Bedeutung der Modalpartikel eigentlich sei: 'Sp glaubt, daß ?q für ihn zum Zeitpunkt t eine wichtigere Information ist als p.' In (92B) ist - bis auf du - der ganze Satz fokussiert und damit neue Information. Die Propositionen p und q brauchen nicht "in Verbindung zu stehen", möglich wäre auch die Frage, wie der FC St. Pauli gespielt hat, etc. Natürlich wird dann Desinteresse am in (92A) formulierten Thema deutlich, aber die Modalpartikel eigentlich dient gerade dazu, dieses Desinteresse zu legitimieren. In (93B) gilt die Bedeutungscharakterisierung für die Modalpartikel eigentlich ebenfalls. Hier ist aber nur eigentlich (Kontrast)-Fokus; p = hat den Namen Knörki', und daraus erschließbar: p'= hat noch einen anderen Namen' ist alte Information. Der Kontrastakzent stellt hier also gerade die Verbindung zu der alten Information her. Diese Diskussion hat klargemacht, daß die ganze Argumentation von Oppenrieder und Thurmair an der Annahme hängt, daß Modalpartikeln nicht betonbar sind. Diese Annahme liegt auch der Untersuchung von Thurmair (1989) zugrunde, die zwei Gruppen von betonten Partikeln unterscheidet: Erstens sind zu nennen die 'Affirmationsadverbien' doch, schon und wohl, die (a) im Mittelfeld auftreten und (b) obligatorischen Kontrastakzent haben. Denn ist auch ein potentieller Kandidat, hat aber wegen seiner Gebundenheit an Interrogativsätze keinen "affirmativen" Charakter. Für den Status als Adverb spricht nach Thurmair (1989, 110, Fn. 29) vor allem, daß Kontrastakzente nur auf propositionale Bestandteile fallen können, während Modalpartikeln nicht-propositional sind (bzw. mit Weydt 1986, gegen den sich Thurmair wendet, "Metaurteile" sind). Dabei ist jedoch erstens zu bedenken, daß diese Ausdrücke nicht vorfeldfähig sind, was gegen adverbiellen Status spricht35, und zweitens, daß nichts a priori gegen die Kontra-
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Wohl scheint in komplexen Sätzen wie in (i)/(ii), deren zweites Konjunkt obligatorisch mit ober/allein eingeleitet ist, Konjunktionaladverb (mit einer adversativen/konzessiven Bedeutung) zu sein: (i) Wohl hat uns Egon geleimt, aber wir sind ihm nicht böse, (ii) Egon hat uns wohl geleimt, aber wir sind ihm nicht böse, (iii) *Wohl hat uns Egon geleimt. Als Konjunktionaladverb ist es jedoch nicht erwähnt bei Thim-Mabrey (1985); Helbig/Helbig (1990, 284) bezeichnen es in Sätzen wie (ii) als Partikel.- Vgl. zu wohl Abschnitt 7.2 und Meibauer (i.V.).
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stierung nicht-propositionaler Elemente spricht. So weist etwa Hetland (1992) auf die Kontrastbetonung von Satzadverbien hin, die gemeinhin ebenfalls als nicht-propositionale Elemente des Satzes gelten.36 Die zweite Gruppe bilden die Modalpartikeln ja, nur, bloß in Imperativsätzen. Diese haben nach Thurmair (1989, 22f.) keinen Kontrastakzent, sondern einen 'emphatischen Akzent', was man daran sehen könne, daß noch ein anderer Ausdruck im Satz fokussiert werde. Dieses Argument stützt sich jedoch auf die unbelegte Annahme, daß es in jedem Satz nur e i n e n Fokus/Kontrastakzent geben dürfe.37 Vorzuziehen ist jedoch eine Theorie, die den Akzent einheitlich erfaßt, und ohne eine adhoc-Einteilung in Affirmationsadverbien einerseits, betonte Modalpartikeln (als Ausnahmen zu dem ansonsten verteidigten Kriterium von der Unbetonbarkeit von Modalpartikeln) anderseits, auskommt. Solch eine Theorie muß nicht nur den bekannten Fällen betonbarer Modalpartikeln Rechung tragen, sondern auch erklären, warum nicht alle Modalpartikeln betonbar sind (vgl. dazu Abschnitt 7.3). Wir haben uns in diesem Abschnitt auf zwei der in Abschnitt 2.2.1 erläuterten Kriterien für Modalpartikel-Status, nämlich Nichtbetonbarkeit und Ausschluß vom Vorfeld, konzentriert. Anstatt für jede betonte Modalpartikel die ganze Kriterienliste durchzugehen, werde ich in den einzelnen Kapiteln zu den einzelnen Modalpartikeln jeweils nur die Besonderheiten im Verhältnis zu den unbetonten Gegenstücken notieren, wobei sich in einzelnen Punkten durchaus individuelles Verhalten zeigen kann. Sehen wir uns nun noch einmal die b.-Fälle in (73)-(77) an. Diese scheinen gemeinsam zu haben, daß ein lexikalisches Element mit einer modalen Bedeutung minimal fokussiert wird, so daß in der Diskurssituation ein (Kontrast-) Bezug zu einer anderen (alternativen) Proposition entsteht. Genau in diesem Sinne will ich den Begriff des modalen Kontrasts verstehen.
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Fokussierung eines nicht-propositionalen Elements scheint auch bei der von Reis (1991, 61 ff.) untersuchten Fokussierung des sog. Operatorteils (im Sinne der fragerelevanten Bedeutung, des Satzmodus) von wAusdrücken vorzuliegen, vgl. jeweils die (a)-Fälle: (i) a. WArum ist Uli vom Gerüst gesprungen? b. WaRUM ist Uli vom Gerüst gesprungen? (ii) a. WOmit hat er das bloß gemacht? b. WoMIT hat er das bloß gemacht? (iii) a. WOzu soll das gut sein? b. WoZU soll das gut sein? In den (b)-Fällen ist dagegen der sog. Nicht-Operator-Teil von w-Ausdrücken (im Sinne der spezifischen Bedeutung) fokussiert. Ob es sich jedoch bei der Fokussierung des Operatorteils um Kontrastbetonung handelt, ist unklar. Vgl. zu Fällen von Mehrfachfokussierung allgemein Uhmann (1991, 196f.) und die Diskussion in Abschnitt 5.7.
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3.4.2 Modalpartikel-Fokus vs. fokussierte Modalpartikel Wir müssen nun fragen, welcher Zusammenhang zwischen der Betonung von Modalpartikeln und der Fokus-Hintergrund-Gliederung besteht. Insbesondere geht es um die Fragen, ob (fokussierte) Modalpartikeln einen eigenen Fokus haben oder wenigstens fokussensitiv sind, und ob sie Fokusexponenten sein oder Ausgangspunkt eines nicht-minimalen Fokus sein können. Zunächst kann man mit Heiland (1992) und Rosengren (1991) davon ausgehen, daß das Fokusmerkmal frei zugewiesen wird. Dadurch ist auch der Fall abgedeckt, daß das Fokusmerkmal nicht an Elemente vergeben wird, die unter die gewöhnlichen Regeln der Fokusprojektion - wie etwa bei Uhmann (1991) oder Rosengren (1991) beschrieben - fallen, sondern auf beliebige andere Elemente und zu engem Fokus führen. So können z.B. Determinierer, Quantoren, Satzadverbien, Präpositionen, Konjunktionen und Personalpronomina fokussiert werden (vgl. Werth 1984, 13Iff.): (94) a. A: Hallo, ich bin Steffi Graf. B: Sind Sie DIE Steffi Graf? b. JEDER kann das! c. VERMUTLICH kommt sie. d. UNTER dem Tisch mußt du suchen. e. Fritz UND Nastassja rauchen. f. DU hältst jetzt die Klappe! Allerdings ist in diesen Fällen keine Fokusprojektion möglich (vgl. Hetland 1992, 219), d.h. die entsprechenden Elemente sind keine (projizierenden) Fokusexponenten. Oft verbindet sich mit dem entsprechenden minimalen Fokus eine Kontrastinterpretation, aber dies ist nicht notwendigerweise so. Betrachten wir nun die folgende Sequenz: (95) A: Nastassja hat das nicht gewollt. B: Nastassja hat das (FDOCH/SCHON/WOHL) gewollt. Hier ist alles in (95B) außer dem Fokus Hintergrund. Solche Fälle hat Weydt (1986, 401) wohl vor Augen, wenn er feststellt, daß gegenüber einem Satz mit unbetonter Modalpartikel in einem Satz mit betonter Modalpartikel "alle übrigen Elemente, auch die, die bisher rhematisch waren", thematisch werden. Wie man aber an den folgenden Beispielen sehen kann, ist Mehrfachfokussierung im Prinzip nicht ausgeschlossen:
(96) (Weißt du schon das Neueste?) Karl hat DOCH dem Kind damals das BUCH geklaut! (97) Klau JA dem Kind das BUCH!
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(98) A: Fritz hat niemals etwas geklaut. B: a. Er hat das BUCH damals SCHON geklaut. b. Das BUCH hat er damals SCHON geklaut.38 c. Das BUCH SCHON. In diesen Fällen ist jeweils ein minimaler Fokus auf der Modalpartikel kompatibel mit einem weiteren fokussierten Element. Dieser kann ein projizierender Fokusexponent sein (s.u.), aber es kann sich auch um einen weiteren Kontrastfokus handeln. Wie wir gesehen haben, ist aber auch im passenden Kontext nur der enge Fokus auf der Modalpartikel möglich.39 Jacobs (1988, 120f.) trifft zu Recht eine Unterscheidung zwischen den Eigenschaften 'unter Neutralakzentbedingungen nicht hervorhebbar' und 'nicht betonbar'. Die erstgenannte Eigenschaft gilt für Personal- und Reflexivpronomen, Proadverbien wie da, dann in nichtdemonstrativem Gebrauch, Indefinitpronomen wie jemand, niemand, definite und indefinite Determinierer (Ausnahme: Numeralia), koordinierende Konjunktionen, kasuswertige Adpositionen und Modalpartikeln (Ausnahme: direktives JA). Die zweitgenannte Eigenschaft trifft auf alle diese Elemente nicht zu, d.h. sie sind unter bestimmten Bedingungen betonbar. Nur expletives es ist weder hervorhebbar noch betonbar. Hier fragt sich, wie die Klassenbildung 'hervorhebbares direktives JA' vs. bloß 'betonbare Modalpartikeln' (zu ergänzen wäre: grundsätzliche unbetonbare Modalpartikeln wie z.B. hau) zu rechtfertigen ist. Zudem stellen Fälle wie (95B) ein Problem dar, denn hier liegt der einzig mögliche Fokus auf der Partikel; dies mag im Sinne von Jacobs eine 'normale' im Gegensatz zur 'neutralen' Akzentuierung sein, aber dies erklärt den Fall nicht. Jacobs (1991a) geht in seinen generellen Ausführungen wie auch in seiner Detailanalyse zu ja auf die Betonbarkeit nicht ein. Würde er die Existenz von betonten Modalpartikeln anerkennen, müßte seine Theorie in einigen Punkten revidiert werden. Zunächst stellt Jacobs (1991, 158f.) fest, daß Modalpartikeln, anders als Gradpartikeln, keinen eigenen Fokus haben, sondern neben anderen Elementen den Fokus des IT-Operators bestimmen.40 Die relationale Fokustheorie besagt nun, daß jedes fokussierte Element der Fokus eines anderen Elements sei. In Fällen, in denen kein offen fokussierendes Element vorliegt, müsse dies der IT-Operator sein. Wenn aber z.B. die Modalpartikel SCHON (und nur diese) fokussiert ist, kommt als Fokus induzierer nur der IT-Operator in Frage. Damit entsteht aber der Widerspruch, daß Modalpartikeln einerseits den IT-Operator determinieren, anderseits der Fokus der IT-Operatoren sein können.
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39 40
Dies scheint ein Fall von sog. I-Topikalisierung (vgl. Fery 1992, 38ff., Höhle 1991, Jacobs 1982, 114f., 373ff., 1984 u.ö., Molnar 1991, 245ff., Uhmann 1991, 245ff.) zu sein, bei der eine topikalisierte Konstituente akzentuiert und mit einem Tonanstieg versehen wird, und es noch einen anderen Fokusausdruck mit Tonfall gibt - dies ist hier die Modalpartikel. Besonderheiten der einzelnen Modalpartikeln im Hinblick auf die Mehrfachfokussierung diskutiere ich in den Kapp. 4-6. Vgl. die (unklare) Bemerkung S. 158: "[...] according to our analysis, MPs are associated with the focus of the IT-operator, being among the structural properties determining this operator."
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Daß Modalpartikeln keinen eigenen Fokus haben, leuchtet zunächst ein. Jacobs (1991a, 159) bringt dies aber in Zusammenhang mit der Generalisierung, daß alle selbständig fokussierenden Elemente zusammen mit ihrem Fokus nur im Hintergrund eines anderen fokussierenden Elements vorkommen können: (99) A: Warum hat Susi nur! [, einen] Handschuh an? B: Sie hat nur, [, einen] Handschuh an, [weil ihr der andere geklaut wurde]. Der Matrixsatz in (99B) ist Hintergrund, der eingebettete Satz ist Fokus des IT-Operators. Die Gradpartikel nur kommt zusammen mit ihrem Fokus einen im Hintergrund des ITOperators vor. Ähnliche Beispiele können nach Jacobs für Modalpartikeln nicht gefunden werden. Modalpartikeln und IT-Operatoren haben ja in seiner Theorie den gleichen semantischen Skopus. Ein IT-Operator X kann aber zusammen mit seinem Fokus nur im Hintergrund eines anderen Fokuselements auftreten, wenn Skopus über X hat. IT-Operatoren haben jedoch immer weiteren Skopus als andere Elemente Y, woraus folgt, daß IT-Operatoren plus Modalpartikeln nicht im Hintergrund eines anderen fokussierenden Elements stehen können. Man vergleiche nun aber (100): (100) A: Warum hat Susi DOCH den Handschuh angezogen? B: Sie hat den Handschuh [DOCH] angezogen, [weil ihr zu KALT war]. In diesem Beispiel ist der Matrixsatz, der die Modalpartikel DOCH enthält, Hintergrund, und der eingebettete Satz ist Fokus. Hier haben wir also einen Fall, wo eine Modalpartikel im Hintergrund eines IT-Operators steht. Hat die Modalpartikel - wie etwa die Gradpartikel in (99B) - einen eigenen Fokus? Der eingebettete Satz kann kein Fokus der Modalpartikel sein, da er schon im Fokus des IT-Operators steht. Es bleibt nur die Möglichkeit, daß der IT-Operator selbst im Fokus von DOCH steht. Betonte Modalpartikeln hätten demnach als Fokus den IT-Operator. Dies entspräche auch der Intuition, daß betonte Modalpartikeln nicht IT-Modifizierer in Jacobs Sinne sind, sondern einen eigenständigen Beitrag zur FokusHintergrund-Gliederung des Satzes leisten. Modalpartikeln sind nach Jacobs auch nicht fokussensitiv (wie Gradpartikeln), d.h. sie induzieren nicht unterschiedliche Gebrauchsbedingungen, wenn sich der Fokus innerhalb eines gegebenen propositionalen Gehaltes ändert. Das sieht man nach Jacobs (1991a, 158) vor allem daran, daß die Fokussierungseffekte in Sätzen mit einer Modalpartikel identisch mit den Fokussierungseffekten in den gleichen Sätzen ohne Modalpartikel sind. Jacobs denkt hier wieder nur an unbetonte Modalpartikeln; für solche Sätze, in denen nur die Modalpartikel fokussiert ist, kann dies auf keinen Fall gelten, vgl. Paare wie
(101) a. Fritz hat BOCCIA gespielt. b. Fritz hat SCHON Boccia gespielt.
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In Fällen von Mehrfachfokussierung scheint die Fokussierung der Modalpartikel die Fokussierungsverhältnisse ohne Modalpartikel nicht zu tangieren, vgl. (96) - (98). (96') Karl hat dem Kind damals das BUCH geklaut! (97') Klau dem Kind das BUCH! (98') A: Fritz hat niemals etwas geklaut. B: Fritz hat das BUCH damals geklaut! Entsprechend zeigt die Anwendung der Höhleschen Frage-Antwort-Proben, daß die Anwesenheit einer fokussierten Modalpartikel die normalen Möglichkeiten der Fokusprojektion nicht beeinflußt41: (102) A: Was hat Karl denn dem Kind geschenkt? B: #Karl hat dem Kind (pdas BUCH) geschenkt. (103) A: Was hat Karl denn hinsichtlich des Kindes getan? B: Karl hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). (104) A: Was hat Karl denn getan? B: Karl hat („dem Kind das BUCH geschenkt). (105) A: Was hat das Kind denn erlebt? B: (pKarl) hat dem Kind (pdas BUCH geschenkt). (106) A: Was ist denn geschehen? B: (FKarl hat dem Kind das BUCH geschenkt). (102B) ist allerdings in diesem Kontext unangemessen. Hier scheint es nur die Alternative: entweder minimaler Fokus auf der Partikel oder minimaler Fokus auf dem direkten Objekt zu geben (vgl. auch 101). Bei Fokusprojektion, also in den Fällen (103)-(106), gibt es allerdings keine Probleme mit der Anwesenheit eines weiteren fokussierten Elements; die Modalpartikel wird immer Teil des gesamten Fokus. Eine andere Frage ist, ob eine fokussierte Modalpartikel - wie sich Hetland (1992, 262) bezüglich der Satzadverbien ausdrückt - "Ausgangspunkt eines nicht-minimalen Fokus sein kann", d.h. zusammen mit anderen nicht betonten lexikalischen Größen rhematisch oder kontrastiv interpretiert werden kann. Es handelt sich dabei um eine Fokuserweiterung.
4l
Von einer Probe bezüglich Nebensätzen sehe ich hier ab.- Abgesehen davon, daß Modalpartikeln in Nebensätzen ohnehin gewissen Restriktionen (abhängig von der Modalpartikelbedeutung und dem Nebensatztyp) unterliegen, scheinen hier fiir die betonten Formen (falls sie überhaupt in entsprechenden Nebensätzen stehen können) zum Teil auch andere Stellungsmöglichkeiten zu existieren: (i) weil Frieda Fritz das Funktelefon geschenkt hat
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Ich möchte dies im folgenden anhand der Satzadverb - Modalpartikel - Interaktion überprüfen. Im allgemeinen geht man hier von den folgenden Beobachtungen aus (vgl. Brandt/ Reis/Rosengren/Zimmermann 1992, 73, Brauße 1991, Doherty 1987, Jacobs 1991a): B l (Unbetonte) Modalpartikeln stehen immer vor Satzadverbien. B 2 Betonte Modalpartikeln stehen immer nach Satzadverbien. B l und B 2 würden dann folgende Beispiele entsprechen (die eingeklammerten Sterne stehen für "Bewertung gemäß B1/B2"): (107) a. Fritz ist doch wahrscheinlich KRANK. b. (*)Fritz ist wahrscheinlich doch KRANK. c. (*)Fritz ist DOCH wahrscheinlich krank. d. Fritz ist wahrscheinlich DOCH krank. Tatsächlich ist die Datenlage nicht so transparent, wie es scheint.42 Dies sieht man an den folgenden Gruppen, bei denen es jeweils um die Akzeptabilität eines evaluativen und eines epistemischen (opaken), immer aber unbetonten Satzadverbs in Kombination mit einer betonten oder unbetonten Modalpartikel in adjazenter Prä- oder Postposition geht.43 Zunächst die Beispiele mit dem evaluativen Satzadverb leider und den Modalpartikeln yH/S, < KORREKTUR > Im Gebrauch von doch verweist der Sprecher entweder darauf, daß p dem Hörer bekannt ist (in diesem Fall ist der Index H anzusetzen), oder daß ihm selbst p bekannt ist (Index S). Der letztgenannte Fall ist nach Thurmair (1989, 117) auch typisch für W-Fragen, vgl. (15), da hier dem Sprecher der Sachverhalt "eigentlich bekannt ist", er ihn aber "nur in diesem Moment nicht präsent hat".10 Dazu kommt, daß der Sprecher anzeigt, "daß der Gesprächspartner seine bisherigen Annahmen und Erwartungen oder sein bisheriges Verhalten korrigieren soll und zwar aufgrund des ihm eigentlich bekannten Wissens." (S. 112) Das Merkmal < KORREKTUR > wird normalerweise als Korrektur der Höreriiberzeugung verstanden; bei assertiven Fragen ist es jedoch auf den Sprecher ausgelegt (S. 116). Lindner (1991) arbeitet anhand von doch - Vorkommen in den verschiedenen Satztypen einen gemeinsamen Bedeutungskern ('common core') heraus: (25) MP doch (Bedeutungskern) (It is necessary that) If the speaker uses MP doch in an illocution type IT referring to a then s/he assumes at the time of speaking that it is not the case that a is being taken into consideration. Die Illokutionstypen IT werden in zwei Gruppen aufgeteilt11: Die erste Gruppe umfaßt Assertionen, Exklamationen und Direktive, die zweite W-Expressive und deliberative WFragen. (Der Ausdruck W-Expressive ist insofern irreführend, als damit Optativsätze gemeint sind.) Für die Assertionen und Exklamationen gilt, daß die Variable jeweils durch "a proposition p" ersetzt werden kann; bei Direktiven wird das erste ebenfalls durch "a proposition
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Natürlich kann man sich auch den Fall vorstellen, wo die Bekanntheit des Sachverhalts aus Höflichkeitsgriinden nur vorgetäuscht wird, d.h. der fragliche Sachverhalt de facto unbekannt ist. IT ist hier im Sinne von Zaefferers 'Illokutionssemantik' zu verstehen, vgl. Zaefferer (1984), Jacobs (1984), (1991a).
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p", das zweite jedoch durch "bringing about p" ersetzt. Soweit ist die einheitliche Bedeutungsangabe unproblematisch. Bei der zweiten Gruppe ergibt sich jedoch das Problem, daß die ansonsten unproblematische Paraphrase vom Typ (25) auch schon für Optativsätze ohne die Modalpartikel gilt. Lindner schließt daraus, daß die Modalpartikel eher die Funktion hat, das was bereits im IT angelegt ist, zu unterstützen und zu verstärken (S. 188). Für doch in deliberativen W-Fragen vom Typ (15) setzt Lindner die folgende Bedeutung an: (26) MP doch (deliberative W-Frage) (It is necessary that) If the speaker uses MP doch in a DELIBERATIVE WH-QUESTION with a variable x, then s/he assumes at the time of speaking t that it is not the case that the respective information for is being taken into consideration. Die Formulierung trägt also dem Charakter der propositionalen Offenheit bei W-Interrogativsätzen Rechnung. Der Unterschied zwischen normalen W-Interrogativsätzen und diesem Typ liegt nach Lindner in der Selbstadressiertheit der Frage und in der typischen Kombination mit noch. Doch verstärke und intensiviere auch hier den IT. Lindner geht hier allerdings vom Beispiel Wie hieß er doch noch? aus, welches tatsächlich "deliberativ" interpretiert werden kann. Bei Beispielen wie (15) sehe ich dagegen keine Deliberativität und keine Selbstadressiertheit. Bei assertiven Fragen (sie fallen weder in die erste noch in die zweite Gruppe) entscheidet sich Lindner dafür, die Modalpartikel in die noch nicht mit einer steigenden Intonationskontur versehene Deklarativsatzstruktur einzusetzen.12 Für doch in assertiven Fragen wird keine eigene Bedeutungscharakterisierung gegeben, aber eine Paraphrase wie The speaker wants the addressee to tell him if the addressee is not considering coming tonight' für (14) macht die prinzipielle Übereinstimmung mit (25) deutlich. Ein Vergleich der beiden Vorschläge (24) und (25) ergibt, daß (25) bedeutend schwächer ist. Aus (25) folgt nicht wie aus (24), daß der Sprecher annimmt, daß p dem Hörer bekannt ist; der Sprecher geht nur davon aus, daß der Sprecher p nicht in Betracht zieht, d.h. p kann ihm bekannt sein oder auch nicht. Wenn der Sprecher nicht ausschließen kann, daß p dem Hörer nicht bekannt ist, hat es auch wenig Sinn, ihn zur Korrektur von -p aufzufordern. Ich gehe im folgenden mit Lindner (1991) davon aus, daß 'Bekanntheit von p' nicht zur wörtlichen Bedeutung der Modalpartikel doch gerechnet werden sollte. Während Thurmair durch das Merkmal < KORREKTUR > auf den Gegensatz von Überzeugungen (und damit implizit auf den Gegensatz von Propositionen) hinweist, ist ein solcher Gegensatz bei Lindner allenfalls indirekt erschließbar, wird aber nicht zur Semantik der Modalpartikel gerechnet. Doch markiert p als 'noch nicht in dem gegenwärtigen Diskurs betrachtet', so daß p als relevante Information gilt. Was doch (p) jedoch verlangt, ist
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Dies ist im GB-Rahmen insofern plausibel, als lexikalische Einsetzung der PF-Zuweisung vorausgeht.
113
offenbar die implizite Betrachtung einer weiteren Proposition, und zwar nicht irgend einer beliebigen noch nicht betrachteten, sondern einer, die in einem Gegensatz zu der neuen, durch doch markierten Proposition steht.13 Nur so ist erklärbar, wieso eine noch nicht betrachtete Proposition als relevant gelten kann. Dieses Moment wird in solchen Analysen, die auf den Unterschied zwischen doch und DOCH eingehen, zu Recht herausgearbeitet. 4.4.2 Im folgenden gehe ich auf solche Analysen ein, die unbetontes doch mit betontem DOCH vergleichen. Wie gesagt, wird der kategoriale Status von DOCH meist vage gelassen. So bezeichnet Brauße (1988, 99) DOCH ah "Adverb oder betonte Modalpartikel". Doherty (1987) begründet den Modalpartikel-Status für DOCH nicht. Lerner (1987) geht vom Modalpartikel-Status für doch/DOCH aus, spricht aber auch von unbetontem vs. betontem Adverb (S. 216). 4.4.2.1 Brauße (1988, lOOff.) betrachtet doch im Deklarativsatz, in der assertiven Frage, im W-Interrogativsatz und im Imperativsatz und kommt zu dem folgenden Schluß (vgl. dazu (17) und (18)): (27) MP doch (Bedeutungsgemeinsames) "Das Gemeinsame aller Vorkommen von Modalpartikel -doch unabhängig vom Satzmodus ist also das, daß Sprecher A aus p, der Äußerung oder H, der Handlung von B schlußfolgert, es bestehe ein Widerspruch zwischen seinen eigenen Annahmen und denen von p. Diesen will er mit der Äußerung 'doch q' ausräumen." Betrachten wir dazu folgenden Dialog: (28) A: Müller ist eine Null. B: Müller ist doch ein erfahrener Krankenpfleger,
(p) (q)
Die Vermittlung zwischen p und q geschieht durch einen Schluß von B, daß wenn für A p gilt, dann auch -q gelten muß. Die Negation von -q ergibt q. Die Meinung von A muß aus einer Vorgängeräußerung oder aus einer Handlung erschließbar sein, darf aber nicht explizit geäußert werden: "Ein expliziter Satz von B, der seine Meinung, daß -q gilt, ausdrücken würde, ist als Vorgängersatz nicht zulässsig." (S. 101) Darin liegt ein wichtiger Unterschied zu DOCH.
13
Hier sehe ich einen Ansatzpunkt zur Deutung des von Rosengren (1992, 286) beobachteten, aber unerklärten Gegensatzes zwischen (i) und (ii): (i) DIE ist (aber/vielleicht) »doch schön! (ii) Wie IST sie doch SCHÖN! In (i) müßte durch doch eine Relation zur Proposition -p = 'die ist nicht schön' hergestellt werden, was der bei Exklamativsätzen auftretenden Gradation insofern widerspricht, als man hier nur zwei skalare Werte hätte; vgl. dagegen den Deklarativsatz Die ist doch SCHÖN! Dagegen scheint die relevante Proposition in (ii) eine zu sein, in der durch die wie-Phrase die Differenz zu einem niedrigeren Skalenwert bezeichnet wird, z.B. daß sie um so und so viel schöner ist, als der Sprecher gedacht hatte, etc. Eine solche Proposition würde dann die Verwendung von doch erlauben.
114
Implizite Schlußfolgerungen spielen auch bei der Konjunktion doch eine Rolle. Zwar bewirken sowohl die Konjunktion doch als auch DOCH "eine Korrektur der Meinung, daß -q gilt, es ist also eine doppelte Verneinung, damit eine Bejahung." (S. 99) Ein Unterschied liegt aber darin, daß der Sprecher A durch konjunktionales doch "die, wie er annimmt, aus seiner Äußerung p von Sprecher B gezogene falsche Schlußfolgerung -q" korrigiert, vgl. (29) Maria ist krank, doch sie kommt. Aus dem ersten Konjunkt p kann -q = 'Sie kommt nicht' gefolgert werden. Negation von -q ergibt q, den Inhalt des zweiten Konjunkts. Bei DOCH werde "dagegen nicht auf implizite Schlußfolgerungen Bezug genommen, sondern hier stehen zwei konträre Meinungen gegenüber, die beide zuvor geäußert worden sind, nämlich q vs. -q." DOCH verlangt also im Gegensatz zur Modalpartikel und Konjunktion doch explizite Äußerungen. 4.4.2.2 Eine ausführliche semantische Studie zu dochlDOCH liegt von Lerner (1987) vor. Zentral für Lerners Argumentation ist der Begriff der 'Kontrastfolge', den er an folgenden Beispielen erläutert: (30) (Alles ist steinig und sandig. Die Bäume und Büsche am Ufer stehen dürr und gesanglos.) a. Und DOCH fließt unter unseren Füßen Wasser. b. ?Und unter unseren Füßen fließt Wasser. (31) (Alles ist grün. Überall in den Erlen zwitschern die Vögel.) a. ?Und DOCH fließt unter unseren Füßen Wasser. b. Und unter unseren Füßen fließt Wasser. Obgleich (30a/b) und (31a/b) jeweils die gleichen Wahrheitsbedingungen haben, wirken (30a) und (31b) jeweils angemessener als ihre Gegenstücke. Dies hängt mit den "Erwartungen und Vermutungen" (S. 205) zusammen, die man in diesen Situationen jeweils hat. Lerner unterscheidet nun zwischen einem Inhaltsaspekt und einem Präsuppositionsaspekt von doch - Sätzen. Ersterer bezieht sich auf die ausgedrückte Proposition, letzterer auf die Kontrastfolge zwischen zwei kontrastierenden Sätzen p und q, wobei diese Folge (p, q) oder (q, p) sein kann.14 Eine Kontrastfolge liegt z.B. in (30a) vor, wobei eine 'stereotype Ordnungsquelle' verstanden als "ein Redehintergrund besonderer Art, der in der Menge der zugänglichen Welten eine Ordnung induziert" (S. 206) - besagt, daß Dürre und Wasser selten dicht beieinander zu finden sind. Die Menge der von einer Welt w aus zugänglichen Welten wird durch die 'Modalbasis' definiert. Diese kann leer sein, oder für die Äußerungssituation relevante Fakten enthalten.
14
Ich stimme Jacobs (1991a, 152) zu, der den atypischen Präsuppositionsbegriff moniert.
115
Da doch eine Kontrastfolge anzeigt, steht es entweder in einem Antezedenssatz oder in einem Konsequenssatz. Ist kein Vorgängersatz vorhanden, dem man dies entnehmen kann, muß der Status als Antezedens oder Konsequens - qua 'Kontextualisierung' - aus dem Kontext "ergänzt" werden. Antezedens- bzw. Konsequens-Sätze können durch den obgleichund iroizdem-Test identifiziert werden. Dabei ergibt sich zugleich eine typische Verteilung von doch vs. DOCH: (32) a. Klaus ist DOCH nicht gekommen, obgleich er das versprochen hat. K A b. Klaus ist nicht gekommen, obgleich er das doch versprochen hat. K A Der Hauptsatz einer entsprechenden Konstruktion ist immer das Konsequens, in dem das betonte DOCH steht, der Nebensatz ist immer das Antezedens, in dem das unbetonte doch steht. Generell gilt also: (33) In komplexen Sätzen mit einem Antezedens und einem Konsequens steht doch in Antezedenssätzen, DOCH in Konsequenssätzen. Die Präsupposition der Kontrastfolge gilt für doch und DOCH. Sie fällt jedoch für das kontrastakzentuierte DOCH zu schwach aus, weil durch sie nicht deutlich wird, daß es nur in Konsequenssätzen stehen darf. Wie auch Brauße (1988, 215) betont hat, benötigt DOCH einen Kontext, der die Wahrheit der Negation des DOCH - Satzes stützt. Wenn DOCH in einem Konsequenssatz steht, hat das Antezedens diese stützende Funktion. Sonst muß aus dem Kontext eine weitere Proposition q folgen, so daß es eine Kontrastfolgenrelation R(q,p) gibt, wobei q die Wahrheit von -p stützt. Der Kontrastakzent selbst wird als phonetische Realisierung eines positiven Satzoperators verstanden.15 Zu erklären bleibt nach diesem Ansatz, warum man in Konsequenssätzen kein doch finden kann. Für Lerner (1987, 216) hat dies mit Disambiguierung zu tun. Wenn doch sowohl in Konsequens- als auch in Antezedenssätzen vorkommen könnte, müßte der Hörer auch die Richtung der Relation bestimmen. Dies sei überflüssig, wenn Betonung oder Nichtbetonung eindeutig anzeigen, daß der Trägersatz ein Konsequenssatz bzw. Antezedenssatz sei. Die Regularität in (33) mag den typischen Fall beschreiben, gilt jedoch nicht uneingeschränkt, da doch auch im komplexen Satz in Konsequensvorsätzen vorkommen kann.16 (34) A: Warum ist Karla so enttäuscht? B: Du weißt das wirklich nicht? Karl ist doch nicht geKOMMEN, obgleich er das versprochen hat.
15
16
Dies ist zumindest sehr verkürzt ausgedrückt. Wie z.B. Jacobs (1991c) sehr deutlich sagt, ist die Einführung einer syntaktischen Fokus-Hintergrund-Struktur gerade dadurch motiviert, daß Akzentuierungsregeln keinen direkten Zugang zu semantischen Repräsentationen haben können. Dieses Beispiel verdanke ich Marga Reis.
116
Man kann auch Beispiele konstruieren, bei denen DOCH in einem Antezedenssatz vorliegt: (35) A: Morgen kommt Peter. Erst wollte er nicht, aber schließlich haben wir ihn überredet und am Montag hat er es dann versprochen. B: (später): Warum guckt Petra so traurig? A: Peter ist nicht gekommen, obgleich er es am Montag DOCH versprochen hatte. Dies bedeutet, daß nicht der komplexe Satz mit einem Antezedenssatz und einem Konsequenssatz die entscheidende Größe ist, also die in einem komplexen Satz materialisierte Kontrastfolge, sondern die im Diskurs zugängliche Information. Diese kann einem komplexen Satz entstammen, kann aber auch anderen Wissensbeständen entnommen sein. Wenn dies stimmt, dann sollten folgende Verteilungen im Prinzip möglich sein: (36) a. b. c. d.
Karl Karl Karl Karl
ist doch nicht geKOMMEN, obgleich er das DOCH versprochen hat. ist DOCH nicht gekommen, obgleich er das doch verSPROCHEN hat. ist doch nicht geKOMMEN, obgleich er das doch verSPROCHEN hat. ist DOCH nicht gekommen, obgleich er das DOCH versprochen hat.
Tatsächlich lassen sich Kontexte denken, in denen diese komplexen Sätze akzeptabel sind. 4.4.2.4 Dohertys (1987, 106) Analyse von doch leidet von vornherein daran, daß doch in Imperativsätzen und in W-Interrogativsätzen nicht berücksichtigt wird - nur unter dieser empirisch inadäquaten Voraussetzung kann doch als an den assertiven Einstellungsmodus gebunden betrachtet werden. Für doch wird folgende Repräsentation angesetzt (vgl. dazu (24), (25) und (27)): (37) MP doch AM (es) und IM (ek v -ek) Doch "contrasts two evaluations, attributing the semievaluated propositional meaning to the speaker and relating it to the same semievaluated propositional meaning left open." (S. 108) Für doch in Deklarativsätzen gilt, daß der Sprecher annimmt, daß die Bewertung von p durch den Hörer möglicherweise seiner eigenen Bewertung entgegengesetzt ist. Diese Bewertung durch den Hörer ist aber "offen", d.h. der Hörer kann wissen oder nicht wissen, daß p wahr ist.17 Bei assertiven Fragen (Sekundärfragen) wie Du kommst doch? allerdings impliziert der Sprecher seine eigene positive Einstellung zu p. Ohne die Modalpartikel würde er eine positive Einstellung zu -p implizieren.18
17 18
Lindner (1991, 192) merkt zu Recht kritisch an, daß dieser Vorschlag wohl kaum testbar ist. Ich halte diese Analyse von assertiven Fragen für falsch, vgl. Meibauer (1987a). Wenn ich nach dem morgendlichen Aufwachen frage Es regnet?, wird dadurch nicht eine positive Einstellung zu -p = 'daß es nicht regnet' kundgetan; der Vergleich mit Regnet es? zeigt vielmehr, daß ich bei der initiativen assertiven Frage Indizien dafür habe, daß p der Fall ist. Der Effekt, daß in einer reaktiven assertiven Frage wie (iB),
117 Kontrastiertes DOCH bewirkt die Aufhebung zweier kontextueller Beschränkungen: DOCH kann in -Interrogativsätzen vorkommen und im Skopus eines Satzadverbs stehen.19 Unter Kontrastbetonung verliert die Modalpartikel die Fähigkeit, in ihrem Skopus das Satzadverb zu haben. Für (38a) ergibt sich die semantische Repräsentation (SSb):20 (38) a. Konrad ist wahrscheinlich DOCH verreist. b. IM(POS s 3x F x(p)undPOS k -(x = l)) ASS(PROBs(x=l)) Das heißt, es wird eine positive Einstellung des Sprechers zur Existenz eines Wahrheitswertes der Proposition impliziert, und ein unspezifiziertes Subjekt k hat eine positive Einstellung zum Wahrheitswert 'falsch'. Zudem wird assortiert, daß der Wahrheitswert wahrscheinlich 'wahr'ist. Letzten Endes wird also bei Doherty "die durch doch bestätigte Assertion fokussiert", wie Lerner (1987, 226) resümiert. Eine solche Analyse kann nun der Kritik von Lerner zufolge nicht erklären, warum in (40a) und nicht in (39aB) das doch einen Kontrastakzent erhält. (39) a. A: Konrad ist verreist. (=q) B: Er ist doch KRANK. (=p) b. Konrad ist verreist, obgleich er doch krank ist. K A (40) a. Konrad ist krank und ist DOCH verreist. b. Konrad ist DOCH verreist, obgleich er krank ist. K A Mit anderen Worten, bei Doherty wird die Kontrastfolgerelation nicht zum Gegenstand der semantischen Analyse. Außerdem sei in (38b) der Bestandteil POSk -(x=l) nicht berechtigt, denn es treffe nicht zu, daß jemand zum Trägersatz eine negative Einstellung zu haben braucht, vgl. das zweite Konjunkt in (40a), welches dem Konsequens in (40b) entspricht. Dies braucht de facto für Sprecher oder Hörer nicht der Fall zu sein; tatsächlich spielt aber eine Proposition -p =
19 20
vgl. (i) A: Es regnet. B: Es regnet? B eine negative Einstellung zu p = 'daß es regnet' zugeschrieben wird, scheint mir leicht qua Relevanzprinzip als konversationelle Implikatur abzuleiten zu sein. Die Wahl der Satzstruktur ist einfach durch den Zitatcharakter determiniert. Die Äußerung Regnet es? an Stelle von (iB) wirkt wiederum neutraler.- Vgl. auch Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992, 77ff.)(fiir die assertive Fragen Deklarativsätze mit einer "Unabgeschlossenheit" signalisierenden steigenden Intonationskontur sind, welche eine Antworterwartung implikatiert) sowie Meibauer (1987c), Oppenrieder (1991b), Reis (1991) zu assertiven Fragen und Echo-w-Fragen allgemein und der Rolle der Intonation speziell. Vgl. dazu die Diskussion in Abschnitt 3.4.2. Mit IM für 'konventionell impliziert durch den Sprecher', POS für 'positive Einstellung', ASS für 'assertiven Einstellungsmodus', PROB für den Wahrscheinlichkeitsoperator, (x=l) für 'Wahrheitswert wahr', k für 'unspezifiziertes Subjekt'.
118
'Konrad ist nicht verreist' im Diskurs eine Rolle. Zum Beispiel kann es Sprecher und Hörer bewußt sein, daß jemand aus dem ersten Konjunkt pragmatisch schließen könnte, daß Konrad nicht verreist ist. 4.4.3 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Bedeutungsanalysen von doch meist auf das bekannte Moment des Widerspruchs bzw. des Kontraste zwischen zwei Propositionen rekurrieren.21 Dies läßt sich bei Thurmair, Brauße, Doherty und Lerner - trotz divergierender empirischer und theoretischer Annahmen - zeigen; Lindner ist eine Ausnahme, da sie den Schwerpunkt der Analyse auf die Absicht des Sprechers legt, mit dem Gebrauch von doch auf eine noch nicht betrachtete, aber relevante Proposition aufmerksam zu machen. Aber auch zu dieser muß es eine weitere, gegensätzliche Proposition geben (vgl. dazu Beispiel (28)). Der Bedeutungsunterschied zu DOCH läßt sich dadurch erfassen, daß man den Kontrastakzent als ein Mittel auffaßt, das die Proposition p in einen Gegensatz zu einer anderen Proposition -p bringt, die in einem Vorgängersatz explizit ausgedrückt ist, bzw. welches bewirkt, daß DOCH (p) im typischen Fall in einem Konsequenssatz steht. Dagegen ist -p bei doch (p) nur implizit: es ist zwar relevant, muß aber erschlossen werden.
4.5 Die Akzentuierung Folgt man der Auffassung, daß Modalpartikeln nicht betonbar sind, neigt man dazu, DOCH im Mittelfeld als Adverb einzustufen. Nimmt man dagegen an, daß es sich um eine kontrastbetonte Modalpartikel handelt, ist es möglich, den Bedeutungsunterschied und die veränderten Kontextbeschränkungen aus dem Kontrastakzent abzuleiten. Hier möchte ich noch einmal betonen, daß der Akzent bei DOCH, stuft man es als Adverb ein, als kategorienverändernd angesehen werden muß. Da es sich aber nach allgemeiner (auch von Thurmair (1989, 110) geteilter) Auffassung um einen Kontrastakzent handelt, liegt es nahe, von einer kontrastbetonten Modalpartikel auszugehen, denn sonst ließe sich nicht erklären, warum ein homonymes Lexem anderer Kategorie immer nur mit Kontrastakzent auftaucht. Die Bedeutungsänderung ist eher eine Folge des Kontrastakzents, und nicht eine Folge der veränderten Kategorie. Hielte man an dem kategorienverändernden Effekt des Kontrastakzents fest, könnte mit gleichem Recht JA im Mittelfeld ebenfalls als Adverb betrachtet werden. Wäre DOCH ein Adverb, sollte es im Vorfeld allein stehen können. Wie wir in 4.2. gesehen haben, ist dies aber nur dann der Fall, wenn in der KOORD-Position die Konjunktion und steht:22
21 22
Vgl. auch die Beschreibung der 'Gesamtbedeutung' bei Heibig (1988, 119). Vgl. zu (41 a) die Fn. 4 oben.
119
(41) a. *DOCH hat er geheiratet. b. Und DOCH hat er geheiratet. In Abschnitt 4.7 komme ich auf den Unterschied zwischen den und DOCH-Fällen (mit DOCH im Vorfeld) und DOCH im Mittelfeld zurück. Für die Satztypendistribution von DOCH gibt es weniger Beschränkungen als bei doch; bemerkenswert ist vor allem, daß es im Gegensatz zu doch in -Interrogativsätzen und in WInterrogativsätzen, die nicht vom Typ (15) sind, vorkommen kann. Anders als doch darf es aber nicht in W-Exklamativsätzen stehen: (42) a. *Was ist er DOCH für ein kluger Kopf! b. *Was er DOCH für ein kluger Kopf ist! was aus der Bedeutung von DOCH ableitbar ist, da es in diesen Fällen keine Proposition -p in einem Vorgängersatz gibt. Auf das unterschiedliche Verhalten von DOCH vs. doch in Interrogativsätzen gehe ich ebenfalls in Abschnitt 4.7 genauer ein.
4.6 Die Kombinierbarkeit Neben DOCH kann gelegentlich noch die Modalpartikel doch auftreten, was als Argument dafür betrachtet werden kann, daß es sich bei dem betonten Element nicht um die Modalpartikel handeln kann: (43) a. b. c. d. e. f.
Peter hat doch DOCH verloren. Du fährst doch DOCH zur Aids-Tagung? *Hast du doch DOCH den Vertrag unterschrieben? Wie hast du das doch gleich noch DOCH geschafft? Mach doch DOCH den Einstellungstest! *Was ist er doch DOCH für ein kluger Kopf!/ *Was er doch DOCH für ein kluger Kopf ist! g. Wenn er doch DOCH käme!/Käme er doch DOCH!
Beispiel (43c) ist nicht akzeptabel, weil doch in -Interrogativsätzen verboten ist, und die Beispiele unter (43f) sind nicht akzeptabel, weil DOCH in W-Exklamativsätzen nicht auftreten darf. Das obige Argument setzt voraus, daß Selbstkombinationen von Modalpartikeln nicht möglich sind. Dies scheint aber nur für Satzadverbien zu gelten. Ich möchte argumentieren, daß ein Kontrastakzent auf einer Modalpartikel das gleichzeitige Auftreten der gleichen betonten Modalpartikel unter bestimmten Bedingungen lizenziert. Weitere Beispiele für Selbstkombinationen von Modalpartikeln sind:
120
(44) a. Was hat er eigentlich damals EIGENTLICH gemacht? b. Ich darf ja meine Unterlagen JA nicht vergessen. Selbstkombinationen unbetonter Modalpartikeln sind nicht möglich. Bei einer Selbstkombination ist normalerweise immer die zweite Modalpartikel betont, was im Prinzip mit den in Abschnitt 3.4.2 untersuchten Projektionsmöglichkeiten übereinstimmt: (45) a. b. c. d.
*Hugo hatte doch doch gewonnen! Hugo hatte DOCH DOCH gewonnen! *Hugo hatte DOCH doch gewonnen! Hugo hatte doch DOCH gewonnen!
Allerdings scheint mir auch die Selbstkombination von DOCH möglich zu sein. Wenn dies zutrifft, handelt es sich um ein gutes Argument für den Modalpartikel-Status von DOCH, denn Selbstkombinationen betonter (oder unbetonter) Satzadverbien können niemals vorkommen, vgl. (46) a. b. c. d.
*Hugo *Hugo *Hugo *Hugo
hatte hatte hatte hatte
leider leider gewonnen. LEIDER LEIDER gewonnen. LEIDER leider gewonnen. leider LEIDER gewonnen.
Ein entsprechender Kontext für (45b), der übrigens sehr gut die 'history of speaker evaluations', von der Doherty (1987, 135) spricht, illustriert, könnte der folgende sein: (47) Hugo war Marathonläufer. A und B streiten sich, ob er 1904 die Goldmedaille gewonnen hat. In einem alten Lexikon findet A die Angabe, daß Hugo gewonnen hat. Am nächsten Morgen sagt er zu B, der gegenteiliger Ansicht war, Hugo hatte DOCH gewonnen! Daraufhin bringt B ein anderes Lexikon herbei, in dem steht, daß in Wirklichkeit Fridolin die Medaille gewonnen hat. (Hugo hatte DOCH NICHT gewonnen!) In der nächsten Woche schleppt A jedoch triumphierend einen Augenzeugen herbei, der bestätigt, daß es in der Tat Hugo war, der das Rennen gewonnen hat. Hugo hatte DOCH DOCH gewonnen! (= 45b) Bei Fremdkombinationen von Modalpartikeln sind übrigens Doppelbetonungen durchaus möglich: (48) a. Komm JA (morgen) DOCH zum Vortrag! b. Das ist EIGENTLICH (ja) DOCH das Problem. (Diese Fälle sind in Abschnitt 3.4.2 nicht untersucht worden. Es ist unklar, ob sie Ausnahmen zu der Regel (121') darstellen. Das B-Element ist betonbar und das -Element liegt ebenfalls im Fokus. Man weiß aber nicht, ob es sich um Fokuserweiterung oder Fokusprojektion des B-Elements handelt, oder einfach um eine Kombination zweier minimaler Foki.)
121
Ferner ist zu bedenken, daß es Fälle der Fremdkombination mit doch gibt, bei denen es obligatorisch betont ist (vgl. Thurmair 1989, 215f.): (49) a. *Das kann man eben/halt doch BESSER machen, b. Das kann man eben/halt DOCH besser machen. Thurmair ist denn auch gezwungen, in solchen Fällen von einem Affirmationsadverb auszugehen bzw. es für nicht entscheidbar zu halten, "ob beide Partikeln ModalpartikelFunktion haben" (S. 215). Es ist aber unerklärt, warum eine bestimmte Modalpartikel· Umgebung sich einmal nach bestimmten Regeln mit anderen, unbetonten Modalpartikeln kombinieren läßt, ein anderes Mal mit einem obligatorisch akzentuierten, aber formgleichen Ausdruck anderer Partikelfunktion, nämlich dem Affirmationsadverb.
4.7 Die Bedeutung von DOCH Die bisherige Diskussion hat ergeben, daß DOCH im Mittelfeld als kontrastakzentuierte Modalpartikel betrachtet werden kann. Im folgenden möchte ich zunächst auf die folgenden, oben schon angeschnittenen Fragen eingehen, bevor ich die Analyse von DOCH im Rahmen von Rochemont (1986) motiviere: (a) (b) (c)
Wie kann die Bedeutung von DOCH (unter Explikation des Kontrastakzents) auf der Grundlage der Bedeutung von doch wiedergegeben werden? Warum kann DOCH in E- und W-Interrogativsätzen vorkommen, doch in E-Interrogativsätzen dagegen überhaupt nicht, im W-Interrogativsatz nur im speziellen Typ (15)? Welcher Zusammenhang besteht zwischen den und DOCH-Fällen (mit DOCH im Vorfeld) und DOCH im Mittelfeld?
Für die Zwecke der folgenden Diskussion gehe ich von diesen Beispielen aus: (50) A: Hugo hat nicht geheiratet. B: Hugo hat *doch/DOCH geheiratet. (51) a. *Hat Hugo doch geheiratet? b. Hat Hugo DOCH geheiratet? (52) a. *Wer hat doch geheiratet? a'. Wer hat doch (noch/gleich) geheiratet? b. Wer hat DOCH geheiratet? Nach Lindner (1991) gilt für doch in Deklarativsätzen der Form 'doch p', daß der Sprecher annimmt, daß der Hörer zum Sprechzeitpunkt t die Proposition p nicht in Betracht zieht. In
122
(50B) ist die Proposition p = 'Hugo hat geheiratet.' Dadurch, daß A in (50A) die Negation von p ausdrückt, hat er jedoch p in Betracht gezogen und der Sprecher in (50B) weiß das. Aus diesem Grund ist doch in (50B) ausgeschlossen. Dies spiegelt exakt die Charakterisierung wider, daß bei doch die kontrastierende Proposition implizit ist, bei DOCH dagegen explizit. In -Interrogativsätzen wird ausgedrückt, daß es offen ist, ob p oder -p gilt. Der Sprecher veranlaßt den Hörer dazu, über p oder -p nachzudenken. Im Prinzip ist es nicht ausgeschlossen, daß der Sprecher zum Zeitpunkt t annimmt, daß der Hörer p nicht in Betracht gezogen hat. Es ist aber nicht sinnvoll, durch doch einseitig auf die Proposition p (und damit implizit auf -p) aufmerksam zu machen, weil es im Kontext der Frage ja gerade um die Gültigkeit von p oder -p geht. Dagegen ist in (51b) DOCH problemlos: Es ist offen, ob Hugo - im Gegensatz zur explizit ausgedrückten Meinung eines Anderen - geheiratet hat. Eine entsprechende Erläuterung läßt sich auch für die W-Interrogativsätze geben, vgl. (52a/b). Warum (52a') möglich ist, wird jetzt ebenfalls deutlicher. Durch den Gebrauch von doch noch oder doch gleich wird auf eine andere, frühere Situation verwiesen, in der dem Sprecher selbst, dem Adressaten oder einem Dritten Beteiligten die korrekte Antwort bekannt war. Die relevante Proposition ist also eine, in der es nicht offen war, für welches X p gilt. In gewissem Sinne wird also in der Frage auf Indizien verwiesen, die zur korrekten (Wieder-) Beantwortung führen. Man beachte, daß sowohl noch als auch gleich Ausdrücke sind, die sich auf temporale Skalen beziehen. Ein anderer Vorschlag stammt von Brauße (1988, 105). In (53a) wolle der Sprecher zu den folgenden Punkten (53b.-d.) Stellung nehmen: (53) a. b. c. d.
Maria ist doch verheiratet. Sp hält p für wahr. Sp ist der Meinung, der Hörer müsse p ebenfalls für wahr halten. Sp ist aus gegebenem Anlaß zu der Annahme gelangt, H halte p möglicherweise für nicht wahr.
Da in -Interrogativsätzen die Unsicherheit des Sprechers hinsichtlich p oder -p zum Ausdruck gebracht werde, sei dies mit der Bedeutung von doch, insbesondere mit dem Punkt (53b), nicht zu vereinbaren. Diesen Erklärungsversuch halte ich jedoch für mißlungen, weil (53b) nicht einen Bedeutungsaspekt der Modalpartikel, sondern des Deklarativsatzes beschreibt. Für assertive Fragen und sog. deliberative W-Fragen schlägt Lindner (1991, 189) die folgenden Paraphrasen vor, die von dem Element 'not consider a proposition p/a variable x' Gebrauch machen: (54) a. Du kommst doch heute abend? b. 'The speaker wants the addressee to tell him if the addressee is not considering coming tonight.'
123
(55) a. Wie hieß er doch noch? b. 'For all x, the speaker wants to recall
but he is not considering x.'
In (54a) wird sehr deutlich ein Bezug zu der Proposition p = 'Adr kommt heute abend' hergestellt; ebenso wird in (55a) ein Bezug zu der Proposition p = 'Ref heißt x' vorausgesetzt. Der Sprecher muß also annehmen, daß die Proposition p schon einmal im Kontext firmiert hat. Damit läßt sich für diese Fälle die Lindnersche Bedeutungsbeschreibung für doch in Deklarativsätzen nicht aufrecht erhalten, denn der Sprecher kann nicht ausschließen, daß zum Sprechzeitpunkt t die Proposition/die Variable (noch immer) betrachtet wird. Die Reduktion der Bedeutung von doch auf ein bloßes Signal der Aktualität scheint unangemessen. Äußerungen wie (56) a. Du KOMMST heute abend? b. Wie HIESS er noch? unterscheiden sich von solchen in (54)/(55) nicht dadurch, daß hier der Sprecher zulassen würde, daß der Adressat die Proposition/Variable zum Sprechzeitpunkt betrachtet, sondern dadurch, daß nicht auf eine implizite gegenläufige Proposition hingewiesen wird. Die Lindnersche Bedeutungsangabe für doch läßt sich auch nicht ohne weiteres auf DOCH übertragen, weil es bei letzterem gerade nicht der Fall ist, daß der Sprecher annimmt, daß der Hörer p nicht in Betracht zieht. In (50B) geht der Sprecher vielmehr davon aus, daß der Hörer p in Betracht zieht, aber nicht glaubt, daß p. Er selber bekräftigt demgegenüber p. In (51b) geht der Sprecher ebenfalls davon aus, daß dem Hörer bekannt ist, daß jemand -p in Betracht zieht. Er fragt, ob entgegen einer anderen Erwartung -p die Proposition p oder -p gültig ist. Und entsprechend für (52b). Bei der Betrachtung der Interrogativsätze wird auch deulich, daß DOCH durchaus gebraucht werden kann, wenn der explizite Vorgängersatz mit -p nicht unmittelbar vorausgeht. Der Sprecher von (51b) kann sich z.B. auch auf eine Zeitungsnotiz beziehen, derzufolge Hugo eine Heirat dementiert. Die gegenteilige Überzeugung -p muß - anders als Brauße (1988, 108) sagt - auch nicht unbedingt dem Hörer zugeschrieben werden. (In diesem Fall ist natürlich die Lindnersche Bedeutungsangabe für doch wiederum kompatibel mit der Bedeutung von DOCH.) Wie kann nun die Bedeutung von doch auf der Grundlage von DOCH beschrieben werden? Der Schlüssel liegt in dem Bezug zu einer Proposition -p, der bei kontrastbetonter Verwendung der Modalpartikel hergestellt werden muß. Dies kann an Fällen mit simultanem Vorkommen der unbetonten und der betonten Modalpartikel klar gemacht werden: (57) Hugo hat doch DOCH geheiratet. Folgt man der Analyse von Lindner für doch in Deklarativsätzen, dann bietet sich die folgende Deutung an: Mit doch drückt der Sprecher aus, daß er nicht glaubt, daß der Hörer p zum Sprechzeitpunkt t betrachtet hat. Durch die Äußerung von (57) ist der Hörer jedoch gezwungen, p zu betrachten. Durch DOCH wird zusätzlich ausgedrückt, daß der Hörer eine weitere Proposition -p betrachten muß, die Sprecher, Hörer oder ein Dritter einmal vertreten
124
haben. Darin liegt die Wirkung des Kontraste, daß er zur Suche nach -p nötigt, während durch doch qua Bezug auf p nur die nicht realisierte Möglichkeit der Betrachtung von -p erwähnt wird.23 Wie ich oben deutlich gemacht habe, denke ich, daß auch bei doch (p) der Gegensatz zu -p eine Rolle spielt. Ein Indiz dafür ist, daß der folgende Dialog akzeptabel ist: (58) A: Fritz hat nicht geheiratet. B: a. Fritz hat doch DOCH geheiratet! b. *Fritz hat doch geheiratet! c. Fritz hat DOCH geheiratet! Hier ist ganz klar, daß der Hörer A p betrachtet, da er ja in (58A) p negiert. Lindner zufolge wäre daher der Gebrauch von doch unangemessen. Dennoch kann der Sprecher B nicht nur durch DOCH explizit auf -p in der Vorgängeräußerung Bezug nehmen, sondern darüber hinaus auf die gleiche Proposition verweisen, die unabhängig davon in der weiteren Diskursgeschiche eine Rolle gespielt hat. Es ist ferner deutlich, daß der Vorwurfscharakter einer solchen Äußerung darauf zurückzuführen ist, daß A eine entsprechende Behauptung aufstellt, ohne das gegenteilige Faktum hinreichend gewürdigt zu haben. Das Kernstück der Bedeutungsbeschreibung von doch bei Lindner (1991) - die Sprecherannahme, der Hörer ziehe p zum Sprechzeitpunkt t nicht in Betracht - ist also nicht notwendiger Bestandteil der rfoc/z-Bedeutung. Aus dem in Abschnitt 4.4.3 Gesagten und der vorangehenden Diskussion ergibt sich nun das folgende Gesamtbild der Bedeutung von doch (p) vs. DOCH (p): Bei beiden nimmt der Sprecher auf eine Proposition -p bezug, bei doch implizit und bei DOCH explizit. Die implizite Bezugnahme auf eine Proposition -p scheint mir die (recht abstrakte) wörtliche Bedeutung von doch zu sein. Die Fokussierung macht diesen Bezug explizit.24 In Abschnitt 4.2 wurde betont, daß man die These vom Modalpartikel-Status des betonten DOCH im Mittelfeld nur dann aufrecht erhalten kann, wenn man einen Bedeutungsunterschied zwischen ihm und seinem Verwandten im Vorfeld nachweisen kann. Obwohl das auf den ersten Blick kaum möglich erscheint, möchte ich im folgenden eine entsprechende Analyse vorstellen. Ich gehe vom Beleg (59) aus: (59) (...) Eine Ästhetik freilich, die auch die Herrschaft der Mechanisierung zeigt: Die Materie wird im Bild belebt und doch wirkt sie ohne Menschen seltsam starr. Schwäbisches Tagblatt, 8.12.92
23
24
Dieser starke Effekt des Kontrastfokus müßte es dann auch sein, der die nach Lindner (1991) mit doch in Deklarativsätzen verbundene Sprechereinstellung jedenfalls dann obsolet macht, wenn -p vom Hörer in der unmittelbaren Äußerungssituation vertreten wurde. Ich muß es hier offenlassen, ob sich auf der Ebene der Äußerungsbedeutung (im Sinne Bierwischs 1980, 1983a) modifizierte Bedeutungen je nach Satztypeninteraktion ergeben (dazu müßten auch weitere Satztypen untersucht werden, vgl. (13)-(18)), oder ob man diese gänzlich aus anderen Faktoren, z.B. dem Satzmodus oder Prinzipien der Konversation ableiten könnte. Solche Probleme werden bei der Diskussion \onja/JA im Kap. 5 (vor allem Abschnitt 5,8) detailliert behandelt.
125
Zunächst können wir die folgenden Fokussierungsverhältnisse beobachten, wobei sich zeigt, daß im zweiten Konjunkt (=q) neben dem Fokus auf DOCH noch ein weiterer Fokus vorhanden ist:25 (59') Die Materie wird im Bild beLEBT und DOCH wirkt sie ohne Menschen seltsam STARR. Vergleicht man diesen Fall mit betontem DOCH im Mittelfeld, stellt man fest, daß ein Fokus nur auf DOCH nicht akzeptabel ist, vgl. (59"b), während die zu (59') analoge Fokussierung in (59"a) nur eingeschränkt akzeptabel ist. (59") a. ?Die Materie wird im Bild beLEBT und sie wirkt DOCH ohne Menschen seltsam STARR. b. *Die Materie wird im Bild beLEBT und sie wirkt DOCH ohne Menschen seltsam starr. Vergleichen wir nun den folgenden Dialog, in welchem q - und zwar durchaus auch angeführt von der Konjunktion und - isoliert auftritt. (60) A: Die Materie wirkt ohne Menschen NICHT seltsam starr! B: (Und) sie wirkt DOCH ohne Menschen seltsam starr!
Hier liegen genau die Fokussierungsverhältnisse vor, die in (59"b) ausgeschlossen sind. Man kann also festhalten, daß DOCH im Vorfeld eines mit und verknüpften Konjunkts q die Fokussierung eines weiteren Elements im gleichen Konjunkt verlangt, während sich DOCH im Mittelfeld anders verhält: es duldet keinen anderen Fokus neben sich. Es scheint nun möglich, diese Beobachtung in Zusammenhang mit der Bedeutung von DOCH im Mittelfeld zu bringen; es kontrastiert im Fall (60) die Proposition der Vorgängeräußerung. Ein solcher Bezug auf die ganze vorhergehende Proposition ist jedoch in (59"a/b) nicht möglich; wie man in (59') sieht, muß es sich anscheinend um ein bestimmtes Element aus dem ersten Konjunkt handeln, das kontrastiert wird: in diesem Fall starr vs. belebt. Ich stelle daher die Hypothese auf, daß DOCH im Vorfeld eines mit und verknüpften Konjunkts q Fokusinduzierer für ein Element X innerhalb von q ist, welches in einem Gegensatz zu einem Element im ersten Konjunkt (=p) steht. Soweit ich sehe, müssen X und nicht gleicher Kategorie sein. Für viele Koordinationen läßt sich in der Tat eine solche Beziehung feststellen, vgl. (61a). Beobachtet man größere Texteinheiten, läßt sich die Beziehung des zweiten Fokus im D0C7/-Konjunkt zu einem Fokus in einer vorausgehenden Texteinheit nicht mehr so sicher etablieren (Versalien von mir, J.M.):
25
Möglicherweise trifft aber die Gegenhypothese von Marga Reis (persönliche Mitteilung) zu, daß (59*) der Länge wegen einen zweiten Phrasierungsakzent auf dem normalen Fokusexponenten habe, wofür die Unmöglichkeit eines minimalen Fokus im Mittelfeld spreche.
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(61) a. "Man glaubt, diese Titel schon seit JAHREN zu kennen, und DOCH hört man sie zum ERSTEN Mal." ZEIT 52/1992, S. 50 (18.12.92) b. "Sie [die neue Reisebus-Generation O 404, J.M.] wurde im letzten Herbst vorgestellt und prompt zum OMNIBUS des Jahres 1992 gewählt. Und DOCH ist die Nachfrage SCHLECHT: Statt der geplanten 900 werden wohl nur 500 Stück in diesem Jahr vom Band in Mannheim laufen, bekennt Dr. Siegfried Sobotta, noch bis Ende des Monats Leiter des Produktbereichs Omnibus." Schwäbisches Tagblatt, 12.5.92 c. Die Qualität seiner Platten schwankt im Auf und Ab seiner Karriere. KLEINE Platten erscheinen bei GROSSEN Firmen, GROSSartige Alben finden nur zu KLEINEN Labein, und DOCH ist in allen eine SEELE zu spüren, die ihn zum WAHREN Soulsänger macht. ZEIT, 52/1992, S. 50 (18.12.92) Während in (61a) ein Kontrast zwischen ersten und Jahren vorliegen könnte, scheint es sich in (61b) um einen Kontrast zwischen 'schlechter Nachfrage' und Omnibus des Jahres 1992' zu handeln, in (61c) um einen Kontrast zwischen 'Seele' und 'schwankender Qualität'. Da die Fokussierungsgesetze in Texten noch kaum untersucht sind, möchte ich diese Problematik hier nicht weiter verfolgen. Stattdessen möchte ich an einem konstruierten Beispiel die Kontrastmöglichkeiten testen: (62) a. b. c. d.
Hugo liebt KlavierMUSIK, und DOCH haßt er KlavierSPIELER. Hugo LIEBT Klaviermusik, und DOCH HASST er Klavierspieler. ?Hugo liebt KlavierMUSIK, und DOCH HASST er Klavierspieler. ?Hugo LIEBT Klaviermusik, und DOCH haßt er KlavierSPIELER.
Soweit ich sehe, sind tatsächlich die Fälle (62a/b) besser als der Rest. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, daß oben (8b=63a) für akzeptabel befunden wurde: (63) a. Er hoffte auf SONNENschein, und es hat DOCH geregnet. b. ?Er hoffte auf SONNENschein, und es hat DOCH geREGNET. c. ?Er hofft auf SONNENschein, und es regnet DOCH. Dies scheint jedoch damit zusammenzuhängen, daß DOCH in (63a) tatsächlich das pKonjunkt kontrastieren kann; d.h. entgegen seiner Hoffnung, daß die Sonne scheinen würde, hat es geregnet. Es bestätigt sich jedoch, daß Doppelfokussierung wie in (62b) ausgeschlossen ist, und daß das Tempus der Konjunkte einen Einfluß auf die Kontrastierbarkeit zu haben scheint, vgl. (63c).
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Aber ist sicherlich ein Element, das gegensätzliche Propositionen verknüpft.26 Setzt man es statt und in (59') ein (Vorfeld-DOCW), ergibt sich (64b); setzt man es statt und in (59") ein, ergibt sich (64a): (64) a. Die Materie wird im Bild beLEBT, aber sie wirkt DOCH ohne Menschen seltsam STARR. b. ?Die Materie wird im Bild beLEBT, aber DOCH wirkt sie ohne Menschen seltsam STARR. Wie kann man die unterschiedliche Bewertung erklären? Der Satz (64b) scheint deshalb nicht möglich zu sein, weil aber die ganze Proposition kontrastiert, es sich quzDOCH im Vorfeld jedoch nur um ein einzelnes fokussiertes Element handeln sollte, während (64a) deshalb akzeptabler wirkt, weil hier ein Gegensatz zwischen dem zweiten Konjunkt und dem ersten hergestellt wird. Prüfen wir nun noch die Verhältnisse bei selbständigem q: (65) a. (Und) ich hatte DOCH recht! b. (Und) ich hatte DOCH RECHT! (66) a. Und DOCH hatte ich RECHT, vs. *DOCH hatte ich RECHT! b. *Und DOCH hatte ich recht. vs. *DOCH hatte ich recht! Nach unserer Analyse ist in (65) DOCH eine kontrastakzentuierte Modalpartikel; die Konjunktion und ist hier fakultativ. Die Bedeutung von und scheint ausschließlich 'Konnektivität' zu sein (vgl. Posner 1979). Dagegen ist und in den Fällen unter (66) obligatorisch, genau wie ein zweiter Fokusakzent. Und scheint genau deshalb obligatorisch zu sein, weil es die Verbindung zu einer anderen Äußerung, z.B. Sie haben mir nicht geGLAUBT herstellt. Die Konjunktion und hat demnach unterschiedlichen Status. Ich denke, daß diese Analyse verfolgenswert ist, obgleich sie nur einen ersten Schritt darstellt. Insbesondere ist noch unklar, warum doch im Vorfeld als Adverb immer fokussiert ist. Betrachten wir als Vergleichsfall das Satzadverb wirklich. (67) a. b. c. d. e. f.
Man sah die GLATZE und WIRKLICH war es ein SKIN. Man sah die GLATZE und wirklich war es ein SKIN. *Man sah die GLATZE und WIRKLICH war es ein Skin. Man sah die GLATZE und es war WIRKLICH ein SKIN. Man sah die GLATZE und es war wirklich ein SKIN. Man sah die GLATZE und es war WIRKLICH ein Skin.
Soweit ich sehe, ist obligatorische Fokussierung im Vorfeld auch für prinzipiell betonbare Adverbien ungewöhnlich; z.B. braucht wirklich in (67b) keinen Fokusakzent zu tragen.
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Vgl. u.a. Blakemore (1989) und Rosengren (1984).
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Allerdings kam es hier zunächst nur darauf an, zu zeigen, daß die Position von DOCH im Vor- vs. Mittelfeld tatsächlich mit einem Bedeutungsunterschied verknüpft ist: dieser läßt sich an unterschiedlichen Fokussierungsverhältnissen ablesen. Ich möchte nun zeigen, daß der Fokus auf DOCH in Kontexten wie (50) tatsächlich als kontrastiver Fokus gedeutet werden kann. Prüfen wir dies zunächst anhand der Definition Rochemonts (1986), die hier wiederholt sei: (68) Kontrastiver Fokus (nach Rochemont 1986) An expression P is a Contrastive Focus in a discourse , ={ ,..., } if, and only if, (i) P is an expression in {, and (ii) if P/Vj is the result of extracting from H der Ebene 'Bewertung des Äußerungsinhalts', < VERSTÄRKUNG > der Ebene der 'Illokution'. Eine Ableitung eines Merkmals aus dem anderen setzt eine klare Vorstellung über die Interaktion zwischen Bewertungsebene und Illokutionsebene voraus, die bei Thurmair (1989) fehlt. Doherty (1987, 131) stellt die Hypothese auf, daß intentionales JA eine kontextuelle Variante des kontrastiven JA ist. Das analoge Moment liegt ganz einfach darin, daß statt eines Wahrheitswerts ein emotionaler Wert fokussiert wird, und zwar bei gleichem propositionsstrukturierendem Effekt: (28) ASS(POS5 (e=BAD)) IM(POSh -(e=BAD))
(e=emotional value)
Der Unterschied zwischen intentionalem und kontrastivem JA besteht also in (a) der Natur der Einstellung (emotional vs. epistemisch), (b) dem Emotionswert vs. Wahrheitswert als Fokus. Wenn man nun annehme, daß Imperativsätze und Deklarativsätze, die als Aufforderungen zu interpretieren sind, qua emphatischer Intonation die Bewertung BAD -(p) ausdrücken können, könne intentionales JA (mit emphatischer Betonung) als kontextuelle Variante von kontrastivem JA angesehen werden.li Jedoch ist schon gegen die Bedeutungsrepräsentation (16) einzuwenden, daß die negative Bewertung von -(p) durch den Sprecher keine Bedeutungseigenschaft von JA sein kann, weil dies ohnehin aus dem Imperativsatzmodus bzw. der damit verbundenen direktiven Illokution folgt.16 Wenn intentionales JA eine kontextuelle Variante des kontrastiven sein soll, müßte
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Ob es einen Exklamativsatzmodus gibt, ist umstritten. Vgl. zuletzt Fries (1988), Rosengren (1992) und Schwabe (1992); es besteht jedoch eine gewisse Übereinstimmung darin, daß es eine exklamative Interpretation gibt, die mit der Normabweichung und Unerwartetheit der Proposition zu tun hat. Eine solche Interpretation könnte in einer geeigneten Äußerungssituation auch Satz (27a) erfahren.- Die exklamative Interpretation wird in diesen Fällen auch durch die Bedeutung von interessant gestützt, vgl. die Sätze unter (27) mit Das ist ein Biotop! Daß dies eine vorsichtige Hypothese ist, geht aus dem pessimistischen Fazit hervor, daß es keine systematische Ableitungsbeziehung gebe (vgl. Doherty 1987, 131). Beispiele wie Hab du nur mal drei Stunden geschlafen, dann siehst du auch so aus wie ich!. Verlier deinen Paß und du bist geliefert!, etc. stellen meines Erachtens keine Gegenbeispiele zur Annahme dar, daß der Imperativsatzmodus auf eine Willenseinstellung bzw. auf Direktivität bezogen ist, weil sie bestimmten
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für ersteres ja auch die Bedeutungsbeschreibung für letzteres passen. Warum dann einmal Kontrastbetonung, einmal emphatische Betonung vorliegen soll, bleibt ungeklärt. Nicht zuletzt erscheint es problematisch, einen vergleichsweise markierten Fall wie den des kontrastiven JA zur Grundlage des intentionalen JA zu machen.17 Mir scheint es sinnvoller, davon auszugehen, daß es sich bei JA in jedem Fall um einen Kontrastakzent handelt, und daß die Bedeutung für JA aus der Bedeutung von ja plus der Wirkung des Akzents abgeleitet werden kann. Damit wäre ein Argument für die Identität von ja/JA gewonnen. Für die Bedeutungsbeschreibung von ja gehe ich - wie angekündigt von der Charakterisierung in (18) aus, derzufolge ein Sprecher mit dem Gebrauch von ./a eine Proposition als 'unkontrovers' markiert.
5.7
Modaler Kontrast
5.7.1 Thurmair (1989) nimmt an, daß der Akzent bei JA ein emphatischer Akzent ist, kein Fokusakzent. Zur Begründung führt sie an, daß es immer neben dem akzentuierten JA noch eine fokussierte Konstituente geben muß. Dagegen spricht aber, daß Emphase optional sein sollte, während JA in bestimmten Kontexten obligatorisch betont ist. Der Akzent scheint hier fest mit dem Lexem verschmolzen zu sein, was um so deutlicher wird im Vergleich mit den fakultativ betonbaren Modalpartikeln nur und bloß. Auch bestimmte Indefinitpronomina in Exklamativsätzen, die in der Regel einen sog. Exklamativakzent tragen (der ebenfalls kein Fokusakzent (rhematischer Akzent) ist) sind mit JA nicht zu vergleichen, weil man hier nicht aufgrund der Akzentuierung die Annahme eines eigenen Lexems DER usw. postulieren will, vgl.: (29) a. DER geht aber an die WODkaflasche! b. Geht DER aber an die WODkaflasche! Geht man bei JA von Emphase aus, dann läge es nahe, den Bedeutungsbeitrag von JA kompositional aus der Bedeutung von ja plus der Bedeutung des emphatischen Akzents abzuleiten. Dies kann aber noch nicht die ganze Wahrheit sein, denn eine Äußerung wie (30a) läßt sich nicht wie (30b) paraphrasieren: (30 a. Mach JA deine HAUSaufgaben! b. 'Es ist für den Sprecher zum Zeitpunkt t unkontrovers, daß der Adressat zu t , > t die Hausaufgaben macht.'
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Mechanismen der Uminterpretation unterliegen, vgl. Meibauer (1986b). Markiert jedenfalls innerhalb des Spektrums der ,/ -Typen. Betrachtet man reaktives, kontrastiertes DOCH, SCHON, WOHL in Deklarativsätzen, relativiert sich dieser Eindruck, obwohl auch hier die .M-Fälle seltener sein dürften.
143
Eher ist das Gegenteil der Fall, der Sprecher scheint Gründe zur Annahme zu haben, daß der Adressat eher nicht die Hausaufgaben machen wird.18 Man benötigt also eine Bedeutungskomponente, die der Intentional i tat Rechnung trägt. Nimmt man aber wie Thurmair ein eigenes Bedeutungsmerkmal < VERSTÄRKUNG > für JA an, so deckt dieses ausschließlich den Aspekt der Emphase ab. Emphase sollte sich aber aus unabhängigen Aspekten ableiten lassen.19 Wenn man anderseits das einfache Bekanntheitsmerkmal für ja ansetzt, gibt es ähnliche Schwierigkeiten wie mit der Paraphrase (30b). Die Annahme des Merkmals < VERSTÄRKUNG > trägt sicher der Tatsache Rechnung, daß JA auch in Deklarativsätzen und -Interrogativsätzen vorkommen kann. Thurmair (1989, 202) wertet dies als Indiz für die 'Illokutionstypgesteuertheit' der Modalpartikel, da alle diese Vorkommen als 'Aufforderungen' zu interpretieren seien. Dem widerspricht jedoch, daß Verstärkung bei klaren Fällen indirekter Aufforderung nicht möglich ist: (31) a. *Du gehst JA sofort ins Bett. + > Geh ins Bett! b. *Machst du auch JA Platz? -l- > Mach Platz! (Hier ist allenfalls eine Lesart im Sinne eines kontrastiven JA denkbar.) Zudem ergeben sich Schwierigkeiten in puncto Funktionstypsteuerung bezüglich der eingebetteten Fälle, da hier nicht ohne weiteres von einer 'Aufforderung' die Rede sein kann. Problematisch sind aber auch die Voraussetzungen Thurmairs, (a) daß es in J/4-Sätzen immer zwei Akzente gebe, (b) daß von diesen immer nur einer fokussierend sein könne. Sind nämlich Referenten von deiktischen Ausdrücken c-konstruierbar (d.h. situativ präsent) im Sinne Rochemonts (1986), kann nur die Modalpartikel fokussiert sein: (32) a. Laß das JA sein! b. Tu das JA nicht! Dies gilt ebenfalls bei reaktivem Gebrauch, wenn eine mögliche Fokuskonstituente zum Hintergrund zählt und damit c-konstruierbar ist: (33) A: Ich mache meine Hausaufgaben nicht. B: a. *Mach JA deine HAUSaufgaben! b. ?Mach JA deine Hausaufgaben! c. Mach sie JA! Zweiakzentige Muster sind daher typisch für den initiativen Gebrauch.
18 19
Vgl. Bublitz/v.Roncador (1975, 165): "Äußerungen des Typs tu ja X! scheinen außerdem die Annahme des Sprechers zu beinhalten, daß der Hörer gewöhnlich geneigt ist, X nicht zu tun." Im übrigen ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, daß ein Fokus- bzw. Kontrastakzent "emphatisch", z.B. durch besondere Lautstärke, markiert ist.
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Über Mehrfachfokussierung ist noch nicht viel bekannt20; eine Parallele zur Mehrfachfokussierung bei Verberst-Wunschsätzen ist jedoch unübersehbar. Scholz (1991, 191ff.) unterscheidet generell zwischen fokussierenden (+F) und nicht-fokussierenden (-F) Akzenten21; sie führt folgende Fokussierungstypen bei Verberst-Wunschsätzen auf (S. 195f.): (34) a. So oder so mußte er die Sache durchstehen. (_FWÄRE) es wenigstens ein Kampf mit klaren (+FFRONten) gewesen, Leidenschaft und Mitleid sauber abgegrenzt! b. Ach! Wenn doch nicht immer nur die anderen glücklich wären! Wäre (+FICH) doch CpGLÜCKlich)! c. Ich schrieb ihm einen Zettel: "Sag doch was!" (.FHÄTT') ich doch diesen (_FZETtel) nicht geschrieben!22 In dieser Aufstellung ist - aufgrund der kontextuellen Einbettung - die Kombination +F/+F nicht vorgesehen; diese würde man aber für initiative Äußerungen wie (35) benötigen: (35) a. WÄre ich doch MillioNÄR! b. NÄHme er sich doch einen ANwalt! Ebenso können in initiativen Äußerungen wie (30a) beide Akzente als fokussierend angesehen werden. Wie vor allem Höhle (1988, 1992) gezeigt hat, hat die Betonung des fmiten Verbs in manchen Fällen den Effekt, mit einem Bedeutungselement verknüpft zu sein, das die Wahrheit eines Gedankens betrifft. Dieses Phänomen wird von Höhle als 'Verum-Fokus' bezeichnet.23 Möglicherweise liegt ein solcher Fokustyp auch bei (34a) und (34c) vor; denkt man über neue Information nach, die sich mit dem Konjunktiv II verknüpft, könnte sich die von Scholz (1991) vorgenommene Kennzeichnung mit -F eventuell als vorschnell erweisen. Was hier mehr interessiert, ist die Beobachtung, daß Betonung auf dem finiten Verb mit der Betonung von JA alterniert, und zwar in initiativen und reaktiven 7/1-Äußerungen: (36) a. Mach JA deine HAUSaufgaben! b. *MACH JA deine HAUSaufgaben! c. MACH deine HAUSaufgaben!
20 21
22 23
Vgl. dazu die Beobachtungen in Abschnitt 3.4.2 der vorliegenden Arbeit; ferner F6ry (1992) und Uhmann (1991, 196f.,221ff.). Fokussierende Akzente können nach Scholz "normale" fokussierende Akzente, Emphase- oder Kontrastakzente sein, der akzentuierte Ausdruck darf aber nicht kontextuell vorerwähnt sein; nicht fokussierende Akzente sind thematische Akzente, Exklamativakzent und "expressiver" Akzent, bei denen kontextuelle Vorerwähntheit gegeben ist. - Dies ist allerdings eine sehr grobe Klassifikation, die viele Fragen, so die nach dem Verhältnis zwischen Emphase- vs. expressivem Akzent oder nach dem Status des thematischen Akzents, offenläßt. Neben dem Akzent auf dem finiten Verb kann entweder Zettel, oder geschrieben, oder beides akzentuiert sein, jeweils mit dem Merkmal -F. Vgl. die Diskussion in Abschnitt 3.3 und 4.7 der vorliegenden Arbeit.
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(37) A: Ich mache meine Hausaufgaben nicht. B: a. Mach sie JA! b. *MACH sie JA! c. MACH sie! Dies scheint auch für kontrastives JA zu gelten: (38) A: Fritz hat nicht Schnupfen. B: a. Fritz HAT Schnupfen. b. Fritz hat JA Schnupfen. c. *Fritz HAT JA Schnupfen. Daraus kann man schließen, daß beide Elemente, falls betont, einen mindestens in einer Dimension vergleichbaren Bedeutungsbeitrag liefern. Geht man davon aus, daß ein mit der Betonung des finiten Verbs einhergehender Verum-Effekt in V l-Wunsch- und Imperativsätzen die (gewünschte oder geforderte) Realisierbarkeit von p betrifft, dann sollte dies bei der Betonung des JA ebenfalls der Fall sein; dies können wir auch aufgrund der vorangehenden Diskussion bestätigen. Schließlich spricht einiges dafür, daß es sich im Fall (30a)/(36a) um eine sog. Hutkontur (Brückenkontur) handelt (vgl. Fery 1992). Diese läßt sich in einer Reihe von syntaktisch sehr verschiedenen Konstruktionen bzw. Äußerungstypen nachweisen, so bei Alternativfragen, Sprichwörtern, Aufzählungen, Gapping, Out-of-the-blue'-Äußerungen, etc. In den etwa von Wunderlich (1991) betrachteten Fällen werden aber der H*H-Akzent des linken Brückenpfeilers wie auch der L*-Akzent des rechten gleichermaßen als Fokus- bzw. als Kontrastakzente analysiert; nichts spricht also von daher gesehen gegen die Annahme zweier Fokusakzente bei Äußerungen mit initiativem und intentionalem JA. 5.7.2 Wenn man die Idee verfolgt, daß der Akzent auf JA ein Kontrastakzent ist, ist allerdings zu berücksichtigen, daß dieser in bestimmten Kontexten obligatorisch ist. Geht man davon aus, (a) daß es nur e i n e n Lexikoneintrag für die Modalpartikel ja gibt, (b) daß der Kontrastakzent n a c h der lexikalischen Einsetzung zugewiesen wird, dann muß auf jeden Fall gewährleistet sein, (c) daß diese Zuweisung in bestimmten Kontexten automatisch abläuft. Diesen Punkt will ich hier am Verhalten von doch vs. ja in Imperativsätzen noch einmal illustrieren: (39) a. b. c. d.
Komm doch HER! Komm DOCH her! *Komm ja HER! Komm JA her!
146
Während doch in Imperativsätzen akzentuiert sein kann oder nicht24, m u ß ja in Imperativsätzen akzentuiert sein. Ich diskutiere folgende Fälle: (40) Mach JA deine HAUSaufgaben! (41) A: Fritz hat nicht geheiratet. B: Fritz hat JA geheiratet. Die Äußerung (40) ist typischerweise initiativ. Kann man die Typen der Fokus interpretation nach Rochemont (1986) auf (40) anwenden? C-Konstruierbarkeit im Sinne von Rochemont liegt in (40) nicht vor, daher liegt zunächst die Vermutung nahe, daß es sich um präsentativen Fokus handelt. Dies ist ohne Probleme für den Fokus auf Hausaufgaben; bezüglich der Modalpartikel JA möchte ich jedoch an der Auffassung festhalten, daß es sich um einen Kontrastakzent handelt. Die einschlägige Definition von Rochemont (1986)25 scheint hier zunächst schon deshalb keine Anwendung finden zu können, weil diese auf zusammenhängende Diskurse Bezug nimmt.26 Zur Diskursgeschichte von (40) scheint jedoch zu gehören, daß der Sprecher gelinde Zweifel hegt, daß der Adressat beabsichtigt, seine Hausaufgaben zu machen. Dem entspricht die mit (40) typischerweise assoziierte Illokution der Ermahnung. Daher wird durch die Äußerung (40) eine Proposition 'Adressat macht nicht die Hausaufgaben' evoziert, gleich ob diese zu einem früheren Zeitpunkt gegolten hat, gedacht wurde, oder denkbar ist. Gegen diese Proposition ist die Proposition von (40) kontrastiert und JA bewirkt diesen Kontrast.27 Anders liegt der Fall in (41). Hier hat man den Eindruck, daß nicht die negierte Proposition kontrastiert wird wie im Falle des reaktiven DOCH, sondern tatsächlich das Negationselement nicht aus dem Vorgängersatz, so daß der Eindruck einer Korrektursequenz entsteht. Demnach müßte die Definition des kontrastiven Fokus nach Rochemont (1986), die ja
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Wie gesagt, gilt dies ebenfalls für die Modalpartikeln nur und bloß; anders als Thurmair (1989, 103) wäre ich jedoch vorsichtig mit der Annahme, daß bei bloß die Akzentuierung keinen Bedeutungsunterschied ergibt. Hier noch einmal wiederholt: Kontrastiver Fokus (nach Rochemont 1986) An expression P is a Contrastive Focus in a discourse , = {?,,...,?„} if, and only if, (i) P is an expression in ·,, and (ii) if / is the result of extracting from ·,, then P/ -, is directly c-construable, and } is not directly cconstruable. Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen anläßlich der Behandlung von DOCH in Abschnitt 4.7 der vorliegenden Arbeit. Vgl. aber Rochemont (1986, 47): "A string that is prior and readily available in a discourse is one which has been recently uttered in the current and ongoing discourse, or one uttered in a separate discourse event that has taken place at some point in the relatively recent past and is being recalled to the audience's attention by the speaker, who begins the current discourse as a continuation of this prior discourse event." Dies stimmt auch gut mit der folgenden Bemerkung in Culicover/Rochemont (1983, 154) überein: "Given that H seeks a contrastive interpretation, and given that no such proposition has been asserted, it must be either that S believes that what was uttered allows the construction of such a proposition as relevant to the discourse, or that the proposition in question is believed by S to be generally believed."
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zuvörderst auf Korrektursequenzen abhebt, hier problemlos anwendbar sein, was aber ebenfalls auf Schwierigkeiten trifft: Aus 'Fritz hat nicht geheiratet' folgt (im strengen Sinne) nicht 'Fritz hat geheiratet'. Es ist jedoch plausibel anzunehmen, daß 'Fritz hat geheiratet' qua konversationeller Implikatur erschlossen werden kann; dies ist oben unter Berufung auf die Maxime der negativen Uninformativität von Leech (1983) anläßlich der Diskussion von DOCH bereits gezeigt worden (vgl. Abschnitt 4.7). Jedenfalls muß geprüft werden, ob reaktives (assertives) JA tatsächlich Korrekturcharakter hat, indem es nicht die negierte Proposition kontrastiert, sondern das Negationselement selbst. Doherty (1987) hat darauf aufmerksam gemacht, daß die beiden JA unterschiedlich betont werden (vgl. oben Abschnitt 5.4) Dies mag einfach an dem zweigipfligen Akzentmuster bei intentionalem (initiativem) JA liegen, mag aber auch damit zusammenhängen, daß das kontrastive (reaktive) JA einen anderen Akzenttyp aufweist als das intentionale (initiative) JA. In diesem Zusammenhang erweisen sich die Beobachtungen Dietrichs (1990) zu den zwei Typen von Kontrastakzenten als interessant. Der Einfachheit halber gebe ich hier noch einmal kurz seine Ergebnisse wieder (vgl. Abschnitt 3.2.3). Dietrich (1990) geht von der Beobachtung aus, daß sowohl starker Tonfall (H\\T) als auch starker Tonanstieg (T//H) in bestimmten Kontexten Kontrast ausdrücken können. Der erste Typ wird als komplementärer, der zweite als kontradiktorischer Kontrastakzent bezeichnet: (42) a. Typ l, 'komplementär': H\\T Das Zahnrad legst du jetzt an die Breit\\seite der Platte, b. Typ 2, 'kontradiktorisch': T//H Das Zahnrad legst du jetzt an die Breit//sei\te der Platte. Bei Typ l gibt es eine alternative Proposition p', die aus der Sicht des Sprechers beim Hörer gilt; in dieser gibt es mindestens ein Element, welches zu einem Element aus p (der Proposition von (42a)) in Opposition steht. Die Bedeutung und die Struktureigenschaftem von p und p' sollen bis auf das Oppositionselement gleichbleiben. Bezogen auf das Beispiel (42a) wäre p' = 'Adr legt Zahnrad an die (Längs-, Quer-...) Seite'. Demgegenüber drückt der Sprecher von (42a) die Geltung von p aus. Bei Typ 2 gibt es eine alternative Proposition non-p, mit deren Geltung beim Hörer aus der Sicht des Sprechers zu rechnen ist. Diese wäre, bezogen auf (42b), non-p = 'Adr legt Zahnrad nicht an die Breitseite'. Demgegenüber drückt der Sprecher von (42a) die Geltung von p aus. Wir können uns nun fragen, ob bei dem Akzent auf JA (intentional und kontrastiv) ein komplementärer oder kontradiktorischer Kontrast vorliegt. Man könnte vermuten, daß es sich bei kontrastivem JA um den komplementären Typ l-Kontrastakzent handelt:28
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Genaueres müßte eine phonetische Untersuchung ergeben. Problematisch ist z.B., ob eventueller Anstieg plus Fall auf JA dem komplementären Muster noch entsprechen würde.
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(40') A: Fritz ist nicht verheiratet. B: Fritz ist JA\\ verheiratet. Die Bedeutung von ja ist: 'Es ist unkontrovers, daß Fritz verheiratet ist', p' ist im Kontext durch die Äußerung von A vorgegeben: 'Fritz ist nicht verheiratet'. Die beiden Möglichkeiten p = 'Fritz ist verheiratet' und p' sind komplementär. Die opponierenden Elemente wären JA vs. nicht. Für die Annahme, daß JA in (40'B) das Negationselement nicht aus dem Vorgängersatz kontrastiert, spricht, daß bei den folgenden Paaren kontrastives JA unakzeptabel wirkt:29 (43) A: Er hat kein Brot gekauft. B: ?Er hat JA ein Brot gekauft. (44) A: Es kommt niemand. B: ?Es kommt JA einer. (45) A: Das ist unnötig. B: ?Das ist JA nötig. Demgegenüber scheint mir kontrastiertes DOCH (in der gleichen Position) unproblematisch. Beide Modalpartikeln leisten Ähnliches, aber wie es scheint, auf verschiedene Weise, JA lokal und DOCH global. JA ist also deutlich markierter, was vielleicht erklärt, daß diese Fälle nicht immer für akzeptabel gehalten werden. Akzeptiert man die Bewertungen unter (43)-(45) nicht, fällt das wichtigste Indiz für den Korrektur-Kontrast weg; dann ist der Weg frei für eine einheitliche Analyse des reaktiven und kontrastiven JA und DOCH. Bei dem intentionalen JA vermute ich, daß es sich um den kontradiktorischen Typ 2Kontrastakzent handelt. Vergleichen wir den initiativen Standardfall: (46) Mach JA// deine HAUS\aufgaben! Hier ist non-p im weiteren Kontext durch die Äußerung von A vorgegeben: macht die Hausaufgaben nicht.' Warum könnte nicht umgekehrt das intentionale JA komplementär, das reaktive JA dagegen kontradiktorisch sein? Dagegen sprechen vor allem die besprochenen Verhältnisse bei der Intonation und die Negationsdaten. In semantischer Hinsicht würde man zunächst vermuten, daß das reaktive JA kontradiktorisch sein müsse, weil mit seiner Hilfe schließlich ein Widerspruch ausgedrückt wird. Dietrich (1990, 425) stellt denn auch die Hypothese auf, daß der kontradiktorische Kontrastakzent ein Spezialfall des komplementären sei, da mit einem komplementären Kontrast immer ein kontradiktorischer Kontrast impliziert sei; z.B. folge aus der Geltung
29
Vgl. aber folgenden Beleg in Paul (1992, 436), der Waismann, "Wittgenstein und der Wiener Kreis", entnommen ist: (i) Ich habe im ersten Fall kein Spiel, im zweiten Fall aber JA ein Spiel vor mir.
149 von "...Donnerstag..." immer die Geltung von "non-Freitag". Ebenso folgt aus der Verwendung des komplementären reaktiven JA zugleich der kontradiktorische Kontrast zur Vorgängerproposition. Anders als in den Beispielen von Dietrich handelt es sich ja bei kontrastbetonten Modalpartikeln immer nur um zwei Alternativen, die die ganze Alternativenmenge ausschöpfen.30 In bezug auf die diskutierten Verhältnisse scheint es sinnvoll, den kontradiktorischen Akzent als global anzusehen, den komplementären jedoch als lokal. Reaktives DOCH wäre dann als global zu analysieren, reaktives JA als lokal.31 Zu fragen ist nun, ob die Bedeutung von JA in (39)7(46) auf die Bedeutung von ja zurückgeführt werden kann, bzw. welche Teile der Bedeutungsdefinition für ja (vgl. (18)) noch in JA erhalten sind. Am besten orientieren wir unsere Analyse zunächst an den folgenden Beispielpaaren: (47) a. Du sollst ja herkommen, b. Du sollst JA herkommen. (48) a. "Kommst du ja her? b. Kommst du auch JA her? (49) a. *Komm ja her! b. Komm JA her! Was haben die b-Sätze gemeinsam? Offenbar ist hier jeweils ein Zustand p und ein Zustand -p im Spiel: p = 'Adr kommt her' und -p = 'Adr kommt nicht her'. Gemäß der Hypothese von Dietrich (1990) über die allgemeine Bedeutung der Kontrastmarkierung muß der Sprecher mit der Geltung von -p beim Hörer rechnen, selbst aber die Geltung von p ausdrücken. 'Geltung von p1 kann aber in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeuten, als daß der Sprecher will, daß der Hörer den Zustand p herbeiführt. Als nächstes ist zu fragen, was das mit der Bedeutung von ja zu tun hat. Erinnern wir uns daran, daß Lindner (1991) davon ausgeht, daß/a Unkontroversheit von p zu einem bestimmtem Zeitpunkt t bezeichnet. Dabei heißt Unkontroversheit, daß zu t keine Proposition q aktiviert wird, aus der die Falschheit von p folgen würde. Zwar ist in (18) ganz allgemein von IT ('illocution type') die Rede32,
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Wenn die Vermutung Dietrichs (1990, 425), daß der kontradiktorische Kontrastakzent ein Spezialfall des komplementären Kontrastakzents sei, richtig ist, dann kann man ihm zufolge für den kontradiktorischen Kontrastakzent im Prinzip auch eine fallende Kontur (allerdings mit veränderter Bedeutung) erwarten.- Der einzige Kontext, den ich mir für einen solchen Fall vorstellen kann, ist folgender: A: Ich MACHE meine Hausaufgaben nicht! B: Mach JA\\ deine Hausaufgaben, sonst knallt's! Der Bezug des reaktiven JA auf die alternative Proposition wäre dann also sowohl direkt, durch Bezug auf das opponierende Negationselement, als auch indirekt, durch den Bezug auf die Proposition p, die p" (= -p) kontrastiert, gegeben. Wie wir wissen, entspricht 'Illokutionstyp' (im Rahmen der sog. Illokutionssemantik Dietmar Zaefferers, auf dessen Arbeiten sich Lindner stützt, vgl. auch Jacobs 1991a) ungefähr dem, was bei Altmann (1987) der Satzmodus, bei Doherty (1987) der Einstellungsmodus ist.
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aber gemeint sind Deklarativsätze oder Exklamativsätze, die ja einen wahrheitsbewertungsfähigen propositionalen Bestandteil haben. Wir können nun folgende Analysen für/a und JA ansetzen ('Sprecher' ist zu relativieren auf 'Einstellungsträger', wie die Nebensatzfälle zeigen): (50) Der Sprecher nimmt an, daß es unkontrovers ist, daß p. (51) Der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p. Diese Paraphrasen sind jeweils dreigliedrig: Sie enthalten einen Einstellungsausdruck, das gemeinsame Bedeutungselement 'Unkontroversheit', sowie die kontrastierende Proposition (wahr oder zu erfüllend). Wir müssen nun fragen, warum JA mit der Bedeutung (51) auch in Deklarativsätzen und -Interrogativsätzen vorkommen kann. Zu beobachten ist zunächst, daß dies nur in Verbindung mit anderen lexikalischen Elementen möglich ist, nämlich den Modalverben in (47b) und der Kombination mit auch in (48b). Von diesen Elementen ist anzunehmen, daß sie die intentionale Interpretation stützen; gleiches gilt für die Nebensatztypen. Für (47b) ergibt sich dann die folgende informelle Paraphrase (sollen hat hier die nichtepistemische Lesart): (47b') Spr nimmt an, daß Adr verpflichtet ist, an den Sprecherort zu kommen & Spr will, daß es unkontrovers ist, daß Adr verpflichtet ist, an den Sprecherort zu kommen. Die Einsetzung der Paraphrase für ja klappt auch im Fall (47a), wie man sich leicht überzeugen kann. Für auch in -Interrogativsätzen kann man mit Thurmair (1989, 157f.) die Bedeutung < ERWARTET > < KONNEX > < ERWÜNSCHT > s ansetzen: Das heißt, daß der Sprecher die Gültigkeit von p erwartet und eine Verbindung zu einer anderen Proposition q herstellt, wobei p vom Sprecher erwünscht ist. Falls diese Beschreibung korrekt ist, läßt sie sich problemlos in die folgende Paraphrase einbringen: (48b') Spr will wissen, ob Adr an den Sprecherort kommt & Spr will, daß es unkontrovers ist, daß Adr an den Sprecherort kommt. Wiederum ist deutlich, daßy'a in (48a) ausgeschlossen ist, weil die Paraphrase in (50) nicht mit der Satzmodusbedeutung harmoniert. Schließlich der Fall (49b), an dem die Übereinstimmung der durch den Satzmodus und durch die Modalpartikel transportierten Willenseinstellung deutlich wird: (49b') Spr will, daß Adr an den Sprecherort kommt & Spr will, daß es unkontrovers ist, daß Adr an den Sprecherort kommt. Es ist nun auch klar, warum der Fall (49a) ausgeschlossen ist. In Imperativsätzen kann der Sprecher nicht von der Geltung von p ausgehen, weil p ja erst realisiert werden soll.
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Daß eine solche einstellungsbezogene Analyse plausibel ist, zeigen auch Beobachtungen an rhetorischen Sprechakten: (a)
In rhetorischen Aufforderungen ist JA nicht möglich.
(52) a. Frag mich *JA was Leichteres. b. Zeigen Sie mir *JA den Journalisten, der Gehaltseinbußen hinnimmt, um einem der vielen hundert Bewerber den Weg in eine Redaktion zu ebnen. In diesem Fall will der Sprecher nicht, daß p als unkontrovers gilt. (b) Rhetorische W-Fragen wie die folgende scheinen dagegen möglich zu sein: (53) a. Wer +> b. Wer +>
will nur JA immer als Erster das Bad benutzen? 'Nastassja.' will nur JA nicht als Yuppie gelten? 'Norbert.'
In diesen Fällen gilt, daß ein Einstellungsträger (der nicht mit dem Sprecher identisch ist) will, daß p unkontrovers ist. Der Ausschluß der negativen Implikatur ist ebenfalls darauf zurückzuführen, denn wenn ein Einstellungsträger will, daß p unkontrovers ist, impliziert dies, d a ß es einen Träger der Einstellung gibt. Eine Bezugnahme auf emotionale Bewertung in der Bedeutungsbeschreibung für intentionales JA wie bei Doherty (1987) ist also gänzlich überflüssig; es genügt, daß der Sprecher einen künftigen Sachverhalt gegenüber einem anderen präferiert und seine Äußerung als ein Mittel zu verstehen ist, den präferierten Zustand zu erreichen. Für das kontrastive (reaktive) JA in Fällen wie (40) erweist sich die Bedeutungsangabe in (51) ebenfalls als adäquat. Da er der Vorgängerproposition widerspricht, kann der Sprecher nicht annehmen, daß es unkontrovers ist, daß p. Vielmehr bringt er seinen Willen zum Ausdruck, daß es unkontrovers ist, daß p. Wenn sich diese Analyse als zutreffend erweisen sollte, ist gezeigt, daß die Bedeutung vony'ö immer noch die Grundlage von JA ist, weil das Element der Unkontroversheit von p erhalten bleibt. Wünschenswert ist nun eine Analyse, die eine einheitliche Semantik füry'ü annimmt, so daß die unterschiedliche Bedeutung von JA zur Gänze auf die Wirkung des Kontrastakzents zurückgeführt werden könnte. Man hätte dann nicht nur den Bedeutungszusammenhang zwischen den beiden Formen ja und JA rekonstruiert, sondern man könnte auf der Ebene des Lexikoneintrags von ihrer Identität ausgehen. Damit komme ich auf die Frage zurück, unter welchen Bedingungen ja Kontrastakzent erhalten muß. Betrachten wir zunächst die Situation für unakzentuiertes ja; dieses wird immer dann gebraucht, wenn es gilt, daß der Sprecher annimmt, daß es unkontrovers ist, daß p. In dieser Situation kann es nicht zugleich der Fall sein, daß der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p. Wenn also JA einen Kontrastakzent erhält, muß die Situation so
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sein, daß es eine kontrastierende Proposition non-p im Kontext gibt, so daß es Sinn macht, zu sagen, daß der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p.33 Der für die Realisierung von Willenseinstellungen bzw. illokutionären Akten des Aufforderns prototypische Satztyp ist sicherlich der Imperativsatz. Daß gerade die Modalpartikel ja im Imperativsatz akzentuiert werden muß, ist daher zu erwarten. Bemerkenswert ist, daß der Kontrastakzent auf JA es erlaubt, die kontrastierte Proposition auch dann hervorzuheben, wenn sie nicht wie beim Imperativsatz schon durch den Satzmodus mitgeliefert wird. Dies muß allerdings durch zusätzliche modale Mittel abgesichert sein. 5.7.3 Zu erklären sind nun noch die von Thurmair (1991a) erwähnten Kombinationsdaten. Ich glaube, daß sie keine Schwierigkeiten bereiten, wenn man nachweisen kann, daß die Bedeutung von ruhig, mal, eben semantisch unverträglich mit der Bedeutung von JA ist. Auf der anderen Seite ist die Kombinierbarkeit vony'a und JA dann auch kein Problem mehr. Die einzig zulässige Abfolge auch JA mag mit der Notwendigkeit des Ausschlusses der eventuell entstehenden Gradpartikel-Ambiguität in Imperativsätzen zu tun haben.
5.8 Konzeptuelle Verschiebung und konzeptuelle Struktur Eine meiner Grundannahmen war, daß Modalpartikeln eine wörtliche Bedeutung haben. Diese scheint abstrakt zu sein in dem Sinne, daß es einen unverzichtbaren, nicht mehr weiter reduzierbaren Bedeutungskern gibt, der in Interaktion mit weiteren grammatischen und pragmatischen Faktoren jene feineren Bedeutungsnuancen ergibt, die man oft mit den konkreten "Funktionen" von Modalpartikeln identifiziert hat. Die Frage liegt nun nahe, wie die in dieser semantischen Untersuchung erzielten Ergebnisse in eine umfassende Theorie der Sprache und ihrer Verwendung eingeordnet werden können. Mir scheint es möglich, einschlägige Überlegungen der 'Zwei-Ebenen-Semantik' Manfred Bierwischs (vgl. Bierwisch 1983a, Bierwisch/Schreuder 1992) auf die Modalpartikel-Analyse zu übertragen. Wie in Abschnitt 1.3.1 der vorliegenden Arbeit dargestellt, basiert die ZweiEbenen-Semantik auf der Unterscheidung zwischen einer Ebene der Semantischen Form (SF) und einer Ebene der Konzeptuellen Struktur (CS). Die SF eines Lexems enthält all jene Information, die die Repräsentation der wörtlichen Bedeutung komplexer Ausdrücke beiträgt. Diese Information wird traditionell als propositionale Information aufgefaßt. Die SF ist dekomponierbar in primitive semantische Elemente, die zwar einen stabilen Bedeutungsbeitrag liefern, aber ihrerseits konzeptuell interpretiert werden.
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Eine direkte Bezugnahme auf den Illokutionstyp 'Aufforderung' und mit diesem verknüpfte Glückensbedingungen würde die These Thurmairs (1989, 202) von der Illokutionstypgesteuertheit nahelegen, vgl. oben Abschnitt 5.7.1. Dagegen sprechen vor allem (a) die Fälle des reaktiven kontrastiven JA und (b) die eingebetteten Fälle, bei denen ein Bezug zum Illokutionstyp 'Aufforderung' kaum herzustellen ist.
153 Die CS eines Lexems umfaßt dagegen jene Bedeutungsaspekte, die bei der aktuellen Bedeutung eines Lexems virulent werden. Sie stützt sich dabei auf die SF, fügt aber Informationen, die sich aus enzyklopädischem Wissen sowie Wissen über den vorangehenden Diskurs und die Situation einer Äußerung ergeben, hinzu. Im Vorangehenden habe ich dafür plädiert, von der semantischen Identität von jalJA auszugehen, das heißt, daß es nur einen Lexikoneintrag mit einer semantischen Charakterisierung gibt. Die unterschiedlichen Bedeutungen für ja vs. JA, die sich im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie dem Satzmodus, Modalverben und Modalpartikeln manifestieren, müssen dann auf einer anderen Ebene liegen. Betrachten wir vor diesem Hintergrund nun noch einmal die Bedeutungsangabe (18) sowie die Paraphrasen (SOViSl).34 Wenn wir SF (ja) mit 'Unkontroversheit von p1 identifizieren, liegt es nahe, die kontext- und situationsabhängigen Paraphrasen in (50)/(51) als CS-Interpretationen aufzufassen. Im folgenden möchte ich diskutieren, ob das von Bierwisch (1983a) entwickelte Modell der konzeptuellen Verschiebung, das als maßgebliches Argument für die Trennung von SF und CS gilt, auf die Analyse von Modalpartikeln übertragen werden kann. Dabei nehme ich an, daß die für die Bedeutung von Modalpartikeln maßgeblichen Konzepte Einstellungen sind (vgl. Abschnitt 1.3.2). Zu fragen ist nun, ob sich die bei Bierwisch (1983a) diskutierten Lösungsvorschläge auf den Fall vonja/JA übertragen lassen. Wir gehen mit Bierwisch (1983a, 81) davon aus, daß die semantische Eintragung SEM einer lexikalischen Einheit LE eine Familie von konzeptuellen Einheiten determiniert, die mögliche Interpretationen für SEM sind. Zunächst zum Lösungsvorschlag A, der hier wiedergegeben sei: 1. 2.
Für jede Lexikoneinheit LE ist SEM (...) identisch mit der voll spezifizierten konzeptuellen Repräsentation seiner primären Interpretationsvariante. Es gibt eine Menge F' = (f,, f 2 ,...) von Funktionen, die SEM in abgeleitete Konzepte abbilden.
Der erste Punkt zwingt uns, eine primäre Interpretationsvariante anzusetzen. Wir entscheiden uns für diejenige Variante, die mit dem assertiven y'ö vorliegt : (54)
[ ANN -3q [q -» -p]] : p
(ANN ist ein Prädikat für die Einstellung des Annehmens; der Doppelpunkt gibt an, daß der Teil der SF in eckigen Klammern eine Vorbedingung für die Anwendbarkeit des Rests der Formel ist.) Die Formel (54) ist informell zu verstehen als: 'Diejenigen Propositionen p mit
34
Hier noch einmal wiederholt: (18) Bedeutung der Modalpartikel ja nach Lindner (1991, 178): "(It is necessary that) If the speaker usesya in an illocution type IT referring to a proposition p, then s/he assumes at the time of speaking t that it is not the case that there is a proposition q in the set of propositions activated at t such that p is not true." (50) Der Sprecher nimmt an, daß es unkontrovers ist, daß p. (51) Der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p.
154 der Eigenschaft, daß ein Sprecher annimmt, es gibt keine Proposition q, so daß gilt, aus q folgt -p'; (54) ist also eine formale Darstellung von (51). Wir benötigen nun eine Funktion F', die (54) in die intentionale Variante überführt. Damit würden wir jedoch die Ebenen vermischen, denn diese Funktion müßte so beschaffen sein, daß sie das semantische Einstellungsprädikat ANN in die rein konzeptuelle Größe WILL überführen kann. Darüber hinaus gilt auch das typische Problem des Lösungsvorschlags A, wie die primäre Variante zu legitimieren ist. Ich denke nicht, daß z.B. ANN in irgendeinem Sinne ein grundlegenderes Einstellungskonzept ist als WILL. Probieren wir es daher mit dem Lösungsvorschlag B: 1. 2.
Für jede Lexikoneinheit LE determiniert SEM [...] alle und nur die in allen nichtmetaphorischen Varianten auftretenden konzeptuellen Einheiten. Es gibt eine Menge F" von konzeptuellen Schemata, auf Grund deren SEM in voll spezifizierte Konzepte überführt wird.
Gemäß dem ersten Punkt können wir nun für SEM folgende Repräsentation annehmen: (55) SEM von ja/JA [-3q [q -» -p]] : p Wir benötigen nun zwei konzeptuelle Schemata, die (55) in assertives und intentionalesya/yx überführen: (56) a. F^iSEM) -» (50): ja b. F^iSEM)- (51): JA Einstellungen spielen damit auf der Ebene von SEM nur indirekt eine Rolle, insofern es natürlich für einen Einstellungsträger unkontrovers sein muß, daß p. Die eigentlichen konzeptuellen Schemata im Sinne von Einstellungen des Einstellungsträgers werden jedoch erst auf der Ebene der Äußerungsbedeutung aufgerufen. Als Vorteile dieses Lösungswegs sieht Bierwisch, daß keine primären Interpretationsvarianten bestimmt werden müssen, und daß auf eine Ableitung der nicht-primären Konzepte verzichtet werden kann. Mit der Wahl des Lösungsvorschlags B ergeben sich jedoch einige Probleme: (a) Die semantische Form für jalJA, wie in (55) dargestellt, nimmt nicht direkt auf Einstellungen eines Einstellungsträgers Bezug. Dies müßte aber der Fall sein, da Modalpartikeln bekanntlich keinen Bedeutungsbeitrag zur (wahrheitsbewertungsfähigen) Proposition leisten. Wenn man dagegen die alternative Behauptung vertreten würe, Modalpartikeln hätten keine SF und Bedeutungsangaben wie (18), (50) und (51) seien rein konzeptuell, verschenkt man die Möglichkeit der Dekomposition von (50)/(51) bzw. der Herleitung einzelner Bedeutungsbestandteile aus den beteiligten Faktoren. Die Fragestellung erinnert an den Disput zwischen solchen Satzmodustheoretikern, die den Satzmodus als einen Einstellungstyp sehen, der in der SF als Einstellungsoperator wie-
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dergegeben wird (z.B. Altmann 1987, Jacobs 1991b, Pasch 1989a,b), und der Gegenposition (z.B. Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992, Rehbock 1991), derzufolge der Satzmodus eine Art von Referenztypspezifizierung ist (also zureichend durch propositionale Information beschrieben werden kann), und daß Satzmodusoperatoren ohne Bezug auf Einstellungstypen zu deuten sind. Auf die Argumente für die eine oder andere Position kann ich hier nicht eingehen; ich denke jedoch, daß der von Jacobs (1991b) hervorgehobene Gesichtspunkt, daß Einstellungsoperatoren wie z.B. OFFEN nur dann Sinn machen, wenn sie so gedeutet werden, daß eine Proposition für j e m a n d e n offen ist, auch in unserem Fall gültig ist.35 'Unkontroversheit von p' gilt immer für einen bestimmten Einstellungsträger. Auf der anderen Seite spricht prinzipiell nichts dagegen, daß ein Einstellungskonzept wie 'Unkontroversheit von p' in die SF eingeht; empirischen Zugang zu SEM hat man nur von der konzeptuellen Seite her. Das Problem scheint jedoch zumindest milderbar zu sein, wenn man sich die Kritik von Herweg/Maienborn (1992) an der Analyse von Schule durch Bierwisch vor Augen führt. Sie machen darauf aufmerksam, daß bei Bierwischs SF-Angabe von Schule innerhalb des Sprachsystems keinerlei Indiz für die mögliche konzeptuelle Ausfaltung vorhanden ist. Demgegenüber schlagen sie vor, für Schule eine semantische Repräsentation SR anzunehmen, die eine Funktionsvariable enthält: (57) SR von Schule: Xx[SCHULE| < funktionsvariable > | x] Die Funktionsvariable bezieht sich auf einen bestimmten konzeptuellen Rahmen 'gesellschaftliche Institution' für Schule, der "als Bezugspunkt des gesamten Konglomerats von Bedeutungen, die im Bereich gesellschaftlicher Institutionen auftreten" dient (S. 19).36 Tritt Schule im Kontext von (58) Die Schule wurde abgerissen. auf, ist es Argument des Verbs abreißen, welches die Sortenanforderung 'materielles Objekt' stellt. Innerhalb des konzeptuellen Rahmens von Schule ist damit der sog. Lokationsmerkmalspfad kompatibel, so daß für die Funktionvariable das Konzept GEBÄUDE eingesetzt werden kann. Während ich gegen die Repräsentation (57) einwenden würde, daß hier gar nicht mehr ersichtlich ist, was die Semantik von Schule eigentlich ausmacht (bei Bierwisch war immerhin noch davon die Rede, daß der Zweck einer Schule Lehr- und Lernprozesse sind), halte ich den Hinweis auf ein fehlendes Indiz für die mögliche konzeptuelle Verschiebung (bzw. Ausfaltung in Form einer Konzeptfamilie) für berechtigt. Man benötigt es einfach deshalb,
35 36
Vgl. zur Deutung des OFFEN-Operators vor allem Brandt/Rosengren/Zimmermann (1989), Rehbock (1991), Jacobs (1991b). Dieser konzeptuelle Rahmen habe die Form eines "merkmalsbasierten Wissensrepräsentationsformalismus mit einem Subsumptionsalgorithmus für eine Sortenhierarchie" (S. 19), vgl. das Schema ebd.
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weil es z.B. Modalpartikeln geben mag, in deren konzeptuellen Rahmen nicht ein Bereich von Konzepten - seien es nun Einstellungskonzepte oder etwa emotionale Konzepte vorhanden ist, sondern wo SF mit genau einem Konzept identisch ist. Ein solcher Hinweis sollte auch (55) beigefügt werden, wie immer man das auch technisch realisieren will; dann würde folgen, daß bei diesem Lexem mit einem bestimmten Bereich konzeptueller Strukturen zu rechnen ist, und daß die Paraphrasen für die entsprechenden konzeptuellen Strukturen immer so zu verstehen sind, daß es sich um Einstellungen eines kontextuell festzulegenden Einstellungsträgers handeln muß. In der Terminologie von Herweg/Maienborn gesprochen, wäre die SF von ja/'JA "transparent" für die relevanten konzeptuellen Strukturen. (b) Was im konzeptuellen Schema (56b) unausgedrückt bleibt, ist, wie die gewünschte konzeptuelle Struktur vom Typ (51) mit der Realisierung des Kontrastakzents zusammenhängt. Wie wir gesehen haben, ist umstritten, auf welcher Strukturebene einem Lexem Fokusmerkmale zugewiesen werden (z.B. D-Struktur, S-Struktur, Kontrastmodul bei Wunderlich 1991a) und in welchem Modul die Interpretation von Fokusakzenten zu lokalisieren ist. (Wir sind davon ausgegangen, daß die Interpretation in einem weiteren Sinne pragmatisch ist, weil sie Informationen über die Äußerungssituation benötigt.) Wir können nun folgendes Szenario entwickeln: Im Lexikon gibt es einen Lexikoneintrag für ja, der u.a. SEM von ja spezifiziert. Die Modalpartikel wird in eine syntaktische Struktur eingesetzt, möglicherweise in eine basisgenerierte Adjunktsposition. Auf einer späteren Stufe der Ableitung können der Modalpartikel Fokus- bzw. Prominenzmerkmale und ihnen korrespondierende Akzenttöne zugewiesen werden (letzteres ist Aufgabe der Phonetischen Form). Wenn das Fokusmerkmal nicht zugewiesen wurde, tritt das konzeptuelle Schema (51) in Kraft; wenn es zugewiesen wurde, tritt das konzeptuelle Schema (52) in Kraft. Ebenfalls auf der Ebene der konzeptuellen Struktur wird die Suche nach einer kontrastierenden Proposition aktiviert, die durch die Interpretation des Kontrastakzents ausgelöst wird und bei der der Kontext und die in der Äußerungssituation relevanten Informationen eine Rolle spielen, wie wir insbesondere auch bei der unterschiedlichen Auslegung des Kontrastakzents als komplementär vs. kontradikorisch gesehen haben. Zusätzlich spielen noch pragmatische Prozesse, z.B. der Sprechakttypenzuweisung oder der Implikatur eine Rolle, von deren Behandlung ich im Rahmen dieser Arbeit weitgehend absehe. (c) In bisherigen Untersuchungen zum Verhältnis von SF zu CS hat man meist die Perspektive der 'Interpretation' eingenommen, das heißt die Frage gestellt, wie SF auf CS abgebildet werden kann. Wie Bierwisch/Schreuder (1992) zeigen, ist jedoch auch die Frage der 'Verbalisierung', d.h. der Abbildung der CS auf SF, von Bedeutung. So wäre zu untersuchen, welches Konzept ein Sprecher im Sinn hat, wenn er die Modalpartikel ja aus seinem mentalen Lexikon auswählt, mit Kontrastakzent versieht, und passend in einen Diskurs einbettet. In einer Kritik des Sprachproduktionsmodells von Bierwisch/Schreuder (1992) machen Herweg/Maienborn (1992, 8) darauf aufmerksam, daß dem Kontext et im Modell von Bierwisch/Schreuder keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. In ihrem eigenen
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Modell stehen dagegen die Kontextkomponente CT und die Komponente der konzeptuellen Struktur CS gleichgewichtig nebeneinander. Der Prozeß der Verbal is ierung geht von der konzeptuellen Wissensbasis CKB aus, und durchläuft dann die Konzeptualisierungskomponente CPTL. Deren Ausgabestruktur wird dann durch die konzeptuellen Eingabestrukturen CT und CS verarbeitet, die ihre Ausgabe an die Formulierungskomponente FML weiterreichen, wo zunächst die semantische Kodierung (unter Verwendung von Informationen aus dem Lexikon), sodann die syntaktisch-phonetische Strukturierung (nach Maßgabe der Grammatik) vorgenommen wird. Ausgabe der Komponente FML ist eine semantisch, syntaktisch und phonetisch spezifizierte Struktur. (Von der Interpretationskomponente INT, der bei der Sprachproduktion eine Monitorfunktion zukommt, sehe ich hier ab.) Ich denke nun, daß Modalpartikeln generell die Richtigkeit des Ansatzes, zwei Eingabestrukturen für den semantischen Kodierer anzusetzen, zeigen. Anders als Herweg/ Maienborn würde ich jedoch nicht die Aufgabe von CS auf die kontextabhängige Repräsentation des propositionalen Gehalts beschränken. Vielmehr muß CS auch die Repräsentation der Einstellung zu einem solchen propositionalen Gehalt umfassen. Diese Einstellung ist allerdings abhängig von CT, die eine auf CS abgestimmte A u s w a h l des sprachlichen Kontexts und des für die Äußerungssituation relevanten Wissens darstellt. Das generell verfügbare Wissen hinsichtlich der Repräsentation des Vortextes der Äußerungssituation, des enzyklopädischen Fakten- und Regelwissens und des episodischen Wissens ist in CKB gespeichert. Das Sprachproduktionsszenario für die Verwendung der intentionalen Modalpartikel JA kann dann wie folgt aussehen: (a) CKB enthält (i) Wissen darüber, daß Peter seine Hausaufgaben mehrere Male nicht gemacht hat, (ii) daß sich der Lehrer darüber beschwert hat, (iii) daß sich Peter schon einmal geweigert hat, seine Hausaufgaben zu machen, (iv) daß Peter wieder Hausaufgaben aufhat, usw. (b) CPTL erarbeitet eine "vorsprachliehe konzeptuelle Struktur" im Sinne von Levelt (1989). (c) Diese wird in CS in die Proposition p = 'daß Peter zu einem Zeitpunkt nach dem Sprechzeitpunkt seine Hausaufgaben macht' und ein zugeordnetes konzeptuelles Schema 'Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p" umgesetzt. (d) CT stellt den relevanten Anteil aus CKB zur Verfügung. Es gibt keine Information über einen Vortext von Peter (das heißt, die geplante Äußerung ist nicht reaktiv). Wie oben gesagt, muß die Repräsentation des Äußerungskontextes aber auch beinhalten, daß es in CKB eine kontrastierende Proposition non-p gibt, so daß es sinnvoll ist zu sagen, daß der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p. Wenn es z.B. der Fall wäre, daß der Sprecher annimmt, daß es unkontrovers ist, daß p, verbietet sich die Setzung eines Kontrastakzents von selbst. (e) Bei der semantischen Kodierung werden CT und CS gleichermaßen berücksichtigt. Das konzeptuelle Schema 'Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p' kann durch die Modalpartikel ja realisiert werden. Dies ist mit der Information aus CT kompatibel; die
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CT-Repräsentation verlangt im übrigen die Realisierung eines Fokusakzents auf der Partikel. Man beachte, daß es keinerlei Information in dem betreffenden Lexikoneintrag über die Akzentuierbarkeit der Partikel gibt, sondern daß dies aus CT-Repräsentationen abgeleitet wird. Die Selektion eines passenden Satzmodus bzw. von erforderlichen Modalverben und Modalpartikeln ist ebenfalls eine Sache der semantischen Kodierung. Die syntaktisch-phonetische Kodierung realisiert dann schließlich die Fokus- und Prominenzzuweisung bzw. die Akzenttonzuweisung. Es muß nicht eigens betont werden, daß dies nur eine erste Skizze sein kann; die Integration der Kontextrepräsentation, der konzeptuellen Struktur und der Fokus-HintergrundGliederung steht noch am Anfang. Kontrastakzentuierte Modalpartikeln scheinen jedoch sprachliche Mittel zu sein, die in besonders anspruchsvoller Weise diese Domänen verknüpfen.
5.9 Zur Entwicklung \onja und JA im Fnhd. Vor dem beschriebenen synchronen Hintergrund möchte ich nun untersuchen, wie sich JA entwickelt hat, und wie diese Ergebnisse in Theorien der Grammatikalisierung interpretiert werden können. Die meines Wissens einzigen einschlägigen Untersuchungen zur Sprachgeschichte der Modalpartikel ja liegen von Hentschel (1986a) und Opalka (1979) vor.37 Opalka (1979) referiert einige Daten zum got. jaljai, ordnet sie aber vorschnell in seine am Nhd. entwikkelte Typologie von pragmatischen Redesignalen ein. Auch die Untersuchung von Hentschel (1986a) gelangt über die Aufzählung und Interpretation von Belegen nicht wesentlich hinaus. So bleibt z.B. offen, wie es kommen kann, daß jaljai im Got. und Mhd. vokativisch auftreten, während dieser Gebrauch im Ahd. fehlt, dort aber im Gegensatz zum Got. und Mhd. ja als Partikel in Entscheidungsfragen mit positiver Tendenz auftritt. Im Mhd. liegen nach Hentschel (1986a, 106ff.) folgende Partikelarten vor: (a) Antwort->o, vgl. (59), (b) Vokativpartikel70, vgl. (60), (c) komparativisches oder emphatisches ja, vgl. (61),
(d) assertives ja, vgl. (62).
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Einige Bemerkungen finden sich auch in DWb und in Behaghel (1928, , 195f.). Die Arbeiten von Abraham (1990, 1991b) stützen sich hinsichtlich der Datenerhebung völlig auf Hentschel (1986a). - Der Nachweis von Wauchope (1991) ist mir leider erst bei der Schlußredaktion gelungen, so daß diese Arbeit hier nicht mehr berücksichtigt werden konnte.
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(59) Heinrich von Morungen, Minnesangs Frühling 137, 21 sprichest immer neinä nein neinä neinä neinä nein daz brichet mir min herze entzwein mäht du doch etswan sprechen ja? ja ja ja ja ja ja ja ja ('du sagst immer nein, nein, nein, nein, nein, das bricht mir mein Herz entzwei. Vermöchtest du doch einmal, ja zu sagen, ja ja ja ja ja ja ja ja?') (60) Nibelungenlied 930, l ja ir boesen zagen (Oh ihr üblen Feiglinge') (61) Minnesangs Frühling 175,31 waz ich guoter rede hän verlor n! ja die besten die ie man gesprach. ('Was habe ich an guter Rede vertan! Ja (sogar) die beste, die je ein Mann gesprochen hat.') (62) Minnesangs Frühling 202,3 des enwil ich nimmer wibe mer getruwen einen tac. waz red ich? ja sint si guot. ('Deshalb will ich niemals mehr einem Weib (auch nur) einen Tag lang vertrauen. Was rede ich? Sie sind ja gut.') Damit kann für das Mhd. folgendes festgehalten werden (vgl. auch Abraham 1990, 134f.): Von einer Modalpartikel im heutigen Sinne kann nicht ausgegangen werden, da Mhd. ja nur im Vorfeld auftritt, vgl. (60). Hinzu kommt, daß Hentschel (1986a) für das Mhd. keinen Beleg für intentionales und exklamatives jalJA gefunden hat. Als Quellen der Entwicklung hin zur Modalpartikel kommen also die erwähnten vier Gebrauchsweisen in Betracht. Hentschel (1986a, 109) macht auf einen Beleg aufmerksam, in dem sie "eine Zwischenstufe" zwischen Mhd. ja in (62) und dem intentionalen JA vermutet: (63) Minnesangs Frühling 97, 31 minen rät ich nieman hil: ja sun wir nicht verzagen. ('Meinen Rat verhehle ich niemandem: wir sollen ja nicht verzagen.') Zur Begründung führt sie an, daß die Funktion der Partikel "zur Verstärkung oder Bekräftigung der im Satz geäußerten Aufforderung dient." (109) Dieser Effekt könnte jedoch auch
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aus dem Modalverb herrühren, denn Mittelfeldstellung und Akzent fehlen in diesem Beleg. Insgesamt lassen sich aus diesen Befunden kaum Hypothesen über die Richtung des semantischen Wandels bezüglich JA ableiten. Genaueres ist nur von einer Untersuchung der Verhältnisse im Fnhd. zu erwarten. Soweit mir bekannt, gibt es dazu keinerlei Vorarbeiten.38 Als ersten Schritt in diese Richtung habe ich folgende Texte ausgewertet: (a)
Reichmann, O./Wegera, K.-P. (1988), eds. Frühneuhochdeutsches Lesebuch. Tübingen: Niemeyer. (b) Luthers Fabeln nach seiner Handschrift und den Drucken. Neubearbeitet von Ernst Thiele. Halle a.S.: Niemeyer, 2. Aufl. 1911. (c) Adam Puschmann, Gründlicher Bericht des deutschen Meistergesangs. Erste Auflage (1571). Hg. von Richard Jonas. Halle a.S.: Niemeyer, 1911. (d) Martin Opitz, Buch von der deutschen Poeterei. Abdruck der ersten Ausgabe (1624). Vierter Druck. Halle a.S.: Niemeyer, 1913. (e) Relation 1609, Aviso 1609, Postzeitung 1667, Relation 1667.39 Insgesamt finden sich in diesen Texten 97 y'ö-Belege.- Als methodologische Schwierigkeit muß man sich stets vergegenwärtigen, (a) daß sich die Betonung einer Partikel anhand schriftlicher Quellen im allgemeinen nicht feststellen läßt, (b) daß das seltene Vorkommen von Exklamativsätzen und Imperativsätzen in schriftlichen Quellen die Suche nach exklamativem und intentionalem ja/JA erschwert. Wir müssen nun prüfen, (a) ob sichy'a-Belege im Mittelfeld finden lassen, die als Modalpartikeln gelten können, und (b), ob sich Kandidaten für JA plausibel auf die Modalpartikel ja oder eher auf andere y'a-Typen zurückführen lassen. Zunächst muß man sich vor Augen halten, daß die Unterschiede zwischen den Partikeltypen (b) - (d) bei Hentschel (1986a) rein semantisch-pragmatischer Art sind (vgl. auch die Typologien in DWb und bei Behaghel 1928, III, 195ff.); syntaktisch handelt es sich nach Hentschel (1986a) immer um Vorfeld-Vorkommen.40 Solche Fälle bilden die Majorität in
38
39
40
Die Arbeit von Schildt (1992) kann man dazu nicht rechnen. Hier werden zwar u.a. auchja-Belege aufgeführt, aber ihr Augenmerk liegt deutlich auf Aspekten der Textdistribution. Fragen der Kategorisierung werden nicht beachtet (z.B. werden unter dem Begriff 'Modalwort' Modalpartikeln und Satzadverbien zusammengefaßt), die Syntax spielt keine Rolle, die semantisch-pragmatische Einteilung in Modal Wörter, die (a) das Verhältnis zur Realität der Aussage ausdrücken (u.zw. vermutende, verstärkende, bejahende und verneinende), (b) ein emotionales Verhältnis des Sprechers zur Aussage ausdrücken, (c) das Verhältnis des Sprechers zur Form der Aussage ausdrücken (u.zw. summierende und begründende) wirkt ad hoc. Schließlich werden die eigentlichen Grammatikalisierungsprobleme gar nicht berührt. Für Einblick in die Computerausdrucke des DGF-Projekts "Entstehung und Entwicklung der Zeitungssprache um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert" (Projektleitung: Bucher, Fritz, Muckenhaupt, Straßner) danke ich Ulrike Demske-Neumann. Dies sollte präzisiert werden zu "Vorkommen vor dem finiten Verb bei Verbzweitstellung", siehe die folgende Diskussion. Zur Anwendbarkeit der Felderlehre auf die Verhältnisse im Fnhd. vgl. Ebert (1986, 101 ff.).
161
meinem Korpus; sie mögen hier anhand von Belegen aus Luthers Fabeln und aus Opitz' Buch von der deutschen Poeterei illustriert werden: (64) (...) sonst wo(e)llen oder ko(e)nnen sie, von keinem Weisen die Warheit leiden, Ja alle Welt hasset die Warheit, wenn sie einen trifft. (Luthers Fabeln, S. 19) (65) (...) Der Wolff sprach, Ja dein Vater thet mir fu(e)r sechs Monden auch ein solchs. (Luthers Fabeln, S. 22) (66) (...), die grosse gunst vnd freundschafft, mit welcher ein ietweder von den Herren mir bey aller vorgehenden gelegenheit zum offtersten begegnet: ja das sie auch mir entweder mit Blutfreundschaft oder verwandtniß bey gethan sind, oder (...). (Opitz, Poeterei, S. 5) (67) Ja die vnsrigen (er verstehet die Stoischen) haben darvor gehalten, das ein weiser alleine ein Poete sey. (Opitz, Poeterei, S. 10) (68) Ja wenn sie einen gar vera(e)chtlich halten wollen, so nennen sie jhn einen Poeten: (...). (Opitz, Poeterei, S. 11) (69) (...): ja es stehet zierlich, wann (...). (Opitz, Poeterei, S. 43) (70) Ja, wie man keinen ringer oder fechter in offentlichten schawplatze auffu(e)hrete, (...). (Opitz, Poeterei, S. 56) Das ja in (64)-(70) steht generell am Satzanfang. Problematisch ist, ob es auch im Vorfeld steht. Meines Erachtens sprechen die Belege (66), (68), (69), (70) dafür, daß es sich um eine Position a u ß e r h a l b des Satzes handelt, was auch den Terminus "vokativisches" ja rechtfertigen könnte.41 Als weitere satzinterne Vorkommen von ja sind Verwendungen festzustellen, die Gradpartikel-Charakter tragen (vgl. Heibig 1988, 169). Einige Beispiele mögen diesen Typ illustrieren: (71) Nyemant gehorsam seyn/an allen ortten sich empor heben vn auff po(e)men/mit grossem gewalt zuhauff lauffen vnd sich rotten//Gaistlich vnnd weltliche oberkaiten züreformieren/außzüreytten/7a villeücht gar zu erschlagen? Allen disen Gotlosen
4l
Ein vergleichbares Vorkommen im Nhd. liegt etwa in folgendem Beleg vor: (i) Der Zustrom von inzwischen 500000 Flüchtlingen nicht als "Problem" wahrzunehmen, sei "fahrlässig"; ja man dürfe ihn sehr wohl als eine "Not" interpretieren. Frankfurter Rundschau, 12.11.92 Man beachte, daß es zwischen dem ja und dem Satz keine Pause gibt, so daß ja intonatorisch integriert ist.
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freuenlichen vrtailern/Antwurte dise nachgeschribne Artickel/Am ersten das sye disc schmach/des wort gotes auff heben/zum ändern die vngehorsamikait/7 v vorsieht. Aufbauend auf der Analyse von Löbner (1989), (1990) zeige ich dann, daß sich die modale Bedeutung aus der temporalen Bedeutung bzw. der Phasenquantifikation ableiten läßt. Somit kann nicht nur angenommen werden, daß die Bildung verschiedener Varianten überflüssig ist (in dem Sinne, daß sich die variantenstiftenden Abweichungen von der Grundbedeutung auf Faktoren wie die Bedeutung des Satztyps oder die spezifische Äußerungssituation zurückfuhren lassen), sondern es kann auch die Beziehung zwischen dem Temporaladverb und der Gradpartikel auf der einen Seite, und der Modalpartikel auf der anderen Seite als ein Typ konzeptueller Verschiebung analysiert werden (vgl. Abschnitt 6.5). Als Grundbedeutung der Modalpartikel schon sieht Thurmair (1989, 151) die 'Einschränkung möglicher Gegenargumente'. Diese können sowohl solche des Sprechers wie des Hörers sein, beziehen sich aber immer auf eine Vorgängeräußerung; das erwähnte semantische Merkmal < GELTUNGSEINSCHRÄNKUNG > v Hegt folglich auf der Ebene des Vorgängerbezugs (daher der Index "V"), und fixiert dort die Bewertung der Vorgängeräußerung (vgl. S. 200). Diese Grundbedeutung der unbetonten Modalpartikel läßt sich Thurmair zufolge bezüglich aller Satztypen, in denen schon vorkommt, nachweisen.22 Als typischen Beleg für schon in Deklarativsätzen sieht Thurmair (49): (49) A: Du hättest eben niemals das ganze Geld auf einmal überweisen dürfen. B: Ja, da hast du schon recht; aber ich hab geglaubt, es wäre alles okay. Was in (49B) eingeschränkt wird, ist der Status als Vorwurf bzw. Tadel (dies sind nach Thurmair 'Implikaturen' aus der Äußerung von A); oft ist mit einer solchen Einschränkung die sprachliche Handlung des 'Einräumens' verbunden. Bei Franck (1980, 205) wurde schon als Indikator für einen Sprechakt des 'Einräumens' gesehen; die Ansetzung eines entsprechenden semantischen Merkmals verwirft Thurmair (1989, 149) aber im Hinblick auf zukunftsbezogene Fälle wie (50): (50) A: Meine Güte, jetzt müßte ich bis zur Prüfung noch drei Bücher lesen. Aber ich kann einfach nicht mehr. Ich fall bestimmt durch. B: Du wirst es schon schaffen. Für dieses Beispiel schlägt Thurmair (1989, 151) folgende Paraphrase vor, die den Bezug zum angesetzten semantischen Merkmal verdeutlichen soll: (50')
22
'Du hast Gründe für deine pessimistische Haltung, aber die möchte ich für diesen Fall einschränken und dir sagen: du wirst es schaffen.'
Dies sind für Thurmair (1989, 148) nur Deklarativsätze, Imperativsätze und W-Interrogativsätze. Nicht berücksichtigt werden jedoch wewi-eingeleitete Konditionalsätze und W-Exklamativsätze, vgl.: (i) Wenn der das schon sagt, muß es auch stimmen, (ii) Wie der schon geht!
188
Was in dieser Paraphrase als Gegenstand der Einschränkung erscheint, sind strenggenommen "Gründe für die pessimistische Haltung des Adressaten", die aus der gesamten Äußerung erschlossen werden müssen und nicht unbedingt auf den propositionalen Gehalt der Vorgängeräußerung zurückführbar sein müssen. Man sieht hier deutlich, daß der Begriff der 'Einschränkung' (der Geltung von x), da er sich auf so unterschiedliche Dinge wie Implikaturen oder Motive beziehen kann, einer Präzisierung bedarf. Auch der Nachweis des Merkmals < GELTUNGSEINSCHRÄNKUNO v bei Imperativsätzen und W-Interrogativsätzen zeigt entsprechende Schwierigkeiten. In Imperativsätzen werden durch die Verwendung von schon "tatsächliche oder mögliche Einwände des Gesprächspartners eingeschränkt oder für den konkreten Fall zurückgewiesen." (S. 152) Wenn jemand zögert, eine Handlung auszuführen, kann der Sprecher auf mögliche Gründe dafür schließen; diese sollen in ihrer Geltung eingeschränkt werden. Mit der Verwendung von schon in rhetorischen W-Interrogativsätzen wird nach Thurmair die in normaler Verwendung vorhandene Präsupposition 'es gibt ein X, für das p gilt' in ihrer Geltung eingeschränkt, was zu der Präsupposition 'es gibt kein X, für das p gilt' führt (S. 153). Die Geltungseinschränkung sei hier "allerdings relativ stark". Die Crux mit diesen Erklärungsversuchen liegt wiederum im vagen Begriff der Geltungseinschränkung bzw. in der kaum möglichen Abtrennung des Bedeutungsbeitrags der Modalpartikel schon von den in der Gesprächssituation firmierenden Absichten der Handelnden. Dies zeigt sich nicht nur bei den Deklarativsätzen wie in (49), die typischerweise ein aberKonjunkt haben, das selber einschränkende (adversative) Funktion hat; auch bei dem Gebrauch von Imperativsätzen ohne die Modalpartikel hat der Sprecher ein Interesse daran, mögliche gegenläufige Handlungsgründe des Adressaten zu unterlaufen, genauso wie es rhetorische W-Interrogativsätze ohne die Modalpartikel schon bzw. mit anderen Modalpartikeln geben kann (vgl. Meibauer 1986a, 1991). Das Merkmal v besagt also nicht, was gerade die Modalpartikel schon bedeutet, sondern eher, was man mit Sätzen, die diese Modalpartikel enthalten, unter bestimmten Umständen für kommunikative Wirkungen erzielen will. 23
23
Der Aspekt der 'Einschränkung' findet sich auch bei Borst (1985, 38), der die Modalpartikel schon als "Spezialfall entweder der einen oder anderen Erscheinungsform des Satzäquivalents Schon" analysiert. Entsprechend wird die Bedeutung der Modalpartikel schon analog zur Bedeutung des Satzäquivalents in bestimmten Paraphrasen als 'intentional eingeschränkte Affirmation' (in Deklarativsätzen), als 'Affirmation bei eingeschränkter Zustimmung' (bei Konditionalsätzen) und als 'total eingeschränkte Affirmation des Eintretens/ Nichteintretens eines Ereignisses bei Affirmation des Gegenteils dieses Eintretens/Nichteintretens des Ereignisses' (bei rhetorischen W-Interrogativsätzen) beschrieben. Der Pferdefuß ist nur, daß angenommen wird, daß die Modalpartikel "den Rest eines sprachlich nicht realisierten Frage-Antwort-Paares mit Schon, das im Rahmen eines Sprechermonologs entsteht", (S. 38) bilden soll.- Die Paraphrasentechnik von Borst entbehrt meines Erachtens jedoch jeder empirischen Grundlage; die Natur der Integration der Modalpartikel in die Basisinformation, der dabei vollzogene Wandel vom Satzäquivalent zur Modalpartikel bleibt unklar. Schließlich akzeptiert Borst Imperativsatzvorkommen von schon aufgrund der Ersetzbarkeit durch endlich nicht als Modalpartikel. Gornik-Gerhardt (1981, 99) weist dagegen auf die Kombinierbarkeit von schon und endlich in Sätzen wie Komm schon endlich! hin.
189
Ich gehe im folgenden davon aus, daß die Bedeutung der Modalpartikel schon ihre Wurzeln in der mit dem Temporaladverb und der Gradpartikel verknüpften Phasenquantifikation hat. Daß hier überhaupt ein Zusammenhang besteht, wird auch von Heibig (1988, 211) eingeräumt, wenn er sagt: "Gesamtbedeutung ist schwer zu ermitteln. Die temporale Komponente (wie bei Adverb) ist auch bei der Abtönungspartikel zu erkennen." Eine Ableitung der Modalpartikel-Bedeutung aus der Bedeutung des Temporaladverbs/der Gradpartikel findet sich bei Abraham (1986). Dieser Versuch hat jedoch zwei Defizite: (a) Als temporale Bedeutung von schon (das er fälschlich als Zeitadverb einstuft) sieht er 'früher-p als voraussehbar' bzw. Mänger-p als voraussehbar' an, vgl. (51) a. Er ist schon 1,70 m groß. b. Er wartet schon 3 Stunden lang. Mit Löbner (1989), (1990) halte ich diese Bedeutungsaspekte jedoch für sekundär; wie bei skalaren Adjektiven ist die 'früh/spät'-Bedeutung kontextabhängig. (b) Schon3 und schon6 werden als selbständige Modalpartikel-Varianten aufgefaßt, weil sie konventionalisiert sind, bzw. sich gegenüber der Ableitung sperren. Bei schon6 wird das damit begründet, daß hier die Modalpartikel ohne Bedeutungsverlust weglaßbar sei. Dies ist nur so zu verstehen, daß die Modalpartikel in diesem Kontext keine Bedeutung hat, was meines Erachtens vollkommen inadäquat ist. Wünschenswert ist also ein Bezug auf die temporale Grundbedeutung im Sinne von Löbner (1989), (1990), sowie eine einheitliche Analyse aller Varianten; eine solche Analyse sollte ferner erklären können, warum die Modalpartikel schon in -Interrogativsätzen nicht vorkommen darf. Ich wiederhole zunächst das Diagramm (23), das die Kontrastphasen von noch nicht und schon wiedergibt:
(52)
t.
,/\ noch nicht nicht-p
schon ///////////////////// > p
Das Temporaladverb schon ist "faktitiv" in dem Sinne, daß aus schon p immer p folgt (Löbner 1990, 116). Beim Temporaladverb schon liegt deshalb t^ innerhalb von p, d.h. nach dem Übergangspunkt. Die Modalpartikel bezieht sich dagegen nicht direkt auf Phasen, sie bezieht sich immer auf eine Einstellung zu p zum Sprechzeitpunkt. Genau wie bei dem Temporaladverb und der Gradpartikel ist es aber der Fall, daß (a) eine negative Proposition und eine positive Proposition eine Rolle spielen,
(b) daß diese geordnet sind in dem Sinne, daß die positive auf die negative folgt, und (c) daß eine Perspektive auf p oder -p involviert ist. Der Sprechzeitpunkt kann in der nicht-p oder der p-Phase liegen.
190
Ich gehe nun auf die Modalpartikel schon in den einzelnen Satztypen ein. Betrachten wir zunächst die Deklarativsätze, bei denen im allgemeinen zwischen zukunftsbezogenem und nicht-zukunftsbezogenem schon unterschieden wird. Vgl. zu ersterem die Beispiele unter (53) (siehe oben (41), (42)): (53) a. Du wirst das schon schaffen, b. Du schaffst das schon. In diesen Sätzen m u ß (bei Zukunftsbezug, wohlgemerkt) schon als Modalpartikel verstanden werden (eine Erklärung versuche ich in Abschnitt 6.4.4). Bei diesen Sätzen wird vorausgesetzt, daß der Adressat X (das, worauf das verweist) noch nicht geschafft hat. Zugleich sagt der Sprecher voraus, daß der Adressat X zu einem Zeitpunkt t„ > ^ geschafft hat. Es ergeben sich also zwei Sachverhalte: (a) -p = (Adressat hat X nicht geschafft); (b) p = (Adressat hat X geschafft). Es folgt, daß der Sprechzeitpunkt innerhalb der negativen Phase liegen muß. Oft mit diesem Typ in Verbindung gebrachte Effekte wie "Hoffnung, Beruhigung, Trost, Warnung" (Heibig 1988, 201) sind rein pragmatischer Natur, weil sie auf den je spezifischen Interessen der Beteiligten beruhen. Sie können daher nicht zur Bedeutung der Modalpartikel gerechnet werden.24 Diese liegt vielmehr darin, daß der Sprecher mit schon (p) deutlich macht, daß er nicht nur eine Einstellung zu p ausdrückt, sondern seine Perspektive auch auf die Kontrastphase -p richtet. Die Sachverhalte sind nicht temporaler Natur wie bei dem Temporaladverb und auch nicht skalarer Natur wie bei der Gradpartikel, sondern können beliebige Sachverhalte betreffen. Dies wird besonders deutlich, wenn wir "ewige" (zeitlose) Sätze betrachten: (54) Zwei und zwei ist schon vier. Die Deutung von schon als Temporaladverb und als Gradpartikel kommen hier nicht in Betracht, weil der Sachverhalt atemporal ist, d.h. keine Einordnung in eine Zeitskala gestattet. Eine Modalpartikelinterpretation ist jedoch vollkommen unproblematisch, weil man
24
Das Interesse des Hörers (im Sinne der angestrebten Phase) spielt natürlich eine Rolle, vgl.: (i) A: Ich möchte Bundeskanzler werden. B: a. Du WIRST Bundeskanzler. b. Du WIRST schon Bundeskanzler. Hier können die Äußerungen (iBa/b) A gleichermaßen "beruhigen" etc. Anders in (iiBa/c): (ii) A: Ich möchte nicht Bundeskanzler werden. B: a. Du WIRST Bundeskanzler. b. ?Du WIRST schon Bundeskanzler. c. Du wirst SCHON Bundeskanzler. Schon in (iiBb) wirkt nicht beunruhigend, sondern unakzeptabel, weil A überhaupt keinen Phasenwechsel anstrebt.
191
sich zu dem positiven Sachverhalt 'Zwei und zwei ist vier' im Prinzip einen negativen Sachverhalt 'Zwei und zwei ist nicht vier' vorstellen kann. Wenden wir uns nun den Deklarativsätzen ohne Zukunftsbezug zu. Standardbeispiele sind die folgenden, wobei das aber/nur-Konjunkt jedoch nicht typ-konstituierend ist: (55) a. Du hast schon recht (,aber das ist nur die eine Seite), b. Das Auto ist schon teuer (,nur leiste ich es mir halt). Für (55a) lassen sich wiederum zwei Phasen ansetzen: (a) -p = (Adressat hat nicht recht), (b) p = (Adressat hat recht). Der Sprechzeitpunkt liegt in der p-Phase. Implizit wird immer eine -p-Phase mitbetrachtet, in der der Sprecher (oder ein Dritter, über dessen Meinung der Adressat dem Sprecher berichtet hat) die Meinung vertreten hat, daß der Adressat nicht recht hatte. Der Inhalt des oiw-Konjunkts enthält jedoch Gründe für -p, d.h. die Perspektive des Sprecher ist auf die -p-Phase gerichtet. Dies macht die oft konstatierte Sprechaktcharakteristik der "(partiellen) Zustimmung" (Heibig 1988, 201) verständlich. Für (55b) kann man folgende Phasen annehmen: (a) -p = (Sprecher hat kein (oder ein billiges) Auto) (b) p = (Sprecher hat ein (teures) Auto) Der Sprechzeitpunkt liegt in der p-Phase. Es wird eine Phase -p mitbetrachtet, in der der Sprecher kein Auto oder ein billiges Auto hat. Der Inhalt des nwr-Konjunkts enthält jedoch "Gründe" (vgl. die Modalpartikel halt) für p; die Sprecherperspektive ist jedoch ebenfalls auf die -p-Phase gerichtet. Gibt es Gründe, wie Heibig (1988) zwei Varianten von schon in Deklarativsätzen (nämlich Typ l mit Zukunftsbezug: Der Zug wird schon pünktlich kommen und Typ 2 ohne Zukunftsbezug: Das Fleisch ist schon schmackhaft (,aber leider kalt)) anzunehmen? Nach meiner Analyse nicht, denn die Sprechakteffekte sind pragmatischer Natur, und die unterschiedliche Perspektive hängt einfach mit den faktischen oder nichtfaktischen Sachverhalten zusammen, die sich in der unterschiedlichen Zeitreferenz niederschlagen. Diße (1985, 19) nennt als Argument für diese Variantenbildung, daß zukunftsbezogenes schon (bzw. schon in irrealen Sätzen) negationskompatibel ist, nicht-zukunftsbezogenes (bzw. schon in irrealen Sätzen) dagegen nicht. Empirisch wird dies unterstützt durch Thurmair (1989, 92f.): "Bei den Aussagesätzen können futurische mit schon eher negiert werden, während die Akzeptabilität bei manchen nicht-futurischen wesentlich geringer ist." Aber ich halte das Argument nicht für korrekt, vgl. (56b) sowie (57) zu einem möglichen Dialog, in dem der von Thurmair besternte Satz (57B) akzeptabel ist:
192
(56) a. Ich werde das schon nicht falsch machen. b. A: Du hast das bestimmt wieder falsch gemacht, gibs zu! B: Ich habe das schon nicht falsch gemacht, keine Sorge! (57)
A: Ging es damals etwa nicht sehr fein zu in diesem Hotel? B: Es ging schon nicht sehr fein zu in diesem Hotel (,das kann man nicht anders sagen).
Wenden wir uns nun der Modalpartikel schon in W-Interrogativsätzen zu, die bekanntlich die Interpretation als rhetorische Frage erzwingt (vgl. Meibauer 1986a, Zaefferer 1984): (58) a. Wer macht das schon? b. Wer schon macht das? + > 'Niemand/Fritz macht das.' Gegeben sei eine Phase -p, für die gilt, daß offen ist, für welches X p gilt; die Phase wird gefolgt von einer Phase p, für die gilt, daß p geschlossen ist, d.h. es ist bekannt, für welches X p gilt. Diese Abfolge ist typisch für natürliche Antworten auf ernsthafte W-Fragen. Als hervorstechender Zug von rhetorischen Fragen wird im allgemeinen angesehen, daß der Sprecher die Antwort schon weiß; das heißt, er tut so, als würde er sich in der -p-Phase (Sprecher weiß die Antwort nicht) befinden, obgleich er schon über die für die p-Phase (Sprecher weiß die Antwort) charakteristischen Informationen verfügt. Da eine w-Frage ohne weitere Qualifikation durch rhetorizitätsanzeigende Mittel sowohl rhetorisch als auch nichtrhetorisch verstanden werden kann, besteht Bedarf an Mitteln, die die intendierte Interpretation eindeutig machen. Durch den Gebrauch der Modalpartikel schon in rhetorischen W-Fragen gibt der Sprecher nun zu verstehen, daß er sich bereits in der p-Phase befindet, d.h. die Antwort weiß; daher braucht der Hörer nicht erst sein Kontextwissen befragen, um zu entscheiden, ob die Frage ernsthaft oder rhetorisch ist, sondern kann sich umgehend der Erschließung des Gemeinten zuwenden. Es scheint also eine doppelte Perspektive involviert: Einerseits die Perspektive von -p auf p, die für ernsthafte Fragen mit ihrem Mangel an Wissen charakteristisch ist, anderseits die von p auf -p, die den Zuwachs an Wissen kennzeichnet. Andere Modalpartikeln in rhetorischen W-Fragen erzwingen jedoch im Gegensatz zu schon nicht unbedingt die rhetorische Umdeutung (vgl. Meibauer 1991, 227f.); daß gerade schon diese erstaunliche Leistung vollbringt, muß damit zu tun haben, daß nur seine Bedeutung auf die Phasenquantifikation zurückgeht und sie damit der geeignetste Kandidat für die Projektion in die Antwort/Frage-Semantik und -Pragmatik ist. Diese Hypothese vermag jedoch nicht den Ausschluß der Modalpartikel schon in EInterrogativsätzen zu erklären, die in ihrer rhetorischen Verwendung ebenfalls negativ umgedeutet werden müssen. Warum die Modalpartikel schon in -Interrogativsätzen ausgeschlossen ist, ist unklar. Heibig (1988, 203) begründet dies damit, daß schon "an eine positive Einstellung des Sprechers gebunden ist und diese assertiert (behauptet), also nichts erfragt wird". Wenn dies aber ein Auftreten in (rhetorischen) W-Interrogativsätzen erlaubt, sollte auch nichts gegen ein Vorkommen in rhetorischen -Interrogativsätzen sprechen.
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Dieses Problem, das mit dem Verweis auf "idiosynkratische Eigenschaften" der Modalpartikel ja nicht gelöst wäre, widerlegt zwar nicht direkt die oben vorgetragene Hypothese, weil es unabhängige Gründe für das Modalpartikel -schon- Verbot in E-Interrogativsätzen geben mag, vermindert aber ihre Anziehungskraft beträchtlich, zumindest wenn man die Bedeutung der Modalpartikel im interrogativen Kontext mit ihrem Status als Rhetorizitätsindikator identifiziert. Der folgende Erklärungsversuch geht von der Beobachtung aus, daß die Modalpartikel vielleicht in -Interrogativsätzen eine Rolle spielt, die mit der von schon in W-Interrogativsätzen vergleichbar ist (vgl. Meibauer 1986a, 124).25 (59)
Putzt Peter vielleicht die Treppe? a. + > 'Peter putzt nicht die Treppe.' (Modalpartikel)
b. 'Es ist offen, ob Peter möglicherweise die Treppe putzt.' (Satzadverb) Das Satzadverb vielleicht, das ebenfalls in -Interrogativsätzen vorkommen kann, hat die Bedeutung 'es ist offen, ob p oder -p' und befindet sich damit in Übereinstimmung mit dem Satzmodus des -Interrogativsatzes (vgl. Heibig 1990, 270). Die Modalpartikel vielleicht scheint diese Grundbedeutung zu teilen; was ihre Semantik angeht, ist es jedenfalls so, daß sie keine temporale Perspektive beinhaltet. Nun gibt es bei W-Interrogativsätzen eine typische Existenzimplikatur (vgl. Jacobs 1991b, Meibauer 1991), z.B. für Wer will zur Schule gehen? die Implikatur 'Sprecher nimmt an, daß es ein Individuum X gibt, welches zur Schule gehen will.' Daher hat der Hörer gute Gründe zur Annahme, daß der Sprecher nicht vollkommen ignorant gegenüber dem Frageinhalt ist, sondern in bezug auf die antizipierte p-Phase mit einer einschlägigen Annahme gerüstet ist. Die Idee ist also, daß eine Korrelation zwischen dem Fehlen einer Existenzimplikatur in -Interrogativsätzen und dem Auftreten von vielleicht, und der Anwesenheit einer Existenzimplikatur in W-Interrogativsätzen und dem Auftreten von schon besteht. Die rhetorische Umdeutung bei vielleicht scheint so zustandezukommen, daß vom gleichzeitigen Auftreten des -Interrogativsatzes mit der Modalpartikel qua Relevanzprinzip eine negative Implikatur ausgelöst wird. Mit -Interrogativsätzen ist zwar ebenfalls eine Phase -p und eine Phase p gegeben, aber aufgrund des Fehlens einer Existenzimplikatur ist keine Perspektivierung möglich, und deshalb schon verboten.26
25
26
Vgl. allerdings die skeptische Meinung Thurmairs (1989, 194): "Bei den Entscheidungsfragesätzen gibt es keine klare Grenze zwischen vielleicht in Satzadverb-Funktion und vielleicht in Modalpartikel-Funktion." Weiter S. 195: "Der Übergang zwischen vielleicht-Fr&gen (mit starker Antworterwartung) und rhetorischen Fragen ist fließend." Marga Reis (persönliche Mitteilung) wendet ein, daß dann bei -Interrogativsätzen mit positiver Antworterwartung die Modalpartikel schon möglich sein müßte, was jedoch nicht der Fall sei: (i) Hast du (*schonMP) nicht Zeit? + > 'Du hast Zeit.'
194
Wenn dies so ist, sollte schon nicht in solchen W-Fragesätzen vorkommen können, die keine Existenzimplikatur aufweisen; dies ist auch tatsächlich der Fall (vgl. Jacobs 1991b, Meibauer 1991): (60) a. Wer will (*schon) noch ein Schlückchen von dieser wunderbaren Spätlese? *+ > 'Es gibt jemand, der ein Schlückchen von dieser wunderbaren Spätlese will.' b. Wer hat (*schon) den roten Porsche in der Nacht zum Sonntag gesehen? *+ > 'Es gibt jemand, der den roten Porsche in der Nacht zum Sonntag gesehen hat.' Das skizzierte Argument läßt sich auch auf die Modalpartikel etwa übertragen, die gleichfalls nicht in W-Interrogativsätzen vorkommen kann, in -Interrogativsätzen eine negative Implikatur induziert, und eine zur Bedeutung von vielleicht analoge Grundbedeutung aufweist (vgl. Heibig 1988, 144, Thurmair 1989, 170ff.). Betrachten wir nun schon in Konditionalsätzen wie den folgenden: (61) a. Wenn wir schon ein Auto kaufen, dann aber mit Katalysator, b. Wenn schon, denn schon. Auch bei (61 a) lassen sich zwei Phasen unterscheiden: (a) -p = (wir haben kein Auto), (b) p = (wir haben ein Auto). Der Sprechzeitpunkt liegt in der -p-Phase. Das Erreichen der p-Phase wird von einer Bedingung abhängig gemacht, so daß p' = (Auto hat Katalysator) gilt.27 Ob in Imperativsätzen überhaupt das Temporaladverb schon vorkommen kann, ist zweifelhaft. Da sich Imperativsätze grundsätzlich auf einen Zeitpunkt nach dem Sprechzeitpunkt beziehen, wäre zu erwarten, daß schon - genau wie in zukunftsbezogenen Sätzen - nur als Modalpartikel aufgefaßt werden kann.
27
Es ist aber zu beachten, daß Restriktionen hinsichtlich der Kombination der Modalpartikel schon mit (unbetontem) nicht auch bei rhetorischen W-Interrogativsätzen existieren: (ii) *Wer hat schon^ nicht geMOTZT? Wer hat schon^ NICHT gemotzt? *Wer schone hat nicht geMOTZT? Wer schone hat NICHT gemotzt? Marga Reis (persönliche Mitteilung) wendet ein, daß die -p-Phase (a) nicht allgemein glete, vgl. (i): (i) Wenn man schon so doof war, sich ein Auto zu kaufen, dann aber mit Katalysator. Aus (i) folgt nicht, daß die Käufer kein Auto haben. Ich denke jedoch, daß die hier anzusetzenden Phasen sich u.a. auf den Zustand der Doofheit beziehen müssen: -p = (Käufer hat Auto und ist deswegen doof) p = (Käufer hat Auto mit Katalysator und ist doof hinsichtlich des Autohabens, weniger doof hinsichtlich des Auto-mit-Katalysator-Habens)
195
(62) a. b. c. d. (62')
Komm schon her! Komm DU schon her! DU komm schon her! Gehen wir/Sie schon! Wir gehen schon!
Während in (62") schon ambig zwischen der Lesart als Temporaladverb oder Modalpartikel ist, kann im Adhortativ (62d) schon nur eine Modalpartikel sein. Gornik-Gerhardt (1981, 103) hat festgestellt, daß die Modalpartikel schon nicht mit einem Temporaladverb wie sofort kombinierbar sei (vgl. ihr Beispiel (63a)): (63) a. b. c. d.
*Geh schonMP sofort (jetzt/nun/gleich)! Geh sofort (jetzt/nun/gleich)! ??Geh schonMP morgen/in drei Tagen! Geh morgen/in drei Tagen!
Dies scheint jedoch auch für Zeitadverbien, die eine weiter vom Sprechzeitpunkt entfernt liegende Zeit bezeichnen, der Fall zu sein, vgl. (63c). Die Präferenz liegt hier klar auf der Gradpartikel-Interpretation. Der einzige Kontext, in dem diese Sätze akzeptabel wirken, ist ein Erlaubnis-Kontext, in dem das Temporaladverbial gleichsam zitiert wird: (64) A: B: A: B:
Ich will jetzt gehen. Nein, das kommt nicht in Frage Aber warum denn nicht? Okay, dann geh schon jetzt.
Die Modalpartikel schon bezieht sich auf eine Phase, in der p realisiert ist, wobei diese möglichst nah an den Sprechzeitpunkt herangezogen werden soll.28 (Daraus resultiert der oft genannte Aspekt der "Dringlichkeit".) Mit dieser Eigenschaft ist es möglicherweise unverträglich, daß überhaupt ein anderer Zeitpunkt der Realisierung von p genannt wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß auch ein Satz wie *Geh schon^^l nicht möglich ist. Dies folgt aus dem faktitiven Charakter des Temporaladverbs, das sich mit der Nichtrealisiertheit von p zum Sprechzeitpunkt nicht verträgt. Marga Reis (persönliche Mitteilung) hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß das schon in den Beispielen unter (65a/b) durchaus temporal sei: (65) a. Geh schon voRAUS! b. Sei bitte schon DA (,wenn wir kommen)!
28
Vgl. auch die Bemerkung von Löbner (1990, 111), daß schon im Gegensatz zu noch und erst "eine relativ schnelle Entwicklung" oder "ein relativ fortgeschrittenes Stadium" ausdrücke.
196
Ich teile diese Intuition, doch habe ich Zweifel am Status des schon als Temporaladverb. Temporaladverbien können nämlich im Vorfeld von Imperativsätzen auftreten, schon kann dies jedoch nicht: (66) a. b. c. d.
Jetzt halt den Mund! Morgen paß gut auf! *Schon geh voraus! *Schon sei bitte da (,wenn wir kommen)!
Dies läßt mich vermuten, daß schon in den Beispielen (65) eher wie eine Gradpartikel aufzufassen ist, d.h. mit einem skalierbaren zeitlichen Bezugspunkt. Dafür spricht einmal, daß in (65a) das temporale Verständnis mit der Verbsemantik zusammenzuhängen scheint, aber auch der zeitliche Bezugpunkt durch den temporalen Nebensatz in (65b).29 (67) a. *Hau schonTAdv ab! b. Hau schon ab, wenn wir kommen. Dem entspricht, daß (67a) unakzeptabel ist, während (67b) keine Probleme bereitet.30 Gornik-Gerhardt (1981) und Heibig (1988) weisen ferner daraufhin, daß die Modalpartikel schon nicht mit bitte kombiniert werden könne: (68) a. Beeilt euch bitte schon (*MP/TAdv). b. Komm bitte schon (*MP/TAdv) ins Wasser! In (68a/b) könne es sich jeweils nur um temporales schon handeln. Dies wird darauf zurückgeführt, daß Sprechakte der dringenden Aufforderung (Heibig) bzw. des Vorwurfs (Gornik-Gerhardt) - wie durch schon indiziert -, und Sprechakte des Bittens unvereinbar seien. Mir scheint jedoch, daß man in diesen Fällen schon ebenfalls immer im Sinne der Gradpartikel, also wie schon jetzt versteht; Gradpartikel-JcAon ist jedoch in allen zukunftsbezogenen Sätzen, also auch in Imperativsätzen, unproblematisch. Der Ausschluß der Modalpartikel schon gibt allerdings Rätsel auf, zumal der Erklärungsansatz von Heibig nicht weit trägt:
29
30
Wenn diese Überlegung zutreffen sollte, müßte in diesen Fällen der syntaktische Bereich der Gradpartikel die Verbalphrase sein, der Fokus die Verbpartikel. Vgl. auch: (i) Schon voRAUS ist sie gegangen, (ii) Schon DA war sie, als wir kamen. Vgl. einen Kontext wie den folgenden: (i) A: Wann soll ich abhauen? Wenn ihr kommt, oder erst später? B: a. Hau schon ab, wenn wir kommen, b. Hau schon wenn wir kommen ab.
197
(69) a. (Na nun) beEILT euch schon, BITTE! b. Bitte MACH schon! c. Wer bitte WILL das schon? In (69) sind die fraglichen Ausdrücke durchaus miteinander kompatibel; hier steht jedoch bitte außerhalb des Satzes bzw. vor dem finiten Verb. Es muß sich also um eine Art Berührungsbeschränkung zwischen bitte und der Modalpartikel schon im Mittelfeld handeln. Insgesamt wird deutlich, daß auch bei dem Gebrauch der Modalpartikel schon positive und negative Phasen eine Rolle spielen. Ich halte es für plausibel anzunehmen, daß oft bemerkte Effekte der Modalpartikel schon wie der Ausdruck von "Zuversicht", "partielle Zustimmung", "Zweifel", "Dringlichkeit", etc. letztlich pragmatische Effekte sind, die als solche nicht mit der Bedeutung der Partikel identifizierbar sind, aber doch verständlicher werden, wenn man sich vor Augen hält, daß eine konzeptuelle Verschiebung von der temporal-skalaren Bedeutung auf die modale Bedeutung stattgefunden hat.31 Merkmale wie < GELTUNGSEINSCHRÄNKUNG > v wären dann so aufzufassen, daß eine Stellungnahme des Sprechers zu einem Sachverhalt p aus einer bestimmten Perspektive vorliegt, die sich daraus ergibt, ob p schon realisiert ist oder noch realisiert werden soll/ wird. Letzteres wird durch den Satzmodus oder den Zeitbezug verdeutlicht.
6.4.3 Kontrastakzentuiertes SCHON In den folgenden Beispielen ist die Modalpartikel schon betont: (70) A: Fritz ist nicht verheiratet. B: Fritz ist SCHON verheiratet. (71) A: Fritz hat nicht angerufen. B: ICH SCHON. (72) a. Es ist schon SCHWIERIG, aber unMÖGLICH ist es NICHT. b. Es ist SCHON schwierig, aber unMÖGlich ist es NICHT.
3l
Während ich mit dem minimalistischen Ansatz von Ormelius (1993) grundsätzlich übereinstimme, bezweifle ich, daß die Bedeutung der Modalpartikel schon mit der Formel [-FAKT-p] zureichend beschrieben ist, da diese nicht auf eine Ordnung von Phasen und auf eine Perspektive des Sprechers Bezug nimmt und somit unspezifisch für die Bedeutung gerade dieser Modalpartikel ist. Dies läßt sich deutlich anhand der schon-Vorkommen in Imperativsätzen sehen. Zum Beispiel ergibt sich für (i) die Paraphrase (ii), (i) Komm schon! (ii) 'Es ist nicht ein Fakt, daß Adressat nicht kommt.' was klar inadäquat ist, denn eine Einleitungsbedingung für (i) ist offensichtlich, daß der Adressat zum Sprechzeitpunkt nicht kommt. Sollte (ii) so zu verstehen sein, daß der Adressat zu einem späteren Zeitpunkt kommt oder nicht, sagt dies ebenfalls nichts über die Bedeutung von schon aus. Inwiefern schon einen bei Imperativsätzen relevanten "virtuellen Faktizitätsaspekt" (S. 184) und damit die pragmatische Funktion der 'Verstärkung' aufweist, bleibt unklar.
198
Der Typ (72) entspricht dem Typ 2 bei Heibig (1988), der betont oder unbetont sein kann; letzteres zeigt sich bei (72a). Der Typ (71) entspricht dem "elliptischen" Typ 6 bei Heibig (1988), der ihm zufolge betont ist. Der Fall (70) wird bei Heibig nicht eigens erwähnt (auch nicht bei Franck 1980 und Gornik-Gerhardt 1981); Thurmair (1989) stuft ihn als "Affirmationsadverb" ein, nach unserer Analyse handelt es sich um die Modalpartikel mit Kontrastakzent. Im folgenden geht es darum, die Wirkung dieses Kontrastakzents vor dem Hintergrund der Hypothese, daß es sich bei der Bedeutung der Modalpartikel schon um eine Art konzeptuelle Verschiebung aus der temporalen Grundbedeutung des Temporaladverbs und der Gradpartikel handelt, zu analysieren. Ein bemerkenswertes Phänomen soll hier allerdings gleich erwähnt werden. Erstens gibt es eine Aussprachevariante des /o/ in SCHON, bei der offenes o vorliegt; diese scheinen Sprecher verschiedener Dialekte zu verwenden. Wovon dies systematisch abhängt, ist noch nie untersucht worden; man könnte vermuten, daß dies eine Strategie ist, den kommunikativen Effekt des kontrastbetonten SCHON da zu mildern, wo Kontrastierung sowieso durch den Kontext nahegelegt wird. Allerdings kann man diese Aussprachevariante zuweilen auch bei unbetontem schon beobachten. Ich gehe im folgenden nur auf die Typen (70) und (71) ein, die beide einen Vorgängerzug verlangen, in dem ein Negationsausdruck steht. Der Fall (70) kann parallel zu betontem doch unaja behandelt werden. Sehr deutlich ist hier, daß auch die Modalpartikel schon sich auf Phasen bezieht. In (70A) wird ausgedrückt, daß -p, in (70B) wird ausgedrückt, daß p. Umgekehrt geht es nicht32, vgl. (73) A: Fritz ist verheiratet. B: *Fritz ist SCHON nicht verheiratet. Den Nachweis, daß es sich um einen Kontrastakzent handelt, spare ich mir an dieser Stelle. Die entsprechenden Ausführungen zu DOCH lassen sich auf diesen Fall übertragen (vgl. Abschnitt 4.7). Es gilt daher auch die Hypothese, daß SCHON keine weitere Variante der Modalpartikel schon darstellt. Die Funktion des Kontrastakzents ist darin zu sehen, daß explizit auf eine kontrastierende Proposition verwiesen wird. Damit ist Kontrast erstaunlicherweise gleich dreifach gegeben: (a) Durch die schiere Abfolge von negativer und positiver Proposition, (b) durch die Phasenquantifikation bei schon, die auch bei der Modalpartikel eine Rolle spielt, (c) durch den Kontrastakzent, der auf eine alternative Proposition hindeutet. Der Unterschied zwischen schon und SCHON wird in Kontexten wie dem folgenden deutlich:
32
Folgendes Beispiel (von Marga Reis) bestätigt diese Beobachtung, denn hier kann schon nicht betont werden: (i) A: Egon wird enttäuscht sein. B: Egon wird schon NICHT enttäuscht sein.
199
(74) A: Peter kommt nicht. B: a. Peter kommt SCHON (,aber SPÄter). b. Peter KOMMT schon (,aber SPÄter). Mittels der fokussierten Elemente kann jeweils die Vorgängeräußerung bestritten werden. Nur die Punkte (a) und (b) gelten sowohl für SCHON als auch für schon. Durch den Kontrastakzent auf SCHON wird jedoch der Bezug zur kontrastierenden Proposition explizit hergestellt, bei schon bleibt er implizit (den expliziten Bezug leistet der Verum-Fokus). Ob schon in (74Bb) einen "beruhigenden" Effekt hat, hängt von den Interessen des A ab (vgl. oben Fn. 24). Daß die Vorgängeräußerung in Form eines Deklarativsatzes immer ein Negationselement enthalten muß, zeigt sich auch an dem "elliptischen" Typ (71) (worauf Heibig 1988 übrigens nicht hinweist), der bislang kaum untersucht worden ist33: (75) a. A: B: b. A: B:
Die Studenten haben heute nicht angerufen. Die Lehrer SCHON, Die Studenten haben heute angerufen. *Die Lehrer SCHON.
Ormelius (1993, 163ff.) hat jedoch auf die speziellen Betonungsverhältnisse bei diesem Typ hingewiesen. Ihrer Analyse zufolge wäre etwa in (75aB) LEHrer (weil rhematisch) minimal fokussiert und würde einen Tonakzent hoch+tief erhalten; bei I-topikalisierten Konstituenten liegt dagegen eine Kontur tief + hoch vor.34 NICHT und SCHON stehen in komplementärer Distribution, vgl. die folgenden Minimalpaare: (76) A: Ich gehe schwimmen. B: Ich NICHT./*Ich SCHON. (77) A: Ich gehe nicht schwimmen. B: "Ich NICHT./Ich SCHON.
33
34
Man beachte, dafl es vergleichbare Fälle auch bei DOCH, JA und WOHL gibt, ohne daß man hier eigene "elliptische" Varianten postuliert hätte: (i) A: Die Kinder haben niemals heimlich auf dem Klo geraucht. B: Nastassja DOCH/JA/WOHL. Vgl. ihre Analyse und Diskussion des folgenden Beispiels von Heibig (1988) auf S. 165 und 186: (i) A: Niemand hat heute bei mir angerufen. B: Die MUTter SCHON. Ein Beispiel für I-Topikalisierung ist das folgende (Ormelius' Beispiel (51), S. 165), wo DAS einen Topikakzent trägt: (ii) A: wenn du jetzt n Führerschein hättest, dann würde ich sagen,... B: (hm) bin eben ganz rückständig A: (ja) in DER beziehung SCHON (,aber is besser so)
200
Daraus läßt sich ableiten, daß sich SCHON in bezug auf negierte Deklarativsätze wie ein Negationselement verhält. Dies entspricht auch unserer Deutung hinsichtlich der mit schon verbundenen Phasenquantifikation. Auch auf E- und W-Interrogativsätze kann mit elliptischem schon reagiert werden. EInterrogativsätze können wiederum ein Negationselement enthalten: (78) a. A: Hat heute keiner angerufen? B: Ich SCHON. b. A: Hat niemand eine Zigarette für mich? B: Ich SCHON. Es gibt jedoch auch nicht-negierte -Interrogativsätze wie in (79aA)(Hinweis und Beispiel von Marga Reis): (79) a. A: Haben heute die Studenten angerufen? B: Die weiblichen SCHON, b. A: Haben heute die Mütter angerufen? B: #Die weiblichen SCHON. Das Beispiel (79b) zeigt aber, daß auch hier ein (lexikalisch vermittelter Kontrast) im Spiel ist, nämlich der zwischen weiblichen und männlichen Studenten. W-Interrogativsätze scheinen dagegen weder in der Lesart als Informationsfrage noch in der Lesart als rhetorische Frage nicht enthalten zu dürfen: (80) A: Wer hat heute nicht ANgerufen? (IF) B: *Ich SCHON. (81) A: Wer hat heute NICHT angerufen? (RF) (+ > 'Alle haben heute angerufen.') B: "Ich SCHON. In folgendem Beispiel (von Marga Reis) haben wir jedoch eine negierte rhetorische WFrage, die mit einer rhetorischen W-(Gegen-)Frage beantwortet wird: (82) A: Wer würde da NICHT kneifen? (+ > 'Alle würden da kneifen.') B: WER schon? (+ > 'Keiner würde da kneifen.') Dieses Beispiel zeigt, daß man sich nicht unbedingt auf die Vorgänger ä u ß e r u ng (die ja ein Negationselement enthält), sondern auch auf eine Implikatur aus dieser beziehen kann. Allerdings ist zu beobachten, daß schon - anders als in den bisher betrachteten Fällen unbetont ist; es k a n n in W-Interrogativsätzen auch gar nicht betont werden, so daß ich (82) nicht als Gegenbeispiel werten möchte.
201
Positive rhetorische W-Interrogativsätze mit negativer Implikatur können dagegen mit "elliptischem" schon beantwortet werden. (83) A: Wer will denn bei dieser Hitze arbeiten? (RF) (+ > 'Niemand will bei dieser Hitze arbeiten.') B: Ich SCHON. Bei positiven W-Interrogativsätzen mit referentiell spezifizierter Implikatur funktioniert dies jedoch nicht: (84) A: Wer will das? (RF) (+> 'Fritz.') B: *Fritz SCHON. Dies ist deshalb so, weil die Implikatur keinen Negationsausdruck enthält. Insgesamt zeigt sich wiederum, daß das "elliptische" schon sich nicht unbedingt auf den propositionalen Gehalt des Vorgängersatzes beziehen muß, sondern auch auf daraus resultierende Implikaturen bezogen sein kann. In (75a) ist intuitiv klar, daß ein Kontrast zwischen die Studenten und die Lehrer besteht; mit (75aB) legt sich der Sprecher darauf fest, daß die Studenten heute angerufen haben. Man vergleiche nun (85) und (86): (85) A: Hast du Hunger? B: Hunger SCHON. (86) A: Die Richtlinien sind eingehalten worden. B: Die Richtlinien SCHON. Nach unseren obigen Feststellungen sollten solche Sequenzen nicht möglich sein, da sie kein Negationselement enthalten. Dennoch kommen sie vor, und zwar mit einer spezifischen kommunikativen Funktion. Zunächst ist zu beobachten, daß in der B-Äußerung jeweils die Objekt- bzw. Subjekt-NP aus dem Vorgängersatz übernommen wird. In (85B) legt sich der Sprecher darauf fest, daß er Hunger hat. Der Witz der Äußerung besteht aber darin, daß A sich nun fragen muß, was B n i c h t hat, z.B. keinen Durst, etc. Kann dies nicht situativ ermittelt werden, kann die B-Äußerung als irreführend angesehen werden. Dies weist darauf hin, daß auch die Modalpartikel SCHON fest mit einer negativen Kontrastphase verbunden ist, die entweder aus dem sprachlichen oder aus dem situativen Kontext erschlossen werden muß.
6.4.4 Tempus und Modalität
Wie wir gesehen haben, unterscheidet Heibig (1988) zwischen der Modalpartikel schon in Aussagesätzen mit Zukunftsbedeutung (= Typ 1) und der Modalpartikel schon in Aus-
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sagesätzen ohne Zukunftsbedeutung (= Typ 2). Hier sind noch einmal einschlägige Beispiele: (87) A: Kommt der Zug morgen auch wirklich pünktlich? B: Der Zug wird schonMP pünktlich kommen.
(88) A: Da ist ja der Zug! B: Er kommt schonMP pünktlich, aber meist fahrt er zu spät ab. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Varianten ist bei Heibig wesentlich pragmatisch - hie "Zuversicht" des Sprechers, da seine "partielle Zustimmung" - motiviert. Während für den Typ l auch Beispiele mit dem Verb im Präsens gegeben werden, gibt es für den Typ 2 keine Beispiele mit werden + Infinitiv und Gegenwartsbezug. Daher könnte man den Eindruck gewinnen, daß die Kookkurrenz mit bestimmten Tempora ein Indiz für die Unterscheidung der beiden sc/zow-Typen ist. Betrachten wir das Verhältnis von Zeitbezug und Tempus anhand der folgenden Beispielsätze mit dem perfektiven Verb kommen: (89) Peter kommt schon. (90) Peter wird schon kommen. Zu unterscheiden sind bei der Interpretation dieser Sätze: (i)
modale oder temporale Interpretation von schon (Modalpartikel vs. Temporaladverb);
(ii) modale oder temporale Interpretation von werden; (iii) Gegenwartsbezug oder Zukunftsbezug des ganzen Satzes. Unter Gegenwart soll hier die Relation T; £ T0 verstanden werden, wobei T, für die Zeitspanne des in der Proposition ausgedrückten Geschehens steht und T0 für die Zeitspanne, die den Sprechzeitpunkt to enthält. Zukunft wird als Zeitstruktur Tj > to aufgefaßt.35 Der Satz (89) kann sich nun offenbar auf die Gegenwart oder auf die Zukunft beziehen. Wenn sich (89) auf die Gegenwart bezieht, ist schon Temporaladverb oder Modalpartikel, bezieht sich der Satz dagegen auf die Zukunft, so kann es sich nur um die Modalpartikel handeln. Als Probe zur Abgrenzung der beiden Möglichkeiten mag die Ersetzung durch bereits bzw. die Konstruktion eines passenden Kontexts dienen. (91) A: Ich glaube nicht daran, daß Fritz gerade kommt. B: Fritz kommt schon (=bereits). (TAdv) (92) A: Fritz kommt bestimmt nicht! B: Fritz KOMMT schon!
35
Vgl. Dieling (1982), Steube (1980).
(MP)
203
Bei dem Futur-Satz (90) ist ebenfalls ein Bezug auf Gegenwart oder Zukunft möglich; bei Gegenwartsbezug, also mit inferentiellem Gebrauch des werden, ist schon entweder Temporaladverb oder Modalpartikel, bei Zukunftsbezug ist schon Modalpartikel. Für Vater (1975, 84) ist schon als Temporaladverb in Futur-Sätzen mit Gegenwartsbezug "etwas merkwürdig", aber möglich im Sinne von (90') Wahrscheinlich kommt Peter schon. Das Bewertungsproblem kommt wohl dadurch zustande, daß kommen hier nicht perfektiv, im Sinne eines abgeschlossenen Ereignisses, interpretiert werden kann; es handelt sich ja um einen zum Sprechzeitpunkt noch andauernden Prozeß. Die Interpretation als Modalpartikel, die Vater (1975) ebenfalls nicht erwähnt, scheint mir hingegen unproblematisch. In Kontexten wie den folgenden wird sie besonders deutlich: (93) A: Ich glaube nicht daran, daß Fritz gerade kommt. B: Fritz wird schon kommen. Wir können also folgendes festhalten:
(a) In (Präsens- oder Futur-) Sätzen mit Zukunftsbezug steht die Modalpartikel schon; (b)
in (Präsens- oder Futur-) Sätzen mit Gegenwartsbezug steht das Temporaladverb oder die Modalpartikel schon.
Es gibt also keinen formalen Faktor "Tempus", der die Unterscheidung zwischen Typ l und Typ 2 rechtfertigen würde. Relevant ist nur der Bezug auf eine gegenwärtige oder zukünftige Zeit, der sowohl mit dem Präsens als auch mit werden + Infinitiv kompatibel ist. Angenommen, daß sich die Modalpartikel schon aus dem Temporaladverb schon entwikkelt hat (und nicht umgekehrt), wie kann man sich dann unter synchronem Gesichtspunkt diese Entwicklung vorstellen? Wir haben den entsprechenden Prozeß als 'konzeptuelle Verschiebung' eines bestimmten Typs gedeutet: Es handelt sich um den Übergang von einer rein temporal-skalaren Einordnung einer Proposition bzw. eines fokussierten Elements aus der Proposition zum Ausdruck einer Einstellung zu einer Proposition, wobei das gemeinsame Element der Bezug auf eine bestimmte Abfolge von negativen und positiven Phasen sowie eine darauf bezogene Perspektive ist. Dies wird reflektiert in dem unterschiedlichen kategorialen Status als Adverb/Gradpartikel vs. Modalpartikel. Wenn man sich vorzustellen versucht, wie ein solcher Prozeß hat in Gang kommen können, stößt man schnell auf Ambiguitäten bzw. Disambiguierung als Quelle der konzeptuellen Verschiebung. Der Versuch der Disambiguierung kann wiederum in Form von Schlußprozessen beschrieben werden. Stellt man sich des weiteren vor, daß solche Pfade des Schließens zu breiteren Bahnen ausgebaut werden, ergibt sich 'Konventionalisierung'. Dies ist auch die Idee, die hinter dem Begriff des 'pragmatic strengthening' im Sinne von Traugott und König steckt (vgl. die Diskussion im folgenden Abschnitt 6.5).
204
Sehen wir uns unter diesem Aspekt noch einmal unsere Beispiele (89) und (90) an. (94) Peter kommt schon. (=89) a. Es ist zum Zeitpunkt tt 0 der Fall ist, daß Peter kommt. In (94) haben wir als Standardinterpretation diejenige als Temporaladverb. Sie ist in einem Kontext angemessen, wo der Sprecher über Evidenz für Peters Kommen verfügt, oder noch einfacher, wo sowohl Sprecher als auch Hörer Evidenz dafür haben, z.B. wenn sie sehen, daß Peter gerade angelaufen kommt. Wenn es jedoch der Fall ist, daß es unklar ist, ob der Sprecher über entsprechende Evidenz verfügt, kann ich als Hörer den Gebrauch des schon nur dann als sinnvoll betrachten, wenn ich annehme, daß der Sprecher das Kommen von Peter so behandelt, als hätte er Evidenz dafür, daß es bereits stattfindet. Wenn ich zusätzlich annehme, daß der Sprecher weiß, daß ich ein Interesse an Peters Kommen habe, kann ich seine Äußerung so interpretieren, daß er mich in meinem Hoffen auf Peters Kommen bestärken will. Inwieweit der Sprecher selbst diese Hoffnung teilt, bleibt ungewiß. Während in der gegenwartsbezogenen Interpretation die Wahl zwischen der temporalen und der modalen Deutung besteht, kann in der zukunftsbezogenen Interpretation nur modal interpretiert werden. Angenommen, die gegenwartsbezogene Interpretation sei die Standardinterpretation. Wenn es aus dem Kontext klar ist, daß Peters Kommen nicht zum Sprechzeitpunkt als faktisch oder möglich behandelt wird, muß es ein späterer Zeitpunkt sein. Bei Zeitpunkten in der Zukunft kann der Sprecher aber keine Gewähr für ihre Faktizität haben. Daher kann es sich nur um die modale Bedeutung handeln. Dies stimmt auch mit der Bedeutungsbeschreibung des Temporaladverbs schon überein. Dieses würde die Faktivität des Satzradikals 'Peter weggehen' zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt implizieren. Da der Sprecher aber über die Wahrheit des zukünftigen Ereignisses keine Evidenz haben kann, seine Äußerung nur im Sinne einer (mehr oder minder sicheren) Voraussage über zukünftige Ereignisse aufgefaßt werden kann, entsteht ein Widerspruch zur implizierten Faktivität der Proposition. Es bleibt also nur die modale Deutung, nämlich daß der Sprecher annimmt, daß es einen zukünftigen Phasenwechsel geben wird. Betrachten wir nun den Fall (90) mit werden + Infinitiv. (95) Peter wird schon kommen. (=90) a. Sprecher ist subjektiv überzeugt, daß es zum Zeitpunkt ^ der Fall ist, daß Peter kommt. b. Sprecher ist subjektiv überzeugt und nimmt an, daß es zum Zeitpunkt IQ der Fall ist, daß Peter kommt. c. Sprecher ist subjektiv überzeugt und nimmt an, daß es zum Zeitpunkt tj > ^ der Fall ist, daß Peter kommt.
205
Den Bedeutungsbeitrag von werden habe ich durch 'ist subjektiv überzeugt' wiedergegeben (vgl. Dieling 1982). Dies entspricht am besten dem, was man gemeinhin unter 'Inferentialität' versteht. Bekanntlich gibt es in der deutschen Tempusforschung im Anschluß an Saltveit (1960) und Vater (1975) eine lebhafte Debatte zur Frage, ob es ein deutsches Futur gibt.36 Entscheidend ist dafür die Frage, ob werden (neben dem Vollverb und dem Hilfsverb) im sog. Futur I (Infinitiv Präsens) und Futur II (Infinitiv Perfekt) ein Modalverb ist37, was zu aufschlußreichen Überlegungen zur Bedeutung von werden geführt hat. Nach Vater (1975, lOOff.) hat werden ausschließlich modale Bedeutung; daher ist es ausgeschlossen bei zweifellosem Zukunftsbezug (vgl. (96)), Temporalsätzen, i/o/wr-Sätzen und sog. Wunsch-/Befehlssätzen. (96) a. *Nächsten Freitag werde ich meinen dreißigsten Geburtstag haben, b. ?Am 7. Januar werden die Vorlesungen wieder beginnen. Vater (1975, 101) zufolge soll "bei nahe bevorstehenden Ereignissen, deren Auftreten sich als absolut gesichert voraussehen läßt, normalerweise das einfache Präsens" stehen; der Grund ist, daß Modalisierung durch werden hier überflüssig ist. Wenn umgekehrt die Sätze unter (96) zulässig wären, könnte dies als Argument für ein Tempus Futur gelten. Matzel/Ulvestad (1982, 320f.) haben Beispiele genannt, wo werden + Infinitiv zur Bezeichnung von Zukunft "nahezu obligatorisch" ist, d.h. Austauschbarkeit durch eine Präsensform nicht möglich ist: (97) a. b. c. d.
Glaubst du, Hermann wird sich ärgern? Onkel Peter kommt... Na, der wird Augen machen. Aber so schlimm ist das doch gar nicht... Werden wir gleich sehen. Das wird sich erst in drei Tagen (...) herausstellen.
Für diese Fälle gilt Matzel/Ulvestad zufolge, daß sie (a) nicht das Merkmal (+GEWÄHR) aufweisen, (b) nicht kompatibel mit Adverbien wie absichtlich, willentlich, vorsätzlich sind, und daß (c) ihr Zukunftsbezug nur aus dem Kontext erschließbar ist oder durch einen nachfolgenden wenn-S&tz angezeigt wird.
36 37
Zu nennen sind u.a. Ballweg (1986), Dieling (1982), Fabricius-Hansen (1986), Herweg (1990a), Janssen (1989), Matzel/Ulvestad (1982), Vennemann (1987). Die These vom Modalverbstatus ist besonders eindringlich von Vater (1975, 74) vertreten worden, für den "werden immer 'Modusfunktion' hat, oder anders ausgedrückt, Modalverb ist, auch dann, wenn es sich auf die Zukunft bezieht." Wenn es so sei, "daß werden + Infinitiv sich in seiner temporalen Funktion vom einfachen Präsens nicht unterscheidet, dann ist das ein äußerst starkes Argument gegen die Annahme, daß werden-(-Infinitiv ein besonderes Tempus, nämlich das Futur, darstelle." (80)
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Dagegen argumentiert Janssen (1989, 80) zu Recht, daß eine futurische Interpretation in entsprechenden Sätzen ohne werden keineswegs ausgeschlossen sei.38 Falls der Kontext und der wenn-Satz allein nicht in der Lage sind, zukunftsbezogene Interpretation zu gewährleisten, liegt es tatsächlich nahe, dies dem werden zuzuschreiben. Janssen (1989, 80f.) demonstriert dagegen, daß der 'Relevanzgesichtspunkt' eine entscheidende Rolle spielt. Elemente wie sicherlich (bzw. nl. stellig) drücken in Sätzen wie (98) In Anbetracht seiner anderweitigen Verpflichtungen ist der Minister sicherlich nicht bei der Eröffnungsfeier anwesend. aus, "daß die Sicht auf das im Restsatz angedeutete Ereignis vom Relevanzgesichtspunkt aus verschleiert ist" (S. 81), d.h 'Opazität' besteht. Dies gilt auch für die Fälle unter (97); da sie sich nicht auf ein gleichzeitiges Ereignis beziehen können, bleibt nur ein zukünftiges übrig. Zugleich werde die durch werden ausgedrückte Modalität (wegen der durch das infinite Verb bezeichneten Nachzeitigkeit) weniger prominent, verschwinde aber nicht völlig, vgl. (99) a. Morgen ist Freitag. b. Morgen wird Freitag sein. Letzten Endes unterscheiden sich also Präsens-Sätze mit Zukunftsbezug von werden-Sätzen mit Zukunftsbezug allein dadurch, "daß die modale Betrachtungsweise nur in den Aussagen mit zullen/werden in Worte gefaßt wird." (ebd.) Jede Aussage über Zukünftiges, auch eine solche mit obligatorischem Zukunftsbezug, habe einen modalen Wert. Vater (1975) unterscheidet neben dem inferentiellen werden, noch drei Varianten von nicht-inferentiellem werden und wertet dies als Indiz für den Modalverbcharakter, weil das Merkmal (+/-inferentiell) auch bei den zweifelsfreien Modalverben eine Rolle spiele. Während inferentielles werden immer in der 3.PS. steht, weist Variante l die l.Ps.Sg./Pl., die Variante 2 hingegen die 2. Ps.Sg./Pl. auf:39 (100) a. Dem werde ich helfen! (Absicht oder Entschluß des Sprechers - Variante 1) b. Du wirst dir die Hände waschen! (Befehl - Variante 2) Eine solche personenbezogene Variantenbildung kann natürlich Zweifel daran wecken, daß Inferentialität ein rein semantisches Merkmal ist. Matzel/Ulvestad (1982, 307) zeigen
38 39
Darüber hinaus bezögen sich die zulässigen Adverbiale "nur auf die zu ergänzende Infinitivfiigung". Die dritte Variante betrifft Erzählkontexte und bezieht sich auf plötzliche/überraschende Ereignisse in der Vergangenheit, z.B.: (i) Wer wird da besoffen auf der Straße liegen? Der Hannes. Vater zufolge ist diese Variante auf die ost- und norddeutsche Umgangssprache beschränkt.- Alle drei Varianten kommen nicht mit dem Infinitiv Perfekt vor.
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zudem, daß in den Sätzen unter (101) mit kontextuellem Zukunftsbezug zwar die Person wechselt, jedoch kein Unterschied in der Modalität erkennbar ist: (101) a. Ich werde den Schlüssel nicht finden. Es ist zu dunkel. b. Du wirst den Schlüssel nicht finden. Es ist zu dunkel. c. Er wird den Schlüssel nicht finden. Es ist zu dunkel. Plausibler als die Abbildung personenbezogener Varianten auf die Bedeutung des Modalverbs ist es daher, Unterschiede in der Interpretation auf das Wissen von Sprechern zurückzuführen. So kann man im allgemeinen von Sprechern annehmen, daß sie über sich selbst Bescheid wissen, so daß es unwahrscheinlich ist, daß sie Vermutungen in bezug auf ihre eigene Situation anstellen. Auf diese Weise erklärt sich die Präferenz für den Zukunftsbezug bei (102a): (102) a. Ich werde zu Hause sein, b. Hans wird zu Hause sein. Dieling (1982, 326) formuliert dementsprechend die Regel, "daß Futur I immer dann Zukunft ausdrückt, wenn Situation oder Kontext eine 'Vermutungs'-Interpretation unwahrscheinlich machen." Aber auch für (102a) lassen sich natürlich Vermutungs-Kontexte finden, so z.B. wenn der Sprecher aus einem Rausch aufwacht. Dieling (1982) behauptet, daß "ein Modalwort in Fragesätzen und Aussagesätzen mit /cA/vwr-Subjekt zum temporalen Kontext" wird, vgl. (103), (103) a. Wir laufen in Thüringen Ski. b. Wir laufen wahrscheinlich in Thüringen Ski. aber auch für (103b) ist in sehr speziellen Kontexten ein Gegenwartsbezug möglich. FuturI-Sätze, die im Sinne einer Vermutung interpretiert werden können, sind mit entsprechenden modalisierten Präsens-Sätzen synonym: (104) a. Irene wird sich über die Ruhe dort freuen, b. Irene freut sich sicher über die Ruhe dort. Wenn diese Sätze aber zukunftsbezogen interpretiert werden, verliert sich diese Synonymie, weil nur der b-Satz im Sinne einer 'Hypothese' interpretiert wird. Die nicht-inferentielle Variante II ist ebenfalls kontextabhängig, da einerseits der Befehlscharakter auch in entsprechenden Präsens-Sätzen abgeleitet werden kann (105b), anderseits auch eine Vermutungslesart mit der 2. PS. Futur verbindbar ist, (105c/d): (105) a. b. c. d.
Du Du Du Du
wirst jetzt schlafen! schläfst jetzt! wirst müde sein. wirst morgen viel zu tun haben.
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Ferner ist auch das Autoritätsverhältnis zwischen Sprechern ein für die Befehls-interpretation relevanter Faktor. Vater (1975, 113) klassifiziert werden auf einer Skala der ausgedrückten Gewißheit: (106) -gewiß können >
werden >
+gewiß > müssen
Modaladverbiale Gegenstücke für den Ausdruck eines mittleren Grads an Gewißheit sind für Vater (1975, 113) wahrscheinlich und vermutlich. Gegen die Annahme eines Merkmals 'Wahrscheinlichkeit' für Sätze mit werden + Infinitiv wenden Matzel/Ulvestad (1982, 312) ein, daß aus einer Mitteilung wie (107a) durch Hinzufügung von wahrscheinlich - genau wie bei einer Verwendung des Präsens, vgl. (107c) - eine Vermutung wird, vgl. (107b): (107) a. In wenigen Minuten werden wir in Frankfurt landen. b. In wenigen Minuten werden wir wahrscheinlich in Frankfurt landen. c. In wenigen Minuten landen wir wahrscheinlich in Frankfurt. Damit sei gezeigt, daß werden + Infinitiv eine "nichtpotentiale, feststellende Funktion" (S. 313) habe, die eher ein Merkmal (+sicher) angemessen mache. Entsprechend schlagen Matzel/Ulvestad (1982, 317f.) ein Merkmal (+Gewähr) bzw. (+Wissen) vor, das wie folgt bei der Klassifikation zukunftsbezogener Sätze eingesetzt und mit den Eigenschaften 'subjektiv' und Objektiv' in Beziehung gesetzt wird: (108)
Satz mit Zukunftsbezug / \ (+Gewähr)/objektiv (-Gewähr)/subjektiv / \ \ a. werden + Inf. b. Präsens c. werden + Inf. obligatorisch Die Teilklasse (108c) ist die oben schon diskutierte - vgl. die Beispiele unter (97) -, die nur in Verbindung mit bestimmten Verben wie jubeln, sich ärgern, erleben etc. werden + Infinitiv obligatorisch macht.40 Dagegen lassen sich jedoch die von Janssen (1989) vorgebrachten Argumente anführen. Von Dieling (1982, 328) wird werden als Hypothesenfunktor betrachtet, der "subjektives Überzeugtsein, das der Sprecher nicht begründen kann oder will", ausdrückt. Dafür spricht, (a) daß der propositionale Gehalt eines wmfen-Satzes nicht bestreitbar ist, (b) daß es nicht negierbar ist, (c) in Fragen verwendbar und (d) graduierbar ist. Ich schließe mich Dielings Charakterisierung an.
40
Ein ebenfalls erwähntes Präsens mit Zukunftsbezug, das auch das Merkmal (-Gewähr) trägt, wird als marginal eingestuft.
209
Vergleicht man nun die Paraphrase (95b) mit (94b), die beide für den Gegenwartsbezug gelten, dann wird klar, wie dicht beieinander die Bedeutungen liegen. Nach den oben angegebenen Paraphrasen unterscheiden sich die beiden Fälle nur dadurch, daß durch das Modalverb werden das Element des 'subjektiven Überzeugtseins' hinzugefügt wird. Dieses ist aber auch schon bei (95a) vorhanden; in (95b) wird nun erstaunlicherweise die Modalität doppelt ausgedrückt und damit besonders deutlich hervorgehoben. Wenn nun keine Evidenz für eine rein temporale Interpretation von schon vorliegt, muß der Hörer auf die doppelt modalisierte Interpretation in (95b) schließen. Der kommunikative Effekt ist, daß aufgrund des verstärkten Ausdrucks subjektiven Überzeugtseins die Evidenz des Sprechers für geringer gehalten, die Vertröstungsanstrengung jedoch vergrößert wird. Auf diese Weise ergibt sich bei gegenwartsbezogener Interpretation ein Übergang von reiner Propositionalität zur starken Modalisierung der Proposition: (109) a. b. c. d. e.
Peter Peter Peter Peter Peter
kommt. kommt schonTAdv. kommt schonMP. wird schonTAdv kommen. wird schonMP kommen.
Man kann sich nun leicht vorstellen, daß bei wiederholter Kalkulation in bezug darauf, wieviel Evidenz der Sprecher hat bzw. was seine subjektive Überzeugung ist, ausgehend von einer zunächst vorhandenen rein temporalen Interpretation, sich eine modale Interpretation des schon entwickelt, was durch die Möglichkeit der zusätzlichen Modalisierung mit werden noch begünstigt wird. Zwei Fälle sind dafür typisch: Der erste Fall ist der mit Ambiguität zwischen temporalem und modalem schon: (110) A: Werde ich bedient? B: Der Kollege kommt schon. Bei diesem Dialog kann der Kunde A nicht entscheiden, ob der Kollege zum Sprechzeitpunkt kommt oder erst später. Daher kann schon auch als Mittel der beabsichtigten Ambiguität gelten. Ein ähnlicher Effekt liegt in bezug auf das Modalverb werden vor, wenn es einmal auf die Gegenwart, einmal auf die Zukunft bezogen wird: (111) A: Kommt der Chef jetzt? B: Der Chef wird schon kommen. In der Modalpartikel-Lesart ist schon mit Gegenwarts- und Zukunftsbezug von werden kompatibel. Der Kunde A kann die Äußerung von B einmal so interpretieren, daß B Gründe für die Annahme hat, daß der Chef gerade kommt, oder daß er Gründe hat für die Annahme, daß der Chef später kommen wird. Schon kaschiert diesen Unterschied, insofern es grundsätzlich mit zukunftsbezogener Interpretation nicht temporal aufgefaßt werden kann.
210
6.5 Konzeptuelle Verschiebung, Metonymie und Metapher Insgesamt ergibt sich ein komplexes Bild der konzeptuellen Verschiebung in puncto schon. Mit dem Temporaladverb verbindet sich nur eine temporale Skala, mit der Gradpartikel eine beliebige Skala, die jedoch an eine temporale Skala gebunden ist. Als Spezialfall der beliebigen Skala der Gradpartikel haben wir die lokale Skala betrachtet. Für das Verhältnis Temporaladverb - Gradpartikel hat Löbner (1989), (1990) überzeugend gezeigt, daß ein allgemeines konzeptuelles Schema der Phasenquantifikation zugrundeliegt. Ich habe versucht zu zeigen, daß dieses Schema auch noch bei der Modalpartikel schon eine Rolle spielt, insofern mit dieser eine Einstellung zu bestimmten Propositionen, die mit Phasen assoziiert sind, ausgedrückt wird. Diese Einstellung habe ich oben mit dem epistemisch schwachen 'annehmen, daß' wiedergegeben, und damit breiten Raum für pragmatische Schlußprozesse gelassen, die die oft mit der Bedeutung der Modalpartikel identifizierten kommunikativen Effekte ergeben sollen. Nach Löbner (1989), (1990) ist zwischen konzeptueller Verschiebung und Übertragung zu unterscheiden. Konzeptuelle Verschiebung liegt vor, wenn mit der Gradpartikel schon verschiedene Skalen verbunden sind: (112)
GP schon
CS temporale Skala Skala von Automarken Skala von Temperaturgraden
KONZEPTUELLE VERSCHIEBUNG
Einen Sonderstatus nimmt allerdings Löbner zufolge die lokale Skala ein, in bezug auf die es sich um eine konzeptuelle Übertragung handelt. (113)
GP schon
CS temporale Skala lokale Skala
t l
KONZEPTUELLE ÜBERTRAGUNG
Das wesentliche Argument dafür ist, daß in diesem Fall die Eigenschaften der Phasenquantifikation auf eine andere Domäne projiziert werden. Ein rein topologische Analyse sei den lokalen Fällen nicht angemessen, weil sie nichts über die inhärente Orientierung aussage. Inhärente Orientierung spielt aber meines Erachtens bei den anderen Skalen ebenfalls eine Rolle, da man nicht nur wissen muß, welche Werte die Skala bilden und wie sie geordnet sind, sondern auch, unter welchem Gesichtspunkt die Ordnung erfolgt (Ordnungsquelle'),
211
und welche Perspektive eingenommen wird ('inhärente Orientierung'). Dies soll an den folgenden Beispielen knapp veranschaulicht werden: (114) Egon ist schon Republikaner. a. Bald wird er Mitglied bei der Nationalen Front. b. Bald wird er Mitglied bei den Christdemokraten. c. Bald wird er Mitglied bei den Sozialdemokraten. d. Bald wird er Mitglied bei der PDS. e. Bald wird er Mitglied bei den Grünen. f. Bald wird er Mitglied bei den Marxisten-Leninisten. (115) Nastassja hat schon einen Mazda MX 5. a. Bald hat sie einen Mitsubishi Pajero. b. Bald hat sie einen Polo. c. Bald hat sie einen Porsche Carrera. d. Bald hat sie einen Jaguar XJ 6. e. Bald hat sie eine BMW Isetta. f. Bald hat sie einen Alfa Spider. Angenommen, man würde folgende Ordnung zwischen den in (114) etablierten Parteien vornehmen: (116) Marxisten-Leninisten PDS Grüne Sozialdemokraten Christdemokraten Republikaner Nationale Front
LINKS
RECHTS
Dann ist (114a) eine plausible Fortsetzung, wobei hier eine links-rechts-Orientierung vorliegt; (114b) macht Sinn unter der Voraussetzung, daß Egon früher Anhänger der Nationalen Front war, jetzt aber mit lauter Christdemokraten befreundet ist; hier liegt rechtslinks-Orientierung vor. Dagegen ist (l 14c) insofern eine weniger plausible Fortsetzung, als die inhärente Orientierung bzw. die Ordnungsquelle unklar ist. Sind Sozialdemokraten für den Sprecher noch rechter, radikaler, politisch verdächtiger, heuchlerischer etc. als die Republikaner? Welche individuelle Skala benutzt der Sprecher? Ähnliche Fragen stellen sich für die Fortsetzungen (114d-f)· Noch komplizierter wird das Bild bei (115), weil es hier keine konventionelle Skala gibt. So werden jeweils als Ordnungsquelle evoziert: die der JAPANISCHEN AUTOS, der KLEINEN AUTOS, der SPORTWAGEN, der LUXUSWAGEN, der BESONDEREN WAGEN und der KLASSISCHEN SPORTWAGEN.
212
Wie bei der Parteienskala spielt hier auch die inhärente Orientierung eine Rolle:41 (117) a.
- Mazda MX5 - Mitsubishi Pajero - X
b.
- Mitsubishi Pajero - Mazda MX 5 - X
3
Vgl. Eder (1975), Schlieben-Lange (1979), Thurmair (1989), Weydt (1983).
226
Dies bedeutet, daß der Sachverhalt der e/z-Äußerung für den Sprecher bekannt ist, daß durch die Äußerung die Relevanz der Vorgängeräußerung (Index 'V') eingeschränkt wird und dadurch eine Korrektur dieser Äußerung erfolgt. Die Betonungsverhältnisse bei ehl sowieso lohnehin sind meines Wissens noch nie untersucht worden. Heibig (1988) und Thurmair (1989, 135) konstatieren Akzentuierbarkeit, wobei Thurmair dies als mögliches Argument gegen den Modalpartikel-Status wertet. Ein Blick auf ihre und Helbigs Beispiele lassen jedoch den Schluß zu, daß eh und sowieso so gut wie immer betont werden.4 Betrachten wir daher ein Beispiel genauer: (14) A: Ich habe leider kein Bier im Kühlschrank. B: a. Ich habe EH keinen Durst. b. ?Ich habe eh keinen DURST (sondern HUNGER). c. Ich habe EH keinen DURST (sondern HUNGER). Einfache Akzentuierung auf der Partikel wie in (14a) und Doppelakzentuierung wie in (14c) sind problemlos. Unakzentuiert, oder jedenfalls schwächer akzentuiert kann eh sein, wenn ein starker Akzent auf einem anderen Fokusausdruck liegt, wie in (14b). Um die Bedeutung von ehIEH herauszuarbeiten, setze ich an der Explikation (12) an und illustriere sie zunächst am Beispiel (14). Die Alternative, in bezug auf die zu entscheiden ist, ist x' = 'B trinkt kein Bier' vs. = 'B trinkt Bier'. Der Satz a entspricht der Äußerung in (14A); aus ihm "folgt", daß B kein Bier bekommt, also x'. In dem eh/sowieso-Satz werden nun unabhängige Gründe angeführt, die x' unterstützen. Wenn B keinen Durst hat, folgt ebenfalls, daß er kein Bier trinkt. Eh/sowieso (p) muß also relevant hinsichtlich der Entscheidung zwischen x und x' sein. Man beachte, daß es im Prinzip auch Dialoge geben kann, in denen x folgt, und in denen x unterstützt wird; aus (12) könnte man schließen, daß es sich n u r um eine der beiden Alternativen handeln kann. Die folgenden Dialoge sind daher nicht akzeptabel: (15) A: Ich habe leider kein Bier im Kühlschrank. B: #Prima. Ich habe EH einen Riesendurst. (16) A: Ich habe übrigens Bier im Kühlschrank. B: #Ich habe EH keinen Durst. Die B-Äußerung in (15) unterstützt nicht ' = (16) unterstützt nicht = trinkt Bier'.
trinkt kein Bier' und die B-Äußerung in
Für sowieso und ohnehin scheint es alternative Betonungsmuster zu geben, ähnlich wie bei überhaupt: (i) A: Egon will übrigens nach Mallorca trampen. B: Das kommt SOwieso/OHNEhin/ÜBERhaupt nicht in Frage. Das kommt sowieSO/ohneHIN/überHAUPT nicht in Frage. Der Grund dafür ist mir unklar.
227
Statt von einer "Folgerung" zu reden, ist es angemessener, von 'konversationellen Implikaturen' auszugehen. 'B trinkt kein Bier' wird konversationell implikatiert durch die AÄußerung, weil diese Folgerung im Äußerungskontext streichbar ist. Um Implikaturen handelt es sich auch bei den möglicherweise "impliziten" Gründen der /jowieyo-Äußerung, die x' oder unterstützen. (17) A: Ich habe leider kein Bier im Kühlschrank. B: (Macht nichts.) Ich habe EH einen empfindlichen Magen. (18) A: Ich habe Bier im Kühlschrank. B: (Prima.) Ich will EH nicht verdursten. So implikatiert die (17B)-Äußerung, daß B kein Bier trinken will und unterstützt so die Implikatur aus ( ), daß B kein Bier bekommen kann. In (ISA) ist die Implikatur, daß B Bier trinken kann, und dies wird durch die Implikatur aus (18B), daß Bier trinken will, unterstützt. Wir müssen uns nun überlegen, was die Bedeutung von eh ist und inwiefern der Akzent auf EH ein Kontrastakzent ist. Es ist sicher richtig, daß eh eine Rolle in Argumentationen spielt, d.h. daß eine Entscheidung zwischen zwei Alternativen bzw. x' gefordert wird. Für den Gebrauch von eh gilt die Annahme des Sprechers zum Sprechzeitpunkt, daß es für den Hörer im Äußerungskontext keine Proposition y gibt, aus der x bzw. x' folgen würde. Zum Beispiel gibt es nach Annahme von B in (14) für A keinen sicheren Grund für die Annahmen, daß B gerade entweder Durst hat oder daß er keinen Durst hat. In (19) (19) A: Ich habe übrigens Bier im Kühlschrank. B: Prima. Ich habe EH einen Riesendurst. gilt entsprechend, daß B annimmt, daß A keinen sicheren Grund für die Annahmen hat, daß B gerade entweder einen Riesendurst hat oder keinen Riesendurst hat. Demnach müßten die folgenden Dialoge unangemessen sein, was auch tatsächlich der Fall ist: (20) A: Ich habe leider kein Bier im Kühlschrank, aber du hast ja keinen Durst. B: #Ich habe EH keinen Durst. (21) A: Ich habe Bier im Kühlschrank und wie ich weiß, hast du einen Riesendurst. B: #Prima. Ich habe EH einen Riesendurst. Durch eh wird ausgedrückt, daß der Hörer aus der Sicht des Sprechers zum Sprechzeitpunkt nichts über die Optionen des Sprechers weiß, und daß die e/j-Proposition nach Meinung des Sprechers vom Hörer zum Sprechzeitpunkt nicht bedacht worden ist. Dies meint Heibig (1988), wenn er sagt, daß das Zutreffen der eÄ-Proposition außerkontextuell motiviert sei, und Thurmair (1989) mit ihrem Merkmal, daß der Sachverhalt bekannt nur für den Sprecher sei. Diese Bedeutungscharakterisierung reflektiert auch die Entwicklung aus eh ('vorher')
228
und den Zusammenhang mit der temporalen Konjunktion (vgl. Helbigs 1988, 128 Beispiel Er geht einkaufen, eh/ehe er zur Arbeit geht.) Ich gehe also von folgender Bedeutung von eh aus:
(22) eh Der Sprecher nimmt an, daß p zum Sprechzeitpunkt vom Hörer nicht bedacht worden ist, und daß p relevant für die Entscheidung zwischen einer Alternative vs. x' ist. In folgendem Beispiel könnte es zunächst so aussehen, daß der Sprecher annimmt, daß p zum Sprechzeitpunkt bedacht worden ist: (23) A: Geh auf dem Rückweg bei der Chefin vorbei, ja? B: Klaro, das hatte ich EH vor. Die Alternative ist hier: = 'B geht bei der Chefin vorbei' vs. ' = B geht nicht bei der Chefin vorbei'. Die Proposition p besagt, daß B beabsichtigte, auf dem Rückweg bei der Chefin vorbeizugehen. Dies ist offensichtlich von A nicht bedacht worden und für ihn neue Information, denn sonst hätte er B nicht aufgefordert. Die Proposition p ist jedoch relevant für die Entscheidung zwischen und x', und B weiß das. Beispiel (23) ist also kein Gegenbeispiel zu (22). Den Aspekt, daß die eA-Äußerung in manchen Konversationen dazu dienen kann, das Gesicht des Hörers zu wahren, will ich nicht zur Bedeutung der Partikel rechnen, sondern aus Prinzipien der Konversation, besonders der Höflichkeitsmaxime, ableiten. Eine solche Ableitung sieht für das Beispiel (14) so aus: A geht davon aus, daß B möglicherweise Durst hat, und Bier ist ein geeignetes Mittel, Durst zu löschen. Da er B kein Bier anbieten kann, kann B den Durst auch nicht löschen. Dies ist für B peinlich, denn als Gastgeber muß er alles für das Wohlbefinden von B tun. B drückt nun aus, daß er keinen Durst hat. Dies erleichtert A, denn nun steht er nicht als schlechter Gastgeber da. Durch den Gebrauch von eh macht B darauf aufmerksam, daß er nicht hätte zu befürchten brauchen, als schlechter Gastgeber dazustehen, wenn er nur alle relevanten Umstände gekannt hätte. Die gesichtswahrende Funktion von eh läßt sich somit (zumindest für diesen Fall) aus Konversationsprinzipien ableiten. In manchen Kontexten scheint EH mit dem Verum-Fokus austauschbar zu sein: (24) A: Ich habe leider kein Bier im Kühlschrank. B: a. Ich habe EH keinen Durst. b. Ich HABE keinen Durst. Allerdings wirkt (24b) wesentlich schroffer als (24a), was wiederum die Relevanz der Höflichkeit bestätigt. (24b) unterstützt zwar ebenfalls die Implikatur trinkt kein Bier', aber durch eine direkte Korrektur, die gegenüber A's gastgeberischen Sorgen unangemessen wirkt, während bei eh darauf aufmerksam gemacht wird, daß sich A seine Sorgen unnötig gemacht hat.
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Wir müssen nun prüfen, ob es sich bei EH um einen Kontrastfokus handelt und wie dieser sich zu der in (22) beschriebenen Bedeutung von eh verhält. Bei der Analyse von DOCH, assertivem, reaktivem JA und SCHON habe ich argumentiert, daß die minimal fokussierte Modalpartikel neue Information darstellt, und p Hintergrund in dem Sinne ist, daß es durch den negativen Vorgängersatz konversationell implikatiert wird. Eine solche Erklärung ist bei EH aber nicht anwendbar, weil EH (p) per defmitionem neue Information ist. Die EHÄußerung ist als Ganzes neue Information, d.h. niemals c-konstruierbar. Dies erklärt meines Erachtens, warum der Kontrastakzent auf eh so gut wie obligatorisch ist, vgl. (14). Bei jeder Verwendung von EH folgt nämlich aufgrund der Bedeutung von eh, daß die neue Information p mit allem, was der Hörer weiß und bezüglich seiner Entscheidung oder x' in Erwägung gezogen hat, im Kontrast steht. Wenn p eine für vs. x' relevante Information ist, darf die Proposition y, aus der nichts hinsichtlich vs. x' folgt, nicht gleich p sein. Der merkwürdige Umstand, daß eh einerseits minimal fokussiert ist, anderseits der Rest des Satzes kein Hintergrund ist, läßt sich nur dadurch erklären, daß der Fokus auf eh nicht nur kontrastiv ist, sondern zugleich auch präsentativ (vgl. Abschnitt 3.2.3), und zwar nicht nur in dem allgemeinen Sinne, daß die fokussierte Modalpartikel neue Information liefert (das tut der Kontrastfokus ja auch), sondern in dem Sinne, daß durch die Bezogenheit der Modalpartikel auf die Proposition p dieselbe durch die fokussierte Modalpartikel zugleich "mitpräsentiert" wird. Nur so läßt sich die unplausible Annahme vermeiden, daß EH Fokusexponent und Ausgangspunkt eines maximalen Fokus ist. Der Ausschluß von EH in Imperativsätzen läßt sich darauf zurückführen, daß der propositionale Gehalt von Imperativsätzen nicht als Argument hinsichtlich der Entscheidung bezüglich x oder x' gelten kann, und immer Adressatenbezogenheit vorliegt, d.h. kein Kontrast zwischen p und dem Hörerwissen etabliert werden kann. Eine detaillierte Analyse müßte auch zeigen, warum ehIEH in E-und W-Interrogativsätzen und Konditionalsätzen auftreten darf. Dies würde aber angesichts der mit ehIEH verbundenen Schwierigkeiten zu weit führen. Hier mag die Argumentation genügen, daß EH eine weitere kontrastakzentuierte Modalpartikel ist.
7.2.3 Probleme mit "WOHL Wie DOCH, JA, SCHON und der Verum-Fokus kann WOHL dazu dienen, eine Vorgängerproposition zu bestreiten: (25) A: Nastassja ist nicht verheiratet. B: a. Nastassja ist DOCH/JA/SCHON/WOHL verheiratet, b. Nastassja IST verheiratet. Eine Analyse von WOHL als kontrastakzentuierte Modalpartikel ist jedoch mit zwei Schwierigkeiten verbunden: (a) der kategorielle Status von wohl/WOHL ist nicht geklärt, (b) die Be-
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deutung des fokussierten WOHL scheint kaum aus der Bedeutung von wohl abzuleiten zu sein. Sehen wir uns zunächst die Kategorisierung von wohl/WOHL näher an. Umstritten ist, ob wohl im Mittelfeld eine Modalpartikel ist. Bublitz (1978, 84) stuft es als Satzadverb ein, Doherty (1987) als Modalpartikel. Bei Heibig (1988) erscheint es als Modalpartikel, bei Helbig/Helbig (1990) als 'Modalwort', also als Satzadverb; beide Male heißt es, die Grenzen zwischen beiden sei schwer zu ziehen. Thurmair (1989, 140) entscheidet sich, "einen Übergangsbereich anzusetzen zwischen der Modalpartikel-Funktion und der SatzadverbFunktion", während bei Brauße (1992) vorsichtig vom "Adverb" die Rede ist. Das wohl, um das es geht, kann in Deklarativsätzen, assertiven Fragen, E- und W-Interrogativsätzen, und selbständigen Komplementierersätzen vorkommen:5 (26) a. b. c. d. e. e'. f. g.
Sie hat wohl den Laufstall verkauft. Du gehst wohl zur Markthalle? Ist Nastassja wohl bei Egon? Hebst du wohl das Buch wieder auf! Wer hat das wohl geschrieben? Wer wohl hat das geschrieben? Ob sie wohl den Zug verpaßt hat? Wohin sie wohl die Brille gelegt hat?
Ausgeschlossen ist es in Imperativsätzen, Optativsätzen und Exklamativsätzen. WOHL kann ausschließlich in Deklarativsätzen vorkommen. Wohl ist mehrfach heterosem: (27) a. Mir ist nicht wohl bei diesem Gedanken. b. Nastassja hat sich in Miami Beach sehr wohl gefühlt. c. Wohl hat uns Egon geleimt, aber/allein wir sind ihm nicht böse, c'. Egon hat uns wohl geleimt, aber/allein wir sind ihm nicht böse, c". *Wohl hat uns Egon geleimt. In (27a) ist wohl Adjektiv, in (27b) Adjektivadverb. In (27c/c') ist es vermutlich Konjunktionaladverb; allerdings weist das obligatorische Verbundensein mit einem aberlalleineingeleiteten Konjunkt (siehe dazu 27c") auch auf die mögliche Analyse als zusammengesetzte Konjunktion (wie zwar-aberldoch) hin; man beachte dazu, daß auch zwar im Mittelfeld stehen kann.
Mit der Ausnahme von Doherty (1987, 112) wird wohl in -Interrogativsätzen von den meisten Forschern akzeptiert, vgl. Asbach-Schnitker (1977, 50f.), Bublitz (1978, 85f.), Heibig (1988, 241), Thurmair (1989, 139ff.), Westheide (1985, 194f), aber auch Doherty (1979, 112). Als problematische Beispiele werden genannt: (i) ?Warst du gestern wohl in München? (Asbach-Schnitker 1977, 50f.) (ii) »Kommt dir das wohl komisch vor? (Bublitz 1978, 85f.) (iii) »Ist Konrad wohl verreist? (Doherty 1987, 112) Der Grund für die zweifelhafte Akzeptabilität bei (i) und (ii) liegt in dem Personalpronomen der 2. PS. Ist der Referent nicht der Angesprochene, sind die Sätze voll akzeptabel. Die Bewertung von (iii) teile ich nicht.
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Der Grund für die gelegentliche Kategorisierung von wohl als Satzadverb ist, daß es in (26ac, e-g) mit 'vermutlich' paraphrasiert werden kann und vermutlich ein unzweifelhaftes Satzadverb ist. Dagegen spricht aber (a) die mangelnde Vorfeldfähigkeit (vgl. (27c"), daß es (b) nicht wie viele andere Satzadverbien als Antwort auf eine Entscheidungsfrage gebraucht werden kann, vgl. (28), und daß (c) diese Paraphrase nicht immer sinnvoll ist, z.B. nicht in (26d). (28) a. A: Kommt Peter? B: Leider./Vermutlich./*Tatsächlich./*Wohl. Gegen den Status als Modalpartikel spricht auf der anderen Seite die Modifizierbarkeit durch sehr, und zwar mit unbetontem und betontem wohl: (29) A: Das kann man auf keinen Fall sagen. B: a. Das kann man sehr WOHL sagen. a'. Sehr WOHL kann man das sagen. b. Das kann man sehr wohl SAgen, aber nicht SCHREIben. Diese Modifizierbarkeit von wohl/WOHL durch sehr gilt allerdings nur für die Deklarativsätze, wie die Einsetzung in (26b-g) zeigt; wie gesagt, kann WOHL überhaupt nur in Deklarativsätzen auftreten. Bemerkenswert ist auch, daß sehr WOHL im Vorfeld auftreten kann, vgl. (29a'), WOHL jedoch nicht. Möglich wäre hier allenfalls die Analyse, daß durch sehr modifiziertes wohl/WOHL Adverb ist (vgl. (27b)) oder Satzadverb (vgl. sehr wahrscheinlich), während wohl/WOHL Modalpartikel ist. Dazu bedürfte es aber weiterer Untersuchungen. Welche Beziehung besteht nun zwischen wohl und WOHL1 Die bestehenden Vorschläge zur Bedeutungscharakterisierung von wohl laufen darauf hinaus, daß der Sprecher durch den Gebrauch von wohl die Einstellung des Vermutens signalisiert. Zum Beispiel nimmt Abraham (1986, 77f.) einen epistemischen Funktor VERMUT an, der eine Eigenschaft oder einen Zustand des Vermutens beim Sprecher denotiert (vgl. auch Abraham 1991a, 231). Doherty (1979, 120ff.) sagt, daß wohl als 'Hypothesenfunktor'6 die Funktion habe, "eine Aussage durch den Bezug zu einem bestimmten (evidenzreichen) Hintergrund als Hypothese zu kennzeichnen" (vgl. auch Doherty 1987, 112). Thurmair (1989, 140) setzt durchgängig das semantische Merkmal < EINSCHRÄNKUNO an; dieses Merkmal bezieht sich auf den illokutiven Bereich und ist so aufzufassen, daß ein Sprecher mit dem Gebrauch von wohl die Gültigkeit eines entsprechenden Sprechakts einschränkt. Offensichtlich ist also < EINSCHRÄNKUNG > ein pragmatisches Korrelat zur Einstellung des Vermutens.7
6 7
Helbig/Helbig (1990, 283) verwenden den Terminus 'Hypothesenindikator'. Motiviert ist diese Analyse wesentlich dadurch, daß Thurmair (1989, 139) den Ausdruck einer Einstellung des Vermutens für einen Beitrag zur propositionalen Bedeutung hält, was ihrer Auffassung vom illokutiven Charakter der Modalpartikeln zuwiderläuft.
232
Auffallig ist nun, daß sich die Bedeutung von unbetontem wohl als Zeichen des Vermutens bei betontem WOHL in ein Zeichen des sicheren Wissens verwandeln kann. Wie läßt sich dies erklären? Mit der Beziehung zwischen wohl und WOHL haben sich Abraham (1991a), Brauße (1992) und Doherty (1987) beschäftigt. Abraham (1991a, 231) notiert WOHL als (30) MP WOHL (Abraham) (B: - ) : mit A und B für Gesprächspartner, für eine Proposition. Die Bedeutung der Modalpartikel WOHL sei von der Bedeutung des Adjektivs wohl (im Sinne von 'voll, ganz') ableitbar, die Bedeutung der Modalpartikel wohl hingegen nicht. Er folgert daraus, "that we have to assign a primitive, idiosyncratic lexical entry to the MP wohl, while its variant WOHL (with contrastive accent) is derivable." Allerdings bleibt unklar, wie man sich die Umkategorisierung des Adjektivs wohl zur Modalpartikel WOHL vorzustellen hat, und welche synchrone Beziehung dann zwischen der unbetonten Modalpartikel wohl und der betonten Modalpartikel WOHL besteht. Eine dem Ansatz von Abraham ähnliche Erklärung hat Brauße (1992, 226) vorgeschlagen. Betontes WOHL mit der Funktion des Widerspruchs/der Bekräftigung sei aus dem kontrastakzentuierten WOHL entstanden, was man in Dialogen wie dem folgenden deutlich sehen könne: (31) A: Ich verstehe nicht gut/schlecht, was gemeint ist. B: Ich verstehe WOHL, was gemeint ist. In (31B) sei WOHL zunächst ein Adverb mit der Bedeutung 'gut'; da aber im Falle von wohl "gut" und "schlecht" in einer Kontrastbeziehung stehen, werde die "Bewertung des Sachverhalts insgesamt umgekehrt, so daß wohl zum Ausdruck des Widerspruchs generell werden kann." Aber auch hier bleibt unklar, wie eine direkte Umkategorisierung eines betonten Adverbs zu einer betonten Modalpartikel geschehen kann, und wie man sich die (zeitgleiche?) Entwicklung der unbetonten Modalpartikel vorstellen soll. Doherty (1987, 135ff.) geht von den folgenden Überlegungen aus: (i)
WOHL kann nur in Deklarativsätzen gebraucht werden (alle anderen mit wohl möglichen Satztypen sind ausgeschlossen); (ii) WOHL kann kein Satzadverb in seinem Skopus haben (genau wie die anderen kontrastakzentuierten Modalpartikeln); (iii) WOHL präsupponiert die Wahrheit von p (während wohl eine Hypothese über p ausdrückt). Für wohl setzt Doherty (1987, 112)) als Bedeutung an, daß der Sprecher eine Hypothese über einen einstellungsbewerteten Sachverhalt ausdrückt. Man betrachte nun
233 (32) A: Vielleicht ist Konrad nicht verreist. B: Konrad ist WOHL verreist. In (32A) werde ausgedrückt, daß es möglich ist, eine positive Einstellung zu non-p zu haben. Dies könne nun mit der alternativen Bewertung von WOHL identifiziert werden; die explizite Bewertung bestehe in der Präsupposition der Wahrheit von p. Wenn der Sprecher in (32B) eine positive Einstellung zu 'es ist nicht möglich, daß non-p' assertiert, präsupponiere er zugleich p. Der Kontrastakzent bewirke also einfach die Negation der alternativen Bewertung: aus 'es ist möglich, daß non-p' wird 'es ist nicht möglich, daß non-p', also 'p'. Wohl könne ein epistemisches Satzadverb in seinem Skopus haben; dadurch werde wohl selbst epistemisch interpretiert. Falle das Satzadverb weg, weil wohl Kontrastakzent erhält, wechsele die epistemische Modalität (Hypothese über p) in eine alethische Modalität (Wissen, daß p). Dies erkläre auch die Unverträglichkeit von WOHL mit Interrogativsätzen. Während ich die Auffassung von Abraham und Doherty grundsätzlich teile, daß sich die Modalpartikel wohl auf eine Einstellung des Vermutens, daß p bezieht, halte ich die Bedeutungsrepräsentation von Abraham für zu unspezifisch, weil sie nur eine prototypische Verwendungssituation erfaßt; Doherty geht dagegen mehr auf die spezifische Bedeutung von wohl ein, vermag aber nicht plausibel zu machen, warum der Kontrastakzent auf WOHL negierende Wirkung haben kann. So bleibt unklar, wieso nach dem Ausweis von (iii) WOHL die Wahrheit von p präsupponiert, während wohl eine Hypothese über p ausdrückt. Man kann letztlich bezüglich der mit wohl/WOHL verbundenen Probleme nur Klarheit gewinnen, wenn (a) der kategorielle Status von wohl/WOHL genauer untersucht wird, und wenn (b) die Rekonstruktion der komplizierten Geschichte von wohl/WOHL gelungen ist (vgl. Meibauer i.V.). Hier wäre auch der in Paul (1992, 1055) geäußerten Vermutung nachzugehen, daß die Bedeutung von WOHL im Zusammenhang mit der Bedeutung von jawohl zu sehen ist.
7.3 Ausschluß der Kontrastierbarkeit 7.3.1 einfach/ruhig/glatt Die Modalpartikeln der Gruppe einfach/ruhig/glatt haben Heteroseme als Adjektiv.8
Vgl. zu zu diesem Modalpartikeln vor allem Hartmann (1979), Heibig (1988) und Thurmair (1989). Zu glatt als Modalpartilcel liegt bisher noch keine Einzelstudie vor.- In Franck (1980, 238f.) und Thurmair (1989, 128ff.) finden sich unter den Stichworten Transposition' bzw. 'Funktionswechsel' einige interssante Überlegungen zur Entwicklung der Modalpartikel einfach aus dem Satzadverb (Franck) bzw. Modaladverb (Thurmair) einfach. Vgl. (i), wo sich einfach (Modaladverb) auf den Modus der Handlung bezieht, mit (ii), wo es sich auf die Äußerung selbst bezieht (Modalpartikel): (i) Du kannst da nicht einfach HINgehen.
234
Betrachten wir der Einfachheit halber das Vorkommen dieser Modalpartikeln in Deklarativsätzen, wobei zu beachten ist, daß die Modalpartikel ruhig nur in Deklarativsätzen mit Modalverben erlaubt ist: (33) a. a'. b. b'. c. c'.
Egon hat ihm einfach die TÜR vor der Nase zugeknallt. Egon hat ihm EINFACH die TÜR vor der Nase zugeknallt. Du kannst ruhig SAGEN, wenn dir was nicht paßt, Du kannst RUHIG SAGEN, wenn dir was nicht paßt. Nastassja hat glatt ihren CHEF rasiert! Nastassja hat GLATT ihren CHEF rasiert!
Mit gleicher Bedeutung kann die Modalpartikel betont oder unbetont sein. Der mögliche Akzent auf diesen Modalpartikeln - vgl. (33a'/b'/c') ist jedoch kein Kontrastakzent, sondern ein emphatischer Akzent. Ich verstehe hier 'Emphase' im Sinne von Uhmann (1991, 261) als Möglichkeit des Sprechers, "bestimmte Teile seiner Äußerung über die Markierung der Fokus/Hintergrund-Gliederung hinaus zusätzlich intonatorisch besonders hervorzuheben."9 Es kann sich auch nicht um einen sog. Exklamativakzent handeln, weil die entsprechende Akzentuierung nicht nur in Exklamativsätzen vorkommt - siehe die obigen Beispiele. Wenn dagegen der Akzent auf einfach, ruhig und glatt kontrastiv interpretiert wird, handelt es sich immer um das Adverb: (34) A: Egon hat das kompliziert gemacht. B: Wieso? Er hat das EINFACH gemacht. (35) A: Ich kann das nur mit Krach machen. B: Nein. Du kannst das RUHIG machen, wenn du nur willst. (36) A: Der Bart vom Chef war hinterher ganz stoppelig. B: I wo. Sie hat den Chef GLATT rasiert. Ich gehe daher davon aus, daß diese Modalpartikeln deshalb nicht mit einem Kontrastakzent versehbar sind, weil sie aufgrund ihrer Bedeutung einer kontrastiven Interpretation nicht zugänglich sind. Sehen wir uns kurz typische Vorkommen dieser Modalpartikeln an: (37) a. b. c. d.
Da fällt einem einfach nichts ein. Hat er einfach die Geduld verloren? Warum hast du einfach abgewartet? Mach einfach Urlaub!
(ii) Du kannst da einfach NICHT hingehen. (Beispiel nach Thurmair 1989, 129) Vgl. auch das Emphase-Prinzip bei Uhmann (1991, 260).
235 (38) a. Du kannst ruhig reinkommen, b. Komm ruhig herein! (39) a. Nastassja hat sich glatt bei RTL beworben! b. Hat sie doch glatt den Chef rasiert! In allen diesen Fällen scheint ein Bedeutungsmoment eine Rolle zu spielen, das darin besteht, daß der Sprecher etwaige Widerstände, Hinderungsgründe usw. für irrelevant erklärt (vgl. Heibig 1988 und Thurmair 1989 zu einfach/ruhig). Zum Beispiel gibt es bei (37d) für den Sprecher keinen Grund, warum der Adressat nicht Urlaub machen sollte. In (38a) gibt es keinen Grund, warum der Adressat nicht hereinkommen sollte. In (37a) sieht der Sprecher nichts, was ihm doch zu einem Einfall verhelfen würde. In (39a) drückt der Sprecher seine Verwunderung darüber aus, daß Nastassja alle Bedenken gegen eine Bewerbung ignoriert hat, usw. Man kann dies so zusammenfassen, daß zur Bedeutung dieser Modalpartikeln gehört, daß der Sprecher im Kontext keine Proposition -p anerkennt, die gegen p spricht. Wenn dem so ist, leuchtet unmittelbar ein, warum es keinen Kontrastakzent geben kann: weil ein glatter Widerspruch zur Bedeutung der Modalpartikel entstehen würde, dadurch daß auf eine alternative, kontrastierende Proposition verwiesen wird.
7.3.2 halt Die Modalpartikel halt ist grundsätzlich nicht betonbar: (40) A: Schon im Kindergarten wird rumgeballert! B: Jungens LIEBEN *HALT/halt Waffen. (41) A: Eine halbe Stunde habe ich auf ihn gewartet. B: Und danach hast du es *HALT/halt sein gelassen? (42) A: Ich weiß nicht, wo ich das Kind lassen soll. B: Dann bring es *HALT/halt zu MIR. Hentschel (1986a) setzt als Bedeutung von halt (und eben) 'Unabänderlichkeit' an.10 In ähnlicher Weise identifiziert Heibig (1988, 159) die Gesamtbedeutung von halt mit der Einstellung des Sprechers, "daß der Sachverhalt seinem Eingreifen entzogen ist und deshalb als unabänderlich verstanden wird." Dagegen nimmt Thurmair (1989, 123ff.) als semantische Merkmale < KONNEX > < PLAUSIBEL^ > an. Ich finde dies insofern adäquater, als
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Dieses Merkmal nehmen auch Hartog/Rüttenauer (1982) für die Modalpartikel eben an. 'Unabänderlichkeit' läßt sich nach Hentschel (1986a, 102) schon für halt im Mhd. nachweisen.
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kaum einzusehen ist, wieso der zu realisierende Sachverhalt zum Beispiel in (40B) oder (42B) unabänderlich sein soll. (Zum Merkmal vgl. Fn. 1.) Nehmen wir Folgendes als Grundbedeutung von halt an: (43) halt: Sprecher hält es für plausibel, daß p. Zum Beispiel hält es der Sprecher in (40B) für plausibel, daß Jungen Waffen lieben. Die Plausibilität einer Proposition p liegt darin, daß keine Proposition bekannt ist, die p 11 unplausibel machen würde. Insbesondere kann es sich nicht um -p handeln: (44) A: Fritz ist nicht verheiratet. B: Fritz ist *halt/*HALT verheiratet. Die beste Möglichkeit, eine Proposition p unplausibel zu machen, ist wohl zu zeigen, daß -p gilt. Die Herstellung einer Beziehung zu einer im Kontext relevanten Proposition -p scheint aber nun die typische Eigenschaft des Kontrastakzents zu sein. Daher würde ein Kontrastakzent auf halt in Widerspruch zur Bedeutung der Partikel geraten.
7.3.3 etwa Die Modalpartikel etwa ist auf -Interrogativsätze, assertive Fragen und Konditionalsätze beschränkt (vgl. Heibig 1988, 141f.): (45) a. Hast du etwa die Schule geschwänzt? b. Du hast doch nicht etwa die Schule geschwänzt? c. Wenn Nastassja etwa die Schule schwänzen sollte, werden wir den Onkel benachrichtigen. Die Kategorisierung des Heterosems ist umstritten: Thurmair (1989, 170) geht von einem Adverb etwa ('ungefähr', 'möglicherweise') aus, während Heibig zwei Varianten einer Gradpartikel etwa annimmt: die erste bedeutet 'ungefähr, annähernd', die zweite 'beispielsweise': (46) a. Etwa drei Tage/drei Tage etwa fährt sie nach Mallorca, b. Er hat viele Hobbies, etwa Reisen, Musik und Sport. Daß etwa nicht allein im Vorfeld stehen kann, spricht für die Richtigkeit von Helbigs Analyse.
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Daß bei halt charakteristischerweise eine Vorgängerposition im Spiel ist, läßt sich am besten im Vergleich mit ja zeigen, vgl.: (i)Da kommt ja/*halt Fritz!
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Als Bedeutung der Modalpartikel (nicht) etwa'2 sieht Doherty (1987, 109), "that etwa negates the speaker's epistemic evaluation and relates it to the assumption that p is possible." Mit dieser Bestimmung wird als charakteristische Eigenschaft von etwa erfaßt, daß es mit bestimmten Erwartungen verbunden ist. Zum Beispiel negiert der Sprecher in (47a) seine Einstellung zu p = 'Konrad ist nicht verreist' und impliziert konventionell eine positive Einstellung des Hörers zu p. In (47b) läßt der Sprecher seine Einstellung zu p offen und impliziert zugleich konventionell seine negative Einstellung zu p. (47) a. Konrad ist nicht etwa verreist, b. Ist Konrad etwa verreist? Heibig (1988, 141f.) meint zu etwa in -Interrogativsätzen, daß es "signalisiert, daß der Sprecher das Gegenteil von dem erwartet, was in der Frage ausgedrückt wird, daß er befürchtet, die nicht bevorzugte (positive) Antwort zu erhalten." Als Gesamtbedeutung sieht er, daß es "eine Möglichkeit neben anderen (die in Entscheidungsfragen als unerwünscht angesehen wird)" bezeichnet, und eine Einstellung zu der Proposition festlegt, wobei diese Einstellung auf eine alternative Einstellung bezogen wird (S. 144). Thurmair (1989, 170) setzt als Bedeutung von etwa folgende Merkmalskombination an: (48) etwa (Thurmair) < KONNEX > < UNERWARTET > v < UNERWÜNSCHT >s Mit etwa frage der Sprecher einmal "nach der Möglichkeit eines für ihn unerwarteten Sachverhalts" (S. 171), gebe aber zugleich zu erkennen, daß er diesen Sachverhalt nicht will. Ein Vergleich mit der Modalpartikel auch ergibt, daß diese das Merkmal < ERWÜNSCHT > s trägt, während vielleicht mit etwa im Merkmal < UNERWARTET > übereinstimmt. Betontes und unbetontes dennIDENN sowie unbetontes etwa haben die folgende Distribution in E- und W-Interrogativsätzen: (49)
denn E-INT + W-INT +
DENN etwa ETWA 0 +
+ 0
0 0
Im Unterschied zu DENN, das auf W-Interrogativsätze beschränkt ist, ist ETWA in keinem Interrogativsatztyp möglich, auch nicht in -Interrogativsätzen, wo etwa zulässig ist. Wie kann dieses Verbot von ETWA erklärt werden? Ich nehme an, daß die Bedeutung von etwa mit dem Element der Unerwartetheit zusammenhängt. Unerwartetheit liegt in E-
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Nicht (etwa) und etwa seien "variants of one particle" vgl. Doherty (1987, 109). Vgl. auch die interessante Diskussion zu nicht etwa bei Thurmair (1989, 174f.).
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Interrogativsätzen vor, wenn es einerseits offen ist, ob p, der Sprecher aber anderseits glaubt, daß -p. Daß p unerwünscht ist, halte ich allenfalls für pragmatisch ableitbar. In (50) Hast du etwa im Lotto gewonnen? Das ist ja wunderbar! Herzlichen Glückwunsch! ist davon nichts zu spüren. (Das Merkmal < KONNEX > begegnet den bekannten Vorbehalten, vgl. Fn. 1.) Wenn nun ein Kontrastakzent die Beziehung zu einer im Äußerungskontext relevanten Proposition -p herstellt, dann ist der Ausdruck des Sprecherglaubens, daß -p, nicht nur überflüssig, sondern stünde auch im Widerspruch zur Funktion des Kontrastakzents. Zum Beispiel müßte in (51) a. *Hast du ETWA die Schule geschwänzt? b. 'Adr hat nicht die Schule geschwänzt.' im Äußerungskontext die Proposition (51b) relevant sein; auf diese wird jedoch schon durch die Bedeutung der Partikel 'Sprecher glaubt, daß -p' Bezug genommen. Etwa in W-Interrogativsätzen ist ausgeschlossen, weil sich seine Bedeutung (d.h. die Bezugnahme auf -p) nicht mit der Bedeutung des W-Interrogativsatzes, daß es offen ist, für welches X(p) gilt, verträgt. Dies und das bezüglich den -Interrogativsätzen vorgetragene Argument spricht aber auch gegen ETWA in W-Interrogativsätzen. Genau wie bei halt hängt die Nichtakzentuierbarkeit von etwa also mit einem Widerspruch zwischen dem, was die unbetonte Modalpartikel bedeutet und dem, was die kontrastive Interpretation verlangt, zusammen.
7.4 Zusammenfassung Vor dem Hintergrund des Begriffs des 'modalen Kontraste' wurden einerseits weitere kontrastakzentuierbare Modalpartikeln vor dem Hintergrund des modalen Kontraste untersucht, nämlich denn und eh (sowiesolohnehin); wohl ist ein einschlägiger Kandidat, aber sein Modalpartikel-Status ist ungeklärt. Anderseits wurden einige nicht kontrastakzentuierbare Modalpartikeln untersucht, nämlich einfachlruhiglglatt als ausschließlich emphatisch betonbare Modalpartikeln, sowie halt und etwa. Die Ergebnisse sprechen insgesamt für die Nützlichkeit des Begriffs 'modaler Kontrast'.
8. Schluß Die Modalpartikelforschung hat eine ungeheure Fülle an Analysen zu einzelnen Partikeln zusammengetragen. Von Anfang an hat man sich auch um die theoretische Erfassung ihrer syntaktischen, semantischen und pragmatischen Besonderheiten bemüht. Der Stand der Forschung ist sehr übersichtlich in Heibig (1988) und Thurmair (1989) dokumentiert. Dennoch läßt sich nicht sagen, daß die einschlägigen Probleme in rundum befriedigender Weise gelöst worden sind. Es besteht durchaus ein Bedarf nach einem theoretischen Rahmen, der einerseits den Besonderheiten der Modalpartikeln Rechnung trägt, aber anderseits so rigide ist, daß die Beziehungen der Modalpartikeln zu anderen grammatischen und pragmatischen Phänomenen rekonstruiert werden können. Die vorliegende Arbeit ist deshalb von bestimmten Prinzipien der Analyse ausgegangen, und zwar: (a) der Trennung von Bedeutung und Verwendung, d.h. daß eindeutig pragmatische Faktoren wie z.B. < KONNEX > bei Thurmair (1989) nicht zur Bedeutung von Modalpartikeln gerechnet werden sollten; (b) der Trennung der semantischen Form von der konzeptuellen Struktur im Sinne von Bierwisch (1983a); (c) der Auffassung, daß sich die Bedeutung der akzentuierten Modalpartikel zerlegen läßt in einen Bestandteil, der der Bedeutung der unakzentuierten Partikel entspricht, und einen Bestandteil, der der kontrastiven Interpretation entspricht; (d) der Auffassung, daß sich die sog. Varianten der Modalpartikel prinzipiell reduzieren lassen, wenn man rein pragmatische Aspekte isoliert und die Aufmerksamkeit auf die wörtliche Bedeutung richtet. In Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung der Forschung wurde angenommen, daß die Bedeutung der Modalpartikeln als Sprechereinstellung zu einer Proposition zu verstehen ist. Vor dem Hintergrund des Modells von Bierwisch (1983a) ergibt sich daraus die Frage, ob diese Bedeutung auf der Ebene der semantischen Form und/oder der konzeptuellen Struktur anzusiedeln ist. In Kap. 5 habe ich für eine modulare Analyse plädiert, derzufolge es Bedeutungskomponenten auf beiden Ebenen gibt, die Sprechereinstellung aber zur konzeptuellen Struktur zu rechnen ist. Es ist im Verlauf der Arbeit deutlich geworden, daß die Forschung von einer expliziten, synchronische und diachronische Aspekte gleichermaßen berücksichtigenden Analyse auch nur einer einzigen Modalpartikel weit entfernt ist. Anstatt dies anzustreben, habe ich in den einzelnen Studien dieser Arbeit vielmehr bezüglich jeder Modalpartikel bestimmte Aspekte hervorgehoben, die für die theoretische Erfassung der mit der Kategorisierung, Akzentuierung und Grammatikalisierung verbundenen Probleme vielversprechend erschienen. Es ist wahr, daß jede Modalpartikel ihre eigene Geschichte hat und in individuellen Verwandtschaftsverhältnissen zu anderen Lexemen und Kategorien steht. Man muß sich also vor vorschnellen Generalisierungen hüten, aber auch davor, zu vieles an Unverstandenem in den Topf der Idiosynkrasie zu werfen. Ein Ergebnis dieser Arbeit bezüglich des einleitend genannten Problems der akzentuierten Modalpartikeln ist folgendes: Es konnte gezeigt werden, daß mindestens für die Modalpartikeln DOCH, JA, SCHON, aber auch EIGENTLICH, DENN, EH Äußerungskontexte
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existieren, in denen sie aufgrund ihres Kontrastakzents eine kontrastive Interpretation erfahren. Es sind dies Kontexte, in denen der Kontrastakzent auf eine weitere, im Kontext relevante, geäußerte oder erschlossene Proposition verweist, die zu der Proposition, auf die sich die Modalpartikel unmittelbar bezieht, im Kontrast steht. Dieses Phänomen wurde als modaler Kontrast bezeichnet, und ich hoffe gezeigt zu haben, daß dieser Begriff linguistisch fruchtbar ist. Im einzelnen wurden zwei Kontexttypen betrachtet. Der erste Kontexttyp enthält eine Äußerung eines Satzes eines Sprechers A mit einer negativen Proposition -p, die zu einer Äußerung eines Satzes eines Sprechers B mit einer positiven Proposition p, zu welcher der Sprecher durch die fokussierte Modalpartikel eine bestimmte Einstellung ausdrückt, im Kontrast steht. Dieser Kontexttyp wurde insbesondere bei EIGENTLICH, DOCH, assertivem/reaktivem JA, SCHON und DENN untersucht. Der zweite Kontexttyp enthält nicht notwendig eine bestimmte Vorgähgeräußerung, auf die der Kontrast gerichtet ist, sondern eine relevante kontrastierende Proposition muß aus der Diskursgeschichte erschlossen oder als relevant konstruiert werden. Dies konnte am Fall von intentionalem JA gezeigt werden und wurde auch bei EH deutlich. Es wurde auch gezeigt, daß diejenigen Modalpartikeln, die keinen Kontrastakzent erhalten können, eine Bedeutung haben, die mit der kontrastiven Interpretation nicht harmoniert. Dies wurde am Fall von einfach/ruhig/glatt, halt und etwa demonstriert. Kontrastakzentuierung scheint also prinzipiell offen für alle Modalpartikeln zu sein, ist aber restringiert durch bestimmte grammatische und pragmatische Faktoren. Wünschenswert ist nun eine vergleichende empirische und theoretische Analyse von Kontrastphänomenen. Zu diesen wären neben den erwähnten kontrastakzentuierbaren Modalpartikeln auch WOHL, NICHT und die diversen Erscheinungen des Verum-Fokus zu rechnen. Es wäre auch an die Einbeziehung bestimmter Satzadverbien und Konjunktionen wie obschon, obwohl, obzwar, obgleich usw. denken. Daraus könnte dann eine Theorie des Kontrasts erwachsen, die dem Kontrastfokus in der Theorie der Informationsstruktur ein größeres Eigengewicht verleiht und den Bezug zur Diskursorganisation und zur pragmatischen Interpretation noch genauer analysiert. Es ist auch deutlich geworden, daß die Frage der Kontrastakzentuierung mit der Kategorisierungsproblematik zusammenhängt und auf diese Weise auf das einleitend genannte Problem der Homonymie (in meiner Terminologie: Heterosemie) von Modalpartikeln verweist. Diese Problematik wurde am Beispiel der akzentuierten Partikel DOCH in Kap. 4 entfaltet. Es wurde argumentiert, daß es synchron kein Adverb DOCH gibt, sondern daß es sich dabei um eine kontrastakzentuierte Modalpartikel handelt. Ein wesentliches Ergebnis unserer Untersuchungen zum Problem der Heterosemie war, daß die Ambiguität bzw. Disambiguierung zwischen Lesarten eine wichtige Rolle spielt. Dies wurde in Abschnitt 2.2 an vielen Fällen der Ambiguität zwischen Modalpartikeln und ihren Heterosemen illustriert und anhand der Interaktion von werden und schon in Abschnitt 6.4.4 detailliert behandelt; hier habe ich angenommen, daß die Entwicklung der modalen Lesart von schon aus der temporalen Lesart des Temporaladverbs abzuleiten ist und durch
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die gleichzeitige Modalisierung mit werden unterstützt wird. Daß Modalpartikeln selbst eine disambiguierende Funktion haben können, zeigte sich in der Diskussion fnhd. ModalpartikelBelege in Kap. 5, wo die Modalpartikelny'a und JA mit der epistemischen vs. nicht-epistemischen Lesart von Modalverben zu korrelieren schienen. Solche Beobachtungen deuten dahin, daß die Herausbildung von Modalpartikeln im breiteren Kontext der Entwicklung von Modalität bzw. Subjektivierung im Sinne Traugotts (1989) zu sehen ist. Während es für gewisse Rahmenbedingungen der Heterosemie, nämlich die synchrone Kategorisierung und das Wesen der Akzentuierung, adäquate empirische und theoretische Vorstellungen gibt, ist für keine einzige Modalpartikel ihre Entwicklungsgeschichte wirklich bekannt, so daß man höchstens fragmentarisches Wissen darüber hat, wie sich neue Kategorien aus bereits etablierten entwickelt haben. In bezug auf den Partikelbereich fehlt es hier einerseits an sprachhistorischen Daten, anderseits aber auch an empirisch begründeten theoretischen Konzepten für den morphosyntaktischen und semantischen Wandel. Dennoch ist deutlich geworden, daß der Versuch einer Analyse solcher komplexen Prozesse des morphosyntaktischen und semantischen Wandels mithilfe von Überlegungen zu Arten der konzeptuellen Verschiebung, der Konventionalisierung konversationeller Implikaturen und der Metapher zu interessanten Resultaten führen kann. Wie am Fall von schon in Kap. 6 deutlich geworden ist, macht die Entwicklung der Modalpartikeln Gebrauch von einer allgemeinen kognitiven Fähigkeit des Menschen, nämlich der metaphorischen Strukturierung von Wissensdomänen. Nachzuzeichnen, unter welchen sprachlichen und kognitiven Bedingungen eine solche Entwicklung stattfinden kann, war das Ziel der vorgelegten Studien.
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